'lliü^I^f

MOSKAUER THEATER

HBIMfl

GRUNDER UND DIREKTOR NflHUM -ZEMflCH

TOURNEE EUROPfl-flMERIKfl

DIRECTION MICHEL KHCHOUK

-17, RUE CßUMHRTIN , PARIS

MOSKAUER THEATER

HflBIMfl

GRÜNDER UND DIREKTOR NAHUM ZEMACH

Pa

TOURNEE EUROPA-AMERIKA

DIRECTION MICHEL KflCHOUK

-17, RUE CHUMHRTIN , PARIS.

NAHUM ZEMACH

Gründer und Direktor d^ ..Habima**

„HABIMA"

REPERTOIRE: Dybuky Der ewige Jude, Golem , Jaäkobs Traum , Sintflut

AUTOREN : An-ski Bialiky Pinski, Leiwik, Beer-Hofmann, Berger

REGISSEURE: Stanislawski, Wachtangow, Mtschedelow, Werschilow, Suschkewitsch

MALER: Altmann, Jakulow, Niwinski, Falk, Schulrichter

KOMPONISTEN: Engel, Krein, Milner, Kompaneetz

Baratz A. Baraks S. Bath-Ami Ben-Chaim Bertonow E. Brak S. Edelmann A. Faktorowitsch E. Friedland Zwi Golland I. Goldina M.

KÜNSTLER :

Gowinskaia 1. Grober H. Hendler A. Itkin D. Judelewitsch F. Lubitsch F. Messkin A. Paduit A. Prudkin S. Pudalowa L. Raikin -Benari

Robins T. Rothbard S, Rowina A, Schneider B, Tschetschik-Efrati Tschemerinski B. Warschawer L. Winiar I. Win iar- Katschur Zemach B. Zemach N,

Szenische Leitung : /. Rubinstein

Musikalische Leitung G. Kompaneetz

DIE MITARBEITER DER „HABIMA'*

REGISSEURE: K. STANISLAWSKI, E. WACHTANGOW

MALER: N. ALTMANN, R. FALK

KOMPONISTEN: J. ENGEL, A. KREIN. G. KOMPANEETZ

Ü

<

55 < X

Q

0. Du

D

cC H

5

■3.S

-O JZ J^ "^

C J 3

-T3 I .S

u '-' cn 3 ^ .

.-- J2 . c

CO > es J -c S

s^ u: i <

H .^ . , c'aJ4

CQJiOi 2 - !2 -CO

oJi «

E . « "

M< o c

. C >- -^

^ ? rt O

« O .r*

j|< ■? O' >- « .CO

••N . 1

.-.-CO . *^:^ -"^ Oi ^ - ^-

" ."S " «Q « j2

-^ « u. -<

c-o s—i

■«-=,• O y c8 N

L ^

iT CO

ÖJ

7^ o

ET O

c

H O C

PO

z

ITI

n ö

H

o z

o

3

Der Abschiedsbrief STANISLAWSKIS an die „Habima**:

„Bei der Schaffung des nehräiscnen künstlerischen Theaters ,Hahinia habe auch ich mitgewirkt. Ich hin sehr glücklich darüber^ denn ich habe während dieser Arbeit eine der größten /Missionen des Künstlers erkannt. Kunst, das ist das einzige Geistesgebiet, auf dem die J^enschen mit den reinsten und besten Plänen^ v

ohne Politik, ohne jeden unwürdigen persönlichen Zweck, nur um. der Schönheit und der ästhetischen Freude willen zusammenkommen. In der Kunst gibt es keine Unterschiede der sozialen Lage, der Religion, der j\.ationalität. Kunst das ist ein Gebiet, auf dem Brüderlichkeit der Völker herrschen kann.

Jetzt, da wir uns für eine Zeit trennen müssen, übersende ich der ,Habima die herzlichsten und freundlichsten VC^ünsche, sie möge im Ausland all das vor- führen und predigen, was wir zusammen mit meinem Schüler yvachtangow ge-^ lieht, gesucht und geschaffen haben,

MAXIM GORKI schreibt:

„Ich glaube, die Künstler der ,Iiabima haben im v ergleich mit dem russi- schen künstlerischen Theater in seinen besten Zeiten einen Vorzug: ihre Kunst ist nicht geringer, sie besitzen aber mehr Leidenschaft, mehr Ekstase. Das Theater ist für sie ein Heiligtum. Das fühlt man im ersten Augenblick. Alle

vvorte, Gesten, die J^imik, alles ist tief harmonisch und in allem lodert die große vvahrheit, die nur die Kunst und das Talent schaffen können. Ungeheuer viel J^ühe und Arbeit liegt in diesem kleinen Theater, das einen glänzenden Beweis für die magische Kraft der Kunst und für die Genialität des jüdischen

Volkes gibt. ,IIabima ist ein Theater, auf welches das jüdische Volk stolz sein kann.

FEODOR SCHALJAPIN schrieb in einem Brief an die „Habima**

„Ich verließ die ,IIabima erschüttert. Für das ganze Leben bleibt mir die Erinnerung, daß mir an jenem Abend die wahre und tiefste künstlerische Be- friedigung zuteil wurde. Es lebe die ,IIabima !

BIALIK über die ,,Habima":

„laicht nur in dem künstlerischen Streben und in dem S^iel der ,IIabima liegt ihre Größe, sondern in der Schaffung der ,IIabima selbst, in dem Schöpfen des Etwas aus dem j\ichts. In dem starken Glauben, der die Künstler der tHabima beherrscht. Der Glaube selbst ist schon die echte Kunst und ohne Glauben gibt es keine wahre Kunst,

2*

SZENISCHE ARCHITEKTUR

zu: D. PINSKI „Der ewige Jude", entworfen von G. JAKULOW

INHALTSANGABEN :

„DYBUK" S. An-Ski

„DER EWIGE JUDE" David Pinski

„GOLEM" G. Leiwik

„JAAKOBS TilAUM" " Richard Beer-Hofmann

„SINTFLUT" Berger

Seite

39 45 49 53 57

8

„Für uns ist .Habima' eine neue Wahrheit in der Ideologie der jüdischen Wiedergeburt und wie jede Wahrheit wird auch diese mit drei Mitteln : Talent, Erziehung und Leiden- schaft erreicht."

N. L. Zemach, Moskau, 16. II. 1920. Aus einer Rede in der Sitzung des Zentraltheaters.

DIE HABIMA

i.

GESCHICHTLICHES.

Die theatrale Handlung der „Habima** wird als Gebetzeremonie aufgefaßt. Die Künstler betrachtet man als Rabbis. Das Spiel identifiziert man mit einem religiösen Zeremoniell. Die Musik mit Hymnen eines Rituals. Die Atmosphäre des Theaters mit der Atmosphäre einer Synagoge.

In Wirklichkeit ist die „Habima" ein Heim für Künstler, ihre Zeremonien ein Schauspiel, ihre Hymnen Musik, ihre Atmosphäre Theater. Ihr Blick richtet sich nach dem Westen, sie ruft aber nach Osten. Ihr Glaube wur- zelt in den Erfahrungen der Geschlechter, ihr Streben geht aber in die Zukunft.

Ort der Handlung ist Moskau.

Die „Habima** als Theater wurde in der Zeit stärkster revolutionärer Stürme eröffnet. Ihre Theatertätigkeit begann in einem Miniaturlokal für 1 25 Zu- schauer, auf einer kleinen Bühne, in einem der vielen Moskauer Quergäfschen. In den ersten drei oder sogar vier Jahren der Revolution ist die ,, Habima'* das einzige jüdische Theater im neuen Moskau. In der Bescheidenheit ihrer Arbeit ist der Reichtum an inneren Erlebnissen unermefBÜch. Sie beschäftigt sich mit uralten Bergen und Hügeln und schafft Legenden, w^ährend sie gleichzeitig Tat- sachen und Strömungen der Gegenwart in sich aufnimmt.

Die ,, Habima*' will ein Theater der Juden werden. Bisher waren die jüdi- schen Kunstkräfte auf fremden Bühnen verstreut, ohne an die Schaffung eines eigenen Theaters heranzutreten. Die Juden haben der europäischen Bühne solche Künstler und Künstlerinnen gegeben, wie Barnay, Sonnenthal, Prawdin, Leo- nidow, Rachel, Sarah Bernard, Elisabeth Bergner, und Regisseure, wie Georg Fuchs, Max Reinhardt, Jessner. In der Epoche der nationalen Selbstbestimmung sollten die jüdischen Künstler, Künstlerinnen und Regisseure auf dem Boden des nationalen Theaters vereinigt werden.

Die jüdische Poesie und Prosa, die jüdische Plastik der Kunst und Musik bestehen schon seit vielen Jahrzehnten; bis zur Entstehung der „Habima** wufste

man aber fast nichts von der Existenz eines jüdischen Theaters. Schon nach der ,,Habima" ist in Moskau ein zweites jüdisches Theater, G o s e t, aber in jiddi- scher Sprache entstanden.

Das primitive Spiel der jüdischen Komödianten, die mit ihrem urahen Repertoire durch Städte und Städtchen in Rußland, Polen, Westeuropa und Amerika gewandert sind, können wir selbstverständlich nicht als den Anfang des jüdischen Theaters bezeichnen. Es hat noch keine eigene Kultur und Ge- schichte gehabt. Die ,,Habima" als Theater ist für sich ein Anfang. Sie wird alle Evolutionsetappen eines Theaters durchmachen müssen. Sie wird noch ihr Mittelalter haben, ihre Commedia dell'Arte, ihren Klassizismus, ihre romantische Tragödie, ihre Buffonade und ihr monumentales Epos. Alle Eigenschaften, alle Formen, alle Stile, aber immer in den notwendigen Rahmen des Theatralischen.

Die Geschichte der ,,Habima" beginnt, wie bei allen jüdischen Theatern, mit Wanderungen.

Zehn Jahre vor der roten Revolution hat N. L. Zemach in Litauen die erste hebräische dramatische Wandertruppe organisiert. Die erste Vorstellung in Bialystok ein Einakter von Schalom Alejchem: ,,Masel Tow".

Bald hat die Truppe zwei schwerere Stücke: ,,Schma Jisroel" und „Der Ewige Wanderer" von Ossip Dymow einstudiert gehabt. Die Truppe spielte ständig in Bialystok, Wilna; die Gebiete ihrer Tätigkeit waren Litauen, Polen, Österreich und Ungarn; die ersten Gastspiele führen sie nach Kowno, Minsk, Warschau und Wien.

Jetzt, wo die schon gereifte ,,Habima*' nach achtjähriger Laboratoriums- arbeit in Moskau Gastspielreisen durch Europa unternimmt, darf man wohl die damaligen Vorstellungen in Erinnerung bringen, die unvollkommen im Szenischen, doch stark im Glauben an die Bedeutung ihrer zukünftigen Mission waren.

Unter den Mitkämpfern Zemachs finden wir in jener Zeit die Namen Nizberg und den ältesten Schauspieler der ,,Habima" Bertonow.

Auch die nicht vollkommenen, die zufälligen Vorstellungen haben durch fünf Jahre (1908 bis 1913) ein großes Publikum und einen unzweifelhaften Erfolg gehabt. Die Tätigkeit der damaligen ,,Habima" fiel in die Zeit der un- gerechten Judenbeschränkungen in Rußland, in die letzten Jahrzehnte des Zarismus. Mit Begeisterung pflegte die jüdische Bevölkerung das durch die so- genannte ,, Tscherta" (Ansiedlungsrayon) wandernde hebräische Theater zu empfangen. In den naiven und primitiven Vorstellungen der ,,Habima" wollte man einen Ausdruck des nationalen Selbstbew^ußtseins, der nationalen Kultur und des nationeJen Stolzes sehen. Diese wandernde ,,Habima" war die Wiege jener ,,Habima", deren Geschichte im Jahre 1917 in Moskau beginnt und die jetzt alle Zentren Westeuropas kennenlernen werden. Der Prozeß der Wieder- geburt des jüdischen Theaters, das in der alten Orientkultur seine Wurzeln hat, soll jetzt beginnen. Er wird auch jetzt zu Ende geführt werden.

Freilich, die unvollkommenen Formen der Wandertruppe haben ihren Zer-

10

<

q H

^ Q

CO l

2

<

fall verursacht; aber die ,,Habima" hat ihre Tätigkeit als Theaterstudio wieder aufgenommen. In Moskau, dem Mekka des Theaters, sucht Zemach Lehrer für die zukünftige ,,Habima".

Statt Mittel hatte er nur Hoffnungen. In den Tiefen seiner Seele die Ge- stalten des Orienttheaters wahrend, geht Zemach zu Stanislawski um die ersten Ratschläge für den Wiederaufbau der ,,Habima". Die puritanische Atmosphäre des damaligen Moskauer künstlerischen Theaters war der Mittelpunkt der künst- lerischen, theatralischen, literarischen und gesellschaftlichen Interessen. Die Be- gegnung zwischen Zemach und Stanislawski war der wichtigste Moment in der Geschichte der ,,Habima". Es war ja auch am Vorabend des ,,Jom Kippur". Stanislawski verlangte von Zemach eine strenge Abrechnung mit der Vergangen- heit. Die wandernde ,,Habima" w4rd gestrichen. Ein planmäßiges Studium des Schauspiels nach dem szenischen System von Stanislawski beginnt.

