me ‘ ‘ & ’ 5 “ . i ' 244,3 a Dur ‘ un e ' ws ' ‘ ‘is un. a Vis tyne, reg boyteen yy ches Tre 4 AH iR Eee ae es hanin ITTKTaIT er u gast Be er ve Dee une PERLE IR eet tay ya . aes dis: LESE ESCHE ir Tebacet are Br ‘ ent Fu IF ae Ke eases CET 4 2 rn j une FOR THE. PEOPLE FOR EDVCATION FOR SCIENCE LIBRARY OF THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY =m rt | ns Be vr. ha Maven cut une a Ham er, he bbs ey Nach m iy a ei EN ‘ Bra! Be Rn N Br ' ? EN ane fr Ro s a re : ‘, mY a LA vn A, ‘a Di aa oP ted N ay ate a PAD aki ll Nl a 4 ney ws Uy Nine “ ing ; hs ge MORPHOLOGISCHES JAHRBUCH. Te ae EINE ZEITSCHRIFT ANATOMIE UND ENTWICKELUNGSGESCHICHTE, HERAUSGEGEBEN VON CARL GEGENBAUR, PROFESSOR IN HEIDELBERG. EINUNDZWANZIGSTER BAND. MIT 21 TAFELN UND 108 FIGUREN IM TEXT. LEIPZIG VERLAG VON WILHELM ENGELMANN 1894. ea GTN Feta PEE TAN AME N I UN” ih NAT ih Mb; ¢ 1 ‘ "Al a | AIR CED iA) ~ Ou . 4: 3 Fy > = 3 Bent - } 3 ey te PtH, ri ‚anas Nal2aaaNAwSonunlg : KAT At AA eee Id AL re woh Git ep ee P 1 } NEH at SrA Ceol DELS Ve BO vA Te iv N N — Inhalt des einundzwanzigsten Bandes. —_—ee Erstes Heft. Ausgegeben am 27. Februar 1894. Zur Phylogenese der Zunge. Von C. Gegenbaur. (Mit 5 Fig. im Text.) . Uber die Entwicklung der Abdominalvene bei Salamandra maculata. Von F. Betten TR ee 3 au ly Seo Rp ec tet Beiträge zur Kenntnis der Placophoren. Von B. Haller. (Mit Taf. IL)... Uber die Entwicklungsgeschichte des Bulbus cordis bei Amphibien und Rep- nen: Von A. Langer. (Mit.22 Fig. im Text.) 20.0.0. 255. We we Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. Ein Beitrag zur vergleichen- den Anatomie des Säugethierkehlkopfs. Von E. Göppert. (Mit Taf. III ER Er a ER ie en ey, te Ve: wine an, a ee Glatte Muskelzellen in der Cutis der Anuren und ihre Beziehung zur Epider- et ee ABM Bk a Mas Bee ne ts, cio ae, -a Zweites Heft. Ausgegeben am 6, April 1894. Uber die Herkunft der Scleroblasten. Ein Beitrag zur Lehre von der Osteo- genese. Von H. Klaatsch. (Mit Taf. V—IX und 6 Fig. im Text.). . Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremitäten, dar- gelegt am Beckengürtel, an dessen Muskulatur sowie am Plexus lumbo- metas. Von I, Bolk (Mit 14 Wig. mm Vert)... . „4. 00 00 nu Der Musculus obliquus superior oculi der Monotremen. Von E. Göppert. a Bst 2 RN RER ER 4 Drittes Heft. Ausgegeben am 22. Juni 1894. Zur Morphologie der Wirbelthierkralle. Von J. E.V. Boas. (Mit Taf. X—XI ee a ER N NEE we nn Uber die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. Von J. C. free Meijere..: (Mit 41 Fig. im Text). 7» HS aus sau Km _ Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. Von Paul Scheidt. et Taf, ZIE). ee neun Über eine Variation des Platysma myoides des Menschen. Ein Beitrag zur Morphologie dieses Muskels. Von O. Seydel. (Mit 1 Fig. im Text.) Seite 1 40 152 153 241 278 281 312 425 . 463 IV Viertes Heft. Ausgegeben am 18. September 1894. Seite Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen und höheren Wirbel- thieren. Ein Beitrag zur Phylogenie der quergestreiften Muskelfaser. Von F. Maurer. (Mit Taf. XIII—XVI). .°. 7... Gosze De 473 The Development of the Olfactory Organ in the Teleostei. Von J. F. Holm. (Mat Wat. XVII a. 1 Bis. im Text)... .... 2.272007 ee 620 Die morphologische und histologische Entwicklung des Kleinhirns der Te- leostier. Von A. Schaper. (Mit Taf. XVIJI—XXI u. 1 Fig. im Text.). 625 Zur Phylogenese der Zunge. Von C. Gegenbaur. Mit 5 Figuren im Text. Wie ein Organ zu seiner Entstehung gelangt und welches die Bedingungen dazu sind, bleibt eine der Hauptaufgaben der Morpho- logie, die in dem Maße sich wissenschaftlich gestaltet, als sie die Causalmomente für jene Bildungsvorgänge darzulegen vermag. In dieser Hinsicht ist uns von der Zunge nicht viel bekannt. Das Organ erscheint in der niedersten Abtheilung der cranioten Wirbel- thiere als ein in auferordentlicher Modifikation sich darstellendes Gebilde, von welchem wir nur Andeutungen dafür besitzen, dass es sich auf das, was man bei den Gnathostomen »Zunge« nennt, bezieht. Erst bei diesen beginnt eine kontinuirliche Reihe von Bildungen, die von einander ableitbar erscheinen. Bei den Fischen ist es die die Copula des Hyoidbogens überziehende Schleimhautfalte, welche als Zunge gilt, einen Vorsprung in die Mundhöhle bildend. Je nach der Verdickung dieser Schleimhaut oder der Ausbildung submucisen Gewebes ist dieser Vorsprung schon bei Selachiern mehr oder minder mächtig entfaltet und unter den Ganoiden bei Amia und Polypterus nicht sehr davon verschieden, wie er auch bei Teleostiern vielfach sich ähnlich darstellt. Lepidosteus besitzt das Organ unter Aus- bildung eines als Basihyale bezeichneten Knorpels (W. K. Parker) in größerer Selbständigkeit, die durch die dem gesammten Kiefer- gaumenapparat angepasste bedentendere Länge, sowie durch die jaterale Abgrenzung des Organs von der Nachbarschaft des Mund- höhlenbodens sich ausspricht, wie sie auch am vordersten freien Theile besteht. Es ist aber auch hier in der Struktur nichts Neues Morpholog. Jahrbuch. 21. 1 2 C. Gegenbaur dazugetreten, so wenig als bei den Teleostiern, wo jenes selbe Skelet- stiick (als »Os entoglossum«) die Unterlage des Zungenvorsprunges abgiebt, oder wo diese, wie z. B. bei Siluroiden, vorzüglich durch die Endglieder des Hyoid selbst dargestellt wird. Wenn wir in den Fällen, wo die Schleimhaut glatt den Zun- genwulst überkleidet, nur in den Bewegungen des gesammten Hyoid- apparates eine bei Bewältigung der aufgenommenen Nahrung in Aktion tretende Wirkung erkennen können, so erscheint bei einem vielen Fischen zukommenden Zahnbesatz der Zunge diese Wirkung mehr lokalisirt und präeisirt. Das Organ steht aber dann nur durch die ihm von Seite des Hyoidapparates zukommende Beweglichkeit auf einer höheren funktionellen Rangstufe als andere bezahnte Theile des Mundhöhlenskelettes, indem es die Einführung von Nahrung zu leiten vermag. Bei diesen außerordentlich mannigfaltigen Erscheinungen der »Zunge« der Fische waltet aber doch eine bedeutende Monotonie in der Konstitution, an welcher Skeletunterlage und Schleimhautüber- kleidung mit ihren Hartgebilden als einziger Faktor erscheinen'. Dazu bildet das muskulöse Organ der Amphibien einen lebhaften Kontrast, der sich eben so in dessen Leistungen darstellt. Hier sind Muskeln in die Zunge gelangt, und damit beginnt eine neue Ein- richtung, die sich mehr oder minder ausgebildet bei Sauropsiden und Säugethieren forterhält, und die Zunge besonders bei den letz- teren auf eine hohe Stufe der Ausbildung als muskulöses Organ ge- langen lässt. Die hohe Bedeutung, welche die Muskularisirung der Zunge besitzt, indem sie das Organ zu einem neuen gestaltet, lässt die Frage entstehen, yelches der Anlass zu dieser Veränderung gewesen sei oder welches causale Moment jenem Vorgange zu Grunde liege. Mag man sich auch mit der Thatsache begnügen, dass Muskeln sich des vordem ohne solche existirenden Organs be- mächtigt haben, indem sie in dasselbe sich fortsetzten, so ist doch damit nur eine Aufgabe der Forschung gegeben, die erst 1 Cuvier erwähnt das Vorkommen von Muskeln in der Zunge von Fischen als Seltenheit. Bei Aalen (Anguilla, Conger etc.) soll ein M. hyoglossus vom Hyoid zur Seite der Zunge verlaufen, und ein lingualis transversus deutlich sichtbar sein (Lecons, sec. Edit. T. IV. I. pag. 592). Man muss gegen diese Angaben Bedenken tragen, da für Anguilla vulgaris von LupwıG FERDI- NAND, Prinz von Bayern, Muskeln in der Zunge nicht aufgefunden wurden (Zur Anatomie der Zunge. 4, München 1884). Außer dem »Os entoglossum« bildet Bindegewebe und Fett das Innere (Taf. II Fig. 3 und 4). | Zur Phylogenese der Zunge. 3 dann gelöst erscheint, wenn wir verstehen, warum jenes »Einwachsen« stattfindet. Man kann vielleicht sagen, es sei nichts leichter, als jene Muskularisation zu verstehen. Die Muskeln, die man ja kennt, auch in ihrer nachbarlichen Lage zur Zunge, begeben sich mit einzelnen Portionen in die Zunge, welche daraus den Vortheil der aktiven Beweglichkeit und der damit größer gewordenen Lei- stungsfähigkeit empfängt. Letztere Thatsache ist gewiss richtig, aber das Erreichte kann nicht als Ursache gelten, so wenig als das Ende die Ursache des Anfangs ist, und das scheint mir nothwendig: solche wenn auch verkappte Teleologien zurück- zuweisen. Es ist aus dem Faktum der Verbindung der Zunge mit Muskeln an sich gar nichts für das Causalmoment zu ersehen. Dass da sofort, wie mit einem Schlage, die Zunge muskulös und als solche zu anderer Funktion geeignet wird, wäre eine durch nichts zu begründende Annahme, da vielmehr alle Veränderungen und Um- gestaltungen im Organismus successive vor sich gehen und mit kleinsten Anfängen beginnen. Jene Anfänge wandeln aber die Zunge noch lange nicht zu dem Organe um, welches durch seine Mus- kulatur etwa beim Schlingen oder auch sonst bei Bewältigung der Nahrung thätig ist, und es ist völlig auszuschließen, dass dieser Endzustand gleich beim Beginne der Muskularisirung entstanden sei. Den rascheren Ablauf ontogenetischer Processe auf das Tempo der Phylogenese zu beziehen und in ersteren das treue Bild des phylo- genetischen Weges zu erkennen, ist ein großer Irrthum, wie die vergleichende Anatomie hundertfältig an positiven und negativen Exempeln erweist. Wie es bequemer ist, das Excerpt statt des Elaborates einzusehen, so kann man dem ontogenetischen Ergeb- nisse ähnliche Rechte einräumen, aber man wird dabei nicht ver- gessen dürfen, dass jene Acten nicht vollständig sind, indem sie nicht Alles, was während der Phylogenese sich zutrug, enthalten. Wie viele Fragen in den die Ontogenese der Zunge betreffenden - Angaben noch ungelöst sind, lehrt ein Blick auf die höhere Wirbel- thiere betreffenden Angaben, welche das Organ bald paarig, bald unpaar auftreten lassen, und auch das Material verschiedener Kiemen- bogen dazu beanspruchen. Dass aus diesem ein »Wulst« sich bildet, der mehr oder minder die Mundhöhle ausfüllt, giebt keine Vorstel- lung des phylogenetischen Vorganges, eben so wenig als die Angabe, dass in jenem Wulste Muskulatur sich entwickele, denn es fehlen dabei alle Causalmomente, an deren Hand allein wir die Genese zu verstehen vermögen. 1* 4 C. Gegenbaur Stellen wir die Frage, wie es gekommen sei, dass das bei Fischen der Muskulatur entbehrende Organ sich in den héheren Ab- theilungen zu einem muskulösen gestaltete, so werden wir uns also nicht mit der Vorstellung bescheiden dürfen, dass Muskulatur einwuchs, denn der erste Beginn eines solchen Processes, wie er doch mit kleinstem Anfange gedacht werden musste, liefert noch keine mus-. kulöse Zunge, kein dem Organismus durch seine Beweglichkeit bei der Nahrungsbewältigung nützliches Organ. Es fehlt also hier jeder Anlass zu einer Weiterbildung, wie ja auch keiner für den ersten Anfang einer Muskularisirung vorhanden war. Die Forschung nach jenen Verhältnissen, welche die muskulöse Bildung der Zunge herbeiführten, wird bei Amphibien einzusetzen haben, denn bei diesen erscheint die Zunge im Gegensatz zu den Fischen zuerst als muskulöses Organ. GOETTE! hat zuerst genaue An- gaben über die Anlage der Zunge mitgetheilt; sie beschränken sich aber nur auf den ersten Zustand, als einen »nach vorn gerichteten Auswuchs des Darmblattes«, und des zwischen diesem und dem Zungenbein befindlichen Bildungsgewebes. In Folgendem gebe ich daher eine Darstellung der von mir ermittelten Thatsachen von der Ontogenese des Organs bei Salamandra und Triton. Aus beiden Gattungen bieten jüngere Larven ziemlich übereinstimmende Befunde. Die Schleimhaut der Mundhöhle tritt von der Überkleidung des Ske- lettes der Kiemen vorn über die vorderste Copula wie über den zu dieser gelangenden Hyoidbogen hinweg und senkt sich in eine diese Theile vom Unterkiefer trennende Einfaltung, gegen welche somit der Kiemenapparat — von einer Zunge kann noch keine Rede sein, — einen Vorsprung bildet. Dieser Vorsprung, der mit dem von GOETTE bei Bombinator gesehenen übereinstimmt, bildet den Aus- gangspunkt wichtiger Veränderungen. Bei etwas älteren Larven zeigt die noch einfache, von bereits zweischichtigem Epithel über- kleidete Schleimhaut eine Verdickung ihrer bindegewebigen Grund- lage. Hyaline Intercellularsubstanz, von Bindegewebselementen durch- setzt, bildet am Vorderrande jenes Vorsprungs eine allmählich be- deutender werdende Schicht. Sie ist auf den Schnitten der Serie vom Epithel aus kontinuirlich bis zu den Knorpelstücken des Hyoid zu verfolgen, ohne eine Sonderung in verschiedene Straten, die etwa als Submucosa und Mucosa zu deuten wären, wahrnehmen zu lassen. Nur unmittelbar am Knorpel giebt sich aus der Stellung der Zellen ' Entwicklungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. pag. 668. Zur Phylogenese der Zunge. 5 ein etwas anderes Verhalten kund, so dass man von einer peri- ostalen Schicht sprechen kann. Aber diese ist nur eine einfache dünne Zelllage, welche gegen die übrige Gewebsmasse völlig zurück- tritt. Es ist also hier ein vom Hyoid vorragender Wulst (Fig. 1 Z) entstanden, welcher vom Epithel überkleidet wird. Die Muskulatur des Kiemen- und Zungenbeinapparates ist an jener Bildung gänzlich unbetheiligt und bewahrt ihre frühere Anord- nung. Die Wulstbildung hat zwar ihre größte Aus- dehnung nach vorn hin, allein sie erstreckt sich dann auch etwas nach der oberen Fläche in Über- lagerung des Copular- knorpels, so dass man sich den Bindegewebs- wulst mit gewölbter Ober- fläche zu denken hat. Die nächsten Ver- änderungen, wie sie mir sowohl bei Triton als auch bei Salamandra be- kannt geworden, betreffen das Epithel, welches jetzt nicht mehr die regelmäßige Zweischichtigkeit darbietet. Am ganzen Vorderrande der Horizontalschnitte zeigen sich kleine Verdiekungen, in ziemlich regelmäßigen Abständen vertheilt und etwas in die Schleim- haut vorspringend. Sie geben sich als becherférmige Sinnes- organe zu erkennen (s), wie sie auch noch später auf der Zunge vor- kommen. Der Zungenwulst tritt damit zuerst aus seinem indifferenten Verhalten. Auch in dem Bindegewebe sind außer den durch ihre Ramifikationen erkennbaren Bindegewebszellen vorher fehlende rund- liche Elemente zahlreich vorhanden, über deren Bedeutung ich nichts Sicheres angeben kann (Leukocyten?). Das nächste Stadium ward mir nur von Triton bekannt. Der schon durch die Sinnesorgane veränderte Epithelüberzug bot Ein- senkungen des Epithels in das Bindegewebe dar, welche nieht als bloße Wucherungen des ersteren gelten konnten. An einigen Stellen erscheinen sie als Griibchen. Die ersten traf ich bei Larven, bei denen die Metamorphose noch nicht begonnen hatte. Der Zungen- 6 C. Gegenbaur wulst trug nur vier bis fünf soleher Grübchen, die nach vorn hin offen waren. Das ist der Anfang einer mächtigeren Bildung, welche bis in die Zeit der Metamorphose, wie es scheint, sehr rasch weiter schreitet. Während die zuerst entstandenen epithelialen Einsenkungen in längere Schläuche auswachsen, kommen in deren Umgebung neue hinzu, und so gestaltet sich der Zungenwulst zu einem von Schläuchen durehsetzten Gebilde. Dass wir es hier mit Drüsen zu thun haben, bedarfkeiner Betonung. Die Griibchen sind die Anfänge von Drüsen- schliuchen, die ich auch beim Salamander wahr- nahm. Sie bieten in ihrer größeren Anzahl horizontalen Verlauf. Zuerstgerade gestreckt, bilden sie, länger ge- worden, leichte Schlän- gelungen und zeigen sich auch im Kaliber nicht völlig gleichmä- Big, indem besonders terminal leichte alve- oläre Buchtungen hin und wieder wahrnehm- bar sind. Wie Horizon- talschnitte lehren, ist die Mehrzahl dieser Drüsen in dieser selben Ebene befindlich, aber auch von der oberen Fläche her ist die gleiche Bildung erfolgt, und die von da aus entstandenen unter- mischen sich mit den anderen. Mit diesem Vorgange ist das hyaline Bindegewebe als kompakte Masse verschwunden, indem es nunmehr zwischen den zahlreichen neu eingewucherten Drüsenschläuchen Ver- theilung fand. So erscheint das ganze Gebilde als ein drüsiges Organ. Das auf diese Weise entstandene Driisenorgan zeigt sich bei Triton wie bei Salamandra etwas in zwei lateralen Abschnitten vor- Zur Phylogenese der Zunge. 7 springend und ist vom Zungenbein-Kiemenapparate durch eine Furche abgesetzt (vgl. Fig. 2). Bis in die Metamorphose hinein besteht der genannte, die Zunge darstellende Vorsprung nur aus den Drüsen und spärlichem interstitiellen Gewebe und entbehrt muskulöser Elemente. Aber noch während der Metamorphose, gegen das Ende derselben, trifft man Muskelfasern an, zwischen die Enden der Drüsen- schläuche fortgesetzt, aber in verschiedenen Verlaufsrichtungen. Die Zunge wird muskularisirt. Mit diesem Vorgange scheint, wenig- stens bei Salamandrinen, die Auflösung der ventralen Kontinuität des Hyoidbogens zeitlich sich zu verbinden. Da damit einem Theile der bezüglichen Muskulatur der Zusammenhang mit dem Skelette entzogen wird, und die Muskelfasern freie Enden erhalten, so möchte man annehmen, dass daraus jener Vorgang entspränge. Zum Theile lässt sich das auch nachweisen. Ich verweise dabei auf Fig. 2, in welcher die Muskularisirung schon sehr deutlich erkennbar, wenn auch vom völlig ausgebildeten Zustande noch fern ist, obwohl die Metamorphose bereits ganz zu Ende gelangte. Von den auf dem Schnitte befindlichen Zügen des M. sterno-hyoideus (sh) zweigen sich einige Fasern lateral vom Endgliede (4) des Hyoid (#7) ab und sind zur Zunge gerichtet. In der Fortsetzung dieser Fasern sind Strecken anderer bemerkbar, und solche Stücke lassen sich noch in größerer Anzahl zwischen den Zellen des Bindegewebes und indifferenten Zell- kernen wahrnehmen (m). Diese Muskelfaserstiickchen sind von tie- feren Lagen des Sternohyoideus abgezweigt. Der weitere Gang der Ausbildung der Zunge liegt außerhalb der mir gesteckten Aufgabe, welche in den ersten Zuständen ihren Angelpunkt besitzt. Diese Befunde zeigten die Sonderung des Organs vorbereitet durch eine Bindegewebswucherung vor und auf dem Hyoidbogen, und fernerhin eine, in mächtiger Weise stattfindende Drüsenentfaltung, während re- lativ erst spät eine Muskularisirung Platz greift. Die Beurtheilung der geschilderten Thatsachen führt uns zu- nächst zu einer Vergleichung des Vorläuferstadiums. Der bei den Amphibien transitorische bindegewebige Wulst ist dauernd realisirt bei den Fischen, in so fern bei diesen an der gleichen Stätte eine bindegewebige Verdiekung der Schleimhaut besteht. Während diese aber hier außerordentlich mannigfaltige, Eingangs zum Theile an- gedeutete, auch durch Zahnentfaltung beherrschte Differenzirungen 8 C. Gegenbaur darbietet, zeigt sich bei Amphibien das indifferentere Verhalten auch in der Beschaffenheit des Bindegewebes. Den Mangel von Driisen theilt dieses Stadium mit dem Zungenwulste der Fische, unter denen Drüsen auch bei den Dipnoern fehlen. | Dagegen kommt bei den Amphibien dem Epithel eine neue Rolle zu, wenn aus ihm ein mächtiger Drüsenapparat sich sondert. Daraus entsteht für das Organ eine neue Bedeutung, und wir werden es nunmehr nicht in gleicher Art, wie den Zungenwulst der Fische, beurtheilen dürfen. Die Funktion wird im Sekrete der Drüsen zu suchen sein, deren Menge auf ein nicht geringes Maß des Sekret- quantums und damit also der Leistung schließen lässt. © Die Örtlichkeit der Drüsen giebt einen Fingerzeig für die Art der Verwendung des Sekretes. Es wird beim Ergreifen der Nahrung dienen, welche, vom geöffneten Munde erfasst, zuerst mit jenem Drüsenkomplexe in Kontakt gelangt. Mag die Wirkung des Sekretes nur eine klebende sein, wie es wahrscheinlich ist, oder eine andere, die wir nicht kennen, so bildet immerhin das Sekret die einzige Be- deutung des Organs, so lange dasselbe noch der Muskulatur entbehrt. Seine Bewegungen sind dann an jene des Kiemenbogenapparates seknüpft, und wenn durch dessen Aktionen die Zunge eben so wenig wie bei den Fischen aus dem Munde vorgestreckt werden kann, so kommen doch mit der Rückbildung der Kiemenbogen am Ende der Metamorphose in jener Richtung günstigere Verhältnisse zum Vorschein. Wie das Organ selbst schon während der Metamorphose durch die Ausbildung der Drüsen voluminöser ward, so wird es, dem Mundrande näher gebracht, beim Ergreifen der Nahrung sich mit bethätigen. In dieser Wirksamkeit sehe ich die erste Funktion des Organs, welche, wenn auch schon während des Larvenlebens vorbereitet, erst mit dem Erlangen einer terrestren Lebensweise zur vollen Geltung kommen kann. Auch die Erwerbung dieser Einrichtung wird an jene Änderung der Lebensweise geknüpft betrachtet werden müssen, da sie für den Aufenthalt im Wasser kaum eine Bedeutung haben dürfte. Man kann sich vorstellen, dass den ersten Amphibienformen aus einem vom Schleimhautüberzuge des Zungenwulstes gelieferten Sekrete ein Vortheil beim Erhaschen der Nahrung erwuchs, und sei es auch nur, dass diese, vielleicht aus Insekten bestehend, bei der ersten Berührung mit dem Munde schon haftete, bevor noch der Kieferschluss die Bezahnung wir- ken ließ. Reicheres Sekret, wie die Vergrößerung der Schleimhaut- oberfläche es lieferte, steigerte den Vortheil. Die Vergrößerung der Zur Phylogenese der Zunge. 9 secernirenden Oberfläche führte durch Griibchenbildung successive zur Entstehung jener mächtigen Drüsenschläuche, wie sie uns vorhin ent- gegentraten. Die Ontogenese der letzteren zeigt uns die Rekapitulation des phylogenetischen Ganges, welcher mit kleinen Griibchen begonnen haben muss, wie sie auch dort als » Anlagen « der Schläuche, als erster Zustand derselben erscheinen. Wenn so die Ausbildung des Drüsen- organs durch natürliche Züchtung erfolgt ist, die erst mit dem Antritte der terrestren Lebensweise der Thiere anheben konnte, da eine frühere Wirksamkeit der Drüsen als zweifelhaft erscheinen muss, so ergiebt sich in dem noch während des Larvenstadiums stattfindenden Auftreten der Drüsen ein cänogenetischer Process, den die natürliche Züchtung eben so leitet, wie die ganze Erscheinung. Aus dem früheren Beginne der Drüsenbildung entsteht dem Thiere der Vortheil des Be- sitzes des vollständigen Organs zur Zeit des Bedarfs. Diese zeitliche Verschiebung, hier Verfrühung, bringt die Zusammenziehung des phylogenetisch auf einen langen Weg vertheilten Vorganges zum Aus- drucke. Dass die Zunge als Drüsenorgan entsteht, darf aber nicht als ein Kuriosum betrachtet werden. denn an diese Thatsache knüpft sich unmittelbar auch die Muskularisirung. Wenn ein Eintritt von Fasern aus dem M. sterno-hyoideus, dann auch aus dem M. genio- hyoideus in die Zungenanlage an sich betrachtet die weitere Aus- bildung dieses Vorganges bis zur Herstellung einer muskulösen Zunge bei dem Fehlen jedes Kausalmomentes wissenschaftlich absolut un- verständlich erscheinen lässt, so liegen die Dinge nach der Drüsen- entfaltung ganz anders. Auch eine geringe Anzahl von Muskelfasern besitzt, zwischen die Drüsenschläuche gelangt, eine auf diese wir- kende Funktion. Auch wenn sie noch nicht bis zu den Drüsen selbst vorgedrungen sind, muss die Kontraktion der Fasern eine Einwirkung auf die Schläuche äußern, deren Entleerung bethätigend. Die drü- sige Bildung der Zunge ist damit nicht nur als eine Vor- stufe, sondern vielmehr als eine Vorbedingung für die Mus- kularisirung der Zunge anzusehen. Die Muskelentfaltung in der Zunge empfängt damit schon für ihre Anfangszustände hohen funktionellen Werth, aus welchem die Weiterentwicklung dieses Zu- standes leicht begreiflich wird. Was zu verstehen nicht möglich war, so lange man das Hauptgewicht bei der Zunge auf deren Muskulatur oder auch auf die Sinnesorgane legte und die Drüsen als etwas Neben- sächliches betrachtete, wird bei jener anderen Betrachtungsweise ver- ständlich. Die für Aktionen des Gesammtorgans bedeutungslosen ersten Zustände der Muskularisirung haben sogleich eine Thätigkeit, in der sie dem Organismus nützlich werden. 10 C. Gegenbaur Dass der erste Anstoß zur Entstehung des Organs von außen her kommt, indem er am Epithel sich kund giebt, halte ich gleich- falls für ein wichtiges Faktum, welches mit den Erscheinungen der phyletischen Organogenese in vollem Einklange steht. Es ist die Anpassung an neue, äußere Verhältnisse, wie sie beim Ubergange vom Aufenthalte im Wasser zu jenem auf dem Lande entstehen, welche auch hier wirksam geworden ist. Wenn wir im Gegensatze zum Zungenwulste. der Fische eine Zunge als gesondertes Organ bei den Amphibien entstehen und die Ausbildung, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, in derselben Abtheilung erfolgen sehen. so scheint damit die bedeutende Divergenz im Widerspruche zu stehen, welche sowohl in der äußeren Gestaltung als auch in der Struktur des Organs, und in Bezug auf die Musku- latur obwaltet. Dieses erklärt sich daraus, dass einem sich (phylo- genetisch) entwickelnden Organe mancherlei Bahnen offen stehen, die es der Anpassung folgend einschlagen kann, und dass dieselbe An- passung hier, bei einem mit der Außenwelt in naher Beziehung stehenden, weil von der Mannigfaltigkeit der Nahrung beherrschten Organe in vielerlei Weise zur Geltung kommen kann. Die drüsige Beschaffenheit der Zunge, wie sie von vielen Autoren wenigstens für caducibranchiate Urodelen und auch für Anuren als sehr ansehnlich beschrieben ward, lässt erkennen, dass der primitive Zustand noch nicht überwunden ist, und dass jene Einrichtungen der Gesammt- funktion des ausgebildeten Organs noch einen bedeutenden Antheil besitzen. WIEDERSHEIM erwähnt vom Frosche! die Verbreitung von Drüsenschläuchen zwischen den Zügen der Muskulatur. Werfen wir einen Blick auf das Verhalten bei Triton, wie es in der hier bei- gefügten Abbildung (Fig. 3) sich darstellt. An der Zunge tritt vor Allem der beträchtliche Umfang aus der Vergleichung mit dem gesammten Kopfquerschnitte hervor. Das ganze Organ ist so von Drüsenschläuchen (g/.7) durchsetzt, dass es einen einheitlichen Drüsenkomplex darstellt, und dieser Befund ist auf allen Schnitten der Serie wahrzunehmen. Die Drüsenschläuche besitzen relativ weite Lumina und winden sich so durch einander, dass der Durchschnitt nur auf kürzen Strecken die Schlauchlänge trifft und überall Querschnittsbilder von Schläuchen sich finden. Diese dringen sogar in den Boden der Mundhöhle ein, und bei oberfläch- licher Betrachtung bemerkt man keine Muskulatur. Jedenfalls fehlt ! A. Ecker, Anatomie des Frosches. Eingeweidelehre. pag. 13. Zur Phylogenese der Zunge. a1 diese als kompakte Masse vollstiindig. Dagegen treten einzelne Ziige von Muskelfasern vom Boden her ein, und nehmen in der Zunge Vertheilung zwischen den Schläuchen. Ob sie, wie beim Frosche, die Schleimhaut erreichen, lasse ich dahin gestellt sein. Eine be- stimmte Disposition ist dabei nicht zu erkennen. Man begegnet eben überall Muskelfasern, in der Regel nur vereinzelten, besonders nach der Oberfläche hin, in jedem denkbaren Verlaufe. In der Figur sind sie nicht unterscheidbar, wie denn das Gesammtvolum dieser inter- glandulären Muskulatur gegen den Drüsenantheil an der Zunge völlig zurücktritt. Querschnitt durch den Kopf von Triton alpestris. 8/1. N Nasenhöhle. nx Lateraler Nebenraum derselben. M Unterkiefer. Z Zungenoberfläche mit den Mündungen der Drüsen. gl.l in verschiedener Richtung durchschnittene Drüsenschläuche. p Gaumendriisen. mm Muskulatur des Bodens der Mundhöhle, Die Zunge ist hier noch völlig Drüsenorgan, in dieser Richtung aus dem ersten Zustande weiter gebildet, und die Muskularisirung scheint vorwiegend im Dienste der Drüsen zu stehen. Man kann sich leicht vorstellen, dass die Wirkung jener überall zwischen den ein- zelnen Schläuchen verbreiteten kontraktilen Fasern an den Drüsen sich äußern muss, eine Entleerung des Sekrets herbeiführend. Mag auch dabei in der Veränderung der Konfiguration des Organs, wie sie ja bei jener Muskelwirkung zum Theile schon durch die die Kontrak- tion begleitende Sekretentleerung bewirkt wird, oder bei der Schling- bewegung ein Stück der Funktion zu finden sein, so ist doch, 12 C. Gegeubaur abgesehen yon der Unbestimmtheit der speciellen Werthe jener Lei- stungen die Beziehung zu den Driisen sicherlich die Hauptsache. In anderer Weise tritt uns der Bau der Zunge von Salaman- dra entgegen. Wie sie sich hier zum Raume der Mundhöhle verhält, lässt wieder die nachstehende Figur erkennen. Querschnitt durch den Kopf von Salamandra maculosa. 6/1. N Nasenhöhle. gl Drüsen, deren eine Schicht die Zungenoberfläche bedeckt. Andere stellen die Gaumendrüsen vor. m Muskeln der Zunge. Die Zunge ist von einer ansehnlichen Driisenschicht bedeckt, welche aus parallel neben einander stehenden Schläuchen sich zu- sammensetzt, in dichtester Anordnung und den größten Theil der seitlichen Zungenränder bildend!. Die Drüsenschläuche sind von ! Prinz LupwiG FERDINAND VON BAYERN hat diese Drüsenschläuche be- schrieben und auf verschiedenen Querschnitten dargestellt (Zur Anatomie der Zunge. München 1884), und Hou giebt der Mächtigkeit dieser Schicht be- zeichnenden Ausdruck, indem er schreibt: »Nur die Drüsen berücksichtigend, könnte man sagen, die ganze Zunge sei ein großes Drüsenfeld« (Uber das Epi- thel in der Mundhöhle von Salamandra maculata. Wiener Sitzungsber. Bd. XCII. Abth. III. 1885). Nicht so bin ich mit dem Nachsatze einverstanden, nach welchem die Zunge bei Beachtung ihrer Papillen auch »als ein mächtiger pa- pillarer Körper« betrachtet werden künne. Das möchte ich in Abrede stellen. Die Papillen haben nichts weniger als die Höhe der Länge der Drüsen, wenn man nicht etwa das zwischen zwei benachbarten Drüsenluminis befindliche Ge- webe zu der auf der freien Fläche befindlichen Papille rechnen will. Ich kann unmöglich glauben, dass Hott die Sache so ansieht; desshalb ist mir auch seine Angabe absolut unverständlich. Die von ihm auf einem Längsdurch- j \ : \ Zur Phylogenese der Zunge. 13 ziemlich gleicher Linge, und zeigen besonders gegen den vorderen Theil der Zunge hin am blinden Ende Ausbuchtungen, die ich am hinteren Abschnitt der Zunge vermisste. Auch Ramifikationen bestehen hier, wie schon von Hott bemerkt wurde. Die Drüsenmündungen liegen zwischen den feinen Fältchen, welche die Oberfläche der Zunge auszeichnen und von Leypie! längst beschrieben sind. Die beider- seits vom Boden der Mundhöhle eindringende Muskulatur tritt unter Kreuzung ihrer Lagen (s. Fig. 4) zur Drüsenschicht, in welche die einzelnen Fasern eindringen. Es lässt sich also auch hier eine Be- ziehung zur Muskulatur erkennen. Bei Vergleichung mit Triton ist der Drüsenapparat viel reicher an einzelnen Schläuchen, aber die- selben erreichen bei Weitem nicht die dort vorhandene Länge. Da- durch wird ein drüsiger und ein muskulöser Theil der Zunge schärfer unterscheidbar, was bei Triton nicht der Fall ist. Da der Drüsen- theil fast die gesammte freie Zunge vorstellt, und die Drüsen so schnitte abgebildete Papille (Fig. 2) finde ich allerdings in Übereinstimmung mit Drüseninterstitien, die Epithelbekleidung mit dem Epithel der Drüsen. ! Anatomisch-histologische Untersuchungen über Fische und Reptilien. Berlin 1853. pag. 39. Diese Leistchen sind nach HoLu »nichts Anderes als ein System von in Längsreihen gestellten Papillen«. Dadurch wird jedoch die Existenz der Leistehen nicht in Abrede gestellt. 14 C. Gegenbaur dicht stehen (man vergleiche die vorstehende Figur 5 [pag. 13], welche einen Horizontalschnitt durch den Drüsentheil vorstellt), dass das interstitielle Gewebe hier auf ein Minimum sich beschränkt, so ist das Vorwalten der ursprünglichen Natur des Organs, wie es bei Triton erschien, nicht zu verkennen. Wenn aber auch bei Triton durch die bedeutendere Länge des Drüsenschlauches eine Weiter- bildung und damit scheinbar ein höherer Zustand sich ausdrückt, so ist dieser doch hinsichtlich der Gesammtheit der Zunge mehr bei Salamandra vorhanden, da hier bereits ein rein muskulöser Abschnitt der Zunge besteht. Wie wenig er sich auch über die Ebene des Bodens der Mundhöhle erhebt, so ist doch in ihm ein nicht geringer Fortschritt ausgedrückt. Indem wir den Ausbildungszustand des Organs nach dem ver- schiedenen Maße der in es eingetretenen Muskulatur beurtheilen, zeigen sich die Perennibranchiaten und Derotremen auf einer niederen Stufe der Zungenentfaltung, und J. G. FiscHEr! sagt, dass deren Zungenmuskeln »richtiger als Muskeln des Bodens der Mundhöhle zu bezeichnen seien, denn einer wirklich muskulösen Zunge er- mangeln alle Gattungen ohne Ausnahme«. Dass aber auch hier nicht völlig fremde Verhältnisse bestehen, geht aus den Angaben desselben Autors über den vom Geniohyoideus abgezweigten Genioglossus hervor, welcher zu der die Zunge vorstellenden Schleimhautpartie der Mund- höhle gelangt. Über den Bau der Zunge bemerkt Leypre (l. e.) von Proteus das Fehlen von Drüsen. Dem zufolge besteht unter jenen Urodelen ein niederer Zustand des Organs, welcher mit dem Aufent- halt derselben im Wasser harmonirt. Für unsere Frage bleibt dabei von untergeordnetem Interesse, ob jener Befund eine direkte Fort- setzung des von mir oben als primitiven geschilderten ist, oder ob er aus Rückbildung einer vollkommneren Einrichtung hervorging, die vorauszusetzen ist, wenn diese Thiere nach der von Boas? trefflich begründeten Hypothese von dem Aufenthalte auf dem Lande wieder zu der früheren Lebensweise zurückgekehrte Formen vorstellen. Zu einer in dieser Hinsicht nieht unwichtigen Aufklärung könnte der ontogenetische Weg einen Beitrag liefern. Hinsichtlich des Drüsenbesatzes der Zunge der Amphibien ist noch ein Punkt in Betracht zu ziehen. Er betrifft die Abstammung ! Anatomische Abhandlungen über die Perennibranchiaten und Derotremen. Hamburg 1864. pag. 66. 2 Morpholog. Jahrbuch. Bd. VII. pag. 562. Zur Phylogenese der Zunge. 15 der Drüsen. Älteren Darstellungen entgegen ward durch GoETTE ! ge- zeigt, dass die Anlage der Zungenschleimhaut bei Bombinator aus dem Entoderm entsteht und das Gleiche wird auch für Salamandrinen von demselben Autor gelegentlich erwähnt. Diese Thatsache hat dadurch Bedeutung, dass eine nach Art der Darmdrüsen entstehende Drüsen- form in phylogenetischem Sinne diese Funktion vom ersten Beginne an zu äußern vermag, während dieses bei den ektodermalen Drüsen nicht der Fall ist?. Wenn wir die Entfaltung der Zunge auf den 1 op. cit. pag. 332 und 668; ferner pag. 790 Anmerkung. 2 Der obenstehende Satz bedarf der Erläuterung, zu welchem Zwecke ich mir erlauben muss, den Drisenapparat der Wirbelthiere auf Grund unserer bis- herigen Erfahrungen in seinen phylogenetischen Verhältnissen in der Kürze zu betrachten. Von vielen einzelnen, eine ausführliche Erörterung nothwendig machenden Befunden ist natürlich an dieser Stelle abzusehen. Dem Integu- mente der Fische fehlen Drüsen nach dem diesen Organen zukommenden Begriffe. Aber von den Cyclostomen an führen die Epidermisschichten sekre- torische Elemente in beträchtlicher Anzahl. LeEypıG hat sie uns zuerst kennen gelehrt unter der Benennung »Schleimzellen«. Andere haben sie anders benannt. Da es zweifellos ist, dass diese Formelemente eine gewisse Substanz in sich abscheiden, gehören sie in die Reihe der sekretorischen Einrichtungen. Sie stellen oft mächtige Schichten vor, schon unter den Cyclostomen (Bdellostoma), auch noch bei den Dipnoern. Da nun ein Theil von ihnen jenseits der Ober- fläche der Epidermis mündet, um dann als » Becherzellen« zu erscheinen, kommt ihnen vielleicht noch eine besondere Bedeutung im Integumente zu, die für jetzt noch nicht ermittelt ist. Aber wir dürfen in ihnen Gebilde sehen, welche vor- züglich nach der exkretorischen Richtung fungiren, denn ihr Sekret kommt jedenfalls im Organismus selbst nicht zur speciellen Verwendung. Solche Formelemente kommen auch bei Amphibien während des Larven- zustandes vor. Ihre Existenz beschränkt sich auf die Dauer jenes Zustandes. Mit der auch noch andere Änderungen im Integumente hervorrufenden Um- wandlung gehen sie verloren. Dagegen tritt schon in der Larvenzeit etwas Neues auf. In die Lederhaut eingewanderte Epidermiszellen bilden Gruppen sekretorischer Elemente und gewinnen, in Follikel vereinigt, nach Maßgabe der in ihnen gebildeten Sekretmenge einen verschieden starken Umfang. Diese Follikel sind die Anlagen von Drüsen, welche das Integument der Amphibien - charakterisiren. Sie entbehren zunächst noch des Ausführganges, welcher erst nach der Metamorphose deutlich wird. Das in großen Mengen abgesonderte Sekret bleibt also hier eine Zeit lang in den Drüsen resp. in den zu bedeuten- dem Volum anschwellenden Zellen derselben deponirt, bevor es nach außen gelangt. Es hat auch hier als Exkret zu gelten. Die gesammte Erscheinung ist in der Bedeutung aufzufassen, dass die vorher in der Epidermis befind- lichen, als sekretorische Zellen sich verhaltenden Formelemente in der Leder- haut Unterkunft nehmen und hier Drüsen entstehen lassen. In diesen findet der Ausscheidungsprocess eine Fortsetzung, die in der mit dem Wechsel des umgebenden Mediums unter andere Bedingungen gesetzten Epidermis nicht mehr ausführbar ist. Da die Drüsen längere Zeit ohne Ausführgang bestehen, 16 C. Gegenbaur Grund ihres ersten Aufbaus durch Driisen stellen, so ist deren schon mit dem ersten Beginn auftretende Wirksamkeit ein nothwendiges wird zu folgern sein, dass dem ihre Zellen fiillenden Sekrete wesentlich die Bedeutung eines Exkretes zukommt, ungeachtet der Verschiedenheit, die es qualitativ darbieten kann (Giftdrüsen). Dieser Drüsenapparat der Amphibien ist, wie es bis jetzt scheinen mag, bei den Sauropsiden verschwunden, dagegen knüpfen die bei den Säuge- thieren als Schweißdrüsen benannten Drüsen des Integumentes an ihn an. Sie haben nicht nur in ihren sehr verbreiteten Formen eine von der bei Amphibien leicht ableitbare Gestalt bewahrt, sondern auch ihren Muskelbelag beibehalten, welcher die Drüsen der Amphibien auszeichnet, hier wie dort unmittelbar dem secernirenden Epithel angefügt. Die als ganz besondere Gebilde erscheinenden Talgdrüsen brauchen hier nicht in Betracht zu kommen. Während der ektodermale Drüsenapparat mit Zuständen beginnt, in welchen die Abscheidung erst successive sich herstellte, indem sie in den niederen Befunden in den secernirenden Zellen längere Zeit verbleibt, so dass das Hauptgewicht in dem Austritte von Substanzen aus dem Stoffwechsel des Organismus zu liegen sich darstellt, ergiebt sich für die entodermalen Drüsen ein anderes phylogenetisches Bild. Drüsen des Darmes fehlen bei Cyclostomen und auch noch den Dipnoern gänzlich. Auch sonst ist unter den Fischen die Drüsenbildung in der Darm- schleimhaut keineswegs allgemein, und es scheint vorwiegend der Magen, in welchem wirkliche Drüsen verbreitet sind. Dagegen zeigt sich in sehr mannig- faltiger Art eine Oberflächenvergrößerung durch Falten und Fältchen ausge- prägt, bei sich durchkreuzender Anordnung zur Bildung von Krypten führend (EDINGER). Noch bei den Reptilien bestehen solche Zustände. Gitterförmige Bildungen sind am Mitteldarme von Schildkröten beschrieben (MACHATE). Da- mit ergeben sich die zur Drüsenbildung überleitenden Zustände, und man ge- winnt aus der Vergleichung der mannigfachen Befunde die Vorstellung des Beginnes jener Organbildung aus der Vergrößerung der Oberfläche. Fragen wir, ob mit der Entstehung wirklicher Drüsen auch die sekretorische Funktion der Darmschleimhaut beginne, oder ob sie schon vorher vorhanden sei, so wird man, da die Vergrößerung der Oberfläche, wie sie sich in der Drüsenbildung aus- spricht, nur unter einer bereits vorhandenen Funktion stattfinden konnte, eine solche auch für die glatte Darmschleimhaut annehmen müssen, wie gering auch das Maß jener Funktion war. Mit der Einsenkung gelangte diese zu einer Steigerung. Umfasst jene Funktion auch noch die Resorption, so kann darin unmöglich die einzige Bedeutung liegen, denn wir mussten ja die Sekretion als die zur Drüsenbildung führende Leistung betrachten. Es ergiebt sich also - bei dieser Organsonderung eine Kontinuität der Funktion; diese ist, abgesehen von der Verschiedenheit ihres Maßes, an der noch nicht veränderten Oberfläche eben so wie an der veränderten vorhanden, und fehlt nicht während der mannig- fachen Zwischenstufen. Immer kann das gelieferte Sekretionsprodukt wirksam werden. Daraus ergiebt sich eine bedeutsame Verschiedenheit zwischen den ektodermalen und den entodermalen Drüsengebilden, und diese Verschiedenheit hat ihre Quelle in der qualitativen Differenz des Sekretes, welches bei den ersteren zugleich Exkret ist. Ob letzteres sofort zur Entleerung kommt, ist untergeordnet, denn der Schwerpunkt liegt Zur Phylogenese der Zunge. 17 Erfordernis, weil nur unter der ausgeiibten Funktion, nur durch die Arbeit, nicht durch die Ruhe, deren Ausbildung zu bedeutenderen Organen gedacht werden kann. Dieses Verhalten kommt aber nur den Darmdriisen, nicht den ektodermalen oder Hautdriisen zu, wie ich in der Anmerkung darlegte. So giebt also auch die Art der der Zunge zugetheilten Driisen ein Zeugnis fiir die erste Funktion des Organs und zugleich fiir die Bedeutung der Abscheidung in Bezug anf jene Funktion. Aus den Beziehungen der Muskulatur der Zunge zu den Drüsen eröffnet sich der Weg für die Weiterbildung des Organs. Wenn nicht zu verstehen war, wie eine ganz geringe Fortsetzung der Muskeln in die Zunge, wie sie in der That besteht, ihren Anfangszustand vorstellend, dem Organe für seine Bewegungen von Nutzen sein konnte, — denn durch solche erste Anfänge wird ja noch keine Kontraktilität. des ganzen Organs zu Stande gebracht, — so muss einleuchten, dass der der Muskulatur entgegenwachsende Apparat der Drüsenschläuche daraus einen Vortheil zieht, wie wir ihn oben andeuteten. Die Muskularisirung der Zunge ist dadurch von ihrem Beginne an praktisch, und für eine Vermehrung der Muskelfasern, und damit des Volums der Muskulatur, ist jetzt die causale Bedingung geboten, die ohne jene Beziehung nicht bestand. So treten denn schon bei den Amphibien manche das Organ in der Richtung seiner Kontraktilität ausgebildet zeigende und es auch pro- traktil erscheinen lassende Einrichtungen auf, wie solche von WIE- DERSHEIM und Anderen mehrfach beschrieben sind. In den ferneren Zuständen erscheint mit der außerordentlichen Divergenz des Organs die Bedeutung der Drüsen gemindert, und nur in vereinzelten Fällen sind sie, wenn auch bei ganz veränderter Struktur der Zunge, zu neuem Ansehen gelangt. Sie können aber andererseits auch ganz verloren gehen, oder im späten Auftreten die ihnen ge- wordene funktionelle Unterordnung unter den zur vollständigen Herr- nur in seiner Eliminirung aus dem Stoffwechsel, welche schon mit der Ansamm- lung ih den Drüsenzellen gegeben erscheint. Das entodermale Sekret wird dagegen für den Organismus wirksam, und diese Bedeutung schließt die Depo- nirung in nur langsam zur Oberfläche gelangenden Epithelzellen, oder in Drü- sen, die erst spät ihren Ausführgang erhalten, völlig aus. Nur ein kontinuirlich auf der Oberfläche der Zunge erscheinendes Sekret konnte aber der Funktion des Organs dienen, welches wir in seiner Wirk- samkeit eben so wenig zeitweise pausirend uns vorstellen können, als den Darm. Diese Bedeutung der Qualität des Drüsenapparates erheischte die vorstehende Darlegung. Morpholog. Jahrbuch. 21. 2 18 C. Gegenbaur, Zur Phylogenese der Zunge. schaft gelangten muskulösen Antheil am Zungenaufbau kund geben. Dadurch wird der Werth nicht gemindert, den sie bei der Phylo- genese der Zunge. besitzen, und den wir in dem Vorstehenden aus- führlich behandelt haben. Daraus ging aber auch hervor, wie die Ontogenese sich keineswegs immer mit der Phylogenese deckt, und dass es voreilig ist, überall bei jeweils höheren Formen den Aus- gangszustand des Organs nur in dem zu erkennen, was bei ihnen ontogenetisch sich darbietet. Wie der Organismus auf dem langen Wege seines phylogenetischen Werdens Vieles erwirbt, so geht ihm auch Vieles verloren, was durch Neues ersetzt wird, und seine Onto- genese bringt dann zumeist nur das zum Vorschein, was für den Orga- nismus funktionellen Werth bewahrt hat. Zur Gewinnung eines Ein- blicks in den wahren Gang des Werdens bedarf es daher der Kenntnis auch der niederen Zustände und des Zusammenhaltens derselben mit den höheren, d. h. der Vergleichung, ohne welche die Ontogenese bei aller ihrer großen phyletischen Bedeutung durchaus nur Stück- werk ist und zu irrigen Vorstellungen führt. Uber die Entwicklung der Abdominalvene bei Salamandra maculata. Von Prof. Ferdinand Hochstetter in Wien. Mit Tafel I. Die Untersuchung der Entwicklung der Abdominalvene und ihres Verhältnisses zur Umbilicalvene bei Reptilien hatten mich dazu ge- führt, der Entwicklung der Abdominalvene bei den Amphibien neuer- dings meine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Vor Allem war es mir darum zu thun, festzustellen, ob auch bei den Urodelen, so wie dies von GoETTE (1) für Bombinator angegeben worden war, die Anlage ‚der Abdominalvene eine paarige sei, wie ich dies seiner Zeit (2) für wahrscheinlich gehalten hatte, und die Beziehung dieser Anlage zu den Ductus Cuvieri und zur Pfortader klarzustellen. Schon gelegent- lieh meiner Arbeit über die Entwicklung des Venensystems der Am- phibien hatte ich jedoch erkannt, dass mit Hilfe der Schnittserien- technik in dieser Sache nicht viel zu machen sei und eine Klar- legung der Verhältnisse durch das Studium von Querschnittserien kaum zu erreichen sein werde. Ich trachtete daher, mir lebende Embryonen aus geeigneten Stadien zu verschaffen, um dieselben lebend unter der Lupe, oder bei schwacher Vergrößerung unter dem Mikroskop untersuchen zu können. Gelegentlich eines Morgenspazierganges, den ich in der zweiten Hälfte September 1892 in der Nähe von Salzburg unternahm, ge- langte ich in den Besitz einer größeren Zahl von Salamandern, unter denen sich auch einige trächtige Weibchen vorfanden. Unter diesen trächtigen Weibchen befand sich nun eines, in dessen Eileitern sich 9» 20 Ferdinand Hochstetter iiber zwanzig Embryonen vorfanden, bei denen eine Abdominalvene noch nicht entwickelt war. Von diesen Embryonen, welche eine Linge von 22 mm hatten, wurden einige fixirt und konservirt, die übrigen aber in einem Gefäße mit strömendem Wasser lebend er- halten und täglich untersucht!, wobei die Entwicklung der Bauch- wandgefäße sehr gut verfolgt werden konnte. Außerdem erhielt ich dann noch in den letzten Septembertagen zahlreiche trächtige Weib- chen von Salamandra maculata, deren Embryonen verschiedene Sta- dien der Abdominalvenen-Entwicklung zeigten, so dass ich, da alle diese Stadien sich auch hei den noch vor der Entwicklung der Ab- dominalvene dem Eileiter entnommenen Embryonen nach und nach zeigten, die Überzeugung gewinnen konnte, dass sich, abgesehen von zweien, bei denen dies nicht der Fall war, alle anderen unbe- einflusst dadurch, dass sie so vorzeitig dem Mutterleibe entnommen waren, in normaler Weise weiter entwickelt hatten. Im Nachfolgen- den soll nun mit wenigen Worten die Art und Weise geschildert werden, in welcher sich die Abdominalvene bei den untersuchten Embryonen entwickelt hat. Vor der Entwicklung der Abdominalvene zeigten die Embryonen ein Verhalten, wie die von Rusconi (5) Taf. I Fig. 11 abgebildeten. In ziemlicher Entfernung von der Mittellinie verlaufen zu beiden Seiten, in die Leibeswand eingebettet, die beiden A. epigastricae, in denen der Blutstrom von der vorderen Extremität aus caudalwärts gerichtet ist. Der zwischen den beiden A. epigastricae befindliche Abschnitt der Bauchwandung ist gefäßlos und so durchsichtig, dass. man ohne Schwierigkeit jene an der ventralen Seite des Darmes und Dottersackes längsverlaufende Vene wahrnehmen kann, die als Rus- coni’sche Vene bezeichnet wurde und deren Rest sich beim erwach- senen Thiere, an der ventralen Fläche des Anfangsabschnittes vom Dünndarm längsverlaufend, vorfindet. Diese Vene wurde von mir der V. subintestinalis der Selachier gleichgestellt und liegen, so weit mir bekannt ist, keine Thatsachen vor, welche dieser Annahme widersprechen würden. Während die zwischen den beiden A. epi- gastricae befindliche Partie der Bauchwand, wie oben schon erwähnt 1 Um die Bauchseite der Embryonen betrachten zu können, war es noth- wendig, sie auf den Riicken zu legen, was sie im Wasser schwimmend nicht zuließen. Ich setzte die Thiere desshalb in ein Gefäß mit Wasser, dem ein Tropfen Chloroform zugesetzt worden war, und nun gelang das Umkehren nach kurzer Zeit ohne Schwierigkeit. Auch erholten sich die Embryonen, in frisches Wasser zuriickgebracht, sehr rasch wieder und entwickelten sich normal weiter. Uber die Entwicklung der Abdominalvene bei Salamandra maculata. 21 wurde, vollkommen gefäßlos zu sein scheint, befinden sich in den seitlichen Theilen der Bauchwand, von den A. epigastricae ausgehend, zahlreiche Gefäßzweige. Diese Gefäßzweige der seitlichen Bauchwand, welche unter ein- ander zusammenhängen und so eine netzartige Bildung darstellen, hatten am vierten Beobachtungstage bedeutend an Zahl und Mächtig- keit zugenommen, außerdem aber waren eine Reihe von Gefäßschlingen jederseits zu erkennen, welche medianwärts, von den A. epigastricae ausgehend, in das bis dahin gefäßlose Gebiet zwischen den beiden A. epigastricae übergriffen. Zwischen diesen beiden Reihen von Gefäßschlingen aber bestand noch immer eine ziemlich breite Zone der vorderen Bauchwand, welche der Getäße vollständig entbehrte. In den folgenden Tagen nahm die Bildung neuer derartiger Schlingen immer mehr überhand. Außerdem aber hatte sich auch an den A. epigastricae eine Veränderung vollzogen, die darin bestand, dass ihr der hinteren Extremität zunächst gelegener Abschnitt sich erweitert hatte und der Blutstrom nun nicht mehr in dem ganzen Gefäß caudal- wärts gerichtet war, sondern in dem caudalen etwa ein Viertel der ganzen Länge des Gefäßes ausmachenden Theile desselben sich kopfwärts richtete, ihm also wahrscheinlich von der Arterie der hinteren Extremität Blut zugeführt wurde. In diesem Stadium der Entwicklung zeigt die Fig. 1 die Gefäße der Bauchwand. Die immer zahlreicher werdenden medianwärts gerichteten Ge- fäßschlingen beginnen sich nun etwa am 12. Beobachtungstage unter einander in Verbindung zu setzen, wodurch die Bildung zweier zu beiden Seiten der Mittellinie parallel mit den A. epigastricae ver- laufender Gefäße angebahnt erscheint. Diese beiden aus der Ver- bindung einer Reihe von Gefäßschlingen entstehenden Venen, welche zwischen sich einen schmalen, der Gefäße entbehrenden Raum der vorderen Bauchwand freilassen, sind die Anlagen der Abdominalvene. Sie sind jedoch nicht ihrer ganzen Länge nach paarig angelegt, sondern verbinden sich in dem ventral von der Leber befindlichen Theile der Bauchwand zu einem unpaaren medianen, äußerst zarten Gefäßstamm, der in der Gegend des Kopfendes der Leber angelangt, in die Tiefe ziehend, verschwindet. Dieser Gefäßstamm scheint in den linken Ductus Cuvieri zu miinden', wenigstens sah ich ihn an einigen Exemplaren bei seinem ı Das Verfolgen des Blutstromes in dieser Gefäßstrecke war wegen der unter derselben wegziehenden Gefäße der Leber, in denen der Blutstrom sich besonders rasch bewegte, ungemein schwierig. 22 Ferdinand Hochstetter | in die Tiefe dringen nach links hin abweichen. Um jedoch festzu- stellen, ob das Gefäß wirklich in den linken Ductus Cuvieri münde, fertigte ich eine Querschnittserie durch einen Embryo an, bei dem ich im lebenden Zustande die geschilderten Verhältnisse beobachtet hatte.- Doch war die Mühe vergeblich, denn es ließen sich die A. epigastricae kaum an einzelnen Schnitten auffinden, und von einem Verfolgen der Abdominalvenenanlage durch die Schnittreihe hindurch war keine Rede.. Was die Richtung des Blutstromes in der Abdo- minalvenenanlage anlangt, so war zu bemerken, dass in dem paari- gen Abschnitte der Anlage das Blut nicht der ganzen Länge nach kopfwärts strémte, sondern es war vielmehr deutlich zu erkennen, dass aus dem caudalen Abschnitt der paarigen Gefäßstrecke das Blut in der. Richtung gegen die hinteren Extremitäten zu abfloss, was in der Fig. 2, welche die Verhältnisse eines Embryo in dem geschilderten Entwicklungsstadium darstellt, durch die Richtung der angebrachten Pfeile angedeutet wurde. Sind einmal die Anlagen der Abdominalvene in der geschilder- ten Form gebildet, so vollziehen sich die weiteren Veränderungen an diesen Gefäßen ungemein rasch. Vor Allem nähern sich mit der Abnahme der Dottermasse die paarigen Abschnitte der Abdominal- vene einander immer mehr und nehmen an Stärke rasch zu. Zu gleicher Zeit verliert aber der unpaare Abschnitt der Abdominal- vene seine Mündung in den Ductus Cuvieri und gewinnt eine neue Abflussbahn, indem er sich entlang der caudalen Fläche der Leber mit der Pfortader in Verbindung setzt. In dem ventral von der Leber befindlichen unpaaren Abschnitte der Abdominalvene kehrt sich nun der Blutstrom um und richtet sich, entsprechend der neuen Abflussbahn, caudalwiirts, um nach kurzer Zeit gänzlich zu vergehen. Die neu gewonnene, im ventralen Lebergekröse gelagerte Gefäßbahn aber bettet sich in eine Kerbe des Leberrandes ein. Mit der weiter- hin zunehmenden Blutzufuhr gegen die Bauchwand erweitern sich die paarigen Abschnitte der Abdominalvene immer mehr und es wird nun die Richtung des Blutstromes in denselben eine einheitliche, indem alles in die Abdominalvene gelangende Blut in der Riehtung gegen die Leber und Pfortader zu abströmt. Dieses Stadium der Entwicklung erscheint in der Fig. 3 wiedergegeben. In der weiteren Folge wird die Kaliberzunahme der Abdominalvene eine immer be- deutendere, zugleich rücken aber auch ihre paarigen Abschnitte, in- dem das Dottermaterial schwindet, bis zur gegenseitigen Berührung an einander heran und verschmelzen endlich in der Mittellinie mit Uber die Entwicklung der Abdominalvene bei Salamandra maculata. 23 einander, womit der definitive Zustand in diesem Theile der Abdo- minalvene hergestellt erscheint. Die Verschmelzung der beiden Venen beginnt kopfwärts und schreitet caudalwärts zu vor. Im Anschlusse an die Abdominalvene entwickelt sich dann später noch eine kopfwärts im Ansatze des ventralen Lebergekröses an der vorderen Bauchwand verlaufende Vene, welche durch 'verschiedene Zweige, die das ventrale Lebergekröse passiren, mit dem Pfortader- netze der Leber zusammenhängt. So weit ich sehen konnte, steht diese Längsvene in keiner direkten Beziehung zu dem ventral von der Leber gelegenen Abschnitte der Abdominalvenenanlage, der, wie früher erwähnt wurde, zu Grunde geht. Nach dem Gesagten ergiebt sich eine ziemliche Übereinstimmung der bei Salamandra gefundenen Verhältnisse mit denen, wie sie von GOETTE (1) für Bombinator geschildert wurden. Nur ist nach GOETTE bei Bombinator die Abdominalvenenanlage auch ventral von der Leber eine paarige. Dieser Unterschied fällt jedoch, wie mir scheinen will, nicht allzu schwer ins Gewicht und wird wohl mit den sehr ungleichen Dimensionen, welche der Rumpf gerade in der Leber- gegend bei den Embryonen dieser beiden Formen aufweist, in Zu- sammenhang zu bringen sein. Jedenfalls müssen wir, wenn wir in der Abdominalvene der Amphibien einen Abkömmling der Seiten- rumpfvenen der Selachier vermuthen, die Verhältnisse der Abdominal- venenanlage bei Salamandra als etwas modifieirte, von einer der ganzen Länge nach paarigen Anlage abzuleitende betrachten. Jedenfalls möchte ich hier auch noch ganz besonders hervor- heben, was sowohl aus GoETTE's als auch aus meinen eigenen Unter- suchungen hervorgeht, dass der Zusammenhang der Abdominalvene mit der Pfortader bei den Amphibien ein sekundärer ist und dass die Abdominalvene ursprünglich ein ausschließlich den Bauchdecken angehöriges Gefäß ist. KraarscH (4) hat nämlich in jüngster Zeit in der V.abdominalis der Amphibien zum Theil einen Abkömmling der V. subintestinalis der Selachier sehen wollen (l. e. pag. 414). ohne je- doch anzugeben, welches die Gründe waren, die ihn zu einer der- artigen Annahme veranlassen konnten. Thatsächlieh lagen, so weit mir bekannt ist und wie ich auch neuerdings gezeigt habe, keine Gründe zu einer derartigen Annahme vor. Vielmehr scheint mir bis jetzt keinerlei Argument beigebracht worden zu sein, welches gegen die Annahme sprechen würde, dass die Ruscoxt’sche Vene des Sala- manders sich von der Subintestinalvene, wie wir sie bei Selachiern vorfinden, ableiten lasse. 24 Ferdinand Hochstetter Was nun die Beziehung der Abdominalvene zur Umbilicalvene der amnioten Wirbelthiere anlangt, so lässt sich allerdings über die- selbe wenig Bestimmtes aussagen. Wie ich an anderem Orte (3) bereits erwähnt habe, entspricht die Abdominalvene der Amphibien ziemlich vollständig der jener Saurierformen, welche ein derartiges unpaares Gefäß besitzen. Außerdem sind bei Lacerta die beiden Venen, welche im Verlaufe der Entwicklung zum Stamme der Ab- dominalvene verschmelzen und sich, nachdem sie mit einander ver- schmolzen sind, von der Umbilicalvene ablösend, mit der Pfortader in Verbindung setzen, ursprünglich Zweige der Umbilicalvene, die ihr Blut in dieses Gefäß ergießen, außerdem aber auch noch mit den hinteren Cardinalvenen zusammenhängen. Da aber, nachdem sich diese beiden Zweige von der Umbilicalvene abgelöst und mit einander zur Abdominalvene verbunden haben, die Abdominalvene selbständig neben der Umbilicalvene besteht, kann, wie ich dies ebenfalls bereits genügend hervorgehoben habe (3), nicht davon die Rede sein, dass die Abdominalvene der Reptilien im ausgebildeten Zustande einen Rest der Umbilicalvene darstelle, also aus dem letz- teren Gefäße hervorgegangen sei. Dagegen vermag ich mir, nachdem ich den Entwicklungsgang der Abdominalvene bei Salamandra gesehen habe, sehr wohl zu denken, dass gerade der umgekehrte Vorgang Platz gegriffen habe und dass, was ja von vorn herein als das Wahrscheinlichere erscheinen musste, sich die paarige Umbilicalvene auf Grundlage der ursprüng- lich paarigen Abdominalvene entwickelt haben müsse, ohne dass dabei die Abdominalvene vollständig in der Bildung der Umbilical- vene aufgegangen wäre. Es kann wohl kaum zweifelhaft sein, dass sich bei den Vorfahren der Reptilien die Allantois als ein embryo- nales Organ mit vorwiegend respiratorischer Funktion aus einem der Harnblase der Amphibien entsprechenden Divertikel des Enddarmes entwickelt habe, obwohl wir eine Form mit beginnender Allantois- bildung nicht kennen. Die venösen Gefäße dieser gefäßreichen Blase werden sich dort, wo ihr Stiel den Leibesnabel passirte, an die paarige Anlage der Abdominalvene angeschlossen haben, was eine Erweite- rung dieser von der Einmündung der Allantoisvenen an zur Folge haben musste, während jener kurze Abschnitt der Abdominalvenen- anlage caudalwärts von dieser Mündungsstelle bis zur Verbindung mit den Cardinalvenen verhältnismäßig schwach bleiben musste. In diesem Zustande des Venensystems sehen wir aber bereits Verhält- nisse, wie sie uns bei Lacertaembryonen entgegentreten. Durch den Uber die Entwicklung der Abdominalvene bei Salamandra maculata. 25 Ubergang der miichtigen Allantoisvenen in die paarige Abdominal- venenanlage muss die letztere von der Einmündung der Allantvis- venen an als deren Fortsetzung erscheinen, während ihr caudaler Abschnitt dadurch gewissermaßen zuriicktritt. Nun verschiebt sich, wie wir das bei Lacerta sehen, der Leibesnabel kopfwärts. Dadurch rückt auch der Allantoisstiel und mit ihm die Einmündungsstelle der Allantoisvenen in die Abdominalvenen kopfwärts vor, so dass da- durch die caudalen Abschnitte der letzteren eine Verlängerung er- fahren. Und nun vollziehen sich an der Abdominalvenenanlage jene Veränderungen, welche sich auch während der Ontogenese bei den Amphibien vollziehen, es kommt nämlich zu einer Verschmelzung ! der caudalen Abschnitte der Abdominalvenenanlage zum unpaaren Stamme der Abdominalvene, zur Verbindung dieses Stammes mit der Pfortader und in Folge dessen schließlich zur Ablösung des eranialen als Fortsetzung der Allantoisvenen, also als Umbiliealvenen impo- nirenden von dem caudalen, jetzt sein Blut in die Pfortader ergießen- den Abschnitte der Abdominalvene. Die vorderen Abschnitte der Abdominalvenenanlage, welche auf diese Weise in die beiden Um- bilicalvenen umgewandelt erscheinen, gewinnen nun dadurch, dass sie die Abzugskanäle für das Umbilicalvenenblut bilden, neue Be- ziehungen zur Leber, doch ist auch schon das zu Grunde gehen des rechtsseitigen Gefäßes, wie es regelmäßig bei allen Amnioten beob- achtet wird, bei Amphibien dadurch angedeutet, dass, wie GOETTE angiebt, bei Bombinator der rechtsseitige vordere Abschnitt der Ab- dominalvenenanlage vorzeitig schwindet. Erst nachdem ich diese Betrachtungen angestellt hatte, wurden mir die Beziehungen der Abdominalvene niederer Formen zur Umbilicalvene der Amnioten vollkommen verständlich, eben so wie die Thatsache, dass bei La- certaembryonen in späteren Stadien der Entwicklung eine der Abdo- minalvene der Amphibien entsprechende Vene neben und unabhängig von der Umbilicalvene zur Beobachtung kommen konnte. Ich glaube es somit wahrscheinlich gemacht zu haben, dass die Abdominalvenenanlage der Amphibien die Grundlage für die Ent- wicklung der Umbilicalvenen der Amnioten geliefert habe und dass sich ihr cranialer Abschnitt, der bei Amphibien nur vorübergehend eine Rolle spielt, direkt in diesen Abschnitt der Umbilicalvene um- wandelt, während ihr caudaler Abschnitt bei vielen Reptilien noch ! Diese Verschmelzung bleibt offenbar bei den Krokodilen und Sehild- kröten aus. 26 Ferdinand Hochstetter dieselben Beziehungen erhält wie bei Amphibien, bei den Vögeln = Säugethieren aber nicht mehr zur Ausbildung gelangt'. . ! Wie BEDDARD (6) angegeben hat, kommt bei Echidna eine Vene vor, die, in den Wandungen der Harnblase wurzelnd, sich in der Mitte der ventralen Bauchwand und durch das Ligamentum triangulare hepatis, dessen freiem Rande folgend, zum linken Abschnitte der Leber begiebt, wo sie in einen Pfortaderast mündet. _BEDDARD hält diese Vene für ein der Abdominalvene entsprechendes Gefäß. Über die Existenz dieser von BEDDARD beschriebenen Vene bei Echidna kann kein Zweifel bestehen. Mir gelang die Injektion dieser Vene an den Ein- geweiden eines Alkoholexemplars von Echidna bis an die Harnblase heran, so dass ich zwar die Wurzeln dieser Vene nicht, wohl aber ihren Verlauf im Liga- mentum triangulare und ihre Beziehung zur Leber sehen konnte. Rex (7) hat eine gute Beschreibung des Portalbaumes der Leber von Echidna hystrix ge- geben und an der beigegebenen Abbildung desselben (Taf. XXI Fig. 12), welche mit meinem Präparat übereinstimmt, ist: die BEDDARD’sche Vene als Ligamen- tum teres, von dem angegeben wird, dass es eine kurze Strecke weit eine Lichtung besitze, bezeichnet. In der That stimmt diese Vene, welche an meinem Präparat, unmittelbar bevor sie sich in die der linken Sagittalfurche der menschlichen Leber entsprechende Furche einsenkt, eine spindelförmige Erweiterung aufweist, der Lage nach vollkommen mit dem Ligamentum teres anderer Formen überein. Ob aber diese Vene der Abdominalvene niederer Formen entspricht, oder aber nur einen wegsam gebliebenen Rest der Umbili- calvene, der nach der Geburt oder schon während des Fötallebens neue Be- ziehungen zu den Harnblasenvenen eingegangen hat, darstellt, wage ich nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden, wahrscheinlicher erscheint mir das Letztere. Bei Ornithorhynchus paradoxus habe ich vergeblich nach einer ähnlichen Vene. gesucht. Litteraturverzeichnis. 1) ALEXANDER GOETTE, Entwicklungsgeschichte der Unke. 2) FerpinAND HOCHSTETTER, Beiträge zur vergleichenden Anatomie und Ent- wicklungsgeschichte des Venensystems der Amphibien und Fische. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XIII. | 3) —— Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Venensystems der Amnioten. 2. Reptilien (Lacerta, ‘Tropidonotus). Morpholog. Jahrbuch. Bd. XIX. 4) Kuaarscn, Zur Morphologie der Mesenterialbildungen am Darmkanal der Wirbelthiere (I. und II. Theil). Morpholog. Jahrbuch. Bd. XVIII. 5) Rusconi, Histoire naturelle du Developpement et Métamorphose de la Sala- mandre terrestre. Pavia 1854. Pus on ihe pur De fa ai, 7 u) F fe | es oats BF del ih f ; oY Tl } ty A ; al’ ' +: , WP uy . ‘ ’ * inn Sf he ary s N te af an » . ‘ 34, 1 D Bu r . rw : aL cy > i Ar se * yy, y a yma vs on ¥ a on irn ; at At, te » "en ee i * fe ic a Te „al ir AAN; a Bu 75,57 Rusconische Vene (Vsubintest Aemıgesirica Veavanosterior Vcavaposterior Aenigestrica .-labdominalis cs Veava posterior AR Hh ) Vabdominalts vn H bane us Be -- A.enigestrica ur DU PT ongaypp bopoyiliong _— =" Uber die Entwicklung der Abdominalvene bei Salamandra maculata. 27 6) BEDDARD, Note on the presence of an anterior abdominal vein in Echidna. Proceedings of the zoological society of London 1884. Part IV. 7) H. Rex, Beiträge zur Morphologie der Säugerleber. Morpholog. Jahrbuch. Bd. XIV. Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Ventralansicht dreier Embryonen von Salamandra maculata (Vergr. 3:6). Die Pfeile bezeichnen die Richtung des Blutstromes in den einzelnen Gefäßen. Beiträge zur Kenntnis der Placophoren. Von B. Haller. Mit Tafel II. Nur einige wenige Punkte sind es, welche ich meiner früheren Arbeit über Placophoren! hier nachtragen möchte. Es sind dies Ergebnisse, welche an andern Arten der Gattung Chiton gesammelt wurden. Das untersuchte Material stammt aus der Sammlung des Vettor Pisani. Im Allgemeinen stimmt die Organisation der Chitonen so sehr überein, dass ich die Beschreibung der Organe für völlig überflüssig erachte. Man sieht auch an den riesenhaften Formen, welche zum Theil von der Darwinstraße, der chilenischen Küste und den Galapagos stammen, nicht mehr wie an den kleinen mittelmeeri- schen Formen. Dieses bemerkte in einem an mich gerichteten Briefe auch weiland Brock über seine im indischen Ocean erbeuteten Formen. Wenn nun trotz alledem eine wichtige Frage in dieser Ar- beit zur definitiven Beantwortung gelangt, ich meine die Frage, ob die Formen mit ganzer oder halber Kiemenreihe die ältern sind, so ist das dem Umstande zu verdanken, dass sich auch die alte Form Chiton magnificus Desh. von den Galapagos in der Sammlung befand. Hier muss ich bemerken, dass ich, als ich die Sammlung vor mehreren Jahren zur Bearbeitung erhielt, die Nierenverhältnisse sofort untersuchte, und ich freue mich dieses gethan zu haben ; denn wenngleich ich den starken Alkohol häufig erneuerte, sind die Nieren bei den nicht eröffneten Exemplaren heute doch so sehr angegriffen, dass sie zu einer Untersuchung nicht mehr ver- ' B. HALLER, Die Organisation der Chitonen der Adria. Arbeiten aus dem Zoolog. Institut der Wiener Universität. Bd. IV, V. Beitriige zur Kenntnis der Placophoren. 29 werthbar sind. Obgleich seit der Veröffentlichung meiner Unter- suchungen über die Chitonen der Adria die Kenntnis der Placophoren durch die Entdeckung von Sinnesorganen in den Schalen durch vAN BEMMELEN!, MosELeY? und durch die genaue Bearbeitung dieses Themas durch Brumkicu® bedeutend gefördert ward, so steht die Bearbeitung der Gattung Chitonellus noch immer aus. Bin ich auch heute nach der Kenntnis der Herzverhältnisse von Ch. magni- fieus nicht mehr der Ansicht, dass Chitonellus als Stammform der Placophoren anzusehen sei, sondern glaube, dass dieselbe vielmehr als jüngere Form von den Chitonen zu den Neomenien hinüberführt, so halte ich die Kenntnis derselben doch für wichtig. Ich muss somit bedauern, dass mir von dieser Form kein Material zur Ver- fügung gestanden. Hier will ich mit der Beschreibung der Herzverhältnisse be- ginnen. Bekanntlich besteht das Herz der Placophoren aus einer mittelstindigen Kammer und zwei seitlich gelegenen Vorhöfen. Bei Ch. sieulus Gray und fascieularis Poli münden die Vorhöfe, wie ich dies ausführlich beschrieben hatte, je mit einer Mündung vorm in die Kammer. Hinten oberhalb vom Anus verschmelzen die !beiden Vorhöfe mit einander und die verlängerte Kammer mündet hier mit ihrem Ende in die verschmolzenen Vorhöfe. Bei der großen Form Ch. magnifieus findet sich nun ein ganz eigenartiges Verhalten der Vorhöfe zu der Kammer vor. Die Herz- kammer wie die beiden Vorhöfe sind sehr lang (Fig. 1) und nur ein geringer Platz bleibt jederseits vor den Vorhöfen im Perikardialraum frei. An dieser von den Vorhöfen frei gelassenen Stelle befinden sich, unter dem Perikardium gelegen, jederseits der Geschlechtsgang (99) und der Kiementrichtergang (fg). Letzterer öffnet sich an der Ecke vor dem Vorhofe mit weiter Mündung in das Perikard. Die beiden Vorhöfe öffnen sich mit vier hinter einander gelegenen, von einander gleich weit entfernten Mündungen in die Herzkammer. Während die drei ersten Mündungspaare bei allen untersuchten Exemplaren sich ganz konstant verhalten, sind in dem Verhalten des letzten Mündungspaares Variationen zu beobachten. Bei manchen I J. F. van BEMMELEN, Over den bouw der schelpen van Brachiopoden en Chitonen. Leiden 1882. 2 H. N. Mosetey, On the Presence of Eyes in the Shells of certain Chi- tonidae and of the Structure of these Organs. Quart. Journ. of Mier. Se. 1885. 3 J. Brumricn, Das Integument der Chitonen. Zeitschrift für wiss. Zool. Bd. LII. 1891. 30 B. Haller Individuen fehlt entweder die Miindung des rechten oder linken Vor- hofs, wodurch eine Asymmetrie zu Stande kommt, da auf der einen Seite vier, an der anderen aber bloß drei Mündungen in die Herz- kammer sich vorfinden. Ich habe zwölf Exemplare untersucht, und konnte bei fünf das oa ei bei sechs das symmetrische Ver- halten feststellen. Hinten, oberhalb vom Anus gehen die beiden Vorhöfe in einander über, doch ist diese Kommunikation ganz eng. Hierselbst mündet das hintere blinde Ende der Kammer nicht in die vereinigten Vor- höfe, wie bei Chiton siculus und fascicularis, sondern es liegt ihnen bloß auf. Man kann sich leicht davon überzeugen; denn obgleich das Ende der Herzkammer, durch ein Bändchen hier an die hintere Perikardialwand befestigt, den vereinigten Vorhöfen fest anliegt, lässt es sich nach Durchschneiden des Bändehens doch leicht aufheben. Nach dieser Procedur sieht man aber keine Ruptur an der Vereini- gungsstelle der Vorhöfe und eben so wenig an dem Ende der Kammer, welche ich immer herausschnitt und in Glycerin bei schwacher mikro- skopischer Vergrößerung noch einmal betrachtete. Obgleich durch das Vorhandensein von vier Paar Vorhofsmiin- dungen eine scheinbare Metamerie am Herzen sich bekundet, so ist die Herzkammer doch eben so wenig als die Vorhöfe in viele hinter einander gelegene, mit einander kommunieirende Abschnitte getheilt, was im Falle von Vererbung von Metamerie wenigstens von den Vor- höfen vorauszusetzen wäre. Alle drei Theile des Herzens besitzen je ein ungetheiltes Lumen. Die Herzkammer wird eben so wenig vom Mastdarme durchbohrt wie bei den übrigen Chitonen. Zu vor- derst geht jeder Vorhof, gleich vor der achten Schale, in das weite Quergefäß über (I), welches sich in die gemeinsame Arterie der jederseitigen Kiemenreihe ergießt. Hinter diesem weiten Quergefäße, entsprechend den weiteren drei Paar Mündungen der Vorhöfe in die Herzkammer, gehen noch je drei kleinere Gefäße (II, III, IV) ab. Auch diese ziehen dem Mantelrande zu. Fehlt eine der letzten Mündungen der Vorhöfe in die Kammer, so ist auch das entsprechende Gefäß gänzlich redueirt. Was das weitere Verhalten dieser Gefäße betrifft, so zieht das zweite und dritte Paar dem Mantelrande zu, doch lässt sich durch die Injektion vom Vorhofe aus leicht konstatiren, dass sie schon oberhalb der Arterie der Kiemenreihe enden und somit mit dieser nicht kommunieiren. Öffnet man die drei letzten Gefäßpaare von oben durch einen Schnitt bis zu ihrer Mündung in die Vorhöfe, so lässt Beiträge zur Kenntnis der Placophoren. 31 sich durch die beiden vorderen Paare eine Sonde (Schwarzwildborste) leieht in den Vorhof einführen. Dies gelingt jedoch bei dem vierten Paare nicht, und auch die Injektionsmasse dringt sehr unvollkommen in dasselbe ein. Das vierte Gefäßpaar (IV) ist somit stärker reducirt, als das zweite und dritte. Andererseits ist aber auch das’ dritte Gefäßpaar nie so mächtig als das zweite. Aus diesem Verhalten können wir somit folgern, dass diese Gefäßpaare, von hinten begin- nend, sich nach vorn zu rückbilden, worauf übrigens auch das launen- hafte Verhalten der vierten Kommunikation recht deutlich hinweist. Ich werde auf dies Verhalten übrigens noch zurückkommen und möchte nun das Verhalten des Herzens von Ch. aculeatus L. besprechen. Die Herzkammer besitzt hier nur zwei Paar Kommunikationen mit den Vorhöfen (Fig. 2), wobei diese etwas kürzer und in Folge davon die jederseitigen Perikardialräume der Vorhöfe größer sind wie: bei der vorigen Art. Das erste Gefäßpaar (I) verhält sich natürlich ganz so wie bei Ch. magnificus, doch ist das zweite Paar (II) gerade so reducirt als das vierte Paar dortselbst. Das blinde Ende der Herz- kammer kommunicirt mit der supraanalen Verschmelzung der Vor- höfe nicht, sondern verhält sich ganz so wie bei Ch. magnificus. Die über etwa dreißig Species von Chitonen, welche während der Erdumsegelung der italienischen Korvette aus allen Gegenden gesammelt wurden, und welche sämmtlich ähnlich wie Ch. aculeatus und magnificus (Fig. 6 B) die Kiemenreihe bis zum Kopfe reichend besitzen, wiesen nur zwei Mündungen der Vorhöfe und somit ganz dieselben Verhältnisse wie Ch. aculeatus auf. Man kann daher an- standslos annehmen, dass die meisten lebenden Chitonen diesem Ver- halten folgen, denn unter allen diesen Formen besaß nur Ch. magni- ficus vier Paar Kommunikationen der Vorhöfe mit der Herzkammer. Es war mir nun sehr wichtig zu erfahren, wie sich jene Chitonen mit ‚geringer Kiemenzahl bezüglich der Zahl der Kommunikationen zwischen den Vorhöfen und der Kammer verhalten; es fand sich jedoch in der ganzen reichhaltigen Sammlung bloß eine kleine Form! mit geringer Kiemenzahl vor. Diese steht der Art Ch. montieularis Quoy sehr nahe, doch waren die Schalen bedeutend größer als bei dieser ! Es scheint überhaupt, dass die Chitonen mit geringer Kiemenzahl den kleinsten Formen angehören ; so ist die mittelliindische Form Ch. laevis, Penn. auch klein und auch die Arten Ch. asellus Chemnitz und ruber L., die nach den. Abbildungen von FORBES und HAntLey (A history of British Mollusca and their shells. London 1855. Tom. II. Tab. A.A. figg. 5b) auch eine geringe Kie- menzahl besitzen, gehören den kleineren Formen an. 32 B. Haller Art. Es findet sieh hier (Fig. 3) bloß das vorderste Mündungspaar der Vorhöfe in die Kammer vor. Nach hinten vereinigen sich die beiden Vorhöfe, ohne dass sich jedoch das Ende der Kammer mit ihnen verbunden hätte. Nach diesen Beobachtungen sind uns Herzen bei den Chitonen mit ein, zwei und vier Paar Kommunikationen, bei sonst gleichbleibendem Verhalten der Vorhöfe zur Kammer, zwischen Vorhöfen und der Kammer, bekannt, während solche Formen, welche drei Paare von Kommunikationen besitzen, zur Zeit unbekannt sind. Es unterliegt somit kaum einem Zweifel, dass das Verhalten, bei welchem sich vier Paar Kommunikationen vorfinden, als das älteste zu bezeichnen ist und jenes mit bloß einem Paare ein relativ junges Stadium vorstellt. Ist dem aber so, dann sind die Chitonen mit ge- ringer Kiemenzahl jüngeren Datums. Als jüngste Repräsentanten wären dann die Arten der Gattung Acantochiton, eine Gattung, welche zu Chitonellus hinüberführt, zu betrachten. Hierdurch gelange ich zu einer der früher von mir vertretenen ganz entgegengesetzten Ansicht', denn früher war ich geneigt eher anzunehmen, dass die Chitonen mit geringer Kiemenzahl und somit auch die Gattung Chitonellus ältere Formen darstellten, als die Chitonen mit großer Kiemenzahl. Wie aber vorliegende Untersuchung zeigt, kann ich diese Ansicht nicht mehr vertreten und schließe mich der Ansicht PELSENEER’s?, welche später durch HATSCHER und BLuMmrRicH® Vertretung fand, an, nach welcher Chitonellus eine junge Form in der Gruppe der Placophoren darstellt, welche allmählich und nicht direkt zu den Aplacophoren, die als ganz aberrante Mollusken zu betrachten sind, hinüberführt. Wir müssen aber annehmen, dass alle anderen Mollusken von polybranchen Urformen abstammen und dass sich die Kiemen bis auf das letzte Paar bei den zwischen Placophoren und den übrigen Mollusken eingeschal- teten Formen rückgebildet haben. Hierauf weist auch der Umstand hin, dass sich bei den ältesten Cephalopoden noch ein zweites Kiemenpaar erhielt und dass alte Formen der Opisthobranchier poly- branch sind‘. Die älteste bekannte Form der Placophoren wäre somit Ch. magni- 11.6. II. Theil. 2 P. PELSENEER, Sur le pied de Chitonellus et des Aplacophores. Bull. scientifique de la France et de la Belgique. Tom. XXII. 1890. SLi, 4 §. B. Hatter, Die Anatomie von Siphonaria gigas Less., eines opi- sthobranchen Gasteropoden. Arbeiten aus dem Zool. Institut zu Wien. Bd. X 1892. Beitriige zur Kenntnis der Placophoren. 33 fieus mit vier Paar Miindungen der Vorhöfe in die Herzkammer; dieser Form schlieBen sich alle anderen Formen mit zwei Paar Miindungen als jiingere an. Die jiingsten Formen besitzen nur ein Paar Miindungen. Bevor ich auf das Weitere mich einlasse, will ich zuvor die Herzform, wie ich sie früher bei Ch. siculus und fascicularis gefunden habe, und welches Verhalten in keine der drei Herzformen ein- zufügen ist, hier näher betrachten. Wie ich schon weiter oben wie- derholte, besitzen diese zwei Arten nur ein Paar Vorhofsmiindungen in die Herzkammer. Sie wiirden sich somit diesbeziiglich den Chi- -tonen mit geringer Kiemenzahl anschließen, wenn ein anderer Um- stand nicht dagegen spräche. Es mündet nämlich bei ihnen das Ende der Herzkammer in die vereinigten supraanalen Vorhöfe. Somit ist hier die Frage zu stellen, wie denn eigentlich dieses Verhalten aus jenem der übrigen Chitonen, wo doch das blinde Ende der Herz- kammer nirgends in das vereinigte Stück der Vorhöfe einmündet, zu erklären sei. Ich glaube annehmen zu müssen, dass das vereinigte supraanale Vorhofstück von Ch. siculus und fascicularis morpholo- gisch nieht dem gleichen Vorhoftheile der übrigen Chitonen entspricht, sondern bloß das Homologon dafür in sich schließt. Es ließe sich das so verstehen, dass das zweite Vorhofsmündungspaar jener Formen, die bloß zwei Paare von solehen Mündungen besitzen, so weit nach hinten verschoben wurde, bis es endlich mit der vereinigten Stelle der Vorhöfe verschmelzen musste. Das blinde Kammerende musste aber bei dieser Procedur, da dafür hinten kein Raum übrig bleibt, rückgebildet werden. Nach dieser Betrachtungsweise würde das Herz von Ch. sieulus und fascieularis als eine bloß modifieirte Form der sehr verbreiteten Chitonenherzen mit zwei Vorhofsmündungspaaren aufzufassen sein. Ich habe aus sehr nahe liegenden Gründen danach gesucht, ob bei Ch. magnificus nicht etwa ein zweites Paar von Nierentriehtern in das Perikard oder in das ventralwärts bei allen Placophoren stark erhaltene Cölom mündet, oder ob nicht etwa ein den Larven der Cochliden entspreehendes Kopfnierenpaar (Urnieren) sich noch vor- findet. Trotz vorsichtigster Untersuchung habe ich von all dem nichts gefunden, denn bezüglich der Nierenverbältnisse existirt auch nicht die geringste Verschiedenheit zwischen Ch. magnifieus und den andern Chitonen. Überall verhalten sich die Nieren gerade so, wie ich dieses für Ch. sieulus und fascieularis seiner Zeit beschrieben habe. Die Nieren bestehen aus einem, dem ganzen Körper ventralwärts auflagernden acinösen Drüsenpaar. Der Nierenkörper (Fig. 5 NA) ist Morpholog. Jahrbuch. 21. 3 34 B. Haller ein weiter Gang von demselben Bau, wie’ die in denselben ein- miindenden Drüsenläppchen. Von dem Trichtergange (¢g) wäre zu bemerken, dass er Anfangs sehr weit ist, aber sich allmählich ver- schmälert. Bis zu der Stelle, wo er nach außen biegt, ist er von demselben Bau wie die iibrige Niere, was auch schon daraus her- vorgeht, dass in denselben zahlreiche Drüsenläppchen einmünden (Fig. 5). Der Nierentrichter mündet, wie dieses schon erwähnt wurde, vor dem jederseitigen Vorhofe, lateralwärts in das Perikard. Bezüglich des Nierenbaues herrscht somit unter den Chitonen die größte Übereinstimmung und es besitzt auch Ch. magnificus nichts, - was auf primärere Verhältnisse, eventuell auf eine Segmentation sich beziehen ließe. Bezüglich der Geschlechtsdrüse des Ch. magnificus möchte ich bloß bemerken, dass sie sehr lang und in Folge dessen in viele Schlängelungen zusammengelegt ist. Letztere sind fest an einander gedrückt, wodurch die Drüse viel kürzer erscheint, als sie thatsäch- lich ist. Präparirt man sie aber aus dem Körper heraus und legt sie vorsichtig aus einander, so überzeugt man sich von dem Gesagten. Die Drüse ist entschieden lockerer, als bei den übrigen Chitonen. Ähnlich wie ich dieses für Ch. siculus und fascieularis beschrieben habe, besitzen die dorsalwärts gelegenen Eileiter ein mächtiges Drüsenepithel. Bei Ch. magnificus beginnt jederseits in der Kiemenrinne, hinter jeder Geschlechtsmündung ein drüsiger Wulst, der nach hinten zieht und unter dem After mit dem der anderen Seite sich zu einem hufeisen- förmigen Gebilde vereinigt (Fig. 6 B mit Schwarz). Dieser Wulst be- steht, wie ich es für Ch. laevis beschrieben habe!, und später BLUM- RICH? ihn auch bei anderen Chitonarten ähnlich, doch in verschiedener Ausdehnung auffand, aus sehr hohen Epithelzellen. Unter diesen können zwei Formen unterschieden werden. Die einen sind mit basal- ständigen Kernen versehen und sind unzweideutige Drüsenzellen, die anderen besitzen einen distalwärts lagernden Zellkern und einen schlanken Zellenleib. Bei Ch. magnifieus besteht dieser Drüsenwulst, gleich wie bei den anderen Arten, aus einer äußeren, der Kiemenreihe genäherten und einem inneren der Fußwand angehörigen Abschnitte, die von einander durch niedriges, indifferentes Epithel getrennt werden. Jederseits an der Geschlechtsöffnung angelangt, gehen bei dem weib- 1 Organisation der Chitonen der Adria. I. Th. Fig. 74. 21. e. Taf. XXVI Fig. 20, Taf. XXX Figg. 75—78. Beiträge zur Kenntnis der Placophoren. 35 lichen Thiere die beiden Wülste in das hohe drüsige Epithel der Eileiter kontinuirlich über. Letztgenanntes Verhalten wurde auch durch BLumricH beobachtet, der aber, wie es scheint, nicht wusste, dass er die Geschlechtsöffnung vor sich hatte. Ich will seine eigenen Worte anführen. »Als etwas höchst Sonderbares verdient hervor- gehoben zu werden, dass bei Ch. cajetanus jederseits ungefähr über der siebenten und achten Kieme in der Leibeswand ein eiförmig ge- stalteter Hohlraum (sie!) vorhanden ist, dessen Höhe gleich derjenigen der Kiemenhöhle, und dessen Breite gleich seiner Höhe ist. Dieser Hohlraum nun mündet mit einer engen Öffnung zwischen zwei Kiemen in die Kiemenhöhle, und seine Wandung ist von einem sehr hohen, zarten, krausartigen Epithel bedeckt, welches das Volum beinahe voll- ständig ausfüllt, so dass nur ein ganz schmaler centraler Spalt übrig bleibt. Dieses den Hohlraum auskleidende Epithel ist eine direkte Fortsetzung der zarten paraneuralen Krause!.« Mit letzterem Namen bezeichnet BLuMRICH den äußeren, der Kiemenreihe genäherten Theil des Wulstes. Ich will diesen Wulst, da er bei Ch. magnifieus ein- heitlich ist und aus später noch anzugebenden Gründen, als drüsigen Hypobranchialwulst bezeichnen und bei denjenigen Arten, wo er in einen der Kiemenreihe und einen dem Fuße genäherten Abschnitt zerfällt, diese Abschnitte als den branchialen und den pedalen be- zeichnen. Damit soll selbstverständlich nicht gesagt werden, dass dieser Wulst aus zwei ihrer Lage nach verschiedenen Abschnitten besteht, sondern bloß darauf hingewiesen werden, dass sein ursprüng- licher Zusammenhang durch einen Streifen indifferenten Epithels gestört wird. Nach den Beobachtungen BLuMmrIcH’s würden Ch. siculus, Polii und Acanthochiton fascicularis bezüglich der geringen Ausdehnung des Hypobranchialwulstes noch sehr an Ch. magnificus erinnern, während bei den mit geringer Kiemenzahl versehenen Arten wie Ch. laevis und cajetanus, der Hypobranchialwulst eine große Ausdehnung besitzt und auch sein Epithel ein mächtigeres ist. Bei diesen Formen erstrecken sich die beiden Abschnitte des Wulstes bis zur ersten Kieme. Auch an dem unterbrechenden Streifen zwischen den beiden Theilen des Wulstes hat BLumricu stellenweise ein ähn- liches Epithel beobachtet. Vier solche höckerförmige Stellen unter- scheidet er bei Ch. laevis und cajetanus, zwei bei Ch. siculus, Polii und Acanthochiton fascicularis. Bezüglich der histologischen Struktur des Hypobranchialwulstes wurde sehon hervorgehoben, dass dieser aus 1]. e. pag. 464. 3* 36 B. Haller Driisenzellen und einer anderen Zellart besteht, deren driisige Natur durch BLUMRICH zwar bestritten, jedoch nicht widerlegt wurde. Sie kommen, entgegen der Behauptung BLumricn’s, bei Ch. laevis ge- wiss nicht in größerer Zahl vor, als die andere Zellart; sollte aber Brumric#’s Behauptung auch richtig sein, so würde dies die Drüsen- natur des Hypobranchialwulstes doch nicht widerlegen. BLUMRICH nimmt allerdings an, dass jene schmalen Zellen, seine Fadenzellen, Sinneszellen seien, was aus dem Hinzutritt von Nervenfäden her- vorgehen soll, doch beweist dieses an und für sich noch nichts, da bekanntlich auch Drüsenzellen innervirt werden. Sinneshaare hat aber BLumricH nicht nachgewiesen. In Anbetracht dieser Umstände, sowie jener oben angeführten Thatsache, dass die Hypobranchialwülste mit der Geschlechtsöffnung in Connex treten, kann ich meine frühere Ansicht BLUMRICH gegen- über, nach dessen Ansicht die Hypobranchialwülste nervöser Natur wären und dem Geruchsorgane der Cochliden entsprechen würden, nicht aufgeben. Nach meiner früher vorgetragenen Ansicht sind die Hypobranchialwülste drüsiger Art. Sie sind homolog den Hypo- branchialdrüsen der Cochliden, wofür auch der histologische Bau deutlich genug spricht. Gleich wie bei den Placophoren, sind auch die Hypobranchialdrüsen der Cochliden! aus zweierlei Zellen ge- bildet, von denen die einen einen basalständigen, runden Zellkern besitzen und von ausgesprochen drüsiger Natur sind. Die anderen Zellen sind ähnlich wie bei den Placophoren fadige Gebilde, mit distalem ovalem Zellkern. Bezüglich des Darmkanals möchte ich bloß bemerken, dass außer der unter engen Grenzen schwankenden Größe des Magens (groß ist er bei Ch. magnificus) und Länge des dünnen Mitteldarmes, der in Folge dessen sich in zahlreiche Schlingen legt, sich Alles bei allen untersuchten Arten sehr einförmig verhält. Es entspricht ganz jenem Verhalten, wie ich es für Ch. siculus und faseieularis beschrieben habe. Hier möchte ich darum bloß die Innervirung des Magens etwas eingehender erörtern. In dem ersten Theile meiner Arbeit über die Chitonen der Adria, habe ich in der Gegend der siebenten und achten 1 Wie ich in einer demnächst zu erscheinenden Schrift nachzuweisen Gelegenheit haben werde, sind zwei bilateral angeordnete Hypobranchialdrüsen bei einer nahe der Fissurella stehenden Rhipidoglosse vorhanden, und somit ist die Einzahl bei den übrigen Prosobranchen sekundär durch Rückbildung der einen Drüse erworben worden. j Beitriige zur Kenntnis der Placophoren. 37 Schale aus dem Kiemeneingeweidestrange drei Nerven abtreten sehen, die nach innen in die Körperhöhle gelangten und hier aller Wahr- scheinlichkeit nach hauptsächlich die Nieren innerviren. Dann habe ich vorn am Kopftheil, bald nachdem der Kiemeneingeweidestrang sich vom Schlundringe abtrennt, vom ersteren einen Nerven abtreten sehen, der, an der Ansatzstelle des Sphincter oris gelegen, zum Magen sich begiebt. Hier angelangt, verbinden sich die beiderseitigen Magennerven mit je einem kleinen Ganglion, welches am vorderen Rande des Magens zwischen diesem und den Zuckerdrüsen lagert. Es lag mir nun viel daran, diese an den kleinen mittelländischen Formen gewonnenen unvollkommenen, doch in phyletischer Beziehung sehr wichtigen Resultate, an den großen Formen zu vervollständigen. Ich habe diesbezüglich Ch. magnificus untersucht und somit beziehen sich meine Angaben auf diese Art. Wenn man den Fuß abträgt und auf diese Weise von unten her die Körperhöhle eröffnet, so erkennt man nach einiger vorsichtiger Nachhilfe, die Innervirungsverhältnisse des Magens sehr deutlich. Während die Magennerven bei Ch. siculus zwischen den Zucker- drüsen und der Radulascheide nach hinten ziehen und die beiden Ganglien am vorderen Magenrande lagern, kommen diese, bei Ch. magnificus sehr flachen und kleinen Ganglien nicht so weit nach hinten zu liegen. Sie lagern etwas vor dem vorderen Magenrande, zwi- schen den beiden Zuckerdrüsen (Fig. 4). Die Magennerven (me, me’ verhalten sich sonst ganz so, wie bei Ch. sieulus, doch wäre zu be- merken, dass sie, bevor sie die Ganglien erreicht hätten, schon zahl- reiche feine Äste an die Zuckerdrüsen abgegeben haben. Von den Magenganglien tritt je ein starker Nerv ab, der sich theilweise auf den Zuckerdrüsen, zum größten Theile jedoch auf den Magen ver- ästelt. Die beschriebenen Magennerven besorgen aber nicht aus- schließlich die Innervirung des Magens und der Zuckerdrüsen, wofür sie auch, trotz der kleinen Magenganglien, ungenügend wären. Ich fand noch mehrere solcher Magennerven, wie ich sie im hinteren Körpertheile von Ch. siculus beschrieben hatte, aus dem Kiemen- eingeweidestrang in die Körperhöhle treten. Drei bis vier solcher Nerven (a, 4, c, d) treten in ziemlich gleich weiten Abständen an die Zuckerdrüsen und den Magen, andere weiter hinten an den Dünn- darm, die Leber, das Ovarium, das Herz und die Nieren. Das erste dieser Nervenpaare tritt an die Zuckerdrüsen (a, a’), das zweite und dritte, beziehungsweise vierte Paar (5D’, dd’) an den Magen. In dem Falle, den ich abbildete, fehlte links der dritte Nerv, während er 38 B. Haller sich rechts (c) dem vorderen Nerv anlagerte. Es ist klar, dass der Magennerv weiter nichts als ein stark ausgebildeter oder durch Ver- schmelzung mehrerer Eingeweidenerven des Kiemeneingeweidestranges entstandener Nerv ist. Darum nehme ich mit BürschLı! an, dass diese Nerven der Eingeweide sich allmählich vom Kiemeneingeweide- strange loslösten und sich vereinigend, zu den Intestinalkommissuren sammt Ganglien der Cochliden sich gestalten und dass der Rest des Kiemeneingeweidestranges zu dem großen Mantelnerven wird. Dieser Annahme liegt thatsächlich heute nichts im Wege. Die beschriebenen Nerven bilden auf dem Magen und theilweise auch auf den Zuckerdrüsen einen Plexus, welcher sich durch seine langgestreckten Maschen auszeichnet. Er ist am vorderen Ende des Magens durch seine Form äußerst charakteristisch. Dort (z) verlaufen stärkere Nerven neben einander parallel und werden durch Queräste leiterförmig mit einander verbunden. Je feiner diese Verbindungen sind, was von dem Vorhandensein von mehreren oder bloß einem Nervenfaden abhängt, desto mächtiger ist relativ die Nervenhülle, d. h. die Nervenhülle bleibt bei kleineren Bündeln eben so mächtig wie um eine einzige Nervenfaser. Wie ich schon hervorgehoben habe, halte ich Ch. magnificus für einen der ältesten Repräsentanten der Placophoren. Durch die mehr- fache Einmündung der Vorhöfe in die Herzkammer bei denselben, wird dann ein weiterer Beweis für die GEGENBAUR’sche Annahme? geliefert, wonach das Molluskenherz von dem dorsalen Gefäß der Würmer ab- zuleiten ist. Es findet hierdurch auch das Verhalten des Nautilus- herzens eine nähere Erklärung. Dabei ist es aber nicht nöthig, auf die Anneliden sich zu berufen. Zum Schlusse möchte ich hier noch auf einen wichtigen Unter- schied in dem Verhalten der Längsachse des Fußes zu jener des Kopfes bei den verschiedenen Placophoren hinweisen. Bei Ch. magni- ficus ist dieses Verhältnis 9: 1, bei Ch. spee.? mit geringer Kiemen- zahl 5:1, was sofort auffallen muss (Fig. 6). Somit haben die ältesten Chitonen einen langgestreckten Körper, der allerdings durch den breiten Mantelrand, von oben gesehen, maskirt sein mag. Dieser Zustand wird dann durch die Chitonellen wieder erworben. Ich habe schon früher betont?, dass die Aplacophoren in Bezug ı 0. BürscuLı, Bemerkungen über die wahrscheinliche Herleitung der Asymmetrie der Gastropoden etc. Morphol. Jahrbuch. Bd. XII. 2 Grundriss der vergleichenden Anatomie. Leipzig 1878. pag. 388. 3 Organisation der Chitonen der Adria. II. Th. Beiträge zur Kenntnis der Placophoren. 39 auf das Nervensystem in mancher Beziehung den Placophoren gegen- über sekundäre Verhältnisse aufweisen. Ich fasse, wie ich schon erwähnte, die Aplacophoren auch heute für solche Formen auf, welche durch den allmählichen Verlust der Kiemen, welche bei gewissen Repräsentanten noch rudimentär vorhanden sind, ferner der Schalen und die Wiedererlangung des Wurmkörpers durch die Anpassung an ihre Lebensweise, abgezweigt sind. Den Übergang zwischen den zwei Abtheilungen vermittelt jedenfalls Chitonellus. Heidelberg im Juli 1893. Erklärung der Abbildungen. Tafel LI. Fig. 1. Chiton magnificus Desh. Hinterende des Körpers. Das Perikardium und die Leibeshöhle sind von oben geöffnet. Hd Hoden; gg dessen linker Ausführungsgang;; #9 Nierentrichtergang ; mr Mantelrand; 6, 7, 8 die drei letzten Schalenlager; J, II, 1II,IV die vier Gefäße des rechten Vorhofes (natiirl. Gr.). Fig. 2. Chiton aculeatus L. So wie zuvor. Ov Ovarium; gg dessen linker Ausführungsgang (natürl. Gr.). Fig. 3. Chiton spec.? Herz (4/1 natürl. Gr.). Fig. 4. Chiton magnificus. Innervirung des Magens und der Zuckerdrüsen nach Eröffnung des Thieres von unten. m, m’ die beiden Zuckerdrüsen; mg der Magen; kr rechte Kiemenreihe (nur vorn gez.); me, me’ die beiden Magennerven; a, b, e, d Eingeweidenerven aus dem Kiemen-Eingeweide- strang (5/1 natürl. Gr.). Fig. 5. Chiton aculeatus. Linksseitiges Nierenstück mit der Mündung mn; Nk Nierenkörper; tg Trichtergang; Trichtermündung in das Perikard (8/1 natürl. Gr.). Fig. 6. A. Chiton magnificus, B. Chiton spec.? von unten. Uber die Entwicklungsgeschichte des Bulbus cordis bei Amphibien und Reptilien. | Von Dr. Armin Langer. Mit 22 Figuren im Text. Aus dem IT. anatom. Institut des Herrn Prof. Dr. E. Zuckerkandl in Wien. Die Anatomie des auf den Ventrikel folgenden Theils der arte- riellen Abflussbahn bei den amnionlosen Wirbelthieren ist in den letzten Decennien Gegenstand eingehender und erschöpfender Unter- suchungen gewesen. Das Verdienst, dieselben eigentlich inaugurirt zu haben, gebührt GEGENBAUR, der in seiner »Zur vergleichenden Anatomie des Herzens«! betitelten Abhandlung zuerst Licht über die Morphologie dieses zwischen den Ventrikel und das Arteriensystem eingeschalteten Theils bei den Fischen brachte. Er war es, der zuerst in dem von ihm Conus arteriosus genannten Theil des arte- riellen Abflussrohres bei den Selachiern und Ganoiden zum Unter- schied vom Bulbus arteriosus der Knochenfische, mit dem man bis dahin den ersteren unterschiedslos zusammengeworfen hatte, einen Abschnitt des Herzens erkannte. Er war der Erste, der auf Grund dieser Auffassung für die Verschiedenartigkeit des Muskelbelags am Conus, der aus quergestreiften Muskelfasern besteht, einerseits und am Bulbus, der glatte Muskulatur aufweist, andererseits die morpho- logische Erklärung in dem gedachten Sinn gegeben hat. Durch Aufdeckung dieses Verhältnisses war ein wichtiger Schritt zur Klä- rung der Morphologie jenes Theils bei den höheren Wirbelthieren gethan. ! Jenaische Zeitschrift. Bd. II. 1866. . a - . ’ D i ’ ’ er" > b' -* . he - — Ss Morpholog. Jahrbuch. Bd. XX. Taf: IL. Entwicklungsgeschichte des Bulbus cordis bei Amphibien und Reptilien. 41 Boas hat nun die diesbeziiglichen Untersuchungen auf die Dipnoer und Amphibient fortgesetzt und hat den Nachweis erbracht, dass sich diese Thierklassen betreffs ihres Conus an die Ganoiden an- schließen. Was die prineipielle Stellung, die dem Conus einzuräumen ist, anbelangt, ging er auf Grund seiner Untersuchungen über GEGEN- BAUR hinaus. Während nämlich GEGENnBAUR den Conus nur als einen »verlängerten, eine gewisse selbständige Bedeutung erlangen- den Abschnitt der Herzkammer« gelten ließ, charakterisirte ihn Boas als »ein deutlich geschiedenes, selbständiges Endglied des Herzens«?, das daher mit Recht dem Vorhof und dem Ventrikel als dritter Herz- - abschnitt anzufügen sei. Es fragt sich nun, wie sich die Verhältnisse, die bei den Am- nioten bestehen, an diejenigen bei den Amphibien anschließen. Bei der großen Verschiedenheit, die sich in dieser Beziehung zwischen dem ausgewachsenen amnioten und dem amnionlosen Wirbelthier geltend macht, ist es klar, dass nur die Entwicklungsgeschichte der Amnioten die Lösung dieser Frage zu geben vermag. In der That hat die bisher fast ausschließlich am Vogel- und am Säugerembryo studirte Entwicklung des Amniotenherzens das wichtige Ergebnis zu Tage gefördert, dass auch bei diesem im primitiven Zustande auf den Ventrikeltheil ein dritter Herzabschnitt, hier Bulbus arteriosus genannt, folgt, der auch darin dem Conus arteriosus gleicht, dass sich in ihm die arteriellen Klappen entwickeln, gleichwie der letz- tere bei den Anamnia der klappentragende Theil ist. Sowie der letztere seine cardiale Natur durch seine quergestreifte Muskulatur dokumentirt, so lässt der Bulbus arteriosus der Amnioten durch eigenartige Wucherungen des Endothels, wie wir sie nur am embryo- nalen Herzen finden, sowie durch seine Entstehung aus dem primi- tiven Herzschlauch seine Zugehörigkeit zum Herzen erkennen. Aber noch war die genauere Art, wie sich der Übergang vom Amphibieneonus zum Vogel- und Säugethierbulbus gestaltet haben mochte, unklar, insbesondere die Frage nach der Descendenz der arteriellen Klappen der Amnioten blieb noch unentschieden. Um nun wo möglich diese Fragen einer Lösung zuzuführen, machte ich mich an das Studium der Entwicklung des Bulbus der Reptilien, 1 Boas, Uber Herz und Arterienbogen bei Ceratodus und Protopterus. Morphol. Jahrbuch. Bd. VI und Über den Conus arteriosus und d. Arterienbogen der Amphibien. Morphol. Jahrbuch. Bd. VII. 2 Boas, Uber den Conus arteriosus bei Butirinus und bei anderen Kno- chenfischen. Morphol. Jahrbuch. Bd. VI. 1880. 42 Armin Langer die bisher noch nicht genauer bearbeitet worden und doch am ehe- sten geeignet war, den Schliissel zu unserer Frage zu bieten. Die Ergebnisse, die diese Untersuchung im Verein mit einer erneuten Priifung der Anatomie und Entwicklungsgeschichte des Amphibien- conus geliefert haben, méchte ich in vorliegender Arbeit mittheilen. Betreffs der Terminologie befinde ich mich in einer schwierigen Lage. Auf der einen Seite — nämlich von den Autoren, die diesen Theil bei den Anamnia beschrieben haben (GEGENBAUR, Boas) — wird der fragliche Herzabschnitt Conus arteriosus genannt, auf der anderen Seite — bei den Embryologen, die ihn am embryonalen Amniotenherzen abgehandelt haben (KÖLLIKER, Born) — führt er den Namen Bulbus arteriosus oder Bulbus aortae. Wenn ich nun den Ausdruck Conus für denselben Theil bei den Reptilien ge- brauchen wollte, so würde ich mich nicht nur mit der Nomenelatur der Embryologen in Zwiespalt setzen, es wäre auch ganz und gar ungereimt. GEGENBAUR! hat nämlich den Ausdruck Conus vom Menschenherzen genommen, da er der Ansicht war, dass der von ihm so benannte Theil des Ganoiden- und Selachierherzens dem diesen Namen tragenden Theil des menschlichen Ventrikels entspricht. Da dies jedoch, wie schon aus den Untersuchungen an Vogel- und Säugerembryonen hervorgeht, nicht der Fall ist, der Conus dieser Fische vielmehr dem Bulbus des Amniotenherzens entspricht, so wird dieser Ausdruck vielleicht auch bei den Anamnia fallen gelassen werden müssen, um so bedenklicher wäre es aber, ihn für den Bulbus des Amniotenherzens zu gebrauchen. So bleibt mir denn, um nicht unaufhörlich zwischen dem Terminus »Conus arteriosus« bei den Am- phibien und dem Terminus »Bulbus« bei den Reptilien hin und her zu schwanken, nichts Anderes übrig, als den von Boas auch in die Anatomie der Amphibien eingeführten Ausdruck Conus arteriosus um- zustoßen und dafür Bulbus zu gebrauchen; und zwar möchte ich diesem Ausdruck statt der bisherigen Bezeichnung »arteriosus«, »aortae« die Bezeichnung »cordis« hinzufügen, um dadurch schon die Zugehörigkeit des betreffenden Organs zum Herzen zum Aus- druck zu bringen. Auch lässt sich dadurch die Kollision mit dem Bulbus arteriosus der Knochenfische vermeiden, der mit dem Bulbus cordis gar nichts zu thun hat. Betreffend die Ortsbezeichnung, die ich gebrauche, muss ich be- merken, dass ich mir das Herz mit seiner Längsachse vertikal vor I a.a. QO. pag. 374, Entwicklungsgeschichte des Bulbus cordis bei Amphibien und Reptilien. 43 dem Beschauer aufgestellt denke, dass demnach oben = kopfwärts, vorn = ventral etc. zu verstehen ist. Ich habe meine Untersuchungen an Schnittserien gemacht, die von in Sublimat-Pikrinsiiure gehärteten embryonalen Herzen ge- wonnen waren und habe mir da, wo es nöthig schien, nach diesen Sehnittserien nach der Plattenmodell-Methode Modelle angefertigt, die z. Th. in vorliegender Arbeit reprodueirt sind. — Die Schuitt- bilder sind mit der Camera von Appi bei Harrnack Obj. 4 Oc. 2, die Modelle im halben Maßstab der Schnittbilder gezeichnet. Salamandra maculosa. Bevor ich auf die Entwicklung des Bulbus cordis bei dieser Thierart eingehe, will ich in Kürze die Beschreibung, die Boas! vom Bulbus des ausgewachsenen Thieres giebt, wiedergeben. Am oberen rechten Ende des Ventrikels entspringt ein kurzes spiraliges Rohr, das sich oben etwas einschnürt und kurz nachher in die acht Arterienbogen spaltet. Das über der Einschnürung liegende Stück bezeichnet Boas als Truncus arteriosus, die größere unter der Einschnürung liegende Partie ist der Bulbus (Conus). Die muskulösen Elemente sind hier ganz wie im übrigen Herzen quer- gestreifte, im Truncus glatte Muskelzellen. Im Inneren des Bulbus finden sich am oberen distalen (d. i. peripheren) Ende vier in einem Kreise stehende Taschenklappen; die rechtssitzende dieser setzt sich nach hinten in eine Falte, die Spiralfalte, fort, die an der dorsalen Bulbuswand nach links unten verläuft, um hier unmittelbar vor der proximalen (d. i. central gelegenen) Klappenreihe zu endigen. Diese Klappenreihe sitzt dicht am Ventrikel der Bulbuswand an und be- steht in der Regel aus drei Klappen. Der Truncus arteriosus besteht aus einem unteren, ungetheilten Abschnitt, der nach Boas eigentlich dem Truncus der Fische ent- spricht, und einer oberen, den vier Arterienbogenpaaren entsprechend in acht Fächer getheilten Partie. Larvenstadien. Fig. 1 stellt den Bulbus einer Salamanderlarve (von der Länge von 2,3 cm), etwas von der rechten Seite gesehen, dar. Man kann an ihm, wie aus der Zeichnung hervorgeht, einen kürzeren proximalen tar and, 44 Armin Langer und einen längeren distalen, vom ersteren nach links vorn abge- bogenen Theil unterscheiden. Das genauere Studium nehmen wir an einer Schnittserie (Fig. 2) vor, die von demselben Bulbus stammt. ies Schnitt 1 ist jenem Abschnitt ent- , 7 ig nommen, der die Anfangsstücke der Arterienbogen enthält, und den Boas schlechtweg auch noch zum Truncus f rechnet. — Schnitt 30 geht durch den ML aye | ungetheilten Abschnitt, den eigent- lichen Truncus. Den distalen Theil des Bulbus ES finden wir von vier longitudinal ver- m. we laufenden Wülsten durchzogen, die die ae innere Wand desselben einnehmen und Bulbus einer Salamanderlarve (nach einem aus angehäuften Endokardzellen be- on ee stehen. Wir wollen diese Wülste Bul- Vom distalen Theil ist die rechte-vordere Hälfte der Wand entfernt. Die Ebenen buswiilste , und zwar zum Unterschied Die römischen Ziffern bedeuten die pro. VOR den gleich zu beschreibenden pro- nice En pinks distalen —_-ximalen, distale Bulbuswiilste nennen. Während die übrigen distalen Bulbus- wülste nach unten zu unscheinbarer werden und bald ganz aufhören, reicht einer derselben um ein Stück weiter nach abwärts. Man er- innere sich an die Beschreibung des Bulbus des ausgewachsenen Thieres, um in ihm die Spiralfalte des Larvenstadiums zu erkennen. Es erscheint somit die Spiralfalte als ein persistirender distaler Bulbuswulst. Ich bezeichne die distalen Bulbuswülste mit den Zif- fern 7—4, und zwar so, dass die Bezeichnung derselben mit der Boas’schen Bezeichnung der Klappen, die, wie wir sehen werden, aus den Bulbuswülsten hervorgehen, übereinstimmt. Die Spiralfalte ist somit gleich der an ihrem Ende befindlichen Klappe mit 7 be- zeichnet. Nach diesen Vorbemerkungen nehme ich die Beschreibung der Schnittserie wieder auf. An Schnitt 43, der schon durch den oberen Theil des Bulbus geführt ist, erscheinen die Durchsehnitte durch die vier distalen Bulbuswülste. Schnitt 60 ist dem gebogenen Theil des Bulbus entnommen, hier ist von den distalen Bulbuswülsten nur mehr die Spiralfalte (Bulbuswulst 7) zu sehen, die, wie gesagt, weiter nach abwärts reicht als die übrigen. Schnitt 70, durch den oberen Theil des proximalen Bulbusabschnittes geführt, ist frei von Bulbus- wiilsten und zeigt somit, dass die distalen Bulbuswiilste mit den Sch nds Entwicklungsgeschichte des Bulbis cordis bei proximalen nicht in Verbindung stehen. An Schnitt 74 erscheinen nun die Durchschnitte durch die drei proxi- malen Bulbuswiilste, die von ganz derselben Beschaffenheit sind wie die des distalen Abschnittes, und sich bis zum Ursprung des Bulbus aus dem Ventrikel erstrecken. An dem Bulbus einer etwas ilte- ren Salamanderlarve (von der Linge von 2,9 cm) sehe ich die distalen En- den der Bulbuswiilste, und zwar der distalen sowohl wie der proximalen von ihrer distalen Seite her ausgehöhlt, somit die Klappen der distalen sowie der proximalen Reihe in ihrer pri- mitiven Gestalt darstellend (Fig. 3). Schnitt a bringt die Klappen 2 und 3 der distalen Reihe zur Anschauung (Klappe / und 4 sind an diesem Sta- dium nur angedeutet), Schnitt d die Klappen 7 und 7/7 der proximalen Reihe (Klappe ZZ ist an diesem Sta- dium noch nicht zur Entwicklung ge- kommen). Wir ziehen somit aus dieser ent- wicklungsgeschichtlichen Untersuchung den Schluss, dass die Klappen der Am- phibien dadurch entstehen, dass sich die distalen Enden der Bulbuswülste von der distalen Seite her, ohne Zweifel unter dem Druck des sich rückstauen- den Blutes aushöhlen. Es steht diese Entwicklungsweise mit derjenigen, die GEGENBAUR von den Klappen der Se- lachier und Ganoiden beschrieben hat', in vollem Einklang. GEGENBAUR hat nämlich gefunden, dass die Bulbus- Amphibien und Reptilien. 45 Fig. 2. ef, (G & N et 5 N) San 3h \\ (il \\) tA N) BI 30 ron Innen 60 70 Serie von Schnitten durch den Bulbus und Truncus einer Salamanderlarve. Das Modell des Bulbus ist in Fig, 1 darge- stellt. Bezeichnungen der Bulbuswülste wie in Fig. 1. 1 GEGENBAUR, Uber den Conus arter. d. Fische. Morph. Jahrb. Bd. XVII. 46 Armin Langer klappen der genannten Thiere durch Aushöhlung von Längswülsten gebildet werden, die aus »embryonalem Bindegewebe (Gallertgewebe) mit zahlreichen Zellen, welche nach innen hin Fig. 3. dichter liegen«, bestehen. Auch die Beschreibung dieser Längswülste könnte wörtlich auf die Bulbus- wülste übertragen werden. Was nun die Ableitung des Salamanderbulbus vom Dipnoerbulbus anbelangt, so glaube ich, dass sich auf Grund der vorgehenden Beschreibung die Verwandtschaft zwischen beiden als eine engere darstellt, als sie nach der Auffassung von Boas! erscheint. Boas scheint nämlich nur den Bulbus des ausgewachsenen Salamanders in Betracht ge- zogen, und, da bei diesem der proximale Bulbus- abschnitt verkürzt auftritt, diesen als zu sondern- den Abschnitt übersehen zu haben. Anders stellt pane Ore ee sich jedoch die Sache dar, wenn man den Bulbus EOE E der Larve mit dem Dipnoerbulbus vergleicht. Fig. 4 giebt das Umrissbild des Bulbus von Ceratodus, das der Boas’schen Abbildung nachgezeichnet ist. Entsprechend der Boas’schen Beschreibung und seiner schematischen Zeichnung habe ich in dasselbe den Verlauf der Ansatzlinie der Spiralfalte als zum Theil dick ausgezogene, zum Theil gestrichelte Linie Fig. 4. eingezeichnet, wobei die Strichelung den Verlauf des Faltenansatzes an der hinteren Wand andeuten soll. Es scheint mir nun der Bulbus der Salamander- larve (Fig. 1) ein in mancher Hinsicht verwischtes Ab- bild des Dipnoerbulbus zu bilden; dieselbe Knickung und Torsion, wie am letzteren, scheint mir, wenn auch in verkümmertem Maße, am ersteren zum Ausdruck zu kommen. Daraus würde auf die Analogie der beiden Bulbus von Cerato- dus (nach Boas), durch die Knickung geschiedenen Abschnitte bei bei- den Bulbi zu schließen sein. Das gleichartige Verhalten der Spiralfalte im distalen Abschnitt beider Bulbi scheint mir nur zu Gunsten dieser Art von Vergleichung zu sprechen. Um zu zeigen, wie sich im Übrigen die Verhältnisse von Sala- mandra zu denen von Ceratodus verhalten, muss ich in Kürze auf 1 Boas, Uber den Conus arteriosus und den Arterienbogen der Amphibien, Morpholog. Jahrbuch. Bd. VII. pag, 511. Entwicklungsgeschichte des Bulbus cordis bei Amphibien und Reptilien. 47 die Beschreibung, die Boas vom Ceratodusbulbus giebt, eingehen. Von den Liingswiilsten desselben erstreckt sich nur die aus acht Klappen bestehende Spiralfalte durch die ganze Länge des Rohres; ihre (von distal proximalwärts gerechnet) dritte Klappe sitzt an der Knickungsstelle. Die Spiralfalte inbegriffen, weist der proximale Bulbusabschnitt ungefähr acht, der distale vier Wülste auf, wovon (abgesehen von der Spiralfalte) die ersteren von den letzteren durch eine Zwischenstrecke an der Stelle der Knickung des Rohres getrennt sind. Es ergiebt sich somit, dass, was die Zahl der Wülste des distalen Abschnittes anbelangt, Salamandra mit Ceratodus überein- stimmt, dass jedoch die Zahl der proximalen Wülste bei Salamandra sich von 8 auf 3 reducirt hat. Die Trennung der proximalen von den distalen Wülsten, wie wir sie bei Salamandra finden, finden wir — abgesehen von der Spiralfalte — schon bei Ceratodus be- gründet. Was aber die Spiralfalte des Salamanders betrifft, so er- giebt sich aus der Vergleichung, dass sie nur dem distalen Abschnitt der Spiralfalte von Ceratodus äquivalent ist, dass sie somit nicht, wie Boas meint, sieben, sondern nur den drei distalsten Klappen der letzteren entspricht. Durch die Güte des Herrn Hofraths Dr. STEINDACHNER, Direktors am k. u. k. Hofmuseum, dem ich mir hierfür meinen besten Dank auszusprechen erlaube, bin ich in die Lage versetzt worden, je ein Herz von Ceratodus und Protopterus untersuchen zu können. Da ich hierbei nichts Wesentliches gefunden habe, was nicht schon durch Boas bekannt geworden wäre, so habe ich der Boas’schen Beschrei- bung nichts hinzuzufügen; nur das Eine möchte ich hervorheben, dass mir meine Art der Ableitung des Salamanderbulbus vom Dipnoer- bulbus, auch nachdem ich Dipnoerherzen aus eigener Anschauung kennen gelernt habe, eben so wie nach der Darstellung von Boas als die naturgemäße erscheint. Rana. Da es nicht meine Absicht ist, eine zusammenfassende Darstel- lung der Entwicklung des Bulbus cordis bei den Amphibien zu geben, sondern nnr das vorzubringen, was mir zum Verständnis der Be- funde am Reptilienembryo nothwendig erscheint, gehe ich auf die Entwicklung von Rana nicht ein. Die Verhältnisse an den Reptilien lassen sich nämlich viel vollkommener von Salamandra ableiten als von Rana. Es ist schon von Boas hervorgehoben worden, dass Sala- 48 Armin Langer mandra, als die die primärsten Verhältnisse darbietende Amphibien- form, dem Typus der Stammform der Amphibien am meisten ent- sprechen dürfte. Dasselbe gilt naturgemäß auch für die Abkömm- linge der Amphibien, die Reptilien. Andererseits aber bin ich ge- nöthigt, auf die Verhältnisse beim ausgewachsenen Frosch einzugehen, da wir für dieselben in der Lacerta-Entwicklung vielfach Analogien finden werden. Die Verhältnisse beim ausgewachsenen Frosch geben uns in mehrfacher Beziehung so zu sagen die Richtung an, in welcher sich bei den Vorfahren der Reptilien die Verhältnisse entwickelt haben. Ich halte mich in der folgenden Beschreibung größtentheils an die Darstellung von Boas. Was zunächst den Truncus des ausgewachsenen Frosches an- belangt, so erscheint der bei Salamandra noch einfache Abschnitt desselben, der eigentliche Truncus, durch hinzugekommene Scheide- wandbildungen getheilt. Eine Scheidewand, die als primire gelten mag, da sie tiefer reicht als die andere, entsteht durch Auswachsen des die Pulmonalisbogenmiindungen umgrenzenden oberen Randes, steht frontal nnd scheidet im Truncus einen Pulmonalisraum von einem Aortenraum. Die andere, sekundäre, entsteht durch Aus- wachsen des die Mündung des linken vierten Arterienbogens um- grenzenden Randes, steht sagittal und scheidet den Aortenraum in einen linken, der zum linken vierten Arterienbogen fiihrt, und in einen rechten, der zu den iibrigen Arterienbogen fiihrt. Diese Scheide- wand heftet sich einerseits in der Mittellinie der primären Scheide- wand, andererseits an der vorderen Truncuswand an. Die primiire Scheidewand reicht bis an das obere Ende des Bulbus herab, während die sekundäre etwas vor demselben stehen bleibt. Die Veränderungen, die der Froschbulbus gegenüber dem Sala- manderbulbus erfahren hat, beziehen sich hauptsächlich auf das obere Ende und bestehen, wie es nebenstehende schematische Zeichnung (Fig. 5), die später vorzufiihrenden von Lacerta angepasst ist!, zum Ausdruck bringt, in Folgendem: Die Klappe 4 des Salamanders ist 1 Meine schematische Zeichnung unterscheidet sich von der Quersehnitt- zeichnung, die Boas vom oberen Bulbusende giebt (Taf. XXIV Fig. 15), im Wesentlichen nur darin, dass an ihr zwischen Klappe 7 und 3 ein Zwischen- raum gelassen ist, während an der Boas’schen Zeichnung die vorderen Ansätze derselben zusammenstoßen. Es ist richtig, dass die BoAs’sche Zeichnung für Rana esculenta zutreffend ist, die meinige steht aber trotzdem nicht mit den Thatsachen in Widerspruch, weil bei Rana mugiens, wie Fig. 6 zeigt, ein sol- cher Zwischenraum besteht. Entwicklungsgeschichte des Bulbus cordis bei Amphibien und Reptilien. 49 hier ausgefallen. Die Klappe / fällt durch ihre prädominirende Größe auf und ist mit einem Zipfel an die gegenüber liegende Bulbuswand und zwar in dem zwischen Klappe 2 und Klappe 3 be- - findlichen Winkel festgewachsen. Ferner ist sie durch die vom Truncus herabge-- wachsene primäre Scheidewand, die mit ihrer linken Seite in dem zwischen Klappe 2 und Klappe 3 gelegenen Winkel sich an- setzt und dadurch die Befestiguug der Klappe 7 vermittelt und die mit ihrer rechten Seite in den Grund der Klappe / hinabreicht, in eine große Klappe /a und eine kleine 75 getheilt. Die erstere kommt in den Aortenraum, die letztere in den Pulmonalraum zu liegen. Bis hierher folge ich der Darstellung von Boas. Wenn Boas aber sagt, dass Durehschnitt durch das obere Bulbus- ende von Rana (schematisch). Pr.Sch primäre Scheidewand. P Pulmonalis- raum. Ao Aortenraum. Za, 1b, 2, 3 Klappen. die Klappe /« den Raum der rechten Aorta, Klappe 3 den Raum Bulbus cordis von Rana mugiens, nach einem gehärteten Präparat gezeichnet. Um das Innere des Aortenraumes und die distalen Klappen 7a und 3 sichtbar zu machen, ist ein Stück aus der vor- deren Wand herausgeschnitten und vom Ansatz der sekundären Scheidewand losgetrennt worden. Pr.Sch primäre Scheidewand. Sec.Sch sekundäre Scheidewand. Ja, 3 Klappen. der linken Aorta abschließt, so kann ich dies nur im großen Ganzen gelten lassen, wie es ja Boas wohl auch nur gemeint hat, Morpholog. Jahrbuch, 21. 4 50 Armin Langer denn streng genommen fällt auch noch der der Auswachsungs- stelle zunächst gelegene Theil der Klappe /a in den Bereich der linken Aorta. Man bedenke nämlich, dass, wie oben erwähnt, die sekundäre Scheidewand in der Mittellinie der primären herabwächst; dadurch bahnt sie eine Theilung der Klappe Za an, ohne dieselbe vollständig zu machen, weil sie das obere Bulbusende und somit die genannte Klappe nicht ganz erreicht. Diese Verhältnisse bringt nebenstehende Abbildung des Bulbus cordis von Rana mugiens zum Ausdruck (Fig. 6). Was den unteren Theil des Froschbulbus an- belangt (Fig. 7 stellt ihn von einer Larve dar), möchte ich im Sinne meiner obigen Ableitung des Salamanderbulbus vom Dipnoerbulbus be- ‚\ merken, dass der an der Salamanderlarve noch Fig. 7. auf ein Minimum verkürzt ist, so dass die aus dem Ventrikel in den Bulbus führende Offnung Der untere Theil des Bulbus (Ostijum bulbi) dieht an das untere Ende der einer Froschlarve(nach einem E I n 3 . Plattenmodell). 0. Ostium Spiralfalte gerückt erscheint; insbesondere ist bulbi. 7 Epiralfalte. 17777 die hintere Peripherie des Ostium nach oben ge- proximale Klappen. zogen, so dass Klappe / parallel neben das untere Ende der Spiralfalte zu stehen kommt (vgl. auch Fig. 1). Lacerta agilis. Stadium I. Wir gehen von einem Stadi- um (Fig. 8) aus, in dem das Herz undeutlich zwar, aber doch noch die Schlauchform erkennen lässt. Die Grenzen zwischen den drei Abtheilungen des Rohres, nämlich Vorhofstheil, Kammertheil und Bulbus cordis, sind deutlich kennt- lich. Ohne auf die übrigen Ab- schnitte Rücksicht zu nehmen, Herz eines Lacertaembryo (Stad. I) nach einem wenden wir uns ausschließlich Plattenmodell. Ve Ventrikel. B Bulbus. Die Bulb Ebenen der Schnitte von Fig. 9 sind eingezeichnet. dem wpbus ZU. Er schließt sich rechterseits vorn an den Kammerabschnitt an. Von diesem ist er durch eine Entwicklungsgeschichte des Bulbus cordis bei Amphibien und Reptilien. 51 doppelte Knickung, deren eine die untere, die andere die obere Wand betrifft, scharf abgesetzt. Man muss sich nämlich den Ver- lauf der Achse des Schlauches folgendermaßen vorstellen: Nachdem sie (im Bereich des Kammerabschnittes) von links und unten kom- mend nach rechts kopfwärts aufgestiegen ist, biegt sie ventral- und etwas caudalwärts um; daraus resultirt die Knickung an der vorderen resp. unteren Wand. In ihrem folgenden Verlauf wendet sie sich zugleich etwas nach innen, das übrige Herz gleichsam umfangend und biegt dann nach oben um, um den Austrittsort aus der Perikardialhöhle zu erreichen. Aus diesem Umbiegen nach oben resultirt die Kniekung der oberen, resp. rechten Wand. Die genannten Knickungen kommen in der Modellzeichnung durch die Enden der beiden Kontouren des Bulbus cordis zum Ausdruck, und zwar die untere Knickung durch das mit * bezeichnete Ende des unteren Kontours, die Knickung der oberen Wand durch das mit ** bezeichnete Ende des oberen Kontours. Diese beiden Knickungsfurchen geben uns an der oberen und unteren Wand die Grenze zwischen Ventrikel und Bulbus an. Ihnen entsprechen im Innern zwei scharf vorspringende Falten des Endothelrohrs, die demnach die untere und die obere Peripherie des Ostium bulbi umsäumen. An der rechten sowie an der medialen, linken Seite ist die Grenze jedoch nicht kenntlich. Diese Verhältnisse werden bei Betrachtung der Dureh- schnittsbilder alsbald klar werden. Wie aus der Zeichnung ersichtlich ist, ist der Bulbus entsprechend der Konvexität des von ihm beschriebenen Bogens, d. i. namentlich nach unten und etwas nach links, ampullenförmig ausgesackt. Nach oben zu, gegen die Austrittsstelle aus der Perikardialhöhle, verengert er sich. Nun wende ich mich zu den Querschnittsbildern (Fig. 9). Sehnitt 1 ist durch die Grenze zwischen Bulbus und Arterienbogen- wurzel geführt. Die seitlichen Ausbuchtungen des Lumens gehören schon den Mündungen der Pulmonalisbogen an. Von den gleich zu beschreibenden Bulbuswülsten sind nur schwache Andeutungen an der vorderen und hinteren Wand zu sehen. Das Gefäß steht nicht mehr frei in der Perikardialhöhle und ist, wie mich die nächsten darüber liegenden Schnitte lehren, im Begriffe dieselbe ganz zu verlassen. Mit Schnitt 3 befinden wir uns im Gebiet des Bulbus. Die Innen- fläche desselben erscheint mit Endothelgewebe ausgekleidet, das sich an der vorderen und hinteren Wand dureh Anhäufung von Endothelzellen zu Wülsten erhebt. Wir nennen diese Wülste ebenfalls Bulbuswiilste 4» 52 Armin Langer und bezeichnen die zwei hier vorbandenen mit 2 und 4. Das Folgende wird lehren, dass sie den zwei gleich bezeichneten distalen Bulbus- wiilsten der Amphibien entsprechen. — An Schnitt 16 ist auch der Ventrikel getroffen. Das Bulbuslumen erscheint jedoch noch vom Lumen des Ventrikels durch die Endothelfalte, die der früher er- wähnten oberen Knickung entspricht, getrennt. — Schnitt 24 ist dem Bereiche des Ostium bulbi entnommen; man sieht den Ventrikelhohl- raum mit dem des Bulbus kommuniciren. Man überzeugt sich ferner, Querschnitte durch den Bulbus eines Lacertaembryo (Stadium I). Das Modell desselben in Fig. 8. Ve Ventrikel. B Bulbus. 2, 4 Bulbuswülste. dass an der rechten und an der linken, medialen Seite die Grenze zwischen Ventrikel und Bulbus nicht markirt ist. — An Schnitt 27 sieht man das Lumen des Bulbus von dem des Ventrikels durch die untere Endothelfalte getrennt. Hier ist der Bulbus im Bereiche seiner srößten Aussackung getroffen. Wenn man Schnitt 16 mit Schnitt 27 vergleicht, so wird man erkennen, dass die obere Knickungsfalte vorn medial zur unteren Knickungsfalte steht, wie dies dem beschriebenen Verlauf der Achse Entwicklungsgeschichte des Bulbus cordis bei Amphibien und Reptilien. 53 des Bulbus entspricht, die sich zuerst über dem Rand der unteren Knickungsfalte abknickt, dann eine Strecke nach vorn innen ver- läuft und dann erst nach oben abbiegt, um so die obere Knickungs- falte hervorzubringen. Wenn man davon absieht, dass an diesem Stadium, wie Schnitt 1 zeigt, die Anfangsstücke der Pulmonalisbogen in die Perikardialhöhle einbezogen zu werden beginnen, ein Vorgang, der am nächst zu beschreibenden Stadium schon in voller Deutlichkeit hervortritt, so kann man sagen, dass im Beginn der Entwicklung der Bulbus cordis, durch das Vorhandensein von Bulbuswülsten gekennzeichnet, bis an die Grenze der Perikardialhöhle heranreicht. Da auch die Entwicklung und die freie Lage in der Perikardialhöhle dem Herz- schlauch ein ihn vom übrigen Gefäßsystem unterscheidendes Merkmal aufdrückt, so fühle ich mich veranlasst, darauf hinzuweisen, dass im Beginn der Entwicklung die Grenze des Bulbus cordis mit der Grenze der Perikardialhöhle zusammenfällt. Jenseits dieser Grenze schließt sich die Wurzel der Arterienbogen an, die sich vom eigentlichen Truncus der Anamnia dadurch unterscheidet, dass die Mündungen der Arte- B rienbogen nicht in einer Querschnittsebene der- Schema der Arterienbogenwur- selben liegen, wie bei dem letzteren, sondern esc dass zuerst die 6., dann die 4., endlich die 3. Arterienbogenpaare aus dem Wurzelgefäß entspringen (vgl. Fig. 10). Fig. 10. Stadium II. Was am Modellbild dieses Stadiums (Fig. 11) auffällt, ist. dass hier der Bulbus nicht, wie es im vorigen Stadium noch annähernd der Fall war, an die Grenze der Perikardialhöhle heranreicht, sondern in ein Endstück (Arterienbogenantheil) übergeht, das sich nach oben zu fächerartig verbreitert, und von dem er durch eine leichte Ein- schnürung abgesetzt ist. Dieser Theil enthält die Wurzel der Arterien- bogen mit den Anfangsstücken derselben, die demnach während der vorangegangenen Entwicklungsphase in die Perikardialhöhle hinein- gewachsen, gleichsam in dieselbe hineingezogen worden sind. Wir werden diesen Theil daher das Antheilstück der Arterienbogen nennen. Wenn wir die Serie der Querschnitte des Arterienbogenantheils durehmustern, so finden wir das Wurzelgefäß, gleich wie wir es am 54 Armin Langer Truncus des Frosches sehen konnten, durch zwei Septa getheilt, von denen das primäre vom oberen Rande der Pulmonalisbogenmündungen heruntergewachsen ist und den Raum des Wurzelgefäßes in einen hinteren, die Pulmonalarterie, und einen vorderen, den Aortenraum scheidet. Das andere, sekundäre Septum ist vom Rande®der Mün- dung des linken 4. Arterienbogens heruntergewachsen und theilt den vorderen der genannten Räume in eine rechte und linke Aorta. Die Verästelungsfolge der Arterien stellt sich demnach so dar, wie es nebenstehendes Schema (Fig. 12) zum Ausdruck bringt. Ich füge gleich hinzu, dass diese Verästelungsfolge im Arterienbogenantheil während der ganzen weiteren Entwicklung erhalten bleibt. Fig. 11. - Fig. 124 Herz eines Lacertaembryo (Stadium II) nach einem Plat- Schema der Arterienbogenwurzel des tenmodell. Die Ebenen der Schnitte vor Fig. 13 sind Lacertastadiums II, eingezeichnet. Ab.A Arterienbogenantheil; die übrigen Bezeichnungen wie in Fig. 8. Sehnitt 1 (Fig. 13) ist ganz oben durch den Arterienbogenantheil geführt, Schnitt 10 durchschneidet ihn ganz an der Grenze gegen den Bulbus'. An Schnitt 19 sind alle vier Bulbuswiilste zu sehen, die also hier gegenüber dem Vorstadium, in vollständiger Zahl, sowie auch in bedeutend mächtigerer Entwicklung auftreten. Was den proximalen Theil? des Bulbus anbelangt, in dessen 1 Ich finde, dass an diesem Stadium die Theilung des Bulbus auch schon etwas auf den Bulbus herabgegriffen hat, doch unterlasse ich es, Schnitte aus dieser Region beizufügen, da ich den Vorgang der Theilung des Bulbus an einem späteren Stadium zu besprechen gedenke. 2 Diese Bezeichnung ist nicht morphologisch im Sinne der Unterscheidung eines proximalen und eines distalen Abschnittes am Dipnoerbulbus, sondern rein örtlich aufzufassen. Entwicklungsgeschichte des Bulbus cordis bei Amphibien und Reptilien. 55 Bereich wir bei der Verfolgung der Serie nun gelangen, so fällt im Bereich des Ostium bulbi auf, dass dasselbe von zwei Endothel- wucherungen von derselben Art, wie wir sie von den Bulbuswülsten her kennen, umrahmt erscheint, von denen die eine in Form einer Leiste an der medialen Wand die untere Knickungsfalte mit der oberen verbindet und daher — entsprechend der Lage Fig. 13. der beiden Knickungsfalten OUT SER “Wb ay . . Ph MV pr SF 8 7 / [7A 7 wi zu einander — an dieser ORT 2) yon CH“ any Me Wand einen schief nach vorn und links aufsteigenden Ver- lauf nimmt. Dureh diesen Endothelwulst — wir wollen ihn Ostiumwulst @ nennen — wird nun auch an der medialen Wand die Grenze zwischen Ventrikel und Bul- bus markirt. Der andere Ostiumwulst, — er sei mitd " gekennzeichnet — der zum größeren Theil demVentrikel 2% Uae anzugehören scheint, sitzt, ohne eine Vorwölbung zu bedingen, der oberen und äußeren Wand des nach vom umbiegenden Theiles 3» der Schleife auf und lässt die obere Wandknickung links liegen. Da er jener Seite der Wand aufsitzt, an welcher der Ventrikel kon- Querschnitte durch den Bulbus eines Lacertaembryo (Sta- tinuirlich in den Bulbus dium II). Das Modell des Herzens desselben Embryo in Fig. 11. Ve Ventrikel. B Bulbus. a, b Ostiumwiilste. übergeht, und er selbst ver- 1, 2, 3, 4 Bulbuswülste. möge seiner ausgedehnten, mehr flächenartigen Ausbreitung keine Grenze darzustellen vermag, lässt sich nicht genau angeben, in wie weit er dem Ventrikel und in wie weit er dem Bulbus angehört. Die Bulbuswülste 2, 3 und 4 endigen in einiger Entfernung distal vom Ostium bulbi, während der Bulbuswulst / bis an den vom Ostium- wulst « gebildeten Grenzrand heranreicht und mit diesem Ostium- 56 Armin Langer wulst in Verbindung tritt. Das Verhältnis zwischen beiden ist jedoch nicht, wie es nach Fig. 14 scheinen könnte, so aufzufassen, dass der Ostiumwulst eine Fortsetzung des Bulbuswulstes bildete, sondern viel- mehr derart, dass der Bulbuswulst sich auf die dem Bulbus zugekehrte Seite des Ostiumwulstes fortsetzt. An einem späteren Stadium wird dieses Verhältnis markanter hervortreten. Zur besseren Veranschaulichung dieser Formverhältnisse habe ich das in Fig. 14 dargestellte Modell durchschnitten, um (in Fig. 14) Fig. 14. das Bild, das das Innere des Bulbus in diesem Stadium bietet, reprodueiren zu können. Man sieht an demselben, wie der Ostiumwulst « von der unteren Umsäumung . des Ostium nach links und vorn zur obe- ren Wandknickung aufsteigt, den Ventrikel vom Bulbus abgrenzend; der Ostiumwulst d ee iui TERN wie erscheint mit seinem vordersten Antheil an 0.b Ostium bulbi. a, b Ostiumwilste, Ger Schnittfläche, während der größere ee: Theil desselben hinter der Schnittfläche der Ventrikelwand anliegend zu denken ist. — Nach diesen Bemer- kungen wird sich das Verständnis des letzten Schnittes unserer Serie (36) ohne Weiteres ergeben. Werfen wir zum Vergleich mit diesem Stadium der Lacerta- entwicklung einen Rückblick auf die Verältnisse bei den Amphibien, so werden wir zunächst an der Salamanderlarve einer großen Über- einstimmung mit dem ersteren begegnen. Man vergleiche die ersten Schnitte der Serien in Fig. 2 und Fig. 13 mit einander, um sich von der Ähnlichkeit der Anordnung der Arterienbogen hier wie dort zu überzeugen. Es stehen mir so junge Larvenstadien von Salamandra nicht zur Verfügung, an denen ich die Entstehungsweise des von Boas »Truncus« genannten Theils zu kontrolliren vermöchte, aber nach der Analogie zu schließen, ist er eben so wie bei Lacerta durch Einbeziehung der Anfangsstücke der Arterienbogen in die Perikardial- höhle entstanden. Dagegen unterscheidet sich dieser Theil von Lacerta vom »Truneus« des Salamanders dadurch, dass die Arterienbogen- wurzel, sowie wir es am Truncus (im eigentlichen Sinne) des Frosches beschrieben haben, durch zwei Scheidewände in drei Gefäße getheilt ist. — Ferner vergleiche man Schnitt 19 von Lacerta mit Schnitt 43 von Salamandra, um sich zu überzeugen, dass die Bulbuswülste der Reptilien Analoga der distalen Bulbuswülste der Amphibien sind. Vergleichen wir die unteren Theile beider Bulbi mit einander, Entwicklungsgeschichte des Bulbus cordis bei Amphibien und Reptilien. 57 so wird sich schon hier, an diesem frühen Stadium, die Vermuthung aufdrängen, dass wir in den Ostiumwiilsten Abkömmlinge der proxi- malen Bulbuswülste der Amphibien zu erblicken haben. In der Ge- stalt und Anordnung zwar weisen sie hier noch keine Ahnlichkeit mit diesen auf, an einem späteren Stadium jedoch glaube ich auch dies- falls an ihnen einige Übereinstimmung mit den letzteren zu entdecken. Stadium ILI. Um zu zeigen, wie die Theilung des ursprünglich einfachen Bulbuslumens in die drei späteren, bleibenden Lumina erfolgt, bin ich genöthigt, von einem etwas späte- ren Stadium einige Schnitte zu repro- dueiren (Fig. 15). Die Theilung, die sich von distal proximalwärts zu fort- setzt, ist hier schon ziemlich weit vor- gedrungen. Die Schnitte der Fig. 15 sind nun jenem Abschnitte entnommen, in welchem sie eben im Vollzuge be- griffen ist. An diesem Stadium hat sich (Schn. 5) der Bulbuswulst 7 so bedeutend ver- größert, dass er das Lumen zu einem : hufeisenförmigen einengt. Hier ist das Lumen noch einfach; aus dem Vergleich dieses Schnittes mit Schnitt 2 ergiebt sich. dass der Abschluss des Pulmo- nalislumens vom Aortenraum dadurch erfolgt, dass der dem Bulbuswulst 2 zugekehrte Grat des Bulbuswulstes / ; mit dem an den ersteren angrenzenden Randtheil des Bulbuswulstes 3 ver- schmilzt. Aus dem Vergleich des Sehnittes 2 mit Schnitt 1 ergiebt sich, a7 y tl rely lad Querschnitte durch den Bulbus eines La- dass die Scheidung in rechte und linke certaembryo (Stadium Ill). R, L.Ao rechte, linke Aorta. P Arteria pulmonalis. /, 2, 3,4 Aorta dadurch erfolgt, dass der dem zulbuswülste. Bulbuswulste #4 zugekehrte Grat des Bulbuswulstes / sich an den an den Bulbuswulst 3 angrenzenden Randtheil des Bulbuswulstes 4 anlegt und mit ihm verschmilzt. Es folgt somit, dass das Pulmonalislumen vom Bulbuswulst 2 und der 98 Armin Langer diesem zugekehrten Seite des Bulbuswulstes /, das Lumen der linken Aorta vom Bulbuswulst 3 und der diesem zugekehrten Seite des Bulbuswulstes 7, und schließlich das Lumen der rechten Aorta vom Bulbuswulst 4 und der dem letzteren zugewandten Seite des Bulbus- wulstes 7 begrenzt wird. Schematisch bringt diese Abschließungs- weise Fig. 16 zum Ausdruck. Ich muss bemerken, dass an etwas jüngeren Stadien, an denen also die Scheidung noch nicht so weit herabgegriffen hat, dieselbe sich in einer von der geschilderten etwas Fig. 16. verschiedenen Weise vollzieht. Es legen sich nämlich hier die Bulbuswülste so an einander, dass eine schmale Seite des Bulbuswulstes 3 noch in das Pulmonalis- lumen, eine schmale Seite des Bulbus- wulstes 4 in das Lumen der linken Aorta fällt!. In dem wesentlichsten Punkt aber stimmt auch dieser Modus mit dem be- i ion eee schriebenen überein, da hier wie dort an nice ee 15. der Abscheidung des betreffenden Lumens stets dieselben Bulbuswülste betheiligt sind. Ich gehe auf diesen im oberen Theil Geltung habenden Modus nicht genauer ein, sondern beschränke mich auf den beschriebenen, weil dieser dort, wo sich die Klappen entwickeln, Geltung hat und als der bei der Klappenentwicklung bestimmende der wichtigste ist. Während sich die Scheidung in der Arterienbogenwurzel, durch Auswachsen der die Arterienbogenmündungen umgrenzenden Ränder zu Septa vollzog, finden wir somit, dass im Bereich des Bulbus ein ganz anderer Vorgang statt hat. Der Übergang von dem ersten Modus zum zweiten vollzieht sich in dem Moment, als die gegen das Bulbusende herabwachsenden Septa auf die Bulbuswülste treffen. Es ist bemerkenswerth, dass auch im Bulbus die Theilung zwischen Aorta und Pulmonalis stets weiter nach abwärts reicht, als die Scheidung der beiden Aorten, so dass auch hier die erstere der bei- den Scheidungen ihren primären, die letztere den sekundären Cha- rakter bewahrt. Aus dem Vergleich der beigegebenen Schnitte dieses Stadiums mit Schnitt 10 des Stadium II ergiebt sich, dass sich die Scheidungen ' Auch an dem als Stadium II beschriebenen Embryo konnte ich das be- obachten (vgl. Anm. 1 auf pag. 54). Entwicklungsgeschichte des Bulbus cordis bei Amphibien und Reptilien. 59 in spiralig gedrehten Linien nach abwärts fortsetzen, so dass das Pulmonalislumen, das oben an der Grenze gegen den Arterien- bogenantheil hinten stand, hier an der linken Seite sich befindet. Dieser spiralig verschlungene Verlauf der Lumina ist zum Theil in einem spiraligen Verlauf der Bulbuswülste, wie er in Stadium II angedeutet ist, schon vorgebildet, zum Theil aber Folge der Torsion, die der Bulbus in der späteren Entwicklung durchmacht. Auf letz- teren Umstand werde ich später noch zu sprechen kommen. Anders als es hier beschrieben wurde, hat RATHKE! seine Be- funde vom Natternembryo dargestellt. Er hat nur drei Bulbuswülste gesehen, die durch entsprechende Verschmelzung das Bulbuslumen in drei Lumina theilen. Ich habe nun einige Natternembryonen untersucht, habe aber hier die Verhältnisse im Allgemeinen in Über- einstimmung mit der beschriebenen Art der Lacertaentwicklung ge- funden. Insbesondere muss ich RATHkE's Angabe vom Bestehen nur dreier Bulbuswülste widersprechen. Ziehen wir zum Vergleich mit diesem Lacerta-Stadium wieder die Verhältnisse, die wir an Amphibien kennen gelernt haben. heran, so wird uns an der Ge- staltung der Bulbuswülste auffallen, dass sich bei dem ersteren sowie bei den letzteren ein Bulbuswulst durch eine bedeutendere Entwick- lung auszeichnet. Diese Ähnlichkeit fällt namentlich auf, wenn man nebenstehenden Durchschnitt durch einen Froschbulbus (Fig. 17) mit Schnitt 5 (Fig. 15) vergleicht. Da dies, Durchschnitt durch den mitt- wie sich sogleich ergeben wird, bei beiden ur oe ey Suiralfalte Thierklassen der analoge Bulbuswulst (Bulbus- 2, 4 Durchschnitte durch die wulst /) ist, so wird man zugeben, dass man AIR nA beim Reptilienembryo sehr wohl von einer Spiralfalte sprechen kann. Auch für die Art der Theilung des Bulbuslumens finden wir beim Frosch, bei welcher Amphibienform der Bulbus den höchsten Grad der Entwicklung erlangt hat, zum Theil eine Analogie. Wir haben gesehen, dass hier zur Abscheidung des Pulmonalislumens vom Lumen der gemeinsamen Aorta ein Zipfel der Klappe / in dem zwischen Klappe 2 und Klappe 3 gelegenen Winkel angewachsen ! Entwicklungsgeschichte der Natter. 1839. 60 | Armin Langer war: ganz Ähnliches konnten wir bei Lacerta von einem Grat des Bulbuswulstes 7 konstatiren. Daraus nun, dass der von mir mit / bezeichnete Bulbuswulst von Lacerta im selben Verhältnis zu den durch ihn geschiedenen Lumina steht, wie die Klappe 7 beim Frosch, glaube ich die Be- rechtigung für die Analogisirung jenes Bulbuswulstes mit der ge- nannten Klappe, sowie für die Art überhaupt, wie ich die einzelnen Bulbuswülste bei den Amphibien und bei Lacerta durch die Ziffern- bezeichnung mit einander in Analogie gesetzt habe, folgern zu können. Die ähnliche Ausgestaltung der Spiralfalte der Amphibien und des Bulbuswulstes 7 von Lacerta wirft nur ein weiteres Gewicht für die Analogie derselben in die Wagschale. [Betreffend die Herleitung des aus drei Arterien bestehenden Gefäßstammes der Reptilien vom Bulbus der Amphibien ist schon Fritscu auf Grund der Vergleichung der Verhältnisse bei den aus- gewachsenen Thieren zu einer ziemlich zutreffenden Vorstellung gelangt, die er in folgenden Worten ausspricht!: »Bei sämmtlichen Amphibien, welehe über den Batrachiern stehen, wächst die Scheidewand des Truneus (Bulbus) in zwei Schenkeln nach vorn zu aus und bildet so durch Anheftung an die äußere Wandung einen besonderen Canal für die linke Aorta.«| Stadium IV. Beim Vergleich der äußeren Ansicht des Modells dieses Sta- diums (Fig. 18) mit derjenigen des Modells des Stadiums II (Fig. 11) ergeben sich als Veränderungen, dass der untere Theil des Bulbus eine Drehung in dem Sinn vollzogen hat, dass seine frühere vor- dere Seite nun nach rechts sieht, ferner dass sich hier die Aus- sackung des Bulbus bedeutend reducirt, der Bogen, den die Achse des Bulbus früher um die obere Kniekung beschrieben hatte, sich verwischt hat, so dass der Bulbus mehr gerade auf dem Ventrikel aufsitzt. Nach oben zu geht der Bulbus, wie wir es schon am früheren Stadium gesehen haben, in den breiteren Arterienbogen- antheil über, der sich jedoch jetzt nicht mehr so scharf vom Bulbus abgrenzt wie früher. Aus dem Vergleich mit Stadium II ersieht man ferner, dass der distale Theil des Bulbus während dieses Entwick- lungsabschnittes rasch in die Länge gewachsen ist, eine Wachs- ! Frrrscu, Zur vergleichenden Anatomie des Amphibienherzens. Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftl. Mediein. 1869. Entwicklungsgeschichte des Bulbus cordis bei Amphibien und Reptilien. 61 thumserscheinung, auf die wir bei der Ableitung des Reptilienbul- bus vom Amphibienbulbus noch -zuriickkommen werden. Nun wenden wir uns zu den Querschnittsbildern (Fig. 19). Sehnitt 11 dürfte schon dem obersten Theil des Bulbus angehören. Man erkennt jedoch an ihm sowie an einer langen Reihe folgender Schnitte — bis etwa 31 — keine Spur von den Bulbus- wülsten mehr. Es folgt daraus, dass die Bulbuswülste, nachdem sie die be- schriebenen Verbindungen mit einander eingegangen sind, zu Grunde zu gehen beginnen und durch fasrige Septa von derselben Beschaffenheit, wie sie die Wand des Bulbus aufweist, ersetzt wer- den. Die folgenden Schnitte lehren uns, wie weit nach abwärts sich dieser Pro- cess erstreckt. An Schnitt 35 erscheint die Klappe 4, uns cordis eines Lacertaembryo aus dem gleichnamigen Bulbuswulst her- (Stadium IV) nach einem Plattenmo- vorgegangen, sowie die Klappe «, die A Pie Pimen der Senitte von an der der rechten Aorta zugekehrten terienbogenantheil. Seite des Bulbuswulstes / entstanden ist. An Schnitt 39 ist die Klappe 3 zu sehen, aus dem Bulbuswulst 3 hervorgegangen (die Scheidung in die beiden Aorten hat sich hier noch nieht vollzogen), an Schnitt 45 endlich die Klappe 2. (Die aus den beiden anderen freien Seiten des Bulbuswulstes / entstehenden Klappen $ und y sind hier noch nicht entwickelt; ich werde sie da- her an einem späteren Stadium aufzuzeigen haben.) Die Klappen erscheinen hier als die ausgehöhlten distalen Enden der Reste der Bulbuswülste. Derselbe Modus der Klappenentwicklung, wie wir ihn bei den Amphibien nachgewiesen haben, hat also auch hier Geltung, mit dem Unterschied jedoch, dass bei jenen die Klappen sich an den wirklich distalen Enden der Bulbuswülste entwickeln, während bei Lacerta ein distaler Theil — nachdem er durch Ein- wachsen von fasrigen Septa ersetzt ist — zu Grunde geht und die Klappen sich an den distalen Enden der übrig bleibenden Reste ausbilden. Was nun den proximalen Theil des Bulbus anbelangt, dessen Inneres Fig. 20 darstellt, so scheint er sich, wie schon gesagt, ge- genüber dem Vorstadium so zusammengezogen zu haben, dass der 62 Armin Langer Bogen, den die Achse des Bulbus beschrieben hatte, sich verwischt hat, so dass der Bulbus nunmehr senk- recht auf dem Ostium aufsitzt. Da die Zu- sammenziehung hauptsächlich die konvexen Seiten, also die vordere und die untere betraf, so mag die Torsion, die der dar- über liegende Theil des Bulbus durch- macht, mit ihr in Zusammenhang zu brin- gen sein. Der Ostiumwulst a, der den me- dialen Theil des Grenzrandes zwischen Ventrikel und Bulbus bildet, hat sich an Volumen reducirt, eben so wie auch der Ostiumwulst 6 kleiner geworden ist. Die Bulbuswiilste sind zweifellos weiter nach abwärts gewachsen, es mögen aber ihre unteren Enden auch durch die Zusammen- ziehung des proximalen Bulbusabschnittes an das Ostium genähert worden sein. Der Bulbuswulst 4 ist in Folge der beschrie- benen Torsion in die direkte Verlingerung des Ostiumwulstes 5 gekommen und ist mit diesem in Verbindung getreten, so dass beide von einander nicht mehr zu scheiden sind. Schnitt 56 (Fig. 19), der durch diesen Theil des Bulbus geführt ist, bringt zur Anschauung, in welcher Weise der Ostium- wulst @ mit dem Bulbuswulst 7 in Verbin- dung steht, dass nämlich, wie schon beim Stadium II bemerkt, der letztere sich auf die dem Bulbus zugekehrte Seite des erste- ren fortsetzt. Doch ist hier das Größen- verhältnis zwischen beiden Theilen ein an- deres geworden, als es in Stadium II bestanden hatte, indem nämlich der Bulbus- kan m. wulst an Größe den Ostiumwulst bedeutend P Art. pulmonalis. R., Z.Ao rechte, iiberholt hat. Die Ostiumwiilste sieht man Jinke Aorta. a U Dstiumwälse hier in das Ostium hineinragende zapfen- förmige Fortsätze bilden, die den Vergleich mit rudimentären Klappen besonders nahe legen und es besonders verlockend erscheinen lassen, Entwicklungsgeschichte des Bulbus cordis bei Amphibien und Reptilien. 63 die Ostiumwiilste als Abkömmlinge der proximalen Bulbuswiilste der Amphibien aufzufassen. Dass ihre Lage am Ostium, ihr Verhiiltnis zum Bulbus dem der proximalen Klappen des Frosches ziemlich ent- spricht, davon wird man sich über- zeugen, wenn man Fig. 20 mit Fig. 7 vergleicht. Man wird dann auch nicht im Zweifel dariiber sein, dass speciell der Ostiumwulst a der Klappe I des Frosches entspräche; fraglich bliebe jedoch, in welcher der beiden anderen Klappen man das Analogon zum Osti- |. Moden von ee ER umwulst 5 zu suchen hätte. Ein Unter- von der rechten Seite gesehen. 0.b Osti- schied zwischen dem Frosch und dem “PY % ? Deuumwälste, 2% 4 Lacertaembryo bestünde jedoch darin, dass bei Lacerta zwei Bulbuswiilste (/ und 4) mit den Ostiumwiilsten in Verbindung getreten sind, während dies, wie wir gesehen haben, bei den Amphibien nicht der Fall ist. Für die Frage, wie sich der Lacertabulbus zum Bulbus von Ceratodus oder einer Salamanderlarve verhält, gilt dasselbe, was beim Frosch gesagt ist, dass nämlich der proximale Abschnitt eines sol- chen primären Bulbus hier auf ein Minimum verkürzt erscheint und dass in Folge dessen der Ostiumwulst « (sowie die Klappe I beim Frosch) parallel neben den untersten Abschnitt der Spiralfalte zu liegen kommt. Ich brauche diesfalls nur auf die Ähnlichkeit zwi- schen Fig. 20 und Fig. 7 zu verweisen. Stadium V. Da ich die Entwicklung der Klappen # und y nachzutragen habe, muss ich noch die Abbildungen einiger Schnitte eines etwas späteren Stadiums geben (Fig. 21). Die Schnittriehtung ist hier nicht rein quer wie bei den früheren Schnittbildern, sondern etwas zur Achse des Rohres geneigt, daher denn auch die Klappen mehr in der Richtung der Achse des Rohres getroffen sind. Im Übrigen habe ich zur Erläuterung der Bilder wohl nichts hinzuzufügen. Wenn wir demnach in unser Schema von der Theilung des Bul- buslumens (Fig. 16) die Klappen eintragen, so erhalten wir um- stehende Figur (Fig. 22). Dies ist die Anordnung der Klappen, wie sie vom ausgewachsenen Thier schon bekannt ist und von WIEDERS- HEIM! mit den Worten beschrieben wird, »dass die Klappen am Ur- 1 WIEDERSHEIM, Vergl. Anatomie der Wirbelthiere. 2. Aufl. 1886. pag. 706. 64 Armin Langer sprung der Arterienbogen und der Arteria pulmonalis stets zu zweien auftreten, und zwar in Form von Halbmonden«. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass ich es morphologisch un- zutreffend finde, wenn BoRN! und andere Autoren bei Vögel- und Säugerembryonen nur von zwei Bulbuswülsten sprechen. Es kommen auch bei diesen Thierklassen, wie es ja die bekannte Art der Klappenent- wieklung erfordert, vier Bulbuswülste zur Entwicklung. Wenn dem aber so ist, so besteht diesfalls zwischen den Amnioten und einer Reihe niederer Wirbelthierklassen (Amphibien, Dipnoer, Selachier?) vollkom- mene Übereinstimmung. Betreffs der Bezeichnung der Bulbus- wülste muss ich hinzufügen, dass meine Bezeichnung des Bulbuswulstes / mit der Born’schen übereinstimmt, dass ich da- gegen den Bulbuswulst, der dem Bulbus- wulst 2 Born’s entspricht, um die Benen- nung mit den Anamnia in Einklang zu bringen, Bulbuswulst 3 genannt habe. Wir sind damit in der Entwicklung des Bulbns cordis an ein Stadium gelangt, an welchem die Verhältnisse des ausge- wachsenen Thieres im Wesentlichen schon fertig entwickelt sind. Werfen wir auf den Entwicklungsgang des- selben einen Blick zurück und überlegen wir, was aus dem embryo- nalen Bulbus cordis geworden ist. Wir haben gesehen, dass sich die arteriellen Klappen erst an einem ziemlich späten Stadium etwas distal vom Ostium, aber um eine erhebliche Strecke proximalwärts vom ehemaligen distalen Bulbus- Querschnitte durch den Bulbus eines Lacertaembryo (Stadium V). 1 Born, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte des Siiugethierherzens. Arch. fiir mikr. Anatomie. Bd. XXXIII. 2 Vgl. GEGENBAUR, Uber den Conus arteriosus der Fische. Morphol. Jahrb. Bd. XVII. Entwicklungsgeschichte des Bulbus cordis bei Amphibien und Reptilien. 65 ende entwickeln. Es geht daraus hervor, dass ein proximaler Ab- schnitt des Bulbus ein anderes Schicksal erfährt als der distale. Der erstere wird nämlich zur Bildung des Ventrikels herangezogen, während der letztere sich in die drei Arte- rienstämme theilt. Damit ist eine Änderung im histologischen Verhalten des letzteren ver- bunden. Wir haben schon früher erwähnt, dass die Bulbuswülste als histologisches Merk- mal der kardialen Natur des Bulbus anzu- sehen sind. Dadurch nun, dass der distale Bulbusabschnitt dieses Merkmals verlustig wird, kommt die morphologische Umwandlung . Jama der Klappenentwiekiung desselben in periphere Gefäße auch histolo- bei Lacerta. gisch zum Ausdruck. Anders als ich es hier beschrieben habe, hat RarHKe die Sache aufgefasst. Dieser Autor beschreibt nämlich! die Entwicklung der drei Arterienstämme folgendermaßen: »Gleichzeitig entfernt sich wie das ganze Herz, so auch die Herzzwiebel immer weiter vom unteren Ende der ursprünglichen Schlundgefäßbogen, und es wird dabei zwischen diesen und jener ein Theil gleichsam ausgesponnen, der den Schein eines abgeplatteten gemeinschaftlichen Stammes für die erwähnten Gefäßbogen annimmt.« RATHKE scheint demnach der An- sicht gewesen zu sein, dass sich die drei Arterienstämme aus der in die Länge gewachsenen Arterienbogenwurzel entwickeln. Wir haben gesehen, dass einem kurzen, nach oben fächerartig verbreiter- ten Abschnitt, den ich Arterienbogenantheil genannt habe, eine ähn- liche Entstehung zukommt, dass dies aber von den Arterienstämmen nicht gilt, die aus dem Bulbus eordis durch Theilung desselben hervorgehen. Als irrthümlich in der entgegengesetzten Richtung stellt sich da- gegen die Auffassung FrrrscH's und BALrour’s dar, der zufolge der ganze Bulbus in die drei Arterienstiimme der Reptilien auf- gegangen wäre. Ich führe die betreffenden Stellen aus den beiden Autoren an. Frrrscu sagt?: »Dureh die Rückbildung der Muskulatur des Bulbus erhalten wir einen Truneus arteriosus (worunter FRITSCH den Gefäßstamm der Reptilien versteht), der keine selbständigen Kontraktionen mehr ausführt und also auch am oberen Ende keiner 1 a.a. 0. pag. 165. .228..0. Morpholog. Jahrbuch. 21. 66 Armin Langer Klappen bedarf. Am Ursprung aus dem Ventrikel bleiben sie be- stehen und stellen durchgängig zwei Semilunarklappen dar, welche symmetrisch durch das Lumen ihrer Gefäßabtheilung gespannt sind. « Die gleiche Ansicht spricht auch BaLrour aus, wenn er sagt!: »Bei den Amnioten erfährt das Herz weitere Veränderungen, welche zum Verschwinden der distalen Klappenreihe des Conus arteriosus und zur Theilung des ganzen Truncus arteriosus (worunter er auch den Conus, also unsern Bulbus cordis versteht) in drei Gefäße bei Repti- lien, in zwei bei Vögeln und Säugethieren führen.« Mit diesen Citaten tritt an uns gleichzeitig die Frage nach der Descendenz der arteriellen Klappen der Amnioten heran. Dass diese nicht am Ostium bulbi — wie BALFOUR und Frrrsch vermuthen — entstehen, haben wir gesehen, ja wir haben dieses mit Endothel- wucherungen besetzt gefunden, die wir mit einiger Wahrscheinlich- keit als Abkömmlinge der proximalen Klappen der Amphibien ge- deutet haben. Es kommen sonach nur die distalen Klappen der Amphibien in Frage. Es fragt sich nun, ob wir positive Anzeichen dafür besitzen, dass die Klappen der Reptilien von diesen abstammen. Ich glaube. diese Frage bejahend beantworten zu können. Man vergleiche das Schema der Klappenentwicklung von Lacerta (Fig. 22) mit Fig. 5, die die Anordnung der distalen Klappen beim Frosch in gleicher schematischer Weise ausdrückt. Gemeinsam ist beiden das Über- wiegen der Klappe / (worunter wir bei Lacerta die Klappen « + @+ 7 zusammengenommen verstehen); gemeinsam ist ferner beiden die An- heftung eines Zipfels dieser Klappe in dem zwischen Klappe 2 und Klappe 3 gelegenen Winkel und die Theilung durch das die Pulmo- nalis von der gemeinsamen Aorta trennende Septum. Es entspräche sonach die von Boas /a bezeichnete Klappe des Frosches den Klap- pen @ und £ der Lacerta zusammengenommen und die Klappe 7b des Frosches der Klappe y von Lacerta. Damit ist jedoch die Ana- logie noch nicht abgeschlossen. Wir haben gesehen, dass beim Frosch die Klappe 3 sowohl als der dem angewachsenen Zipfel zunächst gelegene Theil der Klappe /a in den Bezirk der linken Aorta, der übrige Theil der Klappe 7a in den Bezirk der rechten Aorta zu liegen kommt. Damit finden wir die Theilung der Klappe /a, wie ! BALFOUR, Handbuch der vergleichenden Embryologie. Deutsche Uber- setzung. 1881. Bd. II. pag. 573. BALrour will übrigens, wie er in einer Fuß- note bemerkt, seine Ansicht nicht als unbedingt sicher hingestellt haben. Entwicklungsgeschichte des Bulbus cordis bei Amphibien und Reptilien. 67 wir sie beim Reptil vorfinden, nämlich in die Klappen « und @, auch beim Frosch schon angebahnt. Ich glaube, dass diese Ähnlichkeit in der Anordnung der Klap- pen schwer genug wiegt, um die einen für Abkömmlinge der anderen erklären zu können. Nur in einem Punkt weicht der Frosch grund- sätzlich von Lacerta ab, nämlich in dem Mangel der Klappe 4. Wenn nun die Klappen der Reptilien von den distalen Klappen der Amphibien abstammen, so müssen wir annehmen, dass die letz- teren während der Entwicklung des Reptils aus einer Amphibienform mit der nach abwärts fortschreitenden Theilung des Bulbus eordis auch herabgerückt sind, und dass so ein immer größeres Stück des Bulbus durch Umwandlung dieses Stückes in periphere Gefäße diesem verloren gegangen ist. Es mag jedoch sein, dass dieses von den Klappen durchwanderte Stück des Bulbus nicht so groß war, als man Angesichts der Länge der Arteriensttimme beim ausgewachsenen Thier vermuthen könnte. Ich habe schon früher darauf aufmerksam gemacht, dass das Stück des Bulbus, in dem die Theilung schon vollzogen ist, rascher wächst; dies tritt klar hervor, wenn man vom Stadium IV die Stelle, an der die Klappen sitzen, schätzungsweise auf das Stadium II überträgt, — ich sage schätzungsweise, weil an diesem jüngeren Stadium diese Stelle noch nicht gekennzeichnet ist: man wird dann finden, dass diese Stelle am jüngeren Stadium viel näher an das distale Bulbusende zu liegen kommt, als an dem älteren. Dieses ungleichartige Wachsthum noch weiter fortgesetzt, bringt denn am ausgewachsenen Thier jenes Längenverhältnis zwischen dem proximalen. nunmehr mit dem Ventrikel verschmolzenen und dem distalen, in die drei Arterienstiimme getheilten Bulbusabschnitt hervor, das geeignet wäre, uns die Länge der wirklich stattgehabten Wan- derung zu groß erscheinen zu lassen. Bevor ich die Arbeit schließe, drängt es mich, meinem Lehrer, Professor Dr. FERDINAND HOCHSTETTER gegenüber meiner Dankes- pflicht zu genügen. Für die Theilnahme, mit der er mich bei meiner Arbeit begleitete, für die Unterstützung durch Rath und That, die er mir stets bereitwillig gewährte, sei er meiner aufrichtigen Dank- barkeit versichert. Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. Ein Beitrag zur vergleichenden Anatomie des Säugethierkehlkopfs. Von Dr. Ernst Göppert, Assistent am anatomischen Institut zu Heidelberg. Mit Tafel III—IV und 13 Figuren im Text. Die Grundlage zu einer Morphologie des Larynx legte HENLE in seiner vergleichend-anatomischen Beschreibung des Kehlkopfs!. Der Sehwerpunkt dieser Arbeit ruht in der Untersuchung des La- ryngo-Trachealskelets und der Ableitung der höheren Zustände des- selben von einem primitiven, bei Proteus anguineus nachgewiesenen Verhalten. Aus den beiden sogenannten Cartilagines laterales, wie sie das genannte Urodel aufweist, entwickelt sich nach HEnLe’s An- schauung das gesammte Skelet von Kehlkopf und Luftröhre. Diese Auffassung behielt ihre Richtigkeit nur für das Arytänoid, Cricoid und die Trachealringe: der bereits bei Proteus differente oberste Theil jeder Cartilago lateralis löst sich bei den höheren Formen unter der Wirkung der an ihm inserirenden Muskulatur von der Pars crico-trachealis ab und wird zum Arytänoid. An ersterer bilden sich Vorsprünge aus, die mit: denen der anderen Seite zusammen- treffen und zu Ringen oder Halbringen verschmelzen. Diese werden endlich in den distalen Theilen der Luftwege unter Lösung ihrer 1 J. HENLE, Vergleichend-anatomische Beschreibung des Kehlkopfs mit besonderer Berücksichtigung des Kehlkopfs der Reptilien. Leipzig 1839. Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 69 ursprünglichen Verbindung mit einander zu selbständigen Tracheal- ringen. Im proximalen Theil dagegen nimmt der Verschmelzungs- process weiteren Fortgang. Es kommt hier zur Ausbildung des das Arytänoid tragenden Cricoids, das seiner Genese nach einer Reihe von Trachealringen gleichwerthig ist. Bereits bei den Amphibien machte sich nun in der Ontogenie, wie GEGENBAUR! nachwies, eine geringfügige Verschiebung des La- rynx nach vorn geltend, die hier mit der Rückbildung des Kiemen- apparats in Zusammenhang steht. Indem diese Lageänderung des Kehlkopfs in den höheren Klassen zunimmt, kommt derselbe auf die hinteren Theile des Hyoidkomplexes zu liegen. Die bei den Mono- tremen dem Larynx als Unterlage dienenden Theile desselben, welche dem vierten und fünften (primitiven) Visceralbogen entsprechen, lösen sich jenseits der Monotremen von den vorderen Abschnitten und werden zum Thyreoid (Dusoıs?). Es erhebt sich jetzt nach der Aufklärung der Abkunft des Schildknorpels die Frage nach der Abstammung der primitivsten Knorpel der Luftwege, der Cartilagines laterales. GEGENBAUR, der sich zuerst diese Frage vorlegte, zeigte, dass dieselben nur als Theile des Kiemenskelets aufgefasst werden können. Sie sind aus dem siebenten Visceralbogen hervorgegangen. Bereits in der Reihe der Fische wird dieser Bogen als Kiementräger rudimentär und über- nimmt neue Funktionen. Unter einem Funktionswechsel passt er sich auch bei den Amphibien den in seinem Bereich entstehenden Luftwegen an und wird zu den Seitenknorpeln derselben >. ! C. GEGENBAUR, Die Epiglottis. Vergleichend - anatomische Studie. Leipzig 1892. (Bei Citirung GEGENBAUR's ist künftighin immer das eben ge- nannte Werk gemeint.) 2 Eva. Dusors, Zur Morphologie des Larynx. Anatom. Anzeiger. I. 1856. pag. 178 ff. 3 Auch H. H. WıLver kam zu der Vorstellung von Beziehungen des pri- mitiven Kehlkopfskelets zum siebenten Visceralbogen (Studies in the Phylo- genesis of the Larynx. Anatom. Anzeiger. VII. Jahrg. Nr. 18. pag. 570—580). Nach ihm ist aber nur das Arytänoid ein Abkömmling dieses Bogens und stellt als solcher den ältesten Theil des Laryngo-Trachealskelets vor, dagegen . sind die übrigen Theile des Skelets der Luftwege der Amphibien Neubildungen, ausgehend von der Submucosa derselben. Unverkennbar erscheinen in dieser Auffassung Anklänge an die Darstellung in WIEDERSHEIM's Lehrbuch der ver- gleichenden Anatomie der Wirbelthiere (2. Aufl. Jena 1886. pag. 625). Nach WILDER wäre dann die Einheit der Cartilago lateralis von Proteus die Folge einer Rückbildung (Reduktion), eingetreten »either by fusion either by elimination«. Dem gegenüber kann nur auf die klassische Arbeit HENLE’s verwiesen werden, 70 E. Göppert Gleichartige Herkunft auch für das Stützgebilde der Epiglottis nachzuweisen, stellte GEGENBAUR als ein neues Problem auf. Er zeigte zunächst, dass der Epiglottisknorpel nicht als ein Produkt der Schleimhaut dem übrigen Larynxskelet gegenübergestellt werden darf, sondern dem letzteren gleichwerthig, ursprünglich aus Hyalin- knorpel bestehend, ein typisches Skeletstiick darstellt. Er wies ferner eine Paarigkeit der Basis des Epiglottisknorpels nach, vor- nehmlich bei Monotremen, bei Nagern. Er zeigte dann, dass das Gebilde nicht als ein Derivat eines der anderen Bestandtheile des Kehlkopfskelets aufgefasst werden darf. Er wies endlich darauf hin, dass der Epiglottisknorpel mit seinem basalen Theil gar nicht der Schleimhautfalte, welche die Epiglottis darstellt, angehört, son- dern nur eine Fortsetzung in dieselbe schickt. Ein Suchen nach der Herkunft eines derartigen Skeletstückes in dieser Gegend musste die Aufmerksamkeit auf den Kiemenapparat lenken lassen, wobei der Umstand, dass der Epiglottisknorpel, so weit bisher bekannt, nirgends in einem Kiemenbogen entsteht, keine Bedenken erregen konnte. Gilt doch das Gleiche auch vom zweiten Thyreoidbogen, an dessen Kiemenbogennatur Niemand zweifeln wird. Ein hier in Betracht kommender Visceralbogen muss bei Berücksichtigung der Verlagerung des Säugethierlarynx auf den Thyreo-Hyoidkomplex ur- sprünglich zwischen dem den zweiten Theil des Thyreoids liefernden Bogen und demjenigen gesucht werden, welcher die Cartilago late- ralis und ihre Derivate hervorgehen lässt, d. h. es kann nur der sechste Visceralbogen in Frage stehen. In der That finden wir bei dessen ausgedehnte Untersuchungen nicht nur für Amphibien, sondern auch noch für die Reptilien den ursprünglichen Zusammenhang des Arytänoids mit dem Crico-Trachealskelet erwies. In der Reihe seiner Befunde findet sich keine Lücke, der an die Richtigkeit der von ihm gezogenen Schlussfolgerungen über die Phylogenese des Laryngo-Trachealskelets der Amphibien und Reptilien zweifeln lassen könnte. Während die Abgliederung der Arytänoide durch die Wirkung der Muskulatur des Situs laryngis ein naturgemäßer Vorgang ist, er- scheint die sekundäre Verschmelzung der unter Muskeleinfluss stehenden Skelet- stiicke mit den hinteren Theilen des Trachealskelets äußerst unwahrscheinlich. Für die Annahme einer Elimination von Skeletstücken fehlt ferner jeder that- sächliche Untergrund. Endlich hat GEGENBAUR den Nachweis erbracht, dass bei Salamandra maculosa und ‘Triton der von HENLE erschlossene phylogene- tische Vorgang der Entwicklung des Arytänoids auch in der Ontogenese seine Wiederholung findet (l. c. pag. 63). Aus diesen Gründen ist die WIıLDEr’sche Auffassung zurückzuweisen und an der oben skizzirten Auffassung von der Phylogenese des Laryngo-Trachealskelets festzuhalten. Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 1 einem Vergleich des Visceralskelets der Mammalier mit dem der perennibranchiaten Amphibien ohne Weiteres für alle Theile des letz- teren Homologa bei den ersteren, nur nicht für den sechsten Bogen, für welehen nun eben der Epiglottisknorpel auf Grund der richtigen Erkenntnis seines Verhaltens in Anspruch genommen wird. Was die übrigen noch nicht erwähnten Theile des Kehlkopf- skelets betrifft, so zeigten sich zunächst die zwischen den beiden Aryknorpeln gelegenen Procricoide als Derivate des Cricoids, die ihre Loslösung von letzterem wahrscheinlich der Wirkung des zum Theil an ihnen inserirenden Musculus interarytaenoideus verdanken. Das sogenannte Corpusculum triticeum ferner ist der Rest einer knorpeligen Verbindung zwischen dem zweiten Hyoid und ersten Thyreoidbogen. Die Sanrorinrschen Knorpel oder Cornicula stellen Abgliederungen der Arytänoide vor. Uber die Herkunft des Wrıs- BERG'schen Knorpels, der Cartilago cuneiformis, fehlt uns jedoch eine sichere Vorstellung. Noch von Dusots (l. e.) wurde er mit dem Epiglottisknorpel zusammen als das Produkt einer submueösen Ver- knorpelung den übrigen Theilen des Kehlkopfskelets gegenüber ge- stellt. Nachdem für den Epiglottisknorpel das Irrthümliche einer gleichen Deutung erwiesen ist, wird man auch an der Richtigkeit dieser Auffassung der Cartilago Wrisbergii zweifelhaft werden. Forderte dieser Umstand schon eine Prüfung der Frage, so war es weiter auch mit Rücksicht auf das Epiglottisproblem von Interesse, die Abstammung des Knorpels zu eruiren: Für die Beurtheilung des Epiglottisknorpels kann es nicht gleichgültig sein, ob ein oft wenig- stens mächtiges Skeletstück des Kehlkopfs sich als selbständig, d. h. zu einem besonderen Zweck in loco entstanden erwies, oder von anderen Theilen hergeleitet werden konnte. Für den letzteren Fall kam zunächst das Arytänoid in Betracht, das dem WRrisBERG’schen Knorpel unmittelbar benachbart, oft sogar mit ihm verbunden ange- troffen wird. Andererseits lag es nahe, an die Möglichkeit eines ursprünglichen Zusammenhanges mit dem Epiglottisknorpel zu denken. Im Laufe der Untersuchung erwies sich nun die letztere Beziehung als die ursprüngliche, die Verbindung mit dem Arytänoid als sekun- där erworben. Bei dieser Lage der Dinge zeigte sich die Unter- suchung der Cartilago Wrisbergii auch geeignet, auf das primitive Verhalten des Epiglottisknorpels Lieht zu werfen, und so beschränkt sich die vorliegende Arbeit nicht auf den sie allerdings in erster Linie beschäftigenden Knorpel, sondern fasst etwas allgemeiner auch die Epiglottis, ihr Skeletstück und ihre Nachbarschaft ins Auge. 79 E. Göppert Als Ausgangspunkt für unsere Darstellung nehmen wir den Kehlkopf von Echidna, der für die uns interessirenden Fragen die primitivsten Verhältnisse darbietet'. Der Kehlkopfeingang von Echidna stellt, wie bekannt?, einen länglichen schmalen, sagittal gestellten Spalt vor. Die Begrenzung dieses Spaltes wird in ihrem hintersten Theil gestützt durch die Arytänoide. Von diesen zieht dann jederseits eine Falte gegen die Basis der Epiglottis, die gemäß ihren Beziehungen als Pliea ary- . epiglottica bezeichnet werden möge. Die vorderen Insertionen beider Falten sind deutlich von einander getrennt: In dem von uns untersuchten Fall standen sie um 3 mm von einander ab, der Kehl- kopfeingang besitzt also noch eine besondere vordere Umrandung durch eine zwischen den Vorderenden der ary-epiglottischen Falten gelegene Strecke, die nach oben unmittelbar auf die Hinterfläche der Epiglottis übergeht. Diese erhebt sich vor dem Kehlkopfeingang als eine breite Platte, die zwar annähernd frontal steht, aber doch in querer Richtung eine leichte Biegung mit nach hinten gerichteter Konkavität aufweist. Das basale Ende des lateralen Epiglottisrandes setzte sich in dem untersuchten Fall noch in ein kleines Schleim- hautfältchen fort, das eine kurze Strecke nach hinten verlief. Von den seitlichen Rändern des Kehlkopfeinganges senkt sich nun die Schleimhaut nach außen hinab in den Sinus pyriformis, dessen laterale Begrenzung durch die dem Schildknorpel und dem zweiten Bogen des Zungenbeins höherer Formen entsprechenden Theile des Thyreo-Hyoidkomplexes eine Stütze empfängt. Es be- steht damit jederseits am Kehlkopfeingang ein rinnenartiger Weg für die Ingesta. Der Eingang in diesen zweigetheilten Speiseweg ist gleichfalls paarig. Dieses Verhalten wird bekanntlich bedingt durch die Erhebung der Epiglottis und die Entwicklung des Velum palatinum als eines zur Zungenbasis herabsteigenden, der Vorder- fläche der Epiglottis angelagerten Vorhangs. Lateraler Rand der Epiglottis und freier Rand des Velum begrenzen nun die beiden Öft- nungen, die aus der Mundhöhle in den Pharynx führen, die Fauces. 1 Bei den folgenden Beschreibungen denken wir uns stets den Kehlkopf in der Stellung, die er im aufrecht stehenden Menschen einnimmt, und unter- scheiden in diesem Sinne ein oben und unten = oral und aboral, ein vorn und hinten = ventral und dorsal. 2 Vgl. außer GEGENBAUR: M. L. WALKER, On the larynx and hyoid of Monotremata. Studies from the Museum of Zoology in University College Dundee. Dundee 1889. Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 73 Diese Offnungen bekamen nun bei unserem Exemplar eine allerdings unbedeutende Weiterführung durch die eben erwähnte kleine, vom Epiglottisrand ausgehende Falte, die vielleicht die seitliche Umgehung des Aditus laryngis von Seiten der Speisetheile zu begünstigen im Stande ist, und damit auf die Einrichtungen hinweist, denen wir bei den höheren Säugern begegnen. Durch die oben dargestellte Art der Begrenzung des Kehlkopf- eingangs lassen sich nun an der Epiglottis drei Theile unterscheiden: ein mittlerer und zwei seitliche. Der erstere, der den kleinsten Theil darstellt, liegt gerade über dem Raum zwischen den vorderen Inser- tionen der ary-epiglottischen Falten. Er zeichnet sich dadurch vor den beiden anderen Theilen aus, dass er das Skeletgebilde, den Epiglottisknorpel, enthält. Nur ein schmaler Saum des oberen Ran- des wird nicht von letzterem eingenommen. Im Übrigen, also in ihren beiden lateralen Theilen, entbehrt die Epiglottis einer knorpeligen Stütze. Sehen wir uns jetzt den Epiglottisknorpel im Besonderen an. Es ist nicht schwer ihn durch Präparation darzustellen, da er bekannt- lich aus festem Hyalinknorpel besteht. Durch GEGENBAUR wissen wir bereits, dass er basal paarig ist. Uns kommt es nun besonders auf die Orientirung dieser paarigen Basis an. Wir beobachten zunächst, dass die Basis der Breite nach genau den Raum zwischen den vorderen Insertionen der Plicae ary-epiglotticae ein- nimmt. Der Epiglottisknorpel theilt sich nun basal in zwei Theile (Fig. I B.S), die durch einen tiefen bogenförmigen Ausschnitt (J) von einander getrennt sind. Beide Theile weichen nach unten zu aus einander, indem jeder in geringer aber doch deutlich bemerkbarer Weise einen Bogen beschreibt, der sein terminales Ende von der Medianebene entfernt. — Jeder der beiden Theile ist an seinem Ende schräg abgestutzt. Dort wo sein auf diese Weise gebildeter termi- naler Rand mit dem, Innenrand zusammenstoßen würde, findet sich ein ziemlich langer, zipfelförmiger, nach unten gerichteter Fortsatz, der schließlich abgerundet endet (a). Der obere unpaare Theil des Skeletstücks erhebt sich über der Basis, ohne dieselbe an Breitenausdehnung zu übertreffen. Seine Begrenzung unterscheidet sich aber auffallend von der der Basis durch ihre Unregelmäßigkeit. Während wir dort durchaus glatte Kontouren hatten, begegnen wir hier am Rand zahlreichen unregel- mäßigen Höckern und welligen Ausbuchtungen. Der obere Rand besitzt, wenigstens in unserem Fall, einen Haupteinschnitt und lässt 74 E. Göppert dadurch zwei Lappen unterscheiden, von denen der eine noch eine sekundäre Theilung aufweist. Betrachten wir den Knorpel auf seinen Querschnitt hin, so sehen wir, dass er in seinen oberen Theilen nur eine leichte Biegung auf- weist. die genau übereinstimmt mit der Biegung der gesammten Kpiglottis. Je weiter basal Fig. I. wir gelangen, desto mehr nimmt die Krümmung des Knorpels in querer Richtung zu, und bald zeigt sich eine auffallende Inkongruenz der Biegung desselben mit der der Epiglottisfalte selbst. Die Kriimmung des Knor- pels ist stärker als die der Epiglottis, die ihn beherbergt. Es zeigt sich hierin eine gewisse Unab- hingigkeit beider von ein- ander. Schließlich sehen wir, dass die Kriimmung, die den unpaaren Theil des Knorpels beherrscht, auch das Verhalten der basalen Enden (B.S) desselben be- einflusst, d. h. dieselben stehen in einer ganz unver- Freipräparirter Epiglottisknorpel von Echidna. . 16,5/1. Den größten Theil des Knorpels nimmt die unpaare kennbaren Beziehung zu mediane, der Epiglottisfalte angehörige Lamelle ein (/.m). den Plieae ary-epiglotticae. Diese theilt sich nach unten zu in die beiden basalen ab ' 3 Seitentheile (B.S), die durch eine Incisur (J) von einander Sie sind derart orien- getrennt sind und je einen accessorischen Fortsatz (a) ent- tirt. dass sie bei sröße- senden. Diese Figur, wie alle folgenden Darstellungen des : y Epiglottisknorpels geben denselben in flach ausgebreitetem YCY Längenausdehnung Zustand. et Abbllänheen sind mit Hilfe der mit ihren terminalen amera gezeichnet. i \ : Enden in die Plicae ary- epiglotticae hineinrücken müssten. Nimmt man noch hinzu, dass die basalsten Theile des Epiglottisknorpels gar nicht der freien ‚piglottisfalte angehören, sondern unter den Punkt hinabsteigen, an dem der Schleimhautüberzug der Epiglottis sich auf den Zungenrücken umschlägt, so ergiebt sich klar, dass der Epiglottisknorpel mit Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 75 seiner Basis nicht sowohl der Epiglottisfalte, als vielmehr dem eigentlichen Kehlkopfeingang angepasst ist. An zweiter Stelle wenden wir uns zu den Insectivoren, die uns wichtige Aufschlüsse geben werden. Betrachten wir zunächst den Kehlkopf des am eingehendsten untersuchten Maulwurfs (Talpa europaea L.), so fällt gleich die Form seines Eingangs auf. Der frei in den Pharynxraum vorragende Theil des Kehlkopfs besitzt aus- gesprochen die Gestalt eines Trichters, der mit seiner weiten Öffnung gegen das Cavum pharyngo-nasale sieht. An der mehr oder weniger rundlichen Peripherie des Trichtereingangs machen sich mehrere Vor- sprünge bemerklich. Einmal besteht ein soleher an ihrem hinteren Theil in der Medianebene. Er verdankt seine Existenz den beiden SANTORINI schen Fortsätzen der Aryknorpel, die hier, mit ihren Enden verschmolzen, eine Art Spitzbogen darstellen. Vorn erhebt sich. allerdings nicht sehr bedeutend über das allgemeinere Niveau des Eingangs hervorragend, die Epiglottis, eine leichte mediane Ein- kerbung aufweisend. Zwischen ihr und dem Sanrorini’schen Hicker springt dann jederseits noch eine kleine Erhebung vor. Um die Bedeutung der letz- teren aufzuklären Fig. II. öffnen wir einen Kehlkopf an seiner Hinterwand mittels eines Längsschnitts und isoliren in einem anderen Präparatdie in Betracht kommen- den Skelettheile. 2° Es ist dann nicht | | schwer, die ganzen Fag it ae Verhiltnisse des den Kehlkopfeingang stützenden Knorpels Frislottisknorpel von Talpa europaca, 20/1. Michtige Aus- bildung der Knorpelbasis. Dieselbe entsendet eine mediane Platte zu erkennen: Wir (z.m) in die Epiglottis und von ihren Seitentheilen (B.S) zwei Pro- sehen , dass dem cessus cuneiformes (Pr.cun) in die ary-epiglottischen Falten. Deut- x licher medianer Einschnitt des basalen Randes (J). Dnrehbrechungen Epiglottisvorsprung der Basis, durch Drüsenausführgänge verursacht (D), ein breiter regel- mäßig begrenzter Knorpel zu Grunde liegt, dessen freier oberer Rand mit dem freien Rand der Epiglottis selbst zusammenfällt und gleieh- falls eine schwache mediane Einkerbung erkennen lässt (Fig. 1 He Ber8 22778, + - Preun. 76 E. Göppert Taf. III und Fig. II Z.m). Seitlich verbreitert sich der Knorpel. Er besitzt zwei Seitenflügel, deren Höhe etwa die Hälfte der Höhe des mittleren Abschnitts beträgt (B.S). Jeder dieser Flügel entsendet einen schmalen, leicht gebogenen Fortsatz nach oben (Pr.cun), dessen Spitze sich am Kehlkopfeingang eben als der oben erwähnte, dort noch nieht gedeutete Vorsprung bemerkbar macht. Es verdient weiter besonderer Hervorhebung, dass der basale Rand dieses Knorpels genau median eine deutlich eingreifende Einkerbung besitzt (J), die das ganze Gebilde als paarig erscheinen lässt. Dem vorderen Theil des Kehlkopfeingangs gehört also ein ziem- lich komplieirt gestaltetes Skeletstiick an. Es handelt sich um ein breites paariges Knorpelband, das drei Fortsätze nach oben entsendet, nämlich einen medianen breiten, »die Epi- glottisplatte«, und zwei seitliche schmale, die wir als Pro- cessus cuneiformes bezeichnen wollen!. Der basale Rand dieses Knorpels liegt in der obern Begrenzung der MorGaanrschen Ventrikel (Fig. 1 Ventr.Morg.), die, schwach entwickelt und median in einander übergehend, auf den Bereich des Epiglottis- skelets beschränkt sind und unter allmählicher Abflachung in der Höhe des seitlichen Randes des Epiglottisknorpels auslaufen. Dieser Rand ist an seinem untersten Theil, wie wir hier hervorheben wollen, nur wenig entfernt von dem vordern Rande des Aryknorpels, und weist hier einen kurzen gegen letzteren gerichteten Vorsprung auf. Der Zwischenraum zwischen beiden Knorpeln nimmt aber gegen die obere Öffnung des Kehlkopfs zu, indem die beiderseitigen Processus Santorini (Pr.Sant.) nach hinten umbiegen. Der zwischen Epiglottis- knorpel und Arytänoid ausgespannte Theil der Kehlkopfwand erhält nun noch eine besondere Stütze durch einen kleinen Fortsatz, der vom obern Ende jedes Processus Santorini ausgehend, hakenförmig nach unten umbiegt, und dadurch in den bezeichneten Abschnitt der Wand des Vestibulum laryngis zu liegen kommt (A). Wir gehen jetzt zur Untersuchung des Epiglottisknorpels auf 1 In der Litteratur habe ich nirgends dieses Verhalten des Epiglottis- knorpels erwähnt gefunden. Dennoch scheint das von mir als Processus cunei- formis bezeichnete Gebilde bereits früher bekannt gewesen zu sein. A. v. HALLER berichtet in seiner »Bibliotheca anatomica. T. II. Tiguri 1777« über eine mir nicht zugängliche Arbeit von J. M. Busch: De mechanismo organi vocis, huius- que functione. Groning. 1770, in der der Verfasser meldet, dass CAMPER be- reits 1767 bei T'alpa einen Knorpel »in membrana, quae ab epiglottide ad ary- taenoidearum cartilaginum capitula expanditur« kannte. Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 77 Schnitten über und betrachten zunächst sein Verhalten, wie es sich auf einem medianen Sagittalschnitt, der über die einschlägigen Ver- hältnisse am schnellsten Orientirung verschafft, darstellt (vgl. Fig. 2 Taf. III). Es zeigt sich hier zunächst, dass der Epiglottisknorpel nicht auf die Epiglottis beschränkt ist, sondern mit einem nicht unbedeutenden Abschnitt einem Theil der Kehlkopfwandung angehört, der nicht mehr zur Epiglottis gerechnet werden kann. Die untere Grenze der letzteren wird markirt durch die Umbiegung der ihre Vorderfläche bedeckenden Schleimhaut auf die Oberfläche der Zungenwurzel. Dass die Betonung dieses Verhaltens nicht unbegründet ist, ergiebt ein Blick auf die Beschaffenheit des Epiglottisknorpels, der in seinen beiden, eben unterschiedenen Theilen ein absolut verschiedenes Ge- präge aufweist: der der Epiglottis selbst zugehörige Theil besteht aus typischem hyalinen Knorpel, der sich von dem Knorpel des Crieoids und Thyreoids nur durch etwas geringere Entwicklung seiner Intercellularsubstanz auszeichnet. Der Knorpel ist von einem Peri- chondrium bekleidet und weist vorn wie hinten durchaus glatte Flächen auf. An ihm inserirt nicht weit oberhalb der Epiglottisbasis der Musculus glosso-epiglotticus (M.g/.ep). Von der Epiglottisbasis an geht nun nach unten zu der Knorpel eine beträchtliche Modifika- tion ein, ohne jedoch den Charakter des hyalinen Knorpels zu ver- lieren. Zunächst fällt uns auf, dass der Knorpel an vielen Stellen durchbrochen ist durch Ausführgänge eines großen Driisenpackets (D), das, ziemlich scharf gegen seine Umgebung abgegrenzt, der lingualen Fläche des Knorpels unmittelbar auflagert und seine Ausführgänge durch den Knorpel hindurch zur Mündung in den obern Theil des Kehlkopfs treten lässt. Abgesehen von diesen Durchbrechungen weist der Knorpel gegen den Binnenraum des Larynx eine ziemlich glatte Oberfläche auf. Gegen die Drüsenmasse dagegen erscheint er äußerst unregelmäßig begrenzt. Er besitzt hier zahlreiche unregelmäßige Vorsprünge und Höcker. Übrigens überzieht ihn auch hier noch eine perichondrale Schicht und grenzt ihn gegen die Drüsen ab. Die Inter- cellularsubstanz ist gegen die der oberen Abschnitte erheblich vermin- dert, während die Elemente des Knorpels selbst größer erscheinen. An vielen Stellen ist es sogar schwer, fast unmöglich die Zellen gegen einander abzugrenzen. Die Zellen erscheinen dann als schat- tenhafte Gebilde, die durch ihr Verhalten deutlich die Zeichen einer Degeneration aufweisen. Dies trifft sich besonders an den den Drüsen direkt anliegenden Theilen des Knorpels. 78 E. Göppert Die gleichen Verhältnisse wie in dem medianen Theil des Epi- slottisknorpels finden sich auch in den lateralen Theilen desselben: die basalen Abschnitte zeigen entsprechende Degenerationserscheinun- sen, die dem Rande des Eingangstrichters benachbarten sind aus normalem hyalinen Knorpel zusammengesetzt. Im Großen und Ganzen besitzt also der Kehlkopfeingang von Talpa einen außerordentlich mächtig entwickelten Stützapparat, der ihm einen Fig. III. yi oss Tl en / 1 \ | Frontaler Längsschnitt durch den Larynx und Pharynx einer erwachsenen Talpa europaea, 14,5/1. Der Schnitt hat den hintersten Theil des Kehlkopfeinganges getroffen mit Theilen des Cricoids (Cr) und der Arytänoide (Ar). Trichterform des Einganges! Der Eingang (Ad.l) mündet in das Cavum pharyngo-nasale (C.ph.n). Er wird von den Plicae palato-pharyngeae (Pl.p.ph) fest umschlossen, die in denselben gelegenen Drüsenpackete (D) sind angedeutet. Die enge Anlagerung der Plicae an die Wand des Vestibulum laryngis schließt medial die Fauces (7) ab, die nach hinten und unten die Nahrungstheile dem Ösophagus (Qe) zuführen. hohen Grad von Widerstandsfähigkeit verleiht. Die Bedeutung einer derartigen Einrichtung wird aber erst verständlich bei Betrachtung eines zweiten Apparats, der mit ihr zusammen zu wirken bestimmt ist, des Velum palatinum und seiner Fortsetzung in den Arcus palato- pharyngeus. Der freie Rand des ersteren und des Arcus umfassen ringförmig fest den Kehlkopfeingang derart, dass die obern Theile desselben geradezu der dem Cavum pharyngo-nasale zugewendeten Fläche des Diaphragma pharyngeum aufgelagert sind. Betrachten Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 79 wir den Arcus palato-pharyngeus (Fig. III P/.p.ph), der bekanntlich bei den Insectivoren einen besonders stark vorspringenden, hinten geschlossenen Ring bildet, genauer, so fällt zunächst auf, dass seine Basis den dünnsten Theil des ganzen Gebildes darstellt. Sie ist an der Stelle der Pharynxwand angeheftet, welche dem freien Rand des Kehlkopfeingangs entspricht. Nach innen zu nimmt der Annulus bedeutend an Dicke zu. Es ist auffallend, wie genau seine dem Kehlkopf zugewendete Oberfläche dem Relief des erstern, dem er sich anzulegen bestimmt ist, angepasst ist. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass der Annulus jeder Muskulatur entbehrt. Er besteht aus einer Bindegewebsmasse, die von der Schleimhaut überzogen ist. Im Innern der erstern liegen Driisenpackete (D) von erheblicher Aus- dehnung. Der dem Kehlkopftriehter angelegte Ring schließt einen paarigen Speiseweg (F) vollkommen von jeder Kommunikation mit dem Cavum pharyngo-nasale (C.ph.m) resp. dem Larynxeingang (Ad./) ab. Lateral findet die Wand desselben eine Stiitze durch die Seitentheile des Thyreoids (7h) und Hyoids (7). Werfen wir noch einen Blick auf die specielle Gestaltung des Annulus palato-pharyngeus, so verdient die schwache Entwicklung seines basalen Abschnitts Beachtung, da sie das Diaphragma als ein leicht bewegliches Gebilde erscheinen lässt. Die Bedeutung dieser Einriehtung ist leicht verständlich bei Rücksichtnahme auf die Konfiguration des Kehlkopftrichters: Jeder Speiseballen, der, die Mundhöhle verlassend, unter dem Velum palatinum den paarigen Theil des Speisewegs betritt, wird sofort das Diaphragma palato- pharyngeum gegen die lateralen überragenden Wände des Kehlkopf- eingangs andrücken. So wird rein mechanisch die Sicherung der Luftwege gegen das Eindringen von Speisetheilen bewirkt und damit die Athmung auch während des Schluckaktes ununterbrochen erhalten. Nachdem wir die Befunde bei Talpa eingehend dargestellt haben, können wir uns mit den beiden übrigen untersuchten Insectivoren kurz fassen, da beide im Wesentlichen Übereinstimmung mit Talpa aufweisen. Was zunächst Sorex anlangt, so zeigt das Äußere des Kehl- kopfeingangs den Unterschied von dem des Maulwurfs, dass die von den Processus cuneiformes an seinem Rande verursachten Höcker plumper erscheinen als bei jenem. Eine Untersuchung des Epiglottis- knorpels erklärt diesen Befund. Auch hier unterscheidet man drei Vorragungen am obern Rand desselben, von denen ein medianer 80 E. Göppert der Epiglottis zu Grunde liegt, die beiden seitlichen aber die Pro- cessus cuneiformes darstellen. Die beiden Einschnitte zwischen ihnen greifen aber nicht tief gegen die Basis des Knorpels ein, sondern beschränken sich auf kleine Einkerbungen des freien Randes. Der ganze Epiglottisknorpel ist in Folge dessen ein verhältnismäßig mas- siveres und plumperes Gebilde als der von Talpa. Es gelang mir nieht, darüber ins Klare zu kommen, ob ein medianer Einschnitt am basalen Rand des Knorpels besteht. In manchen Punkten von Interesse ist für uns weiter der Kehl- kopf von Erinaceus europaeus L. Zunächst weicht die Form des Epiglottisknorpels nicht unerheblich von der des Maulwurfs und der Spitzmaus ab (Fig. IV). Charakteristisch für den Knorpel des Igels ist die Schmalheit seiner Basis. Während die or hb A ma, Basis der Epiglottis- ela ) knorpel der beiden vor- BAFE 3 her besprochenen For- ER f | | men mit ihrem Rand | nicht weit von dem des daniel ae at ..{..cm Aryknorpels entfernt ist, \ \ ) / bleibt beim Igel ein j / größerer Abstand zwi- Y schen beiden; während / beim Maulwurf der la- / terale Rand der Knor- ( zz ur pelbasis etwa um ein \ | \ Drittel der Entfernung / ) No; zwischen SANTORINI- ee ee schem Fortsatz und der Epiglottisknorpel von Erinaceus europaeus. ‘11/1. Im Mitte der Epiglottis von Vergleich zu Talpa Schmalheit der basalen Seitentheile des : hi Knorpels (B.S). Tiefe Incisur zwischen beiden (J). Die Pro- ersterem absteht, a cessus cuneiformes sind leicht nach außen gebogen (Pr.cun). Im reicht er beim Igel knapp Übrigen Bezeichnungen wie in Fig. II. die Mitte der bezeich- neten Strecke. In Zusammenhang mit diesem Verhalten sehen wir, dass die Processus cuneiformes (Pr.cun) nicht wie bei Talpa an- nähernd gerade emporstreben, sondern eine Biegung nach außen, d.h. gegen die Sanrorinr’schen Fortsätze besitzen. Wieder sehen wir die Basis des Epiglottisknorpels seitlich in einen kurzen dorn- formigen Fortsatz ausgezogen, der den lateralen Rand des Knorpels überragt (A). Besonders auffallend tritt hier der Einschnitt des Fig. IV. Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 81 basalen Randes in Erscheinung (Z), und damit die Paarigkeit des ganzen Gebildes. Wir sehen hier in der Medianebene eine tiefe Einkerbung in das Innere des Knorpels vordringen, die sich auch bei Betrachtung des Kehlkopfs von innen durch eine leichte Ein- senkung der Schleimhaut bemerklich machen kann. Wenn bei Talpa die schwach entwickelten MorGAsnTschen Ventrikel auf den Bereich des Epiglottisknorpels beschränkt bleiben, finden wir beim Igel eine beachtenswerthe Abweichung von diesem Verhalten. Auch hier wird zwar die obere Begrenzung des Ein- gangs zu den MorGaeni’schen Taschen vom basalen Rand des Epi- glottisknorpels gestützt, die Taschen erstrecken sich aber bis zum Vorderrand der SAnTorıs!schen Knorpel: zwischen letzteren und dem Epiglottisknorpel wird ihr Eingang nach oben zu von einer ein- fachen Schleimhautfalte begrenzt. Die ganz auffallend großen Ven- trikel zeigen auch darin gegenüber denen von Talpa eine Differenz, dass sie in der vorderen Medianlinie des Kehlkopfes durch einen sagittalen Schleimhautvorsprung von einander getrennt sind, nicht hier unter einander zusammenfließen. Nachdem wir das nähere Verhalten des Epiglottisknorpels der Insectivoren kennen gelernt haben, drängen sich zunächst zwei Fragen auf, die jetzt ihre Erledigung finden mögen. Wir sahen zu- nächst die basalen Theile des Epiglottisknorpels mehrfach von Drüsen durchsetzt und dadurch geradezu eine Art Knorpelnetz entstehen. Es fragt sich nun, ob die Verschiedenheit der basalen Theile des Epiglottisknorpels von den oberen auf einer Zerstörung des Knorpels seitens der Drüsen, also auf einer Rückbildung, oder auf der Ent- wicklung des Knorpelgewebes zwischen bereits vorhandenen Drüsen beruht. Diese Frage erledigt sich durch die Untersuchung eines Maulwurfsembryos von 18,5 mm Steiß-Nackenlänge:: In dem hier repräsentirten Entwicklungsstadium waren die Anlagen der Kehl- kopfknorpel bereits deutlich erkennbar. Thyreoid, Cricoid und Arytänoid bestanden aus ziemlich scharf gegen ihre Umgebung ab- gegrenzten Massen polyedrischer Zellen, zwischen welchen eine Ab- scheidung von Intercellularsubstanz noch nieht bemerkbar war. Ge- genüber diesen Anlagen bestand die des Epiglottisknorpels noch aus typischem Vorknorpel: dicht gedrängte Zellen mit großen runden Kernen bildeten die deutlich gegen das benachbarte Gewebe be- grenzte Anlage. Es ist bemerkenswerth, dass dieselbe sich gegen- über der Schleimhaut nicht anders verhielt als die übrigen, in die unmittelbare Begrenzung des Kehlkopflumens eintretenden Knorpel, Morpholog, Jahrbuch. 21. ‘ 6 82 E. Göppert so dass die Annahme einer Differenz des Epiglottisknorpels etwa als Gebilde der Schleimhaut von den übrigen Kehlkopfknorpeln auch hier durch die Untersuchung der Entwicklung desselben von der Hand gewiesen werden konnte. Der Epiglottisknorpel hatte nun in diesem Stadium, das ihn ja im ersten Beginn seiner Entwicklung zeigte, bereits dieselbe Form, wie beim erwachsenen Thier. Auch hier umfasste er mit seiner Basis spangenförmig den Kehlkopfein- gang von der Vorderseite und entsandte einen medianen platten- förmigen Fortsatz in die Epiglottis und zwei seitliche Vorsprünge, die zwischen ersterer und den SAnTorın!schen Fortsätzen der Ary- knorpel emporstrebten. Von Drüsen fand sich noch keine Spur. Die Basis des Epyglottisknorpels verhielt sich ganz eben so wie die oberen Theile, die später zwischen beiden bestehende Differenz stellt also einen sekundären Zustand vor. Es ist klar, dass diese Differenz wie in der Ontogenese, so auch in der Phylogenese aus ursprüng- licher Gleichartigkeit des gesammten Skeletstückes in allen seinen Theilen hervorgegangen sein muss. Der Nachweis von Rückbildungs- vorgängen im Gewebe der Knorpelbasis lässt einen Zustand voll- kommener Ausbildung voraussetzen. Der Verlust derselben lässt sich nur erklären als direkte Folge einer Minderung ursprünglicher Bedeutung des basalen paarigen Theils des Epiglottisknorpels. Auf den damit der Rückbildung verfallenen Knorpel trafen nun stark wuchernde Drüsenmassen, die somit im Stande waren, das ihnen in den Weg tretende, widerstandsunfähige Skeletstück zu zerstören. Also Verlust primitiver Funktion, damit Degeneration der basalen Theile des Epiglottisknorpels, Zusammen- treffen derselben mit wachsenden Drüsen und Ver- drängung des weniger resistenzfähigen Theils hat den Unterschied .der basalen und der oberen Theile des Epi- glottisknorpels zuwege gebracht. Die zweite Frage, die hier beantwortet werden soll, bezieht sich auf die Auffassung des Kehlkopfeingangs der Insectivoren. Be- kanntlich hat GEGENBAUR (l. e.) gezeigt, wie die bei den Mono- tremen frontal gestellte Epiglottis sich bei höheren Formen mit ihren seitlichen Theilen dem Kehlkopfeingang anpasst, dass sie auf diese Weise den Aryknorpel erreichen kann und damit den Eingang zum Larynx zu einem röhrenförmigen Gebilde gestaltet. Es liegt nun bei Betrachtung des Insectivorenkehlkopfs nahe, an einen solchen extremen Fall des Anschlusses der Epiglottis an den Aditus laryngis zu denken. Wir sahen nun bei Eehidna die seitliche Begrenzung Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 83 des Kehlkopfeingangs gebildet von den Plicae ary-epiglotticae. Auch dann, wenn die Seitentheile der Epiglottis ihre primitive Stellung aufgegeben haben, und selbst mit ihren Enden die Spitzen der Ary- tänoide erreichen, wird man noch die Plieae ary-epiglotticae an- treffen müssen, wenn auch vielleicht in rückgebildetem Zustand. Nehmen wir aber den obersten Theil des Insectivorenkehlkopfs als ein Produkt der Epiglottis, so fehlt uns jede Spur einer ary-epi- glottischen Falte. Fig. V. Frontaler Lingsschnitt durch Larynx und Pharynx eines Talpaembryo von 18,5 mm Steiß-Nackenlänge. 30/1. Die Abbildung zeigt die Mündung des Kehlkopfs in das Cavum pharyngo-nasale (C.ph.n). Die beiden Bogen des Hyoids (Hı und He), das Thyreoid (7h), die Ary- tänoide (Ar), das Cricoid (Cr) sowie der erste Trachealring (7r) sind sichtbar. In dem oberen Ab- schnitt der Figur erscheint noch ein Theil der Schädelbasis (b). Seitlich vom Kehlkopf sieht man als viereckige Räume die Fauces (F). Sie werden medial gegen das Cavum pharyngo-nasale abge- grenzt durch die deutlich entwickelten Plicae epiglotticae laterales (Pl.ep.l) einerseits, die Plicae palato-pharyngeae (Pl.p.ph) andererseits. Man vergleiche die Form des Kehlkopfeingangs und das Verhalten der Plicae palato-pharyngeae des Embryos mit den gleichen Theilen des erwachsenen Thiers (Fig. III). Eine richtige Beurtheilung der Verhältnisse verschafft uns nur die Untersuchung jugendlicher Kehlköpfe: An dem Larynx mehrerer junger Igel angedeutet, an einem Kehlkopf vollkommen scharf und deutlich fand sich eine Schleimhautfalte vor, die an dem lateralen Rand des die Epiglottis markirenden Vorsprungs des Aditus laryn- gis ansetzt, von hier aus nach hinten allmählich sich senkend an der äußeren Wand des Kehlkopfs herablief, um etwa in der Höhe der Aryknorpel zu verstreichen (vgl. Fig. 3 Taf. II). Eine ganz 6* 84 E. Göppert entsprechende Bildung zeigte der bereits oben erwähnte Maulwurf- embryo von 18,5 mm Länge (Fig. V, Pl.ep.l.). In beiden Fällen handelte es sich um ganz scharf markirte, auf beiden Seiten gleich- mäßig entwickelte Schleimhautfalten, deren ganzes Verhalten be- wies, dass es sich nicht um zufällige Vorkommnisse handeln konnte. Die Deutung der Falte ist gegeben durch die Feststellung ihrer Beziehungen zu den Plicae palato-pharyngeae: die Frontalschnitt- serie des Talpa-Embryos zeigte eine genaue Übereinstimmung des Verlaufs der fraglichen Falten (Fig. V, Pl.ep.!.) mit den Plicae pa- lato-pharyngeae (P/.p-ph.). Die freien Ränder beider berührten sich fast und grenzten damit einen geräumigen, auf dem Schnitt viereckigen Raum nach innen zu ab, der die Fauces darstellt (7). Nach diesem Verhalten kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die seitlichen am Kehlkopf herabsteigenden Falten der Epiglottis angehören und den seitlichen skeletlosen Theilen derselben bei Echidna homolog sind. Im Laufe der vorliegenden Untersuchung wird noch wiederholt auf die innigen Be- ziehungen derselben zu den Plicae palato-pharyngeae aufmerksam gemacht werden. Wir werden weiterhin die Theile der Epiglottis, die nach außen von den vorderen Insertionen der ary-epiglottischen Falten liegen, als Plicae epiglotticae laterales bezeichnen. Am ausgewachsenen Thier habe ich nie eine Spur dieser seitlichen Epi- glottisfalten aufgefunden. Selbst beim neugeborenen Igel wurden sie oft vermisst. Es ergiebt sich also, dass der als Epiglottis be- zeichnete Theil des Kehlkopfeingangs, dem der mediane platten- artige Vorsprung des Epiglottisknorpels angehört, nur den mittelsten Theil einer ursprünglich mächtigeren Bildung vorstellt; mit anderen Worten, dass die Insectivoren ursprünglich eine Epiglottis besaßen, die mit der der Monotremen übereinstimmte, durch Rückbildung ihrer beiden seitlichen Theile von ihr different wurde. Es erhellt jetzt schon, dass die vom Arytänoid gegen die Epi- glottis ziehenden Theile der Begrenzung des Kehlkopfeingangs typische Plicae ary-epiglotticae vorstellen. Bei Echidna sahen wir ferner, dass eine erheblichere seitliche Entfaltung der Basis des Epiglottisknorpels dieselbe in die Plicae ary-epiglotticae hinein- führen müsste. Diese stärkere Entwicklung des Knorpels ist bei den Insectivoren verwirklicht. Damit sind die Falten, welche die seit- lichen Theile des Epiglottisknorpels bergen, auch als den Plicae ary-epiglotticae der Echidna homolog charakterisirt. Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 85 Ein Vergleich des Kehlkopfeingangs der Insectivoren mit dem der Echidna zeigt jetzt keine wesentlichen Unterschiede zwischen beiden. Die Differenz beruht einmal auf der Rückbildung der seitlichen Theile der Epiglottis, der »Plieae epiglotticae laterales«, anderer- seits auf der erheblichen Höhenausdehnung der Plieae ary-epiglotticae bei den Insectivoren, eine Entfaltung, die bewirkt, dass der mediane Theil der Epiglottis nicht wie bei Echidna den Kehlkopfeingang über- ragt, sondern mit seinem größten Theil selbst in die Begrenzung des Vestibulum laryngis einbezogen wird. Wir haben hier zum ersten Mal ein Beispiel der Rivalität der Plieae epiglotticae laterales und der Plicae ary-epiglotticae. Durch die Entwicklungsgeschichte konnte mit aller Sicherheit nachgewiesen werden, dass bei den Vorfahren der Insectivoren ursprünglich bei der Sicherung des Kehlkopfeingangs gegen das Eindringen von In- gesten, die Plicae epiglotticae laterales mit den Plicae palato-pha- ryngeae zusammenwirkten. Diese Einrichtung machte durch starke Entwicklung der Plicae ary-epiglotticae und Rückbildung der seit- lichen Epiglottistheile dem jetzigen Zustand Platz. Ehe wir den Insectivorenkehlkopf verlassen, wollen wir noch kurz die Punkte hervorheben, die uns an ihm besonders interessirten: Wir finden den Kehlkopfeingang seitlich begrenzt durch die Plicae ary-epiglotticae, vorn durch den mittleren Theil der Epiglottis, deren seitliche Theile, die Plicae epiglot- ticae laterales der Rückbildung verfallen sind. Der Kehl- kopfeingang empfängt in seinen vorderen Theilen seine Stütze durch den Epiglottisknorpel, von dessen den Kehl- kopfeingang spangenförmig umfassender Basis drei Fort- sätze ausgehen, ein mittlerer, der Epiglottis angehöriger, und zwei seitliche, die Processus euneiformes, welche die Plieae ary-epiglotticae stützen, also mit der Epiglottis nichts zu thun haben. An das Verhalten des Epiglottisknorpels der Insectivoren schließt sich nun unmittelbar dasjenige von Canis und Ursus an. Wir gehen darum jetzt zu den Carnivoren über. Dabei müssen wir auch eine Reihe längst bekannter Thatsachen in den Kreis unserer Betrachtung ziehen, um auf Grund derselben die uns interessirenden Verhältnisse beurtheilen zu können. Prüfen wir zunächst den Kehlkopfeingang des Hundes (Fig. 4 Taf. IV), — im Wesentlichen gilt die Beschreibung für die ganze Familie der Caniden — so finden wir ihn in seinen hinteren Partien 86 E. Göppert (S) gestützt durch die nach hinten umbiegenden Sanrorinrschen Fort- sätze der Arytänoide, deren Spitzen nach rückwärts gegen einander konvergiren. Unmittelbar vor denselben erhebt sich der Rand des Aditus laryngis steil und unvermittelt über das Niveau der hinteren Theile des Kehlkopfeingangs. Dieser Erhebung (W) dient der obere Theil des WrISBERG'schen Knorpels als Stütze, der rückwärts gekrümmt damit die gleiche Biegung der erwähnten Erhebung ver- leiht. Von hier biegt die Begrenzung des Kehlkopfeingangs ziemlich scharf lateralwärts um, und erreicht den lateralen Rand der von der knorpligen Epiglottisplatte gestützten Epiglottis (Zp), die als ein nach oben spitz auslaufendes Gebilde den vorderen Abschluss des Aditus Fig. VI. In a Pr .—- et = = = Skelet des Kehlkopfeingangs vom Hund. Natürliche Größe. Die Theile sind nach Er- öffnung des Larynx an der Hinterwand und flache Ausbreitung desselben freigelegt und in ihrer natürlichen Lage zu einander dargestellt. Dasselbe gilt von den folgenden Abbildungen. Der (se- kundäre) Epiglottisknorpel (Zp.Kn) sitzt mit seinem basalen konkaven Rand dem oberen Thyreoid- rand auf. Form der Cartilago Wrisbergii (C.Wrsbrg)! Vorderer Fortsatz gegen den Epiglottisknorpel. Hornartiger Fortsatz gegen den freien Rand des Kehlkopfeinganges. Verbindung des WrisBeRG’schen Knorpels mit dem Arytänoid (Ar). P.Sant. Sanrorini’scher Fortsatz des letzteren. laryngis darstellt. An letzterem lassen sich demnach zwei Theile unterscheiden, deren Grenze durch die aufragende Spitze des Wris- BERG schen Knorpels (W) markirt wird. Der vordere Theil entspricht dem Raum zwischen den Stimmbändern, der hintere stellt den Eingang zu dem Raum zwischen den Aryknorpeln vor. Der vordere Theil des Vestibulum erhebt sich als ein röhrenartiges, nach hinten zu offenes Gebilde bedeutend über den hinteren Theil des Kehlkopfeingangs. Sehen wir uns jetzt die beiden, uns hauptsächlich interessiren- den Skeletstücke an (Fig. VI): der Epiglottis liegt ein großer Knorpel Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 87 zu Grunde, dessen Form man wohl am besten mit der einer etwas in die Breite gezogenen Lanzenspitze vergleichen könnte (Ep.Kn): Man unterscheidet an ihm einen schmalen und ziemlich kurzen basalen Theil. Jenseits desselben verbreitert sich der Knorpel rasch, um etwas unterhalb der Mitte seiner Länge die größte Breitenausdehnung zu erreichen und von hier aus allmählich in eine ziemlich scharfe Spitze auszulaufen. Die Basis des Knorpels weist eine Einkerbung auf, mit welcher sie einem medianen Vorsprung des oberen Thyreoidrandes beweglich aufsitzt. Der der größten Breitenausdehnung des Gebildes entsprechende Punkt seines lateralen Randes liegt dort, wo die Be- grenzung des Aditus laryngis von den Spitzen der WrIsBERG’schen Knorpel ausgehend, die Epiglottis erreicht. Es ist bemerkenswerth, dass die Basis des Knorpels hoch über dem oberen Rand des Ein- gangs der MorcaeGnrschen Taschen liegt. Eine Untersuchung des inneren Baues des Epiglottisknorpels zeigt komplicirte Verhältnisse, auf die ich noch kurz eingehen will (Fig. 5 Taf. II). Das ganze Gebilde ist zunächst von einer starken peri- chondralen Bindegewebslage (Per) überzogen. Am meisten der Schleimhaut benachbart liegt die hintere Fläche des Stützapparats. Aber auch hier findet sich zwischen Mucosa und Perichondrium noch eine Drüsen und größere Gefäße enthaltende submucise Schicht; das Perichondrium bekleidet nun sowohl an der Vorder- als an der Hinterseite des Stützapparats je eine ziemlich dünne Lage elastischen Knorpels (Ar). Diese zeigt vielfach Durchbrechungen und fehlt sogar gegen die Spitze der Epiglottis zu auf größere Strecken, während das Perichondrium kontinuirlich auch über diese Lücken hinwegzieht. Die beiden Knorpelplatten nehmen zusammen nur einen kleinen Theil des Dickendurchmessers des Stützapparats ein. Sie werden mit ein- ander verbunden durch Züge oder Lamellen von Bindegewebe mit vielen runden, ovalen oder spindelförmigen Kernen und äußerst zahl- reichen elastischen Fasern (B). Diese Balken oder Lamellen sind annähernd senkrecht zur Oberfläche der Epiglottis angeordnet und werden von einander durch Massen von Fettzellen (F) getrennt, die dem Volum nach wohl den erheblichsten Antheil am Aufbau des Stützapparats bilden. Indem gegen die Spitze der Epiglottis das Fettgewebe spärlicher wird, hört auch die Anordnung des Binde- gewebes in Zügen oder Blättern mehr und mehr auf. Eine Eigen- thümlichkeit aber, die sich überall am Stützapparat findet, bleibt auch hier in ausgesprochenster Weise erhalten: die charakteristische Anordnung und das Verhalten der elastischen Fasern. Fast durch- 88 E. Göppert weg, wenigstens zum größten Theil, finden wir dieselben senkrecht zur Vorder- und Hinterfläche des Stützapparats angeordnet. Auch die elastischen Fasern der beiden Knorpelplatten besitzen zum großen Theil die gleiche Verlaufsrichtung. Meist lässt sich konstatiren, dass die elastischen Fasern am Perichondrium wurzeln, zwischen den Knorpelzellen hindurchtreten, um dann in einem der bindegewebigen Züge weiter auf die andere Seite zuzustreben. Es ist möglich, dass Fasern die ganze Dicke des Stützapparats durchsetzen. Wir sehen also, dass das Epiglottisskelet des Hundes ein äußerst elastisches Gebilde darstellt, dass aber durch die Betheiligung des Knorpels an seinem Aufbau einer gewissen Festigkeit nicht entbehrt. Durch die Verwendung verschiedenartiger Gewebe unterscheidet es sich ganz auffallend von den uns bisher bekannt gewordenen Stütz- gebilden der Epiglottis. Sehen wir uns jetzt nach dem WrissERG’schen Knorpel um, so finden wir denselben durch ein verhältnismäßig mächtiges, etwa ein Drittel des Volums des Aryknorpels erreichendes Gebilde repräsen- tirt (Fig. VI C.Wrsbrg). Die Basis desselben zieht sich nach vorn in einen langen, abgestumpft endigenden Fortsatz aus, während nach oben der lange Fortsatz emporragt, dem wir bereits früher be- gegneten. Er ist etwa in demselben Sinne, wie die SanrorınTschen Knorpel gebogen. Der basale Rand des Knorpels fällt zusammen mit der oberen Begrenzung der Eingangs zu den beim Hund be- kanntlich sehr geräumigen Morcaenischen Taschen. Derselbe wird etwa bis zur Hälfte seiner Längenausdehnung von dem Knorpel ge- stützt. Der Eingang der Tasche reicht aber nicht ganz so weit nach hinten, wie der WrısBEr@’sche Knorpel, so dass ein Theil des basalen Randes des letzteren noch das Hinterende des Taschenbandes nach hinten zu überragt!. Der Wrisgere’sche Knorpel ist nun kein selbständiges Gebilde; er hängt vielmehr kontinuirlich durch eine schmale knorplige Brücke mit dem Aryknorpel (Ar) zusammen. — Diese Brücke verbindet den Theil der Cartilago Wrisbergii, den man etwa als die Grenze zwischen Basis und oberem Fortsatz bezeichnen könnte mit der Stelle des Aryknorpels, von welcher der SAnTorInTsche Fortsatz (P.Sant) aus- geht. Diese Verbindung liegt nicht in der Fortsetzung des oberen Stimmbandes, sondern ein Stück über dem Niveau desselben. ! Vgl. auch E. Kain, Zur Morphologie des WrisBere’schen Knorpels. Mittheilungen des Vereins der Ärzte in Steiermark. XXIII. Vereinsjahr 1886, Graz 1887. Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 89 Was den inneren Bau der Cartilago Wrisbergii anlangt, so setzt er sich aus elastischem Knorpel zusammen, in welchem die elasti- schen Fasern außerordentlich reiche Netze bilden. Ganz vereinzelt finden sich auch gegen die Basis zu, meist ganz peripher gelagerte Fettzellen zwischen den Knorpelelementen. Wenden wir uns jetzt zur Beurtheilung der beim Hunde vor- liegenden Verhältnisse des Kehlkopfeingangs, so ist zunächst zu ent- scheiden, in welcher Weise die Betheiligung der beiden uns bei Echidna und den Insectivoren bekannt gewordenen Faltenbildungen, der Plicae epiglotticae laterales und Plicae ary-epiglotticae hier er- folgt. GEGENBAUR hat bereits die Existenz von seitlichen Epiglottis- falten beim Hund betont. Beim erwachsenen Thier sind sie oft nicht so scharf ausgebildet, dass man sie sicher von den vielen Längs- falten, welche die Schleimhaut hier bildet, unterscheiden kann. Ganz klar und deutlich finden sie sich aber regelmäßig bei neugeborenen Hunden entwickelt. Sie setzen als ein Paar niederer Falten den oberen Rand des knorplig gestützten Theils der Epiglottis nach hinten zu fort, entspringen also gerade von den Winkeln, an welchen der Rand des Aditus laryngis von der Epiglottis scharf gegen die Spitze des Wrısgerg’schen Knorpels umbiegt. Durch die Unbeständigkeit in der Ausbildung der beiden Falten spricht sich ihre Eigenschaft als rudimentäre Gebilde deutlich aus. Nur in einem Fall fand ich sie in einem Zustand, der an ein Funktioniren derselben denken ließ. Bei einem neugeborenen Hunde (Fig. 4 Taf. IV) zogen sie, die beider- seitigen gegen einander leicht konvergirend, als zwei relativ hohe Schleimhautfalten (P/.ep.lat) nach hinten und reichten dabei noch etwas weiter rückwärts als der hintere Winkel des Aditus laryngis. Ihr Verlauf und ihre Lage entsprach ganz genau dem Verlauf und der Lage des Arcus palato-pharyngeus. Bekanntlich wird derselbe nur vorn durch eine Faltenbildung dargestellt. Hinten wird seine Lage markirt durch die ziemlich plötzliche Änderung im Verhalten der Schleimhaut an der Grenze zwischen Cavum pharyngo-nasale und dem unteren Theil des Pharynx'. In dem vorliegenden Fall stellte der Areus palato-pharyngeus in seinem hinteren Theil einen deutlichen Vorsprung der Pharynxwand vor; er erschien hinter dem durch eine Falte gebildeten Abschnitt wie eine Terrasse, an welcher die Schleim- haut des respiratorischen zu der des nutritorischen Pharynxtheils ab- ! J. RÜCKERT, Der Pharynx als Sprach- und Schluckapparat, Eine ver- gleichend-anatomische Studie. München 1882. 90 E. Göppert fiel. Indem der Arcus der Plica epiglottica lateralis bei Lage der Theile in situ unmittelbar anlag, wurde durch diese beiden Gebilde ein lateraler Speiseweg jederseits medianwärts abgegrenzt, der jeden- falls geeignet erschien, flüssige Nahrung am Kehlkopf vorbei dem Ösophagus zuzuführen. Es scheint übrigens, als wenn der paarige Speiseweg auch beim erwachsenen Hund für Flüssigkeiten in Funk- tion stünde, während ja natürlich für feste Nahrung der Weg direkt über den Kehlkopfeingang genommen wird. Die anatomischen Be- dingungen für denselben sind gegeben, da nach der Lage der Theile zu einander ein Anschluss des Arcus palato-pharyngeus an die äußere Überkleidung des Larynx durch die Thätigkeit des Musculus palato- pharyngeus und damit eben der Abschluss eines paarigen Weges möglich erscheint. Durch den Nachweis ihrer Beziehungen zum Arcus palato- pharyngeus ist für die seitlichen Falten über allen Zweifel sicher- gestellt, dass sie wirklich Plicae epiglotticae laterales und den gleich- benanntenGebilden des Larynx jugendlicher Insectivoren homolog sind. Damit ergiebt sich auch, dass die Theile des Kehlkopfeingangs, die unter winkliger Biegung die Epiglottis mit den SAnTorın!schen Fort- siitzen verbinden als Plicae ary-epiglotticae zu bezeichnen sind. Die auffallende Knickung derselben ist die Folge einer erheblichen Ver- breiterung des mittleren, von den Insertionen der Plicae ary-epi- glotticae abgegrenzten Theils der Epiglottis. Nehmen wir den bei den Insectivoren repräsentirten Zustand als Ausgang, so wird leicht verständlich, dass der bezeichnete Wachsthumsvorgang eine Verlage- rung des Punktes, an welchem am Kehlkopfeingang Plica ary-epi- glottica und Epiglottis zusammentreffen, nach hinten bewirken muss. Bei Fixirung der Cartilago Wrisbergii muss dann der Theil der ary- epiglottischen Falte, welcher den bezeichneten Knorpel mit der Epiglottis verbindet, in Winkelstellung zu dem Theil gerathen, der zwischen Cartilago Wrisbergii und Arytänoid liegt. Diese Winkel- stellung wird übrigens während des Lebens oft aufgehoben werden beim Funktioniren des Musculus hyo-epiglotticus, der die Epiglottis zungenwärts zu ziehen im Stande ist. Wir sehen also, dass die WrısBEer@’schen Knorpel des Hundes, ganz wie wir es für die seitlichen Theile des Epiglottisknorpels der Inseetivoren fanden, den Plieae ary-epiglottieae angehören. Zu dieser Übereinstimmung in der Lagerung beider Knorpel kommt noch die Übereinstimmung ihrer Orientirung zu den Taschenbändern hinzu. Der basale Rand beider Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 91 bildet jederseits die Stiitze fiir die obere Begrenzung des Eingangs zu den MorGacGnischen Taschen. Priifen wir jetzt auf etwaige weitergehende Ubereinstimmungen, so muss die Form der Wrispere’schen Knorpel der Hunde sofort auffallen. Die Ausbildung eines basalen Abschnittes und eines über den hinteren Theilen desselben sich erhebenden Horns, die stets starke Entwicklung eines nach vorn reichenden Fortsatzes der Basis muss beachtenswerth erscheinen. Scheinbar hinderlieh für die Annahme früherer Verbindung von Epiglottis- und WrisBEr@’schen Knorpel, der wir uns jetzt zuzuneigen beginnen, ist die Lage der Basis des ersteren hoch über den Taschen- bändern. Bei einem Hund mittlerer Größe betrug der Abstand beider 8 mm. Die hierin liegenden Bedenken schwinden aber, wenn wir mit dem Zustand des ausgewachsenen Thieres den junger Hunde vergleichen. Vergleicht man mit der Länge des wahren Stimmban- des: s die Erhebung der Epiglottisbasis über die vordere Ansatz- stelle des ersteren: e, so ergiebt sich für den ausgewachsenen Hund das Verhältnis: e:s—= 1:1, bei einem jungen Hund = 2: 3, bei einem neugeborenen Hund = 1:2, d.h. also die Erhebung der Epi- glottisbasis über die Ebene der wahren Stimmbänder nimmt während des postfötalen Lebens deutlich zu. Dies erklärt sich nun durch ein starkes Höhenwachsthum des über den Insertionen der wahren Stimm- bänder gelegenen Theiles des Thyreoids, wie eine vergleichende Messung lehrt: das bezeichnete obere Stück des Thyreoids verhielt sich nämlich zur gesammten Höhe des Knorpels in der Medianebene beim neugeborenen Hund wie 1: 2,4, stellte also noch nicht die Hälfte der Höhenausdehnung des Thyreoids vor; bei einem etwas älteren Hund betrug es genau die Hälfte, und beim erwachsenen Hund nahm es bereits mit einem Verhältnis von 4:7 den größten Theil der Höhenausdehnung des Knorpels ein. Wir konnten also zeigen, dass die Entfernung zwischen der Basis des Epiglottisknorpels und der Basis des WRISBERG'schen Knorpels einen sekundären Zustand vorstellt. Dieser Befund lässt die Möglichkeit zu, dass auf einem früheren ontogenetischen Stadium vielleicht intimere Beziehungen zwischen beiden Skelettheilen auf- zufinden sein möchten. Wir schreiten desshalb zur Untersuchung von Embryonen. Bei allen mir zur Verfügung stehenden Embryonen vom Hund — es handelte sich um Stadien von 5,5, 6,3, Sem Länge —, sowie bei Embryonen vom Fuchs von 6cm Länge zeigte sich nun jederseits ein kontinuir- 92 E. Göppert licher Zusammenhang zwischen den Anlagen des Epiglot- tisknorpels und derjenigen der WRISBERG'schen Knorpel vgl. Fig. 6 Taf. III). Beide Theile zeigten auch bei dem jüngsten Embryo im Wesent- lichen die Form, welche sie im fertigen Zustand besitzen. Sie be- standen aus dicht gedrängten Zellmassen, die man als Vorknorpel bezeichnen muss, während die übrigen Skeletstücke des Larynx bereits ein etwas höheres Entwicklungsstadium aufwiesen, in so fern bei ihnen schon die Abscheidung der Knorpelgrundsubstanz einge- treten war. Von der Basis des Epiglottisknorpels (Ep. Kr) ging nun jederseits ein Gewebsstrang aus, der in einem sanften nach hinten offenen Bogen herabstieg und, in die Richtung der Basis des Wris- BERG’schen Knorpels (Wrsdrg) einbiegend, in letztere kontinuirlich überging. Das Gewebe dieses Zwischenstückes stellte die unmittel- bare Fortsetzung des Gewebes vor, welches die Anlagen der drei hier in Frage kommenden Skeletstücke bildete. Nur darin zeigte sich ein Unterschied gegenüber diesem, dass die Kerne in dem Verbindungstheil weniger dicht lagen, das Ganze also eine lockerere Fügung zeigte im Gegensatz zu den aus dicht gedrängten Elemen- ten bestehenden Anlagen des Epiglottis- und des WRISBER@’schen Knorpels. Könnte man den ganzen Komplex der drei Anlagen her- auspräpariren, so würde man ein Gebilde erhalten, das im Wesent- lichen mit dem Epiglottisknorpel der Insectivoren übereinstimmte, d. h. aus einem medianen und zwei lateralen Abschnitten sich zu- sammensetzte. An diese embryonalen Zustände schließt sich ein Befund an, den eine Sagittalschnittserie durch den Larynx eines neugeborenen Hundes bot: die uns interessirenden Schnitte enthalten zunächst den nach vorn ragenden, das Taschenband stützenden Vorsprung des basalen Theiles des Wrisgere’schen Knorpels. An der Basis des Epiglottisknorpels bestand nun jederseits ein kurzer Fortsatz, der hakenförmig nach hinten umbiegend, direkt auf die vordere Spitze des WRrISBERG’schen Knorpels zustrebte. Die beiden einander zuge- kehrten Spitzen waren noch durch einen dünnen Bindegewebsstrang mit einander verbunden. In einem Fall fanden sich ganz ähnliche Verhältnisse auch bei einem erwachsenen Hund vor. Hier war der vordere Fortsatz der Cartilago Wrisbergii außergewöhnlich lang. Auf sein vorderes Ende lief ein knorpeliger Fortsatz der Basis des Epiglottisknorpels jederseits zu und erreichte ihn fast. Also auch bei älteren Thieren finden sich gelegentlich Hinweise Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 93 auf den embryonalen Zusammenhang zwischen Epiglottis- und Wris- BERG schen Knorpel. Diese ganzen Befunde sind nur verständlich durch die Annahme, dass auf einem früheren phylogeneti- schen Stadium des Hundes die drei Skeletstücke während des ganzen Lebens eine Einheit gebildet haben. Damit ist wieder ein neuer Punkt der Übereinstimmung zwischen Cartilago Wrisbergii und den seitlichen Theilen des Epiglottisknorpels der Insectivoren gewonnen. Wir sehen nun aber den WrisBERG’schen Knorpel des Hundes in geweblicher Verbindung mit dem Arytänoid, und dieser Umstand verlangt noch eine specielle Untersuchung, um jeden Gedanken dar- an auszuschließen, dass der WRISBERG’sche Knorpel ein Produkt des Arytänoids darstellen könnte, der erst sekundär, und zwar nur vorübergehend, mit dem Epiglottisknorpel in Beziehung getreten ist, eine Vorstellung, die an und für sich sehr wenig Wahrscheinlichkeit besitzt. Die Frage lässt sich naturgemäß nur unter Zuhilfenahme der Entwicklungsgeschichte entscheiden. Die hierbei zur Verwendung gelangten Embryonen sind oben bereits kurz charakterisirt worden: die Anlagen des Epiglottis- und des WrısBEr@’schen Knorpels zeigten sich bei ihnen auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe als die der übrigen Stücke des Laryngealskelets. Die Untersuchung der uns augenblicklich interessirenden Verhältnisse erfolgt, wie die Erfahrung zeigt, am besten an Sagittalschnitten durch den Larynx. Die Ver- bindung zwischen Cartilago Wrisbergii und Arytänoid tritt in den Schnitten auf, die die lateralen Theile des Arytänoids treffen. Da- mit schienen die letzteren aus jungen, dicht gedrängten Elementen zu bestehen, wie sie eben die peripheren Schichten des wachsenden Knorpels bilden, während im Inneren bereits wohlausgebildeter Hyalin- knorpel angetroffen wird. An den bezeichneten Schnitten sieht man nun bei schwacher Vergrößerung eine einheitliche Gewebsmasse für Arytänoid inkl. Processus Santorini und dem in den Sehnitt fallen- den Theil des WrisBERG’schen Knorpels. Mit Ausnahme einer kleinen beschränkten Stelle sind übrigens beide Knorpel vollkommen von einander getrennt. Bereits bei schwacher Vergrößerung fällt aber auf, dass diese Gewebsmasse durchaus nicht so gleichartig ist, als es anfänglich scheint. Der der Cartilago Wrisbergii zuzureehnende Theil derselben zeichnet sich durch hellere Färbung vor dem Haupt- theil der Anlage deutlich aus. Untersuchen wir jetzt bei starker Vergrößerung, so wird der Unterschied ein ganz markanter (Fig. 7 94 E. Göppert Taf. II). Zunächst unterscheiden sich die Elemente der Anlage der Cartilago Wrisbergii (Wrsörg) von denen, welche die des Arytänoids (Ar) zusammensetzen: Ihre Kerne zeigten in unseren Präparaten eine geringere Tinktionsfähigkeit und etwas erheblicheren Umfang als letztere. Schließlich sehen wir die Anlage der Cartilago Wris- bergii deutlich von dem Arytänoid abgegrenzt durch die Anordnung ihrer Elemente, nämlich durch eine koncentrische Schichtung der- selben. Im Centrum der Anlage liegen Elemente mit den eben er- wähnten großen, hellen Kernen; gegen die freie Peripherie und eben so gegen das Arytänoid zu platten sich die Kerne allmählich ab und ordnen sich in koncentrischen Lagen um die inneren Theile der Anlage. Dieselbe wird dadurch nicht nur an ihrer freien Ober- fläche, sondern auch da, wo sie mit der Anlage des Arytänoids zu- sammenhängt, gegen das benachbarte Gewebe deutlich abgesetzt. Das Gleiche gilt übrigens nicht für den Processus Santorinianus im gleichen Stadium. Derselbe hängt vielmehr ohne irgend welche Grenze mit dem Arytänoid zusammen. Die ihn zusammensetzenden Vorknorpelzellen schließen sich in keiner Weise gegen die Haupt- masse des Arytänoids ab. Wir sehen also, dass die Anlage des Arytänoids und die der Cartilago Wrisbergii an einer Stelle zwar innig mit einander zu- sammenhängen, dass sich aber trotzdem für beide Theile eine ge- wisse Selbständigkeit in unzweideutigster Weise erkennen lässt. Der WRrISBERG’sche Knorpel besitzt, auch abgesehen von den Besonder- heiten seiner Elemente, ein selbständiges Wachsthum, wie sich aus der koncentrischen Anordnung seiner Zellen erkennen lässt, und stellt sich damit nicht als ein einfacher Auswuchs des Arytänoids dar, wie der Sanrorini’sche Fortsatz des letzteren. Diese Tren- nung innerhalb der zusammenhängenden Anlage, die spä- ter völliger Kontinuität Platz macht, lässt sich nur als ein Hinweis darauf verstehen, dass Arytänoid und WRIS- BERG’scher Knorpel ursprünglich einander fremd waren und sich erst im Laufe der phylogenetischen Entwick- lung mit einander verbanden. Die Ontogenese zeigt beide Theile nicht mehr gesondert von einander. Die Cänogenese ist aber nichtim Stande gewesen, alle Spu- ren der primitiven Unabhängigkeit des WRISBERG’schen Knorpels vom Arytänoid zu verwischen. Damit ist also der Einwurf beseitigt, den wir uns gegen die Annahme einer primären Zusammengehörigkeit von Cartilago Wris- Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 95 bergii und epiglottidis auf Grund der Verbindung der ersteren mit dem Arytänoid machen mussten. In letzter Linie ist noch zu be- rücksichtigen, ob nicht die unmittelbare Nachbarschaft zwischen Arytänoid und Wrispere’schem Knorpel gegen eine Homologisirung des letzteren mit den seitlichen Theilen des Epiglottisknorpels bei den Insectivoren sprechen könnte. Auch dieser Einwand ist hin- fällig. Wir sahen ja, dass auch bei den Insectivoren der Abstand des lateralen Randes des Epiglottisknorpels von dem Vorderrand des Arytänoids je nach der Art verschieden ist; dass er beim Maulwurf geringer ist als beim Igel, dass beim Hund die Entfernung zwischen beiden Theilen noch kleiner ist, stellt also einen Umstand von wenig Bedeutung vor. Nach diesen Erörterungen kann man nicht mehr an der Homologie der WRISBERG’schen Knorpel des Hundes mit den Seitentheilen des Epiglottisknorpels der Insecti- voren zweifeln. Damit ist bewiesen, dass die Vorfahren der Caniden in ihrem Kehlkopf ein Skeletstück be- sessen haben, das in seiner Form, seiner Lage ganz übereinstimmte mit dem Epiglottisknorpel der Insecti- voren. Dieser »primitive« Epiglottisknorpel ließ durch Rück- bildung eines Theils seiner Basis — Rückbildungen treffen wir an dieser Stelle ja auch bei den Insectivoren — drei selbständige Stücke hervorgehen, den »sekundären« Epiglottisknorpel und die beiden Wrisgerg’schen Knorpel. Letztere schlossen sich, ob vor oder nach ihrer Abtrennung wird sich kaum entscheiden lassen, den Arytänoiden an und gewannen damit Beziehungen zu dem den Verschluss des Kehlkopfeinganges besorgenden Apparat!. Einen weiteren Beleg für die Richtigkeit unserer Beurtheilung des WRISBERG’schen Knorpels ergab die Untersuchung des Larynx von Ursus aretos L. Im Großen und Ganzen finden wir hier den Kehlkopfeingang eben so gestaltet, wie bei Canis. Ein prineipieller Unterschied zwischen beiden besteht nicht. Auch hier sind die Plicae ary-epiglotticae mächtig entwickelt, gestützt durch den aufsteigenden Theil des WrisBere’schen Knorpels; die Plicae epiglotticae laterales sind der Rückbildung verfallen. Wieder sehen wir den vor den ! Bekanntlich befestigen sich beim Hund Theile des Musculus thyreo- arytaenoideus inferior am WRISBERG’schen Knorpel. Vgl. dazu namentlich M. FÜRBRINGER, Beitrag zur Kenntnis der Kehlkopfmuskulatur. Inaugural-Disser- tation. Jena 1876. pag. 84 und E. Kaın, 1. ce. 96 : E. Göppert WRISBERG’schen Knorpeln gelegenen Theil des Vestibulum laryngis den hinteren Theil des Kehlkopfeinganges hoch überragen. Betrachten wir jetzt die Cartilago Wrisbergii näher, so finden wir sie ganz ähnlich gestaltet, wie beim Hund. Wir unterscheiden an ihr wieder einen basalen Theil, der nach oben den die ary-epi- glottischen Falten stützenden Fortsatz entsendet und sich nach vorn zu in ein langes allmählich sich verjüngendes Horn fortsetzt, das mit seiner Spitze etwa bis zu der Höhe der Mitte der wahren Stimm- bänder reicht. Mit seinem unteren Rand stützt der Knorpel wieder das sogenannte Taschenband. Er sitzt mit dem basalen Theil seines hinteren Randes dem Arytänoid auf, befestigt sich aber nicht an der nach vorn gerichteten Kante desselben, sondern dicht daneben an der äußeren Fläche des Knorpels. Ob die Verbindung beider Skelet- theile knorplig ist, oder nur durch Bindegewebe vermittelt wird, konnte nicht festgestellt werden, ist ja aber auch mit Rücksicht auf das beim Hund Dargelegte ohne wesentliches Interesse. Auch der Knorpel der Epiglottis besitzt ganz ähnliche Form, wie der der Caniden, d..h. er kann mit einer etwas in die Breite gezogenen Lanzenspitze verglichen werden. Mit seiner verschmäler- ten Basis sitzt er wieder mittels einer konkaven Fläche einem me- dianen Vorsprung des oberen Thyreoidrandes auf. Die Seitentheile dieser die Verbindung mit dem Schildknorpel vermittelnden Fläche ziehen sich aber jederseits in einen starken knorpligen Fortsatz aus, der nach unten und hinten gerichtet herabsteigt. Dieser Fortsatz bildet mit der Längsachse des Epiglottisknorpels, die gegen das Thyreoid stark geneigt ist, etwa einen rechten Winkel. Er erreicht das vordere Ende des Taschenbandes, biegt dann scharf nach hinten und zieht im Taschenband, also den Eingang zum Ventrieulus Mor- gagni nach oben zu stützend, direkt auf den vorderen Fortsatz der Cartilago Wrisbergii zu. Die Spitzen beider Theile treffen sich aber nicht, zwischen ihnen bleibt ein ganz geringfügiger Zwischenraum, bei dem untersuchten Exemplar von 3 mm, während zum Vergleich die Länge des Taschenbandes 23 mm betrug. Beide Spitzen ver- bindet derbes Bindegewebe. Wenn wir die bei der Untersuchung des Hundes gewonnenen Resultate hier berücksichtigen, so kann es keinem Zweifel unter- liegen, dass der Bär im Verhalten des Epiglottis- und des Wris- BERG’Schen Knorpels primitivere Verhältnisse aufweist als die Caniden: Ursprünglich kam auch den Ursiden ein »primitiver Epi- glottisknorpel« zu, wie wir ihn den Vorfahren der Cani- Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 97 den zuschreiben mussten. Der Verband desselben hat sich aber bei Ursus dauernd erhalten, wenn auch seine drei Theile nieht mehr ein einheitliches Skeletstück darstellen. Wenn wir beim Bär die Erhebung der Epiglottisknorpelbasis über die vordere Ansatzstelle der Stimmbänder geringer finden wie beim Hund — sie verhielt sich zur Länge der Stimmbänder im untersuchten Fall wie 2:5, anstatt wie bei Canis wie 1:1 — so liegt auch hierin ein ursprünglicherer Zustand vor, denn auch beim Hund stellt die definitive Höhenlage der Epiglottisknorpelbasis erst eine Erwerbung der postembryonalen Entwicklung vor. Wir können die Carnivoren nicht verlassen, ohne auf die Ver- schiedenheiten einzugehen, die den Kehlkopf der Caniden und Ur- siden von dem der übrigen Familien dieser Ordnung trennt. Am meisten abweichend von den bisher besprochenen Zuständen ist der Kehlkopfeingang der Feliden, speciell der von Felis domestica L. An der Umrandung des Kehlkopfeinganges der Katze betheiligen sich wieder die oberen Abschnitte der Arytänoide. Von jedem der- selben zieht nun den Introitus laryngis lateral begrenzend eine Falte nach vorn und befestigt sich hier am oberen Theil der Innenfläche des Thyreoides, d.h. sie erreicht mit ihrem oberen freien Rand nicht die Höhe der Basis des Epiglottisknorpels, bleibt mit ihm unter dem Niveau derselben. Von OwEn! werden diese Plicae ary-thyreoideae als »upper vocal cords« bezeichnet. Sie verdienen diesen Namen in keiner Weise, da sie eben nicht den Eingang zu MorGaenrschen Taschen, sondern den Kehlkopfeingang selbst begrenzen. Von Interesse war nun hier ein Befund bei Felis tigris L. Im Großen und Ganzen bestehen beim Tiger dieselben Verhältnisse des Kehlkopfeingangs, wie bei der Hauskatze. Der freie Rand der den Aditus laryngis seitlich begrenzenden Falten erhebt sich nun aber in der Nähe seines vorderen Endes und erreicht hier noch die Basis des Epiglottisknorpels. Es liegen also hier unverkennbar ary- epiglottische Falten, wenn auch in etwas reducirtem Verhalten vor. Damit ist erwiesen, dass auch die Katze Plicae ary - epiglottieae besessen haben muss, die nur durch Rückbildung ihres obern Theils zu Plicae ary-thyreoideae sich gestaltet haben. In mächtiger Entfaltung findet man bei der Katze die Epiglottis. ! R. Owen, On the anatomy of Vertebrates. Vol. III. Mammals. London 1868. pag. 596 und Fig. 470. Morpholog. Jahrbuch. 21. 7 98 E. Göppert Hier sind auch die seitlichen skeletlosen Theile stark entwickelt. Sie ziehen als zwei gegen ihr Ende zu allmählich an Höhe abneh- mende Falten am Kehlkopfeingang vorbei und verdecken dabei bei seitlicher Ansicht die oben beschriebenen Plicae ary-thyreoideae voll- ständig. Sie schließen gegen den Aditus laryngis die Fauces ab, die lateralwärts durch den hinteren Rand des Schildknorpels ihre Stütze finden. Nach oben zu kann auch bei der erwachsenen Katze der Abschluss des Speisenwegs jederseits zu einem Kanal durch den Arcus palato-pharyngeus eintreten: Bekanntlich wird letzterer ähnlich wie beim Hund auch hier nur in seinen vorderen Theilen im An- schluss an den freien Rand des Velums durch eine Falte gebildet. Nach hinten zu verstreicht dieselbe und der Verlauf des Arcus, dem der des Musculus palato-pharyngeus entspricht, kennzeichnet sich nur durch den ziemlich plötzlichen Übergang der Schleimhaut des Cavum pharyngo-nasale in die verschieden sich verhaltende Aus- kleidung des Speisewegs!. Die Verlaufsrichtung und Lage dieses Arcus palato-pharyngeus stimmt nun so genau mit der der seitlichen Epiglottisfalte überein, dass eine Aktion des Musculus palato-pha- ryngeus beide Theile an einander pressen muss. In diesem Fall be- steht dann aber jederseits ein abgeschlossener, den Kehlkopfeingang lateral umziehender Speiseweg. Selbstverständlich wird letzterer nur für flüssige Ingesta verwendet. Feste Nahrung nimmt unzweifelhaft ihren Weg direkt über den Kehlkopfeingang und bringt damit die Epiglottis zur Funktion eines wahren Kehldeckels. Ganz ähnliche Verhältnisse wie der Kehlkopf der Hauskatze bietet übrigens, wie ich hier erwähnen will, der von Hyaena striata Zimm. Auch bei ihm geht die den Eingang begrenzende Schleim- hautfalte nicht gegen die Basis des Epiglottisknorpels, sondern zu den oberen Theilen des Thyreoids. Auch hier liegt eine Rück- bildung der primitiven ary-epiglottischen Falten vor. Betrachten wir jetzt den Kehlkopfeingang von Vertretern der Musteliden und zwar zunächst den von Lutra vulgaris Erxl., so finden wir ihn im Wesentlichen in Übereinstimmung mit dem der Feliden. Es liegen hier aber ganz typische Plicae ary-epiglotticae vor, die keinerlei Rückbildungserscheinungen aufweisen: der Epi- glottisknorpel ist ganz ähnlich wie bei Canis und Ursus einem medianen Höcker des Thyreoids angefügt. Seine im Vergleich mit den oberen Theilen schmale Basis besitzt jederseits einen rundlichen 1 Vgl. J. RÜ0OKeERT, |. c: Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 99 Fortsatz, der eine kleine Strecke neben dem das ganze Gebilde tragenden Schildknorpelvorsprung herabsteigt. In der Höhe dieses Fortsatzes erreichen die ary-epiglottischen Falten ihr vorderes Ende. Zwischen den Plicae ary-epiglotticae und den Plicae epiglotticae laterales, in welche die oberen Theile des Epiglottisknorpels sich weit hineinerstrecken, findet sich jederseits ein rinnenartiger Raum, der naturgemäß zu Stande kommen musste, wenn sich die Seiten- theile der Epiglottis dem Aditus laryngis näher anlegten. Dieser Raum kann aber auch verstreichen. Annähernd ist es bereits der Fall bei Meles taxus Pall., vollkommen bei Mustela martes L. Hier biegt die Schleimhaut, welche die Nachbarschaft des Kehlkopf- einganges bekleidet, von den Plicae epiglotticae laterales kommend, längs einer von dem Arytänoid zur Basis des Epiglottisknorpels laufenden Linie gegen das Innere des Vestibulum laryngis ein. Wirk- liche Falten als Begrenzung des eigentlichen Aditus laryngis sind nicht mehr unterscheidbar. Bei Meles und Mustela finden sich nun bekanntlich Knorpel, die als Wrısßer6’sche Knorpel angesprochen werden!. Es sind kleine Vorsprünge, die vom Arytänoid ausgehend nach vorn ragen und damit in die hintersten Theile der Plicae ary-epiglotticae zu liegen kommen. In Folge dieser Lage dienen sie auch den Taschen- bändern als Stütze. Die Lage stimmt überein mit der der Wris- BERG’schen Knorpel beim Hund. Nichtsdestoweniger werden wir mit der Homologisirung beider Gebilde vorsichtig sein müssen. Es liegt nahe in ihnen einfache Auswüchse der Arytänoide zu sehen. Volle Sicherheit konnte uns hier auch die Entwicklungsgeschichte nicht bringen. Die Untersuchung eines Embryo von Mustela ergab, dass das Arytänoid und der fragliche Fortsatz eine einheitliche An- lage besitzen. Die Zellen des letzteren, noch auf dem Zustand des Vorknorpels, unterschieden sich von den Elementen, welche sie von dem bereits hyalinknorpligen Gewebe der Hauptmasse der Arytänoide trennten. Sie lagen bedeutend enger zusammengedrängt als die der intermediären Zone. Dadurch erschien die Anlage des Fort- satzes durch ihre dunklere Färbung von der Umgebung ausgezeichnet. Auch durch etwas. geringere Größe unterschieden sich die Kerne des Fortsatzes von den benachbarten Kernen des Arytänoids. Trotzdem wage ich nicht mich mit Sicherheit für die Homologie der soge- ' Vel. J. F. BrRAnDT, Observationes anatomicae de Mammalium quorundam praesertim quadrumanorum vocis instrumento. Diss. inaug. Berolini 1816. -—. i 100 E. Göppert nannten WRriSBERG’schen Knorpel der Musteliden mit der Cartilago Wrisbergii von Canis und Ursus zu entscheiden. Nur so viel steht fest, dass die Ontogenese nicht gegen eine solche spricht. Vergleichen wir jetzt das Verhalten des Kehlkopfeingangs der besprochenen Carnivorenordnungen mit einander, so kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Musteliden die primitivsten Verhältnisse aufweisen. Von allen stimmt ihr Kehlkopfeingang am meisten mit dem von Echidna überein. Der einzige Unterschied zwischen ihnen beruht auf der Änderung der Stellung der seitlichen Theile der Epiglottis bei den Musteliden. Dem gegenüber zeigen die Feliden Rückbildungserscheinungen an den ary-epiglottischen Falten. Ganz unzweifelhaft stehen dieselben in Zusammenhang mit der starken Entwicklung der Plicae epiglotticae laterales, die den Schutz des Kehlkopfeinganges den Plicae ary-epiglotticae zum größten Theil ab- nahmen. Gerade das umgekehrte Verhältnis weisen Canis und Ursus auf. Das Verhalten ihres Kehlkopfeinganges leitet sich von dem der Musteliden ab durch die mächtige Entfaltung der ary-epiglottischen Falten und die dadurch jedenfalls bedingte Rückbildung der Plieae epiglotticae laterales. Durch die Erhebung der ersteren wurde der mediane Theil der Epiglottis, der bei den Musteliden den Kehlkopf- eingang überragt, mit in die Begrenzung des Vestibulum laryngis einbezogen. Seine Breitenentfaltung veranlasste den erheblichen Ab- stand zwischen den Vorderenden der ary-epiglottischen Falten. Im Großen und Ganzen haben wir also auch hier wieder Bei- spiele für das kompensatorische Verhalten vor uns, in welchem die Plieae ary-epiglotticae und die Plieae epiglotticae laterales zu ein- ander stehen. Starke Entwicklung der einen ist begleitet von Rück- bildungserscheinungen an den andern und umgekehrt. Die Form des Epiglottisknorpels, die wir bei den Insectivoren antrafen und für die Stammformen von Canis und Ursus rekonstruiren konnten, besitzt eine allgemeinere Verbreitung. So treffen wir sie auch bei einem Vertreter der Edentaten, bei Myrmecophaga di- dactyla L. Untersuchen wir den Kehlkopf dieser Form, so finden wir seine Epiglottis gestützt durch eine Knorpelplatte (Fig. 8 Taf. III Z.m), deren seitliche Ränder ziemlich parallel zu einander emporstreben und an ihrem obern Ende einen kleinen höckerartigen Vorsprung be- sitzen, der freie, obere Rand der Platte besitzt eine mediane Ein- kerbung. Die Basis dieser Knorpelplatte zieht sich nun, den Kehl- kopfeingang umfassend, jederseits in einen Knorpelstreif (5.8) aus, Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 101 der an Länge die Höhe der Platte fast erreicht und an seinem Ende annähernd unter einem rechten Winkel einen hohen Fortsatz, einen Processus euneiformis (Pr.cun) entsendet, der leicht S-förmig gebogen emporstrebt und den Rand des Kehlkopfeingangs erreicht. Am Fuß dieses Fortsatzes ragt ein kleiner Höcker hervor, wie wir ihn auch an der Basis des Epiglottisknorpels der Insectivoren antrafen. Das ganze Skeletstück stimmt also in allen seinen Theilen vollkommen mit dem Epiglottisknorpel der eben genannten Ordnung überein. Nur konnte eine mediane Einker- bung seines basalen Randes nicht nachgewiesen werden, ohne dass übrigens das Bestehen einer solchen damit geleugnet werden könnte. Die Seitentheile zwischen der medianen Platte und den Processus cuneiformes unterscheiden sich von denen der Insectivoren durch re- lativ geringere Höhenausdehnung. Betrachten wir jetzt Orientirung und Verbindung des beschriebe- nen Epiglottisknorpels, so finden wir ihn mit dem basalen Rand seines medianen Theils dem obern Thyreoidrand aufgelagert (Th). Von hier ziehen die Seitenstücke ziemlich steil nach hinten und ab- wärts gegen die Arytänoide (Ar) zu, die sich durch sehr geringe Dimensionen auszeichnen. Sie erreichen dieselben nicht ganz, son- dern bleiben mit ihren in die erwähnten kleinen Vorsprünge aus- gezogenen Enden etwa 0,5 mm von ihnen entfernt. Dieser Zwischen- raum wird durch ein kurzes Band (Z:g) ausgefüllt; dasselbe verbindet den terminalen Vorsprung des lateralen Theils des Epiglottisknorpels mit einem dicht über dem Processus vocalis gelegenen Punkt des Vorderrands des Arytänoids. Wie die Abbildung (Fig. 8) zeigt, ist hier ganz besonders auf- fallend, dass der Epiglottisknorpel nur mit einem Theil der freien Epiglottisfalte angehört. Mit dem bei Weitem größten Abschnitt liegt er unterhalb der letztern. Der oberste Theil des Kehlkopfs besitzt nun wieder die Form einer Röhre, die in den Pharynx hineinragt und in ihren vordern Theilen vom Epiglottisknorpel gestützt wird. Die hintern Enden der basalen Theile des Epiglottisknorpels sammt ihrem Processus cunei- formes springen aber erheblich gegen das Kehlkopflumen ein. Sie buchten die Schleimhautauskleidung desselben stark nach innen vor. Das Gleiche gilt von dem, Epiglottisknorpel und Arytänoid verbin- denden Ligament. Der Theil der Begrenzung des Kehlkopfeingangs, der sich vom Processus euneiformis zum Arytänoid hinzieht, befestigt sich, weit nach hinten greifend, an der nach außen gekehrten Seite 102 E. Göppert des letztern. Sein oberer Rand überragt aber noch die Spitze der Arytänoide und geht in den gleichen Theil der andern Seite über. Durch die beschriebene Art der Befestigung der Wandung des Eingangsrohrs am Arytänoid, durch das starke Vorspringen des hinter- sten Theils des Epiglottisknorpels nach innen, das gleiche Verhalten des kurzen Bandes zwischen ihm und dem Arytänoid, entsteht jeder- seits ein durch die genannten Theile begrenzter flacher Raum, in welchen sich das Lumen des Vestibulum laryngis erweitert (a). Eine Deutung der geschilderten Verhältnisse des Kehlkopfeingangs zu geben, ist nicht ganz leicht. Voraussichtlich hat man den Theil der Kehlkopfwand, der sich zwischen Arytänoid und Processus eunei- formis des Epiglottisknorpels ausspannt, als eine Plica epiglottica lateralis aufzufassen, die unter starker Ausbildung sich vollständig dem Kehlkopfeingang angepasst hat. Dann stellt der, das Band zwischen Epiglottisknorpel und Arytänoid bergende Strang eine Plica ary-epiglottica in einem redueirten Zustand vor. Auffallend ist dabei nur, dass die Stelle, an welcher sich beiderlei Plieae jederseits von einander abzweigen, mit dem hintern Rand der Seitenstücke des Epiglottisknorpels zusammentrifft, während wir die letztern bei In- sectivoren und Carnivoren in die ary-epiglottischen Falten hinein- ragen sahen. Es ist jedoch nicht schwer, sich dieses Verhalten als die Folge einer sekundären Verschiebung der Abgangsstelle der Plica epiglottica lateralis nach hinten vorzustellen. Trotz dieser Abweichungen des Kehlkopfeingangs der Myrme- cophaga von demjenigen der früher besprochenen Formen wird Nie- mand an der Homologie der Seitentheile des Epiglottisknorpels von Myrmecophaga und der der Insectivoren zweifeln. Von Interesse ist nun besonders die mikroskopische Untersuchung des in Frage stehenden Skeletstückes, die an einer Querschnittserie vorgenommen wurde (Fig. 9 Taf. III). Die obern Theile der medianen Platte des Epiglottisknorpels, sowie der größte Theil des Processus cuneiformis besteht aus hyalinem Knorpel mit schwach entwickelter Intercellularsubstanz. Der Knorpel ist überall durch Perichondrium von der Umgebung abgegrenzt. Dasselbe gilt auch für die basalen Theile des medianen wie der lateralen Abschnitte des Skeletstückes. Innerhalb dieser, die äußere Form scharf markirenden Umhüllung (Per) hat nun eine Auflösung des Knorpels stattgefunden. Wir treffen keine einheitliche Knorpelmasse mehr; dieselbe ist zerfallen in eine Reihe netzartig gestalteter, von einander getrennter, ganz unregelmäßig geformten Knorpelinseln (Ar). Die größten Stücke trifft man noch Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 103 in dem medianen Theil der Basis. Ein einheitliches, dickes Stück (a) formt den Eckpfeiler der lateralen Theile des Epiglottisknorpels und bildet die massive Grundlage fiir den gleichfalls massiven Processus cuneiformis. Der ganze Raum zwischen den Knorpelinseln wird nun eingenommen von Drüsen (D); vereinzelt trifft man auch kleine An- sammlungen von Fettzellen. Die Ausführgänge der Drüsen durch- setzen die innere perichondrale Schieht in großer Anzahl längs der ganzen Basis des Epiglottisknorpels (4), die Kontinuität des Peri- chondriums ist damit hier erheblich gestört. Oft trifft man auf größere Defekte desselben. Dagegen ist die äußere perichondrale Schicht fast ganz vollständig erhalten. Nur ganz vereinzelt haben Drüsen auch diese durchbrochen und sind in das Bindegewebe außer- halb des Epiglottisknorpels vorgedrungen (a). Das ganze Verhalten erinnert sofort an die von GEGENBAUR! bei Stenops tardigradus und Otolicnus Galago beschriebenen Befunde. Bei beiden Prosimiern war aber die Auflösung des basalen Theils des Epiglottisknorpels im Zusammenhang mit der Wucherung der Drüsen noch weniger weit vorgeschritten. Myrmecophaga repräsentirt den Zustand, der einer vollständigen Auflösung der Knorpelbasis vorhergeht. Es fehlt dazu eben nur noch die Rückbildung des bisher noch erhaltenen Perichondriums. Für unsere speciellen Fragen ist ferner besonders interessant, dass hier die dem WRISBERG'schen Knorpel entsprechenden Theile des Epiglottisknorpels von den me- dianen Theilen der letztern losgelöst sind, aber doch die, beiden Theilen gemeinsame perichondrale Umhüllung den ursprünglichen Zusammenhang beider unzweideutig erweist. Trotzdem möchte ich den Zustand des Epiglottisknorpels von Myrmecophaga nicht in die Mitte stellen zwischen dem Verhalten desselben bei den Insectivoren und bei Canis. Wir haben keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Zerlegung des primitiven Epiglottisknorpels bei letzterem unter Be- theiligung von Drüsenwucherungen erfolgt ist?. 1 GEGENBAUR, |. c. pag. 40. 2 In der Litteratur fand ich die eben geschilderten Verhältnisse des Epi- glottisknorpels nur berührt in einer Arbeit von J. BLann Surron: On the nature of ligaments. Part VI. The voeal cords and the Hyo- epiglottideus muscle (Journal of Anatomy and Physiology norm. and pathol. Vol. XXIII. New Ser. Vol. III. Part II. London 1889). Surron be- schreibt kurz das Verhalten des Epiglottisknorpels von Myrmecophaga jubata. Ein Kehlkopf dieser Species stand mir nicht zur Verfügung. Nach der Surron’schen Abbildung können aber wesentliche Differenzen zwischen ihr und M. didactyla nicht bestehen. Surron nennt nun, wie seine Figur zeigt, 104 E. Göppert In dem ersten Theil unserer Arbeit haben wir speeiell für die Carnivoren den Nachweis erbracht, dass der WrisperG’sche Knorpel ursprünglich einen Theil des Epiglottisknorpels darstellt. Nunmehr soll uns noch die Untersuchung desselben in der Primatenreihe beschäftigen. Fig. VII. Epiglottisknorpel von Stenops tardigradus. 10/1. Bezeichnungen wie in Fig. II und VI. Wesentliche Übereinstimmung der Form des Knorpels mit dem der Insectivoren. Mediane Platte (Z.m) größer, Processus cuneiformes (P.cwn) niedriger, basale Incisur flacher, aber breiter (J) als bei diesen. Anordnung der Durchbrechungen der Knorpelbasis (D)! Schmales Knorpelband verbindet jederseits Epiglottisknorpel und Arytänoid (Ar). Letzteres nicht vollständig dargestellt. Wir beginnen mit den Prosimiern, und zwar mit der Gattung Stenops, die in Bezug auf das Epiglottisskelet die primitivsten Ver- hältnisse aufweist. Es ist nicht schwer, hier den Epiglottisknorpel zu isoliren. Fig. VII stellt ein solches Präparat von Stenops tardi- gradus vor. Überraschend fällt uns die Übereinstimmung den von uns als Processus cuneiformis unterschiedenen Theil Corniculum. Er hält den Theil der basalen Seitenstücke des Epiglottisknorpels, der die Wurzel des Processus cuneiformis mit dem medianen Stück des Knorpels verbindet, für homolog der Cartilago Wrisbergii. — Dass unser Processus cuneiformis nicht als Cornieulum, d. h. also als Processus Santorini des Arytänoids auf- gefasst werden kann, bedarf jetzt keiner Erörterung mehr. Ein Blick auf unsere Abbildung (Fig. 8) erweist sofort das Irrthümliche einer solchen Deutung. Das, was SuTTon endlich mit der Cartilago Wrisbergii homologisirt, kann viel- leicht noch zum Theil einem Stück der Basis des Wrisper@’schen Knorpels beim Hund entsprechen, ist aber, wie aus den obigen Ausführungen hervor- geht, keinesfalls dem ganzen Skeletstücke gleichzusetzen. Ich verweise hier übrigens auf die kurze Besprechung der Su'rron’schen Resultate am Schlusse dieser Arbeit. Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 105 desselben mit dem entsprechenden Skeletstiick der Insecti- voren auf. Deutlich tritt die Paarigkeit der Basis hervor, indem der untere Rand derselben median einen tiefen Ein- schnitt (J) besitzt. Wir unterscheiden an dem Epiglottis- knorpel zwei an Volum verhältnismäßig unbedeutende seit- liche (B.S) und einen mächtigen medianen Theil (Z.m). Jeder der kleinen seitlichen Theile besitzt einen etwas unregelmäßig ge- stalteten obern Rand. dessen laterales Ende stets durch einen kleinen Processus cuneiformis (Pr.cun) ausgezeichnet ist. Der untere Rand beider ist durch seinen geraden Verlauf bemerkenswerth: Er liegt in der obern Begrenzung des Eingangs zu den MorGAGNT'schen Taschen. Die mediane Platte (L.m), die mit einem etwas schmälern hals- artigen Stück der Basis aufsitzt, ist ein großes, jederseits mit stark gebogenem Rande lateralwärts vorspringendes Gebilde, das an seinem obern Rand eine deutliche Einkerbung besitzt und durch diese Eigen- schaft den Eindruck der Paarigkeit des gesammten Knorpels noch vermehrt. Betrachten wir jetzt die Basis des Epiglottisknorpels genauer, so fallen uns die vielfachen Durchbrechungen derselben ins Auge, Durcehbrechungen, die von Drüsentheilen eingenommen werden (D). Es handelt sich, wie GEGENBAUR beschreibt, auch hier um die Ausführ- gänge einer an der lingualen Oberfläche des Knorpels gelegenen Drüsen- masse. Zwischen den rundlichen Löchern sind oft nur noch schmale Knorpelspangen übrig. Der basale Rand erscheint sogar in der Mitte wie angenagt. Wir bekommen durch das ganze Verhalten den Ein- druck, dass die Basis des Epiglottisknorpels ein in Rückbildung be- griffenes Gebilde ist. Berücksichtigt man die Vertheilung der Durch- brechungen, die sich hauptsächlich auf den medianen Theil der Basis beschränken, während in den lateralen Theilen derselben im vorliegenden Falle sich nur je eine zur anderseitigen annähernd symmetrisch gelegene Durchbrechung fand, so erkennt man bald, dass eine Zunahme der Durchbrechungen nothwendig eine Abtren- ‘nung der lateralsten Theile der Knorpelbasis von der medianen Epi- glottisplatte zur Folge haben müsste. Wir haben nun hier im Epiglottisknorpel kein selbständiges Ge- bilde vor uns. Jederseits besteht vielmehr mittels eines kurzen und schmalen Knorpelstreifs ein kontinuirlicher Zusammenhang mit dem Arytänoid (Ar). Dieses Knorpelband verbindet das unterste Viertel des lateralen Randes der Epiglottisknorpelbasis mit dem Vorderrand des Gießbeckenknorpels etwa an der Wurzel des stark entwickelten Pro- 106 E. Göppert cessus Santorinianus (P.Sant) des letztern. Trotzdem wird man nicht daran zweifeln können, dass auch hier Arytänoid und Epiglottis- knorpel ursprünglich getrennte Gebilde waren. Die ganze Form des Skeletstücks stimmt so genau mit der des Epiglottisknorpels der In- sectivoren und auch von Myrmecophaga überein, dass wir die bei jenen beobachtete Selbständigkeit des Knorpels auch für die Pro- simier als das primitive Verhalten ansehen müssen, um so mehr, als gerade Myrmecophaga uns zeigt, wie wir uns die kontinuirliche Ver- bindung .von Arytänoid und Epiglottisknorpel entstanden denken müssen. Eine Knorpelbildung in dem bei Myrmecophaga beschrie- benen Ligament zwischen Arytänoid und Epiglottisknorpel würde dort genau dieselben Verhältnisse erzeugen, wie wir sie bei Stenops bestehen sahen; so werden wir uns eine Bandverbindung zwischen beiden Skelettheilen als den Vorläufer knorpeligen Zusammenhangs denken müssen. Wird nun einerseits der Epiglottisknorpel durch seine Verbindung mit dem Arytänoid fixirt, so erhält er andererseits seine Hauptstütze am obern Rand des Thyreoids. Von der Gegend des lateralen Randes der medianen Platte des Epiglottisknorpels und zwar etwa in der Höhe des schmälern Fußes derselben, entspringt jederseits an der lingualen Fläche ein kurzes stabförmiges Knorpelstück, das sich mit einem kleinen Höcker des obern Thyreoidrandes verbindet. Die beiden Befestigungsstellen waren in einem Fall 4 mm weit von ein- ander entfernt. Die eigentliche Basis liegt in der Nähe der Median- ebene nicht weit entfernt vom obern Theil der Innenfläche des Schildknorpels. Sehen wir uns jetzt die Verhältnisse des Kehlkopfeingangs an, so fällt uns zunächst durch ihre Mächtigkeit die Epiglottis auf. Der Anschluss der Epiglottis an den Kehlkopfeingang ist aber, wie bereits GEGENBAUR hervorhob, kein vollkommener. Ihre Seitentheile, die Plicae epiglotticae laterales, laufen jederseits, allmählich niedriger werdend, nach hinten, um in der Höhe der Arytänoide ihr Ende zu finden. In der Epiglottisfalte, noch in die Plicae epiglotticae laterales hineinreichend, lagert nur die mediane Platte des Epiglottisknorpels. Die eigentliche laterale Begrenzung des Aditus laryngis bilden typische Plicae ary-epiglotticae. In diesen liegen nun die basa- len Seitenstücke des Epiglottisknorpels. Es zeigt sich da- mit wieder auf das deutlichste, dass die Basis des Epi- Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 107 glottisknorpels nicht sowohl der Epiglottisfalte, als viel- mehr dem eigentlichen Kehlkopfeingang zugehört. Zu dem über Stenops tardigradus Berichteten kann die Unter- suchung von Stenops gracilis v. d. Hoev., kaum etwas Neues, Beachtenswerthes hinzufügen (Fig. 10 Taf. III). Bei dem untersuchten Exemplar dieser Species waren die Seitentheile der Epiglottisknorpel- basis auffallend niedrig, die Processus cuneiformes kaum entwickelt, die Verbindung mit dem Arytänoid auf ein ganz schmales Knorpel- band beschränkt!. Bei beiden Stenopsarten bestand übrigens der gesammte Epiglottis- knorpel aus hyalinem Knorpel. Elastische Fasern fehlten bei ihm gänzlich. Nur durch die spärliche Entfaltung seiner Intercellular- substanz unterschied er sich von dem Knorpelgewebe der Arytänoide. Einen direkten Anschluss an die bei Stenops bestehenden Ver- hältnisse bietet nun Otolienus erassicaudatus Geoffr. Zunächst ist das äußere Verhalten des Kehlkopfeingangs ganz ähnlich wie bei jenem. Wir unterscheiden typische Plicae ary-epiglotticae. Die Plicae epiglotticae laterales sind vorn noch durch die Seitentheile der Platte des Epiglottisknorpels gestützt. Jenseits dieser Strecke ziehen sie als zwei niedrige, aber scharf hervortretende Falten am Kehlkopfeingang vorbei, um schließlich in der Höhe der Aryknorpel zu verstreichen, ohne dieselben erreicht zu haben. Wir sagten nun oben, dass ein Fortschreiten des bei Stenops beschriebenen Rückbildungsvorgangs an der Basis des Epiglottis- knorpels zu einer Zerlegung desselben in drei Theile führen müsste. Diesen Zustand sehen wir hier verwirklicht. Wie ein Blick auf Fig. VIII zeigt ist die Durchbrechung des basalen Theils des Knorpels in außerordentlichem Maße erfolgt. Die Durchbrechungen sind viel- fach mit einander zusammengeflossen. Oft werden sie nur durch ganz dünne Knorpelspangen noch von einander getrennt. Die Folge dieses Verhaltens ist also, dass die beiden seitlichen Theile der Basis des Epiglottisknorpels von Stenops hier selbständig sind. Sie haben sich von dem medianen Theil des Knorpels, dem »sekundären Epiglottisknorpel« (Ep.Kn) getrennt und stellen nunmehr die WRISBERG schen ! BRANDT, der in seiner auf pag. 99 citirten Dissertation ziemlich genaue Darstellungen der Anatomie des Kehlkopfs unter besonderer Berücksichtigung des Wrısgerg’ schen Knorpels giebt, hat bei Stenops ihren Zusammenhang mit dem Epiglottisknorpel nicht erkannt. Auch sonst ist mir in der Litteratur keine Beschreibung der einschlägigen Verhältnisse begegnet. 108 E. Göppert Knorpel (C.Wrsbrg) vor. Jeder derselben weist aber noch durch einen in der oberen Begrenzung des Eingangs zur MorGaenrschen Tasche liegenden Knorpelstreif nach vorn und deutet damit seine ursprüngliche Verbindung an. Mehrfach durchsetzen auch Drüsen- ausfuhrgänge den Wrısßerg’schen Knorpel. Jeder der letzteren hängt mit dem oberen Theil seines hinteren freien Randes mit dem Vorder- rand des Processus Santorini (P. Sant) kontinuirlich zusammen. Der Processus Santorini zeigt übrigens in auffallender Weise eine Begrenzung gegenüber dem Haupttheil des Arytänoids, obwohl Fig. VII. Knorpel des Kehlkopfeingangs von Otolienus crassicaudatus, 4/1. Der bei Stenops einheitliche (primitive) Epiglottisknorpel ist hier in drei Stücke zerfallen: den sekundären Epiglottis- knorpel (Zp.Kn), die beiden Wrıspere’schen Knorpel (C.Wrsbrg). Man vergleiche Fig. VII, auch Fig. VI. Die basalen Theile des sekundären Epiglottisknorpels in ausgiebigster Weise durch Drüsen zerstört. Bezeichnungen wie in Fig. VI. er mit ihm kontinuirlich zusammenhängt. Die Intercellularsubstanz seines Knorpelgewebes zeichnet sich nämlich, ähnlich wie die des WRrISBERG’schen und des sekundären Epiglottisknorpels, vor der Zwischensubstanz der übrigen Theile des Kehlkopfskelets durch ihre spärliche Entwicklung aus. Damit erscheint der Processus Santorini bei Untersuchung der freigelegten Skeletstücke im durchfallenden Licht, dunkel im Vergleich zum Haupttheil des Arytänoids. Die Grenze zwischen beiden ist eine ziemlich scharfe, lineäre. Dieses Verhalten weist auf die Trennung beider hin, die im menschlichen Kehlkopf besteht. Es braucht kaum noch hervorgehoben zu werden, dass die WRISBERG’schen Knorpel zu den Plieae ary-epiglotticae gehören. Sie nehmen also genau die gleiche Lage ein, Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 109 wie die Seitentheile des »primitiven Epiglottisknorpels« von Stenops, oder wie die WRisBeRG’schen Knorpel des Hundes. Der sekundäre Epiglottisknorpel (Ep.Kn) zeigt bei Otolicnus dieselbe Form, wie das entsprechende Stück von Stenops. Einem schmäleren nach unten zu unregelmäßig zerklüfteten Theil sitzt eine breite am oberen Rand ein- gekerbte Platte auf. Auch die Befestigung des Knorpels am oberen Thyreoidrand ist genau die gleiche, wie bei Stenops. Von den seitlichen Theilen der schmäleren un- teren Partie des sekundären Epiglottisknorpels, und zwar von ihrer lingualen Fläche geht jederseits ein knorpe- liger Strang ab, der sich an einen Vorsprung des oberen Fig. IX. Sekundärer Epiglottisknorpel von Otolienus “phi erassieaudatus. 4/1. Ansicht von der lingualen Fläche. Schildknorpelrandes be- Die beiden Haftfortsätze sind hier dargestellt (Hf) sammt festigt (vel. Fig. (ye If), den Höckern des oberen Thyreoidrandes, an denen sie Befestigung finden (¢). Beide die Verbindung mit dem Epiglottisknorpel vermittelnde Vorsprünge sind durch eine seichte Einbuchtung des Thyreoidrandes von einander getrennt. Bevor wir zu den eigentlichen Primaten übergehen, müssen wir noch einen Blick auf den Kehlkopf der Gattung Lemur werfen, der ganz auffallende Verschiedenheiten von dem der vorher behandelten Prosimier aufweist. GEGENBAUR! hat bereits betont, dass im Gegensatz zu Stenops bei den Lemuren der Anschluss der seitlichen Theile der Epiglottis an den Kehlkopfeingang ein vollständiger ist, indem sie mit ihren Enden die Spitzen der Arytänoide erreichen. Sie treten von der Seite her an die lateralwärts gekehrten Flächen der GieBbeckenknorpel und ihrer Processus Santorini heran. In manchen Fällen, z. B. bei Lemur mongoz L. besitzen die Sanrorini’schen Fortsätze eine außerordentlich starke Längenentwicklung. Sie ragen als zwei hohe, an ihrem Ende leicht hakenförmig umgebogene Knorpelstücke empor. Mit ihnen sind auch die Plicae epiglotticae laterales emporgewachsen. 1 GEGENBAUR, 1. c. pag. 26. 110 E. Göppert Der Kehlkopfeingang stellt damit ein hohes, das Diaphragma palato- pharyngeum weit iiberragendes Rohr vor, dessen Eingangsöffnung leicht nach hinten zu abgeschrägt ist; ihr Rand ist annähernd parallel zu dem schräg nach hinten und unten gerichteten Verlauf des Arcus palato-pharyngeus. Das Rohr besitzt eine ziemliche Rigidität, indem die Platte des Epiglottisknorpels, wie ich gleich hier hervorheben will, in ganz exceptioneller Entwicklung fast bis an die SaAnrorrni’schen Fortsätze der Aryknorpel heranreicht. In anderen Fällen, bei Lemur varius und Catta L. fehlt die starke Héhenentwicklung der Processus Santorini und damit auch die gleichsinnige Entfaltung der seitlichen Epiglottistheile. Die Epiglottis stellt aber in ihrem knorplig gestützten Theil noch immer ein hohes Gebilde vor. Jenseits des Bereichs des Knorpels setzt sie sich jederseits als eine relativ niedrige Falte zum Arytänoid fort. Immerhin ist der Kehlkopfeingang noch als ein Rohr zu bezeichnen, an welchem jedoch der vordere und hintere Theil sehr ungleich und zwar zu Gunsten des ersteren entwickelt sind. Jedenfalls weist das eben beschriebene Verhalten der Epiglottis von Lemur varius und catta einen primitiveren Zustand auf als das von Lemur mongoz, indem es sich unmittelbar an das Verhalten von Stenops und Otolicnus anreihen lässt. Nach Betrachtung der Epiglottis wird unsere nächste Frage sich naturgemäß auf die Plicae ary-epiglotticae richten. Denken wir uns bei Stenops oder Otolicnus die Epiglottis in der Weise dem Kehl- kopfeingang angeschlossen wie bei Lemur, so werden die ary-epi- glottischen Falten noch auffindbar sein müssen. Untersuchen wir zunächst Lemur varius, von welchem mir ein weibliches Exemplar zur Verfügung stand. Hier sehen wir im Innern des von der Epiglottis größtentheils gebildeten Rohrs jeder- seits eine starke Falte vom Vorderrand der Arytänoide nach vorn ziehen. Mit ihrer Hauptmasse verläuft sie gegen das Thyreoid. In der Nähe ihres vorderen Endes erhebt sieh aber ihr oberer Rand, steigt gegen die Basis der Epiglottis empor und endet in dem Schleim- hautüberzug derselben. Wir haben damit hier bei Lemur varius ganz unverkennbare Plicae ary-epiglotticae vor uns, die in ihrem Verhalten ganz übereinstimmen mit denen, die wir bei Felis tigris trafen. Wie diese weisen sie entschiedene Riick- bildungserscheinungen auf. Die Fortsetzung der Falte zur Epiglottis fehlt bei den tibrigen Über die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 111 untersuchten Lemuren, so bei L. catta und Mongoz (Fig. 11 Taf. III), d. h. die Plieae ary-epiglotticae haben an Höhe eingebüßt, ihr oberer freier Rand erreicht nieht mehr die Epiglottis, sondern zieht zu dem die Innenfläche des Thyreoids bekleidenden Theil der Kehlkopfschleim- haut. Die Plicae ary-epiglotticae sind zu Plicae ary- thyreoideae (Pl.ar.tiyr) geworden. Wir haben damit hier also ganz ähnliche Zustände, wie sie Felis domestica bot. Ein gutes Stiick unterhalb des freien Randes der genannten Falte findet sich erst der Eingang zu der MorGaGnrschen Tasche (Ventr. Morg). Die Plicae ary-thyreoideae resp. ary-epiglotticae sind nun von den Plicae epiglotticae laterales (P/.ep.lat.) jederseits durch eine tiefe Einsenkung getrennt. Diese Einsenkung stellt weiter nichts vor, als den primären Zwischenraum zwischen beiden Faltenbildungen, der bei engem Anschluss der seitlichen Epiglottistheile an den Kehlkopf- eingang die Form eines Spalts annehmen musste. Nach Allem hat also bei Lemur der primitive zum größten Theil dureh Plicae ary-epiglotticae gebildete Kehlkopfeingang ein Ansatz- rohr von Seiten der Epiglottis erhalten. Man kann sehr wohl von einem sekundären Kehlkopfeingang der Lemuren sprechen. Auf die Ausbildung dieses Ansatzrohrs, das den Schutz des Aditus laryngis ganz übernahm, ist auch die beschriebene Rückbildung der Plicae ary-epiglotticae zu Plicae ary-thyreoideae zurückzuführen. Wir wenden uns jetzt zur Untersuchung des Epiglottisknorpels selbst und nehmen wieder Lemur varius zum Ausganspunkt. Der Epiglottisknorpel stellt eine große Platte vor, die durch eine leichte Einkerbung am oberen Rand zwei Hälften unterscheiden lässt; beide werden durch einen stark gebogenen Rand seitlich begrenzt und ragen mit demselben weit nach hinten gegen die Arytänoide vor. Von der Basis entspringen nun dicht neben einander zwei kurze knorplige Stränge, von ovalem Querschnitt, die die Verbindung des Epiglottisknorpels mit dem Thyreoid vermitteln. Sie befestigen sich jederseits am oberen Rand des Schildknorpels, getrennt von einander durch einen Vorsprung des letzteren, der mit stumpfer Spitze zwischen sie einragt. Die Orientirung des Epiglottisknorpels ist nun bemerkenswerth, die beiden Verbindungsstränge ziehen fast horizontal nach hinten. Fast die gleiche Richtung hält auch die Basis der Platte in ihren medianen Theilen ein. Dann erst biegt sie nach oben unter Bildung eines Winkels ab und zieht schräg nach oben und hinten. Durch dieses eigenthümliche Verhalten kommt es bei Lemur varius zur 112 E. Göppert Entstehung einer Nische im Innern des Kehlkopfs, die nach oben zu gedeckt wird durch die basalen Theile der Epiglottis. Seitlich wird ihre Wand jederseits gebildet durch die vorderen zur Epiglottis auf- steigenden Theile der Plicae ary-epiglotticae, welche oberhalb der Abgangsstellen der Haftfortsiitze an der Platte des Epiglottisknorpels ihr Ende erreichen. Diese Falte allein scheidet jederseits von der beschriebenen Nische den spaltförmigen Raum, welcher zwischen den Plicae ary-epiglotticae und den seitlichen Epiglottisfalten liegt. Fehlt sie, wie bei Lemur mongoz und catta, so gehen beide Räume vorn unmittelbar in einander über. Entsprechend ihrer Entstehung durch die Besonderheit in der Stellung der Epiglottis entbehrt die Nische einer Abgrenzung nach hinten wie nach unten. Sie kommunicirt unmittelbar mit dem übrigen Lumen des Kehlkopfs. In Bezug auf die Ausbildung der Nische bestehen Verschieden- heiten zwischen den einzelnen Species, die möglicherweise aber auch Geschlechtsunterschiede darstellen. Bei einem Männchen von Lemur catta (Fig. 11) zeichneten sich die beiden basalen Fortsätze des Epi- glottisknorpels durch ihre Länge aus (Hf). Sie befestigten sich jederseits, wie bei Lemur varius am oberen Rand des Thyreoids (TA), aber hier an zwei durch eine Einbuchtung von einander ge- trennten Höckern desselben, eine Befestigungsweise, die ungemein an die der Haftfortsätze des Epiglottisknorpels bei Stenops und Otolienus erinnert. Von hier liefen die beiden Knorpelstränge nach hinten und unten und fügten sich annähernd unter einem rechten Winkel dem Haupttheil des Epiglottisknorpels (Ep. Ar) an, der nun in der Richtung von vorn unten nach hinten oben emporragte. Dieses Verhalten stand in Zusammenhang mit einer starken Erhebung der Befestigungsstelle der beiden Knorpelstränge über das Niveau des oberen Randes der Plicae ary-thyreoideae. Als Folge desselben und der entsprechenden Gestaltung der Epiglottisfalte selbst stellte hier die Kehlkopfnische einen förmlichen Recessus vor. Etwas andere Verhältnisse wies Lemur mongoz auf. Die beiden Knorpelstränge waren hier ersetzt durch zwei weiche, bandartige Züge, die sich aber gleichfalls an zwei Vorsprüngen des Thyreoid- randes befestigten. Sie stellen unzweifelhaft Reste von ursprünglich auch hier vorhandenen knorpeligen Theilen vor. Übrigens ist hier- durch das Verhalten des Recessus nicht geändert. Es ist beachtenswerth, dass die Nische oder der Recessus des Kehlkopfs während des Lebens seine Gestaltung erheblich zu ver- ändern im Stande ist. Die Thätigkeit des Museulus hyo-epiglottieus, Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 113 jede Hebung der Zunge muss seine Form beeinflussen. Somit kommt ihm jedenfalls für die Stimmbildung eine große Bedeutung zu!. Wir legen uns jetzt die Frage vor, wie wir den Zustand des Epiglottisknorpels von Lemur, namentlich die beiden seine Verbin- dung mit dem Thyreoid vermittelnden Fortsätze zu beurtheilen haben. Wir sahen, dass bei Stenops und Otolicnus der Epiglottisknorpel mit seiner Basis in der Nähe der Innenfläche des Thyreoids dicht am oberen Rande des letzteren lagert, seine Befestigung am Schild- knorpel aber dadurch erhält, dass von ihm zwei kurze knorpelige Stränge ausgehen, die sich am oberen Thyreoidrand an zwei nie- drige Vorsprünge desselben ansetzen. Die beiden Verbindungsstücke entsprangen an der lingualen Fläche des Epiglottisknorpels, zwischen der medianen plattenartigen Verbreiterung desselben und der die bei- den seitlichen Theile entsendenden Basis und zwar hier unmittelbar am lateralen Rand. Wir treffen nun bei Lemur gleichfalls zwei Haftfortsätze, wir sehen sie auch unmittelbar unter der Platte des Epiglottisknorpels ihren Ursprung nehmen, auch sie befestigen sich am oberen Thyreoidrand, bei Lemur catta sogar an zwei Vorsprüngen desselben. Es liegt daher nahe beiderlei Bildungen für homolog zu erklären, um so mehr als der Befund bei Otolienus den Übergang von Stenops zu Lemur zu vermitteln scheint. Denken wir uns den Rückbildungsprocess, der an der Basis des Epiglottisknorpels von Otolicnus besteht, noch etwas weiter fortgeschritten, so bliebe von dem Epiglottisknorpel nur die eigentliche Platte übrig, von deren unterem Rand zwei Fortsätze ausgingen (vgl. Fig.IX), d.h. wir hätten ein Verhalten des Epiglottisknorpels, das mit dem bei Lemur be- schriebenen im Wesentlichen übereinstimmte. Danach halte ich es für äußerst wahrscheinlich, dass die Haftfortsätze von Stenops, Otolic- nus einerseits, Lemur andererseits homologe Bildungen darstellen. Damit kommen wir gleichzeitig zu der Überzeugung, dass der Epiglottisknorpel von Lemur nur noch einen Theil seiner ursprüng- lichen Ausdehnung besitzt, indem er seine eigentliche Basis einge- ! Owen (l. e. pag. 597—598) erwähnt den Recessus von Lemur mongoz in folgendem Satz: The vocal eords are well defined, the upper ones are broad, above their epiglottidean attachments there is a widish sae, Gleichzeitig geht aus diesem Citat hervor, dass Owen nicht zwischen den sogenannten falschen Stimmbändern, als die obere Begrenzung des Eingangs zu den MorGaani'schen Taschen, und den Plicae ary-epiglotticae resp. den aus diesen hervorgehenden Plicae ary-thyreoideae als Begrenzung des primi- tiven Kehlkopfeingangs unterscheidet. Morpholog. Jahrbuch. 21. 8 114 E. Göppert büßt hat. In umgekehrter Ordnung leitet die Reihe der beschrie- benen Befunde nicht. Niemand wird das Verhalten des Epiglottis- knorpels von Stenops über Otolienus von Lemur ableiten wollen, da sich eben die bei Lemur fehlenden Theile des Epiglottisknorpels bei den beiden anderen bereits als der Rückbildung verfallene Theile deutlich genug kennzeichnen. Möglicherweise giebt ein Befund bei Lemur catta einen Hinweis auf die geschwundene Basis des Epiglottisknornels. Jederseits findet sich hier im Innern der Plica ary-thyreoidea (Fig. 11 bei *), in der Nähe ihres vorderen Endes ein knotenartiges Gebilde, das sich deut- lich bei Betrachtung der Innenfläche der Plica bemerkbar macht. Untersucht man es mikroskopisch, so findet man eine Anhäufung von Fettzellen, die durch eine dichte Bindegewebslage gegen ihre Umgebung abgegrenzt ist. Da wir nun bereits wiederholt an Stelle von Theilen des Epiglottisknorpels Fettzellen gefunden haben (Myr- mecophaga, Hund), so liegt der Gedanke nahe, diese so scharf um- schriebene Ansammlung solcher, eben auch durch ein ursprünglich an ihrer Stelle liegendes Knorpelstück sich verständlich zu machen, das der Rückbildung verfiel und nur ein Theil des Epiglottisknorpels gewesen sein kann. Durch die obigen Erörterungen ist, wie ich glaube, die Ablei- tung der Verhältnisse des Kehlkopfeingangs bei Lemur von den bei Stenops und Otolicnus beschriebenen gegeben und es gleichzeitig sehr wahrscheinlich gemacht, dass auch bei Lemur am Epiglot- tisknorpel ursprünglich ähnliche Verhältnisse vorhanden waren, wie bei Stenops. Die Besonderheit von Lemur stellt sich dar als begründet durch starke Ausbildung der Plicae epiglotticae laterales und ihren entschiedenen Anschluss an den Kehlkopfeingang. Damit verloren die Plicae ary- epiglotticae an Bedeutung und folglich auch an Ausbildung; sie bildeten sich zu Plicae ary-thyreoideae zurück. Hierin ist nun jedenfalls auch der Grund zu suchen für die Rück- bildung der Basis des Epiglottisknorpels, die diesem Skelet- stück nach unserm Dafürhalten seine charakteristische Form verliehen hat. Gehen wir jetzt zu den Primaten selbst über, so finden wir zunächst bei Hapale ganz ähnliche Verhältnisse wie bei Stenops. Wie bei letzterem sind die Plicae epiglotticae gut entwickelt. Sie ziehen am Kehlkopfeingang vorbei, ohne die Spitzen der Arytänoide zu erreichen (Fig. 12 Taf. III Pl.ep.lat). Eben so deutlich unter- Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 115 scheidet man die Plicae ary-epiglotticae (Pl.ar.ep). Auf ihrem Ver- halten beruht nun eine Differenz zwischen beiden Formen. Die wor- deren Insertionen der bezeichneten Falten liegen nämlich bei Hapale weiter zurück, der Zwischenraum zwischen ihnen ist erheblich größer als bei Stenops. In Folge dieser Verschiebung treffen jetzt die vor- deren Theile der Plicae ary-epiglotticae fast unter einem rechten Winkel auf den hinteren Theil, beider Grenze markirt ein Höcker, den wir als dem WrısBer@’schen Knorpel angehörig kennen lernen werden (Wrsörg). Ein zweiter Unterschied zwischen beiden Formen beruht darauf, dass die Entfernung zwischen den Taschenbändern (Lig.voc.sp) und den freien Rändern der Plieae ary-epiglotticae von innen betrachtet bei Hapale bedeutend größer ist als bei Stenops. D. h. das Vestibulum laryngis besitzt bei ersterem eine erheblichere Höhenausdehnung als bei dem Prosimier. Untersuchen wir jetzt den Epiglottisknorpel, so unterscheiden wir an ihm, wie Fig. X zeigt, genau dieselben Theile, wie bei Fig. X. - a = ._ -_— MEER fi a Lese A nn ne Fo Skelet des Kehlkopfeinganges von Hapale Oedipus. 7/1. Verband des primitiven Epi- glottisknorpels erhalten. Die basalen Seitentheile desselben (B.S) inniger mit dem Arytänoid (Ar) (nicht vollständig gezeichnet) verbunden wie bei Stenops. Ein zweiter Unterschied gegenüber dem letzteren beruht in der Vergrößerung der basalen Incisur durch ihre Vereinigung mit Durchbrechungen des Knorpels, die durch Drüsen hervorgerufen sind (J + D). Bezeichnungen sonst wie in Fig. II und VI. Stenops. Eine große am oberen Rande eingeschnittene Knorpel- platte (Z.m) stützt die Epiglottisfalte, basal verbreitert sich der Knor- pel zu zwei vergleichsweise mächtigen Seitenstücken (B.S), die mit dem Vorderrand der Arytänoide (Ar) kontinuirlich in breiter Linie zu- sammenhängen. Diese basalen Seitenstücke des Epiglottisknorpels gehören den Plicae ary-epiglotticae an. Der den Arytänoiden be- S* 116 E. Göppert nachbarte Theil derselben bildet in seiner ganzen Höhenausdehnung einep erheblichen Vorsprung gegen das Lumen des Vestibulum laryn- gis (Fig. 12 Wrsbrg). Dieser Theil ist es, der sich in der Litteratur, z. B. bei Branpt, als Wrispere’scher Knorpel bezeichnet findet. Eine selbständige Cartilago Wrisbergii, wie wir sie bereits bei Oto- lienus antrafen, besteht hier also nicht. Die Einheit des primi- tiven Epiglottisknorpels ist noch gewahrt. Der Zusammen- hang seiner beiden Seitentheile mit dem mittleren Abschnitt ist aber nicht mehr im ursprünglichen Umfang erhalten. Der basale. Rand des Knorpels ist nämlich nur in seinen lateralen Theilen scharf und glatt begrenzt und zwar auf einer in den Taschenbändern liegen- den Strecke. Weiter medial ragt ein äußerst unregelmäßig gestal- teter Einschnitt in das Innere des Knorpels hinein, dessen Ränder in verschiedenartigster Weise ausgebuchtet sind (J+D). Die Folge dieses Verhaltens ist, dass jederseits ein verhältnismäßig schmaler Knorpelstreif die Verbindung der lateralen Theile des Epiglottis- knorpels mit dem medialen vermittelt. Zum Theil wird die mediane Einbuchtung dem medianen primitiven Einschnitt entsprechen, den wir bei Stenops an der Basis des Epiglottisknorpels nachwiesen: zum größten Theil ist sie aber durch Zerstörung von Knorpelsubstanz hervorgegangen. Überall sieht man den Knorpel durchsetzt von rundlichen Löchern (D), die das Produkt von Drüsenwucherungen darstellen, wie wir ihnen auf Schritt und Tritt begegneten. Ein Konfluiren dieser Durchbrechungen mit dem primitiven Einschnitt des Knorpels hat jedenfalls das beschriebene Verhalten der Basis hervorgebracht. Die erwähnten Durchbohrungen sind übrigens auf den Bereich des Epiglottisknorpels beschränkt und lassen letztere deutlich ab- grenzen von der Substanz des mit ihnen verschmolzenen Theils der Arytänoide. Wenn wir nun bei Stenops die Verbindung des Epiglottisknorpels mit dem Thyreoid durch zwei besondere Knorpelfortsätze des ersteren vermittelt fanden, so fehlen derartige Vorkehrungen bei Hapale gänzlich. Nirgends bestehen direkte Verbindungen zwischen Thyreoid und Epiglottisknorpel. Überall bleiben die basalen Theile des letz- teren vom oberen Theil der inneren Schildknorpelfläche um einen nicht unbeträchtlichen Abstand entfernt. Zwischen beiden lagert eine mächtige Drüsenmasse, der auch Fettzellen zugetheilt sind (Fig. 12 bei D). Man kann geradezu sagen, dass diese Masse die Verbindung von Epiglottisknorpel und Thyreoid vermittelt. Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 117 Hervorzuheben ist schließlich noch, dass geweblich der ge- sammte Epiglottisknorpel aus Hyalinknorpel ohne elastische Fasern besteht. Wenn wir an Stenops Hapale anschließen konnten, so reiht sich an letzteren unmittelbar Cebus an (vgl. Fig. 13 Taf. IV). Dies kommt schon bei der näheren Besichtigung des Verhaltens des Kehlkopf- eingangs zu Tage. Auch bei Cebus besteht die Kniekung im Ver- lauf der Plicae ary-epiglotticae, die wir bei Hapale fanden. Auch hier fehlt ein inniger Anschluss der Plicae epiglotticae laterales an den Kehlkopfeingang; beide ziehen annähernd parallel zu den hin- tersten Abschnitten der Plicae ary-epiglotticae als zwei ganz niedrige Falten nach hinten, um in der Höhe der Aryknorpel auszulaufen. Das Vestibulum laryngis ist ganz ähnlich wie bei Hapale vor dem gleichen Raume bei Stenops und Otolicnus durch seine Höhe ausge- zeichnet. An genau derselben Stelle, die bei Hapale, Stenops und Oto- licnus der Wrısger@’sche Knorpel, resp. der ihm entsprechende Theil des Epiglottisknorpels einnimmt, springt auch bei Cebus ein Knorpelstück (Wrsbrg) stark vor, das gemäß seiner Lage also auch als Cartilago Wrisbergii bezeichnet wird. Es markirt sich sowohl am freien Rand der Plica ary-epiglottica als auch an der Innenfläche des Vestibulum laryngis. Hier bildet es einen länglichen vor den Taschenbändern aufragenden Wulst. Wenn wir nunmehr den Epiglottisknorpel untersuchen, so fin- den wir zunächst eine der Epiglottisfalte zugehörige breite Platte, die über den vorderen Ansatzstellen der Plicae ary-epiglotticae (Pl.ar.ep) mit ihren seitlichen Theilen in die Plicae epiglotticae late- rales (Pl.ep.lat) hineinragt. Unterhalb dieser Verbreiterung geht nun jederseits ein Knorpelband aus, das dicht unter der Schleimhaut der Plica ary-epiglottica zum WRrısßBerG’schen Knorpel zieht und in die obersten Theile desselben kontinuirlich übergeht. Dicht unterhalb dieses Stranges verbreitert sich die Basis des Epiglottisknorpels noch jederseits zu einem kurzen hornförmigen Vorsprung, der gleich dem eben erwähnten Strang nach hinten zieht und die Nähe des Wris- BERG’schen Knorpels erreicht, ohne jedoch sich mit ihm zu verbinden. Ich lasse es dahin gestellt, ob man in letzterem Fortsatz eine se- kundäre Bildung oder einen weiteren Rest einer ursprünglich aus- gedehnteren Basis des Epiglottisknorpels zu sehen hat. Auf jeden Fall ist hier die primitive Verbindung zwischen Pars late- ralis und Pars epiglottica des primitiven Epiglottisknorpels 118 E. Göppert in ganz ähnlicher Weise wie bei Hapale zwar beschränkt aber noch erhalten. Die Cartilago Wrisbergii ist als Theil des alten Epiglottisskelets noch erkennbar. Auch hier steht sie übrigens in Zusammenhang mit dem Arytänoid. Im Gegensatz zu dem Verhalten bei Hapale weist aber die Basis des medianen Theils des Epiglottisknorpels keinerlei Rück- bildungserscheinungen auf. Sie ist, wie z. Th. GEGENBAUR, z. Th. Branpr schildert, mit leicht ausgeschnittenem Rand der Innenfläche eines rundlichen Knorpelstückchens durch Bindegewebe angefügt, das in eine Einbuchtung des oberen Thyreoidrandes beweglich einge- lassen ist (a). Es ist unzweifelhaft, dass dieses Stück eine Abglie- derung des Schildknorpelrandes vorstellt. Ganz auffallend ist übrigens gerade bei Cebus, dass nur ein be- schränkter Theil des Epiglottisknorpels in der Epiglottisfalte selbst liegt. Wie Medianschnitte lehren, liegt die untere Hälfte des Skelet- stückes außerhalb derselben (Fig. 13). Noch größere Ähnlichkeit mit Hapale als Cebus weist die Gattung Ateles auf, von der Ateles Geoffroyi untersucht wurde. Ich sehe dabei ab von der Kehlsack- bildung dieser Art, die, wie mir scheint, ähnlich zu beurtheilen ist, wie der unpaare Kehlsack der Catarrhinen, auf den ich weiter unten einzugehen Gelegenheit nehmen werde. Von dem obersten Theil des Wrispere’schen Knorpels führt ein starker Knorpelstrang im Innern des vorderen Theils der ary-epiglottischen Falte gegen den Knorpel der Epiglottis und geht von der Seite her kontinuirlich in dessen Basis über. Hierin liegen also ganz gleiche Verhältnisse vor, wie wir sie bei Hapale schilderten'. Während sich nach dem eben Mitgetheilten bei den Platyrrhinen (Cebus und Ateles) der Verband des primären Epiglottisknorpels noch erhalten findet, ist dies bei den Catarrhinen nicht mehr der Fall. Überall, so weit mir bekannt, ist der WrısBEr@’sche Knorpel vom Epiglottisknorpel völlig getrennt ?. Innerhalb der Catarrhinengruppe trifft man nun zwei scharf von einander zu trennende Kehlkopftypen. Der Unterschied zwischen beiden beruht auf der Entwicklung eines medianen, von den Mor- GAGNI’schen Taschen unabhängigen Kehlsacks bei den Cynocepha- liden, den Cereo- und Semnopitheeiden, dem gänzlichen Fehlen eines ! Genaue Schilderungen der Cartilago Wrisbergii von Cebus und Ateles giebt BRANDT, 1. c., ohne naturgemäß seinen Befund in unserem Sinne zu deuten. 2 Vgl. auch BRANDT, |. c. Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 119 solchen bei den Anthropomorphen. Dieser Unterschied erscheint von groBer Bedeutung und verbietet die direkte Ableitung der Verhiilt- nisse des Kehlkopfs der Anthropomorphen und des Menschen von demjenigen der erstgenannten Familien der Catarrhinen. Nur Ver- treter der letztern kamen zur Untersuchung. Zunächst ist zu betonen, dass das Skeletstück, welches bei ihnen als WrisBerG’scher Knorpel bezeichnet wird, unzweifelhaft dem gleichbenannten Theil der anderen Primaten und der Prosimier homo- log ist. Wie dieser gehört es zu den Plicae ary-epiglotticae und liegt unmittelbar vor dem Arytänoid. Es erhebt sich als eine deut- lich gegen das Kehlkopflumen und am freien Rand der ary- epiglotti- schen Falte vorspringende Säule aus der Gegend des Taschenbandes (Fig. 14 Taf. IV Wrsbrg). Eine Verbindung zwischen ihm und dem Arytänoid fand sich bei einem jugendlichen Cynocephalus Canubis; sie fehlte bei Cerco- pithecus entellus und Inuus cynomolgus. Bei letzterem entsandte die Basis des Knorpels einen kurzen Fortsatz in die obere Begren- zung der MorGAGnTschen Tasche ein Stück weit nach vorn, der auf die alten Beziehungen des WrisBeRG’schen Knorpels zum (sekundären) Epiglottisknorpel hinwies. Die gleiche Bedeutung besitzt ein kleines Knorpelstiick, das sich bei dem eben erwähnten Exemplar von Cyno- cephalus Canubis im vorderen Theil des Taschenbandes vorfand. Wir haben also bei den Catarrhinen, ähnlich wie bereits bei Otolicnus, das Ende der Entwicklungsreihe vor uns, die einen mächtigen Skelettheil, den primitiven Epiglottis- knorpel zerlegte, gemäß seinen Funktionen als Stütze des eigentlichen Kehlkopfeingangs und als Stütze der Epiglot- tisfalte. Gegenüber dem Verhalten des Kehlkopfeingangs der Platyrrhinen, speciell von Cebus, ergeben sich bei den Catarrhinen, wie ich kurz erwähnen möchte, Differenzen im Verlauf der Plicae ary-epiglotticae. Die bei Cebus beschriebene Knickung derselben fehlt hier. Die Falten nehmen einen mehr geraden Verlauf und erinnern damit an ihr Verhalten bei Stenops und Otolicnus. Von dem Kehlkopf des letztern unterscheidet sich aber der der Catarrhinen durch die erheb- lichere Höhe des Vestibulum laryngis. Schließlich möchte ich darauf hinweisen, dass sich überall die Plicae epiglotticae laterales finden. Sie schließen sich nirgends dem Kehlkopfeingang in der Weise an, wie wir es bei den Lemuren fanden. Am erheblichsten zeigten sie 120 E. Göppert sich entfaltet bei Semnopitheeus entellus, am unbedeutendsten waren sie bei Cereopitheeus entellus (Fig. 14 Pl.ep.lat). Ganz hervorragende Bedeutung hat nun die Epiglottis sammt ihrem Stiitzgebilde für den unpaaren Kehlsack der Catarrhinen, eine Bildung, die nur den Anthropomorphen abgeht, wie bereits oben er- wähnt wurde. Wenn wir speciell Cynocephalus unserer Schilderung zu Grunde legen, so gilt dieselbe doch allgemeiner auch für die Cercopitheeidae und Semnopithecidae. Dies zeigt ein Vergleich der folgenden Darstellung mit der ein Präparat von Cercopithecus entellus wiedergebenden Fig. 14 auf Taf. IV. Wir unterscheiden an der vordern medianen Erweiterung des Kehlkopflumens, welche den Kehlsack bildet, zwei Abschnitte, einen Vorraum (A.S.Vor) und den eigentlichen Kehlsack (AUS). Der letztere beginnt, wo die Bildung den obern Thyreoidrand überschreitet, um sich in die vom Hyoid (7) gebildete Wölbung hineinzulegen. Dieser Theil ist allein einer erheblicheren Erweiterung fähig. Ich möchte gleich hier darauf hinweisen, dass die Biegung des Zungenbeinkörpers, der zur Aufnahme des Kehlsacks dient, bereits bei Formen vorgebildet ist, die eines Kehlsacks entbehren. Wir treffen sie z. B., wie Fig. 13 Taf. IV zeigt, bei Cebus deutlich aus- geprägt. Auf ein analoges Verhalten bei menschlichen Embryonen hat GEGENBAUR hingewiesen. „Der Vorraum des Kehlsacks mündet nun oberhalb der MORGAGNI- schen Taschen (Vextr.Morg). Nach unten und seitlich fehlt ihm jede besondere Abgrenzung. Er geht hier in den zwischen und über den Taschenbändern gelegenen Theil des Kehlkopflumens über. Nach oben wird jedoch sein Eingang abgegrenzt durch eine quere Faltenbildung, der die Basis des Epiglottisknorpels (Ep.Kr) zu Grunde liegt. Der Abstand der letzteren vom Thyreoid (7%) ist ziemlich bedeutend. Zwischen beide schiebt sich ja der Kehlsackvorraum ein. Beachtens- werth ist ferner die steile Stellung der Epiglottis (Ep). Die Untersuchung einer Sagittalschnittserie durch den Kehlkopf des jugendlichen Cynocephalus Canubis ergab nun für den Epiglottis- knorpel interessante Befunde: Die Basis des Knorpels zeigte im Gegensatz zu seinen obern Theilen erhebliche Rückbildungserschei- nungen. Es fanden sich innerhalb der Perichondriumüberkleidung massenhaft Schleimdrüsen, zwischen denen Netze von Knorpel oder vereinzelte Stücke desselben sich erhalten hatten. Dort, wo der Knorpel die obere Begrenzung des Eingangs zum Kehlsackvorraum erreichte, Über die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. ' 121 zeigte er nun eine ausgesprochene Knickung. Der Knorpel bog an- nähernd unter einem rechten Winkel nach hinten um und setzte sich jederseits in einen unregelmäßig von Drüsen angenagten Knorpel- streif fort, der direkt gegen die obersten Theile der Innenfläche des Schildknorpels zustrebte, ohne dieselbe zu erreichen. Dieser Befund zeigt deutlich, dass der Epiglottisknorpel eine Stellungsänderung er- fahren haben muss, dass er an der Stelle, die nunmehr der obern Begrenzung des Eingangs zum Vorraum des Kehlsacks entspricht, eine Biegung erlitten hat. Denken wir uns jetzt einen Kehlkopf mit einer primitiven Stel- lung der Epiglottis, wie sie etwa Cebus repräsentirt, und denken wir uns die beschriebene Biegung des Epiglottisknorpels eingetreten, so sehen wir sofort, dass dadurch ein Recessus des Kehlkopf- lumens entstehen müsste, der genau dem Vorraum des Kehlsacks entspricht und sich nur dadurch von ihm unterscheidet, dass er nach vorn zu keine Erweiterung über den oberen Thyreoidrand hinaus besitzt. Wir erinnern uns jetzt der bei Lemur gemachten Erfahrungen. Ganz ähnlich wie bei den Catarrhinen hatte der Epiglottisknorpel eine Biegung in sagittaler Richtung erfahren und dem entsprechend war eine nischenartige Räumlichkeit zu Stande gekommen. Diese gleicht nun in jeder Beziehung dem Vorraum des Catarrhinenkehlsacks, wenn wir von dem Verhalten der Plicae ary-epiglotticae absehen. Wir konnten nachweisen, dass letztere bei Lemur eine Rückbildung er- fahren haben. Es ist daher leicht, uns den primitiven Zustand zu rekonstruiren. Denken wir uns Lemur mit entwickelten Plicae ary- epiglotticae, so liegen genau dieselben Verhiiltnisse vor, wie bei den Catarrhinen mit der einen Beschränkung, dass es hier nicht zur Bil- dung eines den Thyreoidrand iiberschreitenden Sackes gekommen ist. Damit gelangen wir zu einem Verständnis des Catarrhinenkehl- sacks. Die Ausbildung eines Kehlsacks als eine einfache Ausstülpung der Wand des Larynx zum Zweck der Stimmverstärkung ist eine un- mögliche Vorstellung. Faktoren, die eine derartige Bildung bedingen könnten, sind gänzlich unverständlich. Anders liegen die Dinge, wenn wir einen Ausgangszustand zu erkennen vermögen, an dem schon der minimalste Anfang einer Sackbildung von funktionellem Werth sein muss. Eine derartige Bildung ist nun ohne alle Frage eine Nische des Kehlkopfs, wie sie bei den Lemuren besteht. Der Grund, dass es hier nicht zur Entstehung eines Sacks gekommen ist, liegt voraussichtlich in der festen Verbindung des Epiglottisknorpels mit 122 E. Göppert dem Thyreoid, die einem Überschreiten des Thyreoidrandes Schranken entgegenstellen musste. Wir konnten nun zeigen, dass bei den Catarrhinen eine Änderung der Stellung und Form des Epiglottisknorpels und damit auch der Epiglottis gegenüber ihrem primitiven Verhalten eingetreten ist, die nothwendig eine Nische erzeugen musste, ganz gleich derjenigen, welche Lemur aufweist. Danach zweifle ich nicht, dass ein solcher Recessus der Vorläufer des Catarrhinenkehlsacks gewesen ist. Seinen ursprünglichen Bereich nimmt noch der Vorraum des Kehlsacks ein. Die, die gesammte Bildung veranlassende Stellungsänderung des Epiglottisknorpels zu erklären, bin ich vor der Hand nicht im Stande. Nur so viel ist wohl sicher, dass sie das Resultat komplieirter Vor- ginge ist, die namentlich die hintern Theile der Zunge betreffen müssen. | Schließlich möchte ich noch betonen, dass höchst wahrscheinlich der Recessus der Lemuren und der Vorraum der Catarrhinen homolog sind. Nothwendig ist dies jedoch nicht. Es kann sich natürlich auch um Konvergenzbildungen handeln, ohne dass desswegen der erklärende Werth des einen Befundes für den andern vermindert wäre. Nach dieser Abschweifung kehren wir wieder zur Behandlung unseres eigentlichen Themas zurück und wollen noch dem WRISBERG- schen Knorpel des Menschen ein paar Worte widmen'. Die Cartilago Wrisbergii liegt genau an derselben Stelle, an der wir sie bei den Affen fanden. An ihrer Homologie mit dem gleichbenannten Gebilde der niedern Formen ist daher nicht zu zweifeln. Nicht selten wird sie übrigens ganz vermisst. Sie stellt ein Knorpelstiibchen vor, das dicht unter dem Schleimhautiiberzug von der Gegend des freien Randes der Plica ary-epiglottica gegen das Taschenband herabsteigt, dabei sehr verschiedene Länge besitzen kann, sich auch zuweilen in mehrere Stückchen auflöst. Sie ist einer großen Drüsenmasse aufgelagert, die sich parallel dem Vorder- rand des Arytänoids angeordnet findet und hauptsächlich den als Nodulus Wrisbergii bezeichneten Wulst der Plica ary-epiglottica be- dingt. Auch beim Menschen scheinen aber noch gelegentlich Knorpel- stiickchen vorzukommen, die noch auf die alte Verbindung von (se- kundärem) Epiglottisknorpel und WrısBEr@’schen Knorpel hinweisen. 1 Vgl. J. Hente, Handbuch der Eingeweidelehre des Menschen. 2. Aufl. Braunschweig 1873. pag. 247. Über die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 123 Wenigstens wird von C. Mayer! eine kleine »Cartilago vocalis su- perior« im Taschenband beschrieben, die in diesem Sinne zu deuten wäre, übrigens dem bei Cynocephalus Canubis an gleicher Stelle gefundenen Knorpelstück entsprechen würde. Trotz seines rudimentären Zustands zeigt sich der WRISBER@’sche Knorpel dennoch von der ‘Schleimhaut unabhängig. Eine ziemlich starke submueöse Bindegewebsschicht trennt ihn von der Mucosa. Wie den WriısBErg’schen Knorpel, so kann man auch den (se- kundären) Epiglottisknorpel wenigstens in bestimmtem Sinn als ein rudimentäres Gebilde ansehen. Seine ursprüngliche Bedeutung als festes Stützgebilde der Epiglottisfalte hat er verloren, und ist in ein vorwiegend elastisches Gebilde umgewandelt. Dabei hat er einen erheblichen Substanzverlust erfahren, indem er von Drüsen durch- bohrt und an seinen Rändern von solchen angenagt ist. In der ganzen Reihe der behandelten Formen haben wir nun gesehen, dass die seitlichen basalen Theile des primitiven Epiglottis- knorpels und damit der WRrISBERG’sche Knorpel der ary - epiglotti- schen Falte angehören. Durch den Besitz der Cartilago Wrisbergii charakterisirt sich die Plica ary-epiglottica des Menschen als Homo- logon aller der Bildungen, welche wir in der vorliegenden Arbeit mit gleichem Namen bezeichneten, und damit als diejenige Falte, welche bereits im primitivsten Zustand, bei den Monotremen, die seit- liche Begrenzung des Aditus laryngis vorstellt. Die Plicae epiglot- ticae laterales sind beim Menschen verschwunden. Von der primi- tiven Epiglottis findet sich bei ihm nur der mediane, von den Vorderenden der Plicae ary-epiglotticae begrenzte Theil. Wir ver- stehen dieses Verhalten als die Folge der großartigen Umgestaltungen, die Pharynx und Larynx des Menschen gegenüber den primitiven Zuständen erfahren haben. Der paarige Speiseweg ist unter Um- bildung der Epiglottis zum » Kehldeckel« aufgegeben worden. Die Beziehung des Kehlkopfeinganges zu einem Diaphragma palato- pharyngeum hat sich gelöst, damit hat auch die Plica epiglottica lateralis ihre Funktion eingebüßt und ist geschwunden. Um nun kurz die Resultate, welche die Untersuchung der Primatenreihe ergab, festzulegen, so konnten wir auch bei ihnen den WRisBERG’schen Knorpel als einen Theil des primitiven Epiglottisknorpels mit Sicherheit 1 ©. Mayer, Über die menschliche Stimme und Sprache. MxcKEL’s Archiv für Anatomie und Physiologie. Leipzig 1826. pag. 193. 124 E. Göppert erweisen. Noch bei den Prosimiern, bei Stenops, fanden wir einen Zustand des letzteren, der in jeder Beziehung übereinstimmte mit dem Verhalten des gleichen Stücks bei den Insectivoren und Myrmecophaga. Die Basis dieses primitiven Knorpels ist nicht sowohl der Epi- slottis als dem eigentlichen Kehlkopfeingang angepasst und zeigt sich deutlich paarig. Mit zwei Seitenstücken, die den Plicae ary-epiglotticae angehören, umfasst sie von vorn her den Kehlkopfeingang. Den Seitentheilen fehlt jedoeh im Zusammenhange mit der geringen Höhenentwicklung der ary-epiglottischen Falten, die bei Talpa, Erinaceus und auch bei Myrmecophaga beobachteten hohen Processus cuneiformes. Nur die mediane Platte des Skeletstückes dient zur Stütze der stark entfalteten Epiglottis. Ein schmales Knorpelband setzt jederseits den Epiglottisknorpel mit dem Arytänoid in Verband. Wir mussten diese Verbindung als eine sekundäre Erwerbung beur- theilen. Schon bei Stenops zeigten sich Rückbildungs- erscheinungen der Knorpelbasis, die bei Otolicnus den Zerfall des Knorpels in drei Theile, in die beiden Wris- BERG’schen Knorpel und den sekundären Epiglottis- knorpel, bedingt. Abweichende Verhältnisse zeigte Lemur. Wir versuchten das Fehlen paariger basaler Theile des Epiglottisknorpels als eine Rückbildungserscheinung zu erklären, die als Folge der Reduktion der Plicae ary-epiglotticae aufzufassen wäre. Letztere wiederum erschien bedingt durch den engen Anschluss der Epiglottis an den primitiven Kehlkopfeingang, welche damit den eigentlichen Schutz des letzteren übernahm. Den ursprünglichen Zusammenhang des WRISBERG- schen und Epiglottisknorpels, allerdings nicht in ur- sprünglicher Ausdehnung weisen noch Hapale und die Platyrrhinen, Cebus und Ateles auf. Ganz gelöst fand sieh die Verbindung bei den Catarrhinen und beim Men- schen, ohne dass alle Spuren des primitiven Verhaltens verloren gegangen wären. Es ergab sich endlich durch die Untersuchung des Epiglottis- knorpels das Verständnis für die Entstehung des medianen un- paaren Kehlsacks, der den Catarrhinen, die Anthropomorphen ausge- nommen, zukommt. Eine durch Stellungsiinderung der Epiglottis bedingte Recessusbildung, wie sie in gleicher Weise aber ohne wei- Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 125 tere Sackbildung auch bei den Lemuren besteht, war als Vorläufer der Kehlsackbildung anzusehen. Nachdem nunmehr für die Carnivoren wie für die Primaten die Abstammung des WrissErG’schen Knorpels von einem primitiven Epiglottisknorpel erwiesen ist, wäre unsere Aufgabe als gelöst zu betrachten. Die im Vorhergehenden niedergelegten Beobachtungen führen uns aber mit Nothwendigkeit über das anfängliche Ziel hinaus. Es hat sich bei einer großen Anzahl von Formen der Epi- glottisknorpel als ein Gebilde gezeigt, dessen paarige Basis bogen- förmig den Kehlkopfeingang umspannt. Die Ähnlichkeit dieses Ver- haltens mit dem des Thyreoids wie des Hyoids ist nicht von der Hand zu weisen. Es leuchtet ein, dass derartige Beziehungen für die Beurtheilung des Epiglottisknorpels von Wichtigkeit sind. Es er- scheint daher nothwendig mindestens noch bei den Formen, deren Epiglottisknorpel bereits als paarige Bildung erkannt ist, das nähere Verhalten der Knorpelbasis zu untersuchen. Vor Allem kommen hier die Rodentia in Betracht. Von diesen soll uns zunächst Lepus cuniculus K. mit gelegentlicher Berücksichtigung von Lepus timidus L. beschäftigen. An der Begrenzung des Kehlkopfeingangs des Kaninchens sehen wir wieder die bekannten beiden Faltenbildungen betheiligt (vgl. Fig. 15, Taf. IV). Vom lateralen Rand des hoch emporragenden knorplig gestützten Theils der Epiglottis (Zp) zieht jederseits eine Schleim- hautfalte nach hinten und begiebt sich zur lateralen Fläche der Ary- tänoide, um dort zu enden. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass hier Plicae epiglotticae laterales vorliegen (Pl.ep.lat). Anderer- seits sehen wir, von außen kaum erkennbar, jederseits eine sehr dünne, niedrige Schleimhautfalte von dem Vorderrand der Arytänoide nach vorn gegen die Basis der Epiglottis ziehen (Pl.ar.ep). Es handelt sich hier zweifellos um Plicae ary-epiglotticae. Zwischen den letzteren und den seitlichen Epiglottisfalten liegt jederseits eine tiefe Spalte, wie wir sie ähnlich schon bei Carnivoren und bei Le- mur antrafen. Die ary-epiglottischen Falten stellen die eigentliche Begrenzung des Aditus laryngis vor. Ihnen gehören auch die soge- nannten WRISBERG’schen Knorpel an, die mit den Arytänoiden zusam- menhängen, deren Homologie mit den gleich benannten Bildungen der früher besprochenen Formen jedoch in keiner Weise gesichert ist. 126 E. Göppert Im Großen und Ganzen haben wir hier also einen Kehlkopf- eingang, der mit dem von Lemur varius und catta erhebliche Über- einstimmungen zeigt. Auch hier ist es durch das Verhalten der Epiglottis zur Ausbildung einer Art von Ansatzrohr auf den primi- tiven Kehlkopfeingang gekommen. Die schwache Entwicklung der ary-epiglottischen Falten ist als Folge dieses Zustandes anzusehen. Die große Bedeutung der Epiglottis, speciell ihrer seitlichen Theile für den Schutz des Aditus laryngis zeigt sich am besten durch die Innigkeit ihrer Beziehung zu den Plicae palato - pharyngeae. Besonders auffallend trat dieselbe an medianen Durchschnitten von Köpfen neugeborener Kaninchen hervor: Der obere Rand der Pliea epiglottica lateralis lag unmittelbar dem freien Rand der Plica palato- pharyngea an. Beide verliefen in absolut identischer Richtung. Durch das Zusammentreffen beider Faltenränder wurde jederseits ein kanalförmiger Speiseweg vom Kehlkopfeingang vollständig abge- schlossen. . Nachdem wir uns über das allgemeine Verhalten des Kehlkopf- eingangs orientirt haben, betrachten wir jetzt das Stützgebilde der Epiglottis näher. Es ist längst bekannt, dass der Epiglottisknorpel des Kaninchens an seiner Basis nach unten zu zwei hornartige Fort- sätze entsendet, die »Hamuli epiglottiei«. Wir hätten also hiermit am Epiglottisknorpel paarige Bildungen und es erhebt sich die Frage nach der Beurtheilung derselben. Hierfür ist es nothwendig, die beiden Hamuli oder cartilaginous styliform bodies, wie sie OWEN nennt, und ihren Zusammenhang mit dem Epiglottisknorpel einer ge- nauern Prüfung zu unterziehen. Fig. XI giebt eine Vorstellung von der Form des freigelegten Epiglottisknorpels eines Kaninchens. Abgesehen von dem tiefen Einschnitt am obern Rand des Gebildes, nimmt unser Interesse hauptsächlich ein breiter Fortsatz in Anspruch (P.das), der von der eigentlichen Basis (B) des Knorpels ausgeht und sich nach unten zu in zwei Theile spaltet, in die beiden Hamuli epiglottiei (Hs.ep). Jeder derselben biegt an seinem Ende hornartig um und läuft in eine ziemlich scharfe Spitze aus. Entsprechend den beiden Hamuli bemerkt man bald an dem einheitlichen Fortsatz (P.das) eine rinnenförmige Vertiefung, die ihn, sagittal verlaufend, in zwei Hälften theilt. Die Stelle dieser Vertiefung zeigt sich deutlich bei Untersuchung des frei- gelegten Epiglottisknorpels im durchfallenden Licht durch ihre größere Helligkeit an. Am klarsten kommen nattirlich diese Verhältnisse zur Anschau- Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 127 ung an Querschnittsbildern. Der basale Fortsatz besteht deutlich aus zwei durch eine erhebliche mediane Einschnürung äußerlich ge- gen einander abgegrenzten, symmetrischen Hälften. An den Quer- schnittsbildern, welche neugeborenen Thieren angehören, fällt uns aber bei stärkerer Vergrößerung noch ein anderer Umstand auf. Wir sehen zunächst an den Schnitten, die nur die beiden zipfel- artigen Ausläufer, die Hamuli, trafen, dass daselbst die Knorpel- zellen eine ganz ausgeprägte Schichtung aufweisen, indem die Ele- mente des Knorpels nach der Peripherie zu allmählich platter werden Fig. XI. Epiglottisknorpel von Lepus cuniculus, 12,5/1. Starke Entwicklung der der Epiglottisfalte angehörigen Platte (Z.m). Die Basis des Gebildes (B) entsendet einen aus der Verschmelzung der oberen Theile der Hamuli epiglottici entstandenen .breiten Fortsatz (P.bas), der sich weiter unten in zwei hornartig umgebogene Theile spaltet (Hs,ep). und sich auf das deutlichste koncentrisch anordnen. Ganz genau dasselbe Bild bietet nun auch ein höher oben durch den einheit- lichen Fortsatz selbst gelegter Schnitt für jede der beiden Hälften desselben. Jede besitzt eine auch gegen die anderseitige Hälfte ge- richtete koncentrische Schichtung der Knorpelzellen. Dadurch kommt auch innerhalb des einheitlichen Fortsatzes eine Selbständigkeit der beiden Hälften im innern Bau auf das deutlichste zum Ausdruck. Untersuchen wir andererseits Querschnittsbilder durch entsprechende Stellen ausgewachsener Thiere, so finden wir diese durch die Struktur bedingte Trennung beider Hälften nicht mehr. Durch diese Befunde 128 E. Göppert ist die Annahme nahegelegt, dass der einheitliche basale Fortsatz des Epiglottisknorpels durch Verschmelzung zweier ursprünglich ge- trennter Hälften entstanden ist. Als richtig erweist sich diese An- schauung durch eine Untersuchung der Verhältnisse beim Hasen: Hier finden wir an Stelle des einen erst weiter unten sich theilen- den Fortsatzes, zwei vollständig von einander ‚getrennte Fortsätze von der Epiglottisknorpelbasis nach unten ragen. Jeder dieser Hamuli biegt hakenförmig nach vorn um und endet zugespitzt. Mit Sicherheit können wir jetzt dieses Verhalten als auch dem Kaninchen ursprünglich zukommend beurtheilen, da ja die Onto- genese desselben auf den beim Hasen dauernd bestehenden Zustand unzweideutig hinweist. Betrachten wir jetzt die Lage und die Verbindungen des basalen Fortsatzes sammt seiner beiden Ausläufer. Wie Sagittalschnitte lehren (Fig. 16 Taf. IV), bildet der basale Fortsatz (P.bas) des Kaninchens einen nach hinten offenen Winkel mit dem Haupttheil des Epiglottisknorpels (Zp.Am) und zieht annähernd parallel zur Innenfläche des Thyreoids (7%) nach unten. Das Gleiche gilt von den beiden, wie oben gezeigt, in ganzer Ausdehnung von einander getrennten Hamuli des Hasen. Von den uns bisher bekannt gewordenen paarigen Theilen der Epiglottisbasis weichen also die Fortsatzbildungen der Leporiden durch ihre Orientirung ab, indem sie nicht von der Basis des Epi- glottisknorpels gegen die Arytänoide streben, sondern annähernd einen rechten Winkel mit der bezeichneten Richtung bilden; indem sie ferner nicht seitliche Verbreiterungen des Epiglottisknorpels son- dern Ausläufer des basalen Randes darstellen. Sehen wir uns nun ihre Lage im Kehlkopf selbst an, so kon- statiren wir zunächst, dass sie nicht in den Plicae ary-epiglotticae (Pl.ar-ep.), sondern nach innen von diesen gelagert sind. Sie haben die engsten Beziehungen zu einem Raum, der sich als eine mediane, vordere unpaare Ausbuchtung des Kehlkopflumens auf Querschnitten auf das deutlichste darstellt (Fig. 17 Taf. IV.V). Dieser Raum erscheint nach Eröffnung der Hinterwand des Larynx als eine sagittal ge- stellte Nische, die von der Epiglottisbasis nach oben zu einen Ab- schluss empfängt (Fig. 15 Taf. IV.V’). In der seitlichen Wandung dieser Nische und zwar in ihrem obersten Abschnitt liegen die Hamuli epi- slottiei (Hs.ep). Indem beide beim Kaninchen weiter oben zusam- mentreten, ist hier die Nische im Vergleich zu ihrem Verhalten oo. Hasen etwas abgeflacht. Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 129 Nach Allem müssen wir die Hamuli epiglottici mit Ein- schluss des aus ihrer oberen Vereinigung beim Kaninchen hervorgegangenen Stiicks fiir Bildungen sui generis halten, die nicht den die WrisberG’schen Knorpel liefernden paari- gen Stiicken des Epiglottisknorpels homolog sind. Aus Griinden, die weiter unten ersichtlich sein werden, miissen wir uns noch etwas mit der genannten Nische oder dem vorderen Recessus des Kehlkopfs des Kaninchen beschäftigen. Derselbe be- sitzt eine scharfe seitliche Begrenzung (Fig. 15). Letztere erscheint bei Eröffnung des Kehlkopfs an seiner Hinterwand jederseits von einer Schleimhautfalte gebildet, die nach innen von der vorderen Insertion der Pliea ary-epiglottica an der Basis der Epiglottis ihren Anfang nimmt und in fast sagittaler Richtung nach unten zieht. Bei genauerer Untersuchung der Verhältnisse bemerkt man aber bald, dass die Grenze des Recessus in ihrem größten Theil nicht von einer wirklichen Falte gebildet wird (Fig. 17). Der Schein des Bestehens einer solchen wird vielmehr nur an dem geöffneten Kehl- kopf dadurch erweckt, dass der Recessus (I) gegen den Haupttheil des Kehlkopflumens absolut scharf begrenzt ist. Nur weiter oben, gegen die Epiglottis zu bildet eine wirkliche Falte jederseits die Grenze. Dies hängt damit zusammen, dass die nach hinten um- biegenden Enden der Hamuli epiglottici jederseits die Schleimhaut emporheben. Die seitliche Abgrenzung des Recessus hört nun dort auf, wo sie die obere Begrenzung der MorGAsntschen Taschen er- reicht (Fig. 15 Lig.voc.sp). : An diesem Punkt findet sich noch beim Kaninchen jederseits eine weißliche knötchenartige Verdickung (A), die, wie die mikroskopische Untersuchung zeigt, auf Anwesenheit von Drüsen beruht (Fig. .17 D). Beim Hasen finden sich andere und wie es scheint wechselnde Stellen von Drisenansammlungen in der seitlichen Begrenzung der Kehlkopfnische. Was nun die MorGaenr’schen Ventrikel (Fig. 15 Ventr.Morg.) an- langt, so weisen sie variable Verhältnisse auf. Stets sind es sehr flache Bildungen, die gelegentlich gerade nur angedeutet erscheinen. In letzterem Fall fehlt ihnen eine scharfe Abgrenzung nach oben zu. Beide gehen vorn in einander über, der damit beiden gemeinsame mediane Abschnitt setzt sich nach oben zu kontinuirlich in den eben beschriebenen Recessus {F’) fort. Dieser gehört also zu den Mor- GAGNI'schen Taschen. Der Epiglottisknorpel des Kaninchens entsendet nun nicht nur paarige Fortsätze. Wie eine nähere Untersuchung lehrt, besitzt er Morpholog. Jahrbuch. 21. y 130 E. Göppert bei jugendlichen Thieren auch selbst unzweifelhafte Spuren von Paarigkeit: Ein genauer Medianschnitt durch den Larynx eines Ka- ninchens weist keine Verbindung zwischen Epiglottisknorpel und Thyreoid auf (Fig. 16). Der von dem Epiglottisknorpel mit seinem Fortsatz (P.bas) gebildete Winkel zeigt mit seiner Spitze gegen den oberen Rand des Thyreoids. Zwischen beiden Theilen läuft ein Ge- fäß (Vs). Weiter lateral geht nun jederseits von diesem Winkel in fast genau entgegengesetzter Richtung wie der basale Fortsatz eine andere Fortsatzbildung aus, die auf dem Sagittalschnitt spitz zu- laufend sich an den oberen Rand des Thyreoids in der Weise an- fügt, dass die beiderseitigen periostalen Überzüge in einander über- sehen. Untersucht man die Verhältnisse auf Querschnitten, so er- scheint jeder der beiden Haftfortsätze als eine breite an ihrer Ver- bindungsstelle mit dem. Thyreoid lateral noch zunehmende Platte (Fig. 18 Taf. IV Hf). Ihnen entsprechend besteht nun aber auch in der Basis des Epiglottisknorpels selbst eine Theilung (EpAkr). Die Knorpelzellen sind in der Medianebene in der Richtung derselben mit ihren hier länglichen Kernen angeordnet, so dass dadurch, genau entsprechend den beiden Hälften des durch Verschmelzung der oberen Theile der beiden Hamuli entstandenen Fortsatzes, sich die eigent- liche Epiglottisbasis selbst als paarig erweist!. Die geschilderten Verhältnisse sind aber nur bei ganz jungen Thieren anzutreffen. Bei älteren Individuen fehlt die Andeutung der Paarigkeit im Innern der Epiglottisbasis, wie an der Verbindung mit dem Thyreoid, indem jetzt ein einheitlicher Fortsatz an Stelle der paarigen Bildung die Verbindung von Epiglottisknorpel und Thyreoid vermittelt (vgl. mit Fig. 18 Taf. IV die Abbildung von GEGENBAUR Fig. 6 Taf. II). Wir wenden uns nunmehr zur Besprechung des Kehlkopfes der Muriden und Arvicoliden. Beide zeigen in allen wesentlichen Punkten Übereinstimmung, so dass wir sie neben einander behan- deln können. Betrachten wir den Kehlkopf eines Vertreters der genannten Familien, z. B. den seiner Größe wegen besonders bequem zu unter- suchenden Kehlkopf von Arvicola (Paludicola) amphibius L., so zeigt er anfänglich eine nicht unbedeutende Übereinstimmung mit dem der Inseetivoren. Der oberste Theil des Kehlkopfs stellt ein 1 GEGENBAUR erwähnt pag. 32 bereits die vollständigere Trennung der beiden Hälften des Epiglottisknorpels beim Kaninchenembryo. Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 131 röhrenförmiges in den Pharynx hineinragendes Gebilde vor. Der vordere Theil der kurzen Röhre empfängt seine Stütze durch den Epiglottisknorpel und überragt mit seinem freien Rand etwas den hinteren Theil. Der letztere besitzt einen Halt in den beiden San- TorInTschen Fortsätzen der Aryknorpel, welche gegen einander mit ihren Spitzen konvergirend, am freien Rand des Kehlkopfeingangs einen kleinen Vorsprung erzeugen. Zwischen Epiglottisknorpel und SANTORINIschem Fortsatz entbehrt der röhrenförmige Kehlkopfeingang einer besonderen Stütze. Wir werden uns jetzt wieder die Frage vorzulegen haben, welche Gebilde an dem Aufbau des eben beschriebenen Kehlkopfeingangs theilnehmen. Es fragt sich ob die Verbindung des sicher der Epi- glottis angehörigen vorderen durch den Epiglottisknorpel gestützten Theils mit dem Sanrorini’schen Knorpel durch Plicae epiglotticae laterales oder ary-epiglotticae vermittelt wird. Die Entscheidung ist leicht, sobald wir den geöffneten Kehlkopf von hinten her be- trachten (Fig. 19 Taf. IV). Wir treffen dann auf typische Plicae ary-epiglotticae (Pl.ar.ep), welche ein Stück oberhalb des Ursprungs der Stimmbänder (Zig.voc) von dem Aryknorpel (Ar) abgehen und gegen die Basis des Epiglottisknorpels verlaufen. Damit ist er- wiesen, dass ganz ähnlich wie beim Kaninchen die Plicae epi- glotticae laterales die seitlichen Theile des röhrenförmigen Kehl- kopfeingangs darstellen. Die Plicae ary-epiglotticae sind nur ganz unbedeutende Erhebungen. Dennoch bemerkt man zwischen ihnen und den Plicae epiglotticae laterales eine seitliche grabenartige Ver- tiefung, die sich nach hinten zu in einen zwischen den SANTORINI- schen Fortsätzen und den Plicae epiglotticae gelegenen Raum fort- setzt, der dadurch zu Stande kommt, dass die letzteren Falten sich an die lateralen Seiten der genannten Knorpel ansetzen. Wir sehen also bei den Muriden und Arvicoliden die Epiglottis dem Kehlkopfeingang in vollkommenster Weise angepasst und damit die Plicae epiglotticae laterales in starker Entfaltung. Jedenfalls als Folge dieses Verhaltens sind die Plicae ary-epiglotticae nur un- bedeutende Bildungen. Das bezeichnete Verhältnis der beiden Falten stellt sich übrigens erst im Laufe der ontogenetischen Entwicklung her, indem anfäng- lich die Plicae ary-epiglotticae an Höhe bedeutend überwiegen. Bei einem 8 mm langen Embryo von Mus musculus zeigten sich die Epi- glottisfalten (Fig. XII Pl.ep.7) als niedrige neben den höheren Plicae ary-epiglotticae (Pl.ar.ep) hinziehende Falten. Auffallend war, dass g* 132 E. Göppert in diesem Stadium noch jede Spur von Plicae palato-pharyngeae fehlte. Dieser entwicklungsgeschichtliche Befund stimmt ganz genau überein mit den Vorstellungen, die wir uns von der phylogenetischen Entwicklung der Gebilde des Kehlkopfeinganges zu machen haben: das in der Ontogenese vorübergehend bestehende Größenverhältnis von Plicae ary-epiglotticae und epiglotticae laterales ist das primitive: die Plicae palato-pharyngeae sind im Vergleich mit der Epiglottis später erworbene Bildungen. Fig. XII. Pl. ar-ep. A 1’ i te Plep.l. RE? \ rein! 4G a & role C.ph.n. Frontaler Sagittalschnitt durch Larynx und Pharynx eines Embryo von Mus mus- culus von 8mm Steiß-Nackenlänge. 75/1. Der Schnitt traf den. Kehlkopfeingang vor den Arytänoiden. Pl.ar.-ep Plicae ary-epiglotticae. Pl.ep.l Plicae epiglotticae laterales. Fehlen der Plicae palato-pharyngeae! Ubrige Bezeichnungen wie in Fig. V. Nachdem wir uns jetzt über die allgemeinen Verhältnisse des Kehlkopfeinganges verständigt haben, so gehen wir nunmehr zur Untersuchung des Epiglottisknorpels speciell von Arvicola über (Fig. XIII). An ihm unterscheiden wir zunächst eine große nach oben in eine stumpfe Spitze auslaufende Platte (Z.m), der wir be- reits oben als Stütze des vorderen Theils des Kehlkopfeinganges begegneten. Diese Platte besitzt ihre größte Breitenausdehnung an ihrem oberen, freien Rand. Nach unten zu verjüngt sie sich etwas, ihre beiden seitlichen Ränder sind mit unregelmäßigen Vorragungen Über die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 133 besetzt. Weiter abwärts setzt sich die Platte in zwei durch einen fast halbkreisförmigen Ausschnitt (J) von einander getrennte Fort- sätze fort, welche die Basis des ganzen Gebildes darstellen und seine Verbindung mit der Umgebung ver- Fig. XII. mitteln (B.S). Jeder dieser beiden basalen Theile verbreitert sich an seinem unteren Ende, indem hier sein lateraler Rand sich in einen sich allmählich zuspitzen- den Vorsprung aus- zieht. Was nun die Ver- bindung dep Buigloty Epiglottisknorpel von Arvicola arvalis. 36/1. Die basalen tisknorpels mit seiner Seitentheile desselben (B.S) entsprechen genau den gleichbezeichneten Umgebung angeht, so Theilen der Prosimier (Fig. VII) und der Insectivoren (Fig. II, IV). Fehlen ‘ 2 P eines Processus cuneiformis. Hf Fortsatz zur Verbindung mit dem wird sie einmal ver- medianen Fortgatz des oberen Thyreoidrandes. mittelt durch je einen starken Fortsatz, den jeder der beiden basalen Theile von dem unte- ren Rand seiner zungenwärts gekehrten Fläche entsendet. Diese Bil- dung liegt mit ihrem freien etwas verjüngten Ende dem oberen Rand des Thyreoids, der Innenfläche desselben genähert, auf und findet hier durch den Zusammenhang ihres Perichondriums mit dem des Thyreoids Befestigung. Ein zweiter Fortsatz zieht von dem un- teren Ende jedes der basalen Theile, und zwar von seinem inneren Rand nach innen (Fig. XIII Af) und verschmilzt hier mit einem Vorsprung des Thyreoids; dieser ragt in der Medianebene vom oberen Rand des Schildknorpels, annähernd senkrecht zur Innenfläche des letzteren orientirt, nach hinten, theilt sich an seinem Ende in zwei Hälften, die mit den eben genannten Theilen (Hf) der Epiglottis- basis kontinuirlich zusammenhängen. Es ist nun von Interesse sich über die Lage der basalen Theile des Epiglottisknorpels zu den in Betracht kommenden Plicae klar zu werden. Es muss entschieden werden, ob die seitlichen Theile des- selben den Plicae epiglotticae laterales oder den Plicae ary-epiglotticae angehören. Bei Arvicola amphibius war es leicht festzustellen, dass das Letztere der Fall ist. Die beiden basalen Seitentheile 134 E. Göppert des Epiglottisknorpels streben im Innern der Plicae ary- epiglotticae nach hinten auf die Arytänoide zu. Sie sind sogar mit letzteren durch Bindegewebszüge, die büschelartig von ihren Spitzen ausstrahlen, verbunden. Demnach besitzen sie die gleiche Lage, wie die den Wrısßer@'’schen Knorpel liefernden Theile des Epiglottisknorpels, denen wir früher begegneten. Sie sind ihnen also homolog. Wir unterscheiden somit am Epiglottisknorpel von Arvicola im Wesentlichen dieselben Theile, wie wir sie im Vorhergehenden am gleichen Stück anderer Formen kennen gelernt haben, und konstatiren nur die Diffe- renz, dass Processus cuneiformes an den seitlichen Thei- len der Knorpelbasis hier fehlen. Ganz entsprechende Verhältnisse zeigen auch die Muriden (Fig. 20 Taf. IV). Erwähnenswerth ist vielleicht, dass der die Verbindung des Epiglottisknorpels vermittelnde Fortsatz des oberen Thyreoid- randes bei Mus bedeutend plumper ist, mit breiterer Basis entspringt und weniger weit nach hinten ragt als bei Arvicola, dass aber in Kompensation dieses Verhaltens das Thyreoid eine leichte Biegung in seiner Längsachse mit der, Konkavität nach hinten aufweist. Da diese Krümmung vorwiegend die Gegend des oberen Randes des Schildknorpels betrifft, so ist es verständlich, dass die beiden von den basalen Hälften des Epiglottisknorpels nach hinten ragenden Haftfortsätze (Hf) am oberen Thyreoidrand mehr in der Nähe der lingualen Fläche des Thyreoids durch den Zusammenhang des beider- seitigen Perichondriums ihre Verbindung finden. Auch für die Muriden lässt sich die Lage der basalen Seitenstücke des Epiglottisknorpels in den ary-epiglottischen Falten erweisen. Es bedarf wohl kaum einer Erwähnung, dass der kontinuirliche gewebliche Zusammenhang zwischen Epiglottisknorpel und Thyreoid, ein Zusammenhang, der sonst nur bei den Marsupialiern bekannt ist, nieht als Hinweis auf genetische Beziehungen des Epiglottisknorpels zum Thyreoid verwerthet werden kann. Bei jungen Thieren ist die Grenze zwischen beiden Stücken an der Stelle ihres spätern Zusam- menhangs deutlich durch die Anordnung der Knorpelzellen markirt. Es bleibt aber noch ein Punkt zu erledigen. Wir finden näm- lich den Raum zwischen den beiden basalen Hälften des Epiglottis- knorpels ausgefüllt durch ein großes Drüsenpacket. Der Gedanke liegt nahe, dass diese Drüsen sich den von ihnen eingenommenen Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 135 Raum durch Zerstörung von Knorpelgewebe gebildet und damit erst die Paarigkeit der Knorpelbasis geschaffen haben. Diese Ver- muthung wird zuriickgewiesen durch den Befund an einem Ratten- embryo von 3,5 em. Hier fanden sich dieselben Verhältnisse der Epiglottisbasis, wie beim erwachsenen Thier, noch bevor in diesen Theilen des Kehlkopfs Drüsenanlagen aufgetreten waren!. Die Paarigkeit der Epiglottisbasis ist also ein ursprünglicher Zustand und erinnert uns wieder an das entsprechende Verhalten des Epiglottisknorpels beim jungen Kaninchen. Auch bei diesem fanden wir ja in der Basis des Epiglottisknorpels deutliche Spuren ursprüng- licher weit hinauf reichender Paarigkeit, die allerdings beim ältern Thier verschwanden. Bei Mus und Arvicola liegt also hiermit ein ursprünglicherer Zustand vor. Die den Plicae ary-epiglotticae angehörigen Theile der Epiglottis- basis fehlen beim Kaninchen. Es ist möglich, dass die sogenannten WrisBer@’schen Knorpel desselben auf die frühere Existenz solcher Theile hinweisen; der Beweis hierfür konnte nicht erbracht werden. Die hinteren eine Verbindung mit dem Thyreoid vermittelnden Vor- sprünge bei Mus und Arvicola dagegen finden sich wieder in den entsprechende Funktion aufweisenden und gleich gelegenen Vor- sprüngen des Epiglottisknorpels des jungen Kaninchens, die beim älteren Thier, wie oben dargestellt, zu einem ganz einheitlichen Ge- bilde mit einander verschmelzen. Für die Verbindung des Epiglottisknorpels mit dem medianen Fortsatz des Thyreoids fehlt ein entsprechender Befund bei den Lepo- riden. Es liegt nun nahe, danach zu suchen, ob sich für die Hamuli epiglottici der Leporiden bei Mus und Arvicola nicht Homologa finden lassen. In der That möchte ich ein Skeletstück dafür ansprechen, das, wie es scheint, bisher unbekannt geblieben ist: Ich meine den Stützknorpel des Eingangs zum medianen Ventrikel des Kehlkopfs von Mus und Arvicola. Beide besitzen bekanntlich unterhalb der Epiglottisbasis eine geräumige Ausbuchtung des Kehlkopflumens, die den einzigen Nebenraum desselben darstellt (Fig. 19 V). Die obere Wand dieser Tasche findet ihre Stütze durch den mit dem Epiglottis- ! Die Paarigkeit des Epiglottisknorpels hat durch GEGENBAUR, |. c. pag. 32 und 33, bereits eine Darstellung gefunden, der wir nur die nähere Be- schreibung der Verbindung des Skeletstückes mit dem Thyreoid, sowie die Beschreibung der basalen Seitenstücke und ihre Beziehung zu den Ary-epi- glottis-Falten hinzufügen konnten. 136 E. Göppert knorpel verschmolzenen Fortsatz des oberen Thyreoidrandes. Nach unten zu fehlt dem unpaaren Ventrikel eine scharfe Abgrenzung, er geht hier ohne Grenze allmählich in das Hauptlumen des Kehlkopfs über. Seitlich und oben ist er durch einen halbkreisförmigen Vor- sprung der Schleimhaut vom eigentlichen Binnenraum des Larynx abgetheilt. Ein Querschnitt durch den Kehlkopf zeigt (Fig. 21 Taf. IV.Y), dass die mediane Ausbuchtung an ihrer Mündung eine erhebliche Einschniirung erfährt. Als Stütze des Eingangs dieses Ventrikels finden wir nun ein etwa halbkreisförmig gebogenes dünnes Knorpelstück, das oben und seitlich den Eingang umrahmt und dabei unmittelbar unter der Schleimhaut lagert (Fig. 20 und 21 V.An). An seiner oberen Cireumferenz zeigt es eine kleine nach oben weisende Spitze. Histologisch finden wir die Stützknorpel des Ven- trikeleingangs aus hyalinem Knorpel zusammengesetzt, der ganz wie derjenige des Epiglottisknorpels sich durch etwas geringere Entwick- lung der Intercellularsubstanz vor den übrigen Kehlkopfknorpeln auszeichnet. Es verdient Betonung, dass bei dem von mir untersuchten 3,5 cm langen Rattenembryo die Anlagen des Epiglottisknorpels und des Knor- pels des Ventrikeleingangs nicht nur histologisch übereinstimmten, sondern auch beide allen übrigen Kehlkopfknorpeln durch den ge- ringen Grad ihrer Entwicklung gegenüber standen. Sie zeigten die Entwicklung der Intercellularsubstanz eben im Beginn, die bei den andern Skeletstücken des Larynx bereits weiter vorgeschritten war. Eine interessante Thatsache ist, dass dieser Knorpel des Taschen- eingangs mit der Muskulatur in Beziehung steht. Wir sehen, dass ein inneres Bündel des Musculus thyreo-arytaenoideus (Fig. 21 M.th.ar.) vom Arytänoid kommend an ihm seine Befestigung nimmt (M?). Die Größe des Eingangs zur vorderen Tasche des Kehlkopfs ist damit veränderlich. Es kann wohl kein Zweifel bestehen, dass hierin eine für die Stimmbildung wichtige Einrichtung vorliegt, für welche Ana- logien bei anderen Formen nicht zu existiren scheinen. Zur vergleichenden Beurtheilung des fraglichen Knorpels ist es natürlich von besonderer Wichtigkeit, sich über die Deutung der vorderen Tasche des Larynx von Mus und Arvicola klar zu werden. Es gelingt, innerhalb der Nager eine Formenreihe zu finden, die uns das Verständnis dieser Bildung ermöglicht. Wir nehmen unsern Ausgang von der Sciuridenspecies Xerus. Untersuchen wir den Larynx von Xerus setosus, so fällt uns zuniichst der erhebliche Unterschied der Form des Kehlkopfeingangs Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 137 dieser Art von dem der Muriden, Arvicoliden und Leporiden auf. Der Unterschied beruht darauf, dass bei Xerus und, wie ich gleich er- wähnen will, auch bei Sciurus die Plicae epiglotticae laterales nicht mit ihren Enden die Spitzen des Aryknorpels erreichen, sondern seit- lich am Kehlkopfeingang vorbeiziehen; wärend wir also bei Mus, Arvicola und Lepus eine von der dem Aditus laryngis vollkommen angepassten Epiglottis gebildete Röhre fanden, welche die schwach entwickelten Plicae ary-epiglotticae versteckte, treten die letzteren hier frei zu Tage. Wir werden dadurch an das oben dargestellte Verhalten des Mäuseembryos erinnert, bei dem im Wesentlichen die- selben Verhältnisse vorübergehend herrschten, wie sie bei den Seiu- riden dauernd bestehen und finden hier andererseits in der Gestaltung des Eingangs eine erhebliche Übereinstimmung mit dem der Mono- tremen. Damit besitzen auch in dem allgemeinen Verhalten des Kehl- kopfeingangs die Seiuriden ursprünglichere Verhältnisse. Betrachten wir nun das Verhalten der Nebenräume des Larynx bei Xerus, so treffen wir hier ganz typische MorGAsnt'sche Taschen, die als zwei weite Säcke längs des oberen Randes der Stimmbänder sich nach vorn erstrecken und hier in der Medianebene durch einen deutlichen jochförmigen sagittal gestellten Vorsprung von einander geschieden werden. Von Wichtigkeit ist nun, dass bei einer anderen Art der gleichen Species, nämlich bei Xerus getulus, diese Tren- nung fehlt, die beiden Taschen gehen median ohne Grenze in ein- ander über. Die jedenfalls primitive Scheidung der Ventrikel von einander kann also der Riickbildung verfallen. Wir erinnern uns dabei, dass wir bei den Inseetivoren ganz ähnliche Verhältnisse trafen, indem die beim Igel ausgesprochene Trennung der Ventrikel bei Talpa fehlte. Im Übrigen fällt bei Xerus getulus gegenüber X. setosus, wie ich noch kurz erwähnen will, die stärkere Höhenentfaltung der Plicae ary-epiglotticae auf. Wir untersuchen jetzt Seiurus, von welcher Gattung Se. vul- garis und palmarum vorlagen. Während der Kehlkopfeingang hier keinen wesentlichen Unterschied gegenüber dem von Xerus auf- weist, sehen wir die Ventrikel bedeutend modificirt. In ihrem ganzen hinteren und zwar weitaus größten Theil sind sie abgeflacht. Sie stellen hier ganz seichte rinnenartige Vertiefungen vor. Vorn, nicht mehr weit von der Mittellinie, vertiefen sie sich plötzlich, also nicht in allmählichem Übergang. Hier haben die beiden Ventrikel ihre ur- sprüngliche Tiefenausdehnung bewahrt. Die mediane Scheidung beider besteht noch fort. In Folge dieses Verhaltens findet sich also 138 E. Göppert über dem vorderen Ende der Stimmbänder ein paariger Raum, der, wie ich betonen möchte, eine erheblich größere Ausdehnung ge- wonnen hat, als es bei der Betrachtung seiner Eingangsöffnung er- scheinen könnte. Er erstreckt sich ein gutes Stück seitwärts und nach hinten, so dass jederseits der Boden der abgeflachten Theile der Ventrikel vorn gleichzeitig die Wandung dieser Ausbreitung des vordersten Ventrikelabschnitts darstellt. Es ist übrigens von Interesse, dass es bei Sciurus zur Bildung von Kehlsäcken, allerdings geringer Dimension gekommen ist (Fig. 22 Taf. IV). Jederseits stülpt sich nämlich die Wand des paarigen medianen Raums zu einem kleinen Sack aus, der den oberen Rand des Thyreoids nach vorn zu überragt und, wie die starke Faltung seiner Wandung erkennen lässt, einer nicht unbedeutenden Aus- dehnung fähig ist (XS). Dieser Befund ist ein lehrreiches Beispiel für die Lehre von den Konvergenzerscheinungen. Die gleichen Bedürfnisse erzeugten bei Sciurus bis auf unwesentliche Differenzen gleiche Bildungen, wie sie ganz selbständig auch bei Affen auftraten. Auch bei diesen bilden die MorsAcnt'schen Taschen den Boden, von dem aus es gelegent- lich zur Bildung von Kehlsäcken gekommen ist. So bei Mycetes und bei Anthropoiden. An das Verhalten von Seiurus, natürlich abgesehen von den, sekundäre Bildungen darstellenden Kehlsäcken, schließt sich nun, wie man ohne Weiteres sieht, der für die Muriden und Arvicoliden ge- schilderte Zustand direkt an. Der Vorgang, der beide in einander überführt, ist einmal das vollkommene Verstreichen der hinteren Abschnitte der Ventrikel, das ja schon bei Seiurus gegenüber Xerus in deutlichster Weise begonnen hatte, schließlich die Rückbildung der medianen Trennung der beiden Theile, aus denen der vordere Raum sich ursprünglich zusammensetzte, ein Vorgang, für welchen wir bei Xerus getulus eine Analogie fanden. So sehen wir, dass der scheinbar eine besondere Bildung dar- stellende Nebenraum des Larynx von Mus und Arvicola aus den in einander übergehenden vorderen Enden der beiden More@acGni’schen Ventrikel entstanden ist. Rekapituliren wir dazu dasjenige, was wir über die Lage der Hamuli epiglotticae der Kaninchenepiglottis erfuhren, so handelte es sich. dort um zwei, ursprünglich ganz von einander getrennte Knorpel- stücke, die in der seitlichen Wand eines vorderen Nebenraums des Larynx lagen. Es erwies sich ganz unzweifelhaft, dass dieser zur Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 139 Basis der Epiglottis hinaufsteigende Raum zu den MorgAsnr’schen Taschen gehört. Damit kommen wir jetzt zu der Überzeugung, dass er sammt den vordersten Theilen beider Ventrikel, in die er sich nach unten zu fortsetzt, dem Nebenraum des Mäusekehlkopfs homolog ist. Dass er erheblich das Niveau der sog. Taschenbänder überragt, er- klärt sich wohl durch die Formverhältnisse des Leporidenlarynx, dessen Epiglottisbasis im Vergleich zu der der Muriden auffallend hoch über den Taschenbändern steht. Demnach haben die Hamuli epiglottici der Leporiden und der Ventrikeleingangsknorpel von Mus und Arvicola im Wesentlichen übereinstimmende Lage. Man kann damit an die Möglichkeit von Beziehungen beider Theile zu einander denken. Eine Differenz von nebensächlicher Bedeutung ist, dass der Ab- stand des Knorpels vom Thyreoid bei Mus und Arvicola größer ist, als der der beiden Hamuli bei Lepus. Dies erklärt sich aus der erheblichen Entfaltung des medianen Ventrikels bei Mus und Arvicola auch in ventro-dorsaler Richtung, der geringen Entwicklung bei Lepus. Die Trennung des Skeletstücks bei Mus und Arvicola vom Epiglottis- knorpel findet leicht ihre Erklärung durch die Beziehung desselben zum Musculus thyreo-arytaenoideus, sie ist als direkte Wirkung des Muskelzugs aufzufassen. Die Vereinigung, die zwischen den beiden Knorpelstücken bei Lepus cuniculus, wie wir nachweisen konnten, sekundär eintritt, lässt die Einheitlichkeit des Ventrikeleingangs- knorpels von Mus und Arvicola im gleichen Sinne beurtheilen. Nehme ich jetzt noch die bereits oben erwähnte Thatsache der geweblichen Übereinstimmung des Epiglottisknorpels mit dem Ventrikeleingangs- knorpel auch im Embryo hinzu, so muss ich den Ventrikelein- sangsknorpel von Mus und Arvicola für ein Homologon der Hamuli epiglottici der Leporiden halten, und als Derivat des Epiglottisknorpels beurtheilen. Damit hat ein Skeletstück, das beim ersten Anblick selbständig erschien, seine Ableitung von einem primitiven Knorpel gefunden. Ich kann nicht schließen, ohne noch auf die Epiglottis von Myoxus glis Schreb. hingewiesen zu haben — der Kehlkopf dieser Species stellt übrigens ein ausgezeichnetes Beispiel für den vollständigen Anschluss der Plieae ary-epiglotticae an den Aditus laryngis bei scharfer Ausprägung der Plieae ary-epiglotticae vor. — Untersucht man die Epiglottis genauer, so sieht man, dass der Knorpel derselben auf die nächste Nachbarschaft des freien Randes der Epiglottisfalte beschränkt ist. Der weitaus größte Theil des 140 E. Göppert Bereiches, den wir sonst vom Epiglottisknorpel eingenommen sahen, ist hier ausgefüllt durch Drüsenmassen, die ihre Ausführgänge an der hinteren Seite der Epiglottisfalte münden lassen. Diese Drüsen bilden ein massiges ziemlich scharf gegen die Umgebung abgegrenztes Packet. Der im Vergleich dazu winzige Knorpel zeigt gegen das- selbe eine äußerst unregelmäßige, Vorsprünge und Einbuchtungen aufweisende Begrenzung, während er sich sonst ganz wie der oberste Theil des Epiglottisknorpels der anderen Nager verhält. Es kann nach unsern bisherigen Erfahrungen keinem Zweifel unterliegen, dass hier nur der letzte spärliche Rest eines ursprünglich mächtigeren, einer excessiven Rückbildung verfallenen Theils vorliegt. Diese Rückbildung geht so weit, dass der Epiglottismuskel seine Insertion nicht am Knorpel, sondern an der die Hintertheile des Drüsenpackets bekleidenden Bindegewebsschicht nimmt. Wir haben hier also ein Extrem der überall erkennbaren Rückbildungserscheinungen am Epi- glottisknorpel. Fassen wir jetzt noch einmal die hauptsächlichen bei den Nagern gewonnenen Resultate zusammen, so konnten wir unserer bisherigen Kenntnis von der Paarigkeit des Epiglottisknorpels noch eine Erweiterung in der Richtung geben, dass wir bei Mus und Arvicola die Existenz basaler Seitentheile des Epiglottisknorpels feststellten, welche ganz entsprechend den die WrRISBERG’schen Knorpel liefern- den Theilen des Epiglottisknorpels der vorher besprochenen Formen, den Plicae ary-epiglotticae nicht der Epiglottis- falte angehören und auf die Aryknorpel zustreben, aber die Eigenthümlichkeit besitzen, an ihrem Ende sich zuzu- spitzen ohne eine hornartige Ausdehnung nach oben zu gewinnen, die für die homologen Theile des Epiglottis- knorpels der Insectivoren, Myrmecophaga auch der Affen charakteristisch ist. Bei Lepus fehlt dieser basale Theil gänzlich. Seine ehemalige Existenz er- scheint wenigstens möglich durch das Bestehen des als Wrısger@e’schen Knorpel bezeichneten, der Plica ary-epiglottica angehörigen und dem Arytänoid ver- bundenen Knorpelstückes. Von Interesse war ferner die Ausbildung besonderer Knorpel zur Stütze eines aus den Ventrikeln hervorgehenden Nebenraumes des Larynx. Diese bei den Leporiden durch die Hamuli epiglottiei repräsentirten Theile glauben wir bei Mus und Arvicola Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 141 in einer Knorpelspange wiederzufinden, die den Ein- gang in den medianen Ventrikel dieser Nager stützt und gleichzeitig den Angriffspunkt der diesen Eingang be- herrschenden Muskelbündel darstellt. Wir schließen jetzt die Reihe unserer Untersuchungen ab und wollen noch einmal die durch dieselben gewonnenen Resultate über- schauen. Die Aufgabe, die der vorliegenden Arbeit ursprüng- lich zu Grunde lag, die Ermittelung der Herkunft des WRISBER@’schen Knorpels, wurde in dem Sinne gelöst, dass das fragliche Skeletstück als ein Abkömmling des Epiglottisknorpels erkannt wurde. Während früher allgemein das Stützgebilde der Epiglottis als ein im Wesentlichen auf letztere beschränktes Knorpelstück an- gesehen wurde, konnte in einer Reihe von Fällen nachgewiesen werden, dass der Epiglottisknorpel ein mächtiges, verhältnismäßig komplieirt gestaltetes Gebilde darstellt, das keineswegs auf die Epiglottis beschränkt bleibt, sondern weiter auf andere Theile über- greift, so dass die Stütze der Epiglottis nur von dem medianen Theile des Knorpels gebildet wird. Als Typus für dieses Verhalten kann der Epiglottisknorpel der Insectivoren dienen. Ein breites, an seinem basalen Rand eine mediane Einkerbung aufweisendes Knorpelband umgreift hier weit nach hinten reichend den Kehlkopfeingang an seiner Vorder- (Ventral-) seite. Von diesem Knorpelband entspringen drei Fortsatzbildungen: Eine breite unpaare, mediane Platte, die in die Epiglottis hineinragt, und zwei laterale hornförmige »Processus cuneiformes«. Wir konnten nun bereits bei den Insectivoren unzweideutige Zeichen von Rück- bildung an den basalen Theilen dieses Knorpels nachweisen. Er- heblich vermehrt fanden wir dieselbe bei Myrmecophaga didactyla, deren Epiglottisknorpel sonst im Wesentlichen mit dem der Insecti- voren übereinstimmte. Hier hatte, ohne dass die äußere Form des Skeletstückes eine Änderung erlitt, das heißt unter dem Schutze des der Hauptsache nach intakten Perichondriums, eine Auflösung der Knorpelbasis in einzelne unregelmäßig gestaltete Bruchstücke unter Betheiligung von Drüsenwucherungen stattgefunden, als deren wesent- liche Leistung jederseits die Isolirung des Processus cuneiformis sammt des ihn tragenden Stückes der Basis gelten muss. 142 E. Göppert Wenn hier äußerlich die Einheit des primitiven Epiglottisknorpels noch gewahrt blieb, sehen wir sie bei den Caniden aufgehoben. Beim fertigen Thier traten uns an Stelle des einheitlichen Knorpels drei Stücke entgegen: der (sekundäre) Epiglottisknorpel und die beiden WRISBERG’schen Knorpel. Es gelang mit Sicherheit die Ho- mologie der letzteren mit den Seitentheilen des Insectivorenknorpels nachzuweisen: Form und Lage der Knorpelstücke beweisen dieselbe. Die Ontogenie zeigte, dass sogar vorübergehend eine Verbindung zwischen den Anlagen des (sekundären) Epiglottisknorpels und der WrisBERG’schen Knorpel besteht, auf welche selbst beim neugebornen Hund noch sichere Anzeichen hinwiesen; endlich leistete uns die Entwicklungsgeschichte noch den Dienst, die Verbindung zwischen Arytänoid und WrısBErg’schem Knorpel als eine sekundäre Erwer- bung zu erweisen, indem trotz des an einer beschränkten Stelle unmittelbaren Zusammenhangs der Anlagen beider Skeletstücke hier die charakteristische Anordnung der Vorknorpelzellen des Wrıs- BERG’schen Knorpels eine scharfe Abgrenzung des letzteren gegen die Arytänoidanlage erzeugte, eine Abgrenzung, die im fertigen Zu- stand fehlt. Damit war die Abkunft der Cartilago Wrisbergii vom primitiven Epiglottisknorpel erwiesen. Dasselbe konnte auch für die Cartilago Wrisbergii der höheren Affen und des Menschen geleistet werden. Den Ausgangspunkt bil- deten hier die Prosimier und zwar die Gattung Stenops. Es stellte sich heraus, dass Stenops einen Epiglottisknorpel besitzt, der dem der Inseetivoren, der Myrmecophaga, und der Stammform der Caniden gleicht, wie dieser stellt er ein bogenförmig den Kehlkopfeingang um- fassendes Knorpelband vor, von dem sich median die hier sehr mächtige Stützplatte der Epiglottis erhebt, während die beiden Enden des Bandes niedrige Processus cuneiformes nach oben entsenden. Ein medianer Einschnitt des basalen Randes lässt die Paarigkeit der ganzen Bildung noch schärfer hervortreten. Jederseits fand sich der Epiglottisknorpel durch ein schmales Knorpelband mit dem Arytänoid in Verbindung. Nach dem Verhalten der Verbindung beider Knor- pel, sowie auf Grund unserer bisherigen Erfahrung mussten wir diesen Zusammenhang als einen sekundären betrachten. An Stenops schließt sich nun unmittelbar Otolienus an. Der primitive Epiglottisknorpel des ersteren ist hier bereits in drei Stücke zerfallen, eben in die Wrispere’schen und den sekundären Epiglottis- knorpel. Wenn einerseits das Verhalten der Knorpelbasis bei Stenops Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 143 auf die bevorstehende Dreitheilung des ganzen Gebildes hindeutete, so ist andererseits bei Otolienus die primitive Zusammengehörigkeit des Epiglottisknorpels mit den Wrissere’schen Knorpeln unverkennbar. Jenseits der Prosimier fanden wir den alten Verband des primi- tiven Epiglottisknorpels noch erhalten bei den Arctopitheei (Hapale) und den Platyrrhinen (Cebus und Ateles), während bei den Catarrhi- nen und beim Menschen der Wrispera’sche Knorpel zur Selbständig- keit gelangt ist. So konnte in einer zweiten Beweisreihe auch für die Primaten der ursprüngliche Zusammenhang der Cartilago Wrisbergii mit dem Epiglottisknorpel erhärtet, die Abkunft beider als Theile eines »primitiven Epiglottisknorpels« sichergestellt werden'. Im Laufe der Untersuchung zeigte sich, wie schon oben er- wähnt, mehrfach die interessante Thatsache, dass der primitive Epiglottisknorpel mit einem erheblichen Theil gar nicht der Epiglottis angehört. Bei der Erläuterung dieser Verhältnisse musste allgemeiner auf die Gestaltung des Kehlkopfeingangs Rücksicht genommen wer- den. Es musste zunächst betont werden, dass im primitivsten Ver- hältnis, bei Echidna, die Epiglottis nur mit einem mittleren und 1 Ich muss hier noch einmal kurz auf die bereits eitirte Arbeit von J. Buanp Surron zurückkommen. Surron will die Natur des sogenannten falschen Stimmbandes aufklären. Er beschreibt die WRISBERG’schen Knorpel des Menschen als eingebettet in die falschen Stimmbänder und fährt fort: on tracing them (false vocal cords) backward the fibrous bands will be found to send from their points of attachment to the arytenoids, accessory slips to the cornicula laryngis (SANTORINI's). Surron sucht nun diese Verhältnisse durch Untersuchungen an Siiugethieren aufzuhellen. Besonders wichtig war ihm dabei der Befund bei Myrmecophaga, dessen Schilderung oben bereits kri- tisirt wurde. Ähnliche Verhältnisse sollte auch der Bär (Ursus himalayensis) bieten. Surron kommt danach zu dem Schluss, dass, so far as Man is con- cerned the false vocal cords with the cuneiform cartilages are the degenerate representatives of the piece of cartilage by means of which the epiglottis and cornicula were originally united. Es bedarf jetzt keiner Erliuterung mehr, dass nach unseren Untersuchungen die Lage des WrisperG’schen Knorpels (oder der Cartilago euneiformis) zur Epiglottis einerseits, zum Arytänoid anderer- seits, sich allgemein anders darstellt, als Surron dachte. Immerhin hat-SUTTON bereits das verbreitete Vorkommen von Knorpeltheilen oberhalb der MORGAGNI- schen Taschen festgestellt, die zum Epiglottisknorpel in Beziehung stehen. Von der von uns gegebenen Deutung derselben kann naturgemäß in der unter ganz anderen Gesichtspunkten und mit ganz anderen Zielen unternommenen Arbeit Surron’s nicht die Rede sein. 144 E. Göppert zwar dem knorpelig gestützten Theil der eigentlichen Begrenzung des Aditus laryngis angehört, dass die seitliche Begrenzung des- selben aber von den Plicae ary-epiglotticae, zwei Arytänoid und Epiglottisbasis jederseits mit einander verbindende Falten gebildet wird. Die seitlichen Theile der Epiglottis waren damit von der Betheiligung am Aufbau der Wandung des obersten Kehlkopfraumes ausgeschlossen. Wir bezeichneten die nach außen’ von den vorderen Insertionen der ary-epiglottischen Falten gelegenen Abschnitte der Epiglottis als Plicae epiglotticae laterales. Bei den höheren Formen passen sich diese Plicae epiglotticae laterales, wie GEGENBAUR zeigte, dem Kehlkopfeingang an. Sie geben nicht nur ihre annähernd frontale Stellung, die sie noch bei Echidna zeigen, auf, indem sie seitlich vom Aditus laryngis nach hinten biegen, um so in Verbindung mit den Plicae palato-pharyngeae die Fauces medial abzuschließen, sondern können in manchen Fällen mit ihren Enden die Spitzen der Arytänoide erreichen, und somit dem primitiven Kehlkopfeingang ein Ansatzrohr hinzufügen. Auch dann nannten wir sie noch Plicae epiglotticae laterales. Es zeigte sich nun, dass selbst in diesen extremen Fällen des Anschlusses der Epiglottis an den Kehlkopfeingang die alten Plicae ary-epiglotticae erhalten bleiben. Allerdings weisen sie dann oft Riickbildungserscheinungen auf im Vergleich zu ihrem Verhalten bei weniger engen Beziehungen zwischen Epiglottis und Aditus laryngis (so bei Mus, Arvicola, Lepus, Lemur). Sie können selbst ihren Charakter als ary-epiglottische Falten einbüßen, indem sie mit ihrem freien Rand nicht mehr die Epiglottis erreichen, sondern schon weiter unten in der Höhe der oberen Theile des Thyreoids enden (Plicae ary-thyreoideae, Lemur, Felis domestica). Andererseits ließen sich auch Fälle nachweisen, in welchen die Plicae epiglotticae laterales der Rückbildung ganz oder fast ganz verfallen waren. Hier zeigten sich dann die Plicae ary-epiglotticae als die eigentlichen Schützer des Kehlkopfeingangs stark ent- wickelt (Insectivoren, Canis, Ursus, Mensch). Auferlich konnte da- bei das Verhalten des Kehlkopfeingangs in hohem Grade dem der oben bezeichneten Kategorie von Fällen gleichen. In solchem Falle sicherte die Untersuchung jugendlicher Exemplare die Beurtheilung. Berücksichtigt man diese Verhältnisse bei der Betrachtung der Lage des Epiglottisknorpels in den zur Untersuchung gelangten Fällen, so sieht man, dass die seitlichen Theile der Knorpelbasis nicht der Epiglottis, sondern den Plicae ary-epiglotticae angehören, oder doch Über die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 145 wie bei Echidna derartig orientirt sind, dass sie bei erheblicherer Ausdehnung in die ary-epiglottischen Falten eingetreten wären. Ganz entsprechend liegen auch die Wrispere’schen Knorpel in den ary-epiglottischen Falten. Im Gegensatz hierzu ragen die seitlichen Theile der medianen Platte des Epiglottisknorpels entweder in die Plicae epiglotticae laterales hinein oder verhalten sich so, dass ein weiteres Wachsthum sie nothwendig in diese hineinführen müsste. Mit anderen Worten, der primitive Epiglottisknorpel gehört mit seinen basalen Theilen der vorderen Umgrenzung des primitiven Kehlkopfeingangs, und nur mit seinem medi- anen plattenartigen Fortsatz der Epiglottisfalte an resp. dem von letzterer gebildeten sekundären Kehlkopfein- gang. Auch der mediane Theil der Knorpelbasis lag in vielen Fällen außerhalb der Epiglottisfalte. Durch alle diese Verhältnisse zeigte sich der Epi- glottisknorpel in einer gewissen Selbständigkeit der Epiglottisfalte gegenüber; d.h. Form und Lagerung seiner Basis kann nicht aus seinen Beziehungen zur Epiglottis- falte verstanden werden. Es fanden sich nun in mehreren der untersuchten Ordnungen, bei den Nagern, den Carnivoren, den Prosimiern, neben Formen, die einen mächtig entfalteten, paarigen Epiglottisknorpel besaßen oder be- sessen haben mussten, andere, denen jede Spur von Paarigkeit oder erheblicherer Ausdehnung des Epiglottisknorpels fehlte. Da fragt es sich, ob hier Rückbildungserscheinungen oder am Ende primitive Ver- hältnisse vorliegen. Nun hat sich aber gezeigt, dass die Paarigkeit der Basis des (primitiven) Epiglottisknorpels so wie seine Beziehungen zu den ary- epiglottischen Falten über die ganze Säugethierreihe verbreitet sind. Beides fand sich bei Monotremen und bei den verschiedensten Ord- nungen der Placentalier und mag noch in vielen Fällen, die hier nieht untersucht wurden, nachweisbar sein, wie das vielfache Vor- kommen des Wrisger@’schen Knorpels erwarten lässt. Demnach wird man nicht daran zweifeln können, dass die Paarig- keit des Epiglottisknorpels so wie seine Beziehung zum primitiven Kehlkopfeingang eine bereits der Stammform aller Säuger zukommende Eigenthümlichkeit gewesen ist. Wir trafen ferner gerade an den basalen Theilen des Epiglottis- knorpels überall auf Rückbildungsvorgänge, meist vergesellschaftet mit Drüsenwucherungen, die den wohl schon vorher der Degenera- Morpholog. Jahrbuch. 21. 10 146 E. Göppert tion verfallenen Knorpel auflösten. Wie weit diese Rückbildungen gehen können, zeigte das Beispiel von Myoxus glis. Von dem ganzen Epiglottisknorpel blieben hier nur verhältnismäßig spärliche Reste längs des freien Epiglottisrandes erhalten. Demnach erscheinen Riickbildungsvorgiinge wohl im Stande die primitive Paarigkeit des Epiglottisknorpels völlig zu verwischen. Dass sie dies auch that- sächlich leisten, zeigen auf das deutlichste die Verhältnisse des menschlichen Kehlkopfs. Der Wrispere’sche Knorpel desselben ist das einzige Kriterium der primitiven Paarigkeit des menschlichen Epiglottisknorpels. Er fehlt oft. In solchem Fall haben wir nicht den geringsten Anhaltspunkt für eine richtige Beurtheilung des Epi- glottisskelets. Indem wir diese Erfahrung verwerthen, führen wir im Anschluss an das oben Bemerkte jedes Fehlen basaler Paarigkeit am Epiglottisknorpel auf Rückbildung seiner Basis zurück. Mit großer Wahrscheinlichkeit können wir den bei Echidna kon- statirten Zustand des Epiglottisknorpels als den primitiven ansehen und eine weitere Ausbildung desselben als eine sekundäre Erwerbung betrachten. Das Verhalten bei Mus und Arvicola würde zu den Formen des Knorpels überleiten, die Myrmecophaga, die Insectivoren, die Stammform der Caniden und Stenops aufweisen. Im Großen und Ganzen erkennen wir also in dem Epiglottisknorpel ein Gebilde, das mit seiner paarigen Basis sich ganz identisch verhält, wie die übrigen un- zweifelhaft dem Visceralskelet entstammenden Bogen- bildungen des Kopfdarmes der Säuger. Wie diese um- spannt er mit seinen beiden symmetrisch angeordneten basalen Theilen von der Ventralseite her bogenförmig den ihm zugehörigen Abschnitt des Darmsystems. Es springt sofort in die Augen, dass damit eine wei- tere Stütze für die Auffassung des Epiglottisknorpels als eines Abkömmlings des Kiemenskelets gegeben ist. Unsere Kenntnis der Geschichte des Epiglottisknorpels erfährt nun nach den obigen Darlegungen einige Erweiterungen. Wir hatten bereits in der Einleitung zur Wiedergabe der GEGENBAUr’schen Aus- führungen dargestellt, wie beim Übergang von der Wasser- zur Luftathmung auch der sechste Visceralbogen (vierte Kiemenbogen) rudimentär wurde, jedoch durch seinen Anschluss an die Luftwege erhalten blieb. Wie der Luftathmungsapparat den siebenten Visceral- bogen, später auch den vierten und fünften in seinen Dienst zog, so geschah es ganz analog mit dem sechsten Bogen. Seine ursprüng- Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 147 liche Funktion fiir die Luftwege der Vorfahren der Säuger bestand vor Allem in der Stütze der für die Organisation derselben so wichtigen Epiglottis, später gewann er, wie wir im Laufe dieser Arbeit zeigen konnten, weitere Bedeutung für andere Theile des Kehlkopfeinganges und damit auch höhere Ausbildung. Er nahm nicht nur an Umfang zu, sondern ließ auch neue Bildungen hervorgehen: Processus cunei- formes, WRISBERG’schen Knorpel, Hamuli epiglottici, Ventrikeleingangs- knorpel bei Mus und Arvicola, Haftfortsätze, gewann innige Beziehungen zu Thyreoid oder Arytänoid. Mit dem allmählichen Aufgeben eines paarigen Speisewegs und den damit in Verbindung stehenden Um- gestaltungen büßte er allmählich seine neu erworbene Bedeutung ein, bis er endlich, sammt seinen Derivaten zum zweiten Mal in die Reihe der rudimentären Bildungen eintrat (Mensch). Es ist gewiss von allgemeinerem Interesse für unsere Vorstel- lungen von der Genese des thierischen Körpers, wenn wir bei der hier vertretenen Auffassung sehen, wie ein Theil desselben seine ursprüngliche Bedeutung und Ausbildung verliert, dann im Dienst eines neu entstehenden Organs zu neuer Funktion und neuer Ent- wicklung gelangt, schließlich aber wieder der Rückbildung verfällt, wie aber die ganze Reihe dieser fortschreitenden und rückschreiten- den Entwicklungsvorgiinge mit einem steten Fortschreiten der Ge- sammtorganisation in engstem Connex steht. ; Den 14. November 1893. Litteraturverzeichnis. 1) Jon. FRIEDR. BRANDT, Observationes anatomicae de Mammalium quorundam, praesertim quadrumanorum vocis instrumento. Diss. inaug. Berolini 1816. 2) J. M. Busch, De mechanismo organi vocis, huiusque functione. Groning. 1770. Citirt nach A. v. HALLER. Bibliotheca anatomica. Tom. I. Tiguri 1777. 3) Eve. Dusois, Zur Morphologie des Larynx. Anatomischer Anzeiger. I. 1886. pag. 178. 4) M. FÜRBRINGER, Beitrag zur Kenntnis der Kehlkopfmuskulatur. Inaugural- Dissertation. Jena 1875. 5) C. GEGENBAUR, Die Epiglottis. Vergleichend-anatomische Studie. Leipzig 1892. 10* 148 E. Göppert 6) J. HENLE, Vergleichend-anatomische Beschreibung des Kehlkopfs mit be- sonderer Beriicksichtigung des Kehlkopfs der Reptilien. Leipzig 1839. 7) —— Handbuch der Eingeweidelehre des Menschen. II. Aufl. Braunschweig 1873. 8) G. B. Howes, Rabbit with an intra-narial epiglottis, with a suggestion concerning the phylogeny of the mammalian respiratory apparatus. Journal of anat. and physiol. Vol. XXIII. New Series. Vol. III. Part II. Edinburgh 1889. 9) —— Additional observations upon the intranarial epiglottis. Ibidem. Part IV. 10) E. Karn, Zur Morphologie des WRISBERG'schen Knorpels. Aus dem ana- tomischen Institut des Herrn Professor ZUCKERKANDL in Graz. Mit- tbeilungen des Vereins der Ärzte in Steiermark. XXIII. Vereinsjahr. 1886. Graz 1887. 11) C. MAYER, Über die menschliche Stimme und Sprache. MEckEL's Archiv für Anatomie und Physiologie. Leipzig 1826. pag. 193. 12) R. OwEn, The anatomy of Vertebrates. Vol. III. London 1868. 13) J. Rickert, Der Pharynx als Sprach- und Schluckapparat. Eine verglei- chend-anatomische Studie. München 1882. 14) J. BLAND Surron, On the nature of ligaments. Part VI. The vocal cords and the Hyo-epiglottideus muscle. Journal of anat. and physiology. Vol. XXIII. New Series. Vol. III. Part II. London 1889. 15) A.H. Young and A. Roprnson, On the anatomy of Hyaena striata. Part I. Journ. of Anat. and Physiol. Vol. XXIII. New Series. Vol. III. Part I. London-Edinburgh 1888. 16) M. L. WALKER, On the Larynx and Hyoid of Monotremata. Studies from the Museum of Zoology in University College Dundee. Dundee 1889. 17) H. H. WILDER, Studies in the phylogenesis of the larynx. Anat. Anzeiger. VII. 1892. No. 18. 18) L. WoLFF, Dissertatio anatomica de organo vocis mammalium. Berolini 1812. Erklärung der Abbildungen. Tafel III und IV. Für alle Figuren geitende Bezeichnungen. Ar Arytänoid, M.interar Musculus interarytaenoideus, Cr Crieoid, M.thyr-ar Muse. thyreo-arytaenoideus, D Drüsen, Pl.ar-ep Plica ary-epiglottica, Ep Epiglottis, Pl.ep.lat Plica epiglottica lateralis, Ep. Kn Epiglottisknorpel, Pl.p-ph Plica palato-pharyngea, F Fauces, Tr.Kn Trachealknorpel, H Hyoid, Ventr.Morg. Ventriculus Morgagnii, L Zunge, Wrsbrg WRISBERG'scher Knorpel resp. Lig.voe Ligamentum vocale, der von demselben gebildete Wulst. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 6. Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 149 Talpa europaea!. Kehlkopf mittels eines sagittalen Schnittes durch seine Hinterwand geöffnet und ausgebreitet. Ansicht der Innenseite. 7/1. Die Stellen, an welchen Skeletstücke durch die Schleimhaut hindurch- schimmern, sind hell dargestellt. Man iiberblickt vollkommen die Gestalt des Epiglottisknorpels. Z.m mediane Platte, B.S basales Seitenstück desselben. Pr.cun Processus euneiformis. A Fortsatz des Arytänoids. Bei Cr Schnittfläche des Cricoids. Talpa europaea. Medianer Sagittalschnitt durch den Kehlkopf. 17/1. Der Epiglottisknorpel (Ep.Kn) ist an zwei Stellen durch Ausführgänge der Drüsenmasse (D) durchbrochen. Der Unterschied im Ton soll das verschiedene Verhalten der basalen und der oberen Theile des Epiglottisknorpels andeuten. Zy lymphatisches Gewebe. AM.gl-ep Musculus glosso-epiglotticus. Vs Gefäße. Thyreoid (7%) und Hyoid (H\ sind verknöchert, enthalten Markräume. Erinaceus europaeus. Neugeboren. Ansicht des Kehlkopfeingangs von der linken Seite. 7/1. Ausnahmsweis starke Entwicklung der Plica epiglottica lateralis (Pl.ep.lat). Hund. Neugeboren. Aufsicht auf den Kehlkopfeingang. 4/1. Aus- nahmsweise Entwicklung der Plicae epiglotticae laterales (Pl.ep.lat). W Vorsprung, gebildet durch die obere Spitze des WRISBERG’schen Knorpels. S von dem Processus Santorini des Arytänöids gestützter Theil des Kehlkopfeingangs. Hund. Erwachsen. Stiick aus einem Sagittalschnitt durch den Epiglottisknorpel. 47/1. Per Perichondrium. Kn Platte von elastischem Knorpel. B Bindegewebsziige mit massenhaften elastischen Fasern. F Fettzellen. Hund. Embryo von 8 em Steiß-Nackenlänge. Sagittalschnitt durch den Kehlkopf, lateral von der Medianebene. 17/1. Der Schnitt zeigt die Verbindung zwischen der Anlage des (sekundiren) Epiglottis- knorpels (Ep.Kn) und der des WRISBERG’schen Knorpels (Wrsdrg). Pr.Sant. Processus Santorini. M.gl-ep Musculus glosso-epiglotticus. Hund. Embryo von 6,3 cm Steiß-Nackenlänge. Sagittalschnitt durch die Verbindungsstelle zwischen der Anlage des WRISBERG’schen Knor- pels (Wrsbrg) und der des Arytänoids (Ar). 60/1. Myrmecophaga didactyla. Kehlkopf halbirt; Ansicht der rechten Hälfte desselben von innen. 5/1. Die Form des Epiglottisknorpels (Ep.Kn) schimmert deutlich durch. Man unterscheidet die mediane Platte (Z.m), die basalen Seitentheile (B.S), den Processus cuneifor- mis (Pr.cun) der letzteren. Zig Vorwölbung durch das Ligament zwischen Epiglottisknorpel und Arytänoid. Bei a flache Ausbuchtung des Kehlkopflumens (s. Text). Thyreoid (Zh), Hyoid (7) und Cri- coid (Cr) sind verknöchert und besitzen Markräume. Myrmecophaga didactyla. Querschnitt durch die rechte Hälfte der Basis des Epiglottisknorpels. 30/1. Die Knorpelstücke (Kn) sind dunkel gehalten. a Sockel des Processus cuneiformis. D Drüsen. Per Perichondrium bei a und 5 durch Drüsen durchbrochen. 1 Siimmtliche Zeichnungen sind mittels des Zeichenapparats entworfen. Fig. Fig. Fig. ig. 15. Fig. Fig. Fig. 12. 13. ig. 14. 16. Lah E. Göppert Stenops gracilis. Kehlkopfeingang von hinten gesehen, nach Er- öffnung der hinteren Pharynxwand. 4,5/1. a Vorsprung durch den Processus cuneiformis des Epiglottisknorpels, d durch den Processus Santorini des Arytänoids gestützter Theil des Aditus laryngis. Pal.m weicher Gaumen. Lemur eatta. Ansicht der rechten Hälfte des halbirten Kehlkopfs. 4,5/1. Hf rechter Haftfortsatz des Epiglottisknorpels. Lig.voc.sp Taschenband. Pal.m Durchschnitt des weichen Gaumens. Ph. W Durch- schnitt der Pharynxwand. Pl.ar-thyr Plica ary-thyreoidea. Biegung der Epiglottis! Hapale Jacchus. Rechte Hälfte des halbirten Kehlkopfs. 6,5/1. Die vordere Hälfte der Plica ary-epiglottica ist in Folge ihrer Ver- laufsrichtung {von innen nach außen) nicht sichtbar. D Ort des Drüsenpackets zwischen Epiglottisknorpel (Zpkn) und Thyreoid (7%). Cebus capucinus. Linke Hälfte des halbirten Kehlkopfs. 5,5/1. Von der Plica epiglottica lateralis (Pl.ep.lat) ist der hintere Theil durch die Plica ary-epiglottica (Pl.ar-ep) verdeckt. Wölbung des Hyoids (7)! a rundliches, dem Thyreoidrand angefügtes Knorpelstück, Träger des Epiglottisknorpels (Zp. Kn). Cercopithecus entellus. Linke Hälfte des halbirten Kehlkopfs. 2,5/1. KS Kehlsack. K.S.Vor Vorraum des Kehlsacks. Stellung der Epiglottis (Zp)! Von der schwach entwickelten Plica epiglottica lateralis ist ein kleiner Theil sichtbar (Pl.ep.lat). M.gen.hy Musculus genio-hyoideus. Lepus euniculus. Kehlkopf mittels eines sagittalen Schnittes durch die Hinterwand geöffnet und ausgebreitet. Ansicht von hinten. 4,5/1. Hs.ep Hamulus epiglotticus. V mediane Ausbuchtung dés Kehlkopf- lumens, nach unten übergehend in die zusammenhängenden vorderen Theile der MorGaanrschen Taschen. A Verdickungen der Begren- zung der medianen Ausbuchtung durch Driiseneinlagerung. ZLig.voe.sp Taschenband. Die Befestigungsstellen der Plicae epiglotticae late- rales (Pl.ep.dat) an den Arytänoiden (Ar) sind hier verdeckt. Lepus euniculus. Neugeboren. Medianer Längsschnitt durch den Kehlkopf. 17/1. P.bas basaler Fortsatz des Epiglottisknorpels (Zp. Kn), entstanden durch Verschmelzung der oberen Theile der beiden Hamuli epiglottici. Ws Gefäß zwischen Epiglottisknorpel und Thyreoid (7%). Also hier keine Verbindung zwischen beiden Theilen! M.gl-ep Mus- culus glosso-epiglotticus. Lepus cuniculus. Neugeboren. Querschnitt durch Larynx und Pharynx. 20/1. Der Schnitt trifft den Kehlkopf etwas unterhalb der Hamuli epiglottici. VW mediane Ausbuchtung des Kehlkopflumens, vgl. Fig. 15 V. Am Eingang derselben bei D Schleimdrüsen. a Fo- ramen thyreoideum (Durchtritt von Gefäßen und Nerven). M.I-ph Musculus laryngo-pharyngeus. Lepus euniculus. Neugeboren. Querschnitt durch den oberen Theil des Kehlkopfeingangs und den Pharynx. 30/1. Basis des Epiglottis- knorpels (Ep.Kn), durch die Anordnung der Elemente deutlich paarig. Hf Haftfortsätze, mit dem Thyreoid (7%) durch das beiderseitige Peri- chondrium in Zusammenhang. Vs Gefäß, entsprechend dem gleich- bezeichneten in Fig. 16. M.l-ph Musculus laryngo-pharyngeus. Morpholog Jahrb BANK | | 3 a a 2 Pl.arepy-~~ cB Fig 7 MEERE : BB Zu) Me _ Fig.8. Canis. AR: ie x 3 3; N Myrmecophaga Fig.12. Hapale. Ep Kn Fig. 3. Erinaceus. Ep = -- "mM. thiyt-ar Fig-6. Canis. Embr. E.Goeppert del, 7 ; ; Lith AnetsEAPunte Leipzig. /oragy Wilh Engelmann ın Leipzig. E | j Taf IV. Fig.78. Lepus. v „Ih u \ Ja er ER ER EN ._...... if Mith.ar je -M? Ar ~ Ah pph a Th Th Fig.16. Lepus 1 : Lig voc. sp. Lig. vos. EGoepport del. Uih Angie A Funketeipaig. Yoag) Wilh Engelmann Leipzig i Fig. 19. Fig. 20. Fig. 21. Fig. 22. Uber die Herkunft des Wrisberg’schen Knorpels. 151 Arvicola (Paludicola) amphibius. Kehlkopf mittels eines sagit- talen Schnittes durch seine Hinterwand geöffnet und ausgebreitet. Ansicht von hinten. 10/1. V medianer unpaarer Ventrikel. Die hinteren Befestigungsstellen der Plicae epiglotticae laterales (Pl.ep.lat) eben so verdeckt wie in Fig. 15. Mus musculus. Sagittalschnitt durch den Larynx, seitlich von der Medianebene. 24/1. B.S basales Seitenstiick des Epiglottisknorpels (Ep.Kn), auf das Arytiinoid zustrebend und mit demselben durch ein Band (Zig) verbunden. Hf Haftfortsatz, mit dem oberen Rande des Thyreoids (7%) durch den Zusammenhang der beiderseitigen Perichon- driumschichten verbunden. V seitlicher Theil des medianen Ven- trikels (vgl. V Fig. 19 und 21). V.Kn Ventrikeleingangsknorpel, in Ver- bindung mit einem Theil des Musculus thyreo-arytaenoideus (M.th-ar). Arvicola arvalis. Neugeboren. Querschnitt durch Larynx und Pharynx. 33/1. Der Schnitt geht gerade durch den medianen Ven- trikel V. V.Kn Ventrikeleingangsknorpel. M? Theil des Musculus thyreo-arytaenoideus, befestigt am Ventrikeleingangsknorpel. PA Pha- rynx. a Foramen thyreoideum. Seiurus vulgaris. Sagittalschnitt durch den Kehlkopf. Lateral von der Medianebene. 6/1. Ventr.Morg seitliche Ausbreitung des vorderen Theils des MorGaGni'schen Ventrikels. K.S kehlsackartige Ausstül- pung desselben. — 152 F. Maurer, Glatte Muskelzellen in der Cutis der Anuren ete. Glatte Muskelzellen in der Cutis der Anuren und ihre Beziehung zur Epidermis. Von Prof. F. Maurer. Dass in der Haut der Amphibien glatte Muskelzellen auftreten, ist lange bekannt. Besonders berücksichtigt wurden vielfach solche an der Oberfläche der Hautdrüsen gelagerten Elemente (LeypiG u. A.). In der letzten Zeit sind mehrere Arbeiten erschienen, welche die Herkunft dieser Elemente aus der Oberhaut selbst außer Zweifel stellen (HEIDENHAIN, NICOGLU, VOLLMER). Bei der Untersuchung der Haut von Anuren fielen mir an senkrechten Schnitten durch die Rückenhaut erwachsener Frösche (Rana esculenta und temporaria) eigenthümliche Stellen der Epidermis auf, über welche das Stratum corneum ununterbrochen wegverlief, aber eine grübchenartige Einziehung zeigte. Unter dieser Hornschicht fanden sich hohe Cylinder-, ja stäbchenförmige Zellen, welche erstens einen ganz kleinen, scharf begrenzten Bezirk darstellten, und zweitens sich in die Tiefe über die Basalfliicke der Epidermis hinaus erstreckten um sich kontinuirlich in ein Bündel von Faserzellen fortzusetzen, das in senk- rechter Richtung nicht nur die subepitheliale lockere Coriumschicht, sondern auch die darunter gelegene derbe, straffe Lederhaut durchsetzte und in dem unter letzterer gelegenen Bindegewebe endigten. Solche Bildungen fanden sich in kleinen Abständen von einander überall zerstreut. Es handelt sich hier, wie die genauere Untersuchung ergab, um glatte Muskelzellenzüge, welche in direkte Verbindung mit der Epidermis treten. Eine Trennung von Epidermis- und glatten Muskelzellen ist thatsächlich unmöglich, auch Färbungen mit Pikrinsäure, Fuchsin und anderen Anilinfarben ergaben, dass der Ubergang der glatten Muskelzellen in die Zellen der Epidermis ein so allmählicher ist, dass der Gedanke nahe lag, diese glatten Muskelzellen seien aus der Epidermis entstanden, seien differenzirte Epithelzellen. Die nächstliegende Erklärung für diese Zellenzüge und ihren Zusammenhang mit der Epidermis wäre die, dass es sich hier um zu Grunde gegangene Hautdrüsen handelte, die nach längerer Funktion collabirt und obliterirt seien, und es hätten sich nur die glatten Muskelzellen erhalten. Das würde den kontinuirlichen Zu- sammenhang dieser Elemente mit der Epidermis verständlich machen. Diese Auffassung wurde aber durch zwei Thatsachen widerlegt: 1) erstrecken sich die Hautdrüsen bei diesen Fröschen niemals durch die ganze Dicke der straffen Lederhaut, sondern letztere zieht in ihrer größten Mächtigkeit unter den großen Drüsenkörpern weg, wenn sie auch durch dieselben tief ausgebuchtet wird. Die oben geschilderten glatten Muskelzellenzüge durchsetzen aber stets das straffe Corium in seiner ganzen Dicke. 2) von größerer Bedeutung sind noch die That- sachen, welche die Entwicklungsgeschichte darbietet. Da zeigt sich nämlich, dass diese Muskelstränge schon sehr frühzeitig angelegt sind und es ergiebt sich, dass sie unzweifelhaft Derivate der Epidermis darstellen. Sie finden sich schon bei Kaulquappen, welche kurz vor der Metamorphose stehen. In dem Stadium, in welchem die Hinterextremitäten schon völlig ausgebildet sind, die Vorderbeine aber noch im Kiemensack verborgen liegen, ist eine dünne, straffe Lederhaut überall unter der Epidermis entwickelt. An den meisten Körper- stellen liegt dieselbe der Epidermis dicht an. An gewissen Punkten aber hat sich zwischen beiden schon eine lockere Bindegewebsschicht gebildet, be- sonders da, wo die ersten Drüsenanlagen schon eine voluminösere Ausbildung zeigen und Platz zwischen Epidermis und straffem Corium beanspruchen. An den Stellen, wo die Epidermis unmittelbar an das straffe Corium grenzt, sieht man, wie von gewissen basalen. Epidermiszellen Fortsätze durch die straffe Coriumanlage hindurchreichen. Solche Zellen finden sich von Strecke zu Strecke, nicht allzu weit von einander entfernt. An den Punkten, wo eine lockere Gewebsschicht zwischen Oberhaut und straffem Corium auftritt, erkennt man, dass an den entsprechenden Stellen die Zellen der Epidermis an dem Corium festgehalten sind, und hier werden die Epidermiszellen bei der Weiter- bildung der Lederhaut in die Tiefe gezogen. Diese Epidermiszapfen bilden die Anlage der später bestehenden glatten Muskelzellenstränge, deren Zusammen- hang mit der Oberhaut somit ein primärer und durch ihre Genese bedingter ist. Genaueres über die Bildung und Bedeutung dieser Muskelzellen werde ich demnächst ausführlicher darlegen, hier galt es nur, die Bildung glatter Muskel- zellen aus dem Ektoderm, unabhängig von Drüsenbildungen, festzustellen. Uber die Herkunft der Scleroblasten. Ein Beitrag zur Lehre von der Osteogenese. Von Dr. Hermann Klaatsch, Privatdocent und Assistent am anatomischen Institut zu Heidelberg. Mit Tafel V—IX und 6 Figuren im Text. Einleitung. Für die richtige Beurtheilung der Eigenart eines Gewebes ist die Kenntnis der Quelle desselben von der größten Bedeutung. Von diesem Gesichtspunkte aus werden in neuerer Zeit die noch heute unter dem Mesoderm- oder Mesenchymbegriff vereinigten Gewebs- arten einer kritischen Sichtung unterworfen und es gelingt mehr und mehr, einige derselben im direkten genetischen Zusammenhang mit den beiden primären Keimblättern darzuthun. Für die entoder- male Herkunft der Bestandtheile von Blut und Lymphe, sowie der Elemente, welche die Blutbahnen auskleiden, werden wichtige Zeug- nisse beigebracht; auch für das Ektoderm werden Stimmen laut, welehe eine direkte Herleitung von Geweben aus diesem Keimblatt an Stellen befürworten, an denen bisher eine Entstehung von Mesen- chym nicht bekannt war und in späten embryonalen Perioden, in denen eine solche nicht erwartet wurde. Die Angaben von GORONO- wırscH und PLarr über die Entstehung »skeletbildender« Theile am Wirbelthierkopf sind hier in erster Linie zu nennen. Unter diesen Skeletbildungen sind es vor Allem bindegewebige, ja auch knorpelige Theile, für welche man eine ektodermale Herkunft vermuthet. Für das Knochengewebe wurde eine solche Ableitung bisher nicht erwiesen. Man hielt und hält es noch heute für eine mit Morpholog. Jahrbuch. 21. 11 154 Hermann Klaatsch dem Bindegewebe aufs nächste verwandte histiologische Formation — eine Auffassung, welche auch ich in meiner vor wenigen Jahren erschienenen Arbeit über die Fischschuppen vertreten habe. Den- noch fehlt es nicht an Thatsachen, welche die Besonderheit des Knochengewebes dem Bindegewebe gegenüber nahe legen. Der erste Schritt, durch welchen eine Sonderung der beiden Gewebs- arten von einander angebahnt wurde, war die Entdeckung der Osteoblasten. Die eigenartige epithelähnliche Beschaffenheit der Bildungszellen des Knochengewebes, sowie des ihm nahe verwandten Zahnbeins und ihre Verschiedenheit von den Bindegewebszellen ließ die in den Produkten beider Zellarten bestehenden Differenzen schärfer hervortreten. Dennoch konnte man sich nicht von der Auf- fassung frei machen, dass das Bindegewebe, indem es den Boden für die Knochenbildung abgiebt, auch als Matrix derselben, wenig- stens zum Theil eine wichtige Rolle spiele. Freilich wurde auch hierin der Blick allmählich geklärt durch die vergleichende Betrach- tung des Knochengewebes in der Wirbelthierreihe. GEGENBAUR zeigte, wie die den niedersten Vertebraten noch gänzlich fehlende Hartsubstanz zuerst in der Haut sich entfaltet und von da aus erst allmählich die tiefern Theile des Organismus occupirt. Die Pla- coidorgane der Selachier treten damit in den Vordergrund des Interesses, als diejenigen Bildungen, in denen zum ersten Male sich Knochengewebe entfaltet. Als Ausgangspunkt einer reichen Knochen- bildung wurden die von den Placoidorganen abstammenden Zahn- bildungen der Mundhöhle bei Amphibien von O. HERTwIG dargethan. Indem ich auf dieser Bahn in meiner früheren Arbeit weiterging, zeigte ich die innige genetische Beziehung zwischen den Bildnern der Basalplatte — den Osteoblasten — und den Odontoblasten und fasste beide Zellarten unter dem Namen der Scleroblasten zusammen. Schon damals betonte ich den direkten Anschluss der scleroblastischen Processe im Bindegewebe an die Schmelzbildung, an Vorgänge also, welche sich in der Epidermis abspielen, aber ich gelangte nicht zu einer abschließenden Betrachtung vom Wesen des Zusammenhangs der einzelnen Hartsubstanzgewebe unter einander: »Die Bildung einer Hartsubstanz von Seiten der Epidermis tritt in Beziehung zum Bindegewebe und diese von außen her erfolgte Einwirkung lässt aus der Reihe der Bindesubstanzgewebe einen neuen Zweig hervorgehen, das Zahnbeingewebe, welches dann, für sich weiter entfaltet, dem Knochengewebe den Ursprung giebt« (pag. 258). Die Thatsachen, welche mir damals bekannt waren, führten mich Uber die Herkunft der Scleroblasten. 155 zu der Vorstellung, dass die Einwirkung der Gewebe auf einander sich wie eine Art Reiz von außen nach innen fortpflanze und ich gab der Möglichkeit Raum. dass sich dabei ein Funktionswechsel der Elemente vollzöge, dass Bindegewebszellen sekundär zu Seleroblasten werden könnten. Dass jedoch diese Annahme nur einen Nothbehelf repräsentirte, wusste ich wohl, wie aus den folgenden Worten her- vorgeht: »Ich bin dieser Auffassung im Einzelnen überall gefolgt, da ich keine andere bessere dafür einsetzen konnte. Das Bedürfnis nach einer solchen aber drängte sich desshalb auf, weil in der von mir verwertheten Vorstellung ein dunkler Punkt sich findet, den ich wohl erkannte, aber nieht eliminiren konnte; es ist die Verwerthung des ‚Reizes‘, der sich von Zelle zu Zelle fortpflanzen soll. Ich halte es für wahrscheinlich, dass erneute Forschungen hier eine ein- fachere und korrektere Vorstellungsweise schaffen werden. Wie sich diese gestalten wird, lässt sich zwar voraussehen, aber nicht näher ausführen. Es genüge daher der Hinweis, dass dieselbe die Konti- nuität des Zellenmaterials, das den ersten Knochen schafft und die Verbreitung dieser Seleroblasten über den Organismus im Auge be- halten muss gegenüber der von mir vertretenen Funktionsänderung der Bindegewebszellen.« Ich habe seit der Zeit, wo ich dies schrieb, mich bemüht, die Lücke auszufüllen, welche ich damals lassen musste und ich glaube, dass dies jetzt zu einem großen Theil geschehen kann. Erneute Beobachtungen über die Ontogenese der Placoidorgane zeigten mir, dass namentlich die früheren Zustände der Selachierhaut keineswegs bisher genügend erkannt waren, und dass sie auf die Herkunft der Scleroblasten Licht werfen. Das Resultat, das ich so gewann, prüfte ich an den Flossenbildungen und gelangte für die Bildungszellen der Hornstrahlen zum gleichen Ergebnis. Ich zog dann ferner die Te- leostier heran, über deren erste Knochenbildung bisher so gut wie nichts bekannt war. Die Ontogenese der Kopfknochen von Salmo lieferte eine ausgezeichnete Bestätigung für die Richtigkeit meiner an Selachiern gewonnenen Ergebnisse. So glaube ich denn das Gesammtresultat für gesichert halten zu dürfen, wenn auch meine Untersuchungen über die Anwendung desselben auf die höheren Wirbelthiere noch nicht abgeschlossen sind. Ich prüfte dieselben in so weit, als sich erkennen ließ, dass sie keine fundamentalen Verschiedenheiten von den Fischen darbieten. Der ausführlichen Durcharbeitung des Themas für alle Wirbelthier- 11* 156 Hermann Klaatsch klassen diirfte der Boden geebnet sein und dies mag fiirs Erste ge- nügen. I. Von der Entwicklung der Placoidorgane. Bei meinen friiheren Untersuchungen iiber die Entwicklung der Placoidorgane stand mir nur ein geringes Material zur Verfiigung. Was ich über die betreffenden Processe an älteren Embryonen von Seymnus und Scyllium beobachtete, führte mich zum Theil zu einer Bestätigung der O. Herrwig’schen Angaben, zum Theil zu neuen Aufschlüssen über das Wesen der Basalplatte. Indem ich den Zu- sammenhang der Elemente, welche die Basalplatte liefern mit den » Odontoblasten« zeigte, gewann ich eine neue Grundlage für die mor- phologische Beurtheilung der Schuppenbildungen bei Ganoiden und Teleostiern. Vor Allem in Hinsicht auf die Vergleichung mit letzteren prüfte ich damals die Ontogenese der Placoidschuppe; dagegen traten die histiogenetischen Fragen zunächst mehr in den Hintergrund. Die Thatsachen, die ich damals kannte, genügten nicht, um die Frage nach der Herkunft der Scleroblasten erfolgreich in Angriff zu nehmen. Erneute Prüfungen des Objekts, welche ich zuerst mehr ge- legentlich bei den Untersuchungen über die Wirbelsäule der Selachier vornahm, zeigten mir, dass die frühen Entwicklungsstadien dieser Thiere für die Schuppenbildung ein weit größeres Interesse darbieten, als ich erwartet hatte. Ich hatte früher die Vermuthung, dass der Process der Schuppen- bildung bei allen Haifischen ziemlich gleichartig verlaufen werde; die Untersuchung von Mustelus belehrte mich eines Anderen. Sie zeigte mir — worauf bisher Niemand geachtet hat — dass verschie- dene ontogenetische Modi der Schuppenbildung bestehen. Die beiden, die ich kennen lernte, stehen sich freilich nicht unvermittelt gegen- über, wie sie denn auch von einem gewissen Stadium an in eine gemeinsame Bahn einlenken, aber die Besonderheiten des einen Modus sind doch in frühen Stadien recht bedeutend und sind für die histiogenetischen Fragen von großem Interesse. Noch in einem anderen Punkte ergaben die ontogenetischen Untersuchungen ein unerwartetes Resultat: Die ersten Vorgänge der Schuppenbildung reichen nämlich bei einigen Formen viel weiter zurück, als ich früher geglaubt und diese ersten, zum Theil die Uber die Herkunft der Scleroblasten. 457 Schuppenbildung gleichsam vorbereitenden Processe sind fiir die Be- urtheilung der Scleroblasten von Wichtigkeit. Die neue Grundlage, die ich so gewann, lässt mich jetzt auch viele Punkte in Betreff der älteren Stadien anders beurtheilen, als ich dies früher that. Schwierigkeiten, über die ich damals nicht hinauskam, finden jetzt ihre Erledigung; die Phylogenese der Placoid- organe wird von einer neuen Seite beleuchtet. Nach alledem ist es gerechtfertigt, wenn ich hier eine neue Schilderung von der Entwicklung der Placoidorgane entwerfe mit specieller Berücksichtigung der histiogenetischen Vorgänge. Von den beiden Arten der Schuppenbildung, die ich oben er- wähnte, werde ich zunächst die einfachere vorführen, wie sie die primitiven Formen der Haifische zeigen. Erst nach der Rückführung des zweiten komplieirten Modus auf den ersten sollen die allgemei- neren Fragen in Angriff genommen werden. 1) Schuppenbildung bei Acanthias. Von Acanthias vulgaris konnte ich eine Reihe von Entwicklungs- stadien untersuchen, welche ein annähernd vollständiges Bild vom Entwicklungsgang der Haut geben. Den größten Theil des betref- fenden Materials verdanke ich der Güte des Herrn Professor C. K. HorrMann in Leyden!. Das jüngste Stadium, welches ich untersuchte, entstammte einem Acanthias-Embryo von 3 em Länge. Auf Querschnitten zeigte die Haut — abgesehen von den Flossenanlagen, auf die ich weiter unten eingehe — folgendes Verhalten (Taf. V Fig. 1): Die Epidermis (Ep) hat eine Dicke von etwa 15 bis 20 u. Darunter findet sich die Anlage des Corium mit zahlreichen, dicht gedrängt stehenden embryonalen Bindegewebszellen. Die Epidermis ist überkleidet von einem zarten, stark licht- brechenden Cutieularsaum, welcher Spuren einer senkrechten Striche- lung aufweist. Die Elemente, welche die Epidermis zusammensetzen, lassen sich in zwei Schichten sondern, zu denen stellenweise noch eine dritte hinzukommt. Die wichtigste dieser Schichten ist die basale, ! Einen älteren Acanthias-Embryo bezog ich von der Zoolog. Station zu Neapel; von dort erhielt ich auch den größten Theil des Mustelus-Materials. Ferner wurde ich durch Übersendung von Material unterstützt von Herrn Prof. Craus in Wien (Mustelus laevis) und Herrn Prof. RuGE in Amsterdam (Spinax acanthias). Ich spreche denselben hiermit öffentlich meinen Dank aus. 158 Hermann Klaatsch welche von kubischen bis cylindrischen Zellen gebildet wird. Diese Elemente haben eine Höhe von ca. 8 bis 15 « und reichen an einigen Stellen bis an den Cuticularsaum. Ihre Breite schwankt von 5 bis zu 10 u. Ihre Kerne haben stets annähernd die gleiche Größe; sie stellen ovale Gebilde dar, deren größter Durchmesser senkrecht zur Oberfläche gestellt ist. Ihr Chromatin zeigt eine eigenthümliche Diffe- renzirung: an dem gegen das Corium hin gerichteten Pol ist es zu einer etwa sichelförmigen Masse angehäuft, während der übrige hellere Theil des Kerns ein zartes Gerüstwerk darbietet. Mit dieser Erscheinung geht eine andere, am Zellleib auftretende Hand in Hand. Der basale Theil der Zellen erscheint sehr scharf von dem unterliegenden Gewebe abgesetzt; bei schwacher Vergrößerung erhält man den Eindruck, als ob eine starke Basalmembran die Epidermis auf der Innenseite begrenzte. Bei starker Vergrößerung findet man jedoch nichts von einer solchen, erkennt vielmehr, dass dieselbe vor- getäuscht wird durch eine Differenzirung der Zellumgrenzung. Der nach innen vom Kern gelegene Theil des Protoplasmas erscheint stärker lichtbrechend als der übrige und erinnert lebhaft an das Bild, welches bei anderen Haifischarten die basalen Epidermiszellen bei der Schuppenbildung darbieten, kurz bevor sie den Schmelz absetzen. Man erhält so den Eindruck, als vollzögen sich in den basalen Epi- dermiszellen Vorgänge, welche eine Hartsubstanzbildung vorbereiteten. Im gleichen Sinne kann auch das Aussehen der Kerne verwerthet werden; ist es doch das gleiche, wie jenes, das ich von den Kernen der schmelzbildenden Zellen bei Scymnus in meiner früheren Arbeit (pag. 109) beschrieben habe. Die wahre Bedeutung dieser eigen- thümlichen Vorgänge in ihrer Beziehung zur Schuppenbildung kann erst später gewürdigt werden, hier sind dieselben nur in so fern zu berücksichtigen, als sie die basale Abgrenzung der Epidermis be- leuchten. In dieser Hinsicht ist es vor Allem wichtig, dass eine Basalmembran im gewöhnlichen Sinne nicht existirt, dass die scharfe basale Abgrenzung jeder einzelnen Zelle für sich zukommt und dem- gemäß den Intercellularräumen entsprechend modifieirt ist. Auch findet sich nach innen von der Epidermis eine schmale zellenfreie Zone. Durch alles Dieses ist die Abgrenzung der Epidermis gegen das Corium mit großer Schärfe gegeben. Dazu kommt noch, dass die Zellen des Corium durch ihre Kleinheit und durch ihre Anord- nung von denen der Epidermis aufs deutlichste unterschieden sind. Eine Abscheidung von Fibrillen kann ich in diesem Stadium noch nicht mit Sicherheit nachweisen. Uber die Herkunft der Scleroblasten. 159 Die mehr oberflichlich gelagerten Epidermiszellen unterscheiden sich von den basalen durch ihre stark abgeflachte Form. Zu äußerst findet sich unter dem Cutieularsaum eine fast überall kontinuirliche Lage stark abgeplatteter Elemente, deren Kerne auf dem senkrechten Durchschnitt stäbchenartig erscheinen und ein dunkles Chromatin aufweisen. An einigen Stellen vermitteln weniger abgeplattete Ele- mente den Übergang der Basalschicht zur Außenschicht. Diese intermediären Zellen haben auf dem Durchschnitt eine Höhe von etwa 5 « und eine Breite von ca. 20 u. Die Kerne sind entsprechend gestaltet und färben sich nicht so dunkel, wie die der Außenschicht. Das nächste Stadium, welches mir zur Verfügung stand, ent- spricht einem Acanthias-Embryo von 5 cm Länge. Liegt auch eine nicht unbeträchtliche Lücke zwischen diesem und dem vorigen, so lassen sich doch die Befunde beider ohne Weiteres an einander anreihen. An vielen Stellen findet sich die Epidermis noch in nahezu gleicher Weise, wie im vorigen Stadium; an anderen hingegen ist eine Ver- änderung eingetreten, welche ganz besondere Beachtung verdien (Fig. 2, 3, 4, 5). Die Epidermis hat an Dicke gewonnen; diese beträgt jetzt ca. 25 u. Auch die Lederhaut hat sich verdickt und enthält jetzt noch weit mehr Zellen als früher, auch treten die ersten Spuren einer fibrillären Differenzirung in derselben auf. An Stellen, welehe noch keine weiteren Komplikationen auf- weisen, hält es nicht schwer, die Bestandtheile der Epidermis auf diejenigen des vorigen Stadiums zu beziehen. Der Cuticularsaum ist deutlich, hat jedoch weder an Dicke noch an Lichtbreehungsvermögen gewonnen. Hier und da finden sich unter demselben die abgeplatteten Elemente des vorigen Stadiums, aber die Mehrzahl der Zellen hat den Charakter der intermediären Elemente gewonnen. Die Basalschicht ist als solehe ohne Weiteres deutlich (vgl. Fig. 2 links). Ihre Elemente haben sich in manchen Punkten verändert. Vergebens sucht man nach jenen an Schmelz- bildung erinnernden Erscheinungen. Das Chromatin der Kerne ist gleichmäßig in demselben vertheilt als feines Gerüstwerk, nur manchmal zum Theil an der Kernmembran, zum Theil um ein oder mehrere Kernkörperchen etwas verdichtet. Waren vorher die Kerne annähernd von gleicher Größe, so ist diese Regelmäßig- keit jetzt vollkommen gestört. Wie ein Blick auf die Fig. 2—5 lehrt, finden sich ganz bedeutende Schwankungen in der Größe der Kerne. Nur die ovale Form ist immer annähernd die gleiche. Der 160 Hermann Klaatsch größte, zur Oberfläche senkrecht gestellte Durchmesser schwankt von 5 bis zu 12, der kleinste von 3 bis 7 a. Einige Kerne und damit auch die Zellen erreichen eine ganz bedeutende Größe. In der Vertheilung der Elemente ist eine gewisse Regelmäßigkeit unver- kennbar. Es finden sich auf dem Schnitt immer etwa 3 bis 5 kleine Kerne neben einander, erst dann folgt ein größerer. Die Abgrenzung der Basalzellen nach innen hat ebenfalls eine bedeutende Veränderung erfahren. Die verdiekte Basalzone der einzelnen Elemente ist geschwunden; an einigen Stellen findet sich statt dessen ein zarter, mehreren Elementen gemeinsamer Basalsaum, an anderen Stellen hingegen ist keine Spur davon zu erkennen. Nur eine feine, der Oberfläche parallel gestreifte Substanz breitet sich nach innen von den Basalzellen aus. Sie erfüllt eine relativ breite Zone, welche etwa in einer Dicke von 5 u zwischen der Basalschieht der Epidermis und den Zellen des Coriums sich aus- breitet. Bei schwacher Vergrößerung scheidet sie aufs deutlichste Epidermis und Corium, aber bei starker Vergrößerung wird es un- möglich, anzugeben, in wie weit diese »Grenzschicht« (Gr) dem Bindegewebe des Coriums oder der Epidermis zugehört. Die innersten fibrillären Partien gehen kontinuirlich in die Zwischensubstanz des Coriums über. An den bisher betrachteten Stellen ist diese Grenzzone gänzlich frei von Elementen; an anderen finden sich solche (Sed) in derselben, theils vereinzelt, theils in größerer Zahl bei einander. Es erhebt sich nun die Frage, woher diese Zellen stammen, ob sie vom Corium aus emporgetreten, oder ob sie von der Epidermis aus in die Tiefe gerückt sind. Eine genaue Prüfung der kritischen Stellen, deren einige auf den Fig. 2—5 wiedergegeben sind, zeigt aufs klarste, dass die Elemente der Grenzzone aus dem Verbande der Epidermis sich gelöst haben. Zunächst lässt sich ohne Wei- teres die andere Möglichkeit ausschließen. Die äußere Oberfläche des von den dichtgedringten Coriumelementen gebildeten Zell- materials ist auf dem Schnitt annähernd geradlinig abgegrenzt, nir- gends finden sich Elemente, welche etwa das Niveau der anderen überragend sich in die Grenzzone vorschében. Auch von Mitosen findet sich hier nichts. Außerdem unterscheiden sich die Elemente der Grenzzone von denen des Coriums durch ihre Größe und ihre Chromatinstruktur. In diesen Punkten schließen sie sich vollständig den Epidermiszellen an. Untersucht man nun das Verhalten der Epidermis an den kriti- Uber die Herkunft der Scleroblasten. 161 schen Stellen genauer, so ergiebt sich Folgendes: Konnte schon oben die Unregelmäßigkeit der Basalschicht betont werden, so tritt die- selbe noch weit deutlicher hervor gerade an den Stellen, wo Elemente in der Grenzzone auftreten. Hierfür ist ein Blick auf Fig. 2, 3 und 4 lehrreich. Die Basalschicht erscheint als solche lokal gänzlich aufgehoben. An ihrer Stelle findet sich eine Anhäufung theils rund- licher theils kubischer, theils länglicher Elemente. Dass hier in- mitten der Epidermis sich eine Vermehrung der Zellen vollzieht, zeigen auch die an manchen Stellen sich findenden Mitosen. Diese Wucherung der Zellen führt einmal zu einer Zunahme der interme- diären Elemente und damit zu einer Verdickung der Epidermis nach außen, sodann aber lässt sie einige Zellen weiter in die Tiefe treten. So finden sich kleine rundliche Elemente zwischen die großen ein- gestreut und zum Theil das Niveau der Basalschicht nach innen überschreitend. Fig. 2 zeigt darin alle wünschenswerthen Über- gangsstadien zu jenen Zellen, welche bereits deutlich nach innen von der Basalschicht, und damit in der »Grenzzone« gelagert sind. Auf Fig. 3 ist Zelle a im Begriff aus dem Verbande der Epidermis auszuscheiden, bei Zelle hat sich dieser Vorgang bereits vollzogen. Ist dies geschehen, so tritt auch eine Formveränderung ein. Die Zellen schieben sich unter der Basalschicht her und gewinnen wohl in Anpassung an die fibrilläre Struktur der Grenzzone oder auch nur aus Mangel an Raum eine abgeplattete Form und eine oft sehr bedeutende Länge der gestreckten Kerne. Auch diese Veränderung vollzieht sich nicht plötzlich. Fig. 4 zeigt eine Zelle, welche mit dem einen Theile noch die rundliche der gewöhnlichen Epidermis- zellen besitzt, während der andere bereits verschmälert sich in der Grenzzone vorschiebt. Solche Bilder vermitteln den Übergang zu anderen, wo die Elemente der Grenzzone nicht mehr mit den unmittelbar darüber liegenden in Connex stehen. Sind die betreffenden Zellen einmal aus dem Verbande der Epidermis ausgeschieden, so verbreiten sie sich in der Grenzzone. Man geht wohl nicht fehl, wenn man bei diesen Lageveränderungen den Elementen ein aktives Wanderver- mögen zuschreibt. Ist auch der Austritt selbst vielleicht durch die Wucherungsprocesse an den umgebenden Elementen mit bedingt, so mussdoch die Verschiebung innerhalb der Grenzzone in der angedeuteten Weise erklärt werden. Nur so ist verständlich, dass von gewissen Punkten aus die Elemente gleichsam ausstrahlen, um schließlich unter Epidermispartien zu gelangen, von denen sie vollständig geschieden 162 Hermann Klaatsch sind durch die erwähnte zarte Basalmembran. Fig. 5 zeigt den Übergang zur Ausbildung einer solchen Zellenschicht, welche zum größten Theil nicht mehr der Epidermis zugerechnet werden kann. Wir wollen sie desshalb fortan als die »subepitheliale Zell- sehicht« bezeichnen. Mit der Ausbildung dieser Schicht ist ein neuer Bestandtheil in der Haut aufgetreten, mit dem fortan gerechnet werden muss. In den folgenden Stadien wird diese Zellschicht wieder angetroffen in ziemlich gleichmäßiger Ausbreitung unter der Epidermis. Fig. 6 zeigt dies Verhalten von einem 10,5 cm langen Acanthias-Embryo. Die Epidermis hat sich auf 30 bis 40 « verdickt und besteht aus etwa 4 bis 5 Zelllagen. Die Lederhaut nähert sich in ihrer Differen- zirung dem erwachsenen Zustande. Die fibrilläre Struktur wird deutlich und die Bindegewebszellen zwischen den Lamellensystemen der Lederhaut ordnen sich in der bekannten, von mir früher (pag. 107) geschilderten Weise an. Nur die äußerste Partie der Lederhaut be- wahrt das indifferente Verhalten, auf das ich ebenfalls früher bereits hinwies. An der Außenfläche der Epidermis besteht der dünne Cutieular- saum unverändert fort. Die Basalschicht der Epidermis tritt deutlich hervor. Die Elemente haben wieder ein mehr gleichartiges Ver- halten angenommen, das nur hier und da durch das Auftreten größerer Zellen gestört ist. An den Kernen sowohl, wie am Zellleib treten wieder jene Erscheinungen, zunächst nur in schwachen Andeutungen auf, welche schon im ganz frühen Stadium einmal vorhanden waren und an Schmelzbildung erinnern. Wieder erhält man den Eindruck einer »Basalmembran«, die jedoch lediglich durch die Verdichtung des Protoplasmas an der Basis jeder einzelnen Zelle gegeben ist. Die intermediären Zellen haben sich bedeutend vermehrt. Hier finden sich auch zahlreiche Mitosen. Die äußersten Zellen sind viel weniger abgeplattet als in den früheren Stadien. il Die frühere Grenzzone bildet nunmehr scheinbar den äußersten Theil der Lederhaut. In der schwach fibrillären Grundsubstanz dieses Theils finden sich außer einigen Pigmentzellen und den noch sehr spärlich vorhandenen Blutgefäßen die »subepithelialen« Zellen. Sie liegen zum größten Theil unmittelbar unter der »Basal- membran« der Epidermis, nur wenige sind weiter nach innen zu verstreut. Ihre Verschiedenheit von den Coriumzellen tritt deut- lich hervor. Ihre Keme sind von sehr wechselnder Größe, die größeren besitzen eine sehr deutliche Kernmembran, ein schönes Uber die Herkunft der Scleroblasten. 163 Chromatingerüst und ein oder mehrere Kernkörperchen. In diesen Punkten gleichen ihre Kerne denen der Epidermiszellen. Entsprechend der Ausdehnung, welche die früher schmale Grenzzone gewonnen hat, haben die subepithelialen Zellen ihre Form verändert. Sie sind nicht mehr so stark abgeplattet, einige zeigen ovale, andere rundliche Kernformen. Etwa zwei bis vier solcher Zellen liegen immer bei einander. Nirgends werden sie ganz vermisst, so dass sie als eine, wenn auch nicht kontinuirliche, so doch gleichmäßige Lage entgegen- treten. Es fragt sich nun, ob noch in diesem Stadium sich Belege für die ektodermale Herkunft der subepithelialen Zellen finden und ob der Bestand derselben noch jetzt vermehrt wird. Beides muss be- jaht werden. Allerdings sucht man vergeblich nach den charakte- ristischen Bildern des früheren Stadiums und ohne die Kenntnis des letztern würde es sehr schwer fallen, über die Herkunft der Ele- mente Klarheit zu gewinnen. Der Austritt der Zellen aus dem Ektoderm scheint zu stocken, in größeren Massen vollzieht er sich jetzt jedenfalls nicht, wohl aber erhält man Bilder, welche für die Ablösung einzelner Zellen von der Epidermis sprechen. In diesem Sinne sind einmal Mitosen der basalen Epidermisschicht zu beachten, deren Theilungsachse zur Oberfläche des Körpers senkrecht steht. Eine solche Stelle ist auf Fig. 6 bei z wiedergegeben. Ander- wärts finden sich Anzeichen, die für das Heraustreten einzelner Basalzellen, auch für den Durchtritt intermediärer Zellen durch die Basalschicht sprechen, sie decken sich mit Bildern, die in späteren Stadien weit deutlicher hervortreten und daher bei diesen besprochen werden sollen. Wir kommen damit zu den Befunden, welche Acanthias-Embryonen von ca. 12 bis 14 em darbieten. Bei diesen treten die Schuppen- bildungen in den ersten Anfängen auf und wir gewinnen hier sicheren Boden zur Beurtheilung der Rolle, welche die subepithelialen Ele- mente beim Aufbau der Placoidorgane spielen. Die einzige Veränderung, welche in diesem Stadium für die Epidermis zu notiren ist, besteht in der Verdiekung derselben, in der Ausbildung einer größeren Zahl von Zelllagen, und im Auftreten von schleimbildenden Zellen () inmitten der Epidermis. Hierüber giebt Fig. 7 den nöthigen Aufschluss. Sowohl hinsichtlich der Epidermis als auch bezüglich der Leder- haut ist jetzt der Anschluss erreicht an die Befunde, welche ich früher bei Seymnus zum Ausgangspunkt meiner Untersuchungen machte. 