oe: © Pe ren LIE EEE Eee Was die na. Forschung au fassonden Idoen und an locken don Gebilden der Phantasie, wird ihr reichlich ersetzt durch don Zauber der Wirklichkeit, dor Ihre Schöpfungen schmückt. Schwendener. Redigirt von Dr. H. Potonie. Kgl. Bezirksgeologen, beauftragt mit Vorlesungen über Pflanzenpalaeontologie an der Kgl. Bergakademie zu Berlin. DREIZEHNTER BAND ++ (Januar bis December 1898). — BERLIN. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung. . y en} sed sim sub SIosE Syaznaı | Inhalts-Verzeichniss. Die Original-Abhandlungen, -Mittheilungen und -Abbildungen sind durch die Beifügung der Abkürzung „Orig.“ gekenn- zeichnet; ausserdem sind viele Autoren an den Referaten über ihre Arbeiten dadurch betheiligt gewesen, dass sie die Seite Varia und Allgemeines. Borodin, Athmung und Leben 520 Cohn, Jugend und Alter (Ovig.) . 589 Hennig, Ueber Phantome Orig.) . . 385 Itzigsohn, Beitrag zur naturwissen- schaftlichen Erkenntnisstheorie be- hufs Begründung der Sociologie auf Weierstrass’scher mathematischer Grundlage (Orig.) . Euer)! Jaeckel, Gegenwärtiger ‘Stand der Deseendenzlehre (One . 887 Köppen, Ueber Phantome (Orig.) 335 Linsbauer, Die Lichtverhältnisse des Wassers speciell mit Rücksicht auf deren biologische Bedeutung (Orig.) 349 Pietzker, Das Jahr Null (Orig.) 412 Sarrauton, Die Decimalstunde 3197. Waldeyer, Befruchtung und Verer- bung (mit Abb.) . 117 Wetekamp, Nationalparksin Deutsch- lands. 562 Angelegenheiten der Naturwissenschaft- liehen Wochenschrift . 33) Philosophie. Dreher, Zur Aesthetik. . 187 Potonie, Abhängigkeit der Seele vom Körper (mit Abb.). . - 139 Staudinger, Zur wissenschaftlichen Grundlegung der Ethik (Orig.) . 577 Anthropologie und Verwandtes. Bruck, Hermaphrodit . 146 Fürst, Die Bataker (Orig.) 2 0,.04.27229 — Theater und Musik der Javaner (Onig.) . 493 Matignon, Fuss einer Chinesin u ) Sokolo wsky, Praehistorische Pferde- zeichnung (Orig. mit Orig.-Abb.) 42 Tissot, Ueber eine Familie 6 fingeriger Menschen Sll Wilser, Menschenrassen und "Weltge- schiehte (Orig.) . 1 — Haben sieh RR Ostgothen gesondert, erhalten oder vermischt? (Orig.) 223 — Stammbaum der arischen Völker (Orig. mit Orig.-Karte) . 561 Zoologie. Adams, Geruchsinn der grossen Weg- schnecke 74 Bachmetjew, Temperatur d. Inseeten 623 Correeturen gelesen haben. Baer, Siefert, v. Lendenfeld u.a, Physiologische Bedeutung der Luft- räume bei den Vögeln Barrington, eh zwischen u Spinne und Wespe SL Baye Beilevoye, Mauerbiene . Beyerinck, Wirthswechsel bei Pflan- zengallwespen . Blaxland Benham, Ein 4. Exemplar von Notornis Mantelli Bouvier, Peripatus i Boyce und Herdmann, "Bedeutung der Farbe der grünen Austern Brandt, Zur chemischen Zusammen- setzung des Planktons Bullo, Rothseuche der Aale . . Cau sard, Rolle der Luft bei der letzten Häutung der im Wasser lebenden Inseetengruppen. . Chun, Resultate der Tiefseeforschung und Aufgaben einer Tiefsee-Expe- dition . Clark ‚ Veberdie Thierw eltvon Jamaica Collett, Neue Teobarhiungen; über den Lemming a: —, Der Bieber . . Dahl, Herkunft des Flohes . . Dahms, Der Schelch des Nibelungen- liedes (Orig.) - - —, Nochmals der grimme Schelch (Orig.) Darboux, Schuppen der Aphroditiden Dolbear, Amerikanische Taldenlla als Thermometer . . Dubois, Abhängigkeit des Hirnge- wichts von der Körpergrösse bei Säugethieren . . - Bar Eimer, Entstehung der Arten Ds Escherich, Symphilie ist Brutpara- sitismus . er, Tentorium osseum. . Merk würdige Nester der Faussek, Ablagerur "ung des Pigments bei. Lamellibranchiern . Feddersen, Eine Krankheit der Aale Fickert, Th. Eimer’s Ansichten über die Entstehung der Arten (Orig.) . Fischer-Sigwart, Reiten der Frösche Friedländer, B. und Thilenins; Palolo-Wurm . : > Girard, Eier von Monotus albus - Godfrey, Der Kea . . 465, Göthe, Die austerförmige Schildlaus (Aspidiotus ostraeiformis) Grassi u. Calandruceeio, Entwicke- lung des Aales . . der Greve, Verbreitung des Elens Grieg, Spitzwal bei Karmö ‚ Tiefseeforschungen im u Waagstjord "und Ulve sund Seite Günther, Appetit und Häutung indi- scher Sehlangen in Gefangenschaft Härter, Erscheinung des Seeschiessens Hartwig, Vorkommen einiger selte- ner Entomostraken in der Provinz Brandenburg (Orig.) . Heape, Ueberführung befruchteter Eier in ein anderes Mutterindividuum Hill, Beutelthier mit Placenta . Hinkelmann, Kirche, des Nordostsee- Kanales . ; Hogs, Lebensweise kewense . . Howard, Einfluss des Menschen auf die Verbreitung landbewohnender Arten der Insecten 2 James und Grieg, Einige interessante cetologische Mittheilungen . Jolyet und Sellier, Athmung des eehundes . Jourdain, Luft und Wasser als Fac- toren der Ernährung bei Lurchen Karsten, Formänderungen von Scele- tonema costatum Kerr, Beobachtungen an Lepidosiren Kobelt, Zur Theorie der Protoplasma- und Zell-Structur (Forte ) (Orig. mit Orig.-Abb.). . . 18, Kölliker, Energiden im Lichte der Gewebe-Lehre der Thiere . König, Fang und Verbreitung der See- hunde (Orig. mit Orig. -Karte) SIE Lesne, Ungewöhnliche Erdlöcher der Larve von Cieindela hybrida . 6 v. Linden, M., Das Leben der Köcher- fliegen (Orig. mit Orig.-Abb.). Lönnberg, Biologie von Gasterosteus aculeatus - Locard, Tiefenverbreitung der Mol- lusken —, Verbreitung der malakologischen "Fauna in den grossen Tiefen des nördlichen atlantischen Oceans . Marsh, Protoceratiden . von Bipalium Mathias- Duval, Amöboismus der Nervenzellen . . Matschie, Verwandtschaft zwischen Löwe und Tiger ? —, Eine „neue“ Mäuserasse in Irland "(Orig .) —, Zoographische Gebiete der äthio- " pischen Region 5 Merwarth, V eränderungen Zeichnung der Vogelfedern Mesnil und C aullery, Vi Äuipare Poly- chaete Mortensen, Palaemon Fabrici . M üllenhoff, Neuere Untersuchungen über den Vogelflug (Orig.) . in der 38823 Seile IV Nagel, Geschmacksorgan der Schmet- terlinge : : Nehring, Grössenunterschied der [e) und 5 bei den Blindmäusen (Orig.) —, Einige Bemerkungen über die Blind- mäuse und ihre geographische Ver-- breitung (Orig. mit Abb.) Nordgaard, Planktonformen im Ber- gensfjord Ord, Ueber Bienen Ostergren, Bestimmt gerichtete Um- bildung der Kalkkörper im Haut- skelett der Holothurien (Orig.) . Patterson, Meersäugethiere von Yar- mouth 4 Petersen, Ergebnisse der Plankton- forschungen im Limfjord ar Pilliet und Boulart, Zusammenge- setzter Magen der Schlankaffen . Plate, Befruchtung, Vererbung und Entwickelungsmechanik (Orig.) . Pocock, Bastard zwischen Löwe und Tiger . h Potts, Neue Süsswasserqualle 5 Raspail, Abnahme der Veen im Jahre 1Sy7e: oh Reuter, Seefische in süssen "Gewässern Reynand, Ortssinn der Thiere . Richard, Beitrag zur Fauna der Bin- nengewässer der Canarischen Inseln Rocknigny-Adanson, Abreise der Zugvögel in Beziehung zum darauf- folgenden Winter . —, Ueberwinterung der Schmetterlinge "die Beständigk eit der Roemer, Zum Integument der Säuge- thiere . area Be Rollinat, Fortpflanzung “der euro- päischen Schlangen Roule, Anneliden . . Schauinsland, Brückenechse (Hatte- ria punctata) . . o c Sehilling, Die Spargelliege Au Schönland, Nestbau des Tokkos Sokolowsky, Herkunft der Hirsche (Orig.) - _ , Abstammung "und Verbreitung der "Sehildkröten (Orig.) - —, Die Borstenigel (Orig. mit Orig. -Abb.) Standfuss, Experimentelle Unter- suchungen an einheimischen Gross- schmetterlingen . Sutherland, Körpertemperatur der niederen Säugethiere . Swayne, Homologieen der Hornbil- dungen bei den Ungulaten . ö Thilo, Einige Anpassungen d. Schwanz- flosse von Fischen und Säugethieren ‚ Grössenunterschiede von Männchen Br Weibehen im Thierreich . Willem, Hautflügler, die im Wasser leben . . Wilser ‚ Nochmals der grimme Scheleh (Orig) Wishart, Gartennacktschnecken 5 Wyss, Bacterien-Krankheit der Plötze — ‚ Oenera dispar . . Auu: —_, , Studium des lebenden Thieres { — Wolgahuhn 139, 163, Botanik. Bing, Auftreten des rothen Schnees . Cabanes, Missbildung der Birnen- frucht ae Conrad, Bacillus des Sauerkohls e De tmer, Zur Charakteristik einiger Vegetationsformationen (Orig.) Diels, Flora von China (Orig. (OLE) ro one u ee de Forest Heald, Einfluss von Licht und Wärme auf Keimung der Sporen der Bryophyten und Pteridophyten mit Inhalts-Verzeichniss. Graebner, Ueber die Bildung natür- licher Vegetationsformationen im norddeutschen Flachlande . . . . Grüss, Rohrzuckerbildung aus Dex- trose in der Zelle A BEE Jegunow, Eine mechanische Er- klärung für die Structur der Bacterien- Kolonieen Maldiney, Thouvenin, Lopriore, Seldis und Palm, Einfluss der X- strahlen auf die Keimung der Samen (mit Abb.) . . ED Eine Krankheit der Pfingst- se Magnet, Lebensdauer der Bacterien- BDOTen N ea Molisch, Das Erfrieren der Pflanzen Müller, Otto, Bacillariales aus den Hochseen des Riesengebirges . Nestler, Ausscheidung von Wasser- tropfen an den Blättern Palladin, Entstehung des Chloro- phylis : Potonie, Die natürlichen Pflanzen- systeme der Neuzeit (Orig.) —, Die Begriffe Trophosporosom, Tro- " phophyli u. a., sowie Gedanken zur Morphologie (Orig.) —, Monströse Birnen (Orig. mit Abb.) Prillieux und Dar Rüben- gelbsucht Reinke, Leuchten von Ceratium tripos, einer Plankton- Peridinee . Rosenberg, Transpiration der Halo- phyten . Schleichert, Pflanzenphysiologische Beobachtungen (Orig.) > Ei Schloessing-fils, Einwirkung des Argon auf die Pflanzen 5 Schneider, Camillo, Pflanzenwelt der Sahara (Orig.) . Seurat, Flora der trockenen Ebenen Mexikos. . Skertehly, Eine Kupferpfl: unze Strasburger, Vorkommen von Cen- trosomen bei Pflanzen (mit Orig.- Nachbild.) . . —, Bildungsweise und Wachsthum der pflanzlichen Zellhäute Stromer, Bildung des Zuekers in der Zuekerrübe Thomas, Vegetation und elektrisches Tichinsr Tilden, Algen "der heissen "Quellen Treub, Einziger Fall von Embryobil- dung im Pflanzenreich . Wisseling, Verbreitung des Chitins in der Pilzmembran A Aufruf zur Mitarbeit an einer "Krypto- gamenflora der Provinz Brandenburg Herbarium Julius Schrader’s Palaeontologie. Friedlaender, Benedict u. Imma- nuel, Lava als Einbettungsmittel von Pflanzen (Orig. mit Orig.-Abb.) Pabst, Weiterer Beitrag zur Kenntniss der Thierfährten in dem Rothliegen- den Thüringens (Orig. mit Orig.-Abb.) —, Thierfährten in dem Rothliegenden Thüringens (Orig. mit Orig.-Abb.) . Potonie, Eine Carbon - Landschaft, Erläuterung zu einer neuen Wand- tafel (Orig. mit zum Theil Orig.-Abb.) —, Palaeophytologische Notizen: V. Pathologische Erscheinungen mit atavistischen Momenten (Orig. mit Abb.) . . VI. Lava als Einbettungsmittel von Pflanzen (mit Orig.-Abb.) —, Restaurirte vorweltliche Pflanzen (z. Th. Orig. mit Abb.) . Seite Geologie und Mineralogie. Bornhardt, @sologie von Deutsch- Ost-Afrika . E Daubr&e u. Marpm ann, Zur Theorie der geschiehteten Gesteine. Friedlaender, J., Künstliche manten (Orig. mit Orig.-Abb.) Herrmann, Die a schieferbrüche (Orig.) Herrmann, L., Der Speckstein im Fichtelgebirge (Orig.). B a Das pommersche Urstrom- tha © Naumann, Reise, nach Mexico (Orig.) Nordenskiöld, Wülfing, Gans, Potonie, Bornet, Ueber Kıyo- konit . . Ramann, Autochthone Entstehung der Kohlenflötze v. Riehthofen, Der geologische B Bau von Schantung mit besonderer Be- rücksichtigung der nutzbaren Lager- stätten (mit Karten und Profilen) . Wagner, P., Das Graphitlager von Sehwarzbach in Böhmen Si mit Orig.-Abh.).. Wagner, Kieslagerstätten von Boden- mais im Böhmerwald (Orig. mit Orig.-Abb.). . Wahnschaffe, Stassfurter Salzlager (Orig.) —, Entwiekelung der Glacialgeologie im norddeutschen Flachlande (Orig.) Walther, Ueber die Formen der asia- tischen Wüste (Orig. mit Orig.-Abb.) Zache, Tektonische Thäler und Ero- sions-Thäler in der Mark DEE mit Orig.-Karte) ana: Dia- Physik. Kaufmann, Die Emissionstheorie der Kathodenstrahlen (Orig.) König, Neuere Forschungen auf dem Gebiete der physiologischen Optik (Orig. Binde Untersuchungen über den Fall eines schweren a (mit Abb.) . Looser, Versuche über "strahlende Wärme (Oria)u re Pockel, Schätzung der bei Blitz- schlägen erreichten maximalen Stromstärke . Spies, Einige Demonstrationen über Wechsel- und Drehstrom nu) Stark, Der "Russ B Astronomie. Belopolsky, von ß-Lyrae . Brenner, Thätigkeit der Manora-Stern- warte 1897 (Orig. mit Abb.) . —, Resultate aus den Marsbeobach- tungen an der Manora-Sternwarte (Orig. mit Mars-Karte) : oe Zeitbestimmung (Orig Ks ‚ Ortsbestimmungen (Orig.) ‚ Gegenwärtiger Stand über einige 1 "der w ichtigsten astronomischen For- schungs- Erg gebnisse (Orig.) Hnatek, Jupiter- -Monde (Orig.) . Witt, Berberich und Foerster, Neuer Planet zwischen Erde und Mars SEE . 455, Doppelsternnatur Meteorologie. Hellmann, Der Baar ‚ Gewitter und "Gezeiten i diesjährige e milde Seite 76 939 Hennig, Kritik der Falb’schen Wetter- prognose für August (Orig.) : —, Problem der kalten Tage des Mai Less, Wetter-Monatsübersichten (Orig. mit graphischen Darstellungen über Temperaturen und Niederschläge) 33, 90, 138, 185, 234, 293, 392, 453 Less und Hennig, Wetter- Monats- übersichten (mit graphischen Dar- stellungen, Orig.) . - . 500, 548, Meinardus, Möglichkeit einer Witte- rungsprognose für längere Zeit im voraus (mit Karte und graphischer Darstellung) : Mourcaux, Starke Anomalieen des Erdmagnetismus in Central-Russland Rudolph, Herkunft der atmosphäri- schen Bleetrieität und ihre N wirkung bei Wolkenbildung u. s. w. Venukows, Localer m: asneriidliee Pol Wiesner, Photoche misches Klima im arktischen Gebiete . Einrichtung meteorologischer Stationen nn I. Ordnung e Wetter- Monatsübersicht siehe Less Chemie. Ach u. Fischer, Oxydichlorpurin . Behn, Tropfbar flüssige Luft (Dr, mit Orig.-Abb.) . . Blank, Neue allgemeine Synthese von Indigo- -Farbstoffen . s Boettger, Verarbeitung der furter Kali-Salze (Orig.) . Brush u. Crookes, Entdeckung des Aethers? . Delbrück, Fortschritte der Gährungs- chemie Stass- Dewar, V erflüssigung des "Wasser- stoffes und des Heliums . ip NE E., Triehlorpurin ne ‚ Synthese des Hypoxanthins, Xan- "thins, Adenins, Guanins . s Göttig, Chemische Vorgänge bei ex- plosiver Zersetzung von mit O-Spen- dern vermischten Nitroverbindungen Har ries, Aufspaltung des Sylvans van't Hoff, Ueber die zunehmende Bedeutung der anorganischen Chemie 488, Le Dantee, Muscarin Lengyel, Zur Chemie des Caleiums Moissan, Verfahren zur Darstellung des krystallisirten Caleiums Moissan u. Dewar, Eigenschaften des flüssigen Fluors . . Perkin u. Pilgrim, Farbstoffe des indischen Farbstoffs 'Delphinium Zalil Piloty, Totalsynthese des Glycerins und Dioxyacetons . . Pinner, Verbindung von Chloral mit Formaldehyd . 8 Ramsay u. Travers, Neue Elemen- tarbestandtheile der Luft Homogenität des Heliums Isochore . r Geographie und Verwandtes. Conway, Höhe des Illimani . v. Drygalski, Aufgaben der For- sehung am Nord- und Südpol a a: st, Der Vulcan Lamongan (Orig.) , Reise durch Javas Bauer: Fürstenthümer (Orig.) 3 c Halbfass, Grosse Seen in Europa” Lang, Der Adschidarja (Orig. wit Orig.-Kärtehen). . . Makarow, Erreichung des Nordpols mittels Eisbrecher . . Martell, Die Armand- Höhle . 609 245 258 572 307 526 247 Inhalts-Verzeichniss. V Seite Seite n> de erg der bydro- | Nationalökonomisches, Landwirth- v. Riehthofen, Rechtschreibung von sehaft ete. Kiautschou . k 175 Riehthofen, Ferd. v. ‚ Geographischer d’Angelo, Neues Mittel gegen die Ueberblick von Ostasien (Orig.) . 385 Phylloxera . Tl Schiroku-Honda, Besteigung des Castonnet des Fosses, Producte Mount Morrison auf Formosa. . 99 Cretas rl Speier, Neue Formaldehyd- -Verbin- Chittenden, Zwei den Gurken schäd- dungen (Orig.) a5l liche Käfer der Vereinigten Staaten 5ll Sperber, Chemisch inactive Eleme ‚nte Dihdin, Neue Methode der Abwässer- (Orie.) . 52 Klärung . 101 Tauber, Theerfarbstoffe (Örig.). 358 | Faber, Der Specht als Forstschädling 297 Tiemann, Jonon aus Lemongrasöl 560 Fürst, Kaffee-, Zucker-, Tabak- und v. Toll, ne nach Sannikowland 405 Thee-Kultur’auf Java (Orig.). - 297 Walther, Oxus-Problem i 556 | —, Kultur des Reises und der auf Reis- Winter en, Ein phosphorhaltiger "feldern erzielten 2. Gewächse (Orig.) 132 Pilanzenbestandthe il, d. Inosit liefert 75 | Howard, Kampf Bogen die San-Jose- Zsigmondy, Wasserlöslichkeit metal- Schildlaus 490 lischen Goldes und des Cassius’schen Kolderup, Einfluss des” phosphor- Goldpurpur ; 512 sauren Gehalts des Bodens auf den Expedition zur Gradmessung auf Spitz Körperbau des Viehs . . 345 bergen A 270 | Krüger, Friedr., Die San- Jose- Sehild- Höhenmessungen auf den Färöern 344 laus-Frage (Orig. mit Abb.) 189 Laurent, Kultur des Kaffeebaumes im Congostaate 322 Pädagogisches. Lindner, Bacteriologie der Gährungs- gewerbe (Orig.) - 389 Klein, F., Universität und Technische Matruchotu. Dassonville, Flechten- Hochschule 2 481 krankheit der Pferde . 603 Schwalbe, der 8. naturwissenschaft- Milliau, Die Gewinnung des Baum- liche Ferienkursus für Lehrer an wollensamenöls . I höheren Schulen (Orig.) . 373 | Nocard, Bösartige Rotzkrankheit der ‚ Berücksichtigung der Technik beim Pferde 307 Unterricht und in den Ferienkursen Radde, Theegewinnung "auf der Insel (One er ORHEREEHI Java. . 232 Wegener, Der dunkle Erdteil. Aus- Reh, Sch ädigung der Landwirthschaft stattungs-Vortrag in der „Urania“ 22 durch Thierfrass. Eine Zusammen- Ferienkurse s. auch unter Vereinswesen stellung (Orig.) . 364 Griechisch und Latein auf den dä- Schlatter, Physiologie der Verdauung 5938 nischen Schulen . . 998 | Wollny, Eintluss der Regenwürmer auf die Ackerkrume »81 Einfluss des Düngers auf Frostschaden 466 Medizin, Hygiene und Verwandtes. | Rumex hymenosephalus 2. 208 Was ist ein Wiesenhobel? erl Balland, Die Kastanien als Nahrungs- mittel. —, Bedeutung "Frankreich . Brucker, Megninund Jourdan, Er- zeuger ‘des Merbst- Erythems . i Cannarsa, Krankheit von Landleuten, die mit Schilfrohr in Berührung kommen . Finckler, Eiweissnahrung und Nah- des für Buchweizens rungseiweiss . Fraser, Antitosische > Wirkung. ( der Galle. . . B Grasset, Kropf 5 } Martius, Krankheits- Ursachen und Krankheits-Anlage . Mendelssohn, Stellung der Kranken- pflege in der wissensehaftl. Therapie Neubürger und Edinger, Mangel des Kleinhirns Phisalix, Gift der Hymenopteren als Sehutzmittel gegen Schlangengift —, Tyrosin, ein Mittel gegen Snanarn ift Er hold, "Bau der Haare und iger icht- liche Medicin . Scherk, Ferment- Wirkung | in ihrer Beziehung zum Organismus (Orig.) Tillmanns, Hundert Jahre Chirurgie Vincenzi, Weihwasser in den katho- bischen®RKirchenn MEN ER Zinn und Jacoby, Anchylostomum und andere thierische Parasiten beim Menschen RR Neuere Forschungen über experimen- telle Pathologie des centralen Nervensystems C Phagoeythen-Theorie Was ist Byrolin? 89 33l Technik und Instrumentenkunde. Bunte, Neuere Entwickelung der Flammenbeleuchtung . Günther, Auswitterungen an . Ziegelu und Ziegelmauerwerk . Hermann, Licht der Zukunft (Orig. mit Abb.) . - Intze, Zweck, Bauausführung, Bedeu- tung von Thalsperren Meyer, Rich., Chemische Forschung u. u. Technik in ihrer Wechselwirkung . Nagy, Verfahren zum Verkoken von Braunkohle . Pufahl, Das Eisen und seine Gewin- nung (Orig.) 2 Saare, Chemische. Technologie der Gährun sgewerbe und Stärke-Fabri- kation (0 Orig.) . Scehiller-Tietz, Neue Wege der Gähr- kunde und Gährungstechnik (Orig.) Vogel, Fortschritte der ROBBE (Berichtigung) 2 —, Gegenwärtiger Stand der wissen- schaftlichen Photographie . S Neue Apparate zu Röntgen- Versuchen (mit Abb.) .. . Steekelmann s Patent- -Klapp- “Camera mit Spiegelreflex (mit 2 Abb.) . . Historisches, Biographieen, Nekrologe, Personalien. Schenkling-Pr&vot, Antony van Leeuwenhoek (Orig.) . . + } 421 VI Inhalts-Verzeichniss. Seite Seite Personalien, kurze Angaben von Er- Börnstein, Fortschritte der Physik. 79 | Heyer, Erhaltung der Arbeit nennungen, Versetzungen, Todes- Bortkewitsch, Gesetz der kleinen Hertwig, Zelle und Gewebe. fällen etc. 10, 22, 34, 43, 53, 64, 77, Zahlen ; 186 | Hettner, Geographie im 19. Jah 91, 102, 115, 124, 139, 149, 162, 173, Boyer, Photographie et l’&tude des hundert . . h 186, 198, 210, 221, 235, 246, 258, 270, images ; . .1.1283 | Hildebrand, Cyelamen 281, 307, 322, 345, 358, 369, 382, 394, Brandes, Flora von Hannover f ..91 | Holzmüller, " Ingenieur- -Mathematik . 405. 418, 429, 442, 455, 466, 502, 515, Brenner, Spaziergänge durch das Hörmann, Studien über die Proto- 527, 589, 550, 561, 574, 586, 610, 623. Himmelszelt 103 plasma-Störungen bei den Charaeeen —-, Handbuch für Amateur-Astronomen 443 Hübl, Photographisches Reproduc- Bruchman n, Selaginella spinulosa 66 tions-Verfahren Vereinswesen, Museen ete. Budde, Naturwissenschaftliche Plau- Huxley, Ursachen der Erscheinungen dereien 502 in der organischen Natur 6 König, Ziele und Aufgaben natur- Busch, 100 einfache Versuche zur Ab- Januschke, Prineip der Erhaltung historischer Museen (Orig.) zı leitung elektrischer Grundgesetze . 115 der Energie E B Allgemeine Versammlung (29.) der Deut- Büsgen, Waldbäume . 45, 888 Johansen, Nansen und ich 5 schen anthropologischen Gesellschaft 345 | Cantor, Geschichte der Mathematik . 310 Juraschek, Hübner’s geographisch- Allgemeine Versammlung der Deutschen Christ, "Die Farnkräuter e 35 statistische Tabellen für 1898 . geologischen Gesellschaft zu Berlin Cohn, Willkürliche Bestimmung des Just's botanischer Jahresbericht IH Ton 20.869565 Geschlechts 8832 | Kahlbaum, Briefe zwischen Berzelius Assoeiation francais” pour "Tavaneement Costantin, Vegetaux et Tea, ler und Schönbein des sciences "alte 382 eosmiques . . 10 | Kaiserling, Praktikum der wissen- Balneologen-Congress . . 1.22.21090, Czuber, Differential- und Integral- schaftlichen Photographie . . Congress (10.), russischer, der Natur- rechnung . „295 | Keilhack, Kalender für Geologen 1898 forscher und Aerzte . . 308 | Dähnhardt, Naturgeschichtliche Kerner, Pflanzenlehre Deutsche Gesellschaft für volksthüm- Volksmärchen 10 | Kirchner und Blochmann, Mikro- liehe Naturkunde 43, 102 | Dammer, Palmenzucht und -Pflege 44 skopische Pflanzen- und Phierweli- Deutsche meteorologische Gesellschaft 124 |-Dippel, Das Mikroskop 323 | Klein, Felix, Conferences sur les Eine Urania in Wien . R 308 Donath, Anfänge des menschlichen math&matiques . h Ferienkurse in Jena . 198 Geistes Ne R 199 | Klein und Sommer feld, Theorie des Ferienkursus (8. naturw.) in Berlin für Dr Samen ini Heilpflanzen 3 502 Kreisels. . e Lehrer an höheren Schulen (mit Engler, Die natürlichen Pflanzenfa- Knipping, Se eschifffahrt . . Ahbs)as 2. 163, 373 ER A 2 991,7323,, 407 | Kmutih,H andbuch der Blüthenbiologie Ferienkursus in Frankfurt a. M. für —, Syllabus der Pfanzenfamilien” 310 | Köhler, Katechismus der Bergbau- Lehrer höherer Schulen ‘ 370 Er dmann, Anorganische Chemie . 443 kunde . Heringsmuseum in Gothenburg 970 | Ernecke, Elektrische Wellen und ihre Kohlwey, Arten- und Rassenbildung Internationaler Congress (3.) für ange- Anwendung . 150 | Kohlberg, Ecuador . 5 wandte Chemie . . 2.294, 345 Eschenhagen, Magnetische Unter- en Torfindustrie ur Internationaler Congress (5.) für Hy- suchungen im Harz 2.903 Kölliker, Die Energiden . drologie, Klimatologie u. Geologie 382 | Fabry, Acoustique et optiquo 323 Kopper Photogrammetrie und inter- Internationaler Physiologen-Congress . 308 | Federow, Stereographisches Netz zur nationale Wolkenmessung . Internationaler (4.) zoologischer Con- Feldspath- Bestimmung 91 | Korn, Theorie der Gravitation . gress. . 308 | Fenkner, Arithmetische Aufgaben 127 | Krämer, Bau der Korallenriffe und Jahresversammlung der British Associa- Ferrier, Cause premiere d’apres les Plankton-Vertheilung . tion for the advancement of science 382 Anker experimentales . ; 198 | Kräpelin, Leitfaden für der De Jahresversammlung (81.) der schweizeri- Fischer, K, Sommerhochwasser Juli- schen Unterricht schen naturforschenden Gesellschaft 345 August 1897 im Oderstromgebiet 27l | Krancher, Entomologisches Jahrbuch Naturwissenschaftlicher Ferienkursus f. Fischer, L., Katalog der Vögel Badens 419 5, Lehrer höherer Schulen 163, 373 | Fischer, M., Pokorny's Naturge- Krieger, Mondatlas . . . Preisaufgaben . A 115, 149 sehichte des Pflanzenreiches 91 Kükenthal, Zoologisches Praktikum Station für Pflanzenschutz zu u Hamburg 382 | Fleischmann, Zoologie 102 | Küster, Bedeutung der physikalischen Versammlung (69.) der Gesellschaft Flöricke, Sehwimmvögel . ; 443 Chemie . . sah deutscher Naturforscher und Aerzte Flügel, Seelenleben der Thiere 394 | Lang, O., Wie wächst das Erz? s SO An galldie Fonvielle, Les ballons sondes et Lassar- Cohn: Chemie im täglichen Versammlung (70.) Deutscher Natur- les ascensions internationales . sol Leben . forscher und Aerzte . 369, 481 | Föppl, Vorlesungen über technische x Lehmann, Alfr., “ Aberglaube” und Wissenschaftliches Theater der Urania 478 Mechanik 4 ee 383 Deuberer 5 Fraisse, Zelleulehre . 466 | Lehmann, O,, "Elektrische "Lichter- Fuchs, Anleitung zum Bestimmen der scheinungen o Litteratur. Mineralien . . 2833 | Levy, Theorie des“ mardes. Gaedicke, Gummidruck 371L | Lilje, Gesetze der Rotations- Elemente Anderssohn, Physik, Prineipien der Gauss’ Werke . 358 der Himmelskörper e BABES ir Naturlehren . 359 | Geisler, Der erste Chemie- Unterieht 370 | Lindenberg, Fritz Vogelsang ® Arnold, Repetitorium der Chemie’ 11 Geissler, Mathematische Geographie 611 | Lindner, Friedr. ‚ Preussische Wüste Ascherson u. Graebner, Synopsis v. Ghika, 5 mois au pays des Somalis 2832 einst und jetzt bat ER der mitteleuropäischen Flora . . 258 | Goebel, Julius Sachs “200... 10 | Lorenz, Genealogie . —, Flora des norddeutschen Flachlan- —, Organographie der Pflanzen . 309, 491 | v. Lusch an, Beiträge zur : Völkerkunde des een 407,, Abd | Götze, NUxzeitz des Menschen A aT8 der deutschen Schutzgebiete . Barlow, Figuren zur Veranschau- Graber’s Leitfaden der Zoologie . 479 | Lutz, Sammeln und Bestimmen ‘der liehung homogener Structuren 91 | Graetz, Elektrieität.. . a7 Pflanzen. ; ER van Bebber, Wettervorhersage . 210 | Gross, Rob. Mayer und H. v. Helm- Mach’s Grundriss der Physik, 394, Bechterew, Bewusstsein und Hirn- holt. 370 | Maiss, Aufgaben über Wärme . . localisation 478 | Gruber, Hesselberg . > 44 Yan shall, Im Wechsel der Ze 247, Beck v. Mannagetta, "Alpenblumen Guillaume, Reeherches sur le nickol , Bilderatlas der Vögel . des Semmering- Gebietes 974 et ses alliages eher chi Bilderatlas Fische, Lurche und Behrens, Tabellen für mikroskopische Günther, Geophy ‚ik. B d4 Kriechthiexesg, En abr S Arbeiten 294 | Haas, Katechismus der Geologie : 174 | Meyer, A., Erstes mikroskopisches Blaas, Katechismus der Photographie 550 | Haber landt, Völkerkunde . 443 Praktikum . BR) Re Bley, "Botanisches Bilderbuch 45, 443 | Haeckel, Schöpfungsgeschichte 34 | Meyer, Fritz, Hunsrück riss Blücher, Der praktische Mikrosko- Hann, Klimatologie : 35 | Meyer, Georg g, Credner’'s Geologie piker set 479 | Hansen, Ernährung der Pflanzen R 586 Meyer, Wilh., Das Weltgebäude . Bobek, Projektivische Geometrie der Harms, Naturphilosophie . . 359 | Migula, Synopsis Characearum euro- Ebene . . 371 | Harraga, Contributions & l’&tude de paearum. . Bokorny, Lehrbuch der Botanik . 310 l’heredite £ : 419 | Moritz, Auftreten und Bekämpfung Bölsche, Darwin . Ä 502 | Hauptfleisch, Julius von Sachs . 139 von Rebenkrankheiten F 2 Müllenhoff, Die Natur im Volks- munde . Müller, Wilh., "Flora von Pommern Müller-Pouillet, Physik und Meteo- rologie . Nansen, In Nacht und Eis Naumann-Zirkel, Mineralogie. . Nernst und Schönflies, Mathema- tische Behandlung der Naturwissen- schaft. 2 Nessig, Geologische "Exkursionen in der Umgegend von Dresden . Neuhauss, Farbenphotographie . Neumann, Elektrische Kräfte . Nordahl, Wir Framleute . Ostwald’s Klassiker der Wissenschaften i Panzer, Der weibliche Körper . ö Partsch, Regenkarte Schlesiens Pax, Pflanzenverbreitung in den Kar- pathen ; Peters, Bu Der logus . a H., "Bilder aus der Mineralogie und Geologie ; $ Plassmann, “Himmelskunde Sur Plüss, Naturgeschiehtliche Bilder für Sehule und Haus UL. Pokorny’s Pflanzenreich . Pospichal, Flora des österreichischen Küstenlandes . Potonie, Metamorphose der Pflanzen Ramsay, Gaz de l’atmosphere . Rathgen, Conservirung von Alter- thumsfunden IL: or Ratzel, Deutschland. Rau, Empfinden und Denken. Reinecke, Flora von Samoa. . Richter, A., Arithmetische Aufgaben vichter, Eduar d, Seestudien . Riedel, I Unsere Hochschulen R Riedel, M., Gallen und Gallwespen . Riemann, Oeuyres math@matiques Rohde, Stand der Frage nach der Entstehung und Vererbung indivi- dueller Eigenschaften und Krank- heiten. . . Routh, Dy namik der "Systeme starrer Körper . . Rudolph, Constitution der Materie R udolphi, Allgemeine und phy si- kalische Chemie 2 e n Russ, sprechende Papageien e Rutlıs, Induetive Untersuchungen über die Fundamental-Gesetze der psy- chischen Phänomene . Rütimeyer, Gesammelte kleine Schrif- ten. . 2 Sachs, Physiologische Notizen . Salmon, Analytische Geometrie des Raumes . . : Sanford, Explosifs nitres . Scherning, Pinsgau . Schiller - Tietz, Maltonweine 5 . Schimper, Pflanzengeographie £ Schleichert, Anleitungen zu bota- nischen Beobachtungen 3 Sehmeil, Zoologie Schmeisser u, Vogelsang, Gold- felder Australiens . . > Schmidt, Hans, Fernobjeetiv 5 Schorlemmer u. Classen, Roscoe- Schorlemmers kurzes Lehrbuch der Chemie Schubert, stunden. . Schulte v. Brühl, Der Goldfisch‘ Seward, Fossil plants & Slaby, Funkentelegraphie : exakten griechische Physio- G: shrkunde, und Mathematische f Musse- Spengel, Zweckmässigkeit und An- passung . Stein, Jos., Regenverhältnisse von Marburg . Eon Ar Seite 27) 445 37 174 115 Inhalts-Verzeichniss. vi Seite Seite Stern, Kritische es der Der deutsche Schulmann : 455 Ethik . . 577 | Doubletten-Verzeichniss des Berliner Stiger, Wetterschiessen 5 210 botanischen Tauschvereins. . 11 Stöhr, Letzte Lebenseinheiten . . 246 | Entomologisches Jahrbuch, Kalender Strasbur ger, Noll, Schenk für Inseeten-Sammler . ERENDHNNGDE Schimper, Lehrbuch der Botanik 282 | Fauna des Balatonsees . . . . 126, 151 Sturm, Lehrbuch der Analysis . 431 | Festschriften der Gesellschaft Deutscher Sudhaus, Aetna 515 Naturforscher und Aeızte . . . 25 Sydow, Deutscher Bot aniker- Kalender 611 | Forsehungen zur deutschen Landes- und 5 Tannery et Molk, Fonctions ‚ur: Völkerkunde . 503 tiques . 294 | Forsehungsbericht aus der biologischen Thilo, Grundlehren der "Chemie. 139 Station zu Plön. . 103 Thompso n, Licht. . - 371 | Fortschritte auf dem Gebiet der Rönt- Thonner, Vergl. Gegenüberstellung genstrahlen . ae) der Pflanzenfamilien Bentham- Fortschritte ‚der Physik 1896 . . m Hooker’s und Engler’s 310 | Geologieal Survey Canada . . 67 Turner, Problem der Krystallisation 346 Geologisch- agronomische Specialkarte Tynd: all, Gletscher der Alpen . 259 von -Preussen « » HT RE Ule, Physikalische Da Che der Jahrbuch der Chemie . es 115,97455 baltischen Seen . 503 | Jahrbuch der Photographie für 1898 . 359 Unbehaun, Versuch einer "philoso- Jahreshefte der naturwissenschaftlichen phischen Seleetions-Theorie 198 all Versammlung für das Fürstenthum Valentiner, Handwörterbuch der Lüneburg na ta1a295 Astronomie . 443 | L’Intermediaire des "Biologistes N) Verworn, Zur Phy ‚siologie des Central- Litteratur über Fermente Bel nervensystems . . 502 | Naturae Novitates . . N ATI Vogel, Taschenbuch der "Photogr aphie 247 | Natürliche Pflanzenfamilien 91, 323, 407 V oigt, Physikalische Eigenschaften Preis-Verzeichniss von Dr. Kaiser’s In- der Krystalle . RER 222 stitut für Mikroskopie . . 23 Walter, Atmosphi ärische Strahlen- Rendieonti della R. Accademia dei breehung - | Lincei 150 Warburg, Muskatnuss : 54 | Verhandlungen des ersten inter nationa- Weiss, Zukunft der Menschheit. 174 len Mathematiker-Congresses in Zü- Ww ettstein, Geographisch - morpho- LIche 611 logische Methode der Pflanzen- VierteljahrsschriftderNaturforschenden systematik . 199 Gesellschaft in Zürich . sil Wiedemann, E lektrieität . 575 | Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Wiesner, Beziehungen der Pflanzen- Philosophie . 55 physiologie zu den anderen Wissen- Zeitschrift der Deutschen geologischen schaften . 610 Gesellschaft . . 285 Wintzer, Denis Papins "Erlebnisse Zeitschrift für Naturwissenschaften . 259 in. Marburg 382 Witte, Deutschthum® im Elsass und mn Vogesengebiet . . A 2 c Wocke, Alpenpilanzen i in der Gate Verzeiehniss der Abbildungen. eultur. . 407 Wolf G,, Beiträge zur Kritik der Adlerfarn B 409 Darwin’sehen Lehre . . 479 | Aequatorial der Manora-Sternwarte 154 Wolterstorff, Reptilien und Amphi- Annularia radiata . . 617 bien der nordwestdeutschen Berg- Apfel, befallen von der San-Jose-Laus 191 lande . en... 34 | Apparate zur Demonstration des Falles Woltmann, System des moralischen schwerer Körper . 2 Bewusstseins . 466 | Apparat zur Acetylen- „Beleuchtung . 449 Wüllner, Exper imentalphy sik 127 | Apparat zur Untersuchung des Keimens Wundt, System der Philosophie 44 von Samen unter Einwirkung v von —, Menschen- und Thierseele . 359 X-Strahlen . 5 wi. 306 Wünsche, Pflanzen Deutschlands 78 | Artisia (Orig.) - 621 Zacharias, Forschungsberichte aus Aspidiotus pernieiosus u. ostreaeformis 192 der biologischen Station zu Plön 186 | Birnen, abnorme 583 Zache, Tafel der geologischen Wand Blindmaus : 261 im Humboldthain zu Berlin 270 | Bogendüne (Orig.) . 240 Zirkel siehe Naumann. Borstenigel (Orig.) - 557 Annuaire pour l’an 1898 publie par le Calamites-Steinkern (Orig.) . 5 618 bureau des longitudes . E 11 | Calamites-Stengel-Querschliff . 617 Astronomischer Kalender 1898 67 | Callipteris affınis ö 410 Berieht der Senekenbergisehen natur- Callipteris eonferta . 4ll forschenden Gesellschaft in Frank- Caulopteris varians . a ar! furt am Main. S 575 | Cordaites, fächrige Blattstücke (Orig.) 621 Berichte der naturforschenden Gesell- Diamanten, künstliche (Orig.).. . 327, 328 schaft zu Freiburg i. B. 271 | Diamanten in einem Olivin- Schmelzfluss Bildnis von Gümbel . . 347 (Orig) - 326 Bücher und Abhandlungen, Liste im Doppelwandiges Glasgefäss "für Aufbe- Buchhandel erschienener, 23, 35, 44, wahrung flüssiger Luft (Orig.) 375 55, 103, 127, 163, 175, 187, 2ıl, 223, De eines Olivin- Schmelzflusses 235, 247, 259, 271, 283, 311, 323, 347, (Orig) - 325 371, 383, 395, 407, 419, 431, 443, 467, Ehr 'enpforte zum Empfange des Kaisers 479, 491, 503, 515, 527, 539, 551, 569, in Königshütte B 213 987, 599, 611, 623. Ei der Maus E : 168, 169, 172 Bulletin of the Geological Institution Ei einer phanerogamen Pflanze mit of the University of Upsala . . 383 Spermie . . 166 Bulletin de la societe imperiale des Equisetum hiemale Stengel- Querschnitt 617 Naturalistes de Moscou . . 311 | Fährten aus dem Rothliegenden (Orig.) Centralblatt für Anthropologie, Ethno- 249, 250, 251, 252, 338, 339, 340, 341. logie und Urgeschichte . 5 . 575 | Farn- Lianen, fossile 217 vin Favularien (Sigillarien) . Funkeninductor . Gleichenia eigantea, Wedelstück mit Adventivfiedern . „218, 412, Graphische Darstellung der Luft- und Boden - Temperatur bei Pereval (Orig.-Nachb.). .- Graphische Darstellung der Tempera- turen und Luftdruckdifferenzen . Graphische Darstellungen zu den Wetter-Monats- Uebersichten über Temperatur: en und Niederschläge 35, 90, 138, 185, 234, 293 und 294, 344 und 345, 393, 458, 454, 500, 549, 609. Hemicentetes nigriceps (Örig.). 5 Hemitelia capensis mit Adventivfiedern n 8, Hoeninghausi-Aufbau . Ichnium aerodaetylum - -Fährten (ori) [F Inductor mit Apparaten zur Durchleuch- tung . Jupiter am 24. Februar und 22. März 1897 Karte der alten Thäler in der Mark (Orig.) ". Karte der "Meerenge Karabugas (Orig.) Karte, geologische, der nördlichen Kohlenfelder von Schantung . . Karte der südlichen Karabugasischen Landzunge (Orig. Karte mit Angabe der Vertheilung der Flossenfüsser (Orig.) - Karte mit Linien gleichen Luftdruckes Karte, tektonische, von Schantung . Karte von Europa mit Stammbaum der arischen Völker (Orig.) Kartenskizze von China zur Nlustration des Standes der floristischen Kennt- nisse (Orig.) rd ste Inhalts-Verzeichniss. Klapp-Camera mit Spiegelreflex . . . Köcherfliegen, Larven u. s. w. (Orig.). Lava-Bäume (Orig.) . 414, Lepidodendron, restaurirt 9 3 Lepidodendron-Polster Lepidodendron Veltheimi 6 Lepidodendron Volkmannianum . Lösswand mit Kieszungen (Orig.) Manora-Sternwarte . . BED Mariopteridischer Aufbau -. 216, Mariopteris muricata . rain Mars am 24. November und 11. Dezem- beralsgoraee: e Mars-Oberfläche . b Megaphyton Mac-Layi Menschliches Ei . . Mikrometer der Manora-Sternwaite. Monströse Birnen Ovopteris Leseuriana . Pecopterisdentatamit Adventiv-Fiedern 218, 412, Pferdezeichnung, prähistorische (Orig.) Profil am Silberberg beim Bodenmais (Orig.) Profil der Erzlagerstätten v von Boden- mais (Orig. Profil der Kohlengr uben bei Ku-ta-wan Profil, ideales, der Ver MRS am Tung-Wönn-hö Profil ne Kohlenfeldes von Wei-hsiön Profil durch das Graphitlager von Schwarzbach (Orig.) . Profil durch das Kohlenhecken Hei- shan bei Po-schan-hsiön. . Profil durch Hyperit-Hügel in der Ebene bei Tsi-nan-fu Profil, sinische Schichten auf Gneiss Pteridium aquilinum Wedelstück (nor- males) 2% — Seite 395 461 415 214 618 216 216 241 153 614 614 156 255 614 167 155 983 411 613 42 285 287 143 143 144 113 144 144 143 409 Pteridium aquilinüum Wedelstück, durch Phytoptus deformirt . . Pteris quadriaurita mit Hexenbesen Rhodea disseeta . Rhodea Schimperi Rhodea Stachei 5 Röntgen-Lampe mit regulirbarem Va- cuum . » Röntgen- Photographie einer Messing- platte. £ Röntgen- Photographie \ eines "ausgerenk- ten und wieder eingerenkten Armes Salzsee bei Mullahkara (Orig.) San-Jose-Schildlaus $ und '$ Saturn am 27. August 1897. Schädel des Spalax giganteus . Schädel des Spalax girgisorum . Schädel des Spalax mierophthalmus Schema einer Spermie (Orig.). - Schuttkegel am Fuss des BrOraen Bal- chän (Orig.) Se Sigillaria elongata . F Sigillaria, restaurirt 0 Sigillarien mit Wechselzonen . Spermie von Chara fragilis . Sphenophyllum euneifolium . Sphenophyllum mit Asterophyllites- -Be- blätterung . Sphenophyllum- Stengel- Querschliff . Sphenophyllum verticillatum Sphenopteris Bäumleri (Orig.). Syringodendron-Skulptur Syringodendron mit (Orig.) Trizygia speciosa Venus am 6. März und 12. August 1897 Zell-Formen (z. Artikel Kobelt) (Orig.) 39 .. 189, Wechselzonen Zweig, von San-Jose-Laus befallen . ESSSS Redaktion: = Was dio naturwissenschaflilcha Forschung aufgiobt an woltum- fassonden Ideen und an locken- don Gebilden der Phantasie, wir ihr reichlich ersetzt durch. dei Zauber der Wirklichkeit, des {br ‚höpfungen_schmückt. BANNER" Schwendk Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. - XIM. Band. | Abonnement: Man abennirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist AM 4.— Bringegeld bei der Post 15 „3 extra. Pustzeitungsliste Nr. 5048. Sonntag, den 2, Januar 1898. en ai Nr. 1. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Menschenrassen und Weltgeschichte. Nach einem auf der 69. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Braunschweig gehaltenen Vortrag. ’*) Von Dr. Ludwig Wilser. „Derjenige Theil der physischen Anthropologie, welchen man in neuester Zeit die historische Anthropologie zu nennen an- efangen hat, wird in Zukunft olıne Zweifel/als eine ebenbürtige Schwester der übrigen Hilfswissenschaften der Geschichte, wenn nicht als die vornehmste, betrachtet werden müssen.“ Alexander Ecker, Crania Germaniae meridionalis oceidentalis. Freiburg 1865. Was der Freiburger Forscher für die Zukunft voraus sah, beginnt in unseren Tagen, ein Menschenalter später, Wahrheit zu werden, und dadurch gewinnt die „Wissen- schaft vom Menschen“ eine allgemeine, weit über den engen Kreis der Fachgelehrten hinausgreifende Bedeutung. Dass es in der Bevölkerung unseres Welttheils Menschen mit hellen und dunkeln Haaren, blauen und braunen Augen, länglichen und runden Köpfen giebt, sieht Jedermann, und auch mit der wissenschaftlichen Feststellung der Zahlenverhältnisse dieser Merkmale werden die wenigsten etwas anzufangen wissen. Erst wenn die Anthropologie mehr kann als das, wenn sie es versteht, die Fäden zu entwirren, die von unserem Volksthum zu Geschichte und Urgeschichte laufen, wird sie den todten Zahlen Leben einflössen und die T'heilnahme weiterer Kreise wecken können. Die schriftlichen Geschichtsquellen haben dem Irrthum unterworfene Menschen zu Verfassern, die anthropologischen Merkmale aber, die der Mensch nicht wie Sprache oder Sitten vertauschen kann, beruhen auf der Wirkung ewiger Gesetze. Nach Jahrtausenden noch, wenn jede andere Erinnerung erloschen ist, trägt eine Rasse die Merkzeichen ihres Ursprungs zur Schau, und in Mischrassen lassen sich die zusammensetzenden Bestand- theile erkennen und unterscheiden. Die geschichtlichen Ereignisse geben sich als Nachspiele oder Ausläufer ähn- licher, durch gleiche Ursachen hervorgerufener Vorgänge zu erkennen, daher wird die Geschichte nur durch die ®) Mit Obigem giebt Herr Wilser seinen in Braunschweig ge- haltenen interessanten Vortrag ausführlich wieder. Wegen der rn gehaltener Vorträge können die „Verhandlungen“ der ersammlung nur einen Auszug bringen. Red. Vorgeschichte verständlich. Das Dunkel der Vorzeit zu erhellen, sind aber verschiedene Wissenschaften berufen: Naturwissenschaft, Sprachforschung, Geschichte und Alter- thumskunde. Findet sich ein Weg, zu dem die Forscehungs- ergebnisse aus all diesen Wissensgebieten hinleiten, so haben wir die Gewähr, dass dies der rechte ist, der zur Wahrheit führt. Zeiträume, für die unserem Gehirn jede Vorstellung fehlt, sind verflossen, seitdem der Erdball um die Sonne sich dreht. Die Stoffmenge, aus der er sich zusammen- setzt, hat dabei die mannigfaltigsten Veränderungen ihres Zustandes, der Wärme, Ausdehnung, Zusammensetzung und Anordnung erfahren, Veränderungen, die aber ganz allmählich, eine aus der anderen nach ewigen Gesetzen folgend, sich vollzogen haben. Erst nachdem die Er- kaltung so weit vorgeschritten war, dass sich an gewissen Stellen flüssiges Wasser von mässiger Wärme fand, konnten die Urstoffe zu ihren höchstmöglichen Verbin- dungen zusammentreten, konnte das Leben auf unserem Weltkörper beginnen. Auch die Geschichte des Lebens ist für unsere Begriffe eine unendlich lange, wenn wir unendlich nennen dürfen, was einen Anfang gehabt hat und dereinst ein Ende nehmen wird; der Fortschritt stetig, aber langsam, fast unmerklich. Auf dem Gipfel der Lebensentwickelung steht der Mensch, die „Krone der Sehöpfung“. Obgleich auch seine Geschichte für uns un- ermessbar ist und im Dunkeln der Vorzeit beginnt, ist sie doch nur ein winziger Bruchtbeil der Geschichte des Lebens überhaupt oder gar des Erdballs, und was wir „Weltgesehichte“ zu nennen pflegen, ist wieder nur der letzte, verschwindend kleine Abschnitt derselben. Das Gewordene ist nur dem Kenner des Werdegangs ver- ständlich. So lehrt uns auch nur die Art ihrer Entstehung die Bedeutung der Menschenrassen in der Geschichte begreifen, und da die Lebensentwickelung eine zusammen- DD hängende, ununterbrochene ist, so sei ein Rückblick zum Uranfang allen Lebens gestattet. Denn, wie in einem Ge- wölbe jeder einzelne Stein zur Tragkraft mitwirkt, wie in einer Kette jedes ausfallende Glied den Zusammenhang unterbricht, so darf auch hier nichts unerwähnt bleiben, was zur Beleuchtung der vorgeschichtlichen Zustände, aus denen die geschichtlichen Vorgänge erwachsen sind, dienen kann. Zu den tiefsinnigsten Sprüchen aus dem Alterthum gehört das dgıozov uev Ödmo; dass wir im Wasser den Urquell alles Lebens suchen müssen, haben schon die griechischen Weisen geahnt, und Harvey’s berühmten Ausspruch ‚omne vivum ex ovo‘ können wir nach unserer heutigen Erkenntniss dahin erweitern ‚primum vivum ex unda‘. Daraus, dass die Pole die kältesten Stellen der Erde sind, dürfen wir schliessen, dass dort zuerst das Wasser kühl genug für das Erwachen des Lebens war, und da der Südpol auf Festland fällt, so muss am Nord- pol das Leben begonnen haben. Wasserthiere sind all- mählich — die doppellebigen Lurche bilden den Ueber- gang — zu Landbewohnern geworden, und dieser Ent- wickelungsfortschritt muss sich da vollzogen haben, wo die Küste des Festlandes am weitesten ins Nordmeer hineinragte. Sicher haben sich, seit es Festländer giebt, die Umrisse derselben nicht wesentlich geändert, sind die hohen, tausend und mehr Faden über den Meeresgrund sich erhebenden Sockel derselben uner- schüttert stehen geblieben, Im Einzelnen aber sind durch Schwankungen des Wasserspiegels, Erhebungen von Ge- birgen und dergl. mannigfache Verschiebungen zwischen Wasser und Land eingetreten, so dass, wo heute seichtes Meer ist, früher Land, wo jetzt niederes Schwemmland sich befindet, früher Meer gewesen sein kann, dass Meerengen und Buchten verschwunden sind oder sich neu gebildet haben, dass Inseln vom Festlande getrennt oder mit demselben vereinigt wurden. Nach der Beschaffen- heit der den Nordpol umgebenden Länder dürfen wir an- nehmen, dass die nur wenig über den Meeresspiegel sich erhebenden und noch heute mit tief einschneidenden Buchten und Seen durchsetzten Niederungen von Sibirien und Nordamerika einst vom Meere bedeckt waren, dass dagegen die felsige Nordspitze von Europa, wahrschein- lich noch mit Spitzbergen, Franz-Josefs-Land, Island und Grönland vereinigt, viel weiter nach Norden sich er- streekt hat. Dort, an der äussersten Nordlandsküste, müssen die ersten Landthiere entstanden sein, und dass sich von dort auf jeder Entwickelungstufe immer neue Wellen derselben über alles zugängliche Land ergossen haben, dafür sprechen alle Erfahrungen der Thiergeo- graphie*). Lassen wir aus einem Trichter Streusand auf eine ebene Fläche rieseln, so erhalten wir einen kegel- förmigen Hügel, der dort am höchsten ist, wo die ersten Sandkörner aufgefallen sind, und sich nach allen Seiten gieichmässig abflacht. So wird auch das Thierleben an seinem Ursprungsort den höchsten Gipfel der Entwicke- lung erreicht haben, und die niedersten Vertreter werden wir in den äussersten Grenzgebieten suchen und finden, besonders wenn diese durch frühzeitige Lostrennung späteren Wellen nicht mehr zugänglich waren. Das Beispiel stimmt: die niedrigsten Säugethiere leben in ‚Australien, Neuseeland, Madagascar. Dass auch die niedrigsten Menschenrassen, Australneger, Weddas, Andamanesen, Buschmänner, unter annähernd den gleichen Breiten leben, beweist, dass auch der Mensch, das höchstentwickelte Säugethier, nach den gleichen Gesetzen und in gleicher Richtung sich verbreitet hat. . *) Die Palaeontologie setzt dieser Auffassung Schwierig- keiten entgegen. Red. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 1. Im Norden waren auch die meisten Anstösse zu stetig fortscheitender Entwickelung gegeben, theils durch die angedeuteten Schwankungen in der Vertheilung von Wasser und Land, theils durch grosse, zusammenhängende Festlandsgebiete, ganz besonders aber durch die zu- nehmende Abkühlung, die einen Theil der Lebewesen dazu zwang, durch gesteigerten Stoffwechsel ihre Eigen- wärme bis zur Unabhängigkeit von der umgebenden Temperatur zu erhöhen. Eine Folge der Abkühlung ist auch die Eiszeit, die auf die Umgestaltung der Erdober- fläche von einschneidendster Wirkung war. Von den vielen Erklärungsversuchen kann keiner völlig befriedigen. Wir sehen daher, wie es die Erdkunde für andere Erscheinun- gen schon längst gethan, besser von allen gewaltsamen und plötzlichen Veränderungen ab und schreiben die Ent- stehung der Eiszeit den heute noch wirksamen Kräften zu. Bildung und Wachsthum eines Gletschers hat drei Voraussetzungen, erstens reichliche Niederschläge, zweitens zur Schneebildung nöthige Kälte, drittens Gebirge, die das Abschmelzen des Schnees in der wärmeren Jahreszeit verhindern, dadurch einen wachsenden Vorrath ansammeln und denselben langsam über die Schneegrenze vorschieben. So lange die Luft rings um den Erdball warm war, konnte sie Meere von Wasser tragen; die von den Polen her immer stärker werdende Abkühlung aber musste ge- waltige Niederschläge verursachen, die von den Gebirgen aus einen grossen Theil des Festlandes vergletscherten. Die ungeheuren Eismassen entzogen der Luft eine ent- sprechende Wärmemenge, was wieder neue Niederschläge zur Folge hatte. Endlich, nach verschiedenen Schwan- kungen, wie wir sie in kleineren Verhältnissen auch an den heutigen Gletschern beobachten, trat Gleiehgewieht ein: da die kalte Luft nur noch wenig Wasser enthielt, nahm die Wolkenbildung ab, die Sonne konnte ihre Wirkung entfalten, und unter ihren Strahlen erfolgte ein allmähliches Abschmelzen, wobei ungeheure Wasserfluthen, von denen die heutigen Flüsse kaum eine Vorstellung geben, den Meeren zuströmten und die bekannte Um- gestaltung der Thäler verursachten. Thiere und Pflanzen mussten diesen Veränderungen folgen nnd sich anpassen. Für längere Zeit wurde die Grenze des Lebens auf dem Festlande weit nach Süden verschoben, und während es zu Beginn der Eiszeit in Westeuropa noch so warm war, dass Elephanten, Löwen und grosse Affen unter Palmen lebten, wurde es schliesslich so kalt, dass in Südfrank- reich nur noch das Renthier seine kärgliche Nahrung fand. Der Mensch, der noch in der Zwischeneiszeit, westlich und östlich vom Gletsehergebiete, in Frankreich und Mähren, das Mammut und Nashorn gejagt hatte, war schliesslich, wie die heutigen Berglappen, für seinen Lebensunterhalt ganz auf das in grossen Herden vor- kommende Renthier angewiesen. Als die Eiszeit ihrem Ende sich näherte, folgte das an die Kälte angepasste und von Moosen lebende Thier dem langsam nach Norden sich zurückziehenden Rande der Gletscher, und ihm, als seiner Nahrungsquelle, folgte der Mensch. Die einzelnen Staffeln dieses Rückzuges lassen sich durch Belgien und die Niederlande bis gegen die kimbrische Halbinsel ver- folgen. Dort angekommen fand der Mensch unter milder gewordenem Himmel und am Strande des jetzt offenen Meeres günstigere Lebensbedingungen. Er nährte sich von den „Früchten des Meeres“, Fischen und Austern, deren Gräten und Schalen wir massenhaft in den Muschel- haufen (Kjökkenmöddinger) der dänischen Küste finden, aber auch Landthiere, besonders Hirsche, wurden seine | Beute. Er liess daher das Renthier nordwärts ziehen und blieb am grossen und kleinen Belt, wo er bei reichlicher Nahrung gedeihen und sich vermehren konnte, Nach unserer Voraussetzung von dem Entwickelungs- DIE ON DA. mittelpunkt im Norden muss der europäische Mensch schon vor der Eiszeit der höchststehende unter seinen Stammesverwandten gewesen sein. Dafür sprechen auch die in französischen Höhlen und im mährischen Löss ge- fundenen Zeugnisse von der bildnerischen Kunst der Ur- europäer*). Die an gewaltigen Umwälzungen, furcht- baren Naturerscheinungen und Wechselfällen aller Art reiche Eiszeit hat selbstverständlich das ihrige dazu bei- getragen, die Leibes- und Geisteskräfte der wenigen Ueberlebenden zu stählen und ihre Erfindungskraft anzu- spornen; denn bittere Noth und harter Daseinskampf waren von je die besten Lehrmeister der Menschheit. So sehen wir denn auch beim nordeuropäischen Menschen nach dem Ablauf der Eiszeit einen Kulturfortschritt be- ginnen, der nimmer geruht und von Erfindung zu Er- findung geführt hat, von der steinernen Pfeilspitze bis zum Hinterlader, von der Knochennadel zur dampf- getriebenen Spinnerei mit hunderten sausender Web- stühle, vom Reibholz bis zum Streichhölzehen utan svafel och fosfor, vom Kienspahn zur elektrischen Beleuchtung, vom Einbaum zum riesigen Schnelldampfer. Durch starke Vermehrung wurde der auf den däni- schen Inseln lebende Mensch der Muschelhaufen zur Aus- wanderung gedrängt, und das nächstliegende, heute nur durch einen schmalen Mceresarm, den Oeresund, getrennte Land war die Südspitze der skandinavischen Halbinsel, die Landschaft Schonen. Dieses meerumschlungene, nicht zu karge und nicht zu üppige Land war es, wo unsere Vorfahren den grossen Schritt vorwärts, von der älteren zur neueren Steinzeit gemacht haben, dort finden sich die ersten Zeugen dafür, sorgfältig gearbeitete, wohlgeglättete Steinwerkzeuge. Von dem Umfang und der Bedeutung der sich entfaltenden Steinzeitkultur dürfen wir uns keine zu geringen Vorstellungen machen: auf der Höhe ihrer Entwickelung kannte der Mensch Ackerbau und Schiffahrt, hatte feste Wohnungen und ungefähr die ı gleichen Hausthiere wie noch heute. Ackerbau und Vieh- zucht gestatteten eine starke Vermehrung des kräftigen Volkes, und die stetige Zunahme der Bevölkerung auf einem beschränkten Raum war die natürliche Ursache der noch heute nicht stillstehenden Auswanderung. Aus diesem Steinzeitvolk von Schonen — darüber kann nach dem jetzigen Stand der Wissenschaft kein Zweifel mehr obwalten —, sind die „Arier“ hervorgegangen, seine Kultur ist die „urarische“, und von der süd- schwedischen Küste sind die Wanderungen ausgegangen, die immer neue, immer weiter entfernte Gebiete mit dieser höchststehenden und edelsten unter den Menschenrassen besiedelten. Diese Besiedelung erfolgte theils in ruhiger, allmählicher Ausbreitung, theils, wenn die „Bevölkerungs- spannung“ zu gross wurde, in mächtigen, alles durchbrechen- den Strömen, und überall, wo sie hingedrungen, finden wir die gleiche Rasse, die gleiche Gesittung. Vor Kurzem hatte ich Gelegenheit, einige Schädel aus der Steinzeit- siedelung auf dem Michaelsberg bei Bruchsal zu unter- suchen. Auch auf sie — aber durchaus nicht mehr auf die heutige süddeutsche Bevölkerung — passt der Aus- spruch des Freiherrn von Düben über die alten Schwedenschädel auf der Versammlung zu Stockholm im Jahre 1874: l’on reconnait peu A peu, chez ces cränes anciens, traits par traits, detail par detail, les eränes de la population aetuelle**), Dort in Schweden ist bei gleichbieibenden äusseren Bedingungen und unter Aus- schluss jeder Rassenmischung — denn es sind nur Aus- *) Vergl. meinen Aufsatz über Globus LXVI 1, 1894. **) Congres international d’anthropologie et d’archeologie pre&- historiques. Compte rendu II, p. 690, Stockholm 1876. diesen Gegenstand im Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 3 wanderungen, niemals Einwanderungen erfolgt, — seit Jahrtausenden auch die Rasse die gleiche geblieben, Werfen wir einen Blick auf diese Rasse, die in der Weltgeschichte die grösste Rolle gespielt hat, spielt und spielen wird. Hoher, kräftiger Wuchs, länglicher Schädel, schmales Gesicht, etwas fliehende Stirn, schmale, vor- springende Nase, weisse, durch das durchschimmernde Blut rosig gefärbte Haut, gelbliches, weiches, langlockiges Haar, starker Bart, blaue Augen, das ist das äussere Bild*), so sind alle unvermischten „Arier* in die Ge- schichte getreten. Ueber den Zusammenhang dieser nordischen mit den übrigen Menschenrassen kann uns die Thatsache, dass Ureuropäer**) und Afrikaner Langköpfe sind, Aufschluss geben. Aus dieser Uebereinstimmung der Schädelform dürfen wir schliessen, dass sich der Mensch von seinem Ursprungslande am Nordmeerstrand in aufeinander folgenden Wellen über unseren Welttheil und von diesem über frühere Landbrücken allmählich bis zur Südspitze von Afrika verbreitet hat. Die immer stärker hervor- tretenden klimatischen Unterschiede konnten nicht ohne Wirkung, besonders auf die Hautfarbe, bleiben. Die Eiszeit und das sich anschliessende nordeuropäische Klima mit seiner Kälte, den langen Winternächten mit starker Bewölkung, viel Feuchtigkeit und wenig Sonnen- schein musste die Farben bleiehen; denn naturwissen- schaftlich kann die Hellfärbung der Nordlandsrasse nur als Albinismus mässigen Grades***) aufgefasst werden. So hoch man die Schönheitswirkung der Farbenzusammen- stellung von Gold, Weiss, Rosenroth und Blau auch an- schlagen mag, so ist doch der Verlust des Farbstoffs an sich kein Vortheil, da stärkere Ablagerung von solchem die Widerstandskraft der Lebewesen erhöht. Für die Neu-Darwinisten — wer sich mit Darwin überhaupt noch nieht abgefunden, ist kein Naturforscher mehr —, die in der Auslese das einzige Mittel zur Artenbildung erblicken, bleibt daher die Färbung der höchststehenden Menschenrasse unverständlich und unerklärbar. Sicher hat der Farbstoffverlust der Nordeuropäer während, viel- leicht sogar schon vor der Eiszeit begonnen, sich dann auf der skandinavischen Halbinsel, der arischen Ur- Heimath, fortgesetzt und in Folge der durch natürliche Schranken geschützten Reinhaltung der Rasse befestigt. Südlich von den Alpen blieb die Färbung der Ureuropäer eine dunklere, elfenbeinweisse Haut, schwarze Haare, braune Augen (Homo europaeus meridionalis). Je näher man in der alten Welt dem Aequator kommt, desto dunkler, fast schwarz unter diesem selbst, wird die Haut- farbe und hellt sich dann gegen die Südspitze Afrikas zu wieder etwas auf. Diese, allen Völkerwanderungen zum Trotz, noch heute deutliche Farbenvertheilung ist ein sicheres Zeichen, dass, wie schon die Altenf) annalımen, die dunkle Färbung eine unmittelbare Wirkung der *) Linne (Systema naturae, Leyden 1735) giebt von dem Menschen dieser Rasse, den er kurzweg „europäisch“ (Homo euro- paeus) nennt, folgende Beschreibung: albus, sanguineus, torosus. Pilis flaveseentibus prolixis. Oculis eaeruleis. Levis, argutus, inventor. ®=*) Die ältesten in Europa gefundenen Schädel, wie die von Neanderthal, Spy, Egisheim, Olmo, Brüx, Grenelle, Brünn, Przed- most, gehören alle zur dolichocephalen Rasse. Man könnte ihr, die von den Franzosen gewöhnlich noch race de Canstadt genannt wird, den Namen Homo europaeus primigenius beilegen. Den Uebergang von dieser ältesten zu der in geschichtliche Zeit herein- reichenden nordeuropäischen Rasse bildet die race de Cro-Magnon (Homo europaeus priscus). ###) Schon Poesche, Die Arier 1878, sagt auf S. 17 „Die Blonden sind Albinos, oder, genauer gesprochen, Halbalbinos“. y) Herodot II 23; Aristoteles (Problem. XIV 4); Pli- nius (Hist. nat. II 80); Galenus (De temperatione II 5 und XXXVIII 2). 4 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. en Sonne*) ist. Da aber zur rassenhaften Befestigung der Farben sehr lange Zeit gehört, so stimmen dieselben nur in der Alten Welt mit den Breitegraden; in der Neuen Welt sind die Menschen spätere Einwanderer **). Während die Osthälfte der Alten Welt bezüglich der Farben im Grossen und Ganzen übereinstimmt, verhält sie sich hinsichtlich des wiehtigsten Rassenmerkmals, der Sehädelform, grundverschieden. Europa und Afrika haben, wie wir gesehen, vorwiegend langköpfige Be- völkerungen, Mittelasien dagegen ist das Verbreitungs- centrum der Rundköpfe. Die merkwürdige 'Thatsache, dass auch die asiatischen Grossaffen, Orang und Gibbon, rundköpfig, die afrikanischen, Schimpanse und Gorilla, dagegen langköpfig sind, legt die Annahme nahe, dass der Hauptunterschied menschlicher Schädelform in sehr frühe, vielleicht sogar vormenschliche Zeit zurückreicht, und dass die über Europa und Afrika sich ergiessenden Wellen des Urmenschen von Anfang an langköpfig, die in Asien sich verbreitenden dagegen rundköpfig gewesen. Eine Einwirkung äusserer Umstände auf die Gestaltung des Schädels oder ein Zusammenhang derselben mit dem Wuchs oder der Länge der Gliedmaassen lässt sich nicht ‚erkennen, ebensowenig ein solcher mit der Hautfarbe oder dem Bildungszustand***). Um so wichtiger, da sie sich nur durch Mischung verändert, ist dieselbe als Rassenmerkmal 7). Deutlich heben sich, wenn man alle diese Merkmale ‚berücksichtigt, aus dem bunten Völkergewimmel — den Theilen der Alten Welt entsprechend — drei Hauptrassen ab, zwei langköpfige, der weisse Europäer und der schwarz- braune Afrikaner, und eine rundköpfige, der gelbe Asiate, alle anderen können als Uebergänge oder Mischungen be- trachtet werden. Nach der Färbung zerfällt, wie gesagt, die europäische in zwei Unterrassen, die lichthaarige nor- dische und die schwarzhaarige südeuropäische Rasse (auch Mittelmeerrasse, race mediterraneenne genannt). Unbe- stritten ist heute die Vorherrschaft der ersteren, aber *) Eimer, Die Entstehung der Arten 1888, der auch schon der Ansicht war, dass wir unsere Heimath „in ganz nordischen Gebieten zu suchen haben“, sagt darüber: die „Ursache der Dunkelfärbung der Körperbedeckung ist offenbar die, dass durch Einwirkung von Licht und Wärme, ‘bezw. auf den Reiz beider, in Folge grösseren Blutzuflusses, Farbstoff in der Haut abge- "lagert wird.“ Der Einwand, dass vor den Sonnenstrahlen ge- schützte Stellen, wie die Achselhöhlen, ‘am dunkelsten seien, ist hinfällig, denn physiologisch sind diese Stellen die wärmsten und blutreichsten. Auch bei einer gewissen Erkrankung der Neben- nieren (morbus Addisonii) dunkeln die der Sonne ausgesetzten Theile zuerst. und stärker, dann die durch Kleiderdruck und der- gleichen gereizten. Beim Neger sind die Nebennieren grösser als beim Weissen und, besonders in der Rinde, stark pigmentirt. Cassan (Observations faites dans la zone torride, 1789); Meckel (Path. Anat. I 648); Klebs (Handbuch der Path. An. 570). #*) Amerika ist, wie die geographische Verbreitung deı Thiere zeigt, von Nordeuropa her mit Einwanderern versorgt worden (grosse Säugethiere, wie Wisent, Elch, Hirsch, Bär u. a. sind dem „nearktischen und paläarktischen“ Gebiet gemeinsam); doch sind die Verbindungen jedenfalls oft unterbrochen worden und haben frühzeitig ganz ‚aufgehört. Da auch die ältesten in diesem Welttheil gefundenen Sehädel (von Calaveras, Rock Bluff, Somi- duro, Cordoba) der langköpfigen Menschenrasse angehören, die auch heute noch in der im allgemeinen rundköpfigen ameri- kanischen Bevölkerung vertreten ist, so müssen auch die ältesten amerikanischen Menschen aus Europa stammen. Später erfolgte dann eine starke Einwanderung asiatischer Rundköpfe, die sich über den ganzen Welttheil bis zu dessen Südspitze verbreitet haben. In den ausgesprochen langköpfigen Eskimos dürfen wir Ueberbleibsel der älteren Rasse erblicken. #+#) Gerade die grössten Menschen unter Farbigen und Weissen, Patagonier und Bosnier, sind (wie auch die langarmigen Orangs und Gibbons) rundköpfig, die hellsten und die dunkelsten, Skandinavier und Neger, die höchststehenden und die niedersten, Nordeuropäer und Weddas, sind langköpfig. +) Nach Wichtigkeit und Bedeutung für die Eintheilung folgen sich die Hauptmerkmale in nachstehender Ordnung: Schädel, Farben, Wuchs. XI. Nr. 1. auch solche Völker — Volk und Rasse sind verschiedene Begriffe, ein geschichtlicher und ein naturwissenschaft- licher —, in denen sie jetzt nur noch spärlich vertreten ist, verdanken ihr Gründung, Sprache, Gesittung und ge- schiehtliche Bedeutung. Nach den Entwickelungsgesetzen können die Rollen nicht vertauscht worden sein, muss die Nordlandsrasse immer einen Vorsprung vor den anderen gehabt haben. Allerdings lässt sich gegen diese Auf- fassung einwenden, dass die ältesten Kulturvölker, von denen die Urkunden berichten, eben nicht dieser, sondern der Mittelmeerrasse angehört haben; neuere Forschungen *) aber machen es wahrscheinlich, dass in grauer Vorzeit auch diese Völker im Zweistromland, am Nil und in Kleinasien dem Einflusse nordischen Blutes und ureuro- päischer Kultur ausgesetzt waren. Sicher ıst, dass sie, unfähig, die vielversprechend begonnene Kulturentwicke- lung aus eigener Kraft fortzuführen, bald nordisch-arischen Eroberern unterliegen mussten. Im Mittelalter haben unter dem begeisternden, zu Todesverachtung und Aus- breitung des Glaubens mit Feuer und Schwert entflam- menden Einflusse des Islam Araber und Türken mächtige Vorstösse gegen Europa unternommen, ihr. Ansturm ist aber schliesslich doch an dem Eisenwall germanischer Ritterschaft abgeprall. Auch die arabische Kultur, die in Spanien und Unteritalien schöne Früchte gezeitigt hatte, ist bald abgestorben und durch die abendländischen, sämmtlich durch germanisches Blut aufgefrischten Völker weitergeführt worden. Im fernen Ostasien hat die gelbe Rasse ein eigenartiges und selbständiges Kulturgebiet ge- geschaffen, das aber längst der Erstarrung und Ver- knöcherung verfallen ist. Was jetzt noch dort an Kultur- arbeit, besonders von den gelehrigen Japanern, geleistet wird, geschieht unter Anleitung und mit Beihilfe euro- päischer Lehrmeister. Der nordische Zweig der weissen Rasse, zur Weltherrschaft geboren**) und berufen, hat keine Nebenbuhler mehr. Die Ausbreitung. dieser Rasse lässt sich selbstver- ständlich nur dann richtig verstehen, wenn man ihre Ur- heimath, den Ausgang der Wanderungen, kennt. Als ich vor 16 Jahren zuerst die Lehre von der skandinavischen Herkunft der „Arier“ verkündete, galt die Einwanderung aus Asien als feststehende, höchstens von einem oder dem anderen „Sonderling* angezweifelte Thatsache. So fest war die Ueberzeugung, dass man über die widersprechende geschichtliche Ueberlieferung als eine „Lüge der Sage“ sich unbedenklich hinwegsetzte, denn „die Wissenschaft giebt eine andere Antwort“, sagte noch im Jahre 1883 der angesehene Germanist Scherer***). Trotzdem ist meine gleich anfangs) mit Zuversicht ausgesprochene Vorhersage, dass mir die Zeit und die fortschreitende Wissenschaft Recht geben würden, in Erfüllung ‘ge- gangen: für Asient}) wagt heutzutage kaum noch ein *) Vergl. Cope, The oldest eivilized man, The American Naturalist XXX, Aug. 1896, Evans, Cretan pietographs and prae-phoenieian script, London and New-York 1895 und besonders die verschiedenen Veröffentlichungen des erfolgreichen Erforschers ägyptischen Alterthums, Flinders Petrie, der u. a. in einem Aufsatze der Deutschen Reyue, August 1895, sagt „die ältesten bis jetzt bekannten Skelette (aus Aegypten) zeigen deutlich eine Mischung des Neger- und europäischen Charakters.“ #*) Diese Rasse hat das höchste durchschnittliche Hirngewicht. Vergl. Buschan, Körpergewicht in Eulenburg’s Encyclopädie. 3. Aufl. 1897. #*#*) Geschichte der deutschen Litteratur. 7) Sitzung des Karlsruher Alterthumsvereins vom 29. Dez. 1881. -++) Ein Sprachforscher, Hirt, sagt darüber (Geogr. Ztschr. I, 1895, S. 649) „heute ist in der That nur eine Discussion darüber möglich, welches europäische Land die Indogermanen hergebracht hat“, ein Naturforscher, Busehan (Centralblatt für Anthropo- logie II, 2, S. 128) spricht von „der heutzutage gewıss als abgethan geltenden Hypothese“, dass „die Heimath einer arischen Völker- familie in Asien zu suchen. sei.“ X. Nr. 1. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 5 Philologe einzutreten. Die engere arische Urheimath bildet aber immer noch einen Zankapfel der Gelehrten. Für die skandinavische Halbinsel sprechen ausser manchen anderen Erwägungen drei Hauptgründe. Erstens ein naturwissenschaftlicher: das Verbreitungscentrum einer Rasse ist immer da, wo sie sich am -reinsten er- halten hat, das ist für die hellfarbige, langköpfige Menschenrasse (Homo europaeus Dolichocephalus flavus), aus der alle arischen Völker hervorgegangen sind, im südlichen Theile dieser Halbinsel. Zweitens ein ge- sehiehtlieher: übereinstimmend hat sich bei allen Stämmen der Germanen, des letzten rassereinen Kerns der „Arier*, die Ueberlieferung von der Auswanderung*) aus Scandia oder Scandinavia erhalten. Drittens ein palae- ographischer: in den skandisch-germanischen Runen ist das Uralphabet der alteuropäischen Schrift enthalten, das noch die Entstehung aus einer Bilderschrift**) erkennen lässt und aus dem man jedes einzelne Zeichen aller euro- päischen und kleinasiatischen Alphabete entwiekelungs- geschichtlich ableiten kann***), d. h. die skandinavische Halbinsel ist auch der Verbreitungsmittelpunkt der noch heute gebrauchten Buchstaben. Ich verhehle nicht, dass diese Beweise bis jetzt von der Wissenschaft nur theil- weise anerkannt sind, dass sie von manchen Seiten, wenn auch ohne Gründe, heftig angegriffen werden. Niemals aber sind sie widerlegt worden, niemals haben mich überraschende Entdeckungen oder sonstige Fortschritte der wissenschaftlichen Erkenntniss genöthigt, etwas zurück- zunehmen, niemals sind für irgend ein anderes Ursprungs- land stiehhaltige Gründe beigebracht worden. Die Sprachforscher reden häufig von einem Volke mit urarischer Sprache und Gesittung, aus dem durch Spaltung in verschiedene, gleichwerthige Theile die ein- zelnen arischen Völker, die dann in Sonderentwickelung ihre eigenen Wege verfolgten, hervorgegangen seien. So verhält sieh in Wirklichkeit die Sache nieht; sondern die starke Vermehrung) des kräftigen Volkes in einem durch natürliche Schranken umschlossenen Lande, dem südlichen Theil von Skandinavien, brachte seit der neueren Stein- zeit die unbedingte Nothwendigkeit mit sich, von Zeit zu Zeit den Geburtenüberschuss als „heiligen Frühling“ zum Aufsuchen neuer Wohnsitze auszusenden. Wie ein durch innere Quellen gespeister See über seine Ufer wallen muss, so sind auch von dem arischen Stammvolke immer neue Völkerwellen ausgegangen, bald ruhig dahin- fliessend, bald, wie ein durch Gewitterregen angeschwol- lener Bergstrom, in stürmischem Tosen alle Hindernisse durchbrechend, immer aber umgestaltend und trotz mancher unvermeidlichen Zerstörung doch befruchtend. Manchmal glich die Ausbreitung der arischen Völker mehr dem unaufhaltsamen, bald schnelleren, bald lang- sameren Vorschieben eines Gletschers, manchmal auch einem davon losgelösten, in wilden Sprüngen zu Thal stürzenden Felsblock. Beispiele aus der deutschen Ge- ; *) Die geschichtlichen Zeugnisse sind zum ersten Mal zu- sammengestellt in meiner Schrift „Stammbaum und Ausbreitung der Germanen“, Bonn 1895. **) Als Beispiele seien die Runen feh, ur, ehu, man ange- führt, die durch Ergänzung weniger Striche noch das Bild ihres Namens geb der bei den drei ersten sogar noch mit den latei- nischen Wörtern pecus, urus, equus übereinstimmt. *##*) Ausführlich dargestellt und durch Schrifttafel erläutert in meinem Vortrage über „Alter und Ursprung der Runenschrift“ auf der Versammlung der deutschen Geschichts- und Alterthums- Vereine in Konstanz 1895; Correspondenzblatt Nr. 11 u. 12 gleichen Jahrgangs. ı) Dass diese Auffassung früher als selbstverständlich galt, zeigt u. a, der Ausspruch von Paul Warnefrid’s Sohn, dem Ge- schichtsschreiber der Langobarden (Gest. Langobard I, 1): Septen- trionalis plaga quanto magis ab aestu solis remota est et nivali frigore gelida, tanto salubrior eorporibus hominum. et propagandis est gentibus magis coaptata. schichte für die erste Art sind die Franken, für die zweite die Langobarden. Die Erhaltung des Volksthums und der Rasse, die überhaupt von verschiedenen Umständen abhängt, war im ersten Falle bedeutend leichter als im zweiten. Während man in alter Zeit frühere Bewohner eines eroberten Landes oft sechonungslos mit dem Schwerte austrieb*), war dies später, als kleinere Germanenscharen in die reich- bevölkerten Lande des Römischen Reiches ein- brachen, nicht mehr möglich. Obgleich die Germanen, stolz auf ihr reines und edles Blut, sich mögliehst lange zurückhielten, war eine Rassenmischung doch unausbleib- lich. Ueberall aber sind aus den eingewanderten Ger- manen nicht nur die Fürstengeschlechter und der krie- gerische Adel, sondern auch die Vertreter von Kunst und Wissenschaft hervorgegangen ; das beweisen die Namen **), Wir haben gesehen, dass in Ansiedelungen aus der neueren Steinzeit die langköpfige Rasse oft noch völlig rein vorkommt; bald jedoch, z. B. in den Pfahlbauten der Schweiz, finden sich Spuren einer ganz anderen, kleineren und rundköpfigen Rasse***), die in jedem folgenden Zeit- abschnitte, wenn nicht gerade eine neue nordische Ein- wanderung stattgefunden, immer zahlreicher wird und in der heutigen mitteleuropäischen Bevölkerung sehr stark vertreten ist. Wo stammt diese Rasse her? Dass sie in unserem Welttheil ursprünglich nieht heimisch ist und von Östen her sich ausgebreitet hat — wahrscheinlich von der Zeit an, als Mitteleuropa in Folge der Eiszeit noch sehr menschenleer war — zeigt ihre Vertheilung unter der langköpfigen Bevölkerung, ihr Diehterwerden nach Östen zu und ihr Fehlen auf den Inseln, wie es auf den von Collignon für Frankreich, von Ripley für ganz Europa entworfenen Karten) deutlich zu sehen ist. Ihr Zusammenhang mit den Mongolen ist vor kurzem von Tappeiner bestritten7y), das mangelhafte seiner *) Wie z. B. die gallischen Boier aus Böhmen, atque ipsa etiam sedes, pulsis olim Boiis, virtute parta, Tae. Germ. 42, ##*) Wie die der südfranzösischen Troubadours: Guillem Jaufre, Rudel, Rambaut, Bernart, Guiraut, Bertrand, Gautier, Guyot, Arnaut, Raimon, Aimerie, Gaucelm, Savarie — Wilhelm, Gotfrid, Rudolf, Raginbald, Bernhard, Gerold, Bertram, Walther, Wido, Arnold, Raginmund, Emerich, Walchelm, Sabarich u. a. — Bau- meister und Künstler des Frankenreichs in Gallien haben fast durchweg germanische Namen, Geimmo, Andulf, Rumoald, Dandulf, Magulf, Gerlaie, Wido, Engelwin, Baldomer u. dergl. — For- tunat. Venant, II, 9, beriehtet ausdrücklich, dass im 6. Jahr- hundert eine berühmte Kirche in Toulouse von einem Germanen erbaut wurde: hoe vir barbarica prole peregit mirum opus. ###).Bcker, Crania Germaniae ete., 1865. — Wilser, Badische Schädel, Arch. f. Anthr. XXI. — Matiegka, Crania Bohemiea, 1891. — Studer und Bannwarth, Crania Helvetica antiqua, 1894. — v. Hölder, Skelettfunde vorrömischer Hügelgräber in Württemberg und Hohenzollern, 1895. — Salmon, Denombre- ment et types des eränes n£olithiques de la France, 1896. 7) L’Anthropologie I, 3 und VII, 5. Neuerdings hat Ripley in einer Abhandlung über The ra- eial geography of Europe (Appletons Popular Seience Monthley, march 1897) auch eine Weltkarte gegeben, die die Verbreitung der Schädelformen und besonders das Ausbreitungscentrum der Rundköpfe in Mittelasien sehr schön erkennen lässt. Er sagt, dass die langköpfige Rasse seems to hang upon the outskirts of Europe, intrenched in purity in the islands and peninsulas alone. +r) Der europäische Mensch und die Tyroler, Meran 1896. In einem im Correspondenzblatt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie ete., Juli 1897, abgedruckten Briefe an Ranke wiederholt Tappeiner seine Ansicht, „dass der europäische Mensch ein in Europa autochthoner Arier ist“ (logischer wäre zu sagen: der Arier ist ein in Europa autochthoner Mensch), lässt die verschiedenen Schädeltypen in Europa selbst sich entwickeln und leugnet die Ansicht von der Einwanderung der Mongolen aus Central- und Nordasien“. Da aber noch in geschichtlicher Zeit solche Einwanderungen stattgefunden haben, so liegt die Annahme auch vorgeschichtlicher Ströme asiatischer Rundköpfe sehr nahe. Eine Umbildung von Langköpfen zu Rundköpfen in unserem Welttheil ist unvereinbar mit der T’hatsache, dass äussere Einflüsse auf die Schädelform wirkungslos sind. 6 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Beweisführung jedoch von Ammon ins rechte Lieht ge- setzt*) worden. Mittelasien ist das Verbreitungscentrum für alle Rundköpfe der Welt, und den besten Beweis dafür, dass auch unsere vorgeschichtlichen Brachycephalen von dorther stammen, haben die geschichtlichen Einwan- derungen der Hunnen, Avaren, Magyaren und Türken ge- liefert, die alle der rundköpfigen Rasse angehören. Linne, der von der Schädelform als Rassenmerkmal noch nichts wusste, nennt die besonders in den Alpen- ländern zahlreichen Vertreter dieser Rasse Homo alpinus (parvus, agilis, timidus) und unterscheidet sie vom eigent- lichen Asiaten, Homo asiaticus (luridus, melancholensis, rigidus, pilis nigrieantibus, oculis fuseis, reverens, avarus). Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft, die unter den zahllosen Mischungen und Uebergängen die Urrassen zu erkennen strebt, ist es besser, beide unter dem Namen Homo asiaticus brachycephalus zu vereinigen. Auf die Art, wie diese rundköpfige und dunkelhaarige Menschen- rasse mit den beiden europäischen sich kreuzt, sie durch- dringt und theilweise verdrängt, eine der wichtigsten und anziehendsten Aufgaben der Anthropologie, werden wir noch zurückkommen müssen. Für die ältesten Wanderscharen des nordischen Stein- zeitmenschen fehlen uns selbstverständlich die geschicht- lichen Namen. Ihre Kultur aber, die sich nach dem ge- meinsamen Sprachgut mit der „urarischen“ deckt, und die darin enthaltenen Keime selbständiger Weiterent- wickelung dürfen wir nicht unterschätzen. Auch das Kupfer, das ältest bekannte und erstbearbeitete Metall wird noch von europäischen und asiatischen Ariern gleich benannt**), während für die Mischung mit Zinn***), die Bronze, die Bezeichnungen schon in Europa auseinander gehen. Da ausserdem die indische Bronze eine ganz andere Zusammensetzung, mit Zink, hat, so dürfen wir schliessen, dass die Abtrennung der asiatischen Arier vom europäischen Grundstamm vor der Kenntniss der Bronze, spätestens in der Kupferzeit, erfolgt ist. Geht man von Skandinavien als Mittelpunkt für die strahlenförmig nach Westen, Süden und Osten sich aus- breitenden Wanderungen der arischen Völker aus, wobei, um ein Bild zu gebrauchen, der südliche Theil der Halb- insel den Knauf eines Fächers bildet, so lässt sich ein genauer, mit den geschichtlichen Nachrichten wie mit der sprachlichen und kulturellen Verwandtschaft übereinstim- mender Stammbaum?) nicht nur für die Germanen und ihre nächsten Nachbarn, sondern auch für alle Arier ent- werfen. Wir unterscheiden in demselben drei Haupt- ströme, den westlichen oder keltischen, den mittleren oder germanischen und den dreigetheilten bis nach Asien hin- über reichenden Oststrom. Der Weststrom, dem das Weltmeer Halt gebot, besteht aus den versehiedenen Wellen der Kelten und Gallier, aus deren ältesten die Italer lateinischen Stammes hervorgegangen sind, während die jüngsten durch die Kimbern noch im engsten Zu- sammenhange 7) mit den Germanen stehen. Der mittlere Strom, zugleich der jüngste (noch zu Pytheas’ Zeit schied die Elbe die Kelten von den Skythen), hat sich *) Centralblatt für Anthropologie ete. II, 3. **) got. aiz, ags. ar, ahd. er (davon aruz, erz), lat. aes, sskz. ;, altpers. ayanh. "##*) Die Namen dieses Metalles, z«ooıreoos (das Vorrecht dieser Entdeckung hat mir S. Reinach in der Revue celtique, 1894 I, zugestanden) und stannum, sind keltisch-germanischen Ursprungs, von den Wortstämmen cass, tar, stan, stain abzuleiten. 7) Zuerst abgedruckt in meiner Abhandlung „Die Vererbung der geistigen Eigenschaften“, Illenauer Festschrift 1892, für die Germanen besonders ausgeführt in „Stammbaum und Ausbreitung der Germanen“, 1895. ir) Die kimbrischen Namen, wie die des Königs Boiorix, sind nach Lautstand und Gebrauch eben so gut gallisch. RI. NEIM südwärts wie ein Keil zwischen die anderen Völker ein- geschoben. Er besteht nur aus Germanen, die in fol- gende vier Hauptstämme sich gespalten haben: erstens, von West nach Ost gezählt, den kimbrisch-ingävonisch- frisischen, zweitens den marsisch-istävonisch-fränkischen, drittens den herminonisch-schwäbischen und viertens den vandilisch-gotischen Stamm. Der arische Oststrom hat sich, entsprechend den ungeheuren von ihm überflutheten Landstrecken, in drei Zweigströme getheilt, den litauisch- thrakisch-hellenischen*), den slavisch-wendisch-indischen und den skythisch-sarmatisch-persischen. Ein bedeutungs- volles Zeugniss für die gemeinsame Abstammung ist die Uebereinstimmung der Namen benachbarter Völker, selbst wenn diese verschiedenen Strömen angehören, so der kel- tischen**) Cymbri und germanischen Kimbern, der litau- ischen Goti, thrakischen Getae und der Goten, der Inder (Hindu), Wenden und Vandalen. Ist es da zu ver- wundern, dass auch die Rasse, solange sie sich rein erhalten, die gleiche ist? Stammen doch all diese Völker vom Homo europaeus dolichocephalus flavus ab. Es giebt weder einen Kelten-, noch einen Slavenschädel, sondern beide sind, wenn rasserein, vom germanischen nicht zu unterscheiden; das gleiche gilt für die altgriechischen, römischen und etruskischen Schädel. Wie Sprache und Sitte, Anlagen, Geschmack und Kunst- fertigkeit, so haben die auswandernden Völker auch Waffen und Hausrath, Götterbilder, Tracht und Schmuck überall hin mitgenommen, und auf neuer Scholle einfach Leben und Kultur der Heimath weiter geführt. Völkerwande- rungen sind das beste Mittel zur Verbreitung des Blutes wie der Gesittung; dafür sind Nordamerika und Australien überzeugende Beispiele. Gewiss wird in der Fremde, bei anderen Bedürfnissen und Berührungen, manches Neue gelernt und aufgenommen, sicherlich trägt auch die nie- mals ganz gelöste Verbindung mit dem Mutterland und der Handelsverkehr dazu bei, das Neuerworbene nach rückwärts zu verbreiten; der Hauptkulturstrom aber folgt den Wanderzügen der Völker. Ein schlagender, wenn auch noch wenig anerkannter Beweis dafür ist unsere Bucehstabenschrift, das vor einem Jahrzehnt von mir in den skandisch-germanischen Runen entdeckte „urarische* Alphabet; denn die Thatsache, dass im Stammbaum ein- ander nahestehende Völker auch verwandte Schriftarten haben, zeigt, dass mit anderen Kulturstoffen durch die Wanderungen auch Buchstaben und Schreibkunst ver- breitet worden sind. In gleicher Weise ist auch die Bronze und deren wesentlicher Bestandtheil, das Zinn, in den Mittelmeerländern bekannt geworden, und England, heute noeh neben Hinterindien der Hauptfundort, hat wahr- scheinlich den ganzen Kulturkreis der alten Welt mit diesem vor der Kenntniss des Eisens ungemein werth- vollen und wichtigen Metall fast ausschliesslich versorgt. ***) Die augenscheinliche Uebereinstimmung im Stil nordischer und südlicher Erzgeräthe kann man freilich auch in um- gekehrter Weise erklären, wobei „Einflüsse“ und „Handels- verbindungen“ eine grosse, oft etwas dunkle Rolle spielen; da aber der Fortschritt wissenschaftlicher Erkenntniss die Verwandtschaft von Sprache und Schrift ebenfalls in einer der früheren Auffassung entgegengesetzten Richtung deuten gelehrt hat, so wird man diese auch für andere Kulturgebiete gelten lassen müssen. Wir haben ja auch #) Westliche und östliche Ausläufer derselben sind die Etrusker (s. meinen Vortrag über dies vielumstrittene Volk in den Veröffentlichungen des Karlsruher Alterthumsvereins II, 1895) und die kleinasiatischen Arier, wie Troer, Phryger, Lyder u. a. #*) Der Name Kelten ist gleichen Ursprungs wie unser Helden (Caletes, Caledonia, Celtae-häledhas, helithos, helede). *##) Vergl. meine Abhandlung „Der Ursprung der Bronze“, Ausland 1890, No. 20, und meinen Vortrag über die „Kassiteriden“, abgedruckt im Globus LXX 6, 1896. VII. Nr. 1. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 7 unwiderlegliche Beweise dafür; so ist der keltische, ur- sprünglich an den Küsten der Nord- und Ostsee heimische Stil(La Tene) durch die Gallier, wie auf den pergamenischen Denkmälern zu sehen ist, bis nach Kleinasien getragen worden, so haben die Langobarden nordische Kunst und germanisches Zierwerk, aus denen sich der „romanische“ Stil entwickelt hat, von der Niederelbe nach Italien gebracht. Die arischen Völker des Alterthums, Perser, Hellenen, Etrusker, Römer, waren so lange blühend und thatkräftig, als die nordische Rasse überwog und die führenden Stände bildete. Der Niedergang der klassischen Welt ist nur auf das Aussterben dieser Rasse in den betreffenden Völkern zurückzuführen, wofür theils die aufreibenden Kämpfe mit eisernen und geistigen Waffen, bei denen die Arier immer im Vordertreffen standen, theils aber auch schädigende Wirkungen des südlichen Klimas, Verweich- liehung und Entartung in Folge des mit der Herrschaft verbundenen Ueberflusses verantwortlich gemacht werden müssen. Die gleichen Vorgänge sehen wir heute in den durch die Germanen, die letzten Arier, gegründeten Staaten sich wiederholen: Spanien und Portugal, die noch vor wenigen Jahrhunderten mächtige Seestaaten waren und eine bedeutende kolonisatorische Thätigkeit entfalteten, sind erschlafft und erschöpft und können kaum den früheren Besitz behaupten; auch Frankreich und Italien haben entschieden den Gipfel ihrer Macht und Bedeutung überschritten, zehren vom alten Ruhm und befinden sich im Niedergang. In Deutschland selbst ist die Rasse der alten Germanen, die wir doch unsere Vorfahren nennen, vielfach im Schwinden begriffen. Dieser Rassenwechsel, eine Erscheinung von der grössten Bedeutung für das Verständniss der Geschichte hat besondere Beachtung und eingehende Behandlung gefunden durch Ammon*) und Lapouge**) leider in etwas einseitiger Weise, da beide Forscher als Neu-Darwinisten der „Auslese“ zu grosse, oft unmögliche Wirkungen zuschreiben. Die meisten europäischen Völker sind hervorgegangen aus der Mischung zweier oder dreier Rassen, der nor- dischen (Homo europaeus dolichocephalus flavus), der mittelländischen (Homo europaeus meridionalis) und der rundköpfigen asiatischen (Homo asiaticus brachycephalus). Nur in Nordeuropa ist die erstere noch vorherrschend, — fast rein in Skandinavien, ihrer alten Heimat —, in der Mitte unseres Welttheils wird sie in Folge ungleicher Vermehrung mehr und mehr durch die Rundköpfe, im Süden durch die Mittelmeerrasse ***) verdrängt. Es ist ein eigenthümlicher Gegensatz, dass die erste und edelste Menschenrasse, gerade während sie, durch den ungemein erleichterten Weltverkehr begünstigt, ihre Herrschaft über den ganzen Erdball ausdehnt, in vielen Theilen des heimathlichen Welttheils auszusterben droht. Wir müssen uns damit trösten, dass dies stets so war, dass grosse Kulturleistungen auch grosse Opfer erfordern und in Nord- europa noch immer die unerschöpfliehe Quelle, der Jung- brunn der Völker, fliesst und ihre befruchtenden Fluthen nach und nach über alle bewohnbaren Länder der Erde ergiesst. Einigermaassen können auch die seit Jahr- hunderten in der Schule der Langköpfe erzogenen und mit deren Blut gekreuzten Rundköpfe als Ersatz gelten. Während man aber früher die edelste Menschenkraft in sorglosester Weise vergeudete — ich erinnere an die end- *) Die Gesellschaftsordnung und ihre natürlichen Grundlagen, 2. Aufl. 1896, und viele andere Schriften. **) Les selections sociales, 1896, u. a. ##**) Man kann diese Rasse, die sich von der nordischen durch geringere Grösse schwarze Haare und braune Augen unterscheidet, nach ihren westlichen und östlichen Ausstrahlungen auch die iberisch-semitische nennen. losen, blutigen Fehden des Mittelalters, an das Viele der Edelsten zur Ehelosigkeit verdammende Kloster- leben —, sollte man heutigen Tages, durch bessere Einsieht belehrt, diese schützen und schonen, so gut es geht. Die höheren Stände, denen die Leitung des Volkes anvertraut ist, sterben gewöhnlich nach einigen Ge- schlechterfolgen aus, theils wegen zu geringer Kinderzahl, theils wegen körperlicher Entartung in Folge unzweck- mässigen Lebens oder einseitig geistiger Arbeit; die grossen Städte können sich nicht selbst erhalten, sondern wachsen nur durch beständigen Zuzug vom Lande. Aus den besten dieser Zuzügler ergänzen sich die höheren Gesellschaftsklassen, und es liegt daher auf der Hand, welche Bedeutung für den Staat ein gesunder und lebens- kräftiger Bauernstand hat. Germanische Bauern waren gut genug für den höchsten Adel, manchmal sogar für die Königsstühle der neu gegründeten Reiche. Wie nicht Anleitung und Unterricht, sondern angeborene Be- gabung den grossen Künstler macht, so hängen auch in der Geschichte Leistungen und Bedeutung eines Volkes von den in der Rasse, die seinen Hauptbestandtheil oder doch die führenden Stände bildet, sich vererbenden leib- lichen und geistigen Eigenschaften ab. So wenig man aus einem Menschen olıne Gehör mit grösster Mühe einen Tonkünstler machen kann, so wenig lässt sich eine niedrigstehende Menschenrasse durch Erziehung auf die Höhe eines Kulturvolkes heben. Man erziehe und unter- richte zehn schwarze und zehn weisse Knaben unter völlig gleichen Bedingungen und man wird einen ge- waltigen Unterschied des Erfolges beobachten. Das Bei- spiel der Neger in den Vereinigten Staaten zeigt auch, dass Gleichheit vor dem Gesetz und gesellschaftliche Ebenbürtigkeit zwei sehr verschiedene Dinge sind, ja, dass die Befreiung vom Sklavenjoch für die Schwarzen kein Glück war.