Gleichzeitig mit der Reorganisierung der ,,Habima" nach den Grund- sätzen der Studio-Ausbildung gründet Zemach eine jüdische dramatische Ge- sellschaft zur Förderung der ,,Habima", um so die aktivsten und die fortschritt- lichsten Kreise des Moskauer Judentums zusammenzufassen. Die wiederauf- lebende ,,Habima" sammelt in der Gesellschaft eine ganze Armee von Pionie- ren für ihre Ideen und hier findet sie auch die ersten notwendigen Geldmittel. In jener Zeit wäre es naiv gewesen, vom Zarismus mehr zu erwarten als tägliche Drohungen mit Liquidation.

Die Vorbereitungsarbeit der „Habima" dauert fast zwei Jahre. In Moskau werden künstlerische Kräfte gesammelt; als erste kommen Gnessin, Elias, Stara- binetz, Kohn, Gurewitsch-Halevi, Perschitz, Winiar, Grober.

Zemach bereist die Städte der „Tscherta*\ besucht einige seiner alten Mit- arbeiter, findet neue. In Warschau lernt er in einer Fröbel-Schule die R o w i n a kennen noch in der ersten Periode der ,,Habima" und spricht solange mit der ganzen Überzeugungskraft auf sie ein, bis sie aus einer Lehrerin eine Schau- spielerin wird. In Odessa begegnet er Fardi und Awiwith. In kurzer Zeit ist eine starke junge Gruppe beisammen. Stanislawski empfiehlt Jewgeni W a c h- t a n g o w für ihre szenische Ausbildung. kommt zu einer Zusammenarbeit ,,der Nachkommen des Propheten JesaJEis mit einem der besten Söhne Piatons". Es treffen zwei Kulturen zusammen, zwei Weltempfindungen und zwischen ihnen gibt es keine trennende Wand. In der ,,Habima" beginnen die Nächte von Wachtangow. Zum Tode verurteilt, unheilbar krank beeilt sich Wachtangow in seinem Schaffen. Mit seiner Hilfe gelang es der „Habima" noch im ersten Jahr einen Studio-Abend vorzubereiten: Vier Einakter: ,,Die ältere Schwester" von SchcJom Asch, ,,Es brennt" von Perez, ,,Die Sonne" von Kazenelson und ,,Ein Lästiger" von Berkowitsch.

Ein zweites Stück wird unter der Spielleitung Mtschedelows, auch eines Schülers von Stanislawfki, einstudiert. Er inszeniert den ,, Ewigen Juden" von Pinski. Die Vorbereitung dieses Stückes dauert fast ein ganzes Jahr. Gleich-

12

o

3

3

< ? Ü

O -2i - o

C

G

o Ü

zeitig werden unter Wachtangows Leitung die Inszenierungsarbeiten von A n- s k i s „Dybuk" eingeleitet. Doch gerade in dieser Zeit beginnen die Verfolgungen der ,,Habima'*.

In der Hauptstadt des roten Rußland wird ein heftiger Kampf gegen das hebräische Theater geführt, dessen Aufführungen den breiten jüdischen Massen unverständlich sind. Dieser Kampf für den Fortbestand der ,,Habima" hat nicht wenig Energie, nicht wenig Aufregungen gekostet, er hat aber schließlich das jetzige verantwortungsvolle Auftreten des Theaters vor den jüdischen Massen in ganz Europa ermögHcht.

Auch in den schwersten Tagen der „Habima" konnte um sie keine At- mosphäre von Haß entstehen, denn eine wunderbare Kraft innerer Begeisterung zerstörte jedes feindliche Gefühl.

Die Gegner der ,,Habima" wollten nicht begreifen, daß Hebräisch nur eine der vielen Ausdrucksformen des Theaters ist, ein Mittel, das ihm zur Lösung der schwersten szenischen Probleme verhilft.

Als Verteidiger der „Habiraa" in Moskau sind die bedeutendsten Ver- treter der russischen Kunst hervorgetreten. Der Dichter Wiatscheslaw Iwanow, der Autor des „Cor Ardens", hat für die ,,Habima" und ihre Sprache mit dem Temperament eines Volkstribuns die Lanze gebrochen.

„Die jüdischen Gegner der jüdisch-nationalen Selbstbestimmung, die sich vom Judentum als Nation abgesondert haben und feindlich dessen Streben nach geistiger Selbständigkeit stören wollen, weil sie es für gesellschaftlich schädlich halten, verfallen einem eigenartigen Antisemitismus. Im Streit um die ,Habima ' handelt es sich ihren prinzipiellen Gegnern nicht um ein gewöhnHches bourgeoises Theater, das die hebräische Sprache auf der Bühne wieder erweckt, sondern es ist nur ein Vorstoß, um die Belebung der hebräischen Sprache schlechthin zu verhindern. Die Tätigkeit des Theaters „Habima" ist nicht nur ein wichtiger Beitrag zur nationalen jüdischen Kultur, sondern auch zur zJlgemein-mensch- lichen."

Leider hat das Her/ortreten von Wiatscheslaw Iwanow keine Anhänger in jenen maßgebenden Kreisen gefunden, von denen die weitere Existenz der ,,Habima" abhängig war.

Jetzt kamen der Sache Persönlichkeiten der russischen Kunst zu Hilfe, die an Lenin ein Memorandum richteten. Dieses Dokument wird in der Geschichte der Kunst einen wichtigen Platz einnehmen: ,,Die russische Kunst ist eine Schuldnerin der jüdischen, die in den Zeiten des Zarismus und der nationalen Verfolgungen eines nationalen Bodens für ihre Entwicklung und für ihr Schaffen entbehren mußte."

„Die höchsten Stufen des Schaffens sind allgemein menschlich; sie basieren aber immer auf einer nationalen Grundlcige und in der nationeJen Eigenart und Farbenfülle der Kunstformen liegt unbestreitbar der größte Wert und Reiz jeden Schaffens."

14

^^■-^•^ y. l

H

< »— *' -^

►— ! 3

CQ w> Q ^

3

CO

Z

<

Dieses Memorandum ist von Stanislawski, Niemirowicz, Dantschenko, Schaljapin, Wolkanski, vom Dramaturg Wolkenstein und vielen anderen unter- zeichnet.

Auch die ,,Habima" selbst richtet cm das Zentralrussische Exekutiv- Komitee ein Memorandum, in dem sie die böswilligen Gegenaktionen in der Sprachenfrage kommentiert:

,,Eine Sprache kann weder bourgeoisisch, noch proletarisch, weder reaktio- när, noch fortschrittlich sein. Eine Sprache das ist eine Gewähr oder ein Mittel zur Verkörperung menschlicher Gedanken und Vorstellungen. Man frage jüdische Künstler, Dichter, Bildhauer und Komponisten und höre, was sie sagen werden. Die Sprache ist meine künstlerische Ausdrucksform, das ist ein Mittel der Darstellung szenischer Gestalten. Wie man auch einem Maler nicht vor- schreiben kann, diese und nicht andere Farben zu benützen, so kann man auch einen Schauspieler nicht zwingen in einer Sprache zu spielen, die mit seiner Seele nicht in Einklang steht und mit den Gestalten seiner Phantasie nicht har- moniert. \Vichtig ist, daß die Bühnenkunst Anklang in den Herzen der Zu- schauer findet und dieses Ziel hat die ,Habima*, nach Möglichkeit erreicht."

Beide Memoranden erfüllten ihren Zweck. E.S gelang ihnen, den Widerstand der obersten russischen Behörden zu brechen. Auf dem Memorandum der russi- schen Kunstpersönlichkeiten hat Lenin persönlich zur Forderung der Fortsetzung der Vorstellungen der „Habima" in Randbemerkungen Stellung genommen.

Um ihre Position zu stärken, haben die Freunde der „Habima" einen Vor- tragsabend über das Schicksal des Theaters veranstaltet.

In der Atmosphäre des ununterbrochenen Kampfes für das Recht zu spielen, führt die ,, Habima" ein Dasein der Not, der Unsicherheit, ohne jede Unter- stützung seitens der Regierung und in der letzten Zeit auch ohne ein ständiges Theatergebäude.

Unter solchen Umständen wird der ,,Dybuk" vorbereitet. Im Sommer des Jahres 1 92 1 sind die ersten zwei Akte fertig, im Herbst der dritte und gleich- zeitig wird auch der vierte vorbereitet. Später werden der dritte und der vierte Akt vereinigt. Im Jänner 1 922 wird endlich der ,,Dybuk" als Schauspiel in drei Akten aufgeführt. Diese Zeit ist der Beginn der Erfolge und der Anerkennung. Die ,, Habima" durchdringt eine mystische Legende mit der Ironie des modernen Theaters. ,,Dybuk" wird in der Presse lebhaft gefeiert. Die grofse Mehrheit der Kritiken, Bemerkungen und Aufsätze sagt, dafs der ,,Dybuk" eine gewaltige Er- scheinung in der Geschichte des modernen Theaters bedeutet.

Plötzlich, ein halbes Jahr nach der ,,Dybuk"-Premiere, stirbt Wachtangow.

Die ,, Habima" bleibt jetzt wahrlich sich selbst überlassen.

Die ,, Habima" führt ein schweres Leben der Laboratoriumsarbeit. Dieses Leben verlangt nach neuen Schöpfungen. Der „Dybuk" hat die „Habima" auf eine solche Höhe gehoben, daß nachher nicht nur ein Höhersteigen schwierig ist, sondern es ist auch nicht leicht, dasselbe Niveau einzuhalten.

16

D. PINSKI: „DER EWIGE JUDE"

Der Blinde (Winiar

AN-SKI: „DYBUK"

Zadik vN. Zemach)

In der ersten Zeit tritt die „Habima" an eine leichtere Aufgabe heran; sie erneuert im Jahre 1923 den „Ewigen Juden" unter der Regie Mtschede- 1 o w s und mit der Bühneneinrichtung des Malers J a k u 1 o w.

Mit diesen zwei Stücken („Dybuk" und „Der ewige Jude") unternimmt die „Habima" ihre erste Tournee nach Leningrad (Juni 1923), wo sie vom Publikum als auch von der aufmerksamen Kritik herzlich empfangen wird. In Leningrad findet auch die „Habima" neue Freunde, darunter die Kunstkritiker A. Wolinski und A. Kugel.

In der Saison 1 923/24 wird ein neues Repertoire vorbereitet und ausge- arbeitet.

Jedes neue Theater konzentriert sich um einen neuen Dramaturgen. Zemach geht daher auf Veranlassung der „Habima" in die Zentren der jüdischen Litera- tur — auf die Suche nach einem Dramaturgen für die „Habima". Die Krise des Repertoires ist noch nicht gänzlich gelöst, sie verlor aber viel an Schärfe, seit die ,, Habima" in Verbindung mit jüdischen dramatischen Schriftstellern, wie Tschernichowski, Schneur, Leiwik, Hofstein steht. Schließlich hat ja die ,, Habima" in ihrem Vorrat einige originelle Stücke, wie: Leiwiks ,, Golem", Tschernichowskis „Bar Kochba", Schneurs „Kain", Wolkensteins ,, Acher", Hofsteins „Die Zeiten des Messias" und einige Übersetzungen aus dem Deut- schen, so Hebbels: „Herodes und Mariamne" und Beer-Hof manns : „Jaäkobs

T(( räum .

Die erste Schöpfung nach dreijährigem Schweigen ist Leiwiks „Golem", unter der Regie eines Schülers von Wachtangow, B. Werschilow. Die Bühnenbilder malte J. N i w i n s k i.

Die nächste Kreation ist „Jaäkobs Traum" unter der persönlichen Aufsicht Stanislawskis. Die Spielleitung hatte Suschkewitsch inne und die Dekoration malte M. Falk.

Das letzte Stück für die Gastspieltournee ist Bergers „Sinflut", unter der Regie Werschilow s.

IL GEISTIGE QUELLEN.

Um welcher Ideen willen führen sie dieses eigensinnige Leben? Um welcher Mission willen führen sie diesen hartnäckigen Kampf? Welche Aufgabe ließ sie trotz größter Not durchhalten? Welche Pläne beschäftigen sie? Welche Hoffnungen und Träume be- flügeln sie?

Es ist das Streben, das Volk zu suchen, das in der Gegenwart lebt, weil

19

es in der Vergangenheit gelebt hat und in der Zukunft leben wird. Das Volk über Geschlechter und über das Heute für die Zukunft zu entdecken.

Die „Habima" ringt sich bis zu den Wurzeln durch, sie erreicht die Quellen und vertieft sich in die geistigen Schätze des Volkes. Das Wesen der jüdischen Seele offenbart sich nur in ihrem jahrtausendelangen Leiden. Hinter den Mas- sen, denen die ,,Habima" in modernen Städten und in cJten, fränkischen, nur erneuerten Städtchen, unter den eigenen Theaterbesuchern, begegnet, stehen andere Massen: die Kette der Geschlechter.

Hinter der Sprache, die man jetzt spricht jiddisch gibt es eine Sprache, die das Volk ewig spricht: hebräisch.

Die „Habima" besitzt die scharfe Intuition, mit der sie, wie mit einem

PHug, die Volksseele aufackern will, um die Quelle der Erneuerung zu entdecken.

Die ,,Habima" erfaßt eille Werte der jüdischen Seele und jedes ihrer Atome.

Die „Habima" erfaßt alle Werte des jüdischen Volkes, indem sie den Cha- rakter edler Geschlechter kennenlernen will. In der epischen Prophetie des Vol- kes — sucht die ,,Habima" ihre Prophetie, in seinen Leiden ihre Leiden, in seinen Freunden ihr Glück.

Trauer in den Worten des „Predigers".

Freude im „Hohen Lied",

Einst das Volk und seine Propheten,

Heute das Volk und sein Theater.