164 Hermann Klaatsch Weit primitiver als bei Seymnus sind bei Acanthias die ersten Vor- gänge der Schuppenentwicklung. Ohne dass das Niveau der Epider- mis, weder außen, noch innen, eine wesentliche Änderung erfährt, vollziehen sich in der Basalschicht und in der »subepithelialen Zell- schicht« die Processe, welche die Schuppenbildung einleiten. In einem scharf begrenzten Bezirk nehmen die Basalzellen der Epider- mis an Höhe zu (Fig. 7). Die Verdichtung der basalen Protoplasma- zone erreicht hier einen höheren Grad als in der Umgebung. Unter dieser veränderten Epidermispartie häufen sich die subepithelialen Zellen stärker an. Fig. 7 stellt ein ganz frühes Stadium dieses Vorgangs von einem 13 cm langen Thier dar. So liefern die subepithelialen Zellen den»bindegewebigen Schuppen- keim«. Schon bei meiner früheren Darstellung habe ich die sub- epithelialen Zellen genau beschrieben und ihre Besonderheit dar- gethan. Auch ist auf den Abbildungen die Lokalisation dieser Elemente zum »Dentinkeim« deutlich zu sehen. Da ich jedoch damals die Herkunft dieser Zellen nieht kannte, so hielt ich sie für Binde- gewebszellen der Lederhaut. Nach dem jetzt Mitgetheilten ist es klar, dass ich sie für gänzlich verschieden vom Bindegewebe erachte. Die kontinuirliche Verfolgung der subepithelialen Zellen von ihrem Austritt aus der Epidermis bis zur Anhäufung zum Dentinkeim führt zu dem Ergebnis, dass die Scleroblasten, welche den Den- tinkegel und die Basalplatte liefern, ausgewanderte Ek- todermzellen sind. | Es wäre denkbar, dass beim weiteren Ausbau der Placoidschuppe die subepithelialen Seleroblasten sich lebhaft theilten und so aus ihrem eigenen Material heraus die bedeutende Zellanhäufung lieferten, welche später den kegelförmigen Dentinkeim und die Anlage der Basalplatte lieferten. Eine weitere Betheiligung des Ektoderms an diesen Processen ist somit a priori nicht zu erwarten und das Aus- bleiben einer solchen würde das bereits durch die früheren Stadien gesicherte Resultat der ektodermalen Herkunft der Scleroblasten nicht erschüttern. Von um so größerer Bedeutung ist es aber, dass auch noch in diesen späteren Stadien das Scleroblastenmaterial be- ständig neuen Zuwachs vom Ektoderm her erhält. Wie ich oben andeutete ist bereits vor der Schuppenbildung an vielen Stellen der Austritt isolirter Zellen aus der Epidermis zu be- merken. Es finden sich Stellen, wo eine große Basalzelle sich eben in Uber die Herkunft der Scleroblasten. 165 die Tiefe gesenkt hat und die Liicke, welche sie hinterlassen hat, unverkennbar ist. An anderen Punkten findet man eine sehr reiche Zellvermehrung über der Basalschicht; es drängen sich Zellen von außen her zwischen die Basalzellen ein und werden in allen Stadien des Durchschnittes durch diese Schicht angetroffen, bis sie sich den subepithelialen Elementen zugesellt haben. Diese beiden Modi des Austritts von Zellen aus dem Ektoderm spielen nun bei der Schuppen- entwicklung eine wichtige Rolle. Auf Schnitten !, welche die Haut im Bereich der Schuppenanlage genau senkrecht treffen und bei ge- nauer Prüfung der auf einander folgenden Schnitte durch eine Schuppenanlage gelangt man stets zu folgendem Resultat: Die Ektodermproliferation, welche das Scleroblastenmaterial vermehrt, ist an eine ganz bestimmte Stelle gebunden. So weit die basalen Epi- dermiszellen Behufs Bildung des Schmelzes sich vergrößert haben, repräsentiren sie einen ganz bestimmten Bezirk, den ich fortan als den Schmelzbezirk bezeichnen will. Bei Acanthias nimmt er die ganze Oberfläche des Dentinkegels ein. Er reicht somit bis zur Peripherie der Schuppenanlage (Fig. 8). Da der Dentinkegel von einer Faltung der Epidermis eingefasst wird, will ich diesen Theil der Schuppenanlage als den Faltungsrand bezeichnen (Fj. Die äußere Partie des letzteren ist die Keimzone der Scleroblasten. Unmittelbar nach außen vom Schmelzepithel ist die basale Abgrenzung der Epidermis stets unter- brochen. Hier treten theils Basalzellen direkt in die Tiefe, theils schieben sich Elemente aus höheren Schichten um den Rand des Schmelzbezirks herum in die Lederhaut. Fig. S zeigt verschiedene Stadien dieses Vorgangs. Selten finden sich gerade hier Mitosen, die inmitten der Epidermis häufiger sind. Dieser Nachschub des Seleroblastenmaterials rückt an den basalen Theilen des Dentin- kegels gegen das Centrum desselben vor. So kommt die Anordnung eben dieser basalen Elemente auf nach innen konvexen Kreisbögen zu Stande, auf die ich die Aufmerksamkeit schon früher lenkte (pag. 109). Auch den »Punkt am Rande des Schuppenkeims«, von dem diese Bögen ausgehen, machte ich namhaft und bildete auf Fig. 4 1 Fig. 7 ist einem 13 cm langen Acanthias-Embryo entnommen, den ich von Prof. C. K. HorrmAnn erhielt. Während dieses Objekt nur die ersten Spuren der Schuppenbildung zeigt, wurden bei einem nur ganz wenig längeren Acanthias aus Neapel die späteren Stadien (Fig. 8) angetroffen. Solche Un- gleichheiten des Materials, je nach der Herkunft der Thiere, finden sich öfter bei Selachiern und sind wohl zu beachten. 166 Hermann Klaatsch die Anordnung der Elemente in so charakteristischer Weise ab, dass es mir jetzt wunderbar erscheint, wenn ich nicht schon damals den Sachverhalt richtig erkannte. Indem der Faltungsrand des Schuppen- keimes gleichzeitig fiir Dentinkegel und Basalplattenanlage Zell- material liefert, erscheint die Zusammengehörigkeit beider Theile der Schuppe, die ich schon früher betonte, erst im rechten Licht. Auch ist jetzt verständlich, wie es kommt, dass der Dentinkeim beständig wächst, obwohl sich in ihm relativ wenig Mitosen finden und obwohl derselbe von den Coriumzellen aus keinen Zuzug empfängt. Die späteren Stadien der Schuppenbildung interessiren uns für das vor- liegende Thema nicht mehr; ich verweise bezüglich derselben auf meine frühere Arbeit. 2) Schuppenbildung bei Heptanchus. Eine willkommene Ergänzung erfuhren die an Acanthias ge- machten Wahrnehmungen durch die Untersuchung junger Heptanchus von 10 em Länge. Quer- und Lingsschnitte durch die Haut derselben zeigten die ersten Stadien der Schuppenbildung. Abscheidung von Hartsubstanz hatte (von den Kieferzähnen abgesehen) noch nirgends begonnen. Die ältesten Schuppenanlagen entsprachen dem Stadium, welches auf Fig. S von Acanthias abgebildet ist. Eine Vergleichung letzterer Abbildung mit der Textfigur 2, welche einem Querschnitt aus der Caudalregion entnommen ist, zeigt die Übereinstimmung beider Formen in den wesentlichen Punkten; nur ist bei Heptanchus die Epidermis noch etwas dicker, als bei Acanthias. Hierin spricht sich (wie ich schon früher betont) ein primitiveres Verhalten aus und damit steht die Formation der ganzen Schuppenanlage in Einklang, in so fern dieselbe noch weniger als bei Acanthias unter das innere Niveau der Epidermis einsinkt. Weiter unten werde ich auf diese wichtigen Punkte zurückkommen. Was hier zunächst uns interessirt, ist das Verhalten der Scleroblasten. Es fragt sich vor Allem, ob die sub- epitheliale Schicht hier ebenfalls angetroffen wird. Dies ist in der That der Fall. Die Regelmäßigkeit dieser Zelllage (sZ), ihr weiter Abstand von den Lamellen der Lederhaut und ihre Beziehungen zu den Schuppenanlagen treten bei Heptanchus mit noch größerer Schärfe hervor, als bei Acanthias. Aus diesem Grunde füge ich die bei schwacher Vergrößerung entworfene Textfigur 1 bei. Sie zeigt deut- lich, dass die »bindegewebigen Schuppenkeime« lokale Anhäufungen Uber die Herkunft der Scleroblasten. 167 der subepithelialen Schicht darstellen. Das Scleroblastenmaterial jeder Schuppenanlage hängt durch die kontinuirlichen Zellenketten der subepithelialen Schicht mit dem der benachbarten Anlagen zu- sammen. Der zweite Punkt von besonderer Wichtigkeit betrifft die Frage, in wie weit der ektodermale Ursprung der subepithelialen Zellen bei Heptanchus nachweisbar ist. Mustert man daraufhin zunächst die Strecken der Haut zwischen den Schuppenanlagen, so findet man die basale Schicht der Epidermis überall sehr deutlich ausgeprägt. Auf- fallend ist, dass hier überall die in Rede stehenden Elemente jene an Schmelzbildung erinnernde Beschaffenheit zeigen und hierin in viel geringerem Grade, als bei Acanthias, hinter den eigentlichen en ne ‚® un ot “0 we ° o ole ar o ahlt@kuaseuroa240r9 ga ‘ o < =. 20S 2", 7 =} 1 o „io .°,, = 94 Jee Pe ia Pveo Ay e007, aT” ErILE TIER nie ale - PEELA va, dr . Zeus — oe © = rc es - » oe ’ oe 7] = , aL ec Heptanchus, 10 cm lang. Querschnitt der Haut. Die Dentinkeime der Schuppenanlagen stellen lokale Erhebungen der Zone subepithelialer Zellen (sZ) dar. Vergr. 150/1. Schmelzepithelzellen zurückstehen. Erst bei stärkerer Vergrößerung tritt die Besonderheit der letzteren im Bereich der Schuppenanlage deutlicher hervor. So ist denn die Epidermis nahezu überall scharf gesondert vom unterliegenden Gewebe und es gelang mir nicht, außerhalb der Schuppenanlagen Beziehungen der subepithelialen Zellen zu den ihnen benachbarten basalen Epidermiszellen aufzu- decken. Um so werthvoller ist es, dass dieser Zusammenhang der Scleroblasten mit dem Ektoderm sich im Bereich der Schuppenanlagen ohne Weiteres darthun ließ und zwar genau an denselben Stellen, wo ein Gleiches für Acanthias möglich war. Die Elemente, welche die Anlage des Dentinkegels darstellen, scheinen auf den ersten Blick ziemlich regellos gelagert zu sein. Eine ge- nauere Prüfung zeigt aber auch hier ein typisches Verhalten. Die äußersten Zellen streben empor gegen den Schmelzbezirk der Epi- dermis zu und dem entsprechend sind die Mitosen gestellt (cf. Text- 168 Hermann Klaatsch figur 2); die tieferen formiren jene Reihe, welche auf nach innen konvexen Kreisbogen laufend den basalen Abschluss der zelligen Schuppenanlage bilden und die gegenüberliegenden Punkte des Faltungsrandes mit einander verbinden. Sie streben der Peripherie der Schuppenanlage zu. Prüft man die bei Heptanchus schwach hervortretende äußere Partie des Faltungsrandes genauer, so findet man nach außen vom Schmelzbezirk den Zusammenhang der Sclero- blasten mit der Epidermis. Dass zur sicheren Wahrnehmung dieser Verhältnisse Serienschnitte nothwendig sind, welche die Oberfläche der Haut ganz genau senkrecht treffen, versteht sich von selbst.‘ Eine solche Stelle ist auf Textfigur 2 wiedergegeben. Sie zeigt ver- schiedene Stadien der Auswanderung der Scleroblasten. Rechts ist JAD o) 9) oY ah) oie! CSC jo etd! Olay else 6 PRO = ela le ala layer Fa, RER #1 0/00 0B OY 50.09 9) 0/ ROZO: iO e\< =e kat Se |< & Re] — et an cco — @ s © SIG Kr Ve. ae Nigee,” = ~ 8 ee © d 2 of Ban 8,7 _ 2 Er Ba vs ae ie Br nr © Mi — — = ew = - Zo tae eB PLIES et. ZONEN ae ie ae Muse an = > ies un = ——, Heptanchus, 10 cm lang. Querschnitt der Haut. Eine Schuppenanlage, stärker vergrößert. Stellung der Mitosen in der Epidermis und in der Schuppenanlage. Am Faltungsrand jederseits bei # Aus- trittsstelle von Scleroblasten aus der Epidermis. Geringe Entwicklung der zelligen Basalplatten- anlage (P). Vergr. 400/1. eine Strecke weit die scharfe Abgrenzung der Epidermisbasis unter- brochen und hier geht das Material der letzteren ganz kontinuirlich in die Scleroblastenstréme über, die sich der zelligen Schuppenanlage zugesellen. Abgesehen vom direkten Anschluss der Elemente an einander wird ihre Zusammengehörigkeit durch die Übereinstimmung der Kerne dargethan. Links findet sich ein gleiches Verhalten, noch schärfer angezeigt durch eine Mitose im basalen Epithel, deren Uber die Herkunft der Scleroblasten. 169 Längsachse so gestellt ist, dass die Tochterzelle sich den bereits ausgetretenen Scleroblasten anschließen muss. Auch innerhalb der bogenförmigen Seleroblastenzüge finden sich Mitosen, deren Längs- achse im Kreisbogen liegt, welchen die betreffenden Elemente formiren. In der Epidermis ist der Faltungsrand durch reichliche Mitosen ausgezeichnet. Wo sich Mitosen im Schmelzepithel finden, stehen sie tangential zur basalen Epidermisgrenze. In Vergleichung mit Acanthias erscheint das Scleroblastenmaterial, welches die Basis der »bindegewebigen Schuppenanlage« darstellt. d. h. jenes, welches die Basalplatte der Schuppe liefert, auf dem vorliegenden Stadium von relativ geringer Mächtigkeit. Dieser Um- stand ist in so fern werthvoll, als dadurch die Verschiedenheit der ganzen Schuppenanlage von den tieferen Partien der Lederhaut sehr deutlich hervortritt. Der äußere Theil der Lederhaut mit seiner wenig differenzirten Grundsubstanz ist viel ausgedehnter als bei anderen Formen, und da gerade dieser Theil den Schauplatz dar- stellt, auf welchem die Scleroblasten ihre Thätigkeit entfalten, so erscheint bei Heptanchus die ganze Schuppenanlage in viel innigerem Anschluss an die Epidermis als dies bei anderen Haien hervortritt. Die Möglichkeit, in den Seleroblasten nichts Anderes als empor- gewanderte Zellen der Lederhaut erblicken zu wollen, wird hier durch die größere Klarheit der Bilder viel leichter beseitigt, als bei anderen Formen. Es zeigt sich auch hier wieder deutlich, wie wichtig die Wahl des Untersuchungsobjektes und die Berücksichtigung seiner Stellung für die richtige Auffassung histiogenetischer Processe ist. Dass Hept- anchus eine überaus primitive Form ist, wird wohl Niemand be- zweifeln. Die Übereinstimmung mit Acanthias lässt auch die Vor- gänge bei letzterem als sehr einfache beurtheilen. Die Bedeutung dieser Thatsachen wird sich noch klarer zeigen bei der Betrachtung der komplieirten Formen der Schuppenbildung, zu der ich mich jetzt wende. 3) Schuppenbildung bei Mustelus. Von Mustelus stand mir ein reiches Material zur Verfügung. Ich fand die Verhältnisse von Mustelus vulgaris vollständig mit denen von Mustelus laevis übereinstimmend, so dass ich beide Species zur - gegenseitigen Ergänzung heranziehen konnte. Von Mustelus vulgaris untersuchte ich fortlaufende Entwicklungsstadien von 2,7—14 cm Morpholog. Jahrbuch. 21. 12 170 Hermann Klaatsch Linge. Von Mustelus laevis kommen hinzu einige ganz junge von 1,8—2 em und ganz alte von ca. 15—25 em Länge. So erhielt ich eine lückenlose Übersicht der Hautentwicklung!. Bei Embryonen von Mustelus laevis, welche eine Länge von 1,8 cm erreicht haben, besteht die Epidermis fast überall aus zwei sehr deutlich von einander gesonderten Zellenlagen. Dies gilt auch von den Flossenanlagen, auf die ich weiter unten speciell eingehe. Nur in den vorderen Theilen des Rumpfes sind beide Schichten im Bereich der späteren Seitenlinie mit einander vereinigt. Hier ist die Epidermis viel dieker als am übrigen Körper und zeigt die Anfänge der Bildung des R. lateralis vagi. Nach innen von der Epidermis findet sich das Myotom, dessen Cutisblatt sich größtentheils bereits aufgelöst und ein embryonales Bindegewebe geliefert hat, welches von der Epidermis deutlich geschieden ist (Fig. 1 Taf. VI). Die Dicke der Epidermis beträgt etwa 10 u. Davon kommt der Haupttheil auf die innere Schicht, welche aus großen kubischen Ele- menten besteht. Die Kerne dieser Zellen sind rundlich und haben ca.5 » Durchmesser. Sie enthalten meist ein Kernkörperchen. Ihr Chromatin färbt sich etwas weniger intensiv als das der Kerne in der äußeren Zellenlage. Letztere, die ich fortan als oberflächliche Ektodermschicht be- zeichnen will, besteht aus ganz platten Elementen. Sie erreichen nur im Bereich des auf dem Durchschnitt länglichen Kerns einige Höhe. Beide Zellenlagen sind sehr scharf von einander gesondert, vermittelnde Elemente zwischen beiden fehlen gänzlich. Der innere Abschluss der Epidermis geschieht durch einen zarten Grenzsaum der tiefen Ektodermschicht, ohne dass eine deutliche Basalmembran demonstrirt werden könnte. Von jenen basalen Differenzirungen, die bei Acanthias in diesem Stadium konstatirt wurden, findet sich keine Spur. Nahezu den gleichen Zustand zeigt die Haut am Caudalende der 2,7 cm langen Embryonen von Mustelus vulgaris. Die oberflächliche Ektodermschicht (OE) hat ein wenig an Höhe zugenommen; ihre Zellen sind nicht mehr so stark abgeplattet und die Oberfläche der Haut, welche die Andeutung eines zarten Cuticularsaums erkennen lässt, wird mehr plan (Taf. VI Fig. 2). Die tiefe Ektodermschicht (7'E) färbt sich ' Auch bei diesem Material fielen mir die oben erwähnten Ungleichheiten auf, Mustelus laevis aus Triest zeigten bei gleicher Länge mit solchen aus Neapel die Schuppenbildung weiter vorgeschritten. Uber die Herkunft der Scleroblasten. R7ıl noch blasser als im vorigen Stadium und hebt sich dadurch scharf von der anderen ab. Ihre Abgrenzung gegen das unterliegende Ge- webe ist zwar überall deutlich und durch eine schmale helle Zone markirt, aber eine Basalmembran ist nirgends nachzuweisen. Dieser Punkt ist wichtig in Vergleichung mit den entsprechenden Bildern bei Acanthias. Nach der Analogie mit diesem sollte man erwarten, bei Mustelus jetzt dem Austritt subepithelialer Elemente zu begegnen. In dieser Hinsicht bieten jedoch die Verhältnisse der Beurtheilung nicht geringe Schwierigkeiten dar. Sehr auffallend ist da zunächst die Beschaffenheit der Lederhaut selbst. Ihre äußersten Partien. die doch am wenigsten Elemente enthalten sollten, sind überaus reich an Zellen, die dicht an einander gedrängt liegen und an vielen Stellen den Ektodermzellen gleichen. Vielfach sind zwei ganz regel- mäßige Zelllagen über einander markirt. Könnte man den Zusam- menhang derselben mit den darüber liegenden Ektodermpartien er- weisen, so wäre die Deutung dieser Zellen als der Repräsentanten der subepithelialen Schicht außer Zweifel. Nun findet man in der That hier und da Mitosen, wie die auf Fig. 2 dargestellte, welche eine Ektodermproliferation in die Tiefe äußerst wahrscheinlich machen, aber diese Bilder sind doch zu vereinzelt, um darauf den ganzen bedeutenden Bestand der »subepithelialen Zellen« zurück- führen zu können. An den meisten Stellen ist die Scheidung der Epidermis vom unterliegenden Gewebe so deutlich, dass an keine lokale Beziehung der beiden zu einander gedacht werden kann. So viel ist klar, dass von einem Austritt der Ektodermzellen, wie er bei Acanthias im entsprechenden Stadium mit solcher Deutlichkeit nachgewiesen werden konnte, bei Mustelus noch nichts besteht. Wie sich diese Dinge aufklären, wird die nähere Darstellung ergeben. Ich will hier nur darauf hinweisen, dass für die »subepithelialen Elemente« bei Mustelus auch in diesem Stadium eine ektodermale Quelle nachweisbar ist, die aber an einer besonderen, später zu be- zeichnenden Stelle gesucht werden muss. Die folgenden Stadien, welche weiter cranial bei 2,7 cm langen Mustelus vulgaris und in gleicher Weise am Caudalende 3 bis 4 cm langer Embryonen angetroffen werden, zeigen sehr eigenthümliche Veränderungen des Bildes. Die äußere Ektodermschicht entfaltet eine bedeutende Proliferationsthätigkeit. Wie Fig. 3 Taf. VI lehrt, kann man ganz allmählich den Übergang der früher platten, dann kubischen Elemente in schöne Cylinderzellen verfolgen. Zugleich aber giebt die Schicht nach außen und nach innen Elemente ab. 12” #72 Hermann Klaatsch Letztere formiren intermediäre Zellen. deren einige vielleicht auch von der tiefen Schicht abgegeben werden. Im Ganzen aber verharrt die letztere in einer auffallend passiven Haltung. Ihre Elemente werden hier und da etwas größer, sie färben sich alle relativ sehr blass und bewahren das Aussehen einer von der übrigen Epidermis verschiedenen Formation. Bei dem Mangel einer Basalmembran ist ihre Abgrenzung gegen das unterliegende Gewebe nicht viel schärfer als gegen die übrige Epidermis. Unter diesen Umständen möchte man fast zweifeln, ob denn die ganze tiefe Ektodermlage überhaupt noch der Epidermis zuzuschreiben sei, ob nicht vielmehr die darüber sich entwickelnden Cylinderzellen dem basalen Epithel der Acanthias- Epidermis entsprechen. Danach müsste die räthselhafte tiefe Schicht als Homologon der subepithelialen Zellen betrachtet werden. Dass eine solehe Deutung nicht zulässig ist, ergiebt die Be- trachtung der Seitenlinie. Hier ist es jetzt bereits zum Austritt des R. lateralis vagi aus dem Epithel und zur Ausbildung von Sinnes- knospen gekommen. Die Elemente der letzteren gehen kontinuirlich in die der tiefen Ektodermschicht über, und damit erweist sich die letztere als die basale Schicht der Epidermis. Die äußeren Schichten der letzteren setzen sich in eine Zellmasse fort, welche die Knospe überdeckt und schon in diesem Stadium dem Sinnesorgan eine tiefe geschützte Lage verleiht. Die nächst älteren Embryonen von ca. 4 bis 5 cm Länge zeigen einen Fortschritt in der Differenzirung der äußeren Epidermislagen. Hier beginnen sich höchst eigenartige Vorgänge abzuspielen, wie sie bisher meines Wissens noch niemals in der Epidermis eines Wirbelthiers beschrieben worden sind. Haben dieselben auch auf den ersten Blick keinen direkten Zusammenhang mit der Hauptfrage, die uns beschäftigt, so offenbaren sie doch bei näherer Betrachtung wichtige Beziehungen der Epidermisveränderungen zu den sklero- blastischen Processen. Im vorigen Stadium begann bereits die Entstehung oberflächlich gelagerter Elemente. Dieselben überschreiten das Niveau der Cy- linderzellen nach außen zu und ihre Kerne gewinnen eine ganz oberflichliche Lage Fig. 4 Taf. VI) unmittelbar unter dem Cuticular- saum. Ihm sitzen die Zellen mit breiter Basis auf und schieben sich mit verschmälerter Spitze zwischen die tieferen Zellen ein. Die Kerne dieser »Deckzellen« (d), wie ich sie nennen möchte, sind groß (ea. S « Durchmesser) und färben sich nicht sehr intensiv. Der Zell- Uber die Herkunft der Scleroblasten. 173 inhalt ist blass. Der Cuticularsaum tritt jetzt mit größerer Deut- lichkeit auf (Fig. 5 und 6 Taf. VI). Eine andere Art von Zellen sahen wir zwischen den Cylinder- zellen und der tiefen Ektodermschicht auftreten. Sie besitzen läng- liche Kerne. Kern und Zelle haben oft eine dreieckige Form: die verschmälerte Spitze ragt zwischen den Cylinderzellen empor (Taf. VI Fig. 4). Diese »intermediären« Zellen sind stellenweise in größerer Zahl entwickelt. Sie vertreten da die Cylinderzellen, und solche Epidermispartien bieten durch die ganze Dicke der Schicht ein mehr gleichartiges Verhalten. In der That vermitteln diese Zellen den Übergang der einzelnen Epidermisformationen mit einander, und durch sie wird ein lokaler inniger Zusammenhang der tiefen Ekto- dermschicht mit der übrigen Epidermis in viel höherem Maße her- gestellt, als er vorher bestand. Vielfach scheint es, als hätten die so eben charakterisirten Stellen der Epidermis eine gewisse regel- mäßige Anordnung. Die eigenthümlichste Veränderung erfahren die Cylinderzellen (B). Ihre Kerne wachsen zunächst bedeutend in die Länge und nehmen ganz ungewöhnliche Dimensionen an. Sie färben sich in- tensiv und zeigen mehrere Kernkörperchen. Sodann beginnt in ihrem Inneren ein Sonderungsprocess. Mit der Kernmembran in Zu- sammenhang treten dunkle Linien auf, welche den Kern in mehrere Territorien zerlegen. Solche Bilder treten schon in recht frühen Stadien stellenweise auf. Im weiteren Verlauf wird der Kern zer- schnürt in zahlreiche kleinere. Da der Kern schon vorher eine be- deutende Größe erreicht hatte, so haben auch die aus ihm durch direkte Theilung oder Fragmentation hervorgehenden Kerne nicht unbeträchtliche Dimensionen. Ich möchte hier betonen, dass dieser eigenthümliche Modus der Riesenzellenbildung in der Epidermis be- züglich des Schicksals des Kernes keinen Zweifel zulässt. An den aus der Neapeler Station erhaltenen, vorzüglich konservirten Ob- jekten waren die Mitosen auch in der Epidermis allenthalben mit solcher Deutlichkeit zu sehen, dass an den Cylinderzellen Derartiges nicht hätte der Wahrnehmung entgehen können. Auch daran ist kein Zweifel möglich, dass die Tochterkerne alle wenigstens zunächst im Verbande der Zelle beharren. Auf sehr dünnen Schnitten kann man sich aufs deutlichste davon überzeugen, dass etwa drei bis zehn Kerne beisammen in einer Zelle liegen, und nach diekeren Schnitten und Isolationspräparaten zu urtheilen, ist die Zahl der Kerne in einer Zelle noch weit größer. 174 Hermann Klaatsch Auf den Figuren überschneiden sich naturgemäß die Kontouren der Kerne vielfach (Fig. 5, 6 Taf. VI). Schließlich sind in fast allen Zellen, welche die Mitte der Epidermis einnehmen, die Kerne in der angegebenen Weise zerschnürt. Dies ist aber keineswegs die einzige Eigenthümlichkeit der Cylinderzellen in der Epidermis von Mustelus. Wie bei anderen Selachiern kommt es in vielen Zellen der Epidermis zur Ausbildung von Vacuolen; zu solchen Schleim be- reitenden Elementen gestalten sich nun bei Mustelus die Riesenzellen. Ihre Vacuole entsteht in der Regel nach außen von den Kernen, selten wird sie in anderer Lage dazu getroffen. Der helle Inhalt der Vacuole zeigt deutlich die eigenthümliche Netzstruktur der Schleim- zellen. Das unverbrauchte Protoplasma wird zur Seite gedrängt und bleibt nur im Bereich der Kerne in größerer Menge erhalten. So entsteht der Becher der Schleimzelle, welcher bisweilen sich nach außen verjüngt und mit schmaler Öffnung zwischen den Deck- zellen die Oberfläche erreicht, meist aber mit fast voller Breite an den Cuticularsaum herantritt, der kontinuirlich darüber fortzieht. Dieser Saum gewinnt nun beträchtliche Dicke und zeigt deutlich, eine senkreehte Strichelung. Die Deckzellen zeigen niemals Va- euolenbildung (Fig. 6). So werden die Cylinderzellen zu»Riesenbecherzellen« (RB). Eigenthümlich ist es hierbei, dass die Kerne dieser Elemente nicht eine starke Abplattung erfahren, wie das sonst wohl vielfach der Fall ist. Die Protoplasmamasse, welche sich im Bereich der Kerne erhält, ist beträchtlich, und dies hängt mit einer dritten Besonder-' heit dieser Zellen zusammen. Nicht genug damit, dass ihr freier Theil sie als Schleimzellen differenzirt zeigt, erleidet der basale Theil anderweitige Umwandlungen. Es muss auffallen, dass die Kerne nicht bei der Ausbildung der Vacuolen an das basale Ende des Zellleibes verlagert werden, im Gegentheil findet sich, dass sie nahezu die Mitte des ganzen Gebildes einnehmen. Der innere Theil der Zelle grenzt an die tiefe Ektodermschicht und gewinnt ein eigenthümliches Aussehen. Seine basale Umgren- zung ist meist rundlich oder oval. Sein Inhalt differirt mehr und mehr vom Protoplasma, das die Kerne umgiebt. Durch starkes Lichtbrechungsvermögen setzt er sich scharf davon ab und eine deut- liche Begrenzungslinie zeigt an, bis zu welcher Ausdehnung eine Veränderung der basalen Theile der Riesenbecherzellen stattgefunden hat, die mit der Umwandlung des Protoplasmas in schmelzbildenden Uber die Herkunft der Scleroblasten. 175 Zellen, oder noch besser in den Odontoblasten die größte Ähnlich- keit besitzt. An diese erinnern die Epidermiszellen in ganz frap- panter Weise. Man könnte durch diese Erscheinungen zu der Vermuthung ge- führt werden, dass die Schuppenbildung nahe bevcrstehe und dass die Riesenbecherzellen bereits das Schmelzepithel repräsentirten. Wie die späteren Stadien lehren, trifft dies keineswegs zu; die basale Differenzirung der Riesenzellen hat nichts direkt mit der Schmelzbildung zu thun. In wie weit sie dennoch für die Schuppen- bildung von Bedeutung ist, können wir erst später feststellen. Die tiefe Ektodermschicht (7) verharrt zunächst auf dem Zu- stande des vorigen Stadiums. Gleichzeitig mit der Kernvermehrung in den Riesenzellen verändert sich die Lederhaut. In ihr vollzieht sich erst jetzt die Sonderung in eine äußere und innere Zone, die bei Acanthias schon in viel früheren Stadien deutlich war. Die äußere, wenig fibrillär differenzirte Partie bildet einen hellen Streifen unter der tiefen Ektodermschicht und lässt nunmehr auch bei schwacher Vergrößerung Epidermis und Corium viel deutlicher von einander gesondert erscheinen, als dies vorher der Fall war. Dazu verhilft vor Allem der Umstand, dass die zahlreichen Kerne, welche weiter unter der Epidermis angehäuft waren und die Beurtheilung der Ver- hältnisse erschwerten, immer weniger eine deutlich markirte Schicht bilden. Gerade die Zone, welche ursprünglich so reich an Zellen war, erscheint nun viel ärmer an solchen, als die tiefen Partien der Lederhaut, in welchen die fibrilläre Differenzirung sich vollständig entfaltet. Es ist nicht leicht zu entscheiden, wodurch diese Ver- änderung zu Stande kommt. Am wahrscheinlichsten ist es, dass die betreffenden Zellmassen sich nicht vermehren und daher bei Zu- nahme des ganzen Körpers in der äußeren Schicht der Lederhaut sich mehr und mehr vertheilen. Damit stimmen alle Bilder überein, die man bei Embryonen von 5 bis 14 cm Länge erhält. Hier liegen »subepitheliale« Elemente verstreut unter der tiefen Ektodermschicht; möglich aber ist es auch, dass die in Rede stehenden Zellen sich in der Tiefe verbreiten und den Lederhautzellen beigemischt haben, von denen sie bei dem unentwickelten Charakter der letzteren nicht scharf zu sondern sind. Wird auch im Stadium der Riesenbecherzellen die Abgrenzung von Epidermis und Corium zunächst deutlicher, was diese Schichten im Großen anbelangt, so verringert sich dennoch in anderer Be- ziehung die Schärfe der Abgrenzung von tiefer Ektodermschicht und 176 Hermann Klaatseh Lederhaut. Dies wird durch verschiedene Faktoren bedingt. Einmal tragen die Riesenbecherzellen Schuld an dieser Erscheinung. Durch ihre eigenthümliche Differenzirung erfährt der basale Theil dieser Zellen eine Vergrößerung und Formveränderung. Die rundlich be- grenzten Theile dieser Elemente schieben sich gegen die tiefe Ekto- dermschicht vor und drängen die Bestandtheile der letzteren aus einander. Fig. 6 Taf. VI zeigt deutlich diese Beeinflussung der tiefen Ektodermschicht durch die darüber befindlichen Theile. Die Zellen dieser Schicht werden vielfach etwas abgeplattet, sie schmiegen sich der Basis der Riesenzellen an, und da, wo letztere nicht voll entwickelt sind, springen die Zellen der tiefen Ektodermschicht etwas nach außen vor. So geht diese ganze Zelllage ihrer Regel- mäßigkeit verlustig, verläuft nicht mehr in einer der Oberfläche nahezu parallelen Ebene, und damit büßt sie viel vom typischen Epithelcharakter ein. Diese Veränderung würde ihre Abgrenzung von der Lederhaut nicht beeinträchtigen, wenn eine Basalmembran entwickelt wäre. Dies ist aber keineswegs der Fall. Der basale Theil der tiefen Ektodermzellen zeigt keine Spur jener Differenzirung, die bei Acanthias und noch mehr bei Heptanchus so deutlich aus- gesprochen war. Man sieht diesen Elementen wahrhaftig nicht an, dass sie einmal das Schmelzepithel liefern werden! Zu alledem kommt noch, dass die oben erwähnten subepithelialen Zellen sich stellenweise der tiefen Ektodermschicht so dieht anlagern, dass eine Abgrenzung nicht möglich ist (Fig. 7). So erscheint denn die ganze tiefe Ektodermschicht wiederum, wie schon einmal auf früherem Stadium, als etwas von der übrigen Epidermis Verschiedenes, und es läge der Versuch nahe, sie als den äußersten Theil der Lederhaut betrachten zu wollen, wäre nicht jetzt durch die zellenarme Zone eine bedeutende Entfernung der betreffenden Zellenlage von dem fibrillären Theil der Lederhaut ge- geben und ließe sick nicht an einigen Punkten auch jetzt wieder der Übergang der tiefen Ektodermschicht in die basale Epidermis- schicht darthun. Dies ist einmal an den Sinnesknospen möglich, sodann aber im Bereich der Kiefer. An letzteren zeigt die Epidermis ein von der ganzen übrigen Haut verschiedenes Verhalten. Bis zu den Kieferrändern nach außen hin bewahrt hier bei Mustelus die Epidermis das gewöhnliche Verhalten der Haut, wie bei den früher besprochenen Selachiern. Die hieraus für die Entwicklung der Kiefer- zähne resultirenden Konsequenzen werden weiter unten berücksichtigt werden. Hier interessirt uns diese Besonderheit nur in so fern, als Uber die Herkunft der Scleroblasten. 177 der Übergang der Deck- und Riesenbecherzellen in die äußeren und mittleren, sowie derjenigen der tiefen Ektodermzellen in die basalen: Zellen einer ganz nach dem gewöhnlichen Modus geformten Epidermis zu konstatiren ist. Das geschilderte Verhalten der Epidermis bleibt im Wesentlichen das gleiche bis zur ersten deutlichen Ausprägung von Schuppen- anlagen. Erst bei 14 em langen Mustelus vulgaris und ca. 15 em langen Mustelus laevis werden dieselben äußerlich als helle Punkte bemerkbar. Aber schon bei etwas jüngeren treten sie vereinzelt, und zwar zuerst in der Nähe der Seitenlinie auf. Die Umwandlungen, welehe zur Schuppenbildung führen, sind bei Mustelus so allmiibliche, dass sich die ersten Anfänge in eine noch viel frühere Periode zurückverfolgen lassen. Sie knüpfen an das beschriebene Verhalten der tiefen Ektodermschicht an. Schon bei 8 bis 10 em langen Muste- lus bemerkt man an der letzteren eine neue Veränderung. War sie schon vorher nicht mehr überall streng einschichtig, so bildet sie jetzt Zellproliferationen höchst unregelmäßiger Art. Fig. 7 Taf. VI, bei schwächerer Vergrößerung entworfen, giebt hiervon ein übersicht- liches Bild. Die tiefe Ektodermschicht bildet lokale Verdiekungen, die sich theils nach außen zwischen die Riesenzellen vordrängen, theils nach innen in die Leder- haut prominiren. Innerhalb dieser Zellenanhäufungen sind die Elemente so durchaus gleichartig beschaffen, dass eine Scheidung derselben nicht möglich ist. Es sind sämmtlich ektodermale Derivate, die allmählich dureh Zuzug aushöheren Theilen der Epidermis sich vergrößern. Indem diese Lokalisationen der tiefen Ektoderm- schicht eine gewisse Regelmäßigkeit ihrer Anordnung gewinnen, liefern sie die Schuppenanlagen. Fig. 1 Taf. VII zeigt eine solche in den ersten Anfängen. Sie lässt sich im allmählichen Übergang zu dem auf Fig. 2 dargestellten Zustande verfolgen. Da man an einem und demselben Objekt alle diese Stadien neben einander hat, so lässt sich das Schicksal der einzelnen Bestandtheile der Schuppenanlage mit Leichtigkeit kon- statiren. Das Erste ist, dass die tiefe Ektodermschicht an gewissen Punkten zwei- bis dreischichtig wird. Bei schwächerer Vergrößerung tritt die Besonderheit dieser Bildungen besser hervor, als bei stär- kerer, wo die periphere Abgrenzung auf Schwierigkeiten stößt. Das Zweite, wodurch nun erst mit voller Evidenz die Zellansammlung als Schuppenanlage sich dokumentirt, ist eine Differenzirung in 178 Hermann Klaatsch ihrem Material: Ungefähr der Mitte des Gebildes entspre- chend, vergrößern sich diejenigen Ektodermzellen, welche unmittelbar unter den Riesenzellen liegen. Ihre Kerne werden zu hohen länglichen Gebilden und diese Elemente liefern so das Schmelzepithel (Sm). Die Ausbildung derselben seschieht zunächst noch in wenig regelmäßiger Weise. Zwischen den hohen Zellen finden sich noch vielfach niedere und der Zusam- menhang der ganzen Lage mit den tieferen Elementen der Schuppen- anlage ist zunächst nicht alterirt. Die Sonderung wird erst dadureh schärfer, dass nunmehr die basalen Theile des Schmelzepithels sich in der charakteristischen Weise verändern und die Kerne mehr nach außen rücken. Damit wird der tiefere Theil der Schuppenanlage deutlich vom Schmelzepithel abgesetzt (De) und stellt jetzt nichts Anderes dar, als das Scleroblastenmaterial der Schuppe, oder das, was ich früher den »bindegewebigen Schuppenkeim« genannt habe. An der Peripherie der ganzen Anlage jedoch bleibt der Indifferenzzustand noch erhalten, hier ist eine Scheidung der Epidermis von den Scleroblasten noch nicht ausführbar. Auch in den späteren Stadien bleibt hier der alte Zusammenhang gewahrt. Diese Stellen entsprechen dem Faltungsrand der Schuppen- anlage. Ein solcher fehlt Anfangs gänzlich, dann prägt er sich allmählich stärker werdend aus, in gleichem Maße als die Schmelz- epithelzellen an Höhe gewinnen. Die übrige Epidermis hat anscheinend geringe Veränderungen erfahren. Am auffallendsten ist eine Verdünnung der ganzen Epi- dermis. (Bei Mustelus laevis, dem die Fig. 1—3 Taf. 7 entnommen sind, ist die Epidermis im Ganzen etwas dünner, als bei Mustelus vulgaris.) Dieselbe kommt größtentheils auf Rechnung der Riesen- becherzellen, deren basale Theile sich mehr und mehr verkürzen und schließlich ganz unkenntlich werden, so dass nunmehr die Kernhaufen in den Elementen eine rein basale Lagerung gewinnen. Zugleich verringert sich die Zahl dieser Elemente, auch zeigen sie jetzt weni- ser Kerne als vorher. Dazwischen treten gewöhnliche Epidermis- zellen in viel größerer Zahl auf und ich halte es für möglich, dass diese sich aus den Riesenbecherzellen entwickelt haben, um so mehr als ich keine Anzeichen für eine Reduktion oder gänzlichen Unter- gang der letzteren fand. Mit der Ausbildung des Faltungsrandes vollzieht sich eine Ein- senkung der ganzen Schuppenanlage in die Lederhaut und zwar in Uber die Herkunft der Scleroblasten. 179 viel höherem Grade, als dies bei Acanthias und bei Seymnus der Fall ist. Die Schuppenanlagen hängen gleichsam an der Unterfläche der Epidermis, mit letzterer nur durch eine schmale Strecke ver- bunden. Fig. 3 Taf. VII stellt eine solche ältere Schuppenanlage dar. Die Übereinstimmung mit dem, was andere Haie zeigen, ist nun offenbar. Der Schmelzbezirk umfasst auch hier den Dentinkegel und reicht bis zur Umschlagsstelle des Faltungsrandes. Der centrale Theil des Schmelzepithels hat bereits Hartsubstanz abgeschieden, eben so ist von dem gegenüberliegenden Scleroblastenmaterial bereits ein dünne Lage Zahnbein gebildet worden. Die Epidermiszellen, welche nach außen an das Schmelzepithel angrenzen, sind außerordentlich abgeplattet. Verfolgt man sie abwärts, so sieht man, wie sie den Schmelzbezirk umkreisen und an der Peripherie der Schuppenanlage eine mehr kubische Gestalt gewinnen. Hier bieten sie nun außer- ordentlich wichtige Beziehungen dar. Sie scheiden sich in innere und äußere Elemente. Die inneren gehen am Faltungsrand ins Schmelzepithel über, die äußeren hingegen setzen sich abwärts fort und stehen hier in kontinuirlichem Zusammenhang mit dem Scleroblastenmaterial. Aufs schönste kann man die Züge des letzteren nachweisen, die von eben dieser Stelle aus central in die Schuppenanlage gehen; zunächst solche, welche genau der inneren Peripherie des Schmelzbezirks folgen und dann im Dentin- kegel aufwärts ziehen: sodann tiefere Züge, welche in Kreisbögen zum gegenüberliegenden Theil des Faltungsrandes ziehen und je weiter nach innen mehr und mehr eine horizontale Anordnung ge- winnen. Die letzteren repräsentiren die zellige Anlage der Basal- platte (P). So bleibt hier der alte Zusammenhang zwischen Ekto- derm und Seleroblasten, genau an der gleichen Stelle, wo für Acanthias und Heptanchus dasselbe konstatirt werden konnte, lange Zeit hindurch gewahrt, bis die Schuppen die Epidermis durchbrechen. Überblicken wir den Entwicklungsgang der Schuppenbildung von Mustelus mit Rücksicht auf die Frage, deren Lösung den Zweck der vorliegenden Arbeit darstellt, so gelangen wir zu folgendem Resultat: Die Scleroblasten leiten sich vom Ektoderm ab. Sie gehen aus der tiefen Ektodermschicht hervor, aus demselben Material, welches das Schmelzepithel liefert. Erst ganz allmählich sondert sich in der ursprünglich einheitlichen Schuppenanlage der Theil, welchen man früher für »mesodermalc« hielt, von dem, welcher im Ver- 180 Hermann Klaatsch bande des Ektoderms bleibt. Die Sonderung erfolgt central am friihesten, peripher bleibt sie lange Zeit hindurch er- halten, so dass der äußere Theil des Faltungsrandes eine Art Keimschicht fiir das Scleroblastenmaterial dar- stellt und ihm aus dem Ektoderm immer neue Bestand- theile zufiihrt. Es wäre wichtig, auch andere Hai-Arten auf die Verbreitung des eigenthümlichen Modus der Schuppenbildung von Mustelus nach- zusehen. Spinax acanthias zeigt nichts davon, schließt sich vielmehr den Zuständen von Acanthias an. Da mir jedoch von Spinax nur ein älteres Stadium vorliegt, so übergehe ich diese Form. Eine annähernd vollständige Serie von Entwicklungszuständen ist nothwendig, um ein richtiges Urtheil über die Schuppenbildung zu gewinnen. 4) Zahnbildung bei Mustelus. Trotz der Verschiedenheiten im Gang der Schuppenentwicklung stimmt das bei Mustelus gewonnene Resultat mit dem bei Heptanchus und Acanthias erzielten überein. Die Sicherheit des Ergebnisses wird dadurch erhöht. Zugleich aber ergiebt sich das Postulat, die ver- schiedenen Modi der Schuppenbildung auf das Gemeinsame, was beiden zu Grunde liegt zurückzuführen. Dass eine fundamentale Differenz hier keineswegs vorliegt, lehrt die Entwicklung der Kiefer- zähne von Mustelus, auf die ich hier in Kürze eingehen will. Schon oben wies ich darauf hin, dass im Bereich der Kiefer die Epidermis nichts von den merkwürdigen Komplikationen der äußeren Körperfläche darbietet, dass vielmehr nach innen von einer scharfen Grenzlinie die Epidermis das gleiche Verhalten, wie bei Acanthias und Mustelus zeigt. Dem entsprechend ist auch die Bil- dung der Kieferzähne von derjenigen der Schuppen verschieden. Die allgemeine Konfiguration der Theile stimmt mit dem überein, was durch O. Hertwie bei Acanthias bekannt geworden ist. Ich brauche daher über die Bildung der Zahnleiste, sowie die örtlichen Verhältnisse der Zahnanlagen nichts Näheres anzuführen. O. HERTWIG hat jedoch keine bildliche Darstellung der feineren Verhältnisse ge- geben und schon aus diesem Grunde ist die Beifügung der Textfigur 3 gerechtfertigt. Sie ist einem Mustelus vulgaris von 9 cm Länge ent- nommen und stellt den Theil eines Medianschnittes durch den Unter- kiefer dar. Am vorderen Rande der Zahnleiste ist eine Zahnanlage Uber die Herkunft der Scleroblasten. {81 bereits ziemlich weit entwickelt, eine zweite tritt eben nach innen von der ersten auf. Am Kieferrande vor der Zahnleiste besteht die Epidermis aus etwa vier Zelllagen, deren tiefste kubische Elemente zeigt. Ähnlich verhält sich das Epithel, welches nach innen von der Zahnleiste die Mundhöhle auskleidet, nur besitzt es eine etwas geringere Dicke. Die basale Zellschicht lässt sich im Bereich der ganzen Zahnleiste erkennen, erreicht aber nur an den Zahnanlagen eine bedeutendere Dicke, indem hier ihre Elemente das Schmelzepithel bilden. Die Fig. 3. > J JOOS 1G, NIEHR: Fans Ps 5 je N Ses SS \ = ~ ge TED ut, FERN SSH? Mustelus vulgaris, 9 cm. Sagittalschnitt durch den Unterkiefer. Z Zahnleiste. Zı, Z2, Zs Dentin- keime dreier Zahnanlagen. F Faltungsrand der ersten Zahnanlage. Austritt der Scleroblasten aus dem Ektoderm an diesen Stellen. € Blutgefäß. übrigen Zellen der Zahnleiste sind kubisch, in den äußeren Partien und im Bereich der Zahnanlagen abgeplattet, an den letzteren um so mehr, je höher das Schmelzepithel sich gestaltet. Die innere Abgrenzung der Epidermis geschieht durch eine zarte Basalmembran, die nur an gewissen Stellen unterbrochen ist. Nach innen von der Basalmembran finden sich subepitheliale Zellen, welche sich vom Bindegewebe der Lederhaut deutlich abheben und vielfach in dieht- gedrängten Gruppen unter der Epidermis sich anhäufen. Als solche formiren sie den »Dentinkeim« der Zahnanlagen. An der zweiten Zahnanlage (Texfigur 3 Z,) prominirt derselbe nur wenig, eine dritte (Z,) zeigt ihn noch gänzlich jeder Erhebung ermangelnd. 182 Hermann Klaatsch Die erste Zahnanlage zeigt bereits den Beginn einer Hartsubstanz- bildung. Der Schnitt geht genau durch den héchsten Punkt der Anlage und lässt bereits eine Schmelzkappe erkennen. Nach innen davon bilden sehr schöne und große Zellen den Dentinkeim. Weiter nach innen zeigt das Scleroblastenmaterial die gleiche Anordnung der Elemente, wie bei der Schuppenanlage. Wir befinden uns hier an der Stelle. welche dem Faltungsrand der letzteren entspricht. Der gegen die Mundhöhle liegende Theil desselben wird von der Zahnleiste gebildet. Wiederum ist es die periphere Zone des Faltungs- randes, welche eine Unterbrechung der Basalmembran und den direkten Übergang des Seleroblastenmaterials in die Epi- dermis zeigt. Namentlich bei x ist diese Beziehung der basalen Epidermisschicht zu der zelligen Anlage der Basalplatte sehr deut- lich ausgeprägt. Im Ganzen betrachtet ist die Erscheinung hier viel deutlicher als an den Schuppenanlagen von Acanthias und Heptanchus und erreicht denselben Grad, wie bei den Schuppenanlagen von Mustelus. Von dem Punkte x aus schieben sich die Scleroblasten der ersten Zahnanlage centralwärts unter der Epidermis vor und liefern so den Dentinkeim der zweiten Zahnanlage. Damit offenbart sich einmal der Zusammenhang der Zahnanlagen mit einander und ferner wird es verständlich, dass an den jüngeren Zahnanlagen zunächst wenigstens kein direkter Zusammenhang der Scleroblasten mit dem zugehörigen Bezirk der Zahnleiste sich zeigt. Auch an anderen Stellen der letzteren, namentlich an der inneren Begrenzung, gewann ich den Eindruck, als ob Seleroblasten ohne direkte Be- ziehung zu einer Zahnanlage aus der Epidermis ausschieden. So gewinnt die Zahnleiste die Bedeutung eines Ersatzmaterials für die weitere Zahnbildung, aber nicht nur in dem bereits von O. Herrwic bezeichneten Sinne, neues Schmelzepithel zu liefern, sondern auch für die Beschaffung der Seleroblasten. Die Entwicklung der Kieferzähne von Mustelus stimmt in der allgemeinen Konfiguration mehr mit der Schuppenbildung von Acan- ~ thias und Heptanchus, in der Beschaffenheit des Faltungsrandes mit der Entwicklung der Mustelusschuppen überein. So werden die Verschiedenheiten vermittelt, erklärt sollen sie durch eine all- gemeinere Betrachtung der Placoidorgane werden. Uber die Herkunft der Scleroblasten. 183 5) Zur Phylogenese der Placoidorgane. Dureh die neue Erkenntnis, dass die Odontoblasten und Osteo- blasten ausgewanderte Ektodermzellen sind, erfährt unsere Vorstellung von der Geschichte der Placoidorgane eine tiefgreifende Modifikation. Neue Gesichtspunkte eröffnen sich und lichten das Dunkel, in wel- ches bisher die Vorgeschichte dieser Bildungen gehüllt war. Von dem, was ich früher (pag. 236) über diese Dinge geschrieben, bleibt vollkommen die Meinung bestehen, dass der Schmelz die erste und ursprünglich einzige Hartsubstanz der Placoidorgane war und dass hierdurch diese Organe in den Kreis jener Erscheinungen ge- rückt werden, welche uns schon bei Wirbellosen in ausgedehnter Weise entgegentreten. Es wird aber jetzt möglich, von diesem Ur- zustande sich die weitere Ausbildung der Placoidorgane abzuleiten, ja die eigenthümliche Komplikation derselben erscheint als ein nothwendiger Folgezustand des primitiven Ver- haltens. Als gegeben nehmen wir ein Stadium hin, in welchem bei einem niederen Fischorganismus die basalen Epidermiszellen Platten von Hart- substanz — d. i. Schmelz — gegen die Lederhaut zu abschieden. Die Fähigkeit, dies zu thun, werden wir allen diesen Zellen gleichmäßig zuschreiben dürfen, sehen wir doch selbst noch bei Heptanchus an allen die gleiche Differenzirung in diesem Sinne sich anbahnen. Diese einfache Voraussetzung wird wohl Niemand abstreiten. Sie ist von großer Tragweite. Durch die Bewegungen des Körpers und durch die Beziehung der Haut zu den unterliegenden Weichtheilen wird eine Lokalisation dieses Schmelzbildungsprocesses sich ergeben haben und damit die Ausbildung eines Panzers aus Schmelzplatten, dessen Regelmäßigkeit man sich nicht zu streng vorzustellen braucht. Die Hauptsache ist. dass nicht alle basalen Epidermiszellen zur Entfaltung der in ihnen liegenden Fähigkeit, eine Hartsubstanz zu bilden, kommen konnten. Wenden wir nun auf diese Verhältnisse die Vorstellungen an, welche sich uns allerorten im Organismus über den zwischen den einzelnen Theilen bestehenden Kampf ergeben — ich erinnere an Roux’ treffliche Darstellung derselben —, so hat die Annahme nichts Befremdendes, dass die basalen Epidermis- zellen, welche nicht zur Abscheidung von Schmelz an der Oberfläche des Körpers kamen, in der Tiefe geeignete Lokalitäten dazu benutzten. Dazu wird ihnen die Verschiebung 184 Hermann Klaatsch der Haut an den Rändern der supponirten Schmelzplatten Gelegen- heit gegeben haben. So eröffnet sich die Vorstellung, dass Anfangs vielleicht durch Faltungen, dann durch Zellverschiebungen an den Rändern der Platten ektodermale Bestandtheile auf die Innen- seite derselben gelangten und hier ihre scleroblastische Thätig- keit ausübten. Eine solche Zunabme der Schmelzplatten auf der Innenseite konnte für die Leistungsfähigkeit dieser Gebilde als Schutzorgane nicht gleichgiiltig sein. Man kann sich wohl vorstellen, dass der Anfangs gelegentliche und unbedeutende Vorgang im Kampf ums Dasein sich als nützlich erwies und so zu größerem Werth ge- langte. So entstanden die ersten Odontoblasten, deren selero- blastische Fähigkeit einen Erbtheil ihrer Matrix darstellt. Nicht mehr braucht man, wie ich es früher that, sich diese Zellen als eine anfängliche Füllmasse unter dem Schmelz vorzustellen, nicht mehr bedarf es der schwierigen Annahme, dass gleichsam ein Reiz diese mesodermalen Elemente zur Bildung einer Hartsubstanz angeregt habe. Auch die Eigenart der Odontoblasten ist in schönster Weise beleuchtet. Nimmt man eine Einfaltung der Haut am Rand der Schmelzplatte zum Ausgangspunkt, so erklärt sich einfach die Rich- tung, in welcher die Scleroblasten ihre Substanz absetzen und man braucht nicht zu jenen geheimnisvollen und doch inhaltlosen Ge- setzen einer »Polarität« der Zellen (RaBL) seine Zuflucht zu nehmen. Ich brauche nicht weiter auszuführen, wie mit der Entfaltung der inneren Theile des Placoidorgans die Entwicklung desselben zu einem stärker prominirenden Gebilde sich vollzogen haben mag, doch möchte ich noch darauf hinweisen, wie ungezwungen nunmehr die Entstehung der Basalplatte sich erklärt. Den Elementen, welche am Faltungsrand des Placoidorgans in die Tiefe drangen, eröffneten sich verschiedene Wege. Der allgemeinen Tendenz der Scleroblasten, eine festere Unter- lage auszunutzen, folgend, werden die einen (die Odontoblasten) am Schmelz dieses Ziel erreicht haben, andere hingegen werden an den fibrillären Theilen der Lederhaut ein günstiges Terrain zur Absetzung horizontaler Massen von Hartsubstanz angetroffen haben. So er- klärt sich die genetische Zusammengehörigkeit und zugleich die Divergenz der Odontoblasten und Osteoblasten, der Bildner des Dentinkegels und der Basalplatte. Auch die Verschiedenheit des Produktes wird durch die geänderte Lokalität des scleroblastischen Processes dem Verständnisse näher gerückt. Dass die basalen Theile des Plaeoidorgans die jüngeren sind, Uber die Herkunft der Scleroblasten. 185: liegt auf der Hand. Ihre Ausbildung ist eine Fortfiihrung dessen, was den Dentinkegel hervorgehen ließ. Es ist nun interessant, dass die Vergleichung des Entwicklungsganges der Haifische noch Belege für diese späte Entstehung der Basalplatte liefert. Bei Heptanchus ist auf dem entsprechenden Stadium (vgl. Textfigur 2) die betreffende Zellmasse noch viel geringer als bei Acanthias (Taf. V Fig. 8) und hier wieder geringer als bei Mustelus (Taf. VII Fig. 3). Wir haben damit den Anschluss gewonnen an die Bilder, welche uns die Ontogenese der Placoidorgane der jetzt lebenden Haie liefert, und wir wollen nun die praktische Anwendung des hypothetisch Gegebenen auf die Thatsachen versuchen und im Anschluss daran die Verschiedenheiten des Entwicklungsmodus aufklären. Nach dem Dargelegten betrachte ich den Faltungsrand des Placoidorgans als den ersten ursprünglichsten Ort, an welchem es zum Austritt ektodermaler Seleroblasten kam. Mit dieser Vorraussetzung stimmen die Thatsachen aufs schönste über- ein. Konnte ich doch bei allen untersuchten Former den nach außen vom »Schmelzbereich« liegenden Theil als Keimstätte der Sclero- blasten nachweisen. Ferner stimmt sehr schön mit den theoretischen Voraussetzungen die Art und Weise, wie sich die Scleroblasten im Innern des Placoidorgans verbreiten. ‚Jene bogenförmigen Züge, auf die ich so oft hinwies, erinnern an den alten Faltungsmodus, der einst die Zellen auf die Innenseite der Schmelzplatte führte. Auch die Entstehung des Pulpakanals als der alten Achse des Organs, die ursprüngliche Weite dieses Raumes und die allmähliche Verengerung desselben harmoniren aufs beste mit den hypotheti- schen Vorstellungen. Es ergiebt sich hieraus ferner ohne Weiteres, welche Erscheinungen bei den Haien als primitive, welche als abgeänderte zu beurtheilen sind. Der Abschluss der Epidermis gegen die Lederhaut (mit Aus- nahme der bezeichneten Stellen) wird das Ursprüngliche sein, die Verwischung dieser Grenze ist eine sekundäre Erscheinung. Mit der sanzen Stellung der Formen stimmt es, dass Acanthias und Hept- anchus das erste, Mustelus das zweite zeigt. Der Austritt von Scleroblasten an anderen Stellen als anden Faltungsrändern, dessgleichen das Auftreten dieses Vorgangs längst vor der eigentlichen Schuppenbildung ist eine sekundäre Erscheinung, eine eänogenetische Abände- rung des ursprünglichen Modus, die bei der hohen funktionellen Bedeutung der Schuppen ohne Weiteres verständlich ist. In diesem Morpholog. Jahrbuch. 21. 13 186 Hermann Klaatsch Sinne sind die Vorgiinge bei Acanthias zu beurtheilen. Es wiire sehr interessant, frühere Stadien von Heptanchus daraufhin zu unter- suchen. Der Austritt in solchen frühen Stadien an ganz bestimm- ten Stellen ist wieder primitiver als ein so diffuser, wie ihn Muste- lus zeigt. Damit kommen wir zur Beleuchtung der sonderbaren Vorgänge bei letzterer Form. Ihre Erklärung hat von dem Gesichtspunkt aus- zugehen, dass hier die Schuppenbildung ein weit mehr ein- gebiirgerter Vorgang ist, als bei den primitiven Haien und dass schon in einer relativ frühen Periode eine viel größere Zahl von Schuppen angelegt wird als dort. Bei Embryonen von ca. 15—20 em Länge ist die Menge derselben geradezu erstaunlich. Sie finden sich hier auf den verschiedensten Entwicklungsstadien neben einander und so dicht gelagert, dass jeder Raum ausgenutzt wird. Bestände nicht die starke Einsenkung der Schuppenanlagen in die Lederhaut, sie würden gar nicht neben einander Platz finden. Diese Thatsache ist in mehrfacher Beziehung wichtig. Die Schuppenbildung erscheint bei Mustelus verzögert, denn Embryonen von 10 em Länge besitzen erst Anfänge derselben in geringer Zahl, während im entsprechenden Stadium die primitiven Haie bereits in gleichmäßiger Weise über den ganzen Körper hin damit ausgestattet sind. Auch der Zahnbildung gegenüber besteht diese Verzögerung, haben doch Mustelus von 9 em bereits wohl- entwickelte Zahnanlagen. Andererseits vollzieht sich die Schuppen- bildung bei Mustelus in dieser späten Periode sehr rasch. Mit einem Schlage liefert die Epidermis die neuen Bildungen in großer Zahl. Dies wäre nicht möglich, wenn nicht schon lange Zeit hin- durch sich vorbereitende Processe in der Epidermis voll- zogen hätten. Die Koncentration des ganzen Processes prägt sich am Bildungsmaterial der Schuppen aus. Die tiefe Ektoderm- schicht enthält gleichsam latent schon die Schuppenanlagen in sich, lange bevor dieselben in die Erscheinung treten. Daraus wird verständlich, dass die histogenetischen Pro- cesse in einer bedeutend abgekürzten Form sich abspielen. Die Rekapitulation der Phylogenese ist verwischt. Die Vorgänge spielen sich in ganz direkter Richtung aufs Endziel ab. So kommt es, dass erst ganz spät das Schmelzepithel sich vom übrigen Material der Schuppenanlage sondert und dass der Zusammenhang des Ekto- derms mit dem Seleroblastenmaterial in viel ausgedehnterem Maße erhalten bleibt als bei den niederen Formen. Noch ein anderer Umstand Uber die Herkunft der Scleroblasten. 187 aber wirkt hierbei mit: Die schnelle Fertigstellung einer großen Zahl von Schuppen bei Mustelus erfordert ein weit größeres Zellenmaterial als bei Acanthias. Dass nun diese sekundären Umgestaltungen der onto- genetischen Processe Hand in Hand gehen mit der Verlagerung der Schuppenanlagen in die Tiefe und mit einer Diekenabnahme der Epi- dermis erscheint mir nicht gleichgültig. Der erste Punkt ermöglicht die gleichzeitige Anlage einer großen Zahl von Schuppenbildungen, der zweite darf wohl in dem Sinne gedeutet werden, dass ein viel bedeutenderer Bestand an Zellmaterial der Epidermis da entzogen wird, wo sich mehr Sehuppenanlagen entfalten, als bei den niederen Formen. Unter der Rubrik der die Schuppenbildung vorbereitenden Er- scheinungen fasse ich auch alle jene Vorgänge zusammen, welche längst vor der Schuppenbildung eine Differenzirung der Epidermis- zellen zeigen, die an die scleroblastischen Processe erinnert. In diesem Sinne sind jene Veränderungen des basalen Theils der tiefsten Epi- dermiszellen zu deuten, welche bei ganz jungen Acanthias vorüber- gehend auftreten und dann wieder bei Heptanchus im älteren Sta- dium angetroffen wurden. Vor Allem aber gehören hierher jene auf den ersten Blick so räthselhaften Erscheinungen der Riesenbecher- zellen in der Epidermis von Mustelus. Deren Ähnlichkeit mit Odonto- blasten regt zu neuen Forschungen an. Ohne die Erkenntnis, dass die Odontoblasten Ektodermzellen sind, würde jede Handhabe zum Verständnis soleher Umbildungen fehlen. Der Umstand, dass diese Riesenzellen nach außen von dem späteren Schmelzepithel liegen, hat auf den ersten Blick etwas Be- fremdendes. Erwägt man aber, dass ja gerade die mittleren Theile der Epidermis nach der Ausprägung des Schmelzepitkels zur Liefe- rung des Scleroblastenmaterials in ausgedehnter Weise mit heran- gezogen werden müssen, so erscheint die Beziehung der Riesenzellen zu den Odontoblasten nicht mehr merkwürdig. Dabei ergeben sich noch manche andere Punkte, die das Interesse erwecken. Spielen doch Riesenzellen bei den scleroblastischen Processen eine große Rolle. Ob die Bedeutung, die man ihnen jetzt dabei zuschreibt, die richtige ist, will ich zunächst dahingestellt sein lassen, aber dass solche Bildungen in der Epidermis mit Beziehung zur Schuppenbildung auf- treten, ist gewiss eine zu beachtende Thatsache. Damit streifen wir aber bereits physiologische Fragen. Solche sind es auch, welche bezüglich der sonderbaren Doppelnatur der Riesenbecherzellen zu lösen sind. 13* 188 Hermann Klaatsch II. Von der Entwicklung der Hornstrahlen in den Flossen der Selachier. Schon friiher habe ich auf die Beziehungen hingewiesen, welche das als Hornstrahlen oder Hornfäden bezeichnete Skeletmaterial der Selachierflosse zu den Placoidorganen besitzt. Die einzigen Litte- raturangaben, welche ich über den Bildungsmodus der eigenthüm- lichen Hartsubstanz der Hornstrahlen antraf, rührten her von Q. HERTwIG, welcher mehr gelegentlich die Bildungszellen dieser Sub- stanz bei einem Acanthiasembryo abbildet und von P. MAYER, wel- cher ältere Stadien der Flossenbildung beschrieb. Ich ging damals auf die genauere Untersuchung der Hornstrahlen nicht ein; es genügte mir, auf die Übereinstimmung der Bildungszellen mit den Selero- blasten, welche den tiefen Theil der Basalplatte liefern, hinzuweisen. Jetzt gewinnen die histiogenetischen Processe der Hornstrahlen- bildung für mich erhöhtes Interesse. Stellen dieselben doch ein Ge- biet dar, welches für die Frage nach der Herkunft der Scleroblasten ein wichtiges Material beisteuert. Da der ontogenetische Bildungs- modus der Hornstrahlen, der mir früher unbekannt war, sich kom- plieirter gestaltet, als ich erwartet hatte, so gewinnt die Entstehung der im fertigen Zustande relativ weit ins Innere des Thierkörpers vorgeschobenen Hartsubstanz besondere Bedeutung für die allgemeinen uns hier beschäftigenden Fragen. Dazu kommt, abgesehen von dem fast gänzlichen Mangel genauerer Schilderung dieser Dinge, dass manche für die Gliedmaßentheorie mehrfach verwertheten Punkte durch die Kenntnis von: der Entwicklung der Hornstrahlen ins rechte Licht gesetzt werden. | Was zunächst die Beschaffenheit der Hornstrahlen angeht, so kann ich auf die chemische Seite der Frage hier nicht näher ein- sehen. Ich verweise auf die genaue Analyse, welche KRUKENBERG von denselben vorgenommen hat. Von seinen Angaben ist mir vor Allem diejenige wichtig, dass den Hornfäden das Gelatinirungs- vermögen gänzlich abgeht, dass ihre Substanz somit nicht zu den »Collagenen« gezählt werden kann. Er nennt die eigenthümliche Substanz der Hornfäden »Elastoidin« und hält sie für nahe verwandt, »vielleicht sogar identisch derjenigen Materie, welche von FrREMY (Ann. de chim. et de phys. 3. Ser. T. 43. 1855) in den Gräten von Fischen wie in Knochen von Wasservögeln nachgewiesen ist« und welche »mit dem Ossein isomer zu sein schien«. Uber die Herkunft der Scleroblasten. 189 Diese chemischen Befunde haben für uns so lange keinen großen Werth, als nichts über die histochemische Beschaffenheit der Placoid- organe, insbesondere der Basalplatte bekannt ist. Hier müssen aus- gedehnte vergleichend chemische Arbeiten einsetzen in Verbindung mit vergleichend anatomischen Forschungsmethoden. Für unseren Zweck genügt es zunächst, dass die Hornstrahlen im optischen Ver- halten und in der Beschaffenheit ihrer Bildungszellen mit der Basal- platte übereinstimmen, zumal im fertigen Zustande der direkte Zu- sammenhang beider sich erweisen lässt. Der specielle Modus des scleroblastischen Processes erinnert am meisten an denjenigen, welchen ich von der Schuppe der Teleostier beschrieben habe, abgesehen von der Verschiedenheit der Form des Produktes. Man kann sich von diesen Vorgängen an jedem älteren Selachierembryo leicht Kenntnis verschaffen. Am besten eignen sich hierfür schräge Sehnitte der Flossen, welche die Hornfäden senkrecht treffen. Aus einem solehen von der dorsalen Caudalflosse des 10 em langen Heptanchus stammen die auf Taf. VIII Fig. 3 a—d wieder- gegebenen Bilder. | Nicht nur der Länge des Hornfadens entsprechend sind stets zahlreiche Scleroblasten an seinem Aufbau betheiligt, auch auf dem Querschnitt liegen der Peripherie eine ganze Reihe von Zellen an. sobald das Gebilde eine gewisse Dicke erreicht hat. Anfangs hin- gegen liegt die Hartsubstanz im Innern einer Zelle. Sie erscheint hier im Protoplasma derselben einer kreisrund begrenzten Vacuole ähnlich, welche analog den Vorgängen in schleimbereitenden Ele- menten den Kern in eine periphere Lage verdrängt (Fig. 3 a). Nimmt die Substanz noch mehr zu, so liegt Anfangs der Kern, schließlich die Zelle dem Produkte etwa halbmondförmig an (Fig.35 unde. Dann legen sich der Peripherie des Hornstrahls benachbarte, bisher unthätige Scleroblasten an (Fig. 3d) und aus der vereinigten Thätig- keit einer größeren Zahl von solchen geht, einer cuticularen Bildung ähnlich, der dickere, noch lange im Wachsthum fortfahrende Horn- strahl hervor (7). Betrachten wir am gleichen Objekt die Lagerung der Hornstrahlen zur Nachbarschaft, so treffen wir sie in der Lederhaut, und zwar in den tieferen Theilen derselben. So stellt es sich wenigstens auf allen Schnitten dar, welche in einiger Entfernung vom freien Saum der Flosse geführt sind. Indem wir vom Verhalten des letzteren absehen, konstatiren wir, dass die Hornstrahlen weder mit Schuppen- anlagen noch mit den subepithelialen Scleroblasten irgend einen Zu- 190 Hermann Klaatsch sammenhang verrathen. Die letzteren sind überall sehr deutlich, die ersteren hingegen bei dem vorliegenden Heptanchus im Bereich der Flossen noch gar nicht vorhanden. In wie weit diese Thatsachen meine frühere Annahme von der Beziehung der Hornstrahlen zu den Schuppen beeinflussen, soll später geprüft werden. Hier wollen wir nur erwähnen, dass eine breite Zone des gewöhnlichen Coriumgewebes die Hornstrahlen von der Epidermis trennt. Von dieser Lederhautpartie ist diejenige, welche die Hornstrahlen enthält, ziemlich scharf abgesetzt. Sie überkleidet als ein Mantel von beträchtlicher Dicke die Achse der Flosse, in deren tieferen Theilen das Knorpelskelet bereits deutlich entwickelt ist. Die Hornstrahlenzone enthält außer den Hartgebilden eine sehr große Menge dicht gedrängt stehender Zellen, deren Kerne sich inten- siv färben. Die Zellen sind zum allergrößten Theil Bildner von Horn- strahlen. Die letzteren zeigen eine ganz typische Anordnung je nach ihrer Dieke. Die stärksten liegen innen, von da aus nehmen die Durchmesser kontinuirlich nach außen hin ab. Hier außen also ist die Zone der Neubildung für die Substanz der Horn- strahlen und hier kann man sie in ihren ersten Anfängen verfolgen. Es erhebt sich nun die Frage: Woher stammen diese Sclero- blasten der Hornfiden? Nach der Lage an älteren Selachier- embryonen würde man wohl zunächst geneigt sein, sie den Leder- hautzellen zuzurechnen und die Hornstrahlen als verhärtete Theile der Coriumgrundsubstanz zu betrachten, eine Ansicht, die nach den bisherigen Forschungen voll und allein berechtigt wäre. Auf der anderen Seite lassen meine neuen Wahrnehmungen an den Schuppen die Frage berechtigt erscheinen, ob nicht auch für die Hornstrahlen- Seleroblasten eine ektodermale Herkunit sich erweisen lässt. Das Material für und wider diese Anschauungen kann nur von der Entwicklungsgeschichte geliefert werden. “Da ein solches in größerer Vollständigkeit mir nur von Mustelus vorliegt, so theile ich in erster Linie die Thatsachen mit, die ich an diesem Selachier über die Entwicklung der Hornstrahlen habe eruiren können. Im Voraus bemerke ich, dass die Bilder, welche die unpaaren Flossen liefern, bezüglich der Hornstrahlen mit denen der paarigen übereinstimmen. Das jüngste Stadium, welches ich untersuchte, — Embryonen von Mustelus laevis von 1,8 em Länge — zeigte auch im Bereich der Flossen die beiden Schichten der Epidermis, auf die ich oben hingewiesen habe (Taf. VII Fig. 4). Während die äußere Schicht Uber die Herkunft der Scleroblasten. 191 ziemlich dasselbe Bild giebt, wie an den übrigen Theilen des Körpers, beansprucht die tiefe Ektodermschicht besonderes Interesse. Ihre Elemente sind zu hohen Cylinderzellen umgestaltet und berühren mit ihren Basen die entsprechenden Zellen der gegenüberliegenden Haut- partie. Die Kerne sind ebenfalls bedeutend vergrößert und nehmen als längliche Gebilde die Mitte des Zellkörpers ein. Zwischen beiden Ektodermlagen finden sich hier und da intermediäre Zellen. So kommt jenes Bild zu Stande, welches schon so oft von den Unter- suchern der Selachier beschrieben worden ist, das Bild der meso- dermfreien Ektodermfalte am Flossensaum. Seine Bedeutung, vielfach in falscher Riehtung gesucht, wurde bisher nicht in systemati- scher Weise dargelegt. An den Ektodermrand der Flosse stößt central »mesodermales« Gewebe aus dicht gedrängten Zellen bestehend. Die Beziehungen, welche diese »mesodermale« Füllmasse der Flosse zum ektodermalen Flossensaum besitzt, konnte ich an den nächst- älteren Stadien — Embryonen von Mustelus vulgaris von 2,7—3 em — aufs deutlichste nachweisen. Die tiefe Ektodermschicht ist die Matrix für dienach innen davon liegenden »Mesodermzellen«. Es lässt sich Schritt für Schritt verfolgen, dass die Zellen der tiefen Ektodermschicht, aus ihrem Verbande ausscheidend, sich dem Achsen- gewebe der Flosse zugesellen. Entsprechend der Stelle, wo von beiden Seiten her die tiefe Ektodermschicht zum freien Flossensaum zusammenschließt, hört im vorliegenden Stadium jegliche Abgrenzung von Ektoderm und Mesoderm auf. Ein Bliek auf Taf. VII Fig. 5 macht dies ersichtlich. Dabei bleibt der freie Ektodermsaum stets in annähernd gleicher Stärke — wenn auch in geringerem Umfang als im vorigen Stadium erhalten. Er wächst eben für sich weiter und giebt nur entsprechend diesem Wachsthum Bestandtheile seiner tiefen Schicht nach innen ab. In einer geringen Entfernung vom Flossenrand hört dieser Zusammenhang auf. Das »mesodermale« (Gewebe breitet sich unter dem Ektoderm aus und es bieten sich jene Bilder dar, die ich oben beschrieben habe. Diese Mustelus-Befunde erfahren eine Ergänzung und Bestätigung durch das, was ich an den oben erwähnten Acanthias- Embryonen antraf. Wohl fehlt hier jener freie Ektodermsaum, eine Thatsache, deren Bedeutung ich weiter unten beleuchten werde, aber der Zu- sammenhang des Flossenmesoderms mit dem Ektoderm war am freien Rande der Flosse stets mit großer Deutlichkeit ausgeprägt. Die Erscheinung tritt jedoch bei Acanthias mit noch größerer Schärfe hervor, weil sie auf einen engeren Bezirk beschränkt ist. Fig. 1 192 Hermann Klaatsch Taf. VIII giebt hiervon ein Bild. Das Gleiche zeigt auch Fig. 2 Taf. VIII. Auf ihr ist auch eine jener Mitosen zu sehen, die gerade in diesem Stadium von Acanthias mir begegneten und welche durch die Stellung ihrer Achse den Austritt von »Mesodermzellen« aus dem Ektodermverband an der kritischen Stelle veranschaulichen. Nach alledem kann es nicht mehr zweifelhaft sein, dass am freien Rande der Flosse vom Ektoderm aus eine Mesodermproliferation stattfindet und dass der freie Ektodermsaum der Flossenanlage mit diesem Vorgange aufs engste verknipft ist. Welche Bedeutung diesen »ektogenen« Mesodermzellen — wie ich sie der Kürze halber bezeichnen will — zukommt, erfahren wir durch die Untersuchung der an das zuletzt geschilderte anschließenden Stadien von Mustelus, wobei ich mich auf die Verhältnisse der dorsalen Caudalflosse beziehe. Schon bei den 3 cm langen Embryo- nen kann man konstatiren, dass sich die »ektogene« Zellmasse an der Peripherie der Flosse nach dem Körper zu ausbreitet, unmittelbar nach innen von der Epidermis, aber von dieser nunmehr scharf ge- schieden. Durch intensivere Färbung der Kerne, sowie durch die gedringte Anordnung der Zellen setzt sich diese periphere Masse scharf ab von der Achse der Flosse, welche embryonales Bindegewebe enthält. Von innen her rückt die Knorpelmasse der dorsalen Bogen- bildungen der Wirbelsäule in diese Gewebsmasse ein. Die Musku- latur des Körpers ist in diesem Stadium noch nicht in die Flosse selbst eingewachsen. Sie endet da, wo die Flosse in den Rumpf übergeht und ist noch nieht an die Ausläufer der dorsalen Knorpelbögen befestigt. Die »ektogene« Zellmasse zeigt auf dem Durchschnitt etwa drei bis vier Reihen von Kernen über einander. Sie grenzt peripher un- mittelbar an das Ektoderm. Zwischen beiden erkennt man schon bei schwacher Vergrößerung eine sehr deutliche, wenn auch schmale helle Zone. Man könnte dieselbe fast für eine Art Basalmembran der Epidermis halten, träten nicht in ihr nunmehr Differenzirungen auf, die ihr eine andere Bedeutung zusprächen. In dieser Grenz- schicht entstehen bei Mustelus-Embryonen von 4 cm Länge die ersten Hornstrahlen. Sie erscheinen zunächst als außerordentlich feine Stäbehen, deren kreisrunde Durchmesser einander völlig gleichen (Fig. 6 Taf. VIL, H). Sie sind weit kleiner als die Zellkerne. Nach der Lage dieser Gebilde könnte man zunächst noch zweifelhaft sein, wohin sie gehören. Man kömnte sie für Differenzirungen des basalen Uber die Herkunft der Scleroblasten. 193 Theils der Epidermiszellen halten, wenn nicht der weitere Entwick- lungsgang mit aller Entschiedenheit sie der nach innen davon liegen- den ektogenen Zellen zuwiese. Zwischen die Masse der letzteren hinein entfalten sich nämlich die jungen Hornstrahlen, wobei sie sammt den sie allmählich umhüllenden Bildungszellen von der Epi- dermis abgedrängt werden. Dies geschieht durch das Auswachsen von Theilen, welche vom Körper aus allmählich auf die Flosse übergreifen. Da sich zeigen ließ, dass die periphere ektogene Zellschicht nicht mit dem gewöhnlichen Mesodermgewebe auf eine Stufe gestellt werden kann, so bestand in dem bisher betrachteten Stadium inner- halb der Flosse nur ein axiales Bindegewebe, welches wir einem Vorgehen MAurEr’s! bei Amphibien folgend passend als dorso- mediales Bindegewebe bezeichnen können. Das dorsolaterale Binde- gewebe, welches die Anlage der Lederhaut darstellt, ist vorläufig noch nicht in die Flossenanlage vorgedrungen. Im Bereich des Rumpfes ist letzteres bereits deutlich differenzirt, enthält aber zugleich Elemente, die ich oben nur mit einem gewissen Vorbehalt der Lederhaut- zone zurechnete. Die oberflächlichste Schicht dieser Zellmasse, welche in manchen Punkten an die subepithelialen Elemente von Acanthias erinnerte, und deren Zuwachs von Seiten der Epidermis auch bei Mustelus an manchen Stellen wahrscheinlich wurde, steht mit den ektogenen Zellen der Flossenperipherie in direktem Zusammenhang und ich halte es für möglich, dass von den Flossen aus bereits in diesen frühen Stadien ektogene Scleroblasten in den mittleren Bereich des Körpers entsendet werden (s. 0.). Für die Hornstrahlen ist dieser Punkt von geringer Bedeutung. Für diese ist es nur wichtig, dass ihre direkte Nachbarschaft mit der Epidermis ungefähr da ihr Ende erreicht, wo die Flosse vom Körper abgeht und dass an diesem Punkte eine Gewebsmasse zwischen Epidermis und Horn- strahlenzone sich einschiebt. Diese neue Zellenmasse stellt jedenfalls in der Hauptmasse eine Fortsetzung der Lederhaut dar. Dass sie außerdem noch ektogene Scleroblasten aufnimmt, halte ich für wahrscheinlich. Fig. 6 Taf. VII zeigt gerade den Punkt, an welchem dieses Mischgewebe die Hornstrahlen zu überlagern beginnt, Fig. 7 giebt das Verhalten auf einem etwas späteren Stadium wieder. 1 F. MAURER, Die Entwicklung des Bindegewebes bei Siredon pisciformis und die Herkunft des Bindegewebes im Muskel. Morphol. Jahrbuch. Bd. XVII. 1892. 194 Hermann Klaatsch Die dichte Zellmasse, welche die ersten Hornstrahlen hervorgehen ließ, ist jetzt weit nach innen verlagert, zugleich haben die Horn- strahlen selbst ganz bedeutend an Dicke gewonnen. Zwischen den Hornstrahlen ragt das dichte Bildungsgewebe nach außen vor und mischt sich hier den Bestandtheilen der Lederhaut zu, die hier bereits von außen her neuen ektodermalen Zuwachs empfängt. Gerade in diesem unteren Bereich der Dorsalflosse finden sieh bei Embryonen von 6 em Länge eigenthümliche ektodermale Wuche- rungen, welche stark nach außen prominirend das Ektoderm in erhöhter, die Schuppenbildung vorbereitender Thätigkeit zeigen. So werden allmählich die Hornstrahlen sammt ihren Bildungszellen in die Tiefe verlagert und es wird jener Zu- stand erreicht, von dessen Betrachtung bei Heptanchus wir ausgingen. Die Schilderung des letzteren können wir nunmehr in einigen Punkten ergänzen. Die Hornstrahlenzone erstreckt sich jetzt sehr weit central bis in den Bereich des Rumpfes und endet hier in der tiefsten Partie der Lederhaut, da wo letztere nach innen an die Muskulatur grenzt. Die letztere sahen wir noch auf dem Mustelus-Stadium von 4 cm Länge weit peripher, eben gegen die Hornstrahlenzone zu auslaufen !, jetzt hat sie sich nach innen von dieser gegen die knorpeligen Spinae der Dorsalbögen vorgeschoben und an den letzteren Befestigung gefunden. | Die Ausbreitung der Hornstrahlenzone in der Tiefe der Lederhaut ist für die Auffassung der Basalplatte der Schuppen von Bedeutung. Sie zeigt bereits in dieser Zone die Verbreitung ektogener Selero- blasten und enthebt uns der Nöthigung, beim Wachsthum der Basal- platte in der Lederhaut die Betheiligung von Bindegewebszellen anzunehmen. Geht man bei Heptanchus bis zum freien Saum der Flosse vor, so erkennt man, dass das Gewebe, welches die Hornstrahlenzone von der Epidermis trennt, immer geringer an Dieke wird, bis man schließlich am freien Rande der Flosse die Hornstrahlen und ihre Bildungszellen in derselben nahen Beziehung zum Ektoderm trifft, wie sie bei Mustelus-Embryonen von 4 cm Länge noch im ganzen Bereich der Flosse bestand. Dasselbe lässt sich bei Acanthias und überhaupt an allen jugendlichen Haien konstatiren: Der freie Rand der Flosse bewahrt sich die ursprünglichen Verhältnisse bis zu dem Zeitpunkte, wo auch hier die Schuppenbildungen auftreten. ' Diesen Zustand hat P. Mayer (Taf. XVI) abgebildet. Uber die Herkunft der Scleroblasten. 195 Wie schon bei den jungen Embryonen, wo der rein ektodermale Saum dies deutlich genug bekundet, so be- hält auch in späteren Stadien der Flossenrand die Bedeu- tung der Keimzone bei, aus welcher das Bildungsmaterial der Hornstrahlen stets neuen Zuzug erhält!. Dieser Punkt ist nun auch für die phylogenetische Auffassung der Flossenstrahlen von der allergrößten Bedeutung. Wir brauchen diese Gebilde nicht als solche sui generis zu beurtheilen, deren Entstehung schwer verständlich wäre, wenn nicht irgend ein vorbereitendes Stadium für dieselbe gedacht werden könnte. Da wir sie in erwachsenem Zustande gerade am Flossenrande mit den tiefen Theilen der Basalplatte in kon- tinuirlichem Zusammenhang trafen (wie ich in meiner früheren Ar- beit zeigte), so dürfen wir schließen, dass sie von dieser aus sich entfalteten und in dem Maße zu selbständigeren Bildungen wurden, als eben die Placoidorgane auf der Flosse in eine neue Funktion, in die der Bewegung des Gesammtorganismus einbezogen wurden. So wurden diese Theile der Basalplatte zu den ersten inneren Skelettbildungen, die aus scleroblastischen Processen dem Wirbelthierorganismus erworben wurden. Bei der hohen funktionellen Bedeutung dieser Stützapparate für die Bewegungen der Flossen ist es aber auch leicht verständlich, dass ihre Selbständigkeit sich in der Ontogenese Bahn brach und dass so die direkten Beziehungen zu den Mutterörganen mehr und mehr verwischt wurden. Eine solche Betrachtung der Geschichte der Hornstrahlen macht die verschiedenen ontogenetischen Bilder verständlich, welche die- 1 Torpedo besitzt bekanntlich in den paarigen Flossen keine Hornstrahlen, während die unpaaren solche aufweisen. Dennoch traf ich an den Brustflossen bei jungen Embryonen (2 cm) einen schmalen Ektodermsaum und fand Bilder, welche für den Übertritt von Zellen aus der Epidermis in die Flossenachse sprechen. Diese Übereinstimmung von Torpedo mit Haien darf nicht Wunder nehmen. Das Fehlen der Hornstrahlen in den Brustflossen von Torpedo muss jedenfalls als eine sekundäre Erscheinung angesehen werden. Dafür spricht der Umstand, dass (wie P. Mayer citirt) KnER »bei Raja« vereinzelte Horn- strahlen in den Bauchflossen aufgefunden hat. Die Hornstrahlen sind also eben so wie die Schuppen der Haut rückgebildet worden, und die frühen ontogene- » tischen Processe der Flosse deuten auf die früher hier vorhandene Entwicklung von Hartsubstanz. Wie weit dieselbe auch noch bei Torpedo angelegt wird, habe ich nicht untersucht. Auch an manchen anderen Stellen der Haut traf ich Haufen subepithelialer Zellen, denen dieselbe rudimentäre Bedeutung zukommen dürfte. 196 Hermann Klaatsch selben darbieten. Wir begegnen hier einer Parallele zu dem, was wir oben fiir die Schuppenbildungen trafen. Die ektodermalen Processe, welche die Bildung der Hartsub- stanzen vorbereiten, äußern sich an der tiefen Zellschicht dieses Blattes um so früher, je mehr der betreffende Process eingebürgert und demgemäß in frühe Perioden verschoben ist. In diesem Sinne haben wir die Ausbildung des mesodermfreien ektodermalen Flossen- saumes von Mustelus zu beurtheilen. Sein Hervortreten ist eine cäno- genetische Erscheinung. Damit steht in vollem Einklang die Stellung der Formen, bei denen er besonders ausgeprägt ist. Für die Verbreitung skleroblastischer Processe im Körper ist die Rolle des Flossensaumes von großer Bedeutung. Ich wies bereits oben darauf hin, dass von diesem Punkte aus der Haut des übrigen Körpers möglicherweise sehr frühzeitig Scleroblastenmaterial zu- geführt werden kann; es besteht aber auch die Möglichkeit, den Zutritt zur Wirbelsäule und damit zum Innern des Körpers über- haupt, von der Flosse aus, als etwas sehr Einfaches und Natürliches darzuthun. Dass das früheste von mir beschriebene Stadium das früheste einer ektodermalen Scleroblastenproduktion überhaupt sei, will ich nicht behaupten. Wohl konnte ich in jenem Stadium den Zusammen- hang des Mesoderms mit dem Ektodermsaum nicht mit Sicherheit er- weisen, aber es ist doch möglich, dass ein solcher bestand. Vielfach begegnen uns rhythmische Erscheinungen bei den scleroblastischen Processen, auch der Austritt der Scleroblasten mag solchen Schwan- kungen unterworfen sein. Dass bereits in viel früherer Periode eine ektogene Mesoderm- proliferation an der Dorsalflosse bei Selachiern stattfindet, scheint nach KasTsCHENKO’s Angaben sicher zu sein. Ob diese aber mit der Hornstrahlenbildung etwas zu thun hat, muss sehr fraglich erscheinen. Es ist möglich, dass sie das axiale Bindegewebe der Flosse aufbaut. Auf diesen Punkt werde ich im Schlusskapitel zurückkommen. Das Ergebnis, zu welchem ich hinsichtlich der Bedeutung des freien Hautsaumes der Selachierflosse gelangt bin, beseitigt alle Schlüsse, die man bisher auf diese räthselhafte Bildung gestützt hatte. Dieselbe bietet überhaupt keinen Anhaltspunkt für die Phylo- genese der Flossenbildungen dar. Noch viel weniger aber darf auf Uber die Herkunft der Scleroblasten. 197 ‘diesen Saum hin eine nähere Beziehung zwischen den paarigen und unpaaren Flossen angenommen werden. Ist sie doch nur der Aus- druck für den gemeinsamen Besitz des Skelettes. Da diese Gemein- schaft im erwachsenen Zustand hinreichend klar zu Tage tritt, so fördert die Kenntnis der Ontogenese diejenige der Phylogenese nicht wesentlich. So dürfte denn ein Punkt beseitigt sein, der bisher störend und verwirrend in den Diskussionen über die Gliedmaßen- frage eine Rolle spielte. Auf die letztere hier näher einzugehen, liegt nicht in meinem Plane, doch veranlasst mich der specielle Gegen- stand, mit dem ich es hier zu thun habe, die Dourn’sche Hypothese über die Entstehung der unpaaren Flossen hier in Kürze zu berühren. DoHrn leitet dieselben bekanntlich aus paarigen Flossen ab, die mit einander verschmolzen sein sollen und sucht hierdurch eine Ver- knüpfung der Flossen mit den Parapodien der Anneliden herzustellen. Dieser Hypothese ist kürzlich Rast (1892) mit Recht sehr ener- gisch entgegengetreten: »Die unpaaren Flossen werden von Hause aus unpaar angelegt und nichts weist auf eine Verschmelzung aus paari- gen Flossen hin« (pag. 140). In Kürze auch geht er auf den Ver- such P. Mayer’s ein, die Donrn’sche Hypothese zu stützen, doch be- rührt er nicht den Kernpunkt dessen, was P. Mayer zu Gunsten der Annelidenverwandtschaft der Selachier vorgebracht hat. P. Mayer glaubt eine werthvolle Stütze dieser Ansicht und der Parapodiennatur der Flossen in gewissen Organen gefunden zu haben, die er bei Seyllium stellare entdeckt hat. Es handelt sich um »Hautknöpfe«, welche »in zwei ventro- und zwei dorsolateralen Reihen« angeordnet sind. Sie sollen »streng segmental« angeordnet und mit embryo- nalen Muskeln verbunden sein. Bei Berücksichtigung dieser That- sachen wird man nach Paur Mayer’s Ansicht »wohl nicht fehl gehen, wenn man sie als Überreste von Parapodien deutet« (pag. 226). Er fährt fort: »Mir wenigstens ist zur Zeit kein Organ bei Wirbel- thieren und denjenigen Wirbellosen, die hier überhaupt herangezogen werden dürfen, bekannt, auf das sie sich leichter beziehen ließen, als gerade auf Parapodien. Dass die Knöpfe selbst die Gestalt von Borsten, Paleen ete. nicht haben, dass überhaupt jedes Parapodoid, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist, nicht eine Vielheit von Borsten ete. besitzt, wie bei den Anneliden, wird kaum Verwunderung erregen, denn eine so getreue Vererbung annelidenähnlicher Strukturen kann man doch nicht erwarten. ..... « Giebt man P. Mayer in dieser kühnen Deutung Recht, so wird man erwarten, dass P. MAYER die unpaaren Flossen aus Konkrescenz 198 Hermann Klaatsch dieser Parapodoide herleite. Dies ist aber keineswegs der Fall, die unpaaren Flossen sind bereits gleichzeitig mit den Parapodoiden da. Von der segmentalen Anordnung will ich absehen, was aber die Ver- bindung mit Muskulatur betrifft, so kann man diesem Punkte keine sroße Bedeutung beimessen. Auf den Querschnitten sieht man Muskelknospen in der Nähe der »Parapodoide« liegen, aber diesen durchaus nicht viel näher, als die Muskulatur überhaupt in diesem Stadium »-der Haut benachbart ist. Die Hauptsache ist aber nach P. Mayer, dass die Parapodoide mit keinen anderen Organen ver- slichen werden können, als mit den Parapodien. Dies muss in so fern auffällig erscheinen, als er doch selbst dieselben ganz einfach als »Hautzähne« schildert. Gänzlich unvermittelt, ohne vorher auf Placoidorgane Bezug zu nehmen, schreibt er dem hohen Cylinderepithel, welches das Parapodoid bedeckt, die Rolle zu »den Knopf oder wenigstens seine äußere Wandung — den Schmelz — abzuschneiden« (pag. 221) und gleich darauf sagt er: »Wie man sieht bin ich hier zu denselben Resultaten wie O. HErTwIG gelangt. « Die Abbildungen ferner lassen nicht den geringsten Zweifel darüber, dass die Parapodoide Placoidorgane darstellen. Ich finde somit keinen Grund, diesen Organen irgend eine Be- deutung für die Verknüpfung der Wirbelthiere mit niederen Formen zuzuerkennen. Die Frage nach der Besonderheit dieser » Hautknöpfe « wird vielmehr innerhalb des Selachierstammes ihre Beantwortung fin- den miissen!. Ill. Von der Entwicklung der Knochen bei Teleostiern. Obwohl die Knochenbildung der Fische vielfach Gegenstand der Untersuchung war, wurde doch niemals eine zusammenhängende Darstellung dieses Gebietes geliefert. Die späteren Entwicklungs- stadien der Kopfknochen bei Teleostiern erfuhren durch SCHMID- MonnarD eine eingehende Prüfung mit Rücksicht auf die Frage nach den Beziehungen des Knochens zum Knorpel. Die früheren Stadien wurden bisher sehr wenig beachtet. Einiges über dieselben, so ! Wie ich während der Korrektur dieser Arbeit durch mündliche Rück- sprache mit Herrn Prof. P. Mayr erfahre, lässt derselbe neuerdings eine solche modificirte Deutung seines Fundes ebenfalls zu. Uber die Herkunft der Scleroblasten. 199 weit es sich um Knochen handelt, die mit Zähnen genetischen Zu- sammenhang haben, findet sich in der Arbeit von WALTER über die Deckknochen des Hechts. Damit ist aber auch die bisher vorliegende Litteratur über unseren Gegenstand erschöpft. Die erste Anlage der Kopfknochen, besonders derjenigen, die nicht mit Zähnen zusammen- hängen, wurde bisher noch niemals beschrieben. Dieses bisher gänzlich unbearbeitet liegende Feld erwies sich nun als ein äußerst wichtiges Gebiet für die Lösung der Frage nach der Herkunft der Scleroblasten. Dieselbe würde wohl schon längst nicht mehr zweifelhaft sein, wenn die frühen Stadien der Physo- stomen darauf hin untersucht worden wären. Die äußerst scharfen Bilder, die ich am Kopfskelet erhielt, veranlassten mich, meine Präparate von der Schuppenbildung einer erneuten Durchsicht zu unterziehen und meine früheren Ansichten über dieselben in einem wichtigen Punkte zu ändern. Dieinnige Verwandtschaft der Schuppensubstanz mit dem Knochen- gewebe, welche ich schon früher behauptet hatte, wurde dadurch aufs schönste bestätigt. Auch für das sekundäre Flossenskelet der Teleostier ergab sich ein mit den übrigen harmonirendes Resultat. Für dies Gebiet konnte ich auch einige ontogenetische Thatsachen am Stör ermitteln, die ich hier der Besprechung der Teleostier an- reihe, da mir kein weiteres Material von Ganoiden-Entwicklung zur Verfügung stand. 1) Erste Knochenbildung in Beziehung zu Haut- sinnesorganen. Zur Untersuchung der Kopfknochenentwicklung benutzte ich Junge Salmo salar. Solche, die eben ausgeschlüpft sind, sowie die ausschließenden Stadien (also von ca. 1,2 cm bis 2 cm Länge) liefern ein vorzügliches Material, um die erste Anlage der Kopfknochen zu -studiren. Von Konservirungsmethoden fand ich am besten die Fixi- rung mit koncentrirter Sublimatlösung, der einige Tropfen Eisessig zugesetzt sind. Querschnittserien von Köpfen solcher (in der bekannten Weise mit Jod-Alkohol nachbehandelten) Objekte geben die verschie- densten Stadien der ersten Knochenbildung. Es rührt dies daher, dass die einzelnen Knochenanlagen zu verschiedener Zeit auftreten. Am frühesten zeigen sich die Knochen des Opercularapparates und sehr früh auch diejenigen des Schultergürtels, sowie die mit Zähnen in Beziehung stehenden Knochen. Später erst bilden sich die Knochen 200 Hermann Klaatsch des Schädeldaches und diejenigen an der Seitenwand des Primor- dialeraniums. Es liegt nicht in meiner Absicht, eine ausführliche Schilderung der ersten Entwicklung aller einzelnen Knochen zu geben; dies würde eine eigene umfangreiche Arbeit für sich sein. Mir kommt es hier nur darauf an, das Wesen des Processes aufzuklären, und um dieses zu erläutern, greife ich eine Anzahl von Beispielen heraus (Taf. VIII Fig. 5—7). Die Epidermis hat in diesen Stadien bereits jene Differenzirung erlangt, welche ich in meiner früheren Arbeit gelegentlich der Schuppenbildung beschrieben habe. Sie stellt ein mehrschichtiges, aus kubischen, nur gegen die Außenfläche zu mehr abgeplatteten Elementen gebildetes Epithel dar, deren etwa drei bis fünf Lagen zu unterscheiden sind. Allenthalben treten bereits die Schleimzellen (2) auf, die stets das charakteristische Bild des basalen halbmondförmigen Kerns bieten. Sie finden sich an verschiedenen Stellen der Epidermis, sind aber gegen die Außenfläche zu am reichlichsten entfaltet. Die tiefste Zellschicht der Epidermis ist für gewöhnlich nicht durch be- sondere Merkmale ausgezeichnet. Gegen die Lederhaut zu ist sie in der Regel (doch mit gleich zu betrachtenden Ausnahmen!) durch eine Art Basalmembran abgegrenzt, welche in jüngeren Stadien sehr schwach, in älteren etwas an Dicke gewinnt. Die Lederhaut zeigt in diesen frühen Stadien noch eine sehr unvollkommene Differenzirung. Ihre Elemente besitzen längliche Kerne und einen zarten Protoplasmaleib. Sie liegen weit getrennt in einer hellen Grundsubstanz, in welcher die fibrilläre Struktur eben erst aufzutreten beginnt. Speciell am Kopf sind diese Coriumpar- tien vielfach äußerst dünn, und an manchen Stellen reicht das Knorpelskelet bis dicht an die Epidermis heran. So bieten sich sehr leicht zu übersehende Verhältnisse dar und diese gestatten ohne Weiteres die Erkenntnis, dass die ersten Vor- gänge der Knochenbildung sich gänzlich in der Epider- mis abspielen. Dies geschieht stets in der gleichen Weise: Die basalen Zellen der Epidermis werden von den übrigen different (Taf. VIII Fig. 5). Ihre Kerne erlangen z. Th. eine bedeutende Größe und zeigen ein Kernkörperchen mit großer Deutlichkeit. Die Zellen bleiben entweder kubisch oder sie zeigen eine leichte Abplattung, einige derselben erlangen bedeutende Größe. In dieser Weise son- dern sich die Zellen von den übrigen auf gewisse Strecken hin. Diese Uber die Herkunft der Scleroblasten. 201 Sonderung wird aber erst dadurch definitiv, dass ein freier heller Spalt an der äußeren Begrenzung der betreffenden Zellenzone sich bildet. Dadurch erscheint die letztere gleichsam aus der übrigen Epi- dermis herausgeschält und sinkt nun in toto in das unterliegende Gewebe ein. Dabei bleibt aber diese Zellmasse, die nun in unregel- mäßiger Weise mehrschichtig wird und ihr epitheliales Gefüge auf- giebt, mit der Epidermis an einem Punkte, der meist an der Peri- pherie des Zellhaufens liegt, mit der Epidermis in Zusammenhang. Fügen wir hinzu, dass nun innerhalb dieser aus der Epidermis ausgeschalteten Materie eine dünne Lage von homogener Hartsubstanz auftritt, so haben wir das Bild einer ersten Knochenanlage, wie es immer wieder uns entgegentritt. Ist einmal die erste Abscheidung von Knochensubstanz eingetreten, so erstreckt sie sich sammt den dieselbe auf beiden Seiten umschlie- ßenden Bildungszellen in die Tiefe der Lederhaut und verliert hier jede örtliche Beziehung zur Epidermis. In dieser Weise treten uns die Opercularknochen bereits bei 1,5 cm langen Salmo entgegen, wäh- rend die vorher geschilderten Stadien an den eben ausgeschlüpften zur Beobachtung kamen. Aber gerade diese späteren Stadien geben nicht minder als die früheren ein überzeugendes Bild von der ekto- dermalen Herkunft der Scleroblasten. } Dort, wo der Zusammenhang mit der Epidermis bleibt (Taf. VIII Fig. 6 bei Se), erkennt man das absolute Fehlen einer Grenze zwischen Epidermis und Seleroblasten, sowie das beständig aufs Neue folgende Ausrücken von Zellen aus dem Ektodermverband zur Knochenanlage. In geringer Entfernung von der Austrittsstelle der Scleroblasten wird die Abgrenzung der Epidermis vom Bindegewebe sehr scharf. Es ist also ganz unmöglich das Fehlen jeglicher Abgrenzung an der kritischen Stelle irgend wie anders erklären zu wollen, als ich es thue. Dazu kommt die vollkommene Übereinstimmung der bereits -ausgetretenen Scleroblasten mit den Zellen der Epidermis. Die ersteren verbreiten sich weiterhin unter der Epidermis, in dichten Massen das Ende der bereits gebildeten Knochenanlage einhüllend und von da aus in Zügen in die Umgebung ausstrahlend. Im weiteren Verlauf der Entwicklung verlieren diese Bilder keineswegs an Deutlichkeit, im Gegentheil werden sie bezüglich des Zusammenhangs der Scleroblasten mit dem Ektoderm nur noch demonstrativer. Es rührt dies daher, dass immer neue Scleroblasten aus der Epidermis hervorgehen und dass sie das Ende des Skelet- Morpholog. Jahrbuch. 21. 14 202 Hermann Klaatsch stiickes dicht umlagernd, die spätere stärkere Entwicklung des Kno- chens vorbereiten. Besonders schön sind die Bilder, welche die Entwicklung der Clavicula liefert. Ich führe dies Beispiel auch desshalb an, weil gerade die Clavicula einen Knochen darstellt, dessen Homologie in der Thierreihe nicht bezweifelt wird und über dessen Entwicklung schon viel gestritten worden ist. Auf Fig. 7 habe ich einen Theil der Clavicularanlage vom 1,5 em langen Salmo salar dargestellt. Wer an solchem Objekt ge- sehen hat, dass dieselbe nichts Anderes darstellt, als eine enorme Wucherung der Epidermis, der wird wohl den letzten Zweifel an der Richtigkeit meiner Annahmen aufgeben. Das Bild spricht für sich und ich brauche ihm nichts hinzuzufügen. Um noch ein anderes Beispiel anzuführen, verweise ich auf die Entwicklung des Squamosum, von dem ich mehrere Stadien auf Taf. IX Fig. 1—3 dargestellt habe. Fig. 1 zeigt den Zustand dieses Knochens, wie er sich bei einem 2 cm langen Salmo salar findet. Dies Bild illustrirt zugleich wichtige Beziehungen der Knochenbildung zu den Hautsinnesorganen. Die Vertiefung Aa stellt die Anlage des Schleimkanals dar, welcher im erwachsenen Zustande das Squa- mosum durchsetzt und die Hautsinnesorgane birgt. Die Ränder der Rinnenbildung, die übrigens bereits auf diesem Stadium an vielen Stellen zur Kanalbildung konfluiren, stellen die Keimstätten für die Knochenbildung dar. Nach außen davon bietet die Epidermis das gewöhnliche Verhalten dar. Die Zelllagen derselben sind zahlreicher geworden und die Basalmembran ist sehr mächtig entwickelt. Sie schiebt sich mit kleinen Fortsatzbildungen zwischen die basalen Epidermiszellen ein und gewinnt ein stärkeres Lichtbrechungsvermögen derart, dass sie vielfach an die erste dünne Knochenlage erinnert, eine Ähnlichkeit, die mir mehrfach sehr auffällig war. Im Bereich des Schleimkanals ist die Epidermis auf wenige Zelllagen verdünnt. An den Rändern des Halbkanals ist die Basalmembran spurlos ver- schwunden. Hier strömen die Epidermiszellen in dichten Massen in die Tiefe, die erste dünne Knochenlage umhüllend, welche in huf- eisenförmiger Anordnung auf dem Durchschnitt den Halbkanal umfasst. Gerade solche Bilder, wie das oben geschilderte, möchte ich zu Demonstrationszwecken empfehlen. Dasselbe ist für die Auffassung der Knochenbildung in mehrfacher Hinsicht von großer Bedeutung. Zunächst springt in die Augen, in wie inniger Beziehung bei den Teleostiern die erste Knochenbildung am Schädeldach zu den Haut- Uber die Herkunft der Scleroblasten. 203 sinnesorganen steht. Was sich hier fiir das Squamosum zeigte, könnte in gleicher Weise für alle jene Knochen dargethan werden, welche im erwachsenen Zustande von Schleimkanälen durchsetzt sind und ich stimme der Ansicht VROLIk’s vollständig bei, welcher es zuerst aussprach, dass die Bedeutung des Frontale ete. darin liegt, als Schutz und Stütze für die Hautsinnesorgane zu dienen. Diese Auffassung wird noch bestärkt durch die allerersten Stadien der Knochenbildung. Um deren Schilderung nicht zu kompliciren, wies ich oben noch nicht darauf hin und spreche es erst hier aus, dass jene erste von der übrigen Epidermis sich sondernde Knochen- anlage an allen »Schleimkanalknochen« mit den Hautsinnesorganen in direktem Zusammenhang steht. Gerade so wie bei den Selachiern, wo (siehe oben Mustelus!) die tiefe Ektodermschicht — die Matrix für Schmelzepithel und Seleroblasten — mit den Zellen der Haut- sinnesorgane in einer Lage sich fand, so reihen sich auch die Selero- blasten bei Salmo, wenn sie aus der Epidermis gleichsam heraus- geschilt werden, den Zellen der Sinnesknospe an. Jede derselben stellt somit auf dem betreffenden Stadium und bei geeigneter Schnitt- richtung einen langgestreckten Kegel dar, dessen periphere Elemente durch die Scleroblasten geliefert werden. In dem Maße als die Sinnesknospe sich in die Tiefe senkt, rücken auch die Seleroblasten von der Oberfläche aus in das Niveau der Lederhaut. Durch diese Beziehungen wird auch der intra-epi- dermoidale Spaltraum verständlich, welcher die Scleroblasten von der (übrigen) Epidermis scheidet. Er ist mit derartigen Bildungen, die auch sonst an der Peripherie der Sinnesknospen auftreten und auf die MAURER! hingewiesen hat, in Parallele zu bringen und bietet so- mit nichts den Scleroblasten Eigenthümliches dar. Der andere Punkt, welchen die Anlage des Squamosum sehr deutlich zeigt, ist die Beziehung des Knochens zum Knorpel. Seitdem GEGENBAUR gezeigt hat, dass Knochen, die im Binde- -gewebe entstehen (»sekundäre« Knochen) allmählich zum Knorpel Beziehungen erlangen und so »primär« werden können, ruht der Kampf über die Auffassung der Osteogenese nicht. Obwohl die Be- obachtungen GEGENBAUR’s durch zahlreiche andere Untersuchungen in ausgedehntester Weise bestätigt wurden — ich erinnere an die Arbeiten von GRASSI, SAGEMEHL, SCHMID-MONNARD —, taucht immer ! Haut-Sinnesorgane, Feder- und Haaranlagen. Morph. Jahrbuch. Bd. XVIII. 1892. 14* 204 Hermann Klaatsch wieder der Versuch auf, eine strenge Scheidung der Knochen durch- zuführen in solche, welche mit dem Knorpel in direkter Beziehung stehen, und in solche, welche dieser Beziehung entbehren. SAGEMEHL hat zahlreiche Beispiele dafür vorgebracht, dass ein reiner »Hautknochen« allmählich den Knorpel beeinflusst, Grassi hat den Ossifikationsmodus der Wirbelsäule auf die am Schädel er- kannten Zustände zurückgeführt, Scumm-Monnarp hat gerade am Squamosum des Lachses gezeigt, dass die Grenze zwischen »Deck- knochen« und »Knorpelknochen « nicht aufrecht erhalten werden kann. Es muss daher Wunder nehmen, dass immer wieder die Einheitlich- keit in der Auffassung der Osteogenese beanstandet wird und dass die Gegnerschaft gegen dieselbe gerade von O. HERTWIG und seinen Schülern ausgeht: hatte doch dieser Forscher in anderen Punkten die GEGENBAUR’sche Lehre erfolgreich ausgebaut. Von diesen Ar- beiten O. Herrwig’scher Schüler habe ich diejenige von WALTHER bereits früher kritisch beleuchtet und gezeigt, dass dieser Autor nicht die genügende Basis richtiger Vorstellungen vom Knochenbildungs- process besaß, um die verschiedenen Modi desselben beurtheilen zu können. Auf seine Unterscheidung von Hautknochen und Knorpelkno- chen gehe ich daher nicht ein. Hingegen will ich hier die Folgerungen eines anderen Schülers O. Herrwıg's zuriickweisen. E. H. GoELDI ist auf Grund von Untersuchungen, die er an erwachsenen Siluriden, Selerodermen und an Accipenser angestellt hat. zu einer scharfen Sonderung von Hautknochen und perichondralen Knochen gelangt. Als Hauptargument für diese Auffassung dient ihm der Umstand, dass der Kopf von Balistes von Schuppenbildungen bedeckt ist. In- dem er in diesen »dermale Ossifikationen« erblickt, glaubt er die darunterliegenden Schädelknochen für »Ossifikationen des Primordial- eraniums« halten zu sollen. Auch für Loriearia sucht er diese Son- derung durchzuführen, selbst da, wo die Thatsachen nicht den gering- sten Anhalt für einen »gemischten« Charakter der betreffenden Knochen- lagen bieten. Auf die Absurdität dieses ganzen Versuches hat bereits SAGEMEHL in seiner hinterlassenen Arbeit über das Kopfskelet der Cyprinoiden hingewiesen, indem er zeigte, dass die Schuppen- bedeckung des Kopfes bei Balistes eine ganz sekundäre Erscheinung ist. Wenn ich hier noch einmal auf die GoELDT'sche Arbeit eingehe, so geschieht es nur, weil dieselbe merkwürdigerweise von gewisser Seite her als ein werthvoller Beitrag zur Knochenbildungslehre an- gesehen wird. Um das gänzlich Ungenügende der GoELpr'schen Arbeit zu zeigen, genügt es, darauf hinzuweisen, dass er nicht ein- Uber die Herkunft der Scleroblasten. 205 mal den Versuch macht, eine morphologische Deutung der einzelnen Komponenten des Schiideldaches der Siluriden zu geben. Er erklirt deren Verhältnisse als ganz von den Teleostiern abweichend. Dass dies durchaus nicht der Fall ist, hat SAGEMEHL gezeigt in einer Untersuchung über das Kopfskelet der Siluriden, die leider nicht abgeschlossen wurde. Die Fragmente dieser Arbeit, die ich in Händen habe, zeigen die Möglichkeit, das Kopfskelet der Welse voll- ständig mit denen der anderen Physostomen in Einklang zu bringen. In dieser Arbeit findet sich auch ein direkt gegen GOELDI gerichteter Passus, in welchem SAGEMEHL diesem Autor eine ganze Reihe von Irrthümern, specielle Verhältnisse des Kopfskelets von Silurus und Balistes betreffend, nachweist. Indem ich nach diesem Exkurse zum Squamosum zurückkehre, bemerke ich, dass meine Ergebnisse über die weiteren Schicksale desselben vollständig mit denen Scumip-Monnarv’s übereinstimmen. Sie ergänzen dieselben, da dieser Autor die frühen Stadien nicht kannte. Schon beim 2 cm langen Salmo salar hat die dünne Knochenlage Beziehungen zum knorpeligen Kopfskelet. Der Theil des Knochens, welcher von innen her den Schleimkanal umgreift, ist nur durch eine dünne Lage von Zellen vom Knorpel der Gehör- kapsel getrennt. Es fehlt nur wenig, dass er dem Knorpel sich direkt auflagerte. So hat man hier einen Zustand, wo der- selbe Knochen mit dem einen Theil noch in der Epidermis steckt, also ein Hautknochen im wahrsten Sinne des Wortes ist, mit dem anderen Theil hingegen bereits als ein peri- chondrales Skeletstück erscheint. Über die weiteren Schicksale des Knochens geben Fig. 2 u. 3 Aufschluss. Da ich von Salmo salar keine älteren Stadien zur Ver- fügung hatte, so gebe ich zwei Durchschnitte durch den Kopf einer 5 em langen Forelle. Das Bild auf Fig. 2 schließt sich ganz direkt dem auf Fig. 1 an. Der Schleimkanal hat sich bedeutend vertieft und demgemäß sind die ihn umfassenden Knochenspangen beträcht- lich ausgedehnt worden. An den Umbiegungsstellen derselben in die mittlere Platte hat sich die Knochenmasse stärker entfaltet. Hier zeigte sich schon im vorigen Stadium eine lokale Anhäufung der Seleroblasten. Der Knorpel der Schädelkapsel ist gegen das vorige Stadium bedeutend verdickt; auch das Bindegewebe zwischen Knochen und Knorpel ist am Wachsthum betheiligt, so dass ein beträchtlicher Zwischenraum beide Skelettheile von einander trennt. Der Zusam- 206 Hermann Klaatsch menhang der Knochenplatte mit dem Ektoderm beginnt sich zu lösen, indem Bindegewebe den Knochen allseitig umwichst. Nur wenig weiter nach hinten treffen wir denselben Knochen (Fig. 3) in wesentlich geänderten Verhältnissen. Es ist hier eine Stelle getroffen, wo der Schleimkanal vollständig geschlossen und die Knochenmasse zu einer cylinderförmigen Scheide desselben ge- worden ist. Damit ist jede Beziehung zur Epidermis verloren ge- gangen. Andererseits hat die Knochenlage sich bedeutend ausgedehnt und hat sich dem Knorpel genähert. Sie liegt demselben jetzt zum größten Theile ganz dicht auf. Die beide trennende Gewebsschicht ist geschwunden. Nach abwärts erstreckt sich eine dünne Knochen- lage und erreicht bereits die Stelle, an welcher das Hyomandibulare die Schädelkapsel berührt. Der Knorpel ist an einer Stelle bereits sehr verdünnt. Eine innere Knochenlamelle, wie sie ScumMipD-MONNARD als Auskleidung des Canalis semieireularis externus beim kaliforni- schen Lachs beschreibt, war auf diesem Stadium der Forelle noch nicht vorhanden. Im Übrigen schließen hier die Veränderungen, die SCHMID-MONNARD genau beschrieben hat. Mir kam es hier nur darauf an, an einem Beispiel die Metamorphose eines »Hautknochens« in einen »Knorpelknochen« darzuthun, um damit hoffentlich endgültig die dualistische Auffassung der Osteogenese zu beseitigen. 2) Bildung der Zahnknochen. Wir kommen nun zu einer zweiten Gruppe von Knochenbildungen, nämlich jener, welche mit Zahnbildungen in genetischer Beziehung stehen. Es sind die Knochen, welche im Bereich der Mundhöhle sich bilden. Gerade von ihnen hat WALTHER beim Hecht einige Stadien kennen gelehrt, von Salmoniden ist bisher niemals etwas auf diese Dinge hin an Schnittserien untersucht worden. Auch hier kann ich unmöglich jedem einzelnen Knochen Schnitt für Schnitt auf dem Wege seiner Entwicklung folgen. Wurde ich auch zu einer genaueren Untersuchung durch Vieles verlockt, was sich ohne Weiteres hier darbot, so will ich doch an dieser Stelle nur das Wichtigste über den Bildungsmodus vorbringen. Die Knochen, welche Zähne tragen, entstehen zum großen Theil mit diesen in sehr direkter genetischer Beziehung. In dieser Hin- sicht kann ich O. Herrwia’s Angaben bei Amphibien und WALTHER’s Untersuchungen am Hecht vollkommen bestätigen. Was aber beide Forscher nicht genügend dargestellt haben, ist die histiologische Be- schaffenheit des Bildungsgewebes der Zahnknochen. Über die Herkunft der Scleroblasten. 207 Auf O. Herrwie’s Abbildungen finden sich überall scharfe Linien, welche die Grenze zwischen Odontoblasten und Epidermis markiren. Solche kann ich weder bei Amphibien (s. u.) noch bei Salmo als itberall kontinuirliche Bildung konstatiren. Im Gegentheil ist der Zusammenhang des Ektoderms mit dem Odontoblastenmaterial noch eben so offenbar und ausgedehnt, wie bei der Kieferzahnbildung der Haie, über die ich oben berichtet habe. In ganz vorzüglicher Weise lässt sich an eben ausgeschlüpften Lachsen die gemeinsame Beziehung sowohl der Odontoblasten als der Osteoblasten zur Epidermis darthun. Fig. 4. ® Ss S Querschnitt des Unterkiefers, eines 1,5 cm langen Salmo salar. Zahnanlage. Sm Schmelzepithel. F Austrittsstelle der Scleroblasten. Ch Knorpel. O0 Dentale. Vergr. 250/1. Um dies klar zu machen, genügt ein Blick auf Textfigur 4. Sie stellt von einem 1,5 em langen Lachs einen Querschnitt durch den Unterkiefer dar. Der Knorpel desselben wird zum Theil umzogen von einer dünnen gekrümmten Knochenplatte, der auf beiden Seiten die Bildungszellen dicht gedrängt ansitzen. Nach oben zu geht dies Osteoblastenmaterial in eine dichte Zellmasse über. In diese hinein springt von innen her ein Fortsatz der Epidermis vor, welcher höhere Epithelzellen zeigt. Er ist scharf gegen das unterliegende Gewebe abgegrenzt. Sein äußerer Theil bildet mit der nach außen angren- zenden Ektodermpartie das Schmelzepithel einer Zahnanlage, deren Odontoblastenmaterial von dem oben geschilderten Zellenhaufen ge- liefert wird. Dieser hat bereits eine dünne Hülse von Zahnbein mit 208 Hermann Klaatsch einigen Kaniilchen geliefert. Die Spitze des Zahnes sieht nach innen. An seiner Basis steht die Epidermis in offenem Zusammenhang mit dem Odontoblastenmaterial (F). Man kann sich die ganze Zahnanlage hervorgegangen denken aus einem Faltungsprocess an der Basis der Epidermis. Die stark einspringende innere Falte ist im vorliegenden Fall rein ektodermaler Natur, die äußere ist in ektogenes Mesenchymgewebe aufgelöst. Von hier aus verbreiten sich die Scleroblasten unter der Haut. Die innere Einfaltung kann man der Zahnleiste der Selachier vergleichen. Da an vielen Stellen das Ektoderm ganz scharf gegen das unter- liegende Gewebe abgegrenzt ist, so tritt der direkte Zusammenhang der Theile an dem Punkte F um so deutlicher hervor. Dass er dem Faltungsrande der Placoidschuppe entspricht, liegt auf der Hand, so wie das Osteoblastenmaterial gegen das Dentale zu dem Bildungs- gewebe der Basalplatte an die Seite zu setzen ist. Recht interessante Verhältnisse bot das nächstältere Stadium von ca. 2cm Länge dar. Hier konnte ich an zahlreichen »Zahn- knochen«, z. B. am Maxillare, Dentale u. A. eine Thatsache kon- statiren, welche die Angaben anderer Forscher über den Zusammen- hang von Zähnen und Knochen in einer neuen Richtung erweitert. Textfigur 5 zeigt einen Querschnitt durch das Maxillare eines jungen Lachses. Rechts unten ist eine Zahnanlage sichtbar, welche sich bis nahe an den bereits gebildeten Knochen heran erstreckt. Bezüglich der Zahnanlage selbst ist die Übereinstimmung mit der Placoidschuppenanlage bemerkenswerth, insbesondere der bogen- förmige Verlauf der tieferen Zellenschichten in Zusammenhang mit dem Austritt dieser Elemente aus dem Ektoderm am Faltungsrand der Anlage. Diese ektogene Zellmasse breitet sich nun weiter in die Tiefe aus, auch nach der Seite hin sieht man Züge der Ele- mente divergiren und so die Osteoblasten des Maxillare darstellen. Die längliche dünne Knochenspange trägt an ihrem äußeren Rande eine eigenthümliche Bildung. Ein dünner Kegel aus Knochengewebe enthält in seinem Innern große Zellen, die sich nur durch ihre be- sonders schönen und großen Kerne von den benachbarten Scleroblasten unterscheiden, mit denen sie durch einen engen Kanal an der Basis des Knochenkegels in Zusammenhang stehen. Auch von außen her wird derselbe von Scleroblasten eingehüllt. Anfangs legte ich dieser Bildung kein Gewicht bei, bis mir die große Regelmäßigkeit ihres Vorkommens und zugleich die Nachbarschaft mit Zahnanlagen auf- fiel. Hiervon geleitet, prüfte ich diese Gebilde genauer mit dem Uber die Herkunft der Scleroblasten. 909 Resultat, dass ihre auffallende Ähnlichkeit mit Zähnen keine zufällige ist. Es sind vielmehr Zahnanlagen, die niemals an die Oberfläche kommen. Nicht nur die allgemeine Form zeigt dies, auch das Ver- halten der Zellen im Innern derselben, die eine auffallende Ähnlich- keit, mit den Odontoblasten älterer Zahnanlagen ‚desselben Objekts haben. spricht dafür. Dazu kommt, dass ich an der Spitze der ‘Oo o 8 S > 02090609» 2008 9,2 6 ® ® 9,9 > ce. 982% 8 8 © . Querschnitt des Maxillare. Salmo salar, 2 cm lang. Rechts eine Zahnanlage, links der Theil des Knochens, der aus einer Zahnanlage hervorging. Vergr. 500/1. Gebilde nicht selten eine zarte Kappe einer von der übrigen etwas differenten Hartsubstanz traf. In ihr erkenne ich ein Schmelzrudi- ment, dessen Bildungszellen ihren epithelialen Verband aufgegeben haben. Der Kanal an der Basis, der ja so vielfach bei Zähnen vor- kommt, vervollständigt das Bild. Andere Knochenanlagen fand ich theilweise ganz ausschließlich aus diesen Zahnrudimenten gebildet. Textfigur 6 soll dieses wichtige 210 Hermann Klaatsch Verhalten erläutern. Wir lernen daraus etwas, das aus HERTWIG’s Beobachtungen noch nicht hervorging: Nicht nur die basalen Theile von Zähnen können zur Knochenbildung beitragen, die ganzen Zähne resp. Zahnanlagen werden hier in die Knochenbildungen aufgenommen, liefern den ersten Theil vieler Knochen. Für diese lässt sich mit vollem Rechte sagen, dass sie aus mit einander »verschmolzenen Zähnen«, nicht bloß Zahnanlagen hervorgehen. Es ist damit ein sehr einfacher phylogenetischer Modus der Mundhöhlenknochen auch für die Salmoniden erwiesen. Ob er nicht auch für andere Fische Gel- tung hat, müssen weitere Untersuchungen lehren. Wenn beim Hecht Fig. 6. 0 Ch Querschnitt des Dentale von einem 2 cm langen Salmo salar (halbschematisch) (ganz vorn!). 0 Den- tale. Zı und Ze rudimentäre Zahnanlagen, den Knochen bildend. zı, z2 neue Zahnanlagen. Ch Knorpel. andere Verhältnisse vorliegen, so mag dies vielleicht damit zusammen- hängen, dass die Spitzentheile auf den Basalmassen im erwachsenen Zustande artikuliren und dass sie im Jugendzustande nicht mit in die Knochenbildung einbezogen werden. Nach WALTHER's Angaben scheint es, als ob beim Hecht alle Zahnanlagen an die Oberfläche treten und nicht, wie beim Lachs, zum Theil in der Tiefe verbleiben. Mir scheint, dass hier erneute Untersuchungen am Platze sind, zumal die von WALTHER gegebenen Schnittbilder keineswegs höheren An- sprüchen genügen. Es sollten diese Untersuchungen über eine größere Zahl von Species ausgedehnt werden. Für die glücklichen Besitzer von Amia-Material bietet sich hier ein Feld dar, auf welchem sie zu werthvollen Resultaten kommen können. Mir liegt es fern, hier näher auf diese Dinge einzugehen. Für mich ist einmal der Punkt Uber die Herkunft der Scleroblasten. 311 wichtig, dass die Brücke von einfachem Zahnbesatz zu Knochenbeleg der Mundhöhle, wenigstens für den Lachs bedeutend einfacher und verständlicher geworden ist als früher. Bedenkt man die Konkurrenz, welche schon bei Selachiern zwischen den einzelnen Zahnanlagen besteht, so muss man sich wundern, dass nicht schon bei diesen Formen einige der Zähne sich zum Nutzen der übrigen in eine feste Unterlage derselben umgestaltet haben. Jedenfalls erscheint dieser Vorgang jetzt als eine eben so nothwendige Konsequenz des einmal Gegebenen, wie die Entwicklung der Placoidschuppen aus einfachen Schmelzplatten. Sodann kommt es mir darauf an, recht scharf hervorzuheben, dass ganz verschiedene Gesichtspunkte für die Genese der einzelnen Schädelknochen zu gelten haben. Ich finde es ungerechtfertigt, alle darin einheitlich beurtheilen zu wollen. So sicher die Knochen der Mundhöhle aus Zahnbildungen direkt sich herleiten, so wenig ist eine derartige Anknüpfung für die Knochen des Schädeldaches geboten. In den ersten Anfängen freilich gehen diese auf die Placoidschuppen zurück, aber die Rolle der letz- teren ist doch wesentlich, das scleroblastische Material zu liefern, das dann in einer neuen Richtung verwerthet wird. Die Horn- strahlen leiten sich auch von den Placoidorganen ab und doch kann man nicht sagen, dass sie aus mit einander verschmolzenen Zähnen entstanden seien. Eben so wenig darf dies ohne Weiteres für die Schädeldachknochen geschehen. Ich halte es für möglich, dass einige von ihnen, die mit Hautsinnesorganen in Beziehung standen, sich enorm ausgedehnt und auf Kosten der benachbarten herangewachsen sind. Jedenfalls bietet die Ontogenese des Lachses keinen Anhalt dafür, dass sie einfach durch Zusammentritt von Hautzähnchen entstanden seien. Auch hierfür würde z. B. Amia ein werthvolles Material liefern. Der dritte Punkt, der mir wichtig ist, liegt in der schönen Be- stätigung, welche die Entwicklung der Kopfknochen, wie auch im ' Einzelnen dieselbe sich gestalten mag, für die Richtigkeit meiner Annahme der ektodermalen Herkunft der Scleroblasten liefert. 3) Bildung der Schuppen. Ganz ähnlich, wie die Schädelknochen, verhalten sich die Sehuppen am Körper der Teleostier. Die Übereinstimmung der Sub- stanz der Schuppen mit dem Knochengewebe habe ich schon früher erwiesen und habe die Bildungszustände bis ins Einzelne verfolgt. =12 Hermann Klaatsch Meine damaligen Mittheilungen bedürfen somit nur in einem Punkte der Korrektur; nämlich in der Herleitung der Elemente, welche die Schuppe bilden. Eine erneute Durchsicht meiner früheren Präparate zeigt mir sehr deutlich die ektodermale Herkunft der Scleroblasten auch hier. Ich wundere mich jetzt darüber, dass ich sie damals nicht schon erkannt habe, zumal ich die epithelartige Anordnung derselben und die Ektodermfortsätze zwischen den Schuppen kannte. Einem anderen Forscher, der ziemlich gleichzeitig mit mir, diese Dinge untersuchte, ist es nicht besser ergangen. Auch Horer hält die Schuppenzellen für Bindegewebselemente. Man muss eben die Zustände am Kopfe gesehen haben, um auch für die Schuppen sofort ins Reine zu kommen. Im Speciellen hebe ich hier als Ergänzung meiner früheren Dar- stellung, auf die ich im Übrigen verweise, noch das Folgende hervor: Die allerersten Veränderungen, welche sich auf die Schuppen- entwicklung beziehen, habe ich damals nicht erkannt. Man findet sie, in der Nähe von Schuppenanlagen, aber an Stellen, wo von solchen noch keine Spur zu sehen ist. Hier zeigen sich dieselben Veränderungen der basalen Epidermisschicht, welche die Bildung der Kopfknochen einleiten. Eine scharfe basale Abgrenzung der Epi- dermis besteht hier nicht, einzelne Elemente der eigenthümlich modi- ficirten basalen Epidermisschicht sind ins Bindegewebe der Lederhaut vorgeschoben. Alsdann kommt es zur Ausbildung jenes schmalen Spaltes, welcher die basale Schicht von der übrigen Epidermis trennt. So werden die Schuppenanlagen aus derselben gleichsam heraus- geschält und erscheinen daher als Papillen, welche von unten her gegen die (übrige) Epidermis vorspringen. Im Bereiche dieser sekundären Abgrenzung innerhalb des Ekto- derms suchte ich früher die Basalmembran und die unmittelbar über der Schuppenanlage liegende Epithelschicht hielt ich für die Basal- schicht der Epidermis. An ihr suchte ich vergeblich irgend welche auf die Schuppenbildung hinzielende Veränderungen. Dies muss ich auch heute noch aufrecht erhalten im Gegensatz zu den Angaben Horer’s, der an ihnen Veränderungen beschreibt, die an Verhältnisse bei Selachiern erinnern sollen. Sie sollen »im Vergleich zu den zwischen je zwei Papillen gelagerten Epithelzellen einen cylinder- förmigen Bau aufweisen, so dass dieselben »eine deutlich entwickelte Schmelzmembran repräsentiren«. Dieselbe soll später einer »regres- siven Metamorphose« anheimfallen. Ich habe von einer solchen Bildung nie etwas bemerkt. Auch Uber die Herkunft der Scleroblasten. 313 an den Knochen des Opereularapparates, deren völlige Überein- stimmung mit Schuppen so klar zu Tage tritt, findet sich nichts Derartiges. Eine geringe Ungleichheit der Epidermiszellen findet sich vielfach; vielleicht ist Horer durch die Wahrnehmung von ähn- lichen Bildern, wie ich sie vor der Schuppenbildung finde, zur An- nahme der Schmelzmembran verleitet worden. Ein endgültiges Ur- theil wird sich erst nach dem Erscheinen der ausführlichen Arbeit Horer’s, die derselbe am Schlusse seiner vorläufigen Mittheilung in Aussicht stellt, abgeben lassen. Vorläufig aber muss ich alle Schlüsse, die HorEr auf die »Schmelzmembran« stützt, als unbe- gründet zurückweisen. Die folgenden Stadien sind durch die Aufrichtung des hinteren Schuppenendes und die Entfaltung der Ektodermfortsätze zwischen den Schuppen charakterisirt. Für sie habe ich nur wenig an der früheren Darstellung zu ändern. Was ich damals nicht erkannte, ist, dass der Zusammenhang der Scleroblasten mit der Epidermis am Hinterrande der Schuppe nicht ganz aufgegeben wird und dass gerade hiermit die Entwicklung der Ektodermfortsätze zusammen- hängt. Indem sich derselbe unter die Schuppe schiebt, giebt er die Scleroblasten ab, welche die untere Schuppenschicht aufbauen. Letztere hielt ich früher für Bindegewebe und brachte ihren Bau mit der lamellösen Struktur der Lederhaut in Beziehung. In einem der folgenden Kapitel werde ich die Änderung meiner Ansicht über diesen Punkt klarlegen. Der Spalt, den ich auf Fig. 3 abbildete, war künstlich. Dass ich gerade eine solche ungünstige Stelle damals wählte, erklärt sich daraus, dass ich den andern be- züglich ihrer Deutlichkeit nicht traute, weil ich sie damals noch nicht in ihrer wahren Bedeutung verstand. Das jedoch war mir damals nicht entgangen, dass die Schuppe am Hinterrande erst so sehr spät vom Bindegewebe umwachsen wird, eine Erscheinung, die nun ohne Weiteres verständlich ist. Von den folgenden Stadien interessirt uns hier noch die Bildung der tiefen Schuppenschicht. Auch über sie macht HorEr Angaben, die ich durchaus nicht als richtig anerkennen kann. Er hat für sie unglücklicherweise den Namen »Basalplatte« gebraucht, der zu großen Missverständnissen führen kann. Horer behauptet nun, dass die Bildung der Lamellen der tiefen Schuppenschicht »aus dem geschichteten Theil der Cutis hervorgeht, indem die bereits vorgebildeten Cutisfibrillen in die Schuppenanlagen übergehen, nachdem sie einmal ihre Zellkörper rückgebildet, und i. Hermann Klaatsch ferner gewisse chemische Veränderungen durchgemacht haben«. Dies stimmt in keinem Punkte mit meinen Wahrnehmungen. Gerade dass kein direkter Übergang der Coriumlamellen in die der Schuppe be- steht, war mir früher so auffallend und nicht verständlich. Jetzt ist die Sache bedeutend vereinfacht. Liegt doch zwischen beiden Theilen eine beträchtliche Menge ektogener Scleroblasten. Diese scheiden die Lamellen der Schuppe ab. Dass sich dabei Zellen zurückbilden sollen, ist mir gänzlich neu. Ich bin begierig zu erfahren, welche »gewisse chemische Veränderungen« Horer an ihnen wahrgenommen hat und wie die Bilder aussehen, welche die Rückbildung der Zellen giebt. Hoffentlich wird bald die ausführliche Arbeit Horer’s hierüber Klarheit bringen!. Fassen wir das Ergebnis über die Schuppenbildung zusammen, so finden wir an ihnen bezüglich der Seleroblastenbildung voll- ständige Übereinstimmung mit den Kopfknochen. Die Schuppen be- wahren ihre Beziehung zur Epidermis sehr lange und die Ausbildung der Ektodermfortsätze legt Zeugnis für diese Beziehung ab. Wenn ich früher aus anderen Gründen dieser Epidermisbildung eine beson- dere morphologische Bedeutung absprach, so bestätigt sich das jetzt als richtig. Die Entstehung des Ektodermfortsatzes knüpft an die Ausbildung der unteren Schuppenschicht an und diese ist erst eine Erwerbung der Teleostier. 4) Bildung der knöchernen Flossenstrahlen. Zu vollständig gleichem Resultat, wie die Untersuchung der Kopfknochen führte auch diejenige der Entwicklung des knöchernen Skelets der Flossen. Auf Längsschnitten der Flossen sieht man den freien Saum der- selben ausschließlich von Epidermis gebildet und in dieser Zellmasse erkennt man die Anfänge der knöchernen Strahlen. Im Bereiche des ! Es ist nicht meine Absicht, hier näher auf Horer’s vorläufige Mittheilung einzugehen, und will ich daher nur einige Punkte herausgreifen, über die eine Auseinandersetzung wünschenswerth ist. Ein Resultat Horer’s steht mit meinen Ansichten im schönsten Einklang, dass nämlich der Ctenoidschuppe kein selb- ständiger morphologischer Werth zukommt. Den Namen »Hyalodentin« für die Schuppensubstanz der Teleostier finde ich überflüssig und nicht angebracht. Die betreffende Substanz ist einfach Knochengewebe. Dass die tiefe Schicht der Osteoglossumschuppe Zellen enthalten soll, kann ich für O. formosum nicht bestätigen. Nur die Grenzpartie beider Schichten enthält eben so wie die äußere Schicht Zellen. Uber die Herkunft der Scleroblasten. 915 knorpeligen Flossenskelets gewinnt die Epidermis eine scharfe basale Abgrenzung, distal davon strömt die Scleroblastenmasse gegen den Knorpel zu, das freie Ende des primären Flossenskelets mit einer diehten Zellmasse umscheidend. Über die Lage der sekundären Flossen- strahlen zur Epidermis gewinnt man an Schnitten, die senkrecht zu denselben geführt sind, Aufschluss. Hier erkennt man, dass die Epidermis nach innen zu gegen die bindegewebige Achse der Flosse prominirt und dass einer jeden Vorragung derart ein Knochenstrahl zugehört. Die letzteren erscheinen auf dem Durchschnitt sichelför- mig, nach außen konvex. Sie hängen gleichsam an epithelialen Stielen in die Bindegewebsmasse der Flosse hinein. Dabei werden sie allseitig von Seleroblasten umhüllt. So entsteht der doppelseitige Beleg mit Knochenstrahlen, den jede Flosse aufweist. Wie lange der direkte Zusammenhang der Knochenstrahlen mit der Epidermis erhalten bleibt, habe ich nicht untersucht. Der rein ektodermale Saum erhält sich jedenfalls so lange, als die Flosse wächst; stellt er doch die Bildungszone für die neuen Flossenstrahlen dar. In dieser Hinsicht bietet sich eine offenbare Parallele zu dem Verhalten der Selachierflosse dar. Auch das terminale Verhalten der Knochen- strahlen, die in zahlreiche feine Stäbchen auslaufen, erinnert bezüg- lich der Lage der letzteren unter der Epidermis sehr an die Horn- strahlen der Selachier. In anderen Punkten sind die Verhältnisse des sekundären Flossenskelets bei den Teleostiern viel einfacher als die der Hornstrahlen. Während letztere vom freien Rand aus sich in die Flosse hinein entwickeln, kann man sich die Teleostiergebilde als lokale leistenartige Verdiekungen der Basalmembran vorstellen. welche nicht nur am Saum, sondern auch an der ganzen Seitenfläche der Flosse mit der Epidermis zusammenhängen. Diese Differenz macht das für beide Bildungen gleiche Resultat der ektodermalen Herkunft ihrer Scleroblasten nur noch bemerkenswerther. Damit schließe ich die Betrachtung der Knochenbildung bei ' Teleostiern ab. Sie weiter zu verfolgen, geht über den Rahmen dieser Arbeit hinaus. Das Vorgebrachte wird jedenfalls genügen um den Beweis zu erbringen, dass auch hier, wie bei Selachiern, die Seleroblasten vom Ektoderm stammen!. 1 Während der Korrektur gelange ich zur Kenntnis der Arbeit von Harri- son (Archiv für mikr. Anatomie. XXXII.) über die Teleostierflossen. Sie be- rührt mein Thema nicht direkt. Die Einzelheiten derselben kann ich leider hier nicht berücksichtigen. 216 Hermann Klaatsch 5) Bemerkungen über Ganoiden. Meine Befunde an Teleostiern dürften auch an geeignetem Ga- noiden-Material eine Bestätigung finden. Leider fehlte mir die Gelegenheit, hierüber ausgedehntere Beobachtungen zu machen, doch entsprach das Wenige, was ich davon gesehen habe, meinen Erwar- tungen. Indem ich an alle diejenigen Forscher, welche embryologisches Material von Ganoiden besitzen, die Bitte richte, entweder selbst die erste Knochenbildung zu verfolgen, oder mir einiges Material zur Untersuchung derselben zu überlassen, lasse ich hier anhangsweise einige Angaben folgen über einen 9 cm langen Stör, von dem mein Kollege GOEPPERT eine Schnittserie mir zur Durchsicht überließ. Es zeigte sich, dass Knochen als Hartsubstanz noch nirgends gebildet war. Dadurch wird das Urtheil über die Bedeutung der Thatsachen, die am Kopf und an den Flossen mir auffielen, erschwert. Am Kopf war die Epidermis an vielen Stellen keineswegs basal scharf abgegrenzt, vielmehr hing sie mit dichten Zellmassen zusammen, die sich ins Innere verbreiteten. Namentlich an der Schädeldecke trat dies hervor. Die Vermuthung, dass wir es hier mit der Aus- wanderung von Scleroblasten zu thun haben, liegt nahe, doch ist die Beurtheilung der Verhältnisse bedeutend erschwert durch den embryo- nalen Zustand, in welchem sich noch alle Theile am Kopf befinden. Namentlich der Knorpel ist noch keineswegs überall differenzirt. Aus diesem Grunde gehe ich nicht näher auf diese Dinge ein. Besteht doch die Möglichkeit, dass diese Ektodermproliferationen eine ganz andere Bedeutung als die der Knochenbildung haben (s. u. Kapitel VI). Klarer und einfacher waren Bilder, die ich an den Flossen erhielt. An den paarigen Flossen traf ich unter dem Basalsaum der Epidermis dicht gedrängte große Zellen, welche an die subepi- thelialen Elemente anderer Fische erinnerten. Dass sie in der That mit der Skeletbildung in der Flosse zu thun haben, wurde mir wahr- scheinlich durch eine Vergleichung mit dem Teleostierbefund. An denselben Stellen, wie bei Salmo findet sich die Zellmasse unweit des Saumes der Flosse mit der Epidermis in Zusammenhang. Auch hier wäre die Kenntnis eines späteren Stadiums erwünscht. Noch instruktivere Bilder lieferte der Flossensaum, welcher fast über die ganze Rückenfläche und den Schwanz des Embryo verbreitet war. Wenn auch der erwachsene Stör keine Rückenflosse in gewöhn- lichem Sinne zeigt, so darf wohl der unpaare Flossensaum des jungen Thieres mit der entsprechenden Bildung bei anderen Fischen ver- Uber die Herkunft der Scleroblasten. 917 glichen werden. In dieser »dorsalen Flossenanlage« finden sich bei dem jungen Stör nur wenige Zellen. Einige derselben zeichnen sich durch bedeutende Größe des Zellleibes und einen schön entwickelten Zellkern aus, welcher denen der Epidermis an Größe und Chromatin- reichthum gleicht. Dass diese Elemente in der That mit der Epidermis in genetischer Beziehung stehen, zeigen Mitosen, deren eine auf Taf. VII Fig. 4 wiedergegeben ist. Hier steckt eine Zelle (a) zu etwa einem Drittel noch in der Epidermis, und springt kugelig gegen das axiale Gewebe der Flosse vor. Der Kern ist in indirekter Theilung begriffen. Die Aquatorialebene der Theilungsfigur steht der Ober- fläche der Epidermis parallel. Von den Tochterzellen würde die eine gänzlich aus dem Verband des Ektoderm ausscheiden, während die andere etwa in der Basis der Epidermis eingekeilt bliebe. Das weitere Schicksal dieser ektogenen Elemente wird durch die benach- barten demonstrirt, die sich anscheinend amöboid mit Fortsätzen versehen unter der Epidermis fortschieben. Eine derselben () ist wieder mit karyokinetischer Figur versehen. Dass wir es bei diesen Zellen mit Scleroblasten, und zwar mit den Bildnern der spä- teren Rückenschilder zu thun haben, liegt in Analogie mit allen oben mitgetheilten Befunden nahe. Freilich müsste auch hier die Beobach- tung weiterer Stadien die Entscheidung herbeiführen. Wenn ich auf diese fragmentarischen Beobachtungen beim Stör überhaupt eingehe, so geschieht dies nur um weitere anzuregen. Mögen recht bald die Lücken, die ich hier lassen muss, von Anderen ausgefüllt werden! Besonders wäre es erwünscht, die Schuppenentwicklung von Le- pidosteus einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Das Material, an welchem ich meine früheren Untersuchungen anstellte, reicht für feinere histiologische Beobachtungen nicht aus. Es liegt auf der Hand, dass die Beurtheilung der Ganoinschicht durch die neuen An- schauungen, die ich hier vertrete, eine bedeutende Änderung erleidet Mit Recht bestritt ich früher die Ansicht, dass die Ganoinschieht ‘einfach als Schmelz zu betrachten sei, da eine direkte Betheiligung der basalen Epidermisschicht an ihrer Bildung nicht zu erweisen war; jetzt sind die Schwierigkeiten, welche die große Ähnlichkeit des Ganoins mit Schmelz bietet, gehoben. Hat es doch nichts Wunder- bares, dass Zellen, die aus dem Ektoderm stammen, eine Hartsubstanz liefern, die dem Schmelz gleicht. Hierin liegt eben die Erhaltung eines sehr alten Zustandes vor. Morpholog. Jahrbuch. 21. 15 218 Hermann Klaatsch Im Begriff, diese Arbeit abzuschließen, erhalte ich dureh die Güte des Verfassers eine Abhandlung über das oben berührte Thema zugesandt. An einem schönen Material hat Nickerson die Entwick- lung der Lepidosteusschuppen untersucht und ist in der Hauptsache zu einer Bestätigung meiner früheren Angaben gelangt, während er in einigen untergeordneten Punkten meinen Ansichten entgegentritt. Die oben angeregte wichtigste Frage aber hat er gar nicht in Angriff genommen. Uber die Herkunft der Scleroblasten sagt er kein Wort. Auch seine Abbildungen geben keinen Aufschluss darüber. Immerhin sind einige Bilder sehr auffallend und regen eine neue Prüfung an. Schon vor dem Beginn der Schuppenbildung ist eine nur schwach fibrilläre differenzirte subepitheliale Zone deutlich ent- wickelt (Fig. 1 Taf. V). In ihr liegen Elemente, die zum Theil ganz dicht der Basalmembran angeschlossen sind. Noch schöner treten diese Zellen, die ich den »subepithelialen« der Selachier vergleiche, auf Fig. 3 hervor, wo sie in ganz geringer Entfernung von der Epidermis die erste Schuppensubstanz liefern. NICKERSON zeichnet die Basal- membran überall ganz scharf und kontinuirlich. Er sollte noch ein- mal ganz genau zusehen, ob nicht, namentlich in der Nähe der Schuppenzähnchen sich Durchbrechungen dieser Haut nachweisen lassen. Auf die speciellen Punkte der Übereinstimmung und Kontro- verse will ich hier nur kurz eingehen. Die Bildung der Ganoin- schicht hat Nickerson weit besser untersuchen können als ich an meinem dürftigen Material. Um so werthvoller ist es, dass er be- züglich dieser Schicht meine Ansicht gegen O. HerrwıG bestätigt. Es treten keine auf Schmelzbildung hinweisenden Veränderungen an der basalen Epidermisschicht auf. Auch bezüglich der Einheit der Ganoidenschuppe theilt er meinen Standpunkt. Nicht beistimmen kann ich ihm in der Auffassung der Schuppenzähnchen. Er will dieselben überhaupt nieht mit Zahnbildungen in eine Linie bringen und nennt sie daher auch Stacheln. Die Überkleidung derselben hält er nicht für Schmelz, obwohl er eben so wie ich die Ausbildung eines sehr schönen Schmelzepithels über den Papillen beobachtet und auf Fig. 5, 6 und 10 abbildet. Letzteres halte ich bei der Beurtheilung des Produktes als Schmelz für weit mehr maßgebend, als die chemischen und mikroskopischen Gründe, auf die sich NICKERSON stützt. Nach letzteren kann man auch die Ganoinschicht ohne Weiteres für Schmelz erklären. Das Eindringen von Zahnbeinkanälchen in den Schmelz, das Nickerson auffällt, ist ja eine sehr weit verbreitete Erscheinung. Uber die Herkunft der Scleroblasten. 219 EV. Zusammenfassung der bei Fischen gewonnenen Resultate. Die mitgetheilten Beobachtungen führen uns von verschiedenen Punkten aus und an verschiedenen Objekten zu dem gemeinsamen Ergebnis, dass die Zellen, welehe die Hartsubstanz bei den Fischen bilden, aus dem Ektoderm stammen. Dieses Gesammtresultat bedarf nur in wenigen Punkten der Specialisirung. Was zunächst den Ort der Herkunft von Sclero- blasten betrifft, so hat im ursprünglichen Zustande die gesammte Haut als Quelle zu gelten. Die in ihr gleichmäßig verbreiteten Placoidorgane sind es, an deren Faltungsrändern zunächst der Aus- tritt der Scleroblasten erfolgt. Weiter zurückliegende und hier uns nicht mehr interessirende Fragen sind die nach der allmählichen Verbreitung der Placoidorgane selbst, ob dieselben zuerst an einer bestimmten Stelle auftreten oder ob ihnen andere Organe, die bereits über den Körper verbreitet waren, als Vorläufer dienten. Die allgemeine scleroblastische Fähigkeit bleibt der Haut bei den Fischen erhalten, aber es kommt bereits bei ihnen zur Lokali- sirung des Austritts der Scleroblasten. Schon bei den Haien finden wir darin gewisse Punkte, welche in besonders hohem Maße an der Abgabe von Seleroblasten sich betheiligen. Dies sind die Flossen, von denen auch mehr central gelegene Partien Seleroblastenmaterial empfangen. Ferner lernten wir in der Zahnleiste ein besonderes ektodermales Organ kennen, bestimmt zur dauernden Proliferation von Scleroblasten. Weitere Lokalisirung begegnete uns bei den Teleostiern. Hier sind es einmal die Flossenbildungen, welche eine reiche Prolifera- tionszone namentlich für die ins Innere der Gliedmaßen und des Kumpfes eindringenden Scleroblasten darbieten. Von diesen Stellen also empfangen die Wirbelsäule und die Gliedmaßen ihr Knochen- material. Andere Faktoren beherrschen am Kopf die Entfaltung der Sclero- blasten. Hier sind es vor Allem die Hautsinnesorgane, welche einen bestimmten Einfluss auf die Scleroblastenbildung äußern. In der Umgebung dieser Organe treten die betreffenden Zellen zuerst und zugleich in großen Massen aus der Epidermis hervor. Die schützende und stützende Hartsubstanz folgt hier offenbar in ihrer Verbreitung dem Sinnesorgan, in dessen Dienst sie gleichsam 15* 30 Hermann Klaatsch steht. Diese Beziehung ist ja noch am fertigen Kopfskelet der Teleostier sehr deutlich ausgeprägt. Die Knochen des Schädeldaches finden damit ihre Erklärung. Dasselbe gilt zum großen Theil von den Knochen des Opercularapparates. Die weitere Verbreitung der Seleroblasten interessirt uns hier weniger. Der Zutritt derselben zum Knorpel wurde oben bereits erläutert und damit hoffentlich die fälschliche Unterscheidung von Hautknochen und Knorpelknochen endgültig beseitigt. Andere Gesichtspunkte haben für die mit Zahnbildung in Be- ziehung bleibenden Knochenanlagen Geltung. Die Zähne mit ihren besonderen ektodermalen Einsenkungen liefern einen trefflichen Boden zur Entfaltung von Scleroblasten. Besonders interessant aber ist die bei den jungen Lachsen gefundene Thatsache, dass schon in ganz frühen Stadien ältere Zahnanlagen als Grundlage der Kieferknochen fungiren und in der Tiefe verharrend zu Theilen des Kopfskelets werden. Sehr deutlich zeigen auch die Teleostier, wie zwischen Odon- toblasten und Osteoblasten gar keine scharfe Grenze zu ziehen ist. Was die Zeit des Austrittes der Scleroblasten aus dem Ektoderm betrifft, so müssen wir davon ausgehen, dass ursprünglich wohl spätere Perioden oder der erwachsene Zustand wie für alle Organ- modifikationen so auch für die Differenzirung der Placoidorgane die wichtigste Epoche war. Nicht also die Frage, bis zu welcher Alters- periode die betreffende Zellproliferation dauert, kommt in Betracht, sondern vielmehr diejenige, in welche embryonalen Perioden sie verschoben worden ist. Da finden wir denn die Tendenz einer immer weiter gehenden Verfrühung des ganzen Processes in aufsteigender Reihe der Fisch- formen. Was aber ein bestimmtes Urtheil über die Zeit des Vorgangs im Einzelnen ersehweıt, ist eine Erscheinung, auf die ich mehrfach hinwies. Die Scleroblastenproliferation geschieht nieht einmal und mit einem Schlage, sondern in Intervallen, in einzelnen Perioden stärker, in anderen schwächer. Dieselbe Erscheinung, die noch bei der Knochenbildung der höchsten Formen auftritt, zeigt sich auch in den Anfängen des Processes. Bald zeigt ein Stadium keine derartige Proliferation, lässt aber Spuren einer früheren erkennen, wie denn spätere wieder eine solche zeigen. Die Verfrühung des Processes bedingt keine Abnahme seiner Intensität in den späteren Perioden. Sehr mannigfaltig gestaltet sich der Modus des Scleroblasten- austritts. Welchen Modus ich für den ursprünglichen halte, geht Uber die Herkunft der Scleroblasten. 221 aus der phylogenetischen Betrachtung der Placoidorgane hervor: Das Austreten einzelner Zellen am Faltungsrand des Organs. Diese Er- scheinung begegnet uns bei den Placoidschuppen allgemein, bei „ Mustelus jedoch in stärkerer Ausbildung, als bei den niederen Haien. So entwiekelt sich aus dem Anfangs mehr vereinzelten Austritt von Zellen eine reiche ektodermale Zellproliferation. Die Zellenzüge strömen gleichsam von bestimmten Punkten der Epidermis aus ins Lederhautgewebe. Namentlich bei der Knochenbildung der Teleostier trat dies aufs schönste uns entgegen. Etwas Anderes zeigen manche ontogenetische Vorgänge bei den Haien. Dem eben betrachteten Modus nahe steht der bei Acanthias- embryonen, wo an gewissen Stellen nicht sehr zahlreiche Elemente längst vor der Schuppenbildung aus dem Ektodermverband ausscheiden. Auch an den Flossen von Acanthias verhält es sich ähnlich. Recht verschieden davon ist jener bei Mustelus beobachtete Modus, wo innerhalb einer Ektodermschicht allmählich eine Differenzirung in Schmelzepithel und Seleroblasten eintritt. Wir konnten diese Be- sonderheit als eine sekundäre Abänderung des ursprünglichen Modus darthun, als eine Abkürzung des Processes in Zusammenhang mit der reichlichen Ausbildung von Schuppen. Hieran können wir die ebenfalls hochgradige Modifikation des Processes anschließen, welche an den Flossenbildungen vieler Haie auftritt. An Stelle der lokalen Proliferation von Zellen ist eine die- selbe vorbereitende mächtige lokale Entfaltung einzelner Ektodermzellen getreten. So lernten wir den allbekannten Ektodermsaum der em- bryonalen Selachierflosse verstehen. Er stellt eine Keimzone dar, innerhalb welcher die Scleroblastenproliferation sehr lange Zeit hin- durch anhält. Wir können diesen Modus bezeichnen als die Auflösung _ eines Cylinderepithels in mesenchymatöses Gewebe. Wieder ein ganz anderer Modus tritt uns nur vereinzelt bei den Fischen entgegen: Nicht der Austritt von Zellen in toto, sondern die Theilung basaler Ektodermzellen auf mitotischem Wege charak- terisirt ihn. Die Zelltheilung geschieht in der Weise, dass die eine Tochterzelle den Ektodermverband verlässt und sich dem Binde- gewebe beimischt. Hier und da neben den anderen einfacheren Modi trafen wir dies bei Heptanchus, Mustelus und Acanthias; endlich gehören wahrscheinlich die bei dem jungen Accipenser gewonnenen Bilder hierher. Wie auch immer der Austritt erfolgt, so sehen wir im Anschluss an ihn eine Ortsveriinderung der Scleroblasten im Lederhautgewebe 222 Hermann Klaatsch eintreten. Dass hierbei aktive Wanderung von Seiten der Scleroblasten eine Rolle spielt, halte ich fiir wahrscheinlich. Daneben aber kommt gewiss eine passive Verlagerung des scleroblastischen Materials in ausgedehnter Weise vor. Das Nachrücken neuer Elemente wird die, früher ausgetretenen verschieben. Im Einzelnen freilich kann man sich noch kein bestimmtes Urtheil über die hierbei wirksamen Kräfte erlauben. V. Ausdehnung des Ergebnisses auf höhere Wirbelthiere. Um die Geschichte eines Organs oder eines Gewebes in den Anfängen zu ergründen, muss man ihm eben dort nachgehen, wo es zum ersten Mal in die Erscheinung tritt. Hier bieten sich die einfachsten Verhältnisse dar und was hier ermittelt wird, hat Gel- tung auch für alle anderen Formen, welche das betreffende Organ oder Gewebe durch Vererbung überkommen haben. Dies wird auch dann nicht erschüttert, wenn bei manchen höher differenzirten Formen der direkte Nachweis der bei niederen ermittelten Entstehungsweise des betreffenden Gebildes nicht mehr oder nur schwer möglich ist. Diese Grundsätze haben sicherlich in der Histiogenese Geltung, wie wohl Jeder zugestehen wird. Von ihnen geleitet, habe ich die Herkunft der Scleroblasten dort zu ermitteln gesucht, wo das Knochen- gewebe zuerst auftritt und habe daher die Placoidorgane an den An- fang der Untersuchungen gestellt. Da andere zur Probe herangezo- gene Entwicklungsvorgänge des Hartsubstanzgewebes bei Fischen das Gleiche ergaben wie die Prüfung der Placoidorgane, so kann das Resultat als gesichert gelten und darf als solches auf alle höheren Wirbelthiere ausgedehnt werden. Wer dies nicht zugestehen will, muss nachweisen, dass die Amphibien, Sauropsiden und Säugethiere ihre Zähne und ihr Knochengewebe nicht von einer Fisch-Vorfahren- form ererbt haben. Wer aber eine Kontinuität von den Placoidorganen bis zu den Zähnen des Menschen annimmt, der wird auch die Scleroblasten des letzteren vom Ektoderm ableiten, selbst in dem Fall, dass beim menschlichen Embryo ein direkter Nachweis dafür nur schwer zu erbringen wäre. Nur von diesem Standpunkt aus will ich die Frage nach der Herkunft der Seleroblasten bei den höheren Wirbelthieren in Kürze beleuchten: in wie weit lässt sich für die letzteren dasselbe nach- weisen, was ich für die Fische gezeigt habe? Uber die Herkunft der Scleroblasten. 223 Beim Eintritt in die Diskussion dieser Frage müssen wir uns zunächst vergegenwärtigen, welche Möglichkeiten des Verhaltens bei den höheren Formen sich darbieten. Erwägt man die tiefgreifende Umgestaltung der phylogenetischen Processe in der ontogenetischen Rekapitulation, so muss man daran denken, dass möglicherweise die Bildung der Scleroblasten vom Ektoderm aus in sehr frühe Embryonalperioden verlegt wird. und dass man alsdann den betref- fenden Elementen es schwerlich ansehen kann, ob sie Seleroblasten sind oder nicht. Die enorme Verbreitung, welche das neue Stütz- material im Wirbelthierorganismus findet, ist einer solchen Ver- muthung nur günstig; es ist klar, dass man namentlich bei den höchsten Wirbelthieren seine Erwartungen nicht zu hoch schrauben darf. Nehmen wir aber auch an, dass die Verhältnisse weniger un- günstig liegen, dass wirklich lokale Beziehungen der Epidermis zu den seleroblastischen Processen erweisbar sein sollten, so erschwert die langsame und späte Differenzirung aller Gewebe, besonders bei Säugethierembryonen, den erwünschten Nachweis, dass diese oder jene aus dem Ektoderm tretende Zelle auch wirklich Knochen liefern wird. Günstigere Resultate verspricht die Untersuchung des Zahn- bildungsprocesses, da ja hier die lokale Beziehung der Epidermis zu den im Bindegewebe sich abspielenden Processen gewahrt bleibt. Prüfen wir nun, was von verwerthbarem Thatsachenmaterial vorliegt, und zugleich, welche Angaben anderer Autoren herangezogen werden können. Was zunächst die Amphibien anbetrifft, so kenne ich aus der Litteratur nur wenige hierher gehörige Notizen. Aus der neuesten Arbeit von GORONOWITSCH (pag. 216 A), auf die ich noch weiter unten zurückkomme, ersehe ich, dass A. SEWERTZOFF »auf Grund von Untersuchungen von Pelobates zu der Vorstellung über die ekto- dermale Herkunft einiger Skeletanlagen im Kopfe der Wirbelthiere gelangte«. Ich finde in dieser Arbeit nur den Nachweis, dass die äußeren Mesodermsegmente GoETTE’s ektodermaler Herkunft sind. aber keine für die Knochenbildung irgendwie verwerthbaren Angaben. Welche Stellung ich diesen frühen embryonalen ektogenen Mesoderm- bildungen gegenüber einnehme, werde ich im nächsten Kapitel aus einander setzen, hier haben dieselben keine Bedeutung für uns. Da die Knochenbildung der Amphibien sich relativ spät vollzieht, so dürften bei ihnen günstige Bedingungen für unsere Zwecke zu erwarten sein. Meine eigenen Beobachtungen bestätigen dies, wenn sie auch noch keineswegs abgeschlossen sind. 994 Hermann Klaatsch In erster Linie sind es die mit Zähnen in Beziehung stehenden Knochen, für welche die ektodermale Herkunft der Bildungszellen ohne Weiteres deutlich ist. In dieser Hinsicht knüpfen wir an OÖ. HEerTwiG's Untersuchungen über das Zahnsystem der Amphibien an. dessen Ergebnisse nur in dem einen Punkt derselben Erweite- rung bedürfen, wie alle ähnlichen Arbeiten, dass nämlich eine scharfe Abgrenzung des Odontoblasten- und damit des Osteoblastenmaterials gegen das Ektoderm nicht überall existirt. Ich habe daraufhin spe- ciell zahlreiche Präparate von Triton, Salamandra, Siredon durch- gesehen und mich nirgends von einer so scharfen Abgrenzung der ektodermalen und bindegewebigen Theile überzeugen können, wie sie O. HERTwIıG auf allen seinen Figuren wiedergiebt. Namentlich an den Umschlagsrändern und. an der äußeren Umgrenzung des Schmelzorgans, wie man recht wohl die ektodermale, die Papille umscheidende Einsenkung bezeichnen kann, sehe ich den Übergang von Ektodermzellen im Scleroblastenmaterial in ganz gleicher Weise ausgeprägt wie bei Fischen. Auch an einem erwachsenen Ichthyo- phis finde ich das Gleiche an den jungen neben den fertigen Zähnen liegenden Anlagen. Aber auch für jene Knochen der Mundhöhle, denen keine Zähne zugesellt sind, ist die ektodermale Herkunft der Scleroblasten evident. Etwas komplicirter gestalten sich die Verhiltnisse an den Knochen des Schädeldaches. Hier vermuthete ich Anfangs, dass die betreffenden Processe in eine friihe Periode der Entwicklung fallen wiirden, kam aber bei diesen zu keinem sicheren positiven Ergebnis. Anders gestaltete es sich bei älteren Stadien. Bei Tritonenlarven sowohl wie bei solchen von Salamandra maculata fiel mir ein eigenthümliches Verhalten der Haut auf. Eine Basalmembran ist in älteren Stadien bekanntlich meist gut markirt als eine helle leicht streifige Masse. Unter dieser nun und zwar ihr ganz dicht angelagert, traf ich Zellen, welche durch die Größe des Kernes auffielen. Anfangs glaubte ich hierin nur einen gelegentlichen Befund vor mir zu haben. Eine ausgedehn- tere Prüfung aber zeigte denselben als einen vollständig regelmäßigen. Die innere Fläche der Basalmembran war gleichsam tapeziert mit diesen »subepithelialen« Elementen. Dass wir es bei diesen mit Zellen zu thun haben, die von der Epidermis stammen, ließ sich leicht bei Salamanderlarven darthun. Fig. 4 Taf. IX ist einer solehen (vor der Metamorphose) und zwar von der Haut der Stirnregion ent- nommen. Die Epidermis, aus etwa drei Schichten gebildet, zeigt Uber die Herkunft der Scleroblasten. 225 Elemente sehr verschiedener Größe. Die äußersten leicht abgeplat- teten tragen an ihrer Oberfläche den Cutieularsaum. Einige Drüsen- zellen von bedeutender Größe sind in der Epidermis verstreut, wäh- rend Drüsenbildungen noch nicht hervorgetreten sind. An vielen Stellen nun ist, wie auf Fig. 4 bei a und 4, die Basalmembran unter- brochen und man kann ganz direkt den Austritt der subepithelialen Zellen beobachten. Die Figur zeigt besser als eine ausführliche Beschreibung die verschiedenen Stadien, die dabei auftreten; bei 4 ist eine Zelle mitten im Niveau der Basalmembran befindlich; bei « hat sich eine andere weiter vorgedrängt, bei ce ist eine solche zum srößten Theile bereits der Epidermis entrückt; nur ein schmaler kern- loser Theil steht noch in derselben. andere Zellen endlich sind be- reits gänzlich ausgetreten und verbreiten sich unter der Epidermis. Dass wir diese subepithelialen Elemente als Scleroblasten auf- zufassen haben, zeigen ältere Stadien. Einem solchen ist Fig. 5 Taf. IX entnommen und zwar einem Querschnitt der Nasenregion. Er dient uns als Beispiel für das was auch sonst an vielen Stellen zur Beobachtung kommt. Die auf Fig. 5 dargestellte Hautpartie liegt genau über dem Nasale, welches als dünne Knochenplatte angelegt und bei Na noch eben sichtbar ist. Der Oberfläche des Knochens sitzen dicht gedrängte Osteoblasten auf. Die Epidermis besteht aus einer größeren Zahl von Schichten, als im vorigen Sta- dium. Neben den vollständig entwiekelten Drüsen kommen noch einzelne Drüsenzellen vor. Die äußerste Schicht der Epidermis be- steht aus kubischen Zellen, deren Oberfläche der Cuticularsaum bildet. Die Kerne liegen basal, der Inhalt der Zellen erscheint hell und ähnlich beschaffen wie in Drüsenzellen. Die basalen Epidermiszellen sind vielfach mit hohen eylindrischen Kernen versehen, ähnlich denen der Schmelz bildenden Elemente in der Epidermis der Fische. Auch die Differenzirung des Chromatins ist vielfach eine ähnliche wie dort. Die Basalmembran besteht in derselben Weise wie im vorigen Stadium, nur ist sie verdickt, deutlich faserig und an vielen Stellen leicht aufgelockert. Die Drüsen drängen dieselbe vor sich her. An Stellen, wie auf Fig. 5, ist die Basalmembran eine Strecke weit unterbrochen und es besteht eine direkte Fortsetzung der Epidermiszellen in die Tiefe bis zur Knochen- anlage. Bei Sc/ sieht man zwei solcher ektodermalen Zellenströme sich aus der Ektodermmasse loslösen und mit einander zu einem dichten Haufen vereinigen, der seinerseits wieder durch vorgescho- bene Massen mit den Osteoblasten des Nasale in Verbindung steht. 226 Hermann Klaatsch So kann man also hier ganz direkt den Zusammenhang des Ektoderms mit der Knochenanlage nachweisen. Ich zweifle nicht, dass eine ausgedehntere Untersuchung iiberaus zahlreiche weitere Belege fiir die ektodermale Herkunft der Selero- blasten auch bei Amphibien liefern wird. Habe ich doch gerade nur einige auf gut Glück herausgegriffen. Auch ist es wohl möglich, dass schon in früherer Zeit einmal ein Austritt von Seleroblasten in größerem Maßstabe stattfindet. Von morphologischem Interesse erscheint mir auch die gleich- mäßige Verbreitung der subepithelialen Scleroblasten bei Salamandra. Ich erblicke darin eine Erinnerung an das beschuppte Vorfahren- stadium der Urodelen, ein Stadium, dessen Existenz durch die fossilen Befunde und durch den Zustand von Ichthyophis außer Zweifel ge- stellt wird. Beim Salamander kommt es nicht mehr zur Schuppen- bildung, aber die Scleroblasten dafür sind da und werden jedenfalls in den Dienst der weiter innen erfolgenden Knochenbildung gestellt. Über die Anuren habe ich vorläufig keine Erfahrung ge- sammelt. Auch hier dürften geeignete Stadien eine gute Ausbeute ergeben. Über die Sauropsiden liegen ebenfalls Angaben vor, welche eine frühzeitige ektodermale Mesodermproliferation beweisen (GORONO- wırscH). Dieselbe scheint mir aber eben so wenig, wie die bei Amphibien hierher zu gehören. So viel ich bisher gesehen habe, wird es auch bei den Reptilien keine Schwierigkeiten haben, ganz direkt den ektodermalen Ursprung der Scleroblasten zu erweisen. Zunächst scheinen mir die Zahn- anlagen sich hierfür eben so zu eignen, wie bei den Amphibien. Was ich darüber an Präparaten von Lacerta, Platydactylen u.a., die nicht eigens für diesen Zweck hergerichtet waren, gesehen habe, macht es mir wahrscheinlich, dass auch hier die äußere Umgrenzung des Schmelzorgans den Odontoblasten zum Austritt dient. Aber auch für die Kopfknochen liegen die Verhältnisse günstig. Ich untersuchte darauf hin eine Querschnittsserie durch den Kopf eines älteren Embryo von Lacerta muralis, an dem bereits die Extremitäten voll- ständig entwickelt waren. Einige Knochenlagen begannen eben als solche vom umgebenden Gewebe sich deutlich abzusetzen. Unter dem Auge trat eine solche deutlich hervor, die mir die Anlage des Jugale zu sein scheint. Ihr Bildungsmaterial hing in ähnlicher Weise, wie bei den Fischen, direkt mit der Epidermis zusammen, aber auch an anderen Stellen ergaben sich ähnliche Befunde. Uber die Herkunft der Scleroblasten. 297 Am schwierigsten dürften aus oben berührten Gründen die Dinge bei den Säugethieren liegen. Das Knochengewebe tritt hier auf- fallend spät in die Erscheinung. Es wird Alles darauf ankommen, die richtigen Stadien zu treffen und da mir dies bisher noch nicht zu meiner Zufriedenheit gelungen ist, so will ich die Mittheilung meiner Beobachtungen auf eine spätere Gelegenheit verschieben. Nur darauf will ich hinweisen, dass bei relativ alten Embryonen der Austritt von Ektodermzellen stellenweise sich erkennen lässt. Um dies zu erläutern, habe ich auf Fig. 6 Taf. VII eine Hautpartie auf dem Querschnitt gesehen von einem 1,1 cm langen Kaninchen- embryo dargestellt. Hier sieht man eine Zelle, die in mitotischer Theilung begriffen ist, aus der Epidermis ausscheiden und ähnliche subepitheliale Elemente finden sich in ihrer Nähe. Diese Erschei- nung hat nichts mit jener eben erwähnten frühen ektodermalen Mesodermproliferation zu thun, die bei Säugethieren, wo sie übrigens bisher nicht untersucht wurde, in eine viel frühere Periode fällt. Ich vermuthe daher in den erwähnten austretenden Zellen Scleroblasten. Nicht wenig wird die Untersuchung der betreffenden Verhältnisse bei Säugethieren erschwert durch die Krümmung der Flächen, um die es sich handelt. Nur ganz genau senkrechte Schnitte geben ein richtiges Bild der betreffenden Verhältnisse. An den Zahnanlagen dürfte am ersten ein positives Resultat zu erzielen sein. Auch hier hat man den äußersten Partien des Schmelzorgans Beachtung zu schenken. Die Unregelmäßigkeiten des Schmelzorgans, die sich vielfach finden, mögen mit dem Austritt von Elementen zu thun haben. Die Knochen des Schädeldaches habe ich bei Talpa-Embryonen ziemlich weit zurückverfolgt. Aber schon in den jüngsten Stadien, die ich kenne, liegen sie in einiger Entfernung von der Epidermis und lassen keine direkte Beziehung zu derselben wahrnehmen. Mit der Fortführung dieser Untersuchungen werden noch andere ‘Punkte zu erledigen sein, auf die ich die Aufmerksamkeit anderer Forscher lenken möchte. Gerade an den allerjüngsten Knochen- anlagen der Säugethiere fiel mir der große Reichthum ihrer Um- gebung an Riesenzellen auf. Diese Erscheinung stimmt wenig gut mit der geläufigen Auffassung, dass diese Elemente die Zerstörer des Knochengewebes seien. Erwägt man, dass dieselben sich keines- wegs überall da finden, wo Knochengewebe schwindet, so wird ein Zweifel an der herrschenden Meinung erlaubt und die Frage be- rechtigt sein, ob die »Osteoklasten« nicht vielleicht Osteoblasten sind. 228 Hermann Klaatsch Ihre Lagerung in den Hownsıp’schen Lakunen beweist noch nicht, dass sie dieselben erzeugt haben. Wenn man bedenkt, wie in den niederen ‘Austiinden Riesenzellen eine bedeutende Rolle bei scleroblastischen Processen spielen, so gewinnt diese Fragestellung auch fiir die Siiugethiere Berechtigung. VI. Allgemeine Bemerkungen. Wie in der Einleitung betont, ist die Frage nach der Herkunft der Scleroblasten in mehr als einer Beziehung von allgemeinerer Bedeutung; die Antwort, welche ich in der vorliegenden Arbeit auf diese Frage gegeben habe, greift ein in die geläufigen Vorstellungen über den Mesodermbegriff und ist ferner geeignet, die Eigenthüm- lichkeiten des Knochengewebes anderen Stützgeweben gegenüber besser und richtiger zu beleuchten, als dies bisher möglich war. Indem das gesammte knöcherne Skeletsystem aus dem Mesoderm- begriff eliminirt und in direkten Anschluss an das äußere Keimblatt gebracht wird, geschieht ein wichtiger Schritt vorwärts auf der Bahn, welche in letzter Zeit von mehreren Forschern erfolgreich betreten wurde. Die einzelnen historischen Entwicklungsstadien, welche die Auffassung des mittleren Keimblattes durchgemacht hat, sind jedem geläufig. Den ersten Stoß erhielt die einheitliche Vorstellung vom Mesoderm durch die Cölomtheorie der Gebrüder HERTWIG. KLEINEN- BERG ging einen Schritt weiter, indem er erklärte: »Es giebt kein Mesoderm.« Die zahlreichen Diskussionen, welche über die Entstehung des _ Mesoderm in frühen embryonalen Perioden und über die verschiedenen Keimstätten desselben geführt wurden, zeigen am besten, dass eine einheitliche Auffassung dieser Erscheinungen nicht durchführbar ist. Auf diese Streitfragen einzugehen, liegt außerhalb des Bereiches dieser Arbeit. Für letztere sind hingegen alle jene Untersuehungen von Wichtigkeit, welche für gewisse Organsysteme die Rückführung auf eines der primären Keimblätter versuchen und sich dabei nicht auf die allerfrühsten embryonalen Processe beschränken. In dieser Hinsicht habe ich in der Einleitung die mit dem Entoderm sich be- schäftigenden Arbeiten erwähnt. Die immer wieder auftauchende Idee einer rein entodermalen Entstehung des Blutes wurde in neuester Zeit durch ©. K. HOFFMANN in vortrefflicher Weise durch Thatsachen gestützt; nicht nur die Blutzellen selbst, sondern auch die Aus- kleidung der gesammten Blutbahnen leitet dieser Autor direkt vom. Uber die Herkunft der Seleroblasten. 229 inneren Keimblatt her. Ich halte das Bild, was C. K. HorrMANN von diesen Vorgängen gewann, für so überzeugend, dass diese Frage in der Hauptsache nach meiner Ansicht als erledigt gelten darf!. Dass gerade primitive Formen der Haie, wie Acanthias bei der Feststellung des Thatbestandes vortreffliche Dienste leisteten, ist von großer Be- deutung und steht mit meinen eigenen Wahrnehmungen über das Knochengewebe im schönsten Einklang. Für das Lymphgefäßsystem den entsprechenden Nachweis der entodermalen Entstehung zu liefern, hat Maurer bereits begonnen, auf dessen Mittheilung über Amphibien ich hiermit verweise. Liefern diese Untersuchungen zu den meinigen eine Parallele be- züglich des inneren Keimblattes, so fehlt es andererseits nicht an An- gaben, welche sich auf das Ektoderm beziehen und so auf das innigste das von mir behandelte Thema berühren; ja sogar die skeletbildende Thätigkeit des Ektoderms ist bereits ausdrücklich betont worden. Mit diesen wichtigen Untersuchungen werde ich mich hier aus einander zu setzen haben. Es handelt sich darum zu entscheiden, in wie weit die namentlich von GORONOWITSCH und PLATT eruirten Thatsachen mit den von mir behandelten Fragen zusammenhängen. Der Erste, welcher eine ausgedehnte Mesodermproliferation vom Ektoderm aus auch in späteren embryonalen Perioden kennen lehrte, war KASTSCHENKO. Seine Wahrnehmungen beziehen sich auf Selachier. Sodann veröffentlichte GoronowirscH seine eingehenden Unter- suchungen über die, ektodermale Mesodermbildung am Kopfe der Vögel. In allerneuester Zeit sind die Resultate dieses Autors in extenso im Morphol. Jahrbuch niedergelegt worden, wobei auch auf andere Wirbelthierklassen (insbesondere Teleostier) Bezug genommen wird. GORONOWITSCH zeigte, dass die sogenannten Ganglienleisten am Kopfe der Vögelembryonen nicht in so direkter Weise, wie man bisher geglaubt hatte, mit der Entstehung nervöser Theile zu thun haben, dass sie vielmehr für die Ausbildung des Mesoderms am Kopfe von der allergrößten Bedeutung sind. Zu ähnlichen Resultaten gelangte SEWERTZOFF an Amphibien. Sehr eingehende Untersuchungen über diese Dinge stellte JuLıa PrLarr sowohl an Selachiern wie an Am- phibien an. Die letzten Nummern dieses Jahrbuches und des ana- tomischen Anzeigers bringen Diskussionen zwischen GORONOWITSCH ! Zusatz bei der Korrektur. Neuerdings erhebt PaurL Mayer (Anat. Anz. IX. 5 und 6) Zweifel an der HorrMann’schen Entdeckung. Da er jedoch Acan- thias nicht untersucht hat, so lege ich denselben vorläufig kein maßgebendes Gewicht bei. 230 Hermann Klaatseh und Prarr bezüglich ihrer, in der Hauptsache übereinstimmenden Resultate. Allen diesen Angaben ist gemeinsam, dass sie sich auf frühe embryonale Processe beziehen und dass keiner der betreffenden Autoren seine Beobachtungen irgendwie mit der Knochenbildung in Beziehung gebracht hat. GORONOWITSCH, der in jeder Hinsicht diese Vorgänge am genauesten und klarsten geschildert hat, erklärt aus- drücklich: »Die mesenchymbildende Thätigkeit des Ektoderms an verschiedenen Regionen des Kopfes zeigt uns, dass die Ent- stehung der Cutis vom Ektoderm aus möglich ist. Man konnte also denken, dass die mesenchymliefernden Ektodermstrecken des Kopfes bei den Vorfahrenformen der höheren Wirbelthiere auf skeletoide Gebilde, deren Entstehung phyletisch von der Haut aus- ging, und welche später in die Tiefe rückten, zurückzuführen seien..... Dass ich unter skeletoiden Anlagen nicht die für höhere Formen bekannten Hautknochen, sondern vielmehr häutige Gebilde meine, versteht sich von selbst« (pag. 216). In einer soeben erschienenen Publikation greift er die Behauptung PrArr's an, dass die betreffen- den Processe zur Knorpelbildung führen sollen. »Alle diese Proli- ferationen liefern zusammengesetzte Anlagen, welche später zum Theil in Knorpel übergehen. In Folge dessen kann man zur Zeit nur eine ektodermale Herkunft von skeletoiden Anlagen bindegewebiger Natur anerkennen, nicht aber, wie PLarr will, von einer direkten Anlage von Knorpeln vom Ektoderm aus sprechen. Der wichtige Unter- schied zwischen diesen Auffassungen wird einleuchtend, sobald man die ontogenetischen Vorgänge phylogenetisch zu verwerthen sucht.« Ich stimme diesen Ausführungen von GORONOWITSCH vollständig bei. Die Frage nach der Herkunft des Knorpels, die nach wie vor in Dunkel gehüllt bleibt, brauche ich hier nicht zu diskutiren, nur darauf kommt es an, dass nicht Knochen von diesen frühen Ekto- dermproliferationen herzuleiten ist. Die scleroblastischen Processe spielen sich viel später ab, nach- dem jene anderen zum Abschluss gekommen waren. Man gewinnt also die Vorstellung, dass das Ektoderm zu verschiedenen Malen und in verschiedenen Perioden der Entwicklung Bestandtheile nach innen an das »Mesoderm« abgegeben hat. Eine ältere ektodermale Proli- feration lieferte einen großen Theil des Bindegewebes im Körper und vor Allem die Lederhaut, eine jüngere lieferte das Knochen- gewebe. Das Gemeinsame der Quelle darf keineswegs zu einer Vermischung dieser beiden Vorgänge führen. Sie verhalten sich Uber die Herkunft der Scleroblasten. 231 ähnlich zu einander. wie die entodermalen Proliferationen, die eben- falls sehr verschieden an Alter sind. Hier haben wir die Blutbildung als den älteren, die Erzeugung der lymphatischen Theile als den Jüngeren Process. Andererseits erleichtert diese Wiederholung der Proliferationen von einem primären Blatt aus die Vorstellung der Vorgänge; wo einmal die Bahn eröffnet ist, da kann auch immer aufs Neue eine ähnliche Wanderung sich ereignen und es ist wohl möglich, dass bei cänogenetischen Modifikationen hier und da die ektodermalen Proli- ferationen sich einander so nähern, dass sie nur schwer aus einander gehalten werden können. Jedenfalls ist das Bindegewebe der Haut nicht nur der Vorläufer des Knochengewebes bei der Entstehung vom Ektoderm aus, sondern auch die Bahn, auf der das jüngere Gewebe sich verbreitet. Der Anstoß zum Neuen geht stets von den primären Keimblättern aus. Für die Bildung des Knochengewebes erfolgte derselbe jedenfalls erst bei Formen, welche ein vollständig differen- zirtes Bindegewebe der Haut besaßen. Nach alledem ist es klar, dass die Selbständigkeit der seleroblastischen Processe durch die ihm vorangehenden Mesodermproliferationen keineswegs alterirt wird. Dies ist von der größten Bedeutung für die Auffassung des Knochengewebes gegenüber dem Bindegewebe. Die gemeinsame Quelle beider beweist nichts für eine nähere genetische Beziehung beider zu einander. Wird doch auch durch die gemeinsame ento- dermale Herkunft nichts bewiesen für eine nähere Beziehung etwa der Chorda zum Blutgefäßsystem. Die von mir gewonnenen Resul- tate gestatten somit den Schluss, dass das Knochengewebe eine für sich bestehende eigenartige Stützsubstanz darstellt, die mit dem Bindegewebe lediglich lokale Beziehungen theilt. So wenig aber das Knochengewebe aus dem Bindegewebe her- vorgeht, so wenig ist auch die Annahme berechtigt, dass Binde- gewebszellen zu Scleroblasten werden können. In diesem Punkte muss ich meinen eigenen früheren Ansichten entgegentreten. Wie ich schon oben ausdrücklich hervorhob, waren dieselben auch früher schon nur ein Nothbehelf. Unter Berücksichtigung der Speeifität des Knochengewebes und unter der Annahme, dass das- selbe sekundär zum Bindegewebe in Beziehung tritt und Theile des- selben aufnehmen kann, finden alle Erscheinungsformen der Knochen- substanz eine ausreichende Erklärung. Dass es einen Zustand des Knochengewebes giebt. in welchem 232 Hermann Klaatsch dasselbe mit Bindegewebe keine Ahnlichkeit besitzt, habe ich in meiner früheren Arbeit gezeigt (pag. 242). Ich konnte den homo- genen zellenlosen Knochen, dem die Scleroblasten einfach anlagern, als den Urzustand darthun, der im Basalplattengewebe zuerst auf- tritt und dann in der Ontogenese der anderen Fische wiederholt wird. Alles, was ich damals iiber diese Urform des Gewebes schrieb, behält seine volle Geltung, nur dass der Begriff der »indifferenten Mesodermzellen«, wie ich damals die Seleroblasten bezeichnete, durch den der ektogenen Zellen zu ersetzen ist. In diesem Zustand tritt das »cuticulare« Knochengewebe, wie man es vielleicht passend bezeichnen könnte, in Beziehung zum Bindegewebe. Die Scleroblasten benutzen geradezu die Fibrillen des letzteren in ausgedehnter Weise als Stütze und so wird es ver- ständlich, dass diese Fasern in großer Menge ins Innere des Knochen- gewebes aufgenommen werden. In diesem Sinne sind nach wie vor die SHARPEY’schen Fasern zu deuten, deren reiche Entfaltung bereits bei Selachiern von mir gezeigt wurde. Bei den Teleostiern mit zel- lenlosen Knochen erreicht deren Ausbildung einen extremen Grad. Hierbei erhebt sich nun die Frage, ob nicht auch die Bindegewebs- zellen ins Innere der Knochensubstanz aufgenommen werden mögen. Ich habe bisher keine Thatsachen kennen gelernt, durch die sich Derartiges mit Sicherheit beweisen ließe. Wo der Knochen Zellen enthält, da könnte man diese zum Theil auf Rechnung umschlossener Bindegewebszellen setzen, obwohl keine Nöthigung und kein triftiger Grund dafür vorliegt; wo aber die Knochensubstanz zellenlos ist, wie soll es da mit den Bindegewebszellen im Knochen stehen? Dass man nicht, wie HOFER neuerdings thut, schlechthin behaupten darf, sie seien »rückgebildet« worden, ohne ganz genaue Beweise für einen solchen Vorgang beizubringen, ist klar. Die Möglichkeit dieser Dinge gestehe ich gern zu, aber so lange sie nicht bewiesen sind, muss auch die andere Möglichkeit einer allmählichen Verdrängung der Bindegewebszellen durch den Knochen in Erwägung gezogen werden. Aber selbst zugestanden, dass Bindegewebszellen in den Knochen aufgenommen werden, so geht daraus noch längst nicht hervor, dass sie an der Produktion der Grundsubstanz desselben Antheil hätten. Was früher zu dieser Annahme verleitete, war, abgesehen von der Unkenntnis der Quelle der Scleroblasten, die Ähnlichkeit der Knochen- grundsubstanz mit derjenigen des Bindegewebes, speciell mit der des Lederhautgewebes. Von dem neuen Standpunkt aus verlieren Über die Herkunft der Seleroblasten. 333 diese Dokumente sehr an Bedeutung. Ist doch der fibrilläre Zerfall einer Grundsubstanz und die Anordnung der Fibrillen zu Lamellen- systemen eine Erscheinung, die immer wieder aufs Neue an Geweben auftreten kann, die eine Stützfunktion verrichten. Eine solche histio- logische Konvergenz-Erscheinung berechtigt nicht zur Annahme einer näheren Verwandtschaft so gearteter Gewebe mit einander. In dieser Hinsicht klären die Bilder, die ich kürzlich von der Chordascheide der Fische beschrieben habe, das Urtheil. Haben wir doch in dieser Substanz einen neuen Beleg für das Auftreten lamellöser Strukturen unabhängig vom Bindegewebe. Ich halte somit die untere Schuppenschicht der Teleostier für reines Knochengewebe (abgesehen von aufsteigenden SHARPEY’schen Fasern) und dasselbe gilt für alle ähnlichen Strukturen. Das zellen- lose Knochengewebe entspricht stets einer cuticularen Abscheidungs- masse, mag dieselbe nun fibrillären Bau besitzen oder nicht. Das zellenhaltige hingegen entspricht einem geschichteten Epithel mit mächtig entwickelter Intercellularsubstanz. In der Aufstellung letz- terer Vergleichung hat RABL in seinen Principien der Histologie das Richtige getroffen. Die mächtige Betheiligung des Bindegewebes am Aufbau des »Knochens« entspricht der Bedeutung des letzteren als eines aus ver- schiedenen Geweben gebildeten Organs und ist nicht anders zu be- urtheilen als der Antheil, welchen andere Gewebsarten, wie Blut, lymphatisches Gewebe, Fettgewebe u. a. an seiner Bildung haben. Was nun gar den Knorpel betrifft, so ist die Möglichkeit, eine Metaplasie desselben im Knochengewebe aufzustellen, bedeutend ge- mindert. Für die beschränkten Stellen, an denen noch eine solche Umwandlung zugelassen wurde, dürften andere Erklärungen zu finden sein. Der einheitlichen Beurtheilung des Knochens als einer von außen an den Knorpel herantretenden Bildung steht jetzt kein Hin- . dernis mehr im Wege und damit ist hoffentlich auch die immer wieder auftauchende Unterscheidung der Hautknochen und Knorpelknochen endgültig beseitigt. Gehen wir zurück auf die ersten Stadien der Knochenbildung bei Wirbelthieren, so fügt sich dieselbe vom neuen Standpunkt aus leicht einer allgemeinen und einheitlichen Auffassung der Skelet- bildung im Thierreich. Der scleroblastische Process der Epidermis bei den Vertebraten fällt in seinen ersten Anfängen unter denselben Morpholog. Jahrbuch. 21. 16 234 Hermann Klaatsch Gesichtspunkt, wie derjenige bei Wirbellosen. Wo bei diesen eine der Knochenbildung ähnliche, mehr nach innen verlagerte Skelet- bildung sich findet, wie z. B. bei den Echinodermen, wird neuerdings eine ektodermale Herkunft der Scleroblasten wahrscheinlich. Bei der weiten Verbreitung der Hartsubstanzen in der Epidermis, bedarf der erste oder Schmelzzustand des Wirbelthierskelets keiner beson- deren Erläuterung. Wir können uns vorstellen, dass zunächst exkreto- rische Processe der Haut eine Anhäufung von Stoffwechselprodukten an der Oberfläche bedingten, deren Nutzen als Schutzeinrichtungen erst allmählich zu einer Fixirung von Hartplatten in der Haut führte. Diese Analogie mit Abscheidungsprocessen macht viele Bilder der scleroblastischen Thätigkeit der Zellen verständlich. Die Aus- bildung der Hartplatten in der Haut hatte sodann alle weiteren Um- gestaltungen, die Entfaltung der Placoidorgane, zu einer nothwendi- gen Folge, wie ich oben aus einander gesetzt habe. Von den ekto- dermalen Seleroblasten wanderten zahlreiche in die Tiefe, wo sie zunächst als Odontoblasten, dann als Osteoblasten ihre Thätigkeit entfalteten. Die weitere Verbreitung dieser ektogenen Scleroblasten war für den Gesammtorganismus von der allergrößten Bedeutung und ließ vom Hautskelet aus sich allmählich die Entfaltung des inneren Knochenskelets vollziehen. . Litteraturverzeichnis. A. Dourn, Die paarigen und unpaaren Flossen der Selachier. Studien zur Urgeschichte des Wirbelthierkörpers. VI. Mittheilungen der Zoolog. Station zu Neapel. Bd. V. 1884. C. GEGENBAUR, Über die Bildung des Knochengewebes. Erste Mittheilung. _ Jenaische Zeitschrift. Bd. I. 1864. —— Uber die Bildung des Knochengewebes. Zweite Mittheilung. Ebenda. Bd. III. 1867. —— Über primäre und sekundäre Knochenbildung, mit besonderer Beziehung auf die Lehre vom Primordialeranium. Ebenda. Bd. III. 1867. E. A. 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Acanthias vulgaris, 5cm lang. Die Epidermis ist von der Lederhaut durch eine helle Zone (Gr) getrennt, ohne dass eine Basalmembran ausgeprägt wäre. In diese Grenzzone treten Zellen aus der Epidermis Uber die Herkunft der Scleroblasten. 237 (Sell. Dieselben sind von denen des Corium vollständig gesondert. Verschiedene Stadien des Austrittes dieser subepithelialen Zellen. Vergr. 7%). Fig. 3 und 4, Acanthias vulgaris, 5 cm lang, zeigen dasselbe bei stärkerer Ver- Fig. 5. Fig. 6. Fig. 8. größerung. Ungleichheit der basalen Epidermiszellen. Allmählicher Übertritt von Epidermiszellen in die Grenzschicht. Zarte fibrilliire Struktur der Grenzschicht. Vergr. !/, (Öl-Imm. 1/9 SEIBERT). Acanthias vulgaris, 5cm lang. Verbreitung der subepithelialen Zellen in der Grenzschicht (Sel). Die Kerne der Zellen nehmen eine abge- plattete langgestreckte Form an. Bei x eine Zelle, im Austritt be- griffen, andere sind durch eine schwach angedeutete Basalmembran von der Epidermis getrennt. Vergr. 7%/,. Acanthias vulgaris, 10,5 cm lang. Die Epidermis hat sich bedeutend verdickt und ist fast überall durch eine zarte Basalmembran von der Lederhaut getrennt. An einigen Stellen ist dieselbe unterbrochen. Hier erfolgt der Austritt neuer subepithelialer Zellen. Auch die Mitose bei x deutet auf solchen hin. Die subepithelialen Zellen liegen zer- streut in der äußeren zellenarmen, nur schwach fibrillären Partie des Corium. In den tieferen Theilen desselben beginnt die Ausbildung der Lamellen. Vergr. 7%). Acanthias vulgaris, 13 cm lang (aus dem von Herrn Prof. C. K. Horr- MANN erhaltenen Material). Erste Schuppenanlage. In einem scharf begrenzten Bezirke vergrößern sich die basalen Epidermiszellen und liefern das Schmelzepithel (Sm). Die subepithelialen Zellen häufen sich darunter, zunächst in unregelmäßiger Weise au, und liefern so den Dentinkeim, erweisen sich somit als die späteren Scleroblasten. Aus- tritt von solchen aus dem Ektoderm hier nicht zu konstatiren. Ver- größerung 560/, Acanthias vulgaris, 13,5 cm lang (aus dem von der Neapeler Station bezogenen Material). Weiter vorgeschrittene Schuppenanlage. Der Dentinkeim hat sich papillenförmig angehoben. Charakteristische An- ordnung der tiefen Scleroblasten, welche die zellige Anlage der Basal- platte (B) formiren in bogenförmigen Zügen, die vom Faltungsrand ausgehen. An der äußeren Peripherie des letzteren, namentlich bei F', geschieht der Austritt neuer Scleroblasten aus dem Ektoderm. Ein- zelne Scleroblasten liegen zerstreut umher. ;Scharfe Absetzung der Schuppenanlage gegen das Bindegewebe der Lederhaut. Vergr. 5%/,. Tafel VI. Alle Figuren sind Querschnitten der Haut von Mustelus laevis und vulgaris entnommen. Fig. 1. Fig. 2. Mustelus laevis, 1,8 cm lang. Sonderung der Epidermis in zwei Schichten, eine oberflächliche (O.E) aus platten, und eine tiefe (7.2) aus kubi- schen Elementen gebildete. Scharfe Absetzung der letzteren gegen die Lederhaut (Co). Vergr. 700/,. Mustelus vulgaris, 2,7 cm lang. Zunahme der O.E an Höhe. An- häufung von Coriumzellen unter der tiefen Epidermisschicht. m Muskel- anlage. Vergr. 7%/,. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Hermann Klaatsch Mustelus vulgaris, 3 cm lang. Die oberflächliche Epidermisschicht zeigt eine starke Vermehrung ihrer Elemente, dieselben werden zum Theil cylindrisch. Scharfe Absetzung der sich blasser tingirenden tiefen Schicht von der übrigen Epidermis. Vergr. 7%/,. Mustelus vulgaris, 4 cm lang. Die oberflächliche Epidermisschicht differenzirt sich in zahlreiche Elemente, welche nun die Hauptmasse der ganzen Epidermis darstellen. Eine äußere Zone von Deckzellen (D) sondert sich von einer aus cylindrischen Elementen (B) gebildeten, von denen einige zu Schleimzellen werden. Die tiefe Epidermisschicht er- hält sich in der ursprünglichen Beschaffenheit; an einigen Punkten tritt eine mehr gleichartige Anordnung der Elemente hervor. Vergr. 600/,. Mustelus vulgaris, 6cm lang. Deutliche Sonderung der Deckzellen- schicht. Die schon im vorigen Stadium (Fig. 4) beginnende Fragmen- tirung der Kerne in den Cylinderzellen schreitet fort; die letzteren werden so zu Riesenzellen (R). Die tiefe Ektodermschicht wird un- regelmäßig. Vergr. °60/;. Mustelus vulgaris, 14 cm lang. Deutlich ausgeprägter Cuticularsaum (s). Deckzellen d. Die cylindrischen Elemente sind zu den Riesenbecher- zellen (R.B) geworden (s. Text!). Die basalen Theile derselben (bas) eigenthümlich differenzirt. Beeinflussung der tiefen Epidermisschicht durch die Riesenbecherzellen. 52 Blutgefäß. Vergr. 7%]. Mustelus vulgaris, 14 cm lang. Die Epidermis wie auf Fig. 6; die tiefe Epidermisschicht bildet unregelmäßige Verdickungen, ihre Ele- mente verbreiten sich stellenweise in der Lederhaut. Vergr. 340/,. Tafel VII. Sämmtliche Figuren sind Querschnitten durch die Haut von Mustelus laevis und vulgaris entnommen. Fig. 1. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Mustelus laevis, 15,5 cm lang. Erste Schuppenanlage (Sch), gegeben durch die Lokalisation der Verdickungen der tiefen Epidermisschicht. Die Riesenbecherzellen (R.B) zeigen keine basale Differenzirung mehr. Innerhalb der Schuppenanlage besteht keine Sonderung des Materials. Vergr. 70/,. Mustelus laevis, 15,5 em lang. Weiter entwickelte Schuppenanlage. Dieselbe sondert sich in Schmelzepithel und Dentinkeim, indem die oberflächlichen Zellen etwas an Höhe zunehmen. An der Peripherie bleibt die zellige Anlage noch einheitlich. Die Riesenbecherzellen werden spärlicher. Vergr. €/;. Mustelus laevis, 24cm lang. Späteres Stadium der Schuppenanlage, die in das Gewebe der Lederhaut eingesenkt ist. Die Abscheidung der Hartsubstanzen hat begonnen. Bei x ist an Stelle des Schmelzes ein künstlicher Spalt sichtbar. Z dünne Lage von Zahnbein. Regel- mäßige Anordnung der Scleroblasten, sowohl im Bereich des Dentin- keimes (De) als der zelligen Basalplattenanlage (P). Die Zellenzüge gehen von dem äußeren Theil des Faltungsrandes (7) aus, an welchem der ursprüngliche Zusammenhang der Scleroblasten mit der Epidermis noch vollständig erhalten bleibt. Vergr. @/,. Mustelus vulgaris, 1,8 cm lang. Ventraler Theil der Caudalflosse, den Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. =I Uber die Herkunft der Scleroblasten. 239 rein ektodermalen Saum zeigend. Die Epidermis ist überall scharf gegen das unterliegende Gewebe abgegrenzt. Bedeutende Höhe der Zellen der tiefen Epidermisschicht im Flossensaum. Vergr. 40%/,. Mustelus vulgaris, 4 cm lang. Hintere Dorsalflosse. Die tiefe Epi- dermisschicht löst sich central in mesenchymatöse Zellen (Sel) auf, während terminal der freie Ektodermsaum noch fortbesteht. Vergr. °/;. Mustelus vulgaris, 4cm lang. Haut des hinteren dorsalen Theiles der Caudalflosse in der Nähe des Rumpfes. Dichte Zellmasse unter der Epidermis. Diese Zellmasse (Sc/) steht in kontinuirlichem Zusammen- hang mit dem Ektodermsaum der Flosse und liefert gegen die, Epi- dermis zu die ersten Spuren der Hornstrahlen, deren Durchschnitte (besser Schriigschnitte) bei H sichtbar sind. Rechts beginnen einige Zellen sich zwischen die Hornstrahlen und die tiefe Epidermisschicht einzuschieben. Vergr. 60),. Mustelus vulgaris, 6 cm lang. Die entsprechende Stelle wie auf Fig. 6. Das Gewebe der Lederhaut, untermischt mit ektogenen Scleroblasten, hat sich zwischen die Epidermis und die Hornstrahlen, sowie deren Bildungszellen (Sel) eingeschoben. So werden die letzteren in die Tiefe verlagert. Vergr. 6/,. Tafel VIII. Acanthias vulgaris, 5 cm lang. Dorsaler Theil der Caudalflosse. Quer- schnitt. Hervorgehen der Scleroblasten (Sc/) aus der Epidermis im Bereich der Mittellinie. Vergr. ™),. Acanthias vulgaris, 5 cm lang. Ventraler Theil der Caudalflosse. Direkter Zusammenhang der Scleroblasten mit der Epidermis. Links eine Mitose, das Hervorgehen der ersteren aus der letzteren zeigend. Vergr. 560/,. 3a—d. Heptanchus cinereus, 10 cm lang. Verschiedene Stadien der Ent- qo stehung der Hornstrahlen. 3a, 35, 3c Entstehung eines Hornstrahles im Inneren eines Scleroblasten. Die Hartsubstanz verdrängt allmählich das Protoplasma und den Kern. 3d weiteres Wachsthum eines Horn- strahles durch Anlagerung neuer Scleroblasten. Einer derselben ist durch einen künstlichen Spalt etwas vom Hornstrahl (H) abgehoben. Ol-Imm. 1/2 SEIBERT. Vergr. 1900/,. Accipenser sturio, 9 mm lang. Querschnitt durch den embryonalen dorsalen Flossensaum. Austritt von Zellen aus der Epidermis, ver- bunden mit mitotischen Theilungsvorgängen. Bei a eine solche, deren Aquatorialebene der Oberfläche parallel steht. Andere Elemente derart verbreiten sich unter der Epidermis. Vergr. 60%/,. Salmo salar, 1,2cm lang. Querschnitt der Kopfhaut in der Gegend des späteren Squamosum. Ch Knorpel der Gehörkapsel. Lokale Diffe- renzirung der basalen Epidermiszellen zu Scleroblasten und partielle Sonderung derselben von der übrigen Epidermis durch schmale Spalt- räume. Beginnende Verbreitung dieses Scleroblastenmaterials in das unterliegende Bindegewebe. Vergr. 700/,. Salmo salar, 1,5 cm lang. Querschnitt der Kopfhaut im Bereich des Operculum. Anlage des Operculare. Zusammenhang der Sclero- blasten dieses Knochens (O) mit der Epidermis. Unterbrechung der 240 —1 Fig. Fig.1. Hermann Klaatsch, Über die Herkunft der Scleroblasten. Basalmembran der letzteren bei Sc/ und Verbreitung der Scleroblasten von diesem Punkte aus. Vergr. 700/,. Salmo salar, 1,5 em lang. Querschnitt der Haut im Bereich des Schultergürtels. Anlage der Clavicula (O), umhiillt von dichtem Sclero- blastenmaterial, welches nichts Anderes als eine Wucherung der Epi- dermis darstellt. Vergr. 500/,. Tafel IX. Salmo salar, 2em lang. Querschnitt des Kopfes. Anlage des Os squamosum. Ch Knorpel der Ohrkapsel. An den Rändern des Schleim- kanals K gehen die Scleroblasten (Sc/) aus der Epidermis hervor und liefern die Knochenspange O, welche den Schleimkanal von innen um- fasst. An den Austrittsstellen der Seleroblasten ist die im Übrigen sehr stark entwickelte Basalmembran (m) unterbrochen. Die Knochen- anlage liegt dem Knorpel nahezu auf, nur durch eine dünne Gewebs- lage von ihm getrennt. Verbreitung der Scleroblasten nach den Seiten hin. Vergr. 60/,. Fig. 2 und 3. Salmo fario, 5cm lang. Querschnitte des Kopfes im Bereich Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. der Ohrkapsel, um die Veränderungen des Os squamosum zu zeigen. Fig. 3 stellt einen Schnitt dar, der etwas weiter nach hinten als der auf Fig. 2 gelegt ist. Fig. 2 zeigt die Vergrößerung des Knochens und seine Verlagerung in die Tiefe. Der Zusammenhang mit der Epider- mis löst sich. Der Knorpel ist mit gewachsen und liegt etwas weiter vom Knochen entfernt als in vorigen Stadien. M Züge des Muse. ad- ductor mandibulae. Fig. 3 zeigt die vollständige Isolirung des Kno- chens von der Epidermis und seine direkte Auflagerung auf den Knorpel, welcher die Wandung des Can. semicircularis ext. darstellt. M Muskulatur. Eine dünne Knochenspange streckt sich längs des verdünnten Knorpels abwärts gegen die Einlenkungsstelle des Hyo- mandibulare (Hym). Vergy. 170),. Larve von Salamandra maculata. Querschnitt des Kopfes in der Gegend des Schädeldaches. Austritt der subepithelialen Zellen (Selero- blasten) aus der Epidermis, in verschiedenen Stadien sichtbar. Ver- breitung dieser Elemente in der Lederhaut. Vergr. °/;. Ältere Larve von Salamandra maculata. Querschnitt des Kopfes in der Gegend des Os nasale. (Na). Anlage dieses Knochens und Zu- sammenhang der Bildungszellen desselben mit der darüberliegenden Epidermis (Zp). Dr Drüse. Die basalen Zellen der Epidermis haben rechts und links eine bedeutendere Höhe und sind hier deutlich vom Gewebe der Lederhaut geschieden. In der Mitte fehlt eine solche Grenze gänzlich und man sieht die subepithelialen Zellen (Scleroblasten) sich allmählich in die Tiefe verbreiten und kontinuirlich in diejenigen übergehen, welche die Knochensubstanz bilden. Pigmentkörnchen zwi- schen den Scleroblasten in gleicher Weise wie in der Epidermis. Vergr. %0/,. Lepus euniculus. Embryo, 1,1 cm. Querschnitt der Kopfhaut in der Gegend des Unterkiefers. Austritt einer in mitotischer Theilung begriffenen Zelle aus der Epidermis. Daneben einige subepitheliale Zellen, die vielleicht Scleroblasten darstellen. Vergr. 70/1. - mE Very PN ww vr ee ee | Morpholog Jahrb. Bd XXI. RD. Se Roa a 4 ; : R =- oo ns fe Morpholog. Jahrb. Bd XXI. Taf Vi. 7 ae | % — . d Ep_-- TE so — © R =. ----- Co SEE | Co N Fig.2. Epi--—- De. ee, 2. Te ---- 08 “os ns Saas soo = ee\e---” a © ‚oo SQ" re e.-- - Co en, aa Ru 0.2 © pe Fe SS = os on a & Een Peg Por eo: Oo eo nn OF “= eo “2 oo & » © Fig.3. 3 Be sn RE 00 IT § 08%, 2. 20000087 ... 265° 00999 0695 Be ©2009 09.099 or 09° o ” Fig. 4. b ae DR mile RO, un i IN 06 @60 “on o® 4 oe °S00e <= = — .. - esse =a ra Hintantsch gez F erlag ‘Wilh. Engelmann + Lemzig ih.Anit EA Furkelgun a EEE 0 u Zn ı u ry =, _ reg u a AZ Morpholog. Jahrb. Bd XX. Fig. 4 TE \ ‘ eed a ? Re ® tap) Weges w; able > a => Bar @ = 5 ‘Sait ) Scant, SB ae | oa) 453) 4 se j ® rm : APA a | un 18 t MM 8 : h be \ : oth oo | x ENA = a W of sg X (>) 900 @ se 099498 ® ao a ; ee ae OG ca © 80, 5 8® « CIDE © ® 2 SLOP 2 OA 6%: ©; [6] = @ I ®@- (C) Fig. 7 ®. mr & Ca -- ef 8 849 89 ver eg) Wilh Engelmann yy pe 7 Tat VI. Hiklaatsch gez Vi di UtndnatsEAFunkeleipr VerlagvWilh.Eingelmann in Leipzig u 5 vo u Zu vu ya ce See ay ‘ a ı Morpholog.Jahrb. Bd XXI. Uh Ant fh Fur Ae Leipzig. Verlag “Wilh Engelmann in Leipzig —_ — - BE | z u; , Zu 2a u? ci aC Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremitäten, dargelegt am Beckengürtel, an dessen Muskulatur sowie am Plexus lumbo-sacralis. Von Louis Bolk. (Aus dem anatomischen Laboratorium zu Amsterdam.) Mit 14 Figuren im Text. Diese Untersuchung knüpft an eine schon früher abgeschlossene über Varietäten am Plexus lumbo-sacralis an; sie beschäftigt sich mit der Frage, ob irgend ein Zusammenhang zwischen der metameren Anlage der Muskulatur der Gliedmaßen und deren Skeletinsertion be- stehe. Die Anregung zu dieser Fragestellung ist die Thatsache ge- wesen, dass die Glieder einer Muskelgruppe oftmals nach Maßgabe ihrer metameren Anlage in ganz bestimmter Weise sich angeordnet erweisen. Es hat sich dann auch ergeben, dass eine Gesetzmäßig- keit zwischen der segmentalen Herkunft und der Skeletanheftung der Muskeln besteht. Hier soll die Beziehung zwischen Muskulatur und Beckengürtel behandelt werden. Zunächst werden die gefunde- nen Thatsachen zur Sprache kommen. Darauf soll danach getrachtet werden, dieselben von einem gemeinsamen Gesichtspunkt aus zu be- schauen. Aus früheren Untersuchungen über diesen Gegenstand geht für mich hervor, dass die Glieder der Extensorengruppe in Bezug auf ihren segmentalen Ursprung in ganz bestimmter Weise und regel- mäßig sich an einander schließen. In proximo-distaler Richtung folgen 242 Louis Bolk auf einander: Sartorius, Vastus medialis, Vastius medius, Rectus fe- moris, Vastus lateralis. Diese Muskeln bilden eine gleiche Reihen- folge, wenn man ihre Lage am Oberschenkel von der medialen nach der lateralen Fliche hin in Betracht zieht. Fiir die Flexoren trifft Gleiches zu, indem die Muskeln, welche aus mehr distalen Spinalnerven Aste beziehen, eine mehr laterale Lage am Oberschenkel Abgrenzung der Ursprungsflächen der Muskeln an der Außenseite des Darmbeines mit Angabe der die einzelnen Muskeln versorgenden thoraco-lumbo-sacralen Spinalnerven 12 bis 19. einnehmen. Unter den Adductoren stammen die ventral gelegenen Muskeln aus mehr proximalen Segmenten, die dorsalen Glieder aus mehr distalen Myomeren. An den Rotatoren ist das gleiche Ver- hältnis, wennschon nicht so deutlich, nachweisbar. Viel Licht über das gegenseitige morphologische Verhalten der Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremitäten. 243 Muskeln wird durch das Zusammenhalten der segmentalen Anlage derselben mit der Befestigungsweise am Skelet verbreitet. Die Außenfläche des Beckens lässt sich in Hinsicht auf ‘die Muskelanheftungen in einen proximalen und einen distalen Abschnitt scheiden. Proximal bilden das Darmbein, distal das Sitzbein und das Schambein die Unterlage. Am Os pubis und Os ischii folgen in ventro-dorsaler Richtung die Befestigungspunkte folgender Muskeln: Rectus abdominis, Pectineus, Adductor longus, Adductor brevis, Gracilis, Ad- ductor magnus, Obturator externus, Portio ischiadica m. adductor. magni, Quadratus femoris mit dem Gemellus inf., Semimembranosus, Semitendinosus, Biceps femoris, Ge- mellus superior (Obturator int.). In ganz gleicher Reihenfolge empfangen die genannten Muskeln ihre Aste aus den in proximo- distaler Richtung sich an einander fügenden Spinalnerven. Die Ni- veaus des segmentalen Ursprungs in proximo-distaler Richtung laufen also parallel mit der ventro-dorsalen Aufeinanderfolge der Anheftungs- flächen am Becken. Hierfür zeugt folgende tabellarische Zusammen- stellung: Reihenfolge der Muskeln Innervation der Muskeln durch fol- nach dem Ursprunge vom Scham-Sitzbein in gende thoraco-lumbo-sacrale Spinal- ventro-dorsaler Richtung | nerven 1) Rectus abdominis 6.—12. 2) Pectineus 14. 19: 3) Adductor longus 14. 15. 4) Adductor brevis | 14. 15. 16. 5) Graeilis | 15. 16. 6) Adductor magnus 15. 16. 7) Obturatorius externus 15. 16. 8) Portio ischiad. m. add. magni | 16. 9) Quadratus femoris + Gem. inf. | 16. 17. 18. 10) Semimembranosus TOR T. 11) Semitendinosus 17. 18. 12) Biceps femoris 18. 19. 13) Obturatorius int. (Gem. sup.) 16. 17. 18. 19. Durch das Unterstreicher von Spinalnervenzahlen soll angedeutet sein, dass die betreffenden Nerven den Hauptantheil an der Muskel- versorgung übernommen haben. 944 Louis Bolk Die Angabe über den Semitendinosus erstreckt sich allein auf dessen proximalen Abschnitt. Das gegenseitige Verhalten vom Obturator internus und Gemel- lus superior ist derartig, dass letzterer stets Äste von mehr distalen Spinalnerven bezieht als der Obturator internus. In zwei Fällen konnte mit Sicherheit die Zugehörigkeit des Gemellus superior zum 18. und 19. Segmente nachgewiesen werden. Die Übereinstimmung der Anheftung der Muskeln am Ileum in ventro-dorsaler Richtung mit deren Innervation aus in proximo-distaler Richtung auf einander folgenden Spinalnerven geht aus der folgenden Tabelle hervor: Reihenfolge der Muskeln Innervation der Muskeln aus nach dem Ursprunge vom Darm- folgenden thoraco-lumbo-sa- beine in ventro-dorsaler Richtung | cralen Spinalnerven 1) Sartorius 14. 15. 2) Tensor fasciae latae 16. (172) 3) Glutaeus minimus 16.17. 4) Glutaeus medius las te Se 5) Glutaeus maximus Er RE LEN 6) Piriformis 18. 19. Aus den in den Tabellen niedergelegten Thatsachen geht die Übereinstimmung der metameren Anlage der Muskeln mit deren An- heftung am Becken im angegebenen Sinne hervor. Muskeln, welche einem mehr distalen Ursprungsniveau zugehören, nehmen eine mehr dorsale Beckenlage ein. Dies lässt sich auch so ausdrücken, dass mehr kopfwärts gelegene Myomeren, welche zur Bildung der Ex- tremitätenmuskeln heigetragen haben, ihre Anheftung an der Außen- fläche des Beckens mehr ventral gefunden haben als die Anfangs sich mehr caudalwärts anschließenden Muskelsegmente. Da eine ganz regelmäßige diesbezügliche Aufeinanderfolge besteht und aus den Tabellen abzulesen ist, so sind wir in den Stand gesetzt, an der Außenfläche des Beckens mit einer gewissen Präcision die Linien anzugeben, welche die Grenzen zwischen den Produkten der an ein- ander anschließenden Myomeren sind. Solche Grenzlinien müssen dann als solche betrachtet werden, welche ursprünglich durch die Myocommata dargestellt worden sind. Bei der Konstruktion einer segmentalen Grenzlinie begegnet man keinen erheblichen Schwierigkeiten. Ventral von der Grenze zwi- Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremitäten. 245 schen dem 15. und 16. thoraco-lumbalen Myomer z. B. müssen Muskeln liegen, welche aus dem 15. thoraco-lumbalen Spinalnerven versorgt werden, während dorsal von der Grenzlinie die aus dem 16. Myomere entstandenen Muskeln sich befinden. Da Muskeln, Außenfläche des Darmbeines. Grenzlinien zwischen den aus den 12.—19. thoraco-lumbo-sacralen Myomeren hervorgegangenen Muskelprodukten. Die Linien begrenzen am Skelet die als Sclerozone zu bezeichnenden Girtelzonen. welche an der Außenfläche des Beckens sich festheften, sowohl vom 15. als auch vom 16. thoraco-lumbalen Spinalnerven versorgt werden, so ist auch die segmentale Grenzlinie gegeben. Sobald eine Grenz- linie genau hat festgestellt werden können, erhalten wir eine Scheide- linie an den Ursprungsflächen von diplomeren Muskeln, welche aus 246 Louis Bolk je benachbarten Myomeren ihr Material bezogen haben. Wir er- halten auf diese Weise einen Einblick, wie hoch oder tief ein Muskel in das eine oder andere Niveau hineingreift. In das 15. und 16. tho- raco-lumbale Segment greifen normal folgende Muskel ein: Gracilis, Adductor magnus, Adductor brevis, Obturator externus, Rectus fe- moris. Die Grenzlinien zwischen den beiden Segmenten miissen die Ursprungsflächen jener Muskeln schneiden. Auf Fig. 2 ist die Linie angegeben; sie ist analog dem Ligamentum intermusculare zwischen 15. und 16. Myomer. Das am meisten proximal gelegene Myomer, dessen Produkte Anheftungspunkte am Becken besitzen, ist das 12. thorakale. Es findet im Musculus rectus abdominis seine Verwendung. Die Grenz- linie zwischen dem 12. und 13. thoraco-lumbalen Myomer der Fig. 2 scheidet den Rectus abdominis ventralwärts von anderen Becken- muskeln ab; sie liegt, so weit sie sich auf die anderen Bauchmuskeln bezieht, außerhalb der Beckenwand. Die Grenzlinie zwischen den Produkten aus dem 13. und 14. tho- raco-lumbalen Myomer ist genau nicht allenthalben festzustellen: sie erweist sich aber im Gegensatze zu anderen Linien in einen ven- tralen und einen dorsalen Abschnitt geschieden, so dass sie nicht über die ganze Beckenfläche verläuft. Die Grenzlinie zieht dorsal zwischen den Ursprungsflächen des Sartorius und denen der breiten Bauchmuskeln längs der ganzen Crista iliaca (Fig. 2. Am Scham- beine ist die Linie nicht genau anzugeben, da kein Muskel, aus dem 13. Segment hervorgegangen, hier festgeheftet ist. Dies hängt wiederum mit der Thatsache zusammen, dass ein sehr großer Theil des 13. thoraco-lumbalen Myomers beim Menschen degenerirt ist (was ich genau habe feststellen können). Die Regelmäßigkeit der Aufein- anderfolge von Anheftungsflächen von Myomeren ist desshalb am Os pubis aufgehoben. Die für Pectineus und Adductor longus bestimmten Flächen schließen direkt an den Rectus abdominis an; es berühren ein- ander die Produkte des 12. und des 14. Myomers. Zwischen diesen Muskeln muss natürlich auch die ursprünglich ventrale Grenzlinie zwischen 13. und 14. Myomer gesucht werden. Sie mag sich von hier zwischen Becken und Ligamentum inguinale zum Darmbein fortgesetzt haben. An letzterem zieht sie zwischen den Ursprungs- flächen von Sartorius und breiten Bauchmuskeln, um dorsal die Crista iliaca zu verlassen. Die Grenzlinien zwischen den Beckenursprüngen der aus 14. und 15. thoraco-lumbalen Myomere hervorgegangenen Muskeln sind Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremitiiten. 