*) Die Anthropologie vermag durch Kopf- und Grössen- messungen, durch Haar-, Haut- und Augenuntersuchungen den Rassengehalt der Völker zu bestimmen und zu ver- gleichen; Schädel- und Knochenfunde**), erhaltene Bild- werke und Beschreibungen gestatten es auch, das Alter- thum in den Kreis der Betrachtung zu ziehen, und hieraus ergeben sich eben so werthvolle wie untrügliche Schluss- folgerungen auf Ursprung, Verwandtschaft, weltgeschicht- liche Bedeutung und Leistungsfähigkeit der Völker alter und neuer Zeit. Als wahre Naturwissenschaft ist die Anthropologie voraussetzungslos und zieht ihre Schlüsse nur aus unumstösslichen Thatsachen; sie schafft damit eine sichere Grundlage, wie sie eben nur durch natur- wissenschaftliche Forschungsweise gelegt werden kann. Die schriftliehen Urkunden, bisher die Hauptquelle der Geschichtschreibung, sind Menschenwerk und als solches nicht unfehlbar; Irrthum, Unkenntniss, Liebe und Hass haben oftmals die Berichterstatter verhindert, die Er- eignisse in einer der Wirklichkeit genau entsprechenden Weise darzustellen. Werden dann solche an sich schon mangelhafte Nachriehten noch einer, wie es bis in die neueste Zeit fast ohne Ausnahme der Fall war, von *) Hoffmann, Race traits and tendencies of the American negro, 1896. *%*) Zwischen Schädel- und Kopfindex besteht ein Unter- schied, der nur bei ganz runden Köpfen (ind. 100) gleich Null wird, bei den länglichsten Schädeln (ind. 60) dagegen wegen der Kopfschwarte 2 Einheiten beträgt. Will man Rürze halber nur eine einzige Durchschnittszahl anwenden, so muss der Schädel- index im Vergleich mit dem Kopfindex um 1,0 erhöht werden oder umgekehrt. Vergl. meine Behandlung dieser wichtigen Frage in „Badische Schädel“, Arch. f. Anthropol. XXI, und in meinen Vor- trägen im XI und XII. Band der Verhandlungen des Karlsruher Naturwissenschaftlichen Vereins. Naturwissensehaftliche Wochenschrift. XINSUNTIH: falschen Voraussetzungen*) ausgehenden Kritik unter- zogen, so kann auf diesem Wege unmöglich das für jeden ehrlichen Forscher einzig erstrebenswerthe Ziel, die Wahrheit, erreicht werden. Unrichtige Auffassung der Vergangenheit erschwert aber das Verständniss der Gegenwart und trübt den Blick zu der Zukunft. Erst nachdem der Sieg der naturwissenschaftlichen Welt- anschauung entschieden, nachdem durch Darwins mächtigen Anstoss ein Verständniss der Artenbildung an- gebahnt und auf menschliche Verhältnisse angewendet war, konnte die Weissagung**) des englischen Forschers in Erfüllung gehen „Lieht wird fallen auf den Ursprung des Menschen und auf seine Geschichte.“ Ja, wahrlich mit ungeahnter Leuchtkraft hat dieses Lieht das Dunkel der Vorzeit durchstrahlt, und, siehe da, in überraschender Beleuchtung erschien plötzlich auch mancher früher in undurchdringlichen Nebel gehüllter Theil der Geschichte. *) Die verschiedenen Arten von Irrwahn früherer Zeiten können bier unerörtert bleiben; in unserem Jahrhundert war es besonders die von den Sprachforschern behauptete asiatische Herkunft der „Indogermanen“, die die Historiker am Verständniss der Quellen gehindert und auf Abwege geführt hat. Einer der Wenigen, die schon vor Jahrzehnten die Bedeutung der Rasse- fragen erkannt haben, war der in neuester Zeit wieder mehr ge- nannte und gewürdigte Graf Gobineau (Essai sur l’inggalit& des races humaines, 1853). Wir finden bei diesem Denker über- raschende Aussprüche, wie que la question ethnique domine tous les autres probl&mes de l’histoire, en tient la clef, et que l’ine- galite des races dont le concours fait une nation, suffit & expliquer tout l’enchainement des destindes des peuples, ferner & meme que les peuples blanes sont descendus davantage vers le sud, les influences mäles se sont trouvees morins en force, se sont perdues dans un elöment trop feminin und lA ou l’El&ment ger- manique n’a jamais pen6tre, il n’y a pas de eivilisation ä& notre maniere, endlich il faut done conclure que ces alphabets europeens, parents du grec, ne sont pas formes d’apres lui; qu’ils remontent, ainsi que lui, & une origine plus aneienne que, comme le sang des races blanches, ils ont leur source dans les &tablisse- ments primitifs de ces races. Diesen Ursprung sucht er allerdings noch in Hochasien; es fehlte ihm eben, wie seiner Zeit überhaupt, die sichere naturwissenschaftliche Grundlage für seine Rassenlehre. **) Origin of species by means of natural selection, 1859. Nicht mehr scheidet sich grell der geschichtliche Tag von der vorgeschichtlichen Nacht, sondern hell und immer heller wird es für den, der sehen will, von den ältesten Zeiten bis zu der klar vor unseren Blicken. liegenden Gegenwart; wir erblicken in den vorgeschiehtlichen die natürliche Entwickelung der geschichtlichen Vorgänge und haben in den Völkerwanderungen der Geschichte Folgen und Ausläufer ähnlicher Bewegungen der Vor- geschichte erkennen gelernt. So ist die „Wissenschaft vom Menschen“, auf dem festen, durch die Geistesarbeit von Lamarck, Darwin, und anderen Naturforschern errungenen ent- wiekelungsgeschichtlichen Boden fussend und den todten Zahlenwust der Schädelmaasse durch den Hauch des Geistes belebend, das geworden, was einer ihrer be- rufensten und der Wahrheit am nächsten gekommenen . Vertreter, Alexander Ecker, gefordert*), die „vor- nehmste“ Hilfswissenschaft der Geschichte **). *) Crania Germaniae ete., 1865. ; **) So sehr er sich auch in den Vorurtheilen seiner Zeit be- fangen zeigt, so wenig selbst ein so grosser Geist die engen Schranken damaligen Wissens durchbrechen konnte, dennoch hatte Friedrich Schiller (Was heisst und zu welchem Zwecke studirt man Universalgesehichte? Eine akademische Antrittsrede) eine deutliche Vorstellung von der Bedeutung der Naturgesetze und der vorgeschichtlichen Vorgänge für die Weltgeschichte: „So würde denn unsere Weltgeschichte nie etwas anderes als ein Aggregat von Bruchstücken werden und nie den Namen einer issenschaft verdienen. Jetzt also kommt ihr der philosophische Verstand zu Hilfe und, indem er diese Bruchstücke dureh künst- liche Bindungsglieder verkettet, erhebt er das Aggregat zum System, zu einem vernunftmässig zusammenhängenden Ganzen. Seine Beglaubigung dazu liegt in der Gleichförmigkeit und un- veränderlichen Einheit der Naturgesetze und des menschlichen Gemüths, welche Einheit Ursache ist, dass die Ereignisse des. entferntesten Alterthums, unter dem Zusammenfluss ähnlieher Umstände von Aussen, in den neuesten Zeitläufen wiederkehren, dass also von den neuesten Erscheinungen, die im Kreis unserer Beobachtung liegen, auf diejenigen, welche sich in geschichtlosen Zeiten verlieren, rückwärts ein Schluss gezogen und einiges Licht verbreitet werden kann.“ Die Kastanie als Nahrungsmittel. — In der „Revue du serviee de l’Intendance militaire“ 1896, Heft November- December, giebt der Oberapotheker Balland aus Paris eine Zusammenstellung der Analysen von 18 verschiedenen Proben essbarer Kastanien. Der Verfasser unterscheidet (nach de Candolle u. a.) zwei Varietäten der Kastanie: Die eine hat stets mehrere Kerne in der Frucht, dieselben sind infolgedessen mehr oder weniger abgeplattet; man nennt diese Kastanien „chätaignes“. Bei der anderen Varietät ist immer nur ein Kern in der Frucht enthalten, welcher kugelig und bedeutend grösser ist als bei der vorigen Abart; diese Kastanien heissen „marrons“. Die meisten ehätaignes kommen aus den Departements Ardeche, Dordogne und Corsica; die grössten Maronen wachsen bei Neapel und an den Abhängen der Pyrenäen, ihr Ge- wicht kann 18,60 & erreichen. Die gerösteten Kastanien, wie sie in den Strassen verkauft werden, enthalten noch 40%, Wasser, die im Wasser gekochten dagegen 72 /,. Werden sie an einem trockenen und luftigen Orte aufbe- wahrt, so troeknen sie langsam, bis sie nur noch 12—15 °/, Wasser enthalten; sie nehmen dann beim Kochen auch weniger Wasser auf, so dass sie statt 72 nur 55 °/, Wasser enthalten. Manche Maronen haben im trockenen Zustande mehr Eiweissstoffe als das Getreide, daneben etwas mehr fette Stoffe, aber weniger Phosphate. Das meiste Eiweiss enthalten die echten Kastanien von Tarbes, Vesseaux und Limoges; die Maronen von Neapel und aus der Bretagne sind weniger eiweisshaltig.. Ein Kilogramm eehte Kastanien enthält etwas mehr Eiweiss als ein halbes Kilo Brod; Balland schlägt deshalb vor, die Maronen mit unter die Beköstigungsmittel der Soldaten aufzu- nehmen. S. Sch. Das Erfrieren der Pflanzen hat Prof. Molisch (Prag) zum Gegenstand einer grösseren Untersuchung ge- macht und deren Ergebnisse unter genauerer Berück- sichtigung unserer bisherigen Kenntnisse tiber diesen Gegenstand in einem kleinen Buch niedergelegt (Jena 1897), das S. 395 Besprechung gefunden hat. Wir fügen zu dem dort Gesagten noch das Folgende hinzu. Es handelt sich in manchen wesentlichen Punkten um eine Bestätigung dessen, was wir den experimentellen Unter- suchungen H. Müller-Thurgau’s und Göppert’s ver- danken. Beim Gefrieren von Gelatine- und Gummilösungen entsteht ein Maschenwerk von Gelatine bezw. Gummi, dessen Maschen von Eis ausgefüllt sind. Es findet also eine Ausscheidung von Wasser beim Gefrieren soleher und vieler anderer Stoffe statt. Dasselbe ist beim starken Abkühlen von Amöben und verschiedenen pflanzlichen Zellen zu beobachten. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass beim Gefrieren Wasser in reichlicher Menge aus dem Protoplasma austritt und zu Eis erstarrt. Dadurch soll in der Mehrzahl der Fälle der Tod des Organismus herbeigeführt werden, gleichgültig, ob die Pflanze nach dem Gefrieren schnell oder langsam XI... Nr..1. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. ) aufthaut. Also nicht das zu schnelle Aufthauen, sondern das Gefrieren an sich bedingt schon den Tod; und dessen nähere Ursache ist nicht die Eisbildung, sondern der starke Wasserverlust. Natürlich kann auch unvorsichtiges Aufthauen zum Tode führen, aber dadurch allein ist nicht immer der Tod bedingt. Eine andere Erklärungsweise giebt M. für das Absterben von Pflanzen beim Abkühlen auf Temperaturen über Null. In diesem Falle kann natürlich nicht der Wasserverlust die Todesursache sein, weil es garnicht zur Eisbildung kommt. Verf. nimmt deshalb an, dass in diesen Fällen eine nachtheilige Be- einflussung der chemischen Processe in der Pflanze den Tod herbeiführt. Andere Pflanzen, z. B. Tabak, Kürbis und Bohne sterben bei + 1 bis + 3° noch nicht ab, aber ihre Blätter fangen stark zu welken an. Es rührt diese Erscheinung daher, dass bei so niedrigen Wärmegraden die Wurzeln nieht mehr im Stande sind, Wasser in ebenso raschem Tempo aufzunehmen als solches aus den Blättern ver- dunstet. ze Rake Die Armand-Höhle. — Die bekannten Höhlenforscher E. A. Martel und A. Vir& machten jüngst in einer durch Zeichnungen erläuterten Mittheilung an die fran- zösische Akademie (C. r. 1896, II. Nr. 17, S. 622) die Ergebnisse ihrer vom 19. bis 21. September angestellten Untersuchungen einer neuentdeckten Höhle bekannt, welche die ungeheure Tiefe von 214 ın besitzt und dem- nach die tiefste Höhle Frankreichs ist (hierin steht ihr aber sehon die Höhle von Rabanel bei Ganges im Departement Herault mit 212 m Tiefe nahe). Diese, dem Höhlensucher und Gehilfen jener Forscher, Louis Armand, zu Ehren benannte Höhle von dem als „aven“ bezeichneten Typus soll dabei eine unbeschreibliche Formen- schönheit von Tropfstein-Stalagmiten bergen wie keine andere in der Welt; sie befindet sich in dem als Causse Möjean bezeichneten Theile der Cevennen (Dep. Lozere). Ihr Eingang liegt nicht im Grunde, sondern am Gehänge, und zwar ziemlich in dessen halber Höhe, einer geräumigen Eintiefung des Gebirges, vermuthlich eines ehemaligen Seebeckens, welchem die Höhle als Ent- leerungs-Canal oder Sipho gedient haben mag, ähnlich den Katavothren der Seen Griechenlands. Die Höhle ist in drei nahezu gleichlange Theile gegliedert; zwei der- selben stellen senkrechte Schächte dar, welehe durch den mit etwa 33° nach Nordost geneigten Mitteltheil, die Hauptgrotte, mit einander verbunden sind: so zeigt denn der Längs-Aufriss des Ganzen eine Giraffen-ähnliche Ge- stalt der Höhle. Ihren Eingang hat die Höhle in 964—967 m Meeres- höhe; ihn bildet ein Trichter von 10 bis 15 m oberem und 4—7 m unterem Durchmesser und 4—7 m Tiefe, in dessen Grunde sich ein 75 m tiefer Schacht öffnet. Auf 40 m Länge besitzt dieser nur 3—5 m Weite, die unteren 35 m dagegen liegen schon frei gegen die sich anschliessende Hauptgrotte. Der Boden dieser Grotte ist oval bei 50 m Breite und 100 m Länge und mit etwa 55°, entsprechend dem Schichteneinfallen, nach Nordost geneigt, wo sein Ende in 340 m Meereshöhe liegt; auf der oberen Hälfte dieses Abhangs findet sich nur ein Haufwerk von herab- gestürzten Blöcken, während die untere von einem diehten Walde schlanker, säulen- oder, den Abbildungen nach zu urtheilen, eher noch tannenzapfenähnlicher Stalagmiten von 3 bis 30 m Höhe eingenommen wird; ihre Zahl ist auf 200 zu schätzen. Die phantastische Schönheit dieses Waldes von eigenthümlichen Gebilden soll der Macht jeder Feder spotten; weder ein Mensch noch ein Erdbeben haben bis- her eines derselben verletzt. Auch wird der bislang als der höchste geltende Stalagmit, nämlich der sogenannte astronomische Thurm in der Höhle von Aggtelek in Ungarn in den Schatten gestellt durch den 30 m hohen „grossen Stalagmit“ in dieser Höhle, während jener nur 20 m auf- steigt. Gemessen wurden die Höhen der Stalagmiten sowie der sich noch 6—10 m darüber wölbenden Höhlen- decke, von welcher den Abbildungen zu Folge nur wenige und kurze Stalaktiten herabhängen, mittels einer Mont- golfiere. Am Nordostende der Grotte findet sich dann noch ein zweiter senkrechter Schacht von 87 m Tiefe, dessen Grund ein Haufen Steine bildet. Zweifellos ist diese Höhle kein Einsturzgebilde. In dem eompacten, in grosse Blöcke gespaltenen Kalksteine des ersten, die Oberfläche erreichenden Schachtes glauben die genannten Höhlenforscher den „sublithographischen“ Kalkstein des „Rauracien* zu erkennen, während die Hauptgrotte im mergligen, weniger compacten und spalten- reichen Kalkstein des Oxfordien stehen soll. Das in dieser Gegend nur geringmächtige Callovien soll, dureh Trümmer- blockhaufen (und Stalagmiten) verhüllt, den Boden der grossen Grotte bilden, in den sich von der Traufe des oberen Schachtes her ein kleines Wildwasserbett einge- nagt hat. Eine Spalte (Diaclase) in den massiven, 50 bis 150 m mächtigen Dolomiten des oberen Bathonien habe zur Ausbildung des unteren Schachtes den Anlass gegeben, und dass dieser nach unten blind ende, daran seien die äusserst zerklüfteten „sublithographischen“ Kalksteine des unteren Bathonien schuld, welche dem Wasser einen zu bequemen Ausweg geboten hätten als dass dieses nöthig gehabt habe, „Höhlen zu bohren.“ Letztere Erklärung muss verwundern, da die genannten Forscher übrigens und wohl mit Recht die Höhlenbildung der chemischen Energie der vom Wasser herbeigeführten Kohlensäure zu- schreiben, und der Fall sich wohl dahin deuten lässt, dass das bis in jene Tiefe gelangte Wasser schon unterwegs seine freie Kohlensäure verloren hat. Die geologischen Angaben und insbesondere die Einzelheiten der beige- gebenen Abbildungen, erwecken überhaupt das Bedürfniss einer sichreren Begründung. In der Abbildung stehen die den tieferen Schacht umschliessenden Kalksteinschichten auf dem Kopfe, während die Schichten, in denen die höheren Höhlentheile stehen, dieselbe Neigung besitzen wie die Hauptgrotte. Schon dies stimmt also schlecht zu- sammen und zu der oben gegebenen Aufzählung einer normalen Folge geologischer Schichtstufen, von denen man doch eine concordante Aufeinander-Lagerung er- wartet. Weiter stört aber das geologische Auge der Umstand, dass der obere Schacht mit keiner Struetur- linie der umgebenden Schiehtgesteine in der Richtung zu- sammenfällt; wo die Kalksteinschichten mit 1350 geneigt einfallen, erscheint es wohl am wahrscheinlichsten, dass ein senkrechter Natur-Schacht seine Existenz nicht der Gesteinsspaltung und der Gesteinsstruetur, sondern der Gebirgszerklüftung verdanke und auf Gebirgsspalten ist wohl auch die Ausbildung der anderen Höhlentheile zurückzuführen. Die Zeit, zu welcher die Höhle gebildet wurde, wird noch zu ermitteln sein; hierzu bieten in bisher ungestörter Lagerung gelassene Haufen von Knochen anscheinend reichliches Material. Die Temperatur in der Höhle weicht nur wenig von derjenigen der Oberfläche ab und dürfte auch mit letzterer variiren. OÖ. L. Die Gewinnung des Baumwollsamenöles bespricht E. Milliau in einem Bericht, den das „Bulletin du Mini- stere de l’agrieulture“ 1896 in Paris veröffentlicht. Die von den Wollfasern befreiten Baumwollsamen kommen zuerst in ein Sieb, in welchem die grösseren Fremd- körper zurückbleiben; das Sieb enthält einen Magneten, 10 welcher Nägel und etwaige andere Eisentheile, die den Apparaten Schaden zufügen würden, anzieht. Hierauf bringt man die Samenkörner in eine Art Hechel, wo ihnen die noch sitzen gebliebenen Baumwollfasern abgezupft werden. In einer Schrotmühle mit rotirenden Cylindern, deren Oberfläche mit Messern versehen ist, werden die Körner sodann zerschnitten; die Stücke fallen auf ein in fortwährender Bewegung befindliches Sieb, durch welches nur die eigentlichen Kernstücke fallen, während die Schalenstücke zurückbleiben. Die Kerne werden nun zwischen Mühlsteinen zermahlen und in einen Teig ver- wandelt, der eine halbe Stunde lang der Einwirkung einer Hitze von 98—102° ausgesetzt und dann unter hy- draulischem Druck ausgepresst wird. So erhält man ein röthliches Oel, das Rohöl. Die Pressrückstände, welche noch S—11 °/, Oel enthalten, werden in Form von Kuchen oder in Pulverform als Mastfutter benutzt. Seit einigen Jahren extrahirt man auch noch aus diesen Rückständen das Oel mittelst Schwefelkohlenstoff; die Kuchen, soge- vannte Schwefelkuchen, können dann nieht mehr als Viehfutter benutzt werden. Um das Oel zu raffiniren, bringt man es in 25 Fuss lange und 15 Fuss breite Bassins, m welchen es durch „Agitatoren“ in beständiger Bewegung erhalten wird; innerhalb der Bassins verlaufen in Schlangenwindungen eiserne Röhren, welche von heissem Dampf dnrchströmt werden und das Oel erhitzen. Hat dasselbe 33—40° er- reicht, so fügt man 3—5 °/, Aetznatronlauge hinzu. Nach- dem die Agitatoren eine Stunde gearbeitet haben, stellt man sie ab; das zur Ruhe gekommene Oel trennt sich nun in flüssiges Oel und Seife, letztere fällt auf den Boden und reisst dabei die Unreinigkeiten mit sich. Nach 6 bis 36 Stunden lässt man das Oel mittelst einer knieförmig gebogenen Röhre ablaufen; der schwärzliche Bodensatz, aus Oel, Seife und Unreinigkeiten bestehend, wird bei der Herstellung der braunen Seife verwandt. Das Oel bleibt noch einige Tage in grossen Behältern stehen, da- mit die Seife und die Unreinigkeiten, die es etwa noch enthält, sich vollends abscheiden können. Soll das Baum- wollsamenöl entfärbt werden, so erhitzt man es auf 40° und fügt 3—5°), feine pulverisirte Walkererde hinzu; da- bei werden die Agitatoren wieder in Bewegung gesetzt, und in die Masse wird ein Strom heisser Luft geleitet. Die Walkererde sinkt später zu Boden und nimmt die Farbstoffe mit sich, so dass das Oel jetzt hell erscheint. S. Sch. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Privat-Docent der Augenheilkunde in Heidelberg Dr. von Hippel zum ausserordentlichen Professor; der Director der städtischen Irrenanstalt Herzberge zu Lichten- berge bei Berlin Prof. Dr. Karl Moeli zum Geh. Medieinal- Rath; L. Grimm von der Provinzial-Taubstummen-Anstalt in Bromberg zum Director der Idiotenanstalt in Bremen; der Privat- Doeent der Geburtshilfe und Gynäkologie in Moskau Dr. Mura- tow zum Professor in Dorpat; der ausserordentliche Professor der darstellenden Geometrie an der Hochschule für Bodeneultur in Wien Tapla zum ordentlichen Professor; Dr. Lafayette B. Mendel zum ausserordentlichen Professor der physiologischen Chemie an der Yale-University; Dr. George T. Kemp zum Pro- fessor der Physiologie an der University of Illinois. Es starben: Der Mücän naturwissenschaftlicher Bestrebungen Generaleonsul William Schoenlank in Berlin; der Astronom an der Genfer Sternwarte Arthur Kammermann; der Alpen- forscher Anton von Ruthner in Salzburg; der bekannte Afrika- forscher Dr. jur. Eugen Zintgraff in Teneriffa; der Zoologe Dr. Max Graf von Zeppelin in Stuttgart; der Professor der Chirurgie in Kiew Alex. St. Jazenko; der Botaniker Conreetor Friedr. Wilh. Seydler in Braunsberg; der Mineraloge Prof. M. Forster Heddle in St. Andrews; der ehemalige Professor der vergleichenden Anatomie an der University of Pennsylvania Dr. Harrison Allen. ö Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 1. _ Litteratur. Oskar Dähnhardt, Naturgeschichtliche Volksmärchen aus nah und fern. B. G. Teubner. Leipzig 1898. — Preis 2 Mark. Verfasser stellt in dem Buche von 163 S. Märchen zusammen, „die eine Deutung geben wollen, warum eine Naturerscheinung entstanden oder warum sie gerade so entstanden ist, wie wir sie sehen.“ Es werden 126 Gegenstände (z. B. 1. Die Ziegen. 2. Das Maul des Störs, 3. Die Preisselbeere, 4. Wie die Feindschaft zwischen Hund und Katze entstanden ist, und warum sich. die Hunde beschnüffeln u. s. w.), viele in mehreren Versionen be- handelt. Die Quellen sind stets angegeben, sodass das Buch litterarischen Werth hat. K. Goebel, Julius Sachs. N. G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung. Marburg 1897. — Preis 0,30 Mark. Der vorliegende, liebevoll abgefasste, mit dem Porträt des grossen Botanikers geschmückte Nekrolog ist ein Sonder-Abdruck aus der „Flora“. Bei der Bedeutung von Sachs haben wir in der Naturw. Wochenschrift Nr. 42, S. 495 ebenfalls einen, wenn auch nur kurzen Nekrolog gebracht, sodass wir auf eine eingehendere Berücksichtigung des Inhaltes vorliegender Schrift verziehten müssen. Die Separat-Ausgabe derselben wird zweifellos so Manchem sehr willkommen sein, wird doch jeder Botaniker und Pflanzenfreund gern die Thaten Julius Sachs’, die Goebel kurz und treffend vorführt, einmal zusammenhängend in Gedanken an sich vorüberziehen lassen; heisst das doch ein wesentliches Stück der Botanik unseres Jahrhunderts überschauen. Ein Verzeichniss der Schriften von Sachs (99 an Zahl) ist beigegeben. J. Costantin, Les Vegetaux et les Milieux cosmiques. (Adap- tation — Evolution.) 1 vol. in-3° de la Bibliotheque seienti- fique internationale, avec 171 grayures dans le texte. Felix Alcan Editeur. Paris 1898. — Cart. & l’anglaise, 6 Frances. Verf. betrachtet in dem vorliegenden Buch die Pflanzen unter dem Gesichtspunkt der Anpassung — insofern erinnert es an das treffliche „Lehrbuch der ökologischen Pflanzengeographie* War- ming’s (vergl. „Naturw. Wochenschr.* XI, 1896, S. 375) — und liegt dementsprechend in der Richtung der Descendenz-Lehre. Der Untertitel „Adaptation — Evolution“ sind daher die beiden Schlagworte des Inhaltes, Wenn Verf. von Goethe ausgeht, so legt er ihm mehr unter als gerechtfertigt ist. Freilich war Goethe der neuen Richtung bei dem grossen Bliek, den er für die Natur hatte, auf der Spur; aber die Ahnungen, die ihn erfüllten, wurden durch seine diehterische Ader in einer Form zur Darstellung ge- bracht, mit der eine exaete Naturwissenschaft nicht viel anfangen kann und die das thatsächlich Erschaute nur zu verschleiern und zu verwischen in der Lage ist. Goethe hat in der That vorüber- gehend Gedanken in der Riehtung der Descendenzlehre und im Zusammenhang damit auch über die Anpassung ausgesprochen *), aber diese Gedanken beherrschten seine Studien keineswegs mit genügendem Bewusstsein ihrer Bedeutung, sodass er denn, auf der Basis seiner Schrift: „Versuch, die Metamorphose der Pflanzen zu erklären“, zu einer Methodik bei Bebandlung botanisch-mor- phologischer Probleme gekommen is‘, die die Wissenschaft alle Ursache hat abzuschütteln (vergl. den Artikel über die Meta- morphose der Pflanzen des Unterzeichneten in Bd. XII, 1897, Nr. 5l), unter der sie aber noch immer, durch die Macht der Ge- wohnheit erhalten, fortgesetzt leidet. Costantin bespricht die Anpassungen der Pflanzen an ihre Umgebung und bemüht sich die Entstehung neuer Anpassungs- Charaktere und ihre Befestigung durch Vererbung zu verfolgen. Das Buch kann auch dem Anfänger, der über die blosse, zu- sammenhangslose Kenntnissnahme von Einzelheiten, womit sich so oft der sammelnde „Botaniker“ begnügt, hinausstrebt, sehr em- pfohlen werden. 127 *) Goethe sagt einmal (vergl. F. Cohn’s Vortrag „Goethe als Botaniker“ in seinem Werk „Die Pflanze“ 2. Aufl., Breslau 1896 I, S. 120): „Das Wechselhafte der Pflanzengestalten hat in mir mehr und mehr die Vorstellung erweckt, die uns umgebenden Pflanzenformen seien nicht ursprünglich determinirt und festge- stellt, ihnen sei vielmehr bei einer eigensinnigen generischen und specifischen Hartnäckigkeit eine glückliche Mobilität und Bieg- samkeit verliehen, um in so viele Bedingungen, die über den Erd- kreis auf sie einwirken, sich zu fügen, hiernach bilden und um- bilden zu können. Hier kommen die Verschiedenheiten des Bodens in Betracht; reichlich genährt durch Feuchte der Thäler, ver- kümmert durch Trockne der Höhen, geschützt vor Frost und Hitze in jedem Maasse, oder beiden unausweiehbar blossgestellt, kann das Gesehlecht sieh zur Art, die Art zur Varietät, diese wieder durch andere Bedingungen ins Unendliche sich verändern... . Die allerentferntesten jedoch haben eine ausgesprochene Verwandtschaft, sie lassen sich ohne Zwang unter einander vergleichen.“ IN INEIE Prof. Dr. Carl Arnold, Repetitorium der Chemie. Mit be- sonderer Berücksichtigung der für die Mediein wichtigen Ver- bindungen sowie des „Arzneibuches für das Deutsche Reich“ und anderer Pharmacopäen namentlich zum Gebrauche für Mediziner und Pharmaceuten. 8: verbesserte.und ergänzte Auf- lage. Leopold Voss in Hamburg und Leipzig 1898. — Preis 6 Mark. Seit 1884 sind nicht weniger als 8 Auflagen von dem zweck- dienlichen, inhaltreichen Buch erschienen. In der vorliegenden sind neu aufgenommen die Kapitel: Aggregatzustand und physi- kalische Gemische, sowie zahlreiche Anmerkungen aus dem Ge- biete der physikalischen Chemie; neubearbeitet ist die Eintheilung der heterocyklischen Verbindungen. Wir haben im Uebrigen uns sehon so oft über das gute Buch ausgelassen, dass wir's diesmal bei der kurzen Anzeige bewenden lassen müssen. ; Geologisch-agronomische Specialkarte von Preussen. — Von der Königlichen geologischen Landesanstalt in Berlin sind neuerdings von der geologisch-agronomischen Speecialkarte von ‘Preussen 1: 25000 veröffentlicht: Lieferung 66, enthaltend die Messtischblätter Nechlin; Brüsow, Löcknitz, Prenzlau, Wallmow, Hohenholz, Bietikow, Gramzow, Pencun (Theile der landräthlichen Kreise Ueckermünde, Stettin, Prenzlau und Angermünde) zusammen ca. 1100 Quadratkilometer umfassend. Lieferung 75, enthaltend die Messtischblätter Schippen- beil, Langheim, Rössel, Dönhoffstädt, Lamgarben, Heiligelinde, (Theile der landräthlichen Kreise Friedland a. Alle, Gerdauen, Rössel und Rastenburg in Ostpreussen) zusammen 750 Quadratkilometer umfassend. Da die geologisch-agronomischen Karten für die Landwirth- schaft ein hervorragendes praktisches Interesse haben, indem in denselben und in den dazu gehörigen Bohrkarten und Bohrregistern die Boden-, die Untergrunds-, die Grundwasser- ete. Verhältnisse angegeben und in den beigefügten Erläuterungsheften näher be- sprochen sind, werden die Grundbesitzer, die Gemeinde- und Gutsvorstände dieser Gegenden hierauf aufmerksam gemacht. Jedem einzelnen geologischen Blatte ist eine Karte in gleichem Maassstabe mit den eingetragenen agronomischen Bohrungen, sowie ein Erläuterungsheft beigegeben. Die Er- läuterungen enthalten nach einem Vorwort einen geognostischen, einen agronomischen. einen analytischen Theil und ein Bohr- register. Das letztere enthält die Bodenprofile von sämmtlichen in der Bohrkarte durch Punkte und Zahlen angegebenen bis 2 m tiefen Bohrungen in übersichtlicher Weise geordnet. Da jedes einzelne Blatt, welches meist 15—25 Gemeinde- und Gutsbezirke umfasst, mit 1200 bis 2000 Bohrungen besetzt ist, kann sich jeder Landwirth über die Grund- und Boden- verhältnisse etc. seiner Gegend genau informiren. Jedes Blatt ist einzeln zu dem Preise von 3 Mark (einschliesslieh Bohrkarte und Erläuterungen) bei der Verlagshandlung von Paul Parey in Berlin SW., Hedemannstr. 10, käuflich. Die erstgenannte Lieferung 66 aus der Gegend von Prenzlau gehört mit ihren sämmtlichen 9 Blatt dem grossen Lehmplateau der Uckermark an, das durch seine Fruchtbarkeit in weiten Kreisen bekannt und, wie die Kartenblätter erkennen lassen, in Dörfern und Gütern reichlich bewohnt ist. Diese Fruchtbarkeit gründet sich eben auf die lehmige Verwitterungsrinde des in der Hauptsache die Oberfläche der Uckermark bildenden Oberen Ge- schiebemergels. Während die in leichtverständlicher Buchstaben- abkürzung auf den Karten zu erkennende Zusammensetzung dieser Verwitterungsrinde in den übrigen Theilen der Mark, wie auch Pommerns, meist lehmigen, oft sogar nur schwach lehmigen Sand über sandigem Lelım und Mergel erkennen lässt, zeigen die Karteneinschreibungen hier vielfach den Lehm selbst die Ober- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 11 Die 75ste, der Gegend von Schippenbeil und Rössel in Ost- preussen angehörende Kartenlieferung bildet ein Rechteck von 2 Blatt in der Breite und 3 Blatt in der Höhe und umfasst in der Hauptsache das Gebiet des Guberflusses, der bei Schippenbeil in der Nordwestecke des Rechteckes in die Alle fällt. Seine beiden Nebenflüsschen auf dem rechten Ufer, Rahne und Liebe, durehqueren das nordöstliche Eekblatt (Dönhofstedt), während von den beiden anderen von links einmündenden die Deine das südöstliche Eckblatt (Heiligelinde), die Zaine dagegen die drei westlichen Blätter durchfliesst. Blatt Lamgarben wird vom Guber- fluss allein beherrscht und fast in der Mitte durchschnitten. Geschiebelehm und Deckthon mit ihrer fruchtbaren Ver- witterungsrinde bedingen in der Hauptsache den Charakter der an Gütern reichen Landschaft aller 6 Blätter, aus der nur die zu über 350 Fuss über den Meeresspiegel aufsteigenden Höhen von Heiligelinde östlich Rössel sich als ein grösseres, zu Unrecht ent- waldetes Sandmassiv herausheben, während die in den etwas tiefer gelegenen beiden nördlichsten Blättern, Schippenbeil und Dönhof- stedt, grössere Ausdehnung annehmenden Flächen oberen Sandes vielfach doch nur eine leichte Docke bilden, welche streekenweise sogar als ein Milderungsmittel des strengen Thonbodens vortheil- haft gewirkt hat. Annuaire pour l’an 1898 publi@ par le bureau des longitudes. Avec des Notices seientifiques. Paris, Gauthier-Villars et fils. — Prix 1 fr. 50 e. Dies werthvolle Jahrbuch enthält wieder eine ausser- ordentliche Fülle ausgezeichneten astronomischen, chemischen und physikalischen Materials. Neben den zahllosen Tabellen aller Art, die allein 660 Seiten in Anspruch nehmen, enthält es folgende Abhandlungen: M. H. Poineare: Sur la stabilit@ du systeme solaire. — M. A. Cornu: Notice sur l’®uyre scientifique de M. H. Fizeau. — MM. M. Lewy et P. Puiseux: Sur quelques progres accomplis avec l’aide de la Photographie dans l’&tude de la surface lunaire. — M. J. Janssen! Sur les travaux executes en 1897 ä l’observa- toire da mont Blane. — MM. J. Janssen etM.Lewy: Diseours pronone&s au einquantenaire academique de M. Faye, le 25 jan- vier 1897. Doubletten - Verzeichniss des Berliner Botanischen Tausch- vereins. NXXIX. Tauschjahr 1897/1895. Herausgegeben von Otto Leonhardt in Nossen i. S., Deutschland. Der umfangreiche Tauschkatalog enthält ca. 5000 Phanero- gamen und ca. 1300 Kryptogamen, darunter Raritäten ersten Ranges. Ausser sämmtlichen Ländern Europas sind noch ver- treten Syrien, Klein-Asien, Japan, Mexiko, Nord-Afrika, Nord- Amerika. Namentlich von letzterem Lande dürften viele der an- gebotenen Speeies überhaupt noch in keinem europäischen Lande vertreten sein. — Es gelangen nur tadellos gut präparirte Arten zur Ausgabe, so dass tauschende wie kaufende Mitglieder bezw. Botaniker hier jedes Herbar zu vervollständigen in der Lage sind. — Der Katalog wird auf Wunsch jedem Botaniker postfrei zugeschickt. Berichtigung zu dem Vortrag von Prof. H. W. Vogel No. 50 S. 595. Seite 595: Spalte 1 Zeile 7 von oben lies von statt in. en n ee = „ Sehwefelkohlen- stoff statt Kohlen- wasserstoff. R . SLLIZET LS ö „ seinen statt ihren. 5 + ee a „ in den statt den. Mischung statt Ver- NHäche bildend. A 3 theilung. Nur an wenigen Stellen, wie beispielsweise in der Pasewalker Mares ne 5 „ Lichtleimdrücke statt Stadtforst am Nordrande des in Rede stehenden Kartengebietes Lichteindrücke. | und östlich Löcknitz in der Nordostecke desselben, wird die frucht- n s a " „ Liehtleimdrücke statt bare Decke dieses Lehm- oder Geschiebemergels so dünn, dass Lichteindrücke. auf grössere Erstreekung der darunter folgende Diluvialsand an E e TER 8 „ Lichtern stattLichten. die Oberfläche tritt. Im Uebrigen blicken dieser Sand und andere | ei a on „ Striche statt Stiche. in der Tiefe folgende Diluvialbildungen nur an den Rändern a I le 525 - „ Liehtkopirmethoden er grossen Thalrinnen unter dem fruchtbaren Geschiebemergel | statt Lichtkopiemetho- ervor. den. Diese beiden Thäler, das Ucker- und das Randowthal durch- ; 5 San Song: > „ Ferrieyanide statt furchen im Westen und Osten in beiderseits fast südlicher Ferrieyanoide. Riehtung das Kartengebiet. Sie sind fast in ihrer ganzen Breite 5 5 VER Dim A „ Theerfarben statt vertorft und enthalten somit einen gewaltigen, nieht zu unter- Theefarben. sehätzenden und in der Folge vielleicht noch im Grossen zu ver- ehe len SIE = „ sogenannte statt die werthenden Schatz an Brennmaterial. genannten. Inhalt: Ludwig Wilser: Menschenrassen und Weltgeschichte, — Kastanie als Nahrungsmittel. — Das Erfrieren der Pflanzen. — Die Armand-Höhle. — Die Gewinnung des Baumwollsamenöles. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Oskar Dähnhardt, Naturgeschiehtliche Volksmärchen aus nah und fern. — K. Goebel, Julius Sachs. — J. Costantin, Les Vegetaux et les Milieux cosmiques. — Prof. Dr. Carl Arnold, Repetitorium der Chemie. — Geologisch-agronomische Speeialkarte von Preussen. — Annuaire pour l’an 1898. — Doubletten-Verzeichniss des Berliner Botanischen Tauschyereins. — Berichtigung. 12 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 1. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. ö Gewinnbetheiligung! a 5 srschie ben: [oO En er In unserem Verlage ersc Henne en: E E Bedeutender Rabatt! Uber m 5 [= Bat son R . r Neues Prinzip für Herb erst aıln un d Hirsfo gel. e n Massenbetheiligung £ Mr 218 \ Ra an industriellen (=) nternationaler Verein Unternehmungen j > Im tionellen V th Patenten. ; B e 1 t ? a s e (6) en R:; DH, Berlin. . Antheile & Mk. 10 zur Kenntnis ihres Lebens und ihrer Werke. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, participirt am Reingewinn und er- ke ld) AH iinastan Aa: hält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabricirten Artikel. &r ' & 15 Tor Wer Prospekte durch den Vorstand. BE on . — a SPETTEITTTTTTR .VOLKILANN Bess ass 108 Seiten gross Octav. Ladenpreis 3 Mark. Ulrich R. Maerz Jnh:C. Schmidtlein, Ingenieur Berlin NW., Luisenstr.22. D ) e Pro b ) eme Gegründet. 1878. —— billig,strengreell, sorgfältig, schnell. der Patent--Märken-u. Musterschutz 9 Ps = 5 menschlichen Wirtschaft. Gebrauchte Von ; Theodor Hertzka. Franz Bartels, Gasmotoren DAMPF-und DYNAMO- MASCHINEN garantirt. betriebsfähig I. Band: Das Problem der Güter- Erzeugung. 368 Seiten gr. 8°. Preis 6 Mark. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. Patent- u. teclnisches Bureau, Berlin SW., Yorkstr. 19", Billig, sorgfältig, schnell. Reelle Bedienung. in allen Grössen sotort lieierbar Elektromotor, c:n.v.# Schilfvauerdamm 21 Berlin NW. In Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerstrasse 94, ist soeben erschienen : Aquarien Institut $ & Nürnberg Tafelfeldstrasse 32. Zierfische, Reptilien, Pflanzen, Seetiere. Aquarien, Terrarien, Apparate etc. IN Preisliste gratis u. franko. N Reich = — TE Bearbeitet v. : Edm. Weiss, ZN mer ilntrri, | Mit 14 1itho- (ff | Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. x >% 2 graphischen { % Kr 1 urn Eleg. geh. 16 Mark, Selten mas Die Charakteristik der Tonarten. een Bosetnien. Historisch, kritisch und statistisch untersucht < vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Dünnschliff-Sammlungen Richard Hennig. für praktische mikroskopische Uebungen. BT Ir Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller wichtigen = Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. Rosenbusch ä Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. „Mikroskopische Physiographie der massiven Gesteine“ Stutt- | Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. gart 1396. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste gedruckte Beschreibung, derart, dass der Lernende die einzelnen Max Steckelmann, Gemengtheile der Gesteine makroskopisch und mikroskopisch i in7i erkennen und bestimmen kann. Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Sammlungen von je 120, 180 und 250 Dünnschliffen in eleganten Etui je Mk. 150, Mk. 225, bez. Mk. 325. i Ik. 2 | pP graphische Stativ- und Hand- Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen Handstücken. Says; (Hormatl8yrsclltem)th Mk. 350, ME E00 DE ME hoto Gameras. Gediegene Ausstattung. . Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer genauen | ME Sämmtliche Bedarfsartikel. =% mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate | und für die richtige Auswahl von charakteristischem Material | Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare garantirt werden kann. | Spiegel- Camera „ Vietoria“ (D. R. 155, Dr. F. Krantz, | Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Rheinisches Mineralien-Contor. ı Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! | Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. | Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. | Allein-Vertrieb der ,„Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges). 4 Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hıgo Bernstein in Berlin. -- Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Berustein, Berlin SW. 12. s Geschäftsgründung 1833. Bonn a./Rh. Geschäftsgründung 1833. SAISON Redaktion: bi Pa a Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. N ES IE un & die naturwissenschaftliche ung -ufgiebt an weltum- fassondeli Ideon und an locken- R den Gebil en der Phantasıe, wırd AP" ihr reichlich ersetzt durch den o Zauber der Wirklichke t, derihre gi Schöpfungen schmüekt. Se Dr. H. Potonie. XII. Band. Sonntag, den 9. Januar 1898. Nr. 2. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Bringegeld bei der Post 15 „, extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— er Inserate Die viergespaltene Petitzeile.40 4. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der. Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. “Reise durch Javas unabhängige Fürstenthümer. Von Dr. Fürst. Bei Gelegenheit eines Aufenthaltes in Batavia be- nutzte ich einige freie Tage, einen lang gehegten Wunsch zu erfüllen, das javanische Leben in seiner ursprünglichen Form 'kennen zu lernen. Diesen Zweck zu erreichen, ist nur möglich in den unabhängigen Fürstenländern, wo der Javane so geblieben ist wie er war, sowohl im Familien- als im öftentlichen Leben. Des Morgens früh schifften einer meiner Freunde und ich uns auf dem Küstendampfer Wilhelm Ill. in Batavia ein, welcher uns nach Semarang bringen sollte. Während der 48 Stunden lang dauernden Ueberfahrt verliert man Javas bergige Küste .nicht aus dem Auge. Man hält still vor den Städten Cheribon, Tegal und Pekalongan, kommt jedoch dabei der Küste nicht näher, da diese Städte nur sehr mässige Häfen ‚haben, sondern die Verbindung ge- sehieht durch Ruderboote und Dampfbarkassen. Auf solche Weise erreichten wir Semarangs Zollhaus, denn auch da muss wegen der Untiefe des Hafens das ganze Sehiff in einer beträchtlichen Entfernung von der Küste bleiben. Semarang ist eine Stadt von etwa 50.000 Ein- wohnern, der Handel ist daselbst sehr ausgebreitet und es herrscht in ihr ein reges Leben. An den Strassen liegen nette Häuser, und die, Hitze ist noch grösser als in Batavia. Um 1 Uhr Mittags, als diese ihr Maximum erreichte, begaben wir uns zur Bahn und stiegen in den Zug nach Solo, wo wir um 6 Uhr Abends ankamen, nach- dem wir einen prächtigen Landstrich durchfahren hatten. Obsehon die Holländer in Wirklichkeit Herren der ganzen Insel Java ‚sind, liessen sie zwei kleine Fürstenthümer fortbestehen, welche nominell unabhängig sind, Solo und Djoedja. Regiert werden dieselben durch Fürsten, welche ganz und gar der holländischen Politik unterworfen sind, und deren Thun und Lassen sehr genau überwacht wird durch die bei ihnen acereditirten holländischen Residenten. Mit hochklingenden Titeln geschmückt und mit beträcht- liehen Einkünften versehen, geniessen sie eine scheinbare Unabhängigkeit, um einer fanatischen Bevölkerung ihre Illusionen zu lassen. Dort sollten wir also das rechte javanische Leben kennen lernen. Bei den ersten Schritten erkennt man in Solo, dass man sozusagen in eine neue Welt eingetreten ist. Einestheils begegnet man bei einer Bevölkerung von 50 000 Menschen nur wenigen Europäern, anderentheils tritt an Stelle des malayisch-javanischen Mischlings der eigentliche Javane, der schlanker und ge- lenkiger ist; über seinem Rock trägt er einen grell- farbigen, rosarothen oder grünen Spencer, die Haare sind mit einem bunten Kopftuch umhüllt und den unvermeid- lichen Kriss hat er stets im Gürtel. Durch breite Strassen, die von schönen Bäumen beschattet werden, und die sich zwischen leichte, niedrige Bambushäuser hinziehen, kommt man zum Centrum der europäischen Stadt, welche um eine Festung hin liegt, in der die holländische Garnison untergebracht ist. Von Zeit zu Zeit trifft man einen javanischen Grossen, welcher gravitätisch einher- marschirt, hinter seinem Sonnenschirm, den man ihm ge- öffnet voranträgt, und von einigen Dienern gefolgt, auf welche er sich zeitweilig beim Gehen stützt, oder er sitzt auf einem reich geschmückten Pferde, das von den Dienern am Zaume geführt wird. Man trifft auch einige Araber, deren Züge und Gestalt einen starken Contrast bilden zu dem weibischen Aussehen der Inländer. Unser erster Besuch war für den Residenten, der uns sehr liebenswürdig empfing, und unserem Wunsche entsprach, uns am folgenden Tage dem Fürsten vorzustellen, oder vielmehr „seiner Majestät dem Kaiser“. Abends besuchten wir noch das indische und das chinesische Viertel, denn hier findet man die Chinesen in grosser Anzahl vor. Wir sahen das Ende einer Hochzeit im Hause eines chinesischen Kaufmannes an; Eine Menge Volk umringte das Haus, viele unverbesserliche ältere 14 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 2. Chinesen waren mit Hazardspiel beschäftigt, der prächtig gekleidete Bräutigam gab bei den Tönen einer schauder- haften Musik einen etwas sehr riskirten Cavalier seul zum besten, die Braut hatte sich leider schon zurück- gezogen. Des anderen Morgens zur festgesetzten Stunde be- gaben wir uns in das Haus des Residenten und bestiegen seinen Wagen, der schon von Weitem erkennbar ist durch einen riesigen goldenen Sonnenschirm, welcher von einem auf dem Bocke sitzenden Diener getragen wird. Ohne dieses Zeichen seiner Würde, welches ihm unumgänglich nothwendig ist, um sein Prestige in den Augen der In- länder aufrecht zu erhalten, würde er keinen Fuss aus dem Hause setzen. In unseren Cravatten, Handschuhen und sehwarzen Kleidern wurde uns wohl ungemüthlich heiss, aber es ist die vorgeschriebene Hoftracht. Nach einer kurzen Fahrt gelangten wir zu den Gebäuden, in welchen der Kaiser seine Besuche empfängt. Im Ganzen sind sie verfallen, ärmlich, geschmacklos und schmutzig. In der grossen Halle, dem eigentlichen Staatsraum, sieht man allerdings viel Gold und Schnitzereien, doch mehr als durch das Gebäude selbst, wurde unsere Aufmerksam- keit in Anspruch genommen durch all’ das, was zu einem offieiellen Empfang gehört, der gerade an diesem Tage stattfand. Ohne diesen Umstand hätten wir, in so kurzer Zeit, unseren Zweck uns dem Kaiser vorstellen zu lassen, nicht erreicht, denn zwischen einer Audienzanfrage und einer Gewährung vergehen gewöhnlich 48 Stunden. Drei Seiten der Halle sind mit Stühlen besetzt, in der Mitte der vierten steht der Thron, ein grosses, viereckiges Taburet von rothem, goldbordirtem Sammet und mit Elfen- beinfüssen, welches zu den Reichsinsignien gehört. An beiden Seiten des Thrones sitzen auf den Stühlen zu- nächst die Europäer, dann diejenigen javanischen Adligen, welehe als Officiere der inländischen Legionen das Recht haben, europäische Uniformen zu tragen. Alle übrigen Inländer, welchen Rang sie auch einnehmen mögen, sitzen mit gekreuzten Beinen auf dem Boden, dürfen sich nur kriechend fortbewegen und haben ein vorgeschriebenes Hofeostüm an, bei welchem der nackte Oberleib mit gelb- gefärbtem Reispulver eingeschmiert ist. Hinter dem Thron sitzen einige Hofdamen, welche die Kronjuwelen tragen, die dem Kaiser, wenn er einen offieiellen Ausgang macht, auch nachgetragen werden. Diese Kronjuwelen kann man in zwei Kategorien eintheilen. Die einen sind massiv goldene Gegenstände, welche nur zum Staat da sind, sie stellen mystische Wesen vor und werden mit der aller- grössten Ehrerbietung angeschaut, denn anrühren dürfen sie, ausser dem Kaiser, nur diejenigen, deren Obhut sie anvertraut sind. Die anderen sind Dinge, welche der Sultan zu seinem Vergnügen, oder zu seiner Bequemlich- keit gebraucht, resp. gebrauchen kann; sie bestehen aus einer feingeflochtenen Matte, einem Fächer von Paradies- vogelfedern, einem grossen Cigarrenetui, einer hölzernen, mit Gold verzierten Tabakdose, einer Opiumpfeife, einem Spazierstock, einem Spucknapf, welehen eine begünstigte Hofdame immer bei der Hand hat, da dessen Gebrauch beim Betelkauen sehr nothwendig ist, einer silber- nen Schachtel mit allen zum Betelkauen nöthigen In- gredienten, einer goldenen Waschsehüssel, in welcher sich eine goldene Kanne befindet, die mit einem grünen Sammettuch bedeckt ist, einer zwei Fuss hohen, silbernen Kiste, in welcher sich Kleider befinden, für den Fall, dass der Kaiser Lust hätte, sich umzukleiden, einem kleinen Koffer mit Toilettegegenständen und einem mit Wasser gefüllten Horn, um den Durst des kaiserlichen Pferdes zu stillen. Dazu kommen noch mit Gold und Edelsteinen verzierte Waffen. Die Damen, welche diese Insignien tragen, gelbes, grünes, rothes oder violettes seidenes Band um den Hals. Hinter diesen Hofdamen sieht man andere Frauen, welche, als Amazonen mit Rogen und Pfeilen bewaffnet, sich auf ein Knie niedergelassen haben. Das ist die weibliche Leibwache des Sultans, welche auch überall im Innern des Palastes die Wache hält, meistens alte, runzelige Sybillen, deren Kostüm, welches den blossen Hals und die Schultern sehen lässt, wenig Schönes zeigt. Um diese weibliche Leibwache hin steht noch eine An- zahl unglücklicher Geschöpfe beiderlei Geschlechts, Zwerge, und Krüppel, die auch zum Kaiserlichen Staat gehören. Das Ceremoniell selbst bei einem solehen Empfang ist höchst weitläufig und langweilig; Alles geht steif, kalt und abgemessen zu, jeder Lärm ist streng verpönt, man spricht wenig und nur leise. Die Frauen, welche den Kaiser bedienen, dürfen sich ihm nur kriechend nähern, und kriechen, im eigentlichen und im übertragenen Sinne, thut jeder Inländer, welchen Standes er auch sei, falls ihm nicht die europäische Uniform etwas mehr Freiheit gestattet. Der Kaiser selbst, ein kleiner ältlicher Herr, mit sehr wenig intelligentem Gesicht und einem durchaus blasirten Aeusseren, stellte uns einige officielle Fragen über Europa und schien auf unsere Antworten gar nicht zu hören; darauf wurde etwas Thee herumgereicht, den man nicht abschlagen darf, schliesslich auch Wein von mässiger Qualität und Gebäck, und dann wurde die Sitzung aufgehoben. Sehr richtig bezeichnete mein Reise- genosse die ganze Feierlichkeit als „interessant lang- weilig“. Vom kaiserlichen Palast aus fuhren wir zum unab- hängigen Prinzen Mangku Negoro, bei welchem wir uns hatten anmelden lassen. Dieser kam uns entgegen und brachte uns in seinen Empfangssaal. Knieend brachten uns sofort Bediente Thee und Cigarren und wir fanden in dem Prinzen einen Mann von etwa 54 Jahren, von ziem- lieh intelligentem Aussehen, in der Uniform eines hollän- dischen Obersten. Unser Besuch hatte ihn gerade bei der Inspeetion seiner Legion gestört, welche auf dem seinen Palast: umringenden Platze stattfand. Er schlug uns vor, diesem Schauspiel beizuwohnen und wir traten auf den Balkon. Sein kleines Heer von etwa 600 Mann, welche europäisch bewaffnet und gekleidet sind, defilirte an uns vorüber; die kleine Statur der meisten Soldaten reizte fast zum Lachen, doch zeigten die Offiziere und der Prinz selbst soviel Eifer bei ihrer Arbeit, dass dadurch die Sache wieder etwas gehoben wurde. Nach Ablauf der Parade wurde den Offizieren ein Diner servirt und wir tranken einige Gläser ausgezeichneten Sherry, während der Prinz sich als „gläubiger Muselmann“ denselben Trank unter dem Namen „Thee“ in eine Tasse ein- schenken liess. Darauf bereitete er uns eine -andere Ueberraschung, indem aus dem Hintergrund des Saales Musikanten zu ihren vorher aufgestellten Instrumenten herankrochen und ein Coneert anfingen. Solch eine java- nische Kapelle besteht aus Gongs, Cymbalen, verschieden gestimmten Glocken und Tamburins, die, wenn sie zu- sammengespielt werden, eine Musik mit sehr ausgeprägtem Rythmus, aber ohne erkennbare Melodie, hervorbringen, die im Ganzen nicht unangenehm klingt. Bald darauf traten zwei elegante Tänzerinnen auf, mit kunstvollem, gelben Anstrich, welehe eine Sehärpe in der Hand hielten, Sie knieten erst vor dem Prinzen nieder und fingen dann einen wollüstigen Tanz an, ‚der eher geschleift als getanzt wurde und dessen Bedeutung mehr zum Ausdruck ge- bracht wurde, durch harmonische Bewegungen der Hüften und Arme, als dureh die, der unter einem langen Rock verborgenen Füsse. Ihre hellbraunen Gesichter waren haben ein langes, 4—5 cm breites, | ziemlich hübsch, im Vergleich zu denen der Männer, XIII. Nr!'2 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 15 zeigten jedoch den ausgeprägten javanischen Typus. Nach Ablauf des Tanzes verneigten sie sich wieder und gingen rückwärts hinaus. Diesem Tanze folgte ein noch eigen- thümlicherer, welehen die Kapelle durch forschere Klänge ankündigte. Vier junge Krieger mit nacktem Oberleib, einem Helm auf dem Kopf, in der einen Hand einen Schild, in der anderen eine Lanze, gaben einen sehr gra- ziösen und lebendigen, abwechselungsreichen Kriegstanz zum Besten. Ihre eleganten Formen, ihre Stellungen und ihre Bewegungen erinnerten uns lebhaft an die Scenen, welehe man auf Etruskischen Vasen oder auf römischen Reliefs findet. Endlich verabschiedeten wir uns vom Prinzen und vom Residenten, und fuhren per Bahn dureh lauter Palmenwälder nach Djocdja, wo wir nach drei Stunden ankamen. Auch hier galt unser erster Besuch dem Residenten, bei welehem wir eine zahlreiche Ver- sammlung europäischer Offiziere und Pflanzer vorfanden. Sein Palast ist wohl der schönste, den ich auf Java ge- sehen habe und würde den Neid manches europäischen Fürsten erwecken. Im Speisesaal finden 400 Gäste leicht Platz und die übrigen Räume zeigen gleiche Verhältnisse. Der Palast steht in einem prächtigen Park mit kunst- vollen Wasserwerken. In der Nähe erhebt sich die Festung, welche der holländischen Garnison zur Behausung dient, und gerade so wie die von Solo aussieht. Der Empfang war sehr liebenswürdig und der Resident selbst gab uns zur Besiehtigung der Merkwürdigkeiten die nöthigen Rathschläge. Am folgenden Morgen machten wir uns auf zur Be- sichtigung der Sultansgräber, welche einige Kilometer von der Stadt entfernt liegen. Als wir am Ufer eines kleinen Flusses, in der Nähe von Djoedja, ankamen, fanden wir drei javanische Reiter vor, welche unseren Wagen eskortirten; aus dieser liebenswürdigen Aufmerk- samkeit ersahen wir, dass der Resident schon am frühen Morgen die nöthigen Befehle zu unserem Besuch gegeben hatte. Bei unserer Ankunft an den Gräbern kam uns der Oberpriester mit einigen Anolyten entgegen und stellte sich zum Besuch der Gräber zu unserer Verfügung. Wir folgten ihm durch eine 8 Jahrhunderte alte, riesige Neero- polis, in weleher unter marmornen Denkmälern nicht nur die Sultane, sondern auch ihre hauptsächlichsten Diener inmittenüppiger Gärten die ewige Ruhe geniessen. Man zeigte uns das Grab des letztverstorbenen Sultans, heilige Schild- kröten, zugemauerte Thüren, neben welche man andere ge- macht hat, um den bösen Geist irre zu leiten, falls er Lust haben sollte, die Seelen der Verstorbenen zu beunruhigen, und einige Reliquien von geringem Interesse; schliesslich kamen wir in einen Pavillon, in welchem uns Thee, Ge- bäck und Obst angeboten wurde, dann zeigte man uns noch unter vier uralten kolossalen Bäumen einen alten Stein, auf welchem eine durch die Zeit halb ausgewischte lateinische Inschrift uns lehrte, dass da die Gebeine eines Europäers ruhen, welcher dem Dolch eines Mörders zum Opfer fiel, darauf stiegen wir wieder in unseren Wagen ein und kehrten mit unserer Eskorte nach Djoedja zurück. Wir begaben uns zum Sultan-Palast, dessen äusserer Anblick mit dem Solo’schen übereinstimmt. Da, wie dort ist alles gleich, selbst die Bäume sind auf gleiche Weise zugestutzt. Diese Tendenz, einen einzigen Typus ohne jegliche Abänderung zu reprodueiren, ist ein Charakteristikum der Kunst der farbigen Rassen und be- wirkt, dass ein längerer Aufenthalt unter ihnen ziemlich eintönig wird; deshalb nimmt ein sich nur kurze Zeit bei ihnen aufhaltender Tourist einen lebhafteren Eindruck mit, als Jemand, der jahrelang unter ihnen lebt, denn bei diesem werden die schönsten Eindrücke immer mit etwas Langeweile vermischt. Der Sultan-Palast bot uns etwas Neues in Form einer Ruine, welehe man das „Wasserschloss“ nennt, wegen. der jetzt noch dort vorhandenen stehenden Ge- wässer. Nur mit Mühe stellt man sich im Geist das Ganze wieder her, so wie es war, wegen der grossen Grundoberfläche, die von den Gebäuden eingenommen wird und weil dieselben, der Gestalt des Terrains folgend, terrassenförmig angelegt sind; doch erkennt man schliess- lich einen Sommerpalast in indischem Styl, welcher in- mitten springender Gewässer errichtet wurde. Diese werden jedoch jetzt in ihren Kanälen zurückgehalten, durch die Arbeit der Zeit, und sind mit einem grünen Pflanzenkleid ‘bedeckt, unter welchem eine Anzahl von Schildkröten ein beschauliches Dasein führen. Man führte uns durch Becken, Gänge, unterirdische Zimmer, welche man früher nach Belieben mit frischem hellen Wasser überschwemmen konnte, in welchen man jedoch heute nur noch übelriechenden Morast findet. In einer Art Grotte sahen wir zwei steinerne Ruhebetten. Die ursprüngliche Thüre dieses Gemaches wurde vermauert und eine andere durehgebrochen, um den bösen Geist zu entfernen. Nach dieser Besichtigung bereiteten wir uns zum Besuch beim Sultan vor. Eine absolute Pünktlich- keit ist das erste Gesetz der javanischen Hofetiquette, sie ist sehr nothwendig, denn der Sultan erwartete unseren Besuch in seinem Salon, neben welchem sich kein Warte- zimmer befindet, so dass es ebenso unpassend gewesen wäre, zu früh zu kommen, als unbescheiden, ihn warten zu lassen. Der Chef der Leibgarde führte uns, zwischen zwei Reihen niederhockender, äusserst hässlicher Weiber, bis zur Treppe des Empfangssalons, wo uns der Sultan entgegen kam und, nachdem er uns hineingeleitet und begrüsst hatte, neben sich zum Sitzen einlud. Hamangku Buwono Senopati ingngalobo Ngabdur Rahman Sajidin Panoto Gomo Kalifatullah, der siebente Sultan von Djoedja, ist ein Mann von etwa 58 Jahren, der jedoch viel Jünger aussieht. Seine Gesichtszüge sind ziemlich angenehm, sein Blick jedoch etwas gleichgiltig; er hatte einen far- bigen Rock an und einen engen Spencer, auf welchem er den Commandeursstern des niederländischen Löwenordens trug, seine Haare waren vom Kopftuch bedeckt und seine nackten Füsse steckten in gestickten Pantoffeln. Diene- rinnen setzten uns Thee und Cigarren vor und der Sultan stellte uns die landesüblichen Fragen über Europa, deren Beantwortung ihn nur mässig zu interessiren schien. Darauf folgte die Besichtigung des Palastes, dessen Möbel keine Spur von Localcharakter aufwiesen, es waren lauter europäische Sachen aus verschiedenen Zeitaltern, beson- ders fiel uns eine Sammlung von Uhren, mechanischen Vögeln und zweideutigen Photographien auf, welche dem Fürsten zum Zeitvertreib dienen. In ihrer Erniedrigung denken diese sogenannten unabhängigen Fürsten nur noch daran, friedlich das Einkommen zu geniessen, welches ihnen die Holländer überlassen und ihr Prestige dem Volk gegenüber durch die peinlichste Etiquette zu be- wahren. Am traurigen Gesicht unseres Gastherrn war leicht zu ersehen, dass er nur mit Ueberwindung die untergeordnete Stellung bekleidet, die man ihm gelassen hat. Widerstand jedoch wäre gleichbedeutend mit einem fürchterlichen Kriege, in welchem er den Rest von Macht aufs Spiel setzen würde, welchen man ihm liess; er würde die Erbschaft eines Sohnes, den er innig liebt, aufs Spiel setzen, und das Glück eines Nebenbuhlers machen, welchem die Holländer sofort die Krone anbieten würden. Sie sorgen immer dafür, einen solehen Nebenbuhler als Sehreekmittel zur Disposition zu haben, und sie verstehen es, ihren Schutz denjenigen unentbehrlich zu machen, welche eventuell Lust bekommen könnten, ihr Joch abzu- sehütteln; diese müssen sich also der: holländischen Vor- mundsehaft unterwerfen. Jeder Europäer, der den Sultan 16 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. sprechen will, muss dazu erst beim Residenten um Er- laubniss einkommen, unter dem Vorwande, dass der erste beste nicht unvorbereitet vor dem Herrn der Gläubigen erscheinen kann, in Wirklichkeit ‚aber, weil man dessen Verkehr mit Fremden überwachen will, besonders mit Kaufleuten, welche diesen grossen Kindern vielleicht Waffen verkaufen würden, deren Einfuhr absolut verboten ist; dagegen aber wird nichts unterlassen, was der Eitel- keit dieser dekadenten Fürsten schmeicheln kann. Ahnungslos behauptete ich, dass der Palast des Sultans mir mehr gefiele als der des Solo’schen Kaisers, sofort fasste der Resident diese Behauptung auf, welche wie eine Schmeichelei klang, und theilte sie unserem Gast- herrn mit, dessen Gesicht in Wonne erglänzte. Um uns noch beliebter bei ihm zu machen, baten wir um die Er- laubniss, seinen ältesten Sohn, den Thronerben, besuchen zu dürfen, auf welchen er seine ganze väterliche Zärtlich- keit ausgeschüttet hat, wahrscheinlich, weil es ihm un- möglich war, dieselbe auf gerechte Weise unter eine Nachkommensehaft zu vertheilen, welehe der des Königs Priamus gleichkommt. Des anderen Morgens bei Tagesanbruch brachten uns vier kleine Pferde nach der Ruine Buru Budur. Wir fuhren dureh einige Dörfer, welehe aus mit Palmen- blättern bedeekten Häusern bestanden und trafen unter- wegs eine Menge von Fussgänger beiderlei Geschlechts, welehe ländliche Produete zur Stadt brachten. Der Mann ging stets stolz voraus mit dem Doleh im Gürtel, die Frau lief hinter ihm unter einer schweren Last ge- bückt, und ausserdem noch ihr Kind auf dem Rücken tragend. Die Erwachsenen waren im Allgemeinen hässlich, mager und ermüdet, die Kinder dagegen voll und graziös. Von Zeit zu Zeit kamen wir an Furten, da musste der Wagen ausgespannt werden und wurde durch ein Dutzend Herrendienst-Pflichtigen durch den Fluss gezogen. Wie alle Reiseüberraschungen endete auch diese stets mit der Bitte um ein gutes Trinkgeld. So kamen wir zu einer ersten Pagode, welche vom Blitz getroffen wurde und nur noch eine Ruine war, der man jedoch heute noch ihre frühere Grossartigkeit ansieht. Von ihren Reliefs kann man nichts mehr unterscheiden, aber unter ihrer Centralkuppel befindet sich ein kolossales steinernes Bild von Buddha, welches gut genug erhalten war, um uns eine hohe Idee der Bildhauerkunst früherer Zeiten zu geben. Dieses Monument allein würde genügen, einen Archäologen und einen Künstler glücklich zu machen, und doch gönnt man ihm kaum einen Blick, denn ein Berg von Granit, den man in der Ferne sieht, zieht den Reisenden mit magnetischer Kraft an. Eine lange Allee von Maulbeerbäumen brachte uns zum Fusse einer der kollossalsten architektonischen Massen des indi- schen Alterthumes. Auf einem regelmässigen und wahr- scheinlich künstlich angelegten Hügel erhebt sich eine viereckige Pyramide, deren Seite an der Basis hundert Meter lang ist. Ihre sieben Terrassen spitzen sich von der Basis zum Gipfel zu einer Centralkuppel, welche das ganze Monument beherrscht; dessen Höhe beträgt etwa \/; einer Breite. An den 4 Seiten führen Treppen zu den höher gelegenen Terrassen, diese Treppen sind mit einem Gewölbe überdeckt, und da sie für jede Facade schnur- gerade bis zum Gipfel angelegt sind, kann man die Krone des Gebäudes erreichen, indem man wie in einem ge- neigten Tunnel emporklettert, welcher, von unten ge- sehen, einen eigenartigen Eindruck hervorbringt. Löwen und Chimären hüten die 4 Alleen, welche zu den 4 Ecken der Pyramide führen. Eine unglaubliche Menge Reliefs bedeckt sämmtliche innere und äussere Mauern, 4000 Thürmehen mit Kuppeln in durehbrochener. Arbeit lassen uns durch ihre Granitmaschen ebenso viele Buddhastatuen XIl.. Nr. 2. erblieken, welchem das Monument geweiht ist, und dessen Legende den Gegenstand sämmtlicher Reliefs bildet. Auf jeder Etage, je nachdem man höher kommt, zeigt die Gestalt des Gottes einen mehr vorgeschrittenen Zustand der Heiligkeit, bis zu der Centralkuppel, welche in ihrem Dome eine Kolossalstatue von Buddha enthält, der zur absoluten Vollkommenheit, das heisst zur Resorption im Nirwana gelangt ist. Trotz der tausend Jahre, die es schon besteht, trotz der Wärme des Klimas, der Ver- lassenheit, in welcher man es lässt, der Räubereien an- geblicher Liebhaber, welche die Statuen verstümmeln, ja selbst trotz der Erdbeben, welche es schon oft auf seiner schweren Basis erschüttert haben, ist das Monument noch in vielen seiner Theile ganz intaet, obschon es bis in die kleinsten Details lediglich aus Granit, ohne Bindemittel besteht. Von einer Ruine gab ihm die Zeit nur die Poesie, ohne ihm seinen majestätischen und gewaltigen Charakter zu nehmen. Als Zeitgenosse einer der schönsten Epochen der indischen Kunst gehört Buru Budur zu jener Art von Monumenten, welche in einem ewigen Symbol das Genie und die Bestrebungen einer ganzen Rasse, ja einer ganzen Epoche zusammenfassen. Man steht ver- wirrt durch soviel Pracht, soviel Wissenschaft und Kraft, eine entfernte Vergangenheit lebt wieder auf in dieser, an die assyrische Architektur sich anschliessenden, aus Terrassen bestehenden Pyramide, deren Wald von Thürmehen und von Spitzbögen an die gothische Kunst erinnern. Beim ersten Anblick gleicht das Kunstwerk nicht einem Gebäude, sondern einer Welt, in welcher unser, an die einfachen Linien der griechischen Kunst gewöhntes Auge herumirrt, bald aber lässt sich in dieser wunderbaren Anhäufung von Steinen ein grossartiger Ge- danke erkennen. Die Vielfältigkeit, die Complieation verschmelzen sich in einer meisterlichen ‘Einheit. Aus diesem Wald von Kuppeln glaubt man einen gewaltigen - Lobgesang zur Centralkuppel zu hören, wo die absolute Schönheit und Güte ihren Wohnsitz haben, wie sich. aus der Oberfläche der Erde und aus der Menschheit heraus inmitten der Unordnung und der Schrecken ein gewaltiger Sehrei des Verlangens nach der Unendlichkeit erhebt. Wenn die griechische Kunst die vollendeten, unverfälschten ewigen Ideen vorstellt, wie sie das Genie eines Plato er- finden konnte, so stellt die indische Kunst dieselben Ideen in mühsamem Aufblühen vor, doch schon gewaltig und bestimmt genug, den Menschen der Macht der materiellen Welt zu rauben und ihn zum Göttlichen und zum Abso- luten zu erheben, Eine einigermaassen eingehende Studie des Buru-Budur-Tempels würde Monate und ganze Bände in Anspruch nehmen, sie würde vielleicht zum Schlusse führen, dass es in der Architektur ausser den hellenischen Traditionen Raum giebt für andere gewaltige Aeusserungen, jedenfalls aber würde sie dazu beitragen, unser ästheti- sches Urtheil bedeutend zu erweitern. Auch in anderer Hinsicht würde sie ein historisches Interesse haben, indem sie eine ursprüngliche Form des religiösen Gedankens' in einer Rasse zeigen würde, welche unzweifelhaft ari- schen Ursprungs ist. Es ist ein dachloser Tempel, der Cultus schliesst sich nicht in einem Gewölbe ein, es giebt weder Krypten noch Grotten, es ist die Anbetung des Alles umfassenden Geistes im Angesichte des Hirmmels. Das Monument erdrückt durch seine Gewalt seine ganze Umgebung, welche doch zu den schönsten Landschaften auf Erden gehört, und es kommt einem vor, als ob der Mensch, mit der Natur wetteifernd, dieselbe übertroffen hätte. Unzählbar ist die Menge der in den Reliefs be- handelten Gegenstände, alle sind mit wunderbarer : Sorg- falt bis in die kleinsten Details ausgearbeitet, doch findet man keine einzige Inschrift, und gerade solche würden ein sehr grosses archäologisches Interesse haben. Wählen VII Nr!72: Naturwissenschaftliche Wochenschrift. l —ı wir soleh ein Relief aus. Die Königin Maya, Gattin des Buddho dana ‚empfängt den Besuch eines benachbarten Prinzen, welcher ihr gratulirt, weil sie die Mutter von Buddha werden soll, Die Königin sitzt unter einen Thronhimmel und ist mit Hals- und Armbändern bedeckt, um sie hin knieen ihre Selaven und sie wird von einem Schwertträger bewacht, welcher am Fusse ihres Thrones sitzt. Der Prinz steht, sein Gefolge hockt hinter ihm auf dem Boden, ein Diener hält über das Haupt seines Herrn den Sonnenschirm, das Zeichen seiner Würde. In der Ferne sieht man ein Kameel, welches wahrscheinlich die Geschenke trägt, die der Prinz der Königin anbietet. Alle Figuren haben die Tiara auf dem Haupt, ihre Formen sind mager und erinnern an die schlanken und steifen Glieder der heutigen Javanen, aber die hohe Stirne, die gerade Nase, der feine Mund und die gebogenen Augen- brauen entfernen sich ganz und gar vom gegenwärtigen Typus. Die Verschiedenheit der Stellungen und die Ge- schmeidigkeit der Bewegungen fallen sehr ins Auge, man fühlt, dass das Ganze einer werdenden Kunst entsprang, welehe Bewegung und Leben besitzt, der aber die plastische Vollkommenheit noch fehlt. In den darunter liegenden Reliefs tritt dies noch deutlicher zu Tage, Priesterinnen schöpfen Wasser aus einer von Lotosblumen umgebenen Quelle und tragen es nach einem links sicht- baren Mausoleum. Zwei von ihnen, von welchen die eine mit der linken Hand ihren Rock schürzt, während sie mit der rechten einen Krug auf ihrem Kopf festhält, die andere ihren leeren Krug zur Quelle hinhält, sind von ergreifender Wirklichkeit; bedenkt man nun, dass diese Reliefs aus hartem Granit herausgehauen sind und dass sie seit ungefähr 1000 Jahren den Unbilden der Witte- rung ausgesetzt blieben, so muss man beim Anbliek ihrer wirklichen Schönheit wohl ein Volk hochachten, welches solch ein Monument errichtete, und wie ist es heute ge- sunken, in welcher Erniedrigung verkehrt es! Sollte die höchste Civilisation dabin führen? Bei diesem Anblick drängt sich dem Geiste die melancholische Betrachtung des römischen Eroberers auf, vor den rauchenden Trümmern von Carthago. Wie klein schien mir der Mensch im Gegensatz zu seinen Werken, als wir Buro Budur verliessen, um dem Kronprinzen unseren Besuch abzustatten! Wir kamen Punkt 6 Uhr bei ihm an und wurden ebenso feierlich empfangen wie bei seinem Vater. Das Gespräch war etwas lebendiger, er zeigte uns seine Menagerie, seine seltenen Vögel und seine Kampfwachteln; einen Augen- blick wagten wir zu hoffen, dass die Thüre des Harems sich vor uns öffnen würde, der Prinz machte jedoch Kehrt und wir unterliessen es, ihn zu bittten, unsere Neu- gierde zu befriedigen. Jährlich bezieht er ein ziemlich hohes, festes Einkommen aus den väterlichen Besitzungen, doch schien er nicht ganz damit zufrieden zu sein, denn er interessirte sich sehr für das jährliche Einkommen der hauptsächlichsten gekrönten Häupter in Europa. Am folgenden Morgen besuchten wir noch eine der schönsten Tropfsteingrotten von Java, dieselbe ist ab- schüssig, 15 Fuss lang, 7 Fuss breit und nirgends über 10 Fuss hoch, doch hängen von ihrem Gewölbe zahllose bläulich-weisse, aus concentrischen Schichten gebildete Stalaktiten herab, in der Form von Eiszapfen, Orgel- pfeifen oder kleinen Pyramiden. Die Wände der Grotte haben die Form von Säulen, welche durch tiefe Spalten von einander geschieden sind, und von der Decke tröpfelt immer Wasser herab, weswegen die Grotte „Tröpfelgrotte“ genannt wird. Das kalkhaltige Wasser bildet auf dem Boden kleine Stufen und versammelt sich in kleinen Becken, aus welchen es sanft murmelnd nach. Aussen fliesst. Moose, welehe unten durch das Kalkwasser verkrustet sind, so dass sie oben grünen und wachsen, während sie unten zu einer Steinmasse werden. Die uns zur Verfügung stehende Zeit war hiermit ab- gelaufen und wir brauchten einen ganzen Nachmittag, um Semarang per Bahn unter einem glühenden Himmel zu er- reichen. Wir hatten die ganze uns zu Gebote stehende Energie nöthig, um die Augen offen zu halten und den Er- klärungen eines holländischen Pflanzers über die dortigen landwirthschaftlichen Zustände zuzuhören. Das ganze Terri- torium der Fürstenthümer ist Eigenthum der Herrscher, diese jedoch üben ihr Recht nur in sofern aus, dass sie vom Grunde, den sie für sich behalten, ein Fünftel des Ertrages einheimsen. Die Nutzniessung des übrigen Landes ge- währen sie ihren Verwandten, Beamten, Günstlingen und Würdenträgern als Besoldung. Diese Apanagenbesitzer, welehe den Grund nicht bearbeiten können oder wollen, überlassen ihr Nutzniessungsrecht oft für eine sehr lange Zeit europäischen Pflanzern, welche die Pachtsumme meistens auf einmal abtragen, so dass sie fast zu unum- schränkten Herren ihres Landes werden, während die abtretenden Eigenthümer das erhaltene Geld bald ver- schwenden und schliesslich ganz verarmen. Solche Con- tracte müssen mit dem Siegel des regierenden Fürsten versehen sein, welcher sich dafür eine hohe Taxe be- zahlen lässt, aus der er sich ein beträchtliches Einkommen verschafft; durch dieses System verarmen die javanischen Grossen zum Vortheile der europäischen Pflanzer und des Sultans, dessen aus Diamanten und Edelsteinen be- stehender Schatz sich immer vergrössert; so wenig wie möglich verwendet er zu Ausgaben für das allgemeine Wohl, z. B. für die Unterhaltung der Strassen; die übrigen Vorreehte der Krone, wie die Polizei, der Gebrauch des Heeres, die Rechtspflege, sind in Händen der holländi- schen Residenten, welche in jedem der beiden Fürsten- thümer acereditirt sind und Handel ugd Wandel des Monarchen bewachen. Solch ein Resident verfügt aller- dings nur über eine geringe Anzahl von Truppen, aber durch die Eisenbahnen, welche die holländische Re- gierung in den unabhängigen Fürstenthümern erbauen liess, schon bevor sie dieselben in ihrem eigenen Terri- torium anlegte, ist es ihm leicht, im Nothfalle bedeutende Kräfte rasch in einem bestimmten Punkt zu versammeln, so dass Fürsten und Unterthanen in einem Netze einge- schlossen sind, aus dem sie nicht entschlüpfen können. Um die Arbeitskräfte auf niedrigen Lohn zu halten, übergeben die europäischen Pflanzer der inländischen Be- völkerung soviel Grund, als diese nöthig hat, um sieh durch die Reiseultur zu ernähren, während dieselbe sich verpflichtet, eine bestimmte Summe von Arbeit in den Plantagen zu verrichten. Von je 5 Tagen muss jedes Individuum 1 Tag lang auf solche Weise in den Plan- tagen arbeiten, oder was auf dasselbe herauskommt, ein Fünftel der Bevölkerung arbeitet täglich in den Plantagen des Besitzers. Der Bürgermeister eines Dorfes ist ver- pflichtet, für das pünktliche Erscheinen der oft unwilligen Arbeiter zu sorgen; erfüllt er seine Pflicht schlecht, so hat der Pflanzer das Recht ihn abzusetzen und einen anderen an seiner Stelle zu ernennen. Diesem localen Despotismus: entspringen Missbräuche, hier wie überall, er trachtet der Bevölkerung übermässige Arbeit aufzubürden und diese wandert aus; dann kommt der Chinese, welcher besser und billiger arbeitet wie der Inländer, in den beiden unabhängigen Reichen überhand nimmt und den Javanen ganz und gar verdirbt. — Der Ackerbau ist der einzige Reichthum dieses Theiles von Java; ausser den zu den ursprünglichen Be- dürfnissen des Menschen nöthigen Künsten, wird hier Am Eingang der Grotte wachsen Farne und ! keine Industrie getrieben, mit Ausnahme des Bemalens 18 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. von Röcken. Die gemalten Röcke von Solo und Djokja sind berühmt, Frauen betreiben dieses Handwerk, indem sie mit dem Röhrehen eines, mit geschmolzenem Wachs gefüllten kleinen Trichters auf dem weissen Stoffe zeichnen und dabei die Theile unbedeckt lassen, welche gefärbt werden sollen, dann wird das Gewebe in Farbe getaucht und so entsteht eine erste Zeichnung. Eine zweite Wachs- lage mit darauf folgender Färbung ergiebt eine anders- farbige Zeichnung und so geht es weiter; ein schöner XII. Nr. 2. Rock ist nicht unter zwanzig Gulden zu haben und kann unter Umständen bis hundert Gulden kosten. Die Farbe ist absolut waschecht, die europäische Industrie probirte fruchtlos diese Manipulation durch Druck zu ersetzen. Unser Dampfer — Wilhelm III — war bis zum letzten Platze besetzt, ein ganzes Heer von Kindern trug mässig zur Annehmlichkeit der Reise bei, so dass wir mit Freuden den Anblick von Batavia begrüssten, wo wir aus unserer unglücklichen Situation erlöst wurden. — Zur Theorie der Protoplasma- und Zellstructur. Von Dr. A. Kobelt. (Fortsetzung.) In einer vorausgehenden Bemerkung wurde hervor- gehoben, dass die abtretenden Kernstoffpartikel, grosse wie kleine, in den alten Verbindungsstrassen zwischen Zellplasma und Kern nach aussen wandern. Daher wird auch der fernere Weg der Theilchen von dem Verlauf der Plasmabahnen des Zellkörpers abhängig sein. !?”) Sämmtliche aus dem Bereich des Kerns austretende Substanz, in welcher Gestalt auch sie denselben verlassen, unterliegt nun auch nach ihrer Abtrennung einer ununter- brochen fortschreitenden Lockerung und Zerthei- lung'®®), wodurch eben das Bild zu Stande kommt, das uns unter dem Namen das Zellplasma (Auflösungszone des Plasmakörpers)!*®) geläufig ist. Die Auflösung der feineren Theile, die zur Entstehung der Plasmaströme führt, wurde schon besprochen. Hier sei nur noch hervor- gehoben, dass durch die fortgesetzte Verfeinerung die Ströme endlich so zart werden, dass sie sich der Wahr- nehmung vollkommen entziehen und zuletzt nur noch eine gleichmässige, durchaus homogene, glashelle Masse (das Hyaloplasma) zu erkennen ist, die immer lockerer und dünnflüssiger wird. Die gröberen und consistenteren Partikel werden, so lange sie noch stark verdichtet sind, nicht selbständig sich bewegen, sondern als die bekannten Körner passiv von der Strömung dahingetrieben werden. Erst in dem Maasse, als sie der allgemeinen Lockerung verfallen, beginnt ihre Substanz sich aetiv zu dehnen und damit auch activ zu strömen. Dieser Uebergang vollzieht sich muthmaasslich sehr einfach bei den kleineren Körnchen; ihre Auflösung zu Hyaloplasma erfolgt so un- merklich, dass sie blos an der Grössenabnahme 130) der- selben erkennbar ist. Bei den grösseren Zerfallprodueten (Nueleolen, Kleinkerne, Nebenkerne, Centrosomen) treten die gleichen Auflösungserscheinungen ein, die wir beim Kern angetroffen haben: „Abschnürung von Körnern und Fortsätzen (Knospung)!?!), Zerfall und Theilung, Auf- '?7) Man erinnere sich hier an die Angabe von Boveri, dass die Substanz des Archoplasma bei dessen Ausbreitung, d.h. bei ihrer Wanderung gegen die Peripherie an dem Gerüstwerk der Zellsubstanz sich entlang bewege (Zellstud., H. 2, S. 67 ff). Aehn- liches dürfte auch für die Kernmasse gelten. Za)lsszı BuSchartf,a.3:05 p.adb, 09, 122) s. oben, Bem. 48 (Rohde) und Bem. 89. 130) Die Microsomen der Radien werden je weiter nach aussen, desto kleiner, letztere selbst verjüngen sich, bisweilen der Art, dass sie bald nieht mehr zu unterscheiden sind. s. auch Bem. 131. 131) Vgl. z.B. Stuhlmann, Ber. nf. Ges. Freibg., 1886, S. 101; L. Will, Z. wiss. Zool., Bd. 4l, S. 327. Auch die dichtere Pla- smazone, die nach van Bambeke sich um die auswandernden Chromatinpartikel bildet, gehört wohl hierher, bull. Belg., 3. ser., T. 25, p. 334, 343 und Fig. 26 und 28; an letzterer Figur tritt übri- gens ausserdem eine einseitige (nach aussen gerichtete) Strahlung auf. Man beachte hier noch das breite, oft wolkige, eine Auflö- sung verrathende Aussehen der abgelösten Theilchen (Fig. 11, 15 bis 15, 18, 27). s. dann besonders noch Degagny, a. a. O., T. 116, p- 1399. blähung (Vaeuolisation)!??), Strahlung '®®). Dasselbe gilt vielleicht für andere Bildungen, die aus Knotenpunkten des Stromnetzes zu kernartigen Körpern — wohl auf dieselbe Weise wie der Hauptkern — sich entwickelt haben (Neben- kerne, Leydig!°*), Auerbach)!°); ganz besonders aber gilt es für die Centrosomen!®°), die bei der mitotischen Thei- 2) s. Bloehmann, Heidelb. Jubilschr., S. 145; Scharff, a. a. O., p. 59; Eimer, Arch. mikr. An., Bd. 8; Degagny, a.a. O., . 1398. 3 3) Degagny, a.a.0,, p. 1398; Schäfer, proceed. roy. Soc., Lond., vol. 30, Fig. 5 und 9 (die Abstammung dieser Körper vom Keimbläschen dürfte aus Fig. 18 hinreichend erhellen). Ferner Leydig, zool. Jahrb., An. u. Ont., Bd. 3, S. 322, Fig. 67 und 68, S. 397 (Sarasin), 401; van Bambeke, a. a. O., Fig. 28. Aehn- liche Bilder hat auch A. v. Török (Embryonalzellen), Arch. mikr. An., Bd. 13. Auswandernde Kerne mit Strahlenbildung finden sich bei Graber, ebd. Bd. 15, S. 630; van Beneden, bull. Belg., 2. ser., T. 42, Pl. 1, Fig. 25 (Dieyemiden); Bobretzky, Z. wiss. Zool., Bd. 31, S. 201; Bloehmann, Vh.nh. med. Ver. Heid., N. F., Bd. 3, 8. 246; Leydig, a. a. O., Fig. 55. 3) Zool. Jahrb., An. u. Ont., Bd. 3, S. 396 135) Jena’sche Z., Bd. 30, S. 546 ff. 136) Für die Abstammung dieses Körpers aus dem Kern sind neuerlich eine weitere Anzahl Beobachter eingetreten, so van der Stricht, der dasselbe sogar als Chromatinpartikel ansieht, anat. Anz., Bd. 9, Ergh., p. 231 (auch Henneguy betont die starke Färbbarkeit, journ. anat. et physiol., annee 27); R. v. Er- langer, zool. Ctrbl., 3. Jgg., S. 301, Prenant, ebd.; Balbiani, ann. de mierographie, T. 7; Farmer, ann. of Botany, vol. 7; R. Hertwig, Sitzber. Ges. Morph. Physiol., Münch. 1895; De- gagny, a. a. O. T. 111, p. 284; Demoor, arch. de biol., T. 15; Wilson and Matthews, j. of morphol., vol. 10, p. 336; Hanse- mann, anat. Anz., 8. Jgg.; Lavdowsky, anat. Hefte, 1894, S. 380 (vom Nuceleolus); Keuten, Z. wiss. Zool., Bd. 60, S. 215; s. auch Yves Dolage, a. a. O., p. 42; Perez, mem. soe. se. phys. nat., Bordeaux, 4. ser., T. 4, p. 289, note 2. Schaudinn verfolgte jüngst die Entstehung des Centralkorns (= Centrosoms) aus dem Kern bei Heliozoen, Vh. dtsch. zool. Ges., 6. Jahresvers., S. 124. — Ausser der klassischen Kugelform sind ferner (von Radien um- gebene) geradlinige oder gewundene, auch verzweigte Stränge, oft rosenkranzartig mit stärkeren, lebhaft strahlenden Knoten- punkten versehen (Eismond, anat. Anz., Bd. 10, S. 263 ff., Fig. 6 oben; vgl. auch Bolsius bei Solger, a. a. O., S. 31) gefunden worden, aus deren Zerfall wohl die Gruppen strahlender Centro- somen hervorgehen, welehe Eismond erwähnt (ebd., S. 263 und Fig. 6 unten) und die an die gewundenen Chromatinmassen, die „boyaux“ erinnern (van Bambeke, a.a.0.), was die karyogene Herkunft des Gebildes wesentlich stützt. Diese Entstehung ist auch deshalb um so wahrscheinlicher, weil es constatirt ist, dass bei-Zellen, die sich zur Theilung vorbereiten, auch die Nucleolen "oft zerfallen (Zimmermann, Beitr. z. Morph. u. Phys. d. Pflan- zenzelle, Bd. 2, H. 1, S. 12 und 22; O. Hertwig, Zelle u. Gew., 1893, S. 165; auch Sehewiakoff, morph. Jahrb., Bd. 13, S. 228) und auswandern (Strasburger, Karyokinet. Probl., Jahrb. f. wiss. Bot. T.2, Fig. 25a und b; Metzner, Arch. An. u. Physiol., phys. Abth., 1894). — Können sich die Kernstofftheilchen der ge- wöhnlichen Art im ganzen Umfang des Kerns gleichzeitig von dessen Oberfläche ablösen (coneentrische Kreise), so ist nicht ein- zusehen, warum solches nieht auch für die Centrosomen der Fall sollte sein können (s. hierüber A. Martin, Virchow’s Arch., Bd. 86 und die Arbeiten von Krompecher), Dabei theilt sich wahr- scheinlich das im Kern befindliche Centrosom in zwei oder meh- XIH. Nr. 2. lung eine so wichtige Rolle spielen und durch Knospung (Mikrocentrum, Heidenhain; Centriolen, Boveri), haupt- sächlich aber durch Strahlung sich auflösen !??). Auch rere Stücke, die in entgegengesetzter, bzw. divergirender Riehtung nach aussen wandern, wie esO.Hertwig beobachtete (s. A.Brauer, biol. Ctrbl., Bd. 13, S. 286), und endlich aus dem Kern austreten (vgl. auch das dekystement von Vampyrella variabilis, J. Klein, biol. Ctrbl., Bd. 2, S. 138, Fig. 2). Von grosser Bedeutung aber ist hier die schon erwähnte Auffindung eentrosomähnlicher Körperchen (pseudosomes und dietyosomes) im Umfang des Kerns während der Mitose durch J.E. S. Moore (quart. j. mier. sc., n. s., vol. 35), die eine regelmässige Anordnung zeigen sollen, was das Interesse noch erhöht. s. ferner Mit. u. Amit. S. 57, Bem. 3. Auch die Centralkörper-Nebengruppen von Heidenhain kommen vielleicht hier in Betracht (s. Würzbg. Sitzber. 1894 und Arch. mikr. An, Bd. 43, S. 576). Ueber gleichzeitige Sprossung von „Nebenkernen“ 2 der Kernoberfläche berichtet H, Rabl, Arch. mikr. An., Bd. 45, . 419. 7) Wie wir uns erinnern, geht nach der hier vorgetragenen Theorie der ganze Auflösungsprocess der Kernmasse ursprünglich von einer starken Ueberreizung der Zellperipherie aus (s. oben). Dieser Satz wird durch folgende Thatsachen erhärtet. Zunächst hat bekanntlich Flemming (Zellsubstz. 1882 und Arch. mikr. An., Bd. 37, S. 695) wie vorher schon van Beneden (bull. Belg., 2. ser., T. 40, p. 50), ja bereits Fol (Jena’sche Z., Bd. 7 und arch. zool. exp. et gen., T.8) die Beobachtung gemacht, dass bei der mitotischen Theilung, wo ja eine exquisite Auflösung des Kerns stattfindet, die Peripherie der Zelle stärkeren Glanz und stärkeres Färbungsvermögen bekommt, was auf einer Verdiehtung des Zellplasma durch Verkleinerung seiner Maschen beruht. Diese Erscheinung wird auch von Anderen beiläufig er- wähnt, z. B. von Rabl, morph. Jahrb., Bd. 10, S. 285; Heuser, bot. Ctrbl., Bd. 17, S. 29; van der Stricht, anat. Anz., Bd. 9, Ergzh., S. 227; E. Lönnberg, biolog. förening. förhandl., Bd. 3, S. 91 (die Zelle scheint dunkler und „homogener“), ähnlich P. Mayer, Jena’sche Z., Bd. 11, S. 210; A. Dehler fand die kuglige Abrundung auch bei der Mitose der Erythrocyten, ebd., Bd. 46, S. 427; s. noch vom Rath, Arch. mikr. An., Bd. 40, S. 109. Flemming glaubt, dass mit der Verdichtung eine phy- sikalische und chemische Veränderung der Zellsubstanz verbunden sei (a. zul. a. O., S. 695; man vgl. hiermit die Degeneration bei den höheren Graden der Ueberreizung, s. unten und Bem. 34, 51, ferner 166—168, sowie die der Centraltheile, Bem. 51 und 52) und sagt im Weiteren, die Fadenstructuren der Innenmasse und die Polradien seien verdiekt (vgl. hierzu Boveri, bei Meves, Arch. mikr. An., Bd. 44, S. 148), aber auch lockerer, die Ma- schen grösser (ebd. S. 699); die Dunkelung der Aussen- schicht betreffe ausser dem Fadenwerk auch dessen Oberfläche, die wie mit einem feinkörnigen Reif beschlagen sei, und selbst die Interfilarmasse (S. 700), die nach Leydig (Us. z. Anat. u. Hist. d. Th., S. 143, Zelle u. Gew., z. B. S. 36, 104), Carnoy, Flemming u. And. ja nur eine weitere Verfeinerung des Maschen- werks darstellt. Erwähnung verdient hier auch ein Befund von Sollas, wonach bei Spongienzellen, welche strahlige Spieula ent- wickeln (vgl. Mit. u. Amit. S. 57ff.), die Zellwand (Rinde) eine erhöhte Färbbarkeit zeigt (ann. a. mag., 5. ser., vol. 5, p. 256). — Zu gleicher Zeit erfolgt eine Abrundung der Zellumrisse: Flem- ming, Arch. mikr. An., Bd. 16 und 37, S. 698, wo geradezu von einer „Contraction®* die Rede ist; Heidenhain, cbd., Bd. 43, S. 720. H. E. Ziegler sagt, Vhal. d. dtsch. zool. Ges., 5. Jahres- Vers., S. 70, die (Furchungs-) Zelle strebt kurz vor der Theilung eine kuglige Gestalt anzunehmen (Zusammenziehung und er- höhte Oberflächenspannung), nach derselben jedoch sich wieder auszubreiten; ja es treten unmittelbar nach der Theilung amö- boide und pseudopodienartige Fortsätze auf, besonders an dem der Theilungsebene entgegengesetzten Umfang der Zelle (= dem Kopfpol), ebd. S. 77 (entspricht der + Polarisationsphase). Mit der Abrundung der Oberfläche geht die Vergrösse- rung der Astrosphäre und die Ausbildung der Strahlen- systeme Hand in Hand (mit ihrer Ausbreitung die Verkleinerung der Sphäre und die Rückbildung der Strahlen), weshalb beide Vorgänge wohl ein und dieselbe Ursache hätten (70). Alles dies stimmt also mit meiner Annahme, dass die Strahlung durch eine Ueberreizung (Tödtung) der Peripherie hervorge- rufen wird. Ist dieselbe riehtig, dann hat es wohl nichts Wun- derbares, wenn Demoor nach Abtödtung des Zellplasma den Kern weiterleben und sogar eine so gut wie regelmässige Mitose eintreten sah (Y. Delage, a. a. Ö., p. 83, Note 1; vgl. hierzu die 7 Polarisation und die Sporulation, z. B. unten Bem. 164 [Kühne]). In Z. wiss. Zool., Bd. 60 hebt Ziegler hervor, dass bei Sexual- und Furchungszellen in der Ruhe amöboide Bewe- gungen stattfinden, die unter Einziehung der Fortsätze und Ab- rundung der Oberfläche zum Stillstand kommen, sobald die Spin- del auftritt, um nach Ablauf der Theilung neuerdings zu erschei- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 19 hier verlaufen die Strahlen !?