Die ,,Habima" als Theater muß der heutige Jesajas, Jeremias und Jeches- kiel für das jüdische Volk sein selbstverständlich, mit gänzlicher Umgestaltung nach den Gesetzen der modernen Psychologie und der modernen szenischen Formen.

Dies ist ihre Mission.

Die Propheten haben in ihre Seele die ganze Leidenschaft und den ganzen Schmerz des Volkes eingeschlossen.

Die „Habima" dringt in die Tiefen des jüdischen Gedankens und der jüdischen Leidenschaften ein und verarbeitet sie konsequent bis zum Äußersten im Theatralischen.

Unter allen Theatern ist die „Habima" das einzige philosophische: indem sie des Volkes Ahasveros, sein Schicksal spielt, bemüht sie sich, seinen feier- lichen Glauben zu begreifen.

Es ist nicht ihr Metier, Vorstellungen um der Vorstellungen willen zu schaffen, die künstlerische Meisterschaft zu erreichen, um der Meisterschaft willen.

Nur als Weg zu ihrer Mission ist der Kampf für die Vervollkommnung ihrer Theaterkultur berechtigt.

Die ,, Habima" sieht in der Bibel ein grandioses Volksepos, ein ewiges Weltwerk. In der Bibel findet sie die Quellen ihres phantastischen Glaubens an ihre Lebensaufgabe.

20

AN-SKI: „DYBUK'*

Lea (A. Rowina)

Ihr Pathos kommt von der Heldenhaftigkeit dieses nationalen Epos.

Die ,,Habima" sucht die szenische Form für diesen Volksinhalt. Der Inhalt offenbart hier nur den Smn des Seins und erleichtert ihr so ihre Aufgabe.

Im „Prediger" steigt die „Habima** in die Tiefen des ewigen Denkens hinab:

„Geschlecht kommt und Geschlecht vergeht und die Erde bleibt ewiglich."

„Alles wird aus Staub geschaffen und alles kehrt zu Staub zurück."

„Besser ist, was man vor Augen hat, als Geistesgrübeleien."

Mit dem Propheten Jeremias trauert die „Habima" auf den Ruinen zer- störter Tempel und zertretenen Glaubens.

Mit dem „Hohen Lied" intoniert die ,, Habima" Lobgesänge.

Die ,, Habima" besitzt eine Quelle in der Vergangenheit, einen tiefen Brun- nen: ihre Künstler sind erfcihrene Taucher, sie dringen bis auf den Grund hinab und berühren die uralte brennend-rote Erde.

Aus der grofsen Schatzkammer uralter Zeiten schöpft die „Habima" ihre Kultur.

Ihr Volk ist im Osten, ihre Legenden sind im Osten. Im Osten ist ihre Sonne, ihr Gärtner, aber auch ihre Ahnen, die Väter des Volkes.

Im Osten ist der Gedanke und die Leidenschaft klingender, blendender, entschlossener. Für die ,, Habima" birgt der Osten besondere Melodien des Wortes, besondere Rhythmen in den Bewegungen und im Tanz.

Die „Habima" ist bereit, zum Westen von Kant, Hegel und Marx zu streben, aber nur, um ihnen den Orient der naiven Denker zu enthüllen.

Durch den Westen sucht die ,, Habima" die Begegnung mit dem Osten, dem sie durch ihre Geburt angehört, obwohl ihre Wiege in Moskau stand.

Dem Orient wird die „Habima" die Revolution des Gedankens und Ge- fühls offenbaren, die sie in Moskau erlebt hat.

III. VERWIRKLICHUNGEN.

Die Richtlinie der Verwirklichungen ist das Thema des Wunders.

„Der ewige Jude" behandelt das Wunder von der Geburt des Messias am Tage der Zerstörung des Tempels.

Der „Dybuk" behandelt das Wunder der unvermeidlichen Vereinigung der Seelen Liebender nach ihrem Tode, wenn sie im Leben nicht zusammenkommen konnten.

Die Verwandlung von dem Lehm in einen Kämpfer „Golem" ist das Wunder des „Golem".

22

G. LEIWIK: „GOLEM", PROLOG

Prophet Eliahu (Tschetschik-Efrati), Messias (A. Rowina)

Das Wunder der Unverletzbarkeit des gesegneten Jaakcb ist deis Thema von .Jaakobs Traum".

Die „Sintflut" erzählt vom Wunder der Veredlung der menschlichen Seele in der Stunde nahender Gefahr und von ihrer Rückkehr zu den alltäglichen Nichtigkeiten, wenn die Gefahr vorüber ist.

Am deutlichsten kommt das Thema des Wunders im ,,Dybuk" zum Aus- druck.

„Warum, warum fiel die Seele von der höchsten Höhe in den tiefsten Ab- grund hinab?", diese Frage klingt wie ein musikahsches Thema.

Und in diesem 1 hema birgt sich auch das Gebet des Jeschibah-Bachurs, Chanan: ,,Ich will einen klaren, funkelnden Diamant bekommen, ihn in lichten Tränen schmelzen lassen und ihn dann in meine Seele einsaugen . . . Ich will den dritten Himmel erreichen, die dritte Sephira . . ."

Im Theater ist das Gebet Chanans vollkommen verwirklicht. Der funkelnde Diamant des ,, Hohen Liedes'' ist erreicht, verwandelt die Herzenstöne. Die Hoffnungslosigkeit der Liebe ist überwunden, die Todesgrenze überschritten.

Die romantische Tragödie der jüdischen ,, Romeo und JuHa", eine jüdische Liebesnovelle, ein Mythos von jüdischen , »Tristan und Isolde" ist für die Gegen- wart zurückerobert worden.

Aber Kriege und Revolutionen sind mit Blut gezeichnet.

Bei An-ski suchen die Bachurim der Jeschibah Chanan, seinen Tod nicht ahnend. In der Darstellung der ,,Habima" wird dieses Suchen zu einem schauer- lichen Tanz.

Dieser tragische Tanz beim Nichtbemerken des toten Chanan verkörpert das ganze Leben der Gegenwart: das alltägliche Bettlertum im Vergleich mit hohen ungewöhnlichen Idealen, die Apathie und die Begeisterung, veraltete Vor- urteile und neue Entdeckungen.

In einer Novelle wäre der ,,Dybuk" die Wiederholung eines alten Themas, in der ,,Habima" wird der ,,Dybuk" zur tragikomischen Groteske der heutigen Welt.

Chanan ist ein Wahnsinniger, für den im Leben nur Fasten, Kasteiungen, Kabbala und die Liebe etwas bedeuten, die WirkHchkeit ist ihm nichts. Manch- mal gleicht er dem Fürst der Finsternis, Luzifer, der in sich den Teufel und den Heiligen vereinigt. Von Chanan überträgt sich die Ekstase auf alle anderen im Stück. Hier sind nur Fanatiker und Wahnsinnige, ihr seht kein einziges ruhiges Gesicht.

Unruhe; Erregung; Begeisterung.

Der Rhythmus der Vorstellung: Taumel. Das Tempo: Erregt.

Um die Braut herum: Männer, Frauen, Bucklige, Lahme, Blinde, Wahn- sinnige und Krüppel. Ihr Tanz hat in seinem Grauen einen eigenartigen Zauber.

Im Hofe wird es plötzlich leer. Wie von unter der Erde spriefsen die Bettler hervor und werfen sich an den Tisch, auf dem schon keine Hochzeitspeisen mehr da sind.

24

c

I^

CA

«/>

V

g

H

E

U

o

<

H-^

^

IS

^

tn

^

C

2

O

H

o

_^

•'

"tö

^

l-l

Co

Co

^

f/)

^^

H

cd

j

Cw

CO

d

«>

3

I

G. LEIWIK: „GOLEM**

Golem (Messkin)

Menschen wie Chimären, Chimären wie Menschen. Mystik wie Leben, Leben wie Mystik.

Wo sind wir solchen Menschen begegnet? Vielleicht nirgendwo? Wir kennen sie aber alle gut wie unsere Verwandten. Ihr Derwischtum hat Orientblut.

Die ,,Habima" verbindet das Zeitliche mit dem Ewigen und das Ewige mit dem Zeitlichen. Sie hat sich schon zur unsterblichen Wahrheit des ,, Predi- gers'' durchgerungen: „Für alles schlägt die Stunde und jedes hat seine Zeit unter dem Himmel."

Das Theater hat erfaßt: die Tradition und die Gegenwart, die Ahnen und die Enkel, das Gestern und das Heute, Mystik und Realität.

Nicht umsonst lehrt uns der Zadik aus Miropol, Rabbi Esriel: . . .Wenn die Seele eines Menschen fällt, geht eine Welt zugrunde und es wird finster in allen Palästen; die zehn Sephiroth klagen und je höher die Seele erhoben war, desto tiefer ihr Sturz . . ."

Im ,,Dybuk'* klagen die Welten und die Sephiroth, weil eine menschliche Seele in den Abgrund des Todes fällt.

In dieser Erregung bringt das Spiel der Künstler der „Habima** eine Ge- setzmäfsigkeit hinein; die Leidenschaften sind wie in Holz geschnitzt.

Im „Dybuk** wird die Dynamik des Stückes durch das wundervolle Finger- spiel erhöht. Die Sprache der Finger ist ausdrucksvoll und ruft wie ein Vorspiel die Wortsprache hervor.

Diesen Geist wollen die Künstler der „Habima" im „Dybuk" zum Aus- druck bringen. Diese Aufgabe geHngt dem ausgezeichneten Spiel der einzelnen Künstler: die grotesken Gruppen der Batlanim im ersten Akt (B e n - A r i, Benno Schneider und Ben-Chaim), die die Atmosphäre geistiger Freiheit und mystischer Verzückung verbreiten. Die Überzeugungskraft des Henoch (Benjamin Zemach), die scharfen Bewegungen Aschers (W i- n i a r) , die plastische Charakterisierung des reichen Sender durch 1 1 k i n, die geschmackvolle Gestaltung der Amme Frida (Judelewitsch, Hendler), der temperamentvolle Diener Meier (T schemerinski und T s c h e t- schik-Efrati), die Verzweiflung der weinenden Frau (Grober, N e- chama Winiar), der schwebende Schritt des Dieners Michael (Z w i F r i e d l a n d) , die Ekstase Chanans, den Warschawer spielt und die R o w i n a durch die Pracht der Braut Lea und die Heiligkeit ihrer Liebe, durch den Reiz ihrer Gestalt, ihres Äußeren, durch die Originalität, Frische und Be- herrschtheit ihres Spiels (diese Rolle spielen auch ausgezeichnet B a t h - A m i und Gowinskaia). Alle Mitwirkenden durch die Doppelnatur, die den Geist des „Predigers" und des „Hohen Liedes" in sich vereinigt. Der Meschulach (P r u d k i n) führt uns ernst und mächtig „zwischen zwei Welten". Zemach dringt in der Rolle des Rabbi Esriel ins Jenseits und schafft einen tiefsinnigen Greis, einen Weisen, der fast ganz auf diese Welt verzichtet und sich bis zum

27

G. LEIWIK: „GOLEM**

Tanchum (Ben-Chaim)

Flimmel erhoben hat. Ähnlich der Zadik Tschemerinskis, nur mit einer Nuance seiner Individualität.

„Der ewige Jude" ist zweimal inszeniert worden. Bis zum ,,Dybuk" war es ein Gebet von Gläubigen an das Theater^Die damalige Darstellung hat nicht nur durch den kleinen Raum der früheren Bühne, sondern auch an der Unreife der erst studierenden Schauspieler gelitten, die noch kaum die moderne Szenen- form beherrscht haben. Sie war aber auch ehrlich in der Bescheidenheit ihrer Ansprüche, unmittelbar in ihrer Naivität.

Nach dem „Dybuk" wurde daraus ein dramatisches Mysterium geschaffen.

Um des Mysteriums willen bemüht man sich in die Tiefen des religiösen Pathos einzudringen; um dieses Mysterium bühnenwirksam zu machen, benützt man szenische Effekte.

Zur neuen Inszenierung komponierte Alexander K r e i n die Musik. Die choreographischen Kompositionen stammen von L. L a t s c h i 1 i n.

In diesem Stück bleibt Z e m a c h in unserem Bewufstsein durch die un- erwarteten Bewegungen seines Kopfes in der Rolle des Propheten, durch den ganzen Kampf mit der Menge als ,, ewiger Jude" haften und die R o w i n a zwingt uns in der Vornehmheit ihrer Gestalt daran zu glauben, daß sie die Mutter des Messias sei.

Die Nachricht über die Tempelzerstörung kommt während eines Volks- tanzes. Der Tanz wird jäh durch ein plötzliches Jammergeheul unterbrochen.

Die Künstler der ,,Habima", die an diesen Massenszenen teilnehmen, stellen in ihrer Erregung, in dem raschen Wechsel des Gesichtsausdruckes, in dem jämmerlichen Stöhnen nach der Tempelzerstörung jüdische Gestalten der damaligen Epoche sehr überzeugend dar.

Die ältesten der Stadt Birath-Arba (Itkin, Friedland, Efrati) sind wie aus Stein gehauen. Das sind monumentale, mächtige, feierliche Patri- archen aus der Bibel.

„Golem" ist eine dramatische Dichtung von Leiwik und behandelt eine Legende aus dem 1 6. Jahrhundert.

Eine Blutbeschuldigung wird vorbereitet. Verarmte, heimatlose, kranke Ghettoeinwohner haben jede Aktivität des Widerstandes verloren. Der Messias und Eliahu, der Prophet, bringen ihnen eine Hoffnung auf Erlösung.