247 leicht zu bestimmen. Pectineus, Adductor brevis, Adductor longus und Sartorius sind die Wegweiser beim Auffinden der Linie. Nur ein sehr kleiner Theil des Adductor brevis, aber der größte des Peetinens können ventral von der Grenzlinie gelegen sein. Hieraus entnehmen wir die Lage distal am Becken. Die Grenzlinie schneidet vom Adductor brevis einen kleinen Theil ventral ab, läuft über die Ursprungsflichen von Adductor longus und Pectineus und begiebt sich dann außerhalb des Beckens über die Sartoriusfläche. Die Lage der Linie am Ileum ist weiter dorsal nicht anzugeben. Hier fehlen uns jegliche Anhaltepunkte. Die Lage der Grenze dürfte in- dessen zwischen Darmbeinkamm (den breiten Bauchmuskeln) und An- heftungsfläche des Glutaeus medius angenommen werden (Fig. 2). Die Grenzlinie zwischen 15. und 16. thoraco-lumbalen Myomer am Becken schneidet hinter einander die Ursprungsflächen des Graci- lis, Adduetur brevis, Adduetur magnus, Obturator externus und Rectus femoris. Am Darmbein liegt die Grenze zwischen Sartorius und Tensor fasciae latae. Weiter dorsal müssen die Glutäalmuskeln distal von der Grenzlinie sich befinden. Letztere zieht zwischen Museuli glutaei und breiten Bauchmuskeln dorsalwärts. Die Grenze zwischen dem 16. und 17. thoraco-lumbalen Myomer ist, weil viele Muskeln aus beiden hervorgegangen sind, ohne Sehwierigkeit aufzufinden. Die Grenzlinie schneidet die Ursprungs- flächen des Semimembranosus, Quadratus femoris, Glutaeus minimus et medius. Vollkommene Klarheit über das Verhalten der Grenz- linie zum Tensor faseiae latae ist nicht erbracht, da die Innervation dieses Muskels nicht immer genau erkannt wird. Man kann nun mit Sicherheit angeben, dass der Tensor fasciae latae die meist proximale, der Glutaeus medius die meist distale Anlage besitze. Ist der Tensor fase. lat. allein aus dem 16. thoraco-lumbalen Segment aufgebaut, so berührt die Grenzlinie die Ursprungsfläche des Muskels nicht und liegt, wie das gewöhnliche Verhalten der Fig. 2 sie angiebt. Sollte der Tensor fase. lat. vom 16. u. 17. Myomere seine Bausteine entnommen haben, so würde die Grenzlinie die Anheftungsfläche des Muskels schneiden und dem entsprechend in stark proximalwärts aus- gebogener Richtung verlaufen müssen. Die Grenzlinie, unterliegt sie auch Schwankungen, muss jedoch stets proximal vom Glutaeus maximus sich befinden. Die Genauigkeit der Lage von Grenzlinien erleidet Ein- buße, sobald die Anheftungsfläche der Muskeln sich wie am Ileum vergrößert. Das Fundamentelle wird jedoch in nichts alterirt. Die Grenze zwischen dem 17. und 18. Segment wird durch die 248 Louis Bolk Ursprungsflichen des Semitendinosus, Quadratus femoris (Gemellus inferior), Glutaei medius et maximus zu bestimmen sein. Ihre Kon- struktion findet man auf Fig. 2 fixirt. Die Grenze zwischen 18. und 19. thoraco-lumbalem Myomere schneidet die Beckenflächen des Biceps femoris, Gemellus superior und Glutaeus maximus. Auch sie ist auf Fig. 2 wiedergegeben. Die Figuren 1 und 2 bringen das Verhalten des metameren Ursprungsniveau zur Anheftungsweise an das Skelet eines jeden Muskels deutlichst zum Ausdrucke. Die Produkte von mehr proxi- malen "Segmenten des indifferenten Muskelsystems haben Anhef- tungen an ventralen Theilen des Beckens erworben, die Produkte von mehr distalen Myomeren an dorsalen Beckentheilen. Hierbei denken wir uns das Becken in seiner natürlichen Lage im Körper des Er- wachsenen. Die Aufeinanderfolge der Skeletanheftungen der Myo- merenprodukte ist eine durchaus kontinuirliche. In ventro-dorsaler Richtung reihen sich über die Außenfläche des Beckens die Myomeren derartig an einander, wie sie im eranio-caudalen Anschlusse im on- togenetischen Zustande sich vorgefunden haben müssen. Die je aus den 16. und 18. thoraco-lumbo -sacralen Myomeren entstandenen Muskeln werden z. B., überall durch die aus dem 17. hervorgegan- genen Gebilde von einander abgetrennt. Da indessen, wo Riick- bildungen z. B. des 13. Myomers vorliegen, oder wo Beziehungen zum Becken durch Myomeren nicht gewonnen sind, kann in ersterem Sinne das 12. an das 14. thoraco-lumbale Segment mit den Produkten sich einreihen, können im letzteren Sinne die Anheftungsflächen der Produkte des 13. an die des 16. Myomers am Ileum sich anfügen. In frühen ontogenetischen Zeiten muss die indifferenter ange- legte Seitenrumpfmuskulatur mit ihren in proximo-distaler Richtung auf einander folgenden Segmenten bereits so bestimmte und regel- mäßige Beziehungen zum Skelette sich erworben haben, dass die An- heftungsflächen selbst nach Stellungsänderungen des Beckens sich in streng geordneter, aber nunmehr in ventro-dorsaler Richtung erhalten konnten. Stets liegen ventral von den Grenzlinien Muskeln, welche aus mehr kopfwärts, dorsal von den Grenzlinien Muskeln, welche aus mehr schwanzwärts befindlichen Myomeren sich entwickelt haben. Wenn nun ein Muskel, wie der Glutaeus maximus aus mehreren Spinalnerven Fäden bezieht, so wird nach Art der Gesammtanlage der proximo-ventrale Abschnitt der Muskeln sehr wahrscheinlich aus mehr proximalen Nerven versorgt sein als der dorso-distale Muskel- abschnitt. Dies stimmt mit EısLer’s auf diesen Punkt sich beziehen- Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremitäten. 249 den Angabe gut überein. (P. Ester, Der Plexus lumbo-sacralis des Menschen. 1892. pag. 36.) Die Beziehungen zwischen Skeletanheftung und segmentaler Herkunft der Muskulatur müssen schon in einem sehr indifferenten Stadium bestanden haben. Die Differenzirung der einzelnen Indivi- duen der hier besprochenen Muskulatur wird, nachdem die Anheftung ans Skelet erfolgte, unabhängig von dieser stattgehabt haben. Die bisherige Darstellung bezieht sich auf normale Zustände des Individuums. Es erhebt sich nun die Frage, wie die Grenzlinien zwischen gleich segmentirten Muskeln sich verhalten, sobald Schwan- kungen in der metameren Herkunft vorliegen? Die Antwort hierauf lautet dahin, dass die Grenzlinien in einem gegenseitigen bestimmten Lagerungsverhältnisse verbleiben und sich am Becken entweder in ventraler oder dorsaler Richtung derartig verschieben, dass die mehr dorsalen Grenzlinien ganz allmählich je den Platz einer mehr ven- tralen Grenze einnehmen können. Wie die segmentale Herkunft der Muskeln auch bei Schwankungen stets in einem ganz bestimmten Verbande sich befindet, so bleibt die innige Korrelation auch zwischen der Lage der Grenzlinien bei Variationen bewahrt. Ist das Niveau der einen Grenzlinie verändert, so sind in gleichem Sinne alle anderen Grenzlinien in ganzer Ausdehnung verschoben. Die verschiedene Lage der myomeren Grenzlinien am Becken hängt von der jeweiligen Stellung des Beckengürtels zur Wirbelsäule ab. Wie letzterer onto- genetisch in cranialer Richtung (vgl. ROSENBERG) längs des Achsen- skelettes sich verschiebt, so äußern sich die verschiedenen Stellungen der Grenzlinien zwischen den gleich segmentirten Muskeln in einer Art Verschiebung in proximo-distaler, am natürlich gestellten Becken des Erwachsenen in ventro-dorsaler Richtung. Liegen die segmental einander entsprechenden Grenzlinien am Becken mehr ventralwärts als es die Norm angiebt, so haben wir es mit primitiven Zuständen zu thun. Dies trifft z. B. zu, wenn wir die Grenze zwischen 17. und 16. Segmente da finden, wo auf Fig. 2 die Grenze zwischen den Produkten des 16. und 15. Myomers liegt. Denken wir den Process der Verschiebung der Grenzlinien über - das Becken in ventro-dorsaler Richtung wirksam, so muss, während ventral ein neues Myomer zum Becken bleibende Beziehungen ge- winnt, ein dorsales Segment vom Becken ausgeschlossen werden. Von Muskeln, welche an der Visceralfläche des Beckens An- heftung finden, kommen hier nur der Iliacus und Obturator in- Morpholog. Jahrbuch, 21. 17 350 Louis Bolk ternus in Betracht. Ich untersuchte die Muskeln des Urogenital- apparates und des Dammes nicht. Da der Iliacus aus dem 15. und 16., der Obturator internus aber aus dem 16., 17., 18. und 19. Myomere herstammen, so ist dem segmentalen Anschlusse der Grenzlinien an der visceralen Beckenfläche nicht Abbruch gethan, wenn schon die Grenzen zwischen den in Betracht kommenden Seg- menten nicht alle anzugeben sind. Mit einiger Genauigkeit lässt sich nur die Grenze zwischen den Produkten des 16. und 17. Myomers konstruiren. Diese fällt ungefähr zwischen die Anheftungsflächen von Iliacus und Obturator internus. Es ist nun für uns von sehr großem Interesse, dass, wenn wir die gürtelförmigen Myomeren- flächen der Außenseite auf die Visceralfläche des Beckens projieiren, der 15. und 16. Segmentgürtel in die Ursprungszone des Musculus iliacus, die 16.—19. Myomerengiirtel in die Ursprungszone des Ob- turator internus fallen. So weit daher die Verhältnisse festgestellt werden können, liegt eine Kongruenz der Ursprungsflächen der Seg- mentprodukte an beiden Flächen des Beckens vor. Von der Kon- struktion der einzelnen Grenzlinien an der Visceralfläche muss wegen Mangels an verwerthbaren Thatsachen abgesehen werden. In dem engen, typischen Verbande zwischen den einzelnen Myomerenprodukten und dem Skelet äußern sich zweifellos sehr frühe ontogenetische Vorgänge, da in dem Erhaltensein abgegrenzter Muskelsegmente ein ganz indifferenter Zustand zum Vorscheine kommt. Das Muskelsystem muss, als es selbst noch im Stadium einfachster Seg- mentirung sich befunden hat, die Anheftung am Skelette gewonnen haben, um diese Gliederung noch in der Organisation des Erwachsenen zum Ausdrucke zu bringen. Das Zustandekommen der Anheftung des segmentirten Muskelsystems ans Skelet trägt einen durchaus onto- genetischen Charakter und setzt sehr wahrscheinlich das nicht diffe- renzirte Stadium dieses Systems in einzelne Muskelindividuen voraus. Diese Differenzirung wird erst nach der Skeletanheftung sich voll- zogen haben. Mit ihr hat sich das Bild der Segmentirung an der . Muskulatur mehr und mehr verwischen müssen, und thatsächlich er- kennt man diese primitive metamere Gliederung an des Erwachsenen Muskulatur selbst nicht mehr. Je mehr die Muskulatur sich differenzirt, um so mehr wird das primitive Verhalten verlassen. Aus diesem Grunde ist die Annahme durchaus unzulässig, dass die aus der Innervation noch entnehmbare, so äußerst einfache Segmentation der Muskelskeletanheftung, wie die Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremitiiten. 251 Fig. 2 sie uns vorführt, sich etwa in späteren ontogenetischen Zeiten vollzogen habe. Trotz der größten Umformungen während der Muskeldifferenzirung hat sich im Muskelskeletverbande Primitives erhalten; dieser Verband aber ist indifferenten Charakters, da wäh- rend desselben das Muskelsystem noch segmentirt gewesen sein muss. Es geht nun andererseits aus den Verhältnissen hervor, dass Muskelelemente, sobald sie frühzeitig einmal Skeletbefestigungen ge- wonnen haben, nicht mehr in dem Sinne sich verschieben können, dass sie zwischen Elemente, die von anderen Myomeren herstammen, gelangen. Die myomere Aufeinanderfolge bleibt am Ursprunge der Muskelindividuen erhalten. Mit der Differenzirung der letzteren scheint weder embryonal noch postembryonal eine wesentliche Ver- schiebung der Anheftungsstellen am Skelette verbunden zu sein. Die phylogenetischen Veränderungen in der Muskulatur würden dem entsprechend, so weit sie die Anheftungen an das Skelet betreffen, jeweilig in frühen ontogenetischen Perioden zum Ausdrucke kommen müssen. Ist aber dann einmal die segmentale Muskelanheftung am Skelette erfolgt, so tritt ein starker Konservativismus im Erhalten- bleiben dieses primitiven Verbandes zu Tage. Die Aufeinanderfolge der Myomeren am Becken bleibt dieselbe wie die, welche wir in frühesten Entwicklungszeiten der Seitenrumpfmuskulatur annehmen müssen. Die für Anheftung der einzelnen Myomere bestimmten, gürtel- förmigen Abschnitte der Beckenflächen, wie sie die Fig. 2 uns vor- führt, müssen sich stets in der Höhe derjenigen Myomere angelegt haben, welchen sie eben Ursprungsflächen dargeboten haben. Wenig- stens lässt sich nur auf diese Weise die Kongruenz der natürlichen Aufeinanderfolge der Myomere mit derjenigen der segmentalen Ur- sprungsflächen für letztere verstehen. Die enge Korrelation, welche zwischen Muskel- und Skeletsystem stets bestanden hat, macht die Annahme sehr verständlich, dass sofort mit der Entwicklung und Dif- ferenzirung der Muskulatur auch das Skelet seine örtliche Anlage em- pfängt, um den benachbarten Myomeren zum Ansatze zu dienen. Die Abschnitte des Skelets werden dabei ihr Bildungsmaterial wahrschein- lich aus gleichen Körpersegmenten entnehmen wie die Myomere, die mit ihnen in Korrelationen treten. Ich bin der Meinung, dass ein Myomer stets an dem Sclerotomtheile, das zum gleichen Körpersegmente gehört, sich festhefte, dass die aus einem Urwirbel hervorgehenden Stütz- und Muskelgewebe im engeren Verbande verbleiben. Dies besagt, dass der metamere Zusammenhang, welcher zwischen Muskel- 178 952 Louis Bolk und Nervengewebe anzunehmen ist, auch zwischen Muskel- und Stiitz- gewebe der Extremität bestehe. Die Anheftungsflächen von Myomeren am Sclerotom desselben Segmentes sollen fernerhin als Sclerozonen bezeichnet werden. In gleicher Weise, wie wir aus der Innervation den metameren Ursprung der Muskeln bestimmen, können wir die segmentale Herkunft der Skeletabschnitte aus den Ursprungsflächen der Produkte ganzer Myomere angeben. Letztere können allerdings nur aus den Nerven bestimmt werden. Die Regelmäßigkeit der Sclerozonen ist unter dem Einflusse der Beckenveränderung allmäh- lich beeinträchtigt worden. Da, wo das Becken sich stark entwickelt hat, sind die Sclerozonen entsprechend ausgedehnt, und umgekehrt. Man kann daher auch aus der Art der Ausdehnung oder der Ein- schränkung von einzelnen Sclerozonen ablesen, nach welchen Rich- tungen das Becken in der segmentirten Seitenrumpfmuskulatur sich entfaltet hat. So können uns die Sclerozonen, allerdings nur in groben Zügen, Aufschluss über die Skeletentwicklung geben. So ist z. B. die starke Breitenentwicklung des Ileum von der Zunahme des 16.—18. thoraco-lumbo-sacralen Myomers abhängig. Die unmittelbare Abhängigkeit des Skelets von der Muskulatur im genannten speciellen Sinne äußert sich in schöner Weise in der Glutäalmuskulatur, mit deren Entfaltung bei Anthropoiden und beim Menschen die Vergrößerung des Os ilei Hand in Hand geht. Aber, wie die Fig. 2 zeigt, entwickeln sich nicht alle Theile des Darm- beines gleichmäßig; vielmehr ist ein lokalisirter Entwicklungsherd erkennbar, welcher die Sclerozonen umfasst, deren zugehörige Myo- meren Material für die Musculi glutaei geliefert haben. Das 16., 17., 18. Segment nehmen daran den bedeutendsten Antheil. Da auch hier die Korrelation zwischen Skelet und Muskulatur eine sehr innige ist, so entnehmen wir aus den einmal festgestellten Grenzlinien der Myome- ren am Becken die Berechtigung dazu, Rückschlüsse auf eine frühere ontogenetische Form des Beckens zu ziehen, als die Myomeren eine noch indifferente Anordnung besessen haben. Hiervon handelt der folgende Abschnitt. Was den Zusammenhang zwischen der Verschiebung des Beckens längs der Wirbelsäule und der in den individuellen Variationen zu Tage tretenden, scheinbaren Muskelverschiebung über das Becken angeht, so pflegte man bisher denselben zu leugnen. Die Annahme, dass beide einen selbständigen Weg gehen, stützt sich auf die Wahr- nehmung der Inkongruenz des Beckenstandes und der Lage des Plexus lumbo-sacralis. Bei gleichem Beckenstande konnte das Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremitiiten. 253 Nervengeflecht einen Hoch- oder Tiefstand aufweisen. Diese bei Cercopithecus hervortretende Inkongruenz erkannte ich in einer früheren Untersuchung. Dort nahm ich aber auch bedeutsame Punkte von Übereinstimmung zwischen Hochstand von Becken und Muskulatur wahr. Eine Inkongruenz nun scheint nur dann vorzuliegen, sobald man den Beckenstand allein nach der Ausbildung des ersten Sacralwirbels bestimmt. Zieht man indessen die Ausbildungsart der Superficies auricularis oder des letzten Lendenwirbels in Betracht, so stellt sich die Frage anders. EisLer! ist, wie ich sehe, der Erste, welcher für eine Kongruenz des Hochstandes von Becken und der Muskulatur eintritt. Ich bin auf Grund meiner Beobachtungen von der Richtig- keit von EısLer’s Annahme überzeugt. Aus der lumbo-saeralen Grenze an der Wirbelsäule allein ver- mag man nicht die Höhe zu bestimmen, in welcher das Becken seine Anlage genommen hat. Wohl sind die jeweilige sacrale As- similation eines letzten Lendenwirbels eben so wie die metamere umwandelnde Verschiebung der Beckenanlage Symptome eines ein- heitlichen Processes, und zwar der Verschiebung des Beckengürtels längs der Wirbelsäule in proximaler Richtung. Beide Symptome äußern sich aber in einer ganz selbständigen Weise. Sicherer und feiner als an der lumbo-sacralen Wirbelgrenze äußert sich der Ver- schmelzungsprocess an der Superficies auricularis des Sacrum; denn diese Gelenkfläche entwickelt sich da, wo das sich anlegende Ileum mit dem Sacrum in Berührung tritt. E. ROSENBERG? wies bereits auf die Bedeutung des Höhestandes der Lumbosacralgrenze und derjenigen der Superficies auricularis hin; er betonte, dass man an letzterer oft sehr genau den Grad der Verschiebung des Extremitätengürtels ablesen könnte, selbst wenn andere diesbezügliche Symptome proximal am Skelet vermisst würden. PATERSON wies ebenfalls auf die verschie- dene Lage der Facies auricularis des menschlichen Sacrum hin. Die Gelenkflächen für das Darmbein können an zwei sonst gleich gebildeten Ossa sacralia eine verschieden hohe Stellung haben. Daraus folgt aber, dass die Beckenlage im Vergleiche zur Lumbosacralgrenze der Wirbelsäule eine verschieden hohe sein kann; denn die Facies aurieularis giebt uns den Höhestand des Beckens an. Ich bin nun 1 Der Plexus lumbo-sacralis des Menschen. pag. 57 und 60. 2 Morphologisches Jahrbuch. Bd. I. 1876. pag. 119. 3 The human sacrum. Proc. Roy. Soc. London. Vol. LL No. 313. 254 Louis Bolk der Meinung, dass die Höhenlage des Plexus lumbo-sacralis stets mit derjenigen der Superfieies auricularis übereinstimme, nicht aber mit der lumbo-sacralen Grenze zusammenfallen müsse. Zwei That- sachen sprechen für die gleichzeitige Verschiebung, für die in proxi- maler Richtung vor sich gehende Umformung von Muskulatur und Skelet. Die eine ist die, dass die Facies aurieularis wirklich einer allmählichen proximalen Verschiebung, und zwar einer ganz allmäh- lichen, aber nicht einer metameren oder rhythmischen, unterworfen ist (ROSENBERG). Diese Erscheinung ist mit der anderen im Ein- klange, dass, wie Eıster und ich mit ihm annehmen, die Glied- maßenmuskulatur in ihrer Gesammtheit gleichfalls einer ganz all- mählichen und nicht rhythmisch-metameren Verschiebung unterbreitet ist. Wichtige Erscheinungen machen sich also in ganz übereinstim- mender Weise an Skelet und Muskulatur geltend. Es liegt ein Parallelismus von Vorgängen an diesen zwei Organsymptomen vor, welcher durchaus verständlich wird, wenn wir erwägen, dass stets, selbst in früher Ontogenie, Muskel- und Skeletsystem in ihrer Ausbildung Hand in Hand gehen, auf einander aufs engste an- gewiesen sind. mr Die Folgerungen aus diesen Anschauungen sind von Bedeutung, da wir annehmen miissen, dass derjenige Theil des Os pubis, z. B. welcher dem Musculus pectineus zum Ursprunge gedient hat, aus dem gleichen Körpersegmente stamme wie der Muskel. So würde der Skeletabschnitt eben so wie der Pectineus aus dem 14. oder 15. thoraco-lumbalen Segmente herstammen können. Für andere Theile ist Ähnliches anzunehmen, so dass die metamere Umbildung der Muskulatur allenthalben gleichen Schritt mit derjenigen des Skelets geht. Überall da, wo es sich bei der Muskulatur wegen metamerer Umformung um eine imitatorische Homodynamie oder Parhomologie (M. Fiirprincer’s') handelt, wird eine solche auch beim Skelet an- genommen werden müssen. Sollte es sich als zweckmäßig erweisen, den Begriff der imitatorischen Homodynamie speciell auf die Musku- latur, den der Parhomologie aber auf das Skelet anzuwenden, so ließe es sich so ausdrücken, dass während des ganzen Verschiebungs- processes der Extremität längs der Wirbelsäule imitatorisch homo- dyname Muskeln stets an entsprechenden parhomologen Skelet- abschnitten sich anheften. 1 Zur Lehre von den Umbildungen des Nervenplexus. Morphol. Jahrbuch. Bd. V. Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremitäten. 255 Im folgenden Abschnitte hoffe ich die in diesem Theile mit- getheilten Befunde weiterhin unter allgemeine Gesichtspunkte zu bringen. Durch letztere werden wir auch die Handbabe empfangen, die Entwicklung des Beckengürtels näher kennen zu lernen. Auch über einige Entwicklungsverhältnisse des Femur, Schultergürtels und des Humerus habe ich näheren Aufschluss erhalten, da ich in glei- cher Weise für diese Skelettheile die Grenzen der sich an ihnen festheftenden Myomerenprodukte habe feststellen können, die sich eben so einfach und typisch wie am Beckengürtel verhalten, und zwar ganz unabhängig davon, ob es sich um Ursprünge oder um Insertionen von Muskeln handelt. Die Annahme nun, dass stets die Theile des Skelets aus den- jenigen Körpersegmenten sich herleiten, welche die an sie sich an- heftende Muskulatur haben entstehen lassen, soll im Folgenden Gegenstand eingehender Besprechung sein. Der Beckengürtel ist, wie die Fig. 2 zeigt, in der Regel mit dem 12. bis zum 19. thoraco-lumbo-sacralen Myomere in innigster Wechselbeziehung. Da das 12. Myomer seine Sclerozone am ven- tralen, das 19. aber am dorsalen Beckenabschnitt besitzt, so muss der Ventralabschnitt des Beckens in den meist cranialwiirts gelegenen Körpersegmenten, der Dorsaltheil in den meist caudal gelegenen Segmenten seine Entwicklung genommen haben. Ich wüsste nicht einen einzigen Faktor gegen die Richtigkeit dieser Folgerung an- zugeben. Die ursprüngliche embryonale, cranio-caudale Längsachse des Beckens hat im Vergleich mit der beim Erwachsenen eine erhebliche Änderung erfahren. Sie hat sich derartig gedreht, dass der proxi- male Abschnitt ventral, der distale (caudale) dorsal zu liegen kam. Wir erhalten aus der Fig. 2 Anhaltepunkte nicht allein für die seg- mentale Entwicklung, sondern auch für die ursprüngliche Lage des Beckengürtels im embryonalen Körper. Für die Konstruktion der ursprünglichen Lage und Form dienen uns die gewonnenen segmen- talen Grenzlinien der Fig. 2. Denken wir uns in früher Ontogenie die Myomerengrenzen noch in einer gewissen regelmäßigen Auf- einanderfolge, wie auf Fig. 3, wo auch die Krümmung des Embryonal- körpers angedeutet ist, so können wir in diese ursprünglichen Myo- merengrenzen die zwischen die letzteren fallenden Skeletabschnitte und schließlich die Beckenkontouren eintragen. Die so sich er- gebende Beckenform giebt uns die umstehende Figur wieder. Im 256 Louis Bolk Vergleich zwischen Fig. 2 und 3 sind die gegenseitigen Lage- beziehungen von allen Skelettheilen zu Myomerengrenzen die gleichen. Der Abstand der Grenzen von einander ist auf der Fig. 3 ein noch regelmäßiger, wie wir ihn in frühesten Zeiten vermuthen müssen, ist auf Fig. 2 unregelmäßig, wie die stattgehabten Umwandlungen am Becken des Erwachsenen ibn vorführen. Auch die Grenzlinien zwischen Pubis, Ischium und Ileum sowie die Lage des Acetabulum und des Foramen obturatum sind auf Fig. 3 übertragen. Die schematische Fig. 3 Fig. 3. führt uns die ungefähre Form des Beckens nach dessen seg- mentaler Anlage vor Augen. Es ist nun von vorn herein zuzugeben, dass die kon- struirte Form nicht genau übereinstimmen müsse mit den durch embryonale That- sachen einstmals vielleicht bestimmbaren Formverhält- nissen. Dass sie aber letz- terer oder einer phylogene- tisch vorhergehenden Form annähernd gleich kommen müsse, scheint mir zweifellos zu sein. Wir finden jeden- falls in der konstruirten Figur eine Summe von typischen _ ontogenetischen Formzustän- Rekonstruirte Form des menschlichen Beckengirtels im Fötalzustande, wie dieselbe sich durch Eintragen aller den, und es wird sich nun Hise tes Scere en fragam, welche typiachen Moe sacralen Myomere 12—19 ergiebt. male fiir die primitive Becken- form seien hier zu verzeichnen. Zunächst fällt der starke Einschnitt auf, welcher am proximalen Rande einen ventralen und einen dorsalen Vorsprung von einander scheidet. Am distalen Beekenrande findet sich eine ähnliche, aber nicht so tief in eranialer Richtung einschneidende Ineisur vor. Der ventrale Vorsprung am proximalen Rande liegt im 12., der dorsale Vorsprung liegt im 13. Segmente. Der ventrale Beckenvorsprung am Caudalrande fällt eben so wie der dorsale Vorsprung in das 19. thoraco-lumbo-sacrale Körpersegment. Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremitiiten. 257 Fernerhin ist hervorzuheben, dass der ventrale Beckenrand, ge- bildet durch Pubis und Ischium, derartig parallel der Medianlinie verläuft, dass eine Verbindung in ganzer Ausdehnung mit dem ven- tralen Rande der anderen Hälfte angenommen werden kann. Die proximale Lage vom Acetabulum in Hinsicht auf die Lage der Artieulatio sacro-iliaca ist eine sehr auffallende und muss als eine typische bezeichnet werden. Eine eigenthümliche Form des Darmbeines hebt sich deutlichst hervor. Die Längsachse desselben verläuft in eranio-caudaler Rich- tung. Das Schambein springt ventral weit in proximaler Richtung vor. Vergleicht man die rekonstruirte embryonale Beckenform mit dem Becken von Reptilien, speciell mit demjenigen der Crocodilinen, so ergiebt sich eine frappante Übereinstimmung in Bau und Lage bei beiden. Bei beiden Beckenformen findet man die proximale und distale (eraniale und caudale) Incisur, die eigenartige Form von Darmbein und Ossa pubis, den langgestreckten ventralen Beckenrand sowie die proximale Lage des Acetabulum, vor der Artieulatio sacro- iliaca. Auffallender noch ist die große Übereinstimmung unserer embryonalen Form mit dem Becken einiger Dinosaurier (OWEN), ins- besondere demjenigen der Orthopoden (Marsu). Man überzeuge sich hiervon durch die Betrachtung der Abbildung des Beckens von Tri- ceratops flobellatus (Marsa) und des Ilium von Stegosaurus stenops (MarsH) in Zırrer’s Handbuch der Palaeozoologie (III. Bd. pag. 747 und 750). Die Kongruenz der genannten Beckenformen in jenen Punkten kann zur Annahme verführerisch hinleiten, dass auch ein phyletischer Zusammenhang irgendwie bestehe. Von der ursprünglich rein dorsalen Lagerung des Ilium hat sich beim Erwachsenen die Verbindung mit der Wirbelsäule erhalten. Das dorsale Darmbein bleibt also zwischen den ventralen Ossa pubis et ischii und Achsenskelet eingeschaltet. Die Grenze zwischen dem dorsalen Abschnitte und den zwei Ventralstiicken des Beckengiirtels verläuft in der embryonalen Form ungefähr parallel den Medianlinien, d. i. in proximo-distaler Richtung. Diese Grenze schneidet zugleich die acetabulare Gelenkfläche für die freie Extremität. Wenn das Ileum in den Dorsaltheilen der Segmente sich ent- wickelt, so werden voraussichtlich auch dorsale Abschnitte der zu den Segmenten gehörigen Myomeren sich anheften müssen. Am Pubis und Ischium aber werden sich die ventralen Myomerentheile angeheftet haben müssen. Dass dies nun wirklich zutrifft, wird durch 258 Louis Bolk die Untersuchungen von PATERSON!, welchem Autor sich später andere Forscher angeschlossen haben, gestützt. Die am Ileum sich anheften- den Muskeln beziehen ihre Nerven aus dem Dorsaltheile des Plexus lumbo-sacralis, die am Ischio-Pubicum befestigten Muskeln aber aus den ventral gelegenen Nerven des Plexus. Alle diese Thatsachen stimmen völlig mit dem überein, was wir dem rekonstruirten Schema des embryonalen Beckens entnehmen. Die Parietalfläche des Ileum dient zur Anheftung der Musculi glutaei, des Musculus tensor fasciae latae, des Sartorius, Rectus femoris, sowie der Obliqui und des Transversus abdominis. Die Nerven fiir die Glutaei und den Tensor fasciae latae sind zweifellos dorsal gelegene Gebilde des Plexus lumbo-sacralis. Man vergleiche hierüber besonders EISLER, PATERSON, mit deren Resultaten sich die meinigen decken. Der Sartorius und Rectus femoris empfangen Aste aus dem Nervus femoralis, dem dorsalen Nervenstamme des Plexus lumbalis. Ich halte es nun auch fiir wahrscheinlich, dass die dorsalen Derivate der Bauchmuskeln an der Crista ilei, die ven- tralen am Lig. inguinale sich festheften. Der an der Visceralfläche des Ileum festsitzende Musculus iliacus empfängt ebenfalls aus dem dorsalen Nervus femoralis oder aus dessen Wurzeln feine Äste. Die an der Außenfläche von Os pubis und Os ischii sich anheftenden Muskeln (Rectus abdominis, Adductores, Flexores, Qua- dratus femoris, Gemelli) werden durch ventrale Endstämme des Plexus lumbo-sacralis, durch den Nervus obturatorius und Nervus tibialis innervirt. Dass der Quadratus femoris und die Gemelli eben- falls ventrale Nerven beziehen, haben EısLEer und ich zeigen können. Der Reetus abdominis ist zweifellos ein Produkt vom Ventraltheile der Myomeren. Der am Os pubis festgeheftete Pectineus empfängt solche Nervenfasern des Nervus femoralis, welche, wie EISLER (O. e. pag. 26) nachgewiesen hat, ventralen Ursprunges sind. Ich habe ganz Gleiches feststellen können. Der Widerspruch der In- nervation des ventralen Musculus pectineus durch den hauptsächlich dorsalen Nervus femoralis ist dem zufolge nur ein scheinbarer. Der an der Visceralfläche von Os pubis und Os ischii sich fest- heftende Museulus obturator internus empfängt wie der Quadratus femoris und die Gemelli Äste aus ventralen Nervensträngen des Plexus sacralis. Aus diesen Angaben ist zu ersehen, wie die groben anatomi- schen bekannten Verhältnisse auf die von mir konstruirte hypo- 1 The limb. plexus of mammals. Journal of Anat. and Phys. Vol. XXI. Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremitäten. 259 thetische Beckenform sich direkt derartig übertragen lassen, dass Muskelursprünge, Muskelinnervationen sich völlig mit der Lage an dem konstruirten primitiven, fötalen Becken decken. Es wird eben wahrscheinlicher, dass das Ileum dorsal, Pubis und Ischium sich ventral anlegen, dass dabei ein inniger Verband zwischen Skelet und Muskulatur bereits in den frühesten Zeiten bestehen. Dem ent- sprechend dürften diejenigen Muskeln, welche durch dorsale Stämme des Plexus lumbo-sacralis innervirt werden, ihre Anheftung auch nur an dorsal sich entwickelnden Skeletstücken finden; während ventral innervirte Muskeln den Zusammenhang mit Skelettheilen zeigen, welche im ventralen Abschnitte von Körpersegmenten sich angelegt haben. Es ist dies nichts Eigenthümliches, da ein jedes Selerozon einen dorsalen und einen ventralen Abschnitt für dorsale und ventrale Myomerenprodukte besitzt. Die Innervation ermöglicht die Unter- scheidung von dorsalen und ventralen Muskeln. Übertragen wir die gewonnenen Vorstellungen auch auf das Skelet der freien Gliedmaße, so ergiebt sich, dass die ganzen Skelettheile aus dorsalen Segmentabschnitten Entwicklung genommen haben, welche für die dem Nervus femoralis, den Nervi glutaei und dem Nervus peroneus zugehörige Muskulatur (excl. dem Muscu- lus pectineus) Anheftungsplätze darbieten. Aber auch die Anheftungs- stellen für den Musculus piriformis und den Musculus ileo-psoas gehören dorsalen Skeletgebieten zu. Aus den ventralen Somiten- abschnitten entwickelten sich die Skelettheile, welche für die durch den Nervus obturatorius (inkl. den Pectineus) und Nervus tibialis ver- sorgten Muskeln dienen. Hierzu gehören außerdem die Insertions- stellen des Obturator internus und Quadratus femoris. Aus dem Dorsaltheile von Selerozonen müssen dem Vorhergehen- den gemäß die gesammte Ventralfläche und je ein Theil der Median- und Lateralfliiche des Femur und außerdem die ganze Ventralfläche von Tibia und Fibula, die Dorsalfläche des Fußes, sowie die für den Tibialis anterior und Peroneus longus bestimmten Strecken der Planta pedis sich entwickelt haben. Die Dorsalflächen des Femur, der Tibia und Fibula, die Planta pedis geben uns diejenigen Skelettheile an, welche aus ventralen Selerozonenabschnitten entstanden sind. Denken wir uns die Extremität in die primitive Lagerung zurückgebracht, in welcher die Großzehe proximal-, die Kleinzehe distalwärts gerichtet ist, so liegen thatsächlich diejenigen Flächen ventral, resp. dorsal, welche wir auf Grund der Muskelinsertionen aus Ventral-, resp. aus Dorsaltheilen von Selerozonen entwickelt ansehen müssen. Es decken BGO. Louis Bolk sich also auch hier die hypothetischen Vorstellungen mit gewichtigen Thatsachen. Aus der konstruirten ursprünglichen Form und Lage des Beckens (vgl. Fig. 3) lässt sieh die typische Anordnung der aus dem Plexus lumbo-sacralis entstehenden Stämme leicht ableiten und ver- ständlicher machen; denn es hat, abgesehen, dass das Nervengeflecht durch die Differenzirung der Muskulatur zu Stande gekommen ist, auch die Beckenentwicklung auf die Form des Geflechtes, sowie auf den Verlauf der Nervenstämme großen Einfluss ausgeübt. Zunächst soll der Einfluss der ursprünglichen Beckenform auf den Verlauf der Nervenstämme besprochen werden. Wir unterscheiden die letzteren nach M. FÜRBRINGER als pro-, dia- und metazonale Stämme. Die metazonalen Nervenstämme sind der Nervus ischiadieus, die Nervi glutaei, Nervus quadratus femoris und der Nervus obturatorius internus. Der Nervus obturatorius ist der diazonale, der Nervus femoralis der prozonale Stamm. Den Nervus eutaneus femoris ex- ternus können wir als Hautnerven bei Seite lassen. Das Material für die metazonalen Nervi glutaei, aus welchen die Musculi glutaei und der Tensor fasciae latae ent- stehen, liegt ursprünglich im Dorsaltheile der 16. bis 18. thoraco-lumbo-sacralen Myomere. Die ursprüng- liche Anheftungsfläche am Becken ist auf der Fig. 4 angegeben; sie stimmen in Bezug auf die segmentale Lage mit den auf Fig. 2 angegebenen Ursprungs- zonen überein. Die Ner- ven entnehmen vom 16. thoraco -lumbalen Spinal- nerven allein den distalen Abschnitt. Damit _ die Nervi glutaei auf dem kürzesten Wege zum End- gebiete gelangen, betreten sie, nachdem sie das distale Ende der visceralen (abdominalen) Beckenfläche bestrichen haben, die distale Fig. 4. Anordnung der metazonalen, dorsalen Nerven für die Mus- culi -glutaei. Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremitiiten. 261 Incisur des Ileum, die spiitere Incisura ischiadica major. Die cau- dale Ausdehnung des Ileum zwingt die Nerven eine caudale Rich- tung einzuschlagen. Die Nerven legen sich aber an den am weitesten proximal vorspringenden Caudalrand, eben die Ineisura ischiadiea major, an. Der Nervus glutaeus superior eilt dann mit radiär ver- streuten Ästen zu den parietal befindlichen Muskeln, welche dem 16.—18. Myomere entstammen. Der Nervus glutaeus inferior, dessen Endgebiet (Glutaeus maximus) aus einem mehr distalen Myomeren- niveau herstammt, bestreicht den Caudalrand des Ileum auch an einem mehr distal gelegenen Punkte, und ist durch den Musculus piriformis vom Nervus glutaeus superior getrennt. Die Anlage des Piriformis ist als Ursache des Getrenntbleibens der beiden Nervi glutaei zu betrachten, deren Endgebiete sich ursprünglich gemeinsam in der Höhe des distalen Abschnittes des Ileum befunden haben. Mit der Ausbildung des Ileum in caudaler Richtung stellte sich der gekrümmte Verlauf des Nervus glutaeus superior ein. Die Endgebiete des metazonalen Nervus ischiadicus entstan- den aus dem Distaltheile des 16. und aus dem 17.—19. thoraco- lumbo-sacralen Myomere. Diese müssen alle parietal in der Höhe der ganzen Caudalhälfte des Beckens gelegen gewesen sein. Der Nerv musste, um auf möglichst kurzem Wege das Endgebiet zu errei- chen, eben so wie die Nervi glutaei, die di- stale Beckenineisur be- treten. Die auf die Fle- xores sich beziehenden Verhältnisse sind auf Fig. 5 schematisch dar- gestellt. Die direkte An- heftungsfläche der Fle- = ” ele x N ae fü xoren sowie der ebenfalls Anordnung der metazonal Fereendes ventralen Nerven für die Mm, flexores. vom Ischiadicus innervir- ten Portio ischiadica des Adductor magnus am Becken stehen unter der Herrschaft des N. tibialis. Die motorischen Tibialis-Endgebiete lagern in der Höhe der Caudalhälfte des sich entwickelnden Beckens 262 Louis Bolk und stammen aus dem Ventraltheile der betreffenden Myomeren ab. Während der Nervus glutaeus superior sowie der Nervus tibialis die Lage in der Incisura ischiadica major theilen, so nimmt ersterer eine dorsale, letzterer aber eine ventrale Lage ein. Letztere Lage zeichnet den Nervus tibialis in frontaler Lagerung noch aus. Der Nerv liegt auf der Fig. 5 ventral vom Musculus piriformis; der Nervus glutaeus superior befindet sich indessen auf Fig. 4 dorsal vom Piriformis. Dieses ist für den Verlauf der genannten Nerven von unzweifelhafter Bedeu- tung. Der Muskel verband sich mit den primitiven Sacralwirbeln, verlief durch die distale Beckenineisur zum sich hier anlegenden Femur und theilte die Ineisur in ein dorsales und ein ventrales Fach. Eine andere bedeutsame Thatsache steht hiermit in Beziehung. Sie äußert sich in der Lage des Nervus peroneus, welcher sein End- gebiet eben so wie der Nervus glutaeus superior im Dorsaltheile des 16.—18. Myomers besitzt. Der Peroneus liegt wie der Nervus glu- taeus superior zuweilen dorsal vom Museulus piriformis und erreicht dann ohne Frage auf dem kürzesten Wege sein Endgebiet. Oftmals durchsetzt der Nervus peroneus den Piriformis. In diesem Zustande hat er seine primitive Lage aufgegeben. In einem noch differen- teren Verhalten, das zu einem normalen geworden ist, hat der dor- sale Nervus peroneus den ursprünglichen Ventralrand des Museulns piriformis erreicht und verlässt dann gemeinsam mit dem Nervus tibialis die Ineisur des Erwachsenen am unteren Piriformisrande. Für die Ausbildung dieses Zustandes müssen bestimmte Differenzirungen im Muskelgebiete maßgebend gewesen sein. Das Endgebiet der metazonalen Nervi obturatorii interni, gemelli s. et i. et quadrati femoris hat sein ursprüngliches Niveau in der Höhe des distalen Ventralabschnittes des Beckens besessen, das des Museu- lus obturatorius internus an der Visceralfläche, das der Museuli ge- melli und des Musculus quadratus femoris an der Parietalfläche. Dass der Musculus quadratus femoris einen besonderen Nerven, aber keinen Ast aus dem Nervus tibialis empfängt, trotzdem dieser die- selben Segmentstücke besitzt, hat sicherlich eigenartige ursächliche Momente, die vielleicht mit der Ausbildung des Obturator internus zusammenhängen. Aus dem Mitgetheilten geht hervor, dass die metazonalen Nerven diejenigen Muskeln versorgen, welche ursprünglich im Niveau der Höhe der Caudalhälfte des Fétalbeckens sich angelegt haben, dass für alle Nerven der kürzeste Weg durch die distale Beckenineisur Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremitäten. 263 vorgezeichnet ist, dass dieser Weg von der Entwicklung des Beckens abhängt. Der prozonale Nervus femoralis steht mit denjenigen Muskeln im Verbande, welche aus dem 14.—16. Myomere sich angelegt haben. Sehen wir von dem Ramus pectineus ab, so verräth sich der Nervus femoralis durch die Lage seiner Wurzeln als ein dorsales Gebilde. Demgemäß müssen auch die durch den Nervus femoralis innervirten Musculi extensores im Dorsalabschnitte genannter Myomere sich an- gelegt haben. Die Fig. 6 führt uns in schematischer Weise die dorsalen Anheftungs- flächen des Sartorius und Reetus femoris und die Segmenthöhe der Musculi vasti vor. Der Nery musste, um auf dem kürzesten Wege sein Endgebiet ‚zu er- reichen, den proximalen Rand des Ieum an dessen proximaler In- eisur bestreichen. Der fötale proximale Ileum- ausschnitt wird post- embryonal durch die Spina iliaca anterior su- perior und die Symphyse begrenzt, abgeschlossen aber durch das Ligam. inguinale. Diese Inci- sura nimmt auch die großen Gefäße beim Menschen auf. Der Nerv selbst folgt dem als Lacuna musculorum bezeichneten mehr dorsalen Abschnitte der proximalen Fötalineisur. Die dorsale Lagerung der Nerven hat sich also auch noch im postembryonalen Zustande erhalten. Die fütale Form der proximalen Ineisur muss mehr vertieft gewesen sein als die postembryonale es ist. Zwischen dem Ileo-psoas und dem Piriformis besteht in so fern eine Übereinstimmung, als beide die Beckeneinschnitte durchlaufen, der Ileo-psoas in proximo-distaler die proximale Ineisur, der Piri- formis in disto-proximaler Richtung die distale Beckenineisur. Der Fig. 6. Anordnung des prozonalen, dorsalen Nerv. femoralis. Zoo ° Louis Bolk Ileo-psoas gelangt zum fötal mehr proximal gelegenen Trochanter minor, der Piriformis zum ursprünglich mehr distal angelegten Trochanter major. Die Frage, warum der zu dorsal angelegten Muskeln ziehende Nervus femoralis auch den ventralen Musculus pectineus beherrscht, vermag ich nicht zu entscheiden. Es wird eben die Frage beant- wortet werden müssen, warum der Musculus pectineus sich dem Stamme des ihm fremden Nervus femoralis angeschlossen habe. Der ganzen Anlage nach sollte der Musculus peetineus durch den Nervus obturatorius innervirt sein. Dies ist indessen eine Ausnahme. Es wird in Folge dessen eine bestimmte Ursache für die Ausbildung jener Verhältnisse bestanden haben. Vielleicht haben die Momente, welche zur Ausbildung des Foramen obturatum Veranlassung gewesen sind, einen Zusammenhang mit dieser Erscheinung. Der häufige Verlauf des Nervus pectineus unter den großen Gefäßen giebt viel- leicht einen Anhaltepunkt für eine Erklärung, eben so wie die That- sache, dass der Nerv sehr oft einen selbständigen Verlauf besitzt und keinerlei Verbindungen mit dem Nervus femoralis eingeht oder demselben nur sehr wenig fest verbunden ist. Durch die Thatsache, dass die durch den Femoralis innervirten Muskeln in der Höhe der Proximalhälfte des Ileum sich angelegt haben, erklärt sich die prozonale Lage des Nerven. Derselbe lagerte sich in die proximale Darmbeinineisur ein, um auf dem kürzesten Wege sein Endgebiet zu erreichen. Für Lage und Verlauf des diazonalen Nervus obturatorius wird in gleicher Weise, wie die meta- und prozonalen Stämme, die ur- spriinglich fötale Beckenform von: Einfluss gewesen sein. Der dia- zonale Verlauf des Obturatorius hängt direkt mit der Ausbildung des Foramen obturatum zusammen. Uber die Entwicklung des letzteren bei Mammaliern fehlen jedoch nähere Angaben. Die Daten über die Genese bei Amphibien, Reptilien und Vögeln (GEGENBAUR, HoFF- MANN, Ducks, HUXxLEY, FÜRBRINGER, BUNGE) lassen auf nichts Be- stimmtes über die Entwicklung des Nervus obturatorius schließen. Es unterliegt aber wohl keinem Zweifel, dass der Nerv mit dem für ihn bestimmten Kanal im Becken in engster genetischer Beziehung stehe, dass der Nervenverlauf fernerhin von der ursprünglichsten Anlage der durch ihn beherrschten Muskulatur abhänge. Letztere liegen, wie die Fig. 7 angiebt, in dem ventralen Niveau des 14. bis 16. thoraco-lumbalen Myomers. Dieses Niveau fällt genau mit dem Foramen obturatum und dessen Umgebung zusammen. Das Nähere Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremitäten. 265 über die genannten Wechselbeziehungen zwischen der Lage des Nerven und dessen Endgebiete wird durch die Ontogenie und Phylo- genie zu erbringen sein. Die Nerven für jene Muskulatur müssen allmählich von den Ske- lettheilen, an welchen diese entspringen, um- schlossen worden sein. Die diazonale Lage des Nerv. obturatorius stimmt jedenfalls mit der Höhen- lage der Myomeren über- ein, aus denen die Ob- turatoriusmuskeln sich entwickelten. Mit der Ausbildung der Beckenform und der meta-, dia- und prozona- len Nervenstränge war die Anlage des Geflechtes für die hintere Extremität nothwendig eingeleitet; denn die proximalen Wurzeln der zur Musku- latur ziehenden Nerven gelangten in die Zwangslage, um den proximalen Beckenrand zu er- reichen, in proximaler Richtung zu konvergiren. Die distalen Wurzeln indessen waren gezwungen, in distaler Richtung zusammenzutreten. Die zur Gliedmaße ziehenden Nervenwurzeln trennten sich in eine pro- ximale (craniale s. orale) und in eine distale (caudale s. aborale) Gruppe. Das Nervengeflecht erfuhr auf diese Weise eine Theilung in einen proximalen und distalen Abschnitt, von denen der proximale die- jenigen Muskeln innervirte, welche an der proximalen Hälfte des Beckens, von denen der distale die Muskeln versorgte, welche an der distalen Hälfte des Beckens ihre ursprüngliche Anheftung fanden. Die umstehende Fig. 8 giebt in schematischer Weise etwa gleiche Vertheilung der beiden Muskelgruppen an; sie lässt zugleich er- kennen, dass die distalen Spinalnerven metazonal, die proximal aber prozonal seien. In dem meta- und pro-diazonalen Verlaufe der Nerven- stränge ist der Hauptgrund der Scheidung in einen Plexus lumbalis und Plexus sacralis zu sehen. Aus der Fig. S ist fernerhin direkt Morpholog. Jahrbuch. 21. 18 Fig. 7. Anordnung des diazonalen, ventral verlaufenden Nerv. obturatorius, 266 Louis Bolk zu entnehmen, dass ein Spinalnerv bestehe, welcher sowohl zum Plexus lumbalis als auch zum Plexus sacralis Beziehungen habe, sowohl eine metazonale als auch eine prozonale Wurzel besitze. Dieser Nerv gemischten Charakters ist beim Menschen normaler- weise der spinale 16. oe thor.-lumbale. Wir wollen diesem meta- und prozonalen Spi- nalnerv den Namen »N. furealis« (v. IHERING) beilegen. Er verdankt der Entwicklung des Beckens seine Ent- stehung, indem die- ges derart ein Myo- mer in einen proxi- malen und distalen Abschnitt getrennt hat, dass der be- treffende Spinalnerv in einen meta- und einen prozonalen Strang sich spaltete. Nicht die Existenz desN.furealisallein, sondern auch die Be- stimmung eines Spi- nalnerven zum N. furcalis werden durch das fötale Becken bestimmt. Die Grenze zwi- schen den dia-prozonalen Nervenendgebieten, die wir lumbale nennen wollen, und den metazonalen Nervenendgebieten, welche wir sacrale nennen wollen. verläuft derartig über das Becken, dass sie auch den zum N. furealis bestimmten Spinalnerven schneidet. Man ersieht aus Fig. 8, dass die pro- und metazonal verlaufenden Theile des N. furcalis auf dem kürzesten Wege das Endgebiet erreichen. Da der Nervus furcalis hier zu demjenigen Myomer gehört, welches getheilt, zu- gleich die Scheidung in eine proximale und distale Hälfte des fötalen Beckens bestimmt, so hängt in diesem Zustande die Lage des Nervus furcalis in keiner Weise von der Bildung des Sacrum ab, wofür Anordnung der ventralen und dorsalen pro-, dia- und metazonalen Nerven. Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremitäten. 267 v. IHERING' seiner Zeit eingetreten ist. Die Lage des Nervus fur- calis steht aber in der unmittelbarsten Abhängigkeit von der Anlage des Beckens und der früh angelegten Korrelationen der Muskulatur zu diesem. Die Stelle, an der das Becken sich anlegt, bestimmt die Ausbildung eines Spinalnerven zum Nervus furcalis, dessen Thei- lung in einen pro- und metazonalen Endstamm. Der Nervus furealis ist beim Menschen ein beständig vorkommen- des Gebilde; er wird aber nicht beständig durch den gleichen Spinal- nerv geformt. Die diesbezüglichen Schwankungen stehen unter dem Einflusse der örtlichen Beekenentwicklung und der hiermit zusammen- hängenden, verschiedenen Lage der Grenze zwischen der proximalen und distalen Hälfte des Beckens in Bezug auf dessen Muskelsegmente. Als Ausgangspunkt der verschiedenen Lage des Nervus furcalis darf wiederum der auf Fig. 8 dargestellte Zustand angenommen werden, in welchem der pro- und metazonale Ast des vom 16. thoraco-lumbalen Spinalnerv stammenden Nervus furcalis von gleicher Stärke sind. Verschiebt sich die Anlage des Beckens, mithin das Becken selbst in eranialer Richtung, so erleidet die Grenzzone zwischen der proximalen und distalen Hälfte der Beckenmuskulatur eine gleiche Verschiebung. Es erfährt dann die caudale, metazonale Wurzel des Nervus furealis eine Zunahme auf Kosten der eranialen, pro-diazo- nalen Wurzel. Hat indessen eine Beckenverschiebung in aboraler Richtung stattgefunden, so wird die Folge davon die Zunahme der pro-diazonalen Wurzel des Nervus furcalis sein müssen. Die fötale mehr caudal- oder eranialwärts stattfindende Anlage des Beckens bedingt also in erster Linie den Wechsel der korrelativen Stärke der Aste des Nervus furcalis. Sie übt weiterhin Einfluss auf die Wahl des zum Nervus furcalis sich entwickelnden Spinalnerven aus. Die bedeutungsvollen Untersuchungen P. EısLer’s? haben uns Auf- schluss über den Breitegrad der Verschiebungen des Nervus furcalis beim Menschen gegeben; sie zeigen in überzeugender Weise, dass die Verschiebungen des Nervus furcalis in engstem Zusammenhange mit den gleichzeitigen Verschiebungen in allen anderen Gebieten des Plexus erfolgen. Stimmt man mit der hier gegebenen Erklärung der Entstehung und dem Gesammtwesen des Nervus furcalis überein, vor Allem damit, dass der Platz, an dem das Becken sich anlegt, maßgebend für die Ausbildung eines bestimmten Spinalnerven zum Nervus furcalis sei, ! Das peripherische Nervensystem. 2 Der Plexus lumbo-sacralis des Menschen. Halle 1892. 18* 268 Louis Bolk so wird man wiederum zur Annahme gedrängt, dass Muskulatur und Skelet des Extremitätengürtels in voller Abhängigkeit sich entwickeln. Die segmentale Lage des Beckens und dessen Neigung zum Achsen- skelette, sowie die zugehörige Muskulatur bedingen, wie ich meine, das Wesen des Nervus furcalis. Es besteht eine enge Korrelation zwischen Anlage und Ausbildung von Skelet, Muskulatur und den Nerven. Diese gangbare Vorstellung ward auch hier nutzbringend für die Erklärung der Variationen im Gebiete des dreigetheilten Nerven. Für den Fall, dass die Demarkationslinie zwischen lumbalen und sacralen Muskeln mit der Grenze zwischen zwei Myomeren zusammen- falle, kann kein Spinalnerv bestehen, welcher sowohl eine pro- als auch eine metazonale Wurzel besitze. Der Plexus lumbalis wird vom Plexus sacralis völlig abgetrennt sein. Bei Hylobates syndacty- lus z. B. ist dieser Zustand wahrgenommen worden!.. Gleiches kam beim Menschen mit Sicherheit bisher nicht zur Beobachtung. EISLER bestreitet sogar die Möglichkeit des Fehlens eines Nervus furcalis beim Menschen, und ich stimme demselben auf Grund meiner Unter- suchungen bei. EISLER stützt sich darauf, dass der Nervus furealis bei seinen sehr zahlreichen bekannt gewordenen Variationen stets von einem Spinalnerven auf einen anderen sich überleite, in cranialer Riehtung sich fortleite, dass das Zwischenstadium in den Bildungen des Nervus furcalis aus je einem von zwei auf einander folgenden Spinalnerven uns in einem sogenannten gekreuzten, doppelten Furcalis entgegentrete, an welchem eben zwei auf einander folgende Spinal- nerven sich betheiligen. Zur Erklärung der Entstehung eines doppelten, gekreuzten Ner- vus furcalis gilt die Annahme, dass die Demarkationslinie von lum- balen und sacralen Muskeln. nicht inter-, vielmehr intra-segmental derart schräg verlaufe, dass sie zwei Myomeren schneide. Diese Grenzlinie liegt dann im dorsalen Gebiete so, dass die lumbalen Muskeln, d. s. die Extensoren des Oberschenkels, mehr caudalwärts als die ventralen Adduktoren sich ausdehnen. Die letzte Wurzel des Nervus femoralis z. B. kann aus dem 16., die des Nervus obtura- torius aber aus dem 15. thoraco-lumbalen Spinalnerven stammen. Bei allen individuellen Schwankungen findet man die Grenze der Exten- soren weiter caudalwärts als die der Adduktoren. Der ventrale Abschnitt der Demarkationslinie liegt beim Men- schen stets, wie ich erkannt habe, in Hinsicht auf die Intersegmen- 1G. Rue, Morphol. Jahrbuch. Bd. XX. Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremitäten. 269 talgrenze mehr eranialwärts als im dorsalen Abschnitte. Hieraus er- giebt sich aber mit Evidenz, dass ein Nervus furcalis beim Menschen stets bestehe, dass außerdem ein gekreuzter Nervus furcalis beim Über- gange der einen Form in eine andere, durch Übergreifen des Furcalis auf einen mehr oralen Spinalnerven bedingt, stets auftreten müsse. Die vielen Modifikationen eines menschlichen Nervus furcalis beim Übergreifen auf mehr orale Spinalnerven lassen sich mit unseren Anschauungen in Einklang bringen. Wir haben nur immer Rück- sicht darauf zu nehmen, dass die Demarkationslinie in dorso-ventraler Richtung schräg die Myomeren durchsetze, in der oben angegebenen Weise ventral mehr eranialwärts liege als dorsal. Das normale Verhalten tritt uns auf Fig. 9 entgegen. Die Demarkationslinie durchkreuzt das 16. thoraco-lumbale Myomer. In diesem findet man dorsalund ventral, so- Fig. 9 wohl pro- als meta- a b zonale Elemente. Die metazonalenElemente gingen ins Gebiet des Plexus sacralis iiber. Die dorsalen prozo- nalen Elemente ge- héren dem Gebiete des Nerv. femoralis, die ventralen prozo- nalen indessen dem- jenigen des Nervus obturatorius zu. Das Schema 96 führt UDS pie Demarkationslinie zwischen den lumbalen (pro-) und den sacralen vor Augen, wie die (metazonalen) Myomerenprodukten zieht schräg durch das 16. thoraco- bus Myomer. Diese Lage der Demarkationslinie bei a bedingt die Grundform des Plexus Grundform des Plexus lumbo-sacralis bei b, lumbo - sacralis sich verhalte. Dieser Zustand ist der meist beim Menschen verwirklichte. Der metazonale Stamm des 16. thoraco-lumbalen Spinalnerven führt dem Plexus sacralis ventrale und dorsale Elemente zu, der pro- zonale Stamm gehört mit ventraler Wurzel zum Obturatorius, mit dorsaler zum Femoralis. Ein weiter geführtes Verhalten, wird durch eine mehr proximale Anlage der Extremität ins Leben gerufen. Auf der erläuternden Fig. 10 liegt die Demarkationslinie im 16. und 15. thoraco-lumbalen dorsal vernlral 270 Louis Bolk Myomere; sie schneidet das Ligamentum intermusculare im Ventral- theile. Hieraus leiten wir ab, dass das 16. und 15. Myomer, sowohl pro- als auch metazonale Elemente haben hervorgehen lassen. Der Nervus furcalis tritt als doppeltes, überkreuztes Gebilde auf, da ja auch der 16., sowie der 15. Spinalnerv pro- und metazonale Wurzeln befasst. Der Charakter der ventro-dorsalen Äste beider Spinalgerven ist ein verschiedener. Alle dorsalen Elemente des 15. Spinalnerven sind prozonal und gehören dem Nervus femoralis zu; die ventralen sind hauptsächlich prozonaler, geringen Theiles aber auch metazonaler Natur und gehören als erstere dem Nervus obturatorius und als letztere dem Nervus tibialis, resp. dem Nervus obturatorius internus oder dem Aste für den Musculus quadratus femoris zu. — Die dor- salen Elemente des 16. thoraco-lumbalen Myomers sind pro- und metazonaler Natur; die metazonalen Elemente gehören ins Gebiet des N. peroneus oder Fig. 10. der Nn. glutaei, die prozonalen in das- jenige des N. femo- ralis. Die ventralen Theiledes 16.Myo- mers sind größten- theils metazonale, kleinentheils pro- zonale, welche zu- gleich eng an die dorsale Zone an- schließen. Die ven- tralen, reichhalti- gen metazonalen Die Demarkationslinie schneidet dorsal das 16., ventral das 16. und 15. = thoraco-lumbale Myomer (a). Bei 5b ist der daraus resultirende, mit Elemente ziehen zwei Nn. furcales versehene Plexus lumbo-sacralis dargestellt. zum Nervus tibialis ete., die wenigen yentralen prozonalen zum Nervus obturatorius. Die Grundform des hieraus zu konstruirenden Plexus lumbo-sacralis kommt durch die Fig. 105 zum Ausdrucke. Das Geflecht birgt einen gekreuzten Nervus furealis. Die Kreuzung erfolgt zwischen ventralen Fäden aus dem 15. mit dorso-ventralen Strängen aus dem 16. thoraco-lumbalen Spinalnerven. Ein weiter vorgeschrittener Zustand tritt am Plexus zu Tage, sobald die Demarkationslinie das 16. und 15. Segment in schräger Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremititen. 271 Richtung und die intermyomere Zone genau an der dorso-ventralen Grenze schneidet, wie die Fig. 11 es darstellt. Hier liegen alle dor- salen Elemente des 15. thoraco-lumbalen Myomers prozonal; sie gehören dem Gebiete des dorsalen Nervus femoralis an. Die ventralen Elemente dieses Myomers fügten sich größ- Fig. 11. tentheils dem Ge- 7 b biete des prozona- west Ee om fh len N. obturatorius, geringeren Theiles ZS. demjenigendesme- Myom. tazonalen N. tibi- vg : alis, resp. eines _ My 2 deroben genannten 16 Nerven hinzu. — "NN Die dorsalen Ele- 17 Myom. mentedes16.thor.- lumbalen Myomers NEL fan sind größtentheils AH peron. Lobe meta-, kleinen- Die Demarkationslinie schneidet dorsal das 16., ventral das 15. thoraco- heil ‘ lumbale Myomer (a). Der daraus abzuleitende Plexus lumbo-sacralis ist theils prozonaler bei d dargestellt. Natur, gehören als solche den Gebieten des N. peroneus (N. glutaei), sowie des N. femo- ralis anheim. Die ventralen Bestandtheile des 16. Myomers sind völlig in metazonale Muskeln umgewandelt. dem Gebiete des N. tibialis ete. zugehörend. In der Grundform des Plexus lumbo-sacralis, welche Fig. 11 wiedergiebt, erscheinen ebenfalls zwei Nervi furcales, welche einander kreuzen. Die Kreuzung findet zwischen ventralen Wurzeln des 15. und ausschließlich dorsalen des 16. Spinalnerven statt. Der hieran sich anschließende Zustand ist auf Fig. 12 zu finden. Die Demarkationslinie bezeichnet pro- und metazonale Theile im Dorsalabschnitte des 15. und 16. Segmentes. Es giebt sich hiernach eine dritte Modifikation eines doppelten, gekreuzten Nervus furcalis zu erkennen. Der Dorsaltheil des 15. Myomers liegt größtentheils pro-, kleinentheils metazonal. Die hieraus entstandene Muskulatur gehört ins Gebiet des Nervus femoralis und des Nervus peroneus (resp. der Nervi glutaei). Die ventralen prozonalen Elemente des 15. Myomers sind vom Nervus obturatorius, die ventralen metazonalen vom Nervus tibialis beherrscht. Die dorsalen Elemente des 16. Myo- mers sind hauptsächlich metazonaler und nur zum geringen Theile 272 prozonaler Natur. Letztere haben zugleich eine rein dorsale Abkunft. Die dorsalen Nervenwurzeln des 16. Spinalnerven ziehen also zum Nervus peroneus und zum prozonalen Nervus femoralis. Die ventralen a clorsal : ventral Die Demarkationslinie zieht dorsal durch das 16. und das 15., ventral durch das 15. thoraco-lumbale Myomer (a). sich ableitende Plexus ist bei b abgebildet. If eron. 4 oblur Der aus diesem Verhalten Die Demarkationslinie zieht schräg allein durch das 15. thoraco-lumbale Myomer (a). Der daraus sich ergebende Plexus mit einem einfachen N. furcalis ist bei b erkennbar. repräsentirt, bestehen. Nervenstränge gehören ganz und gar dem metazo- nalen N. tibialis zu. Wie die Grundform des konstruirten Ner- vengeflechtes (Fig. 125) es wie- dergiebt, erfolgt die Kreuzung der beiden Nervi fur- cales durch ven- trale sowie dor- sale Stränge des 15. mit rein dor- salen des 16. thoraco-lumbalen Spinalnerven. Ein weiter fort- gefiihrtes Verhalten führt uns die Fig. 13 vor Augen. Die De- markationslinie trenntallein das 15. Myomer in lumbale und sacrale, pro- und metazonale Elemente. Es kann in Folge dessen nur ein einfacher N. furealis, durch den 15. thoraco-lum- balen Spinalnerv Bevor also der N. furealis auf einen mehr oral gelegenen Spinalnerven wie hier völlig hat übergreifen können, muss ein Zustand eines doppelten N. furcalis verwirklicht gewesen sein. Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremitäten. 273 P. EısLEer hat das Verdienst, nicht allein uns mit der Kreuzungs- art des doppelten Furcalis bekannt gemacht, sondern auch die richtige Deutung beim Verschiebungsprocesse der Extremität gefunden zu haben. Er erkannte die Formzustände als normale und nothwendige Übergangsformen. Der hier angestrebte Fortschritt scheint mir dadurch verwirk- licht, dass es mir gelungen ist, auf alle Thatsachen eine Grund- erscheinung in Anwendung bringen zu können: den in Rücksicht auf die Intersegmentalgrenzen divergirenden, schrägen Verlauf der De- markationslinie zwischen den pro- und metazonalen Elementen. Die Richtung der Demarkationslinie ist derartig, dass bei oraler Ver- schiebung derselben stets ventrale Myomerenelemente zuerst den pro- mit dem metazonalen Charakter vertauschen müssen. Durch ventrale Stränge aus oral gelegenen Spinalnerven müssen daher auch zuerst die Erscheinungen der Kreuzung von Nervi furcales eingeleitet wer- den. EısLEeR hat diese Ansicht auf Grund seiner Wahrnehmung ver- treten (l. ec. pag. 68). Ich stimme EIsLER hierin zu, eben so wie darin, dass beim Menschen ein Nervus furealis nicht fehlen könne. Die Demarkationslinie zwischen lumbalen und sacralen Myo- merentheilen verläuft bei Hylobatiden und An- thropoiden zuweilen anders als beim Menschen, und zwar parallel mit der intersegmentalen Scheidewand (vgl. G. Rue). Wo das auch immer zutrifft, da muss ein N. furcalis ver- misst werden, was mit den ‚Wahrnehmungen von G. RuGe übereinstimmt. Es erscheint mir nunmehr von der höchsten Bedeutung, dass, was ich in früheren Untersuchungen habe nachweisen können, das Niveau der Adduk- toren bei Cercopithecus sich mehr caudal- wärts ausdehne als das Niveau der Exten- pie eh ates Wense- soren, dass dies Verhalten also gerade um- kationslinien zwischen den pro- gekehrt sei als dasjenige beim Menschen. '". "etzonalen Myomerenn- dukten. Die Linien schneiden Die Demarkationslinie ist also bei Cereo- in schräger und entgegengesetzter : : . . Richtung die Myomeren beim Cer- pithecus im anderen Sinne als beim Menschen © @ Tarsius spectrum. Rücken. a Individuum von Felis domestica, Rücken. a neugeborenes Thier, 9 cm, b Individuum von 10.5 cm, ce erwachsenes b und c etwas älteres Thier, d erwachsenes Thier, Thier. - ungefähr dieselbe Zahl, wie beim erwachsenen Thiere, ist. Ein er- wachsenes Exemplar nämlich besaß Gruppen von S—15 Stück, jetzt aber waren es alle Kolbenhaare. Die Bildung von Gruppen, worin echte Bündel repräsentirt sind, habe ich am vollständigsten bei Felis domestica (Fig. 20) verfolgen können. Eine neugeborene Katze hatte die Haare alle isolirt und zerstreut; diese Unregelmäßigkeit wurde bei Untersuchung eines etwas älteren Individuums in der Weise erklärt, dass es sich ergab, dass alle diese Haare die zuerst durchgebrochenen Mittelhaare der Gruppen waren. Bei letzterem Exemplar fand ich doch zahlreiche Gruppen von drei Stück, von denen je das mittelste älter war. Noch weiter vorgerückt war ein drittes Individuum. Ich traf hier viele Über die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 337 Gruppen von drei Haaren, von denen das Mittelhaar schon zu einem Kolbenhaare geworden war, während die seitlichen Haare ihre Papille noch nicht verlassen hatten, wohl aber schon lange durchgebrochen waren. Bemerkenswerth war nun, dass in mehreren dieser Gruppen ein viertes, bisweilen auch ein fünftes Haar entwickelt war, meistens erst seit Kurzem durchgebrochen. Diese besaßen isolirte Follikel. Beihaare fehlen in diesen Stadien noch ganz und gar. Vergleicht man hiermit das Verhältnis des erwachsenen Thieres, dann erkennt man, dass diese Gruppen von 4 oder 5 des jungen Thieres gerade die Stammhaare des alten repräsentiren; an den seitlichen brauchen sich nur die Beihaare zu entwickeln, um die Haarstellung des alten Thieres zum Vorschein zu bringen. Auch bei Canis (Fig. 21) und Ursus fand ich die Haare in der ersten Jugend zu dreien gestellt, gerade wie die Stammhaare der ausgebildeten Gruppen. Bei einem Fig. 21. Fig. 22. a a ® ° A se. rig F ra e®® wer. as ahs “ E) @ e°.° Canis familiarts. Rücken. a Embryo, 6 neu- Mus decumanus. Ricken. a Individuum von geborenes Thier, c Individuum von 33 cm, d er- 7 cm, 6 Individuum von 9cm, c Individuum von wachsenes Thier, 12,5 cm, d erwachsenes Thier. Hündehen von 33 em waren schon einige Beihaare vorhanden, weit weniger aber als beim erwachsenen. Dass diese nicht alle zu gleicher Zeit gebildet werden, ergab sich auch aus der Untersuchung eines sehr jungen Oyclothurus didactylus. Jedes Bündel besaß hier nur erst ein oder zwei Beihaare, während deren Anzahl später 5—7 zu be- tragen pflegt. Die neugeborene Auchenia paco hat die Haare alle in isolirten Follikeln und zu dreien gestellt: die Entwicklung der Beihaare an den lateralen Follikeln vervollständigt auch hier wieder die Haar- stellung. Mit den oben beschriebenen Fällen übereinstimmend fand ich z. B. auch die Entwicklung der Gruppen bei Mus, Castor und Lutra. 338 J. €. H. de Meijere Bei Mus decumanus (Fig. 22) ist das zuerst auftretende Haarkleid wieder bloß aus Mittelstammhaaren gebildet; im späteren Alter brechen die seitlichen durch, während schließlich die Beihaare sich zeigen. Bei einem Thiere von 12,5 em fehlten sie noch ganz. Dies war auch der Fall bei einem jungen Biber von 26 em. Alle Haare hatten isolirte Follikel; die drei Arten von Stammhaaren aber, welche sich beim erwachsenen Thiere finden, waren auch schon vorhanden. Ein junger Otter von 20 em (Fig. 14) hatte die Follikel am Rücken meistens zu dreien. Bemerkenswerth war hierbei, dass, wäh- rend das Mittelhaar isolirt stand, die seitlichen Follikel meistens je zwei Haare enthielten. Die Tiefe des gemeinschaftlichen Follikels (0,16—0,2 mm) lässt hier keinen Zweifel, dass eines dieser Haare das erste Beihaar ist. Dieser Fall zeigt uns, dass die Beihaare nicht immer erst dann zu Tage zu kommen brauchen, wenn alle Stammhaare ausgebildet sind. Diese Gruppen werden nämlich später noch sehr viel komplieirter. Bei einem halberwachsenen Exemplare von 33 em bestand jede Gruppe schon aus 6—10 Bündeln, gebildet aus Haaren von 0,008—0,01 mm, welche um ein gröberes Haar von 0,032 mm gruppirt waren. Letzteres stand entweder isolirt oder hatte einige wenige (1—2) feine Beihaare neben sich. Bei Vergleichung der oben (pag. 329) beschriebenen Haarstellung des erwachsenen Thieres fällt es auf, dass erstens die Bündel später eine viel größere Zahl von Haaren besitzen und dass weiter auch einige Stammhaare durch gröbere vertreten sind. Bei den alten Thieren finden wir näm- lich meistens drei sehr dieke Stammhaare in jeder Gruppe. Bei einem jungen Macropus ruficollis von 30 em waren in den meisten Gruppen drei Stammhaare durchgebrochen. Von Interesse war, dass diese Haare schon in diesem Stadium nicht immer isolirt waren, sondern falsche Biindelchen bildeten mit einem allgemeinen Follikel von höchstens 0,1 mm Länge. Erst viel später erhalten diese Gruppen durch die Bildung von Beihaaren ihr komplieirtes Aussehen. Wo die Anordnung der Haare im erwachsenen Stadium kein Regelmaß erkennen lässt, ist dasselbe bisweilen schon bei sehr jungen Thieren der Fall. So fand ich bei Embryonen von Talpa, bei Beutel- jungen von Didelphys, bei Embryonen von Manis schon bei den noch gar nicht durchgebrochenen Haaren an der Brust keine Spur von Gruppirung. Resumiren wir die oben genannten Thatsachen, so ergiebt sich, dass die Haargruppen, selbst die am meisten komplieirten, in ihrer Entwicklung die verschiedenen Gruppirungen der Haare fast in der- Über die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 339 selben Reihenfolge zu erkennen geben, wie ich sie oben für die er- wachsenen Thiere beschrieben habe. Im Allgemeinen entstehen zuerst die Mittelhaare der Gruppen; darauf die beiden seitlichen, so dass alsdann die Haare zu dreien stehen. Darauf werden die übrigen Stammhaare gebildet, und die Beihaare kommen entweder während dieses Processes (wie bei Zutra) oder nach dessen Ende (Felis, Mus ete.) zum Vorschein. Ein sehr wichtiger Schluss, welcher sich hieraus ziehen lässt, ist der, dass schon sehr früh jede Gruppe von einem Stammhaare repräsentirt wird und dass nun die ganze spätere Entwicklung des Haarkleides bloß den Zweck hat die Gruppen zu vervollständigen. Höchstens während der allerersten Entwicklung, wenn vielleicht erst einige der Mittelhaare ein wenig mehr ausgebildet sind, können wir sagen, dass neue Gruppen zwischen den schon durchgebrochenen Haaren zum Vorschein kommen. Keine einzige Thatsache hat es mir jedoch auch nur wahrscheinlich gemacht, dass dieser Process auch noch im späteren Alter stattfinden kann. Eine Beobachtung, welche hier von Bedeutung ist, findet man bei WEBER!. WEBER hat gezeigt, dass schon sehr junge Embryonen von Manis dieselbe Zahl von Schuppen besitzen, wie die erwachsenen Thiere. Wo ich nun den Zusammenhang zwischen den Schuppen und den Haargruppen schon öfters als Hauptsache hervorgehoben habe, ist die Überein- stimmung, welche hier besteht, sehr bedeutsam. Über eine andere Frage, worüber seit Langem die Forscher nicht einig sind, verbreiten meine Resultate ein neues Licht. Es blieb bis jetzt eine offene Frage, ob nach der Geburt noch neue Haar- follikel angelegt werden. (Man vergleiche z. B. Herrwia’s Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte pag. 392.) GoETTE? behauptet den Vorgang gesehen zu haben an einem nur wenig Wochen alten Schweine. Gerade dieses Beispiel GOETTE’s beweist jedoch am deutlichsten, dass der hauptsächlichste Grund, wesshalb man über diese Frage so lange Zweifel hat hegen können, in der unrichtigen Vorstellung lag, welche man von der Haarstellung hatte. So lange man doch meinte, dass alle Haare ohne etwaiges Regelmaß über die Haut zerstreut ständen, blieb es ganz unmöglich die Stelle eines bestimmten Haares anzuweisen und dessen Entwicklung in späteren Stadien nach- ! Zoologische Ergebnisse. Bd. II. Genus Manis. pag. 11. ? Archiv für mikr. Anatomie. Bd. IV. 1868. pag. 291. 340 J. C. H. de Meijere zuforschen. In den Fällen, in welchen man die Anlage neuer Haare nach der Geburt zu sehen meinte, blieb es immer sehr zweifelhaft, ob nicht das alte Haar dieser Follikel verloren gegangen sei. Im GoErTE'schen Falle verhielt sich die Sache anders; ich selbst habe ein nur wenige Tage altes Schwein untersuchen können und habe konstatirt, dass hier ganz bestimmt neue Follikel in der An- lage anzutreffen sind, GOETTE aber irrt nun darin, dass er schließt, dass nach der Geburt noch Borsten angelegt werden. | Hat man die Haarstellung kennen gelernt, dann ist es leicht, sich die Sache zu erklären. Beim erwachsenen Schweine stehen die Bor- sten zu dreien; die wilden Arten besitzen dazwischen zerstreute kurze Wollhaare. Die Gruppen von je drei Borsten waren nun auch beim jungen Thiere schon vollständig vorhanden, und die von GOETTE gemeinten jungen Follikel standen dazwischen zerstreut, sind also ohne Zweifel die Follikel der Wollhaare. Dass diese beim domesti- eirten Schweine später verloren gehen, thut hier nichts zur Sache. GoETTE behauptet ferner die Neubildung gesehen zu haben an einem vor Kurzem rasirten Hautstücke des Schafes!, am Augenlide des Kaninchens?, und am Augenlide und der Stimm des Menschen?. KÖLLIKER* sah postembryonale Haarentwicklung an der Rinde des Geweihes bei Hirschen und Rehen. Unna dagegen ist, was den Menschen anbelangt, entgegen- gesetzter Meinung. Er benutzt schon die Anordnung der Haare in Gruppen und begründet seine Meinung durch die Thatsache, dass beim Haupthaare des Erwachsenen dieselben kleinen Gruppen vor- kommen wie beim Neugeborenen. Es scheint, dass WALDEYER® hier Unna missverstanden hat, wenn er ihm die folgende Auffassung zu- schreibt: »UnNA möchte annehmen, dass alle postembryonale Haar- bildung von den embryonal gebildeten Anlagen ausgeht, derart. dass von diesen aus seitwärts Sprossen in die Cutis hineingetrieben werden, die sich später von einander sonderten. Er führt hierauf die gruppenweise Stellung der Haare. welche namentlich beim Haupthaar vorkommt, zurück.« Hiervon ist bei Unna gar nicht die Rede. Erwägen wir nun, was in Folge meiner Ergebnisse in dieser Frage zu sagen ist, dann sehen wir zunächst, dass die Entwicklung 1]. c. pag. 287. 2]. c. pag. 289. 3]. c. pag. 293. 4 Entwicklungsgeschichte. 2. Aufl. pag. 793. > Atlas der menschlichen und thierischen Haare. Über die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 341 der Haargruppen allmählich, auch nach der Geburt, vor sich geht. Man vergleiche, was oben über Felis domestica gesagt wurde: hier waren ja beim neugeborenen Thier eben nur die Mittelhaare der Gruppen durchgebrochen. Es werden also nach der Geburt wirklich noch zahlreiche neue Haar- anlagen gebildet, sowohl in diesem Falle, als bei Tarsiws, Lutra u. A., welche ich oben beschrieben habe. Ein Fehler, welcher doch bei der Erwägung dieser Frage gar zu oft gemacht wurde, war, dass man auf den Zeitpunkt der Geburt zu viel Gewicht legte. Die An- sicht FrrerraG’s, dass die Neubildung möglich sei, so lange die Thiere wachsen, war a priori schon zulässiger und ist vielleicht in gewissem Grade eine richtige. Es scheint mir wenigstens nicht wahrscheinlich, dass, wenn einmal das Thier seine volle Größe er- reicht hat und alsdann die kalte Jahreszeit durchmacht, später neue Haare nur durch periodischen Haarwechsel in den alten Follikeln gebildet werden. Eine Ausnahme würde noch am ersten dort zu er- warten sein. wo das Haarkleid redueirt ist; hier würde man sich denken können, dass im späteren Alter hier und da eine bisher latent gebliebene Follikelanlage zur Entwicklung käme. Auch für Fragen bezüglich des Haarwechsels glaube ich, dass die Kenntnis der Haarstellung große Dienste leisten kann. Eine wichtige Thatsache habe ich schon kennen gelernt, dass nämlich ein und der- selbe Follikel während des Wachsthums des Thieres verschieden ge- bildete Haare führen kann. Ein Beispiel fand ich unter Anderem bei Tragulus. Das erwachsene Thier besitzt grobe, markhaltige Haare und dazwischen sehr feine marklose. Einem jungen Thiere fehlten am Riicken letztere noch ganz und gar; dagegen standen nun an der Stelle der groben Haare des alten Thieres Haare von sehr verschie- denem Kaliber, einige mit mehrreihigem, andere mit einreihigem Mark, wieder andere ganz ohne dieses. Eben solchen Verschieden- heiten begegnete ich in vielen anderen Fällen. So sind, um noch ein Beispiel zu nennen, bei der erwachsenen Katze die Mittelhaare der Gruppen echte Stichelhaare und besitzen mehrreihiges Mark; dies ist aber bei den jungen Thieren noch nicht der Fall. Die meisten Mittelhaare enthalten hier bloß einreihiges Mark und er- reichen 0,016—0,02 mm Stärke, eben so wie die Wollhaare des er- wachsenen Thieres und nur hier und da findet sich dazwischen eins von größerem Kaliber (0,04 mm) und dann auch mit mehrreihigem Mark. Wir können also auch bei den jungen Thieren gröbere Stichelhaare und feinere Wollhaare unterscheiden, müssen aber stets 342 J. C. H. de Meijere darauf bedacht sein, dass diese Haararten von anderen Haarfollikeln geliefert werden, als beim erwachsenen Thier. Zum Uberfluss wird hier schon wieder der geringe vergleichend-anatomische Werth dieser Termini klar. Finden wir also vom Fuchs angegeben!: »In der Jugend überwiegt auffällig das Flaumhaar«, dann will das nur sagen, dass in den Follikeln von sehr vielen der späteren »Stichelhaare« sich dann noch feine Haare befinden, während von der großen Menge der Wollhaare des erwachsenen Thieres, das will eben sagen der Beihaare, hier noch nieht einmal die Follikel angelegt sind. Beitrag zur Kenntnis der tubulösen Drüsen der Haut. Bei meinen Untersuchungen nach der Haarstellung hatte ich viel- fach Gelegenheit, auf die Ausmündung der tubulösen Drüsen zu achten. Wie bekannt kann diese entweder selbständig auf der Ober- fläche der Haut stattfinden, oder in einem Haarfollikel. Die Frage ist nun: welche der zwei Möglichkeiten die primitivere ist. Eine Menge von Beobachtungen zwingen mich, der herrschenden Meinung entgegenzutreten, welche behauptet, diese Drüsen seien im All- gemeinen selbständig und nur in einzelnen Fällen mit den Haar- follikeln verbunden. (Zum Beispiel vergleiche man PAGENSTECHER?, WEBER? ete. In Herrwia’s seit Kurzem erschienenen Lehrbuch der Zoologie, pag. 545, findet man die wunderliche Mittheilung, dass die tubulösen Drüsen sich »mit Ausnahme der Monotremen vom Haar unabhängig erhalten«!) Doeh sind die in der Litteratur zerstreuten Angaben bezüglich der Ausmündung in Haarfollikel nicht weniger zahlreich als die- jenigen, dass eine selbständige Ausmündung angetroffen wurde. LEyDIG® und CHODAKOWSKI>5 haben eine Menge von Thieren kennen gelehrt, bei denen Ersteres der Fall ist. Meine Beobachtungen haben das Übergewicht, welches die mit dem Haarfollikel gemeinsame Ausmündung doch schon besaß, der- maßen verstärkt, dass ich sagen kann, die selbständige Ausmündung komme nur ausnahmsweise vor. Ich konnte sie bestätigen in den ! PAGENSTECHER, Allgemeine Zoologie. Bd. IV. pag. 894. 2 Allgemeine Zoologie. Bd. IV. pag. 912. 3 Studien über Säugethiere. Jena 1886. pag. 16. 4 Mürver’s Archiv. 1859. Über die äußeren Bedeckungen der Säugethiere. > Hautdrüsen einiger Säugethiere. Dissertation. Dorpat 1871. Uber die Haare der Siiugethiere, besonders iiber ihre Anordnung. 343 folgenden, schon in der Litteratur verzeichneten Fällen: Talpa, Sus, Hippopotamus, mehrere Catarrhini und dem Menschen, und fand als neuen Fall bloß Canis familiaris caraibaeus. Bei Talpa traf ich das Verhältnis gerade so, wie ÜHODAKOWSKI es abbildet in seiner Fig. 21 Taf. III. Hierbei muss man darauf achten, dass die Haare dieht neben einander stehen und die Schweiß- drüsen eine ziemlich weite Mündung besitzen, weiter als die der Fol- likel. Ich beobachtete jedoch, dass auch hier nicht einmal immer die Ausmündung selbständig für sich stattfindet, öfters traf ich Stellen, wo eine deutliche Verbindung zwischen Drüse und Haarfollikel be- stand. Meine Bemühungen, beim Maulwurf an der Haut der vor- deren Extremität oder des Schwanzes, also an den Theilen mit pri- mitiverem Haarkleide die Schweißdrüsen zu finden, blieben erfolglos; dagegen traf ich sie an der Rückenfläche der Hand beim Igel. Hier münden die Drüsen immer in den oberen Theil eines Haarfollikels. Vom Sehwein wird die selbständige Mündung der tubulösen Drüsen von CHODAKOWSKI besprochen. Während GurLT hier aus- schließlich derart ausmündende Drüsen gefunden zu haben meint. ist CHODAKOWSKI der Ansicht, dass nur ein Theil der tubulösen Drüsen dieses Verhalten zeige, da die übrigen wieder mit Haar- follikeln in Verbindung stehen. Dieser Ansicht stimme ich durchaus zu; beim erwachsenen Schweine fand ich wenigstens mehrere Miin- dungen, ohne dass ein Haarfollikel in der Nähe zu beobachten war: es gab jedoch auch viele Mündungen in oder neben Haarfollikeln. Bei jungen Schweinen, und zwar sowohl bei einem neugeborenen domestieirten Schweine, als auch bei einem jungen Sus vittatus, fand ich die Drüsen ausschließlich im Verbande mit Haarfollikeln. Drittens haben wir den Fall des Hippopotamus amphibius (Fig. 23 und 24), welchen wir durch WeEBeEr's Forschungen kennen gelernt haben!. Die tubulösen Drüsen sind hier stark entwickelt und ver- zweigt, die Haare zurückgegangen; a priori ist hier also ein ab- weichendes Verhalten zu erwarten. Doch auch so schon sind die Thatsachen an und für sich noch auffallend genug. Ein Paar Stücke der Rückenhaut eines neugeborenen Nilpferdes, mit zerstreuten feinen Hiirehen bedeckt, zeigten schon verschiedene Verhältnisse. An einem Stück waren die nach Behandlung mit Karmin schon mit bloßem Auge bemerkbaren Drüsenöffnungen ohne wahrnehmbare Regelmäßig- keit zwischen den Haaren zerstreut; an einem zweiten Stücke fand 1 Studien über Siiugethiere. Jena 1886. 344 J. €. H. de Meijere ich immer einige wenige Millimeter von einem Haarfollikel entfernt eine solche Mündung, so regelmäßig, dass der Verband zwischen beiden nicht in Abrede gestellt werden konnte. Man vergleiche Fig. 23. Auch die oben schon erwähnte Stelle hinter den Ohren war in dieser Hinsicht von Bedeutung. Hier kommen die Drüsenöffnungen nur in den Haargruppen vor, je eine zu jeder Gruppe, wie aus Fig. 24 er- sichtlich ist. Fig. 23. Fig. 24. ö © 3" 3 . wy ee % . . N . 5 . ° ° e? P . ix as Ar oe Ao} . “oy ° 7 ers af °°, °° - . . Os ° = os 2, Di Hippopotamus amphibius. Neugeboren. Hippopotamus amphibius. Neugeboren. Bestimmte Ricken. Gegend hinter den Ohren, Schließlich haben wir noch die höheren Affen und den Menschen. Bei Cynocephalus (Fig. 25), Cercopithecus und vielleicht auch anderen scheint nämlich die selbständige Ausmün- ‚Fig. 25. dung die Regel zu sein. Dass auch dies ° BY iegare nur abgeänderte Zustände sind, erhellt dar- aus, dass bei vielen mehr oder weniger verwandten Arten die Verbindung mit den vi fe ° Haarfollikeln erhalten ist; bei Cebus z. B. a. 18 . und bei Midas fand ich, dass sowohl am Rücken, wie am Schwanze, die Schweißdrü- © sen regelmäßig in die Haarfollikel münden. hr Oe Dasselbe ist auffallenderweise auch bei Sima Junges Thier. satyrus der Fall; dass bei Weitem die mei- sten Sehweißdrüsen hier mit den Haaren in Verbindung stehen, konnte ich am Rücken, der Brust und den Armen feststellen; nur hier und da liegt eine etwas entfernt vom zugehörigen Haare. Bisweilen fehlt auch jeder sichtbare Verband Uber die Haare der Siiugethiere, besonders iiber ihre Anordnung. 345 mit einem Haarfollikel. Aber auch beim Menschen besteht solche Verschiedenheit. Bei Cercopithecus ist in der Achsel das Verhältnis dasselbe wie beim Menschen; auch dort fand ich die Einmündung in die Haarfollikel. In Fig. 26 ist der Zustand abgebildet, wie ich ihn am Riicken eines menschlichen Embryo traf. Obwohl die Schweißdrüsen hier einzeln für sich münden, zeigen sie sich doch in ihrer Stellung deutlich zn die Haargruppen Fig. 26. gebunden; an der Schädelhaut ist genau das- ...» selbe der Fall. 3 Sehr eigenthümlich ist das Verhalten bei Canis familiaris caraibaeus (dem nackten Hunde Westindiens). Während dort in der be Hohn Haut der vorderen Extremitiit die Schweib- HY driisen noch wie bei unserem Haushunde in bat die Haarfollikel ihr Sekret ergießen, — bei Homo sapiens. Embryo. Rücken dieser Rasse ist in den Haarfollikeln je ein Haar vorhanden, indem Nebenhaare ganz und gar fehlen — ist dies am Rücken, Kopf und Schwanze nicht mehr der Fall, wobei zu be- achten ist, dass der Kopf eben der am stärksten behaarte Theil des ganzen Thieres ist. Hier findet sich gar keine Verbindung mehr zwischen Drüsen und Haaren. Obenstehendem zufolge bin ich der Ansicht, dass die tubulösen Drüsen, eben so sehr wie die aeinösen, mit Recht Haarfollikeldrüsen genannt werden können, und dass sie sich erst sekundär von den Fol- likeln entfernt haben. Dass sie nun auch a primo initio an den Follikeln entstanden sind, soll damit noch nicht gesagt sein; nur dass sie schon bei den niedrigsten Säugethieren mit diesen Follikeln in inniger Verbindung gefunden werden, eine Verbindung, welche nur in den oben genannten Fällen aufgehoben wurde. Die Phylogenie der Schweißdrüsen bleibt hierbei noch unerklärt, nur darf ich sagen, dass mir nirgends auch nur die Spur eines Überganges zwischen acinösen und tubulösen Drüsen aufgefallen ist. Eigenthümlich bleibt jedenfalls die Fähigkeit dieser Drüsen, sich von den Haaren zu entfernen. Ob dies auch bei acinösen Drüsen stattfinden kann, weiß ich nicht zu sagen. Die sogenannten isolir- ten aeinösen Drüsen finden sich immer an ganz nackten Hauttheilen; wahrscheinlich wurden dann nur die Haarfollikel rudimentär. Einige andere Punkte, die tubulösen Drüsen betreffend, sollen noch kurz besprochen werden. Zunächst die Frage, wie viel Schweiß- Morpholog. Jahrbuch. 21. 23 346 J. C. H. de Meijere drüsen in einem Haarfollikel münden. Ich selbst traf niemals mehr als eine. Das Gegentheil fand ich nur von bestimmten Hautstellen des Hundes (Monina Arovsıus!, CHODAKOWSKI?) und von Vesper- tilio murinus (LEYDIG®,; JOBERT!) erwähnt, wo deren zwei vorhan- den sind. Die Vertheilung der tubulösen Drüsen über die verschiedenen Haare, welche die Gruppen zusammensetzen, habe ich zu unvoll- ständig untersucht, um einen allgemeinen Schluss daraus ziehen zu können. Wohl fand ich, dass bei den Gruppen von drei Haaren jedes Haar eine tubulöse Drüse besitzen kann (dies fand ich z. B. an der Unterseite des Schwanzes bei Auchenta paco); ferner, dass bei den Gruppen von Tragulus z. B. jedem der gröberen Haare eine solehe Drüse zukommt, während diese an den feinen Haaren ganz fehlen; endlich, dass in den Gruppen, welche ein isolirtes stärkeres Mittelhaar und einige Bündel dünnerer Haare enthalten, in der Regel bloß ersteres eine solche Drüse besitzt (z. B. Ornithorhynchus, Da- syurus, Phascolomys\; dass dagegen in den Gruppen von Phoca, Ursus und anderen Carnivoren, wo die Stammhaare alle gleich sind, jedes Haarbündel von einer tubulösen Drüse begleitet wird. Auch in den falschen Bündeln von Lemur catta fand ich nur an den diekeren Mittelhaaren je eine Schweißdrüse. Bei Didelphys marsupialıs, wo die Haare am Rücken zerstreut stehen und in drei Sorten vorhanden sind, fehlten die Drüsen an den dünnsten Haaren. Bei Rodentia traf ich in der nicht abgeänderten Haut keine Spur von tubulösen Drüsen; acinöse sind hier immer gut ausgebildet. Haare, denen auch diese fehlen, scheinen selten zu sein. WEBER® fand solche bei Manis. Auch an den feinen Haaren von Tragulus konnte ich nichts davon entdecken. Was zweitens die Form dieser Drüsen anlangt, so hat LEYDIG, als er die tubulösen Drüsen von Vespertilio beschrieb, schon darauf hingewiesen, dass diese merklich von der Knäuelform abweichen können. So sind es eben bei den Fledermäusen breite Siickchen, nur leicht gebogen, mit kurzem Ausführungsgang. Diese Form, ab- 1 Atti della Soc. Tosc. di Sc. nat. Pisa. Vol. V. 1883. pag. 275. 2 Hautdriisen einiger Siiugethiere. Dissertation. Dorpat 1871. 3 MÜLLER’s Archiv. 1859. pag. 732. 4 Ann. sc. nat. Paris. 5. S. T. XVI. 1872. pag. 130. 5 Zoologische Ergebnisse. Il- Genus Manis. pag. 24. Uber die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 347 gesehen von dem kurzen Ausführungsgang. fand ich in sehr verschie- denen Fällen zurück; sie kommt schon an mehreren beschuppten Schwänzen vor (z. B. bei Sminthopsis, Phascologale). Die meisten tubulösen Drüsen, welche ich beobachtete, waren in der folgenden Weise gebildet: der Ausführungsgang geht nach unten fast allmählich über in einen wenig oder nicht erweiterten Theil, der mehr oder weniger geschlängelt, bisweilen auch fast gerade ist, wie bei Phoca. Hier ist weder eine deutliche Trennung zwischen sekretorischem Theile und Ausführungsgang, noch ein eigent- licher Knäuel bemerkbar. Gut ausgeprägte Knäuel scheinen selten zu sein, wenigstens in der Haut des Rückens. In einigen wenigen Fällen begegnete ich verzweigten, tubulösen Drüsen. Ich fand solehe in einem Stücke Brusthaut von Ursus aretos, ferner auch in den Sohlen desselben Thieres und in denen von Ursus marinus. Auch in der Haut, welche beim Igel die Rückenfläche der vorderen Extremität bedeekt, sind die tubulösen Drüsen verzweigt. In jedem der beiden Fälle kann jeder Zweig nicht nur eine merkliche Länge erreichen, sondern auch seinerseits sich spalten. Die Zweige sind in ihrer Weite nur wenig von dem Ausführungs- gange verschieden. Von solehen verzweigten Drüsen ist in der Litteratur nur wenig die Rede. Der einzige Fall, wo sie sich in der nicht zu besonderen Zwecken specialisirten Haut finden, ist der von Hippopotamus, von Max WEBER! mitgetheilt. Hier sind über den ganzen Rücken weg, auch an der dorsalen Fläche des Kopfes, solche Drüsen verbreitet. In abgeänderten Hautstellen dagegen scheinen verzweigte Schweiß- driisen mehr vorzukommen, z. B. in den Analdrüsen der Katze?, welche ästig getheilte Drüsen enthalten. Die Bedeutung der Haarstellung für die Systematik. Damit wir ein Urtheil fällen können über die Bedeutung, welche die Anordnung der Haare hat für die Systematik, wollen wir zunächst kurz die Säugethierordnungen durchgehen, um zu sehen, wie die ' Studien über Säugethiere. Jena 1886. pag. 14 und Taf. II. 2 CHODAKOWSKI, Hautdrüsen einiger Säugethiere. Diss. Dorpat 1571. Taf. II Fig. 15 0. 23* 348 J. €. H. de Meijere verschiedenen Gruppirungen der Haare in diesen Ordnungen ver- theilt sind. Sehr auffallend ist es hierbei zunächst, dass die Haarstellung schon bei den Monotremen ziemlich komplieirt ist; die Gruppen auf dem Rücken von Ornithorhynchus besitzen isolirte gröbere Mittel- haare, und daneben feinere Stammhaare, je von einigen gleich dünnen Beihaaren begleitet: die verschiedenen Sorten sind hier also alle schon vorhanden. Bei Echidna ist das Schema durchaus ein anderes, aber auch hier sind Bündel vorhanden; ein Theil der Stammhaare ist in Stacheln umgeformt. Viel primitivere Verhältnisse sind an den Schwänzen einer Menge von Marsupialia (Didelphys marsupialis, Macropus, Tarsipes rostra- tus etc.) beibehalten, wo die Haare einfach zu dreien oder in längeren Reihen hinter den Schuppen eingepflanzt sind. Vollständiger sind die Gruppen am Schwanze von Perameles gunni, von Dasyurus viverrinus, und dann wieder meist nicht scharf von einander getrennt, so dass oft Haarringe gebildet werden. Dagegen besitzen die diehtbehaarten Schwänze von Trichosurus, Petaurus ete. komplieirte Gruppen mit echten Bündeln, wie sie auch in der Regel am Rücken der Beutelthiere gefunden werden. Eine Ausnahme traf ich beim Genus Didelphys, wo alle Haare isolirt und ohne bemerkbare Gruppirung stehen. Unter den Edentaten finden wir ein primitives Haarkleid, von Schuppen begleitet, auf den dem Lichte zugekehrten Theilen bei den Manidae, und den meisten Dasypodidae; einen beschuppten Schwanz mit einfachen Haarreihen haben wir auch bei Myrmecophaga und Tamandua. Wo am Rücken die Schuppen fehlen, ist die Haarbekleidung entweder einfach, wie bei Myrmecophaga, Tamandua und Oryeteropus, oder durch die Bildung echter Bündel komplieirt (Bradypodidae, Cyclothurus, eben so die behaarte Haut des Rückens und der Brust bei Chlamydophorus. Bei den Ungulaten kommen im Allgemeinen einfache Gruppen vor; oft, z. B. bei Sus, Ovis, Tragulus, Cervus ete., sind in jeder Gruppe deutlich zwei Arten von Haaren zu unterscheiden: stärkere markhaltige und feinere marklose. Meistens stehen die Gruppen dicht neben einander. Die Gruppen von Hyrazr nähern sich in ihrer Bildung denen der Prosimiae. Beihaare finden sich nur bei den Tylopoden. Sehr verschiedenartig ist das Verhiiltnis bei den Rodentia. In Über die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 349 vielen Abtheilungen sind beschuppte Schwänze vorhanden, auf denen dann wieder die Haare in der Regel zu dreien, bisweilen auch in längeren Reihen stehen. Ferner finden wir, besonders unter den Caviint und den Hystricini, ferner auch bei Loncheres, Aulacodus u. A. sehr schöne Beispiele von mehr oder weniger einfachen Gruppen, denen die Beihaare ganz und gar fehlen. Ungemein einfach ist die Haarstellung des Myoxus: hier sind über den ganzen Rücken die Haare zu dreien gestellt; bisweilen fehlt noch eines dieser Haare; fast dasselbe wird bei Anomalurus gefunden. Rhizomys, mehrere Dipodidae und Meriones schlegelü zeigen am Rücken falsche Bündel. Beihaare kommen in geringer Anzahl vor bei den Muridae und Sciuridae, in größter Zahl bei Castor. Letzterer besitzt den kom- plicirtesten Zustand, welchen ich unter allen Rodentia fand. In diesen Gruppen mit echten Bündeln ist meistens ein isolirtes Mittel- haar von größerer Dicke vorhanden. Als einzige Ausnahme fand ich, dass bei Georhychus auch die Mittelfollikel mehr als ein Haar enthalten können. Hier sind überdies je einige dieser echten Bündel zu einem größeren falschen zusammengeflossen. Auch unter den Insectivoren treffen wir beschuppte Schwänze an mit zu dreien stehenden Haaren. Je 3—4 hinter jeder Schuppe besitzt z. B. Myogale moschata. Am Rücken stehen meistens alle Haare isolirt und ohne Regelmaß; die Haare sind entweder alle gleichwerthig oder einzelne sind durch größeren Durchmesser aus- gezeichnet, bisweilen selbst zu Stacheln ausgebildet. Deutliche Gruppen fand ich bei Ericulus an der Brust, am Rücken und den Extremitäten, weniger gut bemerkbar waren sie am Bauche von Erinaceus. Echte Bündel scheinen sich nur bei Chrysochloris zu finden: auch diese sind ohne Regelmaß zerstreut. Bei den Carnivoren ist das Schema fast immer dasselbe. Echte Bündel finden sich hier sehr gewöhnlich ; die Gruppen sind bald deutlich, bald fast gar nicht bemerkbar; sie enthalten bisweilen ein durch größeres Kaliber ausgezeichnetes Mittelhaar, welches über- dies in vereinzelten Fällen (z. B. bei Felis) isolirt bleibt. Bei an- deren, z. B. bei Canis, Ursus, sind die verschiedenen Stammhaare gleichwerthig und alle von Beihaaren begleitet. Am meisten kom- plieirt werden die Gruppen bei Zutra«. Hier und eben so sehr bei Meles, Nasua u. A. sind an den Flichensehnitten die Bündel der 350 J. C. H. de Meijere verschiedenen Gruppen einander so sehr genähert, dass das Schema nur erst mit Hilfe von Querschnitten zurückzufinden ist. Den Chiroptera sind in der Regel zerstreute Haare eigen, ohne dass eine bestimmte Anordnung sichtbar ist. Bei Cynonycteris col- laris fand ich die Haare in einfachen Gruppen von 5—7 Stück. Galeopithecus besitzt nur isolirte Haare, welche alle gleich- werthig sind. Die Mehrzahl der Prosimiae hat falsche Bündel, welche ent- weder einzeln oder je einige zusammen eine Gruppe repräsentiren. Meistens zeigen einzelne Mittelhaare ein größeres Kaliber. Bei den Primaten fehlen ebenfalls die Beihaare; die Grup- pen sind hier meistens sehr einfach gebildet, indem sie aus 3, 4 oder 5 gleichen Haaren bestehen. Unter den Anthropomorphen. traf ich die vollständigsten Haargruppen (je 5—7 in einer Gruppe) beim Gorilla, während der Chimpanse sich dem Menschen am nächsten anschloss. Bei beiden sind nur noch hier und da vollständig aus- gebildete Gruppen von drei Stück vorhanden, da in den meisten Gruppen bloß das Mittelhaar erhalten blieb. Fassen wir diese kurzen Angaben zusammen — Ausführlicheres wird der vergleichenden Tabelle zu entnehmen sein — so zeigt sich genügend, wie ungleichartig die Gruppirung der Haare über die ver- schiedenen Ordnungen und Familien vertheilt ist. Man kann somit aus den Haarstellungen keine Schlüsse ziehen bezüglich der größeren oder geringeren Verwandtschaft der Arter. Am wahrscheinlichsten scheint es mir, dass die Entwicklung der Haargruppen auf polyphyletischem Wege vor sich gegangen ist: dass wir es in den drei Haare ent- haltenden Gruppen von Myozus und Midas, sowie in den einfachen Gruppen vieler Ungulaten wirklich mit primitiven Verhältnissen zu thun haben, und dass in den verschiedenen Abtheilungen die Ent- wicklung, indem sie ihren eigenen Weg ging, übereinstimmende Ver- hältnisse erzielte. Wenn also die Haargruppen bei Ornithorhynchus, Lepus und Felis fast gleich gebildet sind, so ist das in gewissem Sinne ein Fall konvergenter oder paralleler Entwicklung. Aus dieser Auffassung folgt, dass das Haarkleid seine bedeu- tende Komplikation erst erhielt, als schon die verschiedenen Haupt- gruppen der Säugethiere sich herausgebildet hatten. Eine ganz andere Frage ist es, in wie weit die Haarstellung für die Artbeschreibung Dienste leisten kann. Was diesen Punkt angeht, bin ich überzeugt, dass in zahlreichen Fällen noch über- raschende Ergebnisse zu erhalten sind, sobald mehr auf diese Sachen Uber die Haare der Siiugethiere, besonders iiber ihre Anordnung. 351 geachtet wird. Einigen Beispielen begegnete ich bereits; das auf- fälligste fand ich bei Tarsius. Nachdem ich ein Paar Exemplare dieser Gattung, von Professor WEBER aus Celebes mitgebracht, unter- sucht und gefunden hatte, dass der Schwanz beschuppt sei und die Haare zu dreien stinden, war ich überrascht, bei späterer gelegent- licher Untersuchung eines dritten Exemplars, ohne Angabe des Fund- ortes, aus der Sammlung des hiesigen zoologischen Laboratoriums, einen fast glatten Schwanz mit feinen zerstreuten Haaren anzutreffen. Die Vergleichung mehrerer Exemplare lehrte alsdann, dass diese Verschiedenheiten stets von anderen Eigenthümlichkeiten begleitet wurden, so dass es bald nicht zweifelhaft blieb, dass wir es hier mit zwei verschiedenen Arten zu thun haben. WEBER beschrieb in- zwischen diese beiden Arten in seinen »Zoologischen Ergebnissen «'. Einen Fall ähnlicher Art traf ich beim Genus Sminthopsis. Sminthopsis murina hat am Schwanze die Haare immer zu dreien, während sie bei Sm. crassicaudata meistens zu vieren stehen. Zwi- schen Phascologale minima und’ flavipes besteht gleichfalls ein Unter- schied in der Haarstellung am Schwanze. Natürlich wird erst die Untersuchung mehrerer Exemplare zeigen können, in wie weit diese Zahlen wirklich konstant sind. Pachyura und Sorex sind auch leicht an der Haarstellung am Schwanze von einander zu unterscheiden. f Auch bei mehreren Hystrieiden konnte ich sehr deutliche Ver- schiedenheiten in der Zahl von Stacheln nachweisen, welche am Rücken je in einer Reihe stehen. Da ich dieselben Unterschiede bereits bei einigen sehr jungen Thieren im Museum zu Leyden zurück- fand, scheint es mir, dass diese Zahlen von Nutzen sein können beim Bestimmen zumal von jüngeren Thieren. Ähnliches wird sich wohl auch in anderen Fällen ergeben. Systematischer Theil. In diesem Theile mögen meine Funde ausführlicher mitgetheilt werden. Maßangaben bei Embryonen oder jungen Thieren beziehen sich immer auf die Entfernung von der Nase bis zur Schwanzwurzel. Der Kaliber der Haare ist dieht iiber der Haut gemessen, nachdem ich die Haare mit der Schere gestutzt hatte. Auch die Angaben über das Verhalten des Markes beziehen sich in der Regel auf diese Strecke. Bezüglich der Erklärung der Figuren vgl. man pag. 314. Es könnte der Fall eintreten, dass Nachuntersucher hier und da Resultate erhielten, die sich nicht mit den meinen decken. Dass solche Abweichungen durch Ungenauigkeit meinerseits veranlasst sein könnten, will ich nicht absolut 1 Bd. IH. 1893. 352 J. C. H. de Meijere in Abrede stellen; doch ist entschieden darauf hinzuweisen, dass auch andere Faktoren, die im Verhalten des Objektes selbst begründet sind, die Unter- suchungsergebnisse beeinflussen können. Solche Faktoren sind besonders das Alter des untersuchten Thieres und die Jahreszeit, in der es getödtet wurde. Meine eigenen Forschungen erstrecken sich über 221 Species, von denen mehrere in verschiedenen Entwicklungsstadien untersucht wurden; die Angaben über die 9 übrigen habe ich den Arbeiten verschiedener Autoren, besonders LEYDIG, entnommen. Monotremata. Echidna hystrix Cuvier. Die Stacheln des Riickens stehen unregelmäßig zerstreut; dazwischen ‘kommen zahlreiche Haarbündel vor, gleichfalls ohne bestimmte Anordnung; jedes Bündel enthält 5—6 Haare von 0,065—0,104 mm Dicke. Die Haare sind unter einander wenig verschieden, alle sind an der Oberfläche glatt und braun pigmentirt. An der Brust finden sich bloß die Haarbündel. Sie bestehen hier aus 6—7 Stück, von denen eines durch stärkeres Kaliber (0,052—0,06 mm) vor den übrigen (0,026—0,039 mm) prävalirt. Auch hier ist die Oberfläche glatt. Die Bündel stehen bald unregelmäßig durch einander, bald sind sie in deutlichen Reihen oder Bögen angeordnet, welche 3—6 Bündel enthalten. Die Haarstellung von Echidna ist von LEypDIG! und von WELCKER? unter- sucht worden. Dieses Haarkleid gehört schon zu den ziemlich komplieirten. Es will mir scheinen, dass an Brust und Bauch das einfachste Verhältnis vorhanden ist: 1) weil die Bündel dort in Reihen gestellt sind; 2) weil man deutlich in jedem Bündel das Stammhaar unterscheiden kann; 3) weil die Stacheln fehlen. Letz- tere fasse ich als außerordentlich starke Stammhaare auf. Tubulöse Drüsen finden sich nach GEGENBAUR® nur in der Nähe der Mammardriisen. Sie münden in den gemeinschaftlichen Follikel der Bündel, Ornithorhynchus anatinus Shaw. Fig. 27. Am Rücken (Fig. 27) stehen die oy _.. Haare in Gruppen, welche ziemlich eX) Ooeey regelmäßig alterniren und dicht neben einander stehen. Jede Gruppe besteht aus 1 stiir- é »,e ©) keren Mittelhaare (ca. 0,048 mm), ’ FR ee = dessen Mark leicht braun pigmen- ®0,8 Ope a” “so” tirt ist, und jederseits 1—3 (mei- i. tee _ stens 2) Follikeln, welche je unge- 9% © 09,” oe a? ~@%q fähr 12 sehr dünne Haare (0,008 mm) enthalten. Die Brust besitzt eben solche Gruppen, meist finden sich jedoch 6 Bündel dünnerer Haare um jedes Mittelhaar. Ornithorhynchus anatinus. Rücken. 1 MürLter’s Archiv. 1859. pag. 685 und 707. 2 Abhandlungen naturf. Gesellsch. Halle. IX. 1864. 3 Zur Kenntnis der Mammarorgane der Monotremen. Leipzig 1886. Über die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 353 Am Schwanze fand ich nur Stachelhaare. Sie stehen alle einzeln, sind ab- geplattet und haben eine Dicke von 0,24 mm. Ob jedes derselben für sich oder ob mehrere zusammen eine Gruppe repräsentiren, ist mir nicht klar geworden. Leypic!, WELCKER? und SouzA FontEs® haben Ornithorhynchus unter- sucht. WELCKER beschreibt schon die Gruppen sehr genau und giebt auch eine gute Abbildung; eben so findet man bei Leypia den Querschnitt durch die Haut genau abgebildet. Wie schon LeypiG und SouzA FONTES mittheilten, münden die Schweiß- drüsen am Rücken und Schwanze im oberen Ende der Follikel der Stachelhaare aus. Ich muss Souza FontEs beistimmen, wenn er sagt, dass die Drüsen- schläuche mehr geschlängelt sind, als Leypic’s Abbildung es angiebt; seine Behauptung, dass am Rücken die Schweißdrüsen bisweilen in die Follikel der Bündelhaare münden, habe ich jedoch nicht bestätigen können; in einem Falle schien es mir auch so; man darf jedoch nicht vergessen, dass die Bündel oft in größter Nähe eines Mittelhaares stehen und dass man unter diesen Umstän- den sehr leicht in die Irre geführt werden kann. Es scheint mir wenigstens ziemlich sicher, dass zu jeder Gruppe nur eine tubulöse Drüse gehört. Der Drüsenschlauch hat eine Breite von 0,024—0,028 mm. Marsupialia. Chironectes minimus Zimmermann. Der Schwanz ist mit abgerundeten Schuppen bedeckt, welche etwas länger als breit sind. Hinter den meisten Schuppen stehen drei Haare. Didelphys murina Linné. Am beschuppten Schwanze kommen hinter jeder Schuppe drei Haare vor, Didelphys marsupialis Linné. Der Schwanz (Fig. 28) hat sechseckige Schup- Fir. 28 pen, deren Hinterrand zweilappig ist, und welche “Aa poe sehr regelmäßig alternirend angeordnet sind. Auf \ N d Querschnitten sieht man, dass die Coriumpapillen iia ur. nur eine geringe Höhe erreichen; die dorsale Schuppenfläche ist durch Pigment ausgezeichnet, ar \ : wenigstens an den dunkel gefärbten Theilen des s \ cag Schwanzes, und ist viel liinger als die sehr kurze nicht pigmentirte ventrale Fliche. Der Hinter- Ct eo rand der Schuppen zeigt drei Einschnitte, welche je ein Haar enthalten. Am Riicken stehen weit- oad aus die meisten Haare isolirt; nur an einzelnen , Stellen sah ich zwei dünne Haare oder zwei Haare / N u ey re von verschiedenem Kaliber aus ein und dersel- ben Offnung hervortreten. Es sind drei Sorten zu ?ilevhys marsupialis. Schwanz. unterscheiden: ! MüLrer's Archiv. 1859. ? Abhandlungen naturf. Gesellsch. Halle. IX. 1864. % Beiträge zur anatomischen Kenntnis der Hautdecke des Ornithorhynchus paradoxus. Diss. inaug. Bonn 1879. 354 J. C. H. de Meijere 1) dünne Haare (0,008—0,009 mm) mit einreihigem Marke; 2) gröbere, farblose (0,048—0,072 mm), Mark mehrreihig. Diese sind sehr zahlreich ; 3) die dicksten Haare (0,12 mm), welche ganz schwarz Ki sind, die »Grannen« der Systematiker. Die Haare stehen alle ohne Gruppirung zerstreut. Die Schweißdrüsen münden in die Spitze der Haarfollikel; sie haben ein sackförmig erweitertes Ende (0,18 mm lang, 0,04—0,06 mm breit). Ich beobachtete diese Ausmündung nur an den Haaren der zweiten Sorte. Auch am Schwanze münden die Schweiß- drüsen an der Spitze der Haarfollikel. WELCKER! meldet schon, dass Didel- phys keine Haarbündel besitzt. Didelphys opossum Linné. Die Schuppen des Schwanzes sind sechseckig, breiter als lang, am Hinter- rande nicht ausgebuchtet; hinter jeder Schuppe stehen 3—5 Haare. Zwischen dem behaarten und dem beschuppten Theile des Schwanzes findet sich bei dieser Art ein Ring, an welchem die Hautgebilde eine eigenthümliche Anord- nung zeigen. An dem weitaus größten Theil des Schwanzes schließen die Hornschuppen nahe an einander, so dass sie nur durch sehr schmale Hautleisten getrennt sind, in welchen die Haare eingepflanzt sind; dem gegenüber gestaltet sich im Bereich jenes Gürtels das Verhältnis sofort anders. Die Schuppen sind hier klein und die Zwischenräume breiter; die Haare stehen daher auch minder gedrängt. Proximalwärts grenzt der Ring unmittelbar an die normal behaarte Haut des Rückens, welche unregelmäßig — ohne jede Spur von Grup- penbildung — verstreute Haare aufweist. Dieser Befund scheint mir in der Weise abzuleiten zu sein, dass die ganze dorsale, verhornte Schuppenfläche kleiner geworden und endlich verloren gegangen ist. Am Rücken kommen dickere Haare von 0,024—0,04 mm vor und dazwischen zerstreut dünnere von 0,008 mm. Die ersteren haben einreihiges Mark, letztere sind größtentheils marklos, nur an der Spitze besitzen sie gut entwickeltes, einreihiges Mark. Bei einem jungen Thiere von 7 cm fand ich auf Querschnitten, welche die Haarrichtung senkrecht trafen, alle Haare regellos zerstreut. Nach der Dicke ließen sich zwei Sorten unterscheiden. Das Mark war einreihig, auch bei den dünneren Haaren, welche aber meistens noch nicht lange durchgebrochen waren. Dasyurus viverrinus Shaw. Bei einem halberwachsenen Exemplare sah ich am Schwanze an senkrecht zur Haarrichtung geführten Schnitten Reihen und Gruppen von 3--6 Stück, die aber öfters in einander flossen. Die meisten Haare sind 0,02 mm dick, in der Regel ist das Mittelhaar jeder Gruppe etwas stärker (0,024 mm). Das erwachsene Thier lässt die Gruppen weniger deutlich erkennen, meist waren sie ganz zu Ringen verschmolzen; die Haare besaßen eine Dicke von 0,04—0,08 mm. Auch Beihaare können hier vorhanden sein; ich fand wenig- stens auf einem Schnitte einen gemeinsamen Follikel für zwei Haare, 0,2 mm lang. ' Abhandlungen »aturf. Gesellsch. Halle. IX. 1864. Uber die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 355 Die Talgdrüsen sind klein und öfters nur an einer Seite des Haares vor- handen; sie bestehen z. B. oft nur aus einem Bläschen von 0,06 mm Länge. Die Schweißdrüsen münden in die Spitze der Haarfollikel; die eigentliche Driise verläuft geschlängelt, hat eine Breite von etwa 0,056 mm und geht ziem- lich plötzlich in den Ausführungsgang über; dieser ist nur 0,012 mm breit. Am Rücken (Fig. 12) sind die Gruppen sehr deutlich und stehen weit von ein- ander getrennt. Sie bestehen aus einem isolirten Mittelhaare (0,02—0,028 mm) und 2—6 Bündeln dünnerer Haare (0,008—0,012 mm); jedes Bündel enthält deren 5—9. Die dünnen Haare haben im unteren Theile eine gezähnelte Ober- fläche; die Mittelhaare sind, auch als Kolbenhaare, glatt. Die Schweißdrüsen münden an der Spitze der Follikel der Mittelhaare. Sie zeigen hier ein etwas einfacheres Verhalten am Schwanze, sie sind weniger geschlängelt; der Durchmesser des unteren Theiles betrug 0,04 mm, der des Ausführungsganges wieder 0,012 mm. Die acinésen Drüsen sind klein. An den Follikeln der Bündelhaare sind dieselben wohl vorhanden, dagegen fehlen die Schweißdrüsen; die Länge des allgemeinen Follikels beträgt 0,14 mm. Phascologale flavipes Waterhouse. Bezüglich dem Verhalten am Schwanze vergleiche man pag. 319. Am Rücken bilden die Haare Gruppen, von denen jede ein Mittelbaar und 2—4 Bündel dünnerer Haare enthält. Die Mittelhaare sind 0,016 mm dick, ihr Mark ist einreihig, die Markzellen breiter als lang; die Breite der dünnen Haare beträgt 0,008 mm, ihr Mark ist gleichfalls einreihig, aber die Markzellen sind länger als breit. Die Bündel der Wollhaare bestehen aus 2—6 Haaren. Die Gruppen sind bald sehr deutlich von einander getrennt, bald sind Verschmel- zungen eingetreten. Einem jungen Exemplare fehlten die Beihaare. Auf dem Querschnitt sah man Gruppen von 3, 4 oder 5 Stück, in deren Mitte meist ein stärkeres Haar vorkam (0,04 mm mit mehrreihigem Marke); die übrigen Haare waren 0,012 bis 0,016 mm dick und besaßen einreihiges Mark. Phascologale minima Geoffroy. Am Schwanze (Fig. 29) war das Pigment undeutlich; die Anordnung der Haare stimmte fast genau mit der von Ph. flavipes überein, nur waren die dünneren Haare weniger zahl- reich und regelmäßiger gestellt. Fig. 29. Hinter jeder Schuppe stehen hier 5 Haare, wovon die äuße- ren der dünnsten Sorte ange- hören (0,013 mm), das mittelste * - - ° Stier Sak Lee Mats? Vet Peaiep o> he SaaS das stärkste ist (0,065 mm), wäh- tenddieübrigenzweieineMittel- , nennen,“ stelle einnehmen (0,032mm). Die Er verhalten nich UR 2 un 0,0 0 m 9 0 te wie 5: 21/5; 1. Die Schweiß- Phascologale minima. Schwanz, drüsen münden an der Spitze der Haarfollikel, wie oft, in der stumpfen Ecke zwischen dem Follikel und dem Niveau der Haut; der Ausführungsgang geht nach unten plötzlich in ein ziem- lich kleines erweitertes Endsäckehen über (0,08—0,1 mm lang). 356 J. C. H. de Meijere Sminthopsis murina Waterhouse. Am Schwanze stehen die Haare zu dreien; je das mittelste ist stärker (0,06 mm) als die seitlichen (0,032—0,036 mm); letztere sind auch viel weniger pigmentirt. Sminthopsis erassicaudata Gould. Der Schwanz ist deutlich beschuppt, und die besondere Pigmentvertheilung leicht zu erkennen; hinter jeder der breiten Schuppen sind meistens 4 (bisweilen 3) gleiche Haare eingepflanzt. Auf dem Querschnitt zeichnet sich die dorsale Schuppenfläche auch deut- lich durch Pigmentirung aus. Die Schweißdrüsen münden in die Haarfollikel und haben ein kurzes (0,06 mm), breites Ende. Der Übergang zwischen diesem und dem dünnen Ausführungsgange ist ein plötzlicher. Die Haare des Rückens stehen in nicht von einander getrennten Gruppen; die einzeln stehenden Mittelhaare haben eine Dicke von 0,012 mm, die Bündel- haare sind 0,004—0,01 mm breit, gleichen sonst den anderen Haaren. Die Bündel enthalten 1—4 Stück. Perameles doreyana Quoi et Gaimard. Hinter jeder der abgerundeten, schön alternirenden Schuppen des Schwanzes findet sich ein starkes, aber kurzes Haar. Perameles Gunni Gray. Der Rücken besitzt deutliche, ziemlich weit getrennte Haargruppen, welche zusammengesetzt sind aus einem isolirten Mittelhaar von 0,02—0,024 mm und jederseits 2 oder 3 Bündeln von je 3, meistens nur 0,008 mm dicken Härchen. Nur hier und da kennzeichnet sich eins der Haare eines Biindels durch seine größere Dicke (0,012 mm) als das Stammhaar. Auf dem kurzen Schwanze sind die Haare zu 5 oder 6 in Gruppen ge- stellt, welche häufig zusammenfließen. Die Gruppen selbst sind ziemlich un- regelmäßig in ihrer Zusammensetzung; sie enthalten dickere und dünnere Haare, öfters z. B. drei gröbere, in einer Reihe gestellte Haare, und zwischen je zwei dieser ein dünneres Haar. Perameles obesula Shaw. Junges Individuum von 12 cm. Am Schwanze fehlen eigentliche Schuppen. Dennoch sind die Haare sehr regelmäßig angeordnet, so dass man sich die Schuppenstellung rekonstruiren kann. Man kann sich denken, dass hinter jeder imaginären Schuppe drei Haare stehen, von denen das mittelste bedeutend dieker ist als die seitlichen. Auf Querschnitten zeigen sich an beiden Haararten kleine acinöse Drüsen ; Schweißdrüsen habe ich nicht finden können. Am Rücken sind die Linien- systeme der Stichelhaare gleichfalls sehr auffallend; es sind hier verhältnis- mäßig viel mehr dünnere Haare vorhanden als am Schwanze; es stehen nämlich ungefähr 10 in demselben Viereck, welches durch 4 der gröberen Sorte ge- bildet wird Uber die Haare der Siiugethiere, besonders iiber ihre Anordnung. 357 - Phascolomys Mitchelli Owen. Die Haargruppen des Riickens sind nicht scharf getrennt. Jede Gruppe besteht aus einem isolirten Haare von 0,024—0,04 mm und 3—6 Biindeln diin- nerer Haare (0,016—0,02 mm); jedes Bündel enthält 4—8. Die tubulösen Drüsen münden an der Spitze des Follikels des Mittelhaares. Sie haben ein langes, stark geschlängeltes Unterende von 0,024 mm Durch- messer; der Ausführungsgang ist bedeutend enger, der Übergang zwischen bei- den ist ein allmählicher. Talgdrüsen kommen an beiden Arten von Haarfollikeln vor, zeigen aber stets eine geringe Entwicklung, indem sie nur eine Länge von etwa 0,06 bis 0,07 mm erreichen. Tarsipes rostratus Gervais et Verreaux. Der Schwanz ist mit viereckigen Schuppen bedeckt, an deren Hinterrande immer drei Haare stehen; das mittelste derselben stellt sich als ein kurzes Stachelhaar dar, während die lateralen viel feiner sind. Phalanger celebensis Gray. Der proximale Theil des Schwanzes trägt an seiner Unterfläche die runden Warzen, welche ich schon pag. 316 besprochen habe. Sie stehen beim erwach- senen Thiere ziemlich unregelmäßig, bei einem jungen Individuum von 16 cm dagegen sehr regelmäßig alternirend. Hinter jeder Warze, zum Theile auch an ihrer Seite, befinden sich 3 oder 4 Haare (Fig. 30); ihre Anzahl nimmt später ab; auch beim alten Thiere sind sie fein und kurz. Fig. 30. Fig. 31. Phalanger celebensis. Schwanz. Junges Thier. Phalanger celebensis. Schwanz. Am übrigen, glatten Theile des Schwanzes stehen die Haare zu je zweien (Fig. 31) auf helleren, ovalen Feldern. Die korrespondirende Schwanzregion des jungen Thieres lässt noch deutliche Spuren von Schuppen erkennen in der Anordnung des Pigmentes; hinter jeder dunkelgefiirbten Strecke stehen 2 oder 3 Haare. Die wenig geschlängelten Schweißdrüsen münden am Schwanze über- all in die Haarfollikel. Am Rücken sind die Gruppen wenig getrennt. Die isolirten Mittelhaare (0,016—0,02 mm) sind von 4 oder 5 Biindeln feinerer Haare umgeben; jedes Bündel enthält 7—10. Das Mark ist überall einreihig. Dem jungen Thiere fehlten noch die Beihaare. Es gab diekere Haare von 0,028—0,032 mm, welche von 4—7 diinneren (0,012 mm) umgeben waren. 358 J. ©. H. de Meijere Trichosurus vulpecula Kerr. Der Schwanz triigt deutliche Gruppen, die aus einem isolirten Mittelhaare und 2—4 Biindeln diinnerer Haare bestehen; die Biindel enthalten je 3—6 Haare. Die Gruppen alterniren regelmäßig. Der Durchmesser der Mittelhaare beträgt 0,032 mm, derjenige der Bündelhaare 0,008—0,016 mm. Am Rücken findet man dasselbe Verhalten; nur sind die Gruppen öfter verschmolzen und die Mittelhaare dünner (0,02 mm). Petaurus breviceps Waterhouse. Am Schwanze sieht man die Gruppen am besten, wenn man Flächen- schnitte von der Unterseite betrachtet. Die Gruppen bestehen aus einem iso- lirten Mittelhaare und jederseits 1—2 Bündeln, welche je 2—3 Haare enthalten. Bisweilen kommt auch neben dem Mittelhaare ein Beihaar vor. Alle haben hier etwa den gleichen Durchmesser (0,008—0,012 mm) und bis zur Spitze hin einreihiges Mark. Am Rücken kommen eben solche Gruppen vor wie am Schwanze, aber sie sind weniger scharf von einander gesondert. Auch hier sind alle Haare gleich gebildet und haben einreihiges Mark. Distoechurus pennatus Peters. Der Schwanz ist nicht beschuppt; die Haare stehen hier in Gruppen von je 2, 3 oder 4, welche Gruppen öfters zusammenfließen. Acrobates pygmaeus Shaw. Am Schwanze ist keine Spur von Schuppen vorhanden, auch nicht in der Pigmentirung. Die Haare stehen in regelmäßig alternirenden Gruppen von 3, bisweilen 4 Stück. Die Dicke aller Haare beträgt circa 0,028 mm, das Mark ist einreihig, und eben so wie die Rindenschicht braun pigmentirt. An den langbehaarten Seiten des Schwanzes stehen die Haare dichter gedrängt, so dass die Anordnung undeutlich wird. Am dicht behaarten Rücken stehen die Haare zu 3, 4 oder 5 in zahl- reichen, zerstreut stehenden Bündeln; sie haben einen Durchmesser von 0,008 bis 0,01 mm und besitzen einreihiges Mark. Hier und da kommt ein einzeln stehendes Haar vor, das jedoch den Biindelhaaren ähnlich sieht. Trennung in Gruppen ist nicht nachweislich. Die Haare ähneln denjenigen von Talpa und Sorex; ein jedes hat 1 oder 2, wenigstens anscheinend, diinnere Stellen. Potorous tridactylus Kerr. Ein junges, ausgestopftes Exemplar hat am Schwanze viereckige Schup- pen, welche Ringe bilden. Die Zahl der Haare hinter jeder Schuppe schien mir nicht immer dieselbe zu sein. Dorcopsis Mülleri Schlegel. Vom erwachsenen Thiere untersuchte ich ein Hautstiickchen vom Halse. Die Anordnung der Haare ergiebt sich als sehr einfach; sie bilden Gruppen von 2—4 (meistens 3) Stück; in der Regel war das Mittelhaar stärker (0,04 bis 0,056 mm) als die lateralen Haare (0,02— 0,024 mm); alle zeigen denselben Bau. Jedes Haar steht deutlich einzeln. Uber die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 359 Das Ende des Schwanzes ist nur wenig behaart, und es sind auch an aus- gestopften Exemplaren die Schuppen deutlich sichtbar. Bei einem Embryo von 23cm fand ich am Rücken die Mittelhaare der Gruppen eben durchgebrochen und bereits deutlich alternirend angeordnet. Von den seitlichen war bloß die Anlage nachweislich. Petrogale penicillata Gray. Der Schwanz ist mit kleinen, deutlich alternirenden Schuppen bedeckt, deren Hinterrand abgerundet ist. Hinter jeder Schuppe stehen 6—7 Haare. Aus Querschnitten ergiebt sich, dass die Schuppen eine dicke Hornschicht be- sitzen; es ist wieder ein deutlicher Unterschied zwischen der dorsalen und ven- tralen Schuppenfläche zu erkennen; erstere ist namentlich im Rete Malpighii stark pigmentirt, während letztere kurz und pigmentlos erscheint. Es bestehen gut entwickelte, mehrlappige, ungefähr 0,3 mm lange acinöse Drüsen. Schweiß- drüsen habe ich am Schwanze nicht finden können. Der Riicken besitzt weit von einander entfernte, sehr deutliche Haargrup- pen. Jede Gruppe enthält ein isolirtes, diekes Mittelhaar (0,02—0,028 mm); das Mark desselben ist einreihig und seine Zellen sind breiter als lang. Ferner weist jede Gruppe 2—4 (meist 3) Bündel dünnerer Haare (0,008—0,012 mm) auf, deren unteres Ende, wenn es sich um Kolbenhaare handelt, scharf gezähnelt ist. Das Mark ist gleichfalls einreihig, aber die Zellen sind länger als breit. Jedes Bündel enthält 2—4 Haare. Zuweilen kommt auch neben dem Mittel- haare ein Beihaar vor, hin und wieder selbst zwei. Der gemeinsame Follikel erreicht eine Länge von 0,15—0,2 mm. Die Schweißdrüsen münden an der Spitze der Follikel der Mittelhaare ; ihr dünner Ausführungsgang geht nach unten hin ziemlich plötzlich in das längliche gerade Ende über. Macropus ruficollis Desmarest var. Bennettii. Am Schwanze zeigen sich ähnliche Verhältnisse wie bei Petrogale. Die Schuppen sind hier breiter und kürzer; hinter jeder Schuppe stehen wieder mehrere (7—10) Haare. Die Hornschicht der Schuppen ist weniger ausgebildet als bei Petrogale; das Pigment der dorsalen Schuppenfläche ist deutlich. Die Talgdrüsen sind klein. Nur in einem Schnitte traf ich ein Fragment einer Schweißdrüse; es war das fast gerade verlaufende untere Ende. Zwar gelang es mir nicht, die Ausmündungsstelle zu Gesicht zu bekommen, doch zweifle ich wegen der Lage der Drüse dicht neben einem Haare nicht, dass diese auch hier in die Spitze eines Haarfollikels mündet. Am Rücken fanden sich die Haare in folgender Weise angeordnet: Sie stehen in unregelmäßig zerstreuten Bündeln. Jedes Bündel enthält ein gröberes Haar von 0,064—0,084 mm, mit glatter Oberfläche und mehrreihigem Marke; weiter einige wenige andere Haare (0,016—0,032 mm), von denen im Stadium des Haarwechsels, in welchem das untersuchte Exem- plar sich befand, einige ein gezähneltes, andere ein glattes unteres Ende hatten. Erstere sind Kolbenhaare, letztere Papillenhaare. An der Brust ist das Ver- halten meistens dasselbe. Bisweilen treffen wir dort einzeln stehende Mittel- haare (0,036—0,052 mm) und jederseits daneben ein oder zwei Bündel von 1—3 dünneren Haaren (0,02—0,036 mm). Der Unterschied zwischen den Mittelhaaren und den übrigen ist hier also viel geringer als am Rücken. Die letztgenannten 360 J. C. H. de Meijere Gruppen zeigen große Ähnlichkeit mit den Gruppen, welche wir bei der ver- wandten Gattung Petrogale fanden, ein Schema, welches bei Marsupialiern mit dichtem Haarkleide sehr verbreitet ist. Bei den meisten Gruppen jedoch hat Verschmelzung, Bildung von unech- ten Bündeln stattgefunden. Dieses ergiebt sich aus senkrecht zur Richtung der Haare geführten Schnitten, sowohl am Rücken als an der Brust. An solchen Objekten sieht man deutlich, dass auch diese Bündel von einem Mittelhaare und von 5—6 feineren Haaren gebildet sind; letztere umgeben das Mittelhaar und zwei von ihnen gehören oft deutlich als Stamm- und Beihaare zusammen. Eben so auffallend ist dies auf Querschnitten in anderer Richtung. Man unterscheidet dann weniger tiefe, unechte gemeinsame Follikel (z. B. 0,12 mm tief) und tiefere, echte gemeinsame Follikel (z. B. 0,22 mm lang). Eine wichtige Stütze für oben erwähnte Ansicht liefert das Haarkleid eines 30 em langen, jungen Macropus ruficollis. Hier findet man am Rücken sehr oft die Haare zu zweien, Ofters auch zu dreien; in letzterem Falle ist dann das mittelste Haar deutlich dicker als die lateralen. Die Durchbruchs- stellen dieser drei durch die Haut liegen meist dicht beisammen. Sind nur zwei in einer Gruppe enthalten, so treten sie oft aus derselben Öffnung heraus. Das dickere Haar ist das Mittelhaar der Gruppe, die dünneren sind gleichfalls Stammhaare, während Beihaare noch fehlen. Querschnitte zeigen, dass, wenn zwei dieser Haare in derselben Öffnung stecken, ein mehr oder weniger tiefer allgemeiner Follikel gebildet wird; bald sind die Follikel beinahe bis zum Niveau der Haut getrennt, bald bis auf eine Länge von 0,1 mm verschmolzen. Dasselbe junge Thier hatte auf der Brust meistens Bündel von 2 oder 3 Haaren, welche auch noch nicht lange durchge- brochen waren. Bisweilen trat eins der drei Haare einer Gruppe deutlich aus einem besonderen Follikel. Mehrere Gruppen von je drei Haaren, von denen jedes seinen eigenen Follikel besaß, traf ich am Metatarsus. Auffallend war, dass in diesem Falle die drei Follikel fast parallel verliefen; wenn dagegen die drei Haare aus einer gemeinsamen Öffnung traten, dann divergirten die lateralen Follikel nach unten hin sehr deutlich. Am Schwanze fand ich die eben erst durchgebrochenen Haare in nicht scharf getrennten Reihen von 3—5 Stück. Zu jeder Haargruppe des erwachsenen Thieres gehört eine Schweißdrüse. Der dünne (0,01 mm) Ausführungsgang geht plötzlich in das längliche Ende über, welches eine Breite von ca. 0,068 mm erreicht, und eben so lang ist wie der Ausführungsgang (ca. 0,65 mm). Die Ausmündung liegt am unteren Ende des gemeinsamen Follikels; in einem Schnitte sah ich deutlich, dass sie an der Spitze des Follikels des dicksten Haares stattfindet. Macropus rufus Desmarest. Die Brust- und Bauchhaut ist mit Biindeln besetzt, welche 4—7 Haare enthalten, von denen die meisten 0,024—0,04 mm Durchmesser besitzen. Hier und da kommt in einem Bündel ein Haar von 0,068 mm vor. Der gemeinsame Follikel hat eine Länge von 0,1—0,14 mm. Auf Quer- schnitten senkrecht zur Haarrichtung findet man dann und wann zwei Haare, Uber die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 361 welche so dicht bei einander stehen, dass man das eine als Beihaar betrach- ten möchte. Die Vergleichung mit Macropus ruficollis macht es mir jedoch wahrscheinlich, dass hier fast alle Haare Stammhaare sind, welche zu unechten Bündeln zusammengefasst sind. Die außerordentlich großen tubulösen Drüsen münden im Allgemeinen in diesen gemeinsamen Follikel, wobei es noch manchmal nachweislich ist, dass sie eigentlich den dicken Mittelhaaren angehören. Diese Drüsen und auch die Haarbündel sind von WEBER! beschrieben. Die beiden Haararten, von welchen WEBER spricht, ergaben sich mir als zwei Stadien der Haarentwicklung; diejenigen, welche eine »dornige Oberfläche« haben, sind Kolbenhaare; die glatten sind Papillenhaare. Seine Abbildung? zeigt auch, dass der gemeinsame Follikel ziemlich kurz ist. Edentata. Bradypus tridactylus Linné. Am Riicken und vorderer Extremitiit stehen die Haare in echten Biindeln, welche aus einem stärkeren Haare und 2—3 diinneren (0,02—0,04 mm) zusam- mengesetzt sind. Beiden Sorten fehlt das Mark. Die Stammhaare sind ver- schiedenartig gebaut; einige haben die bekannte Belegschicht großer lufthaltiger Zellen, anderen fehlt diese Schicht. Letztere zeigen in ihrem Bau große Übereinstimmung mit den feineren Haaren, erreichen eine Dicke von 0,06 bis 0,068 mm; erstere können einen bedeutend größeren Durchmesser besitzen, je nachdem die lufthaltige Schicht mehr oder weniger ausgebildet ist. Das kann ja sehr verschieden sein. So fand ich z. B. folgende Maße: Diameter des gan- zen Haares: 0,22, 0,24 oder 0,112 mm; Diameter des Bastcentrums bezw. 0,048, 0,036, 0,056 mm. Die Bündel selbst stehen ohne Regelmäßigkeit angeordnet, nur hier und da finden sich deren 3 oder 4 in einer Reihe. LEyDIG® und WELCKER® sahen schon die Haarbündel von Bradypus. WELcKER's Mittheilung über die Entwicklung dieser Bündel wurde schon pag. 325 erwähnt. Bezüglich der Ausmündung der Schweißdrüsen sagt er®: »Ihre Aus- miindungsstelle scheint der Boden des gemeinsamen Halses der Haarbälge zu sein.« Choloepus didactylus Linné. Haare meistens zu zweien in jedem Bündel, öfters auch einzeln stehend. Der gemeinsame Follikel erreicht eine Länge von 0,16—0,2 mm. Beinahe alle Haare fand ich so gebaut, wie es von dieser Species längst bekannt ist. Überdies fand ich jedoch noch eine zweite Art, welche, so viel mir bekannt, bis jetzt noch nicht bemerkt wurde. Diese Haare sind abgeplattet, starr und leicht gebogen, viel kürzer als die gewöhnlichen Haare; ihre Länge ! Uber neue Hautsekrete bei Säugethieren. Archiv für mikr. Anatomie. XXXI. pag. 500 ete. 21. c. Taf. XXIV Fig. 1. 3 MULLER’s Archiv. 1859. pag. 707. | 4 Abhandlungen naturf. Gesellsch. Halle. IX. 1864. 51. ec. pag. 72. Morpholog, Jahrbuch. 21. 24 362 J. C. H. de Meijere betrug 1—4 em, ihr Diameter 0,16—0,19 mm. Aus der mikroskopischen Untersuchung ergab sich, dass sie beinahe ganz aus großen, polygonalen oder runden, lufthaltigen Markzellen bestehen, die von einer oft sehr dünnen Bast- schicht umgeben sind. In der Regel scheinen sie einzeln zu stehen, bisweilen sah ich eines derselben gerade neben einem der gewöhnlichen Haare. WELCKER! hat die »dichotomische Theilung des Haarbalgs« auch schon gesehen. Die Bündel stehen ohne besondere Gruppirung zerstreut. Ein junges Thier von 3l cm zeigte am Rücken alle Haare einzeln stehend, ohne dass sich eine Regelmäßigkeit erkennen ließ. Beihaare fehlten hier also noch ganz und gar. Tamandua tamandua Desmarest. Auf der distalen Hälfte des Schwanzes sind die Schuppen am besten ent- wickelt, stehen dicht neben einander und sind sechseckig, aber breiter als lang. Haare sind in dieser Region selten; hinter jeder Schuppe kommen nur 2 oder 3, öfters auch nur eines vor. An der Wurzelhälfte sind die Schuppen abgerundet, viel breiter als lang, und die Intervalle zwischen den verschiedenen Schuppen sind größer. Es stehen hier 4—6 Haare hinter jeder Schuppe. WEBER? hat schon den Tamandua behandelt. Seine Mittheilung stimmt mit dem Befunde überein, den ich an der Wurzelhälfte des Schwanzes erhielt. PoucHEr?®, der behauptet, dass unter jeder Schuppe nur ein Haar zu Tage träte, hat vielleicht mehr der distalen Schwanzhälfte seine Aufmerksamkeit ge- widmet. Am Rücken stehen die Haare ohne Regelmäßigkeit, alle einzeln; ihre Dicke beträgt 0,039—0,156 mm; auch alle Zwischenmaße sind vorhanden. Myrmecophaga jubata Linné. Auch der Schwanz des großen Ameisenfressers wurde von WEBER‘ unter- sucht. In seinen Figuren findet man auch die Haarstellung angegeben. Die Schuppen haben einen abgerundeten Hinterrand, hinter welchem 5 oder 6 Haare eingepflanzt sind. Wichtig ist, dass hier ungeachtet der langen Haare doch Schuppen vorkommen. Am ltücken stehen die Haare wie bei Tamandua alle einzeln und unregel- mäßig; sie sind von allerhand Kaliber und Farbe. Cyclothurus didactylus Linné. Am Schwanze stehen die Haare in Bündeln, welche je ein Stammhaar von 0,04 mm und 5—7 diinnere (etwa 0,02 mm) enthalten. Die Bündel stehen je 4 und 5 zusammen in einer mehr oder weniger gebogenen Reihe. Vergleicht man dieses Verhiltnis mit dem von Myrmecophaga, so ergeben sich folgende Differenzen: 1) fehlen die Schuppen bei Cyclothurus; 2) zeigen die einzelnen Haare bei Myr- mecophaga die gleiche Anordnung wie die Haarbiindel bei Cyclothurus; bei letzteren sind Beihaare vorhanden, wiihrend sie bei Myrmecophaga fehlen. 1]. e. pag. 70. 2 Genus Manis. in: Zoologische Ergebnisse. Bd. Il. pag. 16. 3 Mémoires sur le grand fourmilier. Paris 1874. pag. 210. 4 1. c. pag. 17. Uber die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 363 Der Rücken ist mit eben solchen Bündeln bedeckt; im Ganzen sind die Haare viel diinner, die Stammhaare etwa 0,028 mm; die diinnen Haare 0,01 bis 0,012 mm; nicht immer zeichnet sich das Stammhaar durch deutlich größeres Kaliber aus. Die Bündel selbst stehen hier unregelmäßig zerstreut, also wieder eben so wie die einzeln stehenden Haare von Myrmecophaga. Ein junges Exemplar von 11 cm zeigte am Schwanze Bündel von 2 oder 3 Haaren; in letzterem Falle war das dritte Haar eben erst durchgebrochen. Der Diameter aller Haare betrug 0,024—0,032 mm. Eine gesetzmäßige Grup- pirung war auch auf Querschnitten nicht zu erkennen. Chlamydophorus truncatus Harlan. Über den für die Dasypodidae so charakteristischen Panzer will ich mich an dieser Stelle kurz fassen. Allem Anscheine nach haben wir es zwar hier mit denselben Schuppenbildungen zu thun, wie wir sie auch bei anderen Säuge- thieren vorfinden, die allein durch eine höhere Speeialisirung der Form, ferner durch Hautossifikationen komplieirt sind, aber es ist doch die Frage der Art, dass für die endgültige Beurtheilung eine umfangreichere, auch die Ontogenie in Betracht ziehende Untersuchung nöthig erscheinen dürfte. So viel steht indess fest, dass auch hier die Haare eine bestimmte Anordnung zu den Schup- pen zeigen; meine diesbezüglichen Befunde möchte ich hier mittheilen. Bei Clamydophorus stehen auf der Brust die Haare in Gruppen, in der Mitte ein einzeln stehendes Haar von größerem Kaliber (0,02—0,028 mm) und zu beiden Seiten desselben je ein Bündel von 8—9 Haaren; in diesen Bün- deln giebt sich häufig ein Haar als Stammhaar zu erkennen. Die Beihaare sind meistens etwa 0,008 mm dick. Öfters stehen die zu einer Gruppe gehörigen Follikel sehr dicht neben einander, so dass die ganze Gruppe fast einem Bündel gleicht. Am Rücken findet sich dasselbe Schema : die Zahl der Beihaare ist hier eine größere (10—12 in jedem allgemeinen Fol- likel). In einem einzelnen Falle fand ich auch drei Bündel um ein Mittelhaar gruppirt. Der Kopf ist mit vieleckigen Schuppen bedeckt; ob es einfache oder zu- sammengesetzte sind, ist mir noch zweifelhaft. Dagegen halte ich die vier- eckigen Platten, welche die Ringe des Rumpfes bilden, für zusammengesetzte Schuppen, und zwar aus folgenden Gründen: 1) ist die Stellung nicht immer eine alternirende, sie stimmt vielmehr mit der Anordnung der Gürtelschuppen von Dasypus villosus überein, welche mit großer Wahrscheinlichkeit als zu- sammengesetzte Bildungen zu betrachten sind; 2) trägt jede Schuppe in einiger Entfernung von ihrem hinteren Rande ein Haar. Überdies sind noch mehr oder weniger deutlich zwei Längsfurchen zu erkennen, welche auch wieder an das Verhalten der Gürtelschuppen von demselben Dasypus erinnern. An einigen Randschuppen fand ich zwei solche Haare, bisweilen mit ganz getrennten, bis- weilen auch mit verschmolzenen Follikeln. An den hinteren Ringen ist noch etwas Anderes zu sehen. An den mei- sten Schuppen ist auch hier ein einzelnes Haar in gewisser Entfernung vom Hinterrande eingepflanzt: nun sieht man aber, dass an den Randschuppen diese Entfernung eine kleinere wird, dass das Haar auch aus der Medianlinie der Schuppe herausrückt, und endlich dicht neben einer der Ecken am Hinterrande selbst zu stehen kommt. So ist z. B. das Verhältnis an der vorletzten Rand- schuppe. An der letzten findet sich am Rande nicht bloß ein Haar, sondern 24* 364 J. C. H. de Meijere eine ganze Reihe, z. B. ungefähr sieben Stück. Am letzten Ringe der Rücken- fläche, ferner am obersten Ringe des abgestutzten Theiles des Thieres und an allen Randschuppen dieses Theiles kommen am Hinterrande jeder Schuppe zahlreiche Haare vor, bis 20—25. Der kurze Schwanz ist nur am verbreiterten Ende deutlich beschuppt; Haare sah ich dort nicht. An der Rückenfläche des Vorderfußes sind fünf Schuppen vorhanden, von welchen die an der Seite des fünften Fingers am meisten ausgebildet ist; hinter dieser fehlen Haare, wohl aber finden sich welche, und zwar sehr zahlreiche, hinter jeder der übrigen Schuppen. Auch an der Rückenfläche der hinteren Extremität finden sich eine Schuppen. Die Innenfläche der Hautduplikatur trägt keine Haare. Dasypus sexeinetus Linn‘. (Fig. 2 pag. 317.) An einem jungen Exemplare von 21 cm war sehr deutlich zu sehen, dass die vieleckigen Schuppen am Schulterpanzer zu denen gehören, welche ich oben zusammengesetzte Schuppen nannte, weil sie aus einem Komplex kleinerer Schuppen bestehen; eine dieser Schuppen ist die größte und wird von einem Kreise kleinerer umgeben. Hinter oder neben jeder der letzten stehen 1—2 Haare. Hinter jeder zusammengesetzten, Schuppe stehen etwa 5 Haarfollikel. Am Kreuzpanzer ist das Verhältnis ungefähr eben dasselbe; die Zahl der Fol- likelöffnungen an den zusammengesetzten Schuppen war meistens etwas ge- ringer (z. B. 5). Sehr gut konnte man auch solche Follikel beobachten in den eigenthüm- lichen, drüsenähnlichen Säckchen, welche hinter einander in der Medianlinie des Leibes liegen und von denen es bei dieser Art vier giebt; ein jedes wird durch eine in der Mitte eingestülpte zusammengesetzte Schuppe gebildet. Die Gürtel bestehen aus viereckigen zusammengesetzten Schuppen; in der wenig verhornten Längsfurche, welche je zwei neben einander liegende Schup- pen trennt, sind etwa 4 Follikelöffnungen vorhanden. Hinter jeder Schuppe stehen meistens 2 Haare. Ferner bestehen auf diesen Schuppen je zwei Längs- reihen von Follikeln. Dasypus villosus Desmarest. Ein junges, 17 cm langes Exemplar zeigte die Follikelöffnungen noch deutlicher als das oben beschriebene D. sexcinctus. Das Schema ist dasselbe. Bei einem erwachsenen Exemplare ist von Fig. 32. vielen dieser Follikel nichts mehr zu sehen. Zu wiederholten Malen fand ich gespaltene LA .. Haare (ef. pag. 332). a Nes) I Am Vorderfuße stehen hier, auch an Stel- qe asc len, wo Schuppen fehlen, die Haare in deut- Deaths a _ lichen Gruppen, welche je auf einer Hautfalte SN A A a eingepflanzt sind. Die Haare sitzen meistens “houquaye nian te ‘ gu zehn in einem Bogen (Fig. 32). Auch an Dasypus villosus. Vorderfuß. der Brust sind die Gruppen deutlich, jedoch mehr abgerundet. Die Zahl der Haare ist die- selbe. Die Haare des Schwanzes stehen ziemlich unregelmäßig zwischen den vieleckigen Schuppen zerstreut. Über die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 365 Dasypus minutus Desmarest hat am Panzer und den Giirteln zusammengesetzte Schuppen, welche bestehen aus einer länglichen Mittelschuppe, umgeben (außer am Hinterrande) von einem Kreise kleinerer Schuppen. Dasypus vellerosus Gray. Wie bei D. minutus. Tolypeutes conurus Geoffroy und trieinetus Linné. Auch bei diesen finden sich zusammengesetzte Schuppen; hier ist keine durch größeren Umfang sofort ins Auge fallende Mittelschuppe vorhanden. Jede Schuppe besteht aus einer, vorzüglich bei T. conurus, großen Anzahl kleinerer. Tatusia novemeincta Linné. (Fig. 1. pag. 317.) Der einfachste Zustand in der Schuppenbildung am Panzer der Giirtel- thiere findet sich im mittleren Theil des Schulterpanzers von Tatusia. Die Schuppen sind hier beinahe alle von gleicher Größe. Nach den Seitenrändern wird das Verhältnis bald ein anderes; es treten größere (Hauptschuppen von MEYER) auf, von kleineren (Furchenschuppen von MEYER) umgeben, welche wie- derum in 2 oder 3 verschiedenen Formen vorkommen. Am Kreuzschilde bietet sich derselbe Befund. Zwischen diesen Zuständen und denen der Gürtel kom- men vielerlei Übergänge vor, wie es ja schon GIEBEL! meldet; die nach hinten zu breiter werdenden Gürtelschuppen sind die »Hauptschuppen«, die schmal auslaufenden sind die »Furchenschuppen«. In der Regel erscheinen die letz- teren wie aus einem Stücke gebildet; die in der Fig. 1 sichtbare Querlinie, welche die schmalen Schuppen halbirt, sah ich am Rande des letzten Gürtels. Die Anordnung der Haare nun ist wieder so, dass hinter jeder Haupt- wie hinter jeder Furchenschuppe in der Regel zwei Haare stehen, bisweilen auch nur eines. Hinter jeder der Gürtelschuppen finden sich gleichfalls meistens zwei Haare. Nach RÖMER? kommen bei Embryonen auch an den Seitenrändern der Gürtelschuppen einige Haarfollikel vor. Bei einigen Exemplaren sieht man am Rücken und am Analschilde deut- liche regelmäßige Sechsecke. Dieses Bild wird dadurch hervorgerufen, dass in Folge von weniger guter Konservirung die scharfen Kiele auf der Mitte der Furchenschuppen besonders auffallend hervortreten. An der Bauchfläche finden sich Gruppen von Haaren, welche je auf einer Warze wurzeln und aus 8—10 Haaren bestehen. Diese Warzen gehen nach den Füßen hin allmählich über in Schuppen, hinter welchen Haare stehen. Sie sind weit von einander entfernt; auch in den weiten Zwischenräumen kommen hier und da zerstreute Öffnungen vor, besonders an den Rändern. Die Hinterfüße sind mit Querreihen großer Schuppen bekleidet, hinter denen je einige Haare stehen; diese Reihen wechseln mit anderen, aus viel kleineren Schiippchen zusammengesetzten Reihen ab, denen die Haare fehlen. ! Die Säugethiere. pag. 421. 2 Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaften. XXVII. N. F. XX. 366 J. C. H. de Meijere Manis crassicaudata Geoffroy. Die Abbildung, welche WEBER! von Manis giebt, stimmt beinahe genau mit meinem Befunde bei M. crassicaudata überein; nur stehen hier meistens unter jeder Schuppe jederseits zwei, dicht neben einander wurzelnde Haare. Nach WEBER’s Ansicht ist das Haarkleid wahrscheinlich redueirt worden; als Argumente hierfür führt er an, dass 1) mehrere afrikanische Arten in der Ju- gend unter den Schuppen Haare besitzen, welche sie später verlieren, und 2) dass den meisten Haaren die acinösen Drüsen fehlen. Ich glaube auch in der Haarstellung ein Argument für die stattgehabte Reduktion zu finden. Überall, wo sonst Haare hinter Schuppen vorkommen, sind diese entweder gleichmäßig über den Hinterrand vertheilt, oder gerade auf der Mitte desselben koncentrirt; sehr oft fand ich ja, dass von den zu dreien stehenden Haaren das Mittelhaar am meisten ausgebildet war; hier bei Manis dagegen sind die Haare bis an die äußersten Enden des Hinterrandes der Schuppe zurückge- drängt. Eins von beiden ist nun der Fall: entweder sind alle die zwischen- liegenden Haare verloren gegangen, oder die Schuppen sind viel größer als vorher geworden und dadurch die früher eine Reihe bildenden Haare in zwei Gruppen aus einander getrieben; vielleicht haben beide Ursachen zusammenge- wirkt. In beiden Fällen aber wurde das Haarkleid reducirt. An den behaarten Theilen der Pfoten, am Bauche und an der Brust stehen die Haare überall einzeln, ohne Regelmäßigkeit zerstreut; nirgend sah ich eine Spur von Gruppirung. Manis javanica Desmarest. An der Brust stehen die Haare ziemlich weit aus einander, ohne Gesetz- mäßigkeit. Alle sind einander gleich. Manis trieuspis Rafinesque. Bei einem Embryo von 15 cm standen an der Brust und auch am Hinter- fuße die Follikel ohne Regelmäßigkeit; hier und da war ein Haar eben im Begriff durchzubrechen. Orycteropus capensis Geoffroy. Am Rücken eines Fötus von 29 cm fand ich sehr deutliche, weit aus ein- ander stehende Gruppen. Jede enthält 4 oder 5 Follikel, von denen der mit- telste immer bei Weitem der größte ist und auch schon ein vollständig ange- legtes, aber noch nicht durchgebrochenes Haar enthält. Öfters fand ich außerhalb der Reihe der übrigen Haare, in der Nähe des Mittelfollikels, noch eine kleine Haaranlage. Bei mehreren erwachsenen Exemplaren waren von diesen Gruppen noch Spuren zu sehen. Oft kommen Reihen von 3 oder 4 Borsten vor, welche mit einigen wenigen sehr kurzen und feinen Haaren eine Gruppe formiren. Dass »immer zu einem Stammhaare einige Wollhaare gehören?«, fand ich nicht be- stätigt. Am Schwanze ist die Haarstellung wenig deutlich. Es giebt Spuren von Gruppen von 4—6 Stück. | Zoologische Ergebnisse. Bd. Il. Tab. II Fig. 2. 2 LeypiG, MÜLLER’s Archiv. 1859. pag. 685. Uber die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 367 Sirenia. Manatus. Nach Leyvı6! ist bei Manatus »die ganze obere Seite des Leibes nebst den Lippen mit kurzen zerstreuten Borsten besetzt«. Auch bei MURIE? ist von Haargruppen keine Rede. Halicore dujong Illiger. Ein Fötus trug am Rücken nur hier und da ein sehr feines und kurzes Haar; an Ober- und Unterlippe stehen zahlreiche Haare, welche an der Ober- lippe grob, an der Unterlippe viel feiner sind. Andeutungen einer gesetz- mäßigen Anordnung habe ich eben so wenig wie LEYDIG? finden können. Ungulata. Hippopotamus amphibius Linné. (Fig. 23 und 24 pag. 344.) Über das Haarkleid von Hippopotamus besitzen wir umfangreiche Mitthei- lungen von WEBER®. Auch neugeborene Thiere wurden von WEBER untersucht. Über Gruppirung der Haare spricht er nicht. Von der Verwandtschaft zwischen Hippopotamus und Sus angeregt, durch- forschte ich noch einmal genau den Kopf des genannten neugeborenen Exem- plares, wobei sich ergab, dass 1) an der Stirne zwischen den Augen hier und da 4—5 Haare auffallend dicht neben einander in einer Reihe gestellt waren, jedoch zu unregelmäßig, um mit Sicherheit Gruppenbildung konstatiren zu können, 2) was wichtiger ist, dass deutliche Gruppen noch vorhanden sind an einer kleinen Strecke hinter den Ohren; diese Gruppen bestehen aus 3—5 Haaren welche keine Reihe bilden, und alterniren ziemlich regelmäßig (cf. Fig. 24). Außer an diesen Stellen fand ich die Haare überall zerstreut, auch an der dichtbehaarten Ohrmuschel konnte ich keine Gruppen unterscheiden, eben so wenig an einigen Stücken der Rückenhaut desselben Thieres. Bei einem ausgestopften jungen Thiere konnte man diese Haargruppen gleichfalls sehr schön beobachten. Bauch und Füße besaßen dagegen wieder zerstreute Haare. Bezüglich der tubulösen Drüsen vergleiche man pag. 343. Die gespaltenen Haare, welche Bündeln ähneln, wurden schon pag. 332 erwähnt. Hippopotamus liberiensis Morton. Bei einem Fötus von 53 cm fand ich über den Ohren wohl wieder Gruppen von 3 oder 4 Haaren, aber in geringerer Zahl und also auch weniger auffallend als bei dem jungen H. amphibius. Im Übrigen standen die Haare unregelmäßig. Weder bei einem jungen noch bei einem erwachsenen ausgestopften Exemplare, welche gleichfalls im Leydener Museum aufbewahrt werden, gelang es mir, irgend etwas von Gruppenbildung zu beobachten. 1 MULLER’s Archiv. 1859. pag. 684. ? Transactions Zool. Soc. Vol. VIII. pag. 133. On the form and structure of the Manatee. 3 MüLter’s Archiv. 1859. pag. 684. 4 Studien über Säugethiere. Jena 1886. pag. 7. 368 J. C. H. de Meijere Sus vittatus S. Miiller. Bezüglich des Verhaltens bei Sus vergleiche man pag. 321 und Fig. 7. Während bei einem jungen Exemplare von Sus vittatus die Follikel der Borsten eine Länge erreichen von ca. 1,69 mm, sind diejenigen der Wollhaare nur 0,39 mm lang. Beide Haararten besitzen kleine acinöse Drüsen; Schweißdrüsen kommen nur an den Borsten vor, münden jedoch auch dort immer in die Spitze eines Follikels. Sus scrofa Linné var. domestica. Bei einem Embryo waren am Riicken die Haare eben erst angelegt; deut- lich war schon dasselbe Schema vorhanden wie bei Sus vittatus. Am Riicken eines neugeborenen Schweines fand ich die Gruppen von je drei Borsten wieder; das Mittelhaar jeder Gruppe steht nicht mit den übrigen Haaren in einer Reihe, sondern weiter schwanzwärts; überdies ist es öfters stärker (0,097 mm) als die seitlichen Haare (0,065—0,078 mm). Selten traf ich vier Haare in einer Gruppe. Die dünnen, kurzen Haare von S. vittatus fehlen hier. Fertigt man je- doch Querschnitte durch die Haut an, dann findet man mit Sicherheit Spuren derselben in Follikelanlagen, welche mehr oder weniger ausgebildet sind; bei dem von mir untersuchten Thiere enthielt jedoch keines die Anlage des Haares selbst. An der Brust sind die Gruppen sehr undeutlich, während am Schwanze die Haare ganz unregelmäßig zerstreut stehen. Schließlich untersuchte ich noch die Rückenhaut eines erwachsenen Schweines. Hier stehen, von der Außenfläche betrachtet, die Haare fast unregel- mäßig angeordnet; besieht man jedoch die Innenfläche, dann sind die Gruppen von je drei Haaren äußerst schön. Man findet dann nämlich immer drei Fol- likel gerade neben einander in einer Reihe, während diese Gruppen von ein- ander weit entfernt und deutlich alternirend angeordnet sind. Von den Fol- likeln der Wollhaare fand ich hier auf Querschnitten keine Spur. Die Schweißdrüsen münden beim neugeborenen Schweine alle in den Driisenfollikeln; beim erwachsenen Thiere ist dies sehr oft auch noch der Fall; einige findet man auf Querschnitten wohl einzeln, aber doch noch dicht neben einem Haare (z. B. in 0,012 mm Entfernung); bisweilen aber ist kein Haar in der Nähe zu sehen. CARSTEN HARMS! und CHODAKOWSKI? fanden dasselbe Verhältnis. Sus barbatus S. Müller. Am Rücken standen die Borsten deutlich zu dreien. Potamochoerus penicillatus Schinz. Hier sind die Gruppen schlecht zu sehen; nur an der Kehle fand ich noch deutliche Gruppen von drei Stiick. Bei einem jungen Individuum waren am Riicken die Gruppen von je 3 Borsten deutlich zu erkennen; das Wollhaar war sehr ausgebildet. ' Beiträge zur Histologie der Hautdrüsen der Haussäugethiere. Hannover 1868, 2 Hautdrüsen einiger Säugethiere.. Dissertation. Dorpat 1871. pag. 43. Über die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 369 Babyrussa alfurus Lesson. Gut ausgebildete Gruppen fand ich an der Kehle, einige auch am Rücken. Es scheinen dort aber meistens die lateralen Haare den Charakter von Borsten verloren zu haben und dünn und farblos zu sein, sind also auch nur mit Mühe zwischen den Wollhaaren zu erkennen. Phacochoerus aethiopicus Pallas. Am Rücken stehen die Borsten deutlich zu dreien; die sehr langen Rückenmähnen stehen oft in Gruppen von fünf Stück, welche dann dicht neben einander in einer Reihe gestellt sind. FirzinGEerR! sah eben solche Gruppen bei Phacochoerus aeliant. Dicotyles torquatus Cuvier. Bei einem Fötus von 24cm fand ich die Borsten deutlich zu dreien. In der Regel ist das Mittelhaar am meisten ausgebildet. Auch das erwachsene Thier zeigt diese Gruppen sehr schön; zwischen denselben stehen wieder sehr zahlreiche Wollhaare. Das Schema ist das gleiche wie bei Sus. Camelus dromedarius Erxleben. An einem getrockneten Stückchen der Haut des Unterbeines waren deut- liche Gruppen, je aus meistens 3, bisweilen 4 Bündeln gebildet, zu sehen. In der Regel enthält jedes Bündel ein grobes Haar (von 0,06—0,09 mm), während die übrigen Haare meistens etwa 0,04 mm erreichen. Beide Haararten sind gleich gebaut und haben ein sehr entwickeltes Mark. Alle Haare waren kurz und anliegend. Öfters fand ich in der Mitte einer Gruppe ein isolirtes Haar statt eines Bündels: in diesem Falle stimmte die Haarstellung ganz mit der vom Lama. An einem in Alkohol aufbewahrten Theile der Haut aus der Umgebung der Milchdrüsen standen die Haare alle einzeln und meist unregelmäßig; hier und da fand ich eine Reihe von 3 oder 4 Haaren. RıcHIArDI? meldet, dass die Schweißdrüsen in die Haarfollikel münden; nur sollten sie in den Oceipitaldrüsen selbständig sein. Auchenia paco Desmarest. An der Unterseite des Schwanzes fand ich die Haare deutlich zu dreien. Alle sind fast gleich dick. Auch an der Haut, welche die Phalangen bekleidet, ist die Haarstellung eine einfache. Gruppen von je drei sind hier zahlreich, aber auch viele von zwei Haaren kommen vor, ferner auch mehrere isolirte Haare. Die Haare stehen in den einzelnen Gruppen hier dichter neben einander als am Schwanze. Der Rücken ist dicht behaart und die Gruppen stehen dicht neben ein- ander (Fig. 33). Eine jede ist aus einem isolirten Mittelhaare und jederseits einem Bündel von 4—6 (meistens 3) Haaren zusammengesetzt; die Bündelhaare sind nur wenig dünner. Der gemeinsame Follikel hat eine Länge von etwa 0,2mm. Alle Haare sind schwarz. Ich notirte folgende Maße: Diameter des isolirten Haares 0,024—0,028 mm; der Bündelhaare 0,016—0,02 mm. ! Revision der Schweine. Sitzungsber. der Akad. der Wiss. Wien 1864. 2 Proe. Verb. della Soc. Tose. di Se. nat. Marzo 1881. pag. 196. 370 J. C. H. de Meijere Wichtig ist das Verhiltnis des neugeborenen Thieres; hier fand ich — am deutlichsten auf Querschnitten, welche die Haarrichtung senkrecht trafen — überall am Rücken die Haare zu dreien, bis- Fig. 33. weilen auch Gruppen von 2 oder 4 Stiick. Das Mittelhaar kann dicker sein (0,02 mm) als Ron die seitlichen Haare (0,012—0,016 mm). 99'898 -@®- Den Verlauf der tubulösen Drüsen unter- Er suchte ich zunächst an der Unterfläche des nn 9 ‘© e-® ®* Schwanzes, wo die Haare zu dreien stehen. > O°@ ©'® ©® Es ergab sich, dass hier oben im Follikel "od GD. =) “.)» “Qe s - 7 i Eu & sa © © © Oe: eines jeden Haares eine solche Driise miindet. “2 O8°O 0-® ©-@ Der Ausführungsgang hat einen Diameter von Acid wats, Race 0,016 mm und zeigt die Eigenthiimlichkeit, dass er im oberen Theile dunkelbraun pig- mentirt ist, während die untere Hälfte eben so wie der eigentliche Drüsen- schlauch farblos ist; der Übergang ist ein so plötzlicher, dass man zunächst meint, einen abgeschnittenen Theil des Ausführungsganges vor sich zu haben. Der Driisenschlauch ist bedeutend erweitert und ein wenig geschlängelt. Die acinösen Drüsen sind hier stark entwickelt und verzweigt. Am Rücken zeigt der Ausführungsgang dasselbe Verhältnis; die unteren Enden sind hier bisweilen nur wenig erweitert. Die Ausmündung findet wieder in einen Haarfollikel statt, aber nur bei den einzeln stehenden Haaren, nicht bei den Biindelhaaren. Die acinösen Drüsen des Rückens sind klein. Tragulus javanicus Pallas. Fig. 34. Der Rücken besitzt deutliche Haargruppen. Jede Fee? pening u Gruppe (Fig. 34) besteht aus etwa 5 gröberen mark- ee haltigen Haaren, in einer Reihe angeordnet, und zwi- schen diesen dünnere, marklose Haare. Die Gruppen ae duties stehen dicht neben einander, sind aber nicht immer u er: BEER deutlich getrennt. An der hinteren Extremität finden sia ee RSS sich in vielen Gruppen nur drei Haare der markhalti- gen Art. Tragulus javanicus. Rücken. Für das Verhalten bei einem jungen Exemplare von 26 cm vergleiche man pag. 335. Tragulus meminna Erxleben. Am Rücken fand ich dasselbe Schema wie bei T. javanicus. Die gleichen Gruppen kommen am Schenkel vor; sie bestehen aus 4—5 groben Haaren mit sehr stark entwickeltem Marke und längeren Follikeln (0,39 mm); ferner steht zwischen je zwei dieser Haare und etwas vor ihnen ein feines, kurzes, mark- loses Haar mit einem Follikel, der nur 0,156 mm erreicht. Die starken Haare besitzen acinöse und tubulöse Drüsen, welche letztere an der Spitze eines Follikels oder in sehr geringer Entfernung vom Haare münden. Den feinen Haaren fehlen beide Arten von Drüsen, Über die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 371 Hyaemoschus aquaticus Gray. Bei einem halberwachsenen Exemplare von 44 cm kommen am Hinterfuße Reihen von 3—5 Stiick vor. Die Haare sind unter einander verschieden: die meisten besitzen Mark und sind 0,06—0,072 mm dick, andere sind marklos und erreichen nur 0,02 mm. x Überdies giebt es noch sehr feine Haare (0,008 mm), welche gleichfalls marklos sind und mit den gröberen alterniren. Auch am Rücken sind die Reihen von 3 oder 4 Stück noch gut zu er- kennen. Die marklosen Haare von 0,016—0,02 mm Dicke sind hier verhältnis- mäßig zahlreicher als an den Pfoten. Dagegen vermisste ich die sehr dünnen Haare von 0,008 mm. Das Haarkleid zeigt hier offenbar denselben Entwicklungsgrad wie der oben beschriebene junge Tragulus javanicus erreicht hatte. Moschus moschiferus Linné. Am Rücken stehen die groben, zum größten Theile aus Markzellen be- stehenden Haare zerstreut, ohne Gruppirung. Hier und da kommt ein Bündel- chen vor von 1—3 dünnen, marklosen Haaren (0,008—0,012 mm). Der allgemeine Follikel zeigt sich auf Querschnitten, wenn vorhanden, doch stets sehr kurz. Es ist hier eben die ganze Länge der Follikel der Kolbenhaare nur eine sehr geringe, nämlich bei den feinen Haaren 0,08—0,1 mm, bei den markhaltigen Haaren nur 0,12 mm. An der Haut, welche das Auge umgiebt, fand ich bei den markhaltigen Haaren nur eine Spur von Reihen; die dünnen, marklosen, braun pigmentirten Haare kamen auch hier zu je 1—3 in den Biindeln vor. Cervulus muntjae Zimmermann. Haut des Kopfes. Es finden sich deutliche Reihen; sie sind von 5—6 groben, markhaltigen Haaren von 0,1 mm Durchmesser gebildet, und ferner von diinneren, marklosen Haaren von 0,012—0,016 mm Durchmesser, welche einzeln oder zu zweien zwischen den gröberen stehen. An der Haut, welche den Tarsus bekleidet, waren gleichfalls Reihen von 5 oder mehr vorhanden. Die feinen Haare fehlen hier, alle besitzen Mark und erreichen eine Dicke von 0,045—0,078 mm. Cervus elaphus Linn. Die groben, mit mehrreihigem Mark versehenen Haare stehen am Rücken un- regelmäßig zerstreut; dazwischen kommen Truppchen von Wollhaaren vor, welche z. B. aus 6 Stück gebildet sind. Diese Haare stehen ziemlich weit aus einander. Cervus russa S. Müller. Bei einem Embryo von 34 cm waren die Haare noch nicht durehgebrochen. Dessenungeachtet sind hier die Gruppen sehr schön sichtbar; eine jede ent- hält 3—5 größere Follikel, zu einer Reihe angeordnet, und 2 oder 3 kleinere. Alces alces Linné. Haut, welche das Auge umgiebt. Die Haare stehen regellos. Etwa in gleicher Zahl fanden sich durch einander 0,05—0,12 mm dicke, viel Mark ent- haltende Haare und marklose, dünne Haare von 0,008—0,01 mm Durchmesser. 372 J. C. H. de Meijere Camelopardalis giraffa Gmelin. An einem Stiickchen der Kopfhaut standen die Haare fast regellos; die meisten besaßen mehrreihiges Mark und eine Dicke von 0,06—0,1 mm; nur hier und da kam ein markloses Haar von 0,012—0,02 mm vor. Grimmia mergens Blainville. Embryo von 37 cm. Die Haare waren erst seit Kurzem durchgebrochen. An senkrecht auf die Haarrichtung geführten Schnitten sah man sehr deutlich viele Gruppen von drei und einige von vier Stück. Das Mittelhaar jeder Gruppe war weiter ausgebildet und auch stärker als die seitlichen Haare. Antilope cervicapra Pallas. Kopfhaut. Die groben markhaltigen Haare von 0,088—0,1 mm Diameter stehen in deutlichen Reihen von 3 oder 4 Stück; zwischen je zwei groben Haaren findet sich ein markloses, feines Haar von 0,016—0,02 mm. An einem Hautstücke des Hinterfußes fand ich, dass die Schweißdrüsen wieder in die Spitze der Haarfollikel münden; sie haben einen feinen Ausfüh- rungsgang, welcher nach unten hin plötzlich in das viel weitere längliche Drü- sensäckchen übergeht. Die Vertheilung des Pigmentes verhielt sich in der Epidermis fast genau so wie in vielen beschuppten Schwänzen, es reicht immer bis in die Nähe eines Haarfollikels ; darauf folgt dann eine kurze pigmentlose Strecke. Am Rücken eines nicht ganz erwachsenen Exemplares fand ich die Reihen eben so deutlich. Zwischen je zwei markhaltigen Haaren (0,06 mm) stehen mei- stens 1—2 feinere marklose Haare von 0,012 mm. Rupicapra rupicapra Erxleben. An einem Hautstiicke aus der Gegend der Postauriculardriise fand ich die dicken, markhaltigen Haare (von 0,042—0,072 mm) in ziemlich unregelmäßiger Vertheilung; von Reihen war nur hier und da eine Spur zu erkennen. Zwi- schen je zwei dieser groben Haare kommen oft kleine Bündel feinerer, mark- loser Haare vor von 0,006—0,012 mm. Ihr allgemeiner Follikel erreicht eine Länge von 0,12—0,16 mm. An der Haut, welche die Phalangen des Hinterfußes bekleidet, fand ich dasselbe Verhältnis. Nur erreichte hier der allgemeine Follikel der feinen Haare eine geringere Länge, und zwar nur von 0,06—0,1 mm. Dieses Verhalten scheint mir dafür zu sprechen, dass diese Bündel nur stark entwickelte falsche Bündel darstellen, welche Ansicht noch durch das Verhältnis bei anderen Coty- lophora unterstützt wird. Bei letzteren finden wir nämlich an derselben Stelle, wo hier diese Bündel vorkommen, kleine Truppchen von Wollhaaren mit ganz getrennten Follikeln. Capra hireus Linné. Ein Fétus von 32 cm wies am Riicken deutliche Gruppen auf (Fig. 18 pag. 335). Meistens war von jeder Gruppe nur das Mittelhaar durchgebrochen ; zu beiden Seiten desselben kamen 1 oder 2 jiingere Follikel vor. Eine jede Gruppe enthielt überdies, mit den größeren Follikeln abwechselnd, 2 bis 4 sehr kleine Follikel. Uber die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 373 Ovis musimon Schreber. Am Hinterfuße kommen zwei Haarsorten vor, dickere, viel Mark enthal- tende von 0,04—0,06 mm und feinere, marklose von 0,008 mm. Von letzteren findet man meistens je ein Truppchen von 3—5 Stück zwischen zwei der gri- beren Haare. Auf tieferen Flächenschnitten sieht man, dass die groben Haare noch deutlich in Reihen von z. B. 4 Stück angeordnet sind. Diese vier mit den drei dazu gehörigen Truppchen von feinen Haaren bilden also hier eine Haargruppe. Auch am Rücken kommen beide Haarsorten vor. Die Reihen der markhaltigen Haare sind indess undeutlich. Die Wollhaare stehen gleich- falls in Truppchen von etwa 5 Stück, aber diese sind so dicht an einander ge- riickt, dass man bisweilen fast von falschen Bündeln reden könnte. Auf Quer- schnitten lässt sich jedoch immer nachweisen, dass der gemeinsame Follikel, wenn er überhaupt vorhanden ist, nur sehr kurz ist. Die tubulösen Drüsen münden in die Follikel der groben Haare. Ovis aries Linn£. Die Haut des Unterbeines bei einem Embryo von 35 cm zeigt, dass die Anlagen der noch nicht durchgebrochenen Haare zu dreien oder zu vieren stehen. In jeder Gruppe ist deutlich ein am meisten ausgebildetes Mittelhaar siehtbar. Öfters fließen neben einander liegende Gruppen zusammen. Am Rücken waren die Gruppen ein wenig undeutlicher. Bei einem neugeborenen Congoschafe stehen die Haare am Riicken regel- los; es sind gröbere von 0,039—0,048 mm und dazwischen feinere von 0,008 bis 0,016 mm vorhanden, aber es kommen auch alle Übergänge zwischen den genannten Maßen vor. Am Metatarsus fand ich dagegen deutliche, meistens reihenförmige Grup- pen von 3, 4 oder mehr Haaren. Die Gruppen standen dicht bei einander. Die Haare sind von verschiedenem Kaliber, meistens findet man gröbere von 0,044—0,06 mm und feinere von 0,016—0,02 mm. Eine bestimmte Vertheilung der gröberen und feineren Haare konnte ich nicht nachweisen. Am Rücken traf ich kleine Schweißdrüsen, deren Ausführungsgang ziem- lich plötzlich in den Drüsenschlauch übergeht. Letzterer ist 0,024—0,04 mm breit und verläuft fast gestreckt. Die Ausmündung erfolgt hauptsächlich in die Spitze der Follikel der diekeren Haare; ich traf aber auch noch eine Drüse in Verbindung mit dem Follikel eines Haares von 0,016 mm z. B. Die acinösen Drüsen sind wenig entwickelt, besonders an den feineren Haaren. Die Ver- gleichung mit Ovis musimon macht es wahrscheinlich, dass alle diese Haare zu den Stichelhaaren gehören, dass also die eigentliche Wolle in diesem Stadium noch fehlt. Was das erwachsene Schaf betrifft, so findet man bei mehreren Autoren, z. B. bei GoETTE, FEIERTAG u. A. die Angabe, dass die Haare in Bündeln stehen. So sagt z.B. GoETTE: »Es ist bekannt, dass die Wolle des Schafes, wie das Haar vieler anderer Thiere, bündelweise in der Haut steckt.« Ob die Haare dieser Bündel aus einer gemeinsamen Follikelöffnung zu Tage treten oder nicht, kann man hieraus nicht ersehen. In den Abbildungen dagegen, welche NArnusıus in »Die Vorgänge der Vererbung bei Hausthieren« giebt, ist deut- lich sichtbar, dass Letzteres der Fall ist; Taf. I Fig. 4, Taf. II Fig. 8, Taf. III Fig. 9 und Taf. IV Fig. 10 lassen keinen Zweifel übrig. Die Anordnung m . Gruppen ist am besten angedeutet in Taf. I Fig. 6 und Taf. TV Fig. 10. Be- 374 J. C. H. de Meijere ziiglich der Anordnung dieser Gruppen unter einander wage ich mich nicht zu äußern. In der oben genannten Taf. I Fig. 6 erkennt man keine Regelmäßig- keit; wahrscheinlich werden sich in dieser Hinsicht auch bei den verschie- denen Rassen Unterschiede ergeben. Bubalus bubalus Linne. Die Rückenhaut ist sehr spärlich behaart. Makroskopisch sieht man nur 3—4 cm lange Haare, 1—2 cm von einander entfernt; ihr Diameter ist etwa 0,08 mm; sie sind markhaltig. Auf Schnitten trifft man mehrere Follikel, welche, oberflächlich betrachtet, ein Bündel (bis 5 Stück) dünner (0,02 mm) Haare enthalten, welche nur wenig aus der Haut hervorragen. Die eingehendere Untersuchung lehrt Folgendes: 1) alle diese Haare sind Kolbenhaare; 2) in der Regel verschmälert sich der breite Follikel, in welchem diese Haare stecken, an seinem unteren Ende, meistens einigermaßen seitlich, plötzlich, und setzt sich dann noch eine Strecke weit in dem Corium fort; in diesem schmalen Theile befindet sich ein neues Haar, welches noch auf seiner Papille festsitzt und mit seiner hakenförmigen Spitze zwischen den unteren Enden der ge- nannten Haare liegt; 3) die acinösen Drüsen finden sich an der Basis der brei- ten oberen Hälfte des Follikels. Diese Thatsachen sprechen dafür, dass hier bloß die Kolbenhaare, statt bei dem Haarwechsel verloren zu gehen, immer in dem breiten Theile des Follikels bewahrt geblieben sind. Weder die acinösen noch die tubulösen Drüsen sind hier stärker als ge- wöhnlich entwickelt; ich fand beide Arten sowohl an den Follikeln der groben wie an denen der feinen Haare. Die Schweißdrüsen zeigen an ihrem unteren Ende eine mehr oder weniger plötzlich auftretende Erweiterung und münden immer oben in einen Haarfollikel. Bos taurus Linné. Die Brusthaut ist nicht gleichmäßig behaart, aber eben so wenig findet man, auch nicht auf Querschnitten, gut umschriebene Gruppen. Oft kommen zwei, bisweilen drei Haare aus derselben Öffnung; dann ist jedoch immer der gemeinsame Follikel sehr kurz (0,08—0,012 mm) im Verhältnis zur Haardicke; jedes Haar besitzt auch seine eigene Schweißdrüsen, so dass man hier wohl mit falschen Bündeln zu thun hat. Alle Haare sind gleich gebaut, der Durch- messer schwankt zwischen 0,016 und 0,06 mm. Ein Embryo von 23 cm hatte am Rücken zerstreute junge Follikel, 0,16 bis 0,2 mm von einander entfernt. Von einem älteren Embryo, dessen Rumpf 23 cm lang war, war der Rücken schon ziemlich dicht behaart; alle Haare standen regellos zerstreut. Auf senkrecht zur Haarrichtung geführten Schnitten war höchstens eine Spur von Reihen sichtbar. An der Haut des Unterbeines dagegen kamen deutliche Reihen von 3 oder 4 Stück vor. Die Gruppen stehen auch hier nahe neben einander. Tapirus americanus Linne. Bei einem jungen Exemplare standen die Haare einzeln, ohne besondere Anordnung. An Flächenschnitten durch die Rückenhaut fällt es schon auf, dass immer einige Haarfollikel sich mehr und mehr nähern, in je tiefere Haut- schichten man kommt. Uber die Haare der Siiugethiere, besonders iiber ihre Anordnung. 375 Deutlicher fand ich die Gruppenstellung am Hinterfuße. Hier stehen immer je 3—6 Haare nahe bei einander; alle sind gleich gebaut, meist von 0,036 mm Durchmesser, bisweilen ist eins der Haare stärker (0,06—0,08 mm). Am häufigsten fand ich Gruppen von 4 Stück. Tiefere Flächenschnitte zeigen auch hier die Gruppen am deutlichsten, weil die Follikel nach unten zu kon- vergiren. Equus caballus Linné. Beim Pferde fand ich an einem Hautstiick des Fußes alle Haare einzeln und gleich gebaut; der Durchmesser schwankt zwischen 0,016—0,024 mm. Sie stehen ziemlich unregelmäßig; auf Querschnitten erkennt man wohl noch Spuren von Reihen oder Gruppen, aber in der Regel fließen diese Gruppen zusammen. Bei einem noch unbehaarten Embryo stehen am Rücken und Fuße die Haarfollikel, die nur in der Anlage vorhanden sind, nahe beisammen; an ver- schiedenen Stellen sah ich Gruppen von drei Stück, in denen dann das Mittel- haar etwas mehr ausgebildet war. Oft auch war die Anordnung eine unregel- mäßige. Dass die Schweißdrüsen in die Haarfollikel münden, war schon be- kannt (cf. CARSTEN HARMS1, CHODAKOWSKT? u. A.). Rhinoceros javanicus Cuvier. Ich untersuchte einen Fétus von 38cm, der im Leydener Museum auf- bewahrt wird. Die Haut zeigt hier sehr eigenthiimliche Niveaudifferenzen. Das ganze Thier sieht wie beschuppt aus, aber die Schuppen sind unregelmäßig in ihrer Form, bald mehr abgerundet, bald eckig; bald größer, bald kleiner. Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass die Epidermis größten- theils fehlte und dass jede Schuppe durch eine große flache Lederhautpapille gebildet wurde. Haare waren noch nicht vorhanden; wohl fand ich Organe, welche höchstwahrscheinlich die erste Anlage derselben darstellten, Epithel- wucherungen, welche in die Lederhaut vorspringen und an ihrem unteren Ende ihrerseits durch eine Lederhautpapille eingestülpt sind. Diese Organe fand ich — wenigstens an dem kleinen Hautstückchen, welches ich untersuchte — 1) in den schmalen Intervallen zwischen den Schuppen, und zwar war jede Schuppe von etwa acht umgeben, und 2) je eins in der Mitte jeder Schuppe. Auch später müssen, nach GIEBEL°®, gerade in der Mitte jedes Schildes, eine oder mehrere kurze Borsten vorhanden sein. Wie dieses eigenthümliche Verhältnis zu erklären ist, vermag ich augen- blieklich nicht zu sagen. Rhinoceros sumatrensis Cuvier. Bei einem stark behaarten jungen Thiere konnte ich im Allgemeinen keine Gesetzmäßigkeit erkennen. Vielleicht sind am HinterfuBe noch Spuren von Reihen vorhanden. ! Beiträge zur Histologie der Hautdrüsen der Haussiiugethiere. Hannover 1868. 2 Hautdriisen einiger Säugethiere. Dissertation. Dorpat 1871. 3 Die Säugethiere. pag. 205. 376 J. €. H. de Meijere Rhinoceros tichorhinus Fischer. Nach BRAnDT's Beschreibung! müssen dieser fossilen Form Haarbündel eigenthiimlich gewesen sein. In diesen Bündeln, welche ohne bestimmte Grup- pirung gestellt waren, fanden sich in der Mitte diekere und längere, ringsum feinere Haare vor, welche durch Übergänge mit ersteren verbunden waren; jedes Bündel enthielt deren 20 oder mehr. Die dicksten Haare erreichten eine Länge von 4cm und eine Breite von 0,07—0,1 mm. Hyrax capensis Schreber. An Brust und Rücken stehen die Haare in Gruppen von 10—15 Stück, von welchen meistens ein in der Mitte stehendes etwas stärker ist (0,04 mm) als die übrigen (0,02—0,028 mm). Im Allgemeinen hat jedes Haar seinen be- sonderen Follikel, öfters jedoch kommt es vor, dass einige dünnere Haare zu- sammen in einer Hautvertiefung stecken, so dass ein falsches Bündel gebildet wird. Bisweilen werden auch einige Haare von einem kurzen gemeinsamen Follikel umfasst (höchstens 0,06-—0,08 mm lang). Die acinösen Drüsen sind sehr klein. Schweißdrüsen fand ich nicht. Elephas afrieanus Blumenbach. Elephas indicus Linné. Elephas primigenius Blumenbach. Uber die Behaarung der Elephanten erschien vor Kurzem eine Abhandlung von Mosius?. Er fand bei diesen, wie beim Mammuth, zweierlei Sorten von Haaren, welche er als Grannenhaare und Flaumhaare unterscheidet. Letztere finden sich in größerer Zahl, stehen beim asiatischen Elephanten 2—4 mm von einander entfernt, während der Abstand zweier Grannenhaare S—14 mm be- trägt. Er giebt folgende Maße an?: Elephas indicus: Flaumhaar 0,08—0,15 mm, Grannenhaar 0,2—0,3 mm, Elephas africanus: Flaumhaar 0,06—0,14 mm, Grannenhaar 0,17—0,3 mm. Beim Mammuth war das Haarkleid viel stärker entwickelt, besonders was die Wollhaare betrifft. Diese sind meistens nur 0,2 mm von einander entfernt, die Grannenhaare 4—5 mm. Von einer bestimmten Anordnung ist bei ihm nirgends die Rede. Bei einem jungen ausgestopften Exemplare von E. indieus konnte ich dasselbe auch nicht nachweisen. Eben so wenig konnte ich Haargruppen finden an verschiedenen Haut- theilen eines erwachsenen afrikanischen Elephanten. Wohl sah ich an der Oberlippe oft gespaltene Haare. Die Angabe Esuus‘, »dass in der Ohrgegend gewöhnliche Haare büschelartig standen«, weist wahrscheinlich auf dieselbe Erscheinung hin. ! De rhinocerotis antiquitatis etc. Mém. de l’Ac. Imp. des Sciences de St. Pétersbourg. Tome V. 1849. pag. 196 ete. ved 2 Sitzungsber. der k. preuß. Akademie der Wiss. Berlin. XXVIII. 1892. pag. 527 ete. 3]. ce. pag. 535. 4 Die Lehre von den Haaren. Wien 1851. Bd. I. pag. 153 (nach Leypi@). Uber die Haare der Siiugethiere, besonders iiber ihre Anordnung. 377 Hautdriisen ergaben sich als sehr selten. Ich untersuchte die Haut vom Rücken, Riisselspitze, Bauch, Oberlippe und Augenlid, und fand von tubulösen Drüsen nirgends eine Spur, acinése Drüsen nur an den Augenlidern; dort mün- den sie gewöhnlicherweise in den Haarfollikel. Rodentia. Lepus europaeus Linné. Am Riicken (Fig. 35) kommen Gruppen vor von einem Stichelhaare (von 0,056 mm) und jederseits 2—3 Biindel feiner Haare, welche je 10 oder mehr Stiick von 0,008 mm Durchmesser enthalten. Die Grup- pen alterniren wieder. Die isolirten Haare haben ein Fig. 35. sehr entwickeltes, mehrreihiges Mark. : ; Rn ‘o Ein Embryo von 16 cm ergab auf Querschnitten lau) Ai durch die Haut gleichfalls sehr schöne Bilder. |. es ‘es: Die zukiinftigen groben Mittelhaare sind hier regel- mäßig alternirend angeordnet, auf dem Querschnitt biskuitförmig (Fig. 35 oben). Man findet größere, licht- aes Og ® braun gefärbte (0,072—0,1 mm breit und 0,02 mm hoch) ; und kleinere, schwarze (0,02—0,032 mm breit und 0,012 Zepus europaeus. Rücken. bis 0,016 mm hoch). Jederseits dieser Mittelstammhaare bein pe Ey Se kommt meistens 1, bisweilen 2 kleinere Stammhaare Haargruppe des erwachsenen vor mit rundem Querschnitt (Durchmesser 0,012 bis Thieres. 0,016 mm). Lepus euniculus Linne. Vom Kaninchen untersuchte ich den Schwanz. Die Gruppen gleichen denen des Hasen; die Bündel der Wollhaare bestehen jedoch nur aus 3—5 Haaren. Die groben Haare haben eine äußerst dünne Bastschicht und vielreihiges Mark. Anomalurus pelii Temminck. Bei einem ausgestopften Exemplare sind die kleinen Schuppen über den ganzen Schwanz deutlich zu sehen. Anomalurus beecroftii Fraser. An der Unterseite der Schwanzwurzel finden wir erstens die bekannten großen Schuppen, deren histologischer Bau von WEBER! beschrieben wurde. Aber überdies ist der ganze übrige Theil des Schwanzes von kleinen Schuppen bedeckt, welche unter dem langen Haarkleide versteckt sind. An Flächen- schnitten und besser noch an Querschnitten kann man an diesen Schuppen deutlich eine stark pigmentirte vordere und eine farblose hintere Hälfte unter- scheiden; letztere repräsentirt die ventrale Schuppenfläche. Hinter jeder Schuppe stehen 3 oder meistens 4 Haare mit glatter Oberfläche und 0,02—0,04 mm Durch- messer. Tubulöse Drüsen fand ich hier nicht. Die acinösen Drüsen sind sehr klein. Am Rücken stehen die Haare einzeln; hier und da sieht man Reihen von 3 oder 4 Stück. Auf Querschnitten durch die Haut erscheint diese Reihen- 1 Zoologische Ergebnisse. Bd. Il. pag. 13. Morpholog. Jahrbuch. 21. 25 378 J. C. H. de Meijere bildung viel deutlicher. Nach unten divergiren die Follikel. Alle Haare sind gleich gebaut, haben einreihiges Mark und einen. Durchmesser von 0,016—0,02 mm. Sminthus vagus Pallas. Auch hier stehen am Schwanze die Haare zu dreien. Alactaga jaculus Pallas. Am Rücken finden sich schöne falsche Bündel, welche je 7—12 Haare enthalten; in der Mitte jeder Gruppe steht meistens ein gröberes Haar von 0,028—0,032 mm; die übrigen Haare erreichen 0,016—0,02 mm Durchmesser. Von einem gemeinsamen Follikel ist auf Querschnitten absolut nichts nachzu- weisen. An einem Stückchen der wenig behaarten Haut der Vorderfüße fand ich Gruppen von 3, 4 oder 5 Stück; jedes Haar steht hier sehr deutlich isolirt. Bei den aus drei Stück zusammengesetzten Gruppen ist das Mittelhaar viel stärker als die übrigen Haare, hat drei- oder mehrreihiges Mark und eine Breite von etwa 0,04 mm, während die lateralen Haare PER BEN eri besitzen und 0,008—0, 024 mm Durchmesser. Dipus aegyptius Lichtenstein. Der Schwanz ist mit am Hinterrande abgerundeten Schuppen bedeckt; hinter jeder Schuppe stehen drei Haare von gleichem Kaliber. Querschnitte zeigen, dass die Hornschicht der Schuppen nur sehr dünn ist, und dass eben so wenig eine durch stärkere Pigmentirung ausgezeichnete dorsale Schuppenfläche existirt. Auch die Füße sind beschuppt, wenn auch weniger deutlich. Am Rücken (Fig. 9 pag. 323) findet man die Haare in Bündeln von 10 bis 14 Stück, alle gleich gebaut, mit eigenthümlichem zweireihigem Marke und wit einem Durchmesser von 0,012—0,024 mm. Ofters ist das Mittelhaar etwas stärker. An Flächenschnitten ergiebt sich, dass von einem gemeinsamen Fol- likel hier kaum die Rede sein kann; die Haarwurzeln liegen nur dicht bei ein- ander und jede Gruppe steckt in einer napfförmigen Einsenkung der Haut, wo- durch die Gruppen den Eindruck von Bündeln hervorrufen. Diese Einsenkung erreicht höchstens eine Tiefe von 0,06 mm, öfters ist sie nur äußerst gering. Bei einem halberwachsenen Exemplare waren die Gruppen schon vollständig; von den Hauteinsenkungen war in der Regel nicht viel zu sehen; dagegen konnte man oft schon auf Flächenschnitten erkennen, dass die einzelnen Haare der Gruppen besondere Follikel besaßen. An der Haut der vorderen Extremität fand ich bei demselben Thiere auch Gruppen von 10 Haaren, welche sich besonders in dem Punkte von denen des Rückens unterschieden, dass das Mittelhaar verhältnismäßig stärker entwickelt und auch oft viel mehr von den übrigen getrennt war. Dipodillus Simoni Lataste. An dem fast nicht beschuppten Schwanze stehen die Haare zu dreien. Uber die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 379 Pachyuromys Duprasi Lataste. Junges Exemplar. Der breite, nicht beschuppte Schwanz ist mit deutlich alternirenden Haargruppen besetzt, von denen manche aus drei Haaren bestehen. An den Füßen breiten sich die Spuren der Schuppen sehr weit aufwärts aus. Myoxus glis Pallas. Die Haarstellung am Rücken ist hier sehr einfach. Die Gruppen enthalten meistens 2 Haare, bisweilen 3 oder auch nur 1; am besten bekommt man sie zu sehen, wenn man die Flächenschnitte von der Innenfliiche betrachtet; die Follikel divergiren nämlich nach innen, während an der Oberfläche selbst die zu ein und derselben Gruppe gehörenden Haare dicht neben einander hervor- brechen. Überall ist das Mark einreihig. Einige Haare sind im distalen Theile den anderen Haaren weit an Dicke überlegen und erreichen 0,04 mm Durch- messer, woran besonders die mächtige Entwicklung der Bastschicht Schuld ist. An ihrer Wurzel kann man diese Haare nicht von den übrigen unter- scheiden; alle haben dort eine auffallend erweiterte, marklose Strecke. Am Schwanze ist die Gruppirung weniger deutlich. Von der Fläche gesehen, er- giebt sich nur, dass die Haare hier in Reihen oder Ringen angeordnet stehen. Die Gruppirung erkennt man nur in den tieferen Schichten der Cutis auf Schnitten, die senkrecht zur Haarrichtung getührt sind; die Gruppen stehen, dicht beisammen und sind zusammengesetzt aus einem Mittelhaare von 0,032 bis 0,036 mm, etwa 4 von 0,02 mm und noch 3—5 von 0,008—0,01 mm. Rhizomys sumatrensis Temminck. An der Schwanzwurzel stehen die Haare zu dreien; dann folgt eine mit einzeln stehenden, aber dennoch alternirenden Haaren besetzte Strecke, wäh- rend die distale Schwanzhälfte fast ganz unbehaart ist. Querschnitte lehrten, dass diese Strecke mit einer dünnen Epidermis be- kleidet ist und keine Spur von Drüsen besitzt. Am Rücken stehen die Haare zu 5—9 in Bündeln. Sie sind alle einander gleich, mit einreihigem Marke und von 0,012—0,018 mm Dicke. Bisweilen finden sich in der Mitte des Bündels 1—2 gröbere Haare von 0,032—0,04 mm; diese besitzen eine dicke Bastschicht und in ihrem peripheren Theile ein mehr- reihiges Mark. Auf Querschnitten durch die Haut lässt sich erkennen, dass an diesen Biindeln der allgemeine Follikel nur sehr kurz ist (0,04—0,08 mm). Jedes Haar hat seine eigenen, sehr kleinen acinösen Drüsen, welche eine be- deutende Strecke unterhalb des Anfangs des allgemeinen Follikels einmünden. Dass hier ein Beispiel von falschen Bündeln vorliegt, wurde schon pag. 323 er- wähnt. Cricetus vulgaris Desmarest. Der kurze Schwanz ist nicht beschuppt; die Haare stehen in mehr oder weniger regelmäßigen langen Reihen oder Bogen. Nur am Ende findet man noch deutlich getrennte Gruppen von 2, 3 oder 4 Haaren. Am übrigen Theile sind diese Gruppen vielfach in einander geflossen und lassen so die erwähnten längeren Reihen zu Stande kommen. Am Rücken kommen alternirende Gruppen vor, gebildet aus einem isolir- ten Haare von 0,016—0,024 mm, und 2—3 Bündeln dünnerer Haare von 0,008 mm, deren 5—8 in jedem Bündel vorhanden sind. Ausnahmsweise fand ich neben 25* 380 J. ©. H. de Meijere dem gröberen Haare auch eines der dünnen Sorte. Alle Haare besitzen ein- reihiges Mark. Hallomys audeberti Jentink. Hinter jeder Schuppe des Schwanzes stehen drei Haare. Hypogeomys antimena Grandidier. Hinter jeder Schuppe des Schwanzes stehen 4—6 Haare in einer Reihe. Hesperomys flavescens Waterhouse. Am Schwanze kommen hinter jeder Schuppe drei Haare vor. Hesperomys brasiliensis Waterhouse. Hinter jeder Schuppe des Schwanzes stehen drei Haare, von denen das wittelste fast doppelt so lang ist als die lateralen. Megalomys pilorides Pallas. Die Schuppen des Schwanzes sind fast viereckig; hinter jeder Schuppe stehen drei Haare. Hypudaeus amphibius Linne. Der Schwanz trägt viereckige Schuppen, die auf Querschnitten eine deut- lich pigmentirte Dorsalfläche erkennen lassen. Hinter jeder Schuppe stehen 4—5 Haare; die äußeren sind schwächer als die mittleren. Am Rücken kom- men Gruppen vor, welche ein isolirtes Mittelhaar von 0,012—0,018 mm und zu beiden Seiten desselben meistens zwei Bündel von 2—5 nur 0,008 mm dicken Haaren enthalten; alle Haare haben einreihiges Mark. Arvicola riparius Ord. Hinter jeder Schuppe des Schwanzes stehen drei Haare. Myodes lemnus Linné. Riicken. Gruppen, die zusammengesetzt sind aus einem einzeln stehenden Mittelhaare von 0,016 mm und aus jederseits 2—3 Biindeln von je 2—5 feineren Haaren (von 0,008 mm Durchmesser). Alle Haare haben, im unteren Theile wenigstens, einreihiges Mark. Fiber zibethicus Linné. Die Schuppen haben einen halbkreisförmigen Hinterrand und bilden also keine Quergürtel, wie z. B. bei Mus; hinter jeder finden sich drei Haare. Mus decumanus Pallas. (Fig. 22 pag. 337.) Hinter jeder der viereckigen Schwanzschuppen stehen drei Haare, die fast gleich sind und von denen hichstens das Mittelhaar ein wenig linger ist. Am Riicken kommen deutlich alternirende, ziemlich nahe beisammen stehende Gruppen vor; in der Mitte ein isolirtes Mittelhaar von 0,03—0,048 mm mit mehrreihigem Marke und jederseits desselben 2—3 Bündel diinnerer Haare (0,012 mm) mit einreihigem Marke. Jedes Bündel enthält deren nur 2 oder 3. Uber die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 381 Von dieser Species konnte ich auch junge Thiere von verschiedenem Alter untersuchen. Bei einem Individuum von 7,5 cm Länge waren am Schwanze bloß die Mittelhaare der Gruppen durchgebrochen. Dasselbe war am Rücken der Fall. Bei einem älteren Thiere von 9 cm waren am Schwanze auch die lateralen Haare durchgebrochen, aber noch weit weniger ausgebildet als die Mittelhaare. Der Rücken ist mit nahe bei einander stehenden Gruppen besetzt, deren jede in der Mitte ein Haar mit mehrreihigem Marke enthält und jederseits des- selben 1—3 mit einreihigem Marke; von den letzteren sind mehrere erst seit Kurzem durchgebrochen; ihr Durchmesser beträgt 0,016 mm. Auch ein junges Thier von 12,5 cm zeigte am Rücken noch alle Haare isolirt stehend; die Beihaare fehlten also noch. Die Mittelhaare hatten einen Durchmesser von 0,024—0,036 mm, und wenigstens im peripheren Abschnitt mehr- reihiges Mark. Auf Querschnitten durch die Haut ließen sie sich in diesem Falle viel weniger gut von den übrigen Haaren unterscheiden als bei dem vorigen Individuum. Bedingt ist dieses Verhalten dadurch, dass bei letzterem die Haare eben erst durchgebrochen waren und der Querschnitt also die dicken Enden der Haare traf, während bei dem älteren 'Thiere, dessen Haare beinahe vollständig ausgebildet waren, jeder Schnitt durch die viel dünneren unteren Theile ging. Neben jedem Mittelhaare stehen jederseits 1—4 dünnere Haare von 0,008—0,012 mm Durchmesser, Mus rattus Linné. Auf Querschnitten durch die Schwanzhaut findet man noch echte Schuppen ' mit langen, stark pigmentirten Dorsalflächen, welche mit einer dicken Horn- schicht bekleidet sind und eine kurze, nicht pigmentirte Ventralfläche, in wel- cher die Haare wurzeln; diese stehen zu dreien hinter jeder Schuppe; immer fand ich das Mittelhaar stärker als die seitlichen Haare. Mus alexandrinus Geoffroy, musculus Linné, armandvillei Jentink. Schwanz wie bei M. decumanus. Bei letzterer Art sah schon JENTINK! die Dreihaargruppen, Nesokia bengalensis Gray. Hinter jeder der viereckigen Schwanzschuppen stehen drei Haare. Wesokia setifera Horsfield. Die Haare stehen am Schwanze zu dreien. Cricetomys gambianus Waterhouse. Hinter jeder der kleinen Schuppen, welche den Schwanz bedecken, kom- men drei Haare vor, von denen das mittelste kurz und schwarz ist und stärker als die anderen. Lophuromys sikapusi Temminck. Hinter jeder der viereckigen Schuppen des Schwanzes stehen drei Haare. ! Max WEBER, Zoologische Ergebnisse. Bd. IIL. 1893. On a new Species of Rat from the Island of Flores. 382 J. ©. H. de Meijere Echiothrix leucura Gray. Der Schwanz ist mit sechseckigen Schuppen bekleidet; oft fand ich bei einem ausgestopften Exemplare drei kurze Haare hinter jeder Schuppe; oft waren weniger vorhanden. ‘Pithecheir melanurus Cuvier. Liefert gleichfalls ein sehr schönes Beispiel; der Schwanz ist mit großen viereckigen Schuppen bekleidet; hinter jeder derselben kommen drei kurze und feine Haare vor. Man vergleiche auch JENTINK!. Meriones Schlegelii Smuts. Der Schwanz ist nur wenig beschuppt; doch stehen die Haare zu dreien: alle Haare sind einander gleich. Am Rücken kommen falsche Bündel, aus 7—10 Haaren gebildet, vor; eins derselben ist gewöhnlich stärker entwickelt (0,032—0,04 mm) und enthält dreireihiges Mark, während die übrigen 0,016 bis 0,02 mm Dicke erreichen und meistens zweireihiges Mark besitzen. In Bau und Anordnung verhalten sich diese Haare ähnlich wie bei Dipus und Alactaga. Der allgemeine Follikel erreicht höchstens eine Länge von 0,08 mm, ist jedoch meistens kürzer. Georhychus hottentottus Lesson. (Fig. 15 und 16.) Man vergleiche pag. 329. Die echten Bündel enthalten je 2—3 Haare. Auf Schnitten durch die Haut, parallel zur Haarrichtung, ergiebt sich, dass auch hier die echten allge- meinen Follikel eine Länge von etwa 0,2 mm erreichen; an vielen Stellen findet man zwei von ihnen dicht bei einander liegen, jedoch fast bis auf das Haut- niveau von einander getrennt. Es kommt hier also sowohl falsche als echte Biindelbildung vor. Alle Haare sind einander fast gleich; das Mark ist überall einreihig. Am Schwanze fand ich die Gruppen verschiedenartig gebildet; meistens in der Mitte einer Gruppe 1 oder 2 dickere Haare (0,048 mm) und jederseits desselben 1—2 Bündel, welche je 1—2 Haare enthielten. Trichys lipura Günther. Am Schwanze findet sich (nach GÜNTHER?) ein Haar hinter jeder Schuppe. Atherura fasciculata Shaw. Hinter jeder Schwanzschuppe steht ein Haar. Atherura macrura Linné. Dr. JENTINK zeigte mir, dass bei dieser nahe mit Ath. fasciculata ver- | wandten Species hinter den Schwanzschuppen je 3 Haare stehen, von denen das mittelste viel stärker ist als die anderen. Atherura africana Gray. Der Riicken ist mit Reihen von 7—9 abgeplatteten Stacheln besetzt. Hinter den Schuppen des Schwanzes steht je ein Haar; an der Wurzelhälfte ! Notes Leyden Museum. 1892. Note 21. pag. 122. 2 Proe. Zool. Soe. London. 1889. pag. 76. Über die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 383 sind diese kurz und anliegend, am Ende sind sie zu den eigenthümlichen breiten Schwanzstacheln umgebildet. Hystrix cristata Linné. Am vorderen Theile des Riickens stehen die kleinen Stacheln in Reihen von 5—7 Stück. Weiter hinten kommen sehr lange Reihen von großen Sta- cheln vor, welche je 10—12 Stück enthalten; der Follikel des mittelsten Stachels ist bei Weitem der größte. Ein junges Thier von 24 cm Länge, welches im Museum zu Leyden auf- bewahrt wird, möchte ich dieser oder einer der sehr nahe verwandten Species zurechnen, hauptsächlich desshalb, weil in der Mitte des Rückens die eben erst durchgebrochenen Stacheln in Reihen von etwa 12 Stück vorkommen, welche Zahl bei den meisten Hystrieiden nicht erreicht wird. Bisweilen sah ich noch einen feineren, eben durchbrechenden Stachel unmittelbar neben einem weiter ausgebildeten. Eigenthiümlich war ferner, dass in diesen langen Reihen immer die 2 oder 3 äußersten Stacheln jederseits die längsten waren. Nun sind weiterhin die alternirenden Reihen in der Weise angeordnet, dass die am weitesten rechts gelegenen Stacheln einer Reihe vor, beziehungs- weise hinter den am weitesten links gelegenen Stacheln der alternirenden Reihen zu stehen kommen; hierdurch ist es bedingt, dass man über den Rücken hin etwa 11 Längsreihen von sehr stark entwickelten Stacheln verlaufen sieht. Am hinteren Theile des Riickens, unmittelbar vor dem Schwanze, findet sich ein längliches Mittelfeld, auf welchem die Stacheln immer zu dreien an- geordnet sind. Diese bei dem jungen Thiere sehr auffallende Stelle ist beim erwachsenen weit weniger gut zu erkennen. Kopf, Bauch, Füße und vorderer Theil des Rückens zeigen schuppenartige Falten, hinter welchen je 5—7 Sta- cheln vorkommen, alle fast gleich ausgebildet. Acanthion javanicum Cuvier. Am hinteren Theile des Riickens (Fig. 36) kommen Gruppen vor, welche 6—7 in einer Reihe angeordneter Stacheln enthalten; jederseits stehen noch 1 oder 2 abgeplattete Stachelhaare, und über- dies enthält jede Gruppe noch eine Fig. 36. Menge feinerer Haare, welche eben- falls eine Reihe bilden. Am vor- eo @ 6ec®. deren Theile des Rückens stehen kürzere Stacheln in Reihen von 5— 7. pare UT Einfacher sind die Gruppen an den Seiten des Rumpfes, und an der Brust und dem Bauch. Hier ent- halten sie in der Regel je 2 kleine Stacheln und meistens 5—6 ziem- lich starke Haare; eins davon steht een in der Mitte zwischen den beiden Stacheln. Acanthion javanicum. Ricken, Auch hier ist die Anordnung eine reihenförmige; jede Reihe wird von 5 Haaren gebildet, von denen zwei sich durch größeres Kaliber auszeichnen. Der Schwanz ist beschuppt; die Schuppen haben einen halbkreisförmigen 384 J. C. H. de Meijere Hinterrand, hinter welchem je einer der eigenthümlichen hohlen Stacheln steht. Derselben Art gehört höchstwahrscheinlich ein junges Thier von etwa 25 cm an, welches sich im Museum zu Leyden vorfindet. Es hat am Kopfe, am | Bauche und den Rumpfseiten deutliche Falten, hinter deren jeder etwa 7 Haare standen. Einige dieser Haare sahen schon wie schwache Stacheln aus. Auf- fallend war hier auch die länglich ovale Stelle am hinteren Theile des Rückens; hier fand ich starke Haare, zu dreien angeordnet. Auf der Mitte des Rückens standen Stacheln in Reihen von meistens 7, bisweilen 8 oder 9 Stück; alle waren noch nicht lange durchgebrochen; bisweilen waren die äußeren, bis- weilen auch einer in der Mitte etwas weiter ausgebildet als die übrigen. Am kurzen Schwanze sind an der Wurzel Stacheln in Reihen von 4—6 Stück vorhanden; am Ende sieht man hier die eigenthümliche Röhre. Erethizon dorsatum Linne. Die Stacheln stehen am Rücken in Reihen von etwa 6 Stück. Dazwischen ist ein stark entwickeltes Wollhaar vorhanden. Am kurzen Schwanze stehen die Stacheln auch in Reihen von z. B. 4 Stück. Von dieser Art hat Leypig! | die Anordnung der Stacheln abgebildet. Sphiggurus insidiosus Lichtenstein. Am Rücken kommen die Stacheln vor in Gruppen (Reihen) von 3—5 Stück ; der mittelste ist in der Regel der längste und dickste und besitzt eine gelbe Spitze, während die kleineren öfters bis zum Ende schwarz sind. Zwischen diesen Gruppen ist die Haut dicht mit Haaren bedeckt. Bei einem jungen Thiere von 22 cm Länge fand ich schon dasselbe Ver- hältnis. In der Anordnung der Haare konnte ich keine Regelmäßigkeit auf- finden; sie wechseln im Durchmesser von 0,016—0,04 mm. Die distale Hälfte des Schwanzes ist beschuppt; feine Haare stehen zu zweien oder dreien hinter jeder Schuppe. Cercolabes prehensilis Linné. Am Rücken fand ich die Stacheln in Gruppen (Reihen) von 3—6 Stück, alle etwa gleich stark; daneben findet sich Wollhaar. Der proximale Theil des Schwanzes ist dicht besetzt mit kurzen, starken Haaren, welche in Reihen von etwa 5 Stück stehen; der distale Theil ist be- schuppt, hinter jeder Schuppe stehen 1—3 Haare. Chaetomys subspinosus Gray. Am Rücken finden wir hier immer Gruppen (Reihen) von 5 Borsten, von denen die mittelsten länger zu sein pflegen. Jede Reihe ist nur einige wenige Millimeter lang. In der Anordnung, wie in der Beschaffenheit der Borsten zeigt also Chaetomys viel mehr Übereinstimmung mit Aulacodus z. B. als mit den meisten Hystriciden. Am Schwanze kommen wenig entwickelte Schuppen vor, hinter deren jeder 3 Haare vorhanden sind. ' Mürver’s Archiv. 1859. Taf. XX Fig. 12. Über die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 385 Aulacodus swinderianus Temminck. Liefert gleichfalls ein sehr schönes Beispiel von Haargruppen am Rücken. Jede Gruppe besteht aus 4—7 genau in einer Reihe angeordneten Stachelhaaren, von denen die beiden mittelsten am längsten zu sein pflegen. Die Gruppen stehen weit aus einander und alterniren deutlich. Sehr deutlich war dieses Verhältnis auch zu erkennen an dem von TEn- MINCK beschriebenen Exemplare, von welchem die Haut im Museum zu Leyden aufbewahrt wird. Stellenweise fehlen die Haare und es ist hier die Haut mit ovalen, dunkelbraunen Flecken bedeckt, die mosaikartig angeordnet sind und regelmäßig alterniren; hinter jedem Flecken ist eine Reihe von Follikelöffnungen zu erkennen. Der Schwanz ist fast nicht beschuppt; doch stehen die Haare regelmäßig zu dreien. Myopotamus coypus Cuvier. Der Schwanz (Fig. 37) ist mit großen, Fig. 37. viereckigen Schuppen bedeckt, hinter welchen sich je 3 Haare finden. Am Rücken stehen die Haare in komplieirten Gruppen; jede der- selben setzt sich in folgender Weise zusammen: 1) in der Mitte ein einzeln stehendes Haar von 0,076—0,112 mm; 2) jederseits von demselben ein Haar von 0,04—0,06 mm, welche je ein Paar Beihaare besitzen; 3) noch etwa 8 Bün- deln, welche aus etwa 10 dünnen Haaren von 0,008 mm bestehen; bisweilen ist in diesen Bündeln ein deutlich stärkeres Stammhaar vor- handen, z. B. von 0,02 mm Durchmesser. en Die Haare jeder Gruppe bilden etwa eine Myopotamus coypus. Schwanz. Reihe. Capromys furnieri Desmarest. Hinter jeder Schuppe des Schwanzes stehen etwa 4 Haare. Die Schuppen sind viereckig. Dactylomys typus Js. Geoffroy. Der Schwanz ist mit sechseckigen Schuppen bedeckt, welche breiter sind als lang. Hinter jeder stehen 3 kurze Haare, von denen das mittelste das längste ist. Dactylomys amblyonyx Wagner. Hinter jeder der kleinen, sechseckigen Schuppen, welche den Schwanz bekleiden, kommen 3 Haare vor. Coelogenys paca Linné. (Fig. 6 pag. 321.) Man vergleiche pag. 321. Die dicken Haare sind 0,09—0,16 mm breit, die diinnen 0,012 mm. 386 J. ©. H. de Meijere Dasyprocta aguti Linné. Komplicirter sind die Gruppen, welche über den ganzen Rücken des Aguti vorkommen (Fig. 38). Fig. 38. Sie enthalten zwei Haararten: 4. ot f TW ALAND grobe von ungefähr 0,14 mm ©, 0:0. 0, @ 0-007, 0.9 und feinere daiwrobstitgen mm Durchmesser. In den Gruppen finden ve age sich meist 5, in einer Reihe angeordnete Haare der ersten \ Sorte, und zwischen je 2 der- HY: selben 6—2 feine Haare. ci ie vat ee Die Gruppen sind weit ey ss von einander getrennt und alterniren. Am sehr kurzen Schwanze fand ich die Haare ....o “e'e in mehr oder weniger regel- Dasyprocta aguti. Rücken. mäßigen Ringen stehend. Bezüglich eines Embryo von 111/ em vergleiche man pag. 335. Cavia cobaya var. angorensis. Am Rücken fand ich die Haare in Gruppen von 6 bis 7 Stück; sie sind von verschiedenem Kaliber; in der Mitte der Gruppe steht oft eins von 0,04 bis 0,06 mm; weiter kommen Haare von 0,02 bis 0,028 mm vor und auch feinere von 0,008 mm. Die Gruppen sind nicht immer scharf von einander getrennt. Hydrochoerus capybara Erxleben. A Fig. 39. Am Rücken (Fig. 39) kommen Gruppen vor, EEE ON etetatetes welche je 5—7 grobe Haare von 0,065—0,13 mm enthalten; überdies gehören zu jeder Gruppe einige Bie aa feinere Haare von 0,013—0,026 mm. Die letzteren pe Ach 70 stehen einzeln in den Zwischenräumen zwischen .... 