®) (wie beim Kern) bald ge- nen (S. 387). — Vgl. Peremeschko, Arch. mikr. An., Bd. 17; Flemming, ebd. Bd. 35, S. 275; Zimmermann, ebd., Bd. 36, S. 404. Hierdurch wird auch meine Vermuthung (Mit. u. Amit,, S. 14, Bem. 2), das Phänomen entspreche der der Theilung voraus- gehenden Einziehung der Fortsätze und Eneystirung bei Protozoen, bestätigt (vgl. das reife Ei, das einem eingekapselten Protisten gleicht, Leydig, zool. Jb., An. u. Ont., Bd. 3, S. 325 ff.; sodann hauptsächlich Schaudinn, Vh. dtsch. zool. Ges., 6. Jahresvers.). Ueber letztere Erscheinung s. F. E. Schulze, Arch. mikr. An, Bd. 10; A. Schneider, Z. wiss. Zool., Bd. 21; Bütschli, ebd,, Bd. 30; Everts, ebd., Bd. 23; Perty, a. a. O., S. 65, 79, 94. Bei den Radiolarien werden zur Zeit der Sporenbildung (über deren Verwandtschaft mit der Chromatinauswanderung s. unten und Mit. u. Amit. S. 51) die Pseudopodien eingezogen, die Rinden- schicht rundet sich und zerfällt schliesslich in bräunliche Kügel- ehen: K. Brandt, Sphäroz., S. 157 ff. In Colonien rücken die Einzelthiere zu einem centralen Haufen zusammen, wie bei Beun- ruhigung (Ueberreizung), R.Hertwig, Jena’sche Denkschr., Bd. 2, S. 244 ff. — Van Beneden endlich vermuthet für das Ei, die Contraetion des Dotters (die Bildung der Dotterhaut) und die Ausstossung der Richtungskörper würden durch einunddieselbe Ursache erzeugt (arch. de biol., T. 4, p. 612). Dies wäre eine der vorliegenden analoge Erscheinung, insofern als der letztgenannte Punkt im Grunde auch nur die Bedeutung einer Kernstoffauswanderung (Strahlung) hat. — Bleiben bei der Thei- lung die Fortsätze ausgestreckt (z. B. an Clathrulina beobachtet), so muss dies wohl dadurch erklärt werden, dass hier der Kern- inhalt von vorn herein eine grössere Neigung hat, nach aussen zu treten, also nicht stark verdichtet ist (geringe Polarisation), so dass schon eine schwache Ueberreizung der Peripherie, die nicht einmal die Pseudopodien zum Rückzug bringt, hin- reicht, den Austritt der Kernstoffe, also auch des Centrosoms und damit die Theilung zu veranlassen. (Bei starker Verdichtung, bedeutender Polarisation ist eine heftige Ueberreizung der Ober- fläche nöthig, um den Kerninhalt zu lockern, daher auch hier die starke Abrundung.) — Für meine Ansicht, dass die Ursache der Kernstoffauswanderung und der Strahlung in einer Ueberreizung der Peripherie besteht, spricht ferner vielleicht die Beobachtung von Henking, dass starker Druck eine lebhafte Strahlung seines „Thelyid“ erzeugte (Verh. dtsch. zool, Ges., I, S.32). Nach L. Sala wird bei Einwirkung von Kälte auf das Ei das Verschwinden des Centrosoms verhindert oder wieder rückgängig gemacht (Arch. mikr. An., Bd. 44), was S. mit der Entstehung der Strahlung durch Chloral (O.Hertwig) und dem eben erwähnten Phänomen parallelisirt (Ueberreiz. d. Oberfl.). Druck bewirkt in der That zugleich Ab- rundung der Oberfläche (s. Hofmeister, Hdb..d. phys. Bot., I. Bd., S. 26; allg. Morph. d. Gew. 1868, S. 631; desgl. A. Brandt, mem. ac. imp. St. Pet., 7. ser., T. 16, 8.35 ff.), dieselbe Erscheinung, die (neben der Strahlung) bei der Mitose vorkommt und von mir auf Ueberreizung der Oberfläche zurückgeführt wurde. — Hanse- mann fand (anat. Anz., 8. Jgg., S. 58), dass die Zellen, welche die Centrosomen und Astrosphären auch „in der Ruhe“ zeigen, dem Bindegewebe angehören, nie aber dem Epithel, wo sie doch in der Mitose so deutlich hervortreten, und wo sie folglich in den Kern zurückgetreten sein müssen (S. 59, vgl. indess v. Erlanger, zool. Anz., Bd. 19, No. 513). Der Grund hiervon dürfte darin liegen, dass bei den Bindegewebszellen als indifferenten Pla- smakörpern, wenn auch die Erregung, welche die Theilung veran- lasste, vorüber ist, ja doch niemals der Grad von „Ruhe* (= Polarisation, Differenzirung) eintreten kann wie bei den Epithelzellen, also immer eine gewisse Ueberreizung der Oberfläche (s. d. Erklär. zu Fig. III im Schema) fortbesteht, welehe den völ- ligen Eintritt jener Körper in den Kern verhindert (s. auch Mit. u. Amit. S. 46, Bem. 4). 15) Während früher einige Untersucher (z. B. Heuser, Fol, Berthold) in den Polradien eine centripetale Strömung annah- men, hat sich heute wohl mit Recht die entgegengesetzte — zuerst von Auerbach, Selenka, Bergh, Platner (intern. Mschr. An. u. Hist., Bd. 3, S. 380 #.) vertretene — Auffassung mehr und mehr befestigt. Ihr huldigt z. B. auch Boveri, wenn er sagt, die Sphäre sei eine Kugel, die sich aus Körnern zusammensetzt, welche an Masse abnehmen und sich dabei in die radiär angeordneten Strahlen verwandeln (Jena’sche Z., Bd. 22, S. 763, 781; Würzbg. Vhdl., Bd.29, S.34; s. auch oben Bem. 127). Vom Rath (Z. wiss. Zool.; Bd. 60, S. 67) drückt sich ähnlich aus: die Strahlen wachsen auf Kosten der centralen Zone, welche kleiner wird (S. 69, auch 67), die Strahlung besteht aus Sphärensubstanz, S. 69; auch K. W. Zimmermann giebt an, dass der Nebenkern in der von ihm ausgehenden Strahlung aufgehe (anat. Anz., 6. Jgg., Ergzh., Vh. an. Ges., 5. Vers... Drüner nennt die I. Phase der Mitose die der Expansion, die II. Phase die der Contraction des Strahlen- systems (Jena’sche Z., Bd. 29, S. 333), was an das Verhalten eines Rhizopoden erinnert und demgemäss im ersten Fall ein Ausströ- men, im zweiten einen Rückzug der lebenden Substanz bedeuten 20 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. wunden 3°) und zeigen vielfach Verzweigungen und Ana- würde. Da die erstere Phase zugleich die der Differenzirung, die letztere die der Ansgleichung ist, so stimmt hiermit ferner die Ausdrucksweise von Fol, welcher jene die Periode der Repulsion (mit Bezug auf die Chromosomen, bipolare Abstossung, s. oben), diese die der Attraetion (Aspiration, s. oben) nennt (fecondation, p. 344 ff). Vgl. noch Strasburger, anat. Anz.,.8. Jgg., S. 187 Ran — Aueh die Strahlen der Astrosphäre zeigen die bei den Kernradien erwähnten Anschwellungen, die, je nachdem die Strömung mehr. dem unterbrochenen oder dem continuirlichen Typus sich nähert, mehr scharf. oder mehr allmählich abgesetzt, d.h. mehr kuglig oder mehr spindelförmig sind (s, z. B. Heidden- hain, Festschr. f. Köll., Arch. mikr. An., Bd. 45; Meves, ebd., Bd. 44, Fig. 17,18; Braus, Jena’sehe Z., Bd. 29, T. 14, Fig: 11; Drüner, ebd., T. 4, Fig. 4; Fol, fecond., Pl. 7, Fig. 19; Plat- ner, a.a.0., T. 17A, Fig. 6 u. 7; H. Blane, Festschr. f. Weism., | — --—— | Hermann, .ebd., Bd. 37, T. 31, Fig. 8-10; Flemming, ebd., ı T. 38, Fig. 10, 12, .T. 40, Fig. 33, 34, 38; Mitrophanow, intern. ' Mtschr. An. u. Phys., Bd. 11, T. 16, Fig. 5, 8, 12, 13, 18, 20-22, | 27, 28; Wilson and Matthews, a. a. O.; ı Fig. 1 und 3; vom Rath, biol. Ctrbl., Bd. 14, S. 462, Fig. 15; T.6, Fig. 13, 25, 27, 28; A. D.Mead, j. of morph., vol. 10, p. 313#f.). — Mit. u. Amit. S. 27, Bem. 1. Erfolgt die Ablösung der Knospen an den nebeneinander lie- genden Punkten ihres Ursprungsheerdes gleichzeitig (vgl. hiermit Degagny, a.a.0., T. 111, p. 762),.so befinden sie sich in annähernd derselben Entfernung vom Centrum, wodurch die Mierosomenstrata oder eoneentrischen Kreise; (v. Beneden, arch. de biol., T, 4, p. 575#.; Heidenhain, a. a..0. und Würzb. Sitzb. 1894, S. 23; Drüner, a. a. O.,T. 7; vom. Rath, a. a. O:, S. 73 und T. 3, z. B. Fig. 32; Siedlecki [Ref.], zool. Ctrbl. 1896, S. 88; Meves, Arch. mikr. An., Bd. 45) entstehen.. Bei mittleren Er- regungszuständen haben diese Mierosomen die Neigung, sich durch seitliche Ausläufer untereinander zu verbinden und zu verschmel- zen (besonders auch unterhalb der Zellmembranen, vgl. Bildung der Zellplatte und Zellhaut), s. z. B. Drüner, a. a..O., Bd. 29, S. 307; Braus, ebd., Bd. 24; A. Nicolas, eompt. rend. hebd. se. mem. soc. biol., T. 4, 9. ser., p. 476; Heidenhain, Würzb. Sitzb. 1894, S. 30 (auch Man. Ide); Mit. u. Amit. S. 62, Bem.; vgl. den concentrischen Bau der sympathischen Ganglienzellen — mit seinen Knotenpunkten: Nissl-Körper und Lenhossek’sche Tigroidschollen, L., Vhdl. an. Ges., 10.Vers., bes. S. 18 und Arch. mikr. An., Bd. 46 (auch Arndt, Virchow’s Arch., Bd. 72, S. 52 ff.) — dernach A. Deh- ler, ebd., die Sphäre zum Mittelpunkt hat. Hierdurch wird wohl die Grundlage für die von den Stacheln ausgehende ceoncentrische Netzbildung der Radiolarien geschaffen (Rhizosphaera, Arachno- sphaera, R. Hertwig, Jena’sche Denkschr., Bd. 2; Dorataspis, Haliommatidium, Häckel, Radiol., I, S. 154ff.; Stauracantha, Phractopelta), aus welcher muthmaasslich die vollkommenen .con- centrischen Gitterschaalen sich hervorbilden. — Endlich kommt den Sphärenstrahlen ebenso die morphologische Selbständigkeit der varikösen Fibrillen überhaupt zu. s. darüber z.B. Platner, a.a.O., S. 353 und Fig. 6—8, 10, 22, 27. Auch werden sie wahrscheinlich wie jene von hyalinen Scheiden umhüllt, wofür der. zuweilen breite Umriss (vgl. Drüner, a. a. O., T. 5, Fig. 23 und 24, sowie T. 6, Fig. 30), besonders aber die sogen. „Zugbändehen“ von Drüner und Braus zu sprechen scheinen (B., Jena’sche Z., Bd. 29; D., ebd., T. 6), die man indess nach der hier gegebenen Beschreibung vielleicht besser „Zugröhrehen“ nennen würde (und die wohl un- leugbar an die Saugröhren der Acineten erinnern). Es sind dies, wie es scheint, (Spindelmantel-) Fibrillen, an welchen die Scheide — besonders die Ansatzstelle ist verbreitert: z.B. Nicolas, a.a.O., p. 474; G. Niessing, Arch. mikr. An., Bd. 46, T.5, Fig. 1; Heu- ser, a. a. O., S. 123 — nur durch das stärkere Hervortreten bei ihrer Funktion, der Nahrungsaufnahme aus den Chromosomen (8. Mit. und Amit. S. 42, Bem. 1) deutlich erkennbar wird. Die „dop- pelten“ Spindelfasern (s. z. B. Henking bei Flemming, Arch. mikr. An., Bd. 37, S. 722) sind möglicherweise auch solche „Zug- bändehen“. Die Strahlungen der Astrosphären (Nebenkerne) scheinen es vorzugsweise zu sein, welche die Grundlage für die Skelettbedingungen abgeben. (Vgl. oben Bem. 110 sowie Mit. u. Amit. S. 57ft.) Eine Stütze hierfür liegt in der Thatsache, dass diese nicht in den polarisirten Epithelzellen, sondern in den in- differenten, relativ überreizten, Mesoblastzellen (s. d. Erklär. zu Fig. III im Schema) — wo die Sphäre dauernd vorhanden, vgl. oben Bem. 137 (Hansemann) — sich bilden. Hierbei ist weiterhin die Vermuthung wohl berechtigt, dass die schlanken und spitzen Formen (z.B. die „trichites“) bei besonders starker, die mebr gedrungenen, kugligen, mit Höckern, Warzen u.s.w. besetzten Formen bei schwächerer Strahlung (= geringer Ueberreizung der Peripherie) entstehen. — Fälle, wo Kern ‚und Astrosphäre gleichzeitig die Strahlung zeigen s. bei Guignard, ann. sc. nat., Bot., 7. ser., T. 14, Fig. 44—49; Leydig, zool. Jahrb., An. u. Ont., Bd. 3, Fig. 67, 68. — Ueber die gemeinsame Natur beider Strahlungen vgl. Heuser, a. a. O., $. 92. '°) s. besonders die Darstellungen bei Carnoy (La Cellule, T. 2, Fase, 1); van der Stricht (bull. Belg., 3. ser., T. 23); Leydig, a. zul. a. O.; Metschnikoff, Z..wiss. Zool., Bd. 36, T. 28, Fig. 3 und 4; Heuser, a. a. O., S. 92; Eismond, a.a:O.; von Kostanecki und Wierzejski, Arch. mikr. An., Bd. 47; ' wird (s. oben Bem. 61). ' wöhnlichen, durch trägeren Fluss erzeugten Maschenwerkes oder ‚ Stromnetzes. aa Ctrbl., 3. Jgg-, s. 191). ‘ dieser Punkt hervorgehoben von Flemming, Arch. mikr. An., Anz., XI. Nr. 2. stomosen, oder ihr Lauf ist vollkommen gestreckt, gerad- linig 1°), mehr oder weniger isolirt!*!), je nach dem Grad der .Ueberreizung an der Oberfläche. Auf diesen Ant- agonismus dürfte auch der Gegensatz in den Angaben mancher Forscher zurückzuführen sein, von welchen die einen, die Mehrzahl), bekanntlich die Sphäre im All- gemeinen als ein von lichtem Hof umsäumtes, scharf be- grenztes kugliges Centrosom. (Sphärom)!#?) mit. streng radiärem, aus mikrosomenführenden Fibrillen bestehen- dem Strahlenkranz (Actinome), die anderen, Eismond!*) | vorzugsweise, lediglich als ein Wabenwerk mit radiär | gestreekten. Fächern und Maschen (gross und weit an der Peripherie, klein und eng im Centrum)!#) beschreiben. K. Fool, ebd., vol. 9, Drüner, a. a. O., T.5, Fig. 15, 23,24, T. 6,’ Fig. 30, 31, 33; ' Braus, ebd., T. 14, Fig. 12—14. N 40) Die. Strahlung ist, wie sich immer deutlicher heramsstellt, keine dem allgemeinen Netzbau des Protoplasma fremde Erschei-: nung, sondern entsteht, wie die Entwickelungsstufen beweisen, nur ' durch eine allmähliche Streckung der Fasern, der Stromläufe, da- durch bedingt, dass die Strömung. eine raschere, lebhaftere Sie ist „nur eine Umprägung“ des 'ge- S. Reinke, Arch. mikr. An., Bd. 44, S. 269; Hen- king bei Flemming, ebd., Bd. 37, S. 722, Fl. selbst, ebd, S. 726, | Carnoy, La Cell., T. 1, p. 365;. Eismond, a.a. O., S. 266; ‚Flemming und Rabl, an. Anz, 6. Jgg., Ergh., S. 134; Platner, a.a. O., 8. 362, 375; R. v. Erlanger, Vhdl. dtsch. zool. Ges., 6. Jahresvers., S. 110, zool. Anz., Bd. 19, S. 137 ff.; ©. C. Sehnei- der, Arb. zool. Inst. Wien, Bd. 9, S. 19 (197); Schultze, Würzbg. Sitzb., 1890, S. 137; Leydig, Zelle u. Gew., S. 9; Prenant, .O., p. 2515. E. B. Wilson, a. a. O., vol. 11 (Ref. in: zool. Für die Spindel im Besonderen wird Bad. 37, S. 726; Nicolas, compt. rend. hebd. sc. mem. soe. biol., 9. ser., T. 4, p. 475; van der Stricht, anat. Anz., Bd. 9, Ergh., p- 231; van Beneden, bull. Belg., 1887, p. 279; Zimmermann, R. Hertwig, Reinke u. s. w., Platner, a. a. O., 8. 362; R. 'v. Erlanger, Vh. dsch. zool. Ges., 6. Jahresvers., S. 109. Auch nach vom Rath sind die Radiensysteme ınit dem Zellplasma iden- tisch, Z. wiss. Zool., Bd. 60, S. 66, 69, 72. Vgl. endlich Fig. 1 u. T auf T. 3, sowie S. 56 bei Strasburger. histol. Beitr., H. 4 (Sphacelaria), wo die Structur des Zellkörpers ganz mit der Pol- strahlung zusammenfällt. — Ebenso ist der Zusammenhang zwi- ‚schen dem Centrosom und den Chromosomen keine neue Bildung, sondern blos die Weiterentwickelung eines schon bestehenden morphologischen Verhältnisses (Flemming, Arch. mikr. An., Ba. 37, S. 730; J. S. Moore, quart. j. mier. se., vol. 34, Platner Rabl). 1) Fol nennt die Radien der Polsonne: dissoeiables. 12) 5. auch Wileox, bull. mus. comp. zoöl., Harvard Coll., vol. 29, No. 4. | 143) Fälle, wo das Centrosom aus einem Körnerhaufen (Cen- triolen, Mieroeentrum) besteht, dürften ein morulitförmiges Auf- lösungsstadium sein, dem amitotischen Kernzerfall entsprechend (s. z.B. Prenant, a. a. O, p. 223), wenn auch nicht immer, vgl. E. B. Wilson, j. of morphol., vol. 11, 2, Ref. in zool. Ctrbl., 3. Jgg., 8. 193. 144) Anat. Anz., Bd. 10, S. 237; s. auch R. v. Erlanger, zool. d. 19, S. 137; vacuolisirte (wabige) Centralkörner (Centro- fand Schaudinn z. B. bei Sphaerastrum. Vhdl. dtsch. es., 6. Jahresvers., S. 116. 145) Vgl. hierzu die Alveolarstruetur des Radiolarienkörpers, R. Hertwig, Hist. d. Rad., z. B. Thalassolampe margarodes. — Das Centrum spielt bei allen organischen Structuren im Ver- hältniss zur dynamisirten Peripherie eine passive Rolle (man denke nur an die centrale Lage der Oelkugeln bei Theilun- gen im Radiolarienkörper nach Häckel n. And., bei Chlamydo- coceus, Cohn u. 8. f.), daher auch das der Astrosphäre, vgl. Eis- mond, a.a. O., S. 69 ff.; es ist eine — wie alles verdichtete Protoplasma (Heitzmann) — bewegungslose, inerte Partie, der todte Punkt des Systems in der Sprache des Mechanikers, ebd. S. 270; absolut passiv braucht es darum noch nicht zu sein, es kann einem anderen Theile, z. B. der Kernmasse gegenüber, sich activ verhalten. In diesem Sinne kann man darum die letztere Bezeichnung (s. z. B. Strasburger, an. Anz., 8. Jgg., S. 189; ähnlich van Beneden et Neyt, bull. Belg., 3. ser., T. 14, p. 279) gelten lassen; und zwar wird sich diese Activität desselben stei- somen zool. xIH. Nr. 2. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 21 Beide Darstellungen dürften im Hinblick auf die am Kern beobachteten Vorkommnisse durchaus zutreffend, der Unter- schied aber objeetiv, d. h. in einem wechselnden Zu- stand des Bildes selbst begründet sein.) In jenem Fall würde es sich eben um eine starke Polarisation (bipolare Abstossung)'*”), in diesem um einen höheren Grad von Ausgleiehung zwischen Peripherie und Cen- trum der Figur, des Archoplasma (der Astrosphäre) 1°) handeln, erstere durch einen stärkeren, letztere durch einen schwächeren (der „Bedrohung“ sich nähernden) Ueberreizungszustand der Zelloberfläche bedingt. Auch Aufblähungszustände, Vacuolisation, Umwandlung des diehten Strahleneentrums!#°) oder des Centrosoms !?®) in ein immer grösser werdendes, bisweilen von einem Strangwerk durchsetztes!®!) Bläschen), das seiner- seits zerfallen kann!?®), sind bei den Centrosomen keine ungewöhnliche Erscheinung, finden sich aber vermuthlich nur bei schwacher, kaum je bei starker Polarisation der Astrosphäre, weil sie ja durch eine Auswanderung der centralen Theile bedingt sind, die bei letzterer, der gern, je weiter es nach aussen rückt. Es sei übrigens kurz be- tont, dass jedes der beiden Worte eine zweifache Beziehung hat. Die active Peripherie ist nur aetiv nach innen (beherrschend, nahrungverkürzend wie der Empfindungsnerv gegenüber dem Centralorgan), dagegen — passiv nach der Aussenwelt hin; das passive Centrum ist nur passiv nach innen, activ, reactiv nach aussen (s. oben). 146) Beiläufig mag hier an einen ähnlichen Gegensatz in der Darstellung erinnert sein, der bei Ganglienzellen besteht, wo die Eintrittsstelle des Axencylinderfortsatzes nicht blos als längsstreifig, sondern auch als schaumartig beschrieben wird, s. Flemming, Arch. mikr. An., Bd. 46; Lenhossek, ebd., Bd. 26, s. auch Flem- ming’s Ref. in Ergebn. An. u. Entwg. 1895, S. 274). #7) Möglicherweise kann auch hier (s. oben Bem. 51) die Centralmasse höhere Grade der Degeneration erreichen, also in einen Secret- bezw. Exeretkörper übergehen, vgl. Frenzel’s Ablei- tung des Seeretbläschens vom Centrosom. Ebenso dürfte der De- tritus im Innern von intracellularen Skelettkörpern, die, wie es seheint, mit der Sphäre genetisch zusammenhängen (s. oben Bem. 110 und 138), hier zu erwähnen sein. 1) Die Astrosphäre würde also einem ähnlichen Dimorphis- mus unterliegen wie er vielfach bei Protisten vorkommt und als Amöben- oder Rhizopodenstadium (man denke an das Bild von Myxodicetyum bei Häckel) und als Heliozoenstadium unterschieden wird. s. z.B. Gruber, Protozoen des Hafens von Genua, Nova acta acad. Leop. Carol., vol. 46, Biomyxa, S. 504 ff., und Fig. 27 (Amöbe), bzw. Fig. 25 und 29 (centrale Kugel mit Pseudopodien- strahlung). Derartige Vergleiche der Bauverhältnisse der Zelle mit denen einzelliger Geschöpfe drängen sich fortwährend unwill- kürlich auf. Vornehmlich die Strahlungen wurden oft mit Pseu- dopodien verglichen, s. z. B. Brandt, Arch. mikr. An., Bd. 17 und 28; Platner, a. a. O., S. 353; H. Blanc, Festg. f. Weism., S. 174; Boveri (die Spindelfasern) u. And. Auch der Gesammt- vergleich mit der Sonne führt zu einem Heliozoon. (s. noch Kupffer, Schrift. nwiss. Ver. Schlesw.-H., Bd. I, S. 233.) Die Vergleichung der Eizelle mit einem eneystirten Protisten wurde schon erwähnt (s. oben Bem. 137, Leydig). Vgl. endlich unten Bem. 156 und 165. 40) Eismond, a.a. O.; Drüner, Jena’sche Z., Bd. 29, S. 298. 150) Häcker, Arch. mikr. An., Bd. 42, Anhang (die hier er- wähnte Diffusion einer fürbbaren Flüssigkeit in die Umgebung lässt sich wohl nur als Auswanderung und Zerstreung des Inhalts deuten). Watase, j. of morph., vol. 8, p. 434, zeichnet Fig. 1 eine Astrosphäre (Ei von Unio) und sagt in der Figurenerklärung: the centrosome appears to be hollow, the optical section shows it as a very thieck ring of deeply staining substancee. Boveri, Würzb. Vhdl., N. F., Bd. 29. Auch das Centralkügelehen von Rha- phidiophrys kann eine grosse unfärbbare Kugel sein, K. Heider, Vhdl. d. dtsch. zool. Gs., 4. Jahresvers., S. 95. 1) Bismond,a.a.0., Fig. 5; Wilson a. Matthews, a.a.O., p- 325, 342; Boveri, a. a. 0. 152) Hücker; Boveri (gequollene Kugel) a. a. O.; Wilson a. Matthews, a. a. O; R. Fick, an. Anz., Bd. 11, Ergh. S. 22; G. Mann, journ. anat. a. physiol., n. s., vol. 9, Fig.2. Vgl. auch die Bezeichnung vesicule attractive (Y. Delage, a. a. O., p. 69). 153) Meves, Arch. mikr. An., Bd. 4, der Kern wird dabei polymorph (ebenso ein Schritt zum Zerfall?). bipolaren Abstossung, unmöglich ist!’#). Aus dieser Va- euolisirung sind wohl die mehrfach wiederkehrenden An- gaben über völligen Mangel des Centrosoms!) bei gut entwickelter Strahlung zu erklären. Wir haben dann hier wieder den oben beim Kern berührten Fall, wo Auf- blähung zu Strahlung hinzutritt.15%) Auch andere, ge- !5) Aus diesem Grunde wird uns auch der Befund eines Netz- werkes (Spongioplasma) um die Vacuole, an Stelle der Strah- lung, wie es z.B. in Fig.5 bei Eismond, a.a. O., zu sehen ist, nicht befremden. Im Gegentheil, er verträgt sich besser mit der Aufblähung, beide gehören — als Ausdruck der Neutrali- sationsphase — sozusagen eigentlich zusammen. Ebenso wird es im letzteren Fall eher zur Entwicklung einer Spindel kommen (s. Bem. 156) als bei starker Polarisation der Astrosphäre, weil ein verdichtetes Centrosom keine Aspiration ausübt, nur ein in Auflösung begriffenes (vgl. die stärkere Ausbildung der Strahlung und die schwächere der Spindel bei thierischen gegen- über dem umgekehrten Verhältniss bei pflanzlichen Zellen). 15) s. z. B. H. Blanc, Festgabe f. Weismann, Ber. natf. Ges. Freibg., N. F., Bd. 8, p. 14 (176) und 18 (180), Astrosphären der beiden Vorkerne (Forellenei),. Seeigelei: R. Hertwig, Sitzber. Ges. Morph. Phys., Münch., 1895; C. C. Schneider, Arb- zool. Inst. Wien, Bd. 9, S. 36 (214); Meves, an. Anz., Bd. 10, S. 639; Mitrophanow, internat. Msch. An. Ph., Bd. 11, S. 355; Wilson a. Matthews, a. a. O., p. 342; van der Stricht, bull, Belg., 3..ser., T. 30, No. 11. 156) Bei der durch den Aspirationszug verursachten Stoffver- armung des Oentrums, die schliesslich zur Vacuolisation desselben führt, werden flüssige Bestandtheile der Zelle aus der Umgebung herbeiströmen, um den entstandenen Hohlraum auszufüllen. Zu diesen gehört auch der Inhalt des Kernes, wofern derselbe nicht, was selten der Fall sein wird, schon zu sehr erschöpft oder zu weit entfernt ist. Daher wird auch Kernmasse in den ver- ödenden Mittelpunkt der Stoffvertheilung treten, und dies um so leichter, wenn etwa die Verbindung zwischen Sphäre (Knospe) und Kern noch nicht völlig unterbrochen ist (die Kernmembran löst sich dabei auf, wird vielleicht auch gesprengt, s. zool. Ctrbl., 3. Jgg., S. 269, Ref.). Dieser Kernstoffstrom wird bei der Differenzirung des Kerninhalts kein einheitlicher, sondern aus vielen Einzelströmcehen zusammengesetzt sein (vgl. hier Mit. u. Amit., S.25 und OÖ. Hertwig, morph. Jahrb., Bd. 4, T.18, Fig. 18e [a, b] und S. 163), was sich in einer Längsstreifung desselben aus- sprechen wird (Spindelhälfte, s.Mit. u. Amit, S. 34). (Eine solche Streifung giebt neben der zipfelförmigen Ausziehung des Kerns [Vorkerns] und dem raschen Verschwinden seiner Nucleolen auch Mark Veranlassung, an eine Verwendung seines Materials für die Bildung der Polstrahlen [und „der Spindel“] zu glauben, a. a. O., p- 228). Ausser dieser Entwiekelungsweise der Spindel, die viel- leicht für die Fälle ausschliesslich anzunehmen, wo die Strahlung fehlt (manche pflanzliche Objecte z. B.), ist noch eine solehe aus Radien selbst denkbar (s. Mit. u. Amit. S. 35). Bemerkt sei, dass Platner ebenfalls in den Spindelfasern eine Strömung nach den Polen zu annimmt, a. a. O., S.3S0ff. s. ferner van der Stricht, anat. Anz., Bd. 9, Ergzh., Vhdl. anat. Ges., p. 228. Dass die Spindelfasern den Polen „Nahrung“ zuführen (vgl. oben Bem. 68), dürfte auch aus dem nach den Enden breiter werdenden dunklen Axenstrang der „Zugbändehen“ (s. oben Bem. 138) hervorgehen, der einige Aehnlichkeit mit dem axilen Nahrungsstrom der Saug- röhrehen der Acineten hat (würde besser mit der Radiennatur stimmen), sowie aus dem Umstande, dass die Karyosomen sich allmählich verkleinern (Platner, a.a. O., S. 355: Strasburger, zool. Ctrbl., 3. Jgg., S. 312; Mark, a. a. O., S. 228). s. noch Blatiner, a.22 078 DENE Rn IH SB len ara OFTEN Fig. 10 A; die neuen Befunde von Schaudinn bei Heliozoen, Vh. dtsch. zool. Ges., 6. Jahresvers., Fig. 3 und 21, sowie Mit. u. Amit. S. 46, Bem. 2. — Der Strahlenkegel der Spindelfasern ruft eine Anzahl bekannter Bilder in’s Gedächtniss, z. B. die Streifenzone unterhalb der Sareodegeissel der Tripyleen (R. Hertwig, Jena’sche Dkschr., Bd. 2, Rad., T. 10, Fig. 10; Häckel, Rad., 3. u. 4. Thl. — Phaeodina, Aulactinium, Aulocera, Aulospathis, Dietyocha, Coeloplegma), die „Wurzeln“ der Cilien und Sinneshaare (s. z. B. Flemming, Arch. mikr. An., Bd. 6; Simroth, Z. wiss. Zool., Ba. 26, Fig.2b; Mit. u. Amit., S. 29, Bem. 1). Auch die fibrilläre Ausbreitung des Axencylinderfortsatzes an der Polstelle der Ganglienzellen (s. z. B. Flemming, a. a. O., Bd. 46, Fig. 5, 6 und 12; Leydig, Zelle u. Gew., T.1, Fig. 2) dürfte hier Erwähnung finden. Ja, man könnte weiterhin auf den Gedanken kommen, den Axenceylinderfortsatz selbst (vgl. die Querstreifung desselben, die eine Figur bei Dogiel besonders schön wiedergiebt, anat. Anz., Bd. 11), wie auch die erwähnte Sarcodegeissel, mit der Polstrahlung, die ja häufig keine allseitige, sondern auf die Umgebung der verlängerten Spindelaxe beschränkt ist — v. Be- neden unterschied bekanntlich auch in der allseitigen Strahlung an dieser Stelle ein besonderes (stärkeres) Bündel, den eöne an- 22 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 2. wöhnliehe Körner können sich in Bläschen verwandeln. 157) tipode — in Parallele zu setzen (bei Heliozoen kann gleichfalls eine beschränkte Strahlung vorkommen, s. F.E. Schulze, Arch. mikr. An., Bd. 10, Actinolophus). Ausserdem sei an die An- sehauungsweise von van Gehuchten (und Ramön y Cajal) er- innert, der den Axeneylinderfortsatz als eellulifuge (die Dendriten oder Protoplasmafortsätze als cellulipete, vgl. die Theorie von Golgi) bezeichnet. Auch hier lässt sich eine Parallele mit einem Protisten ziehen, nämlich einem monothalamen Wurzelfüsser, in- sofern der Axeneylinderfortsatz (vgl. hier Bütschli, Z. wiss. Zool., Bd. 28, S. 52, Tentakel der Acineten) wieder der Pseudopodien- strahlung, die Protoplasmafortsätze den Protoplasmabrücken, die den Weichkörper mit dem Fundus der Schaale verbinden (vgl. Rabl, anat. Anz. 1389, Ergh., S. 46, sowie Fig. 123, T. 6 bei Leydig, Zelle u. Gew.), entsprechen würden. — Vgl. endlich noch die „Morgensternform“, welche Kölliker bei der Sperma- togenese (Beitr. z. Ktn. Geschl.vh. wirbell. Th. 1841, s. auch ebd. Fig. 16a |b und e]) erwähnt. 157) Man vgl. Frommann, Jena’sche Z., Bd. 9, S. 286 ff.; Eimer, Arch. mikr. An., Bd. 8; Fr. Cramer, Würzbg. Vhdl., N. F., Bd. 1, 1869 (Dotterbläschen — ausgedehnte Dotterkörner); H. Ludwig, Würzb. Vh., N. F., Bd.7, 1874, S. 188 (Gegenbaur); Heitzmann, Wien. Sitzber., m.-nw. Cl., Bd. 67, III, 4, S. 104. G. Sehlater, Arch. mikr. An., Bd. 44, J. Raum, ebd. eitirt; Blochmann, Heid. Jub.schr., S. 145. Leydig sah hohle sarcous elements (bei Myriopoden), Zelle u. Gew., S. 140ff. Derartige Körper haben dann häufig das Aussehen, als sei ihre Hülle (oder sie selbst) gequollen (Oedematinkörner?), was ja mit dem Austritt des Inhaltes stimmen würde (nach den Vorgängen am Kern). =. Raum und Schlater, a.a.0.; J.E.S. Moore, ann. a. mag. n.h., 6. ser., vol. 11, Pl. 12, Fig. 1 (Amoeba; in radiären Zügen vom Kern ausgehende Blisshen)), ähnlich Greeff, biol. Ctrbl., Bd. 11, S. 606 (Glanzgranula). Auch an Seeretbläschen kann man erin- nert werden, ebenso an die „wasserhellen Bläschen“ (= Kerne) der Radiolarien (R. Hertwig, z. Hist. d. Rad., S. 14 ff.). Biswei- len ist der Eindruck der, als ob die sich ablösende Kernmasse gleich von Anfang nur gering sei, etwa in Folge stärkerer Ueber- reizung des Kerns, wofür das compacte Aussehen und die Hieher sind vielleicht manche von den Fällen zu rechnen, wo zwar — im Gegensatz zum vorigen Fall — ein Cen- trosom, aber keine Strahlung, vorhanden.!5®) Hier würde also die Lockerung und Vertheilung des Korns (Centrosoms) ausschliesslich durch Vaeuolisation in der Weise, wie wir es oben beim Kern sahen, nämlich durch allmählichen, unmerklichen Austritt des Kerninhaltes, des chromatischen Wandbelages durch die Poren der ge- dehnten, hier wohl ebenso wenig fehlenden Bläschen- wand oder durch Platzen der letzteren erfolgen. Auch an den Körnern der Chromatinschlingen vollzieht sich bei der „Wiederherstellung des Kerns“, wie bekannt, eine exquisite Hohlraumbildung'?®) und Aufblähung, bisweilen gleichfalls neben Ausläuferbildung — = Strahlung — (Rabl) 16), Wie die Strahlung des Kerns geht auch die der Astrosphäre an ihrem Umfang ganz allmählich in das Netz- werk des Zellplasma über !%) (region asteroide, van Be- neden). (Fortsetzung folgt.) dieke Hülle des letzteren (wie der Knospe) sprechen könnte (s. Moore, a. a. OÖ... Auch können sich umgekehrt „Bläschen“ in solide Körner verwandeln (Differenzirung), s. z. B. Holl, anat. Anz., 8. Jgg., S. 123. Nach List, Jarisch und Winkler ent- wiekeln sich die Pigmentkörner des Embryo aus den Dotterbläs- chen (Jarisch, Wien. klin. Wschr., 1892). — s. noch Scharff, a. a.0., p. 59. (Der Hohlraum im Nucleolus kann ebenfalls wieder verschwinden, s. oben Bem. 119.) 158) s, oben Bem. 149. 15%) Nach Heuser, a. a. O., S. 92 eine „Auflockerung“. 10) Morph. Jahrb., Bd. 10, S. 323. 161) 8. z. B. van der Stricht, bull. Belg., 3. ser., T. 25; Hermann, Arch. mikr. An., Bd. 37, T. 31, Fig. S—-10, 12; Bür- ger, anat. Anz., 6. Jgg., S. 487; K. Fool, j. of morphol., vol. 9, Fig. 1 und 3; Eismond, a. a. O,, S. 236. Zu der Erscheinung des Seeschiessens (vergl. „Naturw. Wochenschr.“ XII, No. 36, S. 430) theilt Herr Reetor Härter aus Meersburg in der „Umschau“ (Frank- furt am Main) interessante am Bodensee angestellte Beob- achtungen mit, die ihn zu der Ansicht gebracht, dass die | charakteristischen dumpfen Detonationen auf das Platzen von Gasblasen zurückzuführen sind, welche aus Ver- wesungsproducten von am Boden des Sees lagernden Fischleichen ausgehen. „Im Bodensee leben bekanntlich mehrere Arten grösserer Fische, wie der Hecht, die Fo- relle und namentlich der Wels, welcher ein Gewicht von nahezu 2 Centner erreichen kann. Der grösste Theil dieser Seeriesen geht im See zu Grunde. Da nun diese Fischleichen bei ihrer Verwesung nicht an die Oberfläche des Sees geworfen werden, sondern in der Tiefe in Ver- wesung übergehen, wird sich tagtäglich der oben be- schriebene Vorgang wiederholen. Die Fischleichen füllen sich in der Verwesung naturgemäss mit Gas und zwar solange, bis sie schliesslich platzen. Die ausströmenden Gase steigen in Kugelform in senkrechter Richtung an die Oberfläche des Wassers, woselbst sie ebenfalls platzen und hierdurch den stossweisen, an Stärke immer abneh- menden Schall, das „Seeschiessen“, hervorbringen. Ueber- einstimmend mit diesem Vorgang ist das beim Seeschiessen beobachtete Aufwirbeln des Wassers; ferner die Wahr- nehmung, dass zuerst ein stärkerer Schall, an welchen sich immer schwächer werdende Schallerscheinungen an- schliessen, zu vernehmen ist. Auch die Wahrnehmung, dass die eigenthümlichen Schallerscheinungen nur bei ruhigem See gehört werden, lässt sich mit dem beschrie- benen Vorgang in Einklang bringen, denn nur bei ruhigem See können die aufsteigenden Gaskugeln senkrechte Rich- tung beibehalten und so, ohne von den Wellen zerdrückt zu werden, als Kugeln an der Oberfläche des Wassers platzen und die Schallerscheinungen des Seeschiessens bewirken. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ordentliche Professor der Anatomie in Berlin Dr. Osear Hertwig zum Geh. Medieinal-Rath; der ausserordentliche Professor für Hals- und Nasenkrankheiten in Berlin Dr. Fränkel zum ordentlichen Professor; der Privatdocent der Philosophie in Berlin Dr. Lasson zum ordentlichen Honorar- Professor; der Privatdocent für Halskrankheiten in Berlin Dr. Benno Baginsky zum Professor. Es habilitirten sich: Dr. A. Kossler für innere Mediein in Graz; Assistent L. Hecke für Pflanzen-Pathologie an der Wiener Hochschule für Bodenkultur. Es starb: Der Kölner Forschungsreisende und Ethnograph Prof. Dr. Wilhelm Joest auf der Insel Santa Cruz. Wissenschaftliches Theater der Urania. Abtheilungsvor- stand: Herr W. Kranz. ‚Der dunkle Erdtheil.“ Dekorativer Vortrag von Dr. Georg Wegner. Dioramen und scenische Ausstattung von den Malern H. Harder, H. Hartmann und W. Kranz. Vorgetragen von Herrn G. Thies. Einen Tag vor Weihnachten hatte die „Urania“ in Berlin zur Theilnahme an einer Premiere eingeladen. Der Text, im besten Sinne des Wortes populär, vermied Ueberschwänglichkeiten und brachte dafür in angemessener Form Thatsachen, sodass die lernlustige Jugend profitiren und mancher Aeltere diese oder jene Einzelheit repetiren konnte. Die beigegebenen Dioramen und scenischen Ausstattungen, die den Vortrag angenehm und instruetiv beleben, sind ganz prächtig. Es sind deren nicht weniger als 17, nämlich: 1. Die Citadelle von Cairo und die Mamelucken-Gräber. 2. Nil-Ufer und die Pyramiden von Giseh. 3. Erster Katarakt des Nils bei Assuan. 4. Vereinigung des blauen und des weissen Nils; Chartum, 5. Die Papyrus-Ufer und Gras- barren des Nils. 6. Die Riponfälle im Mondlicht. 7. Der Albert Nyansa. 8. Der Kilima-Ndscharo. 9. Ostafrikanische Savanne mit Thierleben. 10. Im: Urwald des Uörre. 11. Vogelleben am Kivusee. 12. Der Kinunga-Vulkan. Zeltlager des Grafen von XIII. Nr. :2. Naturwissenschaftliche Wochenschrift, 23 ne ee zz — Götzen. 13. Die Vietoriafälle des Sambesi. 14. Die Kalahari- Wüste und die Wilwitschia mirabilis. 15. Diamantgrube am Kimberley. 16. Ein Kaffernkraal. 17. Die Kapstadt mit dem Tafelberge. Wie aus dieser Reihenfolge hervorgeht, handelt es sich um eine Durchkreuzung Afrikas von Nord nach Süd, eine Reise, die freilich in der Praxis noch nicht zur Ausführung gelangt ist. An der Hand dieses Fadens bespricht Verfasser die allerwichtigsten, sich an die angegebenen Oertlichkeiten knüpfenden geographischen Natur- erscheinungen und kulturgeschichtlichen Reminiscenzen in wohl- thuender, ruhiger Form. Litteratur. Die Festschriften der 69. Versammlung Deutscher Natur- forscher und Aerzte zu Braunschweig 1897. Die diesjährige Naturforscherversammlung hat den Theilnehmern nicht weniger als 5 Festschriften übermittelt, welche sämmtlich und zwar zu den nachstehenden verhältnissmässig sehr geringen Preisen noch käuflich zu haben sind: 1. Die Städtische Festschrift „Braunschweig im Jahre 1897* (Verlag von Joh. Heinr. Meyer, Braunschweig) zu Mark 10. 2. Die Festschrift der Herzogl. technischen Hoch- anne (Verlag von Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig) zu Mark 6. 3. Die Medicinische Festschrift „Beiträge zur wissenschaftlichen Mediein“ (Verlag von Harald Bruhn, Braunschweig) zu Mark 6. 4. Die Festgabe Braunschweig „Einst und Jetzt (Ver- lag von Albert Limbach, Braunschweig) zu Mark 3. 5. Der Fest-Gruss des Vereins für Naturwissen- schaft (Verlag der Schulbuehhandlung, Braunschweig) zu M. 1,50. No. 1 „Braunschweig im Jahre 1897“ ist von Professor Dr. med. Rudolf Blasius herausgegeben und bildet eine um- fassende Eneyklopädie der heutigen Stadt und ihrer Umgegend. Dieselbe umfasst 634 Seiten in Grossoktay und ist vom litterari- schen Ausschuss unter Mitwirkung der städtischen und staatlichen Behörden sowie mehrerer Vereine (V. für Naturwissenschaft, Aerztlichem Kreisverein und Verein für öffentliche Gesundheits- pflege) hergestellt worden. Nach einem trefflichen Ueberblick der geschichtlichen Entwickelung Braunschweigs werden sämmt- liche, den Arzt und Naturforscher besonders interessirende Zu- stände und Einrichtungen: die Naturverhältnisse, die Bevölkerungs- bewegung, die Wohnungsverhältnisse, die Nahrungs- und Wasser- versorgung, Krankenanstalten und Krankenpflege, öffentliche Ge- sundheitspflege und Sicherheit, Wohlthätigkeitsanstalten, Schul- wesen, Sammlungen und Bibliotheken, wissenschaftliche und Fachvereine in ausgedehnter Weise berücksichtigt und sodann noch ein Gesammtbild der wirthschaftlichen Verhältnisse, des Verkehrs, des Handels, der Industrie und der Kunstpflege bei- | gefügt. Besonderer Werth wurde auf die Beigabe zahlreicher Tafeln und Abbildungen, sowie auf eine vorzüglicbe Ausstattung gelegt, auch ist jedem Abschnitt die einschlägige Litteratur bei- gefügt. So hat dieses monumentale Werk eine Bedeutung weit über den Rahmen einer Festschrift hinaus und bildet eine Quelle reichster Belehrung für Jeden, der in naturhistorischer, sanitärer, wirthschaftlieher oder kulturhistorischer Hinsicht sich näher mit Braunschweig und seiner Umgebung zu beschäftigen hat. Dem Naturforscher liegen naturgemäss die Natur-Ver- hältnisse der Gegend von Braunschweig (Abschnitt2) am nächsten: er findet hier zunächst eine vor- und frühgeschicht- liehe, sowie anthropologische Skizze der Kreise Braun- schweig, Helmstedt und Wolfenbüttel von Riehard Andree, die geologischen Verhältnisse der näheren Umgebung be- handelt J. H. Kloos, die topisch-geographischen Verhältnisse des nördlichen Braunschweig W. Petzold (7 1897), die Flora des- ‚ selben Gebietes hat F. Kretzer bearbeitet, während an der Fauna vier Speeialforscher (W. und R. Blasius; F. Gra- bowsky. V. von Koch) und der Verein für Naturwissenschaft gearbeitet haben, über das Klima speciell der Stadt Braunschweig liefert F. Klages einen gehaltvollen Aufsatz, doch ist es hier es möglich, auf diese sämmtlichen Einzelarbeiten näher einzu- gehen. No. 2, die Festschrift der „Herzoglich technischen Hochschule Carolo-Wilhelmina“ ist den naturwissenschaft- lichen Theilnehmern der Braunschweiger Tagung vom Herzoglich Braunschweigischen Staatsministerium gewidmet und stellt gleich- falls einen hocheleganten, 464 Seiten umfassenden Band dar, in welchem 14 Mitglieder des Lehrkörpers der Carola-Wilhelmina einzelne Abhandlungen aus den Gebieten der Mathematik, der Inhalt: Dr. Fürst: Reise durch Javas unabhängige Fürstenländer. — A. Kobelt: struetur, — Erscheinen des Seeschiessens. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Naturwissenschaften und Etnographie ausgearbeitet haben. können nur die Titel derselben eine Stelle finden: R. Dedekind, Ueber Zerlegungen von Zahlen durch ihren grössten gemeinsamen Theiler; R. Müller, Beiträge zur Theorie des ebenen Gelenk-Vierecks; R. Fricke, Ueber den arithmetischen Charakter gewisser Netze von unendlich vielen Kongruenten- Vierecken; H. Weber, Ableitung der Gleichgewichtsgleichung der Nadel im Rotationsinduetor; M. Möller, Ueber die fort- schreitende Geschwindigkeit von Wellen mit einer longitudinalen Schwingung der Elemente; A. Vierkandt, Die Entstehungs- gründe neuer Sitten; F. Knapp, Die wissenschaftlichen An- schauungen über die Gerbeprocesse in ihrer Entwickelung; Richard Meyer, Ueber einige Beziehungen zwischen Fluorescenz und ehemischer Constitution; J. Tröger, Ueber das ätherische Oel der Angosturarinde; J. Tröger, Ueber die Einwirkung von alkoholischem Kaliumsulfid und alkoholischem Kaliumsulfohydrat auf symmetrische Dibromsubstitute von Sulfonen; J. H. Kloos, Die tektonischen Verhältnisse des norddeutschen Schollengebirges auf Grund der neuesten Tiefbohrungen im Leinethale und bei Hannover, sowie die Gliederung des Salzgebirges daselbst; W. Blasius, Neuer Beitrag zur Kenntniss der Vogelfauna von Celebes; R. Blasius und H. Berkurts, Ueber die centrale Wasserversorgung der Gemeinden des Herzogthums Braunschweig; P. Degener, Ueber den Einfluss der Temperatur auf die Acidität einiger Säuren. Indem wir auf No. 3, die Medieinische Festschrift, als den Lesern dieser Zeitschrift ferner liegend, nicht weiter eingehen, sei über die beiden anderen Festgaben noch kurz berichtet. No. 4, „Braunschweig einst und jetzt“, ist eine fein- sinnige Ergänzung zu No. 1. Dieselbe ist von Bürgern und Bürgerinnen dem „Verein von Freunden der Photographie zu Braunsehweig“ den „deutschen Naturforschern und Aerzten und deren Damen gewidmet. Eine reizende Novelle von Julie Dede- kind führt in die 19. Tagung vom Jahre 1841, den damaligen Stand der Forschung einerseits, den der Stadt Braunschweig anderer- seits skizzirend. Zahlreiche trefflicehe Ansichten der vielen inter- essanten und merkwürdigen Gebäude der alten Hansastadt bilden eine schöne Erinnerung für die Theilnehmer, zumal sämmtliche 28 Tafeln in sachkundiger Weise von Fr. Knoll mit ausführlicheren Erläuterungen versehen wurden. No. 5, „Festgruss des Vereins für Naturwissenschaft zu Braunschweig“ (mit 2 Tafeln), enthält in der Widmung eine Ge- schichte dieser seit 1862 bestehenden Vereine vom Vorsitzenden Wilh. Blasius und drei wissenschaftliche Abhandlungen: 1. J. H. Kloose, Die Kohlenfelder im Bonater Gebirge (Süd- karpaten), 2. Johannes Fromme, Zweite Mittheilung über den Kalkspat im Korallenkalk (Korallensolith bei Bremke am Ith; 3. Wilh. Blasius, Megalithische Grabdenkmäler des nordwest- lichen Deutschlands. In diesen hier nur kurz angeführten Veröffentlichungen haben die wissenschaftlichen und künstlerischen Kräfte der neuerdings mächtig emporblühenden Stadt Braunschweig den Beweis er- bracht, welche Fülle von Kräften hier in freudigem Schaffen sich tummeln, gestützt und gefördert durch einsichtsvolle, der voran- schreitenden Entwickelung überall Reehnung tragende staatliche und städtische Behörden! Braunschweig kann in vieler Hinsicht anderen Gemein- und Staatswesen als leuchtendes Vorbild dienen. Fr. Regel. Hier Preis-Verzeichniss von Dr. Ed. Kaiser’s Institut für Mikroskopie, Berlin SW 47. 1897/98. — Das umfangreiche u. reich- illustrirte Preis-Verzeichniss giebt dem Interessenten über Alles das, was zur mikroskopischen Technik gehört, Auskunft. Nicht nur eigene, sondern auch die Apparate fremder Firmen, die das Institut ebenfalls in Vertrieb hat, werden vorgeführt; auch Rea- gentien u. s. w., Special-Colleetionen pflanzenhistolologischer Prä- parate werden von der Firma angeboten. Schröckenstein, Ob.-Insp. Bergingen. Frz., Silicat-Gesteine und Meteorite. Prag. — 4 M. Stichtenoth, Dr. Alb., Untersuchung über die Bahn des Co- meten 1822 IV. Leipzig. — 4 M. Strasburger, Prof. Dr. Ed., Das kleine botanische Praeticum für Anfänger. Jena. — TM. Spencer, Herb., System der synthetischen Philosophie. 2. Abth. (Schluss.) Stuttgart. — 10 M. Violle, Prof. J., Lehrbuch der Physik. 2. Theil. Akustik und Optik. 2. Bd. Geometrische Optik. Berlin. — 9,20 M. Wüllner, Adph., Lehrbuch der Experimentalphysik. 5. Aufl. 3. Band. Leipzig. — 18 M. IX. Bd. Zur Theorie der Protoplasma- und Zell- Die Festschriften der 69. Ver- sammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braunschweig 1897. — Preis-Verzeichniss von Dr. Ed. Kaiser's Institut für Mikroskopie. — Liste. 24 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 2. © Gewinnbetheiligung ! 25 | Milk Sp Bedentender Rabatt! Sauerstoff. - ’ ” = S Neues Prinzip für Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Ele \4 „EA 2 Massenbetheiligung 2 P i ' BL 5.0.26. A industriellen Gans & Goldschmidt, Dünnschliffe [o) nternationaler Verein nternehmungen. Berlin N., Auguststr. 26. von Gesteinen pro Stück 70 Pfeg. 5 zur garen Verwertbung yon Patente lan, | Gefeechlche Antaı uns mehanlce |frtigt an Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, participirt am Reingewinn und er- hält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabricirten Artikel. Wer- Prospekte durch den Vorstand. mE 00000 90°0092002000000 00090000 000000000900 Dr. Robert Muencke Luisenstr. 58. BERLIN NW. WLuisenstr. 58. ® Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate & ® und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. ® A ST I N I TS SE ST SS I I I I I I 77 gerd. Dümmlers Derlagsbunhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerft. 94. | x Das Ziuich Deftts. Die Urevangelien. Neu durhhgefehen, neu überfeßt, geordnet und aus den Urjprachen erklärt von Wolfgang Rirdbad;. Dftav-Ausgabe 184 Geiten 1,50 M., eleg. geb. 2,25 M. Volks-Ausgabe 156 Geiten gebunden 70 Pfennig. u ® 2 7 +) 28as lebrte Sefts? Von Wolfgang Bircdbad). 