Der Rabbi Maharal schafft aufserhalb der Stadt aus Lehm einen Golem die physische Kraft des künftigen Kampfes.

Der Golem soll die Blutlüge bekämpfen. Es gelingt ihm, diese Mission durchzuführen. Der Maharal und das ganze Ghetto feiern die Erlösung. Der Golem aber, in dem dunkle Triebe walten, richtet nach dem Sieg über Thad- däus seine Kraft gegen die, zu deren Verteidigung er berufen war. Mit einer Hacke in der Hand überfällt er die Betenden in der Synagoge und mordet sie mit der Grausamkeit eines Verbrechers, eines Giganten.

29

Der Dichter hat in diesem Stück den Alleinkampf des Maharal diskreditiert.

Die Losung: Auge um Auge, Zahn um Zahn, die den Messianismus aus- schließt, ist ebenso unsinnig wie der Glaube an ein Wunder allein.

Die Massen sind selbst die Kämpfer für ihre Befreiung und sie allein sind auch die Retter.

Das gebeugte Volk, das auf Wunder von unbekannten Himmeln wartet, hätte sich schon längst aufrichten und ins Kampfgewühl stürzen sollen. Alle Wunder, alle Retter sind nur ein leerer Wahn.

Für die Hauptrollen hat die ,,Habima" einige junge Künstler erzogen, so zum Beispiel für die verantwortungsvollen Rollen im ,, Golem": M e s s k i n (Golem), B. Tschemerinski und Prudkin (Maharal), Ben-Ari und Ben-Chaim (Tanchum) :

Messkin gestaltet den Golem als einen naiven Riesen, als einen eigenartigen jüdischen Kannibalen. Naiv, aber schon seine wilde Kraft zeigend, steigt der Golem auf des Maharals Stuhl und droht seinem Schöpfer mit blitzenden, schlauen Augen und der Hacke in der Hand.

Tschemerinskis Maharal kennt die Geheimnisse der menschlichen Seele. Der Maharal Prudkins ist eine Heldenfigur. Der erste kämpft gegen Thaddäus mit seinem Intellekt, der zweite mit seinem Willen. Der erste ist mehr traditionell (näher der Gestalt des Rabbi Esriel), der zweite ist dreister und unberechen- barer, der erste ist philosophischer, der zweite tätiger.

Tanchum in der Darstellung von Ben-Ari ein Narr, ein Spötter, er hat ein scharfes Gesicht, scharfe Gesten, eine bestimmte Sprache, die er durch das ganze Stück führt.

Tanchum, in der Darstellung von Ben-Chaim trägt eine überschwere Lebenslast. Er hat irrende Augen, eine wirre Sprache, macht immer Sprach- fehler.

Im ,, Golem" prägen sich ins Gedächtnis die Rabbinerin (W i n i a r- K a t s c h u r) , die Enkelin des Maharal (Lubitsch, Robin s) und die Ge- stalten der armen Leute scharf ein: der Reiter (Bar atz), der Kranke (Ben- jamin Z e m a c h) , der Hohe (W a r s c h a w e r) und viele andere.

W i n i a r gibt dem Mönch und Begleiter des Thaddäus eine unerwartete Charakteristik. Das ist ein junger Jesuit vom Stamme Aljoscha Karamasows, der willenlos sündigt und von dieser Sünde Erlösung sucht. In derselben Art gibt Winiar auch den Epileptiker im ,, Ewigen Juden".

Bertonow spielt den Thaddäus als Inquisitor, der keine Leidenschaften und Zweifel kennt. Ein steinernes Gesicht, ein kalter BHck. Eine unbewegliche Pose, mächtige Gebärden.

R o w i n a als Messias gemahnt uns an den fallenden Engel von Wrobel. In diesem Stück steht ihr E f r a t i als Eliahu, der Prophet, mit seinem stillen Gesang, an der Seite. Die Bühneneinrichtung von Ignaz N i w i n s k i zeigt

30

G. LEIWIK: „GOLEM**

Maharal (Tschemerinski^

dem Zuschauer den fünften Turm, die Steine eines verfallenen Gebäudes. Die Musik ist von Milner.

Durch die Harmonie der „drei Kräfte" Drama. Musik und Archi- tektur — schuf hier die „Habima" etwas Vollkommenes. „Golem" war die schwere Prüfung nach dreijährigem Schweigen. Nachher hat das Theater ver- hältnismäßig rasch, in einem halben Jahr, ,,Jaakcbs Traum" und die , .Sintflut" herausgebracht.

,,Jaäkobs Traum", von Beer-Hcfmann, ist ein Prolog zu einer drama- tischen Trilogie über König David; an der biblischen Legende von Jaäkob und Edom zeigt der Dichter den dramatischen Zusammenstoß zweier Welt- anschauungen. Auf der einen Seite Edom, eine Verkörperung des MateriaHsmus und des Egoismus, auf der anderen Seite Jaäkob, eine V'erkörperung der Opfer- bereitschaft, Pflicht, menschlicher Freiheit und Gerechtigkeit.

Das äußerliche Motiv des Kampfes ist der Segen, den Jaäkob unrecht- mäßig erhalten hat.

Den inneren Inhalt des Stückes bildet der Zusammenstoß von zwei Wahr- heiten, deren Träger die zwei Brüder sind. Die Wahrheit des einen besteht in seiner lebendigen Offenheit und Geradlinigkeit, die eine Folge seines tägHchen Kampfes ums Dasein ist. Die Wahrheit des anderen besteht in der Befestigung der wirklichen Menschlichkeit, in dem Opfer für die Gemeinschaft, in der Ver- antsvortlichkeit des einen für alle.

Edom erbt von seinem Vater sein ganzes großes Vermögen; er will aber auch den Segen vcm Vater erhalten, den Jaäkob unrechtmäßig bekommen hat. Die Mutter Rebekka steht in diesem Streit auf der Seite Jaäkobs.

Edom ist ein ,, dreister Jäger". Ein tüchtiger Schütze. Den Geruch des Blutes erkennt er schon auf große Entfernung. Von ^^'eitem schon fühlt er das Nahen eines Tieres.

Jaäkcb ist ein verträumter Denker, der über den Ursprung des Seins nachgrübelt. Er hört die Stimmen der Natur und sieht die Strahlen des Regen- bogens, die kleinsten Erhebungen und Höhlungen der Berge.

Jaäkob in den Bergen. Die Himmelskuppel breitet sich hier freier aus.

,,Du stehst am Rande des Abgrundes", sagt Edom zu Jaäkob, als er ihm in den Bergen begegnet.

,,Nein, ich stehe auf der Spitze", antwortet ihm ruhig Jaäkob. Edom will seinen Bruder Jaäkob töten. Jaäkcb beruhigt ihn aber liebevoll. Jaäkobs Ruhe wirkt auf Edom stärker als jeder andere Widerstand.

Ganz zerknirscht verläßt Edom Jaäkob, denn er hat des Bruders geistige und moraHsche Erstgeburt (Überlegenheit) anerkannt.

Jaäkob schlummert auf einem Stein. Im Traum dringen in seine Seele Stimmen von Engeln, Quellen und Bergsteinen. Auch eine Stimme des Zwei- fels regt sich in seiner Brust.

32

<

et:

H

CQ

O :2

< s

< N

Z

<

O

Cd

' z

o

Weder Edom, noch dem Teufel gelingt es aber, ihn von Gott abzukehren.

Das Stück ist eigentlich eine philosophische Dichtung. Die schau- spielerische Leistung ist an manchen Stellen ganz ausgezeichnet.

Z e m a c h zeigt in der Gestalt des Edom eine starke Persönlichkeit und ursprüngliche wilde Triebhaftigkeit. Edom kann mit denselben Fäusten und Bewegungen angreifen und streicheln. Mirjam G o 1 d i n a in der Rolle der Basmath zeigt Talent für eine grofie Tragödin; sie besitzt hiezu das Tempera- ment und die Individualität. Als Oholibama zeigt viel Originahtät und Naivität Hanna H e n d 1 e r.

Eine stolze Gestalt wird aus der Rebekka in der Darstellung vom Schifrah Baraks und eine lyrische aus Jaäkob in der Darstellung von W a r s c h a- w e r. Vollkommene Harmonie von Wort und Gebärde zeigt Benjamin Z e- m a c h als Samael.

Bühneneinrichtung von Falk, Musik von M i 1 n e r.

Als eine Nebenarbeit vor den großen Inszenierungen der Zukunft brachte die „Habima" Bergers „Sintflut" heraus. Die Organisation der Vorstellung leitete W i n i a r.

In der Bearbeitung der „Habima" spielt das Stück im jüdischen Viertel einer Hafenstadt. Alle Teilnehmer sind Juden. Der Schwerpunkt der Tragi- komödie liegt in der Psychologie der Menschen, die in der bürgerHch-kapita- listischen Welt erzogen wurden und leben. Sogar die Todesnähe ist nicht imstande, sie wesentlich zu ändern.

Die Szene der betrunkenen Barbesucher, die gewöhnlich hinter den Ku- lissen durchgeführt wird, wird hier auf otfener Bühne, mit einem lustigen jüdi- schen Tanz, gespielt. Das Stück ist ein Ruhepunkt für das Ensemble der „Habima", zwischen der schweren Vorbereitungsarbeit der früheren Stücke und der noch schwierigeren des zukünftigen Repertoires.

Auch in der „Sintflut" zeichnen sich die Künstler der „Habima" aus: wie das Schäumen perlenden Weines ist die Grober in der Rolle der Lisi. Benno Schneider gibt den Freser grotesk, auch Streaton wird durch 1 1 k i n grotesk gespielt. Originell gestaltet F r i e d 1 a n d den Onel ; Charly ist in der Darstellung sowohl von W i n i a r als auch von B a r a t z interessant. B e n- A r i gibt einen eigenartigen Mechaniker, den das Pech verfolgt. Stark wie immer ist B e r t o n o w in der Rolle des Schauspielers. Die Spielleitung hatten B. Werschilow und E. Teleschowa inne.

In allen diesen VerwirkHchungen beweist die „Habima" ihre Fähigkeit, zu jedem Stück moderne Beziehungen aus ihrem lebendigen Gegenwartsbewufst- sein heraus zu formen. Sie tut das durch höchste Klarheit der künstlerischen Dar- stellung durch Musikalität und szenische Komposition. Durch eine Emotion des Temperaments, die sich bis zur Ekstase steigert.

34

1^

c u

cn

E

CO

<

CO g

CQ ^

O -o

^ I

.. CQ

< 1

O I

tt^ "o

o

CQ

IV.

DIE WEGE.

Die Künstler der „Habima" sind wie junge Löwen. Ihre romantisch- mystischen und metaphysischen Versuche und Bemühungen, ein nationales Theater zu schaffen, werden mit dem Finden eines besonderen Stiles abge- schlossen.

In diesem Stil muß neben Strenge und Monumentalität auch ein Ton von angsterfülltem Schmerz sein.

Die „Habima" will ein Echo ihres Volkes sein.

Auf seinen Wanderungen wird das Theater den über die Neue und Alte Welt zerstreuten jüdischen Massen von seinen Träumen des Ostens erzählen.

Die ,,Habima" ruft nicht zum Osten, um an verschimmelten Ruinen zu klagen, sondern um das Volk wieder aufzurichten.

Die Taufe der ,,Habima" in den Quellen des Jordans ist eine Gewähr für die Echtheit und Stärke ihres Schmerzes und ihrer Freude.

Die Moskauer Mitarbeit stärkt das revolutionäre Bewufstsein des Theaters; das Streben nach Osten zeigt die Wege zu den ewigen Quellen.

Alle alten Berge um Jerusalem wird die ,,Habima" den Bastillen des revolutionären Gedankens entgegenstellen können.

Die schwerste Aufgabe der „Habima" bildet die theatralische Form.

Alle ihre szenischen Verwirklichungen bis heute sind interessante szenische Übungen; das Ziel ist aber nicht mehr fern.

Die „Habima" will den wirklichen szenischen Ausdruck der nationalen Eigenart finden: im Ton der Rede, im Klang der Sprache, in den Gesten und Bewegungen, im Tanz, in der Architektur, in der allgemeinen Komposition ihrer Aufführungen.

Die ,,Habima" träumt zunächst von Stücken eines Weltrepertoirs, von einer Art tragischen Trilogie, die aus Hebbels „Herodes und Mariamne", Byrons ».Himmel und Erde" und Shakespeares „Kaufmann von Venedig" bestehen soll.

Die Wege des Theaters führen in die Zukunft; der Glaube an die nahe Erfüllung ist fest und unerschütterhch.

Samuel Margolin.

36

H

^

<

f—*

H

D

J

u^

■73

H

o;

2

Ij

H^H

to

cn

«3

cri

UJ

o

Q^

UJ

CQ

a

BEER-HOFMANN : . JAAKOBS TRAUM"

Rebekka (Bar-Aks)

DYBUK

von S. AN-SKI

e r s o n e n:

Drei Batlanim

Meschulach, Bote

Chanan I

Henoch / Bachurim der Jeschibah

Ascher I

Eine weinende Frau

Sender, ein Kaufmann aus Brinitz

Lea, seine Tochter

Gitl, ihre Freundin

Frida, Leas Amme

Elke, eine Halbgestörte

Dwosie, ein Krüppel

Jachne, eine Bastardin

Riwcie, eine Zigeunerin

Menucha, eine Schwindsüchtige

Dreizel, eine Wahnsinnige

Sundel, ein Buckliger

Der Blinde, ein Kantonist

Bertschik, ein Lahmer

Dalfan

Schalom, ein tauber Alter

Basia, Leas Kameradin

Manasse, Leas Bräutigam

Nachman, sein Vater

Mendel, sein Rabbi

Drei Verwandte Senders

Senders Verwandter

Rabbi Ezriel, der Zadik aus Miropol

Michael, sein Diener

Rabbi Simson, der Raw aus Miropol

Zwei Dajanim

Chassidim

L AKT

Ein altes Bethaus. Bachurim der Jeschi- bah lernen Gemara. An der Seite Meschulach und drei Batlanim, die ein- ander Wundergeschichten von verschie- denen Zadiken erzählen.