2 groben Haaren, doch sind sie nicht in allen die- jornen sen Zwischenräumen zu finden. Hydrochoerus capybara. Rücken. Octodon eumingii Bennett, Hinter jeder Schuppe des Schwanzes fand ich drei abgeplattete, starke Haare. Lasiuromys villosus Deville. Die Haare des Riickens sind in Gruppen angeordnet. Loncheres cristata Geoffroy. Der Schwanz ist mit sechseckigen Schuppen bedeckt; hinter jeder derselben stehen 3—5 Haare von wechselndem Kaliber ziemlich nahe neben einander. Uber die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 387 Das Verhalten am Rücken wurde schon pag. 322 erwähnt. Die Mittelhaare sind 2 mm breit, die 3 kleineren Stichelhaare zu beiden Seiten desselben er- reichen 0,45—0,5 mm, während die feinstenjHaare nur 0,013—0,026 mm Durch- ° messer haben. Echinomys macrourus Jentink. Am Schwanze kommen viereckige Schuppen vor; hinter jeder derselben stehen drei beinahe gleiche Haare. Ctenomys brasiliensis Blainville. Hat drei schwache Haare hinter jeder Schuppe des Schwanzes. Castor canadensis Kuhl. (Fig. 13 pag. 329.) Der bekannte Schuppenschwanz wurde von WEBER! histologisch untersucht. Bei einem jungen Individuum von 26 cm fand ich hinter jeder der breiten, aber kurzen Schuppen 7—8 gleiche Haare (Fig. 40). An der Rückenfläche des Vorderfußes ist die Haarstellung ebenfalls ein- fach. Echte Schuppen bestehen hier zwar nicht, aber es stehen doch die Haare immer zu 3—4 in ge- bogenen Reihen, welche Reihen hier und da zu- sammenfließen. Die Haare sind alle gleich- artig und erreichen 0,044—0,056 mm Durch- B! messer; das Mark ist Nm ji ) = einreihig und nur an me du III Te den Stellen deutlicher aA al ale Ss une) bx sichtbar, wo es Luft enthält. Die Bast- schicht ist nur wenig pigmentirt. Das Haarkleid des Rückens ist vielleicht das komplieirteste, welches ich aufgefunden habe; es ist aus Gruppen gebildet, deren jede sehr zahlreiche Haare enthält. Beim oben erwähnten jungen Thiere fand ich auf Flächen- schnitten die Haare alle einzeln gestellt; man konnte drei Sorten unterscheiden, welche resp. 0,05—0,06 mm, 0,02—0,024 mm, 0,008 mm Durchmesser erreichen. Gruppen ließen sich nicht erkennen; es ergab sich bloß, dass die diekste Haar- sorte am spärlichsten vorhanden war und dass diese Haare zu einander eine mehr oder weniger regelmäßige Anordnung zeigten. Wenn man jedoch Quer- schnitte senkrecht zur Haarrichtung anfertigt, so wird das Schema sofort klar; nun sieht man die Gruppen sehr gut: eins der gröberen Haare findet sich in der Mitte jeder Gruppe und jederseits desselben 7—10 der dünneren Sorten. Vergleicht man hiermit den Befund am erwachsenen Biber, so ergiebt sich zunächst die Differenz, dass dieser Haarbündel besitzt. Auf Flächenschnitten sind wieder dieselben drei Haarsorten wie beim jungen Thiere nachweislich, nämlich 1) sehr grobe Haare mit wenig deutlichem Marke und dicker Bast- schicht, welche einiges Pigment enthält; Durchmesser 0,065—0,091 mm; 2) Haare Castor canadensis. Schwanz eines jungen Thieres. 1 Genus Manis. in: Zoologische Ergebnisse. II. pag. 15. 388 J. C. H. de Meijere von 0,02—0,028 mm mit diinner Bastschicht und einem Marke, welches im proximalen Theile des Haares einreihig, weiter nach dem freien Ende zu mehr- reihig ist und dessen Zellen breiter als lang sind; 3) Haare von 0,008 mm Durchmesser mit wenig ausgebildetem Marke und langen, sehr schmalen Mark- zellen. Haare dieser Sorte finden sich in viel größerer Anzahl wie beim jungen Thiere; die große Masse der Bündelhaare gehört dazu. Die Gruppen sind auf Flächenschnitten wieder ziemlich undeutlich; nur kann man sehen, dass jede Gruppe ein Haar der ersten, etwa vier Haare der zweiten Sorte, und sehr zahlreiche (etwa 150) der dritten Sorte enthält. Querschnitte geben ein klareres Bild. In der Mitte der nun gut zu unter- scheidenden Gruppen sieht man das starke Haar; zu beiden Seiten desselben findet man nun nicht 7—10 einzelne Haare, sondern eben so viele Haarbündel, von denen jedes etwa 10 Haare enthält. In der Nähe der Hautoberfläche ver- schmelzen je 2—3 dieser echten Bündel; an der Oberfläche findet man also Bündel von etwa 30 Haaren; diese Bündel sind demnach falsche und durch das Zusammenfließen echter Bündel entstanden. Die vier Haare der zweiten Sorte kommen je mit einigen der dünnsten Haare aus derselben Öffnung. Tamias striatus Linne. Am Rücken kommen kleine Gruppen vor; diese sind aus einem isolirten Mittelhaare (0,02 mm) und aus 1 oder 2 Biindelchen gebildet, welche zu beiden Seiten des ersteren stehen und je 2—3 dünnere Haare von 0,008 mm enthalten. Am Schwanze stehen alle Haare einzeln und bilden Gruppen von je etwa 8 Stück, welche jedoch meistens, besonders an der Dorsalfläche, zu längeren Reihen zusammengeflossen sind. Ihr Kaliber wechselt zwischen 0,02 und 0,04 mm. Seiurus badjing Knerr. An der Unterseite des Schwanzes fand ich noch deutliche, alternirende Gruppen von 6—8 Haaren. An der Oberseite jedoch kann man keine gut um- schriebenen Gruppen unterscheiden. Die Haare stehen in breiten Ringen, die gleichfalls durch ringförmige unbehaarte Strecken von einander geschieden sind. Sciurus bicolor Sparrmann. Am Rücken fand ich kleine, einfache Haargruppen, die sich häufig öfters aus je drei Haaren zusammensetzten, von denen dann das mittelste stärker war als die beiden seitlichen. Daneben kommen Gruppen von 4—6 Haaren vor, Auch in diesem Falle pflegt sich das Mittelhaar durch größeres Kaliber auszu- zeichnen (0,04—0,06 mm) und mehrreihiges Mark zu besitzen, während bei den übrigen Haaren das Mark einreihig ist und der Durchmesser 0,008—0,02 mm. Am Schwanze zeigen sich Gruppen, die meistens aus 6 Haaren zusammen- gesetzt sind, von welchen meistens 3 stärker als die übrigen sind (resp. 0,072 und 0,016—0,024 mm). Tubulöse Drüsen habe ich in der Rückenhaut nicht gefunden. Sceiurus vulgaris Linné. Der Rücken besitzt Gruppen, welche aus einem isolirten Mittelhaare und zu beiden Seiten desselben 1—3 Bündeln von je 1—2 diinneren Haaren zusam- mengesetzt sind. Über die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 389 Am Schwanze sind die Gruppen größer oder sogar zu Ringen verschmolzen. Die groben Haare mit mehrreihigem Marke erreichen 0,04—0,06 mm; die übrigen mit einreihigem Marke meist 0,016 mm; einige haben gar kein Mark und sind noch dünner. Von den feineren Haaren ragen oft zwei aus derselben Öffnung hervor. Seiuropterus sp. Rücken. Die Haare stehen in Gruppen von 5—7 Stück; das Mittelhaar ist meistens gröber (0,024 mm) und hat auch öfters zweireihiges Mark, während bei den übrigen der Durchmesser 0,008—0,016 mm beträgt und das Mark ein- reihig ist. Überdies enthalten die meisten Gruppen noch einige sehr dünne marklose Haare von 0,004 mm. Von Beihaaren habe ich keine Spur finden können. Am Schwanze bietet sich ungefähr der gleiche Befund, nur sind die Haare jeder Gruppe zahlreicher und die Gruppen fließen häufig zusammen, so dass längere Reihen entstehen. Pteromys nitidus Desmarest. Am Riicken kommen kleine Gruppen vor, welche aus einem Mittelhaar und 1 oder 2 Bündelchen zu beiden Seiten desselben bestehen. Das Mittelhaar hat einen Durchmesser von 0,036—0,04 mm und zweireihiges Mark. Die Bündel sind aus 2—3 feineren Haaren zusammengesetzt (Mark derselben einreihig; Durchmesser 0,02—0,024 mm; häufig ohne Mark und dann nur von 0,008 mm Durchmesser). Am Schwanze sind größere Haargruppen vorhanden, welche aus 10—14 Haaren gebildet sind; in der Mitte jeder Gruppe steht ein isolirtes Mittelhaar von 0,048—0,06 mm mit mehrreihigem Marke; jederseits von demselben schließt sich meistens ein Haar von 0,032—0,036 mm an, das gleichfalls mehrreihiges Mark besitzt und bisweilen von Beihaaren begleitet ist; schließlich enthält jede Gruppe noch ein Paar Bündel, welche je 2—4 Haare von 0,02—0,024 mm mit mehrreihigem Marke enthalten. Xerus erythopus E. Geoffroy. Sehr schöne Gruppen kommen am Rücken vor. Sie bestehen aus drei ab- geplatteten Stachelhaaren, von denen das mittelste das dickste ist (0,14 bis 0,16 mm; die lateralen Haare 0,068—0,108 mm); mit diesen alterniren vier feine Haare von 0,004—0,008 mm. Die Stachelhaare bestehen zum größten Theile aus dem sehr entwickelten, mehrreihigen Marke. Die Borsten stehen auch am Kopfe und an der Unterseite der Schwanz- wurzel sehr deutlich zu dreien. Am übrigen Theile des Schwanzes werden die Gruppen größer und weniger regelmäßig; bald waren sie aus einer Borste und 5 feineren Haaren, bald aus 2 Borsten und einer größeren Zahl feinerer Haare zusammengesetzt; auch können die Borsten längere Reihen formiren, zwischen ihnen findet sich dann hier und da ein feineres Haar. Die Borsten sind hier weniger breit als am Rücken. Bei einem jungen Individuum von 14 cm, dessen Haare eben erst durch- gebrochen waren, fand ich immer das Mittelhaar jeder Gruppe weiter ausge- bildet als die lateralen. 390 J. C. H. de Meijere Spermophilus guttatus ‘l'emminck. Der Riicken besitzt einfache Haargruppen. Diese bestehen aus einem isolirten Haare von 0,016—0,024 mm und zu beiden Seiten einem Bündel dünner Haare (0,008 mm), welches je 5—6 Stück enthält. Auch am Schwanze kommen Gruppen vor, jedoch von wechselndem Bau. Im einfachsten Falle bestehen sie aus drei Haaren, von denen das mittelste ein größeres Kaliber erreicht (0,024 mm) als die seitlichen Haare (0,012 mm). Andere Gruppen bestehen z. B. aus einem isolirten Haare und zu beiden Seiten desselben aus 2 oder 3 Bündeln, welche je 2—3 Haare enthalten. Wieder andere sind aus 5 isolirten Haaren zusammengesetzt. Arctomys marmota Linné. Die Gruppen des Rückens stehen weit aus einander. Die Mittelhaare haben einen Durchmesser von 0,036—0,04 mm; jederseits von demselben stehen 1—2 Bündel, welche je 2—4 nur wenig dünnere Haare enthalten (meistens 0,02 bis 0,028 mm, einige Beihaare sind noch bedeutend feiner, z. B. nur 0,008 mm). Die zu derselben Gruppe gehörigen Follikel sind einander häufig sehr nahe gerückt. An der Unterseite des Schwanzes sind’ noch deutliche Gruppen zu er- kennen. Die Mittelhaare sind in der Regel durch größeres Kaliber (0,052 bis 0,06 mm) ausgezeichnet; zu beiden Seiten desselben stehen 3—6 Haare, deren Durchmesser zwischen 0,012—0,052 mm wechselt. An der Oberseite sind die Gruppen zu Ringen zusammengeflossen. Carnivora. Felis leo Linné. Vom Löwen untersuchte ich zunächst ein neugeborenes Exemplar. Aus einem Flächenschnitte der Rückenhaut ergab sich hier nicht viel mehr, als dass alle Haare einzeln für sich stehen. Die Gruppen werden erst dann sichtbar, wenn man Querschnitte durch die Haut macht, welche die Richtung der Haare senkrecht treffen; dann sieht man, dass wieder sehr oft die Haare zu dreien stehen, von denen meistens das Mittel- haar am meisten ausgebildet zu sein pflegt. Hier und da enthält eine Gruppe schon ein viertes Haar, aber dieses ist stets viel jünger als die übrigen Haare. Bei einem etwas älteren Exemplare von 43 em findet man auf Querschnitten durch die Rückenhaut die Gruppen vollständiger ausgebildet; Gruppen von 4 oder 5 Haaren sind nun sehr allgemein, wenn auch noch solche von drei Stück vorkommen. Mehrere Haare sind erst seit Kurzem oder noch gar nicht durch- gebrochen. Einige Stammhaare sind viel dicker (ca. 0,05 mm) als die übrigen ; meistens stehen solche in der Mitte einer Gruppe, fehlen aber in den meisten derselben. Auch am Schwanze fand ich die Haare alle einzeln; die meisten hatten 0,016—0,02 mm Durchmesser; hier und da steht wieder ein außerordentlich dickes Stammhaar (0,05—0,065 mm). Die Schweißdrüsen münden am Rücken schon in diesem Stadium auf- fallend weit unten am Follikel (0,12—0,136 mm vom Hautniveau entfernt); die Drüsen selbst sind von einfacher Bildung; das längliche, nur wenig geschlän- gelte untere Ende geht allmählich in den engeren Ausführungsgang über. Über die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 391 Felis domestiea Brisson. (Fig. 20 pag. 336.) Von der Katze standen mir mehrere Entwicklungsstadien zur Verfügung. Erstens ein neugeborenes Exemplar. Hier fand ich am Rücken die Haare alle einzeln, ohne Regelmaß, auch am Querschnitt, meistens von 0,012—0,016 mm Durchmesser ; hier und da steht ein etwas gröberes Haar (0,02—0,022 mm) mit flachen, breiten Markzellen, während in den übrigen die Markzellen entweder wenig entwickelt, oder eben so hoch, bisweilen auch höher als breit sind. Ein älteres Exemplar, eine Angorakatze von 18 cm, hatte an der Rücken- haut auf Flächenschnitten die Haare gleichfalls ohne Regelmaß angeordnet. Querschnitte jedoch, senkrecht zur Haarrichtung, zeigen, dass die Haare viel- fach zu dreien stehen, wobei das Mittelhaar das älteste ist. Dieses Verhalten erklärt zugleich die Unregelmäßigkeit beim neugeborenen Individuum. Hier sind nur erst die Mittelhaare der Gruppen entwickelt. Diese repräsentiren also die einzelnen, beim erwachsenen Thiere so komplieirt zusammengesetzten Gruppen. Noch etwas weiter war die Entwicklung bei einer jungen indischen Katze fortgeschritten. Querschnitte zeigten hier viele Gruppen von 3 Haaren, einige von 2, sowie mehrere von 4 oder 5. Standen die Haare zu dreien, so war das Mittelhaar merkbar älter; es war meistens auf dem Querschnitt farb- und mark- los (bereits Kolbenhaar), was bei den anderen noch nicht der Fall war. In einer dieser Gruppen war das Mittelhaar selbst schon im Wechsel begriffen. Enthält eine Gruppe 4 oder 5 Haare, dann sind 1 oder 2 merkbar später an- gelegt und erscheinen daher auf Flächenschnitten erst seit Kurzem durchge- brochen. Einige Mittelhaare haben einen außerordentlich großen Durchmesser (0,036—0,044 mm) und ein vielreihiges Mark, während die meisten Haare ein- reihiges Mark und 0,016—0,02 mm Durchmesser besitzen. Bei einer erwachsenen Angorakatze fand ich am Rücken die Gruppen deutlich erkennbar. Ihre Mitte enthält je ein einzelnes Mittelhaar mit ein- reihigem Marke (0,04—0,056 mm). Jederseits desselben stehen 1—3 Bündel, welche bisweilen ein Stammhaar mit mehrreihigem Marke enthalten, welches dem Mittelhaare im Umfang nur wenig nachsteht. Jedes Bündel enthält 4—8 Bündelhaare, welche meist nur 0,016—0,02 mm Dicke erreichen und einreihiges Mark besitzen. Am Schwanze sind die Gruppen viel weniger deutlich getrennt. Im All- gemeinen giebt es wieder isolirte Mittelhaare, welche von 2—5 Biindeln um- geben sind, von welchen einige bis zu 10 Haare enthalten. Bei einer erwachsenen Hauskatze fand ich das gleiche Verhalten. Die Verschiedenheit des Haarkleides wird also bloß durch die Länge der Haare, nicht durch deren Zahl bedingt. Paradoxurus musanga Gray. Am dicht behaarten Schwanze stehen die Bündel meist ohne Regelmaß durch einander; nur hier und da fand ich noch eine Spur von Reihen. Die Stammhaare sind im Durchmesser ziemlich verschieden (im Durchschnitt 0,05 mm); die dieksten Haare haben gar keine Beihaare neben sich, die übrigen meist 2 oder 3 von 0,02? mm. Am Rücken sah ich von Reihen keine Spur. Die Stammhaare wechseln von 0,03—0,112 mm; jedes hat 4—6 Beihaare neben sich. 392 J. €. H. de Meijere Herpestes graeilis Rüppel. Am Schwanze sind die Haarbündel deutlich in Reihen oder Bogen ange- ordnet, welche jedoch ziemlich unregelmäßig sind. Verschiedene Stellen, welche ich auf Flächenschnitten traf, trugen Gruppen von 5—7 Haarbündeln, welche meistens jedoch nicht scharf von einander getrennt sind. Jedes Bündel enthält nur 1—2 Beihaare von 0,013—0,026 mm und ein Stammhaar von 0,065—0,13 mm Durchmesser. Am unteren Ende des hier nur kurzen gemeinschaftlichen Follikels mündet die Schweißdrüse, deren Ausführungsgang allmählich in den Drüsenschlauch übergeht; letzterer ist nur wenig erweitert und ziemlich stark geschlängelt. An den Follikeln der Stammhaare fand ich auch mittelmäßig entwickelte, ein- bis dreilappige acinöse Drüsen. Herpestes griseus Desmarest. Hat am Schwanze die Bündel eben so angeordnet wie die vorige Art. Hyaena brunnea Thunberg. Am ausgestopften Thiere war bereits sichtbar, dass die langen, starken Stammhaare in kleinen Gruppen stehen. Hyaena striata Zimmermann. Ein ausgestopftes Exemplar, welches offenbar spärliche Wollhaare besaß, zeigte sehr deutlich die Gruppirung der Stammhaare. Jede Gruppe enthielt deren 2 oder 3. Hyaena crocuta Erxleben. Von dieser Species stand mir die Haut, welche die weibliche Geschlechts- öffnung umgiebt, zur Verfügung. Deutlich sind Gruppen von 2—4, sehr oft 3 Haaren. Nur gelegentlich enthielt ein Follikel, außer dem Stammhaare, noch ein etwas dünneres Beihaar, bisweilen zwei. Canis familiaris Linne. (Fig. 21 pag. 337.) Ein erwachsenes kurzhaariges Hündchen hatte am Rücken alternirende Gruppen von je drei Bündeln, welche auf Querschnitten, senkrecht zur Haar- richtung, schon mit bloßen Augen sichtbar waren. Die drei Stammhaare hatten alle denselben Durchmesser (0,072—0,088 mm). Die Beihaare waren 0,028—-0,032 mm dick; ihre Anzahl blieb unsicher, da das Thier im Haarwechsel begriffen war. Bei einem jungen Hunde von 33 cm fand ich am Rücken diese Gruppen wieder. Jedes Bündel enthielt nur 1—3 Haare von 0,016—0,048 mm Durch- messer. Das Haar von 0,048 mm stand in der Mitte einer Gruppe und hatte nur ein Beihaar neben sich. Auch an der Brust kamen mehrere Gruppen von drei Haaren vor. Daneben aber mehrere Gruppen von zwei Bündeln, oder die Bündel stehen ganz isolirt. Der Durchmesser der Haare wechselte von 0,008 bis 0,036 mm, und jedes Bündel enthielt deren 1—4. Der gemeinsame Fol- likel ist lang (0,24—0,3 mm), an der Brust weiter als am Rücken. An seinem unteren Ende mündet die tubulöse Drüse; noch etwas weiter nach unten befinden sich die acinösen Drüsen, Über die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 393 Ein noch jüngeres Individuum von 17 cm hatte am Rücken die Stammhaare vielfach zu dreien; die lateralen Haare waren noch nicht lange durchgebrochen. Beihaare fehlten ganz. Die Haut des Hundes wurde schon vielfach untersucht, von CARSTEN Harms!, CHODAKOWSKI?, STIRLING® u. A. Wichtig für uns ist die Thatsache, dass nach den beiden letzterwähnten Autoren die Schweißdrüsen weit vom Hautniveau in die Haarfollikel ausmiinden. Schließlich war ich in der seltenen Lage, auch den nackten Hund von West-Indien (Canis familiaris caraibaeus) untersuchen zu können, da das zoo- logische Laboratorium zu Amsterdam mehrere Exemplare durch Herrn A. A. VAN BEMMELEN in Rotterdam erhielt. Wie bekannt, ist bei dieser Rasse das Haarkleid stark reducirt. Nur der Scheitel, die Füße und der Schwanz be- wahrten etwas mehr Haare. Diese Reduktion ist von zweierlei Art: erstens fehlen alle Beihaare, und zweitens sind auch die Gruppen mit je 3 Stammhaaren größtentheils nicht mehr vollständig entwickelt. Ich fand wenigstens am Kopfe keine Spur derselben. Die Haare standen hier alle ohne Regelmaß, auch auf Querschnitten, und sind also höchstwahrscheinlich die Mittelstammhaare der Gruppen. Sehr interessant ist das Verhaiten der Drüsen. Sowohl die acinösen wie die tubulösen Drüsen sind außerordentlich groß; besonders erstere. Sie be- stehen aus zahlreichen Drüsenbläschen, von welchen lange Ausführungsgänge ausgehen, von denen mehrere zusammenfließen, um schließlich einen sehr weiten gemeinsamen Ausführungsgang zu bilden, welcher in einen mehr oder weniger entwickelten Haarfollikel ausmündet. Am größten fand ich diese Drüsen am Rücken, etwas kleiner am Kopfe, den Füßen und am Schwanz. Auch am Bauche kommen gut ausgebildete Drüsen vor; im Ganzen sind aber hier die Haarfollikel und damit auch die acinösen Drüsen nur sehr spärlich vor- handen. Die tubulösen Drüsen besitzen einen ziemlich engen Ausführungsgang mit trichterförmiger Mündung. Er geht nach unten hin ziemlich plötzlich in den viel weiteren, geschlängelten, aber niemals knäuelförmigen, secernirenden Theil über, dessen Weite 0,068—0,1 mm beträgt. Bezüglich der Ausmündung dieser Drüsen vergleiche man pag. 345. An einer Stelle des Hinterfußes be- trug die Entfernung der Ausmündung vom Hautniveau 0,3 mm, war dort also nicht geringer als bei den dicht behaarten Hunderassen. Canis vulpes Linné. Am Riicken stehen die Biindel deutlich zu dreien; das mittelste Stamm- haar pflegt dicker zu sein (0,016—0,02 mm), besitzt aber trotzdem viele Bei- haare. Die Dicke der übrigen Haare erreicht 0,008—0,012 mm. Die Bündel enthalten bis zu 15 Stück. Der Schwanz ist dichter behaart; es scheinen Gruppen von 3—5 Bündeln vorzukommen, welche jedoch manchmal zusammenflieBen. Die Haare sind be- deutend gröber als am Rücken. Die Stammhaare erreichen 0,048—0,1 mm; die Beihaare etwa 0,028 mm. Von letzteren sind 5—6 in jedem Bündel vorhanden. ! Beiträge zur Histologie der Hautdrüsen der Haussäugethiere. Hannover 1868. 2 Hautdrüsen einiger Säugethiere. Dissertation. Dorpat 1871. 3 Journal of Anat. and Physiol. Vol. X. 1876. pag. 471. Morpholog. Jahrbuch. 21. 26 394. J. €. H. de Meijere Auch hier sind die Stammhaare sehr verschieden dick; eins in der Mitte jeder Gruppe ist meistens den anderen an Umfang iiberlegen. Bei einem Embryo von 17 mm waren die Mittelstammhaare vollständig durchgebrochen; die lateralen Stammhaare aber jeder Gruppe meistens erst eben angelegt oder doch nur seit Kurzem durchgebrochen. Canis aureus Linn’ Bei einem 3 Tage alten, 18 em langen Individuum waren auf Querschnitten durch die Riickenhaut zahlreiche Gruppen von je 3 Haaren sichtbar. In der Regel ist das Mittelhaar nicht viel von den lateralen verschieden; ist es aber bedeutend dicker, so enthält die Gruppe meistens 4 oder 5 Haare. Bei meh- reren Gruppen waren die seitlichen Haare noch nicht lange durchgebrochen. Die dicksten Stammhaare erreichen 0,036—0,04 mm eu die meisten sind nur 0,02—0,024 mm dick. Die tubulösen Drüsen münden in die Haarfollikel, dicht über den acinösen, und weit entfernt vom Hautniveau (etwa 0,012—0,2 mm). Die Drüsen selbst zeigen einen einfachen Bau; sie werden nach unten allmählich weiter und ver- laufen fast gerade. Ursus arctos Linné. Am Bauche eines jungen Exemplars (Fig. 11) finden sich deutlich alter- nirende Gruppen von je 3 Bündeln. Jedes enthält ein Stammhaar von 0,039 bis 0,104 mm und 2—5 feinere Haare von 0,013—0,02 mm. In einzelnen Fällen erreichte eins der letzteren größeren Durchmesser (z. B. 0,035 mm). Die ge- meinschaftlichen Follikel sind stark entwickelt (0,28—0,36 mm lang), an ihrem unteren Ende münden die tubulösen Drüsen, welche manchmal dichotomisch verzweigt sind; Drüsenschläuche und Ausführungsgänge sind beide 0,036 mm weit. Die acinösen Drüsen der Stammhaare münden unter dem Anfang des gemeinsamen Follikels. Bei einem Embryo von 22 cm war von den drei Stammhaaren jedes Mal nur das mittelste durchgebrochen (sie waren 0,024—0,048 mm dick) ; die late- ralen Haare waren in der Anlage begriffen. Ursus marinus Linne. Auch hier fand ich an der Brust die Biindel zu dreien angeordnet. Jedes Bündel enthält 7—12 Haare, von denen 1 oder 2 in der Regel auffallend stärker ist als die übrigen und einen Durchmesser von 0,052—0,13 mm erreicht, die übrigen nur 0,02—0,025 mm. Eine scharfe Grenze zwischen beiden Sorten ist öfters nicht vorhanden. Nur in den dicksten findet sich Mark im unteren Theile. Bei einem jungen Thiere von 30 cm waren die Mittelstammhaare der Grup- pen vollständig durchgebrochen, während von den lateralen die mehr oder weniger ausgebildete Anlage sichtbar war. Ursus malayanus Raffles. Am Hinterfuße bestehen die Haargruppen aus 3—4 Bündeln. Die Stamm- haare variiren im Durchmesser (0,052—0,078 mm; einige Male noch stärker, z. B. 0,13 mm; die Beihaare dagegen 0,026—0,04 mm). Alle Stammhaare ent- halten Beihaare, meistens etwa 4 Stück. Hier und da fand ich das Verhalten weniger regelmäßig. Uber die Haare der Siiugethiere, besonders iiber ihre Anordnung. 395 Procyon cancrivorus Cuvier. Junges Exemplar von 36cm. Der Rücken hat zerstreute Haarbündel, welche meistens vier Haare enthalten. Der Durchmesser der Stammhaare ist sehr verschieden, einige sind nicht gut von den Beihaaren zu unterscheiden ; andere sind bedeutend gröber (0,032 mm, die übrigen Haare 0,012—0,016 mm); diese pflegen wenig oder gar keine Haare neben sich zu haben und enthalten an ihrem Ende mehrreihiges Mark und eine dicke Bastschicht. Auch auf Quer- schnitten sind die Gruppen nicht deutlich von einander getrennt. Nasua narica Linné. Der Rücken ist mit Haarbündeln bedeckt, welche je ein Stammhaar (öfters von 0,104—0,13 mm Durchmesser) mit mehrreihigem Marke und 1—3 Beihaare (Mark einreihig) von 0,044—0,052 mm enthalten. . Eine bestimmte Gruppirung konnte ich bei diesen Bündeln weder auf Flächenschnitten noch auf Querschnitten auffinden. Bei einem Embryo von 17 cm fand ich sowohl am Rücken wie am Schwanze nur isolirte Haare von 0,024—0,028 mm Dicke, ohne Regelmaß zerstreut. Cercoleptes caudivolvulus Pallas. Am Schwanze stehen die Haarbündel in Reihen oder Bogen, welche zu- sammenzufließen pflegen. Die Stammhaare sind 0,052 mm, die 3 oder 4 Bei- haare 0,014—0,039 mm dick. Der Rücken ist dicht besetzt mit Biindeln von 3—7 Haaren, welche ohne Regelmaß stehen. Die Stammhaare sind 0,052 mm, die Beihaare etwa 0,026 mm dick. Lutra vulgaris Erxleben. (Fig. 14 pag. 329.) Ein erwachsener Otter zeigte auf Querschnitten durch die Rückenhaut deutliche Gruppen, welche aug vielen (z. B. 10) Bündeln zusammengesetzt sind. Diese Bündel divergiren nach der Oberfläche hin, so dass dort die Gruppen nicht mehr scharf getrennt sind. In der Regel enthält jede Gruppe drei dicke Stammhaare; diese haben einen elliptischen Querschnitt mit einer längsten Achse von 0,06—0,14 mm und enthalten vielreihiges Mark. Von den übrigen Haaren haben die meisten nur 0,008 mm Dicke und gar kein Mark. Dieses ist wenigstens mit allen Beihaaren der Fall; ferner auch mit vielen Stammhaaren. Andere Stammhaare sind mittelmäßig, z. B. 0,032—0,04 mm dick. Wie viel Beihaare in einem Bündel vorkommen, war nicht sicher zu sagen, weil gerade Haarwechsel stattfand; die Zahl muss wohl ziemlich groß sein, weil ich in einigen Bündeln schon 10—11 Kolbenhaare fand. Selbst die dick- sten Stammhaare haben noch einige Beihaare neben sich. Bezüglich der Schweißdrüsen finde ich bei LerpıG!, dass sie »neben dem Haarbalg herabgehen«. EBERTH? erwähnt ihre Ausmündung nicht. Ein halberwachsenes Exemplar (33 cm lang) trägt am Rücken sehr zahl- reiche Bündel, welche je 3—5 Haare enthalten. Auf den Flächenschnitten sind keine Gruppen sichtbar; man sieht nur, dass bei Weitem die meisten Bündel 1 MÜLLER’s Archiv. 1859. pag. 736. 2 Uber die Hautdrüsen der Lutra vulgaris. Zeitschrift für wiss. Zoologie. Bd. XI. 1862. pag. 87. 26* 396. J. C. H. de Meijere nur Haare yon 0,008—0,01 mm enthalten, und dass nur hier und da ein Haar von 0,032 mm vorkommt, entweder mit oder ohne 2—3 Beihaare neben sich. Schnitte durch die Haut, senkrecht zur Richtung der Haare, machen das Ver- halten sehr klar, Man sieht nun besonders nahe der Innenfliiche der Haut die Gruppen sehr gut; in der Mitte meistens ein gröberes Haar von 0,02—0,024 mm und ringsum 25—30 feinere Haare; letztere vereinigen sich nach der Außen- fläche der Haut hin zu Bündeln von je 3 Stück, so dass jede Gruppe 6—10 solcher Bündel enthält. Sehr viel einfacher fand ich das Verhalten bei einem Individuum von nur 20 cm. Am Rücken kommen hier viele Gruppen von drei Follikeln vor, wobei dann das isolirte Mittelhaar bisweilen viel dicker ist (0,048 mm), während die übrigen Haare nur 0,016—0,02 mm erreichen. Die beiden lateralen Follikel ent- halten hier in der Regel zwei Haare, von denen das eine das Stammhaar ist, das andere aber das erste Beihaar. Ihr gemeinsamer Follikel ist 0,16—0,2 mm lang. Meles taxus Pallas. Der Schwanz ist mit Haarbündeln von 4—6 Stück besetzt; die Stammhaare haben einen Durchmesser von 0,091—0,104 mm, die Beihaare von 0,039 —0,065 mm. Es ist noch eine Spur von Reihen oder Bogen vorhanden. Am Rücken sind die Beihaare zahlreicher, zu 9—10 um jedes Stammhaar vorhanden. Die Bündel stehen fast unregelmäßig durch einander. Galictis vittata Schreber. Am Schwanze stehen die Haare in Biindeln von 5—10 Stiick. Die Stamm- haare sind 0,04—0,06 mm dick, die übrigen 0,012—0,02 mm. Die Bündel selbst fand ich manchmal noch zu dreien oder in längeren Reihen, bisweilen auch ziemlich unregelmäßig angeordnet. Auf Querschnitten fallen diese Gruppen noch am meisten auf; hier ergiebt sich überdies, dass oft das Mittelhaar den beiden lateralen Stammhaaren. in der Dicke bedeutend über- legen ist. Mustela putorius Linné. Am Rücken des Frettchens kommen Haarbiindel vor, welche auch auf Flächenschnitten schon deutlich in Reihen von 3—5 Stück stehen. Jedes Bündel enthält etwa 10 Haare, deren eines 0,02—0,024 mm, die übrigen 0,008—0,01 mm dick sind. Auf Querschnitten sah ich mehrere gut umschriebene Gruppen von meistens 3 oder 4 Biindeln, öfters ist nur wenig Regelmaß vorhanden. Am Schwanze sind die bogenartigen Reihen deutlicher als am Rücken. Aus den Querschnitten ergiebt sich, dass es auch hier Gruppen sind von 4 oder 5 Bündeln. Zwei neben einander liegende Gruppen sind jedoch nicht immer scharf getrennt. Ich untersuchte auch einen jungen Iltis von 17cm. An der Rückenhaut standen von den Bündeln deutlich hier und da einige wenige in einer Reihe. Die Stammhaare zeigten einen verschiedenen Durchmesser, es gab solche von etwa 0,016 und von 0,024 mm, wobei zu bemerken ist, dass die dicksten, gewöhn- lich ohne Beihaare neben sich, ziemlich selten sind, so dass nicht jede Gruppe ein solches Haar enthält. Sie sind auch länger als die übrigen Haare, zeigen jedoch denselben Bau wie sonst die Stammhaare; nach der Spitze hin werden sie dicker, bis 0,052 mm, wovon der größte Theil vom mehrreihigen Marke eingenommen wird. Auf Querschnitten sah man hier von den Gruppen nicht viel. Uber die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 397 Mustela erminea Linné. Die Schweißdrüsen münden in die Haarfollikel!. Eine umfangreiche Mit- theilung über den Haarwechsel dieses Thieres giebt ScHwALBE?. Im Abschnitte: Gruppenbildung der Haare, bespricht er nur die Bündel, nicht die eigentlichen Gruppen. Doch sind sie in seiner Fig. 19 Taf. XIX gut erkennbar. Phoca vitulina Linné. Eines der schönsten Beispiele von Bündeln findet man beim Seehunde, da hier der Durchmesser von Stamm- und Beihaaren so überaus verschieden ist. Erstere sind nämlich 0,1—0,12 mm dick; letztere erreichen nur 0,02—0,032 mm und sind meist in der Dreizahl in jedem Bündel vorhanden. Die Anordnung dieser Bündel war an der Rückenhaut nahe dem Halse sehr regelmäßig; es bildeten je 4 oder 5 eine gebogene Reihe, gerade als ob sie hinter einer ver- loren gegangenen Hautschuppe ständen. Die verschiedenen Bogen berühren sich an ihren Rändern. Querschnitte zeigten die stark entwickelten gemeinsamen Follikel. Am unteren Ende mündet, wie es auch schon LeypıG? erwähnt hat, die einfach schlauchförmige, fast gerade verlaufende Schweißdrüse (Breite 0,016—0,02 mm). Acinöse Drüsen fand ich nur an den Stammhaaren. Sie bestehen aus mehreren Acini, deren Ausführungsgänge sich zu einem vereinigen, welche in den Stammhaarfollikel ausmündet. Zalophus californianus Lesson. An der Kopfhaut des Seelöwen fand ich gleichfalls die Bündel, welche aus 1 Stammhaare von 0,1—0,14 mm und etwa 3 Beihaaren von 0,006—0,008 mm bestehen: von einer Anordnung in Bogen oder Reihen war jedoch nicht viel zu sehen. Galeopithecidae. Galeopithecus volans Linné. Ein erwachsenes Q hatte am Rücken die Haare alle isolirt und ohne Regel- maß; nur hier und da stehen noch einige in einer Reihe. Alle Haare sind gleichartig (0,016 mm Durchmesser) mit einreihigem Marke. An der Unterfliiche des Schwanzes fand ich das gleiche Verhalten und nur Spuren von reihiger Anordnung von 4—6 Stiick. Durchmesser der Haare 0,016—0,024 mm, alle mit einreihigem Marke. Auch ein junges Thier von 24cm zeigte am Riicken dasselbe; eben so wenig konnte ich auf Querschnitten eine Gruppirung erkennen; alle Haare sind auch hier gleichartig. Dessgleichen standen bei einem neugeborenen Exemplare (151/2 cm), dessen meiste Haare noch nicht durchgebrochen waren, die angelegten Haarfollikel dicht neben einander, ohne RegelmaB. ! LeypiG, MULLER’s Archiv. 1859. pag. 736. a 2 Morphologische Arbeiten. II. Bd. pag. 483. Uber den Farbenwechsel winterweißer Thiere. 3 MÜLLER's Archiv. 1859. pag. 736. 398 J. C. H. de Meijere Beim erwachsenen Exemplare lag die Ausmiindung der tubulösen Drüsen im oberen Ende der Haarfollikel; die Drüsenschläuche sind deutlich vom Aus- führungsgange getrennt, erstere sind 0,08 mm lang und 0,028 mm weit, letzterer 0,008 mm weit. Die Talgdrüsen bestehen meist aus einem großen Acinus von 0,08—0,1 mm Länge und 0,048 mm Breite. Insectivora. Tupaia javanica Horsfield. Alle Haare des Rückens stehen einzeln und ohne Regelmaß. Die meisten sind geschlängelt, haben einreihiges Mark und einen Durchmesser von 0,016 bis 0,02 mm; hier und da sieht man ein Haar von etwa 0,065 mm mit mehrreihi- gem Marke und wenig entwickelter Bastschicht; die Haare dieser Sorte sind fast gerade. Ptilocercus lowi Gray. Der lange Schwanz ist mit schönen sechseckigen Schuppen bedeckt. Hinter jeder Schuppe stehen drei Haare (Fig. 3 pag. 319). Auf Querschnitten findet man wieder den gewöhnlichen Bau: an der lan- gen, dorsalen Fläche pigmentirte, mit starker Hornschicht bedeckte Schuppen und kurze pigmentlose Intervallen, worin die Haare wurzeln. Schweißdrüsen sind vorhanden, sie münden in die Spitze der Haarfollikel. Am Vorderfuße fand ich die Haare in langen Reihen; gut umschriebene Gruppen kann man auch dort nicht erkennen. Am Rücken stehen alle Haare einzeln; alle sind 0,012 mm dick und haben einreihiges Mark. Macroscelides intufi Smith. Alle Haare stehen am Rücken einzeln und ohne Regelmaß; höchstens ist noch eine Spur von Reihen von 3 oder 4 Stück vorhanden. An der: Wurzel haben alle einen Durchmesser von 0,008—0,012 mm; erst aus ihrem distalen Theile ergiebt sich, dass man zwei Arten unterscheiden kann, eine dünnere, stärker gebogene, die andere mehr gerade und gröber, was größtentheils durch die stärkere Entwicklung der Bastschicht verursacht wird. Das Mark ist über- all einreihig. Der Schwanz ist mit viereckigen Schuppen bedeckt, hinter welchen je drei gleichartige Haare vorkommen. Macroscelides typicus Smith. Der Schwanz ist nur undeutlich beschuppt; hinter jeder Schuppe stehen drei Haare. Rhynchocyon cirnei Peters. Der Schwanz hat beinahe viereckige Schuppen; hinter jeder stehen drei kurze Haare. Auch die Füße, besonders die Hinterfüße, sind beschuppt. Gymnura rafflesii Vigors. Die Schuppen am Schwanze sind gut entwickelt; ihr Hinterrand ist abgerundet; hinter jeder Schuppe stehen drei kurze Haare. Auch die Füße sind beschuppt. Uber die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 399 Hylomys suillus S. Müller. Der kurze Schwanz besitzt nur wenig entwickelte Schuppen. Die Haare stehen zu dreien; das Mittelhaar ist immer etwas länger und gröber als die lateralen. Die neben einander liegenden Gruppen berühren einander manchmal, so dass längere Reihen gebildet werden. Die Füße haben sehr deutliche Spuren von Schuppen; kurze Stachelhaare stehen wieder zu dreien hinter diesen. Am Rücken (Fig. 17 pag. 331) fand ich alle Haare einzeln, ohne Regel- maß. Auch am Querschnitte sieht man keine deutlich getrennten Schuppen, höchstens Spuren von Reihen von 3—4; die meisten haben einen Durchmesser von 0,012—0,016 mm; hier und da kommt ein Haar vor, welches dicht über seiner Wurzel 0,028 mm erreicht; diese Haare sind in ihrem weiteren Verlaufe auch viel weniger gebogen als die andere Art. Erinaceus europaeus Linné. Die Riickenfliiche der Hand zeigt noch Spuren von Schuppen, hinter wel- chen je einige wenige kurze Haare eingepflanzt stehen. Am Vorderarme fand ich Gruppen von 10 oder mehr Haaren, welche je eine Reihe bilden und ver- schiedenen Durchmesser haben. Je 12—15 Haare beisammen, im Durchmesser wechselnd von 0,04—0,01 mm, finden sich am Bauche. Am Rücken ist von Regelmaß nicht viel zu sehen. Gruppen konnte ich nicht unterscheiden, eben so wenig aber stehen alle Stacheln gleich weit von einander entfernt. An der Rückenfläche der Hand fand ich, dass die Ausmündung der tubu- lösen Drüsen wieder in die Spitze der Haarfollikel stattfindet. Die Drüsen selbst sind dichotomisch verzweigt; sie gehen allmählich in den engeren Aus- führungsgang (0,016 mm) über. Die acinösen Drüsen sind hier groß, mehr- lappig. Bei einem jungen Thiere von 10 cm war der Rücken noch nicht dicht mit Stacheln besetzt; es gab deren in sehr verschiedenen Entwicklungsstadien, mehrere nur eben durchgebrochen. Regelmaß in der Anordnung konnte ich nicht auffinden. Sorex vulgaris Linné. Der Schwanz hat Schuppen, welche länger als breit sind. Auf dem Quer- schnitte ergiebt sich eine deutliche Pigmentation der dorsalen Schuppenfläche. Hinter jeder Schuppe finden sich drei Haare, welche an ihrer Wurzel schmal sind, ziemlich plötzlich aber einen Durchmesser von 0,059 mm erreichen. Am Rücken stehen alle Haare einzeln. Wie beim Maulwurf sind sie an einigen Stellen verdünnt. Das Mark ist überall, auch im Endtheile, einreihig. Letzterer ist breiter: (0,02 mm), während sonst die Haardicke etwa 0,012 mm beträgt. Nach Schweißdrüsen habe ich am Schwanze vergebens gesucht. Pachyura indica Geoffroy. Am Riicken stehen die Haare nicht in Gruppen, aber ohne bestimmtes Regelmaß; die meisten sind geschlängelt und im unteren Theile 0,008 mm dick, andere sind gerade, unten 0,012 mm dick; letztere sind kiirzer als die vorige Sorte. Der Schwanz ist nicht eigentlich beschuppt; die Haare stehen in langen 400 J. C. H. de Meijere Reihen oder Bogen von 5—7 Stück, welche überall einander berühren. Nur hier und da fand ich eine Gruppe von 3 Stück. An den Haaren des Schwanzes kommen sowohl acinöse wie tubulöse Drü- sen vor, erstere sind ein- oder mehrlappig, erreichen eine Länge von 0,068 bis 0,2mm. Die Schweißdrüsen haben einen wenig erweiterten, langen Drüsen- schlauch, weleher gewunden ist oder selbst einen kleinen Knäuel bilden kann. Dieser Theil ist 0,02—0,028 mm breit, der Ausführungsgang 0,012 mm; letz- ' terer mündet in die Spitze eines Haarfollikels. Chimarrogale himalaica Gray. Der Schwanz ist undeutlich beschuppt; die Haare stehen zu dreien. Myogale moschata Pallas. Am Schwanze sah ich hinter jeder Schuppe 4—5 Haare. Myogale pyrenaica Geoffroy. Am Schwanze werden von den Schuppen Ringe gebildet; hinter jeder Schuppe stehen meistens drei Haare. Urotrichus talpoides Temminck. Unter den ziemlich langen Schwanzhaaren kommen Schuppen vor; hinter jeder Schuppe stehen drei Haare. Talpa europaea Linné. Der Schwanz und die Rückenfläche von Hand und Fuß sind mit deutlich sichtbaren, wiewohl nur mit sehr diinner Hornschicht versehenen Schuppen be- kleidet. Am Schwanze finden sich hinter jeder Schuppe 4—6 Haare von 0,065 mm Durchmesser. Am sehr dicht behaarten Riicken stehen alle Haare einzeln. Es kommen zwei Sorten vor: am allgemeinsten sind die eigenthümlich geschlängelten, mit etwa vier, wenigstens dem Anscheine nach dünneren Stellen; diese haben als Kolbenhaare dicht über ihrer Wurzel einen Durchmesser von 0,012—0,016 mm und haben dort eine stark gezähnelte Oberfläche. Nur sehr vereinzelt finden sich die Haare der zweiten Sorte; diese sind an ihrer Basis breiter (0,02 mm), ihre Oberfläche ist fast glatt, ihr Mark einreihig, die Markzellen sind breiter als bei der anderen Sorte. Sie haben fast überall denselben Durchmesser, sind wenig geschlängelt, auch an der Spitze ist das Mark noch einreihig. Regel- maß in der Anordnung ist bei allen diesen Haaren nicht zu erkennen; höch- stens findet sich hier und dort eine Spur von Reihenbildung. Bezüglich der Schweißdrüsen vergleiche man pag. 343. Acinöse Drüsen an der Rückenfläche des Vorderfußes und am Schwanze groß und viellappig, bis 0,25—0,3 mm lang. Ein Embryo von 7 mm hatte am Rücken zahlreiche Haarfollikelanlagen : auch hier konnte ich keine bestimmte Anordnung auffinden. Uber die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 401 Centetes ecaudatus Schreber. An den Hinterfüßen fand ich Spuren von Gruppen. Am Rücken war keine Gruppenbildung erkennbar. Hemicentetes variegatus Geoffroy. An der Brusthaut konnte ich keine Gruppen unterscheiden. Die Haare sind ziemlich spärlich; es giebt gröbere von 0,06—0,068 mm, und feinere von 0,016—0,024 mm; aber Regelmaß in der Anordnung fand ich nicht. Erieulus nigrescens Js. Geoffroy. _ Gruppen fand ich sehr deutlich an den Extremitäten. Sie bestehen aus etwa 12 Haaren, welche einen verschiedenen Durch- messer zeigen; es giebt dünnere, marklose von Fig. 41. 0,006—0,02 mm, und diekere, markhaltige von j 0,036—0,06 mm. Auch an der Brust (Fig. 41) und am Bauche stehen die Haare in Gruppen von 10—12 Stück. Am Rücken ist die Anordnung weniger deut- lich. Die Gruppen sind hier großentheils so dicht auf einander gerückt, dass sie wenig auffallen; doch ist oft sehr gut zu sehen, dass 4 oder 5 der Stacheln dicht beisammen wurzeln. Zwischen die- sen Stacheln kommen Haare von 0,008—0,024 mm vor. Ericulus nigrescens. Brust. Chrysochloris aurea Pallas. Die Mittheilung WELCKER’s hinsichtlich des Vorkommens von Haarbiindeln fand ich bestätigt. Am Rücken enthalten diese Bündel 5—7 Haare, deren eines sich deutlich durch größere Stärke als Stammhaar zu erkennen giebt (0,008—0,012 mm, die übrigen 0,004 mm). Der gemeinsame Follikel kann eine Länge von 0,2 mm er- reichen. In der Anordnung der Bündel konnte ich kein Regelmaß auffinden. Einige Haare, dieker als die gewöhnlichen Stammhaare, finden sich hier und da vereinzelt. Spuren von Reihen, von 3 oder 4 Bündeln, fand ich am Vorderfuße. Auch an der Brust sind die Bündel vorhanden; sie enthalten hier 8 oder 9 Haare. Auch hier stehen wieder einige Stammhaare, welche dicker sind als die übrigen, ganz isolirt. Chiroptera. Cynonycteris collaris Illiger. Am Riicken stehen die Haare in Gruppen von 5—7 Stück; ihr Durch- messer wechselt von 0,01—0,024 mm. Am Ellbogen sah ich Gruppen von etwa 12 Haaren; auch an der Innen- fläche der Flughaut fand ich solche. . Dort enthielten sie je 6—9 Haare. Schweißdrüsen vermisste ich am Rücken; die aeinösen Drüsen dagegen sind sehr stark entwickelt; manchmal erreichen sie eine Länge von 0,14 und eine Breite von 0,012—0,024 mm; sie sind schwarz pigmentirt. 402 J. ©. H. de Meijere Rhinolophus clivosus Riippell. Die Haare stehen nach LeypıG! an der Flughaut in kleinen Gruppen. Nycteris thebaica Geoffroy. Nach Leypic? stehen die Haare an der Flughaut in kleinen Gruppen von etwa 5 Stück, von denen das mittelste das stärkste ist. Vespertilio daubentonii Leisler. Der Rücken ist von einem dichten Kleide von isolirten Haaren bedeckt, worunter sich zwar gröbere von 0,008 mm und feinere von 0,004 mm unter- scheiden lassen, eine bestimmte Anordnung jedoch fehlt. Die Schweißdrüsen fand ich, sowohl in der Haut der Ohrmuschel als in der Flughaut, gerade so wie LEypic? und JoBERT? dieselben für andere Spe- cies beschrieben haben. Nach beiden Autoren kommen bei Vespertilio murinus. zwei Schweißdrüsen bei jedem Follikel vor (cf. Leypic’s Fig. 9 Tab. XX); ich fand hier bloß eine, welche gerade neben einem Haarfollikel mündet, wie es auch JoBERT angiebt. Ofters ist der Drüsenmund die größte der beiden Öffnungen. Der Ausführungsgang hat eine Länge von 0,12 mm und eine Breite von 0,016 mm; der erweiterte Drüsenschlauch ist 0,18 mm lang und 0,04 mm breit. Molossus perotis Wied. Auch hier trägt der Rücken unregelmäßig zerstreute, isolirte Haare von 0,006—0,008 mm Durchmesser. Vampyrus spectrum Linné. Die Haare des Rückens stehen alle einzeln, ohne Regelmaß, sind scharf und fein gezähnelt und fast alle 0,008 mm dick. Phyllostoma hastatum Pallas. LeyDvIg5 theilt mit, dass die Haare der Flughaut in kleinen Gruppen stehen. Prosimiae. Propithecus diadema Bennett. Die Haare stehen am Rücken in falschen Bündeln von meistens 5 Stück, sie haben 0,024—0,028 mm Durchmesser; der gemeinsame Follikel ist sehr kurz. Am Schwanze sind die Follikel schärfer getrennt, man kann dort von Gruppen von 5—7 Stück reden. Der Durchmesser der Haare beträgt dort 0,024—0,044 mm. 1 MULLER’s Archiv. 1859. pag. 684. 2 MÜLLER’s Archiv. 1859. pag. 684. 3 MÜLLER’s Archiv. 1859. pag. 732. 4 Ann. d. Se. nat. Paris. 5.8. T. XVI. 1872. pag. 130. 5 MÜLLER’s Archiv. 1859. pag. 684. Über die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 403 Avahi laniger Gmelin. Ein neugeborenes Exemplar (4 cm) hatte sowohl am Rücken als am Schwanze alle Haare einzeln stehend, ohne Gruppirung, von 0,02 mm Durch- messer und mit einreihigem Marke. Mehrere Haare sind noch nicht lange durchgebrochen. Alle diese Haare sind wahrscheinlich die Mittelhaare der späteren Haargruppen, Lemur varius Js. G. St. Hilaire. Ein junges Thier von 15 cm hatte am Rücken meistens isolirte, ohne Regelmaß zerstreute Haare. Querschnitte zeigten schon hier und dort eine vollständig angelegte Gruppe von drei Haaren. Einige Haare sind stärker und haben auch eine größere Papille als die übrigen. Am Schwanze stehen die Haare eben so ohne bestimmte Anordnung. Lemur macaco Linné. Bei einem neugeborenen Exemplare standen am Riicken alle Haare ein- zeln, ohne Gruppirung; meistens erreichen sie einen Durchmesser von 0,012 mm und besitzen dann Markzellen, welche eben so hoch als breit sind. Hier und da kommt ein stärkeres Haar von 0,02 mm vor, mit Markzellen, welche breiter als hoch sind. Auch an Querschnitten war keine Spur von Gruppirung sicht- bar. Alle diese Haare sind auch hier wahrscheinlich die zunächst durchge- brochenen Mittelhaare der Gruppen. Lemur catta Linné. Am Riicken stehen die Haare zu je 7—10 in einem falschen Biindel; ihr Durchmesser beträgt meistens 0,012—0,016 mm. Hier und da findet sich in einem Bündel, auch wohl neben einem Bündel, ein gröberes Haar von etwa 0,032 mm. Die Brust bot meist Gruppen von 3—6 Stück, von denen bisweilen eines dicker ist (0,028 mm), mit einreihigem Marke und Markzellen, welche breiter als lang sind, während die übrigen Haare meistens 0,01—0,016 mm Durchmesser besitzen und Markzellen, welche, wenn vorhanden, eben so lang als breit sind. Dass die Haare einer selben Gruppe nicht aus einer Öffnung heraustreten, ist hier manchmal leicht sichtbar. Einige Male fand ich isolirte Haare der gröberen Sorte, jederseits mit einem Bündelchen von zwei oder drei dünneren Haaren neben sich. Eigenthümlich sind die hakenförmigen Zähne, welche hier und auch bei anderen Lemuriden vorkommen; man findet sie nur an bestimmten Theilen der Haare, je einige (z. B. vier) über einander; diese sind dann alle in derselben Richtung gekrümmt; geht man weiter am Haare hinauf, so begegnet man wieder einigen, welche jedoch in entgegengesetzter Richtung gekrümmt sind etc. Am Schwanze fand ich wieder Gruppen von etwa zehn sehr dicht beisammen stehender Haare von 0,02—0,04 mm Durch- messer. Ofters traf ich auch hier wieder dickere Haare, welche jederseits ein Bündel dünnerer neben sich hatten. Aus den Querschnitten ergab sich, dass sowohl am Rücken wie an der Brust von einem gemeinsamen Follikel fast keine Rede sein kann. Bei jeder Gruppe fand ich nur eine Schweißdrüse, welche in die Spitze des Follikels deg stärksten Haares mündete. Der 0,01 mm breite Ausführungsgang 404 J. C. H. de Meijere geht ziemlich plötzlich in den viel breiteren Drüsenschlauch über; dieser ist 0,12 mm lang und 0,04 mm breit und ein wenig geschlängelt. Kleine acinöse Drüsen finden sich auch an den dünneren Haaren. Mirza coquerelii Gray. Bei einem jungen Exemplare von 9cm fand ich am Schwanze noch Grup- pen von 2 oder 3 Stück. Der Durchmesser der Haare betrug 0,008—0,012 mm. Am Rücken konnte ich kein Regelmaß auffinden, nur standen hier und dort zwei Haare dicht beisammen. Auch am Querschnitt waren diese Gruppen deutlich zu sehen. Die Haargruppen sind hier erst in der Anlage begriffen. Alle Haare besitzen einreihiges Mark und einen Durchmesser von 0,006 bis 0,008 mm. Am Schwanze fand ich die Ausmündung der tubulösen Drüsen immer an den Haarfollikeln, dicht neben ihrer Spitze; der Drüsenschlauch ist 0,2—0,28 mm lang und 0,04—0,06 mm breit und geht plötzlich über in den nur 0,008 mm breiten Ausführungsgang. Fast alle Haare scheinen eine solche Drüse zu besitzen. Lepilemur mustelinus Js. G. St. Hilaire. Am Rücken kommen Gruppen vor von meistens 3 Haaren, öfters auch von 2 oder 4; alle mit einreihigem Marke und mit 0,016 mm Durchmesser. Der Schwanz ist mit dieht beisammen stehenden und also undeutlichen Gruppen von 2—5 Haaren besetzt, welche einen Durchmesser von 0,028 bis 0,032 mm erreichen; weiter hinauf wird das Mark mehrreihig. In der Schwanzhaut fand ich Schweißdrüsen, welche in die Haarfollikel münden und nach unten hin mehr oder weniger allmählich erweitert werden. Cheirogaleus samatii Grandidier. Der Rücken ist mit Bündeln von 4—7 Haaren besetzt. Querschnitte zeigen, dass höchstens von einer schüsselförmigen Einsen- kung der Haut die Rede ist. Ein echter gemeinsamer Follikel fehlt also. Hier und da ist eins der Haare einer Gruppe etwas stärker und steht dann meistens auch mehr isolirt. Am Schwanze treffen wir eben solche Bündel; dass es falsche sind, ist hier schon auf Flächenschnitten deutlicher zu sehen als am Rücken. Die mei- sten Haare erreichen 0,012 mm Durchmesser, einige von 0,02 mm kommen ver- einzelt vor. Galago senegalensis G. St. Hilaire. Am Rücken stehen die Haare in Gruppen von 2—4 Stück. Alle haben einreihiges Mark; der Durchmesser variirt von 0,012—0,016 mm. _ Auch am Schwanze kommen kleine Gruppen vor von 2—5 Stück; hier- unter viele Gruppen von 3 Stück. Durchmesser der Haare wie am Rücken. Nycticebus tardigradus Linné. Am Riicken findet man meistens Gruppen von etwa 9 Stiick, von denen oft eines in der Mitte stärker ist (0,02—0,024 mm, während die übrigen Haare nur 0,012 mm erreichen). Meistens sind die Haare einzeln für sich eingepflanzt; Über die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 405 nur hier und da findet man 2—4 so nahe beisammen, dass man an Haarbündel denken könnte. An der Riickenfliiche der Hand kommen Gruppen von je 3—5 Stück vor. Perodictieus potto Gmelin. Die Rückenhaare stehen in Gruppen, welche ziemlich unregelmäßig zer- streut sind, bald in größerer Entfernung von einander, bald dicht beisammen. Jede Gruppe enthält 10—15 Haare, welche in verschiedener Weise falsche Bündel bilden. In der Mitte einer Gruppe steht bisweilen ein stärkeres Haar isolirt (0,036—0,056 mm), während der Durchmesser der übrigen Haare meistens 0,008 bis 0,016 mm beträgt. Einige Gruppen bestehen einfach aus einem solchen dicken Haare, mit jederseits einem Bündel von z. B. vier dünneren Haaren. Aus den Querschnitten ergiebt sich, dass der gemeinsame Follikel hier immer wieder sehr kurz ist. Schweißdrüsen fand ich bloß an den Follikeln dieser dicksten Haare; sie münden in die Spitze derselben. Der enge (nur 0,004—0,006 mm breite) Aus- führungsgang geht nach unten hin plötzlich über in einen großen Drüsenschlauch (Länge 0,45—0,47 mm, Breite 0,1 mm), dessen enges (0,008 mm weites) Lumen von einer Schicht sehr hoher (0,056 mm) Epithelzellen bekleidet ist. Die aci- nösen Drüsen sind sehr klein. Tarsius fuscomanus J. Fischer!. Der Schwanz hat an der Unterseite sehr deutliche Schuppen, hinter wel- chen je 3 Haare stehen, welche gewöhnlich kurz und ziemlich steif sind, so dass der Schwanz sich borstig anfühlt, wenn man gegen die Richtung der Haare hin mit der Hand darüber hinfährt. An der Oberseite sind die Schuppen weniger ausgebildet; die Haare stehen auch dort zu dreien. An der Schwanzwurzel fehlen die Schuppen; die Haare stehen dort in alternirenden Reihen von 4—8 Stück. Tarsius spectrum Pallas. (Fig. 19 pag. 336.) Der Schwanz zeigt keine Spur von Schuppen; die wenigen vorhandenen Haare stehen ohne Regelmaß. Am Rücken stehen beim erwachsenen Thiere die Haare in Gruppen von 8—15 Stück, wobei öfters in der Mitte einer Gruppe ein mehr isolirt stehendes Haar vorkommt. Die meisten haben 0,008 mm Durchmesser. Meistens sieht man sehr gut, dass die Haare einzeln für sich wurzeln; nur hier und da sind einige so dicht beisammen, dass dieses zweifelhaft wird, und also ein falsches Bündel gebildet wird. Die Entwicklung dieser Gruppen habe ich an jungen Thieren von ver- schiedenem Alter verfolgen können. Beim jüngsten Exemplare (Länge 9 cm) waren fast alle Haare noch Papillenhaare; besonders auf den Querschnitten waren die Gruppen, welche hier nur aus 3—4 Haaren zusammengesetzt sind, gut sichtbar. Einige Gruppen waren größer, enthielten 5—7 Stück, deren eines, ! Für die zwei Tarsiusarten vergleiche man MAx WEBER, Zoologische Er- gebnisse. III. Leiden 1893. 406 J. C. H. de Meijere welches in der Mitte stand, dicker war als die iibrigen. Es giebt allerlei Uber- giinge zwischen diesen Gruppen und denen, welche aus drei gleichen Haaren gebildet sind. Ein etwas älteres Individuum von 10,5 cm war gerade in dem Stadium, worin die Gruppen vollstiindiger werden. Jede Gruppe enthielt erstens einige Kolbenhaare (3—5), dieselben Haare, welche beim vorigen Exemplare noch auf ihrer Papille festsaBen; aber außer diesen waren nun je mehrere neue Papillen- haare dazu gekommen. Diese neuen Haare hatten alle isolirte Follikel; sie waren alle fast gleichweit ausgebildet; ihre Zahl wechselte von 1—5 in jeder Gruppe. Dass man hier nicht mit einem Stadium des Haarwechsels zu thun hat, ergab sich auch geniigend aus den Querschnitten durch die Haut; auf diesen Schnitten sah ich nirgends ein Kolbenhaar und ein Papillenhaar in demselben Follikel, was doch wohl der Fall hätte sein müssen, wenn Haarwechsel vorlag. Von den Gruppen bestanden einige aus 3 Papillenhaaren und 3 Kolben- haaren, oder aus 4 Papillenhaaren und 5 Kolbenhaaren; andere aus 5 Papillen- haaren und 5 Kolbenhaaren, oder aus 7 Papillenhaaren und 6 Kolbenhaaren. Wenn man diese Zahlen addirt, so erhält man Gruppen yon 6—13 Haaren, was fast stimmt mit denjenigen des erwachsenen Thieres. In den größten Gruppen war auch hier wieder ein deutlich stärkeres Mittelhaar vorhanden. Ein drittes Exemplar, etwa von derselben Länge wie das vorige, zeigte ein etwas anderes Verhalten; hier waren in den Gruppen je eben so viele Kol- benhaare (3—4) wie dort, aber die Zahl der neu hinzugekommenen Papillenhaare- war viel geringer; jede Gruppe enthielt deren nur 2 oder bloß 1. Hier traten also die Haare, welche die Gruppen vervollständigen, nicht immer alle zu glei- cher Zeit auf. Chiromys madagascariensis Desm. Am Rücken kommen dicht beisammen stehende reihenförmige Gruppen vor. Jede besteht aus einem gröberen Haare (0,036—0,04 mm) und jederseits 2—3 dünneren (0,012—0,028 mm), welche sonst den vorigen ähnlich sind. Am Schwanze finden sich Reihen; deutlich getrennte Gruppen sind jedoch nicht sichtbar. Die Haare stehen dicht beisammen. Primates. Hapale jacchus Linné. Am Schwanze wie am Riicken finden sich Gruppen von 3—5 Haaren; diese Haare stehen nicht immer in einer Reihe. Besonders am Riicken flieBen die neben einander liegenden Gruppen manchmal zusammen. Am Schwanze münden die Schweißdrüsen wieder regelmäßig in die Haar- follikel. Ihr Ausführungsgang (0,02—0,028 mm breit) geht allmählich in den weiteren (0,048—0,064 mm breiten) Driisenschlauch über; letzterer ist ziemlich lang und stark geschlängelt, ohne dass jedoch ein echter Knäuel gebildet wird. Die acinösen Drüsen sind sehr klein. Bei einem Fötus von 8 cm trug der Rücken zerstreute Haaranlagen. Grup- pen waren nicht sichtbar. Einige Haare waren bereits durchgebrochen und hatten auch eine größere Papille als die übrigen. Uber die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 407 Midas rosalia Linné. (Fig. 4 pag. 320.) Am Schwanze und Riicken fand ich immer alternirende Gruppen von je 3 Haaren. An beiden Stellen mündeten die Schweißdrüsen in die Haarfollikel. Sie haben einen länglichen, fast geraden Driisenschlauch, welcher allmählich in den engeren Ausführungsgang übergeht. Pithecia nocturna Illiger. Am Riicken kommen dicht neben einander stehende und also nicht immer deutlich sichtbare Gruppen (Reihen) vor von 3 oder 4 Stiick. Durchmesser der Haare 0,02—0,06 mm. Eben so ist das Verhalten des Schwanzes. An der Brust sind die Haare feiner (0,012—0,016 mm), auch wieder in Reihen von 4—5 Stück angeordnet. Cebus apella Linné. Der Riicken hat Haargruppen von 3—4 Stiick. In letzterem Falle steht manchmal eines der Haare nicht in einer Reihe mit den übrigen. An der Schwanzwurzel fand ich Gruppen von 3, 4 oder 5, bisweilen auch noch größere. Nach der Schwanzspitze hin sind letztere weniger selten, man trifft dort vielfach Gruppen von 6 Haaren, öfters auch viel größere Reihen und Bogen, welche durch Verschmelzung von einfachen Haargruppen entstanden sind. Sowohl am Rücken wie am Schwanze münden die Schweißdrüsen in die Haarfollikel aus; der Ausführungsgang geht plötzlich in den weiteren (0,048 bis 0,06 mm breiten) Drüsenschlauch über, welcher mehr oder weniger geschlängelt ist, am Rücken oft fast einen kleinen Knäuel bildet. Am Schwanze wenig- stens sind die Schweißdrüsen spärlich. 7 Ateles paniscus Linné. Schwanz und Riicken sind mit Haargruppen bedeckt, welche je aus 3—4 Haaren gebildet sind. In der Regel findet sich in der Mitte der Gruppen je ein stärkeres Haar. Cynocephalus porearius Boddaert. Die Haare stehen am Riicken meistens in Reihen von 3—4 Stiick; bis- weilen auch zu 5. Cynocephalus hamadryas Linné. Junges Individuum. Am Schwanze kommen Gruppen vor von 3—5 Stück, sie alterniren regelmäßig und sind deutlich von einander getrennt. Der Rücken ist mit Gruppen von meistens 5 Haaren besetzt, von denen die äußeren oft dünner (0,008—0,009 mm) sind als die drei mittleren (0,024 mm). Die Haare jeder Gruppe bilden eine Reihe. Die Schweißdrüsen sind sowohl am Rücken wie am Schwanze in ihrer Ausmündung ganz unabhängig von den Haaren (Fig. 25 pag. 344). Wohl findet man ziemlich konstant eine Schweißdrüse jederseits einer solehen Gruppe, aber überdies kommen überall zwischen den Gruppen Schweißdrüsen vor. Sie sind knäuelförmig und am Schwanze in größerer Zahl vorhanden als am Rücken. 408 J. C. H. de Meijere Macacus nemestrinus Linné. Der Riicken besitzt deutlich getrennte Gruppen von je 3—5 Haaren. Auch am kurzen Schwanze findet man eben solche Gruppen, aber hier verschmelzen sie oft unter einander, so dass längere Reihen von acht oder mehr Stück gebildet werden. Cereopithecus cephus Linné. Am Rücken (Fig. 5 pag. 320) findet man reihenförmige Gruppen von 3—5, am Schwanze Reihen von meistens 5 Haaren; die neben einander liegenden sind wieder öfters nicht dentlich getrennt. Am Scheitel fand ich die Haarstellungen ziemlich unregelmäßig; bier und dort kommen noch kleine Gruppen vor, aber meistens sieht man nur unregel- mäßige Reihen und Bogen, welche überall an einander schließen. Am Rücken münden die Schweißdrüsen unabhängig von den Haarfollikeln, der secernirende Theil ist zu einem kleinen Knäuel zusammengeballt. In den Achseln ist das Verhalten ein anderes; hier ist wieder ein deut- licher Verband zwischen Haarfollikel und Schweißdrüse vorhanden; letztere mündet nämlich immer in die Spitze des ziemlich weiten und große Talgdrüsen besitzenden Follikels. Eigentliche Knäuel werden nicht gebildet; die Drüsen- schläuche sind länglich und bloß gekrümmt, etwa 0,064 mm breit und gehen plötzlich in den nur 0,01 mm breiten Ausführungsgang über. Cercopithecus sabaeus Linné. Dass die Schweißdrüsen eine besondere Ausmiindung fiir sich besitzen, wird schon von LEYDIG berichtet, Cercocebus eynomolgus Schreber. Der Rücken ist mit eben solchen Gruppen wie bei Cercopithecus cephus besetzt; sie bestehen aus 3, 4 oder 5 Haaren. Semnopithecus melalophus Raffles. Am Rücken kommen deutlich getrennte, alternirende Reihen von meistens je 5 Stück vor, bisweilen auch von 3 oder 4. Der Schwanz ist sehr dicht be- haart, Gruppen von 3—5 sieht man oft, aber auch öfters längere Reihen, welche durch Verschmelzung von Gruppen entstanden sind. Der Oberarm hat deutlich getrennte Gruppen von 3—5 Haaren. Hylobates syndactylus Raffles. Am Rücken fand ich meistens Gruppen von 5, bisweilen auch von 4 Haaren; in der Regel steht hier je eins der Haare ein wenig außerhalb der Reihe der übrigen. Simia satyrus Linné. Bei einem jungen, 59 em langen Orang fand ich an der Brust, dem Bauche 1 Müruer's Archiv. 1859. pag. 731. Uber die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 409 und dem Schenkel die Haare in deutlich getrennten, alternirenden Reihen von meistens 3, bisweilen 4 Stück. Am Rücken sind die Gruppen einfacher, meistens nur aus 1—2 Haaren gebildet. An der Rückenfläche von Hand und Fuß kommen Gruppen von 5—7 Stück vor, wobei in der Regel drei derselben stärker sind als die übrigen. Der Kopf ist hauptsächlich mit Gruppen von drei Haaren bedeckt; am Scheitel fand ich meistens bloß je ein Haar entwickelt; dagegen werden die Gruppen nach dem Gesichte hin komplieirter, bestehen z. B. aus 6—7 Haaren. An der Oberlippe stehen die Haare dicht beisammen, ohne Regelmaß; an der Unterlippe sind noch hier und da Gruppen von etwa 4 Stück zu unter- scheiden, auch hier aber sind sie sehr oft verschmolzen. Unter dem Kinne scheint von jeder Gruppe nur ein Haar entwickelt zu sein. Wichtig ist das Verhalten der Schweißdrüsen. In der Brusthaut münden dieselben oft im oberen Ende eines Haarfollikels aus, manchmal auch in ge- ringer Entfernung (z. B. 0,02 mm) von einem Follikel. Gleiches gilt für den Oberarm. Die Drüsen behalten überall dasselbe Kaliber -(etwa 0,02 mm) und be- sitzen einen gut entwickelten Knäuel. Kleiner sind diese in der Rückenhaut, aber auch hier ist die Ausmündung in oder dicht neben einem Haarfollikel die Regel. Gorilla Savagei Owen. Ein junger Gorilla hatte am Rücken die Haare in Gruppen von 3—5 Stück. An der Brust und dem Bauche kamen aus 7—8 Haaren gebildete Gruppen vor; am Oberarme Gruppen von 3—5 Stück, am Vorderarme eben solche, jedoch auch größere (z. B. von 7 Stück); an der Rückenfläche der Hand Gruppen von 3—5 Haaren, am Schenkel und Unterbeine Gruppen von 5—7 Haaren. Der Kopf hat über den Ohren die Haare zu zweien bis fünfen, mehrere stehen auch ganz einzeln. Am Scheitel konnte ich kein Regelmaß auffinden. Auch nach dem Gesichte hin werden die Gruppen undeutlicher. Anthropopithecus troglodytes Gmelin. Ein junger Chimpanse von 94 em bot folgendes Verhalten. An den ersten Phalangen, sowohl der Hand wie des Fußes, waren zahl- reiche Gruppen von je drei Haaren. Solche fand ich auch an der Riickenfliiche der Hand, besonders an der ulnaren Seite; oft waren jedoch die lateralen Haare weniger stark als die mittelsten. An Armen, Beinen, Brust, Bauch und Rücken waren im Ganzen gut entwickelte Gruppen von drei Haaren nur spär- lich vorhanden; öfters traf ich Haare, welche jederseits ein kurzes und feines Haar hatten, oder auch Gruppen von zwei Haaren, entweder gleich stark oder von verschiedenem Kaliber. In vielen Fällen auch waren von den Gruppen bloß die Mittelhaare übrig geblieben. Am Scheitel stehen die Haare oft zu zweien, aber auch einzeln stehende kommen vor; im Gesicht fand ich meistens einzeln stehende Haare, bisweilen noch mit einem kurzen und feinen Härchen neben sich. Morpholog. Jahrbuch. 21. 27 410 J. C. H. de Meijere Homo sapiens Linné. (Fig. 26 pag. 345.) _ Für die Geschichte unserer Kenntnis von der Haarstellung beim Menschen sei z. B. auf WALDEYER’s Abhandlung! verwiesen. Ich kann WALDEYER jedoch nicht beistimmen, dass Haargruppen aus- schließlich am Kopfe vorkommen sollen. Bei zahlreichen Personen habe ich die Anordnung der Haare auf der Rückenfläche der Hand untersucht, und bei vielen mehrere Gruppen von zwei, bisweilen auch solche von drei Haaren ge- funden, aber bei Niemandem fand ich die Gruppen so schön als eben bei mir selbst. Zahlreiche sehr deutliche Gruppen von je drei Haaren finden sich so- wohl an den Phalangen wie an der Rückenfläche der Hand, besonders an der ulnaren Seite. Die Gruppen haben eine Breite von höchstens 1 mm; die drei Haare stehen in einer Reihe und sind bald alle gleich stark, bald sind die lateralen Haare schwächer; letztere können auch ganz fehlen, wie es wohl ge- wöhnlich der Fall ist (man vgl. pag. 330). Die Entfernung der Gruppen von einander erreicht 1,5—2 mm. Die Ausbildung der Behaarung der Hand scheint nicht in etwaigem Verbande mit dem Vorkommen von Gruppen zu stehen; denn bei Personen mit viel kräftigerer Behaarung als ich selbst besitze, fand ich von Gruppen öfters keine Spur. Bei Embryonen aus dem letzten Monat und bei Neugeborenen traf ich diese Gruppen von je drei Haaren nicht nur an den Händen, sondern auch an den Armen und Beinen. Es giebt dort jedoch auch zahlreiche isolirte Haare, auch können neben einem gut entwickelten Mittelhaare ein Paar schwächere Haare vorhanden sein. Am Rücken waren aus drei Haaren gebildete Gruppen selten. Am Kopfe jedoch stehen über den Ohren viele solcher Gruppen, wobei dann in der Regel je das Mittelhaar weiter ausgebildet war; eben so ist das Verhalten am Hinterhaupte. Am Scheitel fand ich Gruppen von 3—5 Stück. Diese Zahl variirt auch bei den erwachsenen Menschen. EBNER meldet wenig- stens, dass er bei einigen Individuen 3—4, bei anderen 4—6 Haare in jeder Gruppe fand. Es können hierbei auch bisweilen falsche Bündel gebildet wer- den, wie ich aus folgender Mittheilung Epner’s? schließen möchte: »Fertigt man Flächenschnitte der Kopfhaut an, so sieht man oft zwei, seltener drei und mehr Haare in einem Balge.« Wie man Letzteres zu ver- stehen habe, ergiebt sich aus den folgenden Worten: »Jedes Haar hat seine eigenen Talgdrüsen?.« Über die von WERTHEIM, GOETTE und Unna beobachteten Haarbälge, welche mehrere Haare enthalten, vergleiche man pag. 332. Von jüngeren Embryonen, bei welchen das Lanugo eben durchgebrochen war, habe ich die Haut auch mikroskopisch untersucht. Das Haar war am Kopfe in Gruppen von 3 oder 2 Stück angeordnet, wobei in der Regel das Mittel- haar am meisten ausgebildet war. Auch vereinzelte Haare kommen vor. Letz- teres gilt auch für den Rücken, die Brust und den Bauch, doch sind auch zu- weilen Gruppen von 2, bisweilen auch von 3 Haaren vorhanden. Eins der Haare ist wieder immer stärker. Unna hat diese Gruppen auch schon gesehen. Was ich Mittelhaare nannte, ! Atlas der menschlichen und thierischen Haare. Halle 1884. pag. 56. 2 Sitzgsber. Akad. Wien. 1876. pag. 388. 3 Cf. auch UNNA in Zıemssen’s Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie. 1875 ete. Bd. XIV (Hautkrankheiten). I. pag. 86. Uber die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 411 heißt bei ihm »primäre Haare« (die allerersten vom vierten bis sechsten Monat successive am Körper auftretenden Anlagen); »sekundäre« nennt er sämmtliche zwischen diesen später auftretenden; er fand, dass dort, wo die primären Haare schief eingepflanzt sind, die sekundären Haare sehr dicht neben diesen stehen, so dass »die Entstehung von Haargruppen außerordentlich gefördert wird«!. In den Beschreibungen der Hypertrichosen ist, so weit ich in Erfahrung bringen konnte, auf die Anordnung der Haare in Gruppen nicht geachtet. Bei den letzterwähnten Embryonen war ich ferner in der Lage zu be- obachten, dass auch beim Menschen die tubulösen Drüsen ihren Verband mit den Haaren noch nicht verloren haben. Sowohl am Kopfe .als an der Brust sah ich sehr deutlich, dass je 2—3 dieser Drüsen einer Haargruppe angehörten. Die Ausmündung findet meistens dicht neben einer Follikelöffnung statt, bis- weilen auch, wenigstens am Kopfe, thatsächlich im oberen Ende eines Follikels. An beiden Stellen jedoch traf ich auch einige Schweißdrüsen, welche, zwischen den Haargruppen zerstreut, mit diesen gar keine Verbindung zeigten. Dies war an der Rückenfläche der Hand mit allen den sehr zahlreichen Schweiß- drüsen der Fall. Ein Negerfötus desselben Stadiums hatte am Rücken meistens isolirte Follikel, nur hier und dort fand ich eine Gruppe von 2 Haaren. Öfters mündete zu jeder Seite einer Haargruppe eine Schweißdrüse aus; andere standen ohne Regelmaß zwischen den Gruppen zerstreut. Es ist bekannt, dass auch beim Erwachsenen die Schweißdrüsen zu zweien oder dreien zu stehen pflegen?, Schluss. In meiner Inaugural-Dissertation war ich noch in der Lage, die vor Kurzem erschienenen Arbeiten von MAURER? und ROMER! zu be- sprechen. Seitdem sind abermals mehrere Aufsätze, welche sich auf unser Thema beziehen, veröffentlicht worden. Da sind zu nennen drei Artikel von M. WEBER, ein Aufsatz von LEYDIG®, sowie neue 1 Zıemssen’s Handbuch. XIV. I. pag. 54. 2 Cf. Krause in: WaAGNeER’s Handwörterbuch der Physiologie. Artikel Haut. pag. 129. j 3 Hautsinnesorgane, Feder- und Haaranlage. Morphol. Jahrb. Bd. XVII. 4 Über den Bau und die Entwicklung des Panzers der Gürtelthiere. Je- naische Zeitschrift für Naturwiss. XXVIL N. F. XX. pag. 513. 5 Over den oorsprong der haren bij de Zoogdieren. Verslagen der Kon. Akad. van Wetenschappen, afdeeling Natuurkunde 1893. pag. 146. — Bemer- kungen über den Ursprung der Haare und über Schuppen bei Säugethieren. Anatom. Anzeiger. 8. Jahrg. 1893. Nr. 12 und 13. (Übersetzt in: Annals and Magaz. Nat. History. pag. 6. Vol. 12. No. 67. pag. 1—11.) — Zur Frage nach dem Ursprung der Schuppen der Siiugethiere. Anatom. Anzeiger. 8. Jahrg. pag. 649. 6 Besteht eine Beziehung zwischen Hautsinnesorganen und Haaren? Biol. Centralblatt. 1893. pag. 359. 27" 412 J. C. H. de Meijere Mittheilungen von RÖMER! und MAURER?. Endlich die Untersuchung von Emery’, die ganz besonders auf mein Thema Bezug hat. Es wiirde zu weit fiihren, auf diese verschiedenen Abhandlun- gen hier bis ins Einzelne einzugehen, ich halte dies auch für den Augenblick überhaupt für weniger zweckmäßig. Nur Folgendes möchte ich hervorheben zur Erlangung einer reinen Fragestellung. Das Ziel meiner Arbeit war zunächst kein anderes, als für die ver- schiedene Anordnung der Haare das einheitliche Princip herauszu- finden. Hierbei meine ich, die Gruppenstellung als solche durch das Bestehen eines Schuppenkleides erklären zu können. Im Laufe der Zeit schwand dies meist ganz, nur hier und da hinterließ es noch sparsame Reste. In zahlreichen Fällen behielten die Haare jedoch noch eine Anordnung, welche ursprünglich durch die Schuppen ge- geben wurde. Meine Arbeit bestätigt also die WEBER’sche Hypothese. WEBER verfügte nur über seine Befunde bei Manis und an den beschupp- ten Schwänzen einiger Siugethiere. Meine Beobachtungen er- strecken sich über eine bedeutende Zahl von Säugethieren; sie lieferten solche unzweideutige Ergebnisse, wie die vergleichend- anatomische Untersuchung sie nur geben kann. Als phylogenetisch einfachster Zustand ergab sich mir die Anordnung von drei Haaren hinter jeder Schuppe. Tiefer durchzudringen in die Phylogenie des Haares als Einzelorgan vermochte ich nicht, dies lag aber auch nicht in meiner Absicht. Durch die Darlegung obiger topographischen Anordnung der einfachsten Gruppe: drei Haare hinter jeder Schuppe, ist natürlich noch lange nicht das letzte Wort gesprochen. Aus- drücklich sagte ich ja in meiner Dissertation: »Zu jeder Schuppe gehören ein oder mehrere Haare, in bestimmter Anordnung hinter denselben gruppirt. Absichtlich sage ich hier und anderswo: hinter den Schuppen. Welcher Art der Verband zwischen Haar und Schuppe eigentlich ist, habe ich noch außer Frage gelassen. Man kann sich zwei Möglichkeiten denken: die Haare können erstens modifieirte Schuppen sein, einige Schuppen haben ihre Form bewahrt, andere ! Zur Frage nach dem Ursprunge der Schuppen der Säugethiere. Anatom. Anzeiger. 8. Jahrg. Nr. 16. pag. 526. 2 Zur Phylogenie der Siiugethierhaare. Morphol. Jahrb. Bd. XX. pag. 260. — Zur Frage von den Beziehungen der Haare der Säugethiere zu den Haut- sinnesorganen niederer Wirbelthiere. Morphol. Jahrb. Bd. XX. pag. 429. 3 Uber die Verhiiltnisse der Siiugethierhaare zu schuppenartigen Hautge- bilden. Anatom. Anzeiger. 8. Jahrg. Nr. 21 und 22, Uber die Haare der Siiugethiere, besonders iiber ihre Anordnung. 413 sind in Haare iibergegangen; das Schuppenkleid ist also differenzirt in ähnlicher Weise, wie wir z. B. bei Geckonen und anderen Rep- tilien Differenziation von Schuppen antreffen. Dass die Ontogenie der Haare diese Auffassung nicht bestätigt, darin will ich MAURER gern beistimmen. Zweitens können die Haare Anhangsgebilde der Schuppen sein. Hierfür spricht schon die Thatsache, dass wenigstens am Biberschwanze und auch in den Schuppen von Manis die Haare thatsächlich in der Lederhautpapille wurzeln, wie es ja auch schon WEBER angegeben hat.« Hieraus erhellt, dass ich das intimere Ver- halten des Haares zur Schuppe, den genetischen Verband beider zu einander einstweilen noch bei Seite ließ. Von Bedeutung ist die Mittheilung Emery’s, der gleichfalls zu dem Resultate kommt, dass »die Dreihaargruppe in der Reihe der Säugethiere typisch ist«. Neben dieser erfreulichen Übereinstimmung weicht aber Emery in anderen Punkten von meiner Darlegung ab. Da aber seine Mittheilung eine vorläufige ist, möchte ich nur auf Einiges kurz eingehen. Gemäß der von ihm vorgetragenen Ansicht über die Phylogenese des Haares der Säuger, nimmt Emery an, »dass die Haare primitiv nicht hinter oder zwischen den Schuppen, sondern in der Mitte der Schuppen gestanden haben und zwar anfänglich ein einziges Haar, welehes dem mittleren Haar jeder Dreihaargruppe entsprach; die Bildung der 3 oder mehrgliederigen Haargruppen wäre dann sekundär, die der Wollhaare in den Zwischenräumen derselben erst tertiär zu Stande gekommen«. Zunächst muss ich darauf hinweisen, dass die Unterscheidung letzterer Haarsorte nur für gewisse Säugethiere zutrifft, und die Woll- haare (d. i. feine Haare), wie ich oben (pag. 332) ausführlich be- sprochen habe, von verschiedenem vergleichend-anatomischem Werthe sein können. Ferner setzt Emery meinen an zahlreichen Säugethieren ge- wonnenen Resultaten nur drei Beobachtungen gegenüber. Haare, welche in der Mitte einer Schuppe standen, fand er an den Gürtel- schuppen von Chlamydophorus, am Fuße eines Embryos von Dasy- pus (Tatusia) novemeinctus, und am Rumpfe von Embryonen von Centetes. Was den ersten Fall anlangt, kann ich seine Beobach- tung vollkommen bestätigen; ich bleibe aber bei der schon in meiner Dissertation (auch diese Arbeit pag. 363) vertretenen Ansicht, dass die Gürtelschuppen von Chlamydophorus, sowie die der Dasypus- Arten, zu den sogenannten zusammengesetzten Schuppen gehören, 414 J. C. H. de Meijere wie ich sie pag. 317 definirt habe. Es wiirden also Bildungen zweiter Ordnung sein, welche je einem Komplex von Schuppen ent- sprechen. | Auch seine zweite Beobachtung bezieht sich auf einen Dasy- podiden, von welcher Gruppe ich iiberhaupt meine, dass sie wegen ihres so sehr specialisirten Schuppenkleides fast nicht vorsichtig ge- nug als Beweisobjekt in dieser Frage benutzt werden kann. Drittens fand Emery bei Embryonen von Centetes Gruppen von drei Haaren auf »Andeutungen von Schuppen«. Leider giebt der geehrte Autor keine Abbildung eines Längsschnittes, sondern nur eine solche (Fig. 2) der Hautoberfläche bei auffallendem Lichte, auf wel- cher man, wenn ich sie richtig verstehe, die Haare kurz vor den Schuppen, links oben selbst ziemlich weit davor, heraustreten sieht. Ihr schräger Balg muss also noch weiter davor liegen. Diesen Fällen gegenüber habe ich, nicht bei »gewissen« Säuge- thieren, wie Emery schreibt, sondern bei einer großen Anzahl, die Haare immer hinter, resp. zwischen den Schuppen gefunden. Der einzige Fall, in welchem ich an einen Stand der Haare auf Schup- pen hätte denken können, war bei R/imoceros javanicus juv. Es entfernen sich aber, wie ich schon auf pag. 375 anführte, hier die Erhebungen der Haut so bedeutend von den bei anderen Säugern vorkommenden Schuppen, dass sie vielleicht nichts mit diesen zu thun haben. Durch eine vierte Beobachtung. bei Hesperomys, soll dargelegt werden, dass die Haargruppen auch vor den Schuppen liegen können. Dies kann natürlich nur dann einen Sinn haben, wenn die einander kopf-schwanzwärts folgenden Schuppen alterniren, wie ich es ja überall bei den Säugethierschuppen fand. Man vermisst nun in EMERyY’s Abbildung (Fig. 4) jede Andeutung der lateralen Grenzen der Schup- pen, welche die »Schuppenringe« von Hesperomys zusammenstellen. Ohne diese Grenzen, nur durch Andeutung eines Vorder- und Hin- terrandes, ist doch eine Schuppe nicht als solche bestimmt, es ist aber alsdann auch unmöglich, auszumachen, ob die Haargruppen vor oder hinter den Schuppen stehen. Meines Erachtens werden hier wohl auch die Haare zu dreien hinter den Schuppen vorkom- men, wie ich es bei vielen Muriden gefunden habe, und entsprechen die Einschnitte Emery’s jedes Mal der Mitte eines Schuppenhinter- randes. Maurer’s Arbeiten habe ich in zweierlei Hinsicht zu erwäh- nen. Zunächst wegen einer Äußerung, welche mich selbst berührt. Uber die Haare der Säugethiere, besonders über ihre Anordnung. 415 MAURER sagt!, meine Annahme, dass bei allen Säugethieren die Anordnung der Haargruppen auf früher vorhandene Schuppen be- zogen werden müsste, sei völlig willkürlich. Hiergegen weiß ich nichts Besseres anzuführen, als eben meine ganze Arbeit selbst; wer zweifelt, bilde sich aus derselben selbst ein Urtheil. Zweitens komme ich zur Hauptsache in MAurer’s Arbeiten. Auch diesen liegt ein ganz anderes Ziel zu Grunde als das meinige war, da er die Phylogenie des einzelnen Haares verfolgte. MAURER fand Übereinstimmung in dem Bau der Haare und der Hautsinnesorgane der Amphibien und meint, daraus auf ihre Homologie schließen zu können. Doch bin ich der Ansicht, dass er in dieser Frage das topographische Verhalten der Haare als eine Sache von zu geringer Bedeutung betrachtet, und dass, so lange die regelmäßige Anord- nung der Haare über den ganzen Körper hinweg noch einer genügen- deren Erklärung harrt, seine Auffassung noch nicht auf so festem Boden steht, wie er meint, dass es schon der Fall sei. MAURER weist mehrmals auf die Anordnung der Tasthaare in Reihen, aber meines Erachtens wissen wir von dieser Anordnung und über das Verhalten dieser Haare, dem übrigen Haarkleide gegenüber, noch viel zu wenig, als dass man den Tasthaaren einstweilen große Beweis- kraft entlehnen könnte. So finde ich z. B. bei SCHWALBE? ange- geben, dass die Tasthaare nicht einmal immer einzeln stehen, son- dern, bei Mustela wenigstens, oft von einigen feineren Haaren begleitet werden, welche mit dem Spürhaare zusammen eine gemeinsame äußere Wurzelscheide besitzen. ! Morph. Jahrbuch. Bd. XX. pag. 274. 2 Morphologische Arbeiten. Bd. II. pag. 532. ZUVAYOS pun | “dd uayony ‘snovu uoyony ‘Bjnoed ‘pr ‘snogur pr anf ‘sisueq |zd’d ‘zavmyag ‘sis aha sorego1oy -[NA SnInsOoydLLL, -3£d soyego1oy|-9]99 IOFuejeyg| -ueqetao 1oduepeyg uoyany ‘sisueq ZUBMYIS -9]09 JosuR[eyg ‘snjeijso1 sodisavy, ZUBATOG | “pl ‘ıfoyoyıu uoyany “ant ‘BYVPNBIISSB.IO ZUBAUDS sAwoJo9segg ‘e[nseqo sPTIWW.IAI sisdoqjuimg “wurımursısdoqgummg ZUR AUS | uoyony , ; ‘anf ‘vyns pZUBMYOG wur “uunssofpmeiog "pr ‘mund soppme19g|-900 Soppuwıadg -faiop sojpmwIog Izueayag ‘sodıa -BH oTRSolooseyg uayony uoyony ‘uns | “wyepneaısse1d ZUBAYOS “Buu ZUBATOG ‘seid -sodo sAydfepIq sisdoyjuimg -IML o]VSO[OOSBYg) -nsivm sAydjapig uoyony'sıperdns | uoyony ‘sodra ZUBAYOS ‘uns ZUBMYIG -ivu sAydpapiq|-vy eyesopooseyg -sodo sAydjepiq| “euLınm sAydjapiq uoyony ‘snuld zueAyog ‘Ant ‘snu ZUBAYOS ‘sn -I9AIA snandseq -IMOAIA = snandserq | -mum SIPPLOLUI eılerdnsaıaeW ZUBAYOS \jsnigq uoyony ‚uoyony |‘snuyeuw snyo |‘snuyeur snyo | ‘xnysdy vupiyog| -udyqioygiuig) -UÄyIoyNulg e@yBVeMeTyouUO RW IVVY [OIL SOLONILIS | puıs j290seduemums | ysıour ‘SOJIT[OSL UlW|-[OFFITT SOFIL[OSI urey -nz uaıeeH Teıp STE u uoddnasıeeyqgterg -UOPUTLIOA OLLI Log| 'UEpurLIoA orwegrog| snv eypfemn “uoddnıy adduyog aepel zoyuıy edduyas repel aayuıy GIVE 91aıyom IOSIMIM IepO OleRH tI qnoijsiez Sigeupoesea|ynerysi98z Zunzıddnıg -un ‘jepung eyyoq | ouqo eier elly ‘SUNUPIOULIVLP] TOP OT[oqQVy, opWoyIo[s.10 A ‘JOPTIGes jopung oyosyey rom uapıom SOIPIOq A) ¢ ‘addnyog aepof zoyuıy IUV UT 5 "MOAS19Z NONSITRMSON ouyo orevp] ouroT ¢ ‘UNIOMZ NZ OVE z ‘IOA UPSPORIG UOWWON wosiazed 7 | ‘pr ‘snyejporu -9d snis0yoomejog YON snyeygrassng | -wqaeq ‘PJ0198 sng | ‘pl ‘sısuoLL | | -oqiy snuvgododdır (uoag wep 1oyurg) sniqiy -ue snmejododdry ‘eyerTnsug SNIBURN k | 910918H weıuoaıg ysnıg uoyony ‘SIs ’ ‘eoluvart siueyy -uaded sndoiajo419 uoyony ‘suey ‘pr ‘snyAjoup é10z0eq -Ip sninqopg yshig “aoyony ZURATOS ‘orpıpodäseq “pl ‘snpAyoup "pr ‘eyeqnul |‘snyesung sna ‘gsnjAjoep “pr ‘wyequf -Ip sndaojoyp| vseydooomsidyy -oydopéueyyy|-ip snmop£g vsvydooomiAyy uayony ZUR MUS | ueyony ‘snyAy ‘enpuvue | ‘enpuwwue? | srpıgsndÄprig| eseydooomiAyy | esvydooomiAyy ‘eyeyuopa eJsnıg ‘snjni sndomeN | suoyony "S1]]09 "pr 'sı][09 -ynı sndo.oryy -gnı sndo1uN uayonyg "ereIflo | "PE “RqRTTL0 -lued 9eso.yog -lued ofedoyag ‘Pl “pr ‘sdao uoyony ‘110] -TA9Iq StLnejog -[nw = sisdoo10q uoy -yny ‘sısusayew -ns so1D0TIYY YerLWOAIXT ‘snijeqevo snnbay ‘pl ‘snine} sog uayany ‘snl -equq snylequg “pl ‘eyes sIjepavdojamey ydoy ‘sılqypew sOalYy yu914819Z Sıgempodon -un ‘jepung Oo | yne1sıozdundddnnng suyo Frmry Ally uoxond ‘sooud vimeyony IBVYLOYIPL Setexyreqs qStom ‘SOgATTOSt um “COPUBYIOA oLvRqlog uoyany ‘sniep -HWOIP FENTEWR) Ivey, -19} UT Se}AT[OSE uroy “‘MepULyIoa OABELILOT e PI ‘snane} sog usyony Anl ‘solle SIAQ gujlap10A 'n way -YNY ‘UOMISNULSIAG, uoyony ‘anf ‘swng video ‚jdoy ‘gneve vıdesıdny jdoy ‘vad -BdIAIeo «= adoy UW uayony “Ant ‘suosiom odopyuy "pr’Anl‘essnisnAron) pl ‘snydeja snaieg ‚uoyony ‘sui -9}IOSOM snyosoyy doy ‘oRfgunat snmaAuey ‘pr ‘snoy -enbe snyasowswÄH “pl BUULIWOULINSELT, uogondg ‘snomeael snpnSwLL ‚uoyonyg ‘snyenb.o4 so]kJ091Aq ‘pr ‘snoido -1UJ9B SnAVOYIOORY uoyoany ‘sninype vssniiqeg ‘anf ‘snoru -vavf SUmoRıL SIZUBAUOS sop ayprpaagun ‘so9ed viueyony puis 9240seduewums -NZ UOITTH Leip Se ayaw sne oyopom fusdducn uoddnasıeegterg - leddnyog zopel zoyuıy aIVV]T CLOITETT odduyas repel zayuıy IOZTUOM TOPO OIVLT AT ‘JOpTIqes Jepung oyospey uop.ıom SoIpIOd] ¢ 'MONSIOZ SiguwupeSosan osevyT oura,y ; "M91819Z FıgRwjodorun HAB] ayo, ı “pr ‘snue -1quivs sXm0joog "pl '®107198 BINOSON g LO : -yny ‘sn}103u04 B "pl ‘SIs -yoy snyoAyI004) -uofeouaqg BINOSON | ZURAUOS | 39 ‘snpnosnm snmW uoyondg uosyony “Ant | ; ‘snueumoep snW santihnca snW “pl SNOITIOGIZ TOQI uayony ZUR AUS ‚'snumo] sopodqy ‘sniiedit BJooIAIYy | uoyanıy ZUBATIAG ‘pr ‘sniq. 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Von Dr. Paul Scheidt, approb. Zahnarzt in Köln, Mit Tafel XII. Nachdem das allgemeine Interesse sich Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte der Zähne zugewandt und mehrfache Special- arbeiten über die Ontogenie der Bezahnung verschiedener Säuger- species die älteren Vorstellungen reformirt hatten, erschien es an- gezeigt, auch die Entwicklung des Gebisses der Carnivoren genauer zu studiren, um dadurch eine breitere Basis zur Beurtheilung der allgemeinen Gesetze der Zahnbildung zu gewinnen. Ich habe dess- halb im vorigen Sommer unter Leitung des Herrn Privatdocenten Dr. FLEISCHMANN die Aufgabe übernommen und lege nun die Resultate den Fachgenossen vor. Als Untersuchungsobjekt habe ich aus prak- tischen Gründen das Gebiss der Katze gewählt. Es wurden die ver- schiedenartigsten Methoden der Konservirung angewandt. Einzelne Ob- jekte wurden mit 10 Yiger Salpetersäure entkalkt, in Alkohol gehärtet und mit Alaunkarmin, Boraxkarmin, Hämatoxylin ete. durchfärbt. Die schönsten Resultate erzielte ich durch die Behandlung nach FLemMina’scher, ferner nach Fou’scher Methode. Meist wurden die embryonalen Kiefer in FLemming’s Chromosmiumessigsäure oder HERManN’s Platinchlorid-Osmiumessigsäure 24 Stunden eingelegt, und nachdem sie ausgewaschen, entkalkt und gehärtet waren, in rohem Holzessig reducirt; daneben aber auch die anderen bekannten Farb- lösungen angewandt. Sämmtliche auf die verschiedenste Art behandelte Morpholog. Jahrbuch. 21. 28 426 Paul Scheidt Objekte wurden in Paraffin eingebettet und in Querschnittserien zer- legt. Die Dicke der Schnitte schwankt zwischen 10 und 25 p. Die Zahnanlagen junger Embryonen wurden nach Born’scher Methode in Wachs rekonstruirt. Bei kurz geborenen Katzen, deren Bezahnung ziemlich fertig gebildet ist, wurden die Zähne durch Präpariren freigelegt. Möge es mir gestattet sein, an erster Stelle Herrn Professor SELENKA für die bereitwillige Überlassung der Hilfsmittel des zool. Instituts in Erlangen meinen herzlichen Dank auszusprechen. Ganz besonderen Dank schulde ich Herrn Privatdocenten Dr. FLEISCHMANN, der mir mit Rath und That bei meinen Untersuchun- gen zur Seite stand. Herrn Professor LupwIG in Bonn sage ich meinen ergebenen Dank für die gütige Erlaubnis, die Schädel der dortigen verglei- chend-anatomischen Sammlung studiren zu dürfen. I. Morphogenie des Gebisses der Hauskatze. Die erste Anlage der Zahnleiste habe ich bei der Katze nicht beobachtet, sie geschieht wahrscheinlich bei Embryonen, die 25 bis 30 mm lang sind. Ihre Lage ist in den entgegengesetzten Kiefern verschieden. Bei einem Embryo von 31 mm Scheitel-Steißlänge steht im Unterkiefer die Zahnleiste senkrecht zum Mundepithel, im Oberkiefer ist sie schräg gerichtet. Die erste Anlage des Zahnes ist eben so wie es Röse! (pag. 453) für menschliche Zähne beschrieb, auch bei der Katze gegeben durch eine kolbige Verdickung, welche der ektodermalen Zahnleiste direkt eingefügt ist. Die Zahnleiste schwillt an bestimmten Stellen an und springt mehr in die Tiefe der Kieferanlage vor (Fig. 1), so dass sie wohl mit der Form eines griechischen Eierstabes verglichen werden kann; die Knoten der Zahnleiste sind von dicht gelagertem Binde- gewebe mit starken Fasern umgeben, welches bereits jetzt als An- lage des Maschenwerkes erkennbar ist, das später den weiten Alve- olenraum auszufüllen bestimmt ist. Innerhalb der Anschwellung bemerkt man auf dem Querschnitte eine hellere Stelle, die dadurch entsteht, dass die ektodermalen Zellen im Centrum der Anlage nicht dicht gelagert bleiben, sondern, weiter aus einander rückend, feine Spalträume bilden; dieser helle Kern wird das Gallertgewebe der 1 ©. Résn, Uber die Entwicklung der Zähne des Menschen. Archiv für mikr. Anatomie. 1891. Bd. XXXVII. Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. 427 Schmelzglocke. Der Mantel besteht immer noch aus mehreren, epithelial geordneten Lagen. Wird die Anlage größer, so setzt sie sich auch besser von der Zahnleiste ab und ist an derselben durch einen mehr oder weniger dicken Epithelstrang (Verbindungsbrücke RöseE) befestigt. Bei ver- schiedenen Thierarten ist dieser Hals von verschiedener Dicke, bei der Katze ist er ziemlich dünn und kurz. Indem später der Rand der Zahnanlage gegen die Tiefe vorwächst, entsteht das Bild der Schmelzglocke mit einliegender Papille, während das die ganze An- lage umschließende Bindegewebe das Zahnsäckchen bildet. Der im Inneren der Anlage frühzeitig erkennbare lockere Kern wuchert zu einem weitmaschigen, aus verästelten Zellen bestehenden Gewebe, der Schmelzpulpa. Umschlossen wird dieselbe von einer äußeren, einfachen Schicht plattenförmiger Epithelzellen, innen gegen das Mesoderm von einer mehrschichtigen Lage kubischer Zellen, deren innerste Schicht eylindrische Elemente birgt. Die epitheliale An- ordnung der Zellen bleibt nur in der Schicht der cylindrischen Schmelzzellen erhalten, die anstoBenden Mesodermzellen, Odonto- blasten, erhalten erst allmählich die gleiche Form. Schmelzzellen und Odontoblasten bleiben kurzeylindrisch, bis die Abscheidung der Hartsubstanzen beginnt, dann werden sie langeylindrisch, und zwar zunächst an der Kronenspitze. Die Abscheidung harter Zahnsub- stanzen schreitet mit der Umwandlung dieser Zellarten nach der Tiefe zu fort, bis schließlich die ganze Krone hartes Zahngewebe aufweist. Da die Verknöcherung des Kiefers bereits begonnen hat, wenn die Zahnleiste vom Mundepithel einwächst, so wird der Raum für den wachsenden Zahn in der verknöchernden Zone ausgespart, und es entwickelt sich mit der Volumzunahme des Kieferknochens um das Zahnsäckchen weitmaschiges bindegewebiges Füllwerk (Fig. 2), dessen erste Anlage bei dem Embryo von 31 mm erkennbar war. Es dient gewissermaßen dazu, die kleine Zahnanlage in der weiten Alveolenhöhle festzuhalten und schwindet langsam, entsprechend dem Wachsthum des Zahnes bezw. seines Kronentheiles. Seine Re- duktion beginnt zunächst an der Spitze, später tritt sie seitlich auf, und die mit dünner Schmelz- und Dentinschicht bedeckte Zahnanlage kommt so der Alveolenwand immer näher und ist nur durch das abgeplattete Schmelzorgan von jener getrennt. Unterdessen hat sich die ganze Zahnanlage von der Zahnleiste losgelöst, der Zahnhals ist dünner geworden, durchbrochen und schließlich aufgelöst, wie 28* 428 Paul Scheidt es Röse an seinen schönen Modellen erläutert; später findet man noch vereinzelte Epithelreste im Bindegewebe, die schließlich voll- ständig schwinden. Wie v. BRUNN! zuerst nachgewiesen hat, wird die Wurzel unter direkter Betheiligung der Schmelzkappe gebildet, indem deren freier Rand als dünne Epithelscheide gegen den Papillengrund vorwächst, um eine Richtschnur der Wurzelbildung zu geben. Die Zahnanlagen, welche zuerst als Verdickungen der Leiste entstehen, sind bei einem Embryo von 9,3 em Scheitel-Steißlänge fast vollständig aus der Epithelleiste herausgeschoben und hängen an ihr durch zarte Ver- bindungsbrücken fest. Da ich die Bezahnung des Oberkiefers nach der Born’schen Methode in Wachs rekonstruirt habe, will ich die- selbe an Hand der Fig. 4 eingehender beschreiben; es sind alle 3Jd+Cd-+ 3Pd und die Anlagen der bleibenden J+C vorhanden. Die Zahnleiste hängt nur vorn oberhalb der J und der C mit dem Mundepithel zusammen, hinten liegt sie frei im Bindegewebe des Kiefers. Die Schmelzglocken all der genannten Zähne sind zwar mit der Zahnleiste verbunden, aber der Hals der Schmelzglocke der Jd und der P,d ist schwächer geworden als der der übrigen und deutet darauf hin, dass diese Zähne sich bald ablösen werden. Der Schmelz- hals der J-Glocken ist am schwächsten, da sich diese zuerst von der Zahnleiste befreien. Die Form der Milchzähne ist in der negativen Matrize ihrer Schmelzglocke bereits angedeutet bei allen Jd, Cd und P)d. Die Epithelanlagen der Jd besitzen ungefähr glockenartige Form, die des Cd erscheint seitlich komprimirt und gekrümmt; bei P,d sind schon sehr deutlich die beiden Haupthöcker, ein vorderer größerer und ein hinterer niedriger, zu erkennen. Die Glocken von P,d und P3d sind noch ziemlich flach, ihnen ragt desshalb nur eine _ sehr niedere Mesodermpapille entgegen. Die Anlage der P;d ist noch vollständig in die Zahnleiste eingeschaltet; sowohl das vordere wie. das hintere Ende dieser Anlage verjüngt sich in die dünne Zahnleiste, während alle übrigen Anlagen bereits seitlich aus der- selben herausgetreten sind. Die Zahnleiste ist oberhalb der Jd und Cd breit zur Seite gewachsen und es sind an ihr bereits ganz kleine Anlagen der zugehörigen Ersatzzähne für J und C gebildet. Bei der Hauskatze lässt sich also der gleiche Modus der Bildung der Ersatz- zähne beobachten, wie ihn Röse für das menschliche Gebiss darlegte, ı A. v. Brunn, Über die Ausdehnung des Schmelzorgans und seine Be- deutung für die Zahnbildung. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXIX. Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. 429 die Ersatzziihne entstehen nicht vom Halse der Milchzahnglocken, sondern direkt aus der seitlich verbreiteten Zahnleiste. Die Ersatz- glocken der J stehen noch lingual von der oberen Spitze der Milch- zähne, während die Ersatzglocke von C lingual mehr zur Tiefe ge- schoben ist und durch einen langen Zahnhals mit der Leiste verbunden ist. Die Anlagen der bleibenden J liegen lingual neben den zuge- hörigen Milchzahnanlagen, die Anlage von C aber etwas nach vorn verschoben, entsprechend der Lagebeziehung, welche später zur Zeit des Zahnwechsels dieser Zahn zu seinem Vorgänger hat. Schon in dieser frühen Periode unterscheiden sich die einzelnen Zähne nach dem Grade ihrer Entwicklung, indem, wie sich später noch besser zeigen wird, das Wachsthum der Eekzahnanlage das der Schneide- zahnanlagen übertrifft. Im Unterkiefer ist die Entwieklung weiter vorgeschritten, es wird sich im Laufe der folgenden Darstellungen immer mehr er- härten, dass die Zähne der unteren Reihe viel rascher entstehen und fertiggestellt werden als die des oberen Kranzes. Wir finden alle unteren Milehzähne angelegt, das sind 3Jd +-Cd + 2Pd, außer- dem die Ersatzanlagen aller J, C, P,, und endlich noch die Anlage von M. Alle hängen zwar mit der Zahnleiste zusammen, doch ist Cd und die beiden Pd nur durch einen dünnen Hals angefügt, sie werden also bald gelöst werden. Die Ersatzanlagen der J stehen ungefähr auf demselben Stadium, wie die entspechenden Zähne des Oberkiefers, die des Eekzahnes aber ist größer und besitzt schon eine deutliche von der Mesodermpapille erfüllte Einstülpung, P, macht sich als kolbige Epithelverdiekung bemerkbar. (Im Oberkiefer ist eine Prämolarersatzanlage überhaupt noch nicht differenzirt.) Bei vielen Milchzähnen der oberen und unteren Reihe hat die Schmelz- und Dentinbildung begonnen, auch hier treten mannigfache Differenzen in der Schnelligkeit des histogenetischen Processes auf. Im Allgemeinen übertreffen die unteren Zähne den Ausbildungsgrad der oberen. Die J.) und Pr) haben nur an der Kronenspitze Schmelz und Dentin abgelagert, aber bei Cd bedecken harte Zahn- substanzen schon die halbe Krone. P,d und P,d besitzen weder Schmelz- noch Dentinkleid. Im Unterkiefer jedoch ist harte Zahn- substanz bei sämmtlichen Milchzähnen gebildet, als Hiiubchen, die den Kronenspitzen der Anlagen aufsitzen. Der Eckzahn steht wie- der auf der höchsten Stufe, fast sein ganzer Kronentheil ist mit Schmelz und Dentin bedeckt. In diesem Stadium stehen alle Zahnanlagen innerhalb sehr 430 Paul Scheidt weiter Alveolenhéhlen der Kiefer, die von grobmaschigem Binde- . gewebe erfüllt sind. Beim nächst älteren Stadium, einem Embryo von 12,4 cm Scheitel- Steißlänge, sind im Unterkiefer sämmtliche Zähne angelegt. Die Milehzähne haben einen hohen Grad von Selbständigkeit erreicht, die Kronenform ist gut ausgebildet; alle sind von der Zahnleiste losgelöst. Mit letzterer hängen jetzt nur noch die Keime der blei- benden Zähne und mit ihrem hinteren Ende die Anlage von M zu- sammen. Die Glocken der J sind kolbige Anschwellungen der Er- satzleiste ohne weitere Differenzirung, während die Glocken der P schon eine schwache Einwölbung durch die Mesodermpapille erlitten haben. Die innere Fläche der Schmelzglocke von M hat begonnen sich zur Matrize der definitiven Form zu differenziren, der Zahnhals dieser Anlage ist sehr dünn geworden. Die obere Reihe steht weit hinter der Ausbildung der unteren zurück, Anlagen der M fehlen. Die Milchzähne haben sich zwar von der Zahnleiste getrennt, aber sie sind noch nicht so stark ge- worden wie unten. Die Anlagen der 3J und P, sind kolbige Ver- dickungen der Zahnleiste, nur die Glocke von P, besitzt eine flache Schmelzhöhle. Medial von P;d ist die Zahnleiste von einer stärkeren mesodermalen Wucherung umgeben, als erste Andeutung der Anlage von P;. Oben und unten ist die Anlage von C am besten von allen Er- satzzähnen ausgebildet, ihr Schmelzorgan stellt eine lange Glocke dar, die durch einen langen Zahnhals in der Tiefe gehalten wird. Die Verknöcherung ist fortgeschritten und hat fast alle Zahn- anlagen mit knöchernen Alveolen umgeben, Milch- und Ersatzzahn- anlagen liegen noch in gemeinsamer Alveole. Wenden wir uns nun zur Betrachtung der Entwicklung der harten Zahnsubstanzen, so sehen wir, dass im Oberkiefer der Milcheckzahn sehr starke Schmelz- und Dentinbildung zeigt, seine Krone ist vollständig gebildet, wenn auch die Dentinentwicklung noch nicht als abgeschlossen anzusehen ist; anders verhält es sich mit der Schmelzbildung, die Schmelzglocke ist nämlich oberhalb der Spitze des Zahnes sehr dünn geworden, ein Zeichen, dass der Schmelz an dieser Stelle annähernd seine definitive Stärke erreicht hat. Auf ungefähr gleicher Stufe sehen wir die Milchschneideziihne, auch hier ist schon eine Schrumpfung der Glocke oberhalb der Zahnspitzen eingetreten; diese Schrumpfung ist an Pyd, dessen ganze Krone ebenfalls schon Schmelz- und Dentin- bildung zeigt, noch nicht eingetreten, woraus hervorgeht, dass die Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. 431 Schmelzbildung noch kräftig fortschreiten wird, P,d und P;d tragen nur an der Spitze eine Kappe von Hartsubstanzen. Im Unterkiefer steht Cd auf höherer Entwicklungsstufe als im Oberkiefer, die Schmelz- glocke ist auf geringe Stärke redueirt und sehr abgeplattet, die Schmelzbildung also nahezu vollendet, außerdem ist schon die Wur- zelbildung eingeleitet. Dieselbe Abplattung der Glocke zeigen die Jd, auch sie haben einen wenn auch nur schwachen Wurzelansatz. Auf ungefähr gleicher Stufe stehen die Pd, deren Schmelzorgan aller- dings nur oberhalb der Spitze abgeplattet ist, die sich aber ebenfalls schon zur Wurzelbildung anschicken. Auch die Molaranlage, welche die Kronenform des definitiven Zahnes zeigt, lässt geringe Schmelz- und Dentinbildung erkennen. Im Oberkiefer einer zwei Tage alten Katze von 13 em Scheitel- . Steißlänge zeigt die Milchzahnserie bedeutende Entwicklung, sie steht aber noch auf niederer Stufe als die Anlage der unteren Zahn- reihe des vorher beschriebenen Stadiums von 12,4 cm Länge. Die Schmelz- und Dentinentwicklung ist zwar weit gediehen, eine Wur- zelbildung aber an keinem Zahne zu erkennen. Da eine starke Ab- lagerung harter Zahnsubstanzen sowohl beim Eckzahn als auch bei den Sehneidezähnen stattgefunden, ist ihre Schmelzglocke sehr zu- sammengeschrumpft. Unter den Prämolaren nimmt P,d die höchste Stelle ein, die vollständig angelegte Krone zeigt schon weit vorge- schrittene Schmelz- und Dentinablagerung; das Schmelzorgan ist oberhalb der Spitze verjüngt, bei P,d und P;d ist es dagegen sehr voluminös, hier sind erst die Spitzen mit harten Zahngeweben be- deckt. Alle Ersatzzähne sind angelegt, jedoch noch nicht weiter diffe- renzirt, sie sind sämmtlich mit der Zahnleiste in Verbindung. Auch in diesem Stadium fehlt noch die Molarzahnanlage, woraus hervor- geht, dass im Oberkiefer die Molaren erst nach der Geburt ange- legt werden, während sich der Unterkiefermolar schon im embryonalen Leben stark ausbildet. Die C-Anlage ist nur noch durch einen zarten Zahnhals mit der Leiste verbunden, die Anlagen der J und des P, stellen starke kolbige Epithelanhäufungen dar, die eine flache meso- dermale Einstülpung aufweisen; P; repräsentirt sich als schwache kolbige Anschwellung. Die Schmelzglocke von P, hat in diesem Stadium eine unbedeutende mesodermale Einstülpung erlitten, wäh- rend P, des vorher beschriebenen Embryo bereits eine deutliche Einbuchtung zeigt. Eigenthümliche Verhältnisse traten mir bei der Untersuchung 432 Paul Scheidt des Unterkiefers einer jungen Katze von 3,5 em Nasen-Hinterhaupt- länge entgegen. In diesem Unterkiefer sind die Milchzähne höher entwickelt als bei der vorher beschriebenen zweitägigen Katze, während die permanenten Zähne in der Entwicklung bedeutend zu- rückblieben und innig mit der Leiste zusammenhängen. In der Milchzahnserie steht wiederum Cd auf der höchsten Ent- wicklungsstufe, seine Spitze ist der Mundschleimhaut nahe gerückt; die Jd sind ebenfalls hoch entwickelt, auch ihre Spitze nähert sich der Mundschleimhaut, eben so haben die Pd starke Dimensionen angenommen. Das in frühen Stadien weitmaschige Gewebe des Zahnsäckchens ist dünner geworden, da die Zahnanlage den ganzen Alveolenraum ausfüllt (Fig. 3). Die Schmelz- und Dentinablagerung ist am weitesten bei Cd und den Jd gediehen, die Kronenspitzen sind ungefähr vollendet. Das Schmelzorgan ist als abgeplattete, dem Dentin angelagerte Scheide schon in die Tiefe gewuchert und hat die Wurzelbildung eingeleitet. Die Prämolaren haben ebenfalls starke Dimensionen angenommen, ihre Krone ist fast ausgebildet, die Wurzelbildung dagegen hat noch nicht begonnen. Sehr klein ist die Anlage der Ersatzzähne, an der C-Anlage sehen wir nur eine schwache Mesodermeinwucherung, sie ist durch einen starken Zahnhals mit der Leiste verbunden, während die ent- sprechende Anlage des oben beschriebenen Embryo von 12,4 cm Länge größer ist und mehr Gallertgewebe besitzt. Die J-Anlagen zeigen hier eine höhere Differenzirung als die des Eckzahnes, das Schmelzorgan hat sich bedeutend verdickt und ist halbkugelförmig vom Mesoderm eingewölbt. Die Ersatzanlagen für die Prämolaren stellen kolbige Verdickungen dar, die Anlage von P, mit halbkugel- förmiger Einwölbung liegt nach oben am Rande der Alveole nahe dem Mundepithel im Niveau der Spitze des Pd. Die Molarzahnan- lage zeigte bei dem jüngeren Embryo bereits geringe Ablagerung harter Zahnsubstanzen, während hier die innere Schicht des Schmelz- organs nur die Matrize für die Form der Krone angiebt. Bei einer Katze von 4,4 cm Nasen-Hinterhauptlänge beginnt der Durehbruch der Milchzähne und man bemerkt, dass das Schmelz- organ an der Spitze in Reduktion begriffen ist. Unter den Milchzähnen ist im Oberkiefer Cd von bedeutender Größe, am unteren Theile der Krone ist sein Schmelzorgan aber noch nicht vollständig abgeflacht. Sein Zahnsiickchen ist noch weiter als das der Jd, von denen J,d so eben mit der Spitze durchgebrochen Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. 433 ist, während die Spitze der beiden anderen an die Mundschleimhaut heranrückt. Ihr stark abgeplattetes Schmelzorgan stößt direkt an die untersten Epithelschichten der Mundschleimhaut. Von den Prä- molaren steht P,d auf der höchsten Entwicklungsstufe, sein Schmelz- organ ist am oberen Theile der Krone sehr dünn geworden, auch die Kronenspitze dieses Zahnes ist gegen die Mundschleimhaut vor- gerückt. Das Schmelzorgan des Pd, welches noch in einem weiten Alveolenraum liegt, stellt eine dünne Glocke dar, da nur wenig Schichten platt gedrückter Zellen zwischen äußerem und innerem Schmelzepithel liegen. Bei P,d ist nur hoch oben in der Gegend der Spitze eine Abflachung des Schmelzorgans wahrzunehmen. Die Kronenbildung der Cd und Jd ist zum Abschluss gelangt, auch die Wurzelbildung ist weit vorgeschritten. Unter den Prä- molaren, deren Kronenbildung nahezu als vollendet angesehen wer- den kann, zeigen P,d und P,d Beginn der Wurzelbildung, während dieselbe bei ?,d noch nicht eingeleitet ist. Die Ersatzzähne sind zum Theil schon weit entwickelt. aber keiner ist zur Ablösung von der Zahnleiste gekommen. Der Eck- zahn weist die stärksten Dimensionen auf, die Anlage ist nur noch durch einen dünnen fadenartigen Zahnhals mit der Leiste in Ver- bindung. Die Ersatzanlagen der Schneidezähne stehen auf relativ niedriger Stufe, man erkennt glockenförmige Schmelzorgane mir zapfenförmiger Mesodermeinwucherung. Die Anlagen sämmtlicher drei Prämolaren erscheinen als glockenförmige Schmelzorgane über einem schwachen Bindegewebskerne. Die Zahnleiste ist nach hinten in den Kiefer hineingewachsen und lässt die Anlage des M, er- kennen, die auf derselben Entwicklungsstufe wie die der P steht. In diesem Stadium beginnt die Ablagerung harter Zahnsubstan- zen auch bei den Ersatzzähnen, C weist schon an seiner Spitze eine geringe Schicht Schmelz und Dentin auf. Im Unterkiefer treten uns bei Cd und Jd so ziemlich dieselben Verhältnisse entgegen, wie wir sie bei den entsprechenden Zähnen des Oberkiefers fanden, mit dem einzigen Unterschiede, dass noch kein Schneidezahn durchgebrochen ist, wohl aber die Spitze aller drei Zähne die Mundschleimhaut be- rührt, /,d dieselbe schon ausbuchtet. Man kann also sagen, dass die Schneidezähne im Ober- und Unterkiefer so ziemlich zu gleicher Zeit durchbrechen, denn J,d sup ist nur mit der äußersten Spitze durchgebrochen, während die beiden anderen dieselben Verhältnisse wie die unteren zeigen. Die Abflachung des Schmelzorgans ist an P,d, dessen Spitze schon nahe an die Mundschleimhaut gerückt ist, 434 Paul Scheidt vollständig längs der ganzen Krone, bei P,d dagegen nur an der Spitze eingetreten, beide Zähne sind stark entwickelt. Die Kronenbildung von Cd und der Jd ist beendet und deutliche Wurzelbildung ist wie bei den oberen Antagonisten eingeleitet. Die Prämolaren haben ebenfalls ihre vollständige Krone, bei P,d sieht man deutliche Wurzelbildung, schwächer und geringer ist sie bei Pod. Die Ersatzanlage für Cd steht auf derselben Stufe wie im Ober- kiefer, auch sie ist nur noch mittels eines zarten Zahnhalses mit der Leiste verbunden; die Anlagen der permanenten Schneidezähne und Prämolaren zeigen die bekannte Glockenform, wie wir sie für die Ersatzanlagen der oberen Schneidezähne fanden. Die Molar- anlage hat ihre fertige Krone, auch sie steht nur noch mittels eines dünnen Zahnhalses mit der Leiste in Verbindung. Geringe Ab- lagerung harter Zahnsubstanzen sehen wir an den Spitzen von C und M. Bei dem ältesten Stadium, dem Oberkiefer einer Katze von 6,8 cm Nasen-Hinterhauptlinge, sind sämmtliche Milchzähne außer P,d durchgebrochen. Die Epithelscheide ist in die Tiefe gewuchert und starke Wurzelbildung eingetreten. Während die Epithelscheide in der Tiefe die Wurzel noch ringsum umgiebt, beginnt an höher gelegenen Stellen schon ihre Auflösung. Jd, Cd und P,d stehen un- gefähr gleich in der Entwicklung, ihre Krone ist fast vollständig durchgebrochen. Die Krone des Pod überragt zum Theil die Mund- schleimhaut, während P,d erst an sie heranreicht. Bei allen D ist die Schmelzbildung vollendet, nur die Dentin- bildung schreitet am Wurzeltheile noch fort. Derselbe ist sehr lang bereits bei Jd, Cd und P,d und wird gegen das Ende schmaler. Die Wurzeln des P,d und P;d haben ebenfalls eine bedeutende Länge erreicht, das Wurzelende ist aber noch nicht dünner geworden. Die Ersatzzähne stehen auf mehr oder weniger hoher Entwicklungsstufe, hängen aber noch sämmtlich durch einen schwachen Zahnhals mit der in Resorption begriffenen Zahnleiste zusammen. Der am stärk- sten entwickelte C besitzt die fertige Kronenform, sein Schmelzorgan ist sehr dünn, J, P, und P, sind ebenfalls weit entwickelt, während 2; auf dem Stadium der Glockenform steht. Die Anlage von M, kenn- zeichnet sich als ein stark entwickeltes Schmelzorgan, das halbkugel- förmig vom Mesoderm eingebuchtet ist; M, ist noch nicht angelegt. Eine Differenzirung zu Schmelz- und Dentinbildung hat nun auch bei allen Ersatzzähnen, außer an P;, Platz gegriffen. C, der schon die fertige Kronenform besitzt, zeigt auf der ganzen Oberfläche 435 Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. Sundjnysuro -WLIOPOSOTY TayorjnNop oyslo[UYye7 03819 UY Vz, yım 999018 UOUONIRS Joep Sunyorp) ySojesue |1op FunypIp -Zjeuyog $= | -UYyYzyo[IW Joep ozjidsuouo01y top ueqou -I9A OSIQIOY, FIM yon |-19A os1qQ[oy aule[ yy o4sIofuyez Jop usasunyoIps9A IUleT ssiqexy) sOyuauBmıad cooO=— a euoly U9Z -uvs op 19qn ozyıdg Joep ue 4887 uuod ozyıdsusuoıyy Iop ue uoqoddyyuiyued-z,amMyoS pun zjemyog| uoqoddryuyuedg-zjamyog seule, y SsIQos qo ly Seen eee eee. ee [ [ — — —— i 0) ar oy | Ip | 19J014.10Ju[] 'osjepg wogur] | uv 9990]8 UIUINIRS -zjomyog | -uyezydjLm Top ozyıdsusuoıy Joep ueqou 4391]98ue 4y9aLu YOON eule,y aJSo[UYeZ op UISUNYIpPIOA PuloIy | ssiqox) soyuouvuUlIeg | 00=a | ezy1dg | olor t eyoo[s lisp uw uoyd) oysiojuyez | ueq(vy Iop / -zjouqog |-ddryayuog|iop Sunyorplioqn umuagq ezyidsuouoly Jop ue oydeLd -z[0Wy9S |-ı94 AFIgqjoyy pın zjeuyog| uoqoddyyuyued-zjomyog soul] | ssıgqodgd]LN mw | wa Guy bug 9 TE nase”; | oo "OSUR[TIOIS-TPHOYS u g‘6 (B usuokiquyg I “OYIRISZ[OMIGOS 99013 g ‘oyIRISUIUEG 997913 7 :uadunuypl9zag Hursumues) "oyejInsoyg Iop Suntjoysuowuresng ozudg | 19p ue uayd -ddeyunuad -z[9uy9g 'spey sieH -ugezuouunp weosur] ue ug odejuy | U9N90LSZIELYOS 949198 HNI0TJAJOAMN| aysıojugez Iop ussunyoIpj9A PFIq[oy || ssiqex) soyuouvulieg 90 = Ob Oa tro=s | r0=—a 194014 ueuu0seq -9sule Sunp wage 08 Zunpjrqpozin MA fg ee Se c0=9 | mo=q yuau91493 aydıynaq usuuosag ueqe Os ZunpjigjezinM oIsıajuyez lop UOA opleg yuu2.1493 O4SIO[RYVZ Jap UOA yaıpyuurg ssıqd3y2]L N 3 MW ug | “ug | FO) ep or | ir | 19JOLy10}09 = © MN _ 97819] = -ugeZ Jap 949013 s]aH wo3ur] a qsolosue Ssunyoip -ZjaMyoG |deqe os 4Yo}s8} UB 949019 Wola YON |-19A OSIq[oy) Iaulely -jue osvjuy 9014) OISIO[UYVZ, 1op uHFunyPIpIaA osiqjoy | ssiqex) sEJuaugwmIag 800 = 9 zo=q quoly 9z11dg 900 =9 ozyıds uezues Rp Rp ue woyo| “Io=QT Jop ue uoyp aoqn umuoq|-ddryunueg| Jopriqes oo=s | sto=a -ddeyurjueq|pun zjamyog| -zjamyog | -sne ouoly Jop[iqossne iyRjosun 9uoıy -z[J9uyog 4uu91393 OISTOTUYRZ I9p UOA ydIfJmwurg SSIqoSyolI WC hug Cu ewig a ef EEE, 1op111090 "9ZUuR[JIaIg-[oNayag wo F'zr (q 436 437 Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. Sunp | Sunq -[iquijaed | -[Qaury 105 pun -ZjemMyos) -asnyqrey | oysropuyez AUTO HN9OJN| Im 999078 | sop Sunyorp 901) -zEWTIg |-19 A AFıqloy 0=F | Z0=a usuuosog qyoIU Yoou Sunpyiqyezin A JOpiqessne 4887 ouory | sjequyrz moey1e4s uw 999073 -z[9u0g 9 4919§ C00 = 8 wO= a V0=S. . woI—a u999179Fur9 SunpjiqjezinAA Pyoınacdı meymmjgospunm Jap Yors Jıayru ozyidsuyez Old Sungyanqummıposow 1031] -OSNYC VY JIM U9NDOLSZIIUNOgS surely | I SsIqox) SAJUAULULIO.T sstqaduafLm W Wg | Stuy re & p i ra yor y10}U() ‚odurpdnemiogurg-ussen wo c'e (q 979018 99013 04810] -z9myOg -zjomyog |1ep Zunypıp|sperg mouunp 439[03uR OIy9198 ay49OI0s |-IoA VSIQ[OY] ux 9990]9 qyoIu YOON agony aulo]} aOVATOS 9gJ0.1%) UHNIOTSZIEWYIg PIL9IIS agory SsIqox) SOJuauwuIaT ozydg 10 =S ozyıdg Jop uv wp gf9=q Rp ue wp 00=X -ddryupuoq jeptiqes |-ddryayueq) 1 0=qT | 00=—9 wo=a -Zjeulyog + | -Sne auoıy | -zpouryog JOpliqessne suo1y SSIQOSYOU ee oe | aayarqzeqo ‘OSURTFOG-[OHoyog wo gy (® "ua9azJey IL azyıdg Joep uv wey -Adeyumuoaq |jo3onqesulo stmai9juosdez ezqidg Jap ue useyo -ddyyurned -zEWUOS 's[eH wouunp uw 9990]8 Se AGIUU DTS yo yong -zpUUS | YOVAYOS Uayoojszjompos 8701} 901 | -oSulo Simuigjuejdez usyoolSzjomyog SSIQOX) SIJUAUBULIOT pI 194014 -95ul9 Sunp -gfozan MA | X ayoip[ nop u9uuos ‘Inequmofyos) -9q Ssunp -punW -rrqrozan A L0=a ero=a Iop yoıs | ‘yapriqossne U9J0TJISULA SUNPTIG[OZIN AA OYIVIS 4 qloyRU 9zy1dS) ysvy auoıy neymioyaspun Joep yaıs yloyRu 9zyıdag SSIQasqol ty eS 3 MW hug CUT io | ep or Ip roJory.toqug : 8 ozndg | a Jop uw u9y» -ddeyuguoaq -z9uy9S ‘se mouunp uw 979018 -Z[OWYOS qo yong JOJYONGISULO SIULIQJUFUVZ YORAYOS USEYoOLSzTouryog | 97914 ogoisy | -oSulo Simaigyuejdez useyoopSszjouyog SSIQOx) SOFUHURULIOA | go=a | L0=a usuuosagq SunpjigpzmM | T0=S | meyumopyos eo=q LWO=S c0=a #10=q -punw UdjJOIJOSULO SunpjigppzinM OY1RIg qopliqassnv Jop qos | Jopliqossne ney usy90.1q93 48%} HUo1y |JAoywu ozyıdg| 48%) ouoIy | -wieTyospung op ypaıs yAoqRU ozyıdgs |-yaınp ozjz1dg ssıgoasgo]LN 8 Im ur auf uf 2 ep oe Ip | REICIS ACHTE) 'ogurpdneqısgurg-ussen wo FF (9 d) 6,8 cm Nasen-Hinterhauptlänge. Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. 439 Oberkiefer Milchgebiss n at 2 © GS mn © on a =) a & = -_ © _ ne WER Burn} N © Segen s23#&s=s een > 38272 ar AS i] Be ee a ee 038 25° ei amas il &8 ll Eas 2% aos NAsSan Pa 5M Pe Se ae a 3 25 2.2 2ACGe 23352522 os ao 2 en 2,5018 S55 Re A Mo = ger) 1 u - 8a Se, 8228 er 2uescowog S PN: | 55% AX] 835 N noe Sa aA So i a a "a Bae Baye os ae eu ar > N =] je) SDE || = || gs ~~ = oS an soo 8 See oO an HS © © N an = 3 2, jc? = un > =) LY Ad = „aD = are 5 a : A en oo ER ge a >. aS N >| =} ee ll | 39 ER fae zZ _ =| =. © : = ois i E o© un Schmelz und Dentin, während nur an der Spitze von J, P, und P, hartes Zahn- gewebe aufgetreten ist. Die Lagebeziehung der Ersatzzähne zu ihren Vorläufern wird am besten durch Fig. 5 erläutert, welehe die Be- zahnung einer jungen Katze von 8 em Nasen-Hinterhauptlänge in photographi- scher Vergrößerung darstellt. Sämmt- liche Milchzähne sind vollständig durch- gebrochen und ihre Wurzelbildung zum Abschluss gelangt. Im Oberkiefer lie- gen, mit Ausnahme der Schneidezähne, die Ersatzzähne lingual und mesial von den Milchzähnen. Am deutlichsten er- kennt man dies am Eekzahn, der sich direkt mesial von Cd entwickelt. Die mesiale Lage ist unter den Prämolaren am deutlichsten an P, erkennbar, die unscheinbare Anlage dieses Zahnes ist ähnlich zum Vorgänger gelagert wie C. P, wird zwar von der mesialen und mittleren Wurzel seines Vorläufers ver- deckt, liegt aber deutlich mesial von P,d. Der große Reißzahn P, liegt fast unter P,d, so dass Hicker y direkt unter der Krone des Milchzahnes steht, aber sein vorderer Theil springt mesial über P,d weit hinaus, er hat sich zwischen dessen Wurzeln gebildet. Die Ersatz- anlagen der Milchschneidezähne sind im Ober- wie im Unterkiefer lingual den Milehzähnen angelagert, sie geben sich eben so wie P; und die Anlage des oberen Molaren erst als kleine rundliche Gebilde zu erkennen, wäh- rend ©, P, und P, schon ihre vollstän- dige Kronenform angenommen haben. Bedeutend verschieden ist die Lage des unteren Ersatzeckzahnes von der des 440 Paul Scheidt oberen, er liegt direkt lingual und nur wenig mesial vom Milchzahn und verdeckt auf meinem Präparate die Wurzel seines Vorgängers. P, und P, liegen zwischen den Wurzeln der Milchprämolaren, reichen jedoch mesial nicht über diese hinaus. Der untere Molarzahn be- sitzt schon seine vollständige Krone, es hat so eben die Wurzel- bildung und der Durchbruch des distalen Höckers begonnen. Die vorgeführten Thatsachen lassen sich in folgende allgemeine Sätze zusammenfassen. Schon in der jüngsten Anlage machen sich formale Unter- schiede geltend, und die Schmelzglocken in Fig. 4 tragen schon deutlich die specifischen Größenmerkmale der entwickelten Milch- zähne, wie der Vergleich von Fig. 4 und 5 zeigt. Frühzeitig sind die Anlagen von Cd und P,d sehr groß, und die Anlagen der übri- gen Milchzähne stehen dazu in entsprechendem Verhältnis, beson- ders der kleine P;d beginnt spät, sich von der Zahnleiste zu eman- cipiren. Die Zähne, welche sowohl im Milch- als auch im bleibenden Gebiss mächtig entwickelt sind, sind schon in früher Embryonalzeit durch intensiveres Wachsthum ausgezeichnet, während die schwachen Elemente langsam vorwärts schreiten; dadurch wird es möglich, dass wenige Tage nach der Geburt alle Zähne den für die Species cha- rakteristischen Ausbildungsgrad erreicht haben und, ziemlich gleich- zeitig durchbrechend, das junge Kätzchen befähigen, festere Nahrung zu sich zu nehmen. Auch die Anlagen des bleibenden Gebisses werden bald nach der Abgliederung der Milchzähne durch Verbreiterung der Zahnleiste gebildet, wenn auch mit Variationen der Zeit ihres Erscheinens. Im Allgemeinen lässt sich feststellen, dass entweder kurz vor oder nach der Geburt alle Ersatzzähne angelegt sind. Abgesehen von der Thatsache, dass die Ersatzzähne neben den Milchzähnen, deren Stelle im Kiefer sie später einnehmen, aus der Zahnleiste entstehen, lässt sich keine direkte morphologische Beziehung zwischen dem Milch- und bleibenden Gebisse nachweisen. Wie die einzelnen Zahnelemente des Milchgebisses gleich in der ersten Anlage ihre individuelle Eigenart erkennen lassen, so haben auch die neben- liegenden Ersatzzähne ihren besonderen Formcharakter, der bei P, und Pysup wie inf gar nicht mit dem zugehörigen Milchzahn über- einstimmt. Es entstehen eben aus dem gemeinsamen Mutterboden der Zahnleiste dicht neben einander ganz verschiedene Zahnformen, und wir haben gar keinen Grund, diese Thatsache zu erklären. Jedenfalls giebt die Beobachtung keine Berechtigung, irgend welchen Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. 441 historischen Connex der I. und II. Dentition zu behaupten, und die ontogenetische Analyse zeigt uns, dass die Eigenschaften des ein- zelnen Zahnes, seine Form, seine Größe und Lage bereits frühzeitig in der Anlage erkennbar sind. Auch der histogenetische Verlauf entspricht vollständig der Eigenart der Einzelzähne, er verläuft rascher bei denjenigen Ele- menten, die eine mächtige Größe erreichen und gemächlich bei den Anlagen der kleinen J und P. Il. Die Homologie des Kaureliefs der Backzähne der Carnivoren. Es ist immer noch eine dankenswerthe Aufgabe, darüber nach- zudenken, welche Homologien zwischen den Höckern der einzelnen Zähne bei Säugethieren bestehen, obwohl bereits so viele Versuche vorliegen, allgemeine morphologische Gesichtspunkte für die Form des Kaureliefs festzustellen. Vor einem Jahre hat FLEIscHMANN! den Bauplan der Backzähne bei Beutlern klargelegt und darauf hingewiesen, dass der trimere und bimere Typus an den Höckerzähnen der meisten Säugethiere ausgeprägt sei. Ich bin diesem Fingerzeig gefolgt und glaube da- durch einen kleinen Beitrag zu einer besseren Systematik der Back- zähne der Raubthiere liefern zu können. FLEISCHMANN zeigt, dass die Kaufläche des oberen Molaren der carnivoren Beutler durch lingual gerichtete Schmelzkämme in drei ungleiche Felder getheilt werde, Makro-, Mikro- und Entomer, in deren Ecken sich sechs Höcker erheben; bei den unteren Molaren Jedoch sind nur zwei Theile, Makro- und Mikromer mit fünf Höckern unterscheidbar. Wenn man P;,p von Herpestes ichneumon (Fig. 7) mit einem vorderen M von Dasyurus oder Didelphys (Fig. 6) vergleicht, so er- kennt man, dass die Form der Kronen wesentlich übereinstimmt. Der P,,up der Carnivoren hat trigonale Form, die Krone stellt un- gefähr ein rechtwinkeliges Dreieck dar, dessen rechter Winkel am mesial-buccalen Rande, dessen Hypothenuse von der distalen Ecke zum lingualen Vorsprung zieht. Die Krone wird von drei Wurzeln getragen, deren zwei buccal, eine lingual liegen. Nicht nur die all- gemeine Form dieses Zahnes stimmt mit der Zahnform der carnivoren ! FLEISCHMANN, Die Grundform der Backzähne bei Säugethieren und die Homologie der einzelnen Höcker. Sitzungsber. der kgl. preuß. Akademie der Wissensch. 1891. XL. Morpholog. Jahrbuch. 21. 29 442 Paul Scheidt Beutler überein, auch die Gestalt der einzelnen Hicker und ihre Lage- beziehungen deuten gemeinsamen Typus an. Besonders wenn man die schrägen distalen Seiten vergleicht, fällt die Übereinstimmung auf. Bei beiden liegt lingual das niedrige Entomer n, dann folgt der distale Rand des Makromers mit den beiden Höckern « und y. Diese beiden Höcker sind bei Beutlern (Dasyurus) durch einen scharfen, distal schroff abfallenden, lateral sanfter abdachenden Kamm verbunden; bei Herpestes ist er stärker entwickelt und die Höcker « und y sind kräftige Zacken geworden, « = vorderer Außenhöcker, y = hin- terer Außenhöcker, und man kann annehmen, dass der spitze Höcker y des Makromers sammt dem buccalen Höckerchen # des Beutlermo- laren dem Zacken y bei Herpestes entsprechen; dann muss die rund- liche Einkerbung zwischen « und y bei Herpestes der lateralen Ab- dachung des Kammes des Makromers der Beutler homolog sein. Giebt man diese Deutung als richtig zu, so kann die Frage, welcher Abschnitt an P, von Herpestes dem Mikromer des Beutler- molaren entspreche, nur beantwortet werden, indem man den kleinen Basalwulst am mesial-distalen Rande der Krone als homolog dem Mikromer auffasst. Ich werde denselben desshalb als Höckerchen 0 unterscheiden. Aus dieser Betrachtung lässt sich die Berechtigung ableiten, die Backzähne der Beutler und Raubthiere als einem mor- phologischen Typus zugehörig anzusehen. Bei den Carnivoren würde nur ein Theil des Kaureliefs, der bei Beutlern häufig nicht gut aus- geprägt ist, das Mikromer, noch weniger entwickelt sein. P, von Herpestes zeigt den gleichen Typus wie P,, 0 ist zum vorderen Basalband, Höcker « des Makromer zu einem hinteren Basalbande reducirt. 7; besteht nur aus dem starken Zacken y mit je einem mesialen und distalen kleinen Basalvorsprung, welche « und 0 homolog sind. Die Molaren ‘der Carnivoren zeigen eine eigenartige Gestalt. Beim ersten Anblick scheint es nicht möglich, in denselben den glei- chen Bauplan zu erkennen, den ich so eben für die Prämolaren von Herpestes dargelegt habe. Der Vergleich mit dem vierten Molar der Beutler giebt jedoch auch hier Klarheit. Bei Didelphys virginiana ist der letzte M wesentlich kleiner als die drei vor ihm stehenden Genossen und differirt auch in der Form. Während das Kaurelief der drei ersten Backzähne als rechtwinkeliges Dreieck erscheint, dessen rechter Winkel an der vorderen, mesial-buccalen Ecke liegt, ist beim letzten Molar diese Gestalt nicht festzustellen. Man kann zwar auch von einer dreieckigen Kaufläche sprechen, allein der Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. 443 rechte Winkel liegt stets an der distal-buccalen Ecke und die Basis des Dreiecks läuft nicht dem buccalen Rande des Oberkiefers pa- rallel, sondern schräg nach hinten und innen, nur die mesiale Kathete der Kaufläche steht den entsprechenden Grenzen der übrigen Molaren parallel. Bei der Beschreibung habe ich nur gut ausgebildete Zähne ins Auge gefasst, bei vielen Exemplaren des Opossums ist der letzte Backzahn so schlecht entwickelt und rudimentär, dass es oft ganz unmöglich ist, die Homologie der Höcker und der Kaufläche zu er- kennen. An den klaren Beispielen aber hat die Kaufläche des letz- ten Backzahnes die Gestalt eines gleichschenkligen rechtwink&ligen Dreiecks, dessen rechter Winkel an der distalen Spitze liegt, dessen ungefähr gleich lange Schenkel von der mesialen Grundlinie schräg nach hinten laufen. Dem Zahne fehlen mehrere Theile, welche den übrigen Molaren regelmäßig zukommen, nämlich der größere Theil des Makromers. Fig. 6 zeigt in 3facher Vergrößerung die Kaufläche des JZ, und M, von Didelphys virginiana, und es ist ganz klar, dass M, das linguale Entomer und am mesialen Rande die Hicker e und 6 des Mikromers besitzt, aber vom Makromer sind nur unbedeutende Reste vorhanden, nämlich ein kleiner Theil des sonst so starken Höckers y. Die Betrachtung der Grenzflächen des Entomers ergiebt die Richtig- keit der Behauptung auf das unzweifelhafteste, denn die drei Flächen. welche in der Oberseite des Entomers und dem lingualen Abfallen des Makro- und Mikromers gegeben sind und sich als drei Flächen eines ideellen Würfels denken lassen, sind auch am lingualen Theile des letzten Molars zu erkennen: in Folge dessen kann der distale Höcker von M, nur dem Höcker y des Makromers von M,_, entsprechen. Nachdem das Kaurelief des letzten Beutlermolaren erläutert ist, wird es leicht sein, die Form des Molaren der Carnivoren zu ver- stehen, und wir wollen zu diesem Zwecke M, von Herpestes mit jenen und P, vergleichen. Zunächst ist der lingual vorspringende Theil als Entomer zu deuten, dasselbe setzt sieh dureh ein tiefes, distal offenes Thal von der bucealen Hälfte der Krone ab. Letztere entspricht hauptsächlich dem Mikromer, an dessen distalem Rande noch ein kleiner Rest des Makromers sitzt, denn das Entomer sitzt immer dicht neben dem Makromer, während Makromer den distalen Theil der Kaufliiche bildet. Da die drei Höcker am mesialen Rande von M, neben einander liegen, so sind sie als y, e und d zu deuten, der hintere kleine Vorsprung würde das rudimentäre y sein. Jd ist 29% 444 > Paul Scheidt bedeutend kleiner und lässt nur den Gegensatz von Entomer zu den beiden lateralen Höckern y und « erkennen. P, von Viverra (Fig. 8) zeigt großes Makromer mit « und y, minimales Mikromer mit 0, Entomer mit n ist bedeutend kleiner als das von Herpestes. Die Form von M, kommt sehr nahe einem gleichseitigen Dreieck, das Mikromer trägt die Höcker d + « als vor- deren Querkamm, Makromer ist der hintere Höcker; Entomer ist ziemlich groß, außer n besitzt es noch kleine Nebenhöcker. Die Deutung der lateralen Höcker stützt sich besonders auf die Form der dreiseitigen Grube in der Mitte der Kaufliiche. Der mesiale Rand ist durch eine schmale Leiste verbreitert. P, von Canis vulpes (Fig. 9) hat einen ähnlichen Bau, wie der von Viverra, das Mikromer ist nur etwas lingualwärts gerückt und Entomer etwas kleiner. Bei M dagegen ist Entomer ziemlich stark geworden, außer dem typischen Hicker 7 sind zwei Nebenhöcker, 11 und 71 entstanden und haben ansehnliche Größe. Die buccalen Höcker sind als 0 + ¢ = vordere und als y = hintere Spitze zu deuten. Die Kaufläche des P, von Mustela foina (Fig. 10) ist ungefähr iden- tisch der entsprechenden von Putorius, nur ist das Entomer mit n etwas stärker. An M, bildet ein breites Entomer fast 2/; der Kro- nenfläche, die buccalen Höcker y, 0 und « sind zwar sehr niedrig, aber deutlich sichtbar. Der größte Theil der Kaufläche des ?, von Foetorius putorius gehört dem Makromer an, auch hier sind nur « und y vorhanden, Mikromer ist im vorderen Basalwulst erkennbar. Das Entomer ist ein kleiner, medialer Anhang. M, ist ziemlich klein und in buccal-lingualer Richtung gestreckt, sämmtliche Höcker sind sehr niedrig. Entomer ist stark entwickelt; der laterale etwas konische Höcker ist aufzufassen als Verschmelzungsprodukt von y-+d-+e, am distalen Rande deutet eine kleine Furche der Wurzel auf die typische Zusammensetzung. Makromer von P, hat bei Lutra vulgaris (Fig. 11) dieselbe Form wie bei Canis mit den Höckern « und y. Mikromer mit 0 ist da- gegen sehr redueirt, dafür ist aber Entomer mit n äußerst stark ent- wickelt und reicht entlang dem lingualen Rande des Makromers als breite Platte. Dasselbe sehen wir an M,, seine Kaufläche hat durch die starke Entwicklung des Entomers eine fast quadratische Form angenommen. Die Reste des Makro- und Mikromers sind zu Käm- men angeschwollen. Sehr stark sind die Zähne von Meles taxus (Fig. 12) durch be- deutende Zunahme des Entomers entwickelt. Bei P, ist die Drei- ——_- Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. 445 eckform noch beibehalten, Makromer ist relativ klein, y ist kräftig, a schwach entwickelt, Mikromer mit d ist sehr unbedeutend, da- gegen steht Entomer mit starkem spitzen Winkel lingual und reicht bis zum hinteren Rande des Makromers. Das ist eine ganz auf- fallende Bildung, die noch mehr komplieirt wird durch einen neuen Zacken am schrägen distalen Rande des Entomers; 7 ist nicht sehr hoch, ihm fügt sich hinten ein neuer accessorischer Höcker an. Den Haupttheil der Kaufläche von M, bildet das Entomer, n ist kamm- artig geworden. Die lateralen Höcker y, 0 und & sind recht ansehn- lich; das Entomer breitet sich nach hinten aus und umfasst noch den distalen Rand von y, so dass die Kaufläche nach hinten sehr bedeu- tend verbreitert wird. Am hinteren Rande des Entomers ist ein be- deutender Nebenhöcker entstanden. Das ganze Entomer ist eingefasst von einem starken kammartigen Basalband, wodurch die Kaufläche einen bedeutenden Umfang erhält. P, von Felis catus hat eine ähnliche Gestalt wie die früher beschriebenen Formen, er ist aber entschieden schlanker und in lin- gual-bucealer Richtung komprimirt. Die Kaufläche zerfällt in Makro-, Mikro- und Entomer, Makromer mit « und y, Mikromer mit 0 und Entomer mit n; Mikro- und Entomer, beide deutlich erkennbar, sind ungefähr von gleicher Größe. M, ist bei den Katzenarten bedeutend redueirt und ich habe keinen Anhaltspunkt gefunden, die Kaufläche desselben zu analysiren. Ich wende mich nun zur Betrachtung der Zahnformen im Un- terkiefer. Schon die oberflächliche Betrachtung lehrt die große Über- einstimmung der Unterkieferzähne bei Beutlern und Carnivoren ken- nen, und die Behauptung, dass in beiden Ordnungen der bimere Bauplan der Zähne ausgeprägt ist, bedarf keiner Begründung. Mesial liegt das große Makromer mit drei Höckern, distal das zweihöckrige Mikromer — Talon. Das Makromer des M, von Herpestes ichneumon (Fig. 13) trägt ew, P und y, Mikromer d unde. M, ist relativ klein und rechteckig gestaltet, Makro- und Mikromer theilen die Kaufläche in zwei ziem- lich gleich große Theile und tragen die typischen Höcker. Die Prämolaren sind bedeutend kleiner und zeigen die Gliederung in Makro- und Mikromer weniger deutlich, da im Makromer Höcker y sich auf Kosten von 8 vergrößert hat, « nur einen niederen mesialen Vorsprung darstellt und am Mikromer nur « vorhanden ist. Bei P, ist Mikromer als ganz kleines Wiirzchen am distalen Abfall des großen Zacken y zu deuten. 446 Paul Scheidt M, von Viverra (Fig. 14) zeigt am Makromer wieder deutlich sämmtliche drei Hécker, eben so am Mikromer « und 0, außerdem mesial von d einen kleinen und distal von « einen größeren Neben- höcker. Bei J ist « des Makromers vollständig reducirt, Mikromer besitzt d und «. Am Makromer von P, erkennt man wiederum nur y und «, « ist aber recht klein, das Mikromer trägt « und 0. Sehr groß ist das Makromer des M, von Canis vulpes (Fig. 15), y und « sind sehr, % weniger stark, & und d des Mikromers sind von gleicher Größe, mesial von 0 ist ein kleiner Nebenhöcker vorhanden. MM, hat a eingebüßt, y und £ sind gleich groß, eben so e und 0 des Mikromer; die beiden letzteren Höcker sind etwas niedriger als die des Makro- mers, wie überhaupt das Mikromer unter dem Niveau des Makromer liegt. MM; ist sehr klein und gestattet keine genaue Analyse. Die Kaufläche des P, hat ähnliche Form wie die entsprechende von Vi- verra, « des Makromers ist aber geschwunden und nur y übrig ge- ‚blieben, & des Makromers ist ansehnlich. Die Höcker des Makromers von M, bilden bei Zutra vulgaris ein gleichseitiges Dreieck, sie sind von gleicher Höhe und überragen bedeutend ein großes breites Mi- kromer, an dem e und Oo als niedrige Kämme sichtbar werden. Die Kaufläche von M, ist sehr klein, rund und flach. P, ist einhöckrig, da nur y des Makromers vorhanden ist, Mikromer bildet die distale schräge Fläche. Eine weit größere Anzahl von Héckern-sehen wir bei Mustela foina (Fig. 16). Die Höcker des Makromers von M, sind wieder vollzählig, wenn auch ? bedeutend unter dem Niveau von y und « liegt. Mikromer ist eine flache Verbreitung, von der sich ¢ als schwache Erhöhung abhebt. MM, hat eine flache, kleine, runde Kaufläche mit schwachem y und £ des Makromers, P, besitzt ein Makromer mit y und ein Mikromer mit e, letzterer ist sehr gering. Die Kaufliiche des M, von Foetorius putorius ist sehr stark, am Makromer erkennt man y und «, die ziemlich gleich hoch sind, am Mikromer &, M, lässt nur y des Makromers erkennen. /, ist hier ebenfalls einhöckrig, es ist y des Makromers. Merkwürdige Differenzirungen haben die Zähne von Meles taxus erlitten. M, hat sich riesig entwickelt, die Vergrößerung beruht vornehmlich auf starker Verbreiterung und Verlängerung des Mikro- mers in distaler Richtung; aber auch das Makromer hat eine Deh- nung in derselben Richtung erlitten. Seine drei Höcker sind gleich stark entwickelt, £ distal verschoben. Mikromer mit vier gleich sroßen, ziemlich flachen Höckern ist bedeutend niedriger, es ist mesial Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. 447 von ¢ wie von 0 ein Sekundärhöcker entstanden. M, hat wieder runde Kaufläche, die nur y des Makromers trägt, er ist auf seiner distalen Seite von einem starken Basalwulst umgeben. PP, lässt nur den einen Höcker y des Makromers erkennen. Die einfachste Form der Krone tritt uns bei M von Felis ent- gegen. Das Mikromer ist zu Gunsten des Makromers verschwunden, das zwei äußerst starke Hicker y und « trägt. P, hat ein Makro- mer mit y und «, ein Mikromer mit 2; « und & sind von gleicher Stärke und werden bedeutend von y überragt. Ich habe das Gebiss von wenigen Raubthieren im Vorhergehen- den ausführlich besprochen uud meine Deutung durch Abbildungen erläutert, weil ich glaube, dass die Besprechung des Kaureliefs von je einem Vertreter der verschiedenen Familien der Ordnung Carni- vora vollauf genügt, um meine Deutung verständlich zu machen. Sollte letztere allgemeinen Beifall finden, so ist es ja nicht schwer, die Zahnformen anderer verwandter Arten zu analysiren. Als allgemeines Resultat meiner Betrachtung ergiebt sich, dass die Elemente der unteren Zahnreihe durchweg den bimeren Typus zeigen. Er ist am reinsten bei den Viverren und, wie SCHLOSSER zeigt, bei vielen fossilen Arten ausgeprägt, bei den mehr speciali- sirten Formen ist er zwar nicht so deutlich, aber die Berücksichtigung eines größeren Vergleichsmaterials ermöglicht auch die aberranten Formen als Glieder eines großen einheitlichen Formeneyklus zu be- greifen. Alle Zähne, sowohl M wie P des Unterkiefers sind ohne Ausnahme bimer. Im Oberkiefer gewahrt man eine Differenzirung des trimeren Typus in zwei verschiedenen Richtungen; an allen P ist Makro- mer stark entwickelt und es tritt, abgesehen von P,; Entomer und Mikromer bis zum völligen Schwunde zurück ; bei allen M ist Makro- mer sehr reducirt bis auf die kleine Spitze y. aber Entomer und Mikromer gut ausgebildet. Das gleiche Verhältnis bietet auch J/, von Didelphys dar. Schließlich sei noch ein Punkt hervorgehoben, der für die Rich- tigkeit meiner Deutung spricht. Die Homologie der einzelnen Höcker an Ober- und Unterkieferzähnen habe ich bisher nach Vergleichung mit den entsprechenden Zähnen des Opossum bestimmt, ohne zu erörtern, ob die Form der Höcker an oberen und unteren Zähnen wirklich so übereinstimmt, wie es meine Anschauung erfordert. Hält man nun Py», und M,;,,, von Herpestes ichneumon, zwei Zähne, welche den tri- und bimeren Typus sehr gut erkennen lassen, 448 Paul Scheidt so neben einander, dass die von FLEISCHMANN betonte Verschiebung der entgegengesetzten Kauflächen um 180° aufgehoben wird, indem z. B. der mesiale Rand vom rechten My; neben den distalen Rand vom linken P,,.p. gehalten wird, und die lateralen Flächen beider Kronen gegen einander sehen, so erkennt man, dass die Form und Lage der als « und y bezeichneten Höcker des Makromers bei beiden Zähnen wesentlich gleich ist. An Ps. ist die linguale Fläche des Makromers eben so gewölbt, wie die buccale Fläche des gleichen Theiles von M,;,,, Auf dieser Fläche verläuft an beiden Zähnen eine seichte Trennungsfurche der Hicker « und y. Ferner wird die tiefe Kerbe, welche am buccalen Abhange von P,5,). auf- fällt, wiedergefunden in der tiefen Bucht, welche bei Mnf. Zwi- schen « und y lingual liegt. Da diese Homologie sich bei allen Raubthierspecies erkennen lässt, halte ich es nicht für nothwendig, sie im Einzelnen auszuführen, ich möchte nur noch auf die Katze hinweisen, wo die tiefe Einkerbung an der buccalen Fläche von P, sup. sehr gut an der lingualen Seite von J/,;,,, zu erkennen ist. Die hier vorgeführte Ansicht über die Homologie des Kaureliefs der Backzähne gewährt keinen Anhalt für die phylogenetische Spe- kulation. Sie will nur die morphologische Systematik der Zähne - übersichtlicher machen, indem sie zeigt, dass die letzten Glieder der Zahnreihe sowohl von Beutlern, wie von Raubthieren einem gemein- samen Formencyklus angehören, dessen wesentliche Charaktere auch n den hochspeeialisirten Zähnen der reinen Carnivoren noch klar ausgesprochen sind. Ill. Historisch-kritische Darstellung der Versuche, die beiden Dentitionen der Mammalia zu erklären. Durch meine Studien bin ich angeregt worden, über die Be- deutung der Milchziihne intensiver nachzudenken und besonders die Frage der phylogenetischen Entstehung derselben zu erörtern. Ich muss aber eingestehen, dass meine Bemühungen nicht zu dem ge- wünschten Resultate führten, im Gegentheil die Unmöglichkeit einer bestimmten Antwort hat sich mir allmählich klar ergeben. Man kann nur zwei Vorstellungen über die Bildung des Milch- gebisses hegen, entweder ist es das Rudiment einer ursprünglich größeren Zahl von Dentitionen oder neue Erwerbung. Beide An- sichten haben Freunde und Feinde gefunden, sie sind von verschie- Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. 449 denem Standpunkte aus, mit größerer oder geringerer Kenntnis der einschlägigen Thatsachen beleuchtet worden, jedoch durch die Dis- kussion ist unsere Einsicht nicht gefördert worden. Ich beginne die gänzlich unhaltbaren Ansichten von BAUME! zu besprechen. Mag man über sein Buch urtheilen, wie man will, je- denfalls gebührt ihm das unstreitige Verdienst, dass er der Erste war, welcher nachwies, dass die Ersatzzähne nicht vom Halse der Milchzähne entstehen, sondern direkt aus der von ihm Primitiv- falte bezeichneten Ektodermeinstülpung der Mundhöhle. Seine Ab- bildungen zeigen bestimmt, wie Milchzahn und Anlage des Ersatz- zahnes dicht neben einander liegen. Wahrscheinlich war die Art der Darstellung die Ursache, warum seine Beobachtungen ganz un- beachtet blieben und erst in neuester Zeit durch selbständige Unter- suchungen Röse’s neu entdeckt werden mussten. Leider knüpfte an eine richtig erkannte Thatsache BAUME eine Reihe von Spekulationen, welche die Lektüre seines mit vielem Scharfsinn geschriebenen Bu- ches nie genussreich werden lassen. In mühsamer Arbeit habe ich den Ideengang BAumE's zu verfolgen gesucht und führe ihn nun in kurzen Worten vor. Die wesentliche Ursache seiner Fehler liegt in der steten Verwechslung morphologischer und physiologischer Be- trachtungsweise, welche durch seine rückhaltlose Begeisterung für die moderne Entwicklungstheorie bedingt sein mag. Baume theilt die alte Meinung, bei allen Thieren, die nur eine Zahnreihe während des individuellen Lebens besitzen, müsse diese der 2. bleibenden Serie entsprechen, denn immer gehe der Milch- zahn vor dem entsprechenden bleibenden Zahne verloren. Das Ge- biss der Marsupialier ist demnach ein bleibendes Gebiss, das alle Milchvorgänger bis auf P,d verloren hat. Für die Erörterung der Frage, welche Bedeutung die Milchzähne besitzen, ist zunächst eine genaue Definition des Begriffs nothwendig. Sie wird von Baume in folgender Weise gefasst: Die Milchzähne sind stets kleiner als die bleibenden Zähne, besitzen eine den ent- sprechenden Nachfolgern ähnliche, aber verkleinerte Form. Die Ähn- lichkeit der D bedeutet jedoch nicht völlige Gleichheit der Form mit den bleibenden, vielfach ist der Milehzahn etwas einfacher als der Nachfolger, bleibt also auf niedriger Stufe stehen und dadurch der Zahnform seiner Vorfahren oder anderer verwandter, weniger speeialisirter Arten ähnlicher, als die Zähne der permanenten Reihe, ! R. BAUME, Versuch einer Entwicklungszeschichte des Gebisses. Leipzig 1882. 450 Paul Scheidt z. B. ist der 2. Milchprämolar der Katze dem Fleischzahn und ersten Molaren einiger Marder und Viverren ähnlich, ferner gleicht der obere 1. Milehbaekzahn des Menschen weniger seinem Nachfolger als dem entsprechenden Milchzahne des Chimpanse. Da also im Milchgebisse einfachere Formen erscheinen, so ist dasselbe als eine Reihe von Zähnen zu betrachten, die weniger gut specialisirt sind als ihre Nachfolger. Während allgemein die Zugehörigkeit des Er- satzzahnes zu seinem Milchzahne in der benachbarten Lage erkannt war, behauptet Baume, dass die Lagebeziehung keinesfalls für die Bedeutung eines Zahnes als Ersatzzahn maßgebend sei, entscheidend könne nur die Form sein. Da nun bei den Carnivoren der 2. obere Milchbackzahn eine ziemlich genaue Kopie des Fleischzahnes ist und der 1. Milchbackzahn im Ober- und Unterkiefer die Formen des entsprechenden ersten Molaren wiederholt, so vermuthete BAUME, dass bei den Carnivoren der 2. Milchbackzahn des Oberkiefers der Vorgänger des Fleischzahnes, der 1. Milchbackzahn beider Kiefer der Vorgänger des 1. Molaren sei. Es ist ihm unwahrscheinlich, dass die Molaren im Milchgebiss ganz fehlen, und um die Schwierig- keit zu vermeiden, dass bei dieser Annahme etliche Prämolaren nicht im Milchgebisse repräsentirt seien, schließt er, da mehrere Molaren keinen Milchzahn haben, können auch einzelne Prämolaren ohne Vor- gänger sein, und sucht die Richtigkeit seiner Denkweise durch den fehlenden ersten Milchmolar des Hundes zu erweisen. Nach seiner Ansicht sind die letzten Milchbackzähne die Repräsentanten der Mo- larserie, ferner die 1. bleibenden M die der letzten Milchprämolaren. — Dem zufolge verwirft er den Ausdruck Pd für die hinteren Milch- backzähne. Nie treten mehr D auf, als die Zahl der Nachfolger beträgt, während umgekehrt die 2. Dentition oft überzählige Zähne erzeugt. Die Milchzähne gehen bald zu Grunde; da sie schwach und hinfällig sind, weichen sie frühzeitig ihren Nachfolgern, nicht erst wenn starke Abnutzung es erforderlich macht; so lange sie im Kiefer stehen, nehmen sie Platz für ihre Nachfolger weg, desshalb besteht ein Wechselverhältnis zwischen D und permanenten Zähnen, indem sich entweder große Milchzähne und kleine P oder umgekehrt ent- wickeln. Aber die Beziehungen zwischen Milch- und bleibenden Zähnen erweisen sich durch embryologische Untersuchung noch viel enger, denn beide Reihen stammen von einer gemeinsamen, einheitlichen und einfachen Anlage, der Epithelleiste, welche den ganzen Kiefer Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. 451 umzieht, sie miissen desshalb als ein Ganzes betrachtet werden, denn der ontogenetische Befund widerspricht scharf der bisherigen auf die Verschiedenheit des zeitlichen Erscheinens gegründeten An- sicht von zwei Dentitionen. Durch Vergleich niederer Thiere sucht BAuME wahrscheinlich zu machen, dass es auch aus vergleichend anatomischen Gründen falsch sei, von mehreren, einander folgen- den Dentitionen der Wirbelthiere zu sprechen, denn bei den Anam- nien und Amphibien gebe es überhaupt keinen reihenweisen Er- satz der Zähne, den man doch unter der Bezeichnung Dentition verstehe; hier werden fortwährend, bald da, bald dort Zähne ab- geworfen und wieder ersetzt, bei Säugern würden zwar zwei distinkte Zahnserien beobachtet, dies dürfe jedoch nur als eine neu er- worbene Modifikation des gliedweisen Zahnersatzes bei niederen Wirbelthieren betrachtet werden. Der Ableitung des Zahnwechsels der Säuger von den Verhält- nissen bei Reptilia steht folgende Schwierigkeit entgegen: den Rep- tilien und etlichen als primitive Typen angesehenen Mammalien sind ‚lange Kiefer mit sehr vielen Zähnen, d. h. polyodonte Reihen ge- meinsam, unterscheidend aber sei der ununterbrochene Zahnersatz bei haplodonten Reptilien, der Mangel des Zahnwechsels bei haplo- donten und monophyodonten Mammalien (Wale, Edentata): die Brücke ist leicht zu finden in der Annahme, dass die Ersatzzähne der Reptilia vor der Entstehung der Säuger alle unterdrückt seien, indem die fortwährende Zahnproduktion der niederen Wirbel- thiere in die einmalige Anlage eines immerwachsenden Zahnes über- ging. Die Annahme ist nothwendig, weil man im Sinne der Ent- wieklungstheorie unmöglich verstehen könne, wie hinfällige und bleibende Zahnreihen den Verhältnissen bei Reptilien entsprossen seien. Denn wenn in den Übergangsgenerationen zwischen Reptilien und Mammalien die letzten Reihen bis auf zwei wegfielen, so wäre der Widerspruch zu groß, dass bei Säugern nicht die zweite, son- dern die erste Reihe verdrängt werde. Man müsste vielmehr einen Fortschritt vom Polyphyodontismus zum Monophyodontismus erwarten, und die höchsten Säuger dem letzteren näher finden, als jetzt, wo gerade die niedrigen Mammalien ihn besitzen. Die Schwierigkeit wird gelöst, wenn man den Vorfahren der Mammalien nur eine ein- zige Zahnreihe zuspricht, die niemals gewechselt wird. Ihre Elemente sollen alle homodont und zahlreich gewesen sein. Mit Ver- kürzung der Kiefer und Anpassung an neuen Nahrungserwerb wurde der vererbte Besitz verändert, die Thiere wurden ärmer an Zähnen 452 Paul Scheidt und zugleich bildeten sich einzelne derselben zur Erfüllung verschie- dener Aufgaben um; sie specialisirten sich, die einen besser, andere schlechter, so enstanden mehr- und minderwerthige Zähne, zum Er- greifen, Festhalten, Zerreißen und Kauen der Beute. Das homodonte Gebiss ward heterodont. Um die Antwort zu geben, warum das heterodonte Gebiss Zahnwechsel errang, wendet er ein neues, von ihm formulirtes Gesetz, eine Frucht seiner vergleichend ontogene- tischen Studien an: Alle schwächeren, minderwerthigen Zähne wer- den zuerst angelegt und brechen früher durch, als ihre besser ge- arteten Genossen. Sie bedürfen im fötalen und kindlichen Kiefer natürlich ‘allen Platz und verhindern die Bildung weiterer Zahnan- lagen. Ist der Durchbruch beendigt, so beanspruchen ihre Wurzeln wenig Raum im Knochen. Desshalb und weil der Kiefer selbst noch länger wächst, können sich dann die übrigen Zahnkeime entwickeln und kräftiger ausbilden. Indem sie später durchbrechen, stoßen sie die schwächeren Zähne gewissermaßen aus ihrer Position, es be- ginnt ein Kampf ums Dasein zwischen den älteren kleinen und den jungen kräftigen Zähnen, beide ringen um ihre Existenz, um den. sicheren Wohnort, und es ist unzweifelhaft, dass die schwächeren unterliegen. So entsteht das Bild der vergänglichen und bleibenden Reihe. Aber diese Erscheinung ist nur Täuschung, die man als Scheindiphyontismus bezeichnen muss, denn sie ist nur der Aus- druck der heterochronischen Retardation des Durchbruches einer einfachen Zahnreihe. Der Kampf der stärkeren und schwächeren Zähne geht bei manchen Arten so weit, die Milchzähne ganz zu er- sticken, dann ist wieder der monophyodonte Zustand (z. B. Ratte, Bruta) erreicht. Das ist im Wesentlichen der Ideengang BauMmE’s, er sucht ihn durch eine verwirrende Fülle von schlecht kritisirtem Detail zu stützen, aber es ist nicht mehr nöthig, Alles im Einzelnen zu wider- legen, da die neueren Untersuchungen die meisten Fehler bereits klar gestellt haben. Der Ansicht von Baume steht eine große Schwierigkeit entgegen, nämlich die Thatsache, dass bei Marsupialiern meist nur ein einziger Pm gewechselt wird. Betrachtet man, gestützt auf den relativ ein- facheren Bau der Körperorgane, die Analogie des Bauplanes mit Reptilien und das paläontologisch frühe Auftreten die Marsupialier als einen der phylogenetisch ältesten Thierstämme, welche die Brücke zu den Placentaliern bilden, so kann der besondere Modus des Zahn- wechsels bei ihnen nur durch eine Hilfshypothese erklärt werden; Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. 453 man muss annehmen, dass die recenten Beutler ein Seitenzweig der Urmammalia seien und in der Reduktion des Milchgebisses energi- scher fortgeschritten seien als ihre übrigen durch eine uterine Brut- pflege ausgezeichneten Verwandten. Die Wahrscheinlichkeit der Annahme lässt sich zwar nicht direkt bestreiten, doch fehlen der- selben auf der anderen Seite jegliche thatsächliche Stützen, welche uns zwingen, sie als sicher zu betrachten. In Folge dessen hat THomas! gerade die gegentheilige Meinung vertreten, indem er sich der An- sicht FLower’s? anschließt, welcher das Milchgebiss als sekundäre Errungenschaft betrachtet. Ihm dünkt es »unmöglich, dass die Mar- supialier, die sonst auf sehr tiefer Stufe der Organisation stehen, die Etappe des Zahnwechsels früher zurückgelegt hätten, als die Placentalier. Da bei den sechs Familien fünf dieselbe Bezahnung zeigen, wäre es merkwürdig, wenn die Reduktion bei allen diesen Arten, die unter recht verschiedenen Existenzbedingungen lebten, gleich weit gediehen sei. Dazu besitzen 90% aller Beutler den ein- fachen Zahnwechsel, während der reine Monophyodontismus der Übrigen nicht auf den früheren Besitz schließen lässt. Nach dem mesozoischen Triacanthodon zu urtheilen, hatten die Marsupialier nie einen vollständigeren Zahnwechsel als jetzt; sie haben sehr früh- zeitig diese Entwicklungsstufe erreicht, seitdem sind sie stehen ge- blieben, abgesehen von ein paar Arten, welche wieder den rudi- mentären Zahnwechsel eingebüßt haben, den sie einmal besaßen. Freilich könnte nach dem biogenetischen Grundgesetze, dass phyletisch ältere Bildungen in früher Embryonalzeit erscheinen, die raschere Ausbildung der Milchzähne leicht zur Meinung verleiten, dass sie die ursprünglicheren sind, aber es giebt Milchzähne, welche während des ganzen Lebens bestehen und keine, oder nur selten permanente Nachfolger haben«. Das Studium von Beutlerschädeln im Zahnwechsel in der reichen Sammlung des Britischen Museums führte TuomAs zur Ansicht: Die Entwicklung einer Milchbezahnung werde durch Verzögerung des Durehbruches eines permanenten Zahnes bedingt, in die entstandene Lücke könne sich dann leicht ein D einschieben. Zum Beispiel sehe man bei allen drei Polyprotodonten-Familien eine Verzögerung 1 OLDFIELD THOMAS, On the Homologies and Succession of the Teeth in the Dasyuridae, with an Attempt to trace the History of the Evolution of Mam- malian Teeth in general. Phil. Transact. 1887 b. 2 FLOWER, On the Development and Succession of the Teeth in the Mar- supialia. Phil. Transact. 1867. p. 631. 454 Paul Scheidt der Entwicklung des Jj;,p. Bei halb erwachsenen Individuen, z. B. von Sarcophilus ursinus und Phascologale Wallacei ist zu einer Zeit, wo die drei äußeren J schon völlig durchgebrochen und in Gebrauch sind, das erste Paar noch sehr klein und ragt nur mit der Spitze aus dem Kiefer hervor, sein Erscheinen ist also gänzlich verzögert. Dasselbe zeigt sich bei jungen Individuen von Didelphiden, Pera- meliden und anderen Dasyuriden, obwohl bei vielen derselben die ersten J des erwachsenen Thieres die stärksten sind. Auf diese Beobachtungen wird nun die neue Theorie gegründet; es ist nichts leichter, als sich vorzustellen, dass nicht nur J, und P, verspätet auftreten und desshalb einen D entwickeln, die Langsamkeit des Durchbrechens kann auch die nebenstehenden Zahnindividuen ergreifen. In einfacher Weise kann man danach Schemata der Zahn- geschichte entwerfen, die illustriren, wie allmählich „—J;, P,—P, und C in Folge ihres langsamen Durchbruches mit hinfälligen Vor- gängern ‚versehen werden. Eben so kann man das Gebiss der Vor- fahren der Marsupialier erschließen, bei dem nächsten Verwandten wird P,d fehlen, P; verzögert auftreten und 5 M vorhanden sein, in früheren Generationen werden alle Glieder der Reihe gleichzeitig auftreten, die specifischen Differenzen der J, €, M schwinden und endlich muss ein ursprüngliches Gebiss von socialistischer Einförmig- keit getroffen werden, dessen homodonte Reihe nur nach der Ein- fügung in verschiedene Schädelknochen in fünf Prämaxillarzähne und x Maxillarzähne geschieden werden kann. Ob dieselben Wurzeln hatten, ist sehr zweifelhaft, vielleicht waren sie einfach konisch und während der Jugend wurzellos, nicht ganz unähnlich den Zähnen einiger recenter Dasypodiden. Die Spekulationen OLDFIELD Tuomas’ leiden sehr unter dem Umstande, dass zu wenig thatsächliche Beobachtungen als Beweis angeführt werden können. Das Neue seiner Betrachtungsweise liegt in der logischen Verknüpfung des verspäteten Durchbruches einzelner Zähne, die keinen D besitzen, und des normalen späteren Erschei- nens des Prämolaren, aber es besteht kein zwingender Grund, beide Vorgänge als gleichwerthig zu betrachten, und außerdem bietet die langsamere Entwicklung eines Zahnes und die verspätete Resorption der Alveolardecke keine Erklärung. warum in solchem Falle ein neuer morphogenetischer Process, nämlich die Bildung eines provi- sorischen Zahnes, eingeleitet werde. Wenn zwei Zähne, ein D und sein Nachfolger, den gleichen Platz im Kiefer eines Säugethieres einnehmen, so begreift man natürlich, dass der später erscheinende Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. 455 langsamer entwickelt wird als sein Milchbruder. Wesshalb aber einzelne J der Beutler langsamer auftreten als ihre nebenstehenden Genossen, ist von THomAs überhaupt nicht untersucht worden, es wird wohl jenseits unserer Erkenntnisgrenze liegen. WORTMAN! betont die embryologischen Schwierigkeiten der An- nahme FLower's, dass die einzige Reihe der Monophyodonten dem bleibenden Gebisse der Diphyodonten entspreche, da ja die ge- ringe Kenntnis der einschlägigen Thatsachen bei Monophyodonten diese Behauptung nicht sicher erscheinen lasse, und ferner etliche Wale und Edentaten rudimentäre Milchzähne haben, und in anderen Fällen, z. B. Deinotherium, Canis, Hippopotamus, sich wirklich per- sistirende Pd finden, also die bleibenden Zähne unterdrückt sind. Wenn aber die D-Reihe neue Zuthat ist, darf sie nicht mit der ersten Reihe niederer Vertebraten homologisirt werden. Er sucht die Dentitionen der Mammalien mit denen niederer Vertebraten zu homologisiren und nimmt an: der ersten Zahnreihe der niederen Wirbelthiere (Batrachia und Reptilia) entsprechen alle die Zähne der Mammalien, welche eben wie jene direkt aus der Zahnleiste gebildet werden, das sind alle Jd, Cd, Pd und wahr- scheinlich M,; die zweite Reihe würde repräsentirt durch die blei- benden J, ©, P und M,, welche vom Halse des Schmelzorgans der zugehörigen D entspringen; die dritte Reihe würde repräsentirt durch M;. Diese Gliederung stützt Worrman auf die Entwicklung der Molaren des Menschen, von denen M, direkt aus der Zahnleiste, M, aus dem Halse des Schmelzorgans von M,, J; aus dem Halse des Schmelzorgans von M, entstehen soll. Gegen die Hypothese von OLDFIELD THOMAS wendet SCHLOSSER ? ein, dass das Milchgebiss allenthalben mehr oder minder redueirt werde, die Mehrzahl der Placentalier, Carnivoren, Paar- und Unpaar- hufer befänden sich in einem Stadium, das sie schon einmal durch- laufen haben müssten. Solche Wiederholungen der Entwicklung seien aber sehr unwahrscheinlich, dazu können wohl in der Zeit vom oberen Jura, wo bei Diacyonodon, die für die Stammesgeschichte der Placentalier allenfalls in Betracht kommen, ein Milehgebiss noch nicht nachgewiesen werden konnte, bis zum Anfang des Tertiärs, 1 Jacop L. Wortman, The comparative Anatomy of the Teeth of the Vertebrata. 1886. . 2 Max Scunosser, Uber die Deutung des Milchgebisses der Siiugethiere. Biol. Centralbl. Bd. X. 1890. 456 Paul Seheidt wo die höchste Zahl der Milchzähne die Regel war, alle die ver- schiedenen Zwischenstadien kaum passirt worden sein, die THomas’ Hypothese erfordert. Die Kreideperiode ist jedenfalls für diese Ver- änderungen zu kurz gewesen im Verhältnis zu den geringen Um- bildungen des Säugerkörpers während der Tertiärzeit, obwohl letztere vermuthlich kaum kürzer war als etwa die halbe .Kreideperiode. SCHLOSSER glaubt desshalb mit vollem Rechte annehmen zu dürfen, dass schon bei den ältesten Vertretern der Placentalier, den Creodonten, alle J, C und P Vorläufer im Milchgebiss besessen haben, das sogar bei manchen Formen noch vollständiger als das definitive ist, denn es enthält noch Zähne, die im definitiven Gebiss keinen Vertreter mehr haben, wohl aber bei den Ahnen der be- treffenden Thiere. Ferner lässt sich der Umstand nicht mit der Hypothese vereinen, dass die Gestalt der Milchzähne dem ursprüng- lichen Typus oft viel näher kommt als jene der entsprechenden Zähne des definitiven Gebisses, wären D neu erworben, so müsste man doch das Gegentheil erwarten. An einer Menge von Beispielen aus der Ordnung der Rodentier, Insectivoren, Chiropteren, Proboscidier, Carnivoren und Ungulaten zeigt SCHLOSSER, dass der Zahnwechsel, der seit Beginn der Tertiär- zeit vorhanden war, jetzt im Verfalle begriffen sei. Gegen die Anschauung, das Milchgebiss der Placentalier sei eine sekundäre Erwerbung, ließ sich die entwicklungsgeschichtliche Be- obachtung, dass der Ersatzkeim vom Halse des Schmelzorgans der Milchziihne entstehe, als triftiger Gegengrund vorfiihren. Da die Bildung bleibender Zähne an die vorhergehende Entstehung der Milchzähne gebunden schien, mussten die Milchzähne als uralter Besitz der Säuger betrachtet werden. Aber der landläufigen Lehre lag ein Fehler zu Grunde, der von Baume zwar schon berichtigt, aber erst von Röse! durch die mühselige Rekonstruktion mehrerer Querschnittserien von Gebissanlagen menschlicher Embryonen defi- nitiv beseitigt wurde. RösE bewies, dass beim Menschen (seitdem ist es für andere Säugethiere bestätigt) die Schmelzorgane sämmt- licher Milch- und Ersatzzähne von einem gemeinsamen Mutterboden, der ektodermalen Zahnleiste entstehen und als koordinirte Reihen zu betrachten sind. Dadurch ward die Annahme einer genetischen Abhängigkeit der zweiten von der ersten Reihe hinfällig und auch ! Cart RöseE, Entwicklung der Zähne des Menschen. Archiv für mikr. Anatomie. Bd. XXXVIII. 1891. Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. 457 die Beurtheilung des Verhiltnisses des Monophyodontismus zum Di- phyodontismus in ein neues Stadium geriickt. Bisher hatte man die Voraussetzung gemacht, dass das Gebiss der Monophyodonten, besonders der Beutler der bleibenden Reihe der Placentalier homolog zu setzen sei, und man variirte nur in der Annahme, ob den Monophyodonten ursprünglich ein Milchgebiss zu eigen war und sekundär verloren sei, oder ob das Milchgebiss von ihnen erst erworben werde: die vergleichend anatomischen That- sachen des recenten und paläontologischen Materials reichten natür- lich für die Entscheidung nicht aus, hier konnten nur entwicklungs- geschichtliche Forschungen Klarheit bringen, und es ist das Verdienst KUKENTHAL’s! neue, bereits von RösE und LEcHE bestätigte Be- obachtungen gemacht zu haben, die erhärten, dass das Fundament der Theorien von BAumE, THomas, WORTMAN ganz unsicher war und den darauf gebauten Schlüssen die fernere Existenzberechtigung rauben. Die Untersuchung junger Gebissanlagen von Didelphys führte nämlich KÜKENTHAL ganz typische Schmelzorgane von Ersatzzähnen vor Augen, die besonders deutlich bei sämmtlichen Schneidezähnen, dem Eckzahn, dem ersten und dritten Prämolaren angelegt sind, nur für P, glückte es ihm nicht, eine Anlage aufzufinden?. Diese Ersatzzahnanlagen stimmen völlig mit der des P, überein, dass ihrer Homologisirung nichts im Wege steht. Dadurch ist die Rangstufe des Gebisses von Didelphys und nach Röse’s® und Lecae’s Unter- suchungen auch der anderen Beutler entschieden: die dauernde Bezahnung derselben ist der ersten Dentition, dem Milch- gebisse gleichwerthig, die zweite Dentition legt sich zwar em- bryonal an, kommt aber mit Ausnahme von P, (vielleicht auch der letzten J?) nicht zum Durchbruch. Im Oberkiefer fand er seitlich von M, und M, eine Ersatzzahn- anlage und eben so im Unterkiefer seitlich von den ersten 3 M; die untere Zahnleiste, ein plattenartiger Strang, endigt hinten in einer kolbigen Anschwellung, der ersten Anlage von M,. Desshalb sind die ersten 2 M des Oberkiefers und 3 M des Unterkiefers der ersten ! Witty KÜKENTHAL, Das Gebiss von Didelphys. Anatom. Anzeiger. VI. 1891. * LECHE hat auch neben P, einen knospenförmigen Schmelzkeim gefunden. Morphol. Jahrbuch. Bd. XIX. pag. 522. 3 ©. Röse, Über die Zahnentwicklung der Beutelthiere. Anatom. Anzeiger. VII. Nr. 19, 20. Morpholog. Jahrbuch, 21. 30 458 Paul Scheidt Dentition zugehörig zu betrachten und den davorliegenden Zähnen zuzurechnen. Indem KÜRENTHAL! und Röse? ihre Untersuchungen über andere Säugergruppen ausdehnten, konnten sie feststellen, dass auch bei Edentaten und Zahnwalen beide Dentitionen angelegt werden. Somit sind jetzt bei den meisten Säugern Ersatzzähne oder deren embryo- nale Anlage nachgewiesen, und man muss. den Diphyodontismus des Gebisses allen Mammalia gemeinsam betrachten. Bei den niederen Säugern behält die erste Dentition Selbständigkeit während des ganzen Lebens, bei den höheren Gruppen jedoch übernehmen die Glieder der zweiten Dentition die Aufgabe der Nahrungszer- kleinerung. Nunmehr kann man unmöglich entscheiden, ob Milch- bezahnung oder bleibendes Gebiss das Primäre sei, beide erscheinen ‚als zwei morphologisch koordinirte Reihen, die sich nur durch den Grad ihrer physiologischen Bedeutung unterscheiden. Nachdem die Aussicht genommen war, innerhalb der Säugethierreihe Einblick in die Entstehung des Gebisses zu finden, blieb nur noch die Möglich- keit offen, bei den Reptilien die Ursachen der doppelten Dentition zu finden. Dabei muss ein doppelter Gegensatz gelöst werden, der in Form, wie Bildungsgeschichte der Zähne der Reptilia und Mam- malia gegeben ist. Die Reptilien besitzen einspitzige konische Zähne von haplo- dontem Typus, die Säuger polykonodonte und mehrwurzlige Zähne, dort treten vielfache, nach einander funktionirende Zahnreihen während des individuellen Lebens auf, hier sind nur zwei Dentitionen die Regel. KÜRKENTHAL und RösE suchen den phylogenetischen Zusammen- hang beider so scharf geschiedenen Klassen wahrscheinlich zu machen durch die Hypothese, dass im Urstamme der Mammalien die Kegel- zähne verschmolzen seien zu den mehrhöckerigen Zähnen, und dass eben so die vielfachen Zahnreihen zusammengeschoben wurden zu einer geringen Zahl von Dentitionen. Beide nähern sich dadurch den von Baume veröffentlichten Spekulationen, der auch hierin den 1 KÜKENTHAL, Über den Ursprung und die Entwicklung der Säugethier- zähne. Jenaische Zeitschrift. Bd. XXVI. 1892. — Über die Entstehung und Entwicklung des Säugethierstammes. Biol. Centralblatt. Bd. XII. 1892. 2 Röse, Uber die Zahnentwicklung der Reptilien. Deutsche Monatsschrift für Zahnheilkunde. Bd. X. 1892. — Über die Entstehung und Formabänderungen der menschlichen Molaren. Anatom. Anzeiger. Bd. VII. 1892. — Über Zahnent- wicklung der Beutelthiere. Anatom. Anzeiger. Bd. VII. 1892. Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. 459 extremen Standpunkt einnimmt. Die multiplen Zahnreihen der rep- tilienartigen Vorfahren sollen nach Röse und KUKENTHAL zu einer doppelten Anlage zusammengedrängt worden sein, nach BAUME hat sich nur die erste Reihe der vielen Zahnserien bei Reptilien erhalten. KÜKENTHAL glaubt, als bei den Protheria die langen reptilienartigen Kiefer verkürzt wurden, sei eine Anzahl hinter einander liegender Keime haplodonter Zähne und der zugehörigen Eckzähne zweiten und dritten Grades zu einem mehrspitzigen Backzahne verschmolzen, da er bei Embryonen von Bartenwalen aus zusammengesetzten Zähnen durch Teilung eine große Zahl kegelförmiger Zähne entstehen sah. RösE begründet die gleiche Annahme ebenfalls durch ontogenetische Beobachtungen: Schon frühzeitig sei die Papille der Zahnanlage aus- gezogen in mehrere vorspringende Kämme und Höcker und man habe deutlich den Eindruck, dass sie aus mehreren mit einander ver- schmolzenen Papillen bestehe. Das werde später noch klarer, denn wenn Dentin- und Schmelzbildung beginne, so ossifieire erst die Spitze jeder einzelnen Papille und dann bestehe der Molar aus einer der Höckerzahl gleichen Menge kegelfürmiger, den Reptilzähnen sehr ähnlicher Einzelzäbnchen, die mit dem Fortgange der Dentin- bildung zur Krone des Molaren zusammenwachsen. KUKENTHAL glaubt, von den vielfachen Zahnserien der Reptilien seien durch Verschmelzung der Einzelzähne nur noch zwei übrig geblieben. Jeder Multituberkulaten-Backzahn, der in zwei oder drei Reihen geordnete durch Längsthäler getrennte Höcker trägt, deutet ihm noch die Verschmelzung von zwei bis drei Serien konischer Zähne an. Röse glaubt, schon die Zahnleiste der Säuger vor Bildung der Milchzähne enthalte in nuce mehrere verloren gegangene Zahn- reihen. Die Milchzahnreihe könne desshalb nicht mit irgend einer Zahn- reihe der Reptilien homologisirt werden, sie ist vielmehr entstanden durch Zusammenziehung mehrerer einander folgender Zahnreihen in eine einzige mit soliderem Ausbau des Einzelzahnes. Die Summe aller übrigen Zahnreihen ist dann in das bleibende Gebiss zusammen- gedrängt. Baume endlich behauptet, die aplacentalen Urmammalia hätten ein homodontes Gebiss von zahlreichen Elementen besessen als einzige, niemals wechselnde Reihe, welche aus den multiplen Anlagen der Vorfahren entstanden sei. Das Arrangement in zwei Dentitionen sei erst innerhalb der Klasse erworben worden. Wenn man die drei Versuche, den morphogenetischen Zusammen- hang der Bezahnung von Reptilien und Mammalien zu beweisen, kritisch iiberblickt, so kann man wohl die Phantasie der Autoren 30* 460 | Paul Scheidt bewundern, aber den ganz hypothetischen Charakter ihrer Spekula- tionen nicht verkennen, denn keiner giebt irgend eine klare Vor- stellung des Processes, der nöthig war, um vielfache Zahnreihen in eine doppelte zusammenzuschweißen. Am wenigsten stichhaltig sind die vagen Spekulationen von BAUME, die man heute zwar als histo- rische Merkwürdigkeit noch anführen kann, aber nicht eingehend zu widerlegen braucht. Auch Röse! hat die Sicherheit des seinen Deduetionen zu Grunde liegenden Thatsachenmaterials weit über- schätzt und eine unhaltbare Hypothese ausgesprochen. Die Höcker- bildung an den Papillen der Molaranlagen kann unter keiner Be- dingung eine einstmalige Verwachsung aus Einzelzähnen beweisen. Röse’s instruktive Modelle zeigen ja am besten, dass jedwede Anlage eines Zahnes eingeleitet wird durch das Auftreten eines kolbigen Epithelhaufens, der bald zur Schmelzglocke wird und eine Mesoderm- papille umschließt. Später wird die Innenfläche des Schmelzorgans zur Matrize der definitiven Krone umgeformt und die Oberfläche der Papille schmiegt sich allen Reliefeigenthümlichkeiten des Schmelzorgans an. Dadurch ist die Form des Zahnes bereits in frühem Stadium wohl er- kennbar. Mag man nun Anlagen von J, C, P oder M betrachten, stets gewinnt man das gleiche Bild, das glockenförmige Schmelzorgan schließt in seiner Papillenhöhle einen mesodermalen Zapfen ein, dessen Oberfläche dem Innenrelief der Schmelzglocke direkt ent- spricht. Vom ersten Auftreten an stellt die Papillenanlage ein ein- heitliches Gebilde dar, und ich sehe keinen Grund, wesshalb man die Verwachsung aus Einzelpapillen annehmen könnte, weil bei älteren Zahnanlagen die ursprünglich kleinen Unebenheiten der Pa- pillenfläche zu längeren Höckern auswachsen. Wenn man mit v. BRUNN in der Schmelzkappe das aktive, formgestaltende Organ der Zahnanlage erblickt, so müsste man vielmehr eine Gliederung derselben als Beweis für Röse’s Ansicht erwarten, aber davon kann keinesfalls die Rede sein. Dass ferner die Schmelz- und Dentinentwicklung zuerst an der Spitze der Zahnanlage beginnt und zunächst kleine konische Kappen fester Zahnsubstanz liefert, die eine entfernte Ähnlichkeit mit Reptilzähnen haben, kann für die morphogenetische Betrachtung keinen Entscheid geben, denn dadurch wird nur gezeigt, dass die Histogenese der harten Zahnsubstanzen nicht sofort auf der gesammten 1 C. Rose, Zur Phylogenie des Säugethiergebisses. Biol. Centralblatt. XII. pag. 624. — Uber die Zahnentwicklung vom Chamäleon. Anatom. Anzeiger. VIII. Nes: Ams Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. 461 Zahnanlage statt hat, sondern wie jeder andere Entwicklungsprocess mit kleinem Anfange beginnt und allmählich fortschreitet. Morpho- logisch ist die Histogenese durchaus irrelevant, weil vor ihrem Einsetzen bereits die Form der Krone klar angelegt ist. Man wird nach diesen Einwänden wohl zugestehen, dass ROsE erst noch zwingendere Beweise vorführen muss, ehe seiner Theorie beizustimmen ist. KUKENTHAL verkennt den hypothetischen Charakter seiner An- sicht keineswegs, er stützt sich auf neue Beobachtungen an Walen, gegen welche ein Einwand nicht erhoben werden kann. Man muss erst seine hoffentlich mit zahlreichen Abbildungen versehenen aus- führlichen Darstellungen abwarten, ehe man beurtheilen kann, ob die Theilungserscheinungen der Milchzähne der Wale sich umgekehrt generalisiren lassen auf die Entwicklung der Ursäugerzähne. Gegen KÜKENTHALs Vermuthungen hat kürzlich O. Tmomas! kritische Bemerkungen geäußert, dieselben eröffnen aber keine neuen Gesichtspunkte für die Betrachtung, im Gegentheil sind sie nur ein Beweis, dass Tuomas die Bedeutung der ontogenetischen Funde KGKENTHAL’S nicht gehörig gewürdigt hat. Lecue’s? kurze Mittheilungen bedeuten einen neuen Fortschritt unserer Ansichten über das Gebiss der Säugethiere. Seine Unter- suchungen über die Zahnentwicklung des Igels lehrten, dass die Bezahnung der Insectivoren eine Mittelstellung zwischen derjenigen der Beutler und Placentalier einnehme, weil ein Theil der Milehzähne in der definitiven Reihe erhalten bleibt. LecHe betrachtet die zweite Dentition der Säuger als eine neue Erwerbung und das Milchgebiss als älter, da bei Reptilien die inneren Zahnreihen stets jünger sind und geologisch ältere Formen nur der ersten Dentition besonderes Gepräge verleihen. Die zweite Dentition der Beutelthiere scheint ihm in progressiver Entwicklung begriffen; aus-paläontolo- gischen Funden ist ein reicherer Zahnwechsel nicht zu erschließen, aber der Umstand, dass der Ersatzkeim der meisten Zähne sich länger erhält als die Ersatzleiste, kann für die Wichtigkeit desselben sprechen. Es wäre sonst nicht wohl einzusehen, warum unnütze Anlagen während langer phylogenetischer Perioden rekapitulirt ! O0. THomas, Notes on Dr. W. KUKENTHAL’s Discoveries in Mammalian Dentition. Ann. and Mag. of Nat. Hist. 1892. No. 52. 2 W. LECHE, Studien über die Entwicklung des Zahnsystems bei den Siiugethieren. Morphol. Jahrbuch. Bd. XIX. 1892. pag. 502. — Nachträge zu den »Studien«. Morphol. Jahrbuch. Bd. XX. pag. 115. 462 Paul Scheidt, Morphologie und Ontogenie des Gebisses der Hauskatze. wiirden. Die Ausbildung des Ersatzgebisses scheint nur durch die Entstehung eines Saugmundes der frühgebornen Beutlerjungen ge- hemmt zu sein. Auf die Erérterung des Zusammenhanges zwischen Reptilien- und Mammaliengebiss geht LECHE nicht näher ein, er präeisirt nur scharf die auch von uns getheilte Ansicht, dass die bisher vorgelegten Versuche nach keiner Richtung hin befriedigen können. Erklärung der Abbildungen. Tafel XII. Figuren 1—3 sind Frontalschnitte aus Serien. Gemeinsame Bezeichnungen. M Mundepithel, W Wurzelscheide, Zi Zahnleiste, D Dentin, P Zahnpapille, E Schmelz, Si inneres Schmelzepithel, A Alveolenraum, Sa äußeres Schmelzepithel, Uk MEckEr'scher Knorpel, G Gallertgewebe, K Kieferknochen. Fig. 1. Erste Anlage eines unteren Zahnes bei einem Embryo von 31 mm Scheitel-Steißlänge. Vergr. 75/1. Fig. 2. Frontalschnitt durch die Anlagen von Pd und Pa, des Oberkiefers eines Embryo von 12,4 cm. Scheitel-Steißlänge. Vergr. 19/1. Die Milchzahnanlage liegt noch in einer großen, von weitmaschigem Binde- gewebe erfüllten Alveole. Seitlich von der Milchzahnanlage erkennt man an dünner Zahnleiste die Anlage des Ersatzzahnes. Fig. 3. Frontalschnitt durch die Anlage von Pod und Py des Unterkiefers einer jungen Katze von 3,5 cm Nasen-Hinterhauptlänge. Vergr. 21/1. Der Alveolenraum für den Milchzahn ist auf eine geringe Stärke re- dueirt. Die Anlage des Ersatzzahnes liegt nahe dem Milchzahne an dünner Zahnleiste. Fig. 4. Rekonstruktion der Bezahnung des linken Oberkiefers eines Embryo von 9,3 cm Scheitel-Steißlänge. Vergr. 12/1. Fig. 5 zeigt die Milchzähne und die Anlagen der Ersatzzähne einer jungen Katze von 8 cm Nasen-Hinterhauptlänge. Vergr. 2/1. Die Figuren 6—16 sind so orientirt, dass der buccale Rand der Zahnreihe nach links, der linguale nach rechts sieht, der distale schaut nach oben, der mesiale nach dem unteren Rand der Tafel. Figuren 6—12 zeigen ‘die ersten Primolaren und die Molaren des linken Oberkiefers, die Figuren 13—16 die ersten Prämolaren und die Molaren des rechten Unterkiefers. Gemeinsame Bezeichnungen. A Makromer, J Mikromer, EZ Entomer, «, 3 und y Hicker des Makromers, d und & Hicker des Mikromers, 7 Hicker des Entomers. Fig. 6. Didelphys virginiana (3/1). Fig. 12. Meles taxus (2/1). Fig. 7. Herpestes ichneumon (1/1). Fig. 13. Herpestes ichneumon (2/1). Fig. 8. Viverra (1/1). Fig. 14. Viverra (2/1). Fig. 9. Canis vulpes (1/1). Fig. 15. Canis vulpes (2/1). Fig. 10. Mustela foina (1,5/1). Fig. 16. Mustela foina (2/1). Fig. 11. Lutra vulgaris (1,5/1). “ f a. “ran ee 2 Morpholog. Jahrb. Bd. X, Kl. Taf XU. 7 Fig.16 Scheidt del th Ansty EA Funke leipzig Uber eine Variation des Platysma myoides des Menschen. Ein Beitrag zur Morphologie dieses Muskels. Von Dr. med. 0. Seydel. Privatdocent der Anatomie in Amsterdam, Mit 1 Figur im Text. Im Laufe des letzten Winters kam auf dem hiesigen Präparir- saal eine Variation des Platysma zur Beobachtung, die zwar in ihren einzelnen Komponenten bekannt ist und wiederholt beschrieben wurde, aber bisher eine zusammenfassende Beurtheilung nicht erfahren hat. Und doch erscheinen mir die fraglichen Abweichungen von weit- tragender Bedeutung für die morphologische Auffassung des M. sub- cutaneus colli zu sein, so dass eine kurze Darstellung meines Be- fundes gerechtfertigt erscheint. Das Präparat entstammt einer männlichen Leiche mittleren Alters. Auf beiden Seiten des Halses ergab sich im Wesentlichen der gleiche Befund. Umstehende Figur wurde nach der linken Seite des Prä- parates entworfen. Am Platysma fällt zunächst die geringe Längenausdehnung auf; es erstreckt sich der Muskel vom Unterkieferrande abwärts bis etwas über die Mitte des Halses. Diese geringe Entwicklung des Muskels in der Längsrichtung erwähnt GEGENBAUR in seinem Lehrbuch; GEGENBAUR beurtheilt diesen Befund als einen primitiven mit den Worten: »Auch ein von mir in einem Falle beobachtetes Fehlen der ganzen unteren Hälfte des Muskels ist wichtig, da damit der obere 464 O. Seydel Theil des Muskels, zu dem auch der Nerv sich verbreitet, als der ursprünglichere erscheint «!. An dem Platysma lassen sich nun mehrere Abschnitte unter- scheiden, die in der Richtung des Faserverlaufes und in ihrer An- ordnung zu einander Differenzen aufweisen. Flächenartig angeord- nete Gruppen gleich gerichteter Muskelbündel sind über einander gelagert, so dass der Muskel sich deutlich in mehrere Schichten gliedert. Ferner sind die Fasermassen, welche eine Anheftung am Kieferrand gewonnen haben, von denen zu scheiden, die weiter dorsal gelagert sind und, ohne eine Beziehung zum Skelette einzu- gehen, in das Gesicht einstrahlen. Letztere bilden eine tiefste Lage und sind überdeckt von den oberflächlicheren Bündelgruppen, die vom Unterkiefer ausgehen. An diesen letzteren lassen sich ohne Zwang zwei Lagen von einander sondern. Die oberflächlichste ist aus zwei Bündeln (a, a,) geformt, deren Ursprung am Kinn durch den Trans- versus menti überlagert ist; das obere mächtigere entspringt an der Seite 1 ©. GEGENBAUR, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 5. Aufl. I. pag. 361. Uber eine Variation des Platysma myoides des Menschen. 465 des Kinnes mit sehr deutlicher Sehne; ein kleiner Theil seiner Fa- sern geht in den Transversus menti über. Das untere Bündel (a) schließt sich mit seiner Hauptmasse dem Transversus an, nur wenige tiefe Fasern gewinnen eine Skeletanheftung und stehen hier mit den Ursprüngen der mittleren Schicht in innigster Verbindung. Beide Bündel verlaufen dann vom Kinn divergirend gegen das hintere Ende des Ohres aus; ihre Fasern enden im Unterhautbindegewebe, etwa in der Mitte des Abstandes zwischen Kinn und Ohr. Unter diesen Bündeln folgt eine mittlere Schicht (d), welche vom Kinn und an der Seite des Unterkiefers in einer Linie entspringt. Nur das am weitesten dorsal gelegene Bündel gewinnt keine Beziehung zum Skelet, sondern schließt sich den vordersten Bündeln der tiefsten Lage an und strahlt neben dem M. triangularis in das Unterhaut- bindegewebe aus. Es vermittelt so den Übergang zwischen diesen beiden sonst scharf von einander geschiedenen Lagen. Die am wei- testen dorsal vom Unterkiefer ausgehenden Fasern verlaufen fast genau horizontal nach hinten. Die am Ursprunge nach vorn an- schließenden Bündel nehmen nach und nach einen etwas mehr ab- wärts gerichteten Verlauf an, so dass sich eine deutliche Divergenz der Bündel nach hinten und unten geltend macht. Daran schließen sich endlich die am weitesten vorn liegenden Bündel, die eine ge- schlossene Lage bilden und die gewöhnliche descendirende Anordnung des Platysma erkennen lassen, doch ist die abwärts gerichtete Nei- gung der Fasern weniger stark ausgeprägt als in den als Norm geltenden Fällen. — Es ergiebt sich also an dieser mittleren Schicht in der Anordnung der Bündel ein ganz allmählicher Ubergang aus dem horizontalen Verlauf in den descendirenden. Die tiefste Lage des Platysma (c), die gleichzeitig den vom Kiefer ausgehenden ventralen Bündeln gegenüber einen dorsalen Abschnitt des gesammten Muskels darstellt, besteht aus isolirten Bündeln, welche in der Gegend des hinteren Randes des M. sterno-cleido-mastoideus im Unterhautbindegewebe entspringen und dann nach oben und vorn verlaufen. Die dorsalen Fasern strahlen in fast gerade aufsteigender Richtung vor dem Ohre aus, während eine mittlere Gruppe von Bün- deln an ibren oberen Enden eine immer deutlichere Abbiegung nach vorn erkennen lässt. Die Enden, die in ihrem speciellen Verhalten nicht weiter verfolgt wurden, sind überlagert vom M. risorius. Die ventralen Faserbündel der tiefsten Schicht treten über den Rand des Kiefers nach oben, schließen sich dem hinteren Rand des M. trian- gularis eng an und enden ungefähr in der Höhe des Mundwinkels im Unterhautbindegewebe. Im Großen und Ganzen sind die beschriebenen drei Lagen sehr deutlich von einander gesondert, doch bestehen sie nicht absolut un- vermittelt neben einander. Zwischen tiefer und mittlerer Schicht zeigt sich eine Vermittelung darin, dass dorsale Fasern der letzteren keine Anheftung am Kiefer gewinnen, sondern sich den benachbarten Fasci- keln der tiefsten Lage anschließen und hinter dem M. triangularis in das Gesicht einstrahlen. Ferner besteht zwischen oberflächlicher und mittlerer Schieht die Andeutung eines engeren Zusammenhanges durch 466 O. Seydel‘ den innigen Anschluss, welchen einige Fasern der ersteren an den Ursprung der mittleren Lage erkennen lassen. Eine Schichtung des menschlichen Platysmas in oberflächliche und tiefe Züge ist bekannt. Nach den Litteraturangaben lassen sich zwei Formen derselben unterscheiden ; einmal spärliche (2—3) Bündel, die vom Kinn entspringen und gegen das untere Ende des Ohres ausstrahlen, indem sie das normale Platysma überkreuzen. An- gaben über diese Variation finden sich bei HEnLE!, Woop?, Rugs? und Tesrur®. Derartige Fascikel sind ihrer ganzen Anordnung nach mit den mit a, a, bezeichneten Bündeln meines Präparates zu iden- tificiren. Hierher gehört auch wohl das von G. RugeE bei Ateles beobachtete Bündel, welches in oberflächlicher Lage vom Kinn in der Richtung auf das Unterende des Ohres verlief (l. ec. pag. 31, Fig. 3). Weitere Angaben beziehen sich auf die Uberlagerung der dorsalen Platysmafasern durch den ventralen Abschnitt des Haut- muskels. Hierher gehört ein von A. FRORIEP® ausführlich beschrie- bener Fall, bei welchem nicht nur die Uberlagerung der dorsalen Partie durch die ventrale in weit größerer Ausdehnung statt hat, als an meinem Objekte; es ist auch die divergente Faserrichtung in der oberflächlichen Lage ausgesprochener, da die am weitesten dorsal vom Kiefer entspringenden Fasern in leichtem Bogen gegen das untere Ende des Ohres anstreben, während der mediale Rand des Muskels die Mitte der Clavicula erreicht. Analoge Beobachtungen finden sich auch bei G. Ruce (l. e. pag. 33) und bei Testur (l. ce. pag. 209) verzeichnet. In diesen Fällen entspricht die ventrale und oberflächliche Partie des Muskels meiner mittleren (mit 5 bezeich- neten) Lage. In der Litteratur finden sich keine Angaben über die an meinem Präparat sehr deutliche Schichtung der vom Kiefer entspringenden Fasern, und es werden bei der Beurtheilung die beiden Gruppen von mehr transversalen Zügen, die ich meinem Befunde gemäß unter- scheiden muss, zusammengefasst und dem longitudinal verlaufenden, eigentlichen Platysma gegenübergestellt. In der Beurtheilung der oberflächlichen Bündel stehen sich zwei Auffassungen gegenüber. A. FRORIEP® deutet die oberflächliche Lage. mit Einschluss des M. risorius als die Reste einer ursprüng- lichen oberflächlichen transversalen Lage und bringt sie in Verbin- dung mit dem bei Carnivoren bestehenden Sphincter colli extern. (s. superfie.); er beurtheilt also die uns hier interessirende Variation als atavistische. Trsrur schließt sich dem Urtheile FRORIEP's an. — Dass der M. risorius in keiner Weise zu den oberflächlichen Platysma- bündeln in Beziehung gebracht werden darf, ist durch Ruge’s Unter- ! J. Henue, Handbuch der Muskellehre des Menschen. 2 Woop, Proceedings of the royal society of London. XV. 1867. 3 G. RUGE, Unters. über die Gesichtsmuskulatur der Primaten. pag. 33. 4 L. Testut, Les anomalies musculaires chez homme. pag. 209. 5 A. Froriep, Uber den Hautmuskel des Halses und seine Beziehungen zu den unteren Gesichtsmuskeln. Archiv fiir Anat. u. Entwicklungsgesch. 1877. 6 ]. ce. pag. 54. Uber eine Variation des Platysma myoides des Menschen. 467 suchungen zur Genüge bewiesen. G. RuGE weist auch FRORIEP's Auffassung der Schichtenbildung am Platysma zurück und deutet sowohl die isolirten Kinnbündel wie die doppelte Lage am Halse als progressive Variationen, die durch Aberrationen von Muskel- bündeln vom Platysma aus ihre Entstehung genommen haben’. Als weitere Besonderheit findet sich an meinem Präparat eine dünne plattenartig angeordnete Lage von Muskelbündeln, die in der Höhe der Clavicula und zwar in horizontalem Verlaufe angeordnet sind (Z). Der Muskel charakterisirt sich deutlich als ein subkutaner. Die Fasern nehmen mit kurzen Sehnen ihren Ausgangspunkt von dem Unterhautbindegewebe der Fossa jugularis und begeben sich leicht divergirend nach hinten. Die kopfwärts lagernden verlaufen gerade dorsalwärts und enden oberhalb der Clavicula; die brustwärts angeschlossenen ziehen in leichtem, noch unten offenem Bogen über die Clavieula hinweg und enden auf den Ursprüngen des M. pectoral. maj. und deltoideus. Alle Fasern strahlen dorsal in das Unterhaut- bindegewebe aus. Dieser Muskel ist durch einen weiten Zwischen- raum vom Platysma getrennt und erscheint so als ein ganz selb- ständiges Gebilde. Sogenannte überzählige Muskeln in der Schlüsselbeingegend sind wiederholt beschrieben worden. Von allen jenen Variationen inter- essiren uns hier nur diejenigen, welche als typische Hautmuskeln charakterisirt sind. Muskeln, wie sie von GRUBER als Mm. prae- claviculares und als Supraclavicularis propr. beschrieben wurden, stellen sich durch die engeren Beziehungen, die dieselben zum Skelet eingehen, vielleicht als Bildungen ganz anderer Art dar. Auch von den subeutanen Muskeln dieser Gegend können nur diejenigen mit einiger Sicherheit mit den von mir beobachteten in Parallele gestellt werden, welche an der Grenze zwischen Hals und Brust angeordnet sind und auf beide Gebiete übergreifen. Solche Fälle finden sich bei HEnLE?, FRORIEP 3? und GRUBER* erwähnt. Im Allgemeinen zeigen diese ziemlich selten beobachteten Muskeln folgendes Verhalten. Die medialen Enden der Muskelfasern können Skeletanheftungen aufweisen und zwar an der Clavicula oder am Manubrium sterni. Der Faserverlauf ist ein horizontaler oder wie im Falle von FRORIEP ein schräg nach hinten und oben gerichteter: Die Ausdehnung nach hinten resp. lateralwärts schwankt, während in meinem Falle die Fasern etwa ?/, der Clavicula bedecken. giebt GRUBER eine Ausbreitung bis zur Höhe der Schulter hin an. Auch in der Lage zum Platysma treten Verschiedenheiten auf. In dem Falle von FRORIEP liegt das Bündel unter dem Platysma; auch in dem von GRUBER beschriebenen Falle glaube ich das Gleiche aus der gerade in diesem Punkte nicht ganz sicheren Angabe schließen zu dürfen. Dagegen erwähnt HextE auf Grund einer Angabe von 1]. ce. pag. 35. 2 HENLE, Muskellehre. pag. 108. 3], c. pag. 48. 4 W. GRUBER, Anatom. Notizen. Ein M. praeclavicular. subeut. VIRCHOW’s Archiv. Bd. LXXII. pag. 496. 468 0. Seydel MEcKEL ein Schlüsselbeinbündel, welches das untere Ende des Pla- tysma bedeckt. Derartige deutlich als Hautmuskel charakterisirte Gebilde sind wegen ihrer Lage wohl unzweifelhaft der Hautmuskulatur des Halses zuzurechnen. Diese Auffassung findet sich in der Litteratur ver- treten; so erwähnt z. B. HENLE diese Variation bei den Abweichun- gen des Platysma. TesturT! zieht die gleiche Möglichkeit in Be- tracht, ohne sich indess bestimmt auszusprechen. Stellen diese Schlüsselbeinbündel in der That einen Theil des M. subeutaneus colli vor, so lässt sich eine richtige Beurtheilung desselben nur erwarten, wenn wir sie im Verband mit der gesammten Hautmuskulatur des Halses betrachten. In dieser Hinsicht wird zunächst die Thatsache wichtig, dass das Schlüsselbeinbündel über den längsverlaufenden Zügen des normal ausgedehnten Platysma gefunden wurde. Sehen wir zunächst von den Fällen ab, in denen es eine tiefere Schicht bildet, so ergiebt sich, dass wir an zwei Stellen des Halses oberflächlichste Bündel antreffen können, die in transversalem Verlaufe die eigentlichen Pla- tysmafasern kreuzen: am Kinn (die Bündel « und a,) und in der Höhe der Clavicula (d). Durch die annähernd gleiche Richtung dieser Fasern, die im Gegensatz steht zu den Längszügen des Platysmas, lassen sich diese Kinn- und. Schlüsselbeinbündel als Theile eines gemeinsamen, transversal angeordneten Systems auffassen, das wir nach der Verlaufsrichtung der Bündel als Sphincter colli be- zeichnen können. So lange allein die oberflächlichen Fascikel der Kinngegend bei der Beurtheilung in Betracht gezogen wurden, konnte die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden, dass dieselben in progressiver Entwicklung vom Platysma selbst abzuleiten seien, wie G. RuGE das annahm. Der uns vorliegende Fall, wo die ober- flächlichste Lage am Kinn und das Schlüsselbeinbündel gleichzeitig bestehen, zwingen dazu, die Ruge'sche Annahme zurückzuweisen. Die Annahme einer Entstehung des Schlüsselbeinbündels als pro- gressive Bildung erscheint mir selbst in den Fällen unwahrscheinlich, wo es sich mit einem Platysma von normaler Ausdehnung kombinirt. Das vorliegende Präparat, an dem Platysma und Schlüsselbeinbündel ohne jede Beziehung zu einander bestehen, lässt die Annahme einer progressiven Entstehung des letzteren absolut als ausgeschlossen er- scheinen. Ungezwungen erklären sich dagegen die Befunde, wenn wir die horizontalen Bündel als die Reste eines M. sphincter colli externus auffassen, der sich ursprünglich über die ganze Länge des Halses ausdehnte. An solchem Muskel würde zunächst der mittlere Ab- schnitt der Reduktion anheimfallen und der Anfangs einheitliche Muskel so in zwei Partien zerfallen sein, die sich am Kopf und Rumpfende des Halses finden; auch diese Reste bilden sich zurück und zwar der in der Schliisselbeinregion gelegene schneller, als der der Kinngegend. Dieses würde dadurch zum Ausdruck kommen, 1]. c, pag. 59. Uber eine Variation des Platysma myoides des Menschen. 469 dass beim Menschen Sphincterfasern am Kinn hiiufiger auftreten als in der Höhe der Clavieula. Der von G. RuGEe gegen eine solche Auffassung erhobene Einwand, dass ein Sphincter externus weder bei Primaten noch Prosimiern bestehe und folglich auch beim Men- schen nicht als rudimentäre Bildung auftreten könne!, ist nicht stich- haltig; es weisen eben jene Bildungen auf viel entfernter liegende Zustände zurück, vielleicht auf solehe Formen, bei denen ein sphincter- artig angeordneter Muskel als einziger Hautmuskel des Halses be- steht. Der M. sphincter colli ext. der Carnivoren kann — darin schließe ich mich voll und ganz der Ansicht G. RugeE's an — bei der Stellung dieser Gruppe zum Primatenstamme nur in sehr be- dingter Weise als Stütze dieser Auffassung herangezogen werden. — Ich schließe also aus dem mir vorliegenden Befunde, dass bei den Vorfahren der Primaten Formen mit gut entwickeltem Sphincter colli externus bestanden haben müssen, und dass Reste desselben beim Menschen (und bei Primaten) als atavistische Variationen auf- treten können. Ich beschränke diese Deutung einerseits auf solche Bündel, die in oberflächlichster Lage in der Kinngegend auftreten und dehne sie andererseits auf die oberflächlichen Schlüsselbein- bündel aus. Ich schließe mich demnach nur hinsichtlich der allge- meinsten Auffassung der hierhergehörigen Platysmavariationen an die Ausführungen FRorIEP'sS an. Dass ich in speciellen und nicht un- wesentlichen Punkten anderer Meinung bin als jener Autor, wird aus den folgenden Ausführungen noch deutlicher werden. Es erhebt sich nun weiterhin die Frage, ob Beziehungen zwischen den am oberflächlichsten gelagerten Bündeln in der Kinn- gegend (a meines Präparates) und der mittleren Schicht (6 meines Präparates) bestehen; die Frage lässt sich auch so formuliren, ob Beziehungen bestehen zwischen den Resten des Sphincter colli ext. der Kinngegend und der ventralen vom Kiefer entspringenden Partie des Platysma, da jene mittlere Schicht keineswegs eine iiberziihlige ist, wie Testur meint, sondern ein integrirender Bestandtheil des Platysma. Dass engere Beziehungen zwischen den bezeichneten Muskeltheilen bestehen, wird sehr wahrscheinlich durch die That- sache, dass beide Fasergruppen an ihrem gemeinsamen Ursprunge vom Kiefer häufig einen engen Anschluss an einander erkennen lassen. Im vorliegenden Falle ist dieses Verhalten nur in Andeutungen vorhanden, aber in den in der Litteratur niedergelegten Beobach- tungen finden sich wiederholt Angaben darüber. Gründete doch G. RuGe seine Auffassung der oberflächlichen Bündel als aberrirte Platysmatheile auf diese Thatsache. Nach den obigen Ausführungen ist eine solche Auffassung nicht zutreffend, aber es bleibt doch die Thatsache des kontinuirlichen Uberganges zwischen beiden Schichten bestehen. Vielleicht ist nun der Weg, den die Entwicklung durch- lief, gerade in umgekehrter Richtung zurückgelegt, als wie das von G. Rue vermuthet wurde. Von einem Sphincter colli aus, wie er 1}. e. pag. 34. 470 0. Seydel thatsiichlich bei niederen Formen als einziger Hautmuskel des Halses besteht, könnte eine Verschiebung von Fasern um ihren Anheftungs- punkt am Kiefer erfolgt sein, durch die der Faserverlauf allmählich aus der ursprünglichen Richtung in die descendirende des eigentlichen Platysma übergeführt wurde. Eine derartige Aberration von Fasern um bestimmte fixe Punkte ist nichts Ungewöhnliches und lassen sich nach Ruge’s Untersuchungen gerade in der Gesichtsmuskulatur viele Beispiele dafür anführen. Es ist das ein Weg, der gerade im Facialisgebiet vielfach beschritten wurde und mit Bildung neuer Muskelindividuen abschließt. Der vorliegende Fall lässt nun an den vom Kieferrande entspringenden Muskelabschnitten in eklatanter Weise diese allmähliche Umordnung der Fasern erkennen. Die diver- girende Anordnung der beiden oberflächlichsten (Sphincter-) Fascikel brachte es mit sich, dass das dem Halse benachbarte minder steil aufsteigend verläuft als das andere; während die Bündel der mitt- leren Lage (das eigentliche Platysma in seinem ventralen Theil), wenn wir an der Kieferinsertion von dorsal nach ventral fortschreiten, zunächst die horizontale Richtung einschlagen und weiter nach vorn immer deutlicher einen descendirenden Verlauf annehmen. Mit an- deren Worten es zeigen die vom Kiefer entspringenden Fasern unseres Präparates in allmählichem Ubergange die Umordnung aus sphincterartig angeordneten Bündeln in die längsverlaufenden des normalen Platysma. Aus diesem Befunde ist der Schluss gestattet, dass der ventrale Platysmaabsehnitt aus dem System eines Sphincter colli durch die nach und nach erfolgende Umordnung der Fasern abzuleiten ist; und zwar wird diese Verlagerung von Muskelbündeln mittlere Schichten des primitiven Sphincter betroffen haben. Für einen solchen Ent- wieklungsgang spricht das Bestehen eines Sphincter colli profundus bei Prosimiern und Arctopithecen; ferner das Auftreten von Resten des Sphincter colli superfieialis als selbständige, oberflächlichste Schicht, wie sie mein Präparat zeigt. Als weiterer Punkt ist von Wichtigkeit, dass die ventrale, am Kiefer befestigte Partie des Platysma die dorsale überlagert, welche direkt in das Gesicht ausstrahlt. Wo auch immer eine derartige Schichtung des Platysma beobachtet wurde, es ergab sich immer, dass die ventralen Fasern die oberflächlichere Lage bildeten und im minder steilen Verlaufe die Bündel des dorsalen Abschnittes über- kreuzten. Diese Thatsache scheint mir dafür zu sprechen, dass die dorsale und ventrale Partie des Platysma genetisch nicht gleich- werthig sind, dass die Bildung beider auf verschiedenem Wege und ungleichzeitig erfolgte. Die ventrale Partie, deren Entwick- lungsmodus aus dem Sphinetersystem noch aus den gelegentlich zu beobachtenden Variationen erschlossen werden kann, ist die jüngere. Ihr gegenüber erscheint der dorsale, in seiner Anordnung konstante Abschnitt als eine ältere Bildung. Für die Genese der letzteren giebt mein Präparat keine Anhaltspunkte. — Schreitet jene Um- ordnung der Fasern, durch welche wir uns die Sonderung der ven- tralen Platysmapartie entstanden denken, in gleichem Sinne weiter Uber eine Variation des Platysma myoides des Menschen. 471 fort, bis schlieBlich die Faserrichtung in beiden Abschnitten die gleiche geworden ist, so entsteht die einheitliche Muskelplatte mit parallelem Faserverlauf, als welche das Platysma in der Regel er- scheint. — Da der dorsale Platysmaabsehnitt als die ältere Bildung erscheint, so wird vor dem Auftreten der ventralen Partie die Gliederung des Sphinetersystems in oberflächliche und tiefe Schicht bestanden haben müssen, und wir können über die Genese der ventralen Partie noch präeiser aussagen, dass sie abzuleiten sei von der tiefen Lage eines Sphincter externus. Es ergiebt sich demnach, dass das normale Platysma des Menschen seiner Genese nach nicht als einheitlicher Muskel aufzufassen ist, sondern dass er sich aus zwei verschiedenen Komponenten aufbaut, die nach einander entstanden sind und sich erst sekundär zu einem einheitliehen Ganzen vereinigten. Für den ventralen Abschnitt lässt sich die Beziehung zum M. sphincter colli externus nachweisen. Ich beurtheile demnach die Zweischichtigkeit des eigentlichen Platysmas des Menschen als einen primitiven Zustand. Die ventrale Partie ist in der Mitte des Entwicklungsganges, den sie normaler Weise zu durchlaufen hat, stehen geblieben. Die Umlagerung der Fasern aus der horizontalen in die longitudinale Richtung ist einge- leitet, aber nicht zu Ende geführt. Demnach darf die mittlere Lage meines Präparates (b) und die oberflächliche Lage an dem Platysma, das FroRIEP beschreibt, nicht als Reste des M. sphincter colli externus oder als überzählige Fasern bezeichnet werden. Es ist viel- mehr die ventrale Partie des Platysma, die aus einem bestimmten Theile des Sphineter externus hervorgeht, aber ihre definitive Lage noch nicht erreicht hat. — Als Stütze für die vorgetragene Auffassung des ventralen Pla- tysmaabschnittes, wie auch für die Annahme eines Sphincter externus, der sich über die ganze Länge des Halses ausgedehnt hat, sei auf eine Beobachtung von FRORIEP hingewiesen (1. c. pag. 47, rechte Seite des abgebildeten Priparates). Hier biegen vom medialen Rande des im Übrigen normalen Platysmas mehrere Bündel medianwärts ab, nehmen einen mehr transversalen Verlauf an und enden in der Haut des Halses theils in der Höhe der Schilddrüse, theils in der Höhe des oberen Schildknorpelrandes. Auch in dieser Anordnung der Fasern möchte ich eine Andeutung der Beziehungen zwischen Sphincter und ventraler Platysmapartie erblicken. Dieser Fall würde in so fern etwas Auffälliges haben, als auch distal vom Unterkiefer gelegene Elemente des Sphincter sich dem ventralen Platysmaabschnitt ange- schlossen haben. In der Regel scheinen nur solche Bündel die Um- lagerung zu erfahren, die die Befestigung am Kiefer eingegangen sind. Das geht deutlich aus dem Befunde an der linken Seite von Frorter’s Präparat, aus meinem Befund und aus einigen Angaben Ruge's hervor. Sind meine Auffassungen über die Entstehung des Platysma zu- treffend, so ergiebt sich ferner, dass dasselbe — wenigstens in seiner ventralen Partie, ursprünglich auf den oberen Theil des Halses 472 0. Seydel, Über eine Variation des Platysma myoides des Menschen. beschriinkt gewesen sein muss und sich von hier aus erst weiter nach abwärts bis zur Brust ausgedehnt hat. Die Beschränkung der Längsausdehnung, wie sie C. GEGENBAUR erwähnt und wie sie an meinem Präparate deutlich ist, ist demnach mit Recht als primitiver Zustand zu deuten. Das Platysma erscheint nicht redueirt, sondern nicht ausgebildet. — Dieses Verhalten giebt uns nun wohl auch den Schlüssel für jene Zustände, wo transversal verlaufende Schlüsselbeinbündel unter den Längszügen des Platysma getroffen werden. Es erscheint mir durehaus nicht befremdend, wenn die distalwärts sich verlängernden Platysmabündel bei der Beziehung ihrer Enden zum Integument sich über den Rest eines Sphineter externus hinweglagerten. Doch ist auch an die andere Möglichkeit zu denken, dass die quer oder ascendirend unter dem Platysma liegenden Hautmuskeln dem System eines tiefen Sphincter colli profundus zuzurechnen sein könnten. — Fassen wir zum Schluss das Urtheil über das Präparat, welches den Ausgangspunkt für unsere Betrachtungen darstellte, zusammen, so ergiebt sich der Befund an der Hautmuskulatur des Halses als ein sehr primitiver. Diese Ursprünglichkeit kommt zum Ausdruck erstens durch das Bestehen von Resten eines Sphincter colli externus in der Kinn- und Schlüsselbeingegend; zweitens in der Überlagerung des dorsalen Theiles des Platysmas durch den ventralen; am ven- tralen Abschnitt durch den deutlich erkennbaren Übergang der Faser- richtung aus der sphincterartigen transversalen in die longitudinale des normalen Platysma; drittens durch die geringe Längsausdehnung des gesammten Platysmas. Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclo- stomen und höheren Wirbelthieren. Ein Beitrag zur Phylogenie der quergestreiften Muskelfaser. Von Prof. Dr. F. Maurer, Prosektor in Heidelberg. Mit Tafel XIII—XVI. Die kontraktilen Elemente der Wirbelthiere lassen sich morpho- logisch in zwei Gruppen sondern: in Muskelzellen und Muskelfasern. Während erstere stets den Werth einer einfachen Zelle behalten, einerlei, ob die kontraktile Substanz gleichmäßig im Zellkörper ver- theilt (glatte Muskelzellen) oder in Form quergestreifter Fibrillen differenzirt ist (Herzmuskelzelle), lässt die Muskelfaser, die bei Wirbelthieren ausschließlich als quergestreifte gefunden wird, durch die große Zahl von Kernen, die sie enthält, eine Zusammensetzung aus einer größeren Anzahl von Zellen erkennen, besitzt mithin einen höheren morphologischen Werth, stellt einen Zellenkomplex dar. Außer den quergestreiften Muskelfasern kommen bei den niedersten Formen der Wirbelthiere besondere kontraktile Gebilde vor, bei Amphioxus Muskelbänder, bei Petromyzon Muskelkästchen, deren Beziehung zu den Muskelfasern noch keineswegs klargestellt ist. Wenn man die ältere Litteratur über den Bau der quergestreiften Muskelfaser der Wirbelthiere durchsieht, so findet man zunächst Widersprüche in Bezug auf die Frage, ob eine Muskelfaser aus einer Zelle hervorgeht, oder von vorn herein zu ihrem Aufbau der Be- theiligung mehrerer Zellen bedarf. Die von ScHWANN aufgestellte Lehre, dass eine Muskelfaser durch Verschmelzung mehrerer sich zusammenlegender Zellen entstehe, wurde von v. Wrirricu, LEYDIG, Morpholog. Jahrbuch, 21. 31 474 F. Maurer Mareo und zum Theil von DEITERS bestätigt, während für die Bil- dung der Muskelfaser aus einer Zelle REMAK, KÖLLIKER, M. SCHULTZE, Witson, WEISMANN, F. E. SCHULZE u. A. eintreten. Ferner sind die Angaben widersprechend in Bezug auf die Anordnung der kon- traktilen Fibrillen. Während die meisten Autoren ihre Differen- zirung im Inneren des Zellenplasma anerkennen, lässt DEITERS die Fibrillen extracellulär entstehen. Auch Rouger lässt die Fibrillen selbständig zwischen Bindegewebszellen auftreten. Diese Auffassung ist so vielfach widerlegt und die erstere Anschauung von so zahl- reichen Beobachtern bis in die neueste Zeit bestätigt worden, dass kein Zweifel an der Thatsache, dass die kontraktilen Fibrillen Diffe- renzirungen im Inneren des Zellenplasma seien, mehr bestehen kann. Weitere Meinungsverschiedenheiten betreffen das Sarkolemm. Vielfach wird es, besonders dann, wenn man die Muskelfaser aus einer einfachen Zelle ableitet, als Zellmembran gedeutet (F. E. SCHULZE, KÖLLIKER u. v. A.). Von Anderen wird es als Cuticular- bildung betrachtet (DEITERS, BREMER, WirricH), noch Andere sehen in ihm eine bindegewebige Scheide. SCHNEIDER leugnet die Exi- stenz des Sarkolemm überhaupt, erklärt es für ein Trugbild. Nach ihm sind die Muskelprimitivbündel unmittelbar ins Bindegewebe ein- gelagert... SCHNEIDER würde demnach die letztere Ansicht vertreten, er verwirft nur die Bezeichnung Sarkolemm. Allen diesen Kontroversen liegen sehr sorgfältige Beobachtungen zu Grunde, und die Verschiedenheiten in der Auffassung sind zum Theil zurückzuführen auf die Wahl der Untersuchungsobjekte. Wur- den von den Einen die embryonal sich entwickelnden Muskelfasern untersucht, so bot bei Anderen der Neubildungsprocess von Muskel- fasern in den Muskeln ausgewachsener Thiere oder auch älterer Embryonen den Gegenstand der Beobachtung. Aus der Verschieden- heit der Befunde ergiebt sich, dass die Bildung der Muskelfasern sich nicht gleichartig vollzieht, dass vielmehr neben der Heraus- bildung aus einer Zelle auch ein anderer Bildungsmodus besteht, bei welchem von vorn herein die junge Muskelfaser ein mehrzelliges Gebilde darstellt. | Dies wird auch durch die neuere Litteratur bestätigt. Alle Autoren stimmen darin überein, dass embryonal Muskelfasern aus einer einfachen Zelle hervorgehen können (BALFOUR, DOHRN, MAYER, Rickert, ZIEGLER, RABL, VAN Wine, HATSCHEK, KOLLMANN, KAsTNER u. v. A.). Eben so häufig ist aber ein anderer Bildungs- modus beobachtet worden, den man als Längsspaltung von dieken Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 475 oder breiten Muskelfasern bezeichnen muss. Derselbe wurde von WEISMANN zuerst beschrieben, spiiter vielfach geleugnet. Jetzt zweifelt Niemand mehr an seinem Bestehen. In letzter Zeit wurde u. A. von FeLıx an menschlichen Embryonen sein Vorkommen genauer be- schrieben. Hierbei ist klar, dass eine solche Muskelfaser niemals aus einer Zelle hervorgeht, sie stellt von vorn herein ein vielzelliges Gebilde dar, da sie im Momente ihrer Abspaltung bereits eine größere Anzahl von Kernen besaß. Wenn auch etwa die erste Mutterfaser einmal aus einer Zelle hervorging, so ist doch die Beziehung einer jüngsten durch Längsspaltung aus einer großen Muskelfaser hervor- gehenden feinen Faser zu einer Zelle nur eine indirekte. Außer diesem Vorgange der Bildung neuer Muskelfasern wird noch bei erwachsenen Thieren häufiger die Entwicklung durch Zu- sammenlagern mehrerer spindelförmiger Zellen geschildert. Ich meine hier nicht etwa MAr6o’s Sarkoplasten, die von den meisten Forschern als Zerfallsprodukte gedeutet werden, während PAnErH ihnen Werth für die Neubildung von Muskelfasern beimisst. GOETTE beschreibt bei Amphibien die Bildung von Fasern in späteren Mus- keln, z. B. des Obliquus ext. durch Zusammenlagern von langen spindelförmigen Zellen. KÖLLIKER lässt freilich auch späterhin solche Fasern durch Auswachsen aus einer Zelle entstehen. Auch Lreypic hat in letzter Zeit diese Anschauung vertreten. In den Muskeln aller höheren erwachsenen Wirbelthiere wurden in letzter Zeit eigen- thümliche von Kiune als Muskelspindeln, von KöLLiker als Muskel- knospen bezeichnete Gebilde beschrieben (Künns, KÖLLIKER, FELIX, BREMER, KERSCHNER), welche ebenfalls zur Neubildung von Muskel- fasern führen. Bei solchen handelt es sich um lokal verdickte Muskelfaserbündel, welche an den verdickten Stellen durch reichlich gewuchertes Bindegewebe umgeben sind. Zu diesen tritt ein eben so gewucherter Nerv heran. KÖLLIKER fasst diese Gebilde, die nicht nur bei Säugethieren und beim Menschen, sondern auch bei Amphibien und Reptilien geschildert wurden, als in Längstheilung begriffene Muskelfasern auf. Innerhalb der Knospe findet nach KÖLLIKER die Zertheilung in eine große Anzahl feiner Fasern statt. In allen neueren Arbeiten über die quergestreiften Muskelelemente vermisse ich eine genauere Berücksichtigung der Entwicklungsvor- gänge bei der Bildung der Muskelkiistchen (STANNIUs) der Petromy- zonten. Diese Gebilde sind nur in ihrem fertigen Zustand bei Am- mocoetes und Petromyzon von GRENACHER und SCHNEIDER geschildert worden. Uber die Entwicklung finde ich außer bei Scorr, SuirLey 31* 476 F. Maurer und GOETTE, vor Allem bei O. Herrwic im Lehrbuch der Entwick- lungsgeschichte einige Angaben, wonach ein Muskelkästchen, aus einer Zelle hervorgehend, einer Muskelfaser höherer Wirbelthiere homolog wäre. Sehr genau sind wir unterrichtet über den Bau der fertig ge- bildeten Muskelfaser, und hierbei zeigten sich sehr beträchtliche Ver- schiedenheiten, so dass wir in der Muskelfaser durchaus nicht völlig gleichartige Gebilde erblicken dürfen. Die Form der Muskelfaser ist in der Regel die eines langen Cylinders, welcher abgegrenzt ist durch eine strukturlose Membran, das Sarkolemm. Im Inneren desselben findet sich Plasma (Sarko- plasma, Sarkoglia), ferner die Muskelkerne, dem Plasma eingelagert und kontraktile Fibrillen. Die Anordnung der Fibrillen und des Plasma, sowie ihr quantitatives Verhältnis in der Faser ist auch in Muskeln ausgewachsener Thiere sehr ungleich, und eben so zeigen die Kerne eine sehr verschiedene Anordnung. An jungen Fasern ist noch gar kein Sarkolemm gebildet, die Fasern sind nackt. Das Plasma füllt die ganze Masse der Faser aus. In demselben liegen die Fibrillen und Kerne. Der einfachste Zustand ist der, dass die Fibrillen in einfacher Lage eine periphere Mantelschicht bilden. Dann liegen die Kerne in einer einfachen Längsreihe im Centrum als ovale oder langgestreckte Gebilde in- mitten des reichlichen Plasma (junge Selachier, Urodelenembryonen und Amniotenembryonen). In anderen Fällen sind die Fibrillen excentrisch in Ein- oder Mehrzahl angeordnet und die Kerne liegen in einer Reihe hinter einander der einen Längsseite der Fibrille an. In der Umgebung der Kerne findet sich dann eine beträchtliche An- häufung von Plasma, letzteres schließt aber auch die einfache oder mehrfache Fibrille ein (Anurenlarven, Teleostierembryonen). In wieder anderen Fällen ist ein Sarkolemm als strukturlose Lamelle entwickelt. Die ganze Faser ist mit kontraktilen Fibrillen erfüllt, aber nicht gleichmäßig, sondern letztere sind zu Gruppen vereinigt (Muskelsäulchen KÖLLIKEr) darin vertheilt, und zwischen den- selben findet sich reichliches Sarkoplasma mit Kernen. Letztere liegen theils zwischen den Fibrillensäulchen, theils peripher der Innenfläche des Sarkolemm an. In vielen solchen Fasern finden sich auch aus- schließlich periphere Kerne (rothe Muskelfasern der Sturionen, Selachier und Teleostier). Weiterhin findet man sehr häufig Fasern, welche im Inneren des Sarkolemmaschlauches ganz dicht mit Fibrillen, die ziemlich gleichmäßig die ganze Faser durchsetzen, erfüllt sind. Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 477 Zwischen den Fibrillen ist nur sehr spärliches Sarkoplasma vor- handen, das etwas reichlicher um die Kerne nachweisbar ist. Die Kerne sind zum Theil zwischen den Fibrillen allenthalben regellos vertheilt, zum Theil liegen sie an der Peripherie, der Innenfläche des Sarkolemms an (einige Amphibien). Endlich sehen wir die am weitesten differenzirten Muskelfasern bei ausgewachsenen Amnioten, auch beim Menschen in der Weise ausgebildet, dass innerhalb des Sarkolemms ebenfalls die kontraktilen Fibrillen die ganze Faser gleichmäßig erfüllen, zwischen ihnen ist nur äußerst spärliches Sarkoplasma vorhanden und die Kerne finden sich ausschließlich in peripherer Anordnung, der Innenfläche des Sarkolemms als länglich ovale Gebilde dicht angeschlossen (Sarkolemmakerne). Die Erkenntnis dieser verschiedenartigen Formen von Muskel- fasern hat sich allmählich herausgebildet aus der schon durch Asassız und C. Vogr angegebenen Thatsache, dass bei Fischen an der Seitenlinie in oberflächlicher Lagerung sich anders gefärbte und anders gebaute Fasern fanden als in der übrigen Skeletmuskulatur. Die Fasern wurden als rothe den blassen übrigen Fasern gegen- übergestellt. Seitdem ist eine große Litteratur über die verschiedenen Arten von Fasern entstanden, aus welcher man im Wesentlichen lernt, dass die verschiedenen Fasern bei sämmtlichen Wirbelthieren vorkommen. Bei Fischen kommen die protoplasmareichen (rothen Fasern) in bestimmten, meist oberflächlichen Lagen vor, sie enthalten mehr Kerne als die blassen, zeigen diekere Fibrillen mit breiterer Querstreifung und sind außerdem in den am meisten gebrauchten Muskeln gefunden worden (Flossenmuskeln vom Seepferdchen: RAnVIER, Roter). Bei den höheren Wirbelthieren (Vögeln und Säugethieren) kommen protoplasmareiche Muskelfasern in frühen Entwicklungsperioden überall verbreitet vor. Später treten sie ver- einzelt auf. Ausgewachsene Vögel und Säugethiere besitzen rothe Muskulatur, nur in Folge von Nichtgebrauch kommen in bestimmten Muskel- gruppen weiße Fasern in größerer Menge zur Ausbildung (Huhn, Kaninchen). Man sieht hieraus, dass diese beiderlei Fasern bei höheren Formen offenbar verschiedene entwicklungsgeschichtliche und in Folge der funktionellen Verhältnisse bedingte Zustände eines wesentlich gleichen Gewebselementes sind. Ob die Fasern bei nie- deren Formen eine bestimmte verschiedene Herkunft besitzen, ist noch nicht festgestellt. Mit der Bearbeitung dieser verschiedenen Arten von Muskelfasern in morphologischer und physiologischer Richtung 478 F. Maurer haben sich besonders Ranvier, KRAUSE, GRÜTZNER beschäftigt. Die neueste Arbeit, die über diesen Gegenstand vorliegt, ist die von Knorr, in welcher auch die physiologische Seite im Vordergrund steht. KNnoLL regt die Frage an, welche verschiedene entwicklungs- geschichtlichen Vorgänge der Verschiedenheit der plasmareichen und plasmaarmen Muskelfasern zu Grunde liegen. Über die histologi- schen Details im Bau der quergestreiften Muskelfaser besteht eine ungemein reichhaltige Litteratur. Hier sind die Arbeiten von VAN GEHUCHTEN, MARSHALL, SCHÄFER, RAMON Y CAJAL, KRAUSE zu er- wiihnen. Es wird dort die Existenz der kontraktilen Fibrille diskutirt. VAN GEHUCHTFN und Ramon Y CasAt betrachten sie als Kunst- produkt, sehen im Sarkoplasma den wesentlichen kontraktilen Theil der Muskelfaser. MARsHALL schildert ein Netzwerk. Die Längs- fasern sollen die kontraktilen Elemente sein, quere Fasern sollen als elastische Elemente die Rückkehr in den Ruhezustand ver- ursachen. Auch Leypıe äußert sich so, dass er nicht Fibrillen, sondern ein Netzwerk in der Muskelfaser anerkennt, das auch die doppellichtbrechende Substanz umfasst, und das flüssige Plasma da- zwischen soll der eigentlich kontraktile Theil der Muskelfaser sein. Besonders wichtig über diesen Gegenstand sind die Arbeiten von RorLert. Doch betreffen diese Verhältnisse Fragen, die außer- halb des Rahmens dieser Arbeit liegen. Ich verweise hierüber auf die Original-Abhandlungen. Dass die kontraktile Fibrille in der lebenden Muskelfaser ein vorgebildetes Element ist, beweisen deut- lich Embryonalstadien, in welchen nur ein einfacher peripherer Fibrillenmantel besteht. Hier kann nicht von einem Netzwerk die Rede sein, vielmehr liegen die Fibrillen weit getrennt von einander im Plasma und jede derselben lässt eine deutliche Querstreifung erkennen. Da die ausgebildete Faser aus der embryonalen unter Vermehrung der Fibrillen hervorgeht, so ist unter Berücksichtigung der embryonalen Zustände die kontraktile Fibrille als geformtes Gebilde wohl als naturgemäß aufzufassen, und die durch Gold- behandlung erhaltenen Netze eher als Kunstprodukte zu betrachten. In dem letzteren Punkte schließe ich mich völlig den Ausführungen RorLerr's über die Muskel-Romantik an. Uber die Entwicklung der Muskulatur bei Wirbelthieren liegen aus den letzten Jahren einige wichtige Arbeiten vor. Hier sind besonders die Arbeiten von RABL, KOLLMANN und KASTNER zu er- wähnen. Auch ich habe versucht nach Beobachtungen an urodelen Amphibien einige hierher gehörige Fragen zu entscheiden. Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen etc. 479 Man hat hierbei zwei Verhältnisse aus einander zu halten. Erstens die histologische Entwicklung der Muskelfaser und zweitens die Bildung der Muskelschichten. Die erstere Frage lässt sich theils an Embryonen jüngster Stadien, bei welchen sich die ersten Muskel- fasern ontogenetisch bilden, prüfen, und diesen ersten Stadien lege ich eine große Bedeutung bei, weil gerade hier die bei den ein- zelnen Wirbelthiergruppen auftretenden Verschiedenheiten uns ein Urtheil geben können über die Art der phylogenetischen Entstehung der Muskelfasern. In dieser Beziehung boten mir die jüngsten Stadien von Petromyzonten, Sturionen und Salmoniden die werth- vollsten Objekte. In älteren Stadien, in welchen sich die Weiter- bildung von Muskelfasern naturgemäß ununterbrochen vollzieht, werden wir in vielen Fällen nieht mehr die einfachste Weise der Faserbildung erwarten dürfen, weil hier in der Ontogenie natürlich kürzere Bildungsmodi auftreten werden, welche als eänogenetisch veränderte Vorgänge aufgefasst werden müssen. Die Schichtenbildung ist ein bei Wirbelthieren erworbener Vor- gang und zeigt nach den bis jetzt vorliegenden Angaben in den einzelnen Wirbelthiergruppen eine sehr große Mannigfaltigkeit. Bei Petromyzonten wie bei Amphioxus fehlt sie noch ganz. Bei Myxi- noiden, Fischen und allen höheren Wirbelthieren ist sie vorhanden, wir können aber noch nicht mit Bestimmtheit über die dabei mab- gebenden Gesetze ein Urtheil abgeben, weil unsere Kenntnis der Thatsachen noch zu lückenhaft ist. Bei urodelen Amphibien habe ich die Schichtenbildung in der embryonalen Entwicklung und ihre Weiterbildung während der Metamorphose geschildert und daraus eine Verknüpfung der Verhältnisse bei Fischen und Amnioten anzu- bahnen versucht. Zur Ergänzung dieser Verhältnisse muss erst noch die Art und Weise der Schichtenbildung bei Amnioten genauer bekannt werden. Bekanntlich bilden sich die ersten Muskelfasern bei allen Wirbel- thieren aus der medialen Lamelle der Urwirbel des Mesoderms. Ob diese Lamelle der einzige muskelbildende Gewebsbezirk ist, oder ob auch die laterale Urwirbellamelle dabei eine Rolle spielt, ist in den letzten Jahren Gegenstand von Kontroversen gewesen. Nach den Untersuchungen von RABL und HarscuexK haben die beiden Lamellen des Myotoms, wie der Urwirbel nach Ablösung des Sklerotom an seinem medialen ventralen Winkel bezeichnet wurde, verschiedene Aufgaben. Die mediale Lamelle allein bildet die Anlage der Rumpf- muskulatur, und wird danach als Muskelblatt bezeichnet. Die laterale - 480 F. Maurer Lamelle löst sich zu sternförmig verästelten Zellen bindegewebiger Natur auf und ist von RaBL und HArscHEk als Cutisblatt benannt worden. Schon früher wurde von BALFOUR angegeben, dass beide La- mellen des Urwirbels zur Bildung von Muskelfasern verwandt würden und im Anschluss daran haben auch v. WısHE, KOLLMANN und Kästner die Bildung bestimmter Muskelgruppen aus der lateralen Urwirbellamelle beschrieben. Besonders die ventrale Rumpf- muskulatur soll aus der lateralen Lamelle hervorgehen, eben so die Extremitätenmuskulatur, wie KoLLMAnN bei menschlichen Embryonen - nachgewiesen hat. KOLLMAnN ist der Ansicht, dass die Auffassung, die mediale Urwirbellamelle allein liefere Muskelfasern, bedingt sei durch Untersuchung zu junger Embryonen. Aus späteren Stadien ergebe sich, dass auch die laterale Urwirbellamelle zu Muskelfasern werde. Kästner schildert in seiner letzten Arbeit die Ausbildung des Myotoms bei Selachiern sehr genau. KäÄsTNer lässt auch in der medialen Lamelle desselben die ersten Muskelfasern entstehen, allein die dorsal und ventral sich daran anlegenden weiteren Muskelfasern gehen aus der lateralen Urwirbellamelle hervor. Indem sich deren Zellen an der dorsalen und ventralen Kante fortwährend medialwärts umlegen, werden sie dem medialen Muskelblatt zugeführt. An der ventralen Kante kommt noch hinzu, dass die mediale Lamelle gerade oberhalb ‚derselben eine Kontinuitätstrennung durch die Ausbildung des Sklerotoms erfährt. Die ventral von der Sklerotombildungsstelle sich entwickelnde Muskulatur, d. h. die Bauchmuskulatur, soll aus der lateralen Urwirbellamelle hervorgehen. Einige wenige von dem ventralen Ende der ersten Muskellamelle herabrückende Zellen sollen nach völliger Ablösung des Sklerotoms sich mit der inzwischen her- abgewachsenen lateralen Urwirbellamelle verbinden und damit den Abschluss des Myotoms wieder herstellen. In weiterer Beziehung schreibt Kästner der lateralen Lamelle des Urwirbels eine große Bedeutung für die Muskelbildung zu. Sie soll nämlich, indem ihre Elemente an der hinteren (aboralen) Kante des Urwirbels medial- wärts und nach vorn sich umlegen, der medialen Muskellamelle fort- während Zellenmaterial zuführen, wodurch eine Verdickung unter Schiehtenvermehrung der ersten Muskellamelle zu Stande komme. Dabei kommt es aber nicht zur Bildung gesonderter Muskelschichten von verschiedenem Faserverlauf. Bei Teleostiern, speciell der Fo- relle, schildert Kästner die Vorgänge in gleicher Weise, nur kommt späterhin nach außen, d. h. lateral von der Hauptmuskelmasse, noch Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 481. eine weitere Muskelfaserlage zur Ausbildung, welche aus dickeren Fasern besteht und eine selbständige Schicht darstellt. Dieselbe leitet KÄstner ebenfalls von der lateralen Urwirbellamelle ab. Bei der Forelle erhält dadurch nach KAsrner die laterale Urwirbellamelle eine höchst komplieirte Rolle zugetheilt. Erstens bildet sie, dorsal und ventral umschlagend, den größten Theil der späteren medialen Muskulatur, ferner liefert sie, an der hinteren Kante des Urwirbels umbiegend, fortwährend Zuschuss zur medialen Muskellamelle, indem sie deren Diekenwachsthum verursacht. Drittens sondert sich die laterale Lamelle fernerhin in zwei Lagen, von welchen die tiefe ebenfalls zu Muskelfasern sich umbildet, die oberflächliche aber zu dermalem Bindegewebe aufgelöst wird. | Dass nach der ersten Muskulatur, welche aus der medialen Urwirbellamelle hervorgeht, später eine laterale Muskelschicht sich bildet, ist längst bekannt. Stellt dieselbe doch die erste Andeutung mehrfacher Schichtenbildungen dar, die bei sämmtlichen höheren Wirbelthieren eine so große Rolle spielen. Dass die erste laterale Muskellage aber aus der Cutislamelle des Urwirbels hervorgeht, ist nicht so ohne Weiteres anzunehmen. Ich selbst habe in meiner Ar- beit über die Muskulatur der Amphibien im Gegentheil die erste äußere Muskellage von der medialen zuerst gebildeten Muskelplatte abgeleitet. Die laterale Urwirbellamelle löst sich zu Bindegewebe auf und es findet dann die Bildung von Muskelfasern nicht aus Bindegewebszellen, auch nicht aus etwa indifferent gebliebenen Ele- menten der lateralen Urwirbellamelle statt, sondern an die zuerst gebildete mediale Muskelplatte, die aus der medialen Urwirbellamelle hervorging, bilden sich immer neue Muskelfasern an, so dass dorsal- wie ventralwärts eine gleichmäßige Ausdehnung dieser Lamelle statt- findet. Nachdem nun dorsal- wie ventralwärts die Anbildung eine ge- wisse Strecke weit fortgeschritten ist, faltet sich die Muskelplatte dorsal wie ventral lateralwärts um und es bildet sich eine laterale Muskellage, von oben und unten her vorrückend, aus. Wenn die beiden vorrückenden Lagen sich in der Seitenlinie treffen, so ist die erste laterale Muskellamelle eben so abgeschlossen und eine konti- nuirliche Schicht, wie die erste mediale, nur ist sie eine einfache Lage, während die mediale sehr mächtig und aus vielen Faserlagen zusammengesetzt sein kann. Da nachgewiesenermaßen die laterale Urwirbellamelle sich vorher in Bindegewebe vollkommen aufgelöst hat, so kann sie nicht mehr zur Muskelbildung herangezogen werden. 482 F. Maurer Der ventrale Urwirbelfortsatz, welcher die Bauchmuskulatur liefert, verhält sich hierin eben so wie die oberen Theile. Bei Urodelen konnte ich dies nachweisen. Ich werde auf diese Punkte zurück- kommen. Es ist nicht meine Absicht, in den vorliegenden Blättern auf die Art und Weise der Schichtenbildung bei der Muskulatur der Wirbel- thiere einzugehen. Dies mag späteren Ausführungen vorbehalten blei- ben. Es ist mir hier um eine andere Frage zu thun, d.h. um den mor- phologischen Werth einer quergestreiften Muskelfaser der Wirbelthiere. Um diese Frage zu entscheiden, müssen wir untersuchen, wo und in welcher Weise die ersten Muskelfasern bei niedersten Wirbel- thieren auftreten. Der Punkt, wo bei allen Wirbelthieren die ersten quergestreiften Muskelelemente sich bilden, ist bekanntlich die me- diale Lamelle der Urwirbel. Dieselbe stellt ein Epithel dar, zum Theil ein-, zum Theil mehrschichtig. Die daraus sich bildenden Muskelelemente sind somit epithelogene Gebilde. Wir wissen, dass aus dem ersten Muskelepithel nicht bei allen Wirbelthieren Muskel- — fasern gebildet werden. Vielmehr entstehen bei Amphioxus Muskel- blätter (Symfibrien), bei Petromyzonten Muskelkästchen, und erst bei höheren Wirbelthieren wird das erste Muskelepithel zu Muskel- fasern differenzirt. Daraus ergiebt sich, dass die Muskelfaser sich nicht primär palingenetisch direkt aus dem Muskelepithel entwickelt. Da in der Reihe der Wirbelthiere bei den niedersten Formen nicht Muskelfasern, sondern Muskelblätter, Muskelkiistchen entstehen, und aus diesen Gebilden erst, wie uns die Cyclostomen lehren, Muskel- fasern hervorgehen, so steht die Muskelfaser phylogenetisch in einer sekundären Beziehung zum Muskelepithel. Wir können demnach die Fragen dahin formuliren: 1) Wie bilden sich aus dem Muskel- epithel die Muskelbänder resp. Muskelkästchen der Petromyzonten? 2) Wie bilden sich aus letzteren die Muskelfasern, und 3) wie ist die phylogenetische Beziehung der Muskelfaser zu einer Zelle und wie ist ihre vielfach nachgewiesene ontogenetische Entwicklung aus einer Zelle aufzufassen? Zu diesen Untersuchungen wurde ich angeregt durch die Schwie- rigkeit in den Vorlesungen über Histologie, die Beziehung zwischen Muskelkistchen und Muskelfaser klarzulegen. Es wird vielfach noch immer ein Muskelkiistchen von Petromyzon für homolog einer Muskel- faser höherer Formen gehalten (HerrwıG), während wir doch durch GRENACHER, SCHNEIDER u. A. bereits wissen, dass der Zustand der Fasern sich erst aus dem Zustande der Kästchen herausbildet. In Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 483 den Vorgiingen der ersten Entwicklung am Muskelblatt der Urwirbel bei Petromyzon dachte ich darüber Klarheit zu erhalten. Daneben zeigten mir aber Befunde an einer jungen Acipenserlarve, die nur eine Deutung zuließen, Verhältnisse, die für die angeführten Fragen bedeutungsvoll sind. Leider stand mir jetzt gerade nur wenig Material von den nie- deren Formen zur Verfügung, indessen lassen die Befunde doch Deutungen zu, welche auf die Phylogenie der quergestreiften Muskel- faser bei Wirbelthierey vielleicht einiges Licht werfen und zu weiterer Untersuchung in dieser Richtung anregen. Diese Befunde gestatten eine Deutung, welche sich an die Auf- fassung von O. HERTWIG in gewissem Sinne anschließt. Herrwıc hat für die epithelogene Muskulatur niederer Wirbelloser, speciell der Medusen und Actinien, die Wichtigkeit eines dort bestehenden Faltungsprocesses erkannt, und daran lehnen sich meine Unter- suchungen an, in so fern ich in dem Faltungsprocess den Ausdruck eines Flächenwachsthums des Muskelepithels bei beschränkten Raum- verhältnissen erblicke. Dieser Wachsthumsprocess bietet eine be- trächtliche Oberflächenvergrößerung der basalen Fläche des Epithels dar, was bei Cölenteraten die Ausbildung einer großen Anzahl kon- traktiler Fibrillen in einfacher Lage längs dieser Basis ermöglichte. In der Faltenbildung sehe ich kein Wachsthumsprineip, sondern lediglich eine Anpassung an enge Raumverhältnisse, die keine plane Flächenausdehnung gestatten. Mit den ersten Entwicklungsvorgän- gen am Muskelblatt niederer Wirbelthiere sind dann die gleichen Vorgänge bei höheren Wirbeltbieren zu vergleichen und es zeigte sich, dass dieselben in modificirter Weise sich daran anreihen lassen. Amphioxus. Über die Muskelelemente von Amphioxus kann ich leider keine eigenen Befunde schildern, da die mir zur Verfügung stehenden kon- servirten Objekte nicht geeignet sind, Untersuchungen über die frag- lichen Gebilde anzustellen. Aus den sorgfältigen Untersuchungen von KowWALEVSKY und HATSCHEK ergiebt sich, dass den ersten Ausgangs- punkt zur Bildung der Rumpfmuskulatur das in der medialen Ur- wirbellamelle bestehende Muskelepithel darstellt. In der Basis der Muskelepithelzellen bilden sich kontraktile Fibrillen aus. Jede solche Zelle stellt die Anlage eines späteren Muskelblattes dar (HarscHER). Ob hier weitere Komplikationen in einem solehen Gebilde auftreten, 484 F. Maurer so dass dann dasselbe mit einem Muskelkästchen der Petromyzonten zu vergleichen wäre, kann ich hier nicht entscheiden, da ich, wie gesagt, keine eigenen Angaben mit Sicherheit machen kann. Nach den Schilderungen von LANGERHANS, GRENACHER und SCHNEIDER würde ein Muskelband von Amphioxus dem Muskelkäst- chen von Petromyzon homolog sein. Nach den Schilderungen, die HATSCHER von der Ausbildung der Muskelbänder giebt, kann ich dieselben zunächst nicht in Übereinstimmung bringen mit den Zu- ständen bei Petromyzon. HATSCHER giebt an, dass in der der Chorda zugekehrten Basis jeder Muskelepithelzelle eine Fibrille ausgeschie- den werde; da die hinter einander gelegenen Zellen sich mit ein- ander verbinden, gehört eine Fibrille einer Zellkette an, verläuft durch den ganzen Körper. Die Fibrillen wachsen zu Bändern heran, und zwischen zwei Bändern ist nur ein schmaler Rest von Plasma. Größere Mengen von Plasma finden sich lateral angehäuft, hier liegen auch die Kerne. Da nach GRENACHER, SCHNEIDER und HATSCHEK gar kein Bindegewebe zwischen die Muskelelemente eindringt, be- stehen im Allgemeinen hier sehr einfache Zustände. Die bis jetzt bekannten Thatsachen sind derart, dass ein Vergleich zwischen den Muskelbändern des Amphioxus und der Petromyzonten im Speciellen sehr schwierig erscheint, weil die Wachsthumsvorgänge am Muskel- epithel von Petromyzon, wie wir sehen werden, viel komplicirterer Natur sind. Es stellt ja auch ein Muskelkästehen von Ammocoetes mit seinen geschichteten Fibrillenzonen ein morphologisch viel höher stehendes Gebilde dar, als ein Muskelblatt von Amphioxus. Nur der im Muskelepithel bestehende Ausgangspunkt ist der gleiche. Cyclostomen. Uber die Muskelelemente der Petromyzonten liegen viele An- gaben vor. Es sind vor Allem nach Stannius die Arbeiten von GRENACHER, LANGERHANS und SCHNEIDER von Bedeutung, welche uns genauere Angaben über den Bau der eigenthümlichen Elemente machen. Bekanntlich besitzt Petromyzon ähnlich wie Amphioxus nicht Muskelfasern wie die höheren Wirbelthiere in ihrer Rumpf- muskulatur, sondern es finden sich hier Gebilde von lamellösem Bau, die von Srannius als Muskelkästehen bezeichnet wurden. Typische drehrunde Muskelfasern trifft man nur in den Muskeln des Bulbus oculi und in der Kiemenmuskulatur. Die Muskel- kästchen sind in jedem Myokomma des Körpers horizontal über ein- Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 485 ander angeordnet und durch Bindegewebssepten gegen einander abgeschlossen. Das Innere eines jeden Kistchens ist nach GRENACHER mit längsverlaufenden kontraktilen Fibrillen erfüllt. Dieselben erfüllen aber nicht das ganze Kästchen gleichmäßig sondern sind zu Bündeln vereinigt, die GRENACHER als parietale und centrale unterscheidet. Jene stellen wirkliche Primitivfibrillenbündel dar, letztere erscheinen auf dem Querschnitt als unregelmäßige Felder abgegrenzt. Die parie- talen Fasern stellen ein anastomosirendes Netzwerk von Fibrillen- bündeln dar, welches den die Muskelkästchen trennenden Septen aufgelagert erscheint. Sowohl Kerne als Sarkolemm fehlen in den Muskelkästehen. Bei Ammocoetes ist die Zerklüftung des Inhalts des einzelnen Muskelkiistchens noch deutlicher nachweisbar als bei Petromyzon. Es dringt somit nach GRENACHER kein Bindegewebe in die Muskelkästchen von Petromyzon ein. — SCHNEIDER hat später- hin die gleichen Gebilde bei Petromyzon untersucht und findet eben- falls in den Muskelkästchen parietale und centrale Fasern unter- scheidbar. Erstere besitzen Muskelkerne und Sarkolemm, das gleichfalls Kerne enthält; den centralen Fasern fehlt ein Sarkolemm. Bei Ammocoetes fehlt das Sarkolemm auch den parietalen Fasern. Aus diesen Angaben muss man schließen, dass ein Muskel- kiistchen von Petromyzon ein viel zusammengesetzteres Gebilde dar- stellt als die quergestreifte Muskelfaser höherer Wirbelthiere. — Über die Entwicklung der Muskelkistchen von Petromyzon berichtet SHIPLEY und vor Allem O. Herrwie in seinem Lehrbuch der Entwicklungs- geschichte. Danach bilden sich die Muskelkästchen aus der medialen Lamelle der Urwirbel. Die letztere entwickelt sich zu breiten platten- artig ausgebildeten Zellen, die durch die ganze Länge eines Myotoms verlaufen. Jede solche Zelle differenzirt an ihren beiden Breitseiten je eine Lage kontraktiler Fibrillen. Dadurch entstehen senkrecht zur Chorda gestellte Muskelblätter, welche sich aus zwei Lagen parallel verlaufender feinster Fibrillen zusammensetzen. Diese beiden Fibrillenlagen sind immer getrennt von einander durch einen zarten Streifen von Kittsubstanz. Es stammen demnach die beiden Fibrillen- lagen an jedem Muskelblatt nicht von einer Zelle ab, sondern zwei benachbarte Zellen liefern je eine Fibrillenlage. Späterhin (bei 6 Wochen alten Larven) verbinden sich die einander zugekehrten Lagen zweier Blätter mit ihren Rändern, so dass dann jede Bildungs- zelle von den ihr zugehörigen Fibrillen wie von einem Mantel um- schlossen wird. Damit sind Anlagen der Muskelkästchen gegeben. — Nun nimmt die homogene Stützlamelle zwischen den beiden 486 F. Maurer Fibrillenlagen eines früheren Muskelblattes zu und liefert die Scheide- wände zwischen zwei Kästehen. Darin sind Bindegewebszelien und Blutgefäße nachweisbar. Das ganze Kästchen füllt sich mit Fibrillen, die als centrale und parietale unterschieden werden. Letztere haften den Scheidewänden fest an. Zwischen den Fibrillen sind Kerne zerstreut, welche aus dem ursprünglich einfachen Kern der Bildungs- zelle durch häufige Theilung abstammen. Es sind hier noch die Angaben von Scorr zu erwähnen, wo- nach die Zellen der lateralen Urwirbelschicht sich an der Muskel- bildung betheiligen, indem sie sich als große Gebilde keilférmig zwischen die Zellen der medialen Schicht einschieben. Wir wissen heute, dass die Zellen der lateralen Urwirbellamelle für die Bildung von Bindegewebe in Anspruch genommen wird. Die Scorr'schen Bilder stimmen eben so wenig mit denjenigen HERTWIG’s, als mit meinen eigenen Befunden, überein. Ich finde die wirklich vorhandene einschichtige Cutislamelle bei Scorr nicht abgebildet, (Morph. Jahrb. Bd. VII. Taf. IX Fig. 23 und 24). Die Angaben Goerrre’s sind übereinstimmend mit denen von Herrwic, in so fern eine Zelle der medialen Urwirbellamelle die Anlage eines Wirbelkästchens darstellt. GoETTE giebt auch eine diesbezügliche Abbildung. Entwicklung der Muskelbänder von Petromyzon. Wenn wir die ontogenetische Entwicklung der Muskelbänder von Petromyzon untersuchen, so sind hier sehr verschiedene Fragen zu beantworten; erstens: Entwickelt sich thatsächlich jedes Muskelband aus einer Zelle, derart, dass diese Zelle die Mutterzelle des ge- sammten späteren Muskelbandes darstellt? Zweitens: Ist die Bildungs- stätte der Muskelbänder nur die mediale Lamelle des Urwirbels, oder betheiligt sich auch die laterale Cutislamelle an ihrer Bildung und in welcher Weise? In Betreff der letzteren Frage ist zu unterscheiden, ob die late- rale Lamelle nur Zellen in dem Sinne der medialen Lamelle zuführt, dass von diesen ebenfalls wieder jede einzelne die Mutterzelle eines Muskelbandes wird, oder ob an der Bildung jedes einzelnen Muskel- bandes sich auch Zellen der Cutislamelle betheiligen. Letztere That- sache würde natürlich die Entwicklung eines Muskelbandes aus einer Zelle ausschließen, wir würden in einem solchen vielmehr ein zusammengesetztes Gebilde zu erblicken haben. Man könnte erwarten, Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 487 dass sich hierdurch etwa die parietalen und centralen Fasern, wie sie LANGERHANS und SCHNEIDER geschildert haben, erklären würden, in so fern letztere allein aus der medialen, erstere aber aus der Cutis- lamelle des Urwirbels hervorgingen. Doch wäre es auch möglich, dass nieht nur die parietalen Fasern eines jeden Kästchens aus der lateralen Urwirbellamelle abstammen, sondern, dass bereits früher diese Lamelle Zellen abgebe, welche zum Theil auch centrale Fasern des Kästchens bildeten, die parietalen Fasern würden dann nur die zuletzt von der lateralen Lamelle gelieferten Theile eines Muskel- kästchens darstellen. Je nachdem nun die Entscheidung dieser Fragen ausfällt, wäre das Verhältnis zwischen Muskelkiistchen und den Muskelfasern höherer Wirbelthiere festzustellen. Befunde. Zur Untersuchung standen mir viele Embryonen von Petromyzon von 2—7 mm Länge zur Verfügung. Während die jüngsten noch stark gekrümmt waren und einen reichlich mit großen Dotterzellen erfüllten und dadurch aufgetriebenen Darm besaßen, zeigten die ältesten sich schon ganz in die Länge gestreckt und die Dotterzellen waren völlig resorbirt. Ich untersuchte die mich interessirenden Verhältnisse an Quer- und horizontalen Längsschnitten. An Querschnitten durch den ganzen Körper fand ich bei den Jüngsten Embryonen von 2 mm Länge zwei verschiedene Zustände, die mir von Bedeutung erschienen. Fig. 1 giebt den einen davon wieder: Der Kopftheil des Embryo war bereits gestrekt, die hintere Körperhälfte war in Folge der reichlichen Menge von Dotterzellen im Darmkanal von beträchtlicher Dicke. Der ganze Embryo war dorso-ventral stark gekrümmt. Die Figur ist einem Querschnitt durch die hintere Körperhälfte dieses Embryo entnommen und trifit die Mitte des 10. Urwirbels hinter dem Gehörbläschen. Der Urwirbel ist von den Parietalplatten schon getrennt. Zwischen beiden liegt der Wourr'sche Gang. Von der ventro-medialen Urwirbelkante aus bildet sich gerade die Anlage des Sklerotoms, des dorso-medialen Bindegewebes. Im Übrigen sind am Urwirbel die beiden bekannten Lamellen unterscheidbar, zwischen welchen noch ein deutliches Lu- men, das Myoecöl, besteht. Als das Wesentlichste erscheint mir nun, dass die mediale Urwirbellamelle (das Muskel- blatt) sehon nicht mehr durchweg aus einer einfachen 488 F. Maurer Zellenlage besteht. Die ganze Lamelle ist im Allgemeinen viel dicker als die laterale Cutislamelle und zeigt unterhalb ihrer Mitte zwei hohe, stäbchenförmige Kerne neben einander gelagert. Der ganze Urwirbel erstreckt sich dorsalwärts bis gegen die Mitte des Medullarrohrs empor. Die dorsale Hälfte des Muskelblattes oder der medialen Urwirbellamelle stellt ein einschichtiges Epithel dar, das aus langgestreckten, prismatischen Zellen besteht. Weiter ven- tral, da wo die genannte Lamelle der Chorda dorsalis angelagert ist, liegen mehrfach zwei Kerne neben einander. Es ist dies gerade der Punkt, an welchem auch bei anderen Wirbelthieren, z. B. bei Selachiern (Ras), die erste Bildung von Muskelfibrillen stattfindet. An der medialen Grenze dieser Lamelle, welche der Chorda zuge- kehrt ist und die Basalfläche des Muskelepithels darstellt, erkennt man leichte Einziehungen, so dass auf dem Schnitt die Grenzlinie nicht gerade verläuft, sondern leicht gewellt erscheint. Kontraktile Fibrillen sind noch nicht in nachweisbarer Form gebildet. Die laterale Urwirbel- oder Cutislamelle stellt ein einschichtiges, regel- mäßig kubisches Epithel dar, welches dorsal direkt in die Muskel- lamelle medialwärts umbiegt. Ventral gehen die Zellen des Cutis- blattes, ebenfalls medialwärts umbiegend, in die Zellen des Sklerotoms über. Die Abgrenzung des letzteren gegen das Muskelblatt ist eine scharfe, doch ist die Kontinuität der Urwirbelwand noch nicht auf- gehoben. Ich schließe aus diesem Befunde, bei welchem natürlich Trugbilder, etwa durch schräge Schnittriehtung, sorgfältig ausge- schlossen wurden, dass an der medialen Urwirbellamelle, bevor kontraktile Fibrillen in ihren Zellen differenzirt werden, bereits Komplikationen derart auftreten, dass wir in ihr nicht mehr eine einfache glatte Epithellage, aus bandartigen Zellen bestehend, er- blieken dürfen. Man kann aber diese Lamelle eben so wenig ohne Weiteres als ein mehrschichtiges Epithel bezeichnen. Den zweiten Befund, welcher von Bedeutung erscheint, finde ich zwei Urwirbel weiter hinten, dem 12. Urwirbel des gleichen Stadiums entnommen. Hier zeigt die mediale Urwirbellamelle ein Verhalten, welches mir die Angaben Scorv’s verständlich macht. Ich finde näm- lich thatsächlich ein zweischichtiges Epithel, dessen Elemente sich so verhalten, dass die medialen Zellen, welche die basale Schicht dar- stellen, mit breiter Basis gegen die Chorda stehen, lateralwärts aber zugeschärft erscheinen. Zwischen diese Zellen ist die laterale Zellen- lage, welche die oberflächliche Schicht darstellt, keilförmig einge- schoben, deren Elemente sind also mit ihrer breiten Oberfläche Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 489 lateralwärts gegen das Myoecöl hin gerichtet, medialwärts aber zu- geschärft. Diese lateralen Zellen leitet Scorr von dem Cutisblatt, d. h. der lateralen Urwirbellamelle ab, letztere besteht aber, was Scorr nieht gesehen hat, außer dem Muskelblatt noch unverändert aus kubischen Elementen und man findet nirgends, dass aus ihrem Verband sich Zellen ablösten, um dem Muskelblatt sich zuzugesellen. Ich muss daher die beiden Zellenlagen des letzteren in ihrer eigen- thiimlichen Anordnung von der medialen Urwirbellamelle ableiten. In diesem Verhalten erblicke ich ein jüngeres Stadium als in dem zuerst geschilderten Zustande, und leite das ältere Stadium in der Weise von jenem ab, dass die Zellgrenzen undeutlich werden und wir somit das Muskelblatt, ehe kontraktile Fibrillen auftreten, als eine einheitliche Plasmamasse auffassen müssen, in welcher die Kerne in zwei nicht ganz regelmäßigen Lagen angeordnet sind. Mit dieser Auffassung stehe ich in Widerspruch mit anderen Autoren, welche in einer Zelle den ersten Ursprung eines Muskelkästchens erblicken. Ich finde aber an allen Schnittserien, dass mit Sicherheit die Zell- srenzen am Muskelblatt nicht nachzuweisen sind, obgleich ich mit den stärksten apochromatischen Objektiven von ZEIss untersuchte, während am Cutisblatt wie überall sonst Zellgrenzen vollkommen deutlich waren. Da hier die Verhältnisse sehr klein sind, so ist Vorsicht geboten, doch beweisen die Bilder, welche ich auf Figg. 17 und 18 von Acipenser gebe, wo sehr große Verhältnisse bestehen, dass dort mit vollkommener Sicherheit eine Vereinigung der Plasma- körper der Muskelepithelzellen stattfinden kann, und verglichen mit diesen, gewinnt auch hier bei Petromyzon eine solche Deutung der Bilder eine größere Berechtigung. Das folgende Stadium von Petromyzon, welches einem etwas älteren Embryo von 3 mm Körperlänge entnommen ist, beweist dies ebenfalls (Fig. 2). Hier war der Kopftheil schon mehr in die Länge gestreckt und die Dotterzellen im Darm der hinteren Körperhälfte weniger reichlich. Der ganze Körper war noch leicht dorso-ventral gekrümmt. Die Fig. 2 entstammt einem Querschnitt durch die Mitte des fünften Körpersegments hinter dem Gehörbläschen, ist somit beträchtlich weiter vorn gelegen als Fig. 1 vom ersten Stadium. Am Urwirbel haben sich bedeutsame Weiterbildungen vollzogen. Zunächst hat sich das aus dem Sklerotom hervorgegangene dorso- mediale Bindegewebe gänzlich vom Urwirbel abgeschnürt und in einzelne zerstreute Zellen aufgelöst. Dabei hat sich am ventralen Ende des Urwirbels Muskel- und Cutisblatt völlig vereinigt, so Morpholog. Jahrbuch. 21. 32 490 F. Maurer dass die ganze Wandung des Urwirbels wieder eine kontinuirliche ist. Es besteht eine dorsale und eine ventrale Urwirbelkante, in welcher Cutis- und Muskelblatt in einander umbiegen. Ferner hat sich der Urwirbel dorso-ventral gestreckt, so dass er dorsal bis gegen den oberen Rand des Medullarrohrs emporreicht und ven- tral sich über den Querschnitt des hier getroffenen Vornieren- kanälchens herab erstreckt. Ein Myocöl besteht nicht mehr als Lumen, sondern nur als eine feine Grenzlinie, in welcher Muskel- und Cutisblatt fest an einander gelagert sind. Die Cutislamelle hat sich gegenüber dem vorigen Stadium nicht verändert, sie stellt noch immer eine einfache Lage kubischen Epithels dar. Die Muskellamelle hat sich dagegen weiter differenzirt. Man kann drei Abschnitte an ihr unterscheiden: einen dorsalen, einen mittleren und einen ven- tralen. Im dorsalen und ventralen Abschnitte, von welchen der erstere dem Medullarrohr seitlich angelagert ist, während der letztere über dem Vornierenkanälchen liegt, sind noch keine kontraktilen Fi- brillen entwickelt. Hier findet sich meist eine einfache Lage von kugeligen oder ovalen Kernen. Die Grenzen der zugehörigen Proto- plasmakörper sind aber nicht zu erkennen. Ich kann dies nicht als Folge eines schlechten Konservirungszustandes auffassen, auch schiebe ich es nicht auf das Vorhandensein von Dotterblättchen in den Zellen, wodurch etwa die Zellgrenzen verdeckt sein könnten, denn an der Cutislamelle sind die Zellgrenzen vollkommen klar zu erkennen, und hier sind die Zellen noch viel reichlicher mit Dotter- blittchen erfüllt als an der Muskellamelle. Der mittlere Abschnitt der letztgenannten Lamelle, welcher der Chorda dorsalis angelagert ist, stellt den mächtigsten Theil der Muskellamelle dar. Seine Grenze gegen die Chorda dorsalis, welche der Basalfläche des Epi- thels entsprieht, tritt im Schnitt nicht als gerade Linie hervor, son- dern zeigt regelmäßige Einkerbungen, Faltungen, die sich eine Strecke weit in die Masse der Muskellamelle hineinerstrecken. Zwischen zwei solchen Falten liegt, der Basalfläche angelagert, in der Regel, aber nicht immer, ein ovaler Kern. Weiter lateral finden sich ferner eine größere Anzahl unregelmäßig angeordneter Kerne, Zellgrenzen sind aber nieht nachweisbar (vgl. Fig. 2). Es besteht nur eine scharfe, geradlinige Grenze gegen die Cutislamelle. In diesem Sta- dium sind die ersten kontraktilen Fibrillen nachweisbar, und zwar sind sie im Querschnitt punktförmig, d. h. bei stärkster Vergröße- rung kreisrund, nicht bandförmig. Sie liegen innerhalb der Zellen des Muskelblattes und sind so angeordnet, dass sie eine einfache Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 491 gleichmäßige Lage bilden, welche genau den Einfaltungen der Muskelepithellage folgt. Dabei ist zu betonen, dass die Fibrillen auch an der der Chorda dorsalis zugewandten basalen Fläche des Epithels angeordnet sind. Es fragt sich nun, wie man diese Ver- hältnisse zu deuten hat. Das erste Auftreten von kontraktilen Fi- brillen im Muskelblatt des Urwirbels findet bei Selachiern nach Rani längs der basalen Fläche innerhalb der Muskelepithelzellen statt. Hier bei Petromyzon bilden sich nach Herrwie die ersten kontrak- tilen Fibrillen längs der Breitseiten der gleichen Zellen. Als das primitive Verhalten muss ich das erstere auffassen und es fragt sich, wie das Verhalten bei Petromyzon sich dazu verhält. Ich kann das von Herrwis geschilderte Stadium nicht als das erste auffassen, sehe in ihm vielmehr schon einen fortgeschritteneren Zustand, auf dessen Entstehen ich gleich eingehen werde. Auch hier bilden sich die ersten Fibrillen im basalen Theil des Muskelepithels aus, sie entwickeln sich dann aber weiter und erstrecken sich dorsal und ventral lateralwärts noch eine Strecke weit um die Cirkumferenz der oben geschilderten Einfaltungen des Muskelepithels herum in die Masse der Muskellamelle hinein. Es fragt sich nun, ob diese Ein- faltungen, längs deren die Fibrillen angeordnet sind, thatsächlich Zellgrenzen darstellen und ob die feine Grenzlinie wirklich, wenn auch keine Zellmembran, da sie keinen doppelten Kontour erkennen lässt. doch die Oberfläche einer Zelle darstellt. Dies muss ich verneinen aus dem Grunde, weil eine jede Einfaltung, wie gesagt, nur eine kurze Strecke weit ins Epithel hinein verfolgbar ist, so dass durchgehende Zellgrenzen thatsächlich nicht bestehen. Ich muss desshalb die Einkerbungen an der medialen Fläche der Muskellamelle des Urwirbels auffassen als Faltungen des Epithels, die begrenzt sind von der Basalfläche des Epithels. Zwischen zwei solchen Falten liegt somit auch niemals eine einfache Zelle, sondern stets ein Epithelbe- zirk. Die kontraktilen Fibrillen liegen demnach auch nicht in einfachen Zellen, sondern sie stellen eine einschichtige Lage im Epithel dar, und zwar sind sie längs dessen Basis angeordnet. Es ergiebt sich die Berechtigung dieser Auffassung aus der Zahl und Anordnung der Kerne im Muskelblatt. Mit der Vertiefung der Falten wird die basale Epithelgrenze weiter ins Epithel einschneiden und längs der- selben werden weitere Fibrillen sich bilden. Im vorliegenden Sta- dium, wo die Einfaltung noch nicht tiefer geht, sehen wir eine einheitliche Plasmamasse mit zahlreichen Kernen das Epithel der 32° 492 F. Maurer medialen Urwirbellamelle bilden. In dem zuerst geschilderten Stadium war diese Faltenbildung bereits angedeutet, und es ergiebt sich nun, dass wir dort wie hier nicht einfach ein geschichtetes Epithel vor uns haben, sondern dass die Faltenbildung an der Basis des Epithels eine Komplikation im Bau des letzteren verursacht, welche uns die erhaltenen Bilder vollkommen erklärt. Fragen wir nach der Bedeutung der Faltenbildung, so haben wir darin eine Oberflächenvergrößerung zu erblicken, welche für die Ausbildung größerer Massen von köntraktilen Fibrillen, so lange diese nicht geschichtet auftreten, nothwendig erscheint. Das nächste Stadium entnehme ich einem Petromyzonembryo von 6 mm Länge. Das Thier ist ganz in die Länge gestreckt, die dotterblittchenreichen Zellen im Darm sind noch nicht ganz resorbirt. Fig. 3 giebt einen Querschnitt durch ein mittleres Körpersegment. Hier erkennt man am Urwirbel wieder deutlich die beiden Lamellen. Das mediale Muskelblatt besteht aus einer großen Anzahl über ein- ander angeordneter Muskellamellen, in deren jeder man 1—3 Kerne erkennt. Vergleiche ich die Anordnung und Ausdehnung der kon- traktilen Fibrillen hier mit dem zuletzt geschilderten Stadium, so finde ich, dass, eben so wie die Einschnitte ins Muskelepithel sich vertieft haben, so dass sogar lateral eine vollkommene Sonderung der Muskelblätter sich ausgebildet hat, dass sage ich, die kontraktilen Fibrillen sicb eben so lateralwärts weiter ausgedehnt haben. Man kann hier verschiedene Zustände, die für die Art des Wachsthums einer solchen Muskellamelle von Bedeutung sind, unterscheiden. Bis zum lateralen Rande sind die Fibrillen noch nirgends vorge- drungen. Am medialen Rande findet man, wenn man die Muskel- blätter nahe der dorsalen und ventralen Urwirbelkante untersucht, dass wie überall in Fig. 2 die dorsale und ventrale Fibrillenreihe eines Muskelbandes in einander kontinuirlich umbiegen. Hier er- strecken sich die Fibrillen noch nicht weiter lateralwärts als auf Fig. 2. Gehen wir von der dorsalen Urwirbelkante weiter ventral- wärts herunter, so besteht am medialen Rand der Muskelbänder noch diese kontinuirliche Umbiegung der dorsalen in die ventrale Fibrillenreihe, beide Reihen erstrecken sich aber viel weiter lateral- wärts vor, doch biegen sie am lateralen Rande noch nicht in ein- ander um. Betrachten wir endlich die mittleren, der Chorda dor- salis zunächst angeordneten Muskelbänder, so sehen wir, dass hier weder am lateralen noch am medialen Rande die Fibrillenlagen eines Muskelbandes in einander umbiegen. Im vorigen Stadium hingen Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 493 am medialen Rande auch an diesen Biindern noch die beiden Fibrillen- lagen zusammen, eben so wie sie es in diesem Stadium an den weiter dorsal und weiter ventral gelegenen Bändern thun. Nun sind zweifel- los die der Chorda zunächst liegenden Muskelbänder dieses Stadiums die ältesten bisher betrachteten, und hier ist der Fibrillenmantel so- wohl lateral- wie medialwärts offen, während er früher medialwärts geschlossen war. Wie ist dies zu erklären? Es stellt offenbar eine Wachsthumserscheinung dar. Nachdem die Falten der Epithelbasis lateralwärts durchgedrungen sind und damit abgeschlossene Muskel- bänder bestehen, wachsen diese in die Breite. Das Plasma, welches im Inneren sich findet, quillt medial durch die Fibrillen vor und es findet sowohl an der medialen wie an der lateralen Kante ein Breiten- wachsthum statt. Bei Acipenser werde ich auf diese Verhältnisse zurückkommen. Hier bei Petromyzon dauert dieses Breitenwachs- thum mit medial und lateral geöffnetem Fibrillenmantel nur kurze Zeit, später hält die Bildung der kontraktilen Fibrillen gleichen Schritt mit dem Breitenwachsthum des Muskelbandes, so dass der Fibrillenmantel geschlossen bleibt. Gehen wir zur dorsalen Kante des Urwirbels empor, so sehen wir, dass hier die Elemente des Muskelblattes kleiner werden, die Fibrillen finden sich nur medial an den Epithelfalten und nahe der Umschlagstelle ins Cutisblatt sind die Zellen des Muskelblattes so in einander geschoben wie ich es oben als jüngstes Stadium ge- schildert habe. Das Cutisblatt zeigt sich gegen das vorige Stadium ebenfalls verändert. Nahe der dorsalen und ventralen Kante des Urwirbels besteht es noch aus kubischen, dicht zusammengelagerten Zellen. In der Mitte des Urwirbels, also etwa im Bereiche der Chorda sind seine Zellen abgeplattet, sie bilden aber doch eine ununterbrochene Lage. Im Gegensatz zum Muskelblatt, an welchem gerade in diesen frühen Stadien so intensive Wachsthumsvorgänge sich abspielen, macht das Cutisblatt auch hier eben so, wie es schon so vielfach bei höheren Wirbelthieren (z. B. Selachiern s. Rabi) geschildert wurde, den Eindruck einer ruhenden Membran. Dies Verhalten des Cutisblattes kann nach zwei Richtungen gedeutet werden: 1) Das Cutisblatt ruht wirklich und tritt erst später in Differenzirung, oder 2) es vermehrt sich wie das Muskelblatt, seine Zellen werden aber zum Weiterwachsthum des Muskelblattes verwandt. Letzteres kann in zwei Arten geschehen: entweder nur an der dorsalen und ventralen Kante, indem hier die Zellen fortwährend medialwärts umbiegen, 494 F. Maurer oder außerdem derart, dass fortwährend Zellen aus dem Verbande des Cutisblattes medialwärts ausscheiden und zwischen die Elemente des Muskelblattes sich einschiebend, diese vermehren. Das Letztere ist mehrfach beschrieben worden (Scorr lässt die ganze laterale Urwirbellamelle auf diese Weise sich mit der medialen vereinigen). Ich habe zur Entscheidung dieser Fragen zuerst mein Augen- merk darauf gerichtet, ob man in jüngeren Stadien Zellen des Cutis- blattes austreten und sich zwischen die Elemente des Muskelblattes einschieben sieht. Es bestanden für mich theoretische Bedenken gegen diese Möglichkeit, doch würden die Thatsachen natürlich maßgebend sein. Ich sah nirgends mit Sicherheit aus der Fläche des Cutisblattes solche Zellen austreten. Die Bedenken gegen eine solehe Möglichkeit liegen in der Orientirung der Zellen. Die Basal- fläche der Zellen des Muskelblattes ist medialwärts gegen Medullar- rohr und Chorda gerichtet, die Basalfläche der Zellen des Cutis- blattes liegt lateralwärts gegen das Ektoderm zu. Wenn Zellen aus dem Cutisblatt austräten und sich zwischen die Elemente des Muskelblattes einschöben, so würden sie naturgemäß mit ihren freien Oberflächen gegen die Chorda vorrücken, sie würden dann in um- gekehrter Orientirung angeordnet sein wie die ersten Zellen des Muskelblattes, zwischen welchen sie nach ihrem Einwachsen liegen. Um in die gleiche Orientirung zu kommen, müssten sie eine ganz komplieirte Achsendrehung durchmachen. Davon ist eben thatsächlich nichts zu beobachten. Es betrifft dies nur die erste Zeit, in welcher noch scharf gesonderte Zellen am Muskelblatt zu erkennen sind. Aber auch dann, wenn die Zellgrenzen schwinden und die Ein- buchtungen von der medialen Fläche aus sich bilden, welche zur Sonderung der Muskelbänder führen, sehe ich nichts davon, dass Zellen aus dem Cutisblatt sich’ ablösen und dem Muskelepithel sich zugesellen. Diese Art der Betheiligung des Cutisblattes an der Bildung der ersten Muskelbänderbildung findet demnach nicht statt. Es fragt sich nun, ob beim dorsalen und ventralen Auswachsen des Urwirbels an den Kanten die Zellen der lateralen Lamelle eine wesentliche Rolle spielen. Das kann eher der Fall sein. Doch finde ich, dass hier die mediale Muskellamelle eben so aktiv be- theiligt ist, wie die Cutislamelle. Man findet an den Kanten, so- wohl medial wie lateral, Kerntheilungsfiguren, die übrigens im Ganzen selten sind. Eine vorwiegende Betheiligung der Cutislamelle an der Muskelbildung, derart, dass die Zellen hier medialwärts sich umschlugen, kann ich also auch hier nieht anerkennen. In der- Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen etc. 495 selben Weise scheint mir ein anderer Punkt von Bedeutung zu sein, oder vielmehr zwei Punkte, über die man sich an horizontalen Längs- schnitten am leichtesten orientirt. Diese sind das vordere und hintere Ende des Urwirbels, da wo ebenfalls das Muskel- und Cutisblatt in einander umbiegen. Hierüber will ich bei Besprechung des nächsten Stadiums berichten. Ich bin demnach nach den gebotenen Befunden der Ansicht, dass die Cutislamelle zunächst nicht in der Weise in Proliferation sich befindet, wie die Muskellamelle des Urwirbels. Welche Rolle sie später spielt ist bei dem nächsten nun zu besprechen- den Stadium zu berichten. Zuvor führe ich noch an, dass in dem so eben geschilderten Stadium die Anlage einer Cutis unter der Epidermis noch nicht besteht. Das nächste Stadium bieten mir Petromyzonembryonen von 7 mm Länge. Diese sind ganz gestreckt, besitzen bereits einen deutlich erkennbaren Schwanztheil und die Dotterblättchen in den Darm- epithelzellen sind fast ganz resorbirt. Fig. 4 zeigt einige Muskelbänder aus einem Körperquerschnitt, welcher wie der vorige der Körpermitte entnommen ist. Man er- kennt die nunmehr völlig abgeschlossenen Muskelbänder, in welchen ein oder zwei Kerne getroffen sind. Die kontraktilen Fibrillen bilden erstens eine um die ganze Cirkumferenz des Bandes herum ver- laufende geschlossene Schicht, die weder medial noch lateral offen ist. Außerdem hat sich aber schon eine zweite innere Fibrillenzone gebildet, die noch aus feineren Fasern besteht. Zwischen den Mus- kelbändern befindet sich eine feine Substanzlage, die schon HERTWIG als Stützlamelle deutete und in derselben finden sich große, leicht ab- geplattete Kerne, bald näher der medialen, bald näher der lateralen Kante der Muskelbänder. Woher stammen diese Kerne und was haben sie für eine Bedeutung? Aus der Vergleichung mit dem Querschnitt Fig. 3 ergiebt sich, dass sie nicht aus den Muskelbandkernen ableit- bar sind. Dort fehlen Kerne zwischen den Muskelbändern gänz- lich. Man sieht auch weder dort, noch in den hier vorliegenden Stadien, dass Kerne aus den Muskelbändern austreten. Es können demnach solche Kerne, resp. Zellen nur von außen zwischen die Muskelbänder eindringen. Nun findet sich medial von letzteren gegen die Chorda zu das aus der Auflösung des Sklerotoms entstandene Bindegewebe, aus einigen verästelten Zellen bestehend, und lateral finden sich die Elemente des Cutisblattes aus sehr wenigen eben- solehen Zellen zusammengesetzt. Die letzteren bilden aber nicht mehr eine geschlossene Schicht, sondern es sind einzelne Zellen, 496 F. Maurer welche zum Theil der Basalfläche der Epidermis angeschlossen sind. Ich finde nun, dass sowohl von diesen Zellen der nunmehr auf- gelösten Cutislamelle, als auch Zellen des aus dem Sklerotom ge- bildeten Gewebes von der lateralen resp. medialen Seite her zwischen die Muskelbänder eindringen. Es stimmt dies durchaus überein mit den Befunden, welche ich früher schon bei Siredonembryonen geschildert habe (Morphol. Jahrb. Bd. XVIII), wo ich ausführte, wie das innere Perimysium sowohl von der lateralen wie der medialen Seite her zwischen die Muskelfasern eindringe. Ich kann auch hier den Zellen nicht die Bedeutung von Muskelbildungszellen zuschreiben, vielmehr erblicke ich in ihnen die Anlage des interstitiellen Binde- gewebes zwischen den Muskelbändern. Noch ein anderer Punkt ist hier von Interesse und auf Fig. 4 auch dargestellt. Es betrifft dies das Verhalten der motorischen Nerven- fasern, die aus dem Riickenmark zu den Muskelbändern treten. Wenn wir Nerven zu einem Muskelepithel treten sehen, so müssen sie von dessen Basalfläche aus zu ihm treten. Ich habe die Bänder- bildung am Muskelblatt eines Petromyzonurwirbels als einen Faltungs- process beschrieben und demnach die Oberfläche eines so entstandenen Muskelbandes als die Basalfläche gedeutet. Nun sehe ich auf den vorliegenden Schnitten deutlich, wie die aus den vorderen Wurzeln stammenden Nervenfasern, die von Zellketten in diesem Stadium begleitet sind, nachdem sie die mediale Kante der Muskelbänder erreicht haben, zwischen dieselben eindringen und eine Strecke weit hier verfolgbar sind. Dann kann man an den Schnittpri- paraten ihr weiteres Verhalten nicht feststellen. Die Thatsache aber, dass die Nerven zwischen die Bänder eindringen und sich längs deren Breitseiten ausbreiten, scheint mir von großer Bedeutung als Stütze meiner Auffassung, dass diese Breitseiten-Oberfliche der Muskelbänder der Basalfläche des Muskelepithels ent- spricht. Wir erhalten in diesem Stadium ein Urtheil über die Aufgabe der Cutislamelle des Urwirbels: sie löst sich zu Bindegewebe auf, und zwar liefert sie nicht nur Elemente zur Bildung der Cutis, sondern ihre Bedeutung ist vielseitiger, sie giebt auch Elemente zwischen die Muskelbänder ab, hilft demnach auch das intramus- kuläre Perimysium bilden, welches zum Theil vom Sklerotom-Binde- gewebe geliefert wird. Von diesem Stadium gebe ich in den Figg. 6—9 einige Längs- sehnittbilder durch Urwirbel verschiedener Körperregionen, an welchen Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 497 man die Differenzirungen des Urwirbels in anderer Hinsicht beurtheilen kann. Zunächst zeigt der Längsschnitt Fig. 6 eine Reihe von Ur- wirbeln aus dem vorderen Schwanztheil der Larve, wo die Bildung kontraktiler Elemente gerade beginnt. Der hinterste Urwirbel auf der linken Seite der Figur besteht noch aus gleichartigen Zellen. Die Theile sind mit dem Ansh’schen Zeichenspiegel wiedergegeben und die Kerne sind in Zahl und Anordnung genau der Natur entsprechend. Man erkennt auch hier, dass die mediale Lamelle des Urwirbels der einzige Theil ist, an welchem weitere Differenzirungen an den Zellen auftreten. Die laterale Lamelle besteht überall aus unver- änderten Elementen. Auf der rechten Seite sieht man, dass die Elemente dieser Lamelle sich ebenfalls vermehren. Dasselbe erkennt man an der lateralen Urwirbellamelle der Figg. 7—9, welche dem gleichen Embryo aus einer vorderen Körperregion entnommen sind. An der medialen Urwirbellamelle erkennt man zunächst Fig. 6 links unten mehrere gleichartig rundliche Zellen. An den vorderen Ur- wirbeln erkennt man, dass kontraktile Fibrillen auftreten in den Elementen dieser Lamelle. In der Regel findet man hier ebenfalls mehrere Kerne, zwei bis drei von vorn herein, zuweilen ist nur ein Kern im Schnitt nachweisbar. Wie rasch sich diese Kerne ver- mehren und dann in unregelmäßiger Anordnung hinter und neben einander angeordnet sind, sieht man aus den Figg. 7—9. Uber- sieht man diesen Befund, so ergiebt sich, dass die Muskellamelle der Urwirbel in sich selbst durch Vermehrung ihrer Elemente heran- wächst und dass die Cutislamelle nicht zu ihrer Vermehrung bei- trägt. Dieselbe wächst nur in so fern mit, als ihre Zellen sich ebenfalls theilen, so dass sie an Zahl zunehmen, eine geschlossene Lamelle darstellen; aber ihre Zellen behalten noch den indifferenten Charakter bei. — Es fragt sich nun weiter, ob die medialen Muskel- bandanlagen hier sich als einfache Zellen darstellen. Zuerst besteht sicher die Muskellamelle aus deutlich abgegrenzten Zellen, wie oben schon ausgeführt. Hier erkennt man dies auch z. B. auf den beiden untersten Myotomen der rechten Seite der Figur. Darin sehe ich aber noch nicht die Anlage eines Muskelbandes. Wenn die ersten kontraktilen Fibrillen auftreten, sieht man auf der Figur stets mehrere Kerne, und zwar, was mir von Bedeutung erscheint, nicht hinter einander, sondern neben einander. Man unterscheidet dann einen lateralen und einen medialen Kern. Der mediale Kern ist der erste Muskelepithelkern, der laterale stammt ebenfalls von der medialen Urwirbellamelle, und zwar von ihrem vorderen oder hinteren Ende. 498 F. Maurer Ich bitte hierzu die Urwirbel a, 4, und c der Figur zu vergleichen. Bei 5 liegen in der vorderen und hinteren Wand des Urwirbels je eine Zelle, welche beide bei c ganz in das Muskelepithel auf- genommen sind. Diese rücken hier ein und man kann auf Längs- schnitten eben so wenig wie auf Querschnitten Zellgrenzen mit Sicher- heit nachweisen. Ich bitte hierzu besonders die Urwirbel d und e der Fig. 6 zu vergleichen. An den Figg. 7—9 ist dann die weitere Vermehrung der Kerne zu erkennen. Ich bitte damit den Quer- schnitt der Fig. 3 zu vergleichen, woraus man sich ein Bild vom Bau eines solchen Muskelbandes klar machen kann. Ich erblicke in einem solchen Gebilde einen abgeschniirten und in sich selbst abgeschlossenen Muskelepithelbezirk, der nicht durch Auswachsen aus einer Zelle entstand, sondern durch Zusammenwirken mehrerer Zellen zu Stande kam. Die Sonderung in die Bander erfolgt von der medialen Fläche aus durch Faltenbildung. In dem Vorgange der Faltenbildung kann ich schon keinen palingenetischen Process mehr erblicken, denn in letzterem Falle miisste man von vorn herein Stützgewebe in die Falten eindringend nachweisen können. HERTWIG spricht bei seinen Muskelbändern von einer Stützlamelle zwischen zwei benachbarten Fibrillenreihen, eine solche Stützlamelle kann ich im ersten Stadium nicht nachweisen, sie tritt erst auf, wenn die einzelnen Muskelbänderanlagen ganz gesondert sind und stellt dann jedenfalls eine vom Muskelepithel selbst gebildete Membran dar, eine Basalmembran des Epithels. Da hier der Vorgang der Faltung sich ausschließlich am Muskelepithel abspielt, indem die ein- zelnen Falten parallel neben einander dicht zusammengeschlossen aus- wachsen, ist dieser Process ein cänogenetisch veränderter, doch ist er immerhin scharf zu unterscheiden von einem Zerklüftungsprocesse. Das zuletzt geschilderte Stadium war das älteste, welches mir von Petromyzonlarven zur Verfügung stand. Die nächst ältesten Zustände, die sich an den zuletzt beschriebenen anschließen, finde ich aber auch bei jungen Ammocoeten von 8 cm Länge. Bei diesen hat sich die Muskulatur schon zu großen Muskelkästchen weiter entwickelt, es finden sich aber am dorsalen und ventralen Ende der Rumpfmuskulatur an Körperquerschnitten noch weitere Bildungs- stätten, wo fortwährend eine Anbildung neuer Muskelkästchen statt- findet. Fig. 5 giebt die dorsale Kante eines solchen Muskelsegmentes, wie sich dieselbe am Körperquerschnitt darstellt, wieder. Man er- kennt, dass auch hier noch eine der lateralen Myotomlamelle ent- sprechende Zellenschicht besteht. Bei me ist die dorsale Kante des Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen etc. 499 Myotoms, an welcher zwei Kerne in einheitlicher Plasmamasse nach- weisbar sind. An diese schließt sich lateral das zuletzt gebildete Muskelkästehen an, welches wie das folgende noch einen einfachen peripheren Fibrillenmantel besitzt. Darauf folgen lateralwärts nächst ältere Kästehen, an welchen man erkennt. wie auch im Inneren dieser Gebilde kontraktile Fibrillen zur Ausbildung kommen. Zwischen diesen inneren Fibrillen liegen im Plasma des Muskelkästchens die Kerne unregelmäßig zerstreut. Den oberen Kanten der Kästchen lagern die Zellen der Cutislamelle in einfacher Schicht auf und man erkennt, wie von diesen aus solche Zellen zwischen die Kästchen eindringen, wo sie dann in der die Kästchen trennenden Stiitzlamelle ~ eingelagert sind. Die letztere hängt eben so an der unteren Kante mit dem darunter liegenden Bindegewebe zusammen, das aber hier nicht so wie oben noch eine den Muskelkästchen angeschlossene Zellenschicht erkennen lässt. Von diesem Stadium aus kann man direkt auf den Bau des Muskelkästchens von Ammocoetes übergehen, der sich hier naturgemäß anschließt. Zuvor aber möchte ich noch Einiges über die seither bestehenden Anschauungen über die Bildung eines Muskelkästehens sagen. Während die Mehrzahl der Autoren sich nur ganz im Allgemeinen dahin äußert, dass eine Zelle die Anlage eines Muskelkästchens bilde, ohne auf die weitere Ausbildung dieser Elemente einzugehen (SHirLey, Scorr, GOETTE), finden wir bei O. Hertwic im Lehrbuch der Entwicklungseschichte (III. Auf- lage pag. 290) eine genauere Darstellung der ersten Vorgänge bei der Bildung eines Muskelkästchens. An dessen Ausführungen lehnen sich die hier gegebenen Beurtheilungen an, nur weiche ich in Betreff der Anlage eines Kästchens von ihm ab, sowie ich die Art des ersten Auftretens kontraktiler Fibrillen anders gefunden habe. ‘Das, was HErTwıG als erstes Stadium schildert, fasse ich als zweites Stadium auf. Der Ausgangspunkt ist für mich eben so wie bei Hertwie ein einfaches Muskelepithel; während aber HErtwic aus jeder Zelle ein späteres Muskelkiistchen hervorgehen lässt, finde ich, dass sich das Muskelepithel zuerst derart komplieirt, dass es unter Vermehrung der Elemente eine mehrschichtige Beschaffenheit an- nimmt, wobei die Zellgrenzen verschwinden und nun sondern sich die Kästehenanlagen durch Falten, welche. von der Basalfläche des Epithels aus eindringen und längs der Falten bilden sich die ersten kontraktilen Fibrillen aus, die sich eben so wie die Falten lateral- wärts ausdehnen. Herrwıe lässt die ersten Fibrillen an den Breit- seiten der Zellen entstehen und so beschreibt er Muskelblätter. 500 F. Maurer Die Definition eines Muskelblattes, wie sie HERTwIG giebt, derart, dass ein solches stets aus zwei Fibrillenlagen besteht, welche durch einen zarten Streifen von Stützsubstanz von einander getrennt sind, halte ich desshalb nicht für zweckmäßig, weil hiermit ent- schieden morphologisch zusammengehörige Theile künstlich aus ein- ander getrennt werden und andererseits Theile gesonderter Gebilde zusammengefasst werden. HERTwIG giebt an, dass die beiden Fibril- lenlagen eines Muskelblattes von verschiedenen und zwar immer von zwei benachbarten Muskelzellen gebildet würden. Späterhin aber, wenn sich die Fibrillenlagen, die in einer Zelle liegen, an den ' beiden Kanten der letzteren vereinigen, bilden sich Kästchen aus, die wieder eine ganz andere Zusammensetzung als die Muskel- blätter zeigen, denn nun bildet den Inhalt eines Kästchens wieder eine plattenartige Muskelzelle, an deren ganzer Cirkumferenz die kontraktilen Fibrillen angeordnet sind. Die zwei zuvor im Muskel- blatt zusammengebrachten Fibrillenlagen gehören demnach jetzt wieder zwei gesonderten benachbarten Muskelkästchen zu. Diese vorübergehende Auseinanderreißung des Inhaltes einer Muskelzelle nach HEerrwıG oder der Theile, welche zwischen zwei Einkerbungen des Epithels liegen, wie ich es oben schilderte, erscheint mir nicht den natürlichen Verhältnissen entsprechend. Zwischen zwei Ein- kerbungen liegt von vorn herein der Inhalt eines späteren Kästchens und ich finde, dass die beiden Fibrillenlagen darin stets an der medialen Kante einer solchen Kistchenanlage von vorn herein in ein- ander umbiegend zusammenhängen. Wenn später wirklich, wie ich dies auch auf Fig. 3 dargestellt habe, die Fibrillenlagen medial wie lateral frei enden, so sehe ich darin die Folge des Breitenwachs- thums eines Kästchens, welche kurze Zeit lang intensiver ist als die Bildung der Fibrillen, die damit nicht gleichen Schritt hält. Dies wird aber rasch eingeholt und dann verhält sich ein Muskelkäst- chen genau so, wie Hertwie es ebenfalls geschildert hat. Hier bleibt nur die Thatsache zu konstatiren, dass zu bestimmter Zeit die Anlagen der Muskelkästchen geschlossene Gebilde darstellen. Sie sind als horizontal angeordnete Lamellen in jedem Myokomma über einander geschichtet. Zwischen denselben ist eine feine struktur- lose Lamelle zu erkennen, die noch keinerlei Formelemente enthält. Der Inhalt jeder Kästchenanlage besteht aus central angeordnetem Plasma mit Kernen und darum befindet sich ein einfacher peripherer Fibrillenmantel. Bei der Beurtheilung des morphologischen Werthes der Anlage eines solchen Muskelkästchens gehe ich nicht von einer Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 501 ’ Zelle aus, sondern sehe in der Zeit, wo die ersten kontraktilen Fibrillen auftreten, wo also das vorher epitheliale Blatt der medialen Ur- wirbellamelle zu Muskelgewebe sich zu differenziren beginnt, bereits Epithelbezirke durch Faltungen der Epithelbasis gegen einander abgegrenzt, die Anlage eines Kiistchens darstellen. Es wird damit die Beziehung des Muskelkästchens zu einer Zelle eine indirekte. Es enthält auch jedes Kästehen zur Zeit, wo es vollkommen abge- schlossen ist, stets eine größere Anzahl von Kernen. Bei der Weiterbildung des Kästehens sehen wir vor Allem, dass unter der fortwährenden Vermehrung der kontraktilen Fibrillen die einschich- tige Anordnung aufgegeben wird und allmählich sich das ganze Innere des Kästchens mit solehen Gebilden füllt. Die Kerne liegen dann zwischen den Fibrillen vertheilt, sind von einer geringen Menge Plasma umgeben, das im Übrigen auch zwischen den Fibrillen allenthalben in feinster Vertheilung nachweisbar ist. Die äußere Begrenzung eines jeden Kästchens ist durch eine scharfe Linie ge- bildet, welche noch keine nachweisbare Membran erkennen lässt. Diese Thatsachen ergeben sich aus Befunden jüngster Muskelkäst- chen von Ammocoetes (8 em Länge). Muskelbänder von Ammocoetes. In Bezug auf den Bau eines ausgebildeten Muskelkästchens von jungen Ammocoetes, stimmen GRENACHER und SCHNEIDER nicht ganz überein. GRENACHER schildert den Inhalt eines Kästchens als in Fi- brillenbündel zerfallen und trennt schon parietale und centrale Fa- sern. Letztere sind aber weder durch Sarkolemm von einander ge- trennt, noch zeigen sie Kerne. Das ganze Muskelkästehen ist von Bindegewebe umhüllt, das aber nicht ins Innere des Kästchens ein- dringt. Die Länge des Kistchens erstreckt sich von einem zum an- deren Intermuskularseptum. Auch SCHNEIDER unterscheidet die glei- chen Theile im Muskelkästehen von Ammocoetes, weist aber Kerne zwischen den Fibrillen nach. Sarkolemm im Inneren der Kästehen fehlt. Es lagen mir Ammocoetes von verschiedener Körperlänge zur Untersuchung vor (von 8—20 em), die theils in Chromessigsäure, theils in Sublimat konservirt waren. Die Thiere waren im Mai gefangen, hatten somit mindestens einmal überwintert. Bei einiger Vorsicht erhielt ich an Querschnitten vollkommen intakte Muskel- kästehen zur Anschauung, an welchen keinerlei Zerklüftungen im Inneren eingetreten waren. 502 F. Maurer Bevor ich auf die Schilderung vom Bau des Muskelkästchens ~ eingehe, ist Einiges über die Benennung Muskelkästchen zu sagen. Diese Bezeichnung wurde den fraglichen Theilen von Srannius ge- geben, sie ist aber geeignet eine ganz falsche Vorstellung vom Ge- sammtbau eines solchen Gebildes zu erwecken. Sie ist offenbar aus Querschnittsbildern entstanden. Wenn man makroskopisch die Mus- kulatur eines Ammocoetes untersucht, so findet man in jedem Myo- komma, welches die ganze Dicke der Leibeswand durchsetzt, eine Menge über einander angeordneter Muskelbänder, von welchen jedes eben- falls sich durch die ganze Dicke des betreffenden Myokomma aus- dehnt. Seine Länge entspricht der Länge eines Myokomma, d.h. erstreckt sich immer von einem zum nächsten Myoseptum. Im Ganzen stellt also ein Muskelelement von Ammocoetes ein sehr breites, aber sehr kurzes und dorsoventral sehr dünnes Band dar. Diese Bezeichnung: Muskelband will ich auch im Nachstehenden stets für Muskelkästehen anwenden. An jedem solchen Muskelband kann man, da dasselbe stets horizontal oder leicht schräg angeordnet ist, eine dorsale und eine ventrale Fläche unterscheiden. Mit diesen Flächen grenzen die benachbarten Bänder an einander. Gegen die dorsale Mittellinie zu stellen sich die Bänder in der Weise schräg, dass ihre dorsale Fläche zur medialen, die ventrale zur lateralen wird. Ferner besitzt jedes Muskelband eine laterale und eine mediale Kante. Die laterale liegt direkt unter der Cutis, so dass man nach Abnahme der letzteren die laterale Kante sämmtlicher Bänder über- sieht. Die mediale Kante ist bei den in der Höhe der Seitenlinie gelegenen Bändern an der Chorda dorsalis, bei den dorsalen zur Seite des Medullarrohres und bei den ventralen unter der tiefen Bauch- fascie zu finden. Endlich hat ein jedes Muskelband ein vorderes und hinteres Ende, welches dem vorderen und hinteren Myoseptum des betreffenden Myokomma angeheftet ist. Auf einem Totalquer- schnitt durch den Körper eines Ammocoetes trifft man stets mehrere Myokommata, da die Myosepten erstens von der Körperoberfläche schräg in die Tiefe eintreten und ferner dorsoventrale Knickungen in bekannter Weise zeigen. Man erhält demnach stets nur Schräg- schnitte von Muskelbändern, bekommt niemals die ganze Breite eines Bandes zur Anschauung. In diesen Schrägschnitten sind aber die Muskelfibrillen stets im Querschnitt getroffen, da sie genau der Längsachse des Körpers parallel verlaufen. Die dorsale und ventrale Fläche eines jeden Bandes sieht man stets auf jedem Körperquer- schnitt. Dagegen stellt das, was man als laterale und mediale Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 503 Kante sieht, niemals die wirkliche betreffende Kante des Bandes dar, vielmehr sind dieselben durch die Myosepten gebildet, so dass sie dem hinteren und vorderen Ende eines jeden Bandes entsprechen. Nur an den Bändern des dicht unter der Haut gelegenen Myokomma sieht man die wirkliche laterale Kante der hier angeordneten Bänder im Schrägschnitt. Andererseits sieht man die wirkliche mediale Kante von Muskelbändern nur an den dicht der Chorda angeschlossenen und an die Leibeshöhle grenzenden Myokommata. Man lernt aber an Schrägschnitten doch, wenn man sie richtig auffasst, sehr wohl den Bau eines Muskelbandes kennen. Querschnitte und eben so Längsschnitte durch die ganze Breite eines Bandes kann man über- haupt niemals erhalten, da ein jedes Muskelband, entsprechend der Anordnung der Myosepten, sowohl auf die Fläche, als auch auf die Kante gekrümmt erscheint, somit niemals in seiner ganzen Breite in eine Schnittebene fallen kann. Eine Anknüpfung an den zuletzt geschilderten Zustand eines Muskelbandes gestatten die jüngsten der- artigen Gebilde bei einem Ammocoetes von 8 cm Länge. Dieselben liegen dorsal über dem Medullarrohr zu beiden Seiten der Mittellinie. Sie stellen im Körperquerschnitt Bänder dar, welche erfüllt sind mit kontraktilen Fibrillen. An diesen hebt sich eine oberflächliche gleichmäßige Schicht ab von den im Inneren des Gebildes zerstreut angeordneten Fibrillen. Kerne liegen allenthalben vertheilt zwischen den letzteren, an der Peripherie sind sie indessen noch nicht nach- weisbar. An den ventral sich anschließenden älteren Bändern sind bereits weitere Differenzirungen aufgetreten. Betrachten wir nun die äußere Abgrenzung und den Inhalt eines Muskelbandes, wie er sich uns am Körperquerschnitt darstellt, so finden wir jedes Muskelband von einer bindegewebigen Faserschicht begrenzt. An die bindegewebige Hülle schließt sich aber noch eine weitere sehr feine strukturlose Membran an, welche ich als Band-Sarkolemm bezeichne. Der daran sich anschließende Inhalt des Muskelbandes setzt sich aus drei Bestandtheilen zusammen: 1) kontraktilen Fibrillen, 2) Plasma und 3) Kernen. — Man erkennt auf dem Schrägschnitte des Muskelbandes eine Masse von stark lichtbrechenden Punkten, die sich als Querschnitte der kontraktilen Fibrillen zu erkennen geben, wenn man Längsschnitte damit vergleicht. Zwischen diesen punktförmigen Querschnitten der Fibrillen findet sich eine sehr blasse feinstkörnige, auch zuweilen leicht streifige Substanz (Sarkoplasma), welcher die Kerne eingelagert sind. Letztere sind im Querschnitt kreisrund, im Längsschnitt theils oval, theils stäbehenförmig. Es 504 F. Maurer fällt nun sofort in die Augen, dass die kontraktilen Fibrillen nicht gleichmäßig in dem ganzen Muskelbande vertheilt sind, sondern dass bestimmte Bezirke unterscheidbar sind. Niemals aber stellen sich diese so dar, dass man Fibrillenbündel sondern könnte, die etwa Muskelfasern höherer Formen vergleichbar wären. Man kann darum auch niemals von in den Muskelbändern enthaltenen Muskelfasern sprechen. Dies beschränkt sich indessen nur auf Ammocoetes, bei Petromyzon stellen sich diese Verhältnisse anders dar. In dem vor- liegenden Muskelbandschrägschnitt von Ammocoetes unterscheide ich drei Bezirke, die man als koncentrische Schichten bezeichnen kann. Im innersten Bezirk liegen die Fibrillen nicht sehr dicht, da- zwischen sind beträchtliche Mengen von Sarkoplasma nachweisbar, das die Kerne enthält. In diesem innersten Bezirke sind die kon- traktilen Fibrillen nicht gleichmäßig angeordnet, sondern sie sind zu ganz unregelmäßigen kleinen Komplexen der verschiedensten Form verbunden und diese Komplexe hängen oft so mit einander zu- sammen, dass eine unregelmäßige Netzzeichnung auf dem Quer- schnitt hervortritt, wie ich dies auf Taf. XIII Fig. 3 andeute. Auf die Art der Abgrenzung dieses innersten Bandbezirkes gegen den an- schließenden Bezirk komme ich sofort zu sprechen. Dieser innerste Bezirk erstreckt sich durch die ganze quere Ausdehnung des Bandes, ist aber nach den beiden Kanten zu leicht zugespitzt. Er stellt im Ganzen ein dünneres Band dar als das ganze Gebilde, hat aber ‘sonst dessen Form. Der zweite Bezirk, den man als intermediären bezeichnen kann, schließt sich unmittelbar an den centralen an und lässt eine dorsale und eine ventrale Platte unterscheiden, welche an den Kanten des Muskelbandes nicht immer deutlich in einander übergehen (vgl. an Fig. 10 das rechts und links angezeichnete verschiedene Verhalten). Rechts findet sich die laterale Kante, an welcher ein Zusammenhang der beiden intermediären Platten unter sich und auch mit den Fibrillen des Bandkernes, wenigstens in den äußersten Fibrillen erkennbar ist. Links an der medialen Kante vereinigen sich die Platten nicht, weil hier der Bandkern sich bis zur Oberfläche des Bandes erstreckt. Hierzu ist übrigens zu be- merken, dass in den einzelnen Bändern diese Verhältnisse sehr ver- schieden sind, in so fern bald an beiden Kanten der Kern die Ober- fläche erreicht oder nicht erreicht, oder so wie abgebildet auf beiden Seiten sich in dieser Beziehung ungleich verhält. Gegen den inter- mediären Bezirk ist der Bandkern nicht etwa durch eine Membran oder durch Bindegewebe abgegrenzt, sondern er ist lediglich durch Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 50 oO die Anordnung der kontraktilen Fibrillen von ihm gesondert. Die dadurch entstehende Grenze ist aber eine vollkommen scharfe. Die äußerste Fibrillenlage des centralen Bezirks bildet eine kontinuir- liche geradlinige Reihe und die daran sich anschließende innerste Lage des intermediären Bezirkes bildet gleichfalls eine solche Reihe. Zwischen diesen beiden Reihen findet sich Sarkoplasma ganz eben so, wie zwischen den Fribillen der beiden Bezirke. Der intermediäre Bezirk zeigt seine Fibrillen etwas dichter an- geordnet als der Bandkern, sie sind aber auch nicht gleichmäßig darin vertheilt, sondern lassen eben solche unregelmäßige Gruppen und oft netzartige Anordnung erkennen, wie im centralen Bezirk. Nicht immer findet sich nur eine einzige intermediäre Zone gebildet, sondern in vielen Kästehen finden sich deren zwei oder drei um einander angeordnet und diese sind dann gerade so durch glatte kontinuirliche Fibrillenlagen von einander getrennt, wie die centrale von der intermediären an dem abgebildeten Schnitte. Gegen den äußersten peripheren oder parietalen Fibrillenbezirk, welcher sich an den oder die intermediären anschließt, ist der letz- tere wieder ganz scharf abgegrenzt durch eine Grenzreihe von Fi- brillen. Zwischen diesen äußersten Fibrillen des intermediären Be- zirks und den anschließenden innersten Fibrillen des parietalen Bezirks ist wieder eine sehr feine Lage Sarkoplasma zu erkennen. Der letztere Bezirk erstreckt sich oft um die ganze Cirkumferenz des Muskelbandes herum, in vielen Fällen aber lässt er die mediale Kante frei, so wie es auf Fig. 10 abgebildet ist. Die kontraktilen Fibrillen in diesem Bezirke sind noch viel feiner als in den inneren Bezirken und sind viel dichter und gleichmäßiger angeordnet. Sie lassen häufig eine Anordnung in radiär zum Centrum des Bandes gestellten Reihen erkennen. Was die relative Dicke der drei genannten Bezirke betrifft, so ist der oberflächlichste der dünnste, enthält aber die meisten Fi- brillen. Die Dicke der intermediären und centralen Bezirke ist großen Sehwankungen unterworfen. Ich habe keine genauen Mes- sungen vorgenommen, weil die daraus sich ergebenden Thatsachen für die uns hier interessirenden morphologischen Fragen belanglos sind. — Kerne finden sich zwischen den Fibrillen von allen drei Bezirken angeordnet. Ihre Zahl nimmt vom Centrum nach der Peri- pherie zu. Man findet im parietalen Bezirk auf einem Querschnitt etwa acht Kerne gegen drei im centralen. — Es fragt sich nun, welehen morphologischen Werth ein solehes Morpholog. Jahrbuch, 21. 33 506 F. Maurer Muskelband von Ammocoetes in diesem Stadium hat und wie die eigenthümlichen Bezirke zu deuten sind. Ehe ich auf diese Fragen eingehe, erscheint es zweckmäßig, zuerst das Muskelband von Pe- tromyzon und anderen Cyclostomen: Myxine und Bdellostoma zu untersuchen. | Muskelbänder von Petromyzon. Von Petromyzon fluviatilis untersuchte ich die Muskelbänder sowohl an Zerzupfungspräparaten als an Querschnitten durch den ganzen Körper der Thiere. Bei makroskopischer Untersuchung er- kennt man, dass diese Gebilde sehr kurze, aber sehr breite Bänder darstellen, welche zwischen den Myosepten schräg wie bei Ammo- coetes angeordnet sind. Auf Quersehnitten durch den Körper des Thieres erhält man, da die Myosepten sich alle schräg in der bekannten Weise in die Tiefe senken und auch dorso-ventrale Kniekungen zeigen, natürlich stets nur Schrägschnitte durch die Bänder. Da aber die Muskelfibrillen parallel der Körperlängsachse verlaufen, so trifft man dieselben stets gerade im Querschnitt. Man muss sich bei der Untersuchung von Schnittbildern durch das Muskelband mit Schrägschnitten begnügen, da jedes einzelne Band sowohl auf die Kante als auch auf die Fläche stark gekrümmt ist, somit niemals in seiner ganzen Aus- dehnung in eine Schnittebene fallen kann, eben so wie ich dies bei Ammocoetes ausführte. Ein jedes Muskelband besitzt eine dorsale und eine ventrale Fläche und eine laterale und mediale Kante. Das was man auf dem Körperquerschnitt am einzelnen Kästehen als dorsale und ventrale Grenzlinie erkennt, entspricht thatsächlich der dorsalen und ventralen Fläche. Die laterale Kante eines jeden Muskelbandes liegt dicht unter der Lederhaut, so dass man nach Wegnahme der letzteren an der Oberfläche des Körpers die lateralen Kanten sämmtlicher Muskel- binder übersieht. Die medialen Kanten liegen theils der Chorda dorsalis an, theils liegen sie zur Seite des Medullarrohrs, theils sind sie an der Innenfläche der Bauchwand zu sehen. Das was man auf Querschnitten durch den ganzen Körper als laterale und mediale Kante eines Bandschrägschnittes sieht, ist thatsächlich nicht die be- treffende Kante des Bandes, sondern dies sind die schräg durch- schnittenen Myosepten, und zwar entspricht, da ja jedes Band von einem hinteren zu einem vorderen Myoseptum verläuft, die mediale Kante des Sehrägschnittes stets dem hinteren, die laterale Kante dem Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 507 vorderen Myoseptum. Untersucht man mit Beriicksichtigung dieser thatsächlichen Verhältnisse die im Totalquerschnitt des Körpers zu findenden Sehrägsehnitte der Muskelbänder, so erkennt man an diesen Gebilden andere Verhältnisse als bei Ammocoetes. Das ganze Band ist zunächst durch eine bindegewebige Hülle völlig abgeschlossen. Dieselbe, aus fibrillärem Bindegewebe mit zahlreichen Kernen und Blutgefäßen bestehend, stellt an der dorsalen und ventralen Grenz- linie die zwischen den benachbarten Kästchen befindliche Tren- nungsschicht dar und hängt lateral und medial kontinuirlich mit dem Bindegewebe der Myosepten zusammen. Untersucht man den Inhalt eines Bandes, so lassen sich hier zwei scharf gesonderte Be- zirke unterscheiden, die den Theilen entsprechen, welehe GRENACHER und SCHNEIDER als parietale und centrale Fasern unterschieden haben (vgl. Taf. XIII Fig. 11). Die sogenannten centralen Fasern sind homolog den centralen und intermediären Fibrillenzonen des Käst- chens von Ammocoetes, und die parietalen Fasern sind abzuleiten von der oberflächlichsten peripheren Fibrillenzone dort. Ganz scharf begrenzt erscheint die äußerste Schicht, welche die Parietalfasern enthält. Dieselbe umgiebt nicht den ganzen Schräg- schnitt, sondern ist eigentlich nur an der dorsalen und ventralen Fläche des Bandes entwickelt. An manchen Schrägschnitten biegen aber die dorsalen und ventralen Parietalfasern an der medialen und lateralen Kante in einander um, so dass das ganze Band von ihnen umschlossen ist. Dies zeigt sich besonders an den wirklichen late- ralen Kanten der Bänder, d. h. direkt unter der Haut. Diese Pa- rietalfasern stellen durch Bindegewebe umhüllte und dadurch von einander abgegrenzte, im Querschnitt rechteckige, körperlich pris- matische Fasern dar} welche mit kontraktilen Fibrillen erfüllt sind. Das Bindegewebe der Bandscheidewände ist ins Innere des Ban- des zwischen die kontraktilen Fibrillen der äußersten Zone ein- gedrungen, und diese bei Ammocoetes noch einheitliche Fibrillenlage wird dadurch in zahlreiche einzelne Fibrillenbündel zerlegt. Das Bindegewebe dringt in Form von Septen ein und diese vereinigen sich an der Grenze zwischen parietalen und intermediären Fibrillen- bezirken wieder zu einer einheitlichen Bindegewebsschicht. So kommt es, dass diese äußersten Fibrillenbündel sehr fest den Bandsepten angeschlossen sind. Da nun ein Bandseptum auf beiden Flächen je eine solche Parietalfaserlage angeschlossen erhält und mit diesen fest verbunden ist, so kann man leicht ein solches Septum mit den beiderseits angelagerten Faserlagen als einheitliche Lamelle isoliren. 33* 508 F. Maurer Ein solches Muskelblatt enthält aber Theile von zwei benachbarten Bändern, darf also niemals als morphologische Einheit betrachtet werden. Untersucht man genauer den Querschnitt dieser Parietal- fasern, so erkennt man, dass es sehr plasmareiche Gebilde sind. Die quergestreiften Fibrillen erfüllen nicht jede Faser gleichmäßig, sondern sind zu Gruppen vereinigt, bilden Muskelsäulchen (KÖLLIKER), zwischen welchen reichliches Sarkoplasma nachweisbar ist (Fig. 12). Eigenthümlicherweise finden sich nirgends im Plasma zwischen diesen Säulchen Muskelkerne. Solche trifft man vielmehr bloß an der Ober- fläche einer Faser und hier sind sie von reichlichem Plasma um- geben. GRENACHER schildert diese Parietalfasern als ein Netzwerk, welches dem bindegewebigen Bandseptum angelagert ist. Ich fand an Flächenbildern von solehen isolirten Muskelblättern, dass die meisten Fasern ganz gerade parallel neben einander durch die ganze Länge des Bandes verlaufen. Zuweilen erkennt man, dass eine solche Faser sich gabelig theilt oder auch einen dünnen Fibrillenkomplex in sehr spitzem Winkel abgiebt, der dann nach kürzerem oder län- gerem Verlauf mit der benachbarten Faser sich verbindet. Doch fasse ich darum die parietalen Fasern nicht als netzförmige Muskel- fasern auf, sondern sehe in dem angeführten Verhalten nur den Aus- druck einer Unregelmäßigkeit im Eindringen des Bindegewebes zwi- schen die peripheren Fibrillen des Muskelbandes, die auch weiterhin sich in der äußerst verschiedenen Dicke der Fasern zu erkennen giebt. Betrachten wir nun den übrigen Inhalt eines Muskelbandes, der die Fibrillen der intermediären und centralen Zone des Ammocoetes- kästchens darstellt, so ist derselbe gebildet durch Massen sehr dünner, im Querschnitt punktförmiger kontraktiler Fibrillen, welche ungemein dicht zusammenliegen. Zwischen denselben sind zahlreiche Muskel- kerne nachweisbar. An der Gesammtmasse dieser Fibrillen kommt es leicht zu Zerklüftungen, es ist mir wenigstens nicht gelungen, hier so geschlossene Zonen zu erhalten wie bei Ammocoetes. Diese Zerklüftungen, welche auch von GRENACHER und SCHNEIDER be- schrieben wurden, sind zweierlei Art. Einmal sondern sich Fi- brillenlagen von einander, welche den Zonen des Ammocoetes- bandes entsprechen. Die Spalten, welche solche Lamellen trennen, erstrecken sich durch die ganze Breite eines Bandes. Dadurch ent- stehen sehr breite Fibrillenbänder, die aber an ihrer Oberfläche weder durch Bindegewebe noch durch Sarkolemm abgegrenzt sind. Es ist hier offenbar das Sarkoplasma, welches die Zonengrenze des Ammocoeteskästehens bildete, durch die Konservirung zerstört und Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 509 dadurch die Trennung der Fibrillenzonen bewirkt worden. Ferner treten noch weitere Zerkliiftungen der letztgeschilderten Fibrillen- bezirke auf, durch welche dieselben der Liinge nach in Biindel gesondert werden. Diese Zerklüftung ist keine regelmäßige. Es entstehen hierdurch Bilder, welche GRENACHER und SCHNEIDER veranlassten centrale Muskelfasern im Muskelbande von Petromyzon zu beschreiben. Dies sind aber keine Muskelfasern im gebräuch- lichen Sinne, sondern es sind Kunstprodukte, die offenbar nicht in der Weise im Leben präformirten Fibrillenkomplexen entsprechen. Diese Längsspaltung der Fibrillenbänder fehlt häufig ganz, wie ich auf der rechten Hälfte der Fig. 11 angedeutet habe. Wenn sie besteht, so stellen die Trennungslinien im Schnitt meist schräge oder im Zickzack verlaufende unregelmäßige Grenzen dar, die man, auf die Fibrillenbänder übertragen, nur als Bruchflächen auffassen kann. Man sieht ihnen an, dass sie offenbar in Folge mechani- scher Insulte entstanden sind (Fig. 11 linke Hälfte). Jedenfalls dringt nirgends Bindegewebe in die centrale Fibrillenmasse des Muskelbandes ein, und da auch kein Sarkolemm gebildet ist, so hat man nicht das Recht, hier von Muskelfasern oder Primitiv- bündeln zu sprechen. Auf diese Zerklüftungsvorgänge bleibt noch zurückzukommen. Muskelbänder von Myxinoiden. Einen wesentlich anderen Bau zeigt die Rumpfmuskulatur der Myxinoiden. Ich untersuchte dieselbe an Zupfpräparaten theils an ganzen Körperquerschnitten von Myxine australis, ferner an einem großen Exemplare von Bdellostoma an herausgenommenen Stücken. Es erscheint auffallend, dass von der Thatsache, dass bei Myxinoiden und Selachiern die Rumpfmuskulatur sich aus ähnliehen Bandbezirken zusammensetzt, wie bei Petromyzon, wobei aber der wesentliche Unterschied besteht, dass wir bei jenen den Inhalt durch wirkliche Muskelfasern hergestellt sehen, in den neueren Arbeiten und Lehr- büchern keine Notiz genommen wird und doch ist dies schon von GRENACHER und SCHNEIDER angegeben worden. Bei SCHNEIDER finde ich auch eine diesbezügliche Abbildung (Zoolog. Beiträge II 1887 Taf. XXIII Fig. 4, aus dem Nachlasse veröffentlicht). Wenn ich im Folgenden auf die hier bestehenden Verhältnisse genauer ein- gehe, so geschieht dies in Anlehnung an die Angaben der beiden genannten Autoren, die ich im Allgemeinen bestätigen, im Specielleren erweitern kann. 510 F. Maurer Zur Orientirung iiber die Gesammtanordnung der Muskulatur bei Myxine verweise ich auf Taf. XIII Fig. 15. — Man findet hier wie bei Petromyzon (Fig. 14) mehrere Myokommata auf einem Körper- querschnitt getroffen. Die Myosepten erscheinen als gewundene Bindegewebszüge auf dem Schnitt. Dies bringt ihre schräge und geknickte Verlaufsweise zum Ausdruck. Zwischen zwei solchen Septen verlaufen deutlich erkennbare zarte Bindegewebssepta, hori- zontal oder schräg, in geringen Abständen über einander und grenzen demnach klar und deutlich Bezirke ab, welche genau den Muskelbändern von Petromyzon entsprechen. Wir haben diese Gebilde auch hier, wie bei Petromyzon schräg durchschnitten vor uns. Im Inneren des Bandbezirks sind aber die Muskelfibrillen nicht in der Anordnung, wie bei Petromyzon nachweisbar, sondern das ganze Band ist angefüllt mit wirklichen drehrunden, mit Sar- kolemm umgebenen und durch perimysiales Bindegewebe von ein- ander getrennten Muskelfasern, wie sie den höheren Wirbelthieren zukommen. Taf. XIII Fig. 13 stellt den Inhalt eines solchen Bandes dar, es ist aus einem Totalquerschnitt von Myxine australis von 30 em Körperlänge entnommen und entstammt der dorsalen Körperhälfte, dicht oberhalb der Seitenlinie (Taf. XIV Fig.15 z). Die im Bandbezirk enthaltenen Muskelfasern sind alle gerade querdurchschnitten, in Folge ihres geraden, der Körperlängsachse parallelen Verlaufs. Nicht alle Fasern sind gleich gebaut. Ihr Kaliber ist ungleich, aber die hier erkennbaren Unterschiede sind nicht größer, als an Muskeln höherer Wirbelthiere. Man kann zwei Arten von Fasern unterscheiden, die in gewissem Sinne wieder auf die Verhältnisse bei Petromyzon bezogen werden können. An der ventralen Fläche des Kästchens besteht eine einfache, nicht ganz regelmäßige Faserlage, welche sich lateralwärts bis zur dorsalen Fläche hinauf erstreckt. Auch an der dorsalen Fläche des Kästehens treten solche Fasern auf, aber nur vereinzelt, nicht als geschlossene Lage. Stimmen die Fasern schon nach ihrer Anordnung im Kästchen mit den Parietalfasern von Petromyzon überein, so tritt diese Übereinstimmung noch mehr in ihrem Bau hervor. Sie besitzen ein Sarkolemm, dessen Innenfläche zahlreiche Kerne angelagert sind. Ferner sind diese Fasern von Bindegewebszügen umsponnen. Im Inneren zeigen sich die Fibrillen zu Säulehen vereinigt, zwischen welchen reichliches Sarkoplasma sich findet. Niemals konnte ich im Inneren einer Faser, zwischen den Fibrillensäulehen Kerne nachweisen. Letztere zeigen stets eine periphere Anordnung. An der Peripherie der Fasern ist häufig noch Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 511 eine beträchtliche Lage von Sarkoplasma nachweisbar. In demselben liegen große ovale Muskelkerne, die von den abgeplatteten Kernen des Sarkolemm an manchen Stellen scharf zu unterscheiden sind. An anderen Stellen aber sieht man wiederum, dass diese ovalen großen Muskelkerne in Sarkolemmkerne übergehen können, indem sie allmählich jene abgeplattete Form annehmen. Da hier nur ausgewachsene Thiere vorliegen, kann die Frage nach der Herkunft des Sarkolemm nicht entschieden werden, ich komme bei anderen Formen darauf zurück. In den geschilderten Mus- kelfasern im Kästchenbezirk der Myxine erblicke ich nach Anordnung und Bau die Homologa der parietalen Fasern von Petromyzon. Von letzteren unterscheiden sie sich nur durch ihre größere Selbständigkeit, in so fern sie nicht mehr so fest mit dem Bindegewebsseptum, welches zwei Muskelkästchen trennt, ver- wachsen sind. Auffallend erscheint, dass diese Fasern bei Myxine nur an der ventralen Kästchenfläche als kontinuirliche Lage sich er- halten, während sie an der dorsalen Fläche nur vereinzelt gefunden werden. Die Thatsache aber, dass sie doch vereinzelt hier vor- kommen, zeigt, dass sie doch auch dorsal gebildet werden; vielleicht bilden sie in jüngeren Stadien noch eine geschlossene Lage. Im Übrigen findet sich der ganze Muskelbandbezirk bei Myxine ausgefüllt mit drehrunden gesonderten Muskelfasern, welche von Sarkolemm umhüllt und durch zartes perimysiales Bindegewebe von einander getrennt sind. In letzterem sind zarte Fibrillen und spindelförmige kleine Kerne nachweisbar. Das Sarkolemm, welches jede Muskelfaser abschließt, stellt einen platten strukturlosen Saum auf dem Querschnitt dar, dessen Innenfläche platte Kerne angelagert sind. Das ganze Innere der Faser ist erfüllt mit äußerst dicht zu- sammenliegenden, gleichmäßig in der ganzen Faser vertheilten, sehr feinen Fibrillen, die man als punktförmige Querschnitte erkennt; am Längsschnitt zeigen sie deutliche Querstreifung. Zwischen den Fibrillen allenthalben vertheilt liegen eben so, wie der Innenfläche des Sarkolemm angeschlossen Kerne, die, den be- engten Raumverhiiltnissen sich anpassend, die mannigfachsten Formen annehmen. Sie erscheinen häufig, so weit sie zwischen den Fibrillen ° liegen, im Faserquerschnitt sternförmig. Die Verhältnisse bei Bdellostoma stimmen mit den Zuständen von Myxine in so fern überein, als auch dort gesonderte drehrunde Muskelfasern ausgebildet sind. Ob dabei auch die Abgrenzung von Muskelbandbezirken erhalten ist, kann ich nicht aussagen, da ich 512 F. Maurer in Folge der Größe des mir vorliegenden Exemplars keine Total- schnitte durch den Körper anlegen konnte. Der wesentliche Unterschied im Bau des Muskelbandes von Myxine gegenüber demjenigen von Petromyzon besteht demnach darin, dass sich bei jener der Inhalt eines jeden Bandes zu typischen quer- gestreiften Muskelfasern differenzirt hat. Hierbei spielt offenbar das Bindegewebe, welches in das Innere des Bandes eintritt, eine große Rolle. Es braucht nun nur noch die Abgrenzung der Bandbezirke undeutlich zu werden und dann ganz zu verschwinden, um den Zustand hervorgehen zu lassen, wie er bei höheren Wirbelthieren gegeben ist. Dann bleiben bei gewissen Formen bekanntlich noch die Myosepten, welche die Muskelsegmente von einander trennen, zeitlebens bestehen, während bei den höchsten Formen (Amnioten) auch diese eine verschiedengradige Rückbildung erleiden. Besprechung der Befunde bei Cyclostomen. Die erste Entwicklung der Muskelelemente von Petromyzon, die wir als Muskelbänder bezeichnen, geht nicht von einer einfachen Zelle aus. Die mediale Lamelle eines jeden Urwirbels stellt zwar zuerst eine einfache Epithellage dar und ihre Elemente strecken sich in die Länge, so dass eine jede das ganze betreffende Myo- komma durchläuft, bevor es aber zur Ausbildung kontraktiler Fibrillen kommt, spielen sich Vermehrungsvorgänge an den Elementen dieses Muskelepithels ab, welche sich einerseits in einer Mehrschichtigkeit des Epithels, andererseits in einem Faltungsprocess an der gegen die Chorda dorsalis zu gerichteten Basalfläche zu erkennen geben. Zwischen zwei solchen Falten, welche lateralwärts gegen das Myo- cöl hin eindringen, liegt immer die Anlage eines späteren Muskel- bandes und diese entspricht nicht einer einfachen Zelle, son- dern stellt einen Epithelbezirk dar. Indem diese Falten nach dem Myocöl zu das Epithel ganz durchschneiden, kommt es zur Sonderung der einzelnen Muskelbänder von einander. Die Ober- fläche eines jeden solehen Gebildes darf dann nicht als Oberfläche einer Zelle, sondern muss als die Basalfläche des Epithels aufgefasst werden. Bevor noch die Sonderung der Bänder sich ganz vollzogen hat, werden schon die ersten kon- traktilen Fibrillen differenzirt. Sie bilden sich als einfache Lage längs der Einfaltungen, d.h. längs der Epithelbasis. Hierdurch wird die Bedeutung der Faltenbildung als Ober- Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 513 flichenvergréBerung zum Zweck der reichlichen Ausbil- dung kontraktiler Fibrillen bei einschichtiger Anordnung, die offenbar den primitiven Zustand darstellt, verständlich. Die Bedeutung des Faltungsprocesses bei der Bildung epithelogener Muskeln ist durch Herrwie für Wirbellose schon lange nachgewiesen. Ich finde auch im Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte einen Hin- weis auf die mögliche Übertragung eines solchen Vorgangs auf die Muskulatur der Wirbelthiere. Aus den Schilderungen Herrwie’s über die Bildungsweise der Muskelbänder von Petromyzon ergiebt sich aber, dass HerrwıG dieselbe nicht als einen Faltungsprocess auffasst. Nachdem die Muskelbänder gegen einander selbständig geworden sind, vollzieht sich ihr weiteres Wachsthum derart, dass ihre Kerne sich reichlich vermehren und dass nun auch im Inneren des Ge- bildes kontraktile Fibrillen differenzirt werden. Letztere geben damit ihre einschichtige Anordnung auf und erfüllen das ganze Muskel- band. An einem weiter gebildeten Muskelband sahen wir, dass den obigen Schilderungen gemäß koncentrisch um einander angeordnete Fibrillenzonen nachweisbar werden, welche durch die Anordnung der Fibrillen hervortreten. Es fragt sich wie diese Zonen zu deuten sind: Ich fasse sie als Wachsthumsgrenzen auf. Der centrale Bezirk ist der älteste. Nach seiner Bildung trat eine längere Ruhepause ein, etwa im Winter, und darauf wurde der zweite intermediäre Fibrillenbezirk gebildet. Nach einem abermaligen Ruhestadium kam der periphere Bezirk zur Entwicklung, der noch in Weiterbildung begriffen ist. Diese Auffassung wird begründet durch die. Erschei- nung, dass an den ältesten Bändern, welche der Chorda dorsalis angelagert sind, mehrere Zonen, etwa 3—4, gebildet sind. Je weiter dorsal oder ventral gelegene Bänder wir untersuchen, um so weniger Zonen sind nachweisbar: zuerst nur zwei, an den ganz dorsal gelegenen nur eine einzige. Die periphere Anbildung von Fibrillen kann natürlich erst von einem gewissen Stadium an statt- finden. Wenn der Zustand, wie er in Taf. XV Fig. 16 von Aci- penser abgebildet ist, bei Petromyzon besteht, so wird die erste Vermehrung der Fibrillen nach innen zu erfolgen und erst wenn das ganze Innere des Bandes von Fibrillen erfüllt ist, kann eine Weiterbildung an der Peripherie eintreten. Sehen wir wie sich dies zur Auffassung eines Muskelbandes als abgeschnürter, zuerst ein-, dann mehrschichtiger Epithelbezirk 514 F. Maurer verhält. Alle embryonalen mehrschichtigen Epithelien zeigen ein Wachsthum in der Weise, dass die Zellen der oberflächlichen Lagen sich fortwährend mitotisch theilen. Man findet niemals in der tiefsten oder den nächst folgenden tiefen Lagen Kerntheilungen. Diese Beobachtung ist schon vereinzelt angeführt worden. So spricht DoHrn einmal davon und schreibt sie ALTMANN zu. Ich habe ge- legentlich bei Embryonen sämmtlicher Wirbelthierklassen darauf geachtet und fand es immer in der angeführten Weise und zwar bei sämmtlichen mehrschichtigen Epithelien. Von einem bestimmten Stadium an, das ich nicht genauer definiren kann, beginnt ein ganz anderes Verhalten. Es treten von da an ausschließlich in der tief- sten Zellenlage des Epithels Mitosen auf, so dass immer ein Nach- rücken der Elemente aus der Tiefe zum Ersatz der an der Oberfläche verbrauchten Zellen stattfindet. Der letztere Zustand ist derjenige, welcher bei mehrschichtigen Epithelien ausgewachsener Thiere stets besteht. Man kann diese Vorgänge verstehen, wenn man die Funk- tion des Gewebes bedenkt. Embryonal handelt es sich lediglich um Vermehrung des Bildungsmaterials. Die oberflächlichen Zellen haben noch nicht die Bedeutung wie später, sind also auch noch nicht im gleichen Sinne wie später differenzirt, etwa verhornt. Erst wenn später die Zellen der oberflächlichen Schichten ihrer Funktion ent- sprechend differenzirt sind, verlieren sie die Fähigkeit sich zu theilen, sterben ab, werden nach kurzer Zeit abgeworfen und aus der Tiefe ersetzt. Dann müssen die Vermehrungsvorgänge sich im Wesentlichen in den tiefen Lagen abspielen. Es werden die in der Tiefe gebildeten Zellen stets gegen die freie Oberfläche vorrücken. Je näher eine Zelle der Oberfläche liegt, um so länger wurde sie schon von den tiefen Schichten gebildet, um so älter ist sie. In der Tiefe liegen die jüngeren Elemente. Man darf dabei natürlich nicht vergessen, dass die tiefste basale Zellenschicht, die in der Regel als gleichmäßige Cylinderzellenlage hervortritt, als Mutter- schicht simmtlicher oberflächlichen Lagen die zuerst gebildete, also älteste Lage darstellt; nur von den daraus gebildeten oberflächlichen Sehichten sind die tiefsten immer die jüngsten. Übertragen wir diese Verhältnisse auf die Muskelbänder von Ammocoetes: In dem zuerst gebildeten Muskelband müssen wir auf dem Querschnitt, wenn es sich um einen abgeschnürten Bezirk eines einschichtigen Epithels handelt, eine einfache oder doppelte Kern- reihe finden. Eine doppelte in dem Falle, dass der Faltung an der Basis des Epithels auch ein Einschnitt an seiner freien Ober- Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 515 fläche zwischen zwei Falten entsprechen würde. Bleibt gegenüber der basalen Faltenbildung die freie Oberfläche des Epithels ganz glatt, so kann man eine einfache Kernreihe zwischen zwei Falten finden. Dies zeigt sich thatsächlich bei Petromyzonembryonen in einem Stadium, wie ich es auf Fig. 2 abgebildet habe. Wenn nun aber die Trennung der einzelnen Bänder lateralwärts erfolgt ist, nachdem die basalen Falten sich durchgebildet und je zwei benach- barte sich unter einander vereinigt haben, besteht natürlich keine darüberziehende glatte, deckende Epithelschicht mehr. Thatsichlich findet man im Anfang die Kerne in einem Muskelband stets in einer einfachen Reihe, die Plasmakörper der Zellen sind mit einander zu einer einheitlichen Masse vereinigt. Die Fibrillen bilden sich als einfache Schicht längs der Peripherie des Bandes, also längs der Basis des Epithels. Nun findet das erste weitere Wachsthum so statt, dass an der lateralen oder an der medialen Kante, oder an beiden zugleich eine Plasma- und Kernvermehrung eintritt. Dadurch wächst das Band in die Breite, nicht aber in die Dieke. Es ist dann immer noch homolog einem einschichtigen Epithel. Diese Art des Wachsthums entspricht dem Flächenwachsthum eines einschichtigen Epithels. Die Fibrillen bilden sich stets längs dieser auswachsenden Kanten in einfacher Lage weiter. Nun tritt eine Vermehrung der Kerne in der Weise ein, dass sie in drei, vier und mehr Lagen in dorso- ventraler Richtung am horizontal gelagerten Bande über einander liegen. Damit beginnt ein Diekenwachsthum des Muskelbandes, es entspricht nunmehr einem mehrschichtigen Epithel. Zugleich geben die Fibrillen ihre einschichtige Anordnung auf, es vermehren sich die Schiehten und die Fibrillen erfüllen allmählich das ganze Muskel- band. Die erste dahin führende Vermehrung der kontraktilen Fi- brillen ist bestimmt ein Längszerfall der zuerst gebildeten Fibrillen in eine Gruppe soleher. Die Kerne, welche nach der Vermehrung der Fibrillen zerstreut zwischen diesen liegen, lassen bald eine der- artige Anordnung erkennen, dass man Reihen von ihnen an der Peripherie des Bandes nachweisen kann. Solche Kerne stellen, da die Peripherie des Bandes der Basis des Epithels entspricht, die Kerne der tiefsten Epithellage dar. Im Inneren des Bandes liegen viele weitere, unregelmäßig zerstreute Kerne, welche den oberfläch- lichen Zellenlagen eines mehrschichtigen Epithels homolog sind. Nun vermehren sich lange Zeit hindurch diese inneren Kerne weiter und es findet eine Verdiekung des ganzen Muskelbandes statt, ohne 516 F. Maurer dass darin bestimmte Zonen zu unterscheiden sind. Diese Periode entspricht derjenigen Wachsthumsepoche eines mehrschichtigen Epi- thels, in welcher die Theilungsvorgänge sich wesentlich in den oberflächlichen Zellenlagen abspielen. — Nachdem das Muskelband nun eine Zeit lang auf die geschilderte Weise in die Breite und Dieke gewachsen ist, sehen wir, dass die periphere Kernlage eine größere Selbständigkeit gegen die innere annimmt. Es treten an ihr Mitosen auf. Auch sehen wir, dass die kontraktilen Fibrillen dieser peripheren Schicht sich reichlicher vermehren und eine Zone äußerst dicht zusammengelagerter Fibrillenmassen darstellen. Hier ist zum ersten Mal eine Differenzirung in Zonen angebahnt. Damit beginnt das Stadium, welches die weiteren Wachsthumsvorgänge in der Weise zeigt, wie sie auch späterhin am Muskelbande stets bei- behalten werden. Dies entspricht dem Zustande eines mehrschich- tigen Epithels, in welchem die Vermehrung der Epithelzellen in der. Tiefe stattfindet. Die im Centrum des Bandes gelegenen Fibrillen, welche die innerste Zone darstellen, sind homolog den oberfläch- lichen Zellenlagen eines mehrschichtigen Epithels. Mit der Zunahme der Schichten, ein Vorgang, der an der Peripherie des Bandes statt- findet, wird das letztere verdickt, ganz wie das Dickenwachsthum eines Epithels durch Vermehrung der Elemente in den tiefsten Lagen verursacht wird. Beim Epithel, das stets eine freie Oberfläche be- hält, werden an der letzteren die verbrauchten Elemente stets ab- geworfen, dies verbietet sich am Muskelbande von selbst, hier muss die Ausschaltung verbrauchter Fibrillen durch innere Vorgänge ge- leistet werden, deren Wesen wir zur Zeit nicht kennen. Das peri- phere Wachsthum eines Muskelbandes kann daher nur bei oberfläch- licher Betrachtung den Eindruck eines einfach appositionellen Wachs- thums machen. Wenn wir den Vergleich mit einem mehrschichtigen Epithel durchführen, so stellt sich der Vorgang wesentlich anders dar und wird auch in ganz anderer Weise verständlich. So ergiebt sich nach den vorstehenden Ausführungen die zonenartige Anordnung der kontraktilen Fibrillen im Muskelbande von Ammocoetes als der Ausdruck des Wachs- thumsmodus eines solchen Gebildes und bringt zugleich den mehrschichtigen Charakter des Muskelepithels zur An- schauung. Wenden wir uns nun zur Beurtheilung eines Muskelbandes, wie es uns bei einem ausgewachsenen Individuum von Petromyzon ent- gegentritt. Auch hier bleiben in jedem Bande die Fibrillenzonen Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 517 bestehen. In den Theilen, welche der centralen und den intermedi- ären Zonen vom Muskelband bei Ammocoetes entsprechen, bleiben die gleichen Verhältnisse erhalten. Es kommt höchstens zu Spal- tungen der Fibrillenmassen, zu unregelmäßigen Bündeln, die aber nicht als Homologa von Muskelfasern aufgefasst werden dürfen. Dieselben sind zum Theil sicher Kunstprodukte, zum Theil sind sie wohl durch die Funktion der Gebilde verursacht. Es wird sich nicht immer die ganze Fibrillenmasse eines Bandes zugleich kon- trahiren, sondern einzelne Gruppen nach einander. Dadurch können Fibrillenbezirke gegen die benachbarten eine gewisse Selbständigkeit erhalten, die durch die Mechanik der Bewegung verursacht wird. Die inneren Zonen des Muskelbandes von Petromyzon bestehen aus Massen gleichmäßig angeordneter Fibrillen, zwischen welchen eine große Anzahl von Kernen in regelloser Anordnung allenthalben zer- streut liegen. Betrachten wir aber die periphere Zone eines solchen Bandes, so sind hier weitere Differenzirungen aufgetreten, die im Wesentlichen darin bestehen, dass Bindegewebe ins Innere des Ban- des eindringt und die äußerste Fibrillenzone in eine Anzahl dauernd getrennter Fibrillenbündel zerlegt. Bei Ammocoetes fand sich noch kein Bindegewebe hier eingedrungen, es findet dies Einwachsen dem- nach erst sehr spät statt, wohl gleichzeitig mit der Bildung der oberflichlichsten Fibrillenzone. Weiter ins Innere des Muskelbandes dringt es nieht mehr ein. Es fragt sich, welchen Weg das eindrin- gende Bindegewebe einhält. Von Zellengrenzen ist am Muskelband von vorn herein niehts nachweisbar. Es wird also das Bindegewebe nicht etwa an den Zellgrenzen in Intercellularliicken eindringen, wie es das an anderen Epithelien thut. Auf die letztere Weise dringen z. B. Chromatophoren zwischen die Epithelzellen der Epidermis von Fischen und Amphibien ein, und solche Zellen schieben sich mit ihren Fortsätzen stets zwischen den Epithelzellen weiter. Hier bei den Muskelbändern dringt das Bindegewebe in unregelmäßiger Weise in die Fibrillenmasse ein. Dass es sich nicht um Zellgrenzen han- deln kann, ergiebt sich daraus, dass zwischen zwei solcher Septen, welehe einwachsen, immer eine größere Anzahl von Kernen inmitten der Fibrillen nachweisbar ist. Ferner kommt es zum Ausdruck in der außerordentlichen Ver- schiedenheit des Kalibers der abgegrenzten Fibrillenbezirke. Es handelt sich demnach um ein allseitiges unregelmäßiges Eindringen von Bindegewebe, das in senkrechten Septen sich so weit erstreckt, bis es an der nächsten konsolidirten Fibrillenzone ein Hinder- 518 F. Maurer nis findet. Ist es dahin gelangt, so vereinigen sich die benach- barten Septen unter einander und damit werden die peripheren Fibrillenbündel nicht nur gegen einander, sondern auch gegen die centrale Fibrillenmasse abgeschnürt. Es ist nun hier noch die wichtige Frage zu erörtern, ob die Abgrenzung der Oberfläche eines Muskelbandes gegen das Bindegewebe einfach durch letzteres ge- bildet wird, oder ob hier eine Membran besteht, welche vom Muskel- band selbst geliefert wird. Da das Muskelband durch Faltenbildung an der Basis des Epithels entsteht und durch Vereinigung benach- barter Falten abgeschlossen und selbständig wird, haben wir an der ganzen Oberfläche des Blattes die Basalfläche des Epithels vor uns. Es wird also, wenn hier gegen das Bindegewebe eine abschließende Membran sich bildet, diese die Bedeutung einer Basalmembran des Epithels haben. Nun finde ich thatsächlich, dass bei Ammocoetes an der Peripherie des Muskelbandes ein solches Gebilde besteht. Es tritt als doppeltkontourirter Saum am Schrägschnitte des Bandes auf. Man kann diese Bildung als Sarkolemm des Muskelbandes bezeichnen, das dem letzteren selbst angehört, nicht vom anliegen- den Bindegewebe geliefert wird. Es fragt sich nun, wie sich dieses Gebilde verhält, wenn Bindegewebe ins Innere eines Muskelbandes eindringt. Da jedes der peripheren Fibrillenbündel eines Petromyzon- bandes umgeben ist von einer gleichen solchen Membran, welche nach innen von dem trennenden Bindegewebe liegt, so könnte man annehmen, dass das eindringende Bindegewebe die basale Membran vor sich herdrängt. Die centralen Fibrillenmassen sind nirgends von Bindegewebe durchsetzt und besitzen auch nirgends Sarkolemm. Die Zerklüftungen treten immer im Plasma auf, welches sich zwischen den Fibrillenbündeln findet. Die Oberfläche soleher cen- traler Fibrillenbündel wird auf dem Schnitt direkt von den Fibrillen selbst gebildet. Vergleichen wir damit die Befunde bei Myxine und Bdellostoma, so zeigt sich, dass bei diesen die Muskelbänder ebenfalls abgegrenzt sind, aber ihr Inhalt ist vollkommen zu wirklichen Muskelfasern zertheilt. Auch hier sind an der Peripherie des Bandes Muskel- fasern zu finden, welche eben so gebaut sind, wie die parietalen Fi- brillenbündel bei Petromyzon. Daraus ergiebt sich die Berechtigung diese Gebilde bei Petromyzon wirklich als Muskelfasern aufzufassen. Die peripheren Fasern von Myxine unterscheiden sich von den centralen in Bezug auf die Anordnung der Fibrillen und der Kerne. Von Sarkolemm umgeben sind beide, eben so durch perimysiales Binde- Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen etc. 519 gewebe von einander getrennt. In den peripheren Fasern sind die Fibrillen zu Siiulchen vereinigt, die durch beträchtliche Plasmamassen von einander getrennt werden; die Kerne liegen alle an der Peri- pherie der Faser, der Innenfläche des Sarkolemms an und sind in dem hier befindlichen Plasmamantel eingelagert. Diese wahren Muskelkerne sind theils oval, theils abgeplattet und es finden sich alle Übergänge, so dass sich die wichtige Thatsache ergiebt, dass hier die der Innenfläche des Sarkolemms angeschlossenen Kerne, die man als Sarkolemmkerne auffassen muss, that- sächlich aus Muskelkernen sich bilden. In den centralen Fasern des Muskelbandes sind die Fibrillen gleichmäßig in der ganzen Faser vertheilt, dazwischen liegen überall Kerne, auch im Inneren der Faser und eben so liegen Kerne an der Peripherie der Innenfläche des Sarkolemms an. Diese Sarkolemmakerne sind in keiner Weise von den inneren Muskelkernen verschieden, es sind alles abgeplattete Gebilde. Beziehen wir die hier vorliegenden Verhältnisse auf einen ge- falteten und abgeschnürten mehrschichtigen Epithelbezirk, so sehen wir, dass an diesem ein weiterer Zerklüftungsvorgang eingetreten ist unter dem Eindringen des Bindegewebes bis ins Centrum des Bandes. Damit wird der ganze primäre Epithelbezirk zertheilt in eine große Anzahl sekundärer Bezirke, von welchen jeder wieder für sich eben so einem mehrschichtigen Epithel homolog ist, wie vorher das ganze Muskelband. Es fragt sich nun, wie das Sarko- lemm sich dazu verhält. Wird hier auch von dem eindringenden Bindegewebe die Basalmembran eingeschoben und umhüllt diese dann, wie das Perimysium jeden einzelnen zur Muskelfaser sich aus- bildenden Fibrillenkomplex? Hierfür kann ich keine Beobachtung heranziehen, da ich junge Stadien von Myxine nicht zur Verfügung habe. Wenn ich aber die Befunde beim ausgewachsenen Petromyzon damit vergleiche, so bin ich nieht der Ansicht, dass die Basalmembran vom Bindegewebe überall mit zwischen die Muskelfasern hinein- genommen wird, aus dem Grunde, weil der Bau der centralen und peripheren Muskelfasern hier und dort in Bezug auf die Anordnung der kontraktilen Fibrillen und der Kerne ganz übereinstimmt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie eine basale Membran, welcher die tiefsten Zellen des Epithels angeschlossen bleiben müssten, mit hereingeschoben wird, denn dann müssten Theile von den peripheren Muskelfasern abgelöst werden und dafür fehlt jeder Anhaltspunkt. Ungezwungener erscheint mir die Annahme, dass jede der centralen 520 F. Maurer Muskelfasern sich ihr Sarkolemm selbständig bildet aus ihren Ele- menten. Ich werde späterhin bei Selachiern besonders (Heptanchus) auf diese Frage näher eingehen, weil mir dort die hier fehlenden Entwicklungsstadien zur Verfügung standen. Es ändert die ange- deutete Auffassung der Bildung des Sarkolemms nichts an der Be- urtheilung desselben als epitheliale Basalmembran, denn jede Muskel- faser der Myxine stellt für sich wieder einen kleinen gesonderten mehrschichtigen Epithelbezirk dar, innerhalb dessen auch wieder tiefe und oberflächliche Zellenbezirke unterschieden werden können, und es kann die periphere Zellenlage, welche hier durch die der Oberfläche der Faser zunächst liegenden Kerne mit den zugehörigen nicht zu trennenden Plasmabezirken dargestellt wird, eben sowohl eine basale Membran abscheiden, wie das die peripher angeordneten Zellen des Muskelbandes thaten. Als wichtig bleibt noch hervorzuheben, dass die an der Ober- fläche des Muskelbandes befindlichen peripheren Muskelfasern, welche bei Petromyzon und Myxine nachzuweisen sind, die zuletzt gebildeten Fasern eines jeden Bandbezirkes darstellen und dass diese in Bezug auf die Anordnung der Kerne mit den Muskelfasern der höchsten Wirbelthiere übereinstimmen. Bei beiden finden sich die Kerne nur an der Peripherie der Faser. Übersehen wir nun noch kurz die gesammten Differenzirungsvor- gänge der Muskelelemente bei Cyclostomen, so lässt sich an diesen Formen schon die morphologische Bedeutung der quergestreiften Mus- kelfaser der Wirbelthiere beurtheilen. Den ersten Ausgangspunkt bildet ein einfaches Epithel, das Muskelepithel. Dasselbe legt sich in Falten, wodurch eine Oberflächenvergrößerung seiner basalen Fläche erzielt wird. Längs der Basis werden die ersten kontraktilen Fibrillen differenzirt und je größer die basale Fläche, um so größer auch die Zahl der gebildeten Fibrillen. Die Falten durchschneiden nun das ganze Epithel und indem sie sich über der freien Fläche desselben vereinigen, zertheilen sie dasselbe in bandförmig abgeschlossene Be- zirke, in welchen die Anlagen der Muskelbänder der Petromyzonten gegeben sind. In denselben zeigen sich die kontraktilen Fibrillen zuerst in einer einfachen Lage an der Peripherie des Bandes, welche der basalen Fläche des Epithels entspricht, angeordnet. Im Inneren liegen die Kerne in einfacher Reihe inmitten des reichlichen Plasma. Nunmehr findet eine Vermehrung der Fibrillen sowohl als der Kerne statt, welehe beide ihre Anordnung in einfacher Lage aufgeben und das ganze Innere des Bandes erfüllen, allenthalben von spärlichem ee Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen etc. 521 Plasma umgeben. Die Kerne liegen dabei unregelmäßig vertheilt zwi- schen den Fibrillen, zum Theil finden sie sich auch an der Peripherie des Bandes. Entsprach das Muskelband in seinem ersten Zustande einem durch zwei Falten begrenzten und dann abgeschlossenen ein- schichtigen Epithelbezirk, so ist es im letztgeschilderten Zustande einem eben solchen mehrschichtigen Bezirke vergleichbar. An dem zuletzt beschriebenen Muskelbande kommt es dadurch zur Komplikation, dass unter der Weiterbildung junger Fibrillen an der Oberfläche des Bandes zonenartig um einander gelagerte Fibrillenbezirke unter- scheidbar werden, wodurch die Art des Wachsthums zum Ausdruck kommt. Das ganze Muskelband ist umgeben von einer strukturlosen Membran, dem Bandsarkolemm, welches die Bedeutung der Basal- membran eines Epithels hat. Bis hierher war die Differenzirung eines Muskelbandes beschränkt auf Vorgänge am Muskelepithel selbst, das umgebende Bindegewebe spielte keine aktive Rolle dabei. Nun tritt das umgebende Bindegewebe zu dem Muskelband in nähere Beziehung, indem es aktiv in dasselbe eindringt. Dies wird in geringem Grade ausgeführt bei Petromyzon. Es scheint dies ge- rade zur Zeit der Metamorphose des Ammocoetes zur Petromyzon- form vor sich zu gehen. Leider hatte ich keine Stadien zur Hand, bei welchen die Art und Weise des Eindringens von Bindegewebe in die Muskelbänder nachweisbar war. Es sind hier zwei Möglich- keiten denkbar. Entweder es dringt das Bindegewebe aktiv zwischen die gebildeten Fibrillen von der Peripherie eines Bandes aus ein, oder es findet die Anbildung der Fibrillen an der Oberfläche des Bandes nicht ganz gleichmäßig statt, so dass sie das umhüllende Bindegewebe gleichmäßig zurückdrängen, sondern die Anbildung erfolgt in einzelnen dicht zusammenliegenden Längsstreifen, und nur an diesen wird das umgebende Bindegewebe vorgebuchtet, zwischen den Streifen bleibt es als die letzteren trennende Septen bestehen. Im ersteren Falle geht das Bindegewebe aktiv vor, im letzteren Falle spielt es eine passive Rolle und die Muskelelemente nehmen die Initiative an diesem Vorgange. Dass das Bindegewebe eine gewisse aktive Rolle spielen muss, ergiebt sich aus dem Abschluss der peripher angeordneten Muskel- fibrillenbündel gegen die centrale Fibrillenmasse. Hier muss das Bindegewebe zwischen die Fibrillen eindringen, um die vollkommene Abschnürung herbeizuführen. Mag nun dieser Vorgang im Specielleren sich verhalten wie er wolle, nach seinem Ablauf sehen wir, dass bei Petromyzon fibrilläres Bindegewebe ins Innere des Muskelbandes Morpholog. Jahrbuch. 21. 34 522 F. Maurer von der Peripherie her eingedrungen ist, sich aber nur auf die äußerste Fibrillenlage beschränkt. Es wird die äußere strukturlose Hülle des Bandes, die als Basalmembran bezeichnet wurde, vom Bindegewebe mit eingedrängt und umhüllt innerhalb desselben jedes abgegrenzte Muskelfibrillenbündel. Dadurch wird an der Oberfläche des Bandes eine Lage wirklicher mit Sarkolemm umgebener und durch Perimysium von einander getrennter Muskelfasern gebildet, während das ganze Innere des Bandes im Übrigen von gleichmäßig angeordneten Massen kontraktiler Fibrillen gebildet wird, zwischen welchen zahlreiche Muskelkerne unregelmäßig vertheilt liegen. Kommt es an diesen Fibrillenmassen zu Zerklüftungen, so müssen diese zum Theil als Kunstprodukte betrachtet werden, zum Theil stellen sich in solchen angedeuteten Bündeln wohl zusammenwirkende Fibrillen- gruppen dar. Doch dürfen wir solche Gebilde niemals als Muskel- fasern auffassen, es sind viel zu unregelmäßige Bildungen. Stellt somit ein Muskelband von Ammocoetes einen ab- seschnürten selbständig gewordenen Epithelbezirk erster Ordnung dar, so können wir eine Muskelfaser als eine durch Zerlegung dieses Bezirks unter dem Einflusse eindringen- den Bindegewebes entstandenen kleineren Epithelbezirk zweiter Ordnung auffassen. Diese Zerlegung findet von der Peripherie aus statt und beschränkt sich bei Petromy- zon auf diese Zone, so dass im Inneren eines Petromyzon- bandes noch unzerlegte Fibrillenmassen des Bandes in ihrem ursprünglichen Zustande erhalten bleiben. Bei Myxine ist der Vorgang weiter gediehen und es wird der ganze Inhalt des Muskelbandes in Bündel zerlegt, welche wirkliche Mus- kelfasern darstellen. Jede dieser Faser stellt einen kleinen mehrschichtigen Epithelbezirk dar, an dessen Oberfläche die basalen, in dessen Innerem die oberflächlichen Zellen, durch Kerne nachweisbar, angeordnet sind. Die Plasmamasse ist ein- heitlich und von kontraktilen Fibrillen erfüllt. An der Ober- fläche bildet sieh eine strukturlose Membran, das Sarko- lemm, das den Werth einer Basalmembran hat. In den zuletzt gebildeten Muskelfasern, den peripheren Fasern eines Bandbezirks bei Petromyzon und Myxine bleiben nur die oberflächlichen, also den basalen Zellen angehörigen Muskelkerne als Sarkolemmakerne erhalten, wodurch wie- der die größere Bedeutung der basalen Zellschicht im Epi- Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen etc. 523 thel gegenüber den oberflächlichen Lagen zum Ausdruck kommt. Können wir somit von den Cyclostomen aus den morphologi- schen Werth einer quergestreiften Muskelfaser beurtheilen, so zeigen doch die höheren Formen so viele Variationen in der speciellen Bildungsweise gerade der ersten Muskelfasern, dass es nothwendig erscheint, die dort bestehenden Zustände genauer zu prüfen, bevor ein sicheres Urtheil abgegeben werden kann. An die Cyclostomen würden sich naturgemäß die Selachier als die im Ganzen primitivste Wirbelthiergruppe anreihen. Dieselben zeigen aber gerade in Bezug auf die erste histologische Differenzirung ihrer Muskulatur ein viel mehr vom ursprünglichen Zustande abweichendes Verhalten, als andere Fischformen. Wenn ich im Hinblick darauf die Ganoiden zunächst an die Cyelostomen anreihe, so ist es selbstverständlich, dass ich nicht etwa darum die Ganoiden für primitiver gebaute Wirbelthiere halte, als die Selachier, sie zeigen nur in Bezug auf die Anlage der Körpermuskulatur einfachere Zustände. Es kommt auch darin wieder zum Ausdruck, dass von verschiedenen Organis- men nicht der eine der in jeder Beziehung höher stehende ist, son- dern dass in einem Organismus neben sehr weit fortgeschrittenen hoch differenzirten Zuständen in gewissen Organsystemen, in anderen solehen ein primitives Verhalten besteht und so zeigt der Stir auch unbeschadet seiner im Übrigen höher stehenden Differenzirung gerade in Bezug auf die Entwicklung seiner Muskulatur doch einen primi- tiveren Zustand als die Selachier. Ganoiden. Es standen mir durch die Güte des Herrn Professor KÜKENTHAL in Jena einige Exemplare von jungen Larven von Acipenser sturio, deren Körperlänge 7 mm betrug, zur Verfügung. Dieselben wurden theils in Querschnitte, theils in horizontale Längschnittserien zerlegt. Das Entoderm bestand noch aus reichlich mit Dotterblättchen er- füllten Zellen. Die Anlage der Muskulatur zeigte hier ein ganz anderes Bild, wie bei den Embryonen aller übrigen Wirbelthier- gruppen. Über die Acipenserlarve liegen in dieser Beziehung schon die Angaben von BALFOUR vor. Dieselben sind auch durch eine Abbildung veranschaulicht. Dort handelt es sich um eine etwas Jüngere Larve, als das mir vorliegende Exemplar. Es ist eine Larve von 5 mm Länge. An einem Querschnitt durch die Magenregion er- 34* 524 F. Maurer kennt man, dass die Muskelplatte sich in ihrer Ausdehnung noch auf die dorsale Körperhälfte beschränkt, eine ventrale Muskulatur ist noch nicht gebildet. Die dorsal angeordnete Muskulatur ist derart aus zwei Lagen von Muskelröhren zusammengesetzt, dass BALFOUR daraus schließt, es sei sowohl die mediale als auch die laterale Urwirbellamelle zu Muskelelementen differenzirt worden. Diese Ele- mente sind in beiden Lamellen vollkommen gleich. Nach der Ab- bildung stellen sie Röhren dar mit ovalem Querschnitt. Die kon- traktilen Fibrillen sind in einfacher oberflächlicher Lage röhrenförmig angeordnet, central liegt der Kern mit Plasma umgeben. Ein Sarko- lemmaschlauch fehlt den einzelnen Muskelröhren. Die Art und Weise der Entwicklung des Bindegewebes, das bekanntlich zum Theil aus dem lateralen Urwirbelblatt sich entwickelt, war zur Zeit, als BAL- FOUR diese Angaben machte, noch nicht bekannt. An den mir vorliegenden Querschnitten durch die Magengegend eines 7 mm langen Embryo von Acipenser sturio (Taf. XV Fig. 16) finde ich, dass allenthalben im Körper das Bindegewebe schon ent- wickelt ist. Es finden sich embryonale Bindegewebszellen um die ganze Cirkumferenz des Medullarrohrs und eben so um die Chorda. Der Epidermis liegt eine Lage platter Zellen an, die Anlage der Cutis. Diese letzteren stellen aber nicht allein das dermale Binde- gewebe dar, sondern zwischen ihnen und der lateralen Muskellamelle sind zahlreiche verästelte Bindegewebszellen nachweisbar. Auch von den Parietalplatten aus hat sich bereits Bindegewebe entwickelt. Die Rumpfmuskulatur ist in voluminöser Ausbildung ihrer Elemente auf die dorsale Körperhälfte beschränkt. Es sind aller- dings schon ventrale Myotomfortsätze als Anlage der ventralen Rumpfmuskulatur gebildet, an diesen ist es aber noch nicht zur Differenzirung von Muskelfasern gekommen. Die Muskelmasse dorsal, ' zu beiden Seiten der Chorda und des Medullarrohrs angeordnet, ist zweischichtig und in beiden Schichten, die man als mediale und laterale unterscheiden kann, verhalten sich die Elemente in charak- teristischer Weise verschieden. Dorsal und ventral gehen die Ele- mente beider Lagen in einander über. Die mediale Lamelle besteht aus sehr breiten Muskelbändern, welche gegen das Medullarrohr, resp. die Chorda eben so wie gegen die laterale Muskellage abge- rundet und scharf abgegrenzt sind. An jedem solchen Bande kann man eine dorsale und ventrale Fläche und eine laterale und mediale Kante, eben so wie am Muskelband der Cyelostomen unterscheiden. Die kontraktilen Fibrillen beschränken sich auf die Peripherie eines Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen etc. 525 jeden solchen Gebildes. Sie sind in manchen Bändern in einfacher Lage einer dorsalen und ventralen, zuweilen auch in mehrfachen Schichten angeordnet. An der lateralen und medialen Kante verhalten sich die Fibrillen verschieden. Zuweilen sind sie an einer der beiden Kanten kontinuirlich ausgebildet, derart, dass sie von der dorsalen in die ventrale Lage direkt übergehen. Auch an beiden Kanten kommt dies Verhalten vor, so dass der Fibrillenmantel jedes Muskel- bandes ein allseitig geschlossener ist. Im Inneren jedes Bandes befindet sich indifferentes Plasma mit Kernen und zwar findet man auf jedem Querschnitt 2—3 Kerne, so dass ein Muskelband in diesem Stadium sicher nicht einer einfachen Zelle entspricht. Vergleicht man Längs- scbnitte damit, so findet man, dass in jedem Muskelblatt auch Längs- reihen von Kernen bestehen und zwar 3—5 in jedem solchen Ge- bilde. Bei den meisten Muskelbändern verhalten sich laterale und mediale Kante verschieden. Häufig ist medial das Muskelband gleichsam geöffnet, d. h. die dorsale und ventrale ‚Fibrillenreihe biegen nicht in einander um, sondern jede hört allmählich, indem die Fibrillen immer feiner werden, auf, die centrale Plasmamasse quillt aber an der medialen Kante in beträchtlicher Menge vor und hier sind derselben gleichfalls Kerne in einer Längsreihe eingelagert. Dass dieser Befund kein Kunstprodukt ist, ergiebt sich erstens aus dem ‘geschilderten Verhalten der kontraktilen Fibrillen, ferner aus der Lage der so beschaffenen Muskelbänder. Die letztere giebt uns zugleich ein Urtheil über die Bedeutung dieses Offenseins des Fibrillen- mantels. Man findet nämlich diesen Zustand an der medialen Kante der Muskelbänder, welche der Chorda anliegen, am häufigsten und hier liegen die zuerst gebildeten, also ältesten solcher Gebilde. Dorsal und ventral von ihnen findet sich bei jüngeren Bändern an der medialen Kante die Fibrillenschieht geschlossen. Wir müssen demnach in der Eröffnung des Bandes und dem Vorquellen des Plasmas /den Ausdruck des Breitenwachsthums am ganzen Bande erblicken. Hier findet sich eine Wachsthumsstelle, an welcher unter Vermehrung des Plasma auch zugleich eine Weiterbildung junger Fibrillen stattfindet. An manchen Muskelbändern findet sich ein ähnliches Verhalten an der lateralen Kante. Auf das Verhalten hier bleibt später einzugehen, da diese Kante mit den Elementen der lateralen Muskellage in Beziehung steht. Findet sich die mediale Muskellamelle aus breiten Muskelbändern zusammengesetzt, so sehen wir die laterale Lamelle aus drehrunden Muskelröhren bestehen, die einen peripheren einfachen Fibrillenmantel 526 F. Maurer mit centralem Plasma und Kernen enthalten. Letztere sind, wie sich aus Längsschnitten ergiebt, in einfacher Längsreihe, meist 6—10 hinter einander angeordnet. Sowohl die lateralen Muskelröhren als die medialen Muskel- bänder entbehren eines Sarkolemms, sie sind nackt. Zwischen den Muskelbändern ist keinerlei Stützlamelle oder Bindegewebszellen nach- weisbar, vielmehr liegen hier die Plasmakörper der benachbarten Gebilde unmittelbar an einander. Das Verhalten auf Fig. 16, das die Muskelbänder aus einander gelöst darstellt, ist als Kunstprodukt aufzufassen. Die kontraktilen Fibrillen zeigen deutliche Querstrei- fung, sind im Querschnitt, da wo sie in den ältest gebildeten Bändern in einfacher Schicht liegen, lanzettförmig, wo sie in mehr- fachen Schichten sich finden, eben so wie in den lateralen Muskel- röhren punktförmig, stellen demnach theils drehrunde feine Fibrillen theils feine Bänder dar. Betrachten wir die dorsalen und ventralen Kanten der Gesammt- muskelmasse, so finden wir, dass hier die lateralen und medialen Elemente zusammenhängen. Taf. XV Fig. 19 stellt das dorsale Ende der Muskelmasse aus einem Körperquerschnitte dar. Hier treten Unregelmäßigkeiten an den Muskelbändern auf, deren Bedeutung wir bei der Beurtheilung des morphologischen Werthes eines sol- chen Gebildes besprechen wollen. Zwischen den medialen Muskelbändern und den lateralen Mus- kelröhren treten eigenthümliche große Zellen mit verästelten Fort- sätzen auf, die sich besonders häufig der lateralen Kante der Muskelbänder anlagern. Man findet sie zwischen den lateralen Mus- kelröhren auf und sie gleichen vollkommen den embryonalen Binde- gewebszellen, welche die Anlage der Lederhaut darstellen. Es sind dies offenbar Bindegewebszellen, welche die erste Anlage des inneren Perimysium bilden, sie dringen hier von der lateralen Seite her zwischen die Muskelelemente ein. Auf den ersten Blick erscheint es ganz selbstverständlich, dass die beiden geschilderten Lagen der Muskelelemente, Muskelbänder und Muskelröhren aus den beiden Lamellen des Urwirbels und zwar die Muskelbänder aus der medialen, die Röhren aus der lateralen Urwirbellamelle sich gebildet haben, wie es BALFOUR auch ge- schildert hat. Ich war auch lange Zeit dieser Ansicht und suchte mir das Zustandekommen der beiden Lagen eben so zu erklären, wie bei Forellen und Amphibienembryonen, wo von der dorsalen und ventralen Urwirbelkante die Fasern herab- resp. heraufrückend sich Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 527 ausbildeten. Durch verschiedene Verhältnisse aber erkannte ich als unzweifelhaft, dass ein großer Theil der lateralen Muskelröhren sicherlich aus den medialen Muskelblättern durch Abspaltung hervor- gehen. Drei Punkte sind es, die darauf hinweisen: Erstens erkennt man, dass an der dorsalen Kante der Muskelplatten nicht nur die beiden Muskellamellen fest zusammenhängen, sondern, dass sie auch zusammen lateralwärts umbiegend in eine äußere Zellenlage über- gehen, die nur 6—8 Zellen weit ventralwärts eine geschlossene Schicht darstellt, dann aber zu embryonalen Bindegewebselementen, eben dem dermalen Bindegewebe sich auflöst. Diese laterale Lamelle verhält sich demnach genau, wie das Cutisblatt des Urwirbels bei anderen Wirbelthieren, wie dies häufig geschildert wurde. Diese Thatsache spricht nun vielleicht nicht unbedingt für die Ableitung der lateralen Muskellamelle aus der medialen Urwirbelschicht, weil dagegen angenommen werden kann, dass die laterale Urwirbel- lamelle sich in zwei Lagen differenzirt, von welchen eine oberfläch- liche sich zu Bindegewebe auflöst, während eine tiefe sich zu Muskelfasern differenzirt. Dieser Vorgang ist aber nirgends genau beschrieben worden und von Acipenser liegen speciell hierüber keine Angaben vor. Bei höheren Formen wurden von KOLLMANN und Kästner derartige Angaben gemacht, worauf ich bei den betreffen- den Gruppen zurückkomme. Die zweite Thatsache, welche auf eine Ableitung der lateralen Muskellage aus der medialen Urwirbellamelle hinweist, ist die, dass am ventralen Ende der Muskelplatte die beiden Muskelschichten des Stör in die mediale Lamelle des hier schon bestehenden ven- tralen Myotomfortsatzes übergehen (Taf. XV Fig. 20). Der letztere bildet die Anlage der ventralen Rumpfmuskulatur und lässt zwei Lamellen unterscheiden, eine mediale, in welcher, wie gesagt, die beiden Muskellamellen sich vereinigen und eine laterale, die eine Strecke weit dorsalwärts aus indifferenten Zellen besteht, dann aber eben so, wie die oben erwähnte laterale Lamelle der dorsalen Ur- wirbelkante allmählich sich in die Zellen des Cutisbindegewebes auflöst. Auch an der medialen Lamelle des ventralen Urwirbel- fortsatzes ist es hier nieht zur Ausbildung von kontraktilen Fibrillen gekommen. Die dritte Thatsache, die ganz unwiderleglich die Ableitung zahlreicher Elemente der lateralen Muskellamelle aus der medialen erweist, und uns zugleich zeigt, auf welche Weise ihre Bildung erfolgt, zeigt sich an mehreren Querschnitten, welche durch die hintere Rumpfhälfte des Embryo gelegt wurden. Auch hier 528 F. Maurer findet man die beiden Muskellamellen, die mediale aus Bändern, die laterale aus Röhren bestehend. Die laterale Lamelle ist aber nicht kontinuirlich gleichartig, sondern sie zeigt sich vielfach unterbrochen, dadurch, dass die Muskelbänder der medialen Muskellage mit ihren lateralen Kanten zwischen den Röhren sich hindurch erstreckt. Diese lateralen Kanten zeigen dann ein Verhalten, wie ich es oben schon von einigen Muskelbändern an der medialen Kante geschildert habe, es besteht aber hier in viel ausgedehnterem Maße (vgl. Taf. XV Fig. 18). Die dorsale Fibrillenreihe biegt auch hier an der late- ralen Kante nicht in die ventrale Reihe eines Muskelbandes um, sondern das centrale Plasma ist nach Durchbrechung des Fibrillen- mantels weit hervorgequollen und es schiebt sich dieser noch fibrillenlose Theil des Muskelblattes zwischen die Muskelröhren der lateralen Muskellamelle ein. Auf Längsschnitten erkennt man, dass in diesem lateralen Theil des Muskelbandes eine große Anzahl von Kernen in einer Längsreihe angeordnet ist, es liegen oft 10—12 ovale Kerne hier dicht hinter einander. Die Bedeutung dieser late- ralen Kante ist offenbar die einer Wachsthumsstelle des Muskelbandes. Es kommt aber hier thatsächlich zur Abspaltung von Muskelröhren, wie sich aufs klarste aus Bildern ergiebt, wie ich eines bei a Fig. 18 dargestellt habe: man sieht das Muskelblatt mit einem dünnen Fort- satz in eine laterale Röhre übergehen. Hier hat man also den Vorgang der Abspaltung lateraler Röhren von dem medialen Bande direkt vor Augen. Solche Bilder findet man sehr zahlreich. Geht man nun noch weiter nach hinten, in den Schwanz des Embryo, so erkennt man, wie die medialen Muskelblätter an Breite abnehmen und das ganze Aussehen des Urwirbels ändert sich. Man kann zu- erst drei Lamellen unterscheiden, zwei mediale Muskellamellen und ein laterales Cutisblatt. Die beiden Muskellamellen hängen kon- inuirlich zusammen und biegen gemeinsam dorsal und ventral in das laterale Urwirbelblatt um. Noch weiter hinten hört dann die Sonderung der Muskellamelle in zwei Schichten ganz auf, es be- stehen auch nicht mehr regelmäßige Muskelbänder, sondern die breite mediale Urwirbellamelle zeigt sich als einheitliche Plasmamasse mit zahlreichen Kernen, und in diese Masse schneiden von der medialen Grenze, welche gegen die Chorda gelegen ist, leichte Einschnitte her- ein, welche aber nicht die ganze Dicke der Schicht durchschneiden. Am hintersten Schwanzende finde ich in diesem Stadium im dor- salen und ventralen Schwanzsaum schon Bindegewebe entwickelt, das eben so das Medullarrohr, die Chorda und die unter letzterer ver- Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 529 laufenden Gefäße umspinnt und aus verästelten Zellen besteht. Seit- lich von der Chorda liegen die Myotome jederseits, welche zwei Lagen ganz abgeplatteter Zellen erkennen lassen, die dorsal und ventral in einander umbiegen. Hier ist demnach das Muskelblatt, noch aus ge- sonderten kleinen Zellen zusammengesetzt, ein einfaches Epithel, eben so wie das Cutisblatt. Wir kommen hiermit auf die wichtige Frage, wie sich die erste Bildung der Rumpfmuskulatur beim Stér vollzieht, in welcher Beziehung die Muskelbänder zu einfachen Zellen stehen. Diese Frage erscheint auf den ersten Blick ohne jüngere Stadien nicht zu beantworten. Und doch sind es drei verschiedene Punkte, welche uns auch in dem vorliegenden Stadium ein Urtheil über die erste Bildungsweise der Muskelelemente verschaffen. Dies sind erstens die Punkte, wo im einzelnen Muskelsegment die Anbil- dung junger Elemente sich fortwährend vollzieht, und das zeigt sich am dorsalen und am ventralen Ende des Myotoms. Zweitens ist ein solcher Punkt geboten am Schwanzende des Embryo, wo die Diffe- renzirung der letztgebildeten Urwirbel in diesem Stadium noch statt- findet. Noch viel klarer aber zeigt es sich uns an der bereits weiter gebildeten Rumpfmuskulatur. Beim Durchmustern der Serie fand ich nämlich bald, dass das Verhalten der Muskelbänder durchaus nicht überall so gleichartig sich darstellte, wie es z. B. auf dem Schnitt, welcher der Fig. 16 zu Grunde liegt, sich zeigt. Und gerade die Arten der Unregelmäßigkeiten in der Ausbildung dieser kontraktilen Elemente geben uns den Schlüssel zu ihrer Bildungsweise. Ich wähle dies darum zum Ausgangspunkt, weil hier bei größeren Ver- hältnissen die Befunde viel klarer hervortreten, als an den genann- ten Bildungsstätten. Dort liegen die Theile so eng zusammenge- drängt, dass man aus den Bildern nicht immer ein sicheres Urtheil gewinnt. Was man aber erkennt, stimmt völlig mit den aus älteren Muskelbändern zu schildernden Ergebnissen überein. Ich verweise hierüber auf die Figg. 17, 18 u. 19 (Taf. XV). Fig. 17 stammt aus der Mitte der Muskelmasse eines Querschnittes, etwas näher dem dorsalen Ende, bei = der Fig. 16 aber aus einem hinteren Schnitte entnom- men. Man erkennt die Elemente der medialen und lateralen Muskel- lamelle. Erstere sind lang ausgezogene Bänder, letztere drehrunde Röhren. Die beiden Lamellen sind dicht zusammengeschlossen. Von der lateralen Oberfläche (la) dringen verästelte Bindegewebszellen zwischen die Elemente ein, umspinnen die lateralen Muskelröhren und dringen gegen die medialen Bänder vor. Auch zwischen letztere beginnen sie schon einzudringen. Es sind dies die schon oben ge- 530 F. Maurer schilderten Bindegewebszellen aus der lateralen Urwirbelschicht, welche hier einwandern und die Anlage des inneren Perimysium bilden. Betrachten wir die Muskelbänder der medialen Schicht, so finden wir charakteristische Unregelmäßigkeiten. Am oberen Ende der Fig. 17 sehen wir, dass vier neben einander gelegene Muskel- bänder nicht völlig von einander getrennt sind, sondern gegen die laterale Schicht zu in eine einheitliche Plasmamasse übergehen, so dass sie hier kontinuirlich zusammenhängen. Weiter unten sehen wir, dass drei benachbarte Bänder in noch ausgedehnterer Weise zusammenhängen. Die Bänder sind gesondert durch Einschnitte, welche von der medialen Kante her lateralwärts einschneiden. Wäh- rend diese Einschnitte an den vier oben abgebildeten Bändern eine beträchtliche Tiefe besitzen, so dass die gemeinsame Plasmamasse, in welcher sie sich lateralwärts vereinigen, nur ein geringes Volumen besitzt, sehen wir bei z, dass neben einem tiefen Einschnitt ein eben soleher nur ganz wenig eingreifender besteht. Hier ist die Sonderung von zwei Muskelbändern nur eben angedeutet. Längs der Einschnitte sind, wie an der ganzen Oberfläche der Bänder, kon- traktile Fibrillen in einfacher Lage ausgebildet. Die laterale Plasma- masse zeigt keine Fibrillen. Dieser Befund lässt zwei verschiedene Deutungen zu: Entweder stellen diese unvollkommenen Sonderungen einen primären Zusammenhang von Theilen dar, welche an anderen Stellen sich schon völlig durchgetheilt haben, oder aber sie sind das Produkt einer Verschmelzung ursprünglich getrennter Gebilde. Ich muss die erstere Auffassung für die richtige halten, aus folgenden Gründen: Zunächst ist die Anordnung der kontraktilen Fibrillen wichtig. Sie finden sich immer nur an der Oberfläche der Bänder und längs der Einschnitte. Sie folgen auch bei « nur der kaum ein- “ schneidenden Falte. Weiter lateral sind keine Fibrillen entwickelt. Dies widerlegt die Auffassung einer sekundären Verschmelzung zu einer Zeit, wo schon Fibrillen gebildet waren, denn sonst müssten solche Fibrillen hier auch inmitten des Plasma liegen. Es handelt sich hier überhaupt nur um die Zeit, wo schon Fibrillen gebildet werden, denn vorher haben wir an der medialen Urwirbellamelle eine eben solche einfache Epithellage vor uns wie in der lateralen. In dieser Zeit sind auch die Zellen deutlich gegen einander abgegrenzt. Von diesem Zustand, den man leicht bei allen Wirbelthierembryonen nachweisen kann und der auch bei Acipenser an hinteren Segmenten besteht, sehe ich hier ab. An ihn schließt sich wohl, entsprechend Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 531 den Verhältnissen bei Petromyzon, ein Zustand an, in welchem das Epithel mehrschichtig wird, während die Plasmakörper der Zellen vereinigt bleiben. Nun bilden sich von der Basis her Einkerbungen des Epithels, und diese Falten durchschneiden nicht die ganze Dicke des Epithels. In diesem Falle haben wir es, wie bei z auf Eig. 17, mit einem unvollkommenen Zertheilungsvorgang von Theilen zu thun, die primär zusammenhingen. — Ferner muss hervorgehoben werden, dass der angezeichnete laterale Zusammenhang benach- barter Muskelbänder stets durch die ganze Länge eines Muskel- segmentes verfolgbar ist. So ist z. B. das in Fig. 17 angezeichnete Bild an zehn hinter einander folgenden Schnitten nachweisbar, die gerade dies Segment zusammensetzen. Ich fand es auch nirgends anders. Bei späteren Verschmelzungen schon gesonderter Muskel- blätter müssten sich doch sicher unregelmäßigere Befunde ergeben, welche etwa nur streckenweise Vereinigung zeigten. Das zweit- unterste Muskelband auf Fig. 17 zeigt ebenfalls Unregelmäßigkeiten, welche aber, da es sich um eine beträchtliche Verdickung an der lateralen Kante handelt, wohl als intensives Wachsthum an dieser Stelle gedeutet werden muss. Auch am unteren Ende der Fig. 18 sieht man ein unvollkommen getheiltes Muskelband. Hingegen zeigt sich oben ein sehr voluminöses Gebilde im Querschnitt, welches etwa der Masse von drei bis vier Muskelbändern entspricht. Hier zeigen sich die kontraktilen Fibrillen erstens an der Oberfläche links in einfacher Lage, rechts schon in drei bis vier Lagen über einander, und ferner zeigen sich spärliche Fibrillengruppen im Inneren des Plasma, als Beweis, dass nun die Vermehrung der Fibrillen auch ohne Faltungsvorgänge der Basis inmitten des Plasma stattfinden kann. Dass die im Inneren des Plasma befindlichen Fibrillen von der peripheren Lage aus sich bildeten, erhellt aus ihrem Zusammen- hang mit diesen oberflächlichen Lagen beiderseits. Dies Gebilde ist offenbar so entstanden, dass an einem größeren Muskelepithelbezirk eine Faltenbildung überhaupt nicht erfolgt ist, während sie an den vorhin geschilderten Gebilden zwar eingetreten ist, aber nicht zu vollkommenem lateralen Durchschneiden weitergeführt wurde, wie Letzteres in der Regel eintritt. Aus diesen angeführten und abge- bildeten Unregelmäßigkeiten ziehe ich den Schluss, dass die Muskel- bänder durch einen Sonderungsprocess aus einer einheitlichen Ge- websmasse entstehen. Dieser Process wird durch Falten verursacht, welche von der medialen Fläche des Urwirbels her eindringen. Treten die Falten ungleichmäßig auf, so wird die Zertheilung eine 532 | F. Maurer unregelmäßige sein. Nun wissen wir aber, dass der erste Ausgangs- punkt zur Entwicklung der Muskelbänder in der medialen Urwirbel- lamelle ein Epithel darstellt. Die Basis dieses Epithels ist medial- wärts gegen die Chorda gerichtet. Die hier einspringenden Falten sind also als basale Faltungen einer weiter wachsenden Epithellamelle aufzufassen. Bei dieser Art des Wachsthums wird eine enorme Ober- flächenvergrößerung der epithelialen Basis erzielt, welche für die Differenzirung kontraktiler Fibrillen von großer Bedeutung ist. Es reiht sich demnach dieser Zustand zwanglos an die jüngeren Stadien von Petromyzon an, wie ein solches auf Fig. 2 abgebildet ist. — Auch über die Art und Weise der Bildung der lateralen Muskel- röhren giebt uns Fig. 17 Aufschluss. Man erkennt rechts den Vor- gang der Abschnürung dieser Gebilde von den medialen Muskel- réhren, worauf ich oben schon hingewiesen habe. Auch hier ist zu bemerken, dass sich diese Zustände durch alle Schnitte verfolgen lassen, welche ein Muskelsegment zusammensetzen. Die zweite Röhre von rechts ist noch durch einen feinen Faden mit dem Muskelblatt verbunden. Rechts davon hat sich eine Röhre gerade abgelöst, sendet aber noch eine scharfe Kante, welche auf dem Schnitt wie ein spitzer Fortsatz erscheint, einem gleichen Gebilde des Muskel- blattes entgegen. Links von diesen beiden Blättern erkennt man, wie ein Muskelblatt seine protoplasmatische laterale Kante zwischen die Muskelröhren einschiebt. Wir haben hier das erste Stadium von der Bildung einer lateralen Muskelröhre vor uns, wobei noch nicht einmal kontraktile Fibrillen in dieser Anlage gebildet sind. Die Muskelröhren, welche in Fig. 17 abgebildet sind, besitzen meist noch scharfe Kanten gegen die medialen Muskelbänder hin, als Rest des früheren Zusammenhangs mit denselben. Ferner sieht man an vielen Stellen, dass zwischen Muskelbändern und Muskelröhren noch Röhren von beträchtlich kleinerem Kaliber liegen. Auch diese sind häufig noch in Zusammenhang mit den medialen Muskelblättern, z. B. | Fig. 17 oben bei db. Diese Gebilde stellen offenbar eine zweite Generation von Muskelröhren dar, welche ebenfalls aus dem Muskel- blatt sich ablösen. Von großer Bedeutung erscheint mir, dass zwi- schen den benachbarten Muskelblättern keinerlei Stützlamelle oder Bindegewebe nachweisbar ist. Daraus ergiebt sich, dass die Initia- tive des Faltungsprocesses im Epithel selbst zu suchen ist und nicht durch einwachsendes Bindegewebe bedingt ist. Bei dem Abschnü- rungsprocess der Röhren an der lateralen Kante der Bänder scheint hingegen das Bindegewebe doch eine Rolle zu spielen. Man findet ~~ s — =~ Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 533 wenigstens hier überall Bindegewebszellen zwischen den Röhren an- geordnet, und wenn man bedenkt, dass an den lateralen Kanten der Muskelbänder sich weiches Plasma findet, so ist eine Zerlegung dieser Theile durch aktives Eindringen von Bindegewebszellen durch- aus wahrscheinlich (vgl. Fig. 17 und 18). Vergleichen wir alle diese Befunde an den Muskelelementen mit dem Zustand, wie er uns an der dorsalen Kante eines Myomers ent- gegentritt, so wird die gegebene Auffassung von der Bildung der Muskelelemente hier theils bestätigt, theils erweitert. Fig. 19 stellt diese Befunde dar. Bestätigt wird die Auffassung des Hervorgehens der Muskelbänder aus Faltungen des Muskelepithels. Denn hier sieht man klar und deutlich, wie die Falten in die Gewebsmasse eindringen, dieselbe aber nicht ganz durchschneiden. Lateralwärts, d.h. da, wo die einfachen Falten aufhören, findet sich aber nicht eine einheitliche, nicht weiter differenzirte Plasmamasse, sondern hier sieht man Zertheilungen der kernreichen Masse noch weiter gehen, und zwar sind die trennenden Spalten, die hier auftreten, meist in Zusammenhang mit den großen primären Falten nachzu- weisen. Diese Falten werden unregelmäßig und durchschneiden das Muskelepithelgewebe nach verschiedenen Richtungen derart, dass sie Röhren verschiedenen Kalibers abgrenzen. Solche Zerschnürung kann man, wenn man in den ersten Falten primäre Theilungen sieht, als sekundäre Falten bezeichnen. Das gleiche Material, welches an älteren Stellen nur durch einfache Falten in Bänder zerlegt wird, wird hier durch Bildung sekundärer Falten in kleinere Epithelbe- zirke, Muskelröhren von vorn herein zertheilt. Bei diesem Vorgang spielt das Bindegewebe keine Rolle, sondern die Initiative des Vor- gangs liegt ganz und gar im Muskelepithel. Man hat sich hier die Frage vorzulegen, ob die angegebenen Grenzen nicht einfachen Zell- grenzen entsprechen. Dies führt uns zugleich auf die Frage der Herkunft dieser dorsal angebildeten Muskelelemente. Auf Quer- schnitten, wie Fig. 19 ihn giebt, ist das nicht zu entscheiden. Man - erkennt hier bald einen Kern inmitten eines polygonalen Feldes, bald ist kein Kern getroffen. Der Zusammenhang der ganzen me- dialen Muskelgewebsmasse mit dem lateralen Cutisblatt ist ersichtlich. Es fragt sich nun, ob, wie KAsrner dies angab, das Wachsthum der medialen Muskelmasse durch Umbiegen und Anlagern von Zellen der Cutislamelle stattfindet, oder ob die Muskelmasse durch Vermeh- rung ihrer Elemente selbst weiter wächst. Für die erstere Annahme liegt kein einziger Grund vor. Die Zellen der Cutislamelle sind 534 F. Maurer hier abgeplattete, einschichtig angeordnete Elemente, während im Muskelblatt eine reichliche Kernmasse nachweisbar ist, an welcher man zahlreiche Mitosen findet. Von großer Bedeutung erschienen mir die Längsschnittbilder (Horizontalschnitte), die sich an der oberen Kante des Myotoms ergaben. Hier ist nämlich die Frage zu ent- scheiden, wie sich die Zellen zu den Muskelfasern verhalten. Wächst eine Zelle wirklich zu einer durch die ganze Länge des Segmentes sich erstreckenden Faser aus? Dies muss ich verneinen. Es bilden auch an der obersten Kante des Myotoms die Kerne so- wohl der lateralen als auch der medialen Lamelle Längsreihen, vier bis sechs rundliche Kerne liegen hinter einander. An den Elementen der lateralen Lamelle vermag ich quere Zellgrenzen zwischen den Kernen zu unterscheiden, an der medialen Lamelle gelingt dies nicht, die Kerne liegen in einer gemeinschaftlichen Plasmamasse. Es ergiebt sich hieraus die Art und Weise des Wachsthums am Myotom derart, dass die Elemente beider Lagen sich vermehren. An der medialen Lamelle strecken sich nicht einzelne Zellen zu faserartigen Gebilden, sondern in der einheitlichen Plasmamasse theilen sich die Kerne und liegen regelmäßig hinter einander. Das was uns im Querschnitt als die Anlage einer Muskelröhre hier er- scheint, hat daher auch nicht den Werth einer einfachen Zelle, son- dern stellt von vorn herein einen Gewebsbezirk dar, und dessen Be- srenzung ist nicht die Oberfläche einer Zelle, sondern ist als eine dureh Einfaltung der Epithelbasis entstandene Grenze aufzufassen, eben so wie die Grenze zwischen zwei Muskelbändern. — Auf der Abbildung bitte ich die Anordnung der kontraktilen Fibrillen zu be- achten: dieselben folgen stets den genannten Grenzen und sind noch nicht bis zur lateralen Grenze des Muskelblattes gleichmäßig durch- gebildet. ‘ Außer dem geschilderten jungen Stör standen mir noch einige Quer- und Längsschnitte von einem Acipenser sturio von 11 cm Länge zur Verfügung. An diesem kann man konstatiren, dass keine Spur von Muskelbändern mehr besteht. Da mir Zwischenstadien fehlen, so kann ich leider keine Angaben über die Art und Weise der Umbildungen machen. Am Querschnitt erscheint die Gesammt- muskulatur zweischichtig. Man kann eine mediale sehr dicke und eine laterale dünnere Schicht unterscheiden. Beide bestehen durch- weg aus drehrunden Muskelfasern. An der mächtigen Fasermasse der medialen Schicht lassen sich auch nicht mehr Faserkomplexe unterscheiden, die etwa einem früheren Muskelband entsprechen Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 535 würden, wie dies bei Myxine noch der Fall war. Desshalb sind auch keine Unterschiede an den Muskelfasern nachweisbar, welche den dort geschilderten centralen und parietalen Fasern eines Bandbezirks entsprechen wiirden. Dagegen sieht man, dass die Fasern der medialen und lateralen Schicht einen verschiedenen Verlauf und Bau zeigen. Die beiden Schichten sind durch eine dicke Bindege- webslage von einander getrennt. In der dorsalen Körperhälfte ver- laufen alle Fasern beider Schichten parallel und zwar in der Längs- achse des Körpers. An der ventralen Rumpfhälfte nehmen sie einen leicht schrägen Verlauf an, die Fasern der medialen Schicht schräg im Sinne des M. obliquus abdominis internus der höheren Wirbel- thiere, die Fasern der lateralen Schicht gekreuzt damit, im Sinne des M. obliquus externus. In Betreff des Baues der Fasern sehen wir, dass in der medialen Schieht Fasern von wenig verschiedener Dicke liegen. Jede der- selben ist von einem Sarkolemm umgeben, dessen Innenfläche Kerne anliegen. Die kontraktilen Fibrillen erfüllen gleichmäßig die ganze Faser und überall finden sich auch Kerne zwischen denselben. Wir können also auch hier, wie bei den Fasern von Myxine, innere und äußere oder oberflächliche Muskelkerne unterscheiden, die letzteren stellen die Sarkolemmakerne dar. Zwischen den Fasern ist ein spärliches perimysiales Bindegewebe nachweisbar. Die Fasern der lateralen Schicht stimmen in ihrem Bau mit den parietalen Fasern des Cyclostomen-Muskelbandes überein. Sie zeigen sich ebenfalls von Sarkolemm umgeben und ihm liegen die ausschließlich ober- flächlichen Muskelkerne an. Innere Muskelkerne fehlen. Die kon- traktilen Fibrillen sind zu Säulchen vereinigt im reichlich zwischen ihnen nachweisbaren Sarkoplasma angeordnet. Auch die Querstrei- fung ist von derjenigen in den Fasern der medialen Schicht ver- schieden, sie ist lange nicht so fein, die Schichten der isotropen und anisotropen Substanz sind dieker. Das zwischen den Fasern bestehende Perimysium ist sehr reichlich entwickelt. Zahlreiche Zellen liegen zwischen den Bindegewebsfibrillen zerstreut. Besprechung der Befunde bei Acipenser. Ubersehen wir kurz die Verhältnisse bei Acipenser, so ist offen- bar das zuerst gebildete kontraktile Element ein Muskelband, welches aus einer durch zwei Falten begrenzten Epithellamelle hervorgeht, Die Oberfläche dieses Gebildes stellt die Basalfläche des Epithels dar, 536 F. Maurer Längs derselben kommt es zur Entwicklung der ersten kontraktilen Fibrillen in einfacher Lage. Da dieser Zustand sich zuerst entwickelt und später ein anderer aus ihm heraus sich bildet, sind wir berech- tigt das Muskelband als ein primitiveres Gebilde zu betrachten, als die später aus diesem sich entwickelnde Muskelfaser. Sehen wir in jenem das Produkt einer primären Faltung eines zuerst ein- dann mehrschichtigen Epithels, so finden wir, dass die Muskelfaser durch sekundäre Zerschnürung dieses Gebildes zu Stande kommt. Wie dieser Process sich einleitet war an dem jüngeren geschilderten Stadium zu erkennen: erstens an der sich an der dorsalen Kante anbildenden weiteren Muskulatur, ferner an den von den Bän- dern sich abschnürenden lateralen Muskelröhren. Dass die Bänder ganz verschwinden, war an dem älteren Stör nachzuweisen. Was an dieser Form zu erkennen war, reiht sich ohne Schwierigkeit an die Zustände der Cyclostomen an. In der ersten Faltung, welche die Entstehung der Muskelbänder einleitet, erblicke ich auch hier den Ausdruck einer Oberflächen- vergrößerung zum Zweck der Differenzirung einer größeren Anzahl kontraktiler Fibrillen, die zuerst in einfacher Lage auftreten. Den- selben Zweck hat hier auch der sekundäre Faltungsprocess, der zur Bildung von Muskelröhren an der dorsalen Kante des Myotoms führt. Die einschichtige Anordnung der Fibrillen ist auch hier der primitive Zustand. Bei mehrschichtiger Anordnung wird später keine Falten- bildung mehr nöthig sein, weil die Fibrillen sich dann tiberall im Plasma differenziren können. Es gehen aber offenbar die im Inneren des Plasma liegenden Fibrillen aus den peripheren durch Abspaltung hervor. Die bei Acipenser gewonnenen Befunde reihen sich ohne Weiteres an die Verhältnisse, wie ich sie bei Cyclostomen schilderte, an. Der wesentliche Fortschritt liegt in dem Verschwinden der Muskelbandbezirke, die bei Myxine noch deutlich waren. Bei Aci- penser ist das innere Perimysium allenthalben gleichmäßig zwischen den Muskelfasern vertheilt. Ob die laterale Schicht des älteren Acipenser von den im frühen Stadium beschriebenen lateralen Muskelröhren abgeleitet werden muss, kann ich nicht entscheiden, da mir Zwischenstadien fehlen. Durch die bei Cyclostomen und Ganoiden gewonnenen That- sachen wird die phylogenetische Ableitung der quergestreiften Mus- kelfaser von einem Epithel dureh Faltung und Zerklüftung verständ- lich. Ein solches Gebilde stellt einen kleinen Epithelbezirk dar. Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 537 Seine Oberfläche ist bei Petromyzon und Acipenser homolog der Basalfläche des Muskelepithels. Es füllen diese Beobachtungen eine seither bestehende Lücke in unserer Kenntnis über die Bildung yon Muskelbändern (Kästchen) und Muskelfasern aus und da sie einerseits die niedersten Wirbel- thierformen, andererseits den Ort der ersten Muskelbildung betreffen, wo wir die phylogenetisch ältesten quergestreiften Rumpfmuskel- elemente erwarten müssen, bilden sie mit Recht eine Grundlage für die morphologische Beurtheilung dieser Gebilde überhaupt. Wenn ich mich nun zu den höheren Wirbelthiergruppen wende, so ist zuvor zu konstatiren, dass hier schon ein ungemein reichliches Be- obachtungsmaterial vorliegt. Da aber die Verhältnisse der Cyelosto- men und Ganoiden den Beobachtern nicht genügend bekannt waren, so konnten alle die Befunde offenbar nicht von den primitivsten Zustän- den der Wirbelthiere aus beurtheilt werden. Als wesentliche Thatsache bei der ersten Entwicklung der ersten embryonalen quergestreiften Muskelfasern wird stets angegeben, dass ein solches Gebilde aus einer einfachen Zelle (Epithelmuskelzelle) entsteht, in deren basalem. Theil kontraktile Fibrillen differenzirt werden. Eine solche Zelle wächst unter Vermehrung der Kerne und Fibrillen zu einer Muskel- faser aus. Es ist aber gerade z. B. bei Selachiern durchaus nicht klar ‚gestellt, wie die ersten Muskelepithelzellen sich differenziren, d. h. wie sich aus einem Muskelepithel mit basalen Fibrillen die Muskelröhren mit peripherem Fibrillenmantel entwickeln. Der letztere Zustand wird aber bei Selachiern sehr frühzeitig hergestellt. Es fragt sich, ob die bei Cyclostomen und Ganoiden gewonnenen An- schauungen sich nicht auf die höheren Formen übertragen lassen, ob vor Allem am Muskelepithel nieht noch Andeutungen von Falten- bildungen nachweisbar sind. Es kann auch ein Epithel bei seinem Wachsthum Falten bilden, wenn die dasselbe zusammensetzenden Zellen gegen einander abgegrenzte Gebilde darstellen. — Der Schwierig- keit der Lösung dieses Problems bin ich mir vollkommen bewusst. Ich gebe auf den folgenden Seiten die Befunde wieder, welche mir zur Klarstellung der diesbezüglichen Verhältnisse geeignet erscheinen. Es handelt sich im Wesentlichen um die Beziehung der Muskelfaser zum ersten Muskelepithel. Wenn bei der kurzen Behandlung des Stoffes auch Manches unerledigt bleiben muss und vielleicht Vieles nach einer genaueren Kenntnis der Verhältnisse modifieirt werden muss, so hoffe ich doch, dass durch den vorliegenden Versuch eine Anregung geboten Morpholog. Jahrbuch. 21. 35 538 F, Maurer ist, der genaueren Beziehung der epithelogenen Muskelfaser zu ihrem Mutterepithel näher zu kommen. Wenn mir dies gelingen sollte, so ist der Zweck der vorliegenden Ausführungen erfüllt. Selachier. Von Selachiern stand mir eine größere Anzahl von Torpedo- embryonen verschiedener Stadien in gutem Konservirungszustand zur Verfügung, die theils in Quer- theils in Längsschnittserien (Horizontal- und Sagittalschnitte) zerlegt wurden. Ferner lagen mir einige ältere Stadien von Mustelus und ein Exemplar von Hep- tanchus in Quer- und Längsschnitten vor, deren Zustände sich für die uns hier interessirenden Fragen als werthvoll erwiesen. Auch Acanthias wurde in verschiedenen Stadien untersucht. Die Entwicklung der Selachiermuskulatur ist in jüngster Zeit mehrfach untersucht worden, so dass darüber schon werthvolle An- gaben vorliegen. Rickert, ZIEGLER und VAN W1JHE leiten sie von beiden Lamellen des Urwirbels ab, während RABL, dessen genaue Angaben mir bei meinen Untersuchungen von großem Werthe waren, die mediale Lamelle des Myotoms ausschließlich dafür in Anspruch nimmt. In letzter Zeit hat Kästner eine Arbeit über die Ent- wicklung der Muskulatur veröffentlicht, worin er zu dem Resultat kommt, dass die ersten Muskelelemente zwar aus der medialen Ur- wirbellamelle entstehen, dass aber bei der Weiterbildung der Musku- latur die laterale Urwirbellamelle eine wesentliche Rolle spielt. Auch KoLLMANN hat sich in diesem Sinne geäußert. Alle Forscher stimmen jedenfalls darin überein, dass auch bei Selachiern die ersten Muskelfasern aus der medialen Urwirbellamelle gebildet werden. In Betreff der Entwicklung der einzelnen Muskel- fasern machen alle Autoren die Angabe, dass eine einfache Zelle den Ausgangspunkt bilde, dass unter Kernvermehrung und Bildung kon- traktiler Fibrillen eine Zelle zur Muskelfaser auswachse (BALFOUR, Dourn, P. Mayer, RÜCKERT, ZIEGLER, Rast). Dabei wurde aber, wie mir scheint, auf einige specielle Punkte, die erst nach Bekannt- sein mit den diesbezüglichen Verhältnissen von Cyclostomen und Ganoiden Interesse erhalten, zu wenig Gewicht gelegt. Um nicht Bekanntes zu wiederholen, beschriinke ich mich mit der Schilderung der speciellen Befunde am Muskelblatt des Urwirbels, indem ich im Übrigen auf Ragr’s Theorie des Mesoderms verweise, wo die allge- meinen Verhältnisse vollkommen klargestellt sind. — ia au Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 539 Torpedo. Der jüngste Torpedoembryo, den ich hier vornehme, besaß zwanzig Urwirbel, hatte eine Länge von 3mm. Der Körper hat sich vom Dotter abgehoben. Taf. XV Fig. 21 stellt einen Quer- schnitt durch den Körper in der Gegend des sechsten Urwirbels dar, dessen Mitte genau senkrecht durchschnitten ist. Es stimmt das Bild im Wesentlichen mit den Figg. 1 und 2 Taf. X bei RaBL (Theorie des Mesoderms I) überein. Seitlich von der Chorda und dem Medullarrohr, etwa bis zur Mitte des letzteren emporreichend, lagert der Urwirbelbezirk des Mesoderms, welcher noch kontinuirlich mit den Parietalplatten zusammenhängt. Die laterale Lamelle stellt eine einschichtige Cylinderepithellage dar, welche centralwärts kon- tinuirlich in die Somatopleura der Seitenplatten übergeht. Dorsal biegt sie medialwärts in die Muskellamelle des Urwirbels um. Letztere ist in ihrem oberen Drittel, d. h. so weit sie dem Medullar- rohr anlagert, ebenfalls eine einschichtige Epithellamelle. Ihr unteres Drittel, welches zwischen Chorda und dorsaler Darmfläche liegt, zeigt den gleichen Bau, ist aber medialwärts gegen die Hypochorda leicht vorgebuchtet. Hier bildet sich in der Folge das Sklerotom- divertikel. Am wichtigsten ist das Verhalten des mittleren Drittels der medialen Urwirbellamelle, weil hier in späteren Stadien die ersten kontraktilen Fibrillen zur Ausbildung kommen. Es liegt der dorsalen Hälfte der Chorda dorsalis an. Hier ist diese Lamelle keine einschichtige Epithellage, sondern sie macht bei oberflächlicher Betrachtung den Eindruck eines mehrschichtigen Epithels. Dies Verhalten beruht sicherlich nicht auf einer verschiedenen Anordnung der Kerne in den benachbarten Zellen, so dass man etwa ein ein- schichtiges Cylinderepithel vor sich hätte, in dessen Zellen der Kern bald eine basale, bald centrale oder oberflächliche Anordnung zeigt. Eben so wenig handelt es sich wirklich um ein mehrschichtiges Epithel, wie es von RÜCKERT, ZIEGLER und Kästner angegeben wird. Man erkennt aber, wenn man den medialen Grenzkontour dieser Lamelle untersucht (derselbe entspricht der medialen Fläche des Urwirbels), dass an dieser Stelle zwei deutliche Einkerbungen be- stehen. Diese sind der Ausdruck einer Faltenbildung an der Basal- fläche des Muskelepithels, welche offenbar die Folge einer reichlichen Proliferation der Zellen an dieser Stelle ist. Von kontraktilen Fibrillen konnte ich nichts nachweisen. Die erste Vorbereitung zur Muskel- bildung ist somit hier gegeben in einer Vermehrung der Zellen des 35* 540 F. Maurer Muskelepithels, wodurch dasselbe nicht mehrschichtig wird, sondern zunächst einschichtig bleibt, sich aber in Falten legt. Es sind hier am vorliegenden Schnitte drei Falten zu erkennen. Zu beachten ist, dass Zellgrenzen an diesem Abschnitt nicht zu erkennen sind; die Kerne liegen vielmehr in einer einheitlichen Plasmamasse ein- geschlossen und ihre Anordnung bringt die Faltung ebenfalls zum Ausdruck. Diese Angaben stimmen mit denjenigen von RÜCKERT, ZIEGLER und KAstTNER nicht überein. Letztere schildern vielmehr zur Zeit, wenn die ersten kontraktilen Fibrillen sich bilden, die mediale Ur- wirbellamelle als ein mehrschichtiges Epithel. Von Faltenbildung wurde nichts beobachtet. Diese ist aber für mich gerade das Wesent- liche. Mit der Schilderung Ragr's stimmt meine Darstellung eben- falls nicht überein und ich musste desshalb unter allen Umständen ausschließen, dass sich meine Bilder etwa als Schrägschnitte ergeben würden. So fertigte ich eine Anzahl genau orientirter Querschnitt- serien an, hatte aber stets dasselbe Bild. Bei der Verfolgung der Serie ergab sich auch, dass nach vorn wie nach hinten im Verlauf von sechs Schnitten die Faltenbildung wieder verstrich, so dass an der vorderen und hinteren Urwirbelgrenze die mediale Urwirbel- lamelle als einfache Epithellage in die laterale Cutislamelle umbog. Ich nahm dann zuerst an, dass die Verhältnisse bei Torpedo andere seien als bei Pristiurus. Als ich aber die Abbildungen Ragr's ge- nauer mit meinem Befunde verglich, erhielt ich den Eindruck, dass bei Pristiurus die Verhältnisse eben so liegen, wie hier bei Torpedo. Ich bitte die Figg. 1 und 2 auf Taf. X von RABL in der Theorie des Mesoderms I zu vergleichen. Dort erkennt man an der medialen Lamelle des Urwirbelabschnittes vom Mesoderm eine sehr charakte- ristische Anordnung der Kerne. Gerade der Seitenfläche der Chorda angelagert findet sich eine solche Stelle, welcher weiter ventralwärts, der Seitenfläche des Entoderms angeschlossen, eine ähnliche folgt. Hier sind in der Anordnung der Kerne deutlich zwei Faltenbildungen angedeutet. Allerdings bildet Rani keine dem entsprechende Ein- kerbungen an der Basis des Epithels ab. Eine dem ganz ent- sprechende Anordnung der Kerne an der gleichen Stelle finde ich auf einer Abbildung, welche Meyer zu einer Donrn’schen Studie zur Urgeschichte der Wirbelthiere angefertigt hat. Die Abbildung Fig. 1 auf Taf. XXIL der XIV. Studie (Mittheil. d. Zoolog. Station Neapel. Bd. VIII. 1888) stellt einen Querschnitt durch einen Mustelus- embryo dar und hier erkennt man nicht nur die Anordnung der Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen etc. 541 Kerne als Andeutung einer Faltung des Epithels, sondern MEYER hat auch eine dem entsprechende Einkerbung des medialen Urwirbel- kontours gezeichnet. Solche finde ich mehrere über einander auch an den mir vorliegenden Serien von Torpedo stes mit vollkommener Deutlichkeit (vgl. Taf. XV Fig. 21). Diesen Faltungen am Epithel, welches demnächst kontraktile Fibrillen ausbildet, lege ich eine sehr große Bedeutung bei, weil ich sie nach Vergleich mit älteren Stadien für homolog halten muss den ersten Falten, die an der medialen Urwirbellamelle von Petromyzonembryonen auftreten (vgl. Taf. XUI Figg. 1 und 2). Dort werden sie dauernd bedeutungsvoll, weil sie die ersten Abgrenzungen der später dauernd bestehen bleibenden Muskelbänder darstellen. Es sind somit bei der ersten Anlage der Selachiermuskulatur noch Einrichtungen vorbereitet, welche sich an die Zustände von Cyclostomen anschließen. In Betreff der Umbildung der Zellen der medialen Urwirbelwand zu Muskelfasern macht Kistner die Angabe, dass die hier zuerst nachweisbaren Cylinderzellen, die er mit sehr scharfen Grenzen ab- bildet, da wo Platz sei, eine Drehung um 90° ausführten, so dass ihre Längsachse parallel der Körperlängsachse zu liegen käme. In anderen Fällen nähmen die Zellen erst Kugelform an und streckten sich dann direkt in die Länge. Den in dieser Formulirung der Thatsachen ausgedrückten Anschauungen kann ich mich nicht anschließen. Die angeführte Achsendrehung der Muskelzellen konnte ich nie- mals konstatiren; in dieser grob mechanischen Weise kommt es auch nirgends zu Gewebsdifferenzirungen. An dem Muskelepithel besitzen alle Zellen eine basale Fläche, welche medialwärts gerichtet ist und eine freie Oberfläche, welche gegen das Myocöl sieht. Die Be- deutung dieser Flächen für die spätere Muskelfaserbildung ist be- kannt; besonders die basale Fläche muss als die Nerven aufnehmende erhalten bleiben. Nach Kisrxer’s Annahme würde mit der Achsen- drehung die basale Fläche der Zelle ans eine Ende der Muskelfaser zu liegen kommen. Wir wissen, dass der Nerv niemals zum Ende einer Muskelfaser tritt. Untersucht man horizontale Längsschnitte in diesem Stadium, so erhält man das bekannte Bild. Die Zellen des Muskelblattes strecken sich in die Länge und die Kerne nehmen eine lang ovale Form an. Jede Muskelepithelzelle reicht durch die ganze Länge des Myomers. Diese Zellen liegen aber nicht regellos in Massen neben einander, sondern mit dieser Streckung geht eine Vermehrung der Kerne und ferner vor Allem jener Faltungsprocess an der Basis 542 F. Maurer des Muskelepithels Hand in Hand. Letzterer ist nur an Totalquer- schnitten zu erkennen. Ich kann nun dabei an Querschnitten Zellgrenzen mit Sicherheit nicht erkennen und Isolirpräparate lassen sich von so jungen Stadien nicht anfertigen, man erhält die unregelmäßigsten Fragmente. An Längsschnitten finde ich Längslinien, welche man als Zellgrenzen auffassen muss. Die ersten kontraktilen Fibrillen bilden sich nach RAgr/s Aus- führungen unmittelbar nach dem zuletzt geschilderten Stadium. An Embryonen von Pristiurus mit 26 Urwirbeln bildet sie RABL an einem Querschnitte ab. Hierbei tritt uns ein wesentlicher Unter- | schied gegenüber den bei Petromyzon und Acipenser geschilderten Verhältnissen entgegen. Bei letzteren bilden sich die kontraktilen Fibrillen stets zuerst als einfache Lage längs der eingefalteten Epithel- basis auf, um erst später sich zu vielen Schichten zu vermehren, hier bei Pristiurus treten sie nach RABL rasch in mehrfachen Lagen auf, liegen dabei aber in der basalen Hälfte der Muskelepithelzelle. Leider besaßen die nächst älteren Embryonen von Torpedo, welche mir zur Verfügung standen, eine Körperlänge von 7 mm, waren also mehr wie doppelt so lang als das zuerst geschilderte Stadium. Ich kann desshalb von den überhaupt zuerst auftretenden kontraktilen Fibrillen im Torpedokörper keine eigenen Befunde angeben. Diese Lücke ist aber leicht auszufüllen, da die hinteren Rumpfsegmente eines 7 mm langen Torpedoembryo sich noch im Stadium der ersten Fibrillenbildung befinden, während an den vorderen Segmenten bereits eine Weiterdifferenzirung des Muskelblattes Platz gegriffen hat. Da finde ich denn in den hinteren jüngsten Segmenten die Verhältnisse am Muskelblatt genau so, wie sie RABL vom jüngeren Stadium an den vorderen Rumpfsegmenten schildert. Einen wirklich einschich- tigen Zustand der kontraktilen Fibrillen konnte ich nur an wenigen Stellen erkennen. Diese Gebilde treten sehr rasch in mehreren Lagen auf und erfüllen die basale Plasmahälfte des einschichtigen Muskelepithels (vgl. Fig. 22 und 23 bei z). An letzteren erkenne ich aber auch hier schon die Einkerbungen an der medialen Grenze, als Andeutung einer Faltenbildung (Fig. 23 bei y). Gehe ich auf vordere Segmente über, so finde ich das Bild, wie es Taf. XV Fig. 22 wiedergiebt. Der Urwirbelbezirk des Mesoderms hat sich dorsal weit ausgedehnt, erreicht die dorsale Fläche des Medullar- rohrs. Die mediale und laterale Lamelle bestehen nahe an der dor- salen Kante aus gleichartigen eylindrischen Zellen und hier muss Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen etc. 543 ich betonen, dass an beiden Lamellen in gleicher Häufigkeit Mitosen nachweisbar sind, so dass gar keine Rede davon sein kann, dass die mediale Lamelle hier ihr Zellenmaterial von der lateralen La- melle bezieht, indem sich deren Zellen an der Kuppe immer medial- wärts umlegen, wie Kästner dies angiebt. Die Zellen beider La- mellen betheiligen sich in ganz gleicher Weise an dem dorsalen Auswachsen des Myotoms. Man erkennt ferner, dass die Elemente beider Lamellen sich verschieden verhalten. Die laterale Lamelle stellt durchweg noch © eine einfache Cylinderzellenlage dar. Die mediale Lamelle zeigt, ventralwärts herab verlaufend, etwa von der sechsten Zelle an kon- traktile Fibrillen, welche in der basalen Hälfte des Zellenplasmas auftreten. Dieselben sind im Querschnitt äußerst fein, punktförmig und bilden zuerst zwar eine einfache Lage, was aber höchstens noch an 2—3 Zellbezirken zu erkennen ist, dann werden die Fibrillen mehrschichtig und es treten auch weitere Komplikationen auf. Das Muskelepithel wird nicht einfach mehrschichtig, sondern es zeigen sich die schon im ersten Stadium beschriebenen Faltungen. Die letzteren treten in großer Anzahl auf und sind besonders in der Mitte des Muskelblattes, da wo dasselbe in der Differenzirung am weitesten fortgeschritten ist, sehr deutlich erkennbar, weil hier Bindegewebselemente in dieselben eingedrungen sind. Solche schieben sich in Form einzelner Zellen des dorsomedialen, vom Sklerotom stammenden Bindegewebes in die vorgebildeten Falten ein und letztere werden hierdurch dauernd fixirt. Die Bindegewebskerne sind ihrem Bau, wie ihrer Anordnung nach leicht von den Muskel- kernen zu unterscheiden. Die Form der letzteren ist länglich oval und da ihre Längsachse parallel zur Längsachse des Körpers angeordnet ist, erscheinen sie im Querschnitt kreisrund. So sind sie scharf unterschieden von den spindelförmigen Bindegewebskernen. Letztere zeigen eine fast gleichmäßige intensiv rothe Karminfärbung, es treten hier und da einige kleine, etwas dunkler gefärbte Chromatinkörner darin auf. Die Muskelkerne sind ganz blassroth gefärbt, zeigen eine scharf abgrenzende dunkelgefärbte Kernmembran und im Centrum ein intensiv gefärbtes Chromatinkorn. Diesen charakteristischen Bau der Muskelkerne finden wir bei sämmtlichen Wirbelthieren in den ersten Stadien der Muskelentwicklung und er wurde auch im Einzelnen öfters beschrieben. Man könnte nun sagen, es sei unberechtigt, die durch Binde- gewebe abgegrenzten Muskelfaserbezirke für homolog einem Muskel- 544 F. Maurer band von Petromyzon zu erklären. Ich begründe aber diese Homo- logisirung mit folgenden Thatsachen: erstens tritt die erste Falten- bildung hier, wie bei Petromyzon, am Muskelepithel auf, ohne Betheiligung von Bindegewebe. Diese Faltenbildung kommt dadurch zu Stande, dass die basale Zellenlage des Muskelepithels am Urwirbel stets eine geschlossene Lage bildet. Dieselbe muss sich bei inten- siven Vermehrungsvorgängen an ihren Zellen in Falten legen, da zum flächenhaften Auswachsen kein Platz ist. Die Initiative zum Faltungsprocess liegt also zuerst allein im Muskelepithel. Genau so verhielt es sich bei Petromyzon. Ein Unterschied bestand nur in so fern, als dort die Zellgrenzen im Epithelbezirk zwischen zwei Falten nicht bestanden, während sie hier erhalten bleiben. Hier wie dort werden aber sehr bald die Bandbezirke, dadurch das Binde- gewebe in die Falten eindringt, fixirt und auch darin gleichen die Verhältnisse von Selachiern denen bei Petromyzon. Dass bei Selachiern die allerersten Falten in geringer Zahl auftreten, kann ich nicht für einen Grund halten, sie nicht für homolog den von vorn herein zahl- reichen Falten der Cyclostomen zu erklären, denn sie vermehren sich mit den weiteren Differenzirungsvorgängen bei Selachiern so, dass sie bald eben so zahlreich sind wie bei Petromyzon. Zwischen zwei solchen Falten, die durch das eindringende Bindegewebe erkennbar sind, liegt nun offenbar ein großer Bezirk des ursprünglichen Muskelepithels, und diesen halte ich nach den vorstehenden Ausführungen für homolog dem Inhalt eines Muskel- bandes von Petromyzon und Acipenser. In diesem Sinne wurden meines Wissens die genannten und auf Taf. XV Fig. 22 und 23 abgebildeten Muskelbezirke von Torpedo noch nicht gedeutet. Die ganze Muskelmasse wird vielmehr so abgebildet, als setze sie sich aus gleichartig dicht zusammengeschlossenen Faseranlagen zusammen. Rıgr hat Kerbungen am Muskelblatt von Pristiurus angeführt und abgebildet, legt ihnen aber keine größere Bedeutung bei. Ein solcher Muskelbezirk besteht nun bei Torpedo aus einer großen Anzahl von dicht zusammengepressten Muskelfaseranlagen. An Querschnitten erkenne ich zwar keine scharfen Grenzen, welchen als Fasergrenzen zugleich die Bedeutung von Zellgrenzen zuzu- schreiben wäre. An Längsschnitten sehe ich als Längslinien die feinen quergestreiften Fibrillen dicht zusammenliegend und dazwi- schen Längsreihen von Kernen. Macerationsversuche führen bei diesen jungen Stadien zu keinem sicheren Resultat, man erhält un- regelmäßige Fragmente. Ein Muskelband von Ammocoetes zerfällt Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 545 auch, wenn man es macerirt und doch stellt es eine morphologische Einheit dar. Es ist jedenfalls ins Innere eines solehen Muskelbe- zirks von Torpedo Bindegewebe noch nicht eingedrungen. Nach den Querschnittsbildern ist der Epithelbezirk ein einheitlicher, der auch weiterhin als Ganzes wächst. Von Mustelus habe ich ein späteres Stadium abgebildet (Taf. XIII Fig. 25), worauf noch einzugehen bleibt. In diesem Stadium achtete ich speciell noch auf die Beziehungen zwischen der lateralen und medialen Lamelle des Myotoms, da hier- über Angaben von Kistner vorliegen, welche die Art des Wachs- thums der medialen Lamelle, aus welcher sich die ersten Muskel- elemente entwickeln, in einer Weise schildern, die mit der Art des Wachsthums eines Epithels nicht übereinstimmt. Seither sah man in dem Muskelblatt ein einheitliches Gebilde, das durch Vermehrung seiner Elemente aus sich selbst heraus wuchs. KÄSTNER setzt nun das Weiterwachsthum des Muskelblattes zum Theil auf Rechnung der lateralen Myotomlamelle, d. h. des Cutisblattes. Nicht nur die dorsale Ausdehnung des Myotoms soll durch Vermehrung der Zellen des Cutisblattes erfolgen, dadurch, dass an der dorsalen Kuppe sich die Zellen fortwährend medialwärts umlegen, sondern auch die Ver- diekung des Muskelblattes soll so stattfinden, dass am hinteren Ur- wirbelende die Zellen des Cutisblattes sich medialwärts und nach vorn umschlagen, sich hier längs der dem Myocoel zugewandten Fläche des Muskelblattes vorschieben und sich zu Muskelfasern differenziren. Dass bei dem dorsalen Auswachsen des Myotoms die Elemente der medialen Lamelle eben so betheiligt sind wie die der lateralen La- melle, wurde oben schon ausgeführt. Was die Bedeutung der hinteren Umfaltung der lateralen Urwirbellamelle betrifft, so ist zu- nächst ihr Vorhandensein zu konstatiren, was an horizontalen Längs- schnitten leicht gelingt. Es gelang mir aber nicht das Eindringen lateraler Zellen längs des Muskelblattes zu finden, so wie es KASTNER schildert. Die Sache verhält sich vielmehr so, dass das ganze Myotom nach allen Richtungen wächst und zwar sind gerade die Grenzen des Muskelblattes Punkte, an welchen überall eine reich- liche Zellvermehrung stattfindet. Es erscheint rein willkürlich die Zellen des Cutisblattes dafür in Anspruch zu nehmen. Das Cutis- blatt besteht kurze Zeit als einfache Cylinderzellenschicht, geht aber sehr bald dann Differenzirungen in ganz anderer, längst bekannter Weise ein, d.h. es löst sich zu Bindegewebe auf. Die Umfaltung des Cutisblattes in das Muskelblatt findet an der vorderen wie an der hinteren Myotomgrenze statt, vorn bleibt sie meist einfach 546 F. Maurer rechtwinklig, hinten ist sie etwas schwanzwärts ausgezogen. Dies ist indessen nicht hervortretend in der Mitte des Myotoms, d. h. in der Höhe der Chorda, sondern kommt besonders höher oben und tiefer unten zum Vorschein, wo es dann, wie KAstTNER richtig an- giebt, mit der Bildung der Knickungen, die sich an jedem Muskel- segment früh schon anlegen, in Beziehung gebracht werden muss. Dass es mit der Verdiekung des Muskelblattes etwas zu thun hätte, konnte ich nirgends nachweisen. Hier bei Embryonen von Torpedo von 7 mm Länge hatte das Muskelblatt eine Dicke von fünf neben einander liegenden Kernen an seiner stärksten Stelle, in der Höhe der Chordamitte. Das Cutisblatt bestand aus einem einfachen Cylinderepithel. Das Wachsthum des Muskelblattes findet allerdings im Wesentlichen an seiner freien Oberfläche, d. h. der dem Myocöl zugekehrten Fläche statt. Wir erblieken in demselben ein mehrschichtiges Epithel, an dessen Basis mehrfache Einfaltungen bestehen. Schon früher habe ich bei der Besprechung der Ammocoetes-Muskulatur (pag. 505 u. ff). darauf hingewiesen, dass das Wachsthum eines embryonalen mehr- schichtigen Epithels hauptsächlich durch Theilungsvorgänge an seinen oberflächlichen Zellenlagen sich vollzieht. Ganz so verhält es sich hier an diesem Muskelepithel und es besteht kein Grund die Hilfe der Cutislamelle dafür in Anspruch zu nehmen. Von Bedeutung ist, dass in einem Muskelsegmente nicht nur Kernreihen an den Fibrillen enthaltenden medialen Theilen bestehen, sondern dass auch an den lateralen, dem Myocöl zugekehrten Theilen, reichlich sich vermehrende Kerne in Längsreihen ange- ordnet sind, ohne dass hier an diesen jüngst gebildeten Ele- menten des Muskelblattes schon kontraktile Fibrillen nachweisbar sind. Kommen dieselben zur Entwicklung, so besitzt von vorn her- ein eine solche junge Muskelfaser eine größere Anzahl, und zwar 2—4 hinter einander liegende Kerne. Betrachtet man auf dem Querschnitte die Theile des Muskelblattes genau, so findet man, dass noch keineswegs überall in die Epithelfalten Bindegewebe einge- drungen ist. Vielmehr treten die Falten häufig nur durch die cha- rakteristische Anordnung der Kerne zusammen mit entsprechenden leichten Einkerbungen an der medialen Fläche hervor. In diesem Stadium besteht mithin die Muskelmasse des Torpedo nicht aus Muskelzellen, sondern sie muss aufgefasst werden als ein mehr- schichtiges Muskelepithel, in welchem die Zellkörper bei Vermehrung der Kerne zu kleinen Komplexen vereinigt geblieben sind, so dass Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 547 jede im Plasma auftretende Fibrille immer mehreren Zellen ange- hört. Das Epithel ist durch basale Einfaltungen eingekerbt, doch durchsetzen diese Falten noch nicht die ganze Muskelmasse, so dass noch keine völlig gesonderten Muskelbänder zu erkennen sind. Es entspricht dieses Stadium dem Zustand des Muskelepithels von Pe- tromyzon auf Taf. XIII Fig. 2, sowie dem Zustand bei Acipenser (Taf. XV Fig. 16), nur ist hier die Kernvermehrung und die Fi- brillenbildung viel reger. Bei jenen Formen war der gesammte Inhalt des Muskelbandes eine einheitliche Plasmamasse mit vielen Längsreihen von Kernen und einer einfachen peripheren Fibrillen- lage, hier ist der Inhalt aus kleinen Epithelkomplexen zusammen- gesetzt, deren jeder eine embryonale Faseranlage darstellt. Jeder solcher Komplex ist aus einer Muskelepithelzelle herangewachsen. Wie verhalten sich die Fibrillen in diesen Gebilden? Sie stellen in jeder Muskelfaseranlage, die 3—6 Kerne in einfacher Längsreihe besitzt, eine periphere einfache Muskelschicht dar. Ein solches Gebilde stellt mithin in dem Sinne, wie ich es bei Petromyzon ausgeführt habe, einen selbständigen einschichtigen Epithelbezirk dar, der in- mitten des großen mehrschichtigen Epithelbezirks liegt. Er ist aber nicht durch einen Zerklüftungsvorgang aus dem großen Bezirk her- vorgegangen, sondern er war in seiner Mutterzelle bereits selbständig vorgebildet. Wir werden dann sehen, wie dieses Gebilde nicht eine ein- fache Muskelfaser bleibt, sondern später weitere Zerklüftungen erfährt. Nehme ich ein älteres Stadium von Torpedo, so finde ich dies an Embryonen von 15 mm Körperlänge geboten. In dem zuletzt ge- schilderten Stadium hing der Urwirbeltheil des Mesoderms noch kontinuirlich mit den Parietalplatten zusammen und das Sklerotom- bindegewebe war noch mit der medialen Urwirbelwand verbunden, so dass das Myotom ventral noch geöffnet war. In dem jetzt vor- liegenden Stadium (Taf. XV Fig. 23) ist das Sklerotom nicht nur ganz abgelöst, sondern das Myotom hat sich auch gegen die Pa- rietalplatten ganz abgeschlossen und dorsal wie ventral weiter ausgedehnt. Das Muskelblatt hat sich nicht wesentlich verdickt, dagegen ist das Cutisblatt weiter verändert. Es stellt fast durch- weg ein mehrschichtiges hohes Cylinderepithel dar, dessen ober- flächliche Zellen sich schon zu Bindegewebszellen mit verästelten Plasmafortsätzen herangebildet haben und im Begriff stehen, aus dem Epithelverband auszuscheiden. Am Muskelblatt finden wir alle ersten Entwicklungsstadien der Muskelbiinder. Dorsal besteht noch einfaches Cylinderepithel ohne kontraktile Fibrillen. Dann treten 548 F. Maurer zugleich mit letzteren deutliche Faltungen am Epithel auf, und in dieselben dringt Bindegewebe ein. Dasselbe ist schon so weit vor- gedrungen, dass man an den dicksten Theilen des Muskelblattes, wo es eine Dicke von 5—6 Muskelkernen besitzt, schon ganz ge- trennte Muskelbänder erkennen kann. Auch hier findet ein Wachs- thum an der dem Cutisblatt zugewandten Fläche des Muskelblattes statt. Betrachten wir den ventralen Fortsatz des Myotoms, in wel- chem die Anlage der ventralen Rumpfmuskulatur gegeben ist, so finden wir, dass an seinem ventralen Ende eine Proliferationszone besteht. Hier vermehren sich die Zellen reichlich. Aber auch hier sehen wir nicht, dass die Zellen der lateralen Schicht die wesent- liche Beisteuer zur Vermehrung liefern und, etwa medialwärts um- biegend, auch das Auswachsen der medialen Lamelle bewirken. Beide Myotomlamellen sind vielmehr gleichbetheiligt und jede differenzirt _ sich nach ihrer Richtung. Die Zellen der lateralen Lamelle zeigen alle verästelte Fortsätze gegen die Epidermis hin und die Zellen des Muskelblattes gehen nach oben in die Falten und Muskelblätter allmählich über. Ich hebe dies ausdrücklich hervor als mit Kästner’s Deutungen nicht übereinstimmend. An horizontalen Längsschnitten finde ich, dass in den mittelsten ältesten Bezirken des Myotoms, zur Seite der Chorda, wieder keine Spur von einer Betheiligung der Elemente des Cutisblattes an dem Dickenwachsthum des Muskelblattes nach- zuweisen ist. An etwas älteren Embryonen von Torpedo (18 mm lang) finde ich das Cutisblatt gänzlich zu embryonalem Bindegewebe aufgelöst, das Muskelblatt ist in eine große Anzahl von Muskelbändern zerlegt, letztere sind völlig gegen einander abgegrenzt und von Bindegewebe umhiillt. Man erkennt deutlich, dass nicht nur von der medialen Fläche her, sondern auch von der lateralen Grenze her Bindege- webszellen zwischen die Blätter eingedrungen sind. Es betheiligen sich somit bei Torpedo eben so, wie ich es bei Siredon nachgewiesen habe, sowohl Elemente des Sklerotoms als auch Zellen des Cutisblattes an der Bildung des intramuskulären Bindegewebes. Wir sehen, wie sich die dem Muskelblatt zunächst liegenden Zellen des in viele Lagen aufgelösten Cutisblattes den Muskelbändern an ihrer lateralen Kante anschließen und von hier aus zwischen je zwei Bänder sich einschieben. Es würde sich fragen, ob solehe Zellen Bindegewebe werden, oder später sich zu Muskelfasern differenziren. Im vorliegenden Stadium sind sie jedenfalls nicht unterschieden von anderen embryonalen Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 549 Bindegewebszellen, zeigen nirgends eine Andeutung von kontraktilen Fibrillen. Ich muss diesem von der lateralen Seite aus eindringen- den Bindegewebe eine große Bedeutung gerade bei Selachiern bei- messen für die Weiterzerklüftung der Muskelbänder. Dies ergiebt sich aus älteren Zuständen. Torpedoembryonen von 26 mm Länge besitzen in ihren Myokom- mata nicht mehr Muskelbänder, sondern letztere sind weiter zer- schnürt zu rundlichen Faserkomplexen. Dass hierbei das ein- dringende Bindegewebe eine aktive Rolle spielt erkennt man leicht. Es sind dieke Züge spindelförmiger Zellen in den Bandbezirk ein- gedrungen, so dass dieser in eine große Anzahl kleinerer Bezirke zerlegt ist. Damit werden zugleich die primären Muskelbändergrenzen undeutlich, aus dem einfachen Grunde, weil die Bindegewebszüge, welche in die Bänder eindringen, eben so mächtig sind wie die Septen, welche die Bänder von einander trennten. Man sieht bei dem vor- liegenden Stadium die verschiedensten Zustände, weil sich an den Grenzen der Muskulatur stets noch neue Bänder anbilden. Wie verhalten sich nun dazu die von dem Bindegewebe eingeschlossenen kontraktilen Elemente selbst? Man erkennt sie zuerst als Muskel- röhren, d.h. als drehrunde Gebilde mit axialem Sarkoplasma, das eine Längsreihe von Kernen enthält, und einem peripheren Mantel einschichtig angeordneter kontraktiler Fibrillen. In dieser Faser kommt es zuerst zu Vermehrung der Fibrillen, bis dieselben die ganze Faser erfüllen, dann zu Vermehrung der Kerne, die in mehrfachen Längsreihen in einer Faser liegen. Dann treten weitere Verände- rungen ein, die ich in histologischer Beziehung am klarsten bei Heptanchus erkannte. Heptanchus. Ich hatte Gelegenheit Quer- und Längsschnitte eines jungen Hep- tanchus von 10 em Körperlänge ‘zu untersuchen und fand an der Rumpfmuskulatur Verhältnisse, welche für die uns hier beschäftigen- den Fragen von großer Bedeutung waren. Man trifft auf dem Total- querschnitt des Körpers eine große Anzahl von Myokommata, durch breite Bindegewebssepta von einander getrennt. Von den Myosepten aus dringen zarte Bindegewebssepten ins Innere des Myokomma ein und zerlegen dasselbe in eine große Anzahl querer Bänder, welche den Muskelbändern des Torpedo und Mustelus homolog sind. Von den die Bandbezirke trennenden Septen dringt wiederum Binde- gewebe ins Innere des Bandes selbst ein und grenzt kleinere 550 F. Maurer Bezirke darin ab. Man kann diese letzteren als sekundäre Bezirke auffassen, wenn man in früher ausgeführtem Sinne die Muskelband- bezirke als primäre Bezirke betrachtet. Es würde dann der Inhalt eines solchen kleinen sekundären Muskelfaserbezirkes homolog sein einer Muskelfaser, wie ich sie bei Myxine geschildert habe. Hier bei Heptanchus zeigen diese kleinen Bezirke Zustände, wie sie hier meines Wissens noch nicht beschrieben wurden. Ein Bandbezirk erstreckt sich eben so, wie bei Myxine, von der Oberfläche der Mus- kulatur unter der äußeren Haut bis zur medialen Genze der Muskel- masse, in mittleren Theilen also bis gegen die Chorda hin. Ent- sprechend der Wachsthumsweise der Bänder, wie sie bei Torpedo schon angegeben wurde, finden wir in den lateralen nahe der Kör- peroberfläche gelegenen Theilen die jüngeren Elemente, in den tiefen medialen Theilen die älteren, am weitesten differenzirten Gebilde. In den jüngst gebildeten, nahe der äußeren Haut gelegenen Theilen eines Muskelbandbezirkes sehen wir, dass im Inneren eines sekundären kleinen Bezirkes stets eine Muskelfaser liegt. Es sind dies drehrunde, 0,01—0,02 mm dieke Gebilde, welche auf dem Quer- schnitt betrachtet im Centrum oder an der Peripherie einen Muskel- kern besitzen und gleichmäßig mit kontraktilen Fibrillen erfüllt sind (Taf. XV Fig. 24. 