256 Seiten Dftav 5 M., eleg. gebunden 6 M. rufe Antworten anf Finderfragen, Ausgewählte Kapitel aus einer praßfifhen Pädagogik fürs Haus von Dr. phil. Adolph Benzig, Dozent an der Humboldt - Akademie in Berlin. 248 ©. groi DOftav. Preis geh. 2,30 M., geb. 3,60 M. Die Charakteristik der Tonarten. Historisch, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. 136 Seiten Octav. — Preis 2,40 Mark. ® 54 5 “ “ “ 54 999999 Zwei Uvevangelien. N Carl Zeiss, el — Optische Werkstaette — & Jena. N Mikroskope mit Zubehör. Mikrophotographische Apparate. Photographische Objective. Mechanische und optische Messapparate für physikalische und chemische Zwecke. Neue Doppelfernrohre für Handgebrauch. Astronomische Objective und astro- optische Instrumente. Cataloge gratis und franco. 5 BESTEIS Spezialität: Elektr. Messinstrumente, Normal-Elemente, Normal- und Praeci- sionswiderstände, nach den Modellen der Physikal. Techn. Reichsanstalt.— Normal- Volt- und Amperemeter, Spiegelgalvano- meter, Physikalische Lehrmittelapparate. Einrichtung von Laboratorien. Franz Bartels, Patent- u. technisches Bureau, Berlin SW., Yorkstr. 19! Billig, sorgfältig, schnell. eelle Bedienung. Theob. Botz I. Gimsbach a. Glan. (Rheinpfalz.) Gebrauchte Gasmotoren DAM-PF- und DYNAMO- MASCHINEN garantirt beitiebsfähig in allen Grössen ‘sofort lieierbar Elektromotor, s.n.v.x EEIBEDSTEISTE ‚Schinbauerdamm 21 Berlin.NW. Das optische Institut a Einführung in die Blütenbiologie In Ferd. Dümmlers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 12 erschien: je D: auf historischer Grundlage. 1% Paul Wächter en NR Berlin - Friedenau E. Loew, Professor am königl. Realgymn. in Berlin, er als Spezia-f | 444 Seiten gr.8. Preis6M.,geb.7M. itäten seine >» Nikroskope OB90099980900000000000®0 ud #|Hempel’s Klassiker-Ausgaben. photogr, Onjektivel Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dimmlers Verlagsbuchhandl. 0009000000909 0000000006 Zerd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 2. Emlobffobba. Aoman oder Wirkligkeit? Hilder aus dem Sapulleben der Dergangenheit, Gegenwart oder Zukunft. Don Dr. phil. Hermann Liek, Lie. theol. 200 Seiten gr. 8° und 22 Tafeln in Autotypie. Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. N Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. | Max Steckelmann, | Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 33. Photo:7?rhische Stativ- und Hand- „ Cameras. Gediegene Ausstattung. SEE” Sämmtliche Bedarfsartikel. = | Spee.: Steckelmann’s Zusammenlegbare | Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! | Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. lungen der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). m Preislisten gratis — und franko. Preig 3 Mark. ._ m m m z mrıumırzır> « om Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. -- Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. die naturwissenschaftliche ung -ufgiebt an weltum- MM fasenden Ideen und an locken- R_ den Gebil'en der Phantasıe, wırd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, derihre Schöpfungen schmückt, Schwendener. art ©. | = Redaktion: Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XI. Band. | Sonntag, den 16. Januar 1898. IN Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist A 4.— [olo sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Bringegeld bei der Post 15 „ extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. J Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Untersuchungen über den Fall eines schweren Systems. Von A. N. LjubimoffY, weiland Prof. der Physik an der Universität Moskau. Uebersetzt mit gütiger Genehmigung der Redaetion der Zeitschrift des russischen Cultusministeriums von S. Levinsohn. Der Unterschied zwischen den Zuständen der Ruhe | jede Gesammtheit von Punkten anwendbar, wobei man und Bewegung wird durch nichts angedeutet, wenn die | dieselbe als etwas Ganzes, ein mechanisches System bil- Bewegung eine gleichmässige und geradlinige ist. Der | dendes, betrachten kann. Die allen diesen Punkten ge- Stoff selbst verhält meinsame gerad- sich indifferent zur linige und gleich- Ruhe und Bewe- mässige Bewegung gung. Dermaterielle offenbart sich nicht Punkt trägt nicht durch eine physika- in sich die Ursache lische Erscheinung. der Veränderung Und jene Bewe- seines Zustandes. gungen im System, Es ist eine Wirkung welche durch das Zu- von aussen erforder- sammenwirken der lich, damit eine das System bil- solehe Veränderung denden materiellen vor sich gehe und Punkte entstehen, der materielle Punkt gehen so vor sich, von seinem gerad- als wenn das System linigen Wege abge- sich in Ruhe be- lenkt werde oder fände; und da damit er einen — äusserliche Anzei- positiven oder nega- chen, die geome- tiven — Zuwachs trisch von der Ver- an Geschwindig- schiebung Zeugniss keit erhalte. ablegen, nicht vor- Wir kennen in handen sind, so der Natur keine ab- könnte ein ver- solute Ruhe. Alle nünftiges Wesen, materiellen Punkte im System ein- befinden sich in Be- geschlossen, wie wegung, und alle scharfsinnig sein physikalischen Er- Verstand auch sein scheinungen sind eben Veränderungen dieser Bewegung. | mag, kein Merkmal dieser allgemeinen Bewegung des Und dabei gerade Veränderungen, weil die Bewegung | Systems wahrnehmen. So das Gesetz der Bewegung, selbst kein physikalisches Merkmal besitzt. von Galilei angegeben, und seit Newton das Das vom materiellen Punkte Gesagte ist auch auf | zweite Gesetz der Bewegung genannt. Das Gesetz 26 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 3. wird beobachtet auf Schiffen, Waagen und anderen Systemen. Anders aber verhält es sich, wenn die allgemeine Bewegung des Systems eine veränderliche ist. Eine solche Bewegung offenbart sich physikalisch. Man kann in diesem Falle nicht mehr sagen, dass das Gegeneinanderwirken der das System bil- denden materiellen Punkte sich so vollzieht, als wenn das System sich in Ruhe befände: es gehen da Erscheinungen vor sich, die eine speeielle Untersuchung in jedem be- sonderen Falle verdienen. Gehen wir nun näher auf die Er- scheinungen ein, die in einem System schwerer Körper sich vollziehen, Hier können also zwei gänzlich von einander ver- schiedene Fälle vorliegen. Erstens kann sich ein solehes System gleichmässig und geradlinig bewegen, zweitens kann es fallen oder, beim Wurf, sich erheben im Zustande der veränderlichen Bewegung, als Folge der Wirkung der Schwerkraft. Stellen wir uns einen Luftballon vor, der sich mit gleichmässiger Bewegung ver- tikal erhebt oder senkt. Die Erscheinungen werden auf ihm gerade so vor sich gehen, wie auf einem sich bewegenden ‚Schiff, oder überhaupt auf einem System, das dem zweiten Gesetz der Bewegung unterstellt ist. Ein Gefäss, das aus der Hand gelassen wird, fällt auf den Boden des Fahrzeuges, das Wasser fliesst aus dem Gefäss heraus, gerade so wie auf der Oberfläche der Erde. Stellen wir uns jetzt aber den anderen Fall vor, dass ein System mit Körpern, die in ihm ein- geschlossen sind, fällt, sich also gleichmässig beschleu- nigt bewegt, oder nach oben geworfen wird, also gleichmässig verlangsamt. Jetzt werden wir ganz andere Erscheinungen wahrnehmen. Vielen wird wohl die phantastische Erzählung von Jules Verne „Die Reise nach dem Mond“ bekannt sein, wo mehrere Beobachter in einem Ge- schoss von der Erde auf den Mond geschleudert werden. Von den Hun- derttausenden der Leser dieser Er- zählung wird aber mit wenigen Aus- nahmen keiner beobachtet haben, dass die interessanteste Thatsache der ganzen Erzählung auf einem physika- lischen Irrthum beruht. Jules Verne beschreibt nämlich die Vorgänge im Geschoss so lange, bis es den so- genannten „eentralen Punkt“ erreicht hatte, (dort wo die Anziehung der Erde der ‘des Mondes gleich wurde), ebenso, als ob das Geschoss sich ähn- lich wie ein Ballon mit gleichförmiger Geschwindigkeit erhoben hätte, und weist als auf eine auffallende Besonder- heit des neutralen Punktes, welche die Beobachter in Staunen versetzt habe, darauf hin, dass alle Körper im Innern des Geschosses ihr Gewicht verloren hätten und ohne zu fallen, an der Stelle geblieben wären, wo sie sich gerade befanden. — In meinem Lehrbuch der Physik schrieb ich (Ausgabe 1876, Seite 44) unter anderen Aufgaben: „Man zeige, dass eine solche Erscheinung (der Gewichtsverlust) nicht nur in diesem neutralen Punkte stattfindet, sondern dass sie auf dem ganzen Wege zu beobachten sein wird, und dass man die Bewegung eines geschleuderten Geschosses nicht mit der Bewegung eines Luftballons, der sich empor- hebt, vergleichen kann: Die einzelnen Theile des Ge- schosses fliehen nicht, weil sie von den andern mit- gezogen werden, sondern in Folge der Wurfkraft; sie bewegen sich alle mit der- selben Geschwindigkeit, und es ist gar kein Grund vorhanden, dass der eine Theil gegen den anderen zurückbleibe.“ Zwei aneinander- gesetzte Körper werden sich weder beim Fall noch beim Wurf scheiden, sie werden sich zusammen bewegen (wir sehen vom Luft- widerstand ab) und werden augenscheinlich keine Wirkung aufeinander ausüben. Aus welchem Grunde sollen sie denn auf ein- ander drücken, auch wenn wir sie anfäng- lich in Berührung bringen? Der untere ebenso schnell zu bewegen wie er selbst. — Ich gehe jetzt zur Beschreibung meiner Experimente über. Das Experiment I will die während des Falles eintretende Veränderung in dem Aufeinanderwirken zweier schwerer Körper, von denen der obere auf den unteren einen Druck ausübt, zeigen (Fig. 1 und 2). Der Ver- such wird ausgeführt mittels eines fallenden Apparates mit einem metallischen Diskus @, Fig. 3. auf welchem sich der metallische Cylinder P befindet. Zwischen Cylinder und Diskus sieht man eine Spiralfeder, welche der Cylinder zu- sammendrückt; wenn der Apparat fällt, be- kommen wir eine beschleunigte Bewegung, und der Cylinder hört auf, auf den Diskus einen Druck auszuüben. Die Wirkung der Spiralfeder aber bleibt be- stehen. Der Zwischenraum zwischen den Diskus und dem Cylinder wird dadurch vergrössert: der Oylinder wird gegen den Diskus in die Höhe ge- trieben. Man kann das auf folgende Weise zeigen: Der Apparat fällt an zwei Fäden, die über eine doppelte, oben an einem vertikal befestigten Brette angebrachte Rolle gehen. Der Cylinder P ist durch einen umge- bogenen Hebel RN mit dem Zeiger Z aus leichtem Carton verbunden. Wenn der Cylinder auf dem Diskus ruht, steht der Zeiger vertikal. Entfernt sich der Cylinder, so wird der Zeiger durch den Hebel gedreht, bis er eine horizontale Lage annimmt. Das ge- schieht beim Falle, und alle Zuschauer können leicht bemerken, wie der Zeiger Z aus der vertikalen in die horizontale Richtung gelangt. Experiment I. Wenn der Druck des oberen Körpers auf den unteren beim Falle schwindet, dann ist die Frage nahe gelegt, ob nicht auch der hydrostatische Druck der oberen Schichten einer Flüssigkeit auf die unteren aufhört (Fig. 3, 4 und 5). Eine Antwort darauf giebt folgender Versuch. Ein zweischenkliges Rohr ist an einem Brette befestigt, mit welchem zusammen es fallen kann. Das Brett wird von zwei Fäden getragen. Das Rohr enthält im dem verschlossenen Schenkel « Luft, in dem anderen offenen, der mit dem umgebogenen Ende in das Gefäss b gerichtet ist, Quecksilber. Beim Fall des ganzen Körper wird den oberen nicht verhindern, sich. XII. Nr. 3. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 27 Apparates hört die Wirkung des Quecksilbers, durch welches die Luft eomprimirt. wurde, auf; die Elastieität der Luft aber wird durch den Fall nicht verändert. Ein Theil des Quecksilbers wird daher aus dem offenen Schenkel in das Gefäss b gelangen. Die zwei anderen Figuren stellen den Apparat in etwas veränderter Gestalt dar. Experiment III. Dieser Versuch fällt in das Ge- biet des Archimedischen Gesetzes, bezieht sich also auf den Druck einer Flüssigkeit auf einen in ihr befindlichen Körper. Das Archimedische Gesetz verliert seine Gültig- keit beim Falle eines Systems: In das Gefäss A (Fig. 6 und 7) mit Wasser sei ein Korken hin- eingelegt. Die Spiralfeder F’hält den Kork gegen die Wirkung des Druckes von unten nach oben, durch welchen der Körper auf der Oberfläche zu schwimmen veranlasst wäre. Beim Falle des Gefässes ist dieser Druck nicht mehr vorhanden und der Kork sinkt nach unten, wie es die Figur zeigt. Die zwei anderen Figuren (8 und 9) zeigen den Versuch objeetiv mit einem Zeiger, der beim Falle in die horizontale Lage gelangt. Experiment IV. Dieser Versuch wird mit einem fallenden Pendel angestellt. Auf einem Brett (Fig. 10) ist ein schwingendes Pendel angebracht. Wenn das Brett mit beschleunigter Bewegung fällt (zur grösseren Regelmässig- keit der Bewegung lässt man sie sich zwischen zwei vertikalen Drähten voll- ziehen, die das Brett mit zwei Haken frei berührt), so bleibt das Pendel, wenn man es am Anfang der Bewegung in schiefe Lage bringt, in dieser, ohne während des Falles Schwingungen auszu- führen. DieSchwingungen wären verlangsamt, wenn der Fall kein freier, son- dern ein verlangsamter wie in der Atwood’schen Fallmaschine wäre. Das Experiment V bezieht sich auf einen ein Stück Eisen oder Eisenpulver anziehenden Magneten (Fig. 11). Auf der Figur sieht man einen Magneten, unter dem eine Eisenplatte in soleher Ent- fernung angebracht ist, dass der Magnet ihr Gewicht nicht zu überwinden vermag, sie also nicht anziehen kann. Während des freien Falles wird die Platte sozusagen ihr Gewicht verlieren; sie wird vom Magneten angezogen und bleibt an ihm haften. Das- selbe geschieht auch mit dem Eisenpulver, das anfänglich in solehe Entfernung vom Magneten gelegt wird, dass die Anziehung desselben nicht im Stande ist, es empor- zuheben. Erscheinungen dieser Art können nicht nur beim freien Fall eines Systems beobachtet werden, sondern auch an einem auf einer schiefen Ebene herabrollenden, ferner auch an einem schwingenden System. Wie mir scheint, können solche Versuche an rollenden oder schwingenden Systemen leichter ausgeführt werden, weil der Beobachter selbst am System Platz nehmen und so besser die Vorgänge erkennen kann. Uebrigens wird es auch auf keine besonderen Schwierigkeiten stossen, ein frei fallendes System, in dem sich der Beobachter be- finden kann, zu errichten, wobei man nur Sorge tragen muss, dass das fallende System (z. B. ein Korb an einem über eine Rolle gehenden Strieke angebracht) auf die Erde ohne Stoss gelange, indem es dann bereits seine Geschwindigkeit eingebüsst haben muss. Das Gebiet der Erscheinungen, auf welche sich meine Versuche beziehen, hat, wie ich glaube, nieht nur ein rein physikalisches, sondern auch physiologisches Interesse. Da die in den festen und flüssigen Theilen des Organismus in Folge der Schwere stattfindenden Drucke sich beim Fallen, Rollen oder Schwingen des Organismus im Verhältniss zu den Zuständen der Ruhe und gleiehförmigen Bewegung sich verändern müs- sen, so werden auch die physio- logischen Bedingungen des Or- canismus dadurch Veränderungen erleiden. Darin ist der Ursprung derjenigen Gefühle zu sehen, die man beim Fallen von einer Höhe, beim Rutschen von einem Berge, beim Wiegen, beim Schwanken des Schiffes auf der See empfindet. Die Erklärung der physiologischen Bedingungen soleher Art Bewegungen des Organismus liegt in den Prineipien, zu deren Beweis ich die besprochenen Versuche ausführte. Ich glaube, dass meine Apparate bei Luft- fahrten nützlich sein wür- den. Ich beabsichtige einen neuen Apparat, einen Beschleuni- gungsmesser, ZU COn- struiren, um überhaupt Veränderungen in der Be- wegung eines Systems wahrzunehmen. Ich will noch hinzu- fügen, dass man, von meinen Experimenten aus- gehend, folgende Bemer- kungen über den Versuch, der im Herbst 1893 die Pariser Akademie stark interessirte, machen kann: Ich meine die „Katzen- frage“ (question du chat), wie man sie nannte. Die Thatsache ist bekannt, dass, wenn man die Katze von einer gewissen Höhe hinunterwirft, es ihr immer gelingt, wie auch ihre anfängliche Lage gewesen sein mag, sich so zu drehen, dass sie mit den Tatzen auf die Erde fällt. Der bekannte Physiologe Marly, der Untersucher des Vogelfluges, kam auf den Gedanken, den Fall der Katze mittels Momentphotographieaufnahmen während der ganzen Zeit ihres Falles zu untersuchen. Man brauchte zur Ausführung dieses Versuches nieht eine grosse Höhe zur Verfügung zu haben. Die Aufnahmen gelangen auch, und man konnte gut sehen, wie die Katze, mit den Tatzen nach oben, aus den Händen gelassen, sich um eine durch ihre Wirbelsäule gebildete Axe dreht, bis die Lage erreicht ist, wo die Tatzen nach unten ge- wendet sind. Vermittels eines Stroboskopes konnte man die verschiedenen Aufnahmen zu einem sich bewegenden Bild vereinigen und klar erkennen, wie die Umdrehung des Im 2 ei Il 28 Körpers vor sich geht. Die Untersuehung der Lage hat zu dem Schlusse geführt, dass die Umdrehung sich nicht, wie viele angenommen, durch die Stütze, die die Katze im Widerstande der Luft findet, vollziehen kann. Sie dreht sich unabhängig von diesem Widerstand und würde sieh ebenso auch im luft- leeren Raum drehen, wenn sie dort lebend N fallen könnte. Von der / mechanischen Seite hat INNE diese Erscheinung die (3) KOMIIRT Aufmerksamkeit vieler & | | | | | Mathematiker auf sich ge- lenkt, die den Versuch machten, sie mit dem | | Prineip der Erhaltung der Ebenen (conservation des aires) in Einklang zu j bringen, obgleich Anfangs | die Erscheinung mit die- | sem Prineipe sich im | | Widerspruch zu befin- | | den schien. Dabei haben | die Untersuchungen von | | Marcel Deprez diesen zu dem Schlusse geführt, dass die Rotation — wir sprechen schon nicht mehr von der Katze, sondern allgemeiner von Körpern wie die Sonne, die Erde — nicht so fest und immanent sei, wie es auf Grund des er- wähnten Prineips zu sein scheine. Bedeutende Wirbel- bewegungen wie Cyklone, Strömungen wie der Golfstrom, mächtige Strömungen und Wirbel in der Sonnenatmosphäre können eine Beschleunigung oder eine Verlangsamung der Rotationsbewegung eines Körpers bewirken. INN ANITUNDUNUNNNNN) LINDEN UN Fig. 10. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 3. aus lässt ein Haufen Steine Vom Standpunkt unserer Experimente sich nun Folgendes erkennen: Wenn oder überhaupt schwerer Körper auf der Erde liegt, so drücken der die obersten Theile auf die untersten, ganze Haufen drückt auf die Erde. Aber wenn derselbe Haufen von oben fällt, so hört der gegenseitige Druck der einzelnen T'heile auf. Jeder fallende Körper verliert sozusagen sein Gewicht, im Sinne der Ausübung eines Druckes auf den Widerstand. Wenn der Haufen nun aber nicht aus unab- hängigen schweren Thei- len besteht, sondern aus Theilen, die mit einander durch elas- tische, sich verkürzungs- fähige Bänder, wie z. B. und die Katze mit ihren Muskeln, besteht, so ist die Wirkung der elastischen Kräfte in diesem System nicht dieselbe, ob der Kör- per nun auf der Erde sich befinde oder falle. Das Gegeneinanderwirken der Massen wird scheinbar unabhängig von ihrem Ge- wichte sein. Die fallende Katze stellt ein System dar, das aus Theilen besteht, die an dem Vorgange des Falles in Bezug auf innere elastische Gegeneinander- wirkungen theilnehmen, wie Massen, die kein Gewicht besitzen. Zur Theorie der Protoplasma- und Zellstructur. Von Dr. A. Kobelt. (Fortsetzung. Wir haben oben gesagt, dass iu der Polarisations- oder Difterenzirungsphase nur eine schwache, in der Phase der Indifferenz hingegen eine starke Ueberreizung einzu- treten pflege. Dieser Satz bedarf noch einer Erweiterung. So sehr nämlich im ersteren Stadium der Plasmakörper an den specifischen Reiz gewöhnt ist, der ihn zu beein- flussen pflegt, und so schwer er demgemäss durch diese Erregung zu überreizen ist, so stark dieselbe sein muss, um eine derartige Wirkung herbeizuführen, so hoch- gradig ist die letzterere, wenn ihm einmal das einzige Schutzmittel, die alleinige Waffe gegen den starken specifischen Reiz, die der Nachbarschaft entzogene Nah- rung, in erheblicherem Maasse ausgeht, was in Folge des möglichen, ja sehr wahrscheinlichen, oder — da er sich ja in ihrem Banne befindet!6?) — sicheren Weiter- ansteigens der ohnedies schon extremen Reizstärke und der damit rasch zunehmenden Schwierigkeit, die zur Befriedigung des ausserordentlichen Bedürfnisses erforder- liche Nahrungsmenge mit genügender Schnelligkeit herbeizuschaffen, leieht geschehen kann. Denn während in der Phase der Indifferenz ausser einer ge- wissen Nahrung auch der Gehalt an andersartiger Er- 1a Viel: E. ‚Kr ause, üb. d. Nachthle d. einseitig. Anpassung, Kosmos, 1886, 2. Bd. regung (durch die neutralisirende Wirkung der letzteren) eine Waffe gegen den Reiz!#) bildete, entbehrt der Plasmakörper in der Polarisationsphase dieses Schutzes, dessen er sich ja durch die zunehmende Hingabe an den einseitigen Reiz nach und nach vollständig entäussert hat, durchaus, und wenn nun noch das einzige ihm übrig- gebliebene Rettungsmittel, die Nahrung, wegfällt, ist er dem mächtigen Reize vollkommen wehrlos preis- gegeben (eine Art plötzliche Entwöhnung). Hier liegt demnach derselbe Fall vor wie bei der Involution der inneren Theile, wo das betreffende Protoplasmastück eben- falls einem starken Reiz ausgesetzt ist, während ihm — durch die Peripherie — gleichzeitig die Nahrung entzogen wird (amphigenes Eurysma). In diesem besonderen Fall wird reizung und Involution um so stärker, je stärker die Polarisation war; umso stärker wird aber weiterhin auch, da der Zustand der inneren Theile mit dem der äusseren in antagonistischem Sinne stets gleichen Schritt hält, bei dem Umschlag die Entlastung der inneren Theile sein. Diesen Fall, den man graphisch als + Po- larisation und mit Worten etwa als Typus inversus oder als antitypische Polarisation bezeichnen könnte, also Ueber- 153) 5, oben Bem. 92. XII. Nr. 3. haben wir vor uns in der Entwickelung der Kernmasse zu Sporen !#*), Keimen, Schwärmern !®) u. s. w., mit welcher überall eine mehr oder minder starke Involution der Pe- 164) In der That fungirt ja der Kern häufig als Vermehrungs- organ (s. J. P&rez, mem. soe. sc. phys. et nat., Bordeaux, 4. ser., T. 4, p. 300), als Keimkörper (Sporoeyste). Solches ist z. B. der Fall bei Sporozoen, bei Flagellaten (H. Clark, ann. a. mag., 4. ser., vol. 2, p. 138 [Monas]; S. G. Foulke, ebd,, 5. ser., vol. 16, p. 260 [Chilomonas]; v. Stein, Orgsm. d. Infus.th., 3. Abth., I, S. 95 ff. [Gymnodinium], Rhizopoden (Carter, ann. a. mag., 2. ser., vol. 18, p- 236 ff. und Pl. 7, Fig. 96 und 97, sowie 3. ser., vol. 12 und 13 |Difflugia pyriform.]), Amöben (Greeff, Arch. mikr. An., Bd. 2, Bd. 10, S. 65 [Pelomyxa]). s. auch Buck, Z. wiss. Zool., Bd. 30 (Arcella, Amphizonella, Phonergates). Kühne (Us. üb. d. Protopl. u. d. Contv.) setzte Amöben der Einwirkung von Kohlensäure aus, worauf eine Menge winziger Amöben erschien, die nach seiner Vermuthung aus unzerstörten Resten (Kern?) hervorgingen, a.a.0., S. 52. Vgl. hierzu oben Bem. 137 (Demoor). Radiolarien (Mark- masse. Binnenblase, z. B. K. Brandt, Thalassicolla; A. Bor- gert, zool. Anz., No. 507, S. 311 [Aulacanthal; R. Hertwig, Hist. d. Rad., S. 54, 56, 63 ff. Centralkapselinhalt, z.B. K. Brandt, Sphäroz., S. 189, 194; R. Hertwig, z. Histol. d. Radiol., S. 26 [schon Joh. Müller] 56, 63 und 85 [Claparede—Lachmann]; Häckel, Rad., 2. Thl., T. 1, Fig. 1a und 1b [Actissa princeps], Cien- kowsky). Bei Actinophr. Eiehh. sah Greeff nach Sprengung des Thieres die Kerne der Marksubstanz zu neuen Individuen sich entwickeln (Arch. mikr. An., Bd. 3). Infusorien (Häckel, Je- na’sche Z., Bd. 7; Th. Engelmann, Z. wiss. Zool., Bd. 11 [Epi- stylis]), Acineten (Lieberkühn, Z. wiss. Zool., Bd. 5, S. 308; Engelmann, ebd., Bd. 11). Aehnlich bei Spongien (S. Kent, ann. a. mag., vol. 2, 1878, p. 152 ff. und PI. 7, Fig. 19 ff.), wo die Sporen, wie sonst die Kernstofftheilchen in’s Zellplasma, unter Auflösung der Cystenwand in das umgebende Syneytium auswan- dern. Auch bei Gewebezellen höherer Metazoen ist selbständige, an Sporulation erinnernde Entwickelung von Kernsubstanz beob- achtet worden. Leydig, zool. Jb., An. u. Ont., Bd. 3, sah im Inhalt des sprossenden Keimbläschens von Triton „amöbenartige“ Keimflecke auftreten, welehe an Grösse zunahmen, S. 314, 343, 351, 331 und Fig. 68. L. eitirt ähnliche Beobachtungen von Ecker, ebd., S. 394, 419, 420; Pio Foä sah bei Gewebezellen aus Kern und Zellplasma hellbesäumte Chromatinmassen austreten, sich vergrössern und mitotisch vermehren (giorn. r. accad. Torino, 1894 und arch. ital. de biol., T.23, p. 341 ff.). s. auch Holl, anat. Anz., 8. Jgg., S. 123; van Bambeke, bull. Belg., 3. ser., T. 25, p. 348. Möglicherweise kommt bei den krankhaften (senilen) Neubildungen (Careinome, Sarcome) gleichfalls eine derartige eentrale Brutent- wickelung vor, besonders wo es sich um nachweisbare, als ätio- logisches Moment wirkende Ueberreizung (auch psychische De- pression, Shock u. s. w.) handelt. Jedenfalls hat im Senium der Kerninhalt im Allgemeinen schon eine grosse Neigung, in das Zellplasma auszutreten und sich selbständig zu entwickeln, was ganz der selbständigen Wucherung der vom activen, beherrschenden Einfluss (s. oben Bem. 145) der centripetalen Nervenbahn befreiten centralen Gewebe im grösseren Rahmen entspricht (vgl. hierüber d. Abhandl. „Kraft und Schwäche“ a. a. O.). — Diese Erfahrungen drängen zu der Auffassung, dass, wenn das Zellplasma (das Mutterthier) noch einen gewissen Grad von Lebensenergie besitzt (Fall der Ausgleichungsphase), der Kerninhalt sich nicht selbständig entwickeln kann, unreif, lebensunfähig bleibt und von jenem resorbirt wird (der Kern ist Ernährungsorgan — das Zellplasma Vermehrungsorgan). Ist dagegen die Ueberreizung und Schwächung eine hochgradige (Fall der antitypischen Polari- sation), dann wird der Kerninhalt reif, lebensfähig und ent- wickelt sich selbständig, und nun wird das Zellplasma resorbirt (der Kern ist Vermehrungsorgan — das Zellplasma Ernäh- rungsorgan, s. unten Bem. 166). Solange jedoch die Lebens- energie des Zellplasma sehr gross ist (typische Polarisation), bleibt der Kerninhalt vom Zellplasma mehr oder weniger streng gesondert (unterdrückt; latent) und wird bei den höheren Gra- den zur Entwickelungsstätte der Zeugungsstoffe (s. unten). 166) Greef nannte die Actinosphärien, weil ihre Kerne zu In- dividuen werden, Colonien (Arch. mikr. An., Bd 3), betrachtet also auch die unentwickelten Kerne als individuelle Thiere (ähnlich H. Blane, arch. sc. phys. et d’hist. nat., Gen&ve, 3. per., T. 27, p. 473. In analoger Weise habe ich bei der Mitose den Kern als ein individuelles Wesen aufgefasst (Mit. u. Amit., S. 47 ff), was mir auf Grund einiger Darstellungen berechtigt schien. Man kann die letzteren noch um manche weitere ver- mehren, s. z. B. ©. Bürger, anat. Anz., 6. Jgg., S. 487, Fig. 2 (der zwiebelförmige Kern) und 4, besonders aber Strasburger, histol. Beitr., H. 4, S. 56 und T. 3, Fig. I und 7 (Sphacelaria). Vgl. auch Mark, a..a. O.. Fig. 68, sowie J. Demoor, arch. de biol., T. 13, Pl. 9, Fig. 1—4 und 13—15. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 29 ripherie einhergeht, !%) die sich z. B. in körnigem Zer- fall!67) der letzteren äussert. Dementsprechend dürfen wir auch überall da, wo eine ausgesprochene Körner- bildung an der Oberfläche zur Beobachtung kommt, an eine Involution dieser Art denken (pigmentirte Eier, be- sonders aber Oberfläche oder Kopfpol von Eeto- und Entoderm-(drüsen-)zellen !#°) und von Stütz- oder selbst von Sinneszellen in Sinnesorganen), wobei man wohl ebenfalls eine entsprechende Entlastung der innneren oder hinteren Theile annehmen muss. — In diesen Fällen von mehr oder minder hochgradiger Ueberreizung der Peri- pherie und intensiver geradliniger Strahlung, d. h. lebhafter, rascher Ausströmung der Binnenmasse !°°) oder gar Umwandlung derselben in die noch positiveren Bildungen austretender Keime wird das Centrum allmälig vollständig entleert!?0); vom Kern bleibt zuletzt nur noch 166) ,, Kühne, a.a. O., S.5lfl, Die Zerfallproduete der Rinde werden dann von dem inneren Factor, der jungen Brut, — ähnlich wie bei der typischen Polarisation (mittlere Grade, die der Ausgleichung sich nähern) die des Marktheils, des Kerns, von dem äusseren Faetor — als Nahrung benutzt. s. Brandt, Sphäroz., S. 173; R. Hertwig, Orgsm. d. Rad., S. 242; Stein, a.a.O., S.95 (Gymnodinium); Mit. u. Amit. S. 54. Vgl. Bem. 164. 17) K. Brandt, a. a. O., S. 157. 188) s. z. B. E. Jourdan, ann. se..nat., Zool., 6 ser, T. 10, Fig. 94 (Ectod.), ebd., p. 140 (Eetod.); Mit. u. Amit., S. 53, Bem. 2. 19) Nicht nur der Inhalt des Kerns kann nach aussen wan- dern, sondern es kann auch der Kern in toto an die Oberfläche emporsteigen (oder selbst austreten), was offenbar auf der gleichen Ursache beruht. Dies ist der Fall beim reifenden Ei (s. z. B. Bütsehli, Abh. d. Senekenb. Ges., Bd. 10; Holl, anat. Anz., 8. Jgg., S. 124; die Ausstossung des Keimbläschens ist bestätigt von Oellacher, Balfour, ©. Hertwig, Bütschli u. And.), bei Furehungszellen (s. z. B. Fol, Jena’sche Z., Bd. 7, Fig. 9, 15), bei der Mitose (s. z. B. Pfitzner, morph. Jahrb, Bd. 6, S. 487; Platner, a. a. O., S. 342, 352, [368]), bei der Seeretion (Kor- schelt, zool. Jahrb., An. u. Ont., Bd. 3, S. 78); dass er hier (Phase der Reizung) seinen Inhalt in Form von Strömen entsendet (Korschelt) und von der Zellenbasis sich erhebt, ist längst bekannt. Bei den meisten Drüsenzellen mit überreiztem Kopfpol findet er sich an dieser Stelle. Bei Verdiekungsprocessen an der Zellwand rückt er an die betreffende Stelle (Haberlandt); auch bei der Bildung derselben nach der Theilung (Zellplatte) nähert er sich ihr auf einige Zeit, Strasburger, Zb. u. Zth., 3. Aufl., S. 115 ff. Endlich hat Vas (Arch. mikr. Anat., Bd. 40) bei Reizung von Nervenzellen das Chromatin, sowie den Kern nach der Peripherie wandern sehen. — Wie oben erwähnt, kann die Kernhülle auch — wahrscheinlich in Folge einer derberen Beschaffenheit, welche den Austritt der Kernmasse hindert, vielleicht auch in Folge grösserer Consistenz der letzteren selbst — platzen, wobei sich der Inhalt plötzlich zerstreut (Leidy, Auerbach, s. Mit. u. Amit. S. 54, Bem. 5). Ein solches Platzen wird überhaupt oft berichtet; so z. B. von Heitzmann, der es häufig an Leucocyten (bei ge- schwächter Constitution, desg]. nach häufig wiederholten Abschnü- rungen an der Oberfläche) sah, mikr. Morph. S. 41, 65. Bekannt ist dasselbe auch von den Speichelkörperchen, s. z. B. Brücke, Wien. Sitzb., m.-nw. Cl., Bd. 45, Abth. 2, S. 631. Kühne rief es bei Amöben dureh starke Reizung hervor, a. a.0. 8.33; s. Brücke, a.a. ©. Bei ganzen Individuen wurde es beobachtet von R. Hert- wig, Jena’sche Z., Bd. 11, S. 340 (Actinophr.); M. Schultze, Orgsm. d. Polythal., S. 27 (Troncatulinen, Rotaliden); es kommt aber bei Protozoen überhaupt, namentlich Infusorien, und selbst bei Würmern vor, vgl. z. B. Gruber, Ber. nf. Ges. Freibg, N. F., Bd. 1, S. 10f. S. auch Mit. u. Amit., S. 54, Bem. 6 (Perty). 110) s, Auerbach, .Jena’sche Z., Bd. 30, S. 548; Arnold, Virchow’s Arch.. Bd. 79, S. 197; Henking, Z. wiss. Zool., Bd. 45, S. 145 ff. (das Keimbläschen wird dabei oft ausgezackt, S. 151, was auch bei anderen Kernen vorzukommen scheint, vgl. From- mann, Jena’sche Z., Bd. 9, T. 15, Fig. S; R. Hertwig, Jena’sche Denkschr., Bd. 2, S. 166), Will, Stuhlmann u.s.w. Daher die bekannte Chromatinarmuth des Kerns in Cyste, Ei(eytode) und Ganglienzelle (vgl. v. Wielowiejski, biol. Ctrbl., 8. Jgg., S. 373, 723; Korschelt, zool. Anz., 1835, S.581ff.; Magini, j. mier. soc. Lond,, 1891, p. 420 und 717 [Ref.]; Chun, Abh. Senekenb. Ges., Bd. 16, S. 612 ff. und T. 7, Fig. 1—9; s. aueh Carter, ann. a. mag., 3. ser., vol. 13, Pl. 1, Fig. 12 [und 15]; M. Schultze, Orgsm. d. Polythal., T. 1, Fig. 7, 8). Zwischen Ei und Ganglienzelle be- steht auch sonst manche Aehnlichkeit (s. Flemming, Zellsubst. S. 100; Eimer, Med., S. 266 ff., Entst. d. Art., I, S. 378; ©. und R. Hertwig, Jena’sche Z., Bd. 13). — Das reife Ei hat also seine Proliferationsfähigkeit verloren, weil es schon „getheilt“, bzw. sein 30 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 3. die Höhlung, die Kernvaeuole, übrig!”!), sowie die Mem- bran (wofern diese bei der Auswanderung nicht aufgelöst wurde); aus der Zelle ist ein kernloser Plasmakörper, eine — Cytode!”) (Monerula, Eieytode, Häckel) ge- worden; denn ein seines Inhalts völlig beraubter Kern !’3), ein einfacher centraler Hohlraum ist (um so mehr, wenn auch die Membran geschwunden) blos in geometrischem und topographischem Sinne ein Kern, keinenfalls aber physisch, physiologisch oder mor- phologisch. Ausserdem aber kann dieser Hohlraum auch in der That spurlos verschwinden !”%), oder er schrumpft wenigstens, wird kleiner!®), die Membran bekommt Falten und löst sich nach und nach vollständig auf!’°), ähnlich wie der Balg einer Cyste, wenn ihr Inhalt in Schwärmer zerfallen und ausgetreten ist!?), — Wir haben bis jetzt immer nur von zwei polaren Kerninhalt vertheilt ist, d. h. weil aus seinem Kern die Kernstoffe grösstentheils ausgewandert sind (oft ist sogar die Strahlung verschwunden). Das Zoosperm hingegen hat sie verloren, weil dieselben alle in seinem Kern eoncentrirt sind (vgl. hierzu K. Fiedler, zool. Anz. 1887, S. 634 #f.). In der Ausgleichungs- phase (Ei) ist das Auflösungsbestreben, in der Polarisationsphase (Zebnerm) das Verdichtungsbestreben des Kerns zu gross (vgl. Mit. u. Amit. S. 13), um eine Theilung desselben zu ermöglichen. '") Das Gleiche gilt vom Kernkörperchen (s. z.B. Holl, an. Anz., 8. Jgg., S. 123). '®) Y. Delage glaubt diese Bildung nicht vollkommen leugnen zu sollen, a. a. O., Bütschli nennt sie eine „wenig differenzirte Form“ der Zelle, a. a. O., S.374; vgl. auch Leydig, zool. Jahrb., An. u. Ont., Bd. 3, S.420; Henking, a.a.O., S. 163, sowie oben Bem.51. '") Nach Leydig scheint es Kerne zu geben, die eigentlich nur ein Hohlraum sind (Zelle u. Gew., S. 22 — Furchungszellen; verzweigte Kerne der Darmdrüsenzellen der Inseeten; s. auch Claus, Z. wiss. Zool., Bd. 14, T. 6, Fig. 17 und S. 49, „Kern- blasen“). Vgl. sodann Auerbach, organolog. Stud., H. 2, S. 238; W. Salensky, Z. wiss. Zool., Bd. 22, Furehungszellen von Bra- ehionus. s. ferner unter vielen ähnlichen Darstellungen z. B die Keimbläschen, welche H. R. Ziegler von Nematodeneiern zeichnet, Z. wiss, Zool., Bd. 60, T. 17, Fig. 37; s. auch Cohn, ebd., Bd. 12 (Winterei von Rotiferen). Im Allgemeinen bilden Contraetion der Oberfläche, Hüllschiehtung und Kernverödung, wozu häufig noch die Strahlung tritt, einen zusammengehörigen Complex, in welchem selten ein Glied fehlt. Besonders an der Eizelle wird derselbe häufig beobachtet, desgl. bei Cysten (s. z.B. Häckel, biol. Stud., I, T.5, Fig. 1-3, Magosphaera) s. auch oben Bem. 137 (169), und unten Bem. 185. '#) s. Henking, a. a. O., 8. S6ff. und 139 ff.; F. Sommer, Z. wiss. Zool., Bd. 34; Bütschli, ebd., Bd. 26, S. 389; Semper, ebd., S. 386. Jensen, Arch. de biol., T. 4, p. 66, 70; Blomfield, zool. Anz., 3. Jgg.; Ankermann, Z. wiss. Zool., Bd. 8, S. 143 ff. ; Semper, ebd., 8. 385; Häckel’s Phüodellen; Leydig, zool. Jahrb, a. a. O., S. 325. '®») s. z.B. Korschelt, Sitzb. Ges. nat.f. Frde. 1887/88;Cohn, Z. wiss. Zool., Bd. 7; R. Hertwig, Hist. d. Radiol., z.B. S. 65. ") s. Henking, a. a. O0. S. 86; Korschelt, zool. Jahrb., An. u. Ont., Bd. 4, S. 91; A. v. Török, Arch. mikr. An., Bd. 13; Leydig, a. zul. a. O., S. 325, L. glaubt auch ein Platzen wahr- genommen zu haben. Gruber beobachtete eine fast moleculare Vertheilung der ganzen Kernmasse im Körper von Infusorien (Ber. nat.f. Ges. Freiburg, N. F., Bd. 3, S. 59 #.). Unbestreitbaren Kern- mangel giebt auch M. Schultze bei Gromia an, desgl. bei jungen Milioliden und Rotalien (Orgsm. d. Polythal.). Dasselbe wird bekanntlich fürGregarinen behauptet, s. z. B. Lieberkühn, Arch. An. Phys., 1854, S. 360. Die Auflösung der Axenfäden der Helizoen (die wohl unabhängige Kernbildungen sind oder we- nigstens vom Hauptkern stammen, vgl. hierüber R. Lankester, quart. j. mier. se., N. S., No. 154, p. 237, oat-shaped corpuscles) beim Einziehen der Fortsätze (Leidy, P&nard) gehört wohl ebenfalls hierher. Vgl. endlich die bekannten Beobachtungen von Strieker über Auftauchen und Verschwinden des Kerns, desgl. Arndt, Virchow’s Arch., Bd. 78, S. 323; Schaudinn, Z. wiss. Zool., Bd. 59, S. 228; R. Hertwig, a. a. O., T.5, Fig.5. Solche Collapserscheinungen treten besonders auch beim Austritt des Centrosoms auf, s. O..Hertwig, Arch. mikr. An, Bd. 36, S. 38 und T. 1, Fig. 24 und 25. Vgl. oben Bem. 126. '") Dieses Verhalten wird um so verständlicher, als der Kern (s: oben Bem. 164) wie eine Cyste einerseits und das Ei anderer- seits, welche beide oft miteinander verglichen werden (s. z. B. Leydig, zool. Jahrb., An. u. Ont., Bd. 3, S. 325; M. Nussbaum, Arch. mikr. An., Bd. 41, S. 144; Me Crady, proceedings Boston soe. nat. h., vol. 19, p. 179), häufig Reproductionsorgan ist. Zonen gesprochen, der Peripherie und dem Centrum. Es ist aber wohl ohne Weiteres klar, dass in diesen beiden Theilen abermals eine Gliederung möglich ist, d. h. dass Zonen von Bedrohung und Ueberreizung mehrfach mit einander abwechseln können, dass z. B. auf eine innere Zone der Ueberreizung neuerdings weiter nach innen eine Zone der Bedrohung folgen kann oder auf eine innere Zone der Bedrohung neuerdings eine solche der Ueber- reizung.!"8) Dies wird häufig, wenn auch nicht immer, durch eine grosse Intensität der Processe bedingt sein, insofern starke Ueberreizung, wie wir sahen, nothge- drungen abermals eine starke Entlastung, starke Be- drohung nothwendigerweise eine starke Ueberreizung der nach innen zunächst folgenden Theile hervorrufen wird. Bei der mitotischen Kerntheilung habe ich die Bildung der Chromosomen durch eine solche abermalige Ueber- reizung zu erklären gesucht. Eine ebensolche würde der oben besprochene Fall sein, wo in der Astrosphäre selbst eine Polarisation eintritt, so dass das Centrosom ver- diehtet 79) anstatt aufgelöst wird. Es will mir ferner scheinen, dass auch die Entstehung der Zeugungsstoffe auf diesem Wege erklärt werden muss. Wie mehrfach erwähnt, kommt die Entwickelung der Sexualität nur bei einer stärkeren Nahrungsentziehung (— relative Zunahme des äusseren Reizes, der Bedrohung, wie bei absoluter Zunahme — Reifeperiode, Ausbildung der Polarisation, der Sinnessphäre) zu Stande (im Gegensatz zur Parthenogenese, die durch gesteigerte Ernährung — rel, Abnahme des äussereren Reizes, wie durch absolute Abnahme desselben erzeugt wird). Es wird sich daher im mehr oder weniger überreizten Marktheil des Plasmakörpers n’euerdings eine (centrale) Zone der Bedrohung entwickeln, deren Dynamisationsstufe derjenigen der Oberfläche oder Aussen- schicht mehr oder weniger vollkommen entsprechen wird, d. h. bei starker Polarisation werden Microsporen oder deren Aequivalente: Spermatogonien (Ueberreizungszone) mit Zoospermien, deren Fadenspitze nach dem Centrum gekehrt ist (centrale Bedrohungszone) — Sinnesschärfe des männlichen Geschlechts —, bei schwächerer Differen- zirung dagegen Macrosporen oder Eier mit Richtungs- bläschen entstehen. Steigt der Reiz an der Oberfläche noch weiter, der Art, dass die starke Bedrohung derselben in Ueberreizung umschlägt, tritt insbesondere anti- typische Polarisation ein, dann entwickelt sich der Mark- theil selbständig (endogene Keimbildung, Sporulation). — Diese (sexuelle) Differenzirung im Marktheil (Kern) ist die Weiterentwieklung eines Zustandes, der im Indifferenz- stadium beginnt, wo (im Gegensatz zur Sexualität, bei der ja exquisite Bedrohung herrscht) in Folge des Reiz- mangels und der dadurch bedingten grossen Ueberreiz- barkeit häufige Ueberreizungen eintreten, die (wieder im Gegensatz zur Sexualität, wo die Oberfläche des Marktheils stark contrahirt, überreizt ist) zur Dynami- sation — Austritt und Vertheilung seines Inhalts führen, zu Mitose und — bei niederen Graden, die das Binde- glied zur Sexualität bilden (einfacher solider Kern) — zur Amitose (beide — Zellvermehrung, Parthenogenese), — In unserer bisherigen Darstellung haben wir blos die Verhältnisse bei der homaxonen Zelle untersucht; es er- übrigt, dass wir auch die monaxonen Plasmakörper in den Kreis der Betrachtung ziehen. Man darf wohl zum 118) Vgl. hier Bilder von der Art, wie sie z.B. Leydig ge. zeichnet hat, Zelle u. Gew., T. 6, Fig. 126. 10) Vgl. auch die Verdiehtung und Verkleinerung des (chro- matischen) Hauptkerns beim Wachsthum des abgelösten (achro- matischen Nebenkerns bei Blochmann, Heidelb. Jubilschr., S. 146; ähnlich Rohde, a. a. O., S. 125; desgl. die Anhäufung von Chro- matin beim Ausstrecken von Fortsätzen und beim Verwischen der scharfen Umrisse des Kerns, Korschelt, zool. Jahrb., An. u. Ont., Bd. 4, S. 93 (vgl. hierzu oben Bem. 48 [Heitzmann)). | XII. Nr. 3 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 31 Voraus erwarten, dass hier die nämlichen Gesetze ob- walten, wie dort, nur werden die abweichenden Axen- verhältnisse eine andere Orientirung nöthig machen. Doch dürfte in dieser Hinsicht eine grössere Uebereinstimmung herrschen, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Eine jede — wenigstens jede mehr oder weniger polari- sirte Homaxonie (jugendliche Zelle) lässt sich nämlich als eine Gruppe oder als eine Colonie von Monaxonien auf- fassen, die in der Richtung von Radien, als schmale oder breite Seetoren, um ein gemeinsames (Centrum angeordnet sind, so dass der eine Pol der Axe nach der Peripherie, der andere nach dem Mittelpunkt sieht. Dann müssen die äusseren Enden der Monaxonien die Eigen- schaften der Oberfläche, die inneren die des Centrums der Homaxonie besitzen. Nun zeigen die äusseren, bezw. die inneren Axenenden der monaxonen Elemente eines unzweifelhaft colonialen Verbandes, z. B. einer Blastula, einer Spongienlarve einerseits volle Uebereinstimmung mit der Peripherie, bezw. dem Centrum einer Homaxonie. Sie stimmen aber andererseits zugleich mit den oberen oder vorderen (Kopfpol, freier Pol, Rabl), bezw. den unteren oder hinteren Enden (Caudalpol, Basalpol, Rabl) der freien Monaxonien, z. B. eines monothalamen Rhizo- poden überein; und so entspricht mithin das Vorder- ende jeder freien Monaxonie der Oberfläche, das Hinterende dem Centrum!) einer Homaxonie. Wie die Oberfläche der letzteren ist nun auch das Vorderende der Monaxonie oft in Fortsätze ausgezogen, die bald iso- lirt verlaufen, bald mehrfach in Aeste sich theilen !®!) und Anastomosen bilden; das Hinterende dagegen zeigt wieder die charakteristischen Formen der Involution, die Kügelehen- und Körnerbildung des Polioplasma oder (bei schwächeren Graden) die aus der Dehnung dieser Körper hervorgehenden Netze des Spongioplasma. Auf alle Fälle aber ist das Vorderende in seiner Gesammtheit schlanker als das Hinterende, welches meist keulen- oder kolben- bis kugelförmig angeschwollen ist, ein Gegensatz, der um so schärfer ausgeprägt, je stärker die Polarisation ist. Ausser den erwähnten monaxonen Rhizopoden ge- hören hierher die Neuroganglienzellen (Neurone) des Me- tazoenkörpers, d. h. der einheitliche Complex von Sinnes- haar!®?) (Sinneszelle), Nerv (Axencylinderfortsatz)!°3) und Ganglienzelle !%*), die ein- (und mehr-)zelligen Schleim- 's0) s, O. Maass, Vhdl. d. dtsch. zool. Ges., 3. Jahresvers., Fig. 2 (Spongienlarve); sodann P&@nard, arch. de biol., T. 9, Pl. 32, Fig. 39 (Homaxonie [|Heliozoon], beim dekystement zu einer Mo- naxonie werdend, wobei die äussere Portion zur vorderen, die in- nere zur hinteren wird). 1) 8. z. B. die verästelten Aussenglieder der „Gabelzellen“ (Sinneszellen) der Froschzunge bei W. Engelmann, Z. wiss. Zool., Bd. 18; desgl. bei ©. K. Hoffmann, niederl. Arch. f. Zool., Bd. 2, Se 73° Bd..3, 8.5. 