Eine weinende Frau läuft herein. Bei der Thora will sie von Gott für ihre sterbende Tochter Rettung erbitten. Sie verteilt einige Groschen und die Batlanim gehen für die Kranke beten.

Chanan bleibt allein. Seine Gedanken sind ganz von Lea beherrscht. Die beiden lieben einander sehr, aber Leas Vater wünscht einen reichen Bräutigam. Bis jetzt ist dies Sender, dem Vater, noch nicht gelungen. Alle seine Bemühungen sind an dem Widerstand Chanans zu- nichte geworden. Auch jetzt denkt Cha- nan mit Groll an die Möglichkeit, dafs Lea einem anderen angehören könnte. Sein Freund Henoch unterbricht ihn und macht ihm zum Vorwurf, dafs er das

Studium der Gemara vernachlässige. ,,Die Gemara ist kalt und trocken," antwortet Chanan, ,,sie schmiedet uns an die Erde, aber Kabbala, Kabbala . . . die führt uns in Paläste, in höhere Geheimnisse; sie führt zum Paradies, sie lüftet einen kleinen Teil des grofsen Vorhangs. Aber der Weg dahin ist gefährlich er verführt zur Sünde." Die Sünde ist von Gott ge- schaffen, das heißt nicht von Gott, son- dern vom Teufel; Gott schuf aber den Teufel. Und was ist die gröfste Sünde? Die Begierde nach der Frau. Geläutert wird aber diese Begierde zu einem Heilig- tum, so denkt Chanan laut.

Ein Wunder geschieht: im Betzimmer erscheint Lea. In ihrer Begleitung sind ihre alte Amme Frida und ihre Freundin Gitl. Lea ist gekommen, um den Vorhang vor dem Thora-Schrank anzusehen, sie will für den Todestag ihrer Mutter einen ähnlichen sticken. Der Bethausdiener

4*

39

BEER-HOFlMANN : „JAAKOBS TRAUM", II. AKT

Bef.eiung des Knechtes Idnibaal: Jaäkob (Warschawer), Idnlbaal (Tschetschik-Efrati)

zeigt den Frauen das Gewünschte. Lea erkennt Chanan, sie kennt ihn, weil er noch vor langen Jahren in ihrem Hause verkehrt hat. Die Frauen gehen weg.

„Ich habe gesiegt!" ruft Chanan ju- belnd aus, als ihm sein Freund Ascher die Nachricht überbringt, daß der neue Hochzeitsplan Senders zerstört wurde. In Wirklichkeit zeigt sich aber bald, daß das Gegenteil wahr ist. Die Nachricht, daß die Hochzeit stattfinden wird, bringt Sen- der selbst; Chanan ist erschüttert. Also haben all sein Fasten und alle seine Gebete nichts genützt?! Er will noch Rettung

finden in der Lektüre des Buches vom Engel Rasiel. Bald aber verlassen ihn alle Kräfte und er stirbt.

Inzwischen schickt Sender um Wein und Bäckereien. Die Verlobung seiner einzigen Tochter muß ja gefeiert werden! ,,Alle sollen tanzen, rufet Chanan, wo ist Chanan?! . . .*' Plötzlich stößt jemand an einen ausgestreckten Körper, es ist Cha- nan. Meschulach hebt das Buch auf, das aus Chanans Hand herausgefallen ist. ,,Das Buch über den Engel Rasiel. Cha- nan ist als Opfer gestorben."

2. AKT

Leas Hochzeit. In Senders Hof erfreuen sich schon vor der Trauung nach üblicher Sitte die armen Leute der Stadt bei Speise und Trank. Meir und die anderen Verwandten Senders bewirten die Gäste. Es erscheint Sender. Ihm zu Ehren wird von neuem getanzt und ge- sungen. Alle sind entzückt von der Feier: welche Fröhlichkeit! Endlich begrüßt die Braut die Gäste. Alle tanzen ihr zu Ehren; dann tanzen die Frauen, jede mit der Braut allein, das ist die höchste Ehre. Alle Frauen nach der Reihe haben schon mit Lea, der Braut getanzt, nur der alten, halb wahnsinnigen Dreisel wurde diese Ehre nicht zuteil. Sie besteht aber auf ihrem Recht. Vierzig Jahre hat sie schon nicht getanzt. Auf einen Augenblick wird aller Aufmerksamkeit auf die Ver- teilung von Almosen an die armen Leute gelenkt, nur Dreisel merkt nicht darauf; plötzlich umfängt sie die Braut und be- ginnt mit ihr zu tanzen. Lea verlassen die Kräfte, aber die ganze Schar der Bettler schreit: ,,Noch, noch!" Es entsteht ein allgemeiner Taumel, alle tanzen. Lea fällt in Ohnmacht, die Bettler fliehen au.s einander.

Langsam erholt sich Lea. ,, Irgend eine unirdische Kraft hat mich erfaßt und weit, weit weggetragen . . . Amme, ist das wahr, daß die Seelen jener, die vor der Zeit gestorben sind, mit uns leben, in uns

wirken?" Statt der Amme erscheint plötz- lich Meschulach: ,,Die Seelen der früh- zeitig Gestorbenen kehren auf die Erde in neuen Gestalten zurück. Manchmal aber kehrt solch eine verirrte Seele in den Körper eines lebenden Menschen ein, fließt mit seiner Seele zusammen und fin- det dort ihre Erlösung und das ist der Dybuk."

Meschulach verschwindet, aber seine Worte haben sich tief in die Seele Leas eingeprägt. Lea wird vom Vater gesegnet und geht mit ihrer Amme auf den Fried- hof, um ihre verstorbene Mutter zur Hochzeit einzuladen. Sie erhält von der Amme die Erlaubnis, auch Chanan zur Hochzeit einzuladen.

Es erscheint unter den Klängen der Musik der Bräutigam Manasse, sein Vater und sein Rabbi. Die Eltern der Braut- leute gehen weg, um endgültig die Hoch- zeitsformalitäten zu erledigen. Der Rabbi studiert mit seinem Schüler noch einmal seine Hochzeitsrede durch, der Bräutigam wird verwirrt, alle werden ihn anschauen, aber am meisten fürchtet er den Blick jener, die er noch nie gesehen. Der Rabbi bringt Manasse zum Schweigen und führt ihn weg. Wieder kommen die armen Leute. Ihre Feier ist schon zu Ende war es denn überhaupt eine Feier? Man hat doch gespart, jetzt wird erst die rich- tige Feier kommen, die Feier der Reichen.

41

Unter Drohungen stürmen die Bettler das Haus Senders. Sender erscheint selbst und alle treten schweigend zurück. Sender ist aufgeregt. ,,Wo ist Lea?" Bald kommt aber auch sie, der Hof und das Haus wird in Ordnung gebracht, die Trauung soll beginnen.

Die traurigen Klänge der Hochzeits- melodie ertönen. Die Braut wird feierlich hereingeführt und man führt sie zum

Bräutigam. Als ihr aber Manasse den Hochzeitsschleier umlegen will, springt sie auf und schreit, ihn abstofsend: , »Nicht du bist mein Bräutigam!" Aus ihrem Herzen klingt mit Chanans Stimme die \on ihm so sehr geliebte Melodie des , .Hohen Liedes".

,,In ihr sitzt der Dybuk", ruft Meschu- lach aus. Die Kunde \vird von den armen Leuten mit einem Siegestaumel begrüßt.

3. AKT

Beim Zadik Rabbi Ezriel in Miropol. Samstag abends. Rabbi Ezriel ist unruhig, er fühlt, dafs er noch heute einer jüdischen Seele Erlösung wird bringen müssen. Sender hat seine Tochter zu ihm gebracht, damit der Rabbi aus ihr den Dybuk vertreibt, der in ihr sich breit macht. Einen Augenblick lang fühlt Rabbi Ezriel mit sich selbst Mitleid. ,,Wer bin ich denn, da£ man von allen Seiten der Erde zu mir kommt um Erlösung? Ich selbst bin ja ein Nichts ..." Die Er- innerung an seine grofien Ahnen stärkt ihn aber: ,,Ruf' Sender!" befiehlt er dem Diener. Der Rabbi fragt Sender, ob er Chanan gekannt oder je beleidigt hat. Sender hat ihn gekannt und nie beleidigt, aber wer kann wissen? . . . Lea bleibt mit dem Rabbi allein. Solange sie für sich spricht, ist ihre Stimme schwach und untertänig, sobald aber Chanans Geist in ihr spricht, wird sie ungewöhnlich hart- näckig, der Geist will sie nicht verlassen. Herein kommen der Raw von Miropol Simson und seine zwei Dajanim. Drei- mal haben sie in dieser Nacht von dem verstorbenen Sohn Kreines, Nissan, ge- träumt, der Sender zu Gericht gefordert hat; die Sache muß irgendwie mit dem Dybuk in Verbindung stehen. Der Rabbi stellt gleich unter eigenem \'orsitz einen Gerichtshof zusammen. Der Ankläger ist der verstorbene Nissan, der zitternde Be- klagte Sender. Im Laufe der X'^erhand- lung wird klar, daß Nissan und Sender noch in der Kindheit Freunde waren, dann beide gleichzeitig geheiratet und be-

schlossen haben, ihre Kinder, wenn es ein Knabe und ein Mädchen sein werden, zu verheiraten. Dann mußten sich beide tiennen, Sender ist ein reicher Mann ge- worden, Nissan starb in Armut. Der Sohn Nissans, Chanan, und die Tochter Senders, Lea, sind dann einander im Leben begegnet, doch widersetzte sich ihrer Verheiratung Sender. Aus Gram starb Chanan und sein Vater ist darum abgeschnitten worden von beiden Welten, ohne Nachkommen, ohne Kaddisch.

Der Gerichtshof beschließt, daß Sender das ganze Leben Kaddisch für Nissan und Chanan sagen und die Hälfte seines Vermögens an arme Leute verteilen muß. Nissan \\ieder wird gebeten, Sender zu verzeihen und damit zu ermöglichen, dciß die Seele Chanans Lea verläßt. Auf die Frage, ob beide Seiten das Urteil an- nehmen, antwortet Sender mit einem Ja, Nissan dagegen verschNvindet, ohne eine Antwort zu geben. Dies ^^^rd allgemein als ein böses Zeichen gedeutet.

Doch Rabbi Ezriel ist überzeugt, daß der Dybuk unbedingt herausgetrieben werden und daß Lea einen lebenden Men- schen heiraten muß. Von der Gemeinde ermächtigt, wirft er den Bannfluch auf den Geist und die Seele Chanans ist gezwungen, Lea zu verlassen. Lea fällt in Ohnmacht. Jubel, man beglückwünscht Sender, der Bräutigam soll gerufen wer- den, man geht ihm mit Gesang entgegen.

Lea bleibt allein in dem Kreis, den um sie der Rabbi gezogen hat. Ein Stöhnen außerhalb des Kreises und ihm antwortet

42

ein Stöhnen im Kreise. ,,Wer stöhnt da?" fragt die zu sich gekommene Lea. Außerhalb des Kreises ertönt die Melodie des „Hohen Liedes". Die Liebenden erkennen einander wieder und mit der Kraft ewiger Liebe durchreifst Lea den Kreis und ihre Seele vereinigt sich mit der Seele Chanans; sie stirbt.

Meschulach deckt ihren Körper zu, wie er einst den Chanans eingehüllt hat. ,,Zu spät!" ruft er Sender zu, als dieser unter den Hochzeitsklängen erscheint. Es wird finster und der Vorhang fällt unter den Klängen der Anfangsmeiodie: ,, Wa- rum, warum ist die Seele gefallen, von höchster Höh' in den tiefsten Abgrund?"

AN-SKL „DYBUK**

Meschulach (Prudkin)

43

/

AN-SKI: „DYBUK"

Sender Itkin)

DER EWIGE JUDE

von DAVID PINSKI

e r s o n e n:

Ein Unbekannter

Junge Frau

Ruth, ihre Sklavin

Gurion

Tarfon 1 ,. v, i c i

r^ II, die Altesten der otadt Liamaliel j

Awischei, Viktualienhändler

Barsilei, Textilhändler

Chiskijahu, Weinhändler

Platiel. Ölhändler

Martus, Juwelier

Simon, Blinder

Martha, eine Prostituierte

Tirza

Maacha, ihre Sklavin

Ada

Pura

Tamar

Ohola

Noemi

Chulda

Rippa, eine Bettlerin

Stimmen hinter den Kulissen

Einwohner von Birath-Arba

Betuel, Wächter

Das Drama spielt in der Stadt Birath-Arba, zehn Tage nach der Zerstörung

des zweiten Tempels.

Motto: Am Tage der Zerstörung des Tem- pels ist der Messias geboren v^orden.

Legende

AKT.

Dem Anfang des Stückes geht eine musikalische Ouvertüre voran, die die Zerstörung des Tempels illustriert.

Früh morgens im Städtchen Birath- Arba. Am Marktplatz.