7). Verfolgt man die gleiche Faser durch mehrere Schnitte, so gelingt leicht der Nachweis, dass eine Faser nicht nur mehrere hinter einander gelegene Kerne besitzt, sondern auch, dass die Kerne einer Faser zum Theil im Centrum, zum Theil an der Peri- pherie dieser Faser liegen. Dasselbe erkennt man auch an Längs- schnitten. Die Kerne sind alle oval oder lang gestreckt. Diejenigen, welche an der Peripherie liegen, zeigen verschiedenes Verhalten, das aber durch Zwischenstadien so verbunden ist, dass man in allen diesen Kernen doch gleichwerthige Gebilde erblicken muss. Manche solcher peripherer Kerne sind im Querschnitt kreisrund und blass gefärbt, wie die central gelegenen Muskelkerne, andere sind dunkler gefärbt und erscheinen im Querschnitt halbmondförmig. Alle aber liegen im Inneren der Muskelfaser, so dass sie direkt an die kontraktilen Fibrillen grenzen, Die zuletzt genannten Kerne sind sicher Sarko- lemmakerne, die aber, wie die vermittelnden Zustände ergeben, stets aus Muskelkernen abgeleitet werden müssen. Ein Sarkolemm ist auf dem Querschnitt deutlich erkennbar als feiner strukturloser Saum, der die Faser scharf abgrenzt. Das perimysiale Bindegewebe hat sich etwas davon abgehoben und umspinnt die Fasern. Es enthält lange spindelförmige Kerne von intensiv dunkler Färbung Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 551 (vgl. Taf. XV Fig. 24). Betrachtet man weiter medial gelegene, also etwas ältere Fasern, so erkennt man eine Veränderung derart, dass die Gesammtfaser sich verdickt hat. Sie zeigt einen Querschnitt bis zu 0,03 mm. Die kontraktilen Fibrillen erfüllen sie noch gleichmäßig, man findet aber auf einem Querschnitt häufig eine größere Anzahl von Kernen, sowohl im Inneren, als auch an der Peripherie der Faser (Fig. 24.2). Geht man noch weiter medialwärts, so findet man Fasern, in welchen die kontraktilen Fibrillen nieht mehr gleichmäßig, das ganze Gebilde erfüllend, angeordnet sind; es be- stehen vielmehr Muskelsäulchen, d. h. die Fibrillen sind zu Gruppen vereinigt in reichlichem Plasma eingelagert. Dies beruht offenbar auf einer Vermehrung des Sarkoplasma, ohne gleichmäßige Mitver- mehrung der Fibrillen. Die Kerne haben sich ebenfalls vermehrt und liegen im Sarkoplasma zwischen den Fibrillengruppen zerstreut als innere Muskelkerne, auch liegen äußere Muskelkerne dem noch einheitlich die ganze Faser umgebenden Sarkolemm an. Gehen wir noch weiter medialwärts in einem Muskelband vor, so sehen wir, dass die Gruppirung der Fibrillen und der Kerne in den Fasern eine solche geworden ist, dass die Fibrillen sich röhrenförmig um die Kerne anordnen und man glaubt schon in der Faser nicht mehr ein einheitliches Gebilde zu sehen, sondern sie macht den Eindruck eines Bündels feinster Muskelröhren (Fig. 24. 3). Das Ganze wird aber noch wie das zuletzt geschilderte Gebilde von einem gemein- samen Sarkolemm umscheidet. Nun erfolgt aber wirklich an den nächst älteren Fasern ein Zerfall in die einzelnen hier erst ange- deuteten Muskelröhren (Fig. 24. 4). Letztere besitzen nur eine Dicke von 0,005 mm. Diese Gebilde wachsen jedes für sich wieder zu einer etwas stärkeren Muskelfaser aus. An den vorliegenden Schnitten fand ich in den medialen Theilen eines Muskelbandbezirkes solche feine Muskelröhren von 0,0075 mm Dieke, welche schon einen doppel- ten Fibrillenmantel besaßen, sowie centrale und periphere Kerne. Es fragt sich nun, wie sich das Sarkolemm der alten Muskel- faser, die bei diesem Vorgang zertheilt wird, verhält. Es bestehen offenbar zwei Möglichkeiten. Entweder es wird zerstört, aufgelöst und jede junge Muskelröhre bildet sich ein neues, eigenes Sarko- lemm, oder es nimmt direkt Theil an der Zerklüftung, tritt in die Spalten zwischen die einzelnen jungen Muskelröhren hinein und umkleidet jede derselben. Es wäre im letzteren Falle das Sarko- lemm der jungen Fasern direkt aus dem Sarkolemm der Mut- terfaser hervorgegangen. Meine Beobachtungen ergeben, dass hier 552 F. Maurer beide Vorgänge stattfinden können. Viele der jungen Muskelröhren besitzen von vorn herein, wenn sie deutlich abgrenzbar sind, ein Sarkolemm und eben so Sarkolemmakerne, andere hingegen sind ganz nackt. Bei letzteren sieht man die äußere Begrenzung nur durch den Fibrillenmantel gebildet und die Bildung eines Sarkolemms vollzieht sich erst an jedem isolirten Gebilde. Doch zeigt sich, dass die jungen Röhren, die aus einer Faser hervorgingen, immer sich unter einander gleich verhielten: entweder eine jede besaß ein Sarko- lemm oder alle waren nackt. Die hier geschilderten Vorgänge werfen wieder in vielen Punkten Licht auf den Bau der Muskelfaser und den morphologischen Werth ihrer einzelnen Bestandtheile. Vor Allem ist zu betonen, dass eine solche junge Muskelröhre sich niemals aus einer Zelle bildet, vielmehr geht sie durch einen Zerklüftungsprocess aus einer größeren Faser hervor. Jede solche Mutterfaser besitzt eine große Anzahl von Kernen, welche zum Theil zwischen den kontraktilen Fibrillen liegen, zum Theil in ober- flächlicher Anordnung die Sarkolemmakerne darstellen. Die Kerne liegen in mehreren Längsreihen in der Faser. Eine jede durch Zer- klüftung aus dieser Mutterfaser hervorgehende junge Muskelröhre besitzt eentrale Kerne innerhalb des einfachen Fibrillenmantels, und zwar fand ich in den meisten Röhren von vorn herein 3—4 Kerne hinter einander an Längsschnitten. In vielen Fällen kommen einem solchen Gebilde neben diesen centralen Kernen auch periphere Kerne zu. Dann besitzen diese Röhren auch von vorn herein ein Sarko- lemm. In anderen Fällen, wenn die peripheren Kerne zuerst fehlen, ist die Röhre nackt, sie bildet sich erst nachträglich ein Sarkolemm. Wir dürfen letzteres niemals als Zellmembran auffassen, denn ein- kernige Muskelfasern, die den morphologischen Werth einer Zelle haben können, besitzen niemals ein Sarkolemm. Letzteres setzt stets die Anwesenheit von Kernen, d. h. von Zellenäquivalenten an der Peripherie der Faser voraus. Ich sagte absichtlich, dass einkernige Muskelfasern den morpho- ogischen Werth einer Zelle haben können. Sie müssen ihn nicht aben, denn wenn ein solches Gebilde durch Zerschnürung einer großen vielkernigen Plasmamasse entsteht, so dass neben einer An- zahl von Muskelröhren, die von vorn herein mehrere Kerne besitzen, auch einmal eine solche mit nur einem Kern vorkommt, so sind diese Zerklüftungsprodukte doch niemals als einfache Zellen zu betrachten. Der ganze Vorgang ist vielmehr anders zu beurtheilen. Wir haben Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen etc. 553 in der ausgebildeten Muskelfaser von Heptanchus, die von einem Sarkolemm umgeben ist und in ihrem Inneren zahlrecihe kontraktile Fibrillen zeigt, die ferner eine große Anzahl Kerne enthält, welche theils als innere Muskelkerne zwischen den Fibrillen zerstreut liegen, theils als äußere Muskelkerne oder Sarkolemmakerne eine periphere Anordnung besitzen, einen Gewebsbezirk vor uns. Derselbe wird durch den Vorgang einer Zerklüftung. in kleinere solche Bezirke zer- legt, nieht aber in einzelne Zellen, denn die Mehrzahl der Zerklüf- tungsprodukte besitzt von vorn herein mehrere Kerne. Wie wird nun das Sarkolemm an den jungen Muskelröhren ge- bildet, welche zuerst als nackte Gebilde bestehen? Hier sehen wir, dass bei der Vermehrung der Kerne sehr bald diese nicht mehr alle in der Achse der Röhre liegen, sondern zum Theil an die Peripherie derselben gelangen, indem sie sich zwischen den kontraktilen Fibrillen hindurehschieben. Diese werden dann zu Sarkolemmakernen, indem an der Oberfläche der Faser eine strukturlose Membran abgeschieden wird. Letztere wird natürlich von dem Plasma gebildet, es werden aber durch die Anwesenheit oberflächlicher Kerne hier offenbar Zellen- territorien im einheitlichen Plasma angedeutet. Es ist nun ferner selbstverständlich, dass in vielen Fällen Binde- gewebszellen, welche allenthalben sich der äußeren Oberfläche der Muskelfasern anlagern, auch in vielen Fällen sich bereits jungen Muskelröhren anlegen, bevor dieselben sich mit einem Sarkolemm umgeben haben. Solche Zellen wurden dann als die wahren sarko- lemmbildenden Elemente angesehen und ich selbst fasste sie auch so auf. Thatsächlich haben sie aber mit der Sarkolemmbildung nichts zu thun. Letzteres ist stets ein Produkt der Elemente der Muskelröhre selbst. Das Sarkolemm ist demnach weder eine bindegewebige Scheide der Muskelfaser, noch ist es eine Zellmembran. Vielmehr ist es eine strukturlose Lamelle, welche von den peripheren Elementen der vielzelligen Muskelfaser selbst gebildet wird. Wie es als solche genauer zu definiren ist, kann man nur entscheiden, wenn einfachere Ver- hältnisse in Vergleichung gezogen werden. Aus den Ausführungen, welche die Muskelbänder von Ammocoetes und Acipenser behandeln, ergiebt sich, dass solche Gebilde einen gefalteten und abgeschnürten Epithelbezirk darstellen, der zuerst den morphologischen Werth eines einschichtigen, dann eines mehrschichtigen Epithels besitzt. Die Oberfläche eines solchen Bandes entspricht der Basalfläche des erst vorhandenen Muskelepithels. Zerschnürt sich bei Acipenser ein Band Morpholog. Jahrbuch. 21. 36 554 F. Maurer zu Fasern, wie es an der lateralen Kante geschildert wurde, so hat die Oberfläche der drehrunden Muskelfaser ebenfalls die Bedeutung der Basalfläche des Muskelepithels. Wenn sich hier ein Sarkolemm als Cuticula bildet, so hat diese die morphologische Bedeutung einer Basalmembran des Muskelepithels. Unter Vermehrung der Fibrillen und Kerne geht eine einfache röhrenförmige Muskel- faser, die einem abgeschnürten einschichtigen Epithelbezirk entspricht, in ein Gebilde über, welches einem mehrschichtigen Epithel gleich- werthig ist. Die oberflächlichen Kerne gehören der tiefsten, die inneren Kerne den oberflächlichen Zellterritorien eines solchen Epithels an. Eben so kann bei Heptanchus eine Muskelfaser als zuerst ein- dann mehrschichtiger Epithelbezirk aufgefasst werden und dann hat das Sarkolemm auch hier die Bedeutung einer Basalmembran. Wenn die Bildung der Muskelfaser hier auch nicht mehr einen Faltungs- process an einem Epithel erkennen lässt, so muss doch der Ent- wieklungsmodus als ein cänogenetisch verkürzter verstanden und das Endresultat in seinem morphologischen Werthe eben so wie bei den durch Faltung entstandenen Gebilden aufgefasst werden. Mustelus. Eine gute Ergänzung zu den hier ausgeführten Zuständen bei Torpedo und Heptanchus bieten mir Schnittserien (Längs- und Quer- schnitte) von Mustelus. An Exemplaren von 6 cm Länge treten die Muskelbänder deutlich hervor. Sie sind durch Bindegewebe voll- kommen von einander gesondert und lagern im einzelnen Myocomma horizontal oder schräg über einander. In ihr Inneres ist noch kein Bindegewebe eingedrungen. Das ganze Band ist erfüllt mit kon- traktilen Fibrillen (Taf. XIII Fig. 25). Die Kerne liegen theils peripher, theils central. Ob diese Gebilde auch hier durch einen Faltungsprocess entstehen, wie bei Torpedo, kann ich nicht ent- scheiden, doch halte ich für wahrscheinlich, dass gleiche Endpro- dukte von so großer Bedeutung bei so nahe verwandten Formen sich auch auf im Wesentlichen gleiche Weise entwickeln. Jedenfalls bleiben aber die Bandbezirke bei Mustelus länger bestehen als bei Torpedo. Bei letzteren sehen wir, dass sie schon frühzeitig weiter zerklüftet werden. Auch bei Mustelus tritt späterhin eine Zerklüf- tung ein. Man sieht sie hier schon angedeutet in der Anordnung der Fibrillen, die spätere Faserbezirke an vielen Stellen erkennen lassen (vgl. Taf. XIII Fig. 25 mit Taf. XV Fig. 24. 3). Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete, 555 Diese Bänder stellen große Muskelepithelbezirke dar, in deren Inneres Bindegewebe noch nicht eingedrungen ist. Die Anordnung der Fibrillen zeigt die Zusammensetzung des ganzen Gebildes aus dicht zusammengeschlossenen Muskelfasern, deren jede einen peripheren Fibrillenmantel besitzt. An Längs- schnitten erkennt man die Kerne in Längsreihen angeordnet. Als Wachsthumspunkte dieser ganzen Gebilde finde ich die beiden Kan- ten, sowie die Oberfläche bedeutungsvoll. Hier liegen an kleineren Bandbezirken die Kerne am reichlichsten und die Fibrillen am dich- testen. Es stimmt dies wieder mit der Art und Weise des Wachs- thums eines Muskelbandes von Ammocoetes überein. Besprechung der Befunde bei Selachiern. Auch bei Selachiern bildet den Ausgangspunkt der Entwicklung quergestreifter Muskelfasern ein einschichtiges Cylinderepithel, wie es die mediale Urwirbellamelle darstellt. An diesem Epithel kommt es zu Faltenbildungen der basalen Fläche und hierin ist zugleich mit der Vermehrung der Elemente eine Oberflächenvergrößerung der Basis gegeben. Eine solche hatte bei Petromyzon und besonders bei Acipenser eine große Bedeutung, weil dort längs der Basalfläche eine einfache Lage kontraktiler Fibrillen zur Ausbildung kommt, die län- gere Zeit ihr einschichtiges Verhalten bewahrt. Darin müssen wir einen primitiven Zustand erblicken, weil er den Ausgangspunkt bildet für die Differenzirung späterer Fasern. Eine solche einschichtige Fibrillenlage kommt bei Torpedo zwar auch zur Anlage, aber die Fibrillen vermehren sich sofort, so dass sie in vielen Schichten angeordnet sind. Bei Petromyzon und Aci- penser erfüllen die kontraktilen Fibrillen erst späterhin die ganze Plasmamasse, nachdem sich das Muskelepithel bereits zu Muskel- bändern gesondert hat. Hier tritt schon ein mehrschichtiger Zustand der Fibrillen unmittelbar am noch einschichtigen Muskelepithel auf, - es wird demnach die erste Faltenbildung als Oberflächenvergrößerung nicht den hohen Werth haben wie bei jenen Formen. Indessen lege ich ihrem Auftreten ein sehr großes Gewicht bei, da ich darin einen alten palingenetischen Vorgang erblicke, der mit der phylo- genetischen Bildung der quergestreiften Muskulatur bei Wirbelthieren zusammenhängt. Die Faltenbildung am Muskelepithel wird bei Tor- pedo eben so wie bei niederen Formen fixirt durch eindringendes Bindegewebe. Die Faltungen des Muskelepithels bei Selachiern hat 36* 556 F. Maurer Raw schon in älteren Stadien beschrieben und abgebildet und fügt auch hinzu, dass in diese Einkerbungen Bindegewebe eindringe, wo- durch die Muskelmasse in einzelne Theile zerlegt werde. Rash misst aber diesem Vorgang, den er bei Pristiurus schildert, keine wesentliche Bedeutung bei. Ich muss dagegen in diesen Sonde- rungsvorgängen am Muskelblatt der Selachier, die ich bei Torpedo eben so finde wie es RABL schon bei Pristiurus angedeutet hat, einen sehr wichtigen Vorgang erblicken. Seine Bedeutung kann natürlich nicht von den Zuständen der Selachier aus erkannt wer- den, sondern erst die Vergleichung mit den Verhältnissen hei Cy- clostomen und Acipenser lehrt ihre wahre Bedeutung würdigen. — Zwischen je zwei von der medialen Urwirbelfliiche her in das Mus- kelepithel einschneidenden Falten liegt bei Torpedo eben so wie bei Petromyzon und Acipenser nicht eine einfache Zelle, sondern ein großer Epithelbezirk. Die Plasmakörper der Zellen dieses Epithel- bezirks sind bei letzteren Formen zu einer einheitlichen Masse kon- fluirt und nur die große Anzahl der Kerne darin bringt die Viel- zelligkeit eines solchen von mir als Muskelband bezeichneten Gebildes zum Ausdruck. Den Inhalt eines Muskelbandbezirkes bei Torpedo bildet nicht eine einheitliche Plasmamasse mit vielen Kernen, son- dern in diesen Bezirken sind die einzelnen Zellen zu langen spindel- förmigen Gebilden ausgewachsen, als epitheliale Muskelmutterzelle gesondert. Darin ist von vorn herein ein weiter differenzirter Zu- stand gegeben als bei Ammocoetes und Acipenser. Die bei Selachiern auftretende frühzeitige reichliche Vermehrung der kontraktilen Fibrillen im Muskelepithel, die zur raschen, mehrschichtigen Anordnung dieser Gebilde führt, fasse ich nicht als einen primitiven Zustand auf, sehe vielmehr darin eine Anpassung an die physiologisch höheren An- forderungen, die bei Selachiern im späteren Leben an den Bewegungs- apparat gestellt werden. Den primitiven Zustand sehe ich bei Cy- clostomen und Acipenser in den durch die ersten Faltungen ent- stehenden Muskelbändern mit einschichtigem Fibrillenmantel. Die Berechtigung der Auffassung dieser Bildung als einer primitiven ergiebt die Thatsache, dass bei diesen Formen späterhin sich nicht nur ein mehrschichtiger Fibrillenmantel bildet, sondern dass durch Zerschnürung der ganzen Blätter Muskelfasern gebildet werden, die schon bei Myxine und eben so bei Acipenser nachweisbar waren. Was bei den letztgenannten Formen sich langsam vollzieht, wird bei Selachiern rasch in verkürzter Weise gebildet. Während in den ersten großen Bandbezirken die Bildung em- Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 557 bryonaler Muskelfasern aus einer Zelle stattfindet, in der Weise, dass dieselbe durch Kernvermehrung zu einem Epithelbezirk heran- wächst, sehen wir, dass späterhin, wenn durch das eindringende Bindegewebe eine definitive Zertheilung des Bandbezirkes eingetreten ist, diese Muskelfasern heranwachsen und sich durch Längsspal- tung weiter zerlegen. Bei Heptanchus habe ich dies genau ge- schildert. Es entstehen durch diesen Zerklüftungsvorgang eine große Menge kleinster Muskelröhren, die mit den ersten embryonalen über- einstimmen. Entstanden bei Cyclostomen und Acipenser Muskelfasern durch Zerklüftung großer Epithelbezirke erster Ordnung, so sehen wir, dass bei Selachiern diese ersten Theilungsprodukte eines Muskel- bandbezirkes in gesonderten Epithelmuskelzellen angelegt sind. Der Vorgang der Zerklüftung tritt aber hier wieder auf an den ersten Fasern, die zu feineren Fasern zweiter Ordnung zertheilt werden. Die letztgebildeten Fasern stellen zuerst Muskelröhren mit einfachem Fibrillenmantel und centralem Plasma mit einer Längsreihe von Kernen dar. In denselben vermehren sich Kerne und Fibrillen, und während letztere die ganze Faser erfüllen, gelangen einige Kerne an die Peripherie der Faser, so dass wir äußere und innere Muskel- kerne unterscheiden können. Jede einzelne Faser stellt dann einen Epithelbezirk dar, und zwar einen mehrschichtigen. Sie ist von kontraktilen Fibrillen erfüllt; zwischen denselben liegen innere Muskelkerne, welche die ober- flächlichen Zellenlagen dieses kleinen Epithelbezirkes repräsentiren. Die peripheren Muskel- oder Sarkolemmakerne entsprechen der tief- sten Epithelzellenlage und die Oberfläche der Faser ist die Basal- fläche des Epithels. Kommt hier ein Sarkolemm zur Ausbildung, so stellt es eine Basalmembran des Epithels dar. Um die Berech- tigung dieser Auffassung zu verstehen, hat man nur die erste Bil- dung eines Muskelblattes durch Faltenbildung eines Epithels zu er- wägen. Die Oberfläche ist dann stets die basale Fläche. Bei weiterer Zerklüftung kann eine sekundäre Faltenbildung auftreten. Wenn es nicht geschieht, so kann doch auch jeder durch einfache Zerklüf- tung selbständige kleinere Epithelbezirk zu einem größeren solchen heranwachsen. Der andere Bildungsprocess ist dann als ein cäno- genetisch verkürzter aufzufassen. Ein jeder einzelne kleine Epithel- bezirk, der eine Muskelfaser morphologisch darstellt, besitzt in der Peripherie seine Basalfläche. 558 F. Maurer Teleostier. Auch bei Knochenfischen differenzirt sich der Urwirbel bekannt- lich in ähnlicher Weise wie bei Selachiern. Die letzten Angaben über seine Differenzirung zu Muskelfasern finde ich bei KASTNER, der die Forelle seinen Schilderungen zu Grunde legt. Ich hatte Gelegenheit eine vollkommene Entwicklungsserie vom Lachs in | verschiedener Weise zu konserviren, da mir von der Fischkultur des Herrn RIEDEL in Heidelberg das lebende Material in liberalster Weise zur Verfügung gestellt wurde. Die Thiere verlassen etwa fünfzig Tage nach dem Streichen das Ei. Bei dieser langen Ent- wicklungszeit gelingt es leicht alle einzelnen Stadien zu konserviren. Ich fixirte die Embryonen nach Abnahme der Eischale vom lebenden Objekte in Sublimat, Chromosmiumessigsäure und Pikrinschwefel- siure. Die Sublimathärtung ergab sich als die brauchbarste. Auf die ersten Bildungsvorgänge des Mesoderms will ich hier nicht eingehen. Ich beginne mit der Schilderung eines Stadiums, wo die Urwirbel schon gebildet, aber noch keine kontraktilen Fi- brillen im Muskelblatt aufgetreten sind. Dies findet sich bei Em- bryonen, die am elften Tage nach dem Streichen konservirt wurden. Am zehnten Tage hatte die Keimscheibe den Dotter ganz umwachsen. Nun hat sich der Embryo schon vom Dotter abgehoben. Nicht nur der Kopf ragt über den Dotter weit hervor, sondern auch der Schwanz beginnt sich abzuheben. Die Zahl der Urwirbel konnte ich nieht ganz genau feststellen, es waren 20—30 nachweisbar. Fig. 26 stellt einen Körperquerschnitt durch den sechsten Urwirbel hinter dem Gehörbläschen dar. Medullarrohr und Chorda sind zu erkennen. Unter der letzteren, in deren Zellen noch keine Vacuolen nachweisbar sind, liegt die Hypochorda und darunter die mächtige »intermediäre Zellmasse«, über deren Herkunft noch nichts Sicheres bekannt ist. ZIEGLER und A. leiten sie einfach vom Mesoderm ab, doch erkennt man am vorliegenden Schnitt, dass sie weder mit dem Urwirbel, noch mit den Parietalplatten in Verbindung steht. Sie stellt bekanntlich die Anlage der dorsalen Darmvene dar. Unter dieser Zellenmasse liegt das abgeplattete Darmrohr. Am Mesoderm sind drei Abschnitte unterscheidbar, die vollkommen von einander getrennt sind: Urwirbel, Vornierengang und Parietalplatten. Der Urwirbel ist der uns speciell interessirende Theil. Er lässt die mediale und laterale Lamelle unterscheiden. Letztere stellt ein einfaches kubisches Epithel dar, welches dorsal wie ventral in die Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen etc. 559 mediale Lamelle umbiegt. An der medialen Lamelle sind sehr auf- fallende Differenzirungen nachweisbar. Der Urwirbel erstreckt sich etwas über die Mitte des Medullarrohrs empor. Die mediale Lamelle besteht im oberen Drittel, so weit sie dem Medullarrohr anliegt, aus einfachen Cylinderzellen. Daran schließt sich dann ein Abschnitt, welcher die Hauptmasse des Urwirbels darstellt. In demselben haben wir nicht ein mehrschichtiges Epithel, auch keine ungeordnete Zellenmasse vor uns. Vielmehr macht die mediale Urwirbelwand, so weit sie der Chorda angeschlossen ist, den Ein- druck eines vielfach gefalteten Epithels. Dabei besteht gegen das Cutisblatt zu eine sehr weite Urwirbelhéhle. Das Eigenthümliche ist, dass nicht nur an der gegen die Chorda gerichteten Basalfläche des Epithels 5—6 tiefe Einschnitte bestehen, sondern dass auch diesen entsprechende Epithelkuppen in das Myocöl vorragen. Ich hatte zuerst die Ansicht, dass dies Bild etwa als Schrägschnittbild aufzufassen sei, dies konnte ich aber leicht ausschließen durch genaue Orientirung der Objekte. Nicht nur die basalen Einschnitte und die ins Myocöl vorragenden Kuppen lassen die Falten hervortreten, sondern diese kommen auch durch die Anordnung der Kerne zum Ausdruck. Zellgrenzen sind dabei an manchen Punkten deutlich nachweisbar. Ventralwärts schließt sich an den gefalteten Bezirk der medialen Urwirbellamelle das Sklerotomdivertikel an, welches seine Zellen gegen die Chorda und die intermediäre Zellenmasse bereits austreten lässt. Mit der letzteren hängen aber die Sklerotom- zellen nicht so zusammen, dass man sie an seiner Bildung betheiligt halten könnte, vielmehr kann man die Elemente beider Gebilde voll- kommen scharf von einander unterscheiden. Der Schnitt geht durch die Mitte des Urwirbels. Nach vorn wie nach hinten erstrecken sich die Falten durch vier weitere Schnitte und dann treten im Querschnitt die Urwirbelgrenzen auf. In diesem Stadium gelingt es an den gefalteten Theilen des Muskelblattes hier und da Zellgrenzen zu unterscheiden. An horizontalen Längsschnitten durch Embryonen dieses Stadiums erkennt man, dass die laterale Urwirbelwand, aus ganz gleich- artigen kubischen Zellen bestehend, sowohl vorn wie hinten in die Zellenmasse der medialen Wand ohne weitere Komplikation umbiegt. Ubersieht man an Längsschnitten die mediale Urwirbelwand, so lässt sie erstens mehrere, etwa fünf Reihen von hinter einander ge- legenen langovalen Kernen erkennen und dazwischen treten Längs- linien auf. In letzteren erkennt man die Muskelfasergrenzen. In einer Faseranlage sind hier schon mehrere Kerne enthalten, die in einer 560 F. Maurer Längsreihe liegen. Die erste Anlage ist hier eben so eine Muskel- epithelzelle, wie bei Selachiern und ist auch eben so aufzufassen als Mutterzelle für einen kleinen Epithelbezirk. Aus diesem Stadium erkennen wir, dass auch bei Knochen- fischen ein Faltungsprocess der medialen Urwirbellamelle der Bildung kontraktiler Fibrillen vorausgeht, denn kontraktile Fibrillen sind hier noch nirgends nachweisbar. Es fragt sich nur wie der Fal- tungsprocess zu Stande kommt. Man kann dies leicht beurtheilen, wenn man weiter hinten gelegene Urwirbel dieses Stadiums unter- sucht, da diese als die später gebildeten auch weniger weit in ihrer Differenzirung fortgeschritten sind. Man erkennt dann auch am 12. Urwirbel, also sechs Segmente hinter demjenigen, welchem der abgebildete Schnitt angehört, dass hier die mediale Urwirbel- lamelle nicht ein einfaches Cylinderepithel darstellt, wie dies in frühen Stadien bei Petromyzon und Torpedo der Fall ist, sondern es besteht der bekannte Zustand, dass an dieser Lamelle zwei Theile zu unterscheiden sind. Gegen die Chorda zu grenzt eine einfache Cylinderzellenschicht diese Lamelle ab. An diese Zellenlage schließt sich aber unmittelbar und fest mit ihr verbunden eine Gruppe unregelmäßig angeordneter kugliger Zellen an. Es hat dieser Zu- stand viel Ähnlichkeit mit dem auf Taf. XVI Fig. 29 abgebildeten Befunde von Rana temporaria. An den davor gelegenen Segmenten erkennt man, dass die oben geschilderte Faltenbildung von den abgrenzenden basalen Cylinder- zellen ausgeht und dass mit dem Fortschreiten der Faltenbildung die vorher ungeordneten rundlichen Elemente in den Epithelverband einrücken, so dass auf diese Weise das Bild der Taf. XV, Fig. 26 zu Stande kommt. Als wichtige Thatsache ist hierbei festzuhalten, dass die Initiative zu dieser Faltenbildung auch hier in den Ele- menten des Muskelblattes selbst liegt, das Bindegewebe nicht daran theilnehmen kann, weil zu dieser Zeit das Sklerotom noch gar nicht so weit ausgebildet ist. Es fragt sich nun was diese Falten für eine Bedeutung haben und da stehe ich nicht an, sie mit den gleichen bei Cyelostomen, Ganoi- den und Selachiern geschilderten Gebilden für homolog zu erklären. Was liegt nun hier zwischen zwei solchen Falten? Bei Petromyzon und Acipenser war hier einheitliches Plasma mit vielen Kernen nach- weisbar. Bei diesen bleibt es so in den Gebilden, die wir als Mus- kelbänder kennen gelernt haben, erhalten. Dort bilden sich die ersten kontraktilen Fibrillen als eine einfache Lage längs der Falten, in Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 561 welch letzteren wir die Basalfläche des Muskelepithels vor uns hatten. Bei Selachiern sahen wir wie der ganze Inhalt sich aus einzelnen Fasern zusammensetzt, die sich dann durch Längsspaltung ver- mehren. Hier bei Salmo salar finde ich die Plasmamasse ebenfalls nicht einheitlich, ich sehe auf Querschnitten vielmehr Zellgrenzen deutlich an dem zwischen zwei Falten befindlichen Epithelbezirk. Es ist also die von so vielen Autoren angegebene Thatsache, dass hier jede einzelne Zelle eine Muskelfaseranlage darstellt, verwirklicht. Die auf Taf. XVI Fig. 27 eingezeichneten Muskelfibrillenreihen liegen immer im basalen Theil jeder Muskelfaseranlage. Sie ähneln darin sehr der Anordnung der Fibrillen bei Acipenser, nur ist hier der Bandbezirk von vorn herein in kleinere Faserbezirke gesondert. Es treten nun im folgenden Stadium (Salmo 20 Tage nach dem Streichen mit 50—55 Urwirbeln) Weiterbildungen am Muskelblatt in zwei Richtungen fast gleichzeitig auf. Das ist erstens die Bildung der ersten kontraktilen Fibrillen und zweitens das Eindringen von Bindegewebe in das Muskelepithel. Der letztere Vorgang vollzieht sich genau wie bei den früher beschriebenen Formen, in so fern das Bindegewebe, welches sich aus dem Sklerotom entwickelt, in Form von einzelnen Zellen gerade in die Falten des Muskelblattes eindringt, wodurch dieselben vorübergehend sehr deutlich werden. Die Aus- bildung der Fibrillen vollzieht sich aber in einer ganz anderen Weise, als das bei den Cyelostomen, Acipenser oder Selachiern der Fall war. Kästner hat bei der Forelle die Fibrillen zu Platten und zu Röhren angeordnet unterschieden und giebt an, dass in Platten- anordnung die ersten Fibrillen auftreten und dass diese dann in Röhren übergehen, so dass man danach das Alter der Muskelfasern bestimmen könne. Die ersten Fibrillenplatten treten nach Kistner in den der Chorda zunächst gelegenen Muskelfaseranlagen auf. In welcher Beziehung sie zu den Muskelfasern selbst stehen, in welchem Theil des Plasma sie auftreten, finde ich bei Kästxer nicht ange- geben. Auch aus den Abbildungen ist es nicht zu ersehen, da die- selben überhaupt keine histologischen Details zeigen. Nur erkenne ich aus den Abildungen bei Kästner Fig. 29, 30 und 32, dass die Fibrillenplatten horizontal gestellt sind. Die Falten- bildungen am Muskelblatt hat KAsrner nicht erkannt, ich finde sie auch sonst nirgends erwähnt, kann dies aber nur auf den Umstand schieben, dass die Untersucher die bei Petromyzon und Acipenser bestehenden Zustände nicht gekannt haben. Zunächst hat man bei dem Suchen nach den ersten kontraktilen Fibrillen die Bindegewebs- 562 F. Maurer zellen auszuschalten, welche sich in die Falten des Muskelepithels einschieben (Fig. 27). Die Kerne derselben zeigen sich nämlich ganz abgeplattet und dunkel gefärbt, glänzend, sind aber nur durch zwei Schnitte verfolgbar, während ein Myomer durch zehn Schnitte sich erstreckt. Ferner gleichen diese Gebilde vollkommen den Kernen der Bindegewebszellen, welche sich zwischen Muskelblatt und Medullarrohr emporschieben. Die ersten kontraktilen Fibrillen sind thatsächlich längs der Epithelfalten angeordnet, aber sie sind an meinen in Sublimat konservirten Objekten nicht alle als punkt- förmige Querschnitte unterscheidbar, sondern sind zuweilen zu ein- heitlichen breiten Platten vereinigt, wie KÄsTNER sie auch nennt. Sie stellen aber nur solche Platten dar längs der horizontalen Fal- ten, nicht an den medialen Kuppen der Falten. An letzteren sind sie vielmehr wirklich punktförmig, aber viel dicker als die ersten Fibrillen bei Selachiern oder Cyclostomen. Im Inneren des Plasma eines Muskelbandes von Salmo finde ich zuerst noch keine kontrak- tilen Fibrillen, und dies ist für mich von großer Bedeutung. Es be- weist wieder die Einheit eines Muskelbandbezirkes auch hier, trotz der oben angeführten Grenzen innerhalb des Bandes, die einzelne kleinere Bezirke gegen einander sondern. Diese Einheit des Muskel- bandbezirkes als Epithelbezirk stimmt überein mit den Befunden bei den früher geschilderten Formen. Wie bei Selachiern streckt sich jede Epithelmuskelzelle zu einem spindelförmigen Gebilde und dann vermehrt sich der Kern, so dass ein einheitlicher Epithelbezirk zu Stande kommt, der mit vielen gleichartigen zusammen den In- halt zwischen zwei Einfaltungen darstellt. Bei etwas älteren Forellen (27 Tage nach dem Streichen) finde ich an Querschnitten durch die Körpermitte, dass erstens die Muskel- bandbezirke nicht mehr zu erkennen sind, und dass zweitens kon- traktile Platten nur in der Umgebung der oberflächlichsten gegen das Myocöl grenzenden Kerne nachweisbar sind. Im Übrigen be- stehen nicht Muskelröhren, wie es KAsTNER angiebt, sondern dicke Fibrillen mit punktförmigem Querschnitt in jeder Muskelfaseranlage. Der Muskelbandbezirk ist aufgelöst durch die gleichmäßige weitere Verbreitung von Bindegewebe in diese Bezirke hinein. Hierdurch sind wirkliche drehrunde Muskelfaseranlagen unterscheidbar geworden und in jeder solchen findet sich eine dicke kontraktile Fibrille. An der Anordnung der Fibrille in jeder Muskelfaser kann man noch ihre Beziehung zum Muskelbandbezirk erkennen. Diese Fibrillen sind nämlich zuerst nicht alle gleichmäßig angeordnet. Erstens Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen etc. 563 liegen sie immer wandständig in einer Faseranlage, die mehrere hinter einander gelegene Kerne besitzt. An den medialen der Chorda oder dem Medullarrohr zuniichst gelegenen Fasern liegen sie gegen jene Gebilde angeordnet und die Kerne liegen lateral von den Fi- brillen. An den weiter lateral folgenden Faseranlagen liegt die Fibrille bald dorsal, bald ventral von der Kernreihe der Faser. Es findet sich also hier zum ersten Male eine Anordnung der ersten kontraktilen Fibrillen in der Muskelfaser, die bei héheren Wirbel- thieren eine große Bedeutung erhält. Die Fibrillen bilden zuerst nicht einen peripheren Mantel in der Faser, in deren Centrum der Kern im Plasma angeordnet ist, sondern die erste Fibrille liegt neben der Kernreihe an der Peripherie der Faser. Aus der ver- schiedenen Anordnung derselben im Muskelblatt des Urwirbels, bald medial, bald dorsal und bald ventral von der Kernreihe schließe ich, dass sie stets an der Basis der Muskelfaser liegt. Die im vori- gen Stadium erkennbaren Faltungen grenzten Epithelbezirke erster Ordnung ab. Durch die Falten waren Muskelbandbezirke geson- dert, deren Oberfläche die Basis des Epithels darstellten. An sol- chem Bandbezirk war eine mediale Kante und eine dorsale und ventrale Fläche unterscheidbar. Lateralwärts war derselbe noch nicht scharf abgegrenzt. Längs dieser Fläche bildeten die kontrak- tilen Fibrillen sich in Plattenform aus, an der medialen Kante be- standen drehrunde Fibrillen. Mit der Zerlegung der Bandbezirke zu Muskelfasern unter dem Einfluss des eindringenden Bindegewebes wurden die Fibrillenplatten mit zerlegt und lagen, da sie sich in der ersten Zeit nicht bedeutend vermehren, in den Fasern, welche der früheren dorsalen Fläche des Bandbezirks anlagerten, dorsal von der Kernreihe, in Fasern, welche der ventralen Bandfläche angeschlossen waren, ventral von der Kernreihe, und in den aus der medialen Kante hervorgegangenen Fasern medial von der Kernreihe. So ist diese Anordnung der Fibrillen in der ersten Zeit zu verstehen als basale Anordnung in der einzelnen Faser, die desshalb so bleibt, weil die Weiterbildung der Fibrillen nicht so rasch erfolgt, wie die Zerschnürung des Muskelbandes von Seiten des eindringenden Binde- gewebes bewirkt wird. Am schönsten finde ich dieses Stadium an Lachsembryonen von 6,5 mm Liinge. Sie wurden am 33. Tage nach dem Streichen aus den Eiern genommen. Man findet an diesen, dass die gesammte Rumpfmuskulatur aus den bekannten beiden Schichten besteht. Einer tiefen, sehr dieken faserreichen Schicht, welche die Hauptmasse der Rumpfmuskulatur darstellt, lagert eine 564 F, Maurer oberflichliche, aus einer einfachen Lage sehr dicker Fasern be- stehende Schicht auf. Was die Dicke der Fasern betrifft, so nimmt sie an der medialen Hauptmasse lateralwärts ab, es bilden sich offenbar hier lateral immer neue junge Fasern an. In dieser me- dialen Schicht findet sich auch die verschiedene Anordnung der ba- salen kontraktilen Fibrillen in der oben angegebenen Weise. An den Fasern der lateralen Schicht liegt stets eine Fibrillengruppe in der der medialen Muskelmasse zugekehrten Hälfte der Faser, wäh- rend das reichliche, kernhaltige Plasma gegen die Körperoberfläche zugekehrt ist. Lateralwärts von dieser Muskellage ist noch eine platte Epithelschicht nachweisbar, welche das Cutisblatt darstellt. Kästner hat auch diese drei Schichten am Myotom der Forelle in diesem Stadium geschildert, er leitet die laterale Muskelschicht ein- fach aus der Cutislamelle des Myotoms ab, indem in einem ge- wissen Stadium Zellen aus dem Cutisblatt in die Tiefe rücken und hier die Muskelfasern bilden sollen. Es wäre das also eine Diffe- renzirung des Cutisblattes in zwei Schichten, eine tiefe Muskel- und eine oberflächliche, hier noch epitheliale Schicht. Ich habe früher die Entwicklung dieser oberflächlichen Muskelschicht anders geschil- dert: Indem von der dorsalen und ventralen Kante des Myotoms Zellen zwischen Muskel- und Cutisblatt lateral herab- resp. hinauf- rücken, entsteht die laterale Muskellage von der medialen Muskel- lamelle aus. | Ich muss diese meine Auffassung von der Bildung der lateralen Muskellage aus der medialen und nicht aus der lateralen Urwirbel- lamelle auch aufrecht erhalten gegen KÄsrtner’s Angaben. Sie wird aber modifieirt, wenn wir das Verhalten in der Anordnung der kon- traktilen Fibrillen in den Fasern dieser Schicht berücksichtigen. Wir sahen, dass die kontraktilen Fibrillen stets im basalen Theil einer Epithellage zuerst auftreten und dass bei dem Lachs sich in den isolirten Fasern diese basale Anordnung der Fibrillen noch erhält. Nun ist die Basalfläche der Cutislamelle des Myotoms der Epidermis zugekehrt, ihre freie Oberfläche grenzt gegen das Myocöl. Es müssten also die kontraktilen Fibrillen der oberflächlichen Muskel- fasern in der gegen die Epidermis zu gerichteten Hälfte der Fasern liegen, die Kerne gegen das Myocöl zu angeordnet sein. Gerade das Umgekehrte ist aber der Fall. Diese Anordnung der Fibrillen stimmt aber auch nicht zu meiner Auffassung von dem Herauf- und Herabrücken der Fasern von der dorsalen und ventralen Urwirbel- kante aus. Es bleibt daher nichts übrig, als noch einmal die Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 565 Bildungsweise dieser oberflächlichen Muskellage genau zu prüfen. Da komme ich denn zu dem Ergebnis, dass sie sich yon der me- dialen Muskelfasermasse aus durch Abspaltung in deren ganzer Aus- dehnung entwickelt. Dies wiirde iibereinstimmen mit der Bildungsweise der lateralen Muskelröhrenschicht, wie ich sie bei Acipenser geschildert habe. Wir finden die laterale Faserlage schon angedeutet bei 25 Tage alten Forellenembryonen (4 mm Körperlänge). Hier tritt sie hervor durch die Größe ihrer Elemente gegenüber den Fasern der medialen Muskelmasse. Sie ist aber mit letzterer viel inniger verbunden als mit dem lateralen Cutisblatt, das hier noch aus hohen kubischen Zellen be- steht. Diese innige Beziehung zur medialen Muskellamelle tritt nicht nur in der ganzen Ausdehnung der lateralen Muskellamelle hervor, sondern sie kommt auch schon deutlich zum Ausdruck an der dor- salen Kante des Myotoms, wo sich die Verhältnisse ganz ähnlich zeigen wie bei Acipenser: die beiden Muskellamellen biegen lateral- wärts in das Cutisblatt um. Diese oberflächliche Muskelfaserlage tritt von vorn herein hier als einheitliche Schicht auf und zeigt die ersten Fibrillen in Platten- form, wie dies Kästner geschildert hat. Die Anordnung dieser Platten ist eine charakteristische, sie treten in den einzelnen Fasern als eine dorsale und eine ventrale auf. Nun ist zu beachten, dass die Faltungen des Muskelblattes nicht sofort das ganze mediale Muskelblatt durchschneiden, sondern dass sie nur bis zu einer ge- wissen Tiefe zunächst einschneiden (Fig. 27). Es lässt sich dann ein medialer gefalteter Theil und eine laterale glatt über diese Fal- ten wegziehende Zellenlage des Muskelepithels unterscheiden. In den Falten bilden sich zuerst kontraktile Fibrillen und findet auch die erste weitere Zerschnürung des Muskelepithels zu Fasern statt. Dann aber schneiden auch lateralwärts die Falten durch die deckende oberflächlichste Faserlage durch und längs der Falten, welche die Epithelbasis darstellen, bilden sich die Fibrillenplatten, die dann als eine dorsale und ventrale Lage auftreten. Zwischen zwei Falten liegt nur eine Muskelfaser, die stets eine größere Mächtigkeit be- sitzt als die Fasern des zuerst gefalteten medialen Theils des Muskel- blattes. Es fragt sich nun, wie sich die Fibrillen in der einzelnen Muskel- faser weiter verhalten? Ihre Weiterbildung stellt sich bei Knochen- fischen nicht gleichartig dar. Salmo salar zeigt darin Verhältnisse, 566 F, Maurer die ich nicht für die einfacheren halte. Ich wähle zur Schilde- rung desshalb zunächst einen anderen Knochenfisch. Die besten histologischen Bilder fand ich an einem Cyprinoiden (Idus miniatus), und zwar an einem jungen Thiere von 7 mm Körperlänge. Die ganze Muskelmasse besteht hier aus drehrunden Fasern und man kann eben so wie beim Lachs zwei Schichten unterscheiden. Die Anbildung junger Muskelfasern findet an den bekannten Punkten, d.h. an der dorsalen Kante des Muskelblattes und an der lateralen Grenze der medialen Fasermasse statt. Hier kann man die Bildung der Fibrillen genau studiren. Die jüngsten hier auftretenden Muskel- fasern besitzen drei und mehr Kerne und zeigen neben den Kernen eine stark lichtbrechende kontraktile Fibrille von beträchtlicher Dieke mit deutlicher Querstreifung. Im Querschnitt zeigt diese Anordnung Taf. XV Fig. 28 a. Dann finden wir, dass diese Fibrille durch Längstheilung in eine größere Anzahl radiär zu einander gestellter feinerer Fibrillen zerfällt. Die einzelne Fibrille erscheint als schmales Band, auf dem Querschnitt stäbchenförmig. Nun rücken unter wei- terer Vermehrung der Fibrillen dieselben aus einander und bilden dann ein wirkliches Fibrillenrohr. Dasselbe liegt noch, gerade wie die erste Fibrille, seitlich von der Kernreihe, also in basaler An- ordnung in der Zellenreihe, welche die Faseranlage darstellt. Dabei zeigt das Sarkoplasma ein charakteristisches Verhalten. Es zeigt eine feinkörnige Struktur, dagegen ist innerhalb des Fibrillenrohrs eine ganz wasserhelle Substanz. Dies tritt bei Färbung noch schärfer hervor, in so fern an solcher Faser nach Karminfärbung das peri- phere Plasma, in welchem die Kerne liegen, blassroth gefärbt er- scheint, während das Innere des Fibrillenrohrs völlig ungefärbt ist. Unter weiterer Vermehrung der Fibrillen wird das Plasma noch weiter aus einander gedrängt und die an der Peripherie angeordneten Kerne verhalten sich dabei verschieden. In vielen Fällen bildet sich der Zustand d heraus: an der Stelle, wo ein Kern von reichlichem Plasma umgeben liegt, buchtet derselbe die Fibrillenröhre ein, ohne seine rundlich-ovale Form aufzugeben. An einer anderen Faser wird er von dem sich ausdehnenden Fibrillenrohr abgeplattet (d’). Bei d bestand noch ein Rohr von einfach radiär angeordneten Fi- brillenbändern. Nun tritt aber eine Vermehrung der Fibrillen derart ein, dass sie ihre einfache Anordnung aufgeben (d, und da). Diese Vermehrung findet nicht gleichmäßig von den ersten Fibrillen aus statt, sondern sie tritt unregelmäßig auf. Bei d, erkennt man, dass sie von einem Theil der peripheren Fibrillen aus erfolgt, und zwar Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 567 macht es den Eindruck, als theilten sich die ersten kontraktilen Bänder durch Längsspaltung. Die nun gebildeten Fibrillen mit kleinerem Querschnitt dringen ins Innere des Fibrillenrohrs ein und liegen unregelmäßig zerstreut hier in dem hellen Inhalt desselben. Allmählich erfüllen sie dessen ganzes Innere. Das dichtere Plasma bildet nur einen feinen Wandbelag. Die Kerne verhalten sich ver- schieden. Ein Theil von ihnen gelangt ins Centrum der Faser und liegt mitten zwischen den Fibrillen; er ist dann von einem feinen Saume körnigen Plasmas umgeben. Um dies Hereingelangen des Kerns ins Innere zwischen die Fibrillen zu erkennen, vergleiche man Fig. 28 d, eund f. Andere Kerne bleiben auch jetzt in einer peripheren Anordnung liegen (Fig. 28 g). Die Fibrillen verhalten sich verschie- den. Man kann stets eine periphere Lage von bandartigen solchen Gebilden unterscheiden von der inneren Fibrillenmasse, bei welchen die Querschnitte der einzelnen Fibrillen punktförmig sind (f und g). Die fertige Muskelfaser eines solchen Fisches zeigt demnach folgen- den Bau. Sie stellt ein drehrundes Gebilde dar, welches an seiner Oberfläche einen feinen körnigen Plasmabelag besitzt und im Inneren von einer großen Anzahl kontraktiler Fibrillen erfüllt ist. Die Muskelkerne sind als innere und äußere zu unterscheiden. Zwischen den Fasern findet sich faseriges Bindegewebe mit Zellen, deren Kerne spindelförmig sind. Ein Sarkolemm hat sich an den jüngeren Fasern noch nicht gebildet. Nur bei 2 Fig. 21 kann man ein sol- ches schon erkennen. Man sieht dabei zugleich, dass die äußeren Muskelkerne zu Sarkolemmkernen werden. Bei dieser Form be- kommt man zugleich ein sicheres Urtheil über die Bildungsweise des Sarkolemm. Es findet sich nur an den ältesten zuletzt geschil- derten Fasern als feiner, dunkler gefärbter Saum, dem die äußeren Muskelkerne angeschlossen sind. An den weiter ventral gelegenen, ältesten, schon längere Zeit fertig gebildeten Fasern sieht man dann das scharf hervortretende Sarkolemm an Stelle des bei 4 abgebildeten ' zarten Saumes, und seiner Innenfläche liegen die Sarkolemmakerne an. Stets ist dasselbe vom perimysialen Bindegewebe scharf zu trennen. Es muss hier von der oberflächlichsten Plasma- schicht der Muskelfaser abgeleitet werden, durch deren Erhärtung es sich bildet. Somit besitzt es die Bedeutung einer Cuticula. Wie hat man diese Bildung der Muskelfasern aufzufassen? Das Endresultat, die fertig gebildete Muskelfaser, zeigt den gleichen Bau wie bei den früher geschilderten Formen, nur der Ausgangspunkt ist 568 F. Maurer in so fern ein anderer, als die kontraktilen Fibrillen nicht von vorn herein einen peripheren Fibrillenmantel darstellen, sondern zuerst excentrisch in der einen Hälfte der Faser neben den Kernen auf- treten. Bei den früher geschilderten Formen, besonders Petromyzon und Acipenser, bestand stets von vorn herein eine periphere An- ordnung der Fibrillen längs der Basalfläche des Muskelepithels. Da die Falten, in welche das Muskelepithel sich differenzirt, sich gegen einander abschnüren, so dass Muskelbänder entstehen, entspricht die ganze Oberfläche eines solchen Bandes der Basalfläche des Epithels. Eben so finden wir in dem Muskelbandbezirk vom Lachs, wel- cher sich von vorn herein aus einzelnen Faseranlagen mit zuerst einem, dann mehreren Kernen zusammensetzt, die Peripherie die ganze Basis des Muskelepithels darstellen. Längs dieser Basis ent- stehen die Fibrillen, so dass sie in jeder einzelnen Faser einseitig liegen. Erst mit dem Auswachsen der Faser zu einem kernreicheren Epithelbezirk erreichen auch die Fibrillen die ganze Oberfläche der Faser, die Kerne werden als innere und äußere unterscheidbar und es erhält die Oberfläche des Gebildes dann den Werth der Basal- fläche dieses kleinen Epithelbezirks. Dieser Zustand wird ciino- genetisch verkürzt erreicht, nicht durch Abschnürung, wie bei Aci- penser. Bei Selachiern bilden sich von vorn herein die kontraktilen Fibrillen viel rascher und zahlreicher aus als bei Knochenfischen, und darum erreichen dort die Fasern auch früher die fertige Aus- bildung. Bei Acipenser, Selachiern und Teleostiern ist aber das End- resultat, die quergestreifte Muskelfaser, das gleiche, und da wir bei Acipenser wie bei Cyclostomen die primitiveren Zustände finden, wie ich früher begründete, so müssen bei diesen auch die Entwicklungs- vorgänge die ursprünglicheren palingenetischen sein. Bei Knochen- fischen ist der Vorgang cänogenetisch verkürzt. Beim Lachs finde ich die Weiterbildung der Muskelfaser etwas verschieden von dem gleichen Vorgang bei Idus, und zwar beruht © dies darin, dass die Muskelkerne dort alle eine periphere Lagerung beibehalten, es rücken bei der Ausbildung einer großen Anzahl von Fibrillen keine Kerne zwischen dieselben ins Innere der Faser. Es zeigt die Faser dann stets das Bild wie Fig. 28 y. Darin sehe ich einen höheren Zustand durch die Cänogenese von vorn herein ge- geben, der bei Amnioten erst ganz spät sich herstellt. Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 569 Besprechung der Befunde bei Knochenfischen. Bei Teleostiern sehen wir die ersten Muskelelemente wie bei niederen Formen aus der medialen Urwirbellamelle entstehen. Diese stellt zuerst nicht ein einschichtiges, sondern ein mehrschichtiges Epithel dar, an welchem die basale Zellenlage, gegen Medullarrohr und Chorda gelegen, sich durch hohe Cylinderzellen vor den gegen das Myoecöl hin folgenden rundlichen Zellen unterscheidet. Letztere bilden den Urwirbelkern. An diesem Epithel kommt es unter Flächen- ausdehnung zu Faltenbildungen, die von der tiefen Schicht aus in die Zellenmasse einschneiden, und zwar liegt auch hier die Ini- tiative zu diesem Vorgange im Muskelepithel, es ist noch kein Binde- gewebe entwickelt. Durch diese Falten werden am Muskelepi- thel Bezirke erster Ordnung abgegrenzt, welche ich für homolog den Muskelbändern des Petromyzon und Acipenser halte und welche eben so auch bei Selachiern nachweisbar waren. Längs der Faltengrenzen, d. h. der Epithelbasis, treten kontraktile Fibrillen in Form feinster Bänder oder drehrunder Gebilde auf. Die zwischen zwei Falten gelegene Epithelzellenmasse, welche im Muskelband von Petromyzon und Acipenser einheitlich bleibt, ist hier wie bei Selachiern von vorn herein von gesonderten Zellen eingenommen. Die Fibrillen stellen im Anfange nicht eine periphere einfache Lage in jeder Muskelfaser dar, sondern sie liegen einseitig wand- ständig in einer Faser. Erst später wird unter Vermehrung der Fibrillen und Auseinanderrücken derselben zu einer Röhre all- mählich die ganze Peripherie der Faser erreicht und es stellt sich sekundär ein Zustand für jede Faser her, welcher bei niederen Formen primär bestand. Dieser Bildungsmodus ist als ein cänogene- tischer Vorgang zu betrachten, verursacht durch die langsame Aus- bildung kontraktiler Fibrillen. In die primären Falten des Muskelepithels dringt sehr früh- zeitig Bindegewebe ein, das dann auch zwischen die einzelnen Fasern sich einschiebt. Dasselbe hat aber mit der Sarkolemmbildung nichts zu thun. Letztere geht vielmehr von der Muskelfaser selbst aus. Wir können an jeder Faser innere und äußere Muskelkerne unter- scheiden. Die inneren bilden sich meist später zurück, die äußeren bleiben als Sarkolemmakerne erhalten. Eine jede Muskelfaser stellt bei Teleostiern einen kleinen selbständigen Epithelbezirk dar. Wir können ihre Oberfläche eben so, wie bei Acipenser und Myxine, als die Basalfläche dieses Bezirks betrachten. Dann hat das cuticulare Morpholog. Jahrbuch. 21. 37 570 F. Maurer Sarkolemm die Bedeutung einer Basalmembran. Die ihm anlagern- den Kerne entsprechen der tiefsten Zellenlage des Epithelbezirks, die auch hier allein erhalten bleiben (Idus), oder von vorn herein allein bestehen (Salmo), während die inneren Muskelkerne, welche den oberflächlichen Zellenlagen des Epithelbezirks entsprechen, wenn sie zuerst bestanden, später eine Rückbildung erleiden. Es kommt auch hier wieder die größere Bedeutung der basalen Zellenlage an einem mehrschichtigen Epithel zum Ausdruck. Amphibien. Bei Amphibien wurden die ersten Entwicklungsvorgänge der Muskulatur schon am häufigsten untersucht. Remax, Max SCHULTZE, F. E. SCHULZE, WıLson und viele Andere haben besonders die im Schwanze der Batrachierlarven sich entwickelnden Fasern untersucht und kamen Alle zu dem Resultat, dass eine Muskelfaser sich aus einer Zelle entwickeln kann. Leider haben diese Forscher alle künstlich isolirte Muskelfasern untersucht, die dann nach ihrem Ge- halt an Kernen als Entwicklungsreihen neben einander gestellt wurden. Wir bekommen daraus keine Vorstellung davon, wie sich diese Fasern in normaler Anordnung verhalten. Wir lernen aber aus den Angaben und Abbildungen, dass bei Batrachiern die ersten kon- traktilen Fibrillen stets einseitig in der Faser auftreten, dass sie nicht von vorn herein einen Fibrillenmantel bilden. REMAK macht ferner die wichtige Angabe, dass vor dem Er- scheinen der Querstreifung die eylindrischen Muskelzellen in ihrer Längsriehtung zerfallen. Die ersten Fasern bilden sich alle aus einfachen Zellen, Dotterzellen, die unter Verlängerung und Ver- mehrung der Kerne zu Muskelfasern auswachsen. Es ergiebt sich daraus, dass, wenn eine vielzellige Faser sich theilt, die Theilungs- produkte nicht mehr direkt aus einfachen Zellen sich bildeten, son- dern dieselben gingen durch Zerklüftung aus größeren Zellenkom- plexen hervor. Die Vermehrung der Kerne in den Fasern findet mit einer gewissen Gresetzmäßigkeit statt. Die Kerne liegen in Längs- und in Querreihen. So hat z. B. Remax Fasern mit vier Kernen abgebildet. Die Kerne liegen je zwei und zwei neben- und hinter ein- ander. Lagen viele solcher Fasern neben einander, so konnte REMAK zwölf Kerne neben einander in gerader Linie angeordnet nachweisen. Während REmak die Fasern durch Kernvermehrung aus einer Zelle ableitet, lässt Wırsox sie durch Verschmelzung verschiedener Zellen a u Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 571 entstehen. Auch Derrers hat die gleichen Elemente untersucht. Er fasst die kontraktilen Fibrillen als Intercellularsubstanz auf. Das Muskel- gewebe bildet sich nach ihm noch aus Bindegewebszellen. Das Sarko- lemm ist nicht Zellenmembran, sondern die zuletzt abgeschiedene Substanz bei der Bildung einer Muskelfaser, sie hat demnach die Bedeutung einer Cuticula. Im Inneren dieser letzteren befinden sich außer den Fibrillen auch die ganzen Muskelzellen, welche früher häufig deutliche Membranen hatten. Somit wäre nach DEITERS eine Muskel- faser ein durch eine Cutieula abgeschlossener Bindegewebskomplex. Nach F. E. Schutze kann eine Muskelfaser hier jedenfalls aus einer einfachen Zelle entstehen. Innerhalb des Plasmas derselben entstehen die kontraktilen Fibrillen. Die Sarkolemmakerne sind echte Muskelkerne, das Sarkolemm ist das äußerste erhärtete Plasma der Muskelzelle oder -faser. Von Interesse sind mir die Angaben Gorrte’s in der Entwicklungsgeschichte der Unke. GOoETTE lässt embryonal jede Muskelfaser aus einer Zelle entstehen, die Ver- mehrung des Kernes soll erst nach Ausbildung der kontraktilen Fi- brillen erfolgen. Später soll hingegen die Bildung einer Muskelfaser durch Zusammenlagern und Verschmelzung mehrerer Zellen statt- finden. In den embryonalen Muskelfasern bilden sich die Fibrillen einseitig in der Faser aus und bei ihrer Vermehrung und Ausdehnung, gleichzeitig mit Vermehrung des Kernes gelangen einige der Kerne zwischen die Fibrillen und ins Innere der Faser, ähnlich, wie ich dies bei Idus schilderte. GOoETTE fasst dies aber als eine Zufällig- keit bei der Bildung einer Muskelfaser auf. Die Auffassung, dass die embryonale Muskelfaser aus einer Zelle entstehen kann, findet sich auch in allen neueren Arbeiten, so dass an der Richtigkeit dieser Thatsache nicht zu zweifeln ist. Bei der Bildung der ersten Muskelfasern aus der medialen Lamelle der Urwirbel wird letztere stets als ein Komplex von Zellen, die sich zu Fasern ausgedehnt haben, geschildert. Solche gleichartige Fasern liegen neben einander, die in ihnen differenzirten kontraktilen Fi- brillen liegen alle einseitig in denselben angeordnet. Nach den Befunden, welche ich oben von niederen Formen "gegeben habe, liegt die Frage nahe, ob wir bei Amphibien nicht auch noch eine An- deutung jenes Faltungsprocesses nachweisen können, welcher dort am medialen Urwirbelblatt, das eine Epithellage darstellt, als erste Kom- plikation und Vorbereitung für die Fibrillenbildung, auftritt. In einer früheren Arbeit habe ich die ersten Entwieklungsvorgänge der Mus- kulatur bei Amphibien genau beschrieben, habe aber dort mehr die 37* 972 F. Maurer topographischen, als die histologischen Verhältnisse berücksichtigt. Gerade die histologischen Fragen aber sind es, welche im Laufe weiterer Untersuchungen ein großes Interesse erhalten haben und die Befunde reihen sich in modifieirter Weise an die bei Fischen geschilderten Zustände an. Wir haben bei Amphibien die Anuren und Urodelen getrennt zu betrachten. Bei beiden Gruppen entwickelt sich die erste Muskulatur aus den medialen Myotomlamellen, es spielen sich aber die feineren Vorgänge in verschiedener Weise ab. Da die Anuren in Bezug auf die erste histologische Differen- zirung der Muskelfaser viel Ähnlichkeit mit den Teleostiern zeigen, die Urodelen aber einen Anschluss an die Amnioten darbieten, mögen jene in der Schilderung vorausstehen. Anuren. Zur Untersuchung kamen Eier und Embryonen verschiedenster Stadien von Rana esculenta, temporaria und Bufo cinereus. Ich lege Rana temporaria den Schilderungen zu Grunde und bemerke zuvor, dass die beiden anderen Formen in Betreff der uns hier interessiren- den Fragen keine wesentlichen Abweichungen zeigten. Ein Stadium des Urwirbels, in welchem dessen mediale und la- terale Lamelle einfache Cylinderepithellagen darstellen, besteht bei Anuren nicht. Nur zur Zeit der ersten Bildung des gastralen Meso- derms von der Riickenfliiche des Entoderm aus stellt das ganze Meso- derm einen von einfachem Epithel bewandeten paarigen Sack dar, der noch mit der Urdarmhöhle kommunicirt. Hat er sich vom Entoderm abgeschniirt, so vermehren sich die Zellen des Mesoderm seitlich von der Chordaanlage, an dem Theil, der später zum Urwirbel wird, so dass sie eine kompakte Zellenmasse darstellen. Kommt es dann zur Ab- gliederung des Urwirbels von den Parietalplatten, so stellt jener eine Zellenmasse dar, an der es erst zur Sonderung einer medialen und lateralen Lamelle kommt unter gleichzeitiger Bildung eines Myocöls (vgl. Taf. XVI Fig. 29), welche einem Querschnitt durch einen Em- bryo von Rana temporaria von 3,5 mm Länge aus der hinteren Körper- hälfte entnommen ist. Während die laterale Lamelle eine einfache Cylinderzellenschicht darstellt, ist die mediale Lamelle, das uns speciell interessirende Muskelblatt des Urwirbels, ein Komplex von Zellen, die in vielen Schiehten über einander liegen. Wir finden. demnach als Ausgangspunkt für die erste Entwicklung der Muskel- fasern nicht ein einschichtiges, sondern von vorn herein ein mehrschich- Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen etc. 573 tiges Epithel. Die basale Zellenlage dieses Epithels ist gegen Chorda und Medullarrohr gerichtet und die Elemente dieser tiefsten Schicht schließen sich so zusammen, dass sie deutlich sich von den angrenzen- den oberflächlichen, gegen das Myocöl hin gelegenen Schichten, unterscheiden. Es ist demnach wie bei Teleostiern am Urwirbel auch ein Kern nachweisbar, dessen Elemente der medialen Lamelle angeschlossen sind und späterhin eben so wie dort zur Bildung von Muskelfasern verbraucht werden. Die Elemente des Muskelblattes vermehren sich, und zwar besonders an zwei Punkten findet eine reichliche Kern- und Zellenvermehrung statt: es sind dies die ober- flächlichsten Zellenlagen des Muskelblattes gegen das Myocöl hin und dann die Elemente der tiefsten Lage, gegen das Medullarrohr, resp. die Chorda hin. An letzteren finden zuerst wichtige Vorgänge statt, welche wir wieder als Faltenbildungen deuten müssen, wenn wir die früber geschilderten Formen berücksichtigen. Während bei Larven von 3,5 mm Länge, an welchen ein Schwanz sich eben bildet, die Urwirbel der hinteren Körperhälfte gerade die tiefe Zellenlage des Muskelblattes deutlich hervortreten lassen, finden wir an anderen Urwirbeln, dass hier an Stelle dieser Zellen Muskelbänder be- stehen, in welchen die Kerne sehr dicht gelagert sind. An diese Muskelbänder schließen sich lateralwärts Anlagen von drehrunden Muskelfasern an, in welchen jetzt schon 2—4 Kerne hinter einander angeordnet sind. Von kontraktilen Fibrillen konnte ich nichts nach- weisen, da die Zellen noch zu dicht mit den stark lichtbrechenden Dotterblättehen erfüllt sind. Die Muskelbänder sind sehr dicht über einander sökchlchtet und besitzen im Querschnitt 2—3 Kerne. Auf dem Längsschnitt ergeben sich eben so viele Längsreihen von Kernen in jedem Bande und jede solche Längsreihe hat 2—4 Kerne. Zuweilen, aber nicht immer konnte ich die von REMAK schon angegebene regelmäßige Anordnung der Kerne auch in Querreihen erkennen. Die medialen Muskelbänder sind durch tiefe Einschnitte von einander gesondert und ein jedes zeigt sich an seiner medialen Kante leicht abgerundet. Lateralwärts schließen sich an die lateralen Kanten der Bänder, die dicht gedrängt liegenden Muskelfaseranlagen an. Es können hier an den Muskelbändern zwei Vorgänge vorliegen. Entweder es geht ein jedes Muskelband durch Kernvermehrung direkt aus einer Zelle hervor, oder es entsteht durch Faltung aus den tiefen Lagen des Muskelepithels, indem die Plasmakörper der hier befindlichen Zellen sich vereinigen. Dass Letzteres möglich ist, 574 F. Maurer ergeben die Befunde bei Petromyzon und Acipenser. Es macht mir hier aber den Eindruck, als ginge ein solches Muskelblatt wirklich durch Auswachsen aus einer Zelle hervor. Wenn wir nun sehen, dass das Endresultat das gleiche ist, nur die ontogenetische Ent- wicklung hier anders sich vollzieht wie bei Acipenser und Petro- myzon, so stehe ich nicht an, den bei letzteren geschilderten Vor- gang als den primitiven zu betrachten. Ein Epithel bildet zum Zweck der Oberflächenvergrößerung an seiner Basis Falten. Zwischen zwei solchen basalen Falten liegt ein größerer Epithelbezirk. Durch Ver- einigung solcher Falten zerschnürt sich das Epithel in bandartige Bezirke. Dies wird der primitive Vorgang sein. Es kann nun, und so verhält es sich bei Anuren, eine jede Epithelzelle die Mutter- zelle eines Epithelbandes darstellen. Dann geht letzteres aus einer Zelle hervor und ein Abschniirungsprocess ist nicht mehr nothwendig, da die Bandbezirke von vorn herein von einander getrennt sind. Wenn sich lateralwärts an die Bandbezirke bei Anuren noch von vorn herein weitere Elemente anschließen, so ist das auch als ein cänogenetischer Entwicklungsvorgang aufzufassen. Theile, die bei primitiveren Formen von den Epithelfalten sich zuerst abschnüren müssen, sind hier von vorn herein selbständig angelegt. Diese modifieirte Bildungsweise zeigt uns sehr scharf, wie ein palingenetischer Vorgang in der Ontogenie cänogenetisch verändert wird. Was ich hier als Muskelband bezeichne, besteht bei Anuren nur sehr kurze Zeit als einheitliches Gebilde und ich konnte nicht einmal kontraktile Fibrillen darin nachweisen. Bei 5 mm langen Larven besteht das Muskelblatt eines Urwirbels der Körpermitte aus lauter gleichartigen drehrunden Fasern, in deren jeder eine Gruppe einseitig angeordneter kontraktiler Fibrillen nachweisbar ist. Lateral finden sich die jüngsten Fasern. Dieser Zustand kann aus dem früheren nur in der Weise sich gebildet haben, dass die Muskel- bänder sich der Länge nach gespalten haben und dadurch in Muskel- fasern zerfielen. Nun finden wir aber bei älteren Larven sehr häufig wieder Muskelbänder und zwar treten dieselben, wie ich fand, stets am reichlichsten an der medialen Grenze des Muskelblattes auf. Hier kommt es offenbar zur Kernvermehrung in den mehrzelligen Muskelfasern, ein Vorgang, der schon oft geschildert wurde und späterhin theilen sich die neu entstandenen Muskelbänder wieder der Länge nach zu Muskelfasern. Außer dieser Vermehrung der Muskelfasern durch Theilungsvorgänge an den tiefsten (medialsten) Lagen des Muskelblattes, vermehren sich auch die Elemente der Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 575 oberflächlichen Schichten, die gegen das Myoeöl hin liegen. Ich richtete an Längsschnitten speciell mein Augenmerk darauf, ob etwa hier die jungen Muskelfasern von der lateralen Lamelle an der hinteren Wand des Urwirbels entstünden durch Umbiegen und Ein- rücken der Elemente längs des Muskelblattes in der Art, wie es Kästner bei Selachiern schilderte, ich konnte aber nichts Derartiges nachweisen. Vielmehr muss ich diese neugebildeten Muskelfasern aus der medialen Muskellamelle selbst ableiten. Die laterale La- melle stellt hier noch ein einschichtiges Plattenepithel dar, welches dem Muskelblatt dicht anliegt. Es besteht bei Anuren niemals ein weites Myocöl, aber eine scharfe Grenzlinie zwischen Cutis- und Muskelblatt ist an Körperquerschnitten stets nachweisbar. Leider kann ich über das erste Auftreten kontraktiler Fibrillen keine sicheren Angaben machen. Bei Larven von 5,5 mm Länge, bei welchen ich zuerst Fibrillen sah, waren dieselben einseitig in der Faseranlage angeordnet und stellten bereits ein dickes Bündel feinster Fibrillen dar. Demnach schließen sich offenbar die Anuren in dieser Beziehung an die Teleostier an. Es zeigen sich thatsäch- lich weiterhin genau dieselben Vorgänge bei Anuren, wie ich sie bei Idus miniatus geschildert und abgebildet habe (Fig. 28). Die An- ordnung der Fibrillen in den Fasern erhielt für mich Interesse in einem Stadium, welches einer Froschlarve von 8 mm Länge entnommen ist. Es handelt sich um Kaulquappen, bei welchen die äußeren Kiemen von der Hautfalte des Hyoids überwachsen werden und die innere Kiemenhöhle sich gerade abschließt. Zwischen die Muskelelemente der Urwirbel ist Bindegewebe eingedrungen und dieses folgt den Grenzen der früheren Muskel- bänder, so dass die aus letzteren Gebilden hervorgegangenen Muskel- röhren in Querreihen neben einander gelagert sind. Durch das reich- lich von der medialen Fläche hereinwuchernde Bindegewebe werden die Grenzen der früheren Bandbezirke deutlicher, da die Muskel- fasern aus einander gedrängt werden (Taf. XVI Fig. 31). Zwischen die einzelnen Muskelfasern ist Bindegewebe noch nicht eingedrungen. Untersucht man die Muskelfasern, welche zwischen zwei solchen horizontalen Bindegewebslagen angeordnet sind, so erkennt man, dass medial in der Regel eine einzige große Muskelfaser liegt, in deren medialer Hälfte ein Komplex kompakt zusammenliegender Fibrillen nachweisbar ist. Lateral von den Fibrillen liegen im reichlichen feinkörnigen Plasma die Kerne in einfacher Längsreihe. Auf diese erste Faser folgt lateralwärts eine zweite, eben so gebaute. 576 F. Maurer Dann traten Unregelmäßigkeiten auf, in so fern häufig zwei, seltener drei Fasern über einander liegen. Lateralwärts werden die Bandbezirke undeutlich, entsprechend dem früheren Zustande, in welchem die Bänder ja auch nur eine Strecke weit in die Muskel- masse hineinreichten, während lateral selbständige Muskelfaseranlagen sich anschlossen. Jetzt macht dies den Eindruck, als gingen die Bandbezirke direkt in die unregelmäßig angeordneten Muskelfasern über. Zwischen letzteren sind schon vereinzelte Bindegewebszellen nachweisbar; dieselben sind vom Cutisblatt aus eingedrungen. Es sind somit medial noch Bandbezirke zu unterscheiden, dieselben vereinigen sich aber lateral alle in der einheitlichen Muskelfaser- masse. Jedes Muskelband enthält 7—8 Muskelfasern. Die beiden medial gelegenen Fasern sind die dicksten. In ihnen sind, wie ge- sagt, die kontraktilen Fibrillen medial angeordnet. Von da an, wo 2 oder 3 Fasern in einem Bandbezirk über einander liegen, sind die Fibrillenbündel so vertheilt, dass sie in der dorsal angeordneten Faser in deren dorsaler Hälfte, in den ventral gelegenen Fasern in deren ventraler Hälfte liegen. Die Kerne liegen dem entgegengesetzt in den dorsalen Fasern ventral, in den ventralen dorsal angeordnet. Häufig ist dadurch, dass die Fasern etwas zwischen einander geschoben sind, diese Anordnung leicht schräg geworden, immer aber tritt sie deutlich hervor (Fig. 31). In allen lateral von den als Bandbezirke abgrenzbaren Fasern, die regellos neben einander liegen, sind die kontraktilen Fibrillen der medialen Hälfte der Fasern eingelagert. Auf die Anordnung der Fibrillen lege ich desshalb ein großes Gewicht, weil sie eine wichtige Stütze dafür bietet, dass wir in der Anordnung der medialen Muskelfasern zu queren Reihen noch eine Andeutung der Bandbezirke wie sie bei Acipenser so deutlich be- stehen, erblicken müssen. Im einheitlichen Muskelband von Aci- penser liegen die kontraktilen Fibrillen an der ganzen Peripherie eines solchen, d. h. längs der ganzen dorsalen und ventralen Grenzfläche desselben. Lateral und medial biegen in vielen Bändern die dor- sale und ventrale Fibrillenlage in einander um. Denkt man sich nun ein solches Band durch senkrecht einschneidende Falten in ein- zelne Fasern der Länge nach zerlegt, so wird sich eine Anordnung der Fibrillen ergeben, wie ich sie bei Rana schilderte, im Falle die Fibrillen nieht so schnell sich vermehren, dass sie sofort die ganze Peripherie der Fasern einnehmen. Ich verweise hierüber auf die glei- chen Verhältnisse bei Teleostiern, die pag. 566 u. f. besprochen sind. Dann ist also zuerst stets in jeder Muskelfaser die Anordnung der Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 577 Fibrillen eine basale, da die ganze Peripherie des Bandbezirks der Basis des Epithels entspricht, die sich in Falten gelegt hat. Nimmt man iiltere Kaulquappen vor, so zeigt sich auf Quer- schnitten, dass die durch Bindegewebe abgegrenzten Bandbezirke undeutlich werden. Die Muskelfasern liegen in Massen regellos neben einander. Dies ist die Folge zweier Vorgänge. Erstens ver- theilt sich sehr bald das eindringende Bindegewebe gleichmäßig zwischen die einzelnen Fasern, zweitens besteht in der Thätigkeit der Muskelfasern, in ihren Kontraktionen ein wichtiges Moment, welches die schichtenartige Anordnung der Fasern aufhebt. Wenn dem scheinbar das Bestehenbleiben der Bandbezirke bei Myxine widerspricht, so ist zu bedenken, ob bei Myxine zur Zeit wo der Inhalt der Bänder in Muskelfasern zertheilt wird, das Bindegewebe zwischen zwei Bändern als dieke Faserlage, nicht schon viel mäch- tiger ausgebildet ist als bei Rana, wo diese Dinge sehr frühzeitig im ersten Larvenleben sich abspielen. Die in späteren Stadien sich bildenden Muskelfasern entstehen direkt aus Zellen durch Auswachsen, eben so wie bier die meisten Muskelfasern des Urwirbels. Die Fibrillen treten stets einseitig auf und erfüllen allmählich die ganze Faser. Die Kerne liegen häufig ausschließlich peripher und gehen in die Sarkolemmakerne über. In vielen Fällen findet man auch zwischen den Fibrillen innere Muskel- kerne. Dieselben bestehen aber im späteren Leben nicht mehr, sie erleiden eine völlige Rückbildung. Zwischen die Fibrillen gelangt ein Theil der zuerst peripher angeordneten Kerne durch den gleichen Vorgang, wie ich ihn bei Idus miniatus geschildert habe. Dass auch späterhin eine Vermehrung der Fasern durch Längsspaltung erfolgt, die im Wesentlichen sich so vollzieht, wie ich es bei Heptanchus ge- schildert habe, nur von einer reichlicheren Wucherung des perimy- sialen Bindegewebes begleitet ist, ist eine längst bekannte und viel- fach beschriebene Thatsache. Beachtenswerth ist, dass hierbei stets eine Vermehrung des Sarkoplasmas eintritt ohne gleichzeitige Ver- mehrung der kontraktilen Fibrillen. Letztere rücken daher aus einander und bilden Muskelsäulchen (KÖLLIKER), die den COHNHEIM- schen Feldern ruhender Fasern entsprechen mögen. Daraus ergiebt sich nun die wichtige Folge, dass solche Fasern keineswegs einen embryonalen Zustand darstellen, sondern das Hervortreten der Muskel- säulchen ist der Ausdruck eines eigenthümlichen Wachsthumsvor- ganges der ausgebildeten Muskelfaser, wobei sich zunächst nur das Sarkoplasma vermehrt. Es erscheint überflüssig, alle die verschie- 578 F. Maurer denen Angaben der Autoren anzuführen, die sich auf die Bildung späterer Muskelfasern beziehen. Als sicherstehende Thatsache ist nur anzuführen, dass beim Frosch Muskelfasern besonders am Muse. obliq. abd. ext. durch Aneinanderlagerung mehrerer Zellen entsteht. Ferner ist die von Born geschilderte Beobachtung anzuführen, dass in der Muskulatur des Oberschenkels gabelig getheilte Fasern, sowie dieke Fasern mit dünnen Seitenästehen vorkommen. Andere An- gaben sind für die uns hier beschäftigenden Fragen ohne Belang. Urodelen. Als Repräsentanten dieser Gruppe wähle ich Siredon piseiformis, von welchem mir alle Embryonalstadien zur Verfügung stehen. An dieser Form habe ich schon früher die Entwicklung der Muskulatur, besonders in Bezug auf die Ausbildung der Schichten, genau ge- schildert, nicht aber die feineren histologischen Vorgänge bei der Bildung der ersten Muskelfasern aus dem Muskelblatt des Urwirbels. Ich habe bereits mehrfach Abbildungen vom Urwirbel auch in jüngsten Stadien gegeben, allein dort habe ich die Zellen der medialen Ur- wirbelwand so eingezeichnet, wie sie gerade in dem betreffenden Schnitt sich zeigten. Zur Erledigung der uns hier interessirenden Frage, ob nicht auch hier Faltenbildungen die ersten Differenzirungen am Muskelblatt einleiten, musste ich neue Serien anfertigen, wobei ich denn auch ein positives Resultat erhielt. Fig. 32 Taf. XVI stellt die dorsale linke Hälfte eines Körperquer- schnittes durch den sechsten Urwirbel hinter dem Gehörbläschen von einem Siredonembryo von 3,3 mm Länge dar. Man erkennt an der medialen Urwirbellamelle in der Anordnung der Kerne eine Faltenbildung, welehe durch Einkerbungen der medialen gegen Chorda und Medullarrohr gerichteten Fläche des Muskelblattes bestätigt wird. An Querschnitten kann ich zwar an dem vorliegenden Schnitt deut- liche Zellgrenzen nicht erkennen, solche treten aber an Längsschnitten klar hervor, so dass wir hier nicht eine einheitliche Plasmamasse zwi- schen zwei Falten, sondern gesonderte langgestreckte Zellen, deren jede die Anlage einer ersten embryonalen Muskelfaser darstellt, vorfinden. Die simmtlichen Elemente sind dicht mit Dotterblättchen erfüllt. An den hinteren Urwirbeln erkannte ich, wie die ganze mediale Lamelle unter Abnahme der Zahl der Kerne in ein einschichtiges hohes Cylinderepithel überging, so dass ich hier nicht wie bei Anuren einen Urwirbelkern nachweisen konnte. Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 579 Die Kerne der Cylinderepithelzellen theilen sich, so dass sie in mehrfacher Lage angeordnet sind und dabei werden die Zellgrenzen undeutlich, es treten aber die Einfaltungen auf. Dieselben durch- greifen nicht die ganze Zellenmasse (vgl. Fig. 32). Aus diesem Befunde erhellt, dass auch bei Siredon ein Faltungs- process an der medialen Urwirbellamelle sich ausbildet, der von dieser Lamelle selbst ausgeht, nicht durch einwucherndes Bindegewebe ver- ursacht ist. Das Sklerotom ist hier noch gar nicht gebildet. Von kon- traktilen Fibrillen kann ich in diesem Stadium noch nichts nachweisen. In dem nächsten vorliegenden Stadium, das Embryonen von 4,5 mm Länge entnommen ist, finde ich ein ganz anderes Bild als in dem letztgeschilderten Stadium. An den Urwirbeln, welche in der Körpermitte liegen (10—12 Urwirbel hinter dem Gehörbläschen), sehe ich nichts mehr von den Faltungen am Muskelepithel, sondern das ganze Muskelblatt ist zu- sammengesetzt aus Muskelröhren, die unregelmäßig neben einander liegen. Es ist noch immer kein Bindegewebe zwischen die Elemente des Muskelblattes eingedrungen, obgleich das Sklerotom sich schon gebildet hat. Es sind demnach hier die Muskelepithelzellen zu viel- kernigen Fasern ausgewachsen. Wenn Bindegewebe eindringt, sind die Muskelröhren schon weiter differenzirt. Im vorliegenden Stadium zeigen alle Muskelröhren der Urwirbel aus der Körpermitte 2—3 hinter einander gelegene Kerne. Kontraktile Fibrillen sind in jeder Muskel- faseranlage gebildet als ungemein feine im Querschnitt punktförmige Gebilde, welche eine periphere Mantelschicht in jeder Faser dar- stellen. Die Fibrillen bilden sich nicht so langsam wie bei Tele- ostiern und Anuren aus, sondern sehr rasch und in großer Anzahl wie bei Selachiern und bilden darum, wie bei diesen, sofort eine ganze Mantelschicht. Untersucht man weiter hinten gelegene Ur- wirbel, so erkennt man, dass die mediale Urwirbelwand wieder ein einschichtiges Cylinderepithel darstellt. Dies zeigt der 20. Urwirbel. Etwas weiter vorn, am 18. Urwirbel hinter dem Gehirblischen, sehe ich, dass die Kerne des Muskelblattes in reichlicher mitotischer Theilung begriffen sind. Hierdurch wird das Muskelepithel mehr- schichtig, und gleichzeitig kommt die Faltenbildung zum Vorschein. Dieselbe erkennt man noch vorn bis zum 14. Urwirbel, wo dann die einzelnen Muskelröhren hervortreten. Dann verschwinden die primären Faltungen und es treten in jeder Muskelfaser Fibrillen als peripherer Mantel auf. Auf dem Längsschnitt finde ich stets in Fasern, welche schon Fibrillen enthalten, 2—3 und mehr Kerne 580 F. Maurer hinter einander angeordnet. Die Urodelen schließen sich demnach sehr gut an die Selachier an. Die Faltenbildung besteht nur ganz kurze Zeit. Sie geht von der basalen Zellenlage des Muskelepithels aus und setzt letztere als eine geschlossene Schicht voraus, deren Zellen sich zu reichlich ver- mehren, als dass sie bei dem engen Raume in einfacher Fläche sich ausdehnen könnten. Es treten demnach Falten auf. Dieselben ver- schwinden aber wieder, wenn die einzelnen Muskelepithelzellen zu Muskelröhren sich strecken und damit der enge Verband zwischen benachbarten Elementen aufhört. Wir müssen auch hier in den ersten Muskelröhren von Siredon kleinere Epithelbezirke zweiter Ordnung anerkennen, welche in den durch die Faltungen angedeuteten Bezirken erster Ordnung enthalten sind. Ihre Peripherie ist im gleichen Sinne wie bei Myxine und Torpedo als die Epithelbasis aufzufassen, und die Fibrillen bilden sich so rasch und zahlreich, dass sie von vorn herein einen ganzen peripheren Mantel darstellen. Das weitere Wachsthum der Fasern vollzieht sich in der bekannten Weise: die Fibrillen vermehren sich, so dass sie die ganze Faser erfüllen. Die Muskelkerne, welche zu- erst in der Faser eine centrale Längsreihe darstellen, vermehren sich gleichfalls und liegen zum Theil als innere Muskelkerne zwi- schen den Fibrillen, zum Theil gelangen sie an die Oberfläche als äußere Muskelkerne, wo sie später zu Sarkolemmakernen werden. Die inneren Muskelkerne erleiden später eine Rückbildung und ver- schwinden. Dieser Modus der Faserbildung findet nur in den ersten Stadien an den aus der medialen Urwirbellamelle direkt hervorgehenden Muskelfasern statt. Später bilden sich Muskelfasern auf andere Weise. So z. B. bilden sich die Fasern des Obl. ext. profundus oder der primäre Obl. ext. in der Weise aus, dass in spindelförmigen Zellen einseitig Fibrillen differenzirt werden. Kommt es dann zur Vermehrung der Kerne, so liegen diese in reichlichem Plasma dem Fibrillenbündel an. Die Kerne nehmen also alle eine oberflächliche Lagerung in der Faser von vorn herein ein. Vermehren sich dann die Fibrillen, so erreichen sie allmählich, wie bei Idus miniatus, die ganze Peripherie der Faser und die Kerne rücken zum Theil wie dort zwischen die Fibrillen, zum Theil bleiben sie peripher an- geordnet. In dieser Bildungsweise müssen wir einen cänogenetischen Vorgang erblicken. Man kann übrigens auch annehmen, dass die Mus- kelbildungszellen eine einfache Epithellage darstellen, an welcher es Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 581 nicht zur Faltenbildung und Zerschniirung kommt. Alle Zellen diffe- renziren Fibrillen im basalen Theil ihres Plasmakörpers. Daher die einseitige Anordnung der ersten Fibrillen. Diese Art der Bildung junger Fasern wird stets beibehalten. Ks kommt an den so gebildeten Fasern zur Vermehrung des Sarko- plasma und Liingsspaltung, gerade so, wie ich es bei Heptanchus und Anuren geschildert habe. Die Art, wie das Bindegewebe zwischen die Muskelelemente des Urwirbels eindringt, habe ich schon frither beschrieben und ver- weise hieriiber auf meine dortigen Angaben. Auf das Sarkolemm bleibt noch mit wenigen Worten einzugehen. Ich sprach in der zuletzt genannten Arbeit die Ansicht aus, dass möglicherweise die eindringenden Bindegewebszellen zur Bildung des Sarkolemms verwandt wiirden, und gab eine diesbeziigliche Abbil- dung (l. e. Taf. XI Fig. 7). Jetzt fasse ich den dort abgebildeten Zustand anders auf, auf Grund der zur Vergleichung vorliegenden Befunde an niederen Wirbelthieren. Die dort abgebildeten peripheren Kerne an den Muskelfasern sind echte Muskelkerne, und zwar äußere Muskelkerne, eben so wie die gleich angeordneten Kerne bei Hept- anchus, Petromyzon, Myxine, Idus und Anuren. Übersehen wir kurz die Verhältnisse der Muskelfaserbildung bei Amphibien, so zeigen sich wesentliche Unterschiede zwischen Anuren und Urodelen, deren Wesen sich aus den vorstehenden Schilderungen zur Genüge ergiebt. - Ich kann in diesen Differenzen nur cänogene- tisch umgebildete Entwieklungsmodi erblicken. Eine Faltenbildung am Muskelepithel war bei beiden zu erkennen. Die erste Fibrillenbildung war verschieden. Das Endresultat war aber das gleiche. Eine jede Muskelfaser stellt auch hier einen kleinen abgeschlossenen Epithelbezirk dar, dessen Peripherie der Basalfläche des Epithels entspricht. Hier bildet sich als Cuticula das Sarkolemm. Das Innere ist mit kontraktilen Fibrillen erfüllt. Man kann zuerst äußere und innere Muskelkerne unterscheiden. Die inneren erleiden eine Rückbildung, die äußeren bleiben als Sarkolemmakerne bestehen. Sie entsprechen der tiefsten Zellenlage des Epithelbezirks. Amnioten. Bei Amnioten bestehen bekanntlich in Bezug auf die Art und Weise der Differenzirung der Urwirbel andere Verhältnisse als bei niederen Wirbelthieren und es ist gerade die erste Anlage der Mus- 582 F. Maurer kulatur, welehe dabei wesentlich in Betracht kommt. Es wirken dabei zwei Momente. Erstens ist die flächenhafte Ausbreitung des Embryo auf dem Dotter resp. der Keimblase bedeutungsvoll. Der Embryo hebt sich erst ab zur Zeit, wenn der Urwirbel schon ge- bildet ist und die weiteren Differenzirungsvorgänge an ihm beginnen. Zweitens ist die Anlage aller Bindegewebskeime eine sehr voluminöse. Am Urwirbel tritt dies in der Zellenmasse hervor, welche als Urwirbelkern das Myocöl erfüllt. Derselbe wird ganz für die Bil- dung des dorsomedialen Bindegewebes, des Sklerotoms, verwandt, nimmt nicht Theil an dem Aufbau der ersten Rumpfmuskulatur, wie wir dies bei Teleostiern und Anuren nachweisen konnten. An der lateralen Urwirbellamelle und eben so an den Parietalplatten kommt das Gleiche zum Ausdruck durch den rapiden Vermehrungsprocess der Elemente, wodurch frühzeitig ein mehrschichtiger Zustand der betreffenden Zelllamellen hervorgebracht wird. — Der Einfluss des Dotters resp. der Keimblase macht sich lediglich am Urwirbel be- merkbar. Mit der scheibenförmigen Ausbreitung des embryonalen Körpers wird auch jeder Urwirbel in die Breite gezogen. Es kommt dadurch offenbar der obere Theil seiner medialen Lamelle an die dorsale Kante, und zum Theil noch auf die dorsale Fläche des würfelförmigen Urwirbels zu liegen. Mit der Abhebung des Embryo wird dann der Urwirbel sich aufrichten und die dorsale Fläche geht in den oberen Theil der medialen Fläche über. Man hat das meist so bezeichnet, dass von der dorsalen Kante aus eine Zellenlage längs der medialen Fläche der lateralen Urwirbellamelle herabwachse. Es ist aber der Process ein einfaches Aufrichten des Urwirbels. Der Vorgang, der als Herabwachsen der Muskellamelle lateral vom Skle- rotom erscheint, ist nichts Anderes als die ventrale Vereinigung des Muskel- und Cutisblattes, die nach Ablösung des Sklerotoms sich bei den Embryonen sämmtlicher Wirbelthiere vollzieht. Die Modifi- kationen, die bei der ersten Differenzirung des Urwirbels der Amnioten bestehen, sind demnach als rein cänogenetische Entwicklungsvor- gänge aufzufassen. Auf die speciellen Einzelheiten brauche ich hier nicht einzugehen, sie sind schon vielfach geschildert worden. Ich verweise hierüber auf die Arbeiten von BALFOUR, RABL, v. WIJHE, Hertwic, KOLLMAnN ‚und KÄsTnEr. — Das Endresultat zeigt den Urwirbel aus drei Theilen bestehend: einer lateralen Lamelle, die dem Cutisblatt der niederen Formen homolög ist, einer medialen Lamelle, die deren Muskelblatt entspricht; beide biegen dorsal und ventral in einander um. Drittens findet sich medial von dieser Haut- Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen etc. 583 muskelplatte die mächtige Zellenmasse des Sklerotoms, die sich ganz vom Urwirbel abgelöst hat. Die mediale Lamelle der Hautmuskelplatte, welche ihrer An- ordnung nach dem Muskelblatt der niederen Formen entspricht, ist es nun, der ich meine besondere Aufmerksamkeit zuwandte, weil sie auch hier zuerst sich zu Muskelelementen differenzirt. Es galt mir zu eruiren, ob bei diesem Vorgang nicht Verhältnisse nachweisbar sind, die auf die bei niederen Formen geschilderten Faltungen be- zogen werden können. Ihr Bestehen wird auch die vollkommene Homologie des Muskelblattes am Urwirbel der Amnioten mit dem Muskelblatt der niederen Wirbelthiere erweisen. Ich habe die Art und Weise seiner Differenzirung bei Vertretern der drei Gruppen von diesem Gesichtspunkt aus untersucht und beginne mit der Schilde- rung der Befunde bei Reptilien. Repitilien. Zur Untersuchung kamen Embryonen verschiedener Stadien von Lacerta agilis und Tropidonotus natrix. Bei beiden stimmten die Verhältnisse im Wesentlichen überein, ich lege Lacerta der Schilde- rung zu Grunde. Der oben angedeutete Zustand des Urwirbels nach Ablösung des Sklerotoms ist erreicht an den vorderen Rumpfsegmenten eines Embryo von 4mm Nacken-Steißlänge. Da in den hinteren Körper- segmenten noch jüngere Zustände bestehen, so kann man an diesem Objekte die ersten Differenzirungsvorgänge am Muskelplatte des Ur- wirbels ganz übersehen. Die Gesammtzahl der Urwirbel kann ich nieht angeben, da das Schwanzende schon aufgerollt war, sie thut auch hier nichts zur Sache. Fig. 33 auf Taf. XVI ist einem Quer- schnitt dureh die Mitte des zwölften Rumpfsegmentes entnommen. Man erkennt, dass das Hautmuskelblatt aus zwei Lamellen besteht, deren Zellen sich in charakteristischer Weise unterscheiden. Die laterale Lamelle, das Cutisblatt, setzt sich aus einer einfachen Lage hoher prismatischer Zellen zusammen, deren Kerne oval, bald central, bald basal in der Zelle angeordnet sind. Sie färben sich mit Karmin sehr intensiv und die Chromatinsubstanz ist sehr gleichmäßig im ganzen Kerne vertheilt. Wenn Mitosen auftreten, und solehe sind in großer Zahl nachweisbar, so sind es immer liegende Spindeln, deren Längsachse parallel der Epithelfläche angeordnet ist, niemals stehende, senkrecht zur Epithelfläche angeordnete, so dass die Thei- 584 F. Maurer lungsprodukte in der einschichtigen Epithellage eingeordnet bleiben. Die zahlreichsten Mitosen finden sich in der Nähe der dorsalen und ventralen Urwirbelkante, es sind aber auch solche in der Mitte der Cutislamelle nachweisbar. Die Plasmakörper der Zellen des Cutis- blattes erscheinen glashell und gleichartig. Die Elemente der medialen Lamelle des Hautmuskelblattes haben eine ganz andere: Beschaffenheit. Die ganze Anlage des Muskelblattes ist ebenfalls eine einschichtige Zellenlage. Die Zellen besitzen einen großen Körper von körnigem Plasma. Die Kerne sind kugelig, sehr groß und zeichnen sich durch blasse Färbung aus. Ihre Chromatinsubstanz ist meist in einem sehr mächtigen Kern- körperehen koncentrirt, das eine centrale Anordnung in dem betreffen- den Kerne besitzt. Die Kerne zeigen demnach das schon öfter beschriebene Verhalten, wie es in den ersten Muskelfaseranlagen bei allen Wirbelthieren auftritt. Die Anzahl der Kerne ist am Mus- kelblatt eine viel geringere als am Cutisblatt. Während das letz- tere auf dem Querschnitt etwa 23—25 Kerne zählen lässt, finden wir in dem Muskelblatt nur 12—15 Kerne. Zellgrenzen sind an dem Querschnitte nicht zu erkennen, während sie an den Elementen des Cutisblattes sehr deutlich hervortreten. Nach kontraktilen Fi- brillen habe ich vergebens hier gesucht. Es ist aber möglich, dass sie als sehr feine Gebilde schon vorhanden sind. Das Plasma der Muskelelemente ist kérnig, so dass darin die Fibrillen noch unkennt- lich sein können. An horizontalen Längsschnitten erkennt man, dass in dem Muskelblatt des Urwirbels die Kerne zu 3—4 hinter einander in Längsreihen angeordnet sind. Dabei zeigen die in der Mitte ge- legenen Kerne am deutlichsten die oben angeführte Struktur, sie sind offenbar die ältesten Muskelkerne; die hinteren und vorderen Kerne sind gleichmäßig roth gefärbt. Fasergrenzen kann ich hier deutlich erkennen. Jedenfalls bekommt man an diesen Bildern, die an Sublimatobjekten gewonnen wurden, den sicheren Eindruck, dass diese Muskellamelle sich aus einfachen, zu Fasern gestreckten Zellen zusammensetzt. An vorderen Segmenten sehe ich feine längsver- laufende, sehr dicht zusammenliegende Linien, die ersten kontrak- tilen Fibrillen, auf die ich sofort zurückkomme. An Längsschnitten des Stadiums, wie sie Fig. 33 im Querschnitt wiedergiebt, sieht man ferner, dass auch die Kerne des Muskelblattes vielfach in mitoti- scher Theilung begriffen sind, und zwar findet diese Theilung stets in der Längsriehtung des Segmentes statt. Diese Mitosen sind nicht nur in der Nähe der dorsalen und ventralen Kante des Myotoms zu Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 585 erkennen, sondern sie sind auch in der Nähe des vorderen und hin- teren Endes des Myotoms reichlich vorhanden. Durch letztere wird wesentlich das Längenwachsthum des Myotoms bewirkt, durch die Mitosen in der Nähe der dorsalen und ventralen Kante, die eben so angeordnet sind wie die Mitosen im Cutisblatt, wird das dorsale und ventrale Auswachsen des Hautmuskelblattes verursacht. Bei letz- terem Vorgange sind die Elemente beider Lamellen schon in ganz gleichem Maße betheiligt, und es ist die Anschauung, dass die Ele- mente des Cutisblattes hier die Hauptrolle spielten, durch keine That- sache gerechtfertigt. Um ein etwas späteres Stadium zu erhalten, braucht man nur in der Querschnittserie, welcher die Fig. 33 entnommen ist, um wenige Körpersegmente nach vorn zu gehen. Taf. XVI Fig. 34 entstammt dem achten Körpersegment hinter dem Gehörbläschen. Hier findet man das Cutisblatt gegen das vorige Stadium noch nicht ver- ändert. Das Muskelblatt stellt nicht mehr eine einfache Lage dar, sondern es sind in seinem mittleren Theile Komplikationen nach drei Richtungen aufgetreten: Erstens hat es an Dicke zugenommen, was auch an den Kernen zum Ausdruck kommt. Dieselben erscheinen nicht mehr in einfacher Reihe, sondern sind geschichtet. Diese Schiehtung erhält eine Ordnung durch das zweite Moment der Weiter- bildung, das in dem Eindringen von Bindegewebszellen gegeben ist. Letztere stammen aus dem Gewebe des Sklerotoms und dringen in gewissen Abständen von der Basis des Muskelepithels her zwischen dessen Elemente ein. So wird eine Zerklüftung der Muskelmasse eingeleitet, welche viel Ähnlichkeit hat mit der Bildung der Muskel- bänder niederer Formen. Ein wesentlicher Unterschied gegen die dortigen Verhältnisse beruht scheinbar darin, dass hier diese Zer- theilung nicht durch Faltungen der Epithelbasis selbständig vor dem Eindringen von Bindegewebe stattfindet, das wird aber verständlich durch die massige Entwicklung der Bindegewebskeime bei diesen Formen, worauf schon mehrfach hingewiesen wurde. Wir können somit diese bei Lacerta auftretende Wachsthumsweise des Muskel- blattes sehr wohl mit jenem Faltungsprocess vergleichen. Derselbe ist aber von vorn herein komplieirt durch einen zweiten Process, das Eindringen von Bindegewebe in die Falten. Die dritte Komplikation betrifft das Auftreten von kontraktilen Fibrillen. Diese bilden sich nicht als eine einfache oder mehrfache basale Schicht in dem Muskelepithel, sondern sie erfüllen gleich- mäßig das Plasma des Muskelblattes, sind überall um die Kerne Morpholog. Jahrbuch. 21. 38 586 F. Maurer dieht angeordnet nachweisbar. Ihre Querschnitte erscheinen punkt- förmig und stark lichtbrechend. Nehme ich ältere Stadien vor, so bestätigt das Verhalten des Bindegewebes die Sonderung der ganzen Rumpfmuskelmasse in quere sroße Bandbezirke, welche sich ohne Schwierigkeit auf die gleichen Bezirke bei niederen Formen, besonders Petromyzon, Acipenser und Torpedo beziehen lassen. Ein.solcher Bandbezirk besteht aber hier aus einer großen Masse einzelner Muskelfasern, welche alle eine centrale Kernreihe und einen peripheren Fibrillenmantel besitzen (Taf. XVI Fig. 35). Das ganze Myotom hat sich ventralwärts ausgedehnt und bildet mit seinem ventralen Fortsatz die Anlage der Bauchmuskulatur. Die- selbe wird von KoLLMANN von dem Cutisblatt, d. h. der lateralen Myotomlamelle abgeleitet. Ich kann dem nicht beipflichten. Zur Zeit, wenn der ventrale Myotomfortsatz herabwächst, ist das Sklero- tom vom Urwirbel schon ganz abgelöst und die Muskel- und Cutis- lamelle haben sich an ihren ventralen Enden vereinigt. Bei dem Herabwachsen des Myotomfortsatzes betheiligen sich sowohl die Ele- mente der medialen als auch der lateralen Lamelle fortwährend in gleicher Weise. Das kommt zum Ausdruck in der Differenzirung dieser Theile. An Fig. 28 erkennt man, dass die ganze Cutislamelle sich zu Bindegewebe aufgelöst hat und zwar auch im Bereiche des ventralen Myotomfortsatzes. Dagegen haben sich die Elemente der medialen Lamelle des letztgenannten Fortsatzes schon zu Muskel- fasern herangebildet. Ich kann demnach hier nicht mit den An- gaben von KOLLMANN und KÄSTNER übereinstimmen, dass am ven- tralen Fortsatze des Myotoms beide Lamellen gleichzeitig in Muskel- fasern umgebildet würden. Vielmehr gleicht die Abbildung Fig. 35 vollkommen den Verhältnissen, wie ich sie bei urodelen Amphibien schilderte. Auch hier bildet sich der Muscul. obl. abdominis internus als der erste Bauchmuskel aus der herabgerückten medialen Myotom- lamelle aus. An dieser Muskellamelle vermag man auch noch Fal- tungen zu erkennen, eben so wie wir solche bei Selachiern nach- gewiesen haben. Wie die weitere Schichtenbildung bei Lacerta er- folgt, gehört nicht hierher. | Wie verhalten sich nun die Muskelfasern der ersten Muskel- lamelle zu einfachen Zellen? Hier ist zunächst festzustellen, dass die Theile, welehe hier einen Muskelbandbezirk zusammensetzen, als eine große Anzahl dicht zusammengeschlossener Muskelfasern mit peripherem Fibrillenmantel bestehen, ganz eben so wie bei Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen etc. 587 Myxine, bei Selachiern und Urodelen, aber wesentlich anders als bei Petromyzon und Acipenser. Bei den beiden letzteren bildet der Inhalt eines Muskelbandes eine einheitliche Plasmamasse mit Kernen und kontraktilen Fibrillen erfüllt. Hier ist dieses Gebilde zusammen- gesetzt aus einer großen Anzahl mehrkerniger Faseranlagen. Ein solcher kleiner Epithelbezirk kann ontogenetisch aus einer einfachen Zelle hervorgehen. In jedem embryonalen Epithel ist jede einzelne Zelle zu betrachten als die Mutterzelle eines späteren größeren Be- zirkes. An den flächenhaft ausgebreiteten Epithelien sind solche Territorien, die einer Mutterzelle entstammen, später nicht sicher mehr von einander zu trennen (die Nervenausbreitung kann höch- stens noch solche Grenzen erkennen lassen). Im quergestreiften Muskelgewebe sind diese Epithelbezirke, welche aus einer Mutterzelle hervorgehen, als Muskelfasern abgegrenzt. Bei niederen Formen fand ich, dass eine Faser nicht aus einer einfachen Zelle hervorgeht, vielmehr entsteht sie durch Faltung und Abschnürung aus einem Epithel und wir könnten Bänder und Fasern verschiedener Ordnung unterscheiden. Die letzteren gingen durch Längsspaltung aus erste- ren hervor (Acipenser, Heptanchus). Wenn von vielen Seiten die Entstehung der ersten Muskelfasern aus einer einfachen Zelle her- vorgehoben wird, so kann ich darin nur einen cänogenetisch ver- einfachten Entwicklungsvorgang erblicken. Die phylogenetische Ent- stehung einer Muskelfaser ist stets als Faltungsprocess an einem Epithel aufzufassen. Zu diesem Schlusse kann man erst gelangen, wenn man die Differenzirungsvorgänge am Muskelblatt des Ur- wirbels bei den sämmtlichen Wirbelthiergruppen vergleicht mit den Befunden bei Cyclostomen und Ganoiden. Die Heranbildung der Muskelfasern bei der Eidechse vollzieht sich genau wie diejenige bei Selachiern. Diese letztere Gruppe zeigt mit den Amnioten in Bezug auf die histologische Differenzirung der Mus- kelfasern die größte Übereinstimmung. Die Urodelen stimmen damit eben so überein. Eine embryonale Muskelfaser der Eidechse besteht aus einer centralen Plasmamasse mit mehreren (3—4) in einfacher Längsreihe angeordneten Kernen und einem peripheren einfachen Fi- brillenmantel. Sie ist nackt, d. h. besitzt noch kein Sarkolemm. Es vermehren sich dann die Fibrillen und die Kerne und erfüllen die ganze Faser. Die Kerne kommen zum Theil zwischen die Fibrillen zu liegen als innere Muskelkerne, zum Theil nehmen sie als äußere Muskelkerne eine periphere Anordnung ein. Dann finden wir die Fasern von Bindegewebe umhüllt, es ist aber noch kein Sarkolemm 38° 588 F. Maurer gebildet. Solche Fasern wachsen heran gerade wie bei Heptanchus, indem das Sarkoplasma und die Kerne sich vermehren. Damit erfüllen die kontraktilen Fibrillen nicht mehr gleichmäßig die ganze Faser, sondern liegen zu Gruppen vereinigt in der Faser vertheilt. Nun kommt es wie bei Heptanchus zu Längsspaltung einer solchen Faser, die in 6—12 und mehr feinere Fasern sich zertheilt. Dadurch findet eine beträchtliche Vermehrung der Muskelfasern statt und es geht keine solche Faser aus einer einfachen Zelle unmittelbar hervor, vielmehr stellt das Produkt einer einfachen Zelle eine große Anzahl solcher durch Zertheilung großer Fasern entstandener Muskelfasern dar. An der Oberfläche der Muskelfasern bildet sich ein Sarkolemm aus, welchem ich auch hier die Bedeutung einer Basalmembran eines Epithels zuschreibe. Ihm angeschlossen liegen die aus den äußeren Muskelkernen hervorgegangenen Sarkolemmakerne, welche späterhin die einzigen in der Muskelfaser nachweisbaren Kerne darstellen. Die inneren Muskelkerne erleiden eine vollständige Rückbildung. So finden wir bei Reptilien in embryonaler Zeit Verhältnisse, bei der Entwicklung der ersten Muskelfasern, welche sich mit den Zu- ständen niederer Wirbelthiere vergleichen lassen. Es entstehen Zer- klüftungen am Muskelepithel von der Basis aus. Diese werden durch das eindringende Bindegewebe verursacht und hierdurch gren- zen sich Muskelbandbezirke ab. Solche setzen sich zusammen aus einer großen Anzahl von gesonderten Muskelfasern. Nachdem das Bindegewebe allenthalben zwischen die einzelnen Muskelfasern ein- gedrungen ist, verschwinden sehr bald die Grenzen der Bandbezirke und die Vertheilung der Muskelfasern wird eine gleichmäßige im ganzen Myomer. Vögel. Vergleichen wir damit die Verhältnisse des Hühnchens, so finden wir hier die ganz gleichen Zustände. Ich füge eine Abbildung bei, welche einem Totalquerschnitt eines Hühnchenembryo vom 4. Tage entnommen ist (Taf. XVI Fig. 36). Der Schnitt entstammt der Mitte des Rumpfes. Es ist nicht nothwendig, alle die frühen Stadien am Urwirbel hier zu wiederholen, sie sind schon sehr häufig be- schrieben worden und stimmen mit den Befunden bei Lacerta über- ein. Es galt mir nur die Andeutungen der Faltenbildung am Mus- kelblatt zu finden und diese zeigt sich am vierten Tage mit großer Deutlichkeit. Sie erinnert auch wieder in hohem Grade an die Be- funde bei Selachiern. Die von der medialen Fläche eingedrungenen Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 589 Bindegewebszellen markiren auch hier deutlich die Bandbezirke und innerhalb derselben liegen dicht gedrängt die Faseranlagen, über die dasselbe auszusagen ist, wie bei Lacerta. Das erste Auftreten der kontraktilen Fibrillen stimmt gleichfalls mit den Vorgängen bei Reptilien überein. Die Muskulatur der Vogel- embryonen ist schon oft untersucht worden. Ich führe nur die Arbeit von Wırson an, in welcher zahlreiche Abbildungen isolirter Muskel- fasern gegeben sind. Danach bildet sich jede Faser unter Kern- vermehrung aus einer Zelle. Säugethiere. Über die erste Bildung von Muskelfasern bei Säugethieren liegen aus neuerer Zeit verschiedene Arbeiten vor. Am ausführlichsten ist wohl die Arbeit von FeLıx, welcher die Entwicklung der Muskelfasern des Menschen genau untersucht hat. Freilich hat FeLıx nicht die ersten Differenzirungen des Urwirbels untersucht. Auf letztere kommt es mir aber gerade an. Ich gebe zwei Abbildungen, welche einem Kaninchen- embryo von 5,5 mm Länge entnommen sind. Taf. XVI Fig. 37 ent- stammt einem Körperquerschnitt durch die hintere Rumpfhälfte. Hier erkennt man am Urwirbel das Cutisblatt, theils ein- theils mehrschichtig, aus Cylinderzellen bestehend. Das Muskelblatt stellt ebenfalls ein Cylinderepithel dar, an welchem Zellgrenzen erkennbar sind. Etwas oberhalb der Mitte dieser Lamelle theilen sich die Zellen schon und sind in zwei Schichten angeordnet. Am ventralen Ende des Urwirbels sieht man noch das Austreten der Sklerotomzellen. Die Masse des Urwirbelkernes ist schon früher ausgetreten und liegt als dicht zu- sammengeschlossene Zellen medial dem Muskelblatt an. Wir haben in diesem Zustand des Muskelblattes ein fast noch ganz einschichtiges Muskelepithel vor uns. Taf. XVI Flig. 38 entstammt einem Körper- quersehnitt durch ein vorderes Rumpfsegment. Hier findet man die Zellen der Cutislamelle beträchtlich gewuchert in mehrfachen Lagen geschichtet. Auch am Muskelblatt sind bedeutsame Weiterbildungen eingetreten. Die Zellen sind sehr vermehrt, liegen nicht nur über ein- ander geschichtet, sondern es sind auch Elemente des dorsomedialen, vom Sklerotom stammenden Bindegewebes in bestimmten Abstän- den in das Muskelblatt eingedrungen, und dadurch werden wieder Bezirke dieses Blattes gesondert. Dieselben halte ich für homolog den gleichen Gebilden bei Vögeln und Reptilien und damit auch den Muskelbandbezirken niederer Wirbelthiere. Kontraktile Fibrillen 590 F. Maurer sind als sehr feine im ganzen Muskelepithel zerstreute Gebilde nach- weisbar. Zellen- oder Fasergrenzen kann ich nicht nachweisen. Jedenfalls bestehen demnach beim Kaninchen in frühen Stadien am Muskelblatt des Urwirbels, welches wie bei niederen Wirbelthieren zuerst ein Cylinderepithel darstellt, Sonderungen in große Epithel- bezirke. Es fragt sich nur, ob innerhalb dieser Bezirke wie bei Acipenser eine einheitliche Plasmamasse mit Kernen sich findet, ‘oder ob jeder Zellenbezirk ein für sich abgegrenztes Gebilde dar- stellt. Da muss ich mich nach den Angaben anderer Autoren und nach meinen Befunden an Längsschnitten zu der letzteren Annahme bekennen. Ich sehe aber, dass dann eine solche Zelle, indem ihr Kern sich theilt ohne dass auch der Plasmakörper diesen Vorgang mitmacht, sich zu einem kleinen Epithelbezirk ‚heranbildet. Man hat also in diesem Zustand bei Säugethieren eben so wie bei den zuletzt besprochenen Formen einen differenten gegenüber dem Be- fund bei Acipenser zu erblicken. Was dort erst durch Zertheilung erreicht wird, ist hier in Form einer Zelle von vorn herein angelegt. Dass wir darin nicht einen einfacheren oder höheren Zustand er- blicken dürfen, sondern dass wir darin einen ciinogenetischen Ent- wicklungsvorgang vor uns sehen, habe ich schon mehrmals aus- geführt. Die embryonalen Muskelfasern bei Säugethieren und Menschen sind von Born, WEISMAnN und FELIX u. v. A. genau beschrieben worden. Daraus geht hervor, dass an ihnen Längsspaltungen vor- kommen, eben so, wie bei Heptanchus, Amphibien u. A. In der Heranbildung von Fasern mit einer Kernreihe zu solchen mit mehre- ren Längsreihen von Kernen sehe ich noch die Fähigkeit größere Epithelbezirke zu bilden. Diese bleiben aber nicht als solche be- stehen, sondern zerschnüren sich wieder in kleine Bezirke, in feine Muskelfasern. Dass wir in solchen Fasern nicht mehr ein Epithel erkennen können, ist aus der Anordnung der Elemente im Muskel selbstverständlich. Ein Extremitätenmuskel stellt in seiner Anlage niemals eine Epithelschicht dar. Die Muskelfaser, welche aus den spindelförmigen Elementen soleher Anlage sich bildet, zeigt aber den gleichen Bau, wie die aus dem ersten Urwirbelepithel selbst hervorgegangene Faser und hier muss das Endresultat der Gegen- stand der Vergleichung sein. Der Entwicklungsvorgang mag sich im Einzelnen sehr verschieden gestalten, indem eine Faser theils aus einer einfachen Zelle, theils durch Aneinanderlagerung mehrerer Zellen, theils endlich durch Abspaltung von großen Fasern entsteht. Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 591 Die Art der Bildung erster Muskelfasern aus dem Muskelblatte des Urwirbels zeigt uns klar ihre Bedeutung als epithelogenes Gebilde. Zusammenfassung und Vergleichung. Aus den vorstehenden Schilderungen ergiebt sich, dass dic erste Anlage der Rumpfmuskulatur bei siimmtlichen Wirbelthieren sich nach einem gemeinsamen Plane entwickelt. Der Ort, von welchem aus ihre Bildung erfolgt, ist zwar lange bekannt, in Bezug auf den Modus des Vorganges ergeben sich aber neue Thatsachen und aus diesen werden neue Gesichtspunkte gewonnen, welche fiir die mor- phologische Beurtheilung der quergestreiften Muskelfaser der Wirbel- thiere eine große Bedeutung erhalten. Stets ist es die mediale Lamelle des Urwirbelbezirks vom Meso- derm, welche die erste Rumpfmuskulatur liefert. Diese Lamelle stellt bei den meisten Wirbelthieren in einem frühen Stadium eine einfache Cylinderepithelschicht dar. Bei Teleostiern und Anuren be- steht an den Rumpfsegmenten ein Urwirbelkern, der sich dem Mus- kelblatt anschließt und sich an der ersten Muskelfaserbildung be- theiligt. Es zeigt sich hier somit das Muskelblatt von vorn herein als ein mehrschichtiges Epithel. Es ist immerhin ein Epithel und man hat die daraus sich bildenden Muskelelemente als epithelogene Gebilde zu betrachten. Bei Anamniern, bei welchen das Sklerotomdivertikel sich als Anlage des dorsomedialen Bindegewebes am medial-ventralen Winkel eines jeden Urwirbels ablöst, besteht das Muskelblatt als ein- oder mehrschichtige Epithellage von vorn herein, bei Amnioten, bei welchen der Urwirbel in Folge der flächenhaften Ausbreitung des Embryonal- körpers ebenfalls abgeplattet und in die Breite gezogen ist, bei welchen ferner die Bindegewebsanlagen als sehr massige Gebilde auftreten, muss sich mit der Abhebung des Embryo vom Dotter ein mediales Muskelblatt des Urwirbels unter Aufrichtung des letzteren erst bilden. Man hat in dem so modifieirten Vorgange keinen prin- eipiellen Unterschied gegenüber den Verhältnissen bei Anamniern zu erblicken, muss denselben vielmehr als cänogenetischen Entwick- lungsvorgang auffassen, der im Wesentlichen veranlasst wird durch das Vorhandensein des Dotters resp. der Keimblase, welches die ersten Formzustände des embryonalen Körpers ja so allseitig be- herrscht. Ein weiteres Moment, das hier Bedeutung hat, ist die massige Anlage der Bindegewebskeime. 592 F. Maurer Nach den letzten Arbeiten von HarscHek, KOLLMANN und KÄsrtner ist die gesammte Seitenrumpfmuskulatur der Wirbelthiere in die mediale und laterale primäre Lamelle zu zerlegen. An der medialen ist eine mittlere Portion (der primäre Seitenmuskel) und eine dorsale und eine ventrale sich anbildende Portion zu son- dern. Die mittlere Portion der letzteren, der primäre Seitenmuskel, ist der Theil, der mich in seiner histologischen Ausbildung be- schäftigt hat. Er bietet als der älteste Theil der gesammten Mus- kulatur die primitivsten Verhältnisse dar. Nach KÄsrner ist sie die einzige sich aus der ersten medialen Urwirbellamelle entwickelnde Muskulatur, während die übrigen Theile sich von der lateralen Ur- wirbellamelle aus anbilden. Es bestehen Gründe nicht ohne Weiteres die Herkunft der lateralen Muskellamelle aus der Cutislamelle anzu- nehmen. Nach meinen Befunden neige ich nicht nur bei Amphibien, sondern auch bei Teleostiern und Acipenser zu der Annahme, dass diese Elemente sich an den Randbezirken der primären Muskel- platten aus den Grenzzellen entwickeln, so dass sie nicht nur dorsal und ventral, sondern auch lateral von den an die ersten Muskel- fasern angrenzenden Elementen gebildet werden. Es würde somit die Muskelplatte aus sich heraus weiter wachsen, nicht durch Ap- position angrenzender Zellen sich vergrößern. Bevor an der medialen Urwirbellamelle die ersten kontraktilen Fibrillen in den Elementen des Muskelepithels auftreten, sehen wir an letzterem Vorgänge sich abspielen, welche in sehr charakteristi- scher Weise zu mehrfacher Komplikation seines Baues führen. Es tritt eine Vermehrung der Elemente auf, die bei niederen Formen nicht das ursprünglich einschichtige Epithel mehrschichtig macht, sondern als vielfache Faltenbildung an der Basis der einschichtigen Lamelle in die Erscheinung tritt. Diese Falten ergeben sich als Längsfalten, welche durch die ganze Länge eines Muskelsegmentes verlaufen. Unter diesem Vermehrungsprocess vereinigen sich theils die Zellkörper be- nachbarter Zellen, zum Theil beschränkt sich der Theilungsvorgang auf die Kerne, so dass das Muskelepithel aus einer einheitlichen Plasmamasse mit eingelagerten Kernen besteht. Die Basalfläche des Muskelepithels ist gegen die Chorda und das Medullarrohr gerichtet, die freie Oberfläche sieht gegen die Urwirbelhöhle. Zwischen zwei von der Basis des Muskelepithels eindringenden Falten liegt nun nicht eine Zelle, sondern ein Epithelbezirk. Wir können an diesem bei niederen Formen nicht die einzelnen Zellen abgrenzen, wir sehen aber an der großen Anzahl von Kernen, die im einheitlichen Plasma Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen etc. 593 zwischen je zwei Falten gelegen ist, ihren vielzelligen Werth. Ein solcher Zustand des gefalteten Epithels ist in klarer Weise bei Pe- tromyzon und Acipenser verwirklicht, ich bitte hierzu die Figg. 1, 2 und 16 zu vergleichen. Die ersten kontraktilen Fibrillen kommen stets lings der Basis des Muskelepithels zur Ausbildung und zeigen sich dann regelmäßig den Einfaltungen entlang in einfacher Schicht angeordnet. Wir sehen somit in dem Faltungsprocess den Ausdruck des Flächenwachsthums an der Basis des Muskelepithels. In Folge des beengten Raumes kommen die Faltungen zu Stande. Ihre Be- deutung fassen wir auf als Oberflächenvergrößerung der Basis des Epithels zum Zwecke der Differenzirung einer großen Anzabl kontrak- tiler Fibrillen. Diese Oberflächenvergrößerung erscheint nothwendig, so lange die kontraktilen Fibrillen eine einschichtige Lage bilden. In die Falten des Muskelepithels dringt späterhin Bindegewebe ein, zuerst in Form einzelner Zellen des dorso-medialen Bindegewebes, welche dann fibrilläres Bindegewebe bilden, und dadurch treten die Falten noch schärfer hervor. Es kommt durch laterale Vereinigung je zweier benachbarter Falten ferner zur Sonderung von horizontal angeordneten, über einander gelagerten, allseitig abgeschlossenen Epithelbezirken, welche z. B. bei Petromyzon auch späterhin die Ele- mente der Rumpfmuskulatur darstellen. Dieselben wurden von Srannius als Muskelkästchen bezeichnet, ich schlage dafür die Be- nennung Muskelbänder vor, da dieselbe, wie oben ausgeführt, ihrer Form mehr entspricht. Eben solche Gebilde finden sich bei Aci- penserlarven, und besonders die Befunde bei Petromyzon und Aci- penser sind es, welche uns den Vorgang der Faltung des Muskel- epithels am deutlichsten vorführen. Mit dieser Auffassung stehe ich in Widerspruch mit den An- gaben vieler Autoren, welche über diesen Gegenstand gearbeitet haben. Nach den Angaben BALrour’s und Herrwig’s wächst jedes Muskelband aus einer einfachen Zelle heran. Ich halte die Abbildun- gen Figg. 2, 17, 18 und 19 dagegen. Besonders deutlich ergeben Figg. 17u. 18, die einer Acipenserlarve entnommen sind, den Faltungs- process. Es wird Niemand an Fig. 18 das oberste Gebilde von einer einfachen Zelle ableiten. Dass die Zellen eine wesentliche Rolle dabei spielen, ist selbstverständlich, allein nur als Theil eines Epi- thelgewebes und bei der Vermehrung ihrer Elemente bilden sich eben große einheitliche Epithelbezirke aus, die durch Faltenbildung zuerst unvollkommen, dann gänzlich von einander gesondert sind. Ist diese Sonderung vollzogen, so sehen wir, dass die Oberfläche 594 F. Maurer eines Muskelbandes, denEntwicklungsvorgängen gemäß, der Basalfläche des Muskelepithels entspricht. Längs derselben liegen die kontraktilen Fibrillen in einfacher Schicht und das ganze Innere wird von Sarkoplasma mit Kernen erfüllt. Die Weiterbildung eines solehen Muskelbandes lässt vor Allem eine Vermehrung der kontraktilen Fibrillen erkennen. Diese kann nach zwei Richtungen hin erfolgen. Entweder es bleibt ihre Anordnung einschichtig, längs der Basis des Epithels, dann muss zum Zweck der weiteren Ober- flächenvergrößerung eine weitere Einfaltung an dessen Basis eintreten, wodurch ein Muskelband zu Muskelröhren zerlegt wird. Andererseits können die kontraktilen Fibrillen ihre einschichtige Anordnung auf- geben und in vielschichtige Fibrillenmassen übergehen. Den letz- teren Vorgang sehen wir bei Ammocoetes verwirklicht. Die ersten Fibrillen sind sicherlich als direkte Differenzirungsprodukte des Pro- toplasma zu betrachten. Ob die weiteren Lagen der Fibrillen sich eben so bilden, vermag ich nicht sicher zu entscheiden. Ganz außer Zweifel dagegen steht, dass eine Vermehrung der kontrak- tilen Fibrillen durch Längsspaltung zuerst gebildeter vorkommt. Bei vielen Formen ist dies sogar die Regel. Wie verhalten sich nun bei dieser Vermehrung der kontraktilen Fibrillen die Kerne im Inne- ren des Muskelbandes und wie bildet sich ein Sarkolemm? Die ge- naueren Wachsthumsvorgänge an einem Muskelbande des Ammocoetes habe ich schon oben ausfiihrlich geschildert. Daraus ergab sich eine interessante Ubereinstimmung im Wachsthum eines solchen Ge- bildes mit dem Wachsthum eines embryonalen zuerst ein-, dann mehrschichtigen Epithels. Wenn auch keine Zellgrenzen im Muskel- band nachweisbar sind, so prägen sich doch in der Anordnung der Fibrillen sowohl als auch der Kerne Zonen aus, deren Beziehung zu den Lagen eines mehrschichtigen Epithels oben ausgeführt wurde. Die Kerne zeigen sich allenthalben zwischen den kontraktilen Fi- brillen zerstreut. Da ein Muskelband von Ammocoetes ein einheit- liches Gebilde darstellt, so kann ein Sarkolemm nur an seiner ge- sammten Oberfläche sich bilden. Da dieselbe als Basis des Muskel- epithels aufzufassen ist, hat eine Lamelle, welche an dieser Ober- fläche zur Ausbildung kommt, die Bedeutung der Basalmembran eines Epithels. Thatsächlich konnte ich in vielen Fällen bei Ammo- coetes an der Oberfläche des Bandes zwischen den Bindegewebssepten und den äußersten kontraktilen Fibrillen eine feine strukturlose Mem- bran nachweisen, die ich als Bandsarkolemm bezeichnet habe. Ich fasse demnach ein Muskelband von Ammocoetes Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 595 als einen durch Faltung und Abschniirung selbständig ge- wordenen großen mehrschichtigen Epithelbezirk erster Ord- nung auf, welcher abgeschlossen ist durch eine strukturlose Membran, das Sarkolemm. Letzteres hat die Bedeutung einer Basalmembran. Die Mehrschichtigkeit des Epithels kommt durch die Fibrillen- und Kernzonen zum Ausdruck. Eine weitere Differenzirung an diesem Gebilde kommt bei der Metamorphose des Ammocoetes zu Petromyzon dadurch zu Stande, dass Bindegewebe von der Peripherie her ins Innere eines jeden Muskelbandes eindringt. Dies beschränkt sich aber auf die ober- flächlichste zuletzt gebildete Fibrillenzone, welche dadurch in eine große Anzahl kleiner Komplexe zerlegt wird. Diesen Vorgang hat man als die Andeutung einer weiteren Zerklüftung des großen Muskel- bandes zu betrachten. Das Resultat dieses Processes bei Petromyzon sind Gebilde, welche man als Homologa der Muskelfasern höherer Wirbelthiere auffassen muss. Sie beschränken sich bei Petromyzon nur auf die oberflächlichste Schicht eines Bandes und stellen jene Gebilde dar, welche GRENACHER als parietale Primitivbiindel bezeichnet hat. GRENACHER sprach ihnen Sarkolemm und Kerne ab, SCHNEIDER schrieb ihnen beides zu. Er fasst aber das Sarkolemm als die bindegewebige Umhüllung der Parietalfasern auf. Ich finde, dass jede Faser auch hier innerhalb des perimysialen Bindegewebes von einer feinen strukturlosen Membran umgeben ist, der ich wieder die Bedeutung einer Basalmembran zuschreibe, da jetzt jede solche selbständig abgeschlossene Muskelfaser einen kleineren Epithelbezirk zweiter Ordnung darstellt. Der übrige Inhalt des Muskelbandes besteht aus Fibrillenmassen, die nicht ungeordnet zusammenliegen, sondern, wie bei Ammocoetes gewisse zonenartige Bezirke erkennen lassen. Diese letzteren zerfallen leicht durch Zerklüftung in Bündel von unregelmäßiger Form. Die so entstehenden Bündel, von GRE- NACHER als centrale Fasern bezeichnet, sind wohl in gewissem Sinne im Leben präformirt, indem sowohl die periodische Weiter- bildung der Fibrillen, als auch funktionelle Sonderungen dabei zum Ausdruck kommen. Sie stellen aber sicher keine den Muskelfasern höherer Wirbelthiere homologe Bildungen dar, denn es fehlt ihnen ein abgrenzendes Sarkolemm und perimysiales Bindegewebe. Ferner stellen sie nicht Fibrillenbündel verschiedenen Kalibers dar, sondern, wo die Zerklüftung eingetreten ist, sind es unregelmäßige Fibrillen- komplexe, deren Oberfläche wie Bruchflächen erscheinen, wo die Zerklüftung unterbleibt, sind die Fibrillen zu breiten bandartigen 596 F. Maurer Massen vereinigt (vgl. Fig. 11). Die Kerne im Muskelband von Petro- myzon verhalten sich nach den früheren Ausführungen verschieden. Von Bedeutung erschien, dass an den peripheren Fasern, welche durch Bindegewebe von einander getrennt waren, ausschließlich peri- phere, äußere Muskelkerne nachweisbar waren, die in Sarkolemma- kerne sich weiter bilden. Zwischen den centralen Fibrillenmassen liegen dagegen immer Muskelkerne überall zerstreut. Finden wir bei Petromyzon in der Zertheilung der peripheren Fibrillenzone zu Muskelfasern einen Fortschritt gegenüber den Ver- hältnissen bei Ammocoetes, so sehen wir bei Myxine den Zerschnü- rungsprocess noch weiter gediehen, da auch die centralen Fibrillen- massen durch eindringendes Bindegewebe in typische Muskelfasern zertheilt sind. Dabei sind aber die primären Muskelbandbezirke noch vollkommen erhalten. Ich schließe daraus, dass diese Zerschnü- rung des Inhalts eines Muskelbandes erst spät eintrat, zu einer Zeit, wo Bindegewebe in die primären Falten des Muskelblattes nicht nur eingedrungen, sondern auch schon zu einer dicken Faserlage heran- gebildet war. Das von hier aus ins Innere eines Bandes eindringende Bindegewebe ist stets von viel zarterer Beschaffenheit. Von großer Bedeutung ist, dass bei dieser Zerlegung des Inhaltes eines Muskel- bandes die oberflächlichen oder parietalen Fasern auch hier unter- scheidbar sind von den inneren Fasern, aber beide stellen hier richtige Muskelfasern dar. Beiderlei Fasern besitzen ein deutlich nachweisbares Sarkolemm. An den Parietalfasern besteht dasselbe als eine feine strukturlose Membran, deren Innenfläche die Sarko- lemmakerne angelagert sind. Es fehlt hier das periphere Sarko- plasma mit den peripheren Muskelkernen, die bei Petromyzon noch vorhanden waren; das Plasma ist offenbar zum Theil zur Weiter- bildung des Sarkolemm verbraucht, zum Theil durch die Vermehrung der Fibrillen mit solchen erfüllt worden. Die Kerne sind zu Sarko- lemmkernen abgeplattet. Das perimysiale Bindegewebe, das die parietalen Fasern umhüllt, setzt sich direkt zwischen die centralen Fasern fort. Letztere zeigen genau den Bau, wie er den Muskel- fasern vieler höherer Wirbelthiere in gewissen Stadien zukommt. Sie sind durch ein strukturloses Sarkolemm scharf abgeschlossen und die Kerne, welche dessen Innenfläche anliegen, sind aus peri- pheren Muskelkernen hervorgegangene Sarkolemmakerne. Außer diesen finden sich zahlreiche zwischen den die ganze Faser gleich- mäßig erfüllenden Fibrillen zerstreute innere Muskelkerne. Danach stellt gerade Myxine, der sich Bdellostoma anschließt, eine für die Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 597 morphologische Beurtheilung der quergestreiften Muskelfaser der Wirbelthiere ungemein wichtige Form dar, weil sie zeigt, wie die Muskelfasern aus Muskelbändern entstehen. Stellt ein Muskelband von Ammocoetes einen durch Faltung und Abschnürung selbständig gewordenen Epithelbezirk erster Ordnung dar, so sehen wir in einer Muskelfaser von Myxine einen Epithelbezirk zweiter Ordnung, welcher durch einen sekun- dären Zerklüftungsprocess aus dem Muskelband hervorging. Jedes Muskelband liefert eine große Anzahl von Muskelfasern. Fasst man jede solche Faser wieder als einen kleinen mehrschichtigen Epithelbezirk auf, so wird innerhalb desselben die oberflächliche Kernlage der basalen Zellanlage eines solchen Epithelbezirks ent- sprechen, die inneren Kerne der oberflächlichen Lagen. Es kann demnach für die betreffende Faser die Peripherie als die Basalfläche des die Faser bildenden Epithelbezirks betrachtet werden, wenn diese auch nicht mehr aus der Basalfliiche des ganzen großen Bandbezirks hervorgeht. An diesen Zerklüftungsprocess schließt sich der Vor- gang des Eindringens von Bindegewebe an, und dadurch werden die Muskelfasern noch vollkommen scharf abgegrenzt und fixirt. An die Myxinoiden schließen sich nach den oben mitgetheilten Befunden direkt die Ganoiden an. Beim Stör sahen wir, wie aus der medialen Urwirbellamelle Muskelbänder sich entwickeln. Dass dieselben wie bei Petromyzon durch einen Faltungsprocess aus dem Muskelepithel entstanden sind, ergaben die in dem uns vorliegenden Stadium bestehenden Unregelmäßigkeiten. Zuweilen sind die von der medialen basalen Fläche des Muskelepithels einschneidenden Falten nicht ganz durchschneidend: dann bleiben benachbarte Käst- chen lateral vereinigt, oder die Faltenbildung unterbleibt an einigen Stellen ganz, dann entstehen mächtige kontraktile Gebilde, welche das Material von drei, vier oder mehr regulären Bändern enthalten. Die kontraktilen Fibrillen bilden sich stets an der Peripherie in ein- facher Lage aus. Nun kommt es an diesen Muskelbändern zu Ab- schnürungen von drehrunden Fasern, und zwar stets an der lateralen Kante. Es entsteht daraus zuerst eine einheitliche einfache laterale Faserlage, welche von BALFOUR u. A. von der lateralen Urwirbellamelle abgeleitet wurde, die ich aber nach den obigen Ausführungen von den Muskelbändern der medialen Blätter ableiten konnte. Bei dem dorsalen und ventralen Auswachsen des Muskelblattes sehen wir, dass nicht Muskelbänder durch primäre Faltung weiter gebildet werden, sondern dass hier sofort ein sekundärer Faltungsprocess ein- 598 F. Maurer tritt, welcher die Bezirke, die am mittleren Theil des Muskelblattes als Muskelbänder bestehen, zu Muskelfasern zerlegt (Fig. 19). Dass die Muskelbänder noch weiter zerlegt werden, ergiebt sich ferner aus späteren Stadien. An solchen sahen wir, dass die ge- sammte Rumpfmuskulatur aus drehrunden Fasern besteht. Muskel- bänder oder Bandbezirke sind nicht mehr nachweisbar, und dadurch liegt ein höherer Zustand als bei Myxine vor. Damit können wir auch nicht mehr die als parietale Fasern geschilderten Gebilde gegenüber centralen unterscheiden. Dagegen findet man zwei deutlich geson- derte Muskelschichten, welche sich über die ganze dorso-ventrale Ausdehnung der Rumpfmuskulatur erstrecken: eine tiefe und eine oberflichliche. Die Elemente in beiden Schichten verhalten sich verschieden im Faserverlauf und nach ihrem histologischen Bau. Die mediale Schicht, bei Weitem am mächtigsten, zeigt in ihren Fa- sern dorsal von der Seitenlinie geraden, ventral von der Seitenlinie schräg absteigenden Verlauf im Sinne des M. obliq. abdom. int. der höheren Wirbelthiere. Sie ist zusammengesetzt aus drehrunden Fa- sern, welche durch wenig inneres Perimysium von einander getrennt sind. Jede Faser ist von einem deutlichen strukturlosen Sarkolemm umhüllt, dessen Innenfläche die Sarkolemmkerne anlagern. Die kon- traktilen quergestreiften Fibrillen erfüllen die ganze Faser gleich- mäßig, und zwischen ihnen liegen zerstreut innere Muskelkerne. Diese tiefe Muskelschicht leite ich ab von den zuerst gebildeten Muskelbändern der medialen Urwirbellamelle. Die oberflächliche Muskelschicht ist schwächer als die tiefe und zeigt dorsal von der Seitenlinie ebenfalls einen geraden, ventral von dieser Linie einen schrägen Faserverlauf im Sinne des M. obl. abdom. ext. der höheren Wirbelthiere. Sie besteht histologisch aus Fasern, welche sich genau so verhalten, wie die parietalen Fasern im Muskelband von Cyelostomen. Die Fasern sind durch dicke Züge lockeren Bindegewebes von einander getrennt. Sie besitzen periphere Muskelkerne in einer peripheren Plasma- schicht. Ein Sarkolemm ist differenzirt. Innere Muskelkerne fehlen. Die Fibrillen sind zu Gruppen (Muskelsäulchen) vereinigt, im reich- lichen Sarkoplasma vertheilt. In Betreff des Verhaltens von Bindegewebe zur Muskulatur ist zu konstatiren, dass bei Acipenser sowohl von der medialen, als von der lateralen Seite her solches zwischen die Muskelelemente eindringt. Das Eindringen von Bindegewebe erfolgt lateral intensiver und früher als medial. daraus erklärt sich der Beginn der Zerklüftung an der lateralen Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 599 Kante des Bandes. Der eigenthiimliche Unterschied, welcher in histo- logischer Beziehung zwischen den Muskelfasern der medialen und la- teralen Muskelschicht besteht, legte nicht nur den Gedanken nahe, dass beiderlei Gebilde verschiedener Herkunft seien, so dass etwa die mediale Schicht aus dem medialen Urwirbelblatt, die laterale aus dem Cutisblatt ableitbar wäre, sondern ich musste auch daran denken, ob nicht die laterale Schicht von Acipenser den parietalen Fasern eines Muskelbandes von Petromyzon oder Myxine homolog sei und die letzteren damit ebenfalls von der lateralen Urwirbellamelle abzu- leiten wären. Man hätte dann anzunehmen, dass die Cutislamelle sich um die einzelnen aus der medialen Urwirbellamelle hervor- gehenden ersten Muskelbänder herumgelegt hätte und medialwärts zwischen dieselben eingewachsen wäre. In diesem Falle wäre der Bau eines Muskelbandes von Petromyzon ein noch viel komplieir- terer als ich oben angab, es würde aus einem medialen und einem lateralen Theile bestehen, der letztere umfasste den ersteren. Zu den Thatsachen bei der Entwicklung des Muskelbandes von Ammo- coetes fehlt dafür jeder Anhalt. Vielmehr ist die parietale Faser- lage ebenfalls ein Differenzirungsprodukt der medialen Urwirbel- lamelle. Wenn die laterale Muskelschicht von Acipenser wirklich aus den zuerst von den Muskelbändern abgeschnürten lateralen Mus- kelröhren hervorgeht, was ich nicht beweisen kann, dann können aber, da jene nach den früheren Schilderungen sich von den medi- alen Muskelblättern ablösen, thatsächlich die parietalen Fasern des Muskelbandes von Petromyzon und die laterale Muskelschicht von Acipenser homolog sein, da beide hervorgingen aus dem medialen Urwirbelblatt als zuletzt gebildete Theile. Bei Acipenser sehen wir, dass Muskelfasern mit peri- pherem Fibrillenmantel (Muskelröhren) thatsächlich durch sekundäre Zerschnürung aus Muskelblättern entstehen. Dieser Zerschnürungsvorgang ist als sekundäre Faltung aufzufassen und die ganze Oberfläche einer solchen Muskelröhre stellt die Basalfläche des früheren Muskel- epithels dar. Bei Selachiern fanden sich eben so wie bei niederen Formen an dem zuerst einschichtigen Muskelepithel des Urwirbels Längsfal- tungen, noch bevor die ersten kontraktilen Fibrillen auftreten. Letztere bilden sich ebenfalls in der basalen Hälfte der Muskelepithelzellen, treten aber rasch in mehrfachen Lagen auf. Unter dem Eindringen von Bindegewebe in die Falten werden auch hier Bandbezirke ab- 600 F. Maurer gegrenzt, innerhalb deren man aber im Gegensatz zu den seither besprochenen Formen gesonderte Muskelfasern nachweisen kann. Jede derselben ist hervorgegangen aus einer Muskelepithelzelle durch Vermehrung des Kernes. Die Muskelkerne sind in Längsreihen angeordnet. Wir können demnach auch hier in den Bandbezirken Muskelepithelbezirke erster Ordnung und in den ersten Muskel- fasern kleine Epithelbezirke zweiter Ordnung erblicken. Letztere wachsen heran und liefern wieder durch Längszertheilung Muskel- fasern weiterer Ordnung. Stets findet sich dabei in der Muskelfaser eine centrale Kernreihe und ein peripherer Fibrillenmantel. Der Zertheilungsprocess tritt hier als eine Längsspaltung auf, man kann darin aber, unter Berücksichtigung der Vorgänge bei Acipenser einen immer weiter gehenden Einfaltungsprocess erblicken, der hier caeno- genetisch vereinfacht ist, da solche Muskelelemente ja nicht mehr direkt aus einer epithelialen Muskellamelle hervorgehen. — Die ersten Faltungen treten auch hier am Muskelepithel auf, zunächst ohne Betheiligung von Bindegewebe. Später dringt aber solches in die Falten ein und sondert die Bandbezirke vollständig. Aus den Thatsachen, dass erstens die Faltenbildung am Muskelepithel durch Wachsthumsvorgänge an dessen basaler Zellenlage selbst erfolgt und dass zweitens diese durch die Falten abgegrenzten Muskelbezirke durch in diese Falten eindringendes Bindegewebe fixirt werden, ergiebt sich die Berechtigung, diese Muskelepithelfalten bei Selachiern mit den ersten Muskelbandanlagen bei Petromyzon für homolog zu erklären. Die Zertheilung der Bandbezirke in Muskelröhren besteht von vorn herein, dann dringt Bindegewebe zwischen die einzelnen Fasern ein, umhüllt sie und unter der reich- licheren Durchwachsung der ganzen Muskulatur mit Bindegewebe werden die Muskelbandbezirke undeutlich und es besteht ein Myo- komma aus ganz gleichmäßig angeordneten Muskelfasern, die dicht erfüllt sind mit kontraktilen Fibrillen. Auch hier zeigen bekannt- lich die oberflächlichsten Fasern, die als gesonderte Schicht bestehen, aber in ihrem Verlauf mit den tiefen Fasern übereinstimmen, einen Bau, welcher mit demjenigen der oberflächlichen Muskelschicht von Acipenser und den Parietalfasern von den Muskelbändern der Cyelo- stomen übereinstimmt. Eine Muskelfaser bei Selachiern kann man demnach ebenfalls als einen Epithelbezirk auffassen. Ein soleher entsteht aber zuerst nicht durch Zerklüftung eines Mus- kelbandes, sondern durch Auswachsen aus einer Epithel- Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 601 muskelzelle. Späterhin bilden sich junge Fasern durch Längszerklüftung herangewachsener Fasern. In letzterem Falle ist eine Faser mit einfach centraler Kernreihe und peripherem Fibrillenmantel noch nackt und stellt einen einschichtigen Epithel- bezirk dar, mit der Vermehrung der Fibrillen zur Erfüllung der ganzen Faser und Vermehrung der Kerne, derart, dass man äußere und innere Muskelkerne unterscheiden kann, nimmt die Faser den morphologischen Werth eines mehrschichtigen Epithels an. Die äußeren Kerne, welche zu Sarkolemmakernen werden, entsprechen der tiefsten Zellenlage eines Epithels. — Bei Teleostiern, speciell beim Lachs, konnte ich den ersten Faltungsprocess am Muskelblatt des Urwirbels deutlich nachweisen. Auch hier bildet er sich bevor das vom Sklerotom herstammende Binde- gewebe zwischen die Muskelelemente eindringt. Es schieben sich hier sehr frühzeitig Bindegewebszellen zwischen die Falteneinschnitte ein. Ein bei Teleostiern im Rumpfbezirk bestehender Urwirbelkern schließt sich dem Muskelblatt an und komplieirt dessen Bau, seine Elemente werden aber bei der Einfaltung mit in die dadurch angedeuteten Bandbezirke aufgenommen. Letztere Bezirke bestehen von vorn her- ein aus gesonderten Muskelepithelzellen, die unter Kernvermehrung zu Fasern auswachsen. In diesen treten die kontraktilen Fibrillen zunächst nicht als peripherer Mantel auf, sondern sie bilden sich ein- seitig in jeder Faseranlage aus und erreichen erst allmählich die ganze Peripherie, wobei dann die zuerst seitlich anliegenden Kerne ins Innere der Faser, zwischen die Fibrillen aufgenommen werden. Diesen von früheren Gruppen abweichenden Modus der Fibrillen- bildung fasse ich so auf, dass die Bildung der kontraktilen Fibrillen nicht so rasch erfolgt wie bei Selachiern. Sie bilden sich aber dann auch reichlich aus und es stellt sich hiermit der gleiche Zustand her, wie bei anderen Formen. Bekanntlich besitzen auch die Teleostier zwei Muskelschichten, deren Fasern in ihrem Bau und ventral von der Seitenlinie auch in ihrem Faserverlauf verschieden sind. Die Fasern der lateralen Schicht verhalten sich wie die Parietalfasern des Muskelbandes von Cyelostomen und wie die Fasern der oberflächlichen Schicht von Acipenser. In der Ableitung der beiden Schiehten von den Urwirbel- lamellen muss ich meine früheren Angaben aufrecht erhalten. Was speeiell die Bildung der ventralen Rumpfmuskulatur betrifft, so finde ich stets, dass die mediale Lamelle des ventralen Myotomfortsatzes sich zuerst zu Muskelfasern umbildet und es entsteht die laterale Morpholog. Jahrbuch. 21. 39 602 F. Maurer Muskelschicht später in der gleichen Weise, wie ich es früher bei Amphibien geschildert habe. Ich kann mich unter Bezugnahme auf die vergleichend anatomischen und entwicklungsgeschichtlichen That- sachen, aus welchen sich die Ableitung der ersten lateralen Muskel-- lamelle vom medialen Muskelblatt ergiebt (Acipenser, Amphibien), nicht mit der Auffassung KAsTNER’s einverstanden erklären, wonach bloß aus der Anordnung der lateralen Muskelfasern ihre Herkunft aus Elementen des Cutisblattes geschlossen wird. Bei Amphibien fanden wir Zustände, welche sich einerseits an die Knochenfische anschließen (Anuren), andererseits eine Ver- gleichung mit den Verhältnissen bei Amnioten gestatten. Bei Anuren war ein Urwirbelkern nachweisbar, welcher wie bei Teleostiern sich zwar dem Muskelblatt des Urwirbels fest anschloss, sich aber nicht mehr wie dort an der Faltenbildung betheiligte. Letztere beschränkte sich auf die am weitesten medial gelegenen Zellen des Muskel- blattes, die zugleich die tiefste Zellenlage darstellen, wenn wir im Muskelblatt ein mehrschichtiges Epithel erblicken. Die Zellen dieser tiefen Lage wachsen zu Muskelbändern heran und diese Bänder zertheilen sich durch Längsspaltung in Muskelfasern, während die lateralen oberflächlicheren Elemente des Muskelblattes direkt zu Muskelfasern herangebildet werden. Die durch die Längs- spaltung entstandenen Muskelfasern an der medialen Grenze des Muskelblattes wachsen wieder zu Muskelbändern heran und zer- theilen sich wieder der Länge nach. Alle Fasern, welche aus solchem Bande hervorgehen, sind eine Zeit lang so zusammengelagert, dass sie als Bandbezirk erkennbar sind. Die benachbarten Bandbezirke sind durch Bindegewebe von einander getrennt, welches von der medialen Fläche her, von der Basis des Epithels aus, zwischen dessen Ele- mente eindrang. Wir können somit hier bei Anuren die ersten Vor- gänge bei der Bildung von Muskelbändern nicht mehr als Faltung auffassen, sondern ein solches Gebilde geht aus einer Zelle hervor. Das Resultat ist aber das gleiche wie bei Cyclostomen und Acipenser und wir können ein solches Muskelband wieder als einen Muskel- epithelbezirk erster Ordnung auffassen, der aus einer Epithelmutter- zelle hervorgegangen ist. Derselbe zerschnürt sich zu kleineren Bezirken, den Muskelfasern. Die oberflächlichen Zellen des mehr- schichtigen Muskelblattes wachsen selbständig zu Epithelbezirken heran. Diesen ganzen Entwicklungsmodus muss man wieder nach dem Vergleich mit Cyclostomen und Acipenser als einen cänoge- netischen betrachten. Die zuerst gebildeten Muskelbandbezirke sind Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 603: bei Kaulquappen noch einige Zeit nachweisbar, nachdem von der medialen Urwirbelfläche aus Bindegewebe zwischen dieselben einge- drungen ist. Man sieht dann die Muskelfasermasse durch horizontale Bindegewebslagen in über einander gelagerte Bezirke gesondert. In diese Bezirke werden auch die lateralen Fasern mit aufgenommen. Da die gesammte Masse eines solchen Muskelbezirks aus drehrunden Fasern besteht, so entspricht der Zustand im Allgemeinen dem Verhalten bei Myxine. Indessen ist hier eine viel geringere Zahl von Fasern in einem Bezirke vorhanden. Es nimmt oft nur eine Faser die ganze Dicke des Bezirkes ein, höchstens liegen drei Fasern über einander. Dabei sind naturgemäß auch keine parietalen und centralen Fasern mehr unterscheidbar. Doch ist die Anordnung der kontraktilen Fibrillen und der Kerne in den Fasern eine solche, dass man in dem ganzen Inhalt eines solchen Muskelbandbezirkes wohl einen abgeschlossenen Epithelbezirk erkennen kann, dessen Basis die Peripherie des Gebildes darstellt. Die kontraktilen Fibrillen sind stets gegen diese Oberfläche zu, einseitig in der Faser angeordnet, wie bei Teleostiern und erst später bilden sich die Fibrillen weiter so aus wie beim Lachs. Der Grund hierfür mag ebenfalls darin liegen, dass die kontraktilen Fibrillen sich langsam entwickeln, die Weiterbildung der Fibrillen vollzieht sich aber dann gerade wie bei anderen Formen. Sie treten stets zuerst im basalen Theil des die Fasernlage darstellenden Epithelbezirks auf. Erst mit der Ver- mehrung der Kerne gelangt die Faser auf die Differenzirungsstufe eines mehrschichtigen Epithelbezirks und dann stellt ihre Peripherie auch morphologisch die Basalfläche dieses Bezirkes dar. Die Aus- bildung einer solchen Faser hat sich aber auf eine eänogenetisch ganz veränderte Weise vollzogen. Eben so bilden sich bei Anuren die später sich entwickelnden Muskelfasern aus. Stets sind die kontraktilen Fibrillen zuerst einseitig in der Faser angeordnet. Der die Fibrillen enthaltende Theil der Faser stellt dann ihren basalen Theil dar. Eine solche Faser bildet sich eben nicht mehr durch einen Faltungs- und Abschnürungsprocess, sondern sie wächst aus einer Zelle aus. Der basale Theil einer solchen faserartigen Zelle ist natürlich nur einseitig, umfasst nicht die Peripherie der Zelle. Erst wenn die Kerne sich so weit vermehrt haben, dass die Faseranlage einen Ge- websbezirk, Epithelbezirk darstellt, dann hat die Peripherie einer solchen Faser die Bedeutung der Basalfläche dieses Bezirkes und die Fibrillen dringen zur ganzen Peripherie vor. Wenn sich auch die Ausbildung der Fasern, entsprechend den äußeren Verhältnissen, unter 39* 604 F. Maurer welchen solehe muskelbildende Zellen existiren, anders vollzieht, da ja solche Zellen nicht mehr epithelial an einander gelagert sind, so ist im Endresultat eine solche Faser doch nicht mehr zu unter- scheiden von einer Faser des Acipenser, die sich auf die palingene- tische Art der Faltung und Abschnürung gebildet hat. Bei Urodelen finden sich die Zustände etwas verschieden von den Befunden bei Anuren und offenbar primitiver. Die erste Differenzirung am Muskelblatt des Urwirbels ließ sich hier als ein deutlicher Faltungs- process des Muskelepithels erkennen. Zur Zeit des Bestehens dieser Falten, die sich ohne Betheiligung von Bindegewebe am Muskel- epithel selbst vollzieht, sind die Zellgrenzen wie bei Selachiern, Teleostiern und Anuren zu erkennen. Bei Siredon ist von Muskel- bandbezirken nichts mehr nachweisbar, da Bindegewebe gleichmäßig zwischen die Fasern eindringt. Wie dasselbe von der medialen wie lateralen Seite ‘her zwischen die einzelnen Muskelröhren eindringt, habe ich schon in einer früheren Arbeit geschildert. Die kontraktilen Fibrillen bilden sich hier sehr früh und sehr reichlich aus und stellen in der einzelnen Faser von vorn herein einen einfachen peripheren Mantel dar. Darin drückt sich ein mit den primitiven Zuständen bei Acipenser und Selachiern übereinstimmendes Verhalten aus, wodurch auch die primitiveren Vorgänge am Muskelblatt des Urwirbels gegenüber dem Befund bei Anuren verständlich werden. Die später sich bildenden Fasern bei Urodelen, z. B. schon die Fasern des Muse. obl. abdom. ext. prof. entstehen so wie die gleichen Fasern bei Anurenlarven, d. h. auch hier kommt es zuerst zu ein- seitiger Ausbildung kontraktiler Fibrillen in den Faseranlagen, die dann allmählich eben so heranwachsen wie bei Urodelen und Tele- ostiern, deren Zustandekommen ich auch eben so deute wie dort. In Betreff der histologischen Differenzirungsvorgänge der ersten quergestreiften Muskelfasern bei Amnioten kann ich mich kurz fassen. Den Ausgangspunkt bildet auch hier das einfache Muskelepithel des Urwirbels, das sich erst ausbildet, nachdem die mediale Lamelle des Urwirbels mit dem Urwirbelkern als Sklerotom ausgestoßen wurde. Dass diese abweichende Bildung des ersten Muskelblattes durch den Einfluss des Dotters der Keimblase begründet ist, wurde oben ausgeführt. Wir müssen diese erste Muskellamelle des Ur- wirbels für homolog halten dem Muskelblatt am Urwirbel der Anam- nier. An solchem Muskelblatt sind häufig die Zellgrenzen an Längs- schnitten zu erkennen. Die einfache Zellenlage wächst rasch in die Dieke. Damit dringt zugleich Bindegewebe zwischen seine Elemente Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 605 ein. Das letztere grenzt, gerade wie bei niederen Formen, Muskel- bandbezirke ab, die aus der Anordnung der Muskelkerne in Quer- reihen auf dem Körperquerschnitt kenntlich werden. Innerhalb des Muskelbandes liegen die dieht zusammengedrängten Muskelfasern, deren jede eine Längsreihe von 2—4 Kernen enthält. Wir können danach hier wohl einen Faltungsprocess am Muskelepithel nach- weisen, aber dieser wird sofort begleitet von dem Process des Ein- dringens von Bindegewebe, was bei niederen Formen erst später erfolgt. Jeder Bandbezirk besteht von vorn herein aus einzelnen Muskelfasern, und jede solche Faser geht aus einer Muskelepithel- zelle hervor. Es findet embryonal ein Auswachsen der Mus- kelfasern aus einer Muskelepithelzelle statt. Die Fibrillen zeigen sich bei diesen Formen aber stets sehr frühzeitig als eine einfache periphere Mantelschicht in der vielkernigen Faseranlage, wodurch wieder ein primitiver Zustand geboten ist. Man kann, wenn auch der erste Vorgang der Bildung der Muskelbandbezirke ein eänoge- netisch veränderter ist, doch in dem ganzen Gebilde einen Muskel- epithelbezirk erster Ordnung wieder erkennen. Die ihn zusammen- setzenden Theile, Faseranlagen mit zuerst einem, dann mehreren Kernen, sind kleinere Epithelbezirke und wie die Peripherie eines Bandbezirkes der Basis dieses Bezirkes entspricht, so ist hier die Oberfläche der Faseranlage die Basis dieses kleinen Epithelbezirkes, wenn das ganze Gebilde auch eänogenetisch einfacher entstanden ist. Es wächst eine solche Faser eben so heran wie bei niederen Formen und erhält den Werth eines mehrschichtigen Epithelbezirks. Sie be- sitzt innere und äußere Muskelkerne. Letztere, die basale Zellschicht darstellend, bleiben als Sarkolemmkerne erhalten, die inneren Mus- kelkerne zwischen den Fibrillen erleiden eine vollkommene Rück- bildung. Wir wissen durch die Untersuchungen von Ferıx über die Entwicklung der quergestreiften Muskelfasern vom Menschen, dass in einer gewissen Entwicklungsperiode die normale Vermehrung von Muskelfasern durch Längsspaltung großer Fasern stattfindet, nach- dem sich an diesen die Kerne zu mehrfachen Längsreihen vermehrt hatten. Dieser Vorgang stimmt ganz überein mit den Längsspal- tungen der Muskelfasern, wie ich sie bei Heptanchus geschildert habe und wie sie auch bei Anuren nachgewiesen wurde. Solche Vorgänge zeigen, dass die Muskelfasern auch bei den höchsten For- men nicht immer aus einer Zelle direkt hervorgehen. Man wird nun vielleicht geneigt sein den Entwicklungsvorgang einer Muskelfaser direkt aus einer Zelle unter Vermehrung des 606 F. Maurer Kernes für den ältesten und einfachsten zu halten. Das wäre ein voreiliger Schluss, zu welchem man nur gelangt bei oberflächlicher Betrachtung der Verhältnisse. Eine fertig gebildete quer gestreifte Muskelfaser zeigt bei allen Wirbelthieren einen typischen Bau, von welchem nur Abweichungen von untergeordneter Bedeutung vor- kommen. Sie ist von einem strukturlosen Sarkolemm umgeben, dessen Innenfläche äußere Muskel- oder Sarkolemmakerne anlagern. Das Innere ist erfüllt mit kontraktilen Fibrillen, zwischen welchen spärliches Sarkoplasma vertheilt ist, dem die inneren Muskelkerne, unregelmäßig in der ganzen Faser zerstreut, eingelagert sind. Ab- weichungen bestehen nur in Bezug auf die Anordnung der Fibrillen, die bei reichlicherem Vorhandensein von Sarkoplasma zu Gruppen (Muskelsäulchen) aus einander gedrängt werden. Ferner bestehen Verschiedenheiten in der Zahl und Anordnung der Kerne, die bald nur peripher, bald in der ganzen Faser vertheilt, bald in mehreren Längsreihen angeordnet vorkommen. Wir dürfen bei der Beurtheilung des morphologischen Werthes einer solchen Faser, die entsprechend der großen Anzahl von Kernen, die sie enthält, ein vielzelliges Gebilde darstellt, nicht fragen wie sich dieselbe bei irgend einem Wirbelthier entwickelt, sondern müssen danach suchen, wo und wie sie zuerst sich bei den niedersten Wirbelthieren bildet. Da finden wir denn, dass aus einem Muskel- epithel durch Faltenbildung und Abschnürung bei Cyclostomen und Ganoiden Muskelbänder entstehen und dass diese durch weitere Zerschnürung zu Muskelfasern zertheilt werden. Letztere stellen demnach phylogenetisch kleine Epithelbezirke dar. Entsprechend dem Faltungsprocess, nach dessen Verlauf die Peripherie eines Bandes die Basalfläche des ersten Muskelepithels darstellt, müssen wir auch in der Peripherie einer Muskelfaser die Basalfläche dieses kleinen Epithelbezirkes erblicken. So finden wir die phylogenetische Bildung erster Muskelfasern sehr komplieirt aus einem Epithel hervorgehen. Wenn dann bei höheren Formen eine Muskelfaser durch direktes Auswachsen aus einer Zelle entsteht, so dürfen wir in diesem scheinbar einfachen Vorgange nicht den primitiven Bildungs- modus einer Muskelfaser erblicken, kommen vielmehr zu dem Schlusse, dass ein höherer Organismus bei der Ausbildung dieser Theile den kürzesten Weg wählt, der aber nur die Bedeutung eines eänogene- tischen Entwieklungsmodus hat. Er giebt uns keinen Aufschluss über die phylogenetische Ableitung der Muskelfaser, die erst durch die Vergleichung mit ihrer Bildung bei niedersten Wirbelthieren Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 607 gewonnen wird. Die quergestreifte Muskelfaser der Wirbelthiere, die so allgemein verbreitet ist, hat eine sehr komplicirte Geschichte hinter sich, die nicht aus ihrer ontogenetischen Entwicklung klar- zustellen ist, wenn sie auch an noch so vielen Thierformen unter- sucht wird. Es ist auch von Bedeutung, dass man die Bildung an dem Punkte untersucht, wo die allerersten quergestreiften Muskel- elemente auftreten und dies ist die mediale Lamelle des Urwirbels, so lange derselbe noch nicht dorsal und ventral weiter ausgewachsen ist. Alles was an Muskelfasern spiiter gebildet wird findet ganz andere Verhältnisse und wird sich cänogenetisch, d. h. hier auf dem kürzesten Wege entwickeln. Es zeigen alle diese Verhältnisse wieder, wie die Lösung phy- logenetischer Probleme aus der ontogenetischen Entwicklung nicht nur nicht möglich ist, sondern dass auch die vergleichende Ent- wicklungsgeschichte hier nur Hand in Hand mit der vergleichenden Anatomie uns ein Verständnis eröffnet, denn wir müssen bei höheren Formen die fertig gebildeten Muskelfasern zur Beurtheilung dieser Fragen heranziehen, da die Entwicklung bei diesen uns nur zu falschen Schlüssen verleitet. — Übersehen wir nun noch einmal die embryonale Entwicklung der ersten quergestreiften Muskelelemente bei den Wirbelthieren, so finden wir, dass diese Gebilde stets hervorgehen aus einer einfachen Epithellage. Dieselbe vergrößert bei niederen Formen ihre basale Oberfläche, indem letztere sich in Falten legt. Nachdem nun längs dieser Basis parallel angeordnete kontraktile Fibrillen differenzirt wurden und die Plasmakörper der Muskelepithelzellen sich vereinig- ten, entstanden Muskellamellen (Acipenser), die sehr viel Ähnlichkeit haben mit den Epithelmuskellamellen niederer Wirbelloser, insbe- sondere der Cölenteraten (Actinien und Medusen, vgl. Herrwic). Kommt es nun zur Abschnürung der Muskelfalten bei Cölenteraten, so entstehen Muskelbänder oder Muskelröhren, die eine gewisse Ähn- lichkeit haben mit den gleichnamigen Gebilden der Anneliden (z. B. Lumbricus und Hirudo). Diese Gebilde bei Würmern sind aber nicht ohne Weiteres auf die genannten Gebilde bei Cölenteraten zu beziehen, denn jene bilden sich vom Mesoderm, diese aber vom Ektoderm aus. Nach dem Abschnürungsvorgang der Muskelblätter bei Würmern bleibt aber stets noch ein einschichtiges mesodermales Epithel übrig, von welchem eben die Muskelblätter sich abgelöst haben. Eben so bleibt nach Ablösung der ektodermalen Muskelbänder der Cölenteraten ein ektodermales einheitliches Epithel erhalten. 608 F. Maurer Die ganze Cirkumferenz solcher Muskelbänder oder Röhren, längs welcher die kontraktilen Fibrillen angeordnet sind, entspricht der basalen Fläche des erst vorhandenen Muskelepithels. Während in letzterem Punkte die Muskelbänder der niederen Wirbelthiere mit den genannten Elementen der Wirbellosen überein- stimmen, in so fern ihre Oberfläche ebenfalls die Basalfläche des Muskelepithels darstellt, sehen wir, dass die Art und Weise der Abschniirung bei Wirbelthieren sich etwas anders vollzieht. Es müsste gegen das Myocöl hin nach Ablösung der Muskelbänder ein Epithel übrig bleiben. Das geschieht indessen nicht, sondern die Falten des Muskelepithels dringen ganz durch und es wird das ge- sammte Epithel zerlegt. Hierin ist ein Unterschied gegenüber dem Bildungsmodus der Muskelelemente bei Wirbellosen gegeben, der aber doch nicht das Wesen des Vorgangs betrifft. Vielmehr lässt sich diese Abweichung als ein Zustand höherer Differenzirung beur- theilen, in Folge einer durchgeführten Arbeitstheilung. Während bei Wirbellosen das ektodermale oder mesodermale Epithel überall gleichzeitig eine große Anzahl verschiedener Leistungen zu versehen hat, sind letztere bei Wirbelthieren lokalisirt und der Theil des Mesoderms, welcher quergestreifte Muskelelemente liefert, wird eben ganz und gar dazu aufgebraucht, während andere Leistungen eben so ausschließlich anderen Bezirken des Mesoderms übertragen sind. Wir sehen somit im Faltungsprocess, welcher die erste Bildung von Muskelbändern bei Wirbelthieren einleitet, einen Vorgang, den die Wirbelthiere von Wirbellosen in modifieirter Weise übernommen haben. Das Resultat der Muskelfalten bilden nach Abschnürung derselben Muskelbänder. Schon zwischen zwei Falten waren mehrere Kerne enthalten in einheitlicher Plasmamasse, d. h. die Plasmakörper der Epithelzellen haben sich während der Faltenbildung vereinigt zu ge- meinsamer Masse und nur die Mehrheit der Kerne erweist den viel- zelligen Charakter einer Lamellenanlage. Eben so bleibt es natürlich im abgeschnürten Muskelband. Wir können die Bezeichnung »ab- geschnürt« auch auf die Muskelbänder der Wirbelthiere anwenden, denn während diese Gebilde sich bei Wirbellosen vom Epithel ab- schniiren, schnüren sie sich bei Wirbelthieren (Cyclostomen, Acipenser) von einander ab, ein Abschnürungsprocess ist es darum hier wie dort. Bei wenigen niederen Wirbelthieren bleibt es bei der ersten einfachen Muskelbandbildung und diese Bänder stellen als einheit- liche abgeschlossene Theile die Elemente der quergestreiften Körper- muskulatur dar. So bei Petromyzon. Es könnte nun fraglich sein, Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 609 ob wir es hier wirklich mit primitiven und nicht vielmehr mit rück- gebildeten Zuständen zu thun haben. Petromyzon ist jedenfalls in anderer Beziehung eine mehr rückgebildete und darum nicht primi- tivere Form als Myxine, besonders in Bezug auf die Verhältnisse des Darmkanals. Andere Organe sind freilich bei Myxine rudimen- tär, die bei Petromyzon sich sehr wohl entwickelt zeigen, z. B.: das Auge. Wenn also in Bezug auf die Muskelelemente Petromyzon einfachere Verhältnisse zeigt, als Myxine, so brauchen sie nicht nothwendig rückgebildete, sondern können eben so gut primitivere Zustände darstellen. Dass es in der That primitivere sind, ergiebt sich aus dem Vergleich mit Ganoiden. Beim Stör werden embryo- nal Muskelbänder entwickelt, dieselben zertheilen sich aber sehr bald zu Muskelröhren und später Muskelfasern, die in ihrem Bau genau den quergestreiften Fasern höherer Wirbelthiere gleichen. Wir sehen also, dass beim Stör die Fasern aus den Bändern onto- genetisch sich entwickeln, und daraus ergiebt sich ohne Weiteres das Muskelband als etwas Primitiveres zu erkennen, als die Muskel- faser. Es zeigt demnach auch Ammocoetes und Petromyzon in Bezug auf die Rumpfmuskulatur primitivere Zustände als Myxine. Das Muskelband als Element der quergestreiften Rumpfmusku- latur ist nur bei Petromyzon längere Zeit erhalten. Aber auch bei dieser Form treten später Weiterbildungen auf, welche bei höheren Formen weiter gebildet das Muskelband zu Muskelröhren und -Fasern zerlegt. Bei Petromyzon dringt in das Muskelband Binde- gewebe ein, aber nur in die peripheren Bezirke desselben und da- durch wird dieser Theil in einzelne Fasern zertheilt. Während bei Petromyzon die centrale Fibrillenmasse des Muskelblattes nicht von Bindegewebe durchsetzt wird, sehen wir, dass bei Myxine thatsäch- lich Bindegewebe zwischen die Fibrillen des ganzen Bandes eindringt, und die ganze Fibrillenmasse in eine große Anzahl wirklicher quer- gestreifter Muskelfasern zerlegt, die von Sarkolemm umgeben und durch inneres Perimysium von einander getrennt sind. Während bei Myxine diese Zertheilung offenbar ontogenetisch erst spät sich aus- bildet, so dass die Muskelbandbezirke stets ganz deutlich erhalten bleiben, sehen wir, dass bei höheren Formen schon in frühen em- bryonalen Stadien die Zerlegung der Bandbezirke in eine große Anzahl von Fasern eintritt, so dass sehr frühzeitig auch die Band- grenzen verschwinden und das Bindegewebe als inneres Perimysium die ganze Muskelmasse gleichmäßig durchsetzt. Wir sehen aber bei siimmtlichen Wirbelthieren zuerst die einfachen Falten am Muskel- 610 F. Maurer epithel entstehen, eben so wie bei Petromyzon und Acipenser und so können wir eine kontinuirliche Differenzirungsreihe in der Bildung der ersten quergestreiften Muskelfasern bei Wirbelthieren erkennen, welche uns deren morphologischen Werth im Wesentlichen anders erscheinen lässt, wie seither: Jedes Muskelband stellt einen großen Epithelbezirk dar, der abgeschlossen ist von der Basalmembran des Muskelepithels. Letztere wird als Sar- kolemm bezeichnet. Die Kerne des Sarkolemm sind die Kerne der tiefsten Epithelzellenlage, welche an ihrer Basis die strukturlose cuticulare Membran abschied. Wird das Muskelband in Fasern zertheilt, so stellen letztere kleinere Epithelbezirke dar, deren jedes wieder an der Peripherie seine ursprüngliche basale Fläche besitzt. Mit dieser Auffassung der Muskelfaser, die auf Grund verglei- chend anatomischer und vergleichend entwicklungsgeschichtlicher That- sachen aus ersten Stadien erhalten wurden, stehen einige spätere entwicklungsgeschichtliche Thatsachen scheinbar in Widerspruch. Es handelt sich hier um die Entstehung einer quergestreiften Muskel- faser aus einer Zelle. In vielen Fällen ist die Entstehung einer quergestreiften Muskelfaser aus einer einfachen Zelle beschrieben worden. Eben so häufig wurde freilich die Betheiligung einer grö- ßeren Anzahl von Zellen bei diesem Vorgang beschrieben und eben so ist die Bildung von Muskelfasern durch Abspaltung von anderen Muskelfasern geschildert worden. Ist somit die Bildungsweise der Muskelfasern eine sehr verschiedene, so kann ein solches Gebilde doch sicher auch aus einer Zelle heranwachsen. Hierzu ist zu be- merken, dass eine Zelle in dem sich entwickelnden Organismus in verschiedenen Stadien einen sehr verschiedenen Werth besitzt. Eine embryonale Epithelzelle ist die Mutterzelle eines späteren Epithel- bezirks. Am Epithel und bei den meisten anderen Geweben schließen die aus benachbarten einfachen Zellen hervorgegangenen größeren Gewebsbezirke sich so kontinuirlich an einander, dass keine sicheren Abgrenzungen am Gewebe selbst nachweisbar sind, sie sind es höch- stens durch die Innervation, in so fern solche Epithelbezirke stets dem Verbreitungsgebiet einer Nervenfaser von bestimmtem Kaliber ent- sprechen. Bei der Muskelfaser haben wir einen derartigen Epithel- bezirk vor uns, der wohl aus einer Zelle hervorgehen kann, diese Zelle stellt dann die Mutterzelle eines Epithelbezirks dar, der auch später als ein einheitliches abgeschlossenes Ganze erkennbar ist. Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 611 Die Innervationsweise der quergestreiften Muskelfaser stimmt auch mit der hier vorgetragenen Auffassungsweise überein. Zu jeder Muskelfaser tritt eine markhaltige Nervenfaser bis zum Sarkolemm heran und erst an dieser Basalmembran hört die Markscheide auf und beginnt nach Eintritt in das Gebilde die Vertheilung des Ach- sencylinders in verschiedener Weise. Bei Amphibien, wo die bajo- nettartige Zertheilung bekanntlich besteht (Künne), kann man leicht darin morphologisch die Auflösung des Achsencylinders in feinere Fasern für die einzelnen Zellenterritorien, die in der Muskelfaser bestehen, erblicken. Auch in den andersartigen sehr mannigfaltigen Vertheilungsweisen des Achsencylinders in den Muskelfasern höherer Wirbelthiere kann man solches Verhalten erkennen. Wenn hier oft diese Enden nur wenig weit in die Faser hinein verfolgbar sind, so ist zu bedenken, dass wir kein Recht haben anzunehmen, die Auflösung des Achsencylinders erstreeke sich nur so weit, wie das ihn sichtbar machende Reagens wirkt, oder gar, wie es in der leben- den Faser zu erkennen ist. Auf zwei Punkte bleibt hier noch einzugehen. Der erste betrifft den Bau der Augenmuskelfasern bei Cyclostomen. In den Augen- muskelfasern bei Petromyzon, die schon vielfach untersucht wurden, finden wir drehrunde Gebilde mit centralen Kernen und Sarkoplasma und peripherem Fibrillenmantel. Später vermehren sich die Fibrillen und erfüllen die ganze Peripherie der Faser in vielen Schichten. An ihrer Oberfläche findet sich ein Sarkolemm. Diese Gebilde zeigen keine Ähnlichkeit mit den Muskelbändern von Petromyzon, welche sonst die einzigen Elemente der Rumpfmuskulatur dieser Form dar- stellen. Wie ist das Vorkommen solcher Gebilde bei Petromyzon verständlich? Hierzu muss ich bemerken, dass die Hilfsorgane des Auges wie sie bei Wirbelthieren sich gebildet haben, jedenfalls später erworbene Organe sind als die in den Urwirbeln gebotenen Segmente, welche der Ausdruck einer sehr alten Metamerie des Körpers sind. Die Differenzirungen an letzteren werden uns dem- nach jedenfalls mehr palingenetische Vorgänge bei niedersten Wirbel- thieren vorführen als die später auftretenden Hilfsorgane des Auges. Über die Entwicklung der Augenmuskeln bei Petromyzon liegen keine Beobachtungen vor, leider konnte ich an meinem Material darüber auch nichts entscheiden. Es liegt aber kein Grund vor, durch sie die Beurtheilung der morphologischen Bedeutung der Muskelfaser, wie sie aus den Entwicklungsvorgängen an der ältesten Rumpfmuskulatur gewonnen wurde, beeinflussen zu lassen. 612 F. Maurer Der zweite Punkt betrifft die Zustände der kontraktilen Ele- mente, welehe das Myocardium der Wirbelthiere bilden. In ihnen sehen wir Muskelzellen vor uns, in welchen es ebenfalls zur Diffe- renzirung von quergestreiften kontraktilen Fibrillen in der Peripherie der Plasmakörper der Zelle kommt. Eine morphologische Verglei- chung der Herzmuskelzelle und der quergestreiften Muskelfaser der Wirbelthiere halte ich aber für durchaus unzulässig, aus folgenden Gründen. Erstens stellen die Elemente der Herzmuskulatur stets einfache Muskelzellen dar und die Differenzirung der quergestreiften Fibrillen ist hier nur Ausdruck der höheren Leistung und zweitens sind diese Elemente durch ihre Innervation vom Sympathicus voll- kommen von den Muskeln des spinalen Nervensystems getrennt. Die Muskelzellen und Muskelfasern der ausgebildeten Wirbelthiere sind durchaus verschiedenartige Gebilde, die jedenfalls bei Wirbel- thieren nicht mehr einen gemeinsamen Ursprung erkennen lassen. Darum halte ich die Berechtigung einer morphologischen Vergleichung der Herzmuskelzellen mit den quergestreiften Muskelfasern bei Wir- belthieren für ausgeschlossen. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit lassen sich in Kurzem folgendermaßen zusammenfassen: 1) Die ersten Elemente der Rumpfmuskulatur, wie sie sich aus der medialen Urwirbellamelle niederer Wirbelthiere (Petromyzon, Acipenser) entwickeln, stellen durch Faltung und Abschnürung aus einem Muskelepithel hervorgegangene Muskelbänder dar (Muskel- kistchen, Srannius). 2) Dieselben stellen in ihrem fertigen Zustande, wie sie bei Petromyzon zeitlebens bestehen, Epithelbezirke erster Ordnung dar. Die Mehrschichtigkeit des Epithels kommt in der Zonenbildung der Fibrillen zum Ausdruck. Die oberflächlichste d.h. äußerste Fibrillenzone entspricht der basalen Epithellage. 3) Die parietalen Fasern, wie sie bei Petromyzon sich in jedem Muskelbande ausbilden, sind nicht von anderer Herkunft, wie die centralen Fi- brillenzonen, sie sind nur durch ihre Beziehung zum umgebenden Bindegewebe, das sie ganz umhüllt, ausgezeichnet und. erhalten hierdurch eine größere Selbständigkeit. 4) Durch dieses Eindringen von Bindegewebe in ein Muskelband, ein Vorgang, der sich bei Petro- myzon nur auf die äußerste Fibrillenzone beschränkt, ist hier ein Zustand vorbereitet, der bei Myxine und Acipenser weiter gebildet wird. Bei diesen wird durch das eindringende Bindegewebe der ganze Epithelbezirk erster Ordnung, wie ihn ein Muskelband dar- stellt, in eine große Anzahl Muskelfasern, d. h. Epithelbezirke zweiter Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 613 Ordnung zertheilt. Diese kénnen sich durch weitere Lingsspaltungen (Heptanchus) in noch kleinere Bezirke zertheilen. 5) Wie die Peri- pherie eines Muskelbandes von Petromyzon die Basalfläche abge- schlossenen mehrschichtigen Muskelepithelbezirks darstellt, so hat auch die Oberfläche einer Muskelfaser die gleiche morphologische Bedeutung für diesen kleineren Muskelepithelbezirk. Das sich hier entwickelnde Sarkolemm hat den morphologischen Werth einer Cuti- cula, phylogenetisch geht es hervor aus der Basalmembran des Muskelepithels. Die Bilder, welche die sich entwickelnden Muskel- fasern junger Knochenfische darbieten, sprechen dafür, dass das Sarkolemm aus der äußersten Plasmaschicht der Muskelfaser sich bildet und dass die Sarkolemmakerne aus den äußeren Muskelkernen hervorgehen. 6) Man unterscheidet in der Muskelfaser innere und äußere Muskelkerne. Bei niederen Formen bleiben beide Kernformen in der Muskelfaser bestehen, bei höheren erleiden die inneren Kerne eine Rückbildung, nur die äußeren (Sarkolemmakerne) bleiben be- stehen, worin die große Bedeutung der basalen Zellenlage an einem mehrschichtigen Epithel zum Ausdruck kommt. 7) Die kontraktilen Fibrillen bilden sich zuerst längs der Basis des Muskelepithels aus, und wir sehen im Faltungsprocess den Ausdruck einer Oberflichen- vergrößerung zur Entwicklung einer größeren Anzahl der Fibrillen. 8) Es wird demnach auch an der ersten Anlage einer Muskelfaser die Anordnung der Fibrillen als einfache periphere Mantelschicht dem primitiven Zustande entsprechen. 9) In den anderen Bildungs- modi der quergestreiften Muskelfasern, wie das Auswachsen aus einer Zelle oder die Bildung aus mehreren sich zusammenlagern- den Spindelzellen, müssen wir eben so wie in der zuerst einseitigen Ausbildung kontraktiler Fibrillen cinogenetisch veränderte Entwick- lungsvorgänge erblicken. 10) Die verschiedenen Formen von Mus- kelfasern, die man nach Anordnung der Kerne und Verhalten der kontraktilen Fibrillen in Anordnung, Dieke und Querstreifung unter- scheiden kann, stellen morphologisch keine grundverschiedenen Ge- bilde dar, es kann die eine Form aus der anderen hervorgehen. Falsch ist die Auffassung, dass die Fasern vom Bau der oberfläch- lichen Muskelschicht bei Knochenfischen einen embryonalen Typus darstellen, denn die Fasern der tiefen Schicht machen embryonal einen solchen Zustand nicht durch. In der Verschiedenheit des Baues der Muskelfasern bei Wirbel- thieren hat man lediglich durch die Intensität der Leistung bedingte Unterschiede zu erblicken. 614 F. Maurer Litteraturverzeichnis. BALFOUR, A monograph on the development of elasmobranch fishes. — Handbuch der vergleichenden Embryologie; deutsch von VETTER. Bonnet, Beiträge zur Embryologie der Wiederkäuer. Archiv f. Anat. u. Physiol. 1884 u. 89. Born, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der quergestreiften willkürlichen Muskeln der Siiugethiere. Inaug.-Diss. Berlin 1873. BREMER, Uber Muskelspindeln nebst Bemerkungen über Struktur, Neubildung u. Innervation der quergestreiften Muskelfaser. Archiv f. mikr. Anat. Bd. XXI. 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Rechte Hälfte eines Querschnittes durch das fünfte Körpersegment hinter dem Gehörbläschen von einem Embryo von Petromyzon fluv. (Körperlänge 3 mm). Falten des Muskelblattes, erste kontraktile Fi- brillen. Querschnitt der linken Hälfte einer Petromyzonlarve von 6 mm Länge, * zur Demonstration der Muskelbänderanlagen. Der Schnitt entstammt der Rumpfmitte. Querschnitt durch einige Muskelbänder einer Petromyzonlarve von 7 mm Länge aus der Rumpfmitte. Von der medialen und lateralen Seite her dringen Zellen zwischen die Muskelbänder ein. Bei » sieht man den motorischen Nerven zwischen die Breitseiten zweier Muskel- bänder verlaufen. Querschnitt durch die dorsale Kuppe eines Muskelsegmentes von Am- mocoetes (8 cm Körperlänge) zur Demonstration des Baues der jüngst- gebildeten Muskelbänder. me medial, 2 lateral. Horizontaler Längsschnitt durch den vorderen Schwanztheil einer Petromyzonlarve von 7 mm Körperlänge. Erste Differenzirungsvor- giinge am Myotom. 7,8u.9. Horizontale Längsschnitte durch einzelne weiter vorn gelegene Myotome, Fig. 9, das vorderste und älteste entstammt der Rumpf- mitte. e Epidermis. Morpholog. Jahrbuch. 21. 40 618 Fig. ig. 13. Fig. 12.719. Fig. Fig. Fig. Fig. 10. ig. 11. Y12; ‚214: 18. Syn 18. 20. 21. 22. 23. F. Maurer Schriigschnitt durch ein Muskelband aus einem Körperquerschnitt von Ammocoetes (15 cm Körperlänge). Zur Demonstration der Fibrillenzonen im einheitlichen Muskelband (me mediale, /a laterale Kante im Schnitt). Gleicher Schrägschnitt durch ein Muskelband eines ausgewachsenen Petromyzon fluviatilis; py Parietalfasern, ce centrale Fibrillenmasse, zum Theil zerklüftet; Ja laterale, me mediale Kante im Schnitt. Querschnitt durch einige Parietalfasern bei starker Vergrößerung ; bs bindegewebiges Septum zwischen zwei Muskelbändern, p demselben dicht anliegende Parietalfasern mit peripheren Muskelkernen; e ein Stiickchen centrale Fibrillenmasse mit zahlreichen inneren Muskel-. kernen. Schrägschnitt durch einen Muskelbandbezirk von Myxine australis. Der ganze Inhalt zu Muskelfasern zerklüftet. Jede Faser mit Sarko- lemm versehen, von perimysialem Bindegewebe umsponnen, p Parietal- fasern. Querschnitt durch die rechte dorsale Muskelmasse von Petromyzon fluviatilis zur Demonstration der Anordnung der Muskelbiinder zwischen den intersegmentalen Septen. In dem medialen Myokomma sind die Muskelbänder (md) schematisch ausgeführt. Bei x das Muskelband, welches in Fig. 11 bei stärkerer Vergrößerung dargestellt ist. Ein gleicher Querschnitt von Myxine australis. Bei x Muskelbandbezirk, der in Fig. 13 bei stärkerer Vergrößerung dargestellt wurde. Rechte dorsale Hälfte eines Körperquerschnitts von einer Larve von Acipenser (7 mm Körperlänge). Der Schnitt entstammt der vorderen Körperhälfte, mb mediale Muskelbänder, mr laterale Muskelröhren. Querschnitt einiger Muskelelemente von der gleichen Acipenserlarve aus einem hinteren Körperquerschnitt aus der an Fig. 16 mit x be- zeichneten Stelle entnommen. Zur Demonstration der unvollkommenen Sonderung der Muskelbänder, die demnach durch N aus dem Muskelepithel entstehen. Ein gleicher Schnitt, der Stelle y an Fig. 16 entsprechend, aus einem hinteren Querschnitt entnommen. Bei 5 großer Epithelbezirk, der nicht zu Bändern zerlegt wurde. Bei a Abschnürung einer lateralen Muskelröhre vom medialen Muskelbande. Dorsales Ende der Rumpfmuskulatur aus einem Körperquerschnitt der gleichen Acipenserlarve. Beide Muskellagen vereinigen sich dorsal in der medialen Urwirbellamelle und biegen in das laterale Cutisblatt um. Bildung von Muskelröhren durch sekundäre Faltenbildung an den Muskelbändern. Ventraler Myotomfortsatz aus einem vorderen Körperquerschnitt der Acipenserlarve zur Demonstration des Verhältnisses der beiden Ur- wirbellamellen zu demselben. Auch hier gehen die beiden Muskel- schichten nur in die mediale Lamelle dieses Fortsatzes über. Rechte Hälfte eines Körperquerschnittes von einem Embryo von Tor- pedo (3 mm Länge). Der Schnitt geht dureh das fünfte Körpersegment hinter dem Gehörbläschen. Zur Demonstration der ersten Faltungen am Muskelblatt m des Urwirbels. Ein gleicher Schnitt eines Torpedoembryo von 7 mm Länge. Ein gleicher Schnitt eines Torpedoembryo von 15 mm Länge. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. , oe, we) 1 „29. . 33. 34. 36. oT. 38. Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cyclostomen ete. 619 Querschnitte durch einige Muskelfasern eines Heptanchus von 10 cm Länge. Zur Demonstration des Zerklüftungsvorganges an solchen Fasern. Querschnitt durch zwei Muskelbänder eines jungen Mustelus von 6 cm Länge. Aus der seitlichen Bauchgegend der Körpermitte. Rechte Hälfte eines Körperquerschnittes von einem Lachsembryo, 11 Tage nach dem Streichen. Der Schnitt geht durch die Mitte des sechsten Urwirbels hinter dem Gehörbläschen. Faltungen des Muskel- epithels (m); im intermediäre Zellmasse; ¢ Darmrohr. Ein gleicher Schnitt von einem Lachsembryo, 22 Tage nach dem Streichen. Faltungen des Muskelblattes (m), erste kontraktile Fibrillen. Querschnitte durch einige junge Muskelfasern der Rumpfmuskulatur eines jungen Idus miniatus von 7mm Körperlänge. a—h Entwick- lung der. kontraktilen Fibrillen und Verlagerung des Kernes; bei A innerer und äußerer Muskelkern, letzterer = Sarkolemmakern. Linke dorsale Hälfte eines Körperquerschnittes von einem Embryo vou Rana temporaria (3,5 mm Länge). Schnitt durch die hintere Körper- hälfte; m mehrschichtiges Muskelepithel. Schnitt durch die vordere Körperhälfte des gleichen Embryo. mb tiefe Elemente des Muskelblattes zu Muskelbändern herangewachsen. Querschnitt durch einige Muskelbandbezirke von einer Froschlarve von 8mm Länge. Anordnung der kontraktilen Fibrillen in den Mus- kelfasern; me mediale, Ja laterale Muskelgrenze. ch Oberfläche der Chorda dorsalis. Querschnitt durch die dorsale linke Körperhälfte eines Siredonembryo von 3,3mm Länge (sechster Urwirbel hinter dem Gehörbläschen). Fal- tungen des Muskelblattes (m). Querschnitt durch die linke dorsale Körperhälfte eines Embryo von Lacerta agilis (4 mm Nacken-Steißlänge). Der Schnitt geht durchs 12. Körpersegment. Muskelblatt. Ein gleicher Schnitt von demselben Embryo durch das achte Körper- segment. Zertheilung des Muskelepithels unter dem Eindringen des Bindegewebes. Querschnitt durch die rechte Körperhälfte eines 13 mm langen Embryo von Lacerta agilis. Muskelbandbezirke durch Bindegewebe abge- grenzt. Cutislamelle dorsal und ventral zu Bindegewebe aufgelöst. Querschnitt durch einen dorsalen Myotombezirk aus der Körpermitte eines Hühnchenembryo vom fünften Tage. Muskelbandbezirke durch Bindegewebe abgegrenzt. Cutislamelle zu Bindegewebe aufgelöst. Querschnitt durch die linke dorsale Körperhälfte eines Kaninchen- embryo von 5,6 mm Nacken-Steißlänge. Muskelepithel (m). 22. Rumpf- segment. Gleicher Querschnitt durch das 7. Segment des gleichen Kaninchen- embryo. Muskelbandbezirke des Muskelblattes, durch Bindegewebe gesondert. 40* The Development of the Olfactory Organ in the Teleostei. By John. F. Holm. (Zootomical Institute University of Stockholm.) Mit Tafel XVII und 1 Figur im Text. The development of the olfactory organ of these fishes has been little studied and we have only one short account of this process, which is by C. K. Horrmann in his large work »Zur On- togenie der Knochenfische« relating to Salmo. As to other kinds of fishes, there are two descriptions by BALFOUR, one in »The Development of Elasmobranch Fishes« and the other in »The Strue- ture and Development of Lepidosteus« both contained in the Memo- rial Edition of his works. In spite of careful research, I have been unable to find any other literature on the subject. . I have now tried to follow the process of the development in Salmo salar, as material there-of could easily be had and the development is slow. I here take the opportunity to express my gratitude to Professor LECHE, who suggested this work to me, as well as to thank him for all the kind assistance he has given me during the time of execution. For material I applied to Elfkarleö Salmon Cultivating Establishment from where I obtained eggs which were artificially impregnated ten days before I recieved them and it took, on the average, 95 days, in the cold winter temperature, for them to hatch. The ova were fixed in KLEINENBERG’s Sulpho- Picric acid, then opened and the embryo taken out and stained intoto Morpholog. Jahrbuch. Bd.XX1. Ammocötes Mustelus *?° a Verlag « Wilh Engelmann, Leipzig. } ‘Teh Anst.w Werner AN intes Frankfart 6M | u | q > (u x i a —— tt | Morpholog. Jahrbuch. Ba. XXT. Verlag MilhEngelmann, Leipzig, Tick fun Werner Minter, Frank flirt 4. re Acipenser *f° Acipenser. *f° Acipenser Heptan u 2 N are x Torpedo Salmo salar. 4 Lid Arsh y Werner aWinter, Frankfurt Ot holog. Jahrbuch, Bd. XAT. Kaninchen Verlag » WIR Engelmann, Leipzig. The Development of the Olfactory Organ in the Teleostei. 621 with Alum-Carmine or Erticn Haematoxylin. They were then em- bedded in paraffin and complete series of the head cut by microtome. In later stages, where the cartilage had commenced to develop, double staining was used, with Erosin for Haematoxylin, and Aniline Blue for Carmine, preparations. The first indication of the development of the organ in embryos of 28 to 30 days, is given by the appearance of two thickened spots in the ectoderm, situated symmetrically to the middle line of the embryo, in very similar position to those of Elasmobranch fishes as described by BALFour in his work cited in my introduction, that is, laterally, on the ventral part of the head, a little forward of the eye. They consist of a few layers of cells, which have generally a somewhat radial appearance and are not unlike the sense or taste organs in the integument of fully developed fishes. Fig. 1, Plate XVII, shows transverse sections from embryos of 28 days; Fig. 2, shows similar sections from embryos ten days older. The organ is by this time laying close on the neural canal, only separated by a membrane which seems to be formed by the basal cells of the organ. The first sign of any mesoderm is seen in Fig. 1, m, but it develops quickly and the next stage is shown in Fig. 2. In the early stages now described I have not found any differentiation of the tissue into olfactory cells or elongated columnar epithelial cells, but in the following stage (Fig. 3, Plate XVII, which shows a sagittal section of an embryo 46 days old) some elongated cells can be perceived amongst the ordinary embryonic tissue. At this time the organ has an elongated appearance, still on the ventral side of the head; the olfactory lobe (ol.o. Fig. 3) is descending towards the foremost situated part of the organ and is connected with this through rows or aglomorations of cells similar to those of which the lobe itself consists. The external outline of the organ is in this stage perfectly on the same level as the outline of the embryo and no involution has commenced. Any olfactory nerve proper cannot be discovered in this stage and probably it is not formed out of the cells connee- ting the olfactory lobe with the organ. HorrmMann gives some in- formation about the development of the olfactory nerve, but the age and development of his embryos are given in an uncertain manner and almost without figures, so that I do not venture to draw any conclusion there-from or make comparisons with my results. The development is at this stage very slow and no distinct change can be seen until the embryo has attained 60 days. 622 John. F. Holm Fig. 4 shows a sagittal section of such an embryo and an involu- tion can now plainly be seen; the connection with the ectoderm is unmistakeable and more elongated cells appear in the epithelium. The entire organ has now commenced to move forwards and upwards, but is still on the ventral side and is separated from the olfactory b Fig. 1. Sagittal serie of embryo 83 days old. Schematic drawings. Sections a—e, running from lateral towards middle line, Ect. ectoderm. F.B. fore brain, 01.0. olfactory organ. O.N. olfactory nerve. lobe by an increasing layer of mesoderm. The organ is an open, elongated fosse, or pit, and has not commenced to form a canal, but in an embryo of 83 days the beginning of this can be seen. Figs. a, b, ce, d, e, represent schematic drawings of a sagittal serie of sections, which aregiven from the lateral, towards the middle line. The Development of the Olfactory Organ in the Teleostei. 623 It can be seen how the groove deepens and in Fig. d, it is closed and situated under the ectoderm. In Fig. e, the solid base of the organ is found separated from the ectoderm and the olfactory nerve connecting the fore brain with the organ is fully formed. The exterior parts of the fosse retain the character of ordinary epithe- lium, but in the interior part the epithelium has developed into an olfactory one, with plenty of nerve cells. The nerve divides into a large number of fibres intersecting the base of the organ. In series from somewhat older embryos I have found the nerve divided into two or three branches, which enter the organ from different sides. From this time until hatching there is little to be found that is new except an increase in size, but then the cartilage of Tegmen Cranie and the Palato Pterygoid bar commence to develop and with that an alteration in the position of the organ takes place. It has before been on the ventral side, but through this development it is gradu- ally pushed forwards and upwards, so that in an embryo of 18 mm length (of which a sagittal section is shown in Fig. 5) the organ is laying in the front as far as possible. The ciliated epithelium has now appeared and the character of the organ is much like fully developed ones, with the exception of size and lack of folds. Hither to there has been plenty of room for both the organ and the cartilage to develop, but from this time the forming bone pre- vents any further growth inwards, as is shown in Fig. 6, repre- senting a transverse section of a somewhat older stage. The base of the organ has approached the Ethmoid closely and any further growth must take place sideways. Fig. 7, Plate XVII, shows a transverse section through the organ of a young fish of 60 mm length, probably a year old or more, where the lateral extension and the folds have developed to a great extent. The olfactory membrane has different thicknesses, being thicker in the grooves than on the protuberances; it is ciliated and has the characteristic appearance of olfactory epithelium. It is thus seen that the development of the olfactory organ of the Salmo salar more closely resembles that of the Elasmobranch fishes than that of Lepidosteus, where, as known, the pit is caused by a hollow being formed between the exterior cell layers and the interior ones of the thickened patch of ectoderm. The interior part develops into olfactory epithelium, the exterior is broken through and thus the pit is formed. Since the conclusion of this work, Kuprrmr’s research on the single olfactory organ in Acipencer embryos and Ammocoetes has 624 John. F. Holm, The Development of the Olfactory Organ ete. come into my bands, but it was too late to make any investigations as to the existence of a similar organ in the Teleostei as I did not possess series of embryos young enough for this purpose. Literature on the Development of the Olfactory Organ. C. K. HOFFMANN, »Zur Ontogenie der Knochenfische«. Archiv für mikrosko- pische Anatomie. Bd. XXIII. 1884. F. M. BALFOUR, »Development of Elasmobranch Fishes«. »Structure and De- velopment of Lepidosteus« in »BALFouR’s Memorial Edition« by M. Foster and A. SEDGwIcK. 1885. ; v. Wink, »Über die Kopfsegmente und die Phylogenie des Geruchorgans der Wirbelthiere«. Zoologischer Anzeiger. [X. 1886. C. von Kuprrer, »Studien zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte des Kopfes der Kranioten«. 1893. 1894. Explanation of Plate, Plate XVII. All figures are drawn with the ABBE Camera and the lenses 16 mm, 8 mm, and 4 mm, by ZEISS. Fig. 1. Transverse section through an embryo 28 days old. Alum-Carmine preparation. Apochromate 4 mm. Comp. Oc. 4. 260/1. Fig. 2. Transe. sec. emb. of 38 days. Alum-Carmine prep. Apoc. 4 mm. Comp. Oc. 4. 260/1. Fig. 3. Sagital section. emb. of 46 days. Alum-Carmine prep. Apoc. 4 mm. Comp. Oc. 4. 260/1. Fig. 4. Sag. sec. emb. of 60 days. Alum-Carmine prep. Apoc. 4 mm. Comp. Oc. 4. 260/1. Fig. 5. Sag. sec. emb. 18 mm, Haematoxylin-Eosin prep. Apoc. 8 mm. Comp. Oc. 4. 160/1. Fig. 6. Trans. sec. emb. 20 mm. Alum-Carmine and Aniline-Blue prep. Apoe. 16 mm. Comp. Oc. 4. 70/1. Trans. sec. emb. 60 mm. Alum-Carmine and Aniline-Blue prep. Apoe. 16 mm. Comp. Oc. 4. 50/1. 1 . Fig. Reference letters in Above. Ol. O. olfactory organ. Ze. ectoderm. Mes. mesoderm. F. B. fore brain. V. ventral side of embryo. D. dorsal side of embryo. Bone and Cartilage are tinted Blue. Stockholm, March 18th 1894. ere og. Jahrb. Bd XX. Tat AM. aos > FO, a I TE G = In O5 Die morphologische und histologische Entwicklung des Kleinhirns der Teleostier. Von Dr. med. Alfred Schaper, Privatdocent und Assistent am anatomischen Institut der Universitat Zürich. Mit Tafel XVILI—XXI und 1 Figur im Text. Einleitung. Die folgende Arbeit verdankt ihren Ursprung einer Reihe ver- schiedener Untersuchungen, die ich im Laufe des vorigen Jahres zunächst von ganz anderen Gesichtspunkten aus angestellt habe, ohne zu ahnen, dass schließlich eine mehr oder weniger monogra- phische Abhandlung über die Entwicklung des Teleostier-Kleinhirns daraus hervorgehen sollte. Schon vor längerer Zeit lenkte mein ver- ehrter Chef, Herr Prof. Sr6ur, meine Aufmerksamkeit auf das Werden und Vergehen jener räthselhaften transitorischen Körnerschicht, deren Vorhandensein an der Oberfliiche des Kleinhirns höherer Vertebraten schon seit langem bekannt, über deren Ursprung und Bedeutung jedoch die Angaben der Autoren bis zum heutigen Tage recht dürftig sind und theilweise weit aus einander gehen. Wie ein Nebelbild zieht diese Zellschicht in der Entwicklungsgeschichte des Kleinhirns vor unsern Augen vorüber; man weiß kaum mehr dar- über als dass sie zu einer relativ frühen Entwicklungsperiode plötz- lich in Erscheinung tritt, im weiteren Embryonalleben an Mächtigkeit zunimmt und bald nach der Geburt des Individuums allmählich wieder verschwindet. Zwar haben in der letzten Zeit verschiedene Autoren, wie Löwe (48)!, Lanousse (44), VıGnaL (80 und S1) und HERRICK ! Die in Klammern gesetzten Zahlen beziehen sich auf das pag. 702 be- findliche Litteraturverzeichnis. 626 Alfred Schaper (25) sich an dem Problem der Entstehung dieser Schicht von Neuem versucht; ihre Resultate jedoch erheben sich kaum über Vermu- thungen, die zum Theil auf recht unsicheren Thatsachen begründet sind, welche der Bestätigung zunächst noch bedürfen. —- Ein posi- tiver Fortschritt unseres Wissens über die fragliche Körnerschicht ist nur in Bezug auf ihre histologische Bedeutung zu verzeichnen, indem es Ramon y Cayau (64) gelang, an der Hand der Silber- imprägnationsmethode nachzuweisen, dass aus den Elementen der- selben Zellen hervorgehen, die zum Theil jedenfalls den Charakter von Nervenzellen tragen. Diese Lücken in der Genese und Histologie des Kleinhirns ließen erneute Forschungen gerechtfertigt erscheinen. — Ich muss nun gestehen, dass meine ersten bezüglichen Untersuchungen, die ich am Gehirn verschiedener Säuger anstellte, mich recht wenig be- friedigten und zu keinem Resultate führten. Der Mangel an dem nöthigsten, schwer zu beschaffenden Material, in so fern es sich wenig- stens um jüngste Entwicklungsstadien handelte, war ein Hauptgrund für diese Misserfolge. — Da lenkte mich der Zufall auf eine Durch- musterung der vorzüglichen Entwicklungsserien von Trutta fario unserer Anstalt. Zu meiner Freude konstatirte ich bei dieser Ge- legenheit im Kleinhirn der Forelle das Vorhandensein einer super- ficiellen Körnerschicht, die der der höheren Vertebraten durchaus entsprach, wenngleich ihre Mächtigkeit bei Weitem geringer war. Bald auch konnte ich mich bei älteren Forellen von dem Ver- schwinden dieser Schicht und somit von ihrem transitorischen Cha- rakter überzeugen. Dieser Umstand veranlasst mich, die bereits ins Stocken gerathenen Untersuchungen über diesen Gegenstand von Neuem aufzunehmen in der Hoffnung, dass es mir bei den Knochen- fischen an der Hand jener lückenlosen Entwicklungsreihe und bei der einfacheren Gestaltung ihres Kleinhirns eher gelingen möchte, über das Entstehen und das Wesen dieser Kérnerschicht etwas Posi- tives in Erfahrung zu bringen. Zu einem erfolgreichen Arbeiten war ein eingehendes Studium der reichhaltigen Litteratur über das Knochenfischgehirn zunächst die Hauptbedingung. — Ich konnte mich bald überzeugen, dass von dem Bestehen einer superficiellen Körnerschicht im Kleinhirn der Tele- ostier so gut wie nichts bekannt war. Aber noch mehr! Je weiter ich die Litteratur verfolgte, um so mehr kam ich zu der Ein- sicht, dass unsere Kenntnisse sowohl über den Bau als ganz beson- ders über die Entwicklung des Kleinhirns dieser Vertebratenklasse Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 627 noch außerordentlich dürftig sind, was bei den zahlreichen Arbeiten, die das Gehirn der Teleostier zum Gegenstand hatten, von vorn herein nicht zu erwarten war. Bei allen diesen Untersuchungen ist das Kleinhirn recht schlecht weggekommen; ja selbst die speciellen Arbeiten darüber weisen beträchtliche Lücken auf. Über die Histo- genese endlich, die am meisten für meine Zwecke von Bedeutung gewesen wäre, habe ich nirgends etwas finden können, was meinen Ansprüchen genügt hätte. — Um zu einem positiven Resultat in der Ergründung jener räthselhaften Schicht gelangen zu können, war die Kenntnis der Histogenese des Kleinhirns in seiner Ge- sammtheit die nächste Bedingung. Somit lagen mir jetzt zwei Fragen vor, die in unzertrennlichem Zusammenhang standen, von denen die eine ohne die andere nicht zu lösen war. In vergleichend-anatomischem Interesse war mir ferner daran gelegen, zunächst den Bauplan des ausgebildeten Teleostier-Klein- hirns kennen zu lernen, um hieraus die nöthigen Vergleichspunkte mit dem der höheren Vertebraten zu gewinnen. Es gelang mir hier vermittels der Got6I-Methode zu zeigen, dass das Princip in der histologischen Struktur des Kleinhirns sowohl bei den Fischen als bei den höheren Vertebraten, speciell den Säugern, fast das gleiche ist. Ich habe über diese Ergebnisse seiner Zeit im anatomischen Anzeiger berichtet (73). Dass endlich noch eine gründliche Untersuchung der morpho- logischen Entwicklung des Teleostier-Kleinhirns sich als Bedürfnis herausstellte, um die Histogenese desselben verfolgen zu können, liegt in dem Nachstehenden begründet und soll hier nur desshalb Erwähnung finden, um zu zeigen, wie eine ganze Reihe verschie- dener, aber in kausalem Zusammenhang stehender Momente die Ur- sache wurde, dass mein ursprüngliches Vorhaben in Betreff einer Untersuchung der superficiellen Körnerschicht des Kleinhirns schließ- lich zu einer Gesammtuntersuchung über die Entwicklung des Teleo- stier-Kleinhirns sich umgestaltete, die der folgenden Darstellung ihren monographischen Charakter aufprägte. Die thatsächliche Dürf- tigkeit unserer diesbezüglichen Kenntnisse lässt eine solche Art der Beschreibung wohl gerechtfertigt erscheinen; nichtsdestoweniger hat die Genese der superficiellen Körnerschicht, deren Klärung gerade durch diesen Untersuchungsgang wesentlich gefördert wurde, beson- dere Berücksichtigung gefunden. Erwähnt mag noch werden, dass im Laufe meiner Untersuchungen sich eine ganze Reihe von Fragen der Beantwortung aufdrängten, 628 Alfred Schaper die dem eigentlichen Gegenstand zwar ferner lagen, denen ich jedoch bei ihrer allgemeinen fundamentalen Bedeutung eine eingehende Erörterung nicht versagen konnte. Es betreffen diese Fragen beson- ders die Hıs’sche Neuroblasten-Theorie, die Herkunft der Neuroglia, sowie das allgemeine Prineip der frühesten morphologischen Entwicklung des Kleinhirns ete. — « Mein Untersuchungsmaterial beschränkte sich auf Forellen (Trutta fario) und Lachse (Salmo salvelinus). Beide zeigen, abgesehen von geringen morphologischen : Differenzen, genau den gleichen Entwicklungsgang. Nichtsdestoweniger beziehen sich die folgenden Angaben fast ausschließlich auf die Forelle, zumal mir hiervon durch die Güte meines verehrten Chefs, die umfangreichen, vorzüglich konservirten Serien des hiesigen Instituts in dankens- werther Weise zur Verfügung gestellt wurden. Für speeiellere Unter- suchungen verschaffte ich mir außerdem geeignetes Material aus den Fischbrutanstalten zu Zürich und Liestal (Baselland). — Die frühesten Beobachtungen wurden vorgenommen an einer lückenlosen Entwicklungsreihe von Embryonen vom 20. bis 120. Tage nach der Befruchtung. Etwa um den 100. Tag herum erfolgte gewöhnlich das Ausschlüpfen. Weiterhin wurden Forellen von 5 und 12 Monaten und ältere zur Untersuchung herangezogen. — Die Quer- und Längsschnitt-Serien des Anatomischen Instituts (20.