182) Vgl. auch die poils A bätonnet der Crustaceen, Jourdain, j. de l’anat. et de la phys., 1881, p. 404 und Pl. 24, Fig. 3, 6, 7. '53) 5. hierzu Leydig, Zelle u. Gew., S. 191 ff., wo von einer eentrifugalen Strömung des Hyaloplasma im Sinnes (Riech-) nerven die Rede ist. (L. spricht daher auch vonNervenröhren: zool. Anz., 1888, S. 312ft., Zelle u. Gew., S. 97 und 103.) Im normalen Nerv (Polarisation, Jugendkraft) ist diese Strömung lebhaft; seine Erkrankung (Ausgleiehung, Ueberreizung) besteht in der Verlangsa mung des Stromes (Beard, Neurasthenie, 1881, S. 69). Bei der verwandten (Schleim-)Drüse giebt sich letztere kund als Stoekung und Versiegen der Secretion (ebenfalls bei Neur- asthenie, wie auch im Senium). — Die centripetale Nervenfaser entwickelt sich als Fortsetzung der Sinneszelle, die als Eintritts- pforte des Reizes, als Nervenanfang zu betrachten ist (Arndt, Arch. An. u. Phys., 1890, ph. Abth., S.306; Virchow’s Arch., Bd. 78, S. 319). His und Kölliker wiesen am Olfactorius, Froriep (anat. Anz., 6. Jgg.. S. 155) am Optieus (hier von W. Müller theo- retisch erschlossen) die periphere Entstehung nach. S. ferner Arndt, Neurasthenie, 1885, S. 34. ..."®) Wie wir oben (Bem. 156) sahen, lassen sich manche interessante Beziehungen derselben oder richtiger des ganzen Complexes (Neuron) zur Organisatıon einzelliger Wesen auffinden, wie auch zur Centralkapsel und Sareodegeissel der Tripyleen. drüsen!®5) und ganz allgemein die Epiblast- oder Epithel- 1855) Nachdem bereits vor langer Zeit Bärensprung und später Schwalbe die Gruppen unipolarer Ganglienzellen mit einer acinösen Drüse verglichen hatten, suchte in neuerer Zeit be- sonders Leydig nachzuweisen, dass eine „enge Verbindung zwischen Nerventhätigkeit und Abscheidung von Stoffen“ bestehe (z. B. Arch. mikr. An., 1872, und noch jüngst ebd., Bd. 50, H. 3, S. 415; morph. Jahrb., Bd. 2, S. 308 ff., Zelle u. Gew., S. 103 ff., zool. Anz., 1886, S. 309, 313, 314), ebenso vom Rath, zool. Anz., 1837, S. 648. Häckel fand in der Haut von Corycaeiden Nerven- enden, deren einer Ast in eine Drüsenzelle, der andere in eine dieht daneben liegende Ganglienzelle überging, Jena’sche Z., Bd. 1, S. 86, T. 3. Vgl. ferner E. Jourdan, les sens chez les anim. infer., p. 81. Man denke hier auch an die Gallertpröpfe in Sinnes- organen niederer Thiere (s. z. B. Leydig, morph. Jahrb., Bd. 2, S. 308), an die Kıystallkegel der Insectenaugen (ders., d. Auge d. Gliederth. 1864, S. 26), an die Otolithen und Chitinlinsen u. s. w. Ueber die Verwandtschaft von Fortsatzbildung und Secretion s. J. H. List, Z. wiss. Zool., Bd. 45, S. 652; A. Brandt, me&m. ac. imp. St. Pet., 1871 (Secretion — Zellvermehrung); F. Plateau, bull. Belg., 2. ser, T. 42, p. 730 ff. Nahe liegt auch der Gedanke, dass die „wellenförmigen Contraetionen*“ der Pseudopodien (Joh. Müller, Häckel, Radiol., I. S. 132) sowie die Varicositäten der Fibrillen (s. auch P&nard, Jahrb. nassau. Ver. f. Natk., 43, S. 76, Fig. 1—3) der successiven Abscheidung von Secret ent- sprechen Tel. E. Jourdan, ann. d. sc. nat., Zool., 6. ser., T. 10, Pl. 5, Fig. 39). Wie die Seerettropfen können sich auch die Protoplasmafortsätze vom Körper ablösen, s. M. Crady, a. a. O,, vol. 19, p. 176; Semper (Fortsätze = Testatropfen), Würzbg. Vhdl. Bd. 8, S. 68; Eimer, Arch. mikr. An., Bd. 8 (als Tröpfehen ab- fallende Dotterzotten); Heitzmann, mikr. Morph., S. 40; A. Brandt, a. a. O., Penard, arch. de biol., T. 9, p. 174; Fort- sätze der abortiven Eier; Ablösung der Zoospermien von der Spermatogonie; der Stachel bei Heliozoen und Radiolarien (vgl. z. B. Leidy, a.a.O., Pl.43, Fig. 1, Pl. 45, Fig. 14 und 15, PI. 46, Fig. 2; Carter, ann. a. mag., 3. ser., vol. 15, Pl. 2, Fig. 23—25); das „Abwerfen der Geisseln.“ R. Arndt sagt: „die trophischen Vorgänge sind eigentlich nur Secretionen“ (= polarisatorische Ausströmungen, Fortsatzbildung), Neurasth., S. 92, vgl. oben Bem. 68. Auch bei den Drüsen, speciell der Schleimdrüse, existirt bekanntlich ein Phasenwechsel: das Stadium der „Bereitung“ und das der „Entleerung“ des Secrets, die Phase der „Thätigkeit“ oder Rei- zung (= Ueberreizung, Ausgleichung) und die der „Ruhe“ (= Po- larisation, vgl. oben Bem. 51, G. Mann), jene charakterisirt durch Abrundung der Oberfläche, Abtrennung einer Secretschicht, Ausströmung von Kernmasse und Emporrücken des vacuo- lisirten Kerns, selbst bis zur Oberfläche (s. oben Bem. 169); diese dureh Fortsatzbildung und Verflüssigung der Seeretschicht — Secretabfluss, Verdichtung (vgl. unt. And. vom Rath, oben Bem. 109) und Hinabrücken des Kerns zur Basis, in die er sich oft tief einbettet, s. Stöhr. Würzbg. Vhdl., N. F., Bd. 15. (Auch Korschelt weist darauf hin, dass die Beziehungen des Kerns zur Zelle wechseln, zool. Jahrb., An. und ÖOnt., Bd. 4, S. 135). Hieraus liesse sich vielleicht eine einheitliche Auffassung für Nerv und Drüse und damit ein Schlüssel zum tieferen Verständniss ihrer Verwandtschaft gewinnen: durch Häufung der Streekungs- phasen (Polarisation) würde der Nerv, durch Häufung der Contrac- tionsphasen (Ausgleichung) die Schleimdrüse entstehen. — Durch das fortgesetzte Hinströmen der centralen oder hinteren Massen in den Ausgleichungsphasen, wobei sich das Protoplasma in tlächenhaft ausgebreitete Schichten, Lamellen von Grundsubstanz (sclerosirtes Hyaloplasma, s. Leydig, Zelle u. Gew., S. 105) ver- wandelt (structurlose Glashäute — besonders bei Arthropoden, Würmern [s. z. B. Meissner, Z. wiss. Zool., Bd. 5, S. 212, Bd. 7, S. 14, 67, 105] — Cuticularbildungen, Zellplatte, Neurilemm, Sar- colemm [ebenso als eutieula aufgefasst, z. B. von Grenacher, 7. wiss. Zool., Bd. 18], Schleimlagen des Spongienkörpers [Lenden- feld], die Seeretschicht um Verdauungsobjecte [Wagner, bei Pagenstecher, Z. wiss. Zool., Bd. 14, T. 39, Fig. S, S. 408, sowie Plateau, a. a. O. Fig. 23 und p. 752], vgl. oben Bem. 43 — u. s. w.), wird das Protoplasma bisweilen ganz aufgezehrt und der Hohlraum, worin es sich befand (Zell-, Kernhöhle), völlig ent- leert (Epidermisschuppe, Knochen-, Knorpel-, Bindegewebs- [Sehnen-] Körperchen, s. Heitzmann, mikr. Morph., S. 225, 232 [Umwand- lung zur Grundsubstanz durch Vaeuolisation der Nucleolen, S. 57] im Gegensatz zur Jugend, wo sie solid sind, ebd., S.49 ff; Leydig, v. Bau d. thier. Körp. 1864, S. 74ff.). Hierher zählen sodann wohl die Canalsysteme des Bindegewebes (Fettkörper der Arthropoden; Lymph-, und Blutgefässe, seröse Räume), wo die zelligen Elemente zu „Häutchenzellen“ sich verflachen (Leydig, Zelle u. Gew., S. 78). Die freien Elemente, speciell die Erythrocyten wären Hylosomen (s. Leydig, ebd., S. 61; ©. Heitzmann, med. Jahrb., Ges. Wien. Aerzte, 1873, S. 191 [E. Klein]), die sich vom Dyna- mosom, das allein (eben als Häutchenzelle) nach aussen strömt — man denke hier an die sich abstossenden Randsäume der Leu. 32 zellen mit vorwiegender Ausbildung einer Längsaxe. Als eigenthümlich ist für das Neuroganglienelement hervorzu- heben, dass die höhere Stufe der Körnerbilduug, das Pigment, hier meist nicht im Grund des Hinterendes, sondern um den Einstrahlungspol — bei Sinnes- und Geisselzellen!®) in der Scheitelregion — angehäuft ist, oder auch, in den Sinnesepithelien (was in gewissem Sinne analog) die in Folge der Degeneration bisweilen mehr oder weniger zerfallenen Nachbarelemente 137) (die coeyten (Heidenhain, Arch. mikr. An,, Bd. 43, S. 606) sowie an die Bezeichnung der letzteren als einzellige Drüsen (Löwit, biol. Ctrbl., Bd. 11) — getrennt haben; der Fall wäre also eine leichte Polarisation (man vgl. hier beiläufig die Bemerkung von Heitzmann, mikr. Morph, S. 62, dass nervöse Ueberreizung die Leueoeyten vermehre, d. h. die rothen Blutkörperchen durch Lockerung in weisse verwandle). 188) Vgl. Carriere, Sehorgane d. Thiere: Anneliden und Cephalopoden. 187) s. z. B. Claparede, Z. wiss. Zool., Bd. 10, S. 201. Diese Erscheinung hat vielleicht ihren Grund darin, dass in den Sinnes- organen wegen der starken speeifischen Reizeinwirkung die „Be- drohung“ der Zellen, die „Gefahr“ meist eine ganz ausserordent- liche ist, stärker als an irgend einem anderen Punkte, dass also hier der Wettkampf um die Existenz, d. h. um Nahrung ein äusserst heftiger ist, und der geringste Mangel von grösstem Ver- hängniss und Nachtheil sein kann, in Folge wovon immer eine Anzahl Elemente am Kopfpol oder in ihrer ganzen Ausdehnung Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 3. „Stützzellen“) sowie das umgebende Bindegewebgerüste 183 erfüllt. (Schuss folgt.) dem Reiz zum Opfer fallen, d. h. eine starke Involution er- leiden. Ihre hylotisirten Reste werden dann von den Nachbarn vollends -ausgenützt und liefern ein gewisses Nahrungsquantum, ' das sonst, was schwieriger sein würde, dem „lebenskräftigeren* Hinterende hätte entzogen werden müssen; denn auch bei der stärksten Polarisation, bei der besten Leitung des Reizes nach dem Hinterende, wird die Reizung (und Involution) hier doch nie so stark sein als bei einem Plasmakörper, welcher direet von dem Reize getroffen ‘wird. — Die Fähigkeit, äussere Eindrücke aufzunehmen, die specifische Function der Sinneselemente ist nur dann in höherem Grade möglich, wenn ihr morphologischer Cha- rakter sehr vollkommen ausgeprägt, die Polarisation sehr stark, wenn die Ausströmung im vorderen Abschnitt der Sinneszelle ' sehr lebhaft und dementsprechend die Benachtheiligung der hinteren und seitlichen Elemente bedeutend ist, also starke Pigmentbildung stattfindet (Amblyopie,Myopie und Schwerhörigkeit der Albinos im Gegensatz namentlich zu den dunklen Rassen; auf Vitiligofleeken ist der Tastsinn herabgesetzt (Alibert, malad. de la peau 1833, p. 347 ff] u. s. w.). — Auch sonst ist rasches Wachsthum (= lebhafte Ausströmung) von Pigmentbildung begleitet (Hypertrophien, Tumoren, namentlich bösartige). s. noch F. Winkler, Wien. med. Wschr. 1892, Sp. 1231 und 1262, sowie Schmidt’s Jahrb. f. d. ges. Med. 1889, No. 7, S. 12; Karg und ' Aeby bei Kölliker, Z. wiss. Zool., Bd. 45. \ 183) 5, z. B. A. Dehler, Arch. mikr. An., Bd. 46, S. 725 (Sympathische Ganglienzellen). Ueber den Nestbau des Tokko, Tockus melano- leueus Licht., berichtet S. Schönland in den Trans. South Afriean philos. Soc. Vol. 9 Pt.6. Zum Nisten sucht sich das Pärchen einen hohlen Baum aus, dessen Höhlung gross genug sein muss, damit sich das Weibchen bequem auf dem Neste bewegen kann, die ferner durch 1 oder 2 bequeme Eingänge leicht zugänglich ist, und schliesslich müssen letztere leicht ganz oder theilweise mit emem Kitt verschliessbar sem. Man unterscheidet 2 Typen von Nestern, das eine wird in einem oben und unten geschlossenen Loche, das nur seitlich einen Eingang hat, angelegt, das andere in hohlen Stämmen von Eu- phorbia grandidens, die an den Seiten kein Loch haben, sondern in die das Weibchen von oben hineinkriechen muss bis zu einer Spalte, die es mit der Aussenwelt in Verbindung setzt. Gerade unter dieser Spalte errichtet es sich einen künstlichen, wenige Zoll dieken Boden, auf den es die Eier legt und auf dem es brütet, und 3 Fuss über dem Spalt wird das Nest durch eine Decke ge- schlossen, die aus Stücken von Alo&-Stämmen zusammenge- kittet ist, über die Stückchen Holz, Moos u. s. w. gelegt werden. Diese Decke ist wasserdicht. Ist das Weibchen nun im Neste und beginnt mit dem Eierlegen und Brüten, so wird bei dem 1. Typus das Eingangs-Loch allmählich bis auf einen Spalt verschlossen, wie Livingstone be- richtete von dem Männchen, das Lehm herbeischleppt, und in der Absicht, das durch das Brutgeschäft hilflos gewordene Weichen zu sichern. Sch. konnte nun aber Beobachtungen anstellen, die ihn zu der Ueberzeugung brachten, dass das Weibehen selbst mit seinem Kothe, der in dieser Zeit ganz anders ist, als anderer Vogelkoth, den Cement zum Verschlusse des Nestes liefert. In diesem Cemente finden sich denn auch Chitintheile von Inseeten, Stücke von Schneekenschalen u. s. w. Es bleibt nur ein Spalt von !/, Zoll Weite und 4—6 Zoll Länge, durch den das Männehen das Weibchen so eifrig füttert, dass dieses ganz dick und fett wird, während es zugleich durch Mauserung oft so rasch seine Federn ver- liert, dass es, herausgenommen, nicht fliegen kann. Naht Gefahr, so klettert das Weibehen in den höchsten Theil des Nestes und bleibt hier so lange ruhig, bis diese vorbei ist. Gegen kleinere Feinde kann es sich übrigens mit seinem kräftigen Schnabel erfolgreich wehren. — Ende December, Anfang Januar beginnt das Brutgeschäft. Das Weibehen legt 3, höchstens 4 Eier, die nach 6 bis 7 Woehen ausschlüpfen. Nach Livingstone glaubte man, dass das Weibehen im Neste bliebe, und da man oft zwei Vögel mit Futter nach diesem fliegen sah, dass sich zwei Männchen dazu vereinigten. Sch. konnte nun aber wiederum fesstellen, dass das Weibehen das Nest verlässt, bevor die Jungen grösser werden, das Loch wieder sorgfältig von aussen durch seinen Koth verklebt und dem Männchen bei der Fütterung hilft. Reh. Einen Kampf zwischen einer Spinne und einer Wespe beschreibt R. M. Barrington im Irish Naruralist Vol. 6 No. 12. Kaum hatte die Spinne die im Netze zappelnde Wespe bemerkt, so machte sie erst einen Sprung seitwärts, sprang dann rasch hinter die Wespe und schoss aus ihrer Spinndrüse einen Faden, der als eine Art Lasso ein Bein derselben fing. Sie zog sich dann beobachtend zurück, während die Wespe sich zu befreien suchte. Fast wäre ihr das gelungen, aber mit einem neuen Sprung warf jene ein neues Lasso über sie, das sie so stark traf, ‘dass sie wieder in einen der Hauptfaden des Netzes fiel. Die Spinne beobachtete zuerst wieder mit aufgeriehtetem Körper; dann lief sie um die Wespe herum und spann, ohne sie zu berühren, ihre Flügel ein. Als später die Wespe aus Müdigkeit für einen Augenbliek mit ihrer Arbeit aufhörte, stürzte jene sich auf sie, um sie zu um- wickeln. In weniger als 1 Minute war letztere wie eine Mumie eingehüllt, wobei die Spinne theils um sie herum ging, meist aber mit ihren Beinen jene in eine drehende Bewegung versetzte. Sie hörte erst auf, als die Wespe aussah wie eine grauweisse Schmetterlingspuppe und nichts mehr von ihr zu sehen war. — Derartiges Ein- spinnen von gefährlicher Beute, auch von Thieren, die der Spinne nieht zur Nahrung dienen, sondern. nur dem Netze grosse Gefahr bringen, ist übrigens, wie Ref. z. Th. aus eigener Anschauung bestätigen kann, nichts Ungewöhnliches. Reh. XII. Nr. 3. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 33 Wetter-Monatsübersieht. — Der vergangene De- eember liess in Deutschland wie in der ganzen westlichen Hälfte Europas von der Strenge des Winters noch sehr wenig verspüren. In den norddeutschen Landestheilen lagen die Temperaturen, der beistehenden Zeichnung zu- Temperaturen im Dezember 1897. —— Tägliches Maximum, bez. Minimum. —— 8Uhr Morgens, 1897. a De. 6. N. --_--öUhr Morgens, normal. ii 10° 2[% 5° Sr Nordwestdeufschland. Nez: n. 16. N. 26. 9. er meug) ImTgl onats-] G, 5 n hie 06 STI/LI-TErDEN! SD ‚ ar FI NN \ r m. - =] 0° an = gauaN\ i Ze L:- = 0° Nordost- Deutschland. SISEROTTaE 3 1.Dez. 6. N. 16. 21. 26. El] 4° = LS De c folge, mit Ausnahme weniger Nächte am Anfang und gegen Ende des Monats, :beständig über dem Gefrier- punkte. Nordöstlich der Elbe fand ein häufigerer Wechsel zwischen gelindem Frost während der Nacht und mildem Thauwetter in den Tagesstunden statt. Nur um Mitte December war Deutschland gänzlich frostfrei, und in dieser Zeit stieg die Temperatur im Binnenlande, namentlich im Gebiete des Rhein und der Weser, vielfach bis 12° C. In Süddeutschland trat während der zweiten Hälfte des Monats zwar etwas strengere Kälte ein; da dieselbe jedoch in den letzten Tagen durch eine neue Erwärmung abgelöst wurde, so ergab sich für das Monats- mittel der Temperatur, verglichen mit seinem langjährigen Durchsehnittswerthe, auch dort ein wenn auch nur ge- ringer Ueberschuss. In ganz Norddeutschland aber wurde das normale Temperaturmittel um reichlich anderthalb Grade übertroffen, und nirgends in der deutschen Niede- rung sank das Thermometer innerhalb des December tiefer herab als —10°C., die als nächtliches Minimum vom 26. zu Swinemünde und in der folgenden Nacht zu Kaiserslautern gemessen wurden. Wie schon während der beiden vorangegangenen Monate waren die Niederschläge, welche unsere zweite Zeichnung zur Anschauung bringt, auch im December verhältnissmässig gering. Ihre Durchschnittshöhe von 28 verschiedenen Stationen aus allen Theilen Deutschlands berechnete sich zu 39,1 Millimetern, etwas grösser freilich als die Erträge, welche die gleichen Stationen im De- cember 1896 und 1893 geliefert hatten, dagegen be- trächtlich geringer als besonders die Niederschlagshöhe vom December 1895. Hinsichtlich ihrer geographischen Vertheilung zeigten drei Abschnitte des vergangenen Monats ein ziemlich verschiedenes Verhalten. Während der ersten acht Tage desselben kamen bedeutendere Regenfälle nur an der Küste und in einem Theile des westlichen Binnenlandes vor. Dagegen fanden solche vom 9. bis 16. December auch weiter östlich und namentlich in Süddeutschland statt. In der zweiten Decemberhälfte waren die Niederschläge überall seltener und viel weniger ergiebig. Im Süden blieben sie gänzlich aus, bis auf 3 Millimeter Regen, die in der Nacht zum 31. in Wies- baden fielen. Am 17. December war es auch in ganz Norddeutschland trocken; dann aber traten hauptsächlich iederschlagshöhen im ezember 1897. “> Mittlerer Werth Für T Deutschland. Monatssummen im Dez. IT 969. 94.92 Su .1[4-8.Dez. | | | Hamburg | Kiel | Swinemünde Magdeburg Chemnitz Kaiserslautern Wiesbaden Karlsruhe Berlin Memel | Kassel, Hannover. Breslau Friedrichshfn Bamberg München ] Helgoland Syit. | Königsberg P ze = Summen] + fm Taf T 11T Summen v. I östlich der Elbe Regenfälle und seit dem 20. sehr häufige Schneefälle ein, welehe jedoch in geringer Dichtigkeit fielen und zu Verkehrsstörungen daher keine Veranlassung gaben. Kurz vor Ende des Monats liessen dieselben voll- ständig nach, doch begann es von Neuem auf den Inseln längs der Nordseeküste zn regnen, die schon während des ganzen December mehr Regen als die übrigen Gegenden Deutschlands empfangen hatten. Die heftigen Südweststürme, mit welchen der ver- gangene November geschlossen hatte, setzten sich in den Anfang des December hinein noch fort. Der umfang- reichen Barometerdepression, in deren Bereich dieselben herrschten, folgte jedoch bald von Westen her ein Maxi- mum, und setzte sich über Scandinavien mit dem in Russland lagernden Maximum in Verbindung, wodurch die De- pression nach Süden gedrängt wurde. Letztere richtete darauf im ganzen Mittelmeergebiet sehr arge Unwetter an; beispielsweise fielen am 4. und 5. December in Lussin piecolo, auf der quarnerischen Insel Lussin, zusammen 158, in Abbazia 114 Millimeter Regen, an der unterita- lienischen Küste, auf Sieilien und Sardinien wurden viele Häuser zerstört und durch Anschwemmungen die Felder |; verwüstet. Nachdem in Deutschland während dieser Zeit bei trübem Nebelwetter geringe Abkühlung stattgefunden hatte, erschien am 6. December ein tiefes Minimum bei den britischen Inseln und schritt, von sehr heftigen, aber warmen Südwestwinden begleitet, in nordöstlicher Rich- tung fort. Andere Minima folgten diesem auf der gleichen Strasse und führten bei uns einen häufigen Wechsel zwischen Regenfällen und Sonnenschein herbei, bis eines derselben am 18. December in das Innere Russlands ein- drang und den hohen Luftdruck von dort nach West- europa vertrieb. Während das barometrische Maximum an der Nordsee bis 780 Millimeter an Höhe zunahm, trat in Westdeutschland abermals dichter Nebel ein, wegen dessen die Rheinschifffahrt mehrere Tage hindurch eine völlige Unterbrechung erlitt, im Nordosten fiel bei schwachen nordwestlichen Winden häufig Schnee. Gerade inmitten des Weihnachtsfestes klärte sich der Himmel überall auf; 34 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XTISENEMES: ein neues oceanisches Minimum hatte das Hochdruck- gebiet langsam nach Südost verschoben, wo dasselbe sehr empfindliche Kälte, bis zu — 23° C. in Hermannstadt er- zeugte. In Deutschland aber, das sich von da an zwischen dem hohen und niedrigen Luftdrucke in der Mitte befand, wurden von neuem sehr milde Südwestwinde herrschend, welche sogar in wolkenlosen Nächten strengeren Frost verhüteten und noch an den letzten sonnigen Tagen des Jahres die Temperaturen nicht viel weniger hoch wie um Mitte December emporsteigen liessen. Der langen Dauer und mehrfachen Wiederkehr der südwestlichen Wind- riehtung dürften wir es demgemäss in erster Linie zu ver- danken haben, dass im vergangenen December zu hoher Barometerstand und geringe Bewölkung — beispiels- weise hatte Berlin 48 Stunden mit Sonnenschein gegen 25 im December 1896 und 19 solcher Stunden im De- cember 1895 — mit verhältnissmässig grosser Wärme zusammenfielen, obwohl doch beitrockenem, klarem Winter- wetter der Wärmeverlust durch Ausstrahlung die Wärme- zufuhr von den Sonnenstrahlen bei weitem überwiegt. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Unser Mitarbeiter, der Botaniker und Ober- lehrer am Andreas-Realgymnasium zu Berlin Rudolf Beyer zum Professor; der Privatdocent in der medieinischen Fakultät zu Breslau Dr. Richard Stern zum Professor; der Privatdocent in der philosophischen Fakultät zu Breslau und Bibliothekar an der dortigen Kgl. und Universitäts-Bibliothek Dr. Leopold Cohn zum Professor; der Ingenieur F. von Hefner-Alteneck in Berlin zum Dr. phil. h. e. der Universität München; Dr. Julius Istvänffy zum ordentlichen Professor der Botanik in Klausen- burg; Dr. Alexander Mägöcsy-Dietz zum ausserordentlichen Professor der Botanik in Budapest; Prof. Dr. Zacharias zum Director des botanischen Gartens in Hamburg; C. J. Joly zum kel. Astronomen von Irland und Professor der Astronomie in Dublin; der Privatdocent der Philosophie in Leipzig Dr. P. Barth zum Professor; der Privatdocent für Psychiatrie in Krakau Dr. K. Zulawski zum Professor; der ausserordentliche Professor der gerichtlichen Mediein in Wien A. Haberda zum Prosektor für die sanitätspolizeilichen Obductionen; der ausserordentliche Professor der darstellenden Geometrie an der Wiener Hochschule für Bodeneultur Th. Tapla zum ordentlichen Professor; der ordentliche Professor der praktischen Mediein in Budapest FE. von Koränyi zum Präsidenten des justizärztlichen Senats. Berufen wurde: Der ausserordentliche Professor der Psy- chiatrie in Halle Dr. R.Wollenberg als Oberarzt an die Irren- anstalt Friedrichsberg bei Hamburg. Abgelehnt hat: Der ordentliche Professor der Physiologie in Marburg Dr. A. Kossel einen Ruf nach Breslau. Niedergelegt hat sein Amt: Der Professor für Physiologie und vergleichende Anatomie am Royal Institution in London Dr. Augustus D. Waller, F.R. S. Es starben: Der Privat-Docent der Astronomie in Königs- berg Dr. Karl Necker in Kairo (durch Unglücksfall); der ehe- malige Professor der Physik am South Afriea College in Capstadt James Holm; der Mathematiker Francesco Brioschi in Rom; der Director des chemischen Laboratoriums der &cole normale Superieure in Paris A. Joly; der Professor der Philosophie in Christiania Monrad; der Präsident der National Geographie So- eiety in Washington Gardiner G. Hubbard; der Professor für angewandte Chemie an der University of Maryland Dr. Camp- bell Morfit. Berichtigung. Der ausserordentliche Professor der Chemie in Greifswald Dr. Heinrieh Biltz ist nicht nach Berlin sondern nach Kiel berufen worden. Litteratur. Prof. Ernst Haeckel, Natürliche Schöpfungsgeschichte. Ge- meinverstädliche wissenschaftliche Vorträge über die Entwicke- lungs-Lehre. 9. umgearbeitete Auflage. Mit dem Porträt des Verfassers und mit 30 Tafeln, wie mit zahlreichen Holzschnitten, Stammbäumen und systematischen Tabellen. Georg Reimer. Berlin 1598. — Preis 24 Mark. Die Neu-Auflage des bekannten Werkes umfasst inel. Register wie die vorige nicht weniger als gegen 830 Seiten; es ist äusserlich in 2 Bände zertheilt: I. „Allgemeine Entwickelungs-Lehre (Trans- formismus und Darwinismus)“, II. (von S. 371 an) „Allgemeine Stammes-Geschichte (Phylogenie und Anthropogenie)“. Das Werk ist so bekannt und trotz vielfacher Einschaltungen und Ver- änderungen so sehr im Prineip und seinem ganzen Guss das alte geblieben, dass ein näheres Eingehen kaum von Nöthen sein dürfte. Der Werth des Buches liegt nicht in den Einzelheiten, die mitgetheilt werden. Die Naturwissenschaften sind so gewaltig umfangreich, dass es jetzt fast ein Wagniss ist, eine umfangreichere, „Natürliche Schöpfungsgeschichte“, die die gesammten Organismen (Thiere sowohl wie Pflanzen) berücksichtigt, allein, ohne Mithülfe von Speeial-Forschern zu schreiben: nothgedrungen müssen dabei Versehen vorkommen. Wichtig ist das Werk jedoch als Ein- führung in den Geist des Darwinismus; soweit in erster Linie das Prineipielle, der allgemeine Gedankengang des Werkes vom Leser berücksichtigt wird, findet dieser ein naturphilosophisches System vor, von dem Kenntniss zu nehmen auch dem Laien von Interresse sein muss, weil es sich erstens auf einen Gegenstand bezieht, der wie keiner das allgemeinste Interesse beansprucht, und weil es zweitens von einer beachtenswerthen Anzahl Natur- forscher Anerkennung gefunden hat. Speciell die Descendenz- Lehre ist ja nunmehr längst eine derartige Grundlage aller Forschungen auf biologischem Gebiet geworden, dass z. B. um- fangreichere systematische Arbeiten überhaupt nieht mehr ohne Rücksichtsnahme auf Descendenzfragen ausgeführt werden. Alles das, was über die die Descendenz-Lehre begründenden Thatsachen und über das, was über die Deseendenz-Lehre (im engsten Sinne) gesagt wird, in dem Werke hinausgeht, ist, soweit es sich um prineipielle Dinge handelt, noch immer nieht spruchreif und auch nicht in gleicher Weise allgemein von Fachleuten anerkannt. Haeckel bringt nun hier mit grosser Sicherheit Entscheidungen vor, die ihm persönlich als die einzig möglichen scheinen; für den Anfänger (es handelt sich ja um gemeinverständliche Vorträge) lässt es sich aus pädagogischen Gründen rechtfertigen, in dieser Weise dogmatisch vorzugehen. Jedenfalls ist das Werk eine gute, vor allem trefflich und klar geschriebene Einführung, die den Anfänger wohl befähigt, nach dem Studieren derselben, gelehrte Speeial-Abhandlungen zum Gegenstand zu verstehen. Er wird dann schon, namentlich wenn die praktische Arbeit hinzu- kommt und er kritisch veranlagt ist, bald sehen, wo Schwierigkeiten liegen. Wolterstorff, Die Reptilien und Amphibien der nordwest- deutschen Berglande. (Jahresberieht und Abhandlungen des Naturwiss. Vereins in Magdeburg für 1892.) Auch in Commission bei W. Niemann. Inh. V. Niemann. erschienen. Magdeburg. 13893. — Pr. 2,50 M. Es ist in dieser Abhandlung des ausgezeichneten Magdeburger Amphibienforschers die zusammenhängende Bearbeitung der Am- phibien- und Reptilienfauna des von der unteren Saale bis zum Niederrhein sich erstreekenden deutschen Berglandes vorgenommen worden, mit besonderer Berücksichtigung der orographischen und physikalischen Verhältnisse. Der Verfasser, dem eine Anzahl getreuer und amphibien- kundiger Mitarbeiter zu seinem eigenen, umfangreichen tlier- geographischen Material noch manchen werthvollen Beitrag hinzu- gebracht haben, schildert in der Einleitung zu jedem Theil des behandelten Gebiets die geographischen und physikalischen Ver- hältnisse, bringt dann die Fundorte in zusammenhängender Dar stellung, meist mit einem Anhang von Einzelangaben aus der Litteratur, nach älteren Sammlungsexemplaren u. dergl. und schliesst mit einer Zusammenfassung der gewonnenen Resultate. Auf diese Weise sind der Harz (Unterharz, Oberharz, nördliche und östliche Vorlande), das Braunschweigische Hügelland (im Norden des Harzes), das Kyffhäusergebirge, das Weser- und Leinebergland, sowie das westfälische Faunengebiet (Sauerland, nordöstliches Bergland, Münsterland) anziehend und zugleich wissenschaftlich werthvoll, mit vielen biologischen und historischen Bemerkungen ausgestattet, dargestellt und es bildet diese Ab- handlung ein Muster für fernere derartige faunistische Arbeiten, welche hoffentlich uicht nur zahlreich, sondern auch mit ähn- lichem Vorrath an gründlichen Kenntnissen und kritischem Ur- theilsvermögen ausgerüstet, in nicht ferner Zeit nachfolgen werden. Es giebt hier noch viel zu thun, und jeder Reptilien- und Amphibienfreund, dem es gelungen ist, sich an der Hand der jetzt ja vorhandenen ausgezeichneten Werke über die in seiner Heimath vorkommenden Arten zu orientiren, was ja sicherlich nicht schwieriger, sondern bei der geringen Artenzahl weit leichter ist, als bei anderen Thiergruppen, kann sein Scherflein zu der herpetologischen Erforschung seines Vaterlandes beitragen, der Wissenschaft zum Nutzen, sich selber zur Freude. Ich kann in die Einzelheiten des umfangreichen, über 240 Seiten umfassenden Werkes nicht näher eingehen; ich will nur erwähnen, dass für das Gebiet von Reptilien Lacerta agilis und XI. Nr. 3. vivipara, Anguis fragilis, Tropidonotus natrix, Coronella austriaca, Vipera berus, Emys orbieularis, von Amphibien dagegen Rana esculenta (typiea und ridibunda), temporaria und arvalis, alle drei Bufo- und beide Bombinator-Arten Europas, ferner Hyla arborea, Pelobates fuseus und Alytes obstetricans, schliesslich Salamandra maculosa, Triton eristatus, alpestris, palmatus und taeniatus nach- gewiesen erscheinen. Lacerta viridis, muralis, Tropidonotus tessellatus, Coluber aesculapii, Rana agilis fehlen, auch Emys orbieularis und die östliche Form Bufo viridis sind selten; dagegen die westeuropäischen B. calamita, Alytes und Triton palmatus zahl- reich und häufig vertreten; Tieflandsformen finden sich nur an Rändern des Plateaus und in den Ausbuchtungen derselben. Schliesslich soll noch auf die Beobachtungen über Rückgang und Aussterben von Formen und die Wanderungen derselben hingewiesen werden. Gewiss wird nicht nur jeder Freund der Kriechthier- und Lurch- welt, sondern jeder Naturfreund das vom Verfasser selbst mit Freude an der Natur und an den landschaftlichen Reizen seiner Heimath geschriebene Werk mit Vergnügen lesen, und mancher wird vielleicht sein eifriger Mitarbeiter durch Einsendung von gewissenhaft zusammengestellten Localfaunen und einzelnen Beobachtungen weıden. Wenn ich durch dieses Referat, wenn- gleich verspätet, zur Bekanntmachung dieser Arbeit in weiteren Kreisen und zur Förderung der Ziele des Verfassers etwas bei- tragen konnte, so soll es mich im Interesse der guten Sache herzlich freuen. Wird doch nieht nur der Wissenschaft gedient, sondern auch die alte, fröhliche Wanderlust zu Fuss, die jetzt durch das leidige „Stahlross“ schon bald zu einer Mythe geworden sein wird, geweckt; denn Frosch und Eideehse meiden die Land- strasse, auf der der moderne Naturfreund, in Staubwolken gehüllt, eilig dahinsaust. Dr. Franz Werner-Wien. Dr. H. Christ, Die Farnkräuter der Erde. Beschreibende Dar- stellung der Geschlechter und wichtigeren Arten der Farn- ptanzen mit besonderer Berücksichtigung der exotischen. Mit 391 Abbildungen. Gustav Fischer in Jena 1897. — Preis 12 M. Es ist keine Frage, dass das Buch einem Bedürfniss entgegen kommt: eine reich illustrirte, systematische Farnkunde zu besitzen, die nicht zuviel Umtang einnimmt, wie etwa die bekannten Werke W. J. Hooker’s, und daher billiger sein kann, ausserdem beeinflusst ist von den neueren Forschungen, ist zweifellos in jeder botanischen Bibliothek und manchem Liebhaber erwünscht. Mit Rücksicht darauf, dass ein Cliche-Material für ein Werk wie das vorliegende noch nicht vorhanden war und die Cliches daher alle eigens an- gefertigt werden mussten, ist der Preis des Buches als ein recht mässiger zu bezeichnen; die hervorragende Verlagsbuchhandlung zeichnet sich überhaupt ganz allgemein durch verbältnissmässig niedrigePreise ihrernaturwissenschaftlichenVerlagsartikel aus. Refe- rent hätte gern einen Artikel allgemeinen Inhalts indem Buch gesehen, indem also Auskunft über das Wichtigste aus dem Leben der Farn und eineallgemeine Darstellung des Aufbaueszu finden gewesen wäre, 2. B. u. a. über die Farn-Bäume, die Farn-Lianen, ihr Vorkommen, ihre Häufigkeit im tropischen Urwalde, Grössen-Verhältnisse und dergl. mehr. Der Mangel eines solchen Abschnittes kann freilich dem Autor auch nicht entfernt zum Vorwurfe gemacht werden: es ist vor- läufig noch immer nicht üblich in systematischen Werken all- gemeine Ueberblicke zu bieten; sie beschränken sich noch immer ausschliesslich auf die systematische Vorführung der Arten und Abtheilungen, in denen sie untergebracht werden. Das geschickt von Christ diesbezüglich gebotene, reiche Material ist nun, wie gesagt, eine zweckdienliche Quelle für den Botaniker und Lieb- haber, denn es umfasst „alle typischen Arten, die irgendwie durch ihren Bau, durch biologische Besonderheiten, durch verwandt- schaftliche Beziehungen, durch weite oder eigenartige Verbreitung bemerkenswerth sind.“ Verfasser hat sich auf die Darstellung der Isosporeae beschränkt; der Ausdruck „Farn“ ist also in dem volksthümlichen Sinn genommen für die isosporen Filices. P. Julius Hann, Handbuch der Klimatologie. Zweite wesentlich umgearbeitete und vermehrte Auflage. I. Band Allgemeine Klima- tologie. II. Band Klima der Tropenzone. III Band Klima der ge- mässigten und der kalten Zone. Mit 22 Abbildungen. (Bibliothek Geographischer Handbücher, herausgegeben von Professor Dr. Friedrich Ratzel) Stuttgart, J. Engelhorn 1897. Dieses grossartige Werk, dessen erste Auflage 1583 erschien, ist in der zweiten Auflage auf den neuesten Stand der Forschung gebracht worden. Die erhebliche Erweiterung des Textes liess Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 35 | es wünschenswerth erscheinen, dass der Stoff nunmehr in drei Theile zerlegt wurde. Das Werk repräsentirt nunmehr thatsächlich in kurzen Zügen den Stand der ganzen heutigen klimatologischen Forschung und Wissenschaft und giebt ausserdem den vollständigen Litteraturnachweis über alle diesbezüglichen brauchbaren Ver- öffentlichungen. Um ein Beispiel zu geben, so sei erwähnt, dass für die Behandlung des arktischen Klimas Nansens Beobachtungen bereits eingehend benutzt wurden. Ein ausführliches Namen- und Sachregister ist ebenfalls jetzt dem Werke beigegeben, so dass alle umfassenderen klimatologischen Untersuchungen an dieses wahrhaft klassische Werk anknüpfen müssen. Kalender für Geologen. Paläontologen und Mineralogen für das Jahr 1898. Herausgegeben von Dr. K. Keilhack, Königlichem Landesgeologen in Berlin. Verlag von Max Weg, Leipzig 1898. — Preis gebunden 3 M. Zum ersten Male ist ein Taschenbuch für Geologen, Paläon- tologen und Mineralogen von einem bewährten Fachmanne in Ka- lenderform zusammengestellt worden, welches einem wohl längst gefühlten Bedürfniss entspricht und dessen Erscheinen daher mit Freuden begrüsst werden kann. Wie viel Nützliches das Werk bietet, geht schon aus seinem Inhaltsverzeiehniss hervor: I. Die staatlichen geologischen Landesaufnahmen Europas; II. Verzeich- niss der Professoren und Docenten der Geologie, Paläontologie und Mineralogie an den europäischen Hochschulen; III. Geo- logische, mineralogische und paläontologische Gesellschaften; IV. Die geologischen, mineralogischen und paläontologischen Zeitschriften; V. Gebräuchlichste mineralogische, geologische und paläontologische Lehr- und Handbücher; VI. Die öffentlichen und privaten geologischen, mineralogischen und paläontologischen Sammlungen Deutschlands; VII. Adressbuch der deutschen Geo- logen, Paläontologen und Mineralogen; VIII. Kurzer Bericht über den VII. Internationalen Geologen-Kongress in St. Petersburg; IX. Formationstafel; X. Deelinationstabelle; XI. Tabelle der ge- bräuchlichsten Längenmaasse; XII. Speeifische Gewichte einer Anzahl von Elementen, Mineralien und Gesteinen; Tafel der in der Kartographie gebräuchlichsten Maassstäbe, Notizkalender für 1898, Tabellarisch liniirte Blätter zum Eintragen von Einnahmen und Ausgaben, Schreibpapier zu Notizen, Millimeterpapier. Das Ganze ist in handlichem Taschenformat in Leinewand gebunden und auch geeignet zur Mitnahme auf Reisen. Bedenkt man, dass dem Verfasser nur ein Zeitraum von 4 Wochen zur Zusammenstellung des vorliegenden Buches zur Verfügung stand, so wird man um so leichter sich über manches vielleieht Fehlende und einige Fehler, ganz abgesehen von un- bedeutenden Druckfehlern, hinwegsetzen können. Nur Eines sei hervorgehoben: Die Formationstafel, die doch in diesem Buche für die Fachgenossen bestimmt ist, dürfte detaillirter sein, als die Credners Elementen der Geologie entnommene. Die unter den Verzeichnissen noch fehlenden aussereuropäischen Landesanstalten verspricht der Verfasser nebst anderen Vermehrungen und Ver- besserungen im nächsten Jahrgange zu bringen. Einem Jeden gerecht zu werden, ist bei einem solehen Unternehmen schlechter- dings nicht möglich; das vorliegende Werk aber, einzig in seiner Art, wird gewiss bei der Fülle des Gebotenen recht viele Freunde finden; vielleicht wird es sieh im Laufe der Jahre verbessert und vermehrt als ein unentbehrliches Vademecum für alle Fachgenossen erweisen, und so rufen wir dem Verfasser ein herzliches Glückauf! zu. Sehulte. Büchner, Prof. Dr. Ludw., Am Sterbelager des Jahrhunderts Giessen. —6 M. Fleischmann, Prof. Dr. A., Lehrbuch der Zoologie. Wiesbaden. — 11,60 M. Glazebrook, Prof. R. T., Das Licht. Berlin. — 3,60 M. Hauptflleisch, Priv.-Doc. Dr. Paul, Professor Julius von Sachs. Gedächtnissrede. Würzburg. — 0,80 M. Ihle, Paulu. Mor. Lange, Zwölf Gross-Schmetterlinge Thüringens, deren Eier, Raupen, Puppen, sowie Nahrungspflanzen. Gotha. —5M. Zur Nachricht. Hr. Prof. B. — Nach Rücksprache mit der Verlagsbuch- handlung ist diese bereit, nicht nur Ihnen sondern allen neu hinzutretenden Abonnenten den im vorigen Jahr erschienenen An- fang des Kobelt’schern Artikels nachzuliefern. Red. er TE TE EEE N Inhalt: A. N. Ljubimoff: Untersuchungen über den Fall eines schweren System. — A. Kobelt: Zur Theorie der Protoplasma- und Zellstruetur. — Ueber den Nestbau des Tokko, Tockus melanoleueus Licht. — Kampf zwischen einer Spinne und einer Wespe. — Wetter-Monatsübersieht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Prof. Ernst Haeckel, Natürliche Schöpfungs- geschiehte. — Woltersdorff, Die Reptilien und Amphibien der nordwestdeutschen Berglande. — Dr. H. Christ, Die Farnkräuter der Erde. — Julius Hann, Handbuch der Klimatologie. — Kalender für Geologen. Jahr 1398. — Liste. — Zur Nachricht. [7 Fe y® Paläontologen und Mineralogen fü 5 As! N A l gr > 0 AITITTTTITITI III RT III IT TRITT III II TI TITT von Poncet Glashütten-Werke 54, Köpnickerstr. BERLIN SO., Köpnickerstr. 54. Fabrik und Lager aller Gefässe und Utensilien für chem., pharm., physical., electro- u. a. techn. Zwecke. | EXYIIXYIIIIIIIITIIIIIT) | Gläser für den Versand und zur Ausstellung naturwissenschaftlicher Präparate. Preisterzeichniss gratis und franco. | ı EERNTTINIITIIITZTIIITIITZIITIIIITIIITITN [ Aquarien Institut | Nürnberg Tafelfeldstrasse 32. Zierfische, Reptilien, Pflanzen, Seetiere. = Aquarien, Terrarien, Apparate etc. LTE ANETTE KATTITTKTITTTITIITII IT TY) PATENTBUREAU Ulrich R. Maerz Jnh: C.Schmidtlein Ingenieur Berlin NW.,Luisensir. 22. Gegründet 1878. Patent- Marken -u..Musterschutz Gebrauchte Gasmötoren DAMPF- und DYNAMO: MASCHINEN Preisliste gratis u. franko. Franz Bartels, Patent- u. technisches Bureau, Berlin SW., Yorkstr. 19! Billig, sorgfältig, schnell. Reelle Bedienung. garantirt betriebsfähig "in 'allen. Grössen sotort lieierbar. Elektromotor,s.n.v.n. Schildauerdamm 21 Berlin.NW. get. Dimmlers Derlagsbuchhandtung in Berlin SW. 12, Zimmerkr. 94. Eransvpaal. Roman aus dem füdafrifanijchen Leben der Gegenwart von Gregor Samarow. 2 Bände. Geheftet 7 Mark, in einem Band gebunden 8 Marf. [23 ® Ertöfe ötich Fetbrft! Gedanken über Heligion und Moral von Hans Vorder, 300 Seiten gr. 8%. — Preis geheftet 4 M., elegant gebunden 5 M. dä Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Rh Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. | | | | Max Steckelmann, | Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. | ——— | | Photosrarhische Stativ- und Hand- zeug GAMETAS. Gediegene Ausstattung. SEE” Sämmtliche Bedarfsartikel, MM; Speec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Ba u Venmnet der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). w ö Gewinnbetheiligung! I = FÜ BE: Bedeutender Rabatt! =|> Neues Prinzip für = = Massenbetheiligung =|® v : a 2 RE Be Be an industriellen e 4 zur. natioflelten VErWEHEHUNG von Fatanıan ® Unternehmungen. 6) Eingetr, Genossenschaft m. b. H., Berlin. Antheile a Mk. 10. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, participirt am Reingewinn und er- hält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabricirten Artikel. Wer Prospekte durch den Vorstand. wg Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Eanling>Vz 12. In unserm Verlage erschien: Elementare Rechnungen aus der mathematischen Geographie für Freunde der Astronomie in ausgewählten Kapiteln gomeinvorständlich hegründet und vorgeführt von ©. Weidefeld, Oberrossarzt a. D. Mit einer Figurentafel. 64 Seiten gr. 8°. Preis 2 Mark. ar bester und Iber . One bewährter geographische Ortsbestimmungen Johne astronomische Instrumente. Von Prof. Dr. P. Harzer, Director der Herzoglichen Sternwarte zu Gotha Mit einer Tafel. (Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik.) WIEDERVERKÄUFER uINSTALLATEURE , 53 Seiten Lex. 5°. — Preis 1,20 M. In Ferd. Dümmilers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 12 erschien: Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am königl. Realgymn. in Berlin, 444 Seiten gr. 8. Preis6M.,geb.7M. Ks giebt Kein Fahrrad das auf Grund „ seiner Qualität und seiner gleichzeitigen Eigenschaften: Leichtester Lauf x Grösste Zuverlässigkeit Schönheit der Formen sich solcher allgemeinen Anerkennung erfreut wie das „ AALEr“ Rad... Adler Fahrradwerke vorm. Heinrich Kleyer, Frankfurt a. M. Spezial-Fabrik für Fahrräder mit über 1300 Arbeitern. Jahres-Production über 35000 Fahrräder. Filialen gleicher Firma: Berlin, Hamburg, Köln, Hannover, Kopenhagen Vertreter im In- und Auslande. Verantwortlicher Redaeteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. -- Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ! Was die naturwissenschaftliche | Forschung -ufgiebt an weltum- I} fassenden Ideen und an locken- den Gebilien der Phantasıe, wırd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, der ihre Schöpfungen schmückt. Sch 2 SA SCH Redaktion: £ Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. Sonntag, den 23. Januar 1898. Nr. 4. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 %. Grössere Aufträge ent- o anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist MH 4.— sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 9 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Zur Theorie der Protoplasma- und Zellstructur. Von Dr. A. Kobelt. (Schluss.) Auch in der Pflanzenwelt lassen sich Vertreter dieses | zur Wahrnehmung gelangen 19), eine Erscheinung, die Organisationstypus nachweisen. Dieselben bestehen, kurz | dadurch zu erklären sein dürfte, dass hier in Folge der gesagt, in allen den Reizquellen entgegenstrebenden ; schwächeren Polarisation der Plasmakörper mit dem Spitzen des Pflanzenkörpers, worüber einiges Nähere in | Nachlass der Reizung, der Einwirkung eines specifischen „Kraft und Schwäche“ ausgeführt ist. Reizes verhältnissmässig rasch, dort hingegen in Folge Auch bei den Monaxonien kommt es ferner durch | der stärkeren Polarisation sehr langsam oder gar nicht zunehmende Ueberreizung zur Entwicklung von eurys- | mehr aus dem Erregungszustand — und zwar im vor- matischen Formenreihen, welche auch hier in der zwei- | liegenden Fall: der Bedrohung (seines Kopfpoles) — in fachen Gestalt des amphigenen (Ueberreizung) und des | den Ruhezustand (Phase der relativen Indifferenz, des polygenen (Reizmangel, Indifferenz) Eurysma auftreten. Da | schwachen Reizes) zurückkehrt (man kann die Ursache wir die Vorgänge schon oben ausführlich erörtert haben, | auch der starken, anhaltenden, bezw. schwachen, vorüber- wobei es klar geworden sein dürfte, dass sich beide | gehenden Verdichtung zuschreiben, was vielleicht auf Richtungen leicht aus einander ableiten lassen, so können | das Gleiche herauskommt), dass daher dort die Hylosomen, wir uns hier kurz fassen, und möge deshalb ein Abriss | die Körnchen in den „Ruhepausen“, d. h. in den Zeiten, des einen Entwicklungsganges, des polygenen Eurysma, | wo der äussere Reiz nicht einwirkt, nur langsam!®), genügen. Die hier zunächst sich anschliessende Stufe ist | ———— eine Form, für welche sich bei den Homaxonien, wie '!) Eimer (Vosseler) sowie Leydig, v. Bau des thier. Körp,., schon oben angeführt, kein ganz deutliches Aequivalent | a en NEN O3 ur nachweisen lässt (Myophane der Infusorien). Während gewisser Grad von Contraction (Tonus, s. oben, sowie das Sche- beim typischen Actinom (Neuroganglienzelle) die Hylo- | ma) fortbestehen, woraus sich vielleicht auch Eimer’s Befund somen durch formbeständige Körner, namentlich die | erklärt, dass die quergestreifte Faser dicker ist als die glatte des Pigments!®°), vertreten sind, sehen wir hier in manchen B wiss. Zool., Bd. 53, Suppl., S. 89). Die ma die re Homoloea derselben "die sareous elek: Querstreifung, der Ausdruck dieses Tonus ist ein durch die Thätig- & H A 52 | N ‘ N keit (= die Reizeinwirkung) erworbener, langsam (z. B. in der ments !%0), erst bei der Funetion, der Muskelcontraetion, Winterruhe) erlöschender Zustand. (s. ders., Entst. d. Art., I. ———— S. 352). Je öfter die Thätigkeit sich wiederholt, desto stärker 15°) Formbeständig würden diese Körner sein, d. h. es würde | bildet sich der Polarisationszustand aus und damit die Verdichtung bei ihnen keina Contraction mehr eintreten, weil sie schon auf's | beim Contraetionsact. (Je rascher und anhaltender der Muskel Höchste eontrahirt sind, da die Gewöhnung des vorderen | arbeitet, desto kleiner sind seine sareous elements, Heitzmann, Factors eine vollkommene ist, in Folge dessen bei ihm keine Be- | mikr. Morph., S. 278.) Nach der oben angedeuteten Entwiekelung drohung mehr stattfindet. Jedoch ist dies nicht absolut zu ver- | der Polarisationsstufe aus dem Stadium der Indifferenz (also auch: stehen: auch an ihnen ist Contraetilität beobachtet, Engelmann, | Wimperzelle — vegetative — animale Neuromuskelzelle; vgl. das Pflüger’s Arch., Bd. 35, S. 501, vgl. hierzu Bem. 192. Ueber ihre | Schema) ist es klar, dass auch dem animalen Muskel eine Verwandtschaft mit den sarcous elements s. z. B. Arndt, Virchow’s | beständige — „unwillkürliche* Thätigkeit zukommt. Arch., Bd. 59, S. 513. Nur gelangt dieselbe nicht zu unserer Wahrnehmung, weil die 10) Sie sind „verdichtete Theile“ des Hyaloplasma, Leydig, | Contractionen zu anhaltend, die Unterbrechungen zu Zelle u. Gew., S. 140; ihre Färbbarkeit wird von Schäfer | unbedeutend sind, so dass der Eindruck eines blossen Zustan- ausdrücklich hervorgehoben, proceed. sog. roy. Lond., vol. 49. | des, das Bild der „Ruhe“ entsteht. Der animale Muskel geräth In betreff ihrer Form vgl. Verworn, Pflüger’s Arch., Bd. 63, | für uns erst dann in Thätigkeit, wenn der Kopfpol — bedroht T. 5, Fig. 2B (und C) wird (und sich demgemäss verlängert), was aber natürlich um so 38 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 4. hier dagegen rascher sich wieder ausdehnen. Die That- sache, dass die Zusammenziehung so gut wie ausschliess- lich in horizontaler Richtung stattfindet, möchte darin be- gründet sein, dass in Folge der bipolaren Abstossung einerseits!%) und der hieraus folgenden Begegnung des Hinterendes (Caudalpol) mit der Widerstand leistenden Oberfläche der horizontalen Basalhaut andererseits, dass letztere sich wagerecht ausbreitet, was oft eine gleich- sinnige Streekung seiner feineren Structurelemente, der körmerförmigen Hylosomen, zu kurzen Stäbchen (Muskel- prismen, sarcous elements) zur Folge hat (spindel- und sternförmige Muskelzellen, Chromatophoren). Sehreitet nun die Ausbildung in dieser Richtung weiter, so werden, je mehr die specifische Reizeinwirkung am Kopfpol abnimmt, je mehr die Phasen der Ruhe oder Sicherheit (des + Statosoms), der Dehnung sich verkürzen und von Phasen der Ueberreizung (die freilich anfangs noch gering) unterbrochen werden, desto mehr die Con- tractionsphasen am Caudalpol sich verkürzen und von Dehnungsphasen unterbrochen, hiermit aber auch gleich- zeitig oberflächlicher und schwächer werden. Die so gut wie continuirliche Contraction (Tonus) der animalen Phase geht über in die unterbrochene, rhythmische, „un- willkürliche“ der vegetativen Muskelzelle. Bald jedoch wird die Ueberreizung am Kopfpol immer ernster werden und bereits hin und wieder, endlich aber immer häufiger einen höheren Grad erreichen, der zu einem energischen Rückzug!”*) des nervösen Ausläufers!?) (und einer ent- sprechenden Dehnung im Caudalpol) führt und zwar — in Folge der Entwöhnung und dadurch gesteigerter Empfind- lichkeit — noch ehe der Reiz dessen Spitze wirklich trifft. Die Contraetionsphasen im Caudalpol hin- gegen werden nun ganz unbedeutend, da ihre Unter- drückung mit derjenigen der Streckungsphasen im Kopf- pol gleichen Schritt hält. Auf solche Weise entsteht auch hier, wie bei der Homaxonie, die Flimmer- und Geissel- bewegung (Kinosom, Unruhe; tangentiale Locomotion). Je kräftiger, häufiger und anhaltender aber die Con- traetionen der Cilie werden, desto stärker, häufiger und anhaltender wird auch der gleichzeitige Dehnungsact an den Hylosomen im Caudalpol werden. Damit nimmt aber bei ihnen die Gelegenheit der Ausbreitung, der Bildung einer peripheren Hyaloplasmalage zu, weshalb zu er- warten ist, dass die bis dahin schwach ausgeprägte Hülle der Körner immer deutlicher zur Entwickelung kommt. Je rascher ferner die Schläge der Cilie einander folgen, desto weniger kann sie sich in den Pausen mehr strecken oder verlängern, desto mehr nimmt allmählich ihre durch- schnittliche Länge ab, sie verkürzt sich und wird schliess- lich vollkommen eingezogen, indem sich ihre Substanz immer mehr in horizontaler Richtung ausbreitet. Zu- gleich findet auch hier, wie bei der Homaxonie, bei seltener geschieht, je mehr sich die Polarisation ausbildet. Die Thätigkeit des animalen Muskels besteht also in einer plötz- lichen Steigerung des vorhandenen Polarisationszustandes, in einer Verstärkung der Dehnung am Kopfpol und der Con- traetion am Caudalpol (das Gleiche gilt für die höheren Polari- sationsstufen, s. Bem. 189). Da diese Thätigkeit keine gesetz- mässige, keine Zwangsbewegung, sondern „vom Zufall“ und von eigener Wahl, freier Entschliessung abhängig ist, hat man sie „willkürlich“ genannt (vgl. noch oben Bem. 87). "®) Vgl. Chun, Abh. Senckenb. nf. Ges., Bd. 11, S. 209 (Ko- walewsky). 194) $ oben Bem. 21 sowie Bem. 56. 16) Wir haben schon mehrfach die Analogie zwischen Zellfort- sätzen (Actinom, daher auch Zellplasma) und Sinnesnervenfaser (Axencylinder) kennen gelernt (s. z. B. Bem. 164). Man vergleiche in dieser Beziehung noch Kölliker, Beitr. z. Ktn. Geschl.vh. wirbell. Thre. 1841, S. 82 ff. (Samenfaden und Nerv) und Perty, Beitr. z. Ktn. klst. Lebsf., S. 94 (Wimpern und Nerv). Vgl. hierzu ausserdem A. Braun, üb. d. Erschein. d. Verjüng. in d. Nat., 1850, S. 247, Anm. 1. jeder Contraetion, die sich nach und nach auch dem übrigen Körper mittheilt, eine Abtrennung der jeweils oberflächlichsten Lage statt, wodurch gleichfalls eine mehr oder weniger geschichtete Rinde, wie bei jener, zu Stande kommt. Mit diesem Fortschreiten der Rückbildung nimmt die Dehnung der Körner im Caudalpol noch weiter zu, sie gerathen in einen Zustand, der dem am Kopfpol, dem der eingezogenen Geissel immer ähn- licher wird. Dadurch werden die Körner überhaupt mehr und mehr verschwinden und Stromnetze an ihre Stelle treten, deren Knotenpunkte (soweit dieselben nicht einfache Gabelungsstellen oder Anastomosen der Aus- läufer sind) die Reste der in Plasmaströme aufgelösten Körner darstellen. Wie die radiäre Streckung des Kopf- pols nimmt mit dem Rückgang der Polarisation, der bi- polaren Abstossung, natürlich auch die horizontale Aus- breitung des Caudalpols ab: die ganze Monaxonie ver- wandelt ihre gestreckte Form in eine stumpfe, gedrungene, abgerundete. So wird endlich das polygene Eurysma, die Mittelstufe, das Synthema erreicht. Was den Kern der Monaxonie anlangt, so spielt der- selbe wohl keine so grosse Rolle wie derjenige der Ho- maxonie, doch betheiligt er sich mutbmaasslich immerhin an den Contractions- und Dehnungsprocessen im Caudal- pol, besonders an seinem (äusseren) oberen Umfang. Auch für die Monaxonie dürfen wir ferner wohl unbedenklich das Vorkommen einer Polarisation mit Typus inversus annehmen, eine extreme Involution, Contraction des Kopf- pols und eine extreme Entlastung, Dehnung des Caudal- pols. Die Körnerbildung, besonders die Pigmentablage- rung im keulen- oder kolbenförmigen Kopfende so vieler Drüsenzellen, wie auch der Sinneszellen und deren Neben- elemente (Stützzellen) !%) scheint dies unzweifelhaft zu be- weisen. Wollen wir nun in einer übersichtlichen Darstellung die Vorgänge bei den verschiedenen Phasen uns ver- gegenwärtigen, so hätten wir etwa die nebenstehenden Haupt-Typen aufzustellen: Auf der Stufe I ist beim Dynamoplast Dehnung (Bedrohung), Ruhe, Reactionslosigkeit der gewöhnliche oder normale Zustand; nur selten, in langen Inter- vallen erfolgt eine Contraetion, die ausserdem sehr schwach ist. Der Reiz ist (in Folge von Isolirung) stark, daher auch die Bedrohung stark, aber, solang genügende Nah- rung vorhanden, paralysirt (Angewöhnung). Beim Hy- loplast dagegen ist die Contraction (Ueberreizung), Thätigkeit (die man aber auch wieder einen Ruhezustand nennen kann — Tonus), Reaction der gewöhnliche oder normale Zustand; nur selten, in langen Inter- vallen erfolgt eine Dehnung, die überdem sehr schwach ist. Bei der (willkürlichen) „Thätigkeit“ setzt sich der äussere oder vordere Factor einem höheren Grad des Reizes aus, es wird also mehr Nahrung erfordert, daher streckt sich derselbe mehr, während der innere oder hintere Factor sich mehr contrahbirt. Doch ist diese Thätigkeit mit grosser Gefahr verbunden, denn der Reiz ist durch sein Anwachsen nun auf eine enorme Höhe ge- stiegen und erfordert eine ungeheure Menge Nahrung, während andererseits der Plasmakörper ihm doch nicht mehr entrinnen kann (Angewöhnung), durch ihn gebannt ist (jeder Fluchtversuch würde Schmerz erzeugen, weil jeder andere Reiz dem Plasmakörper fremd geworden ist). Das geringste Plus von Thätigkeit kann also die 100) Vgl. z.B. A. Brandt, mem. ac. imp. St. Pet., 7. ser., T. 71; S. 17; Jourdan, ann. ds. sc. nat., Zool., 6. ser., T. 10, Fig. 58g, Lendenfeld, Z. wiss. Zool., Bd. 38, Fig. 9; Semper, ebd., Bd. 8. Hier handelt es sich aber vielleicht immer zugleich um eine Po- larisation zwischen Haupt- und Nebenelement, also nicht um reine ' amphigene Hylotisation. XII. Nr. 4. Involution herbeiführen — falls es unmöglich ist, ge- nügend Nahrung herbeizuschaffen. Auf den Stufen II und III werden beim äusseren, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 39 In der Schrift „Mitose und Amitose“ habe ich am Ende kurz die bekannte Aehnlichkeit der intracellulären Skelet- körper mit den Zellstructuren, besonders den Strahlungen vorderen Factor die Contractionsphasen häufiger, | berührt und selbst den Versuch gemacht, die Entstehung die Dehnungsphasen kürzer, der Reiz wird durch die Mischung mit anderen schwächer Reizlosigkeit (Entwöh- nung). Beim inneren, hinteren Factor dagegen werden dieDehnungs- phasen häufiger, die Contractionsphasen kür- zer. In beiden Abschnit- ten entsteht ein Mittel- zustand zwischen der Ruhe (Reactionslosig- keit) des Bathysma (A) und der Thätigkeit (Re- action, Tonus) des amphigenen Eurysma(S) oder es geht die + Ruhe des A wie die — Ruhe des S in zuerst lebhafte, dann schwächer wer- dende „Unruhe“ (Teta- nus), in sog. unwillkür- liche Thätigkeit, über. Beide Factoren werden einander immer ähn- licher. Das Verhältniss der rhythmischen Thätigkeit des vegetativen Muskels zur Geissel- und Wim- perbewegung mag um- stehendes Diagramm veranschaulichen: Die reaetiven Mo- mente beider Stufen alterniren also. Beim vegetativen Muskel sind es die Contractionen des Caudalpols, bei der Geissel- zelle die mit diesen ab- wechseln- den Con- traetionen des Kopf- pols, welche die reacti- ve Wirkung nach aus- sen hervor- bringen. BeidePha- sen können sich ausein- ander ent- wickeln: die Geisselbewegung aus der Thätigkeit des vege- tativen Muskels dadurch, dass am Kopfpol die Streekung abnimmt, die Contraction stärker wird; die Bewegung des Muskels aus der der Geissel dadurch, dass umgekehrt da- selbst die Streekung zunimmt, die Contraetion schwächer Dort verliert durch die Entlastung und Deh- nung der Caudalpol seine Kraft, hier der Kopfpol. — wird. Reiz stark (Isolirung). (&) Polarisation in Bathysma und (am- phig.) Eurysma, animale Phase. Seal een 4= Actinom, Dynamoplast I II 2 [=] ° 2 3 a. Bedrohte, polarisirte Zelle d. Rückbildung, Ab- ° (inneres Skelet). stumpfung (Einzie- HE hung) der Fortsätze. III a,. Ueberreizte, ausgeglichene (neutralisirte) Zelle, amphige- nes Eurysma (äusseres Skelet), durch Ueberreizung aus a ent- standen (der Z Polarisations- zustand wurde fortgelassen). ex Indifferente, unge- ri reizte*), embryonale E\ Zelle, polygenes Eu- “ rysma, parthenoge- = netisches Ei, soma- ° tische, hermaphro- s ditische**) Zelle, Animale und vege- Geissel- träge Amöbe, Neuroganglienzelle tative Neuromus- und kelzelle. Wimper- zelle, A = Actinom, Dynamoplast. S = Sphärom, Hyloplast. *) Zu dem Wort „ungereizt* ist zu bemerken: Dies gilt nur gegenüber der Ein- wirkung eines Reizes mit ihrem + oder — Resultat. Als Uebergangsstufe zwischen Dynamoplast und Hyloplast, d.h. in Folge seines Gehalts an Contractions- phasen einer-, an Dehnungsphasen andererseits besitzt das Indifferenz-Stadium aller- dings einen gewissen Grad von Belastung, Involution (Ueberreizung) dem D,, » einen gewissen Grad von Entlastung dem H. gegenüber. In diesem Sinn also kann man bei ihm trotz der „Reizlosigkeit* oder Reizarmuth von einer gewissen Hylotisation = Ueberreizung (wie andererseits von einer gewissen Dynamisation = Entlastung) sprechen. ”) Vgl. Leydig, zool. Jahrb., An. u. Ont., Bd. 3, S. 420. I 2 d r Phase; d ce d S — Sphärom, Hyloplast unwillkürlichen, rhythmischen Thätigkeit der Elemente. Reiz schwach (Mischung). III Indifferenz, polygen, Eurys- ma, Synthema, polytroper tionstypus (C. Snell). A ce af R Da Ve WWW ENT MM ned Aa cd d e = Contraetions- und d = Dehnungsphase der derselben auf letztere zurückzuführen. Sehr instruetive Bilder finden sich auch, was mir da- mals entgangen war, in einer Abhandlung von Lustig und Galeot- t11°9), Inzwischen ist es Schaudinn!®) ge- lungen, durch directe Beobachtung die Identi- tät des Centralkorns der Strahlengerüste mit dem Centrosom zur vollen Gewissheit zu erheben. Für die organische Her- kunft sprechen auch sonst manche Umstände, so unt. And. der oft gewundene Verlauf!"?) eines Schaftes, der manchmal ohne Frage die regelmässige Bewe- gung einer Cilie in’s Gedächtniss ruft oder die Schlängelungen, wie sie bisweilen an den Fäden des Zellplasma beobachtet werden, Was schliesslich die eoncen- trischen Kreise des Zell- körpers einerseits und die eoncentrischen Git- terschalen der Radiola- rien und Heliozoen an- dererseits betrifft, so sei insbesondere auf Drü- ner’smehrfach eitirteAb- handlung %) verwiesen, Wollen wir zum Schlusse die Hauptergeb- nisse vorste- hender Be- trachtung in einem kur- zen Rück- blick zusam- menfassen,so wäre unge- fähr das Fol- gende zu sagen: Alle Le- benserschei- nungen des Protoplasma, alle vorüber- gehenden vegetative Örganisa- [4 oder dauernden Gestaltungsvorgänge desselben werden 7) Beiträge z. pathol. Anat. u. allg. Pathol., Bd. 14. 15) Vhdl. d. dtsch. zool. Ges,, 5. Jahresvers., S. 113 ff. 10) Vgl. z. B. die Spieula von Sphaerozoum ital. bei Häckel; von Hymeraphia eruca, ann. a. mag., vol. 6, 1880, Pl.8; von Cliona, vol. 19, 1867, Pl.7 und 8; ferner vol.3, 1879, P1.28, Fig. 8; Pl. 14, Fig. 33. Ray society, vol. 3, 1874, Pl. 14, Fig. 5 (Tethea). 200) Jena’sche Z., Bd. 29, S. 307. 40 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. in erster Linie hervorgerufen durch die Einflüsse der umgebenden Aussenwelt. Diese Einwirkung ist zunächst von zweierlei Art. Die Einflüsse wirken entweder ver- einzelt, gesondert auf die lebende Substanz oder zu mehreren, gemeinschaftlich. Ist ersteres der Fall, so üben sie eine mehr oder weniger eingreifende Wirkung auf das Protoplasma aus, man sagt dann, es wirke ein „Reiz“ auf den Plasmakörper ein. Diese Ein- wirkung besteht darin, dass der betreffende Einfluss die Masse des letzteren zu durchdringen sucht, wobei es zu einer Lockerung derselben kommt, welche, für den Fall, dass die Erregung nur schwach ist, eine als Austausch zwischen Pro- toplasma und Reizkörper aufzufassende Annä- herung des ersteren an die Reizquelle im Gefolgehat. Seine Masse löst sich je länger, je mehr in schmale, m — 'hätigkeit des vegetat. Muskels, geradlinige, der Reiz- 9 — Geisselbewegung, quelle entgegeneilende e — Contraction, Dehnine: Ströme (Actinome) auf (Zerstreuung der leben- den Substanz, ©. FE. Wolff, Needham). Durch dieses fortgesetzte Hinströmen werden die Räume, in welchen sich die lebende Materie bis dahin befand, nach und nach völlig entleert, es ent- stehen Hohlräume, Vacuolen (Karyolyse im weiteren Sinn). Steigt die Reizung an, d. h. verdrängt sie die Reste der anderen, im Plasmakörper vorhandenen Erregungszu- stände mehr und mehr, so entsteht eine ernste Gefahr für das Protoplasma, nämlich die der gewaltsamen Lockerung und Oxydation. Dieselbe giebt sich da- durch zu erkennen, dass die Strahlen immer blasser und feiner werden (Actinom, Strahl. Dem Eintritt der Katastrophe kann nur dadurch vorgebeugt werden, dass jeden Augenblick genügende Mengen Protoplasma zur Stelle sind, um an dem bedrohten Punkt die Aus- strömung, den Stoffaustausch zu unterhalten. Je höher aber die Reizung steigt, desto höher steigt auch die Gefahr und das Bedürfniss nach „Nahrung“, zu deren Herbeischaffung zuletzt ein Theil der benachbarten Plasmamassen herangezogen wird. Hierdurch werden nun aber die letzteren ihrerseits mehr und mehr der Gefahr ausgesetzt, welche der Oberfläche oder Spitze drohte, sie werden endlich wirklich überreizt und ent- ziehen sich der weiteren Zerstörung durch Rückzug, durch Verdichtung (bipolare Abstossung, +Polarisation). Durch diesen theilweisen Rückstrom füllen sich die Räume wieder, aus denen das Protoplasma ausgetreten war, die Vacuolen eonsolidiren sich (Sphärom, Korn, Kern- bildung im weiteren Sinn). — Schliesslich aber reicht bei fortwährendem Ansteigen des Reizes auch die neue, durch Aufopferung der Nach- barschaft gewonnene Nahrungsquelle nieht mehr aus, um das maasslose Bedürfniss zu befriedigen; es kommt über kurz oder lang auch an der Oberfläche oder Spitze zur Involution, wodurch die Umgebung mehr oder weniger stark entlastet wird (Ausgleichung und + Polarisation, Senium, Tod). Mit der Rückkehr der Dynamisation im Centrum, die auf den höheren Stufen der peripheren Ueberreizung sogar das ursprünglich vor- handene Maass übertrifft, stellt sich auch die Tendenz, sich zu dehnen, nach der Reizquelle hinzuströmen, wieder ein (Bildung von Grundsubstanz, ©. Heitzmann), und es kommt nun abermals zu einer Entleerung und Ver- ödung der von der betreffenden Plasmaportion eingenom- XIII. Nr. 4. Sn Räume (Vacuolisation und Karyolyse im weiteren inn). — Treten nun aber zu einem einzelnen Einfluss an- dere hinzu, so heben sich ihre Wirkungen auf die lebende Substanz gegenseitig mehr oder weniger auf, dieselbe wird der Herrschaft des bisherigen „Reize s“ entzogen, die „Reizung“ wird immer schwächer, es tritt das Stadium der Indifferenz, das polygene Eu- rysma (Synthema), die Mittelstufe em, dadurch eharak- terisirt, dass weder eine entschiedene Annäherung an die Reizquelle, noch ein entschiedener Rückzug von ihr statt- findet, sondern ein gewisses Gleichgewieht der Bewe- gungen herrscht. Zwischen diesem Mittelzustand und dem durch zunehmende Bedrohung geschaffenen des aus- gesprochenen Gegensatzes giebt es nun wieder die mannigfaltigsten Uebergangsstufen. Aus dem Zustand träger, unentschiedener Bewegung — an welcher das aus dem Kern austretende im (überreizten) Hyaloplasmanetz sich auflösende Chromation theilnimmt — entwickelt sich der Zustand einer allmählichen Lockerung und lebhaften (eentrifugalen) Strömung — bei welcher eine allmähliehe Sonderung zwischen Hyaloplasma und Chromation statt- findet, das sich immer mehr zurückzieht — auf der einen Seite und der einer zunehmenden Verdichtung und voll- kommenen Stillstandes — wo in Folge steigender Ueberreizung das Hyaloplasma dem Chromatin und dieses dem ersteren ähnlich wird — auf der anderen Seite; und Alles, was man unter dem Namen „Structur* der Zelle, womit ja vorzugsweise die somatischen, vegeta- tiven Plasmakörper gemeint sind, begreift, sind nichts Anderes als solche Stromnetze, deren ursprüngliche Waben oder Fächer einestheils immer weiter werden, wo- durch sie sich in einzelne, ein Maschenwerk bildende Züge auflösen, die immer mehr in die Länge sich streeken!), bis die Querarme dieser Flussläufe mehr und mehr sich lösen und ausgesprochen radiäre (Ausfuhr) Strassen mit lebhafter Strömung sich entwickeln (Strah- lung, Bathysma), anderntheils hingegen immer enger und unregelmässiger werden bis die Windungen und Quer- arme ihrer Stromläufe immer dichter, bezw. häufiger werden, die Strömung immer träger, zuletzt kaum bemerk- bar, und die Verdichtung endlich eine vollkommene wird (Kugel- oder Tropfenbildung, echtes Eurysma). — Während die positive oder progressive Bewegung der Aussenschicht, des Actinoms überall ein Zeichen der Kraft, ist umgekehrt die negative oder regressive der Innenschieht, des Sphäroms durchgängig ein Zeichen der Schwäche; und wenn man die Kraft als den Zustand der Gesundheit (Wohlbehagen, Lust), die Schwäche als den der Krankheit (Missbehagen, Schmerz) auffasst, so muss man nothgedrungen Alles, was der letzteren Ent- wickelungsphase angehört, auch krankhaft, abnorm nennen. Danach würde das Krankhafte oder Patho- logische, Abnorme im gesammten Naturleben eine ganz ausserordentlich grosse Rolle”) spielen, da es in diesem Fall ja von der überall zu Tage tretenden dua- listischen Entwickelung des organischen Lebens die ganze eine Hälfte darstellen würde; ja, es wäre vom Gesunden und Normalen gar nicht zu trennen, in- sotern es gerade bei diesem — und zwar um so mehr, je stärker dasselbe ausgeprägt — als unzertrennlicher Begleiter auftritt und überdies dem Normalen fortwährend selbst am schwersten droht. >01) s. z.B. Leydig, Zelle u. Gew., S.4 und T. 1, Fig. 14, zool. Jahrb., An. u. Ont., Bd. 3, S. 345 und Fig. 61; Kupffer, Schrift. nwiss. Ver. Schlesw.-H., Bd. 1, S. 233, ebenso Moore, journ. Linn. soe., Lond., vol. 24. 202) Man vgl. hierüber z. B. einen Aufsatz von Magruder und Stiles in New York medical record, vol. 45, 1894 (p. 294). xl. Nr. 4. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 41 Wäre doch alle Bewegung, die wir als regressive, als Contraction bezeichnen, also nieht nur jede senile, tödtliche Involution eines typischen Actinoms, sondern auch schon jeder Schlag eines Flimmerhaares, jede Muskelzuekung?®) ein krankhafter, ein Ent- artungs- und Rückbildungsprocess und der aus ihr hervorgehende Zustand, das sarcous element, besonders des animalen Muskels, vornehmlich aber das Pigmentkorn und schliesslich — jeder solide Kern?) immer und über- all ein Degenerationsproduct! Wenn wir nun aber auch die Bezeichnung krankhaft blos auf die höheren Grade der Involution, die Senilität, beschränken wollten, so kommen dieselben ja doch that- sächlich so gut wie ausnahmslos im Verlauf eines jeden individuellen Lebensganges°?") vor, weshalb wir auch eigentlich kein Recht haben, zu sagen: seneetus ipsa morbus. Bestehen wir aber gleichwobl darauf, dieselben als krankhaft zu betrachten, so würden also krankhafte, pathologische Processe im normalen Leben eine ganz regelmässige Erscheinung sein. Dieses mächtige Her- eingreifen des Pathologischen in das Gebiet des Nor- malen ist um so inniger, weil die Grenze zwischen den höheren und niederen Graden der Involution vollständig verwischt ist ?06), Da aber weiterhin auch diejenige Form, die wir als Mittelstufe (Synthema) kennen gelernt haben, keine rein positive, vielmehr in gleichem Maasse wie aus positiven oder Evolutions-, aus negativen oder Involutionspro- eessen zusammengesetzte Bildung ist, dürfte man auch diese Stufe nicht als vollkommen normale, gesunde Schöpfung betrachten. So kommen wir also am Schlusse noch zu der Erkenntniss, dass das Opfer, der Schmerz ebenso unerlässlich nothwendig zum Fortgang, zum innersten Wesen des Lebens gehört wie der Genuss, die Lust, und dass wir daher auf den ultrasocialen Phan- tastentraum, alles Leid, alles Uebel mit Stumpf und Stiel aus der Welt auszurotten, sofern darunter eben die Einführung eines ewig währenden Schlaraffenthums aller 203) Auch nach Verworn sind Contraetion und Neerobiose verwandt, Pflüger’s Arch., Bd. 63, S. 264. s. noch Mit. u. Amit. S. 53, Bem. 2. #4) Wenn das Zellplasma speeialisirt ist, so muss die Kern- masse — als dessen Gegensatz — mit absoluter Nothwendigkeit allezeit „despecialisirt“, degenerirt, ein Product der Entartung, der Rückbildung sein. Vgl. hier den Ausspruch von G. Weiss: Lebendes Protoplasma nimmt Farbstoffe absolut nicht auf, todtes sehr intensiv (Allgem. Botan., I). 205) Magruder und Stiles, a. a. O. 208) Es ist bekannt, wie leicht hier wirkliche Degeneration (Verfettung u. s. w.) eintreten kann, s. z. B. Heitzmann, mikr. Morph., S. 440; dieselbe bildet wahrscheinlich sogar ein regel- mässiges Vorkommniss (sogen. physiolog. Untergang), vgl. z. B. Leydig, v. Bau d. thr. Körp., S. 74. Creaturen verstanden wird — weil mit der Steigerung des Genusses, der Freude, die Zunahme des Leids genau gleiehen Schritt hält und eine Ausgleichung deshalb nur dadurch möglich wird, dass man dem persönlichen Vergnügen zu Gunsten des allgemeinen Wohls zum Theil entsagt — oder kürzer ausgedrückt, weil ein zügel- loses allgemeines Geniessen die baare contradietio in adjeeto ist, als eine lächerliche, vollkommen haltlose, biologisch unmögliche Utopie verzichten müssen. Hiermit geht aber die Welt noch lange nicht aus den Fugen und ist die Sache der menschlichen Gesellschaft niehts weniger als aussichtslos. Doch bleibt uns immer- hin nichts Anderes übrig, als die Gesetze der Natur auf's Strengste zu achten. Denn eher wird man sich alle Knochen im Leibe zerbrechen, als dass man die ehernen ‘Schranken der Weltordnung auch nur einen Zoll breit zum Weichen bringt. Das Heil liegt auch hier in der Mitte. Müssen wir im Interesse der Gemeinschaft auf einen Theil des Genusses verzichten, so darf doch diese Verziehtleistung andererseits im Interesse des Genusses nicht zu weit gehen, und so würde denn das Ergebniss unserer Schlussbetrachtung etwa lauten müssen: Die Lösung des Problems kann zweifellos nur darin liegen, dass keines der beiden natürlichen Prineipien, die wir im Vorstehenden als Differenzirung (Unter- schied) und Indifferenz (Gleichheit) oder richtiger als starke und schwache Polarisation kennen gelernt, nach absoluter Alleinherrschaft strebe und seinen Gegner völlig niederzuwerfen trachte, vielmehr in weiser Beschränkung die Berechtigung, ja die absolute Noth- wendigkeit des anderen in vollem Umfang aner- kenne, und dass in Uebereinstimmung hiermit die Rollen den natürlichen, durch die jeweilige, im einen oder andern Sinn geartete Constitution bedingten Fähigkeiten entsprechend vertheilt, und so die unerträglichsten, durch menschliche Unkenntniss, Kurzsichtigkeit und Ver- blendung geschaffenen, aber in jeder organischen Ent- wiekelung unvermeidlichen Härten von Epoche zu Epoche nach bestem Wissen und Können mehr und mehr ge- mildert und verhütet werden. Denn — wenn man das Leiden auch zum grössten Theil vermindern kann und soll: aus der Welt schaffen lässt sich dasselbe nicht, man würde in buchstäblichem Sinne dem Leben seine kräftigste Wurzel rauben. Statt der berechtigten Freude des Daseins würde die Todtenstille des Grabes das unvermeidliche Loos alles Lebendigen sein. Ausser- dem aber hat das Leiden erfahrungsgemäss ja auch eine hohe sittliche Bedeutung; es ist der mächtigste Hebel, der gewaltigste Sporn zum unbegrenzten Fortschritt, ohne welchen das Leben der Völker ein schwüler Sumpf, eine öde Schlammpfütze wäre. Ueber seine Beobachtungen an Lepidosiren be- richtete J. Graham Kerr der Cambridge philos. Society (Natural Science No. 71). — Der Lepidosiren ist ziem- lich häufig in den Sümpfen des Gran Chaco (Argentinien). Er lebt träge in deren dichtem Pflanzenwuchse. In kurzen, unregelmässigen Zwischenräumen kommt er an die Ober- fläche, um zu athmen. Seine Nahrung besteht hauptsäch- lich aus grossen Wasserschnecken (Ampullaria) und Algen. Zur Brutzeit wachsen die Papillen an den hinteren Flossen des Männchens zu langen, blutrothen Fäden aus. Die ungefähr 7 mm grossen Eier werden in ein Loch am Boden des Sumpfes, das mit Gras ausgefüllt wird, gelegt. Die Eier haben eine dünne, hornige Schale. Die Furchung ist in den späteren Stadien holoblastisch und ungleich, die Gastrulation erinnert an die der Cyelostomen und Urodelen. Die Kaulquappen - ähnliche Larve hat grosse äussere Kiemen und einen Saugmund, die aber beide 6 Wochen nach dem Ausschlüpfen verschwinden. Zu- gleich werden die Jungen dunkler und lebhafter. In den ersten 10 bis 12 Wochen fressen diese nichts, sondern leben nur von dem Dotter in den Wänden ihres Darmes. — Bemerkenswerth ist, dass die dunkle Farbe der Er- wachsenen Nachts verschwindet, indem die schwarzen Chromatophoren sich zusammenziehen und grosse, gelbe sich ausdehnen, so dass der Fisch fast weiss wird. Wäh- rend der Trockenzeit zieht sich der Lepidosiren in den Schlamm zurück, sieh nur ein Loch in diesem zum Athmen lassend. Reh. Ueber die Abnahme der Vögel im Jahre 1897 ver- öffentlicht Xavier Raspail seine Beobachtungen aus dem Departement Oise in Feuille jeun. Natur. 3. Anne&e 27 No. 326. Von den früher regelmässig nistenden Vögeln fehlten in diesem Jahre ganz: Distelfink, Baumpieper, Kohl-, Blau-, Sumpf-und Schwarzmeise. Von anderen Vögeln fehlten ebenfalls ganz: Gimpel, Rothschwänzchen, Heckenbraunelle. Von den sonst häufigen waren selten: Buchfink, Gold- ammer, Dorngrasmücke, Schilfrohrsänger. Noch seltener als sonst waren: Grünfink, Leinfink, Zippammer, Schwarz- köpfehen, Gartengrasmücke, Weidenzeisig, Rohrdrossel. In ihrer gewöhnlichen Anzahl waren nur Elster, Amsel, Nachtigall, Turteltaube. Drei Arten hatten sich dagegen neu eingestellt: Hausrothkehlehen, Goldhähnchen und Zaunkönig. Schon seit 8 Jahren hatten aufgehört zu nisten: Neuntödter, Feldlerche und Fliegenfänger. Die Schwalben waren sehr heruntergegangen. Trotzdem in der Gegend überall ihre Nester waren, fanden sich nur 2 Pärchen ein. Die dureh ihre Vertilgung von Raupen und Maikäfern so nützliche Zwergohreule, die sonst sehr häufig war, fehlte ganz. Der Röthelfalk, der sich von Inseeten, besonders Orthopteren, Reptilien und kleineren Nagern nährt, war fast ganz verschwunden, ebenso der Waldkauz, der Hauptvertilger der Spitz- und Feldmäuse, und der Kuckuck. Die Ursachen für das Verschwinden, bezw. die Ab- nahme sovieler Vögel sind verschieden. Nur zum kleinsten Theile macht R. das ungünstige Frühjahr verantwortlich. Eine grössere Bedeutung hat wohl das Ausschlagen der alten Bäume aus den Forsten und die direete Vertilgung durch die Angestellten des Barons H. v. Rothschild, die den Auftrag haben, seinen grossen Fasanen-Park von allen Schädlingen frei zu halten, wobei natürlich aus Un- kenntniss auch viele nützliche Vögel getödtet werden, wie z. B. der Kuckuck, einmal, weil er Eier fressen soll, dann weil er aus der Entfernung leicht für einen Sperber ge- halten wird. Die Haupt-Ursache ist aber der directe Fang dureh den Menschen, dem vor Allem die Schwalben in Italien auf ihren Herbst- und Frühjahrszügen zum Opfer fallen. Reh. Eine praehistorische Pferdezeiehnung. — In meiner Arbeit „Ueber die Beziehungen zwischen Lebensweise und Zeichnung bei Säugethieren, Zürich 1895“ stellte ich auf S. 32 die Behauptung auf, dass ich in der auf einem im Kesslerloch bei Thayingen (Kanton Schaffhausen) ge- fundenen knöchernen Geräthe (Kommandostab) eingravirten SSAURRT LER N 0 Re Zeiehnung eines pferdeartigen Geschöpfes (vergl. unsere Figur), das im Wesentlichen charakteristisch wieder- gegebene Bild des Equus hemionus Pallas erblicke und die auf dem Körper des abgebildeten Thieres angebrachte Strichelung für eine typische Querstreifung anspreche. Der heute die Steppen des östlichen Mittelasiens be- wohnende Equus hemionus oder Dschiggetai trägt nun kein solches Streifenkleid zur Schau, sondern nur einen dunklen Längsstreifen auf dem Rücken, welcher sich in der Lendengegend verbreitert. Nach Martin lässt sich Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 4. bei einigen Individuen der für den Wildesel typische Kreuzstreifen, sowie eine zebraähnliche Zeichnung an den Beinen nachweisen. Bell will sogar auf seiner Reise durch die Tatarei völlig tigerartig gestreifte Exemplare angetroffen haben. Da ich mich, wie dieses in meiner oben eitirten Arbeit entwickelt wurde, in Bezug auf die Zeichnung der Thiere auf den Boden der Eimer’schen Zeiehnungstheorie stelle, so nehme ich für den Equus hemionus an, dass derselbe zur Zeit als der praehistorische Künstler die Zeichnung auf den Kommandostab in Thayingen entwarf, noch mit einer Querstreifung geschmückt war, von welcher sich als letzte Ueberbleibsel die bei den einzelnen Exem- plaren beobachteten Abzeichen nachweisen lassen. Eben- dort äusserte ich bei Besprechung der Zebrazeichnung die Ansicht, dass diese Zeichnungsform als Scehutzmittel für den getrennt lebenden Pflanzenfresser geschaffen ist, welcher dadurch im Dickicht des Steppengrases vor den Blicken der lauernden Raubthiere geschützt wird. Dieses Schutzkleid kommt dadurch zu Stande, dass während der Nacht die schwarzen Abzeichen sich mit dem Grund- eolorit des Felles zu einem indifferenten Farbenton ver- mengen. „Sobald nun aber, fügte ich wörtlich an, diese Säuger sich in Rudeln zusammenrotten, ja sich sogar mit ihnen systematisch gänzlich fernstehenden Geschöpfen, wie Spring- und Buntböcken, Gnu’s und Straussen, deren Wachsamkeit ausnutzend, verbinden, fällt dieser für das einzeln lebende Thier practische Zeichnungssehutz fort und es stellt sich eine Reduetion der Zeiehnungsmerkmale ein.“ Dieses beweisen die Ver- wandten des Zebra: Equus Burchelli und Equus Quagga. Der für die Tigerpferde angeführte Hang zur Gesellig- keit lässt sich auch für den Equus hemionus nachweisen. Brehm sagt hierüber: „Ebenso wie sich Zebra, Quagga und Dauw den Heerden der afrikanischen Antilopen und Strausse zugesellen, sieht man den Dschiggetai im Hochgebirge gemeinschaftlich mit verschiedenen Wild- schafen, der Tibetantilope und dem Grunzochsen, in den Tiefebenen mit Kropf- und Saigaantilopen weiden. Auch mit versprengten Pferden hält er gute Gemeinschaft.“ Die von den neueren Forschern aufgestellten besonderen Arten der Tigerpferde, wie Equus ehapmanii und Equus grevyi dürften bei genauerer Betrachtung artlich von den anderen kaum zu trennen sein. Sollte es sich hier viel- leicht um Localformen handeln, bei welchen die Reduetion der Zeiehnung mehr oder minder zu constatiren ist? Für den recenten Equus hemionus nehme ich an, dass bei ihm durch die Gewöhnung an ein Leben in Heerden die Re- duetion der Zeichnung bis auf die angeführten Ueber- bleibsel eintrat. Alexander Sokolowsky in Zürich. Ueber die Körpertemperatur der niederen Säuge- thiere hat Alexander Sutherland neuerdings in Australien interessante Studien gemacht, über welche im Oetoberheft der „Natural Science“ berichtet wird. Schon 1879 hatte Baron Mielucho Maclay das Schnabelthier (Ornithorrhynehus) auf seine Blutwärme hin untersucht und 24,3° als Durchschnittstemperatur festgestellt. Später nahm Prof. Richard Semon aus Jena diese Untersuchungen wieder auf, indem er die Körpertemperatur des austra- lisehen Ameisenigels (Eehidna) bestimmte; er fand, dass die Blutwärme bis auf 26,5 ° sinken konnte, in bestimmten Fällen aber auch bis 34,2° stieg. Zu ähnlichen Resul- taten gelangte Sutherland an demselben Thiere. Er untersuchte eine grössere Zahl von Ameisenigeln und stellte als mittlere Körpertemperatur 29,4 fest; freilich unterliegt die Temperatur grossen Schwankungen, die von äusseren Umständen abhängen. So zeigte eine Echidna XI. Nr. 4 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 43 an einem kalten Morgen nur 22°, während eine andere, die zur heissen Mittagszeit in einem Sacke weit trans- portirt worden war, eine Temperatur von 36,6 ° aufwies. Dieser grosse Unterschied ist für ein Säugethier sehr auf- fällig und erinnert an den Temperaturwechsel der Thiere mit wechselwarmem Blute. Aus 126 Untersuchungen, die Sutherland an 16 Arten von Beutelthieren anstellte, kam er zu der Durehschnittstemperatur von 36°, also zu einer Zahl, die immer noch einige Grade tiefer ist, als die Temperatur der höheren Säuger (ca. 35°). Den Mono- tremen am nächsten kommt der Wombat (Phascolomys) mit 34,41 °, dann folgen die Flugbeutler (Petaurus) mit 35,70 und der Koala (Phascolaretos) mit 36,4 mittlerer Körpertemperatur. S. Sch. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ausserordentliche Professor der Botanik in Bonn Dr. Askenasy zum Honorar-Professor; der Privatdocent der Ohrenheilkunde in Berlin Dr. Louis Jacobson zum Pro- fessor; der Privatdocent für innere Medizin in Würzburg Dr. Otto Seifert zum ausserordentlichen Professor; der Privatdocent der Chirurgie in München Dr. Wilhelm Herzog zum ausserordent- lichen Professor; der Privatdocent für Psychologie in Krakau K. Zulawski zum Professor; der ordentliche Professor für prak- tische Medizin in Budapest F. von Koränyi zum Präsidenten des justizärztlichen Senats. Berufen wurden: Der ordentliche Professor der Philosophie in Halle Dr. Benno Erdmann nach Bonn als Nachfolger Jürgen Bona Meyers; der Privatdocent der Astronomie in Greifswald Dr. Martin Brendel als ausserordentlicher Professor nach Göttingen. Es habilitirten sich: der Leiter des naturwissenschaftlichen Theiles der volksthümlichen Hochschulkurse in München Professor Dr. Lassar-Cohn an der Münchener Universität; Dr. K. Holter- mann für Botanik in Berlin; Dr. K. Wolf für Bakteriologie an der technischen Hochschule in Dresden; Dr. W. Euler für Chemie in Leipzig; Assistent E. Brückner für theoretische Maschinen- lehre und Maschinenbaukunde an der technischen Hochschule in München; Assistent Dr. Kauffmann für Chemie an der tech- nischen Hochschule in Stuttgart; Dr. C. Pomeranz, bisher Privatdocent in Prag, für Chemie in Wien; Dr. Th. Posner für Chemie in Greifswald. Es starben: Der berühmte Moskauer Kliniker Prof. Grigori A. Saeharjin; der frühere Professor der Astronomie in Strass- burg Dr. A. Winnecke; der ehemalige Professor der Chemie in Wien F. C. Ritter von Schneider; der australische For- schungsreisende Ernest Giles in Coolgardie (West- Australien); der ehemalige Oberbibliothekar in Bloomsburg Sir E. A. Bond. Mit Beginn des neuen Jahres hat die Deutsche Gesellschaft für volksthümlıche Naturkunde in Berlin in erweitertem Maasse ihre Arbeiten wieder aufgenommen. Neben anregenden Einzel- vorträgen, naturwissenschaftlichen Exkursionen in die Umgegend, Demonstrationen in Museen und naturwissenschaftlichen Instituten, Besichtigungen technischer Anlagen, wie sie seither in so erfolg- reicher Weise veranstaltet wurden, sind nunmehr auch für Mit- Eee besondere Lehrkurse ins Leben gerufen worden, welche en Zweck haben, in einer Reihe von Vortragsstunden unter Be- nutzung eines grösstmöglichen Anschauungsmaterials einen Ueber- blick über den heutigen Stand des Wissens in den Hauptzweigen der Naturwissenschaften zu geben. Der erste Kursus dieser Art über allgemeine Chemie (Prof. Dr. Böttger) wurde am Dienstag Abend in dem chemischen Hörsaale des Dorotheenstädtischen Real-Gymnasiums nach einer Ansprache des I. Vorsitzenden Herrn Geh. Ober-Bergrath Dr. Hauchecorne unter recht erfreulicher Betheiligung eröffnet. Für die nächste Zukunft sind weitere Lehr- kurse in Aussicht genommen über Mineralogie, Geologie, Zoologie, Botanik und Palaeontologie. Die Mitgliedschaft der Gesellschaft, welche bereits über 600 Mitglieder — darunter eine Anzahl von Damen — zählt, kann durch einen jährlichen Mindestbeitrag von 2 Mk. erworben werden. Alles Nähere dureh den I. Schriftführer Oberlehrer Dr. Greif, Köpenickerstr. 142. Litteratur. Franz Bley, Botanisches Bilderbuch für Jung und Alt. I. Theil umfassend die Flora der 1. Jahreshälfte. 216 Pflanzenbilder in Aquarelldruck auf 24 Tafeln. Mit erläuterndem Text von H. Berdrow. Gustav Schmidt (vorm. Robert Oppenheim), Verlagsbuchhandlung in Berlin. 1897. — Preis cartonn. 6 Mk. Die kleinen Illustrationen des vorliegenden Bilderbuches geben allermeist die dargestellten Pflanzen-Arten so wieder, dass sie auch von solchen, die im Unterscheiden weniger geübt sind, wiedererkannt werden können. Auch der gebotene Text ist zu loben, da er geschickt das bietet, was in einem für die Familie, Jung und Alt, bestimmten Buche zunächst gesucht wird. Das Werkchen ist also wohl geeignet, Ansprüche etwa einer Mutter, die ihre Kinder über unsere Pflanzenwelt etwas zu belehren wünscht, zu befriedigen und letzteren eine gute Unterhaltung zu gewähren. Dr. M. Büsgen, Professor an der Grossherzoglieh Sächsischen Forstlehranstalt in Eisenach. Bau und Leben unserer Wald- bäume. gr. 8. 230 Seiten. Mit 100 Abbildungen. Gustav Fischer, Jena 1897. — Preis 6 M. Vor nunmehr 44 Jahren erschien ein „Der Baum, Studien über Bau und Leben der höheren Gewächse“ betiteltes Buch von Hermann Schacht, damals Privatdocenten in Berlin. Sein Titel- bild zeigt den bekannten Ausblick von der Hohen Sonne auf die Wartburg in Thüringen, wohin der Verfasser von der Berliner Akademie zum Studium des Waldes und seiner Bäume entsendet worden war. Am Fusse der Wartburg ist das vorliegende Buch entstanden, welches sich im wesentlichen dieselbe Aufgabe wie das Schacht'sche stellt, nämlich die, „Botanikern und Forstmännern die Orientirung zu erleichtern, aber auch nicht fachmännisch ge- bildeten Freunden unserer Wälder einen erwünschten Einblick in deren Leben und Weben zu verschaffen.“ Es ist ungemein inter- essant, die beiden Bücher mit einander zu vergleichen und die Fortschritte daran abzumessen, welche die Botanik in der Zeit zwischen ihrem Erscheinen in wissenschaftlicher und didaktischer Hinsicht