Langsam betreten den Platz Kaufleute, Frauen, Eingebildete, Habgierige. Nie- mand denkt an den Untergang Judas, jeder ist mit seinen Kleinlichkeiten be- schäf'igt; man handelt, betrügt arme Leute und treibt allerlei Unfug mit der Dirne Martha. Dieses Treiben wird durch das Erscheinen dreier Greise der Stadt unterbrochen, die von den schweren 1 a- gen Jerusalems erzählen. In der Stadt herrscht Hunger und Not. Der Führer Tarfon hält es sogar für möglich, daß der Tempel schon zerstört wurde. Das ruft schreckliche Bestürzung unter den Ein- wohnern der Stadt hervor. Doch bald hält der alte Gurion eine flammende Rede

über die Wunder Gottes und neue Hoff- nung kehrt in die Herzen der Menschen ein. Man rüstet zum Gebet.

Diese heihge Stimmung wird von der schrillen Stimme eines Unbekannten ge- stört: ,,Ich verkaufe Windeln." Die ganze Stadt ist empört über diese Entweihung der Stimmung durch den Unbekannten, der mit der Frage herausrückt: ,,Ist nicht unter euch in Birath-Arba ein Mensch mit dem Namen Chiskijahu, dem am Tag der Zerstörung des Tempels ein Sohn, der Menachem heißt, geboren wurde?" Das Volk ist resigniert, aber die Ältesten der Stadt verhören den Unbekannten und es zeigt sich, daß er nie in Jerusalem war und auch niemanden aus Jerusalem gesprochen hatte. Der Unbekannte bleibt aber doch bei seiner Behauptung, daß der Tempel schon vor zehn Tagen zer- stört wurde und in Birath-Arba am sei-

45

AN-SKI: „DYBUK"

Amme Judelewitsch"»

ben Tag ein kleines Kind geboren wurde, der künftige Messias. Ein blinder Bettler ruft: ,,Ein Prophet!**

Das Volk will sich schon dem Prophe- ten zu Füßen werfen, die Reichen aber, die ihre Macht nicht verlieren wollen, bezweifeln die Wahrheit seiner Worte und verlangen von ihm ein Wunder.

Der Unbekannte erzählt, er sei ein ein- facher Landarbeiter und vor zehn Tagen wollte er während der Arbeit einmal seine brummenden Ochsen schlagen, da kam ein alter Mann heran und erzählte ihm von der Zerstörung des Tempels und sagte: ,,Gehe nach Birath-Arba, dort findest du des Messias Mutter. Er heißt

Menachem, Sohn des Chiskijahu." So kam er nach Birath-Arba, den Messias zu suchen. Das Volk will ihm schon glauben, die Reichen aber lachen ihn aus. Die Menge will ihn steinigen, aber als er um drei Tage Zeit bittet, um den Mes- sias zu finden, bewegt Gurion das Volk, ihm diese Frist zu gewähren. Stafetten sollen nach Jerusalem geschickt werden, um seine Worte zu kontrollieren. Die Menge droht dem Unbekannten, daß sie ihn unbarmherzig erschlagen werde, wenn seine Prophezeiungen sich als falsch er- weisen. Eine Wache wird bei ihm zu- rückgelassen und alle entfernen sich zum Siegesgebet.

2. AKT.

Müde von den Ereignissen des Tages, schläft der Prophet auf seinem Bün- del und lallt die Worte vor sich hm: ,, Menachem, Sohn des Chiskijahu.** Die Frauen bei der Wache lachen ihn aus und besonders setzt ihm die Dirne Martha zu. Wütend schreit der Prophet: ,,Ich ver- kaufe Windeln!** . . .

Plötzlich erscheint eine junge Frau, die wirklich Windeln kaufen will. Sie wird mit einem Gelächter empfangen, aber bald zeigt sich, daß sie vor zehn Tagen einen Sohn geboren hat mit dem Namen Menachem und der Vater heißt Chiski- jahu. Die Menge flieht auseinander, der Prophet ist glücklich. Er will zum Mes- sias, aber die Wache, die ihre Pflicht tun muß, hegt den Verdacht, daß das Ganze nur eine abgekartete Sache sei.

Der Prophet muß hier bleiben und er- fährt von der Mutter, daß das Kind wirklich am Tage der Zerstörung des

Tempels geboren wurde. Dadurch wurde das Kind unbeliebt und verflucht. Sie möchte es nicht einmal säugen. Der Pro- phet beruhigt sie aber und meint, daß Gott es so gewollt hat.

Das Volk und die Ältesten der Stadt kehren zurück. Schon hört man das Wei- nen der Boten; der Tempel ist zerstört. Die Menge wirft sich dem Propheten und der jungen Frau zu Füßen. Der Prophet tröstet die Menge und will sie zum Mes- sias führen.

Da bricht ein Sturm aus und die junge Frau bringt bald die Nachricht, daß das Kind im Sturm umgekommen ist.

,,Das ist Gottes Fluch; so ist sein Wille, weil ich nicht ging die Freiheit zu verteidigen; jetzt werde ich wandern von Land zu Land, von Stadt zu Stadt und den Messias suchen.** Und mit dem Ausruf: ,, Menachem!** betritt der Pro- phet seinen ewigen unsterblichen Weg.

47

PINSKI: „DER EWIGE JUDE"

Prophet (N. Zemach)

GOLEM

Eine dramatische Dichtung in drei Akten und einem Prolog

von G. LEIWIK

Der Maharal, Rabbi Low aus

Die Rabbinerm

Deborah

Tanchum, ein Wahnsinniger

Der Golem

Ein Greis, Eliahu, der Prophet

Ein Jüngling, der Messias

Thaddäus, der Inquisitor

Ein Mönch

Ein Bethausdiener

Personen: Prag

Baruch, der Vorbeter

Ein Roter

Em Hoher

Ein Kranker

Eine Blinde

Eine Alte

Ein gelbes Mädchen

Eine Frau mit einem

Eine junge Frau

Eine Wahnsinnige

Kind

D

e r

PROLOG Prolog besteht aus drei Bildern

L

Thaddäus und der Mönch. Der Mönch beklagt sich bei Thaddäus, daß es ihm nicht gelingt, seine Hände von den Blut- flecken zu reinigen, die von der Er- mordung eines christlichen Kindes stam- men. Er hat das Kind ermordet, um eine Blutlüge gegen das Judentum zu insze- nieren. Das Blut ist in eine Flasche ge- gossen worden, die man in einen Kepler eines jüdischen Bethauses legen wollte.

Der Messias und Eliahu, der Prophet. Der Messias will zur Erde hinabsteigen.

um das Judentum vor der Blutlüge zu retten. Eliahu befreit den Messias von den Ketten. Mit derselben Leichtigkeit soll der Messias die noch schwereren Ketten des Judentums lösen.

Der Maharal. Ein alter Weiser. Aufser- halb der Stadt schafft er aus Lehm den Golem, aber die Seele des Golem will nicht geboren werden. Sie fleht den Maharal an, nicht geboren werden zu müssen. Darauf antwortet der Weise: ,,Du bist nicht geschaffen worden nur um zu leben, sondern um Wunder zu tun.'*

1. AKT

Der Maharal bringt den Golem in sein Haus. Seine Riesenkräfte suchen sich auszuleben und er schüttelt die Wände des Hauses. Durch das Geräusch erschreckt, kommt die ganze Familie Ma- harals herein, seine Mutter und seine Enkelin Deborah. Der Maharal ver-

heimlicht die wirkliche Bedeutung des Golem und stellt ihn als seinen Diener zum Holzhacken und Wassertragen vor. Mit Heifahunger verzehrt der Golem die ihm vorgelegten Speisen und geht Holz hacken.

Tanchum, der Wahnsinnige erscheint.

49

PINSKI: „DER EWIGE JUDE"

Die junge Frau 'A. Rowina)

der mit dem für Wahnsmnige charakteri- stischen Vorgefühl erzählt, daß Thaddäus den fünften Turm besucht hat, in dem heimatlose Juden sich verbergen. Wer wird die Juden retten! Tanchum geht mit der Nachricht weg und der alte Ma- haral grübelt nach.

Während des Holzhackens erblickt der Golem die Enkelin des Maharal und küfst sie. Die Großmutter und die

Enkelin sind darüber bestürzt. Der Ma- haral führt den Golem in die Stube und erklärt ihm zornig, daß er nicht zu diesem Zweck geschaffen wurde. Der Golem erkennt jetzt seine Mission und der Ma- haral hofft, daß es gelingen wird, die blinden unbewußten Kräfte des Golem zu leiten. Der Golem geht in den fünften Turm, um den Kampf mit Thaddäus auf- zunehmen.

2. AKT

Der fünfte Turm. In dem verlassenen Turm wohnen schon lange heimat- lose Juden. Das Erscheinen des unbe- kannten Golem mit der Hacke in der Hand erschreckt sie und ruft unter ihnen Panik hervor. Bald kommt aber Tanchum und beruhigt sie. In der Erwartung des Pogroms können die Einwohner des Turmes nicht einschlafen.

Zwei Wanderer erscheinen, ein alter und ein junger. Der Jüngere, müde von der Wanderung, schläft ein und der Alte behütet seinen Schlaf. Der einzige, der in dem Jüngling den Messias erkennt, ist Tanchum, der ihm Vorwürfe macht, daß er in der Zeit, in der man handeln müßte, schläft. Doch die armen Juden des Turmes hören nicht auf Tanchums Vor- würfe und .coßen ihn hinaus.

Auf der Szene erscheint Maharal, er befiehlt dem Golem, bereit zu sein. Der Gesang des Propheten Eliahu, mit dem

er den Messias einschläfert, lenkt die Auf- merksamkeit Maharals auf die Wanderer. Er erkennt den Messias und meint, sein Erscheinen im Turm könne den Kriegs- plan gegen Thaddäus vereiteln und Zwei- fel in den Herzen der Juden erregen. Er treibt die Wanderer unbarmherzig hinaus und geht ihnen nach.

Man hört Glockenschläge, Thaddäus naht, spottend der armen Juden. Sein Spott ruft bei den Heimatlosen keinerlei Widerspruch hervor der Druck des Ghetto und der Galuth hat sie den Wider- stand verlernen lassen. Vertrieben von Thaddäus, verlassen sie ihre letzte Zu- flucht.

Die große Rache des Golem beginnt. Er war heimlich im Turm verborgen, jetzt kommt er heraus, er sperrt alle Ein- gänge und Ausgänge und richtet mit seiner Hacke unter den Mönchen ein Blutbad an.

3. AKT

Das Vorhaus einer Synagoge. Von allen verlassen, fühlt sich der Golem einsam und unglücklich. Seine Kräfte haben wieder keine Möglichkeit des Aus- lebens. Er verlangt nach dem Maharal, der endlich erscheint. Er bittet ihn, er möge ihn nicht verlassen, den Maharal er- wartet aber das Volk drinnen im Bet- zimmer und zornig verläßt er den Golem. Eine furchtbare Wut befällt den Golem, er greift nach seiner Hacke und springt

durch das Fenster auf die Gasse. Dort richtet er unter den Juden einen Pogrom an, beraubt Häuser und mordet Juden. Es entsteht eine Panik, in das Vorhaus der Synagoge kommen einzelne Rettung suchen, unter ihnen Tanchum mit einem blutigen Kopf.

Nach langem Suchen bringt der Ma- haral den Golem. Er beruhigt das Volk und bittet, man möge sie allein lassen. Auf die Frage des Maharal, ob er weiß.

51

wessen Blut er vergossen hat, antwortet der Golem: ..Jüdisches." Der Maharal schreit aus Verzweiflung: ,,An diesem Blutvergießen bin ich selbst schuldig!" Und lästert Gott, der ihm befohlen hat, den Golem zu schaffen.

Die Enkelin Deborah sucht hier den Großvater, der Golem küßt sie wieder. Der Maharal befiehlt ihm. das Kind in

Ruhe zu lassen, sich auf den Boden zu legen, damit er wieder zu Staub werde. Der Golem bittet ihn, er möge ihn am Leben lassen, der Maharal hat aber schon beschlossen, ihm die Seele zu nehmen.

Der Golem zerfällt wieder in Staub. Tanchum erscheint mit der ewig unbe- antworteten Frage: ..Wer bringt die Er- lösung?" . . .

BEER-HOFMANN: „JAAKOBS TRAUM**

Basmath (Goldina)

52

JAAKOBS TRAUM

von RICHARD BEER-HOFMANN

e r s o n e n:

Rebekka

Edom

Jaakob

Basmath

Oholibama^

Shamartu, der Babylonier, Edoms

Knecht Idnibaal, der Phöniker, Jaakobs Knecht

1

Ed

Die Stimme des Quells Die Stimme des Steins Zwei Engel Gabriel

oms rrauen

Raphael Uriel Michael Samael,

Engel

der Teufel

Während Edom auf der Jagd war, hat Jaakob mit Hilfe seiner Mutter Rebekka von seinem sterbenden Vater den letzten Segen erhalten.

1. AKT.

Nacht. Die Frauen Edoms, Basmath und Oholibama, befehlen semem Knecht Shamartu, Edom zu benachrichti- gen, was in seiner Abwesenheit geschehen ist. Während Oholibama meint, daß der Segen auf alle Fälle Edom zugute kom- men wird, da er ihm rechtmälsig gehört, meint Basmath, dafs nur blutige Rache an Jaakob den Segen und die herausge- lockte Erstgeburt dem Edom wieder zu- rückerobern kann.