—120. Tag) waren nach Fixation in Sublimat-Eisessig mit Boraxkarmin-Jodgrün gefärbt worden; die Schnittdicke betrug 10 «u. Es stellte sich bald heraus, dass sowohl die Art der Färbung, als die relative Dicke der Schnitte, eine Untersuchung der feinsten histogenetischen Vorgänge, so weit sie wenigstens das Cen- — tralnervensystem betreffen, unmöglich machte. Trotzdem haben mir diese Präparate außerordentliche Dienste geleistet zur Verfolgung. der morphologischen Entwicklung. Zur Erreichung dieses Zweckes wurde auch die Plattenmodellirmethode mit bestem Erfolg angewendet. — Um mir jedoch. einen klaren . Einblick in die Histogenese des Kleinhirns zu verschaffen, war ich genöthigt, von Neuem Schnitte anzulegen durch eine Entwicklungsreihe von Forellenembryonen und geeignetere Färbungsmethoden auszuprobiren. Die Schnittdieke durfte 3—5 u nicht überschreiten. Das benutzte Material war theils in Sublimat-Kochsalz-Lösung, theils in KLEINENBERG’scher und FLEmmın@’scher Flüssigkeit fixirt worden. Als Tinktionsmittel erwiesen sich Anilinfarben als die brauchbarsten und zwar gaben das saure Fuchsin und das von Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 629 KurezıckY empfohlene saure Rubin die besten Resultate. Beson- ders nach Fixation in KLEINENBERG’scher Flüssigkeit erhielt ich hiermit eine äußerst intensive Färbung der Ausläufer der embryo- nalen Neurogliazellen (wenigstens in gewissen Entwicklungsstadien). Leider aber hat dieses Fixirmittel bei sehr jungen Embryonen den großen Nachtheil, dass es auf die Elemente des Centralnervensystems stark dissociirend wirkt und stellenweise derartige Verzerrungen hervorruft, dass ein Studium des Zusammenhanges der Zellen unter einander fast unmöglich gemacht wird. Meine meisten Untersuchungen sind daher an Präparaten ange- stellt, die in Sublimat-Kochsalz-Lösung fixirt und mit einem der oben angeführten Farbstoffe tingirt wurden. War hier die Färbung auch weniger intensiv, so gab doch die vorzügliche Fixation den Ausschlag für die fast ausschließliche Verwendung dieser Methode. Besondere Schwierigkeiten stellten sich mir bei der Wahl der geeignetsten Schnittebenen entgegen. Um durchaus klare und einwandfreie Bilder von den komplicirten Entwicklungs-Vorgiingen zu bekommen, war es natürlich nöthig, in einer Ebene zu schneiden, die der Richtung entsprach, in welcher sich der typische Aufbau der Differenzirungsprodukte vollzieht, oder mit anderen Worten, in einer “Ebene, die senkrecht steht auf den später sich entwickelnden Schichten des Kleinhirns. Man könnte eine solche Ebene vielleicht als »Ent- wieklungs-Ebene« bezeichnen. — Bei der nach allen Richtungen gekrimmten, in ihren Reliefverhältnissen sehr unregelmäßig gestal- teten, primitiven Kleinhirnlamelle, war die Wahl einer solchen Schnittebene einigermaßen schwierig. Erst nach sorgfältiger vorher- gegangener Ermittlung der morphologischen Entwicklung des Klein- hirns, was zunächst die Anfertigung zahlreicher Modelle erforderte, war es mir möglich, für die verschiedenen Entwicklungsstadien die den oben gestellten Anforderungen genügenden Schnittebenen zu bestimmen. — Ich glaube, dass die Vernachlässigung solcher Kau- telen noch häufig der Grund zu irreführenden Beobachtungen ist, und kann mit Sicherheit verschiedene falsche Angaben anderer Autoren auf diese Fehlerquelle zurückführen. — Allgemeines. Wohl kein Gehirn in der ganzen Reihe der Wirbelthiere hat o° bezüglich der Deutung seiner einzelnen Abschnitte von vergleichend- anatomischem Standpunkt aus so viel Schwierigkeiten gemacht, als 630 Alfred Schaper das der Knochenfische. Trotz zahlreicher Untersuchungen (GoTT- SCHE. J. MÜLLER, STIEDA, GEGENBAUR, MIKLUCHO - MAKLEY, Fritsch, BELLONCI .ete.) standen sich die widersprechendsten An- sichten lange Zeit hindurch einander gegenüber. Erst im Jahre 1882 gelang es RABL-RÜCKHARD (62) an der Hand erneuter, sorgfältigster Forschungen, durch kritische Sichtung der bestehenden Anschauungen, und besonders durch die Entdeckung des rudimentären Hirnman- tels (Pallium) theils die Resultate früherer Autoren (STIEDA) ent- gültig zu bestätigen, theils die noch bestehenden Lücken in unsern Kenntnissen über das Knochenfischgehirn auszufüllen. Seine Deutung hat in den wesentlichsten Punkten allgemeine Anerkennung gefunden, wenn gleich über einzelne Theile, wie beispielsweise über die Lobi inferiores, den Saccus vasculosus ete. noch heut zu Tage Differenzen bestehen [His (36), Herrick (26), Davrp (14)]. — Es liegt außerhalb der Grenzen dieser Arbeit, mich auf eine Beschreibung des ganzen Gehirns in vergleichend-anatomischem Sinne einzulassen. Ich muss mich damit begnügen, das Cerebellum einer näheren Besprechung zu unterziehen. — Srrepa (77 und 78) war der Erste, welcher auf Grund histologischer Untersuchungen, den lange Zeit als Vierhügelregion in Anspruch genommenen Hirntheil der Fische als Cerebellum erkannte. Spätere Forschungen haben die Ergebnisse STIEDA’sS durchaus bestätigt und ergänzt, und heute zweifelt Niemand mehr an der Homologie zwischen dem Kleinhirm der Fische und dem der höheren Wirbelthiere. Es ist bekannt, dass sich das Kleinhirn der Teleostier bei den meisten Arten durch seine mächtige Entfaltung auszeichnet, indem es entweder als warzen- oder zapfenförmiges Gebilde nach oben gerichtet hoch hinter dem Tectum opticum hervorragt, ja dieses bisweilen sogar nach vorn sich überneigend theilweise überlagert, oder nach Art einer Kappe dem stark entwickelten IV. Ventrikel dicht aufliegt. Charakteristisch für das Cerebellum der Fische ist seine sich weit nach vorn unter das Tectum opticum erstreckende Fortsetzung, welche Bildung schon lange bekannt und von STIEDA mit dem Namen Valvula cerebelli belegt ist. Die Oberfläche des Kleinhirns ist, so weit es Knochenfische angeht, glatt, — transversale Furchen fehlen bis auf einige Arten, wo sich eine leise Andeutung davon vorfinden soll, vollständig. Ob das Cerebellum der Fische dem ganzen Kleinhirn höherer Vertebraten oder nur dem Wurm desselben entspricht, darüber sind die Ansichten noch getheilt. Ich werde später darauf zurückkommen. — Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 631 Morphologische Entwicklung. In Bezug auf die erste Entwicklung des Centralnervensystems der Knochenfische kann ich mich kurz fassen. Zahlreiche Arbeiten liegen bereits darüber vor. Die bedeutendsten derselben sind die von KUPFFER (42), ÖELLACHER (59), CALBERLA (11), His (31 und 32), ZIEGLER (85), GOETTE (21) und GORONOWITSCH (22). Die früheste Anlage des Medullarrohrs (Taf. XIX, Fig. 22) ge- schieht, wie KUPFFER zuerst nachgewiesen hat, in Form eines soli- den Zellenstranges; jedoch nur scheinbar, indem die Unter- suchungen späterer Forscher zeigten, dass es sich bei diesem Vor- gange lediglich um die Bildung einer geschlossenen Falte handelt. Eine Modifikation des gewohnten Entwicklungstypus besteht nur darin, dass sich das Ektoderm nicht in toto an dieser Faltenbildung betheiligt, sondern die oberste Zellschicht desselben als sogenannte »Deekschicht« über den entstehenden Medullarstrang hinwegzieht. Nichtsdestoweniger zeigt diese primäre geschlossene Falte in ihrem oberen, der Deckschicht zugewandten Abschnitt, meist noch mehr oder weniger deutlich die Spuren des Einfaltungsprocesses in Form einer der Medullarrinne entsprechenden Furche (GORONO- WITSCH), die in späteren Stadien durch Vergrößerung ihrer Dimen- sionen in die Tiefe oder Breite wesentlich die weitere Entwicklung und Differenzirung des Medullarrohrs bedingt. Ein Vorgang, der durch die leistenartige Verdiekung der seitlich angrenzenden Theile des Ektoderms nachdrücklich unterstützt wird. Durch weitere Wucherung und dorso-mediane Konvergenz dieser seitlichen leistenförmigen Erhebungen des Ektoderms, die mit einer Verwachsung derselben in der Mittellinie abschließt, findet der Einfaltungsprocess der Medullarplatte sein Ende. Noch immer ist von einem eigentlichen Medullarrohr keine Rede (Taf. XIX, Fig. 23). Die Wände dieser Anlage liegen noch dicht an einander ; erst später lässt die allmähliche Dehiscenz derselben ein Centrallumen erscheinen (Taf. XIX, Fig. 24). — Auch bei den Kno- chenfischen findet sich die interessante Thatsache von der frühzeitigen Anlage der künftigen Abschnitte des Centralnervensystems bei noch offenem Zustande der Medullarplatte, wie sie fast für alle übrigen Wirbelthiere angegeben wird. — Ich selbst habe über diese frühesten Entwicklungsstadien keine eingehenden Untersuchungen gemacht, doch glaube ich nach Durch- musterung der mir zu Gebote stehenden Präparate die Angaben 632 Alfred Schaper. GORONOWITSCH's bestätigen zu können und verweise daher zur näheren Orientirung auf die vorzüglichen Abbildungen desselben (22). — Es ist bekannt, dass in der ersten Entwicklungsperiode die Abgrenzung der primären Himbläschen bei den Knochenfischen sehr wenig deutlich ist, was besonders durch die geringe Ausbildung des ersten Hirnbläschens bedingt wird. Dennoch vermag man am Forellen- embryo vom 23. Tage der Entwicklung die drei Gehirnabschnitte bereits zu erkennen; namentlich markirt sich deutlich die Gegend, wo der IV. Ventrikel zur Entwicklung kommt, durch eine rhombische Vertiefung (RABL-RÜCKHARD). Die nun einsetzenden morphologischen Veränderungen am Fischgehirn sind durch mehrere Forscher [Acassız (1), LEREBOUL- LeT (47), His (36), RABL-RÜCKHARD (62), GORONOWITSCH (23), Horr (38) und Herrick (25)] zum Theil bereits untersucht und beschrieben worden. Allein das Kleinhirn hat überall eine meist nur oberflächliche Berücksichtigung gefunden. Der Grund hierfür ist wohl in dem seiner Zeit sehr lebhaft geführten Streit über die Deutung der vorderen Hirnabschnitte zu suchen, der das Augenmerk vom Hinterhirn etwas abgelenkt zu haben scheint. — Die ausführ- lichste und beste Darstellung von der morphologischen Entwicklung des Teleostier-Kleinhirns (wenigstens in früheren Stadien) findet sich in der Arbeit von RABL-RÜCKHARD »Zur Deutung und Ent- wieklung des Gehirns der Knochenfische«, die gleichzeitig mit ausgezeichneten Abbildungen versehen ist, welche ich dem Fol- genden mehrfach zu Grunde legen werde. Dennoch sind auch diese Untersuchungen in vielfacher Beziehung zu ergänzen. Über manche wichtige Details hat uns auch RaAßL-RÜCKHARD im Unklaren gelassen. Besonders sind die späteren, zum Theil recht komplieirten Entwick- lungsvorgänge von ihm nur oberflächlich behandelt worden, indem dies außerhalb der Grenzen seiner Aufgabe lag. Auch die Unter- suchungen von Hour (38) haben die hier bestehenden Lücken bei Weitem nicht ausgefüllt, so dass eine nochmalige gründliche Bear- beitung dieses Gebietes mir wohl gerechtfertigt erschien. Zur Erreichung meines Zweckes habe ich sehr eingehende Stu- dien vorgenommen an Serien aller Entwicklungsstadien des Forellen- gehirns, sowohl an horizontalen und vertikalen Liingsschnitten, als auch an Querschnitten. _ Der Hauptfehler der meisten früheren Forscher bestand darin, dass dieselben den ganzen Entwicklungsgang des Kleinhirns ausschließlich von dorso-ventralen Median- schnitten ableiteten. Die einer solehen Untersuchungsmethode an- Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 633 haftenden Mängel und Fehler werden aus dem Folgenden zur Genüge hervorgehen. Zur besseren Orientirung und klareren Formvorstellung, sowie zur Anfertigung durchaus naturgetreuer, plastischer Zeichnungen fertigte ich außerdem nach der Born’schen Plattenmodellirmethode eine größere Anzahl von Wachsmodellen an, die mir außerordent- liche Dienste geleistet haben. Bei solchem Untersuchungsgange gelangte ich nun zu folgenden Resultaten: Die erste Andeutung der Kleinhirnanlage findet sich in einer Faltenbildung, die zwischen Mittel- und Hinter- hirn eine sich mehr und mehr markirende Begrenzung herbeiführt. Dieser Vorgang besteht darin, dass sich etwa am 30. Tage der Entwicklung (d. h. nach der Befruchtung) die seit- lichen Theile der Hirnwandung vor der bereits rhombisch erweiter- ten Rautengrube in transversaler Richtung einbuchten (Taf. XVIII Fig. 1, 2; Taf. XIX Fig. 25 Amf). Das sehr dünne, durch- scheinende Dach des IV. Ventrikels geht zu dieser Zeit noch ohne Begrenzung glatt in das des Mittelhirns über (Taf. XVIII Fig. 1,2 u. 3), was auch von GORONOWITSCH (23, pag. 456) festgestellt wurde. Mit der weiterhin zu beobachtenden Tiefenzunahme . dieser seitlichen Falten (Taf. XIX Fig. 26 kmf) geht nun gleich- zeitig ein Fortschreiten derselben nach oben über die dorsale Hirn- wand Hand in Hand (cf. RagL-RückHuArn [62, Taf. VI Fig. 1—4)), bis schließlich ihre Scheitel am 45. Tage in der Mittellinie sich vereinen (cf. RABL-RÜcKHARD [62, Taf. VI Fig. 5]). Der obere Theil dieser Einbuchtung präsentirt sich zunächst nur in Form einer seich- ten schmalen Furche (Taf. XVIII Fig. 6 und Taf. XIX Fig. 34 kmf). — Die hintere Begrenzung jener halbkreisförmigen mehr oder weniger senkrecht zur Längsachse des Gehirns gestellten transver- salen Falte, die ich als Kleinhirn-Mittelhirnfalte bezeichne, bildet nun die erste Anlage des Cerebellums (Taf. XVIII Fig. 4, 5 und Taf. XIX Fig. 25 und 26 cd). Ihr nach hinten um- geschlagener Rand geht direkt in die Seitentheile und das Dach der Rautengrube über. — Die Faltenbildung schreitet weiterhin von beiden Seiten her gegen das Innere der Hirnhöhle in dem Maße vor, dass die Kommunikation zwischen dem IV. Ventrikel und dem Mittelhirnbläschen auf einen schmalen Spalt redueirt wird, dessen man ansichtig werden kann, wenn man nach Entfernung der Decke der Rautengrube von hinten her in den IV. Ventrikel hineinschaut (Taf. XVIII Fig. 4). Beiderseits von diesem Spalt sieht man die nach hinten etwas vorgebauchten Kleinhirnanlagen Morpholog. Jahrbuch. 21. 41 634 Alfred Schaper (Taf. XVII Fig. 4 cd), welche oben durch eine nur dünne Lamelle zusammenhiingen und unten mit breiter Basis dem Boden des Ven- trikels aufsitzen, aus dem sie gleichsam herauszuwachsen scheinen. — Es ist unrichtig wenn Hour (38) sagt: »The thick cerebellar fold very soon, by the reduction of its central region takes on the appearence of bilaterally symmetrical elements united by a fine band of cells.« Denn, wie wir oben sahen, haben wir es in dieser dorsalen Ver- bindungsbriicke nicht mit einem regressiven Entwicklungsvorgang, sondern lediglich mit dem Effekt eines langsamer als in den seit- lichen Partien des Medullarrohrs fortschreitenden Faltungsprocesses zu thun. Zu obigem Vorgang gesellt sich außerdem noch eine stär- kere Ausbuchtung der seitlichen Theile der Rautengrube unmittelbar hinter den Kleinhirnfalten, wodurch letztere noch breiter erscheinen. — So gestalten sich die Verhältnisse bis etwa zum 46. Tage der Entwicklung, welchem Stadium die Abbildungen 4, 5 und 6 ent- nommen sind. In den nächsten 10 Tagen finden nur geringe Veränderungen statt, die neben einer allgemeinen Größenzunahme sich auf die Ver- tiefung der dorsalen Faltenbildung zwischen Hinter- und Mittelhirn (Taf. XVIII Fig. 9 und Taf. XIX Fig. 35) und auf eine Richtungs- veränderung der seitlichen Falten beschränken. Während letztere nämlich vorher (Taf. XVII Fig. 2 und 3 kmf) von vorn-oben nach hinten-unten verliefen, liegen sie jetzt in entgegengesetztem Sinne in einer Ebene, die von hinten-oben nach vorn und unten gerichtet ist (Taf. XVII Fig. 8 und 9 Amf). Obgleich diese Verschie- bung, die wahrscheinlich durch ein überwiegendes Wachsthum der dorsalen Partie des Mittelhirns bedingt ist, bei oberflächlicher Be- trachtung recht unwesentlich zu sein scheint, so gewinnt sie doch bei weiterer Verfolgung der entwicklungsmechanischen Vorgänge eine große Bedeutung, indem durch sie die primäre Kleinhirnanlage mehr und mehr in schräger Rich- tung über den vorderen Theil der Rautengrube zu liegen kommt. Hierdurch wurden viele Forscher (besonders durch Studien an Querschnitten) verleitet, das Cerebellum als ausschließliches Deckengebilde der Rautengrube in Anspruch zu nehmen. Dieser jetzigen Richtung der Kleinhirn-Mittelhirmfalte folgt die sich immer mehr vertiefende dorsale Einfaltung von vorn herein, indem sie nicht von oben nach unten in transversaler Richtung sich einstülpt, sondern schräg nach vorn unter das darüber liegende Tectum opti- cum in den Binnenraum des Mittelhirns hineinwächst. Solchem Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 635 Verhalten der Dorsalfalte verdankt besonders die Valvula cerebelli ihre Entstehung. Ein Blick auf Taf. XVIII Fig. 9, die einen Median- schnitt durch die hintere Gehirnpartie einer Forelle von 57 Tagen darstellt, veranschaulicht diese Verhiiltnisse am besten. — Die fol- gende Entwicklungsperiode fördert sehr eingreifende Veränderungen zu Tage. Die Kleinhirn-Mittelhirnfalte nimmt bereits eine stark von vorn-unten nach hinten-oben geneigte Richtung ein, so dass die Kleinhirnanlage fast vollständig unter das sich weit nach hinten wölbende Tectum opticum zu liegen kommt. In einem vorgeschrit- tenerem Stadium sieht man von der Seite (Taf. XVIII Fig. 11 kmf) die Falte nach kurzem, mehr oder weniger vertikalem Verlauf von unten her aufsteigend plötzlich mit scharfer Biegung nach hinten zu abweichen, um dann mit leicht ~formiger Krümmung in ihre dorsale Partie überzugehen. Letztere erscheint in Folge dessen von hinten gesehen (Taf. XVIII Fig. 10 4mf) im Vergleich mit früheren Stadien (Taf. XVIII Fig. 4 und 7 Amf) in ihrem Verlauf stark abgeflacht und seitlich verbreitert. Durch diese Verschiebung kommt also jetzt die Kleinhirnlamelle über den IV. Ventrikel zu liegen, den sie in großer Ausdehnung von vorn her bedeckt. Eine Betrachtung dieser Verhält- - nisse auf Medianschnitten (Taf. XVIII Fig. 12 und Taf. XIX Fig. 36 und 37) giebt eine noch deutlichere Veranschaulichung hiervon. — Gleichzeitig sieht man, dass die Rautengrube unterhalb des Kleinhirns sich einzubuchten beginnt, welcher Vertiefung an der unteren Fläche des Medullarrohrs eine geringe Vorwölbung entspricht (Taf. XVIII Fig. 12 und Taf. XIX Fig. 36 und 37). Die hieraus resultirende leichte Knickung im vorderen Abschnitt des Rautengrubenbodens ist homolog jener Bildung des Medullarrohrs höherer Vertebraten, die man als Brückenbeuge bezeichnet. Die bedeutungsvollste Veränderung dieser Periode bekundet sich jedoch durch ein rapides Dickenwachsthum jener Theile der Klein- hirnlamelle, welche den ursprünglichen hinteren Schenkeln der seit- lichen Kleinhirn-Mittelhirnfalten (Taf. XVII Fig. 4, 5, 7 und 8 ed) entsprechen. Dieses Wachsthum veranlasst zunächst eine Vorwölbung jener Theile nach hinten in den IV. Ventrikel hinein, wie schon oben hervorgehoben wurde. Während nun die Kleinhirnlamelle sich allmählich nach hinten zu über die Rautengrube neigt, nimmt dieses Diekenwachsthum stetig zu, so dass schließlich auf dem Stadium, wie Taf. XVII Fig. 10, 12 und Taf. XIX Fig. 28 und 29 es zeigen, zu beiden Seiten der Mittellinie je ein mächtiger Wulst (Zw) von oben her in den Ventrikel hineinragt. Es ist nun sehr 41* 636 Alfred Schaper bemerkenswerth, dass sowohl der mittlere dorsale Abschnitt (dp) der Kleinhirnplatte, als auch die seitlichen Partien am Ubergang der- selben in den Boden der Rautengrube an diesen Wachsthumsvorgängen keinen Antheil nehmen. Dieselben bleiben bezüglich ihrer Dicke stets weit hinter den übrigen Abschnitten des Cerebellums zurück, und zwar relativ um so mehr, je weiter die Gesammtentwicklung vorwärts schreitet. Allerdings bildet der mittlere dorsale Abschnitt seinerseits gleichfalls eine leistenförmige Erhebung (Taf. XIX Fig. 28 dp) die leicht vorspringend in sagittaler Richtung verläuft. Dieselbe wird jedoch von den seitlichen Wülsten weit überragt, so dass immer- hin zwischen den beiden letzteren eine tiefe, sich nach vorn und unten zu allmählich erweiternde Furche (Taf. XIX Fig. 27 und 28 mf) befindet, die, wie wir später sehen werden, einen wesentlichen An- theil an der Bildung des »Canalis cerebelli« nimmt. Ich nenne sie Medianfurche. — Die seitlichen Partien (77) der Rautengrube werden durch die nach unten vordringenden Wülste bis auf einen schmalen Spalt mehr und mehr von dem übrigen Ventrikelraum abgeschlossen und stellen solchergestalt taschenförmige Gebilde dar, die auch in der Entwick- lungsgeschichte des Kleinhirns höherer Vertebraten unter dem Namen »Recessus laterales« bereits bekannt sind. i Der hintere, die Rautengrube in halbkreisförmigem, nach oben leicht ausgebuchtetem Bogen überbrückende Rand der Kleinhirnarlage geht unter allmählicher Verdünnung in die Decklamelle des IV. Ven- trikels über. Es lässt sich nun bereits auf einem Stadium, dem die Abbildungen 10, 11, 12 und 37 entnommen sind, die Beobachtung machen, dass die Kleinhirnplatte, zunächst in ihrem dorsalen Ab- schnitt, nicht ohne Weiteres flach in die Ventrikeldecke ausläuft, sondern kurz vorher fast rechtwinklig sich nach unten krümmt, um dann erst nach abermaliger Abbiegung nach hinten in die Decklamelle überzugehen. Dieser, sowie die Mehrzahl der so eben beschriebenen Vorgänge lassen sich am besten auf Sagittalschnitten wahrnehmen (Taf. XVIII Fig. 12 und Taf. XIX Fig. 37). Wir sehen zunächst bei emp die erwähnte Faltenbildung des hinteren Randes der Kleinhirnlamelle, die für die weitere Entwicklung des Cerebellums von besonderer Bedeutung ist. Die untere Partie dieser Falte, die mit allmählicher Zuspitzung in die Decke des IV. Ventrikels ausläuft, stellt das Velum medullare posterius dar. — Wir sehen ferner wie in der Mittellinie die Kleinhirnplatte in ziemlich gleichmäßiger Dicke mit leicht »förmiger Krümmung nach abwärts steigend sich Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 637 weit nach vorn unter das Dach des Mittelhirns erstreckt, um hier plötzlich nach hinten umbiegend unter zunehmender Verdünnung in die hintere Wand des Tectum opticum überzugehen. Die Umschlag- stelle dieses in den Hohlraum des Mittelhirns hineinragenden falten- artigen Vorsprungs (vcd) ist die Anlage des von Srıepa als Val- vula cerebelli bezeichneten Kleinhirnabschnittes. Sie ist eine für die Fische specifische Bildung, die allerdings bei den einzelnen Arten wieder manchen Umformungen unterworfen ist. — Unter der Valvula hindurch kommunieirt die Rautengrube mit dem III. Ventrikel. Dieser Raum, der auch durch die seitlich in denselben vorspringenden Kleinhirnfalten bereits zu dieser Zeit in einen dreieckigen Kanal umgeformt erscheint, entspricht dem hinteren Abschnitt des Aquae- ductus Sylvii der höheren Vertebraten. — Nur die untere, dem Aquaeductus zugekehrte Platte der Valvulafalte gehört jedoch in An- betracht ihrer histologischen Struktur dem Cerebellum an. Die obere, stets dünnere Lamelle ist gänzlich dem Tectum opticum zuzurechnen, oder in ihren vorderen Abschnitten als Velum medullare anterius aufzufassen. Weiter seitlich oder richtiger im Sinne unseres Längs- schnittes (Taf. XVIII Fig. 12) gesprochen mehr in der Tiefe, sehen wir den einen der schon oben in der Rückansicht beschriebenen lateralen Wülste (Ze), von der Kleinhirnlamelle tief in die nach unten ausge- buchtete Rautengrube herabragen. Recht deutlich kommt hier zur Anschauung, wie dieser Wulst nach vorn zu allmählich sich ver- jiingend abwärts in die vordere seitliche Begrenzung der Rautengrube übergeht und hierdurch mit der Hirnbasis in Verbindung tritt. Dieses Verbindungsstück entspricht aber dem vorderen Schenkel der ursprüng- lichen lateralen Kleinhirn-Mittelhirnfalte (Taf. XVIII Fig. 5 und 8 ed). Da dieses Verbindungsstück nun weiterhin durch seine Beziehungen als die Anlage der Pedunculi cerebelli zu betrachten ist, so geht daraus hervor, dass letztere das Primitivste in der Entwick- lung des Cerebellums sind, oder, dass mit anderen Worten das Kleinhirn aus dem Hirnboden in der seitlichen vor- deren Begrenzung der Rautengrube gleichsam heraus- wächst und so von vorn herein mit der Basis des Gehirns in innigster Beziehung steht. Selbstverständlich ist der Aus- druck »Herauswachsen« nur im bildlichen Sinne aufzufassen, der den äußeren morphologischen Entwicklungsvorgiingen wohl am besten entspricht, mit dem eigentlichen Entwicklungsprincip jedoch nichts zu thun hat. In Wirklichkeit handelt es sich natürlich um ein pro- gressives, auf lebhafter Zellvermehrung begründetes Diekenwachsthum 638 Alfred. Schaper des hinteren Schenkels der lateralen Kleinhirn-Mittelhirnfalte, welches am Übergang der schon frühzeitig mächtig entwickelten Hirnbasis in die seitlichen Theile des Medullarrohrs beginnend, allmählich nach der Dorsomedianlinie zu fortschreitet. Ich wende mich mit diesem auf sehr eingehenden Beobachtungen basirten Ergebnis besonders gegen die bisher geläufige Auffassung von der Entwicklung des Cerebellums. Abgesehen von der im All- gemeinen sehr dürftigen Darstellungsweise dieses Kapitels der Ent- wicklungsgeschichte finden wir in den meisten Lehrbüchern die Angabe, dass das Kleinhirn aus einer Verdiekung der Decke des IV. Ventrikels hervorgehe. So schreibt unter Anderen O. HERTwIG noch in der letzten Auflage seines Lehrbuches der Entwick- lungsgeschichte des Menschen und der Wirbelthiere bei Besprechnng der Umwandlung des vierten Hirnbläschens Folgendes: »Das vierte Hirnbläschen erfährt eine erhebliche Verdickung in allen seinen Wandtheilen .... Aus den Seitenwandungen entstehen die Pedunculi cerebelli ad pontem. Namentlich aber wuchert die Decke in ganz außerordentlichem Maße und verleiht dem Kleinhirn sein eigentliches Gepräge. Zuerst erscheint sie als dicker, quer gelagerter Wulst, der nach hinten die verdünnte Decke des verlängerten Marks überlagert.« — Bei KöL- LIKER (39, pag. 537) lesen wir: »Das Cerebellum entwickelt sich als eine Verdickung der Decke der vordersten Theile des Hinterhirns, welche bald die Gestalt einer querstehenden Platte und in der Seitenansicht die einer Umknickung des Hinter- hirns annimmt, während Längs- und Frontalschnitte darthun, dass das Organ zwar keine Spur einer Höhlung besitzt, wohl aber an der vorderen Seite in eigenthümlicher Weise eingebogen ist. — Sagit- talschnitte zeigen mehr oder weniger deutlich eine mittlere seichte Querfurche und Frontalschnitte lehren, dass das Cerebellum an der unteren Fläche eine tiefe Längsfurche und außerdem noch je eine seitliche Längsfurche besitzt, so dass somit diese Fläche 4 Längs- wülste zeigt, von denen die seitlichen stärker sind.« — MIHALKO- VICS (53, pag. 53) endlich sagt: »Nach der Einstellung der Kopfbeuge bildete die Hinterhirndecke eine bogenförmig über die Höhle des Hinterhirns ausgespannte Lamelle, welehe rechts und links direkt in den Bodentheil des Hinterhirns umbiegt, oder durch eine Einschnü- rung von der Mittelhirndecke geschieden ist und unten verdünnt in die Deckplatte des IV. Ventrikels übergeht. Von rückwärts betrachtet scheint sie durch die spitze Einkeilung der Deckplatte gleichsam aus Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 639 zwei paarigen Seitenhälften zu bestehen. Diese Platte kann man Kleinhirnlamelle nennen, weil sie die Anlage des Cerebellums ist.« — Wir erfahren hieraus, dass die angeführten Autoren bei der Entwicklung des Kleinhirns das Wesentliche in einer Verdiekung der Decke des vordersten Theiles des Hinterhirns sehen, obgleich von KÖLLIKER sowohl, wie von MıHALKovics die lateralen Wülste beobachtet und beschrieben sind. — Nur ältere Autoren, wie FrA- CASSATI, TIEDEMANN, MECKEL, VON BAER, VALENTIN, SCHMIDT und zuletzt noch KoLLMANN (41) waren der Ansicht, dass (beim Men- schen und höheren Vertebraten) das Kleinhirn aus zwei paarigen Anlagen entstehe. Sie meinten nämlich, dass das Nachhirn über der Rautengrube offen wäre und von den Seitentheilen des Hinter- hirns die Kleinhirnschenkel als zwei flügelartige Fortsätze in die Höhe wachsen, welche dann oben in der Medianlinie verschmelzend zur Kleinhirnanlage werden. Es muss hierzu bemerkt werden, dass jene Forscher in so fern das Opfer eines Irrthums waren, als später nachgewiesen wurde, dass in normalem Zustand die Rautengrube niemals oben geöffnet ist, die beiden Seitentheile der Kleinhirnanlage also stets in der Mitte mit einander in Verbindung stehen. — Meiner Meinung nach berechtigt nun diese Thatsache noch keineswegs zu der Behauptung, dass die Anlage des Kleinhirns nicht eine bilateral-symmetrische sei; zumal wenn wir vergleichend-ana- tomische Gesichtspunkte in Betracht ziehen, in so fern nämlich, als u. A. bei Fischen, wie wir später sehen werden, das dorsale Verbindungsstück zwischen den beiden Seitenwülsten, also die eigentliche ursprüngliche Decke des Hinterhirns (abgesehen von dem Abschnitt, der zur Valvula cerebelli wird), sich niemals zu typi- scher Kleinhirnsubstanz entwickelt. Spricht man lediglich von einer Verdickung der Decke des IV. Ventrikels als der Anlage des Cerebellums, so insolvirt dieser Ausdruck selbstverständlich die Annahme einer unpaaren Entwick- lung desselben und wird auch zweifellos von den Meisten, die sich nicht eingehender mit der Untersuchung dieses Organs befasst haben, in ähnlichem Sinne aufgefasst worden sein; wenigstens haben sämmt- liche Fachgenossen, die ich daraufhin interpellirte, von objectivem Standpunkt aus eine solche Anschauung zu Tage gelegt. Auch ich habe bisher aus obigen Gründen eine vollständig falsche Vorstellung von diesen Vorgängen gehabt, bis mich jetzt meine Untersuchungen belehrt haben, dass es sich bei den Fischen wenigstens in der Uranlage des Kleinhirns weder um eine Verdickung 640 ‚Alfred Schaper der Hinterhirndecke (speciell des der Dorsomedianlinie benachbarten Abschnitts), geschweige denn um eine un- paare Anlage desselben handelt. In dieser Auffassung wurde ich bestärkt durch eine Angabe von GORONOWITSCH (23, pag. 441), der sich ebenfalls bei Salmoniden und außerdem bei Amia für eine bilaterale Kleinhirnanlage ausgesprochen hat. — Nach meinen oben dargelegten Beobachtungsresultaten möchte ich den Entwicklungsmodus des Teleostier-Kleinhirns etwa folgendermaßen formuliren: Die erste Anlage des Kleinhirns wird durch zweierlei Momente bedingt; einmal durch einen ausgeprägten Einfaltungs- process des Gehirnrohrs an der Grenze zwischen Mittel- und Hinterhirnbläschen und zweitens durch ein zunehmendes Dieken- wachsthum des Abschnittes jener so entstandenen Falte, der zum Mutterboden des zukünftigen Cerebellums bestimmt ist. Die Ein- faltung beginnt in den Seitentheilen des Medullarrohrs und geschielıt in transversaler Richtung. Sie schreitet nur allmählich dorsalwärts gegen die Mittellinie vor und ist hier kaum angedeutet, wenn sie zu beiden Seiten bereits tief in das Lumen des Gehirnrohrs hinein- ragende Vorsprünge gebildet hat, vermittels welcher sie die Rauten- erube scharf gegen die übrigen Hirntheile absetzt. Die hinteren Schenkel dieser bilateral-symmetrischen Falten, welche dem IV. Ventrikel zugekehrt sind und die vordere laterale Wand desselben vorstellen, bilden nun die Grundlage für die Entstehung des Kleinhirns, welche sich bald durch ein von unten nach oben zunehmendes Dickenwachsthum manifestirt. Diese Wülste präsentiren sich von hinten gesehen als zwei breite vom Boden des IV. Ventrikels zu beiden Seiten des Sulcus centralis — aufsteigende Pfeiler, die sich nach oben zu gewölbeartig zusammen- neigen und in der Mittellinie durch eine nur schmale Substanzbrücke verbunden sind. Sie umfassen solchergestalt einen engen seitlich ausgebuchteten Spalt, der die hintere Öffnung des Aquaeductus Sylvii darstellt. — Erst jetzt beginnt auch die Decke des IV. Ven- trikels sich an diesem Einfaltungsprocess lebhafter zu betheiligen. Nun ist aber wesentlich, dass die der Mittellinie benachbarten Theile dieses Abschnittes in ihrem Diekenwachsthum stets beträchtlich hinter den seitlichen Partien des Kleinhirns zurückbleiben und letztere allein die Hauptmasse zum Aufbau des späteren Organs liefern. — Auf Grund dieser Thatsachen glaube ich, das Klein- hirn der Teleostier auf eine bilateral-symmetrische An- lage zurückführen zu müssen. Eine Anlage, die vom Boden Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 641 und den Seitenwänden des IV. Ventrikels ihren Ursprung nehmend, erst in zweiter Linie die Decke des Ventrikels in sich hineinbezieht und so auf späteren Stadien der Entwicklung eine mediane Enstehungs- weise des Organs vortäuschen kann. In wie weit dieser Entwicklungsmodus des Kleinhirns auch für den Menschen und die höheren Wirbelthierklassen Geltung behält, darüber zu entscheiden fehlen mir heute noch die nöthigen Belege. — Es sind gerade die primitivsten Entwicklungsvorgiinge von den früheren Autoren recht dürftig behandelt worden. Erst den klassischen embryologischen Untersuchungen von Hıs (34, 35 und 36) verdanken wir detaillirtere Kenntnisse darüber. Hıs spricht sich nun in der That schon anders über die Entwicklung des Kleinhirns aus als die früheren Autoren, und zwar in einer Weise, die meiner Darstellung sehr nahe kommt. Es nimmt mich daher Wunder, dass in den Lehrbüchern noch immer so mangel- hafte und theilweise falsche Angaben über diesen Gegenstand sich finden. Hıs sagt nämlich in seinem Aufsatze »Zur allgemeinen Mor- phologie des Gehirns« wörtlich Folgendes: »Die Grundplatten des Hinterhirns bilden den Boden des IV. Ventrikels, das Kleinhirn geht aus den Flügelplatten hervor. Seine Hemisphären ent- stehen bei höheren Wirbelthieren aus der medullarwärts vom Knie liegenden Strecke derselben, der Wurm aus der darüber liegenden. Jene untere, schräg oder quer gelegte Strecke will ich als Seitentheile, diese als Mittelstück bezeichnen. Die Seitentheile sind beim mensch- lichen Embryo verhältnismäßig lang und kräftig angelegt und indem sie unter scharfem Winkel in das Mittelstück umbiegen, fassen sie es im Verlauf der weiteren Entwicklung zwischen sich. Bei Vögeln und bei Reptilien bleiben die Seitentheile in ihrer relativen Entwick- lung zurück. Der Wurm wird nunmehr zur Hauptmasse des Klein- hirns, die Hemisphären erscheinen nur als seitliche Anhänger des- selben. Bei Amphibien dagegen und bei Cyelostomen redueirt sich das Mittelstück des Hinterhirns auf einen schmalen Streifen, wogegen es bei Knochenfischen und Selachiern eine sehr bedeutende Entwick- lung (gemeint ist die Valvula cerebelli) gewinnt.« — Das Wesentliche in dieser Darstellung ist der Umstand, dass Hıs nirgends von einer Verdiekung der Decke des IV. Ventrikels als der ersten Anlage des Kleinhirns spricht, sondern die Flügelplatten des Hinterhirns als solche bezeichnet. Wenn auch die Flügelplatten des Hinterhirns bei den Knochenfischen sich gegen die Grundplatten nicht in dem Maße differenziren wie bei den höheren Vertebraten, so nehme ich doch keinen Anstand, die seitliche Begrenzung der 642 Alfred Schaper primitiven Rautengrube bei ersteren, aus deren transversaler Ein- faltung das Kleinhirn der Teleostier, wie wir oben gesehen. hervor- geht, denselben gleichzusetzen. Wenn somit also die Identität sowohl des Ortes als der Form in der frühesten Anlage des Klein- hirns bei Fischen und höheren Vertebraten dargethan ist, so sind wir weiterhin genöthigt, auch bei letzteren von einer bilateral- symmetrischen Entwicklung des Cerebellums zu sprechen, zumal mir aufgefallen ist, dass einige der Hıs’schen Modelle von der Ent- wicklung des menschlichen Gehirns in Bezug auf das Cerebellum eine überraschende Ähnlichkeit mit den von mir angefertigten Mo- dellen der Forelle zeigen. Es wäre interessant, wenn entsprechende Untersuchungen an Reptilien und Amphibien zu gleichen Resultaten führten und damit die bilateral-symmetrische Anlage des Kleinhirns als ein für alle Wirbelthierklassen gültiges Entwicklungsprincip fest- gestellt würde. — Wir haben das Kleinhirn auf einem Entwicklungsstadium (79 Tage nach der Befruchtung) verlassen, wo von der definitiven Gestaltung desselben noch kaum eine Spur zu erkennen war. In der folgenden Periode setzen nun Vorgänge ein, die zum Theil recht komplieirt sind und für die weitere Formentwicklung unseres Organs ein beson- deres Interesse beanspruchen. Fassen wir zunächst die in Entstehung begriffenen, am hinteren Rand der Kleinhirnlamelle sich nach unten krümmende Falte (Taf. XVIII Fig. 12 und Taf. XIX Fig. 36*) ins Auge, so können wir in der Folge beobachten, wie sich dieselbe einmal lateralwärts nach beiden Seiten hin ausbreitet und ferner (und das ist das Bedeutungsvollste) immer mehr und mehr nach unten herabsteigt (Taf. XVII Fig. 13, 14, 15; Taf. XIX Fig. 36 und 37*). Dieser Vorgang hat zur Folge, dass die bisher nach Entfernung der Ventrikeldecke frei zu Tage liegen- den lateralen Kleinhirnwülste sammt der zwischenliegenden dorsalen Lingsfurche von hinten her dem Blick entzogen werden (Taf. XVIII Fig. 13) und sich nunmehr im Innern eines Hohlraums befinden, den ich als »Cavum cerebelli primitivum« (Taf. XVIII Fig. 15 cep) bezeichnen möchte. — Vom unteren Rand dieser nach Art eines Vorhanges herabgelas- senen Falte setzt sich unter mehr oder weniger spitzem Winkel ab- biegend das dünne Ventrikeldach nach hinten fort (Taf. XVIII Fig. 15; Taf. XIX Fig. 36 und 37 emp). Das Kleinhirn präsentirt sich jetzt als ein kappenförmiges Organ, das nach hinten unter dem Tectum opticum hervorsteigend, den IV. Ventrikel zum Theil überlagert Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 643 (Taf. XVIII Fig. 14 und Taf. XIX Fig. 37). Seitlich geht dasselbe in zwei stark vorspringende Ausbuchtungen (Taf. XVIII Fig. 13 und 14 pe) über, die gewöhnlich als Peduneuli eerebelli bezeichnet werden. Es ist dies in so fern nicht ganz richtig, als nur der vordere, dem Tectum opticum zugewandte Abschnitt dieser Wülste den Kleinhirn- schenkeln entspricht, während der hintere Theil den schon vorher erwähnten Recessus lateralis (r/) in sich birgt: Verhältnisse, die an einem median durchschnittenen Gehirn (Taf. XVIII Fig. 15) oder besser noch auf transversalen Schnitten durch die entsprechenden Gegenden (vergleiche Taf. XX Fig. 40, 41 und 42 mit einander) mit größter Deutlichkeit hervortreten. Wenden wir uns zur Betrachtung des Inneren der primitiven Kleinhirnhöhle in ihrem jetzigen Zustand (Taf. XVII Fig. 15; Taf. XIX Fig. 29 und 36), so können wir wesentliche Veränderungen ihrer Wandtheile nicht konstatiren. Von der Decke hängen nach wie vor die mächtigen lateralen Kleinhirnwülste (/) herab, die allerdings an Ausdehnung zugenommen haben, so dass sie unten fast den Boden der Rautengrube berühren und einen seitlichen Einblick in die Re- cessus laterales nicht mehr gestatten. In der Mitte zwischen beiden verläuft wie früher die breite mediane Längsfurche (mf). Die Klein- hirnlamelle zieht über sie noch in gleicher Dünne hinweg (Deck- platte). Bemerkenswerth ist jedoch, dass die lateralen Wülste in Folge des Wachsthums nach unten und der Volumenzunahme mit ihren medianwärts gerichteten Flächen jetzt steiler gegen die Mittelfurche abfallen, ja dass die unteren Partien derselben sogar eine starke Tendenz zeigen, sich gegen die Mittellinie in einen buckelartigen Vorsprung auszubauchen (Taf. XIX Fig. 30 Zw). Nach vorn sehen wir die Medianfurche sich allmählich verbreiternd auf die untere Fläche der Valvula cerebelli auslaufen (vergleiche die Abbildungen 31, 32, 33 des folgenden Stadiums unter einander), während sie nach hinten zu unter scharfem Winkel auf die nach unten herabtretende Falte der Kleinhirnlamelle übergehend, sich seitlich in einem schmalen spaltförmigen Raum verbreitert, der zwischen jener Falte und den Kleinhirnwülsten offen geblieben ist (Taf. XVIII Fig. 15 und Taf. XIX Fig. 32). Von diesem Stadium bis zum Ausschlüpfen der jungen Forelle aus dem Ei, was gewöhnlich um den 100. Tag nach der Befruchtung erfolgt, sind die Veränderungen der äußeren Formen des Kleinhirns und seiner Beziehungen zu den Nachbarorganen nur sehr gering- fügig, wie ein Vergleich der Abbildungen 13, 14, 15 mit 16, 17, 18 644 Alfred Schaper lehrt. Abgesehen von einer allgemeinen Volumzunahme finden wir das kappenférmige Mittelstiick der Gesammtanlage jetzt deutlicher gegen die ausgebauchten Seitentheile abgesetzt und sich solcher- gestalt schon mehr als vorher als die eigentliche Kleinhirnanlage dokumentirend. In der Folge werde ich daher nur noch dieses Mittelstück als Kleinhirn bezeichnen, die Seitentheile hin- gegen Pedunculi cerebelli nennen, allerdings mit der oben an- geführten Beschränkung. Von der Seite betrachtet (Taf. XVIII Fig. 17) sehen wir bei einer Forelle vom 100. Tage das Kleinhirn jetzt steiler denn zuvor hinter dem Tectum opticum emporsteigen und mit seinem Gipfel die Höhe des letzteren fast erreichen. Der vertikale sowohl wie der horizontale Durchmesser sind vergrößert. Die Spitze der Kappe ragt weiter über die Rautengrube nach hinten. Wesentlicher sind die während dieser Entwicklungsperiode im Inneren sich abspielenden Vorgänge, die sich am besten an einem sagittal durchschnittenen Gehirn studiren lassen (Taf. XVIII Fig. 18). Man sieht zunächst durch eine scharfe Knickung (Taf. XVIII Fig. 18 und Taf. XIX Fig. 38) der Mittelhirn-Kleinhirnfalte die Valvula cere- belli gegen das eigentliche Kleinhirn abgesetzt. Sie ragt in mehr oder weniger horizontaler Richtung in den Hohlraum des Mittelhirns hinein. Während die vordere Wand des Kleinhirns fast senkrecht in die Höhe steigt, begiebt sich die hintere, das Cavum cerebelli be- srenzende Wand in rückwärts konvexem Bogen nach abwärts und nähert sich mit ihrem unteren Rande, wo sie nach hinten in das Velum medullare posterius umbiegt, wieder der vorderen Wand, so dass durch diesen Vorsprung (*) der untere Zugang zu dem Cavum cerebelli verengt erscheint. Die Kleinhirnhöhle selbst ist durch das fortschreitende Wachsthum der Seitenwülste, die sich in der Mittel- linie fast bis zur gegenseitigen Berührung (Taf. XVIII Fig. 30 mf) einander genähert haben, auf einen engen sagittal gestellten Spalt- raum redueirt worden, welcher sich allseitig nach der Peripherie zu allmählich erweiternd hier in der Medianfurche seinen Abschluss findet (Taf. XIX Fig. 32 mf). Letztere ist in ihrem vorderen Abschnitt durch die seitlich vordringenden Wülste bereits stark eingeengt, während sie hinten sich beiderseits noch in eine schmale, senkrecht auf der Sagittalebene stehende Spalte fortsetzt. Die Valvula bleibt von diesen Veränderungen im Bereich des Kleinhirns unberührt. Sie liegt jetzt außerhalb des sich mehr und mehr zu einem selbständigen massiv umwandelnden Cerebellums und sinkt dadurch in ihrer morphologischen Bedeutung zu einem Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 645 Gebilde herab, das lediglich der Verbindung des Kleinhirns mit dem Mittelhirn, insonderheit dem Tectum opticum dient. Somit wiire also die Valvula dem Velum medullare anterius der höheren Vertebraten gleichzusetzen, wenn nicht, wie wir spiiter sehen werden, die histo- logische Struktur dieses Organs, die der der Kleinhirnrinde völlig gleicht, uns nöthigte, derselben eine höhere Bedeutung zuzuschreiben, als sie einem Marksegel von mehr oder weniger epithelialer Natur zukommen kann. Diesen Entwicklungsgrad hat das Kleinhirn zur Zeit des Aus- schlüpfens der jungen Forelle erreicht. Man kann sagen, dass die Kon- struktionsprineipien für den Aufbau unseres Organs während der Ent- wicklungsperiode im Ei bereits sämmtlich zur Anwendung gekommen sind. So eingreifend als die nachfolgenden Veränderungen auch noch scheinen mögen, so sind sie doch nicht mehr prineipieller Natur, sondern beschränken sich auf eine allgemeine Volumzunahme und die Modellirung der definitiven äußeren Formen. Wir können daher zur weiteren Verfolgung der Entwicklungsvorgänge, ohne uns eines Beobachtungsfehlers schuldig zu machen, auf ein 3 Monate älteres Stadium übergehen, wo wir das Kleinhirn bereits in seiner definitiven Form antreffen (Taf. XVII Fig. 19, 20, 21; Taf. XIX Fig. 39 und Taf. XX, Fig. 40, 41, 42 und 43). Wir haben das Cerebellum jetzt als ein ansehnliches kappen- förmiges Gebilde vor uns, das hinter dem Tectum optium empor- steigend den IV. Ventrikel in seiner ganzen Ausdehnung überlagert (Taf. XVIII Fig. 20). Die untere Fläche dieser Kappe. sieht jedoch nicht frei in die Rautengrube hinein, sondern ist von ihr durch die epitheliale Decke derselben getrennt (Taf. XIX Fig. 39). Letztere geht von der Firste der seitlichen Begrenzungswälle des IV. Ventri- trikels ihren Ursprung nehmend (Taf. XX Fig. 43) nach vorn zu in den unteren Umschlagrand des Kleinhirns (Taf. XVIII Fig. 21, Taf. XIX Fig. 39) und der hinteren freien Kante der Peduneuli cerbelli (Taf. XVIII Fig. 20) über. Die Kleinhirnschenkel sind jetzt stärker von der Masse des eigentlichen Cerebellums differenzirt als vordem. Sie treten als zwei wohl individualisirte Gebilde in seitlich stark konvexem Bogen vom vorderen Abschnitt des Kleinhirns nach unten zum Gehirnstamm herab und bilden solehergestalt über der hier sich am meisten erweiternden Rautengrube ein flaches, seitlich vorspringen- des Gewölbe (Taf. XVIII Fig. 19, 20; Taf. XX Fig. 40, 41 pe). Auch jetzt noch enthalten die Kleinhirnschenkel in ihrem hinteren unteren Ab- schnitt, dort wo sie in die Seitenwand der Rautengrube übergehen, 646 Alfred Schaper jene oben beschriebenen Recessus laterales, wie ein Querschnitt durch die entsprechende Gegend (Taf. XX Fig. 42 r7) deutlich er- kennen lässt. Diese Seitentaschen erhalten sich in Spuren auch noch in höherem Alter, obgleich mit zunehmender Entwicklung der in dem Pedunculi verlaufenden Leitungsbahnen dieselben mehr und mehr zu vollständig massiven Gebilden sich umwandeln. Von besonderem Interesse ist die in dieser Entwicklungsperiode vor sich gebende Bildung des Canalis cerebelli, welche, so weit mir bekannt, in vergleichend-anatomischer Hinsicht bis jetzt einzig in ihrer Art dasteht. Der Vorgang, welcher sich am übersichtlichsten an genau durch die Medianebene des Gehirns gelegten Schnitten (Taf. XVIII Fig. 18, 21, Taf. XIX Fig. 38 u. 39) studiren lässt, ist nun folgender: Wir sahen bereits im vorigen Entwicklungsstadium (Taf. XVIII Fig. 18, Taf. XIX Fig. 30 u. 32) wie die schnellwachsenden lateralen Kleinhirnwülste (Zw) das Cavum cerebelli mehr und mehr ausfüllten und sich von beiden Seiten her der Mittellinie fast bis zu gegenseitiger Berührung näherten. Wir sahen ferner, wie der zwischen beiden Wülsten befindliche, sagittal gestellte schmale Spaltraum peripher- wärts sich allmählich erweiternd in die dicht unter der Oberfläche des Kleinhirns verlaufende Medianfurche überging, resp. in letzterer seinen peripheren Abschluss fand. Nur nach unten öffnet sich dieser mediane Spalt frei gegen den Ventrikelraum. — In der Folge nun legen sich die medialwärts gerichteten Flächen der Seitenwülste dieht an einander, um weiterhin vollständig zu verwachsen (Taf. XIX Fig. 30 u. 33*). Nur der unmittel- bar unter der Deckplatte gelegene Raum der allseitig stark eingeengten Medianfurche bleibt bestehen und prä- sentirt sich jetzt (Taf. XVIII Fig.21, Taf. XIX Fig.39cc) als ein dicht unter der Oberfliche des Kleinhirns und dieser parallel in sagittaler Richtung verlaufender Kanal, der bei zu.y (Taf. XVII Fig. 21) mit dem Rest der primitiven Kleinhirn- höhle kommunieirt. Ich nenne diesen Kanal »Canalis cere- bellic. — Der Kanal liegt an der Grenze zwischen Molekular- und Körnerschicht, etwa in der Höhe der PurkınJe’schen Zellen, die an dieser Stelle fehlen (Taf. XX Fig. 43 cc). Der vordere Schenkel steigt aus dem Cavum cerebelli senkrecht empor, biegt oben unter fast rechtem Winkel nach hinten ab, verläuft in leicht abfallendem Bogen nach rückwärts in die Spitze des Kleinhirns, um hier mit scharfer Knickung auf die untere Fläche desselben überzugehen und so in Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 647 mehr oder weniger horizontalem Verlaufe nach vorn zu wieder in das Cavum cerebelli einzumünden (Taf. XVIII Fig. 21 cc). Letzteres ist, wie schon gesagt, auf ein Minimum redueirt und präsentirt sich auf einem Stadium, wie es Abbildung 21 zeigt, als quergestellter, in der Mittellinie nach oben zu trichterförmig erweiterter (Taf. XX Fig. 42 ccp) Spalt, der nach der Rautengrube zu sich öffnet. — An frischen Prä- paraten kann man auf der Oberfläche des Kleinhirns den Canalis cerebelli als zarten grauen Streifen in der Medianlinie durchschim- mern sehen. — Auf transversalen Schnitten wird sich der Kanal je nach der Lage des Schnittes in anderem Bilde zeigen. Auf einem Schnitt, der durch den hinteren kappenförmigen Theil des Kleinhirns geht, sehen wir den oberen und unteren Schenkel des Kanals quer durchschnitten als je einen dreieckigen oder halbmondförmigen Spaltraum an der Molekular- und Körnerschicht (Taf. XIX Fig. 33, Taf. XX Fig. 43 ce). Verlegen wir den Schnitt weiter nach vorn, so dass er unten durch das Cavum cerebelli geht, so sehen wir nur den Querschnitt des oberen Schenkels (Taf. XX Fig. 42 ce). Rücken wir noch weiter vorwärts, bis etwa an die vordere Grenze des Cavum cerebelli, wo die Val- vula ihren Anfang nimmt, so können wir in günstigem Falle das Lumen des vorderen Schenkels, in seiner ganzen Ausdehnung als von oben nach unten verlaufenden Spalt antreffen (Taf. XX Fig. 41 ce). Diese Verhältnisse liegen bei allen meinen Präparaten so deut- lich zu Tage, dass es mir wunderbar erscheinen muss, wie bis zum heutigen Tage kein einziger Autor (so weit mir wenigstens bekannt geworden) eine Beschreibung dieses Kanals gegeben hat. StIEDA spricht in seinen Untersuchungen an Esox lucius (77) von einem Centralkanal, der in der Marksubstanz (resp. Körner- schicht) des Kleinhirns verlaufend an der Spitze desselben blind endigt. Mehrere Abbildungen illustriren diese Beobachtung. Nach meinen eigenen Untersuchungen am Hecht kann ich diese Angaben STIEDA’S zwar bestätigen, muss jedoch hinzufügen, dass neben diesem Centralkanal auch jener oben beschriebene Canalis cerebelli existirt, den Sriepa also übersehen hat. Weitere diesbezügliche Beobachtungen am Lachs, Barsch und Stich- ling ließen mieh überall einen Canalis cerebelli, nirgends aber einen Centralkanal, wie beim Hecht, erkennen. Dieser Umstand lässt mich vermuthen, dass ersterer allen Knochenfischen zukommt, während letzterer nur ein selteneres Vorkommnis ist und nichts Anderes dar- stellt als eine ungewöhnlich weit in das Kleinhirn hineinragende 648 Alfred Schaper Fortsetzung des Cavum cerebelli. Spätere Autoren haben einen Kanal im Kleinhirn überhaupt nicht gesehen oder sprechen kurzweg von einem in der Jugend existirenden Centralkanal, der später meist obliterirt. Abbildungen geben sie nicht davon. Andere (Le Roux) wieder beschreiben nur einen Hohlraum im Cerebellum, der etwa dem Rest des von mir als Cavum cerebelli bezeichneten Raum ent- sprechen dürfte. — Die Beschreibungen sind überall recht mangel- haft. Ich lege aus dem Grunde ein großes Gewicht auf das Bestehen dieses Canalis cerebelli, weil er, wie wir später sehen werden, von außerordentlicher Bedeutung für die Histogenese des Cerebellums ist. Wenden wir nun unsere Aufmerksamkeit der Valvula cere- belli auf ihrer jetzigen Entwicklungsstufe zu, so sehen wir an einem Medianschnitt (Taf. XVIII Fig. 21, Taf. XIX Fig. 39 vcd), dass sich dieses Organ noch deutlicher als zuvor vom eigentlichen Kleinhirn abgesetzt hat. Sie biegt von der unteren Kante der vorderen Wand des Cerebellums, dort wo sich die Einmündung des Cavum cere- belli in die Rautengrube findet, unter scharfer Knickung nach vorn und oben ab und bildet eine tiefe, mit ihrem Scheitel gegen den Ventrikel gewandte Falte. Durch abermalige Umknickung bildet sie eine zweite, nach unten geöffnete, aber weniger ausgeprägte Falte, um dann wie früher in mehr oder weniger horizontaler Richtung in den Hohlraum des Mittelhirns vorzudringen und dort in plötzlicher Riickwartskriimmung in die hintere Wand des Tectum opticum über- zugehen. In Bezug auf die Beziehungen der Valvula zu ihren Nach- bargebilden sind keine Veränderungen vor sich gegangen. Die eigenthümliche Faltenbildung im Bereich der Valvulaplatte, die bei einzelnen Fischgattungen noch komplieirtere Formen annehmen kann, ist auf ein excessives Längenwachsthum derselben zurückzuführen. — Von weiteren Veränderungen im Bereich des Hinterhirns, die für unsere Frage allerdings nur von untergeordneter Bedeutung sind, will ich nur die gewaltige Entwicklung der Rautengrube und der Vorwärtsverschiebung der Brückenkrümmung er- wähnen. Die Seitenwandungen der Rautengrube sind zu mächtigen Wülsten emporgewachsen und fallen zu dem tiefen Ventrikelraum steil ab. Am Boden des letzeren sind eine Anzahl längsverlaufen- der leistenförmiger Vorsprünge entstanden, die zur Entwicklung der hier befindlichen Nervenkerne und Leitungsbahnen in Beziehung stehen. — Ein Vergleich der Abbildungen 17 und 18 mit 20 und 21 zeigt ferner, wie die Brückenkrümmung von Stadium zu Stadium um Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 649 ein Weniges nach vorn rückt, um schließlich (Taf. XVIII Fig. 20 und 21) im Bereich der größten Ventrikelbreite unter die Basis des Kleinhirns zu liegen zu kommen. So gestaltet sich der Bau des Kleinhirns etwa 3 Monate nach ‘dem Ausschlüpfen der jungen Forelle. Wir können die morpho- logischen Entwicklungsstudien hier abbrechen. Meine Untersuchun- gen an ein-, zwei- und dreijährigen Forellen haben mir gezeigt, dass nach diesem so eben besprochenen Stadium Formänderungen . irgend welcher Art im Bereich des Kleinhirns kaum noch zu kon- statiren sind. Abgesehen von dem fortschreitenden Gesammtwachs- thum des Kleinhirns, welches das der übrigen Hirnabschnitte relativ vielleicht noch übertrifft, wäre höchstens die größere Abrundung der hinteren Spitze und der seitlichen Ränder der Kleinbirnkappe, ferner eine zunehmende Faltung der Valvula und endlich eine allmähliche Verengung des Cavum und des Canalis cerebelli, die bei älteren Fischen bisweilen zu einer Obliteration des Lumens führen kann, zu erwähnen. — Ehe ich zu dem histogenetischen Theil meiner Untersuchungen übergehe, bleibt noch eine wichtige morphologische Frage zu erörtern: ob nämlich das Kleinhirn der Teleostier dem gesammten Kleinhirn der höheren Vertebraten (speciell dem der Säuger) oder nur dem Wurm desselben entspricht. Erstere Ansicht wurde schon frühzeitig von VIAuLT (80) ausge- sprochen. Er scheint hierin nur wenig Anhänger gefunden zu haben. Bei Weitem die meisten Autoren sind der Meinung, dass das Cerebellum der Knochenfische nur dem Wurm der Säuger gleich zu setzen sei. — Eine Betrachtung des ausgewachsenen Teleostier-Kleinhirns, die uns dasselbe als ein medianes Organ ohne die geringste Andeutung einer Hemisphärenbildung erkennen lässt, könnte allerdings eine solche Annahme berechtigt erscheinen lassen. Sobald wir jedoch den entwicklungsgeschichtlichen Vorgängen die nöthige Berücksichtigung zu Theil werden lassen, und auf früheren Entwicklungsstufen vergleichend-anatomische Studien vornehmen, so werden wir, glaube ich, ohne Schwierigkeiten dahin gelangen, dass die alte Vıaurr’sche Ansicht doch ihre Berechtigung hat, d. h. das Kleinhirn der Knochenfische dem der Säuger in seinem ganzen Umfange entspricht. — Ich habe schon oben hervorgehoben, dass bestimmte frühere Entwicklungsstadien des Teleostier-Kleinhirns den entsprechenden Anlagen der Säuger und speciell des Menschen in hohem Grade gleichen und in ihren einzelnen Abschnitten sogar identisch sind, wie ich mich Morpholog. Jahrbuch. 21. 42 650 Alfred Schaper besonders an den jüngsten Hıs’schen Modellen überzeugen konnte. Bei dem einen sowohl wie bei dem anderen kann man zu ge- wissen Zeitpunkten die kräftig entwickelten wulstigen Seitentheile (von mir laterale Kleinhirnwülste benannt) von einem dünnen Mittelstück (von mir als Dach der Medianfurche bezeichnet) unter- scheiden. Hıs lässt nun bei den höheren Wirbelthieren aus den Seitentheilen die Hemisphären, aus dem Mittel- stück den Wurm hervorgehen. Uber die weitere morpholo- gische Entwicklung dieser Theile, habe ich nirgends irgend welche Angaben finden können, bin also vorläufig nicht in der Lage, hier noch Vergleiche mit den entsprechenden Vorgängen bei den Knochen- fischen anstellen zu können. Sind wir uns darüber aber einig, dass die bis zu diesem Entwicklungspunkt als Mittelstiick und Seitentheil bezeichneten Gebilde bei Knochenfischen sowohl wie bei den höheren Vertebraten morphologisch gleichwerthige Theile darstellen, so sind wir unter Berücksichtigung des von mir beschriebenen weiteren Entwicklungsmodus des Teleostier-Kleinhirns genöthigt (falls wir die Deutung, die His jenen Theilen werden lässt, anerkennen), letzteres dem gesammten Cere- bellum der Säuger gleichzusetzen. Die Hemisphären wären dem entsprechend als ein Produkt der späteren morphologischen Differenzirung, also als epigenetische Organe, nicht aber als nur den höheren Wirbelthieren zukommende, schon auf früheren Entwicklungsstufen gesondert angelegte Gebilde anzusehen. — Zur Klärung dieser Verhältnisse wären weitere entwicklungsgeschichtliche und vergleichend-anatomische Untersuchungen jedenfalls noch sehr er- wünscht. — Die histologische Entwicklung. Schon in der Einleitung habe ich darauf hingewiesen, dass unsere Kenntnisse über die histogenetischen Vorgänge bei der Ent- wicklung des Teleostierkleinhirns recht dürftig sind und dass die bezüglichen Untersuchungen am Kleinhirn höherer Vertebraten eben- falls noch zahlreiche Lücken erkennen lassen. Es harren hier noch mancherlei Fragen von prineipieller Bedeutung der Beantwortung. Überall, bei sämmtlichen Klassen der Wirbelthiere, würde sich der darauf gerichteten Forschung noch ein dankbares Arbeitsfeld er- öffnen. Die Gründe, die mich besonders zur Untersuchung des Teleostier-Kleinhirns veranlassten, habe ich früher bereits aus ein- Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 651 ander gesetzt. Ich muss nun allerdings gestehen, dass meine Hoff- nungen, die ich gerade auf dieses Objekt setzen zu diirfen glaubte, nicht allseitig in Erfüllung gegangen sind. Wenn man die über- raschend klaren Bilder sieht, welche uns Querschnitte durch das Teleostier-Riickenmark von den hier sich abspielenden histogene- tischen Vorgiingen geben, so ist man versucht, auch in der Entwick- lung des Kleinhirns auf ähnliche Klarheit zu rechnen. Meine Erwartungen haben mich, wie gesagt, in diesem Punkte etwas ge- täuscht. Die Elemente des Kleinhirms reagiren sonderbarerweise auf die verschiedenen Methoden nicht in derselben Art, wie die des Rückenmarks. Die Elemente treten hier nicht mit derselben Distink- tion hervor, wodurch bei der größeren Komplieirtheit der Entwick- lungsvorgänge im Kleinhirn die Untersuchung bedeutend erschwert wird. Diese Missstände machen sich übrigens erst in späteren Entwicklungsperioden geltend und betreffen besonders die Unter- suchungen über das weitere Schicksal der Neuroblasten. Nichts- destoweniger ist es mir an der Hand geeigneter Methoden gelungen, auch hierüber genügenden Aufschluss zu bekommen. Über die feineren Vorgänge bei der frühesten Entwicklung des Medullarstranges kann ich kurz hinweggehen. Dieselben sind von verschiedenen Autoren bereits zur Genüge beleuchtet worden. Nur Weniges will ich als wesentlich für unseren Gegenstand daraus her- vorheben. Die ersten Differenzirungen im Bereich des Medullar- stranges sind fast ausschließlich morphologischer Natur, die beson- ders in der frühzeitigen Anlage der verschiedenen Hirntheile ihren Ausdruck finden. Die histologischen Verhältnisse sind auf dieser Entwieklungsstufe noch in der ganzen Ausdehnung des Central- nervensystems dieselben. Legen wir zu solchem Zeitpunkt durch die zukünftige Hinter- hirnpartie eines Forellenembryo von 22 Tagen einen Querschnitt (Taf. XIX Fig. 22), so präsentirt sich der Medullarstrang, wie wir schon vorher sahen, als ein kielférmig vom Ektoderm herabsteigen- des Gebilde, das oben mit seitlich vorspringenden Wiilsten in letzteres übergeht und unten in eine abgerundete Spitze ausläuft. Jene beiden die oberen Ecken einnehmenden Vorsprünge (z) überragen um ein Geringes die mittlere Partie der dorsalen Fläche des Kiels und neigen sich mit zwei median- und aufwärtsgerichteten schnabel- förmigen Fortsätzen gegen einander. Solchergestalt umfassen sie eine seichte Ausbuchtung, welche oben durch die zarte Decklamelle (dl!) des Ektoderms zum Abschluss gebracht wird. Letztere geht 42* 652 Alfred Schaper -~ dort, wo sich das mehrschichtige Ektoderm an die schnabelförmigen Fortsätze des Kiels anheftet, kontinuirlich in dieses über. Wir haben also ein Stadium vor uns, wo, wie ich schon im morphologischen Theile aus einander gesetzt habe, der Einfaltungsprocess des Me- dullarstranges noch nicht zum Abschluss gekommen ist!. Schon bei schwacher Vergrößerung (Taf. XIX Fig. 22) kann man an solchen Schnitten eine Differenz zwischen den wandstän- digen und den centralen Zellen des Medullarstranges wahr- nehmen. Während erstere nämlich eine mehr oder weniger radiäre - Anordnung erkennen lassen und langgestreckte Kerne besitzen, finden wir die mittleren Zellen in regelloser Gruppirung zusammengehäuft, mit großen, rundlichen Kernen ausgestattet und zahlreiche karyo- kinetische Figuren aufweisend. Nehmen wir eine stärkere Ver- größerung zur Hilfe, so treten jene Differenzen noch deutlicher hervor. Wir sehen in Taf. XX Fig. 44, die ein seitliches Segment aus dem Medullarstrang darstellt, dass die wandständigen Zellen von epithelialem Charakter eine cylindrische oder besser gesagt, spindelförmige Form besitzen. Sie liegen in zwei bis drei Lagen über einander mit ihrer Längsachse in vorwiegend radiärer Richtung. Die Kerne sind stark in die Länge gezogen, sehr chromatinreich und mit einem großen stibchenférmigen oder mehreren kleinen, in der Längsrichtung hinter einander gelagerten Nucleolen ausgestattet. Das Protoplasma ist sehr zart und leicht gekörnt. Ganz anders er- scheinen die centralen Zellen. Sie haben eine rundliche oder durch gegenseitige Abplattung polygonale Gestalt. Der Zellleib macht mehr oder weniger einen bläschenförmigen Eindruck. Das Proto- plasma ist heller und bildet ein zartes Maschenwerk (wenn letzteres nicht ein Produkt der Fixation ist). Der Kern ist groß und eben- falls rundlich, häufig auch bohnenförmig oder ganz unregelmäßig gestaltet. Das Chromatin ist sehr reichlich, meist zu mehreren regellosen Haufen zusammengeballt, zwischen denen sich kleinere Körner zerstreut finden. An zahlreichen Stellen finden sich karyo- kinetische Figuren aller Phasen. Die Theilungsebenen liegen nicht in bestimmter Richtung. ! Ich muss hier darauf hinweisen, dass meine Forellenbrut sich scheinbar etwas langsam entwickelt hat, indem beispielsweise die Salmoniden von GORO- NOWITSCH (22) schon zwischen dem 12. und 14. Tage sich auf derselben Ent- wicklungsstufe befanden als meine 22tägigen Embryonen. Auch in den späteren Tagen macht sich eine ähnliche zeitliche Verschiebung in der Entwicklung geltend. Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 653 So groß immerhin die Unterschiede zwischen den eben be- schriebenen Zellarten zu sein scheinen, so berechtigt uns doch nichts zu der Annahme, dass wir es hier bereits mit histologisch differen- zirten Elementen zu thun hätten. Vielmehr weist Alles darauf hin, dass wir ausschließlich gleichartige epitheliale Ele- mente des Ektoderms vor uns haben, die sich nur durch verschiedene Phasen ihres Zelllebens unterscheiden; und zwar finden sich im Centrum und dem oberen Abschnitte des Medullarstranges die in Theilung begriffenen Zellen sammt ihren Abkömmlingen, während die Wandpartien durch die ausgebildeten ruhenden Elemente eingenommen werden. Die rundliche Form der centralen Zellen entspricht einer häufigen Eigenschaft neugebildeter Zellen. die ihre definitive Ge- staltung erst mit Übernahme ihrer späteren Funktion erkennen lassen. Auch mechanische Einflüsse mögen hier eine nicht unbedeutende Rolle spielen, indem etwa der Druck im Inneren des Medullarstran- ges während des Einfaltungsprocesses ein allseitig gleichmäßigerer oder auch geringerer ist als in der Peripherie und daher der Form- entwicklung der Zelle freieren Spielraum lässt. Die großen rund- lichen Kerne der centralen Zellen tragen meist den Charakter solcher, die entweder nach eben abgelaufener Karyokinese die Ruhe- form anzunehmen im Begriff sind oder zur Theilung sich anschicken. Hier und da finden sich zwischen ihnen zerstreut bereits Übergangs- formen zu solchen Kernen, wie sie die wandständigen Zellen be- herbergen. Ferner kann man beobachten, wie die rundlichen jugend- lichen Zellformen des Medullarkiels den Keimzellen des Ektoderms, denen doch Niemand einen specifischen Charakter gegenüber den ruhenden Ektodermzellen zuspricht, durchaus gleichen. Gehen wir einen Schritt weiter und betrachten einen Transver- salschnitt durch die Hinterhirnregion eines Forellenembryos von 25 Tagen (Taf. XIX Fig. 23), so sehen wir, dass der Einfaltungs- process des Medullarstranges nunmehr zum Abschluss gekommen ist, und dass letzterer im Begriff steht, sich vollständig von dem Ekto- derm abzuschnüren. Die Gestalt seines Querschnittes ist im Großen und Ganzen noch die eines gleichschenkligen Dreiecks mit nach unten gerichteter Spitze. Die oberen Seitenwülste sind noch kennt- lich, jedoch durch den Schluss des Medullarstranges mehr in diesen hineinbezogen, wodurch die obere Partie desselben gleich- mäßig abgerundet erscheint. Von einem Lumen ist noch nirgends eine Spur zu entdecken. In Bezug auf die Lagerung der Zellen 654 Alfred Schaper ist eine wesentliche Veriinderung eingetreten. Die der Wand zunächst liegenden sind mit ihrer Längsachse nicht mehr radiär an- geordnet, sondern verlaufen einander parallel in horizontaler Rich- tung; nur in dem oberen, zuletzt zum Schluss gelangten Abschnitt haben sie zunächst noch ihre radiäre Richtung beibehalten. Die die Mitte einnehmenden jugendlichen und in Theilung begriffenen Zellen sind weniger zahlreich; sie finden sich jetzt in Form eines schmalen, vertikal verlaufenden Streifens zwischen die Wandpartien des Me- dullarstranges eingekeilt. Da, auf den Querschnitt gesehen, die wandständigen Elemente trotz der lebhaften Zellvermehrung im Inneren nicht wesentlich an Zahl zugenommen haben, so ist daraus der Schluss zu ziehen, dass bisher das neugebildete Material vor- nehmlich zum Längenwachsthum, eventuell auch zur Oberflächen- vergrößerung (Faltenbildung ete.) der Hirnanlage verwandt wurde. — Was die morphologischen und histologischen Eigenschaften der Zellen angeht, so sind hier, wie uns die Anwendung einer stärkeren Vergrößerung (Taf. XX Fig. 45) zeigt, kaum irgend welche Ver- änderungen wahrzunehmen. Auch die Kerne zeigen dieselben Eigen- schaften. Auffallend ist nur, dass die Kerne der wandständigen Zellen sich dichter in je eine mehrreihige, vertikal verlaufende Schicht zusammengeordnet haben, die nach außen zu eine schmale kernfreie Zone erkennen lässt. Bemerkenswerth ist vielleicht noch, dass die in Theilung begriffenen centralen Zellen vielfach nicht mehr die frühere Kugelform haben, sondern eine spindel- oder birnförmige Gestalt erkennen lassen; eine Erscheinung, die auf Druckeffekte von Seiten der gegen das Centrum vorrückenden ruhenden Epithelzellen zu beziehen ist. Nach einigen Tagen weiterer Entwicklung beginnt die Bildung des Lumens, und zwar zunächst in Form eines schmalen, unregel- mäßigen, vertikal gestellten Spaltes inmitten der central gelegenen generativen Zone, die durch Auseinanderweichen ihrer Elemente die unmittelbare Veranlassung hierzu giebt. Die bisher in der Mitte des Medullarstranges gelagerten jugendlichen Zellen werden solchergestalt jetzt beiderseits in den Wandbezirk desselben hineinbezogen und kommen zwischen die centralwärts gerichteten spindelförmig ausge- zogenen Fortsätze der Wandzellen zu liegen. Diese Fortsätze der Wandzellen vereinigen sich, die »Keimzellen« (Az) umfassend, zu einer Begrenzungsmembran des Spaltraums und bilden so die Mem- brana limitans interna (Taf. XX Fig. 46 mi). — Der periphere Ab- schnitt der Wandzellen hatte schon früher zur Bildung einer äußeren Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 655 Begrenzungshaut, der Membrana limitans externa (Taf. XX Fig. 44, 45 und 46 m/e) Veranlassung gegeben. — Bald nimmt auch der größere Theil der jugendlichen Zellen durch allmähliches Auswachsen cen- traler und peripherer Fortsätze an der Zusammensetzung dieser bei- den Membranen Theil. Eins jedoch ist sehr bemerkenswerth, dass nämlich nicht alle neuerdings in den Wandbezirk hin- einbezogenen jugendlichen Zellen unmittelbar an der wei- teren Entwicklung des Medullarrohrs sich so zu sagen als Bausteine betheiligen, sondern dass eine bestimmte Zahl (iz) derselben auf geraume Zeit hinaus lediglich die Funk- tionen der Propagation beibehält. Taf. XIX Fig. 24 und Taf. XX Fig. 46 zeigen uns die aus solchem Entwicklungsgange ent- sprungenen Verhältnisse am 31. Tage. Wir sehen das Lumen des Medullarrohrs bereits stark entwickelt und nach oben zu seitlich er- weitert. Die innere und äußere Grenzmembran sind deutlich aus- geprägt. Die Dicke der Wandung ist von mehreren Reihen lang- gestreckter Kerne durchsetzt, die noch ziemlich den gleichen Charakter tragen wie jene, welche wir in den ursprünglichen Wandzellen an- trafen. Die Vermehrung dieses Kernlagers geschah durch Apposition der aus dem Centrum in die Wandung des jetzigen Medullarrohrs hineinbezogenen Zellen. Es zeigt sich jetzt schon eine bestimmte Anordnung dieser oblongen Kerne, in so fern als sie nur die mittlere Zone der Medullarwand einnehmen, während außen und innen von ihnen eine helle kernfreie Partie überbleibt, welche von Hıs als äußere Mantelschicht und innere Keimschicht unterschieden worden sind. In letzterer finden wir nämlich jene oben erwähnten Zellen (Az), welche vorläufig in hervorragendem Maße ihre generative Fähigkeit erhalten haben. Sie verdienen daher wohl den Na- men »Keimzellen«, aber nicht in dem Hıs’schen Sinne, wor- über ich mich sogleich erklären werde. Es sind relativ große und rundliche Zellen mit hellem Protoplasma, deren Kern fast immer in verschiedenen Phasen der Karyokinese anzutreffen ist. Im Gegen- satz hierzu finden wir die langgestreckten Kerne der Mittelzone ausschließlich im Zustand der Ruhe. Ihre zugehörigen Zellen bilden das erste feste Baumaterial zur Anlage des Centralnervensystems, so zu sagen das primitive Gerüst desselben; sie haben noch den Charakter von Epithelzellen. — Dass die »Keimzellen« in diesem Stadium fast ausschließlich die dem Lumen zugewandte Zone der Medullarwand einnehmen, ja sogar der Membrana limitans interna meist unmittelbar anliegen, oder dass mit anderen Worten die Zell- 656 Alfred Schaper vermehrung sich lediglich in den centralen Partien des Medullarrohrs abspielt, erklärt sich ohne Schwierigkeit aus den eben beschriebenen Vorgängen bei der Bildung des primären Spaltraums. Bisher geschah das Dickenwachsthum und die weitere Umbil- dung des Neuralrohrs vorzugsweise in der Art, dass die in der Keimschicht neugebildeten Zellen sich von innen her den älteren - Elementen adponirten, ihnen morphologisch ähnlich wurden und durch allmähliches Auswachsen in einen centralen und peripheren, radiär verlaufenden Fortsatz gleiche Funktionen mit ihnen über- nahmen, d. h. sich mitbetheiligten an dem Aufbau eines primitiven Gerüstes, das den späteren specifischen Vorgängen der Entwicklung zur Grundlage dient. Ich bin geneigt, das ganze Medullarrohr bis zu diesem Moment lediglich als einen embryonalen Stützapparat an- zusehen, in welchem nun erst die specifischen Elemente des Centralnervensystems zu einer geordneten Entwicklung gelangen. Zwischen dem 30. und 35. Tage nämlich macht sich in Bezug auf die Keimzellen resp. das Verhalten ihrer Ab- kömmlinge eine Erscheinung geltend, die von fundamen- taler Bedeutung für die weiteren Vorgänge im Medullar- rohr ist. Wir sehen jetzt, dass die in der Keimschicht neugebildeten Zellen sich nicht mehr von innen her den älteren Zellen anlagern, sondern zwischen diesen hindurchwandern und in die zellfreie äußere Mantelschicht eintreten. Zur Illustration dieser Vorgänge diene die Abbildung Taf. XX Fig. 47. Sie stellt ein Segment aus einem Horizontalschnitt (Taf. XIX Fig. 25) durch die Hinterhirn- gegend eines Forellenembryos vom 34. Tage dar. Das Stadium ent- spricht ungefähr dem der Taf. XVIII Fig. 1, wo das Mittelhirn sich gegen das Hinterhirn durch je eine seitliche Falte abzusetzen be- ginnt. Der hintere Schenkel jener Falte, der der ersten Anlage des Kleinhirns entspricht, ist in jenen Abbildungen mit cd bezeichnet. — Die Medullarwand erscheint in diesem Gebiete bereits relativ ver- diekt. Die mittlere Zone wird wie früher durch zahlreiche lang- gestreckte Kerne eingenommen, die etwas weitläufiger liegen als im vorhergehenden Stadium (Taf. XX Fig. 46). Die epithelialen Zellen sind durch eigenartige Umwandlung ihres Protoplasmas, welcher Vorgang von Hıs sehr genau beobachtet und beschrieben ist, zu wohldifferenzirten Stützelementen geworden. Die in radiären Zügen ~ angeordnete Zwischensubstanz zeigt nicht mehr die Eigenschaften Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 657 des Protoplasmas; sie erscheint homogen oder in der Liingsrichtung gestreift. Um die Kerne herum bildet sie langausgezogene, radiär gestellte Spindeln, deren centrale und periphere Fortsätze, sich viel- fach verästelnd und mit einander anastomosirend, schließlich zur. Bildung der Membranae limitantes (m/e und m/z) zusammentreten. — In die Liicken dieses Stiitzgeriistes sehen wir nun auf Taf. XX Fig. 47 wie früher der inneren Grenzmembran angelagert eine An- zahl großer in Theilung begriffener Keimzellen (42) oder auch deren jugendliche Abkömmlinge (tz) eingebettet. Die Kerne der letzteren sind entweder noch im Stadium des sich auflösenden Knäuels be- griffen, oder lassen bereits eine typische Struktur ihres Chromatins erkennen und zeigen im letzteren Falle sehr charakteristische Unter- schiede von denen der Stützzellen (sz). Ihre Form ist rundlich-oval; ein geringerer Chromatinreichthum lässt sie heller erscheinen. In der chromatischen Substanz unterscheiden wir einen rundlichen Nucleolus und ein fein granulirtes Gerüstwerk, das häufig strahlen- förmig um ersteren gruppirt ist. Den Kern umgiebt meist ein diffuser Hof von zartem Protoplasma. Wenden wir jetzt unsere Aufmerksamkeit der äußeren Mantel- schicht (ms) zu, so sehen wir, dass diese Zone im Gegensatz zu dem vorhergehenden Stadium (Taf. XX Fig. 46) nicht mehr kernfrei ist, sondern dass sich in derselben — also zwischen den Kernen der Stützzellen und der Membrana limitans externa — eine Anzahl von Zellen (iz) angesiedelt hat, die den in der Keimschicht lagernden (tz) auffallend gleichen. Auch hier erkennen wir einen rundlich- ovalen Kern mit rundem Nucleolus und zartem Chromatingerüst, der von einem schmalen Protoplasmasaum umgeben ist. — Wie kommen diese Zellen hierher? — Ich habe schon vorher von einem Durch- wandern der in der Keimschicht neugebildeten Zellen durch die mittlere Kernzone in die Mantelschicht gesprochen. Durchmustern wir unser Präparat, um uns über diesen Vorgang Klarheit zu ver- schaffen, so sehen wir in der That, dass zwischen den langgestreck- ten chromatinreichen Stützzellen auch hellere rundliche Kerne (iz) sich finden, die ihre Zugehörigkeit zu denen der Keimschicht einer- seits und der Mantelschicht andererseits auf den ersten Blick be- kunden. Da nun, wie schon wiederholt hervorgehoben, in der Kernschicht der Stützzellen zu dieser Zeit Erscheinungen von Zell- proliferation kaum jemals nachzuweisen sind, so sind wir genöthigt, die in dieser Schicht aufgefundenenatypischen jugendlichen Zellen als Abkömmlinge der Keimzellen zu betrachten, die 658 - Alfred Schaper sich auf der Wanderung in die Mantelschicht befinden. Diese Er- scheinung tritt in den folgenden Entwicklungsperioden noch mit größerer Klarheit hervor. — Die feineren Vorgänge bei jener Wande- rung, die aktive Thätigkeit der Zellen dabei ete. sind von His in seiner Arbeit über die Entstehung der Neuroblasten (33) ausführlich behandelt worden. Ich kann mich damit begnügen, die His’schen Angaben im Allgemeinen zu bestätigen, wenngleich die betreffenden Erscheinungen in der primitiven Kleinhirnplatte nicht mit derselben Schärfe hervortreten als im Rumpftheil des Medullarrohrs. Wir stehen hier an einem bedeutsamen Wendepunkt in der Entwicklungsgeschichte des Centralnervensystems. Die bisher von mir beobachteten Vorgänge stimmen in ihrer äußeren Form wohl ziemlich mit den Hıs’schen Befunden überein, in der Auslegung derselben kann ich mich jedoch nicht mit jenem Autor einverstanden erklären. — Es ist bekannt, dass Hıs zwischen den runden Zellen, die der Limitans interna anliegen, und den eigentlichen Epithelzellen des Medullarrohrs schon frühzeitig einen prineipiellen Unterschied macht. Er bezeichnet die ersteren ihrer lebhaften Theilungserschei- nungen wegen mit dem sehr zutreffenden Namen »Keimzellen« und lässt aus ihnen nur eine Art von specifischen Elementen des Central- nervensystems, nämlich die Neuroblasten hervorgehen. Über ihre Herkunft jedoch, sowie über den Zeitpunkt ihres ersten Auftretens spricht er sich nirgends klar aus. Schon KÖLLIKER hat auf diesen Mangel aufmerksam gemacht. — Ich glaube nun im Vorhergehenden unter Zugrundelegung naturgetreuer Abbildungen gezeigt zu haben, dass diese Hıs’schen »Keimzellen« nichts Anderes sind als in Theilung begriffene oder neugebildete Epithelzellen, die sich lediglich dureh ihre jugendliche, indifferente Form von den älteren Elementen unterscheiden und jedenfalls nichts Specifisches an sich tragen. Es sind dieselben Zellen, die wir zur Zeit des Einfaltungsprocesses des Medullarstranges im Centrum des letzteren angehäuft fanden und die sich schon hier durch ihre rundliche Form, ihr helleres Protoplasma, den runden Kern und das häufige Vorkommen von karyokinetischen Figuren von den wandständigen Zellen unterschieden. Es sind dieselben, welche nach dem Auftreten des centralen Spaltes im Medullarstrang sich um das Lumen desselben gruppiren; dieselben, welche nach Aus- bildung des Medullarrohrs der Limitans interna angelagert bleiben; dieselben endlich, welche bisher nichts Anderes als neues gleich- artiges Material, nämlich Epithelzellen, für den weiteren Aufbau und Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 659 das Wachsthum des Centralnervensystems lieferten. — Letzterer Vor- gang ist derart zu verstehen, dass von den beiden aus einer Keim- zelle hervorgegangenen Furchungselementen nur das eine zur typi- schen Epithelzelle sich umwandelt, um so als fixer Bestandtheil in das primitive Gerüstwerk des Medullarstranges überzugehen, während das andere in den meisten Fillen, eine indifferente Form beibehaltend, nach kürzerer oder längerer Zeit der Ruhe sich von Neuem zur Theilung anschickt, oder mit anderen Worten wiederum zu einer Keimzelle wird, um nun denselben Process sich wiederholen zu lassen. — Wenn ich mich im Vorhergehenden des Hıs’schen Aus- drucks »Keimzelle« bediente und denselben im Folgenden wegen seiner sehr zutreffenden Bezeichnung auch beibehalten werde, so ge- schieht dies also stets mit der oben dargelegten Einschriinkung. Schon früher hob ich hervor, dass nach meinen Beobachtungen bis zu einem bestimmten Entwicklungsstadium, und zwar in den mir vorliegenden Priiparaten bis etwa zum 30. Tage nach der Befruch- tung des Eies der Aufbau des Centralnervensystems aus durchweg gleichen Elementen vor sich geht, und zwar Elementen epithelialer Natur, die, aus der Keimschicht hervorgegangen, unter allmählicher Umwandlung sich zu einem Geriistwerk vereinigen, das ich als em- bryonalen Stiitzapparat des Centralnervensystems bezeichnet habe. — Die Entwicklung dieses Stiitzapparates scheint jetzt einen vorläufigen Abschluss erreicht zu haben, und nunmehr erst beginnen die Differenzirungsvorgänge, welche unserem Organe bald seinen specifischen Charakter verleihen. Diese Vorgänge dokumentiren sich zunächst dadurch, dass die Keimzellen von einem gewissen Zeitpunkt ab nicht mehr Elemente von epithelialem Cha- rakter produeiren, die sich zu gleichartigen Bestandtheilen des Stützapparates umwandeln, sondern Zellen hervorgehen lassen, die zwischen den Kernen des Stützgerüstes in peripherer Richtung hin- durchwandern, um sich in der kernfreien Mantelschicht des Medullar- rohrs anzusiedeln. Ob nicht zu dieser Zeit noch hier und da aus einer Keimzelle auch Elemente epithelialer Natur hervorgehen, die sich in alter Weise von innen her dem Stützgerüst als gleichartige Gebilde adponiren, habe ich nicht mit Sicherheit entscheiden können; doch liegt die Wahrscheinlichkeit nahe, da nicht anzunehmen ist, dass mit einem Schlage durch die ganze Reihe der Keimzellen hin- durch dieser Differenzirungsprocess Platz greifen sollte. Jedenfalls ist die Bildung von atypischen nach der Peripherie zu wandernden Zellen jetzt das bei Weitem häufigere und wesentlichere Vorkommnis, 660 | Alfred Schaper das in den folgenden Stadien noch eine bedeutende Steigerung er- fährt. — Jene Erscheinung, dass die Keimzellen plötzlich heterogene Abkömmlinge hervorbringen, hat, glaube ich, durchaus nichts Auf- fälliges an sich. Wir wissen aus der Entwicklungsgeschichte zahl- reicher anderer Organe, dass die ursprünglich epitheliale Anlage in einem gewissen Momente specifische Differenzirungsvorgänge erkennen lässt, die entweder auf eine Umwandlung der vorhandenen epithe- lialen Elemente, oder auf eine Modifikation der innersten Natur der Keimzellen zurückzuführen sind. Hıs lässt nun weiterhin aus dieser neuen Brut von Zellen, die die äußere Mantelschicht in immer zunehmender Zahl erfüllt, aus- schließlich eine Kategorie von Elementen, nämlich die Nervenzellen hervorgehen. Er beschreibt, wie bereits auf der Durchwanderung durch die kernhaltige Mittelzone des Medullarrohrs die jugendlichen Zellen die Vorstufen der Entwicklung zur Nervenzelle durchmachen und in solcher Modifikation die Mantelschicht erreichen), wo sie als »Neuroblasten« ihrem weiteren Schicksal entgegensehen. Der- artige Vorgänge lassen sich in der That auch am Rückenmark von Forellenembryonen mit großer Deutlichkeit beobachten. Dennoch ist es mir stets aufgefallen, dass eine große Anzahl der nach der Peripherie wandernden Zellen nichts von jenen Veränderungen, wie Auswachsen eines peripheren Fortsatzes etc., die sie jetzt schon zu künftigen Neuroblasten stempelten, erkennen lassen. Die Kerne beider sind ziemlich gleich, hingegen ist das Protoplasma der typischen Neuroblasten stark granulirt, scharf begrenzt und durch Anilinfarben intensiv färbbar, während erstere um den Kern herum nur einen schmalen unregelmäßigen Hof eines diffusen Protoplasmas erkennen lassen, das zart gekörnt erscheint und nur Spuren des Farbstoffes aufnimmt. Wenn diese Erscheinungen schon im Rückenmark geringe Zweifel an der einheitlichen Bestimmung der neuen Zellgeneration in mir wach werden ließen, so wurde ich beim Studium dieser Entwicklungsvorgänge im Kleinhirn nachdrücklich darin bestärkt. Hier ist nämlich von der Umwandlung der Keim- zellen in Neuroblasten im Hıs’schen Sinne so gut wie nichts zu sehen, obgleich ich mit den besten Immersionssystemen und den besten Ocularen der Sache auf den Leib gerückt bin. Der Vorgang der Zellproliferation und die Wanderung der jungen Brut in die äußere Mantelschicht vollzieht sich etwa vom 30. Entwicklungstage ab lediglich in der schon oben beschriebenen Weise, d. h. die neu- Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 661 gebildeten Zellen, die sich leicht durch ihren charakterischen Kern von den fixen Stiitzzellen unterscheiden, gelangen ohne wesentliche Veränderung ihrer Form und Struktur zu ihrem vorläufigen Bestim- mungsort, wo sie zunächst erscheinungslos liegen bleiben. Die ein- zigen Veränderungen, die ich nach stattgehabter Wanderung an den Zellen etwa wahrnehmen konnte, beschränken sich auf eine geringe Vermehrung des diffusen Protoplasmas und auf eine gewisse Kon- solidirung der Struktur des Kerngerüstes, das jetzt in ein Ruhe- stadium eingetreten zu sein scheint. Der Kern ist rund, von einer deutlichen Membran umgeben und birgt in seinem Innern meist ein einziges relativ großes Kernkörperchen neben einem zarten fein granulirten Chromatingerüst, das durch seine geringe Färbbarkeit den Kern als helles bläschenförmiges Gebilde sich gegen die dunklere Umgebung abheben lässt. — Gerade diese Eigenschaften des Kernes, die ihn denen von Nervenzellen in der That ja ähnlich scheinen lassen, hat Hıs, wie mir scheint, ganz besonders veranlasst, jene Zellen sämmtlich als Neuroblasten in Anspruch zu nehmen. Ich möchte jedoch nicht einen solchen Werth auf die äußeren Erschei- nungen so jugendlicher Kerngebilde legen, in so fern wenigstens als man daraus auf die spätere Bestimmung der zugehörigen Zellen irgend welche Schlüsse ziehen könnte. Ich habe beispielsweise ganz ähnliche Kerne auch in anderen Organen des Forellenembryos an- treffen können, wo von einer nachträglichen Entwicklung von Nerven- zellen keine Rede sein kann. — Ich habe ferner im weiteren Verlauf der Entwicklung der in Frage stehenden Zellen beobachten können, dass in der Anordnung des Kerngerüstes noch mannigfache Umlagerungen stattfinden können, ehe die der ausgebildeten Zelle zukommende typische Struktur erreicht ist. Es scheint mir nach alledem, dass die wechselnden Umbildungen in der Struktur des Kerngerüstes von hervorragend leitendem Einfluss auf die allmähliche Ausbildung der späteren Specificitit der Zellen sind. Im Gegensatz zu den Neuroblasten bezeichnet Hıs jene Zellen epithelialer Abkunft, die sich durch ihren langgestreckten chro- matinreiehen Kern charakterisiren, als Spongioblasten und leitet aus ihnen die definitive Stützsubstanz, die Neuroglia des Centralnerven- systems ab. Sie entsprechen in ihrer Gesammtheit dem, was ich den embryonalen Stützapparat genannt habe. Über den genetischen Zu- sammenhang zwischen diesen Spongioblasten und Neuroblasten habe ich mich schon früher in meinem Sinne ausgesprochen. Da nun Hıs 662 Alfred Schaper einerseits aus seinen Keimzellen ausschließlich die Neuroblasten hervor- gehen lässt, die Proliferationsfähigkeit der Spongioblasten andererseits als eine äußerst geringe anerkennen muss, so sieht er sich zu der Annahme genöthigt, dass kein Grund vorhanden sei, in dem einmal angelegten Markgerüst eine nachträgliche Vermehrungder Spongioblastenanzunehmen. Schon KÖLLIKER hat seine Bedenken über diesen Satz geäußert. Und in der That, wenn wir nach unseren jetzigen Erfahrungen in Erwägung ziehen, wie zahlreiche Elemente am Aufbau des definitiven Neurogliagerüstes sich betheiligen, so müssen wir den Gedanken, dass der bis zu diesem Zeitpunkte entwickelte embryonale Stützapparat ohne Ver- mehrung seiner Elemente den zukünftigen Ansprüchen genügen könnte, ohne Weiteres von der Hand weisen. Solcherlei Betrachtungen, sowie die bisherigen anatomischen Befunde nöthigen mich zu der Annahme, dass die Keimzellen von dem Moment an, wo sie aufgehört haben neues Ma- terial für den Aufbau des embryonalen Stützapparates zu bilden, einer Generation indifferenter Zellen den Ursprung geben, welche in der vorher geschilderten Weise in Erscheinung tritt. Meine weiteren Untersuchungen haben mich in dieser Annahme befestigt. Ich stelle mich damit also auf die Seite von KÖLLIKER, Ramon y CAJAL, VIGNAL und LAHOUSSE, welche sämmtlich auf Grund eigner Untersuchungen, letztere auch besonders in Bezug auf die Entwicklung des Kleinhirns, sich dahin ausge- sprochen haben, dass die Keimzellen, denen Lanousse den Namen »ektodermale Uranlagezellen« beilegte, sowohl die Mutter- zellen der Neuroblasten wie der Spongioblasten repäsen- tiren und zwar derart, dass ein Vorrath indifferenten Zellmaterials gebildet wird, aus dem heraus erst später Nerven- und Gliazellen sich entwickeln. Gerade das Kleinhirn scheint mir zur Klarlegung dieser Ver- hältnisse in Folge seiner relativ langsamen histologischen Entwicklung eines der besten Objekte zu sein. Wenn im Rückenmark dennoch Vieles für die Hıs’sche Theorie sprechen könnte, so erklärt sich dies daraus, dass durch die schnelle Aufeinanderfolge der einzelnen Ent- wicklungsprocesse, durch das frühzeitige Entstehen von Nervenfasern und Nervenwurzeln, sowie durch die geringeren morphologischen Umbildungsvorgänge die Differenzirung der Neuroblasten so frühzeitig beginnt, und mit soleher Klarheit in den Vordergrund des mikro- skopischen Bildes tritt, dass die übrigen Erscheinungen mehr oder Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 663 weniger verdeckt werden können. — Andererseits ist wohl sicher, dass durch das ganze Centralnervensystem hindurch ein einheitliches Entwieklungsprineip in dieser frühen Periode besteht. Nun zurück zum Kleinhirn. — Wir haben dasselbe auf einem Stadium (Taf. XX Fig. 47) verlassen, wo die Keimzellen begannen ihre reproduktiven Eigenschaften in anderer Richtung geltend zu machen. Wir sahen, wie die neuen Abkömmlinge nicht mehr zu typischen Stützelementen sich umwandelten und sich diesen funktionell beigesellten, sondern wie sie als indifferente Zellen ihre Wanderung peripherwärts durch die mittlere Kernzone antraten und in nur wenig veränderter Form die äußere Mantelschicht als ihren vorläufigen Ruheort erreichten. — Dieser Process steigert sich nun mehr und mehr. Schon am 41. Tage der Entwicklung (Taf. XXI Fig. 48) finden wir ihn auf seiner Höhe. Die Abbildung entstammt einem Horizontalschnitt durch die primitive Kleinhirnfalte aus einem Stadium, das etwa den Abbildungen 4 bis 6 entspricht. Die Keimschicht (As) der Kleinhirnplatte ist jetzt geradezu übersät von Kerntheilungsfiguren, die fast ausschließlich der innern Grenz- haut anliegen. Diese außerordentlichen Proliferationserscheinungen sind schon seit geraumer Zeit durch verschiedene Autoren bekannt geworden. — In der äußeren Mantelzone (ms) finden sich bereits zahlreiche eingewanderte Zellen (iz), die nach wie vor durch ihren hellen, rundlichen Kern ins Auge fallen, während das Protoplasma, das in unregelmäßiger Formirung ohne scharfe Kontouren denselben umgiebt, nur wenig Charakteristisches bietet. Zwischen den Kernen der Mittelzone (ss) finden wir eine beträchtliche Menge jener Zellen (¢z) auf der Durchwanderung begriffen. — Im embryonalen Stützgerüst ist eine leichte Änderung eingetreten. Das Maschenwerk ist in Folge des lebhaften Durchwanderungsprocesses der indifferenten Zellen, oder auch zur Begünstigung desselben, lockerer geworden; die Sub- stanz desselben zeigt eine geringere Affinität für Farbstoffe. Wesent- lichere Modifikationen finden sich in der Struktur der Kerne der Stiitzzellen. Die großen stäbehenförmigen Nukleolen erscheinen geschrumpft und zerbröckelt. Die übrige Kernsubstanz ist zarter granulirt als vorher. Der ganze Kern ist heller und durchsichtiger; er scheint mehr denn je in einen dauernden Zustand der Ruhe über- gegangen zu sein. Die große Seltenheit, mit welcher man Kern- theilungsfiguren in dieser Schicht antrifft, scheint mir für diese Auf- fassung zu sprechen. Außerdem ist es fraglich, ob die wenigen karyokinetischen Erscheinungen dieser Zone nicht auf die jugend- 664 Alfred Schaper lichen, durchwandernden Zellen zuriickzufiihren sind, die hier einer abermaligen Theilung anheimfallend entweder als indifferente Zellen ihre Wanderung nach der Peripherie fortsetzen oder auch hier und da in wirkliche Spongioblasten umgewandelt zur Erhaltung des embryonalen Stiitzgeriistes beitragen. Wenn RAUBER (67) sagt, dass im Gebiete des Kleinhirns im Gegensatz zu den iibrigen Abschnitten des Medullarrohrs die ganze Substanz desselben bis an die Rinde von karyokinetischen Figuren durchsetzt sei, so beruht dies auf einem Irrthum, der in der An- legung von Tangentialschnitten seine Begriindung findet. Es folgt nun eine lange Periode, in welcher die Entwicklung der Kleinhirnplatte ohne wesentlich neue Erscheinungen ihren Fort- gang nimmt. Immer mehr Zellen wandern aus der Keimschicht in die Mantelzone ein, bis endlich die Energie der Keimzellen erlischt und von hier aus kein neues Material mehr geliefert wird. Am Ende dieser Periode finden wir auf einem Quersehnitt durch die Klein- hirnanlage Verhältnisse vor, wie sie uns Abbildung 49 Taf. XXI, die einem 71tägigen Forellenembryo entnommen ist, zeigt. Die morphologische Entwicklungsstufe entspricht der von Fig. 10—12 Taf. XVIII. Die lateralen Kleinhirnwülste sind schon deutlich aus- geprägt und quer durch den einen hindurch ist der Schnitt gelegt, dem die bezeichnete Abbildung entstammt. Das was uns am meisten ins Auge fällt, ist die gewaltige Aus- dehnung, welche die mit zahllosen Zellen (cz) erfüllte Mantelzone (ms) erreicht hat. Über die Hälfte der Breite der Kleinhirnanlage wird von ihr eingenommen. Sie manifestirt sich jetzt als durchaus selb- ständige Schicht. LAamousse bezeichnet diese Zone indifferenter Zellen als »Nevroglie embryonnaire«, ein Ausdruck, den ich ins Deutsche übertragen nicht acceptiren möchte, da wir in unserer Nomenclatur unter Neuroglia doch ausschließlich nur die dem Stütz- gerüst angehörigen Elemente verstehen. Besser ist die Bezeichnung Vısnar's, der diese Schicht »la couche grise embryonnaire« nennt. — Die Zellen dieser Schicht lagern in einem zarten Maschen- werk, das durch die peripheren Fortsätze der embryonalen Stütz- zellen gebildet wird. Letztere nehmen in geschlossener Lage die innere Hälfte (ss) der Kleinhirnanlage ein, nur einzelne sind in der Mantelschicht zwischen den indifferenten Zellen zurückgeblieben. Die Kerne der Stützzellen zeigen in ihrer Form und Struktur kaum be- merkenswerthe Veränderungen gegen früher. Auffallend ist die ge- ringe Zahl von Kerntheilungsfiguren (Az), die wir zu dieser Zeit in Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 665 der Keimschicht finden. Statt dessen sind die Kerne der Stiitzzellen bis an die Membrana limitans interna herangeriickt und stehen hier häufig in dichter Anordnung zusammengedrängt. Erst jetzt kann man die der inneren Grenzhaut zunächst liegenden als eigentliche Ependymzellen (epz) bezeichnen, die das Cavum cerebelli um- säumen. Während zu dieser Zeit im Rückenmark die Nervenzellen schon längst in hohem Grade ausgebildet sind und die weiße Substanz bereits eine bedeutende Entwicklung erfahren hat (Taf. XIX Fig. 36), finden wir im Kleinhirn noch nichts von alledem. Von einer Differenzirung der Zellen der Mantelschicht in Neuro- blasten und Spongioblasten kann kaum die Rede sein. Irgend welehe bestehende Unterschiede in der Formirung und Menge des Protoplasmas oder in der Struktur der Kernsubstanz sind eher auf das verschiedene Alter der Zellen als auf eine beginnende Specificirung derselben zurückzuführen. Auch VıenaL hat sich in diesem Sinne ausgesprochen. Die Untersuchung dieser Verhältnisse wird außerdem durch den Umstand wesentlich erschwert, dass das Protoplasma der in Frage stehenden Zellen im Kleinhirn eine weit geringere Affinität zu den verschiedensten Farbstoffen aufweist, als derjenigen im Rückenmark. Keine der zahlreichen in Anwendung gebrachten Methoden hat mich hier vollkommen befriedigt. — Was man sieht ist ein unregelmäßig um den runden Kern ausgebreiteter, meist recht schmaler Saum von feinkörnigem Protoplasma, das ohne deutliche Kontouren aufzuweisen nach verschiedenen Richtungen kurze Fortsätze absendet. Ob die Zellen mit diesen Fortsätzen unter einander zusammenhängen und solchergestalt ein kontinuirliches Ganze bilden, wie von LanHousse (44), Masıus (51)und Anderen behauptet wird, oder nicht, das ist so- wohlim einen wieimanderen Sinne auf diesem Entwick- lungsstadium schwer zu entscheiden. Die geringe Färbbarkeit des Protoplasmas, die ungemein dichte Lagerung der Elemente, sowie das Dazwischentreten des komplieirten Maschenwerkes der Stützsubstanz machen eine sichere Beobachtung in dieser Richtung so gut wie unmöglich. Ziehen wir jedoch unsere Befunde auf späteren Entwicklungsstadien und am ausgebildeten Kleinhirn in Betracht, so müssen wir eine solehe Auffassung ohne Weiteres von der Hand weisen; ganz abgesehen davon, dass eine Erwägung der physiologischen Thatsachen von vorn herein dagegen spricht. Die Zellen der Mantel- Morpholog. Jahrbuch. 21. 43 666 Alfred Schaper schicht liegen lediglich diehtgehäuft und mit ihren pro- toplasmatischen Fortsätzen eng in einander greifend, in den Maschenräumen des Stützgerüstes eingebettet. In diese Zeit fällt auch das erste Auftreten von Blutgefäßen (g). Man sieht sie an mehreren Orten aus dem der Oberfläche der Klein- hirnplatte anliegenden Bindegewebe in dieselbe eindringen. Taf. XXI Fig. 49 zeigt bei g einen Querschnitt durch ein solches mit darin liegendem Blutkörperchen. Die massenhafte Entwicklung indifferenter Zellen und das damit verbundene Dickenwachsthum der Mantelschicht findet nun nicht in der ganzen Ausdehnung der Kleinhirnlamelle in gleichem Maße statt. Die morphologische Entwicklung des Kleinhirns wird sehr wesentlich durch diese histogenetischen Vorgänge beeinflusst. Vornehmlich sind die um diese Zeit in Erscheinung tretenden lateralen Kleinhirnwülste der äußere Effekt jener lebhaften Zell- vermehrung. Die mikroskopische Durchmusterung eines Quer- schnittes durch die Kleinhirnlamelle giebt uns leicht Aufschluss hierüber. Taf. XIX Fig. 27 und 28 stellt den Umriss eines solchen Schnittes dar. Wir erkennen bei mf die Medianfurche, bei r/ die Recessus laterales, welche beide durch die Wucherung der Lateralwülste (/w) entstanden sind. Letztere zeigen nun bei starker Vergrößerung Verhältnisse in ihrer Schichtung, wie wir sie soeben besprochen und durch Fig. 49 Taf. XXI illustrirt haben. Je mehr wir uns aber von der Mitte der Seitenwülste der Median- furche oder dem Recessus lateralis nähern, um so mehr nimmt die Breite der Mantelschicht ab, so dass wir endlich in der Deckplatte (dp) der Medianfurehe und der Begrenzungsmembran des Recessus lateralis fast nur noch die embryonalen Stützzellen antreffen, die hier be- sonders dieht gedrängt liegen und sich durch ihre langgestreckten ¢hromatinreichen Kerne dokumentiren. Die Begrenzungsmembran aes Recessus lateralis geht schließlich in eine einfache Lage kubi- schen Epithels über, welche die Verbindung mit der Seitenwand der Rautengrube herstellt. Wir haben also hier den Beweis, dass die Modellirung der Kleinhirnoberfläche bisher wesent- lich von der stärkeren oder geringeren Entwicklung der Mantelschicht abhängig ist. r Betrachten wir ferner die Lagerungsverhältnisse der Keimzellen, so finden wir, dass dieselben über die ganze Ausdehnung der dem Ventrikel zugekehrten Fläche der Kleinhirnlamelle ziemlich gleich- mäßig verbreitet sind, folglich die Entwicklungsbedingungen für die Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 667 indifferenten Zellen in allen Bezirken des Cerebellums nahezu die- selben sind. Dies nöthigt uns zu der Annahme, dass die neuge- bildeten Zellen im Bereiche der Medianfurche und der Recessus laterales, statt nach der Peripherie zu aufzurücken, eine seitliche Wanderung antreten und so zum Aufbau der Lateralwülste wesentlich mit beitragen. Schon früher machte ich darauf aufmerksam, dass die Proli- ferationsfähigkeit der Keimzellen etwa zwischen dem 50. und 60. Tage der Entwicklung ein gewisses Höhen- stadium erreieht. Von hier an macht sich eine fortschreitende Abnahme in der Zahl der Kerntheilungsfiguren bemerkbar. Nun tritt eine sehr merkwürdige Erscheinung ein, die für die Weiterentwicklung des Kleinhirns von auBerordentlicher Bedeutung ist. Während nämlich im Laufe der Zeit die Kerntheilungsfiguren der Keimschicht im Bereich der Seitenwülste fast vollständig verschwinden, so dass wir etwa um den 90.Tag kaum eine einzige dort noch antreffen, macht sich jetzt in der Deekplatte der Medianfurche so- wie in der Umgebung der Recessus laterales eine er- höhte Proliferationsthätigkeit der hier gelagerten Zellen geltend. Wie diese Erscheinung im Einzelnen sich kund giebt und zu welchen weiteren Vorgängen sie führt, darüber belehrt uns am besten das Studium von Querschnitten durch das Kleinhirn am 90. Tage der Entwicklung. Die Abbildungen 50 und 51 Taf. XXI dienen hierbei zur Orientirung. Fig.29 Taf. XIX zunächst zeigt uns bei schwacher Vergrößerung den ganzen Querschnitt durch die Kleinhirnplatte. Die Seitenwiilste (7) sind stark entfaltet und fallen steil gegen die Mittellinie ab. Die Medianfurche (mf) ist wesentlich eingeengt und die Deckplatte (dp) ragt zapfenförmig in dieselbe hinein. Seitlich laufen die Kleinhirnwiilste unter allmählicher Verjüngung in eine abwärts gerichtete Spitze aus, die ihrerseits in die dünne Grenzmembran des Recessus lateralis (77) übergeht. In Fig. 50 u. 51 Taf. XXI finden wir die mittlere Partie der Fig. 29 Taf. XIX mit der Deekplatte der Medianfurche und die seitliche Partie mit dem Recessus lateralis bei starker Vergrößerung wiedergegeben. Betrachten wir zunächst die den Seitenwülsten zugehörigen Ab- schnitte, so fällt uns vor Allem die starke Reduktion der Ependym- zellen (epz) auf. Die Kerne der letzteren sind häufig nur in einfacher Reihe dieht neben einander gelagert an der Membrana limitans in- terna (mi) anzutreffen. Sie sind chromatiniirmer als früher und 43* 668 Alfred Schaper erscheinen beträchtlich geschrumpft. Nur hier und da findet sich noch eine vereinsamte Keimzelle zwischen ihnen. — Diese Reduktion der zelligen Elemente der embryonalen Stützsubstanz ist jedoch nur eine scheinbare, indem sie in Wirklichkeit nur aufgehört haben, eine zusammenhängende Schicht, eine Säulenschicht, wie sie Hıs nennt, zu bilden. Bei genauer Durchmusterung des Präparates finden wir nämlich, dass die übrigen Kerne zerstreut in der Mantel- schicht (ms) zwischen den indifferenten Zellen liegen, von denen sie sich dureh ihre längliche Form und die gröbere Körnung der chromatischen Substanz wohl unterscheiden. Es handelt sich jeden- falls hier weniger um eine Wanderung dieser Kerne als vielmehr um ein Dazwischenrücken der indifferenten Zellen, die bei ihrer immensen Vermehrung außerhalb der Säulenschicht nicht alle Platz fanden. Me] Ganz anders liegen die Verhältnisse in der Deckplatte der Medianfurche und in dem seitlichen sichelförmigen Fortsatz der Kleinhirnplatte, der den Recessus lateralis von oben her begrenzt. Hier sehen wir das embryonale Stützgerüst mehr oder weniger in seiner ursprünglichen Form erhalten. Die großen spindelförmigen Kerne zeigen noch denselben Charakter wie früher, in ihrem Inneren findet sich neben einem grobkörnigen Chromatin- gerüst ein langgestrecktes unregelmäßiges Kernkörperchen, das auch in mehrere hinter einander gelagerte Stücke zerfallen kann. In der Deckplatte der Medianfurche, welche die Form eines zwischen die Seitenwülste eingekeilten Zapfens trägt, hat die Siiulenschicht die Gestalt eines spitzwinkligen gleichschenkligen Dreiecks, dessen Basis durch die innere Grenzhaut der Deckplatte gebildet wird und dessen Scheitel fast die äußere Oberfläche erreicht. In dem über dem Re- cessus lateralis gelegenen Abschnitte hingegen füllt sie den sichel- förmigen Fortsatz des letzteren aus und steigt, der äußeren Grenz- membran angelehnt, unter leicht konvexem Bogen in eine Spitze auslaufend, nach oben. Das Wichtigste in der histologischen Zusammensetzung dieser beiden Kleinhirnpartien sind die zahlreichen von diesem Zeit- punkt an darin befindlichen Kerntheilungsfiguren; wir treffen sie nicht nur an der inneren Grenzhaut, sondern dureh die sanze Masse der Säulenschicht zerstreut, ja selbst noch über diese hinaus. Während also in den übrigen Theilen des Klein- hirns die Zellproliferation ins Stocken geräth, nimmt sie hier nieht nur einen unverminderten Fortgang, sondern Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 669 erfährt sogar eine Steigerung, die sich durch das Hinauf- rücken der Keimzellen in die Säulenschicht zu erkennen giebt. Diese Befunde lehren uns, dass wir in der Deckplatte der Medianfurche und in den Begrenzungsgebieten der beiden Recessus laterales drei Orte vor uns haben, von denen nunmehr das neue Material zur weiteren Entwick- lung des Kleinhirns bezogen wird. Wie gestalten sich nun die weiteren Vorgänge in Bezug auf die Ablagerung und Verwendung dieses neugebildeten Zellmaterials? Auch hierüber geben uns unsere Abbildungen den nöthigen Aufschluss. — Schon das geringe Dicken- wachsthum in den Brutstellen selbst lässt uns a priori darauf schließen, dass die neugebildeten Zellen wohl wesentlich anderswo Verwendung finden müssen, oder mit anderen Worten, dass sie von ihrem Ent- stehungspunkte fortwandern werden. Ein Blick auf die Abbildung bestätigt diese Vermuthung. Wir sehen nämlich an den genannten Orten von dem Gipfelpunkt der Siiulenschicht einen Strom von Zellen ausgehen, der sich seitlich unter der Oberfläche der Kleinhirnplatte verbreitet. Diese Zellen unterscheiden sich sehr wesentlich von denen der Mantelschicht. Ihre Kerne sind kleiner, meist von läng- lich, unregelmäßiger Form und lassen in einem dichten Chromatin- gerüst einen oder mehrere punktförmige Nucleolen erkennen. Ihre Färbung ist intensiver als die der übrigen Zellen; Protoplasma ist nicht immer mit Sicherheit nachzuweisen. — Man kann nun bei einem Vergleich verschiedener Entwicklungsstadien dieser Periode beobachten, dass die Wanderung jener Zellen von ihrem Ursprungs- orte aus unablässig fortschreitet und schließlich die aus der medianen Schlussplatte stammenden mit denen aus der Decke des Recessus lateralis etwa über der Mitte der Seitenwülste zusammenstoßen. Die Richtung der Zellwanderung ist in Fig. 29 Taf. XIX, 50 und 51 Taf. XXI durch Pfeile angedeutet. Auf diese Weise kommt es unmittelbar unterhalb der äußeren Grenzhaut (m/e) zur Bildung einer neuen Zell- schicht (sks), die kontinuirlich über die Zellen der Mantel- zone hinwegzieht. In der Nähe ihrer Ursprungsstätte sieht man die Kerne derselben meist in mehreren regellosen Lagen über ein- ander, während sie in weiterer Entfernung häufig nur einschichtig anzutreffen ist. Der Übersichtlichkeit wegen habe ich die diesbezüglichen Verhält- nisse zunächst nur auf einem Querschnitt durch das Kleinhirn be- 670 Alfred Schaper schrieben. Betrachten wir jetzt einen Längsschnitt desselben Stadiums, so nehmen wir wahr, dass auch an der Übergangsstelle des hinteren * Randes der Kleinhirnlamelle in das Velum med. post. (Taf. XIX Fig. 36*) ein solcher Ort ausdauernder Zellproliferation besteht. Auch hier sehen wir vom Gipfel eines dreieckigen Keimfeldes einen Zellstrom sich unter der äußeren Grenzhaut nach vorn zu verbreiten und mit den übrigen Zellen gleichen Ursprungs zusammenfließen. Aus der Summe dieser Befunde können wir also den Schluss ziehen, dass überall da, wo die Kleinhirnplatte in eine einfache Ependym- membran übergeht (Recessus laterales — Velum medullare posterius) oder dort, wo das Ependym in dauernder Ver- bindung mit der Oberfläche derselben bleibt (Deckplatte der Medianfurche) sich permanente Keimlager etabliren, wo die Zellproliferation noch lange fortdauert, nachdem sie in den übrigen Bezirken der Keimschicht schon er- loschen ist. Die aus diesen Keimlagern resultirende »superficielle Zell schicht« (sks) ist bei den höheren Vertebraten schon seit langer Zeit bekannt. WLAssAk (85) fand sie auch beim Frosch. Die ersten Angaben darüber stammen aus dem Jahre 1858 von Hess (30). Weitere Untersuchungen verdanken wir den Arbeiten von BESSER (9), OBERSTEINER (56 und 57), Boxy (10), DENISSENKO (15), Lusi- MOFF (49) u. A. Die Resultate dieser Autoren liefen im Allgemeinen darauf hinaus, dass jene »superfieielle Kérnerschicht« bald nach der Geburt verschwinde und durch die Molekularschicht ersetzt werde, resp. in der Bildung dieser aufgehe. Über die Abkunft der diese Schicht zusammensetzenden Zellen lagen bislang keine Beobachtungen vor. Erst in den letzteren Jahren richtete man seine Aufmerksamkeit darauf, und den Untersuchungen verschiedener Forscher, wie Löwe (48), LAHoussE (44), VIGNAL (81 und 82), BELLONCI-STEFANI (5 und 6) und Herrick (25) verdanken wir bereits werthvolle Aufschlüsse darüber, die allerdings noch vielfach im Widerspruch zu einander stehen. LanoussE, der ihnen den sehr zutreffenden Namen »cellules de renfort« gab, leitet sie ab von der » Nevroglie embryonnaire« der Medulla oblongata und lässt sie von hinten nach vorn in die Klein- hirnlamelle einwandern; VıGnAL hält sie für lymphatische Elemente, die durch die Limitans externa aus der Pia mater eindringen; Lowe, BELLONCI und STEFANI lassen sie aus dem Ependymstreifen des hinteren Marksegels (la strie épendymale du voile médullaire postérieur) hervorgehen, während HERRICK nach seinen Untersuchungen Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 671 an Säugern bereits die Vermuthung ausspricht »that possibly the lateral and caudad portion of the ventrieular surface of the cere- bellum may be the source of the proliferating superficial layer of the dorson«. — Ich glaube an der Hand meiner Beobachtun- gen, die an einwandlosen Priparaten gewonnen wurden, in der Lage zu sein, die Herrick’sche Annahme als die richtige bestitigen zu kénnen und noch dahin zu erwei- tern, dass bei den Fischen wenigstens auch die Deck- platte der Medianfurche an diesem Proliferationsprocess theilnimmt, was mir aus später anzuführenden Gründen von besonderer Wichtigkeit erscheint. Es wäre interessant, wenn für die höheren Vertebraten etwas Ähnliches nachzuweisen wäre. Was wird nun weiterhin aus jenem superficiellen Zell- streifen, was bedingt sein Auftreten und warum findet er sich, so viel wir wissen, nur im Kleinhirn? Auch diese Fragen sind bereits in verschiedener Richtung diskutirt worden und besonders die Umwandlungsprocesse der Zellen vielfach Gegenstand der Untersuchung gewesen. Die zahlreichen Kontroverse in Bezug auf den letzten Punkt lassen auf die Schwierigkeiten, die sich der Beobachtung hier ent- gegenstellen, schließen. — Bei den höheren Vertebraten kommt die superficielle Körnerschicht zu einer stärkeren Entwicklung als bei den Fischen, welche Erscheinung auf eine weitere lebhafte Vermeh- rung der eingewanderten Zellen zurückzuführen ist, wofür die zahl- reichen karyokinetischen Figuren Zeugnis ablegen. Bei den Fischen finden sich daher Kerntheilungen nur sehr vereinzelt. Die außer- ordentliche Entwicklung dieser Schicht bei höheren Wirbelthieren hat sogar eine frühzeitige Differenzirung derselben in zwei bis drei mehrreihige Zelllagen im Gefolge, die sich mehr oder weniger durch die Form und Richtung ihrer Kerne unterscheiden. Von diesen Lagen könnte man die der äußeren Grenzhaut zunächst liegende als eine Keimschicht bezeichnen, indem gerade hier die_lebhafteste Zell- proliferation stattfindet. Hierfür würden auch die jüngsten Unter- suchungen von Ramén Y CAJaL sprechen (64). Diesem Autor ge- lang es nämlich vermittels der Silberimprägnationsmethode zwei durchaus verschiedene Schichten in den oberflächlichen Körnern nachzuweisen, die er bezeichnete als: 1) »Couche superficielle ou des cellules épithéloides«; 2) »Couche profonde ou des éléments bipolaires horizontaux«. Die Zellen der ersteren Schicht gehören nach CAJAL »encore completement 4 la classe des épithéliales ecto- 672 Alfred Schaper dermiques«, während die der letzteren sich durch ihre Fortsätze bereits als Vorstufen zu Nervenzellen verrathen. Über die Ent- stehung der einen aus den anderen spricht er sich nicht näher aus. — Ich glaube nicht, dass die Epithelzellen sich an dieser Stelle unmittelbar in Nervenzellen umwandeln, sondern halte vielmehr dafür, dass sie durch Vermittelung von Keimzellen in derselben Weise, wie es oben von den pri- mitiven Entwicklungsphasen der Kleinhirnlamelle darge- stellt wurde, zunächst in der »tiefen Schicht« ein Lager indifferenter Zellen zu Tage fördern, die sich weiterhin erst zu Nervenzellen umwandeln können. Die zahlreichen Kerntheilungsfiguren sprechen für einen solchen Entwicklungsvor- gang. — Bei den Fischen liegen diese Verhältnisse viel einfacher. Von einer Anordnung der superficiellen Körner in mehrere diffe- rente Schichten kann keine Rede sein. Bei der Forelle wenig- stens fand ich sie im Stadium der höchsten Entwicklung im gün- stigsten Falle dreireihig über einander liegen, und so zwar meistens nur in der Nähe der Ursprungsstätten, während sie in weiterer Ent- fernung davon gewöhnlich nur in einfacher Lage anzutreffen waren. Auch liegen sie ganz unregelmäßig, bald zu dichten Haufen oder Ketten vereinigt, bald durch weitere Zwischenräume von einander getrennt. Die Form der Kerne ist länglich bis rund. Die Struktur ihres Chromatingerüstes variirt außerordentlich; bald ist es zart und weitmaschig, bald grobkörnig und dieht. Ich bringe diese Ver- schiedenheiten mit Altersdifferenzen und verschiedenen Stadien der Metamorphose in Verbindung. Jedenfalls sind die Kerne fast immer kleiner und dunkler gefärbt als die der Mantelzone. Wie schon oben hervorgehoben, finden sich Kernthei- lungsfiguren nur sehr vereinzelt. Ein epithelialer Charakter fehlt jenen Zellen vollständig. Der Kern ist, wie gesagt, nur von einem äußerst schmalen, unregelmäßigen Protoplasmasaum umgeben, der häufig überhaupt kaum nachzuweisen ist. In Bezug hierauf ist mir eine Angabe von SANDERS (72) von Interesse, der über das Cerebellum von Ceratodus Forsteri, das im Übrigen dem der Knochenfische sehr gleichen soll, unter Anderem Folgendes aussagt: »The external surface (of the cerebellum) is bounded by an epithelium formed of rounded cells, which carry on their external surface flat membranous expansions, corresponding to but more substantial than those found on the inner surface facing the ventricle. This exterior layer of epithelium cells ressembles the Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 673 pallisade cells (,Stiftzellen’ of Srrepa) in the Plagiostomata; but their processes which penetrate the molecular layer are much less marked.« Die Beschreibung dieser eigenthümlichen Zellen ist zwar nicht aus- fiihrlich genug, um sie ohne Weiteres den äußeren Körnerzellen homologisiren zu können. Sollten aber weitere Untersuchungen eine solehe Homologie bestätigen, so wäre diesen Zellen wohl eine andere Bedeutung zu geben, als SANDERS vermuthet, indem jetzt bekannt ist, dass die früher als »Stiftzellen« bezeichneten Elemente des Stütz- gerüstes im unteren Abschnitt der Molekularschicht liegen und von hier aus ihre radiären Fortsätze an die Oberfläche abgeben, um sie dort mit knopfförmiger Verdickung endigen zu lassen. Möglich also, dass es sich dann ebenfalls um Zellen handelt, die einem gleichen Zwecke dienen, wie unsere superficiellen Körner. Merkwürdig bleibt dann allerdings, dass wir sie bei Ceratodus wieder in Form epi- thelialer Elemente finden. Wir wenden uns jetzt zur Beantwortung unserer ersten Frage: was wird aus der superficiellen Körnerschicht? Nach hierüber angestellten Beobachtungen Ramon y Cayar's, die schon oben Erwähnung fanden, könnte es scheinen, als ob sich die Ele- mente dieser Schicht meist zu Nervenzellen umwandeln. Ziehen wir aber weiter die einschlägigen Untersuchungen früherer Autoren in Betracht, so werden durch die verschiedenen Ansichten, die uns hierbei aufstoßen, einige Zweifel rege werden müssen. BESSER (9) zunächst hält die oberflächliehen Kérner für Gliaelemente (!), die "sich zum größten Theil in Capillaren (!) verwandeln, während nur die wenigsten in die Neuroglia übergehen. SCHWALBE (75) und OBERSTEINER (56 und 57) neigen sich der Ansicht zu, sie für Bil- dungselemente der »Zwischensubstanz« anzusehen; letzterer lässt aus der oberflächlichsten Schicht derselben sogar die Basalmembran (die innersten Strata der Pia) hervorgehen. DExıssenKo (15) sieht in ihnen die Vorstufen seiner Eosinkerne der Molekularschicht, LAHousse (44) stellt‘ sie in ihrer Bedeutung den Zellen seiner »Néy- roglie embryonnaire« gleich, Vianau (81 und 82) endlich, der sie für Leukoeyten hält, schreibt ihnen somit höchstens eine Rolle bei der Bildung der Stützsubstanz zu. — Alle Beobachtungen stim- men darin überein, dass die superficielle Körnerschicht eine vorübergehende Bildung darstellt, die allmählich an Mächtigkeit abnimmt in dem Maße, als die Molekular- schieht wächst, und schließlich mit der definitiven Ent- wicklung der letzteren vollständig verschwindet. Diese 674 Alfred Schaper Erscheinung hat die meisten der Autoren veranlasst, die molekulare Substanz von den oberflächlichen Körnern direkt abzuleiten, ja die- selben in der Bildung der ersteren vollständig aufgehen zu lassen, indem sie von einer allmählichen Auflösung der betreffenden Kerne in der Molekularschicht sprechen. Auch BELLoNcı und STEFANI (5 und 6) scheinen sich dieser Auffassung noch anzuschließen. — Nach unseren heutigen Kenntnissen über die Zusammensetzung der molekularen Schicht im Kleinhirn kann von einer solchen Verwen- dung der oberflächlichen Körner wohl kaum noch die Rede sein. Wir wissen, dass die Molekularschicht nicht eine selbständig diffe- renzirte Lage darstellt, sondern dass sie einer innigen Verfilzung nervöser und protoplasmatischer Fortsätze der verschiedensten Zell- arten, die nur zum geringsten Theile der Schicht selbst angehören, ihre Entstehung verdankt. Zwar nehmen auch Gliaelemente ver- schiedener Art durch Verflechtung ihrer zahlreichen Ausläufer an dem Aufbau dieser Schicht theil, bilden aber nicht das eigentliche charakteristische Constituens derselben. Selbst also, wenn man die Entstehung dieser Stützsubstanz nach dem Vorgange vieler Autoren aus der superficiellen Körnerschicht zugeben wollte, so würde man dennoch nicht berechtigt sein, von einem Hervorgehen der Molekular- schicht aus der ersteren im eigentlichen Sinne des Wortes zu spre- chen. Die diesbezüglichen Ansichten der verschiedenen Autoren beruhen außerdem auf so ungenügenden Thatsachen, dass nichts für die Unumstößlichkeit derselben sprechen kann. Die Beobachtung der entwicklungsgeschichtlichen Vorgänge bei der Metamorphose der superficiellen Körnerschicht ist in der That mit großen Schwierigkeiten verknüpft. Jeder, der sich mit diesem Gegenstand beschäftigt hat, wird das zugeben müssen. Die hierbei stattfindenden histogenetischen Processe sind so minutiöser Natur und durch die gebräuchlichen Methoden so wenig aufzudecken, dass der Subjektivität des Einzelnen in der Deutung der Thatsachen im- merhin ein großer Spielraum gelassen wird. Auch ich wage dess- halb nieht die im Laufe meiner Untersuchung hierüber gewonnene Anschauung als jetzt schon absolut sicher hinzustellen, wenngleich ich mich dabei bemüht habe, mich nicht vom Boden der Thatsachen zu entfernen. Ich stelle daher im Folgenden meine Ansicht der Kritik der Leser mit einer gewissen Reserve anheim, in der Hoffnung, dass weitere Forschungen zweifelhafte Punkte noch aufklären werden. Um das Wesentlichste gleich vorauszuschicken, so sehe ich in der oberflächlichen Körnersehicht nichts Anderes Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 675 als eine Lage indifferenter Bildungszellen, die denen der Mantelzone in ihrer inneren Bedeutung durchaus gleichwerthig sind. Dafür spricht einmal die Gleichartigkeit der Abkunft und, so weit ich es beobachten konnte, die Gleich- artigkeit in der weiteren Entwicklung dieser Zellen. — Die An- lage einer solchen sekundären Schicht indifferenter Zellen ist bedingt durch die morphologische Entwick- lung des Kleinhirns. Schon Herrick (25) hat darauf hinge- wiesen, dass im Kleinhirn höherer Vertebraten durch die frühzeitige Anlage der centralen Marksubstanz eine direkte Wanderung der aus der Keimschicht hervorgegangenen Zellen in die Mantelzone unmög- lich gemacht sei, und sich daher von diesem Zeitpunkt an an ge- eigneteren Orten eine vikariirende Zellproduktion etabliren müsse. — Für die Fische nun würde ein soleher Grund, so plausibel er mir im Übrigen scheint, nicht stichhaltig sein, da es hier, wie bekannt, nirgends zu der Bildung einer zusammenhängenden centralen Mark- schicht kommt. Es müssen daher wohl noch andere Ursachen zur Erklärung dieser Vorgänge herbeigezogen werden. Eine der wesent- lichsten scheint mir das außerordentliche Diekenwachsthum der Kleinhirnlamelle zu sein und die dadurch bedingte Volumzunahme des Organs, zu welcher der Flächeninhalt der an die innere Grenz- membran gebundenen Keimschicht auf die Dauer nicht in ent- sprechendem Verhältnis steht. So wird einmal das Aufrücken der neugebildeten Zellen in die Mantelzone erschwert und weiterhin ver- mag das ursprüngliche Keimlager nicht mehr, den an dasselbe ge- stellten Ansprüchen zur weiteren Entwicklung des Organs zu genügen. Wenn man ferner in Betracht zieht, dass die Blutversorgung des Kleinhirns durch Einwuchern der Gefäße von der Oberfläche her stattfindet, und ferner konstatiren kann, dass die Menge der Gefäße von der Peripherie nach dem Centrum zu allmählich abnimmt, so könnte man vielleicht auch daran denken, dass bei dem excessiven Diekenwachsthum unseres Organs eine allmählich zunehmende man- gelhafte Ernährung der inneren Schichten der Kleinhirn- lamelle sich einstellt, in so fern wenigstens als sie nicht ausreicht, um eine lebhafte Zellvermehrung zu unterhalten. — Für die Fische speciell kommt endlich noch der Umstand zur Geltung, dass, wie ich früher beschrieb, durch frühzeitige Verwachsung der lateralen Kleinhirnwülste in der Medianebene der größte Theil der bisher dem Cavum cereb. zugekehrten Oberfläche des Kleinhirns in das Innere desselben hineinbezogen wird und dadurch an und für sich aufhört, 676 Alfred Schaper eine Keimschicht im früheren Sinne zu sein. Das Gebiet der pri- mitiven Zellproliferation wird sich also aus obigen Gründen von einem gewissen Zeitpunkt an auf solche Abschnitte der Kleinhirnlamelle beschränken müssen, wo der ursprüng- lichste Zustand derselben am längsten gewahrt bleibt, wo die Entfernung der Keimschicht von der Oberfläche durch zwischengeschobenes junges Zellmaterial ein bestimmtes Maß nicht überschreitet, wo, mit anderen Worten, die Ependymzellen, denen eine besondere Bedeutung als Grund- lage der Keimschicht zuzukommen scheint, mit der Ober- fläche in der ursprünglichen Verbindung bleiben. Solche Orte finden sich nun am Kleinhirn der Fische, wie wir gesehen haben. im Bereich der Medianfurche und dem später sich daraus entwickelnden Canalis cerebelli, in der Umgebung der Recessus la- terales und an dem hinteren Umschlagssaum der Kleinhirnanlage in das Ependym des Velum medullare posterius. Wir haben gesehen, dass in diesen Gebieten die Produktivität der Keimschicht nicht nur fortbesteht, wenn sie in den übrigen Abschnitten bereits im Er- löschen ist, sondern sogar eine erhöhte Energie erkennen lässt, in- dem wir die ganze Ependymschicht mit karyokinetischen Figuren durchsetzt finden. Wir haben ferner diese Gebiete als die Ursprungs- stätten der superfieiellen Körnerschicht erkannt und dürfen nunmehr daraus schließen, dass es sich im Erscheinen dieser Schicht lediglich um eine durch morphologische Verhältnisse be- dingte äußere Modifikation des bisherigen, prineipiell glei- chen Entwicklungsprocesses handelt, der kein anderes Ziel hat, als ein zunächst noch indifferentes Zellmaterial zum weiteren Aufbau des Kleinhirns zu produeiren und in geeigneter Weise abzulagern. Von diesem Gesichtspunkte er- scheint mir auch die Lanousse’sche Bezeichnung »cellules de ren- fort« für jenes Zelllager außerordentlich zutreffend. — Man könnte mir jetzt den Einwurf machen, dass sich die Zellen der äußeren Körnerschicht von denen der Mantelzone besonders durch die Form und Struktur ihrer Kerne und Reaktion auf Farbstoffe doch zu sehr unterscheiden, als dass man sie für gleiehartige Gebilde ansehen könnte. Ich muss dagegen anführen, dass diese Differenzen im Grunde genommen nicht so bedeutend und jedenfalls nur von vor- übergehender Natur sind. Ich habe schon verschiedentlich darauf hingewiesen, dass nach meinen Beobachtungen auf die momentane Struktur einer jugendlichen indifferenten Zelle, besonders auf die Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 677 Eigenschaften ihres Kernes, kein zu großer Werth gelegt werden darf. Gerade der letztere spielt in den Lebenserscheinungen der Zelle, wie bekannt, eine hervorragende Rolle, die sich durch Um- lagerung seiner chromatischen Bestandtheile häufig genug kund giebt und der Struktur derselben nicht eher ein dauerndes typisches Ge- präge verleiht, als die Zelle in den Zustand ihrer definitiven Be- stimmung eingetreten ist, obgleich auch jetzt noch je nach dem Funktionszustande (HEIDENHAIN) ganz bestimmte Vorgänge im Inneren des Kernes zu beobachten sind. Die durchaus gleiche Abkunft und Entstehungsweise der ober- ‘fliichlichen Körner und der Zellen der Mantelschicht legt von vorn herein den Gedanken an eine gleiche Bestimmung derselben nahe. Die bestehenden Unterschiede in Bezug auf die Kerne sind nach meiner Meinung lediglich auf verschiedene Entwicklungsphasen und auf vorübergehende Funktionen derselben, wie Wanderung, Anpas- sung an die Umgebung ete. zurückzuführen. Ich habe außerdem mich überzeugen können, dass zwischen den sich intensiv färbenden Kernen der superfieiellen Zellschicht mit dichtem, grobkörnigen Kern- geriist und jenen hellen, mit zartem Chromatinnetz und charakteri- stischem Nucleolus ausgestatteten Kernen der Mantelzone alle Über- gänge, sowohl in ersterer Schicht selbst als besonders beim Wandern der Zellen in oder durch die Molekularschicht nachzuweisen sind. Ein Unterschied zwischen den Fischen und den höheren Vertebraten besteht darin, dass bei letzteren die Zellen sich in verschiedenartige Lagen differenziren, während sie bei ersteren in den verschiedenen Stadien der Metamorphose ohne Anordnung durch einander liegen. — Was endlich den Punkt anbetrifft, dass man bei den Säugern die der äußeren Grenzhaut anliegende Schicht der oberflächlichen Körner aus epitheloiden Elementen (RAMON Y CAJAL) zusammengesetzt findet, so wird dies mit der höheren und komplicirteren Entwicklung des Säugerkleinhirnsin Zusammenhang zu bringen sein. Bei der kolossalen Oberfliichenausbildung (Faltenbildung) kann hier un- möglich noch von den Ursprungsstätten der superfieiellen Körner aus durch direkte Produktion der nöthige Bedarf an Zellmaterial geliefert werden. Es wird daher zunächst nach allen Seiten unter der Oberfläche hin ein neues Keimlager vorgeschoben, das sich ähnlich wie in den frühesten Zuständen an der Limitans interna durch jene charakteri- stische periphere Zone von Keimepithel dokumentirt, aus der erst sekundär die gewaltige Schicht indifferenter Zellen hervorgeht. Eine 678 Alfred Schaper weitere Stiitze fiir diese Auffassung sind die zahlreichen Kernthei- lungsfiguren, die vornehmlich in der epitheloiden Schicht der super- ficiellen Körner anzutreffen sind. Bei den Fischen hingegen haben wir es in dieser Zone, wenngleich noch vereinzelte Karyokinesen darin nachzuweisen sind, nieht mit einer Keimschicht im eigentlichen Sinne des Wortes zu thun, sondern mit einem Komplex weiter ent- wickelter Zellen, welche zum größten Theil direkt den oben be- schriebenen Quellen entsprungen sind und nach längerer oder kürzerer Wanderung ihrer definitiven Differenzirung entgegengehen. — Über das weitere Schicksal dieser Zellen später. Ehe ich jedoch weiter gehe, möchte ich noch auf die Möglichkeit hinweisen, dass diese zu einem gewissen Zeitpunkte einsetzende Modifikation in der Entwick- lung der Rindensubstanz des Kleinhirns auch an anderen voluminö- seren Hirntheilen aus denselben Gründen zur Verwendung kommt, wenn auch vielleicht in etwas anderer Form, wodurch sie sich der Beobachtung bisher entzog. Hierauf geriehtete Untersuchungen wären gewiss von Interesse. Für das Rückenmark fällt selbstverständlich bei der einfachen morphologischen Gestaltung desselben das Be- dürfnis einer solchen Entwicklungskomplikation fort. Wir haben für das Entwicklungsstadium, auf dem sich das Kleinhirn jetzt befindet, noch die Besprechung einiger weiterer Veränderungen und neu aufgetretener Erscheinungen nachzuholen. Zur Orientirung hierüber verweise ich nochmals auf die Abb. 50 und 51 Taf. XXI. — Von Interesse ist besonders das Erscheinen von zarten Fa- serzügen, die noch ohne eine bestimmte Anordnung die Kleinhirn- platte vornehmlich im Bereich der Seitenwülste durchziehen und zweifellos nervöser Natur sind. In unseren Abbildungen präsen- tiren sie sich theils der Länge nach, theils quer durchschnitten. Wir haben es danach also mit dem ersten Auftreten von Nervenbahnen zu thun, was eine bereits stattgefundene Differenzirung von Nervenzellen voraussetzt. Alle meine Bemühungen, um mir über diese Differenzirungsprocesse, die sich vermuthlich zwischen dem 70. und 90. Entwicklungstage ab- spielen, eine genügende Anschauung zu verschaffen, waren fruchtlos. Nirgends konnte ich mit Sicherheit das Hervorsprossen eines Achsen- cylinderfortsatzes aus irgend einer Zelle konstatiren, wie es im Riickenmark so leicht gelingt. Wohl sah ich hier und da den zar- ten Protoplasmahof einer Zelle sich in einen längeren spitzen Fort- satz ausziehen, der sich bald in dem dichten Maschenwerk der weiteren Verfolgung entzog: nichts aber bot mir Garantie, dass ich Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 679 es in solehem Fortsatz mit dem Hervorsprossen eines Achsencylinders zu thun hatte. Ja es war mir selbst am 90. Entwicklungstage, wo doch die Differenzirung der bisher indifferenten Zellen in Neuro- blasten und Spongioblasten bereits weit vorgeschritten sein muss, kaum möglich, die verschiedenen Elemente nach der Struktur der Zellen und speciell der Kerne zu unterscheiden. Das einzig Cha- rakteristische, was ich zur Unterscheidung einer künftigen Nerven- zelle auf diesem Stadium etwa anführen könnte, ist das Vorhanden- sein eines deutlichen Protoplasmahofes und die zartere Struktur des Kerngerüstes, das einen runden intensiv gefärbten Nucleolus in sich einschließt. Im Gegensatz hierzu wären als vermuthliche Spongio- blasten diejenigen Elemente zu bezeichnen, an denen ein Proto- plasmasaum nur schwer nachzuweisen ist und deren Kern ein dichtes, grobkörniges Chromatingeriist und meist mehrere unregelmäßige Nu- cleolen enthält. Die bezüglichen Abbildungen lassen diese Diffe- renzen unter den Elementen der Mantelschicht erkennen. Die außer- dem noch in der Mantelzone befindlichen länglichen Kerne habe ich früher schon als darin zurückgebliebene Ependymelemente (sz) der reducirten Säulenschicht bezeichnet. Um hier gleich einer eventuellen Vermuthung meiner Leser entgegenzutreten, dass es sich in diesen Ependymzellen etwa um die Mutterzellen der späteren Gliazellen handeln könnte. will ich an dieser Stelle schon hervorheben, dass mich meine weiteren Untersuchungen von dem allmählichen Unter- gange der meisten dieser Zellen belehrt haben, worauf ich später noch zurückkommen werde. Ich bedaure, dass meine Mittheilungen gerade über diese wich- tigen Momente in der Differenzirung der specifischen Elemente des Kleinhirns so dürftig und lückenhaft sind. Es bleibt hier der For- schung noch Vieles zu thun übrig. Besonders zur Bekräftigung der Hıs’schen Neuroblastentheorie wäre es von höchstem Interesse, auch für das komplieirt gebaute Kleinhirn einen gleichen Vorgang in der Entwicklung der nervösen Zellen und nervösen Leitungs- bahnen nachweisen zu können. Alle bisherigen Untersuchungen über die Metamorphose der in- differenten Zelle der Mantelzone zeigen etwas Unsicheres in der Darstellungsweise, erscheinen vielfach gekünstelt oder jedenfalls arg beeinflusst durch die subjektive Auffassung der einzelnen Autoren. Besonders der Bestätigung bedürftig erscheinen mir die Angaben von Lanousse (44), der aus jenem Strukturgewirr seiner »Névroglie embryonnaire« doch zu viel Details mit allzu großer Sicherheit heraus- 650 Alfred Schaper zulesen scheint. Er unterscheidet nämlich nicht weniger als vier scharf charakterisirte Zellarten darin und schreibt Folgendes darüber: »La nevroglie embryonnaire, partout ot elle existe mais 4 des de- grés variables suivant les besoins anatomiques se différencie en quatre: types de cellules. Le premier est le type primitif et fondamental. Lorsquwil nest pas appelé 4 une évolution supérieure, c'est a dire a se transformer en un des trois autres types, ils se kératinisera et formera la nevroglie centrale. Le deuxiéme type engendrera les. nerfs (wohl gemerkt nur die Nervenfasern!). Le troisiéme type formera les membranes capsulaires et des fibres nerveuses de moin- dre et entortillées en forme de plexus, comme dans la couche gra- nulée du cervelet (nerfs du deuxiéme ordre). Le quatriéme type donnera naissance aux cellules nerveuses ganglionnaires. — Ces. quatre especes de cellules névrogliques restent reliées les une aux autres. Ainsi done la masse nerveuse centrale, depuis son état embryonnaire primitif (névroglie embryonnaire) jusqu’a l’achevement de ses différents degrés de différenciation (névroglie, nerfs et cel- lules nerveuses ganglionnaires) ne cesse jamais de former un tout continu. « Alles Dieses sah LaHousse bereits bei einem Hühnerembryo von 7 Tagen. Ich kann mich hier nicht darauf einlassen, die detaillirte- Beschreibung dieser Vorgänge wiederzugeben. Doch muss ich ge- stehen, dass ich an meinen Objekten, zu denen auch Schnitte durch Hühnerembryonen des entsprechenden Alters zum Vergleich hinzu- gezogen wurden, trotz sorgfältigster Konservirung und Untersuchung mich von der Lamousse’schen Anschauung nicht überzeugen konnte; wie ich es denn überhaupt für unmöglich halte, mit unseren heu- tigen Methoden positiv Sicheres über die Differenzirungsvorgänge dieses Stadiums, in solchem Umfange wenigstens, aus dem Präparate. herauslesen zu können. Besonders bemerkenswerth ist, dass La- HOUSSE die Ganglienzellen und die Nerven aus verschiedenen Zellen sich entwickeln lässt und dass er, wie schon früher bemerkt. einen dauernden Zusammenhang zwischen allen aus der »embryonalen Neu- roglia« hervorgehenden Elementen annimmt. Natürlicher, wenn auch mit weniger Thatsachen hervortretend, scheinen mir die Beobachtungen Vıenar's (81 und 82). Seine Dar- stellung der primitiven Entwicklungsvorgänge bezieht sich zwar in größerer Ausdehnung auf das Rückenmark (Säuger), doch erkannte er den Entwicklungsmodus des Kleinhirns in diesen Stadien jenen als vollständig gleich. Auch er beobachtete wie Lanousse und ich Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 681 zunächst das Entstehen einer indifferenten Zellschicht aus dem Neuro- Epithel, die er als »substance grise embryonnaire« bezeichnet. Nur bei Acanthias sah er, dass schon beim Entstehen der Zellen der »substance grise« aus der epithelialen Keimschicht sogleich eine Differenzirung der Elemente einsetzt, die ihre Bestimmung zu Ner- venzellen oder Gliazellen erkennen lässt. Die anfänglichen Ver- schiedenheiten in den Kernen dieser Schicht führt er bei Säugern und Vögeln, wie ich bei den Knochenfischen, ebenfalls nur auf Altersdifferenzen zurück, indem sie auf einem gewissen späteren Stadium sich vollständig ausgleichen. Auch das Protoplasma dieser Zellen ist schließlich vollständig gleich: »Il est mou, il émet des prolongements de sa substance et ne possede pas des contours nets comme c'est le propre de presque toutes les cellules embryonnaires.« Und weiter sagt er: »Ce sont les cellules qui se transformeront entre le 2. et le 5. mois de la vie uterine (chez le mouton) en cellules nerveuses et en cellules de la névroglie; mais avant de subir cette transformation la difference qui existe pendant la premiere période de leur éyolution entre leurs noyaux disparait.« — Die erste Differen- zirung zweifelloser Ganglienzellen sah ViGNAL im Rückenmark eines Schafembryos von 45 mm Liinge. — Die Entwicklung der Neuroglia- elemente hingegen aus den übrigen indifferenten Zellen konnte er erst bei einem Schafembryo von 100 mm Länge konstatiren. Somit erklärt sich auch VIGnAL sehr entschieden gegen eine so frühzeitig wahrzunehmende Differenzirung der embryonalen grauen Substanz, wie sie Lamousse und Bor (10) beschreiben, zumal im Kleinhirn diese Processe noch weit schwieriger zu verfolgen sind. — Bemerkens- werth ist, dass VicNaL in Anbetracht der weiteren enormen Vermeh- rung der Elemente der Mantelzone und bei der Seltenheit der in derselben zu beobachtenden Mitosen seine Zuflucht zu einem an- deren Modus der Kerntheilung, der nicht auf Karyokinese beruhe, nehmen zu müssen glaubt. Auf welche Art nun die Zellvermehrung hier eigentlich vor sich gehen soll, darüber spricht sich VıGwaL nicht näher aus und konnte auch durch Beobachtung nichts darüber fest- stellen. — Es käme wohl nur noch die Theilung durch Kernseg- mentirung in Betracht. Ganz abgesehen jedoch davon, dass bei so primitiven und physiologischen Entwicklungsprocessen an diesem Modus der Zellvermehrung schwerlich zu denken ist, werde ich später noch Gelegenheit nehmen zu zeigen, dass wir auch ohne Zu- hilfenahme solcher Hypothese die weitere Entwicklung des Nerven- systems, und zwar durch mitotische Theilung gewisser Zellen der Morpholog. Jahrbuch. 21. 44 682 Alfred Schaper Mantelschicht, wohl verstehen können. — Weitere Untersuchungen über die Histogenese des Kleinhirns (Säuger und Vögel) stammen von BELLONCI-STEFANI (5 und 6) und VALENTI (79). Sie befassen sich weniger mit den uns hier interessirenden frühzeitigen Diffe- renzirungserscheinungen. Obige Betrachtungen zeigen, dass unsere bisherigen Beob- achtungen über diese Entwicklungsvorgänge thatsächlich recht unbe- friedigend sind und, da es zu sehr an positiven Thatsachen fehlt, der persönlichen Spekulation einen weiten Spielraum lassen. Es ist zu hoffen, dass weitere Forschungen Licht in dieses Dunkel bringen; denn es handelt sich hier um Fragen von hoher biologischer Bedeutung. Trotz dieser beträchtlichen Lücke in meinem Untersuchungs- gange bin ich dennoch in der Lage, über die weiteren Entwicklungs- vorgänge bezüglich der feineren Struktur des Kleinhirns eine Anzahl von Thatsachen vorzubringen, die z. Th. nachträglich noch zur Er- klärung vorher unverständlicher Erscheinungen beitragen können. — Wir wenden uns zur Betrachtung eines etwa 20 Tage älteren Entwicklungsstadiums, wo zuerst, wie ich gleich vorausschicken “ will, eine deutliche Differenzirung zwischen PuRKINJE- und Kérnerschicht wahrzunehmen ist. Die morphologische Entwick- lung ist etwas weiter vorgerückt als uns die Abbildung 18 Taf. XVIII zeigt; in so fern nämlich, als die beiden lateralen Kleinhirnwülste bereits begonnen haben, in der Mittellinie mit einander zu verwach- sen und der Canalis cerebelli in Bildung begriffen ist (Taf. XIX Fig. 33 ce). — Die der folgenden Beobachtung zu Grunde liegenden Präparate entstammen einer jungen Forelle vom 110. Entwick- lungstage und 17mm Länge. Dieselbe war vor zehn Tagen ausgeschlüpft. Eine Serie von Schnitten, die in schräger Richtung, etwa senkrecht zu der vorderen Kleinhirnwand angelegt waren, be- lehrt uns, dass die Verwachsung der Seitenwülste progressiv von hinten oben nach vorn unten stattfindet (vgl. die Abbildungen 31, 32 und 33 Taf. XIX). Betrachten wir von diesen Schnitten zunächst einen solchen, wo die Seitenwülste in der Mittellinie sich eben innig berühren, d. h. wo ein Spalt zwischen ihnen nicht mehr bemerkbar ist, die Ependym- ‚zellen jedoch, welche der bisher frei ins Cavum cerebelli schauen- den Limitans interna anlagern, noch deutlich zu erkennen sind, so fällt uns vor Allem die veränderte Beschaffenheit der Kerne dieser Ependymzellen auf. Zwar liegen sie noch jederseits dicht gehäuft Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 683 in geschlossener Reihe und lassen so die Verwachsungsnaht der beiden Wiilste deutlich erkennen; ihre Struktur jedoch ist gegen früher stark verändert. Ihre Form ist unregelmäßig, das Chromatin- gerüst zerfallen und für Farbstoff wenig empfänglich; sie erscheinen als durchsichtige, bläschenförmige Gebilde, mit einem Worte als Kerne, die ihrem Untergange entgegengehen. In der That sehen wir denn auch an Schnitten, wo die vollständige Verwachsung der Seitenwülste erfolgt ist, keine Spur mehr von diesen Ependymzellen. Sie haben aufgehört zu existiren. — Dieselbe Metamorphose und dasselbe Endschicksal erleiden nun jene Ependymzellen, welche bei dem allmählichen Wachsthum der Mantelzone in diese mit hinein- bezogen sind. Auch sie gehen nach meinen Beobachtungen meist zu Grunde, ohne etwa vorher der zukünftigen Neuroglia als Mutter- zellen gedient zu haben, und charakterisiren sich hiermit lediglich als Elemente eines vorübergehenden embryonalen Stütz- gertistes. Nur diejenigen Ependymzellen bleiben er- halten, welche zeitlebens den Binnenraum des Central- nervensystems begrenzen. — Was endlich die Behauptung einzelner Autoren anbetrifft, dass die Ependymzellen bei den Fischen vermittels ihrer peripheren Fortsätze stets mit der Limitans externa in Verbindung bleiben, so kann ich ein solches Verhalten vorläufig nur für die Valvula cerebelli konstatiren. In allen voluminöser ent- wickelten Hirntheilen ist dies jedenfalls nicht der Fall. Welche Veränderungen haben sich nun inzwischen in der ursprünglichen Mantelzone zugetragen? Zum ersten Male können wir mit Sicherheit von einer Differenzirung in dieser Schicht sprechen (Fig. 52 Taf. XXI). Wir bemerken auf den ersten Blick zwei deutlich von einander getrennte Zellschichten (ps und gs), die sich durch die Größe und Struktur ihrer Zellen unterscheiden. Außerhalb der Mantelzone, dicht unter der Membrana limitans externa, lagert nach wie vor die superficielle Körnerschicht (sks), welche jetzt den Gipfel ihrer Entwicklung erreicht hat und sich durch intensive Färbung ihrer Kerne, die hier und da karyo- kinetische Figuren zeigen, scharf von den tiefer gelegenen Schich- ten abhebt. Von einer Molekularschicht ist noch nichts zu sehen. Unmittelbar an die oberflächliche Körnerzone schließt sich eine mehrreihige Lage großkerniger Zellen (ps), die sich eben aus der Mantelzone differenzirt haben. Spätere Entwicklungsstufen belehren uns, dass die Elemente dieser Schicht sich überwiegend zu PurkınJE-Zellen umwandeln; ich nenne 44* 684 Alfred Schaper sie daher die PurkınJaE-Schicht. Die Kerne der in Frage stehenden Zellen haben gewöhnlich eine ovale Form, zeichnen sich durch die Zartheit ihres Chromatingerüstes aus und besitzen meist ein einziges excentrisch ‘gelegenes Kernkörperchen. Ihre ~~ Ähnlichkeit mit Nervenzellkernen ist evident. Das Protoplasma ist deutlicher und reichlicher vorhanden, als wir es bisher an den Zellen der Mantelzone konstatiren konnten. Es ist dicht granulirt und zeigt größere Affinität zu Anilinfarben; die Kontouren sind undeutlich. Hier und da sieht man unregelmäßige Fortsätze nach verschiedenen Richtungen aus dem Zellleib hervorgehen. Nirgends war ich im Stande, irgend einen dieser Fortsätze mit Bestimmtheit als Achsen- eylinder der Zelle in Anspruch zu nehmen, obgleich das Vorhanden- sein typischer Faserbündel schon auf der jetzigen Entwicklungsstufe die Existenz derselben postulirt. Man müsste sonst annehmen, dass die bisher im Kleinhirn aufgetretenen Nervenfasern lediglich solchen entsprechen, die von außen her durch die Pedunculi cerebelli hin- einwuchsen. Physiologische Gründe lassen mir eine solche Annahme zwar wenig gerechtfertigt erscheinen. Eine Entscheidung darüber ist noch nicht möglich, zumal unsere Kenntnisse über die zeitliche Aufeinanderfolge in der Entwicklung der einzelnen Elemente einer Reflexbahn, der Neuronen erster, zweiter, dritter Ordnung etc. noch so gut wie Null sind. Auch die übrigen Autoren haben die Ent- stehung des Achsencylinders der PurKInJE-Zellen nicht beobachten können. VicNaL (81 und 82) lässt sogar die protoplasmatischen Fortsätze früher entstehen als die nervösen. Vielleicht dass auch | ihm nur die rechte Methode fehlte, um die Achsencylinder schon bei ihrem ersten Auftreten zur Anschauung zu bringen. — Zwischen den Zellen der PurKInJE-Schicht findet sich ein dichtes Gewirr zarter Fasern. Ob dieselben vorwiegend nervöser Natur oder mehr der Stützsubstanz zuzurechnen sind, auch darüber geben mir zu diesem Zeitpunkt meine Methoden keinen sicheren Aufschluss. Die Kerne der inneren Schicht (gs) der Mantelzone sind in der Mehrzahl wesentlich kleiner und heben sich außerdem durch ihre dunklere Färbung von denen der Außenschicht deutlich ab. Sie haben meist eine rundliche Gestalt (92). Die dunklere Färbung ist bedingt durch die Dichte und gröbere Struktur ihres Chromatin- gerüstes. Viele besitzen ein einziges Kernkörperchen, während andere mehrere derselben in unregelmäßiger Form und Lagerung erkennen lassen. Das Protoplasma ist nur in Spuren und nicht immer mit Sicherheit nachzuweisen. Auch in diesem Verhalten zeigt sich ein Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 685 charakteristischer Unterschied zwischen den beiden Zelllagen der Mantelzone. Wir haben in diesen letztbeschriebenen Zellen zweifel- los die typischen Elemente der späteren Körnerschicht der Klein- hirnrinde vor uns. Die Weiterentwicklung bestätigt dies. Außer diesen Elementen befinden sich nun aber sowohl in der Körnerschicht (wie ich sie jetzt schon nennen werde) als in der PURKINJE-Schicht eine Anzahl von Zellen, die sich bei genauerer Betrachtung besonders durch das Verhalten ihres Kernes wesentlich von den übrigen unterscheiden. Die einen besitzen meist etwas oblonge sehr dunkel gefärbte Kerne (g/z) mit äußerst dichtem Chromatingerüst, das den Inhalt desselben sogar homogen erscheinen lassen kann, während die anderen einen großen hellen Kern (=) enthalten, der durchaus noch an diejenigen der bisherigen indiffe- renten Zellen der Mantelzone erinnert. Der Protoplasmasaum ist bei beiden nur sehr gering und scheint namentlich bei ersteren eine Anzahl zarter Fortsätze auszusenden. — Ich glaube nun, dass wir es in jener Zellkategorie (g/z), die sich durch ihre dunkeln läng- lichen Kerne charakterisirt, mit den ersten aus der indifferenten Zellschicht hervorgegangenen Gliaelementen zu thun haben, die nach dem Verschwinden der Ependymzellen nunmehr dazu bestimmt sind, das Neurogliagerüst für das sich weiter entwickelnde Klein- hirn zu bilden. Die übrigen Zellen (?z) hingegen, die durch die Struktur ihres Kernes an die früheren indifferenten Zellen er- innern, sind thatsächlich noch als solehe aufzufassen. — Es ist zunächst nicht anzunehmen, dass die bisher indifferenten Zellen der Mantelzone sich sämmtlich mit einem Schlage zu den typischen Ele- menten der Kleinhirnrinde umwandeln, sondern wahrscheinlicher, dass diese Metamorphose sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Außerdem scheint mir die Erhaltung eines gewissen Be- standes, einer Reserve von indifferenten Zellen auf be- stimmte Zeit hinaus oder vielleicht für die Dauer des gan- zen Lebens des Individuums ein nothwendiges Postulat zu sein, um die Entwicklung des gesammten Centralnerven- systems bis zum ausgebildeten Zustande, den weiteren Fortbestand und etwaige regenerative Processe erklären zu können. Der vorhandene Vorrath indifferenter Zellen reicht trotz der bisherigen steten Zufuhr von Seiten der superficiellen Kérnerschicht, deren Ursprungsquellen auch bald versiegen, gewiss nicht aus, um durch einfache Metamorphose das gesammte Zell- material zum Aufbau des Centralnervensystems zu liefern. Wir sind 686 Alfred Schaper also zur Erklärung dieser späteren Entwicklungsvorgänge genöthigt, auf eine weitere Propagation des bisherigen Zellmaterials zu recur- riren. Wo haben wir die Quelle einer solchen Zellvermehrung zu suchen? Sollen wir annehmen, dass die bisher gebildeten und in Funktion befindlichen Ganglien- und Gliazellen im Stande sind, auf dem gewohnten Wege der Zelltheilung sich weiterhin zu vermehren? Ich glaube nicht! Ich vermag mir wenigstens nicht vorzustellen, wie man vom heutigen Standpunkt unseres Wissens über die Be- ziehungen von Nervenzelle und Nervenfaser den Theilungsvorgang an einem Neuron aufzufassen hätte. Soll sich die Theilung etwa auf die ganze Nervenfaser mit ihren zahllosen Verästelungen er- strecken, oder soll bei der Theilung die Faser zu Grunde gehen und die beiden neu entstandenen Zellindividuen je einer neuen Faser den Ursprung geben? Erstere Annahme wäre von vorn her- ein in das Bereich der Unmöglichkeit zurückzuweisen, letztere würde einen vorübergehenden funktionellen Ausfall einer Anzahl von Neu- ronen zur Folge haben, der sich mit dem Fortbestand der physio- logischen Thätigkeit des Nervensystems wohl kaum vereinigen ließe. Niemand hat meines Wissens bisher (wenigstens unter normalen physiologischen Verhältnissen) eine Kerntheilungsfigur in einer Ner- venzelle gesehen. Die einmal gebildeten Neurone, also alle Nervenzellen, die ihre specifischen Fortsätze ent- wickelt haben, sind als feste, unwandelbare, typische Elemente des Nervensystems anzuseben, die erst in höherem Alter des Individuums einer gewissen Dege- neration anheimfallen. — Ein gleiches glaube ich von den Gliazellen annehmen zu dürfen. Auch sie scheinen mir etwa nach Art fixer Bindegewebszellen von dem Augenblicke an ihre Propaga- tionsfähigkeit zu verlieren, wo sie ihre specifische Funktion über- nommen haben, ganz gleichgültig welcher Art dieselbe sei. — Wir haben also nach einer anderen Quelle der Zellvermehrung zu suchen. Da nun, wie schon erwähnt, der Succurs von Seiten der superficiellen Körnerschicht auch bald ins Stocken geräth, noch ehe das Kleinhirn seine definitive Entwicklung erreicht hat, so verweist uns die Überlegung schließlich auf die wenigen zwischen den typi- schen Elementen zurückgebliebenen nicht differenzirten Zellen als die einzigen, die von einem gewissen Zeitpunkt an das Geschäft der Zellproliferation weiter führen können, um für den ferneren Ausbau der Centralorgane das nöthige Material zu liefern. Man würde sie dem entsprechend mit Recht als »Myelocyten« im Sinne der Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 687 Autoren (CHATIN, 12) bezeichnen können. Es treten nun in der That mit fortschreitender Reduktion der superficiellen Körnerschicht dureh die ganze Dicke des Kleinhirus von Neuem Kerntheilungserscheinungen auf (Taf. XXI Fig. 53 und 54), die sich durch allerdings nicht sehr zahlreicheaber sehr regelmäßig anzutreffende Mitosen kennzeichnen. Es ist natürlich im mikroskopischen Bilde schwer zu entscheiden, auf welche der verschiedenartigen dichtgedrängten Zellen jene karyokinetischen Figuren zurückzuführen sind. Obige Überlegung allein ließen sie mich per exclusionem zu dem Rest der indifferenten Zellen in Beziehung bringen. Die Zellen sämmtlicher Schichten der Kleinhirnrinde — wir zählen deren jetzt drei — liegen in den Maschen eines dichten Faserwerks, das schwer zu entwirren ist, jedenfalls aber jetzt schon Neuroglia- und Nervenfasern gemischt enthält. In der Schicht der oberflächlichen Körner (sks) ist dies Maschenwerk am weitesten und zartesten, wahrscheinlich in Folge der dort noch sehr lebhaften Bewegungserscheinungen der Zellen. Die Membrana limitans ex- terna (mle) ist sehr deutlich differenzirt; hier und da sieht man von ihrer Unterfläche unter rechtem Winkel zarte Fasern abgehen, die mit konischer Anschwellung an der Grenzhaut beginnend, durch die Körnerschicht hindurch in das Innere des Kleinhirns hineinziehen, wo sie bald dem Auge entschwinden. Die Kerne der superficiellen Körnerschicht (s/s) erscheinen kleiner und meist dunkler gefärbt als vorher (vgl. Fig. 50 und 51 Taf. XXI). Ihre Gestalt variirt sehr; bald sind sie rund, bald länglich, bald polygonal. Eine bestimmte, diesen Formen entsprechende Anord- nung ist nicht vorhanden. Die Mehrzahl der Kerne zeigt ein äußerst dichtes, hier und da mit Nucleolen ausgestattetes Chromatingerüst, nur wenige haben eine zartere Struktur, wodurch sie heller als die Übrigen erscheinen. An verschiedenen Orten befinden sich Kern- theilungsfiguren. Diese Veränderungen in der Größe, Form und Färbbarkeit der in Frage stehenden Kerne im Vergleich zu früheren Stadien ist, wie schon angedeutet wurde, auf eine vorübergehende Accommodation an ihre jeweiligen Lebensfunktionen, wie Wanderung, Vorbereitung zur Proliferation, Metamorphose zu indifferenten oder bereits specialisirten Zellen (Neuroblasten und Spongioblasten) ete. zurückzuführen. Dass dieser Zustand wirklich nur ein vorübergehen- der ist, werden wir bei späteren Entwicklungsvorgiingen erfahren. Fig. 53 Taf. XXI giebt uns einen Querschnitt dureh die 688 Alfred Schaper Kleinhirnrinde einer etwa zehn Tage älteren Forelle von 18 mm Länge. Zunächst fällt uns ins Auge die inzwischen zu starker Entwicklung gelangte Molekularschicht (mls). Die ober- flächliche Körnerschicht (sks) und die Schicht der PurKInJE-Zellen (ps) werden dadurch weit aus einander gedrängt. Welchen Vorgängen verdankt nun die Molekularschicht ihre Entstehung? Unterwerfen wir zur Lösung dieser Frage zu- nächst die benachbarten Schichten einer Betrachtung, so drängen sich vor Allem die an den Zellen der PurkınJE-Schicht zu kon- statirenden Veränderungen unserem Interesse auf. Während vor- her die hier lagernden großen hellen Kerne einen unregelmäßigen, wenig kontourirten Protoplasmahof besaßen, lässt sich jetzt bei den meisten ein bestimmtes Prineip in der Gestaltung des Protoplasmas wahrnehmen. Wir sehen das Protoplasma mehr oder weniger nur an einem Pole des Kernes, und zwar demjenigen, der der Mole- kularschicht zugewandt ist, angehäuft und sich peripherwärts in einen Conus ausziehen, der in die letztgenannte Schicht hineinragt, um sich hier einer weiteren Verfolgung bald zu entziehen. Wir haben es in dieser Erscheinung mit dem ersten Auftreten der proto- plasmatischen Fortsätze zu thun, welche durch ihre charakteri- stische Form jene Zellen als wirkliche PurkınJE-Zellen mani- festiren. Es ist nun zweifellos, dass diese Protoplasmafortsätze schon mit ihrem ersten Entstehen ein wesentliches Moment für die Entwicklung der Molekularschicht bilden. — Wie betheiligen sich nun die superficiellen Körner an dem Aufbau dieser Schicht? Ich habe schon oben darauf hingewiesen, dass die früheren Autoren geneigt waren, lediglich die Zellen dieser Zone als die Bil- dungselemente der Molekularschicht in Anspruch zu nehmen. Ich habe ferner gezeigt, wie nach unserem heutigen Wissen von der Struktur und Deutung dieser Schicht solche Ansichten ohne Weiteres von der Hand zu weisen sind, zumal diejenige, nach welcher sich die Molekularschicht aus den Derivaten, ja den Zerfallsprodukten (!) der oberflächlichen Körner zusammensetzen soll. Wir wissen heute — um dem Entwicklungsgange vorzugreifen —, dass sich die Mole- kularschieht des Kleinhirns hauptsächlich aus einer Verfilzung von Fasern sowohl nervöser und protoplasmatischer Natur als solchen des Stützgerüstes zusammensetzt; wir wissen, dass nicht nur die PuRrKINJE-GOLGI- und Korbzellen, sondern sogar außerhalb des Kleinhirns gelegene Zellen sich mit ihren Fortsätzen an diesem Faserfilz betheiligen. Nur wenige zellige Elemente finden sich Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 689 in der Molekularschicht selbst. Von dem Vorhandensein einer spe- cifischen »Zwischensubstanz« im Sinne der älteren Autoren ist unter diesen Verhältnissen völlig zu abstrahiren. Es liegt keine Be- rechtigung vor, die Molekularschicht als eine selbständige, indivi- dualisirte Schicht des Kleinhirns anzusehen. — Was für einen Antheil an der Bildung der Molekularschicht sollen wir nun nach diesen Thatsachen der superficiellen Körnerschicht zuerkennen? Es steht fest, dass mit zunehmendem Wachsthum der Molekularschicht die oberflächlichen Körner progressiv an Menge abnehmen, um schließ- lich vollständig zu verschwinden, oder richtiger gesagt, aufzuhören eine geschlossene Schicht zu bilden. Ein Vergleich der Fig. 52 und 53 Taf. XXI veranschaulicht jenen Vorgang. Diese Erscheinung, d.h. das gleichzeitige Wachsthum der Molekularschicht und die Reduktion der Körnerschicht haben die früheren Autoren besonders veranlasst, beide Schichten mit einander in genetische Verbindung zu bringen. Nach meinen Beobachtungen beruht das allmähliche Ver- schwinden der superficiellen Körnerschicht lediglich auf einem Auswandern der sie zusammensetzenden Elemente. Diese Wanderung beginnt schon beim ersten Auftreten der Schicht (Fig. 50 und 51 Taf. XXI), und zwar in der Richtung von der Pe- ripherie in das Innere der Kleinhirnlamelle hinein, noch ehe die Molekularschicht sich entwickelt hat. Ob nun die centralwärts wandernden Zellen zwischen die Elemente der Mantelzone eindringen oder sich nur von außen derselben adponiren, das ist bei der immer größer werdenden Ähnlichkeit beider Zellkategorien schwer zu ent- scheiden. Jedenfalls ist mir in hohem Grade wahrscheinlich, dass bei höheren Vertebraten die enorme, durch Faltenbildung bedingte Oberfliichenausbreitung nur durch ein excessives Flächenwachsthum der periphersten Schichten des Kleinhirns erklärt werden kann, das seinerseits wieder auf ein Dazwischenrücken, auf eine Ein- keilung der superficiellen Körner zwischen die peri- pheren Körner der Mantelzone zurückzuführen ist. -— Eine centrale Wanderung der in Frage stehenden Zellen besteht also zweifellos und nimmt auch nach Einsetzen der Entwicklung der Molekularschicht durch letztere hindurch ihren Fortgang. Abbil- dung 53 Taf. XXI zeigt uns in der Molekularschicht zerstreut eine Anzahl von Kernen, die in ihrer Struktur alle Übergangsstadien von den extremsten Formen der oberflächlichen Körner zu denen der ursprünglichen indifferenten Zellen zeigen: es sind die auf der Wanderung und in der Metamorphose begriffenen Elemente der 690 Alfred Schaper superficiellen Körnerschicht. Nur die wenigsten derselben bleiben in der Molekularschicht zurück, die Mehrzahl (besonders bei höheren Vertebraten) dringt zwischen die Schicht der PuURKINJE- und Körner- zellen ein, um als echte »cellules de renforts« an der weiteren Ent- faltung dieser sich zu betheiligen. Wenngleich ich mich wiederholt für den indifferenten Cha- rakter der superficiellen Körner ausgesprochen habe und diese An- nahme durch verschiedene Argumente bestätigt zu haben glaube, so wäre es doch zu viel gewagt, nach den bisherigen Beobachtungen nun auch über das weitere Schicksal dieser Zellen etwas Bestimmtes auszusagen. Die Mangelhaftigkeit unserer Methoden und die zu- nehmende Komplicirtheit des Organs lassen uns bei der Ergründung dieser Vorgänge noch weniger klar sehen als vorher. Nur Eines glaube ich nicht, dass nämlich nach der Ansicht verschie- dener Autoren die Elemente dieser Schicht berufen seien, nur ganz bestimmten Zell- kategorien (etwa den Pur- KINJE-Zellen, den Glia- zellen der Molekularschicht etc.) den Ursprung zu geben. Der absolut indiffe- rente Charakter der- selben setzt siein den Stand, in gleicher Weise wiedie ursprünglichen Zellen der Mantelzone alle für die Central- organe typischen Ele- mente, ob Nervenzel- len, ob Gliazellen, aus sich hervorgehen zu lassen. Wenn man irgend P wo Anhaltspunkte fiir eine Schematischer dorso-ventraler Längsschnitt durch das - . A . Kleinhirn eines 6 Monate alten Lachses. (Nach Gousı- gewisse Specificirung Jener RehaS ten bom binirs.) Zellen finden könnte, so wäre dies in der Molekularschicht. Hier ist es allerdings sehr wahrschein- lich, namentlich nach den Untersuchungen von Ramon y CAJAaL (64), dass die in dieser Schicht zurückgebliebenen Zellen jenen dort befind- N . Bo Du © oO == Cy Zu 2-0 2 nt Se aes Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 691 lichen sternförmigen Nervenzellen (Textfigur I mz.) den Ursprung geben. Eben so könnte man vielleicht die radiären Gliafasern (rg?) der Molekularschicht, deren zugehörige Zellkörper in oder über der PuRKINJE-Schicht anzutreffen sind (Fig. 53 und 54 rgl Taf. XXI), von ihnen ableiten. Dieses wären alsdann die einzigen Elemente der superficiellen Körnerzone, die sich di- rekt an der Zusammensetzung der Molekularschicht be- theiligen. Im Bereich der Körnerschicht (Fig. 53 gs Taf. XXI) sind im Vergleich zum vorigen Stadium bemerkenswerthe Veränderungen kaum zu konstatiren. Nur die Differenzirung der verschiedenen Elemente derselben ist weiter vorgeschritten. An den Körnerzellen (gz) bemerkt man hier und da kurze Fortsätze nach verschiedenen Richtungen abgehen; die Kerne der Gliazellen (g/z) fallen durch ihre dunkle Färbung ins Auge und die der indifferenten Zellen (zz) unterscheiden sich durch ihre Größe und zarte Chromatinstruktur leicht von den übrigen. — Die letzte Entwicklungsstufe, die ich hier zur Beschreibung bringe, entspricht einer sechsmonatlichen Forelle. In gleicher Weise wie die morphologische Entwicklung des Kleinhirns (Fig. 19, 20 und 21 Taf. XVIII) hier bereits ihren Abschluss erreicht hat, kann auch die Histogenese in ihren principiellen Grundzügen als beendet betrachtet werden. Ich habe dieses Stadium schon früher mit Hilfe der Silberimprägnationsmethode der Untersuchung unter- zogen und seiner Zeit im Anatomischen Anzeiger (73) darüber Mit- theilung gemacht. Indem ich auf diese Arbeit verweise, kann ich mich hier damit begnügen, noch kurz auf die Veränderungen ein- © zugehen, welche die Kleinhirnrinde im Laufe der letzten acht Wochen erfahren hat, und an der Hand des nebenstehenden Schemas (Text- figur I) zu versuchen, die Verhältnisse, wie sie sich an einem mit Hämatoxylin-Eosin gefärbten Präparate nach vorheriger Fixation in Sublimat präsentiren, mit denen am Gorsrschen Bilde in Uberein- stimmung zu bringen. — Zunächst ist auffallend, dass sämmtliche Kerne, vielleicht mit Ausnahme derer, die den indifferenten Zellen angehören, sich allseitig verkleinert haben. Es ist dies übrigens eine Erscheinung, die häufig bei der Zellmetamorphose, d. h. wäh- rend des Überganges jugendlicher Zellen in ihren definitiven Funk- tionszustand, zur Beobachtung kommt. — Die protoplasmatischen Fortsätze der PurkınJE-Zellen (Fig. 54 Taf. XXI) sind deutlicher markirt und weiter in die Molekularschicht zu verfolgen als vorher, 692 Alfred Schaper hier und da sieht man die Anfänge ihrer dichotomischen Veräste- lung, die im GorsI-Bilde (Textfigur I pz) mit so viel größerer Klarheit hervortritt. Nur selten sieht man am entgegengesetzten Pole der Zelle den Achsencylinderfortsatz in Form eines kurzen Spitzchens abgehen. Das umstehende Schema belehrt uns über das wahre Verhalten desselben. — In der Schicht (ps) der PURKINJE- Zellen sind ferner noch folgende Elemente zu unterscheiden: 1) Zellen, deren Kern denen der PurkınJE-Zellen durchaus gleicht, die jedoch nach entgegengesetzten Seiten je einen deut- lichen Fortsatz von zweifellos protoplasmatischer Natur, und zwar in horizontaler Richtung, absenden (Fig. 54 Taf. XXD. Ich glaube, dass wir es hier mit Zellen zu thun haben, die denen in der Text- figur I mit mz, bezeichneten entsprechen, welche wahrscheinlich den Korbzellen höherer Vertebraten gleichwerthig sind. 2) Zellen (Fig. 54 iz Taf. XXI), deren Kerne jene der PuRKINJE- Zellen an Größe übertreffen und sich durch die Zartheit ihres Chro- matingerüstes sowie den Mangel eines ausgesprochenen Nucleolus von den letzteren wohl unterscheiden. Von Protoplasma sind kaum Spuren vorhanden. Sie liegen in größeren Hohlräumen des um- | gebenden Maschenwerks eingebettet und heben sich durch dieses Verhalten sowie die geringe Färbbarkeit des Kernes sehr scharf gegen die übrigen Elemente der Schicht ab. Ich halte dieselben für indifferente Zellen, die entweder aus der ursprünglichen _ Mantelzone stammen oder aus der superficiellen Körnerschicht ein- gewandert sind. 3) Gliazellen (Fig. 54 rg/ Taf. XXI), die durch die intensive Färbung ihres Kernes ohne Weiteres ins Auge fallen. An einzelnen gelingt es, eines kurzen homogen erscheinenden peripheren Fort- satzes ansichtig zu werden, wodurch sie sich als die Zellkörper jener radiären Gliafasern (BERGMANN’sche Fasern) kund geben, die in der Textfigur I (7g/) sich in ihrer ganzen Ausdehnung präsentiren. Außerdem findet sich zu. dieser Zeit eine nicht unbeträchtliche Zahl von Mitosen in der PURKINJE-Schieht, die ich von den in- differenten Zellen ableite. Die molekulare Schicht (Fig. 54 mls Taf. XXI), die vorher nur undeutlich granulirt erschien, zeigt jetzt eine ausgeprägte Ra- diärstreifung. Dieselbe ist zum größten Theil auf die Ausbildung der protoplasmatischen Fortsätze der Purkryve-Zellen und die radiären Gliafasern zurückzuführen. Über die feineren Struk turver- hältnisse der Molekularschieht geben uns die gewöhnlichen Färbungs- Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 693 methoden keine Aufschliisse. Gorst'sche Präparate hingegen be- lehren uns, dass, wie die Textfigur im Schema zeigt, außerdem die aufsteigenden Achseneylinder der Körnerzellen, die rückläufigen Äste der Achseneylinder der PurkinJE-Zellen, die Endbäumehen von Fasern unbekannter Herkunft (ed), die aufsteigenden Proto- plasmazellen der Korbzellen (mz,) und der Gorsı-Zellen (gz) an dem Aufbau derselben theilnehmen. Die leichte Horizontalstreifung, welche hier und da auch in Fig. 54 Taf. XXI in der Molekularschicht wahrzunehmen ist, ist auf die sich gablig theilenden und dann parallel der Oberfläche des Kleinhirns verlaufenden Achseneylinder der Körnerzellen zurückzuführen. — Die in der Molekularschicht zurückgebliebenen Kerne entsprechen den sternförmigen Nervenzellen (mz) der Textfigur I. Ich habe schon oben bemerkt, dass ich diese Zellen aus der superficiellen Körnerschicht abzuleiten geneigt bin. Letztere Schicht findet sich ais einfache, häufig unterbrochene Zellreihe noch immer an der Oberfläche des Kleinhirns. Hier und da sind noch Kerntheilungsfiguren in derselben anzutreffen. Erst bei einjährigen Forellen konnte .ich das vollständige Ver- schwinden dieser interessanten Schicht konstatiren. Was endlich die Kérnerschicht (Fig. 54 gs Taf. XXI) angeht, so lassen sich hier noch mit größerer Deutlichkeit jene drei Zell- kategorien unterscheiden, die ich schon in dem vorigen Stadium be- schrieb. Körner- (gz) und Gliazellen (g/z) sind kleiner geworden, erstere haben oft eine polygonale Gestalt. An beiden lassen sich kurze zarte Fortsätze beobachten, das Chromatingerüst ist dichter als vor- her und die Färbbarkeit der Kerne dadurch noch wesentlich erhöht. Von den charakteristischen in die Molekularschicht aufsteigenden Achseneylinder der Körnerzellen ist in Fig. 54 Taf. XXI nichts zu sehen. Hierüber, sowie über die wahre Form der Körner- (4z) und Gliazellen (sg!) giebt uns die Abbildung I den nöthigen Aufschluss. Auch die als indifferente Zellen (iz) bezeichneten Elemente finden sich nach wie vor in der Körnerschicht. Ihre Kerne haben die frühere Größe und Struktur beibehalten und heben sich daher um so auffallender von ihrer Umgebung ab. Eben so wie in der Pur- KINJE - Schicht sind auch hier Mitosen zu beobachten. — Am wenigsten habe ich über die Entstehung der Gouer- Zellen ins Klare kommen können. Zwar sind zu dieser Zeit Zellen (Fig. 54 * Taf. XXI) vorhanden, die ihrer Lage, ihrer Größe und ihrer rela- tiven Menge nach, sowie in Bezug auf die Struktur ihrer Kerne. die denen der PurkinJE-Zellen gleichen, wohl als solche an- 694 Alfred Schaper gesehen werden könnten, doch fehlen mir weitere Anhaltspunkte, um sie nach den Befunden an Präparaten, die nach gewöhnlichen Methoden fixirt und gefärbt waren, mit Bestimmtheit als GoL6I- Zellen zu bezeichnen. Dass dieselben in diesen Stadien bereits in typischer Form ausgebildet vorliegen, davon überzeugten mich meine Untersuchungen an GoL6I-Präparaten, wie die Textfigur I (gz) zeigt. Über das durch alle Schichten der Kleinhirnrinde verbreitete, sich immer mehr verdichtende und komplieirende Faserwerk, wie es sich in den vorliegenden Präparaten zeigt, noch eine Auseinander- setzung folgen zu lassen, wäre ein zweckloses Unternehmen. Jeder- mann weiß, dass hier nur die Goxersche Methode den nöthigen Aufschluss ermöglicht. Ich begnüge mich daher, nochmals auf die Textfigur und auf meine darauf bezüglichen Mittheilungen im Anat. Anzeiger (73) zu verweisen. — Es würde mich zu weit führen, wollte ich im Folgenden noch die Verschiedenheiten der histologischen Zusammensetzung und den Faserverlauf in den einzelnen Abschnitten des ausge- bildeten Kleinhirns einer eingehenden Besprechung unterziehen. Es liegt dies außerhalb der Grenzen meiner Aufgabe. Zur Kenntnis- nahme dieser Verhältnisse verweise ich auf die Arbeiten von FRITSCH (17), SANDERS (70 und 72), Mayser (52), Le Roux (69), GORONO- wITscH (23), Hott (38) und Herrick (25, 26 und 27). Nur aufEiniges möchte ich an der Hand der Abbildungen 39—40 (Taf. XIX und XX) hier noch hinweisen. — Von besonderer Wichtig- keit ist zunächst das Bestehen des Canalis cerebelli, wie er sich uns auf dem Medianschnitt (Fig. 39 cc Taf. XIX) und auf Quer- schnitten (Fig. 42 und 43 ce Taf. XX) präsentirt. Er zeigt überall ein deutliches Lumen, und stärkere Vergrößerung belehrt uns, dass er rings von Ependymzellen umgeben ist. Während diese Ependym- zellen jedoch nach dem Centrum des Kleinhirns, also nach der Körmerschicht zu, in nur einfacher Lage sich finden (etwa wie in Fig. 50 und 51 epz Taf. XXI im Gebiet der Lateralwülste), liegen sie peripherwärts in mehreren Schichten über einander und er- reichen sogar die Oberfläche des Kleinhirns; sie sitzen solcherge- stalt auf dem Querschnitt (Fig. 42 und 43 Taf. XX) dem Canalis cerebelli wie eine Kappe auf. Auf einem Medianschnitt (Fig. 39 Taf. XIX) hingegen geben sie die Veranlassung zu jenem zierlichen Zellmosaik, wie es die beigegebene Abbildung zeigt. Vom Gipfel dieser etwa dreieckigen, sich stark färbenden Ependymleiste sehen wir nun ferner (Fig. 42 und 43 Taf. XX) nach beiden Seiten hin Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 695 jenen uns als superficielle Körnerschicht (sis) bekannten Zellstreifen abgehen und unter der Oberfläche des Kleinhirns mit allmählicher Verdünnung sich ausbreiten. Bei stärkerer Vergrößerung finden wir außerdem eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Kerntheilungsfiguren in der Ependymleiste. — Alles in Allem haben wir also in diesem peripheren Begrenzungsgebiet des Canalis centralis noch Verhältnisse vor uns, wie wir sie seiner Zeit (Fig. 50 Taf. XXI) in der Deck- platte der Medianfurche antrafen, die ja, wie uns die Entwicklungs- geschichte gelehrt hat, thatsächlich jenem genannten Gebiet ent- spricht. Oder mit anderen Worten, wir sehen, dass noch bis jetzt in der Umgebung des Canalis cerebelli sich ein Ort lebhafter Zell- proliferation erhalten hat, dem die superficielle Körnerschicht ihren Fortbestand verdankt. Da nun das Erhaltenbleiben von Keimzellen, wie wir im Vorigen gesehen haben, scheinbar an die Existenz von Ependymzellen und das Leben dieser wiederum an die Nachbarschaft des Gehirnbinnenraums gebunden ist, so geht hieraus die Bedeu- tung des Fortbestehens des Canalis cerebelli für die Er- haltung der Zellproliferation evident hervor. — Auch die Re- cessus lat. (Taf. XX Fig. 42 77) haben gleiche Bedeutung. Auch aus ihrer Umgebung sehen wir zu dieser Zeit noch die superficiellen Körner ihren Ursprung nehmen. — Der Canalis cerebelli kann lange erhalten bleiben. Ich habe ihn, wenn auch stark reducirt, noch bei dreijährigen Fischen angetroffen. In anderen Fällen mag er früher obliteriren. Jedenfalls hat er seine Bedeutung verloren, sobald die superficielle Körnerschicht verschwindet. Die Verschiedenheiten in der Vertheilung der Mole- kular-, PuRKINJE- und Körnerschicht in den einzelnen Ab- schnitten des Kleinhirns ergiebt ohne Weiteres ein Vergleich der Abbild. 40—43 Taf. XX. Es geht ferner aus den Abbildungen mit Deutlichkeit hervor, dass sich nirgends im Kleinhirn der Fische ein geschlossenes Marklager findet. Selbst die Peduneuli cerebelli (Taf. XX Fig. 40 pe) enthalten zu dieser Zeit nur isolirte Faserbündel. — Besonders bemerkenswerth sind noch: in Fig. 39 und 40 (Taf. XX und XXI) die Kreuzung des Nervus trochlearis (zZ), in Fig. 41 (Taf. XX) die Kleinhirnkommissurenfasern (cf), und in Fig. 42 (Taf. XX) die Schrägschnitte durch Markbündel (md), die aus der Kleinhirnkappe in die Peduneuli ziehen. — Was endlich — um diesen Punkt noch kurz zu berühren — meine Stellung zur Frage über die Herkunft der Neuroglia an- 696 Alfred Schaper betrifft, so geht aus der obigen Darlegung meiner beziiglichen Be- obachtungen bereits hervor, dass ich ihr lediglich einen ektoder- malen Ursprung zuerkenne. Das gesammte Gliamaterial des definitiven Stiitzgeriistes entwickelt sich aus den indifferenten Zellen der Mantelzone und der superficiellen Körnerschicht, aus denen auch andererseits die Nervenzellen hervorgehen. Das ursprüngliche »em- bryonale Stützgerüst« geht bis auf die zu eigentlichen Ependymzellen sich umwandelnden Elemente mit aller Wahrscheinlichkeit frühzeitig zu Grunde; jedenfalls ist die spätere Neuroglia nicht davon abzu- leiten. — Leukocyten oder Wanderzellen bindegewebiger Abkunft, welche die in die Kleinhirnsubstanz eindringenden Blutgefäße begleiten, finden lediglich zur Bildung der Gefäßadventitia Verwendung und sind nicht zu dem specifischen Stützgerüst des Centralnervensystems in Beziehung zu bringen. — Wenn Vianau (81 und 82) von einem Einwandern von Leukocyten in das Kleinhirn durch die aufgelockerte Membrana limitans externa spricht und sogar Abbildungen von diesen Vorgängen giebt, so wurde er wahrscheinlich durch mangelhaft kon- servirte Präparate zu diesen irrthümlichen Schlüssen verleitet. In der That kann man an Schnitten durch Präparate, die mit KLEINENBERG- scher Flüssigkeit oder mit Chromsalzen fixirt wurden, in Folge der stark auflockernden und dissociirenden Wirkung dieser Agentien (worauf ich schon in der Einleitung aufmerksam machte) Bilder erhalten, die der VicNAv’schen Darstellung sehr gleichen. Bedient man sich jedoch des Sublimats oder der FLEmurne’schen Flüssigkeit als Fixa- tionsmittel, so kann man sich mit Leichtigkeit davon überzeugen, dass die äußere Grenzhaut überall in continuo erhalten ist und nir- gends Spuren einer Einwanderung von Leukocyten aus der Pia mater in die Kleinhirnsubstanz, abgesehen von den Stellen, wo Blutgefäße eintreten, anzutreffen sind. — Durch obige falsche Beobachtung wurde VıGnAL auch verleitet, die Herkunft der superficiellen Körnerschicht auf jene einwandernden Leukocyten zurückzuführen. Beim Abschluss dieser Arbeit nehme ich Gelegenheit, meinem verehrten Chef, Herrn Professor Sréur, für das Interesse, das er meinen Untersuchungen zu Theil werden ließ, meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 697 Résumé. 1. Die morphologische Entwicklung. Das Kleinhirn der Knochenfische geht aus einer bilateral- symmetrischen Anlage hervor, die einmal durch einen ausge- prägten Einfaltungsprocess des Nervenrohrs an der Grenze zwi- schen Mittel- und Hinterhirnbläschen, und zweitens durch zunehmen- des Dickenwachsthum des Abschnittes jener so entstandenen Falte, der zum Mutterboden des zukünftigen Cerebellums bestimmt ist, be- dingt wird. Die Einfaltung beginnt in den Seitentheilen des Medullarrohrs und geschieht in transversaler Richtung; sie schreitet nur allmählich dorsalwärts gegen die Mittellinie vor und ist hier kaum angedeutet, wenn sie zu beiden Seiten bereits tief in‘ den Binnenraum des Gehirnrohrs hineinragende Vorsprünge gebildet hat, vermittels welcher die jetzige Rautengrube scharf gegen die , vorderen Hirntheile abgesetzt wird. — Die hinteren Schenkel dieser bilateral-symmetrischen Falten, welche den IV. Ventrikel nach vorn zu begrenzen, bilden nun die Grundlage für die Entwick- lung des Kleinhirns, als welche sie sich bald durch ein von unten nach oben fortschreitendes Dickenwachsthum dokumentiren. Nach Entfernung der Rautengrubendecke präsentiren sich diese late- ralen Wülste, von hinten gesehen, als zwei mit breiter Basis vom Boden des IV. Ventrikels zu beiden Seiten des Sulcus centralis auf- steigende Pfeiler, die oben durch eine nur schmale Brücke verbunden, sich gewölbeartig gegen einander neigen. Sie umfassen solcher- gestalt einen schmalen, seitlich ausgebuchteten Spalt. der die hintere Öffnung des zukünftigen Aquaeductus Sylvii darstellt. — Erst jetzt wird auch die Decke des Gehirnrohrs in höherem Maße in diesen Einfaltungsprocess hineinbezogen. Nun ist aber wesentlich, dass die der Mittellinie be- nachbarten Theile dieses Abschnittes der Deckplatte in ihrem Diekenwachsthum stets beträchtlich hinter den seitlichen, ursprünglicheren Theilen des Klein- hirns zurückbleiben, dass somit letztere allein die Hauptmasse zum Aufbau des späteren Organs liefern, während die sekundäre Einfaltung des Mittelstückes namentlich die Veranlassung zu jener für das Fisch- gehirn so charakteristischen Bildung der Valvula cere- belli giebt. Morpholog. Jahrbuch. 21. 45 698 Alfred Schaper Die große Ähnlichkeit dieser frühesten Entwicklungsvorgänge mit den entsprechenden Erscheinungen bei höheren Vertebraten und beim Menschen (vgl. die Hıs’schen Modelle) lassen jene geläufige Auffassung (oder wenigstens Ausdrucksweise), nach welcher das Kleinhirn der höheren Wirbelthiere wesentlich aus einer Verdiekung der Decke des Hinterhirnbläschens, also aus einer medianen Anlage hervorgehen soll, als unrichtig erscheinen. Weitere Untersuchungen haben hier noch Aufklärung zu schaffen. : In der Folge nun neigt sich die bisher senkrecht zur Längs- achse des Hirnrohres gestellte Kleinhirn-Mittelhirnfalte mehr und mehr nach hinten, so dass die Kleinhirnanlage jetzt schräg über den vorderen Abschnitt der Rautengrube zu liegen kommt. Die Seitentheile des Cerebellums wuchern in außer- ordentlichem Maße und hängen bald als zwei mächtige Wülste in den IV. Ventrikel herab. In Folge des weit geringeren Dicken- wachsthums des Mittelstückes fassen sie solchergestalt eine. tiefe, zunächst noch breite Medianfurche zwischen sich, die nach unten in die Rautengrube hinein sich öffnet. — Während bislang diese Theile des Kleinhirns nach Entfernung der Rautengrubendecke von hinten her sichtbar waren, beginnt jetzt der hintere, in das Velum med. post. übergehende Rand der Kleinhirnplatte als dünne Lamelle nach unten zu wuchern und so die Kleinhirnanlage in ein kappen- artiges Gebilde umzuwandeln, in dessen Hohlraum, den ich als Ca- vum cerebelli primitivum bezeichnet habe, die Seitenwülste (do) eingeschlossen sind. Letztere nehmen weiterhin an Ausdehnung zu und engen das Cavum cerebelli mehr und mehr ein. Die Median- furche wird bald auf einen schmalen Spalt redueirt und schließlich kommt es in der Mittellinie zu einer centralen Verwachsung der Seitenwülste. Aus diesen Vorgängen resultirt das Entstehen eines engen Kanals, der als letzter Rest der früheren Median- furehe dicht unter der Oberfläche des Kleinhirns verläuft und mit seinem vorderen und hinteren Schenkel mit dem stark reducirten Cavum cerebelli kommunicirt. Die Erhaltung dieses Kanals bei den Verwachsungsprocessen im Inneren des Kleinhirns ist von großer Bedeutung für die histogenetische Ent- wieklung unseres Organs. Ein »Centralkanal« im Sinne der früheren Autoren existirt im Kleinhirn der meisten Fische nicht. Wenn, wie beispielsweise beim Hecht, ein Centralkanal in der eigentlichen Bedeutung des Wortes doch vorhanden ist, so findet sich der eben beschriebene Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 699 oberflächliche Kanal stets daneben. Der Centralkanal repräsentirt lediglich eine außergewöhnlich weit ins Innere des Kleinhirns hin- einragende Fortsetzung des Cavum cerebelli. Was endlich die Homologie des Teleostierkleinhirns mit dem Cerebellum der höheren Vertebraten anbetrifft, so haben mir meine Untersuchungen gezeigt, dass dieselben entwicklungsgeschichtlich durchaus gleichwerthig sind. Die Hemisphären der höheren Wirbelthiere sind epigenetische Gebilde, die in früheren Ent- wicklungsphasen noch nicht begründet liegen. 2. Die histologische Entwicklung. 1) Ein prineipieller Unterschied zwischen »Keimzellen« und Epithelzellen im Medullarrohr (im Hıs’schen Sinne) ist nicht vorhanden. Die von Hıs als Keimzellen bezeichneten Elemente sind nichts Anderes als junge oder in Theilung begriffene Epithelzellen der ektodermalen Uranlage. 2) Erst von einem gewissen Zeitpunkt ab gehen aus diesen »Keimzellen« nicht mehr Epithelzellen, sondern eine Generation indifferenter Zellen hervor, die durch die Epithelschicht des Medullarrohrs peripheriewärts hindurchwandern, um zwischen dieser und der Limitans externa sich abzulagern (Mantelzone). 3) Aus diesen indifferenten Zellen gehen später so- wohl Nerven- als Gliazellen hervor. Die Zeit des Eintrittes jener Metamorphose variirt in den verschiedenen Abschnitten des Centralnervensystems außerordentlich; am frühesten scheint sie im Rückenmark zu beginnen. Im Kleinhirn ist noch nichts davon wahr- zunehmen, wenn im Rückenmark die Differenzirung bereits weit vor- geschritten ist. 4) Die anfänglich den Hauptbestandtheil des gesammten Me- dullarrohrs ausmachenden Epithelzellen bilden — jedenfalls in Bezug auf das Kleinhirn — nur ein transitorisch-embryo- nales (vielleicht auch phylogenetisch jüngeres) Stützgerüst. Die dem Binnenraum des Hirnrohrs zunächstliegenden werden zu Epen- dymzellen; nur diese bleiben im Kleinhirn zeitlebens erhalten, während die übrigen meist zu Grunde gehen. An ihre Stelle treten die aus den indifferenten Zellen hervorgegangenen Glia- zellen, die nunmehr den Aufbau des definitiven Neurogliagerüstes übernehmen. 45* 700 Alfred Schaper 5) Die Elemente der transitorischen superficiellen Körner- schicht des Kleinhirns entstehen iiberall da, wo die typische Klein- hirnsubstanz in eine einfache Epithelschicht (Ependymzellen) übergeht, oder wo die ursprüngliche Epithelschicht erhalten und mit der Ober- fläche des Kleinhirns in Verbindung bleibt. Solche Orte finden sich im Cerebellum der Knochenfische an dem Übergange des Klein- hirns in das Velum medullare posterius (Taf. XVII Fig. 9, 10 u. 12 *), in der Umgebung der Recessus laterales (Taf. XVIII Fig. 17 und 1877) und in der Deckplatte der Medianfurche (Taf. XVIII Fig. 17 und 18 dp), aus welcher sich später der Canalis cerebelli entwickelt. Von diesen Orten aus verbreiten sie sich durch Wanderung über die ganze Oberfläche des Kleinhirns (s. in Fig. 18 Taf. XVIII die Richtung der Pfeile). 6) Die superficiellen Körner sind ebenfalls indifferente Zellen von genau der gleichen Natur wie die der Mantelzone. Auch aus ihnen gehen sowohl Nervenzellen als Gliazellen hervor. Sie treten von dem Augenblicke auf, wo die Zellproliferation in der ursprünglichen, der Membrana limitans interna anliegenden Keim- schicht aus verschiedenen Gründen ins Stocken geräth. Solcher- gestalt repräsentiren sie einen Succurs indifferenter Zellen, deren Entstehungsweise und oberflächliche Lagerung durch die mor- phologische Entwicklung und voluminöse Entfaltung des Kleinhirns bedingt ist. 7) Das spätere Verschwinden der superficiellen Körner- schicht beruht auf einer allmählichen centralwirts gerichteten Aus- wanderung der sie zusammensetzenden Elemente. Dieselben ge- sellen sich zu den indifferenten Zellen der Mantelzone und betheiligen sich mit diesen in durchaus gleicher Weise an der weiteren Diffe- renzirung der Kleinhirnsubstanz. 8) Die superficielle Körnerschicht scheint mir von großer Bedeutung für die Oberflächenausbildung des Kleinhirns, speciell für die Faltenbildung desselben zu sein. Dafür spricht der Umstand, dass diese Schicht in dem windungsreichen Kleinhirn höherer Verte- braten weit mächtiger entwickelt ist, als beispielsweise bei Fischen und Amphibien, wo das Cerebellum eine glatte Oberfläche besitzt. 9) Das gleichzeitige Verschwinden der superficiellen Körnerschicht und das Auftreten der Molekularschicht sind zwei vollständig von einander unabhängige, neben einander hergehende Er- scheinungen. — Wahrscheinlich ist höchstens, dass etwa die sternförmigen Ganglienzellen und die radiär-faserigen Gliaelemente Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 701 der Molekularschicht direkt aus der oberflächlichen Körnerschicht abzuleiten sind. 10) Bei der fortschreitenden Differenzirung des Kleinhirns bleibt eine gewisse Anzahl indifferenter Zellen von der Meta- morphose ausgeschlossen. Dieselben können sich von Neuem durch Karyokinese vermehren und so das nöthige Material an Nerven- und Gliazellen für den weiteren Aufbau des Kleinhirns bis zu seiner definitiven Ausbildung liefern. Vielleicht sind auf die dauernde Erhaltung eines gewissen Bestandes solcher indifferenter Zellen etwaige Regenerationserscheinungen im Centralnerven- system zurückzuführen. 11) Das gesammte Neurogliageriist des Kleinhirns ist ent- wicklungsgeschichtlich auf die indifferenten Zellen und jenen Theil der urspriinglichen Epithelzellen des Medullarrohrs zuriickzufiihren, die als Ependymzellen erhalten bleiben; es ist also durchaus ekto- dermaler Abkunft. — Die wenigen Elemente bindegewebiger Natur, die mit den Blutgefäßen (und nur auf diesem Wege) in das Kleinhirn einwandern, finden nur in der Gefäßadventitia Verwendung. Zürich, den 31. Januar 1894. Litteraturverzeichnis. 1) Acassız, Histoire naturelle des poissons d’eau douce de l’Europe centrale. Embryologie des Salmones. Neuchätel 1842. 2) R. Aurmann, Über embryonales Wachsthum. Leipzig 1881. 3) E. BALrour, A Monography on the development of Elasmobranch Fishes. 1878. 4) BAUDELOT, Recherches sur le systéme nerveux des poissons. 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Für alle Figuren gültige Bezeichnungen. ags Aquaeductus Sylvii, eb Cerebellum, ce Canalis cerebelli, ecp Cavum cerebelli primitivum, cf Kommissurenfasern, di Decklamelle, dp Deckplatte, ed Ektoderm, epz Ependymzellen, g Gefäße, glz Gliazellen, gs Körnerschicht, gz Körnerzellen, iz indifferente Zellen, kmf Kleinhirn-Mittelhirnfalte, ks Keimschicht, kz Keimzellen, lw Lateralwulst (der Kleinhirnlamelle), mb Markbündel, mf Medianfurche (der Kleinhirnlamelle), mh Mittelhirn, mle Membrana limitans externa, mlt Membrana limitans interna, mls Molekularschicht, ms Mantelzone, nt Nervus trochlearis, pe Pedunculi cerebelli, ps PURKINJE-Schicht, rgl radiäre Gliafasern (BERGMANN ’sche Fasern), rl Recessus lateralis, rs Randschleier, sks superficielle Körnerschicht, ss Kernzone, sz Stützzellen (embryonale), to Tectum opticum, tz Übergangszellen, veb Valvula cerebelli, vmp Velum medullare posterius, IV vierter Ventrikel. 706 Fig. Fig. Fig. . 21. NB. nach der Fig. Fig. 22. 23. Alfred Schaper Tafel XVII. 1 Gehirn eines Forellenembryos von 36 Tagen! (von oben). Vergr. 50. Gehirn eines Forellenembryos von 36 Tagen (von der Seite). Vergr. 50. Gehirn eines Forellenembryos von 36 Tagen (Medianschnitt). Vergr. 50. Gehirn eines Forellenembryos von 46 Tagen (von hinten -oben). Vergr. 50. Gehirn eines Forellenembryos von 46 Tagen (von der Seite). Vergr. 50. Gehirn eines Forellenembryos von 46 Tagen (Medianschnitt). Vergr. 50. Hintere Hirnhälfte eines Forellenembryos von 57 Tagen (von hinten- oben). Vergr. 50. Hintere Hirnhälfte eines Forellenembryos von 57 Tagen (von der Seite). Vergr. 50. i Hintere Hirnhälfte eines Forellenembryos von 57 Tagen (Medianschnitt). Vergr. 50. . Hintere Hirnhälfte eines Forellenembryos von 79 Tagen (von hinten- oben). Vergr. 50. Hintere Hirnhälfte eines Forellenembryos von 79 Tagen (von der Seite). Vergr. 50. Hintere Hirnhälfte eines Forellenembryos von 79 Tagen (Medianschnitt). Vergr. 50.. Hintere Hirnhälfte eines Forellenembryos von 91 Tagen (von hinten- oben). Vergr. 50. Hintere Hirnhälfte eines Forellenembryos von 91 Tagen (von der Seite). Vergr. 50. Hintere Hirnhälfte eines Forellenembryos von 91 Tagen (Medianschnitt). Vergr. 50. Hintere Hirnhälfte eines Forellenembryos von 100 Tagen (von hinten- oben). Vergr. 50. Hintere Hirnhälfte eines Forellenembryos von 100 Tagen (von der Seite). Vergr. 50. Hintere Hirnhälfte eines Forellenembryos von 100 Tagen (Median- schnitt). Vergr. 50. Hintere Hirnhälfte einer Forelle von 6 Monaten {von hinten - oben). Vergr. 34. Hintere Hirnhälfte einer Forelle von 6 Monaten (von der Seite). Vergr. 34. Hintere Hirnhälfte einer Forelle von 6 Monaten (Medianschnitt). Vergr. 34. Die Zeichnungen 1—21 sind nach Wachsmodellen angefertigt, die | Born’schen Plattenmodellirmethode hergestellt wurden. Tafel XIX. Forellenembryo von 22 Tagen. Querschnitt durch die Hinterhirn- region. Vergr. 100. Forellenembryo von 25 Tagen. Querschnitt durch die Hinterhirn- region. Vergr. 100. ‘ Nach der Befruchtung. Fig. Fig. _ Fig. Fig. Fig. Fig. Die morpholog. u. histolog. Entwicklung des Kleinhirns d. Teleostier. 707 24. 25. 26. 27. 28. 29. . 30. ‚3. an. . 33. Forellenembryo von 31 Tagen. Querschnitt durch die Hinterhirn- region. Vergr. 100. Forellenembryo von 34 Tagen. Horizontalschnitt durch das Gehirn. Vergr. 50. Forellenembryo von 41 Tagen. Horizontalschnitt durch die Hinter- hirnpartie. Vergr. 32, Forellenembryo von 71 Tagen. Schnitt senkrecht zur Kleinhirn- Mittelhirnfalte in der vorderen, unteren Partie derselben. Vergr. 32. Forellenembryo von 71 Tagen. Schnitt senkrecht zur Kleinhirn- Mittelhirnfalte in der hinteren, oberen Partie derselben. Vergr. 32. Forellenembryo von 90 Tagen. Schnitt senkrecht zur Kleinhirn- Mittelhirnfalte in der vorderen, unteren Partie derselben. Vergr. 32. Forellenembryo von 90 Tagen. Schnitt senkrecht zur Kleinhirn- Mittelhirnfalte in der hinteren, oberen Partie derselben. Vergr. 32. Forellenembryo von 103 Tagen. Schnitt senkrecht zur Kleinhirn- Mittelhirnfalte in der vorderen, unteren Partie derselben. Vergr. 32. Forellenembryo von 103 Tagen. Schnitt senkrecht zur Kleinhirn- Mittelhirnfalte in der mittleren Partie derselben. Vergr. 32. Forellenembryo von 103 Tagen. Mittelhirnfalte in der hinteren, oberen Partie derselben. Schnitt senkrecht zur Kleinhirn- Vergr. 32. Fig. 39. . 34. . 35. . 36. TUR . 88. Forellenembryo von 55 Tagen. Medianschnitt durch die hintere Hirn- hälfte. Erste Anlage der dorsalen Kleinhirn - Mittelhirnfalte. Vergr. 65. Forellenembryo von 70 Tagen. Medianschnitt durch die hintere Hirn- hälfte. Der hintere obere Rand der Kleinhirnlamelle beginnt nach abwärts zu wuchern (+). Vergr. 65. Forellenembryo von 90 Tagen. Medianschnitt durch die hintere Hirn- hälfte. . Auftreten der superficiellen Körnerschicht (sks). Vergr. 65. Forellenembryo von 100 Tagen. Medianschnitt durch die hintere Hirnhilfte. Der der Medianlinie schon sehr nahe gerückte Lateral- wulst (/w) ist durch eine punktirte Linie angegeben. Vergr. 65. Forellenembryo von 120 Tagen (17 mm Länge). Medianschnitt durch die hintere Hirnhälfte. Der Schnitt liegt etwas seitlich von der Me- dianlinie und hat daher den Lateralwulst (leo) in größerer Ausdehnung mit getroffen. Vergr. 65. Forelle von 6 Monaten. Vergr. 65. Medianschnitt durch die hintere Hirnhilfte. NB. Die mit Zahlen versehenen Striche in den Abbildungen 35, 36, 37 und 39 bezeichnen die Lage der entsprechenden Querschnitte (Fig. 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 40, 41, 42 und 43). Fig. 40. Fig. 41. Fig. 42. Fig. 43. Tafel XX. Forelle von 6 Monaten. Querschnitt durch die Region der Valvula und Pedunculi cerebelli. Vergr. 65. Forelle von 6 Monaten. Querschnitt unmittelbar vor dem vorderen aufsteigenden Schenkel des Canalis cerebelli. Vergr. 65. Forelle von 6 Monaten. Querschnitt durch die Region des Recessus laterales. Vergr. 65. Forelle von 6 Monaten. Querschnitt durch die Kleinhirnkappe. Vergr. 65. 708 Alfred Schaper, Morphol. und histol. Entwickl. d. Kleinhirns der Teleostier. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. 44, 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53, 54, Forellenembryo von 22 Tagen. Segment aus einem Querschnitt durch die Hinterhirnregion (cf. Fig. 22). Vergr. 600. Forellenembryo von 25 Tagen. Segment aus einem Querschnitt durch die Hinterhirnregion (cf. Fig. 23). Vergr. 600. Forellenembryo von 31 Tagen. Segment eines Querschnitts durch die — Hinterhirnregion (cf. Fig. 24). Vergr. 600. Forellenembryo von 34 Tagen. Segment eines Horizontalschnittes durch die Kleinhirnfalte (cf. Fig. 25). Vergr. 600. Tafel XXI. Forellenembryo von 41 Tagen. Segment eines Horizontalschnittes durch die Kleinhirnfalte (cf. Fig. 26). Vergr. 600. Forellenembryo von 71 Tagen. Segment eines Querschnitts durch die Kleinhirnlamelle (Lateralwulst). (cf. Fig. 28.) Vergr. 600. Forellenembryo von 90 Tagen. Segment eines Querschnitts durch die Kleinhirnlamelle (Medianfurche). (cf. Fig. 29.) Vergr. 600. Forellenembryo von 90 Tagen. Segment eines Querschnitts durch die Kleinhirnlamelle (Recessus lateralis). (cf. Fig. 29.) Vergr. 600. Forelle von 120 Tagen (17 mm Länge). Segment eines Querschnitts durch die Kleinhirnkappe. Vergr. 600.. Forelle von 135 Tagen (19 mm Länge). Segment eines Querschnitts durch die Kleinhirnkappe. Vergr. 600. Forelle von 6 Monaten. Segment eines Querschnitts durch die Klein- hirnkappe (ef. Fig. 43). Vergr. 600. Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig. Tat XIX. ae Verlag son Wilh Engelmann in Lopes Morpholog. Jahrb. Bd.XX1. 3 2 A ; E @ P SPERMS SO EE ~ xe = - rn ET SE ae ae « Morpholog. Jahrbuch. Bd. XXT. Taf. XVIII. ea mp. „mp: ‚Schaper und Steiner det. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. 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