Es dämmert. Edom kommt zurück, die Frauen gehen ihm entgegen, aber er stöfät sie von sich, verweisend auf seinen Schwur, nicht früher Speise noch Frau zu berühren, bis er blutige Rache an dem Bruder genommen hat.

Edom will zum Vater hineingehen, aber die Mutter Rebekka läßt ihn nicht herein. Er stürmt trotzdem hinein und kommt jammernd zurück, die Mutter möge ihm den Segen zurückgeben. Rebekka appel- liert an seine Gefühle als Sohn und sagt ihm, das ganze Vermögen, die Herde und das Haus, werde ihm gehören; Jaakob kehre nie mehr zurück. Edom macht der Mutter Vorwürfe, daß sie nur aus Haß zu ihm dem Jaakob den Segen vermittelt hat. Er muß sich an Jaakob rächen. Trotz der heißen Bitten der Mutter stürmt er mit seinen Knechten und Hunden hinaus, um Jaakob zu verfolgen und ihn zu töten. Rebekka betet zu Gott, er möge Jaakob beschützen.

2. AKT.

1. Bild.

Iaäkob und sein Knecht Idnibaal in den Bergen. Jaakob hält im Arm ein klei- nes Schaf, das er selbst betreut, während seine Knechte im Tal die ganze Herde hüten. Er ist an dem Tod der Mutter

des Schafes schuld. Ein Weg, der in die Heimat des phönizischen Sklaven führt und in ihm Sehnsucht nach dem Vater- land erweckt, läßt Jaakob mit seinem Knecht mitfühlen und ihm die Freiheit schenken. Jaakob bleibt einsam und schläft ein.

53

2. Bild.

Edom hat Jaakob erreicht, er greift ihn an, aber Jaakob verteidigt sich nicht. Edom hat einen Bogen in der Hand, Jaa- kob hält nur sein hilfloses Schaf im Arm.

Die Ruhe Jaäkobs, der sich von Gott beschützt fühlt, bringt Edom in Wut. Er schiefst einen Pfeil ab, der aber nur das Schaf tötet und Jaakob bleibt unversehrt. Edom fordert wieder Jaakob zum Kampf heraus; er nennt ihn Feigling, aber Jaa- kob wirft sein Messer weg und stellt sich unbewaffnet seinem Bruder. Edom ver- schmäht aber einen Kampf mit ungleichen Waffen. Durch die Unbeweglichkeit und die göttliche Ruhe Jaäkobs gereizt, gerät er immer mehr in Zorn und will schon Jaakob angreifen, springt aber wieder zu- rück.

Besiegt durch die unbegreifliche Kraft Jaäkobs, fällt Edom vor dem Bruder auf die Knie. Auch Jaakob kniet nieder. Edom klagt dem Bruder, daß er jetzt ver- stoßen sei und ohne Segen. Heißt das verstoßen sein, die Erde und ihre Freu- den zu besitzen und nicht von quälenden Fragen gepeinigt zu werden?

Edom fordert vom Bruder, er möge diesen schrecklichen Gott des Zweifels verlassen und in Länder entfliehen, in denen er keine Herrschaft besitzt, doch für Jaakob ist dieser Gott nicht schreck- lich.

Vom Durst gequält, bietet Jaakob dem Bruder Wein an, doch dieser will, treu

seinem Schwur, nicht trinken. Jaakob schneidet sich und Edom in die Hand, um die Wirkung des Schwures zu lösen.

Auf die Frage Edoms, ob Jaakob sich in der Tiefe seines Herzens nicht für besser und wertvoller halte, meint Jaakob: ,,Nein, Edom, nein. Ich habe eine Mission und du hast eine; Jaakob existiert, weil es einen Edom gibt."

Im Abgehen sagt Edom: ,, Jaakob, du hast gekämpft und gesiegt.**

3. Bild.

Aus der musikalischen Einleitung ent- wickelt sich der Akt von Jaäkobs Traum, seine Gedanken und Gefühle werden zur Realität. Sogar die Quelle und der Stein sprechen zu ihm im Traum.

Im Traum erscheinen zwei Engel, die ihm Kunde bringen sollen von dem be- vorstehenden Kampf, und dann als Ver- körperung der verschiedenen in ihm kämpfenden Kräfte die vier Engel Ga- briel, Raphael, Uriel und Michael, um ihm fröhliche Botschaft zu übermitteln. Der feierliche Gesang der Engel wird durch das Erscheinen des Teufels Samael unter- brochen, der im Kampf mit den Engeln Jaakob seine Bestimmung, in der Galuth zu leben, verkündet. Die Engel können dem nicht widersprechen. Samael ver- sucht, Jaakob Gott abspenstig zu machen. Jaakob beschließt aber, sein Schicksal zu tragen.

54

BEER-HOFMANN : „JAAKOBS TRAUM", III. AKT

Jaakob (Warschawer)

BEER-HOFMANN: „JAAKOBS TRAUM", III. AKT

Samael (B. Zemach)

SINTFLUT

Schauspiel in drei Akten von BERGER

e r s o n e n:

Streaton, Barbesitzer Charly, Kellner Onel' Freser

Nordling, ein Mechaniker

Huggis, eni Schauspieler

Lisi

Bir, Börseaner

1. AKT.

Ein heißer Morgen. Der Besitzer der Bar und der Pikkolo sind durch die Er- zählung Onels, daß eine Sintflut kommen wird, ganz erschreckt worden. Streaton befragt Charly über die gestrigen Ereig- nisse. Der Börseaner Bir hat viel verloren, was den verkrachten Freser sehr freut. In- zwischen haben die schwarzen Wolken schon einen starken Regen gebracht, in der Bar ist es ganz dunkel geworden, ,,wie im Grab", sagt Onel. Licht wird angezündet. Telegramme bringen neuen Schrecken: ,,Der Fluß tritt aus den Ufern, das Brot wird teurer." ,, Wieder ruiniert mich dieser nichtsnutzige Bir", er- regt sich Freser. Onel fragt ihn, ob er Krabben gern ißt. Freser haßt Anspielun- gen auf seinen materiellen Ruin und flieht wütend aus der Bar. Es donnert. In die Bar fallen zwei Arbeitslose, ein Mechani- ker und ein Schauspieler, herein. Sie er- zählen von den schrecklichen Folgen des Sturmes. Streaton will sie hinauswerfen, aber Onel schlägt vor, daß man lieber die Tür offen läßt, wegen ,,der frischen Luft". Der Telegraph steigert den Schrecken: ,,Der Damm hat den drän- genden Wassern nicht standhalten kön- nen." Alle sind über diese Nachricht be- stürzt. Onel lacht die kleinen Feiglinge aus: ,,Ja, ja, zu allererst wird die Bar untergehen." Freser schreit: ,,An allem ist dieser Halunke und Dieb Onel

schuld!" Der Streit wird stärker, bald kommt es zum Handgemenge, man hört nicht auf die Bitten des Wirtes.

Das Telephon läutet. Die Braut des Bir sucht ihn hier telephonisch. Nordling antwortet ihr: ,,Bir ist nicht da. Übrigens wirst du nicht mehr so sehr besorgt sein, wenn du ihn näher kennst."

Zwei Dirnen betreten die Bar: ,, Dir- nen können nur in der Nacht hereinkom- men", meint der Wirt. ,,Ist mein Geld in der Nacht anders als am Tag?"

Lisi geht in das Kabinett. Starkes Klopfen an der Tür. ,, Nicht öffnen." Es ist aber Bir, der beste Gast der Bar. Obwohl Freser aufgeregt ist, wird Bir hereingelassen. Seme Braut sucht ihn wie- der telephonisch. Das Telephon bringt wieder die Nachricht, daß das Brot teu- rer wurde. Bir freut sich über die Ver- luste Fresers.

Schon hört man das Dröhnen des Was- sers. Nur Onel behält das Gleichgewicht und sagt, man möge den Rollbalken her- unterlassen. Jeder sucht für sich Rettung: Freser durch die Decke, aber dort be- findet sich eine Bank; Charly lauft in den Keller; Nordling steüt fest, daß die Bar aus Beton gebaut ist und standhalten wird, aber sollte der Sturm stärker werden sitzen alle in der Falle. Bir ist aufgeregt: Heute ist seine Hochzeit. Lisi, die Dirne, spottet ihn aus, Bir erkennt in ihr das

57

BERGER: „SINTFLUT**

Lisi (Grober)

i

Mädchen, das er vor kurzem verlassen hat. ,,War ich denn der Erste?" ,, Schuft! Du hast mich dazu gebracht, ich liebte dich!" Onel ruft alle zur Besinnung. ,,Wir sterben alle in einem Augenblick; wir müssen bis zu Ende ruhig und ver-

nünftig sein." Streaton will seine Familie telephonisch sprechen. Das Telephon funktioniert aber nicht mehr. Man hört das Schäumen des Wassers. ,,Alle nach der Reihe", sagt Onel.

2. AKT.

Die Eingeschlossenen in der Bar suchen im Wein Vergessen. ,,Ein Weg wartet uns, der letzte, vergessen wir alle Feindschaft und nähern wir uns ein- ander!" ruft Onel. Freser will noch im- mer telephonieren. Bir will sich mit ihm versöhnen. ,,Es sind ja schon die letzten Minuten, vergessen wir unsern Haß, die Börse ..." Freser ist gerührt und drückt Bir die Hand: ,,Fort mit der Börse, wir sterben zusammen." Onel erscheint und versöhnt sich mit Freser. Bir bestellt Champagner. Streaton kommt und ruft: ,, Heute zahle ich, alles in meiner Bar gehört euch!" Das Telephon läutet. Wie wilde Tiere laufen alle hinzu. Nur fal- scher Alarm.

Bir kommt. Lisi will ihn meiden, Onel geht ihr nach, um ihr Gesellschaft zu leisten. Bir will ihr Aufklärungen geben. ,,Vor zwei Jahren habe ich in deiner und deiner Freunde Gesellschaft nur an- genehmen Zeitvertreib gesucht." ,,Du hast versprochen, mich zu heiraten, aber nicht das ist deine größte Schuld. Das Furchtbare ist, daß alle lügen und wir noch immer glauben. Wir fordern von euch nichts, weder das Heiraten, noch die Familie, nur ein wenig geistige Zärt- lichkeit und Wärme . . . Du hast mich

verlassen und ich liebe dich doch, wie dumm ..." Lisi tröstet Bir und versöhnt kehren sie zur Gesellschaft zurück. Jetzt sind alle versöhnt und erwarten zusammen den Tod. Nordling soll über seine Er- findung erzählen. Freser verspricht ihm die Hilfe Onels und Birs. Nordling er- klärt seine Erfindung, mit Hilfe von Te- leskopen und Spiegeln den Mond und die Sterne uns so nahe zu bringen, um sie wie auf der Hand beobachten zu können. Bisher sind die Versuche noch nicht ge- lungen. Aber alle wollen an die Geniali- tät der Erfindung glauben. Der Schau- spieler erzählt von seinem Ruhm. Strea- ton schlägt Punsch vor. , .Brüder, die wir hier versammelt sind, haben verstan- den, die Schönheit und den Sinn des Lebens: sie bestehen in Brüderlichkeit und Gleichheit." ,,Ja, ruft Freser, wir müssen einander lieben, wie Brüder leben und zusammen sterben. Vereinigen wir unsere Hände zu einer unzerreißbaren Kette."

Das Licht geht aus. ,,Ruhe, gebt Ker- zen." Das Wasser hat die Elektrizitäts- werke schon überschwemmt. Das Wasser dringt schon in die Bar. ,, Still, gebt Fetzen her ..."

t

3. AKT.

Allmählich gehen auch die Kerzen ein. Streaton erinnert an die Lampe. Charly bringt sie. Es ist schon Mitter- nacht geworden. Ein Telegramm. Über den Sturm, über den Fluß, über eine neuerliche Erhöhung des Brotpreises. Ein Schimmer Hoffnung.

Nordling scheint es, daß er ein Ge- räusch gehört hat. ,,Ich will mich orien- tieren. Osten, Westen ..." ,, Nor den Süden alle Windrichtungen auf dem alten Platz", spottet Onel. Charly soll den Keller untersuchen. Er fürchtet. Alle gehen hin. Schrecklich, das Wasser ist

59

noch nicht eingedrungen. Nordhng hört wieder ein Geräusch. Alle wollen lau- schen. Lisi läßt Bir nicht los.

Alle kommen zurück. „Wirklich ir- gend ein Geräusch." ,,\Venn ihr ein Ge- räusch gehört habt, so war es nur eine umgeworfene Mauer", sagt Onel. Doch die Hoffnung wächst. Freser befiehlt Charly, die Fetzen in den Türspalten zu kontrollieren. Charly wagt nicht zu widersprechen. ,,Vivat, die Fetzen sind trocken! Die Rettung ist nahe. Vielleicht ist auch schon der Telegraph in Tätig- keit. Nein, noch nicht." ,, Warten wir noch." Aber Freser will nicht warten, trinken will er aus Freude.

,,Ich trinke auf die Rückkehr zum Leben, die Sintflut hat uns belehrt, wie man leben soll", bringt Onel einen Toast aus. ,,Und ich trinke auf die Gesundheit Streatons, der uns so glänzend bewirtet hat", donnert der Schauspieler. Streaton ist umwölkt. ,, Charly hat auf alle Fälle berechnet, wieviel Wein ^^•ir getrunken haben." ,, Vielleicht rechnen alle zusam- men." Man rechnet laut. Bir achtet schon

nicht auf Lisi und zählt seine Millionen.

Das Telephon läutet. Bir spricht, die Zentrale meldet, dafs die Linie Nvieder funktioniert. Man soll die Tür öffnen,

,, Gefährlich", darum schlägt man es den zwei Arbeitslosen vor; aber auch die weigern sich. Onel öffnet das Fenster. Licht fällt herein. Nirgends Wasser, alle eilen zum Ausgang. Streaton legt die Rechnung für die Getränke vor.

Ein neuer Tag mit neuen Gemein- heiten. ,,Die Kette erwies sich als zu schwach", sagt Onel. ,,Und der einzige Weg nur ein angenehmer Spaziergang", ergänzt Freser.

Nordhng erinnert Bir an das Teleskop. ,, Deine Erfindung ist ein Unsinn, du mufst dich heilen." Streaton befiehlt, die Bar in Ordnung zu bringen. Alle sind schon \veggegangen.

Onel bleibt allein. , »Wieder hat das Leben begonnen, die Börse, die Bräute, das Geld . . . die Menschlein beschäfti- gen sich wieder mit ihren kleinen Dingen. Die Sintflut ist zu Ende."

60

BERGER: „SINTFLUT"

Lisi (Grober), Onel (Friedland)

PO

o

m

": c

>

H

STIMMEN DER PRESSE

\

Der liter arische Leiter des vv arschauer Staattneaters j^ilaszewski erklärte Pressevertretern gegenüher :

Die Vorstellungen der ,,Habima" be- deuten einen großen Fortschritt des Ensemblespieles. Ich kenne die wichtig- sten Aufführungen von Stanislawski und es scheint mir, daß die Inszenierung des ,,Dybuk" durch die ,,Habima" sich durch neuere Technik, insbesondere in der gewagten Charakterisierung, auszeichnet.

JHacn dem ersten Gastspiel in vVar- scnau meldete die offtzielle ^.Polnische Telegra^nen-Agentur in allen Vvelt" sprachen :

Die erste Vorstellung des ,,Hadybuk ' der ausgezeichneten hebräischen ,,Ha- bima"-Truppe aus Moskau fand gestern abends statt. Ein großes Auditorium, in dem die besten polnischen Kritiker, die bekanntesten polnischen Künstler und die ganze jüdische Elite zu sehen waren, war versammelt. Nach Schluß der Vorstellung glich die Bühne einem Blumenhain. Ein Bankett zu Ehren der Künstler fand statt. Die Zeitungen sind voll des höchsten Lobes für die künstlerischen Darbietungen der ,,Habima".

Die ,,Habima'* ist kein Theater, in dem die Hauptrolle der einzelne Schau- spieler, der Star spielt. ,,Habima" ist ein Kollektivtheater, ohne zentrale Persönlichkeiten, ohne große und kleine Rollen . . . Die ganze Kraft und der künstlerische Wert der ,,Habima" liegt in der intensivsten Bemühung, den allge- meinen Inhalt des Stückes klar und deut- lich herauszuholen. In Moskau wurde das moderne jüdische Theater der ernsten Disziplin geschaffen. Dort entstand ein neuer nationaler Kulturfaktor . . .

„Frunmorgen (Riga)

Ich halte die Anschauung, deiß die ,,Habima*' über wenig individuelle Ta-

lente verfügt, für stark übertrieben; aus lauter Puppen könnte auch der beste Regisseur kein lebendiges Theater schaf- fen. Richtig ist nur, daß die Hauptkraft der ,,Habima" in den Massenszenen liegt . , . Der ,,Dybuk*' der ,,Habima*' ist ein Riesenschritt auf dem Weg zu der großen jüdischen Kunst der Zukunft.

,, vvilnaer lag , Dr. Jeremias Franke!

Das ist die Darstellungskunst der ,,Ha- bima": nicht nur die Poesie des Wortes soll ihre Wirkung ausüben, auch das Auge soll seinen guten Teil haben. Das gemeinsame Wirken des Wortes, der Plastik, des Rhythmus, des Gesanges und der Musik schafft einen unwiderstehlichen Eindruck auf den Zuschauer. Die ,,Ha- bima" hat es vermocht, ihre Aufgaben einwandfrei zu lösen und dafür gebührt ihr der Dank aller Theaterfreunde.

Armand Äckerherg (Lodz)

Die Kunst der ,,Habima*' basiert nicht auf dem einzelnen Schauspieler, sondern auf dem ganzen Ensemble und jede ein- zelne Rolle ist bis in die Details auf die Gesamtwirkung berechnet. Jeder Bettler und jeder Batlan hat dieselbe Bedeutung wie Lea, der Zadik Ezriel, Chanan oder Meschulach. Die ,,Habima" schließt also den Star aus, um den sich alles kon- zentriert. Der Statist ist zur Theatergröße geworden; aber auch jeder Statist ist hier ein ausgezeichneter Künstler.

Dr. W. Fallek

Die Bedeutung der ,,Habima" wächst auch dadurch, daß sie einen Teil der Studien darstellt, die das russische The- ater in der letzten Zeit ausgeführt hat. Wenn das Ganze so aussieht wie dieses Fragment, das wir bewundern konnten, so kann man sagen, daß das russische Theater in Wirklichkeit eine ganze Reihe neuer Werte geschaffen hat . . . ,,Habima** betrachtet das Theater nicht als eine

63

p

•^

£i-

H

o

=r

3

n

•<

5*

en

^

P

o

n

r

B

m

^■N

2

^

n

^■«H

CO

7^

5J

^

b

e

o

r

3

c

m

rt

2

D

o

o er

k

G. LEIWIK: „GOLEM"

Tanchum (Raikin-Benari)

G. LEIWIK: „GOLEM"

Maharal Prudkin

Reproduktionskunst, sondern als eine schöpferische, selbständige Kunst, die mit einem besonderen Matenal operiert und nicht nur aus dem Text des Dramas, son- dern auch aus dem Schauspieler nur Hilfskräfte macht, die dem eigentlichen Schöpfer, dem Regisseur, zur Seite stehen. Die Dichtung, der Schauspieler, die De- koration, die Beleuchtung sind für den Regisseur nur Mittel, aus denen er das Bühnenwerk komponiert .... Freilich müssen diese Mittel erstklassig sein; sonst könnte zum Beispiel auch der geniale Mit- arbeiter Starüslawskis, Wachtganow, aus diesen Schauspielern nicht lebendige Pla- stiken schaffen, oder besser Reliefs, die manchmal den Eindruck machen, als wür- den sie von einem hebräischen Parthenon stammen und Marc Chagall hätte sie originell deformiert . . .

„T^asz PrzegJontT', Jakoh Ä^^enscnlak ( Vvarscnau)

Das schöne und tiefschürfende Stück von An-ski in der Interpretation des ,,Habima'*-Ensembles ist für unsere Bühnenversuche ein Ereignis von außer- oidentlicher Bedeutung. Hier legt die Theaterkunst am lebendigen Leib der Poesie ihre Reifeprüfung ab . . . Unsere Theatermaler sollten keine einzige Vor- stellung der hebräischen Truppe ver- säumen.

„Literarische j\.acnri entert , Slonimski

Die Welt des Ghetto und seine Ver- knüpfung mit den Astralmächten, der Kampf der Menschen mit geheimnisvollen Mächten, die Schaffung des Hinter- grundes voll von Elementen des Grauens und des Wunders all dies wurde von der ,,Habima" szenisch ausgezeichnet ge- löst. Der Beifallsturm nach den Akt- schlüssen war ganz spontan.

„Przeglona \vieczomy , Äaam Zagorski

Es führte mich in dieses Theater eine große Neugierde, wie dieses, scheint es, einzige hebräische Theater auf der Welt, das solch eine Reputation hat, auf die

sogar Stanislawski selbst einen Wechsel ausgestellt und unterschrieben hat, aus- sehen mag. Die Courtoisie, die in dem Bereiche der Kunst keinerlei Vorurteile kennt, zwingt mich, zu sagen, dafs dieser ausgezeichnete Mann, der die ,,Habima" unterstützt hat, dies keineswegs aus ir- gend welchen Kompromifsrücksichten ge- tan hat; es ist wirklich ein Theater von so hohem Niveau, dafs man darüber nur in den Ausdrücken höchster Bewunde- rung sprechen kann. Dieses junge Theater bringt, gleichsam um zu zeigen, daß es alle neuen Errungenschaften des Theaters in sich aufgenommen hat, im ersten Akt des ,,Dybuk** die vollendete Form des Realismus, im zweiten wählt es die Me- thode der Stilisierung und führt dieselben Menschen, die früher übermäßig real ge- staltet waren, in den Zauberkreis einer stilisierten tragischen Groteske. Diese Vor- stellung ist ganz besonders interessant; am interessantesten ist vielleicht das Lauschen der altehrwürdigen hebräischen Sprache.

vvarscnawianka , K. f^akuszynski

Wir verbrachten gestern im Theater No- wosci einen sehr interessanten Abend . . . Es war wert, die ,,Habima'* kennenzu- lernen. Das Ganze erstklassig. Ein vor- zügliches Ensemblespiel, das ganz den einzelnen Schauspieler vergessen läßt. In der Auslösung der Stimmungen, in dem Einfallreichtum der Gruppengestaltungen, die gar nicht gezwungen sind, aber immer wirken ist dieses Theater eine impo- nierende Erscheinung. Die Charakterisie- rung der Schar der Hochzeitsbettler, ihr Tanz, dann die Melodien, die die ganze Aufführung durchfluten das alles ver- mittelt Eindrücke von exotischer Pracht. . . Und dieser Tanz der Bettler, um ihn allein ist es wert, diesen hebräischen ,,Dybuk" zu sehen.

„Kjurjer Poranny' , Boy Zelenski

Das Spiel der Schauspieler macht den größten Eindruck durch die Rhythmik und Präzision der Bewegungen und Ge- bärden (besonders der Handbewegun-

67

gen) . Gleichermaßen eine außergewöhn- liche Präzision m den Gruppenszenen. Die Diskussionen und die mystischen Ver- zückungen der jungen Menschen im ersten Akt; der Tanz der Hochzeitsgäste, der in ihrer Häßlichkeit schauerlichen Bett- ler und die Vorbereitungen zur Trau- ungszeremonie im zweiten Akt und schließlich die Austreibungsszene des dritten Aktes gehören zu dem Vollendet- sten, das ich je im Theater gesehen habe. Die ,,Habima'* ist ein Schauspieleren- semble von ganz hoher künstlerischer Kul- tur und besitzt talentierte Musiker, Maler und Regisseure. Der Klang, die Farbe, das Wort und die Gebärde fügen sich hier zum Ganzen, das eine vollkommene künstlerische Befriedigung vermittelt,

„Der Ärhet'ter", ^^allis

Die ,,Habima'* ist ein Kind unserer Kultur und unserer Ideale. Sie ist auf die Welt gekommen, beseelt von den reinsten Gedanken und von den ehrlich- sten Wünschen. Die ,,Habima" ist eine Ausstrahlung eines tiefen und breiten nationalen Bewußtseins, sie bedeutet den künstlerischen Ernst der nationalen Ju- gend und den heißen Ethos der natio- nalen Renaissance in den letzten Jahren.

Dr. ?>doMoni, T^ew York

Die ,,Habima", die heute auf der Wanderung durch die ganze Welt be- griffen ist, ist ein Beispiel nicht nur einer hohen künstlerischen Kultur, sondern auch eine Volkserscheinung einer durch- geistigten Kunst, der ein großes Publi- kum überall mit großer Begeisterung lauscht.

„j\owa Reforma , Krakau

Die ,,Habima" ist ein Kind unseres Zeitalters, die reinste Blüte der Sehn- sucht des modernen Menschen und des modernen Juden. Sie gebar eine große Sehnsuchtswelle, die aus drei Quellen fließt: aus der Kunst, aus der jüdischen Wiedergeburt und aus der sozialen Er- neuerung. Diese drei Begeisterungsquellen schufen das Phänomen ,,Habima".

Dr. \vilnelm Berkelliammer, Krakau

Die ,,Habima" ist kein Theater des gewöhnlichen didaktischen Nutzens und kein Vergnügungsetablissement. Die Theaterarbeit der ,,Habima*' ist eine Weltanschauungsarbeit. Ihr Schauspieler- tum ist weder ihr Hauptberuf noch ihre Nebenbeschäftigung; es ist die einzige Form ihrer Betätigung auf dieser Welt, es ist ihr einziger Beruf.

„Cjnwila , Henrik Hescne/es, Lemherg

Rhythmus, malerische Bewegung, Mu- sik der Sprache, des Spieles und der Aus- drucksreichtum der Hände- und Fußbe- wegungen, die vollständige Raumerfül- lung, Plastik und choreographische Kunst, mit einem Wort: es war eine große Vorstellung. Eine Fülle theatrali- scher Schönheit, bei uns wenig bekannte szenische Ausdrucksformen und Möglich- keiten. Keine Spur von Dilettantismus, alles ist überlegt und durchgearbeitet, bis zum kleinsten Strich. In jedem Augen- blick spielt alles auf der Bühne; ein ge- schlossenes Ganzes. Das ist der Weg eines großen Theaters, so muß ein Theater geführt werden, wenn es hohe Ziele er- reichen will und die ,,Habima" hat schon viel erreicht. Wir können von der ,,Ha- bima" viel lernen.

„Der J^oment , B. Karnnius

Herausgeber: Moskauer Theater „Habima".

Im Selbstverlag.

Alle Rechte vorbehalten.

Druck der Waldheim-Eberle A. G., Wien VII.

PLEASE DO NOT REMOVE CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKE'

UNIVERSITY OF TORONTO LIBRAR'

vm

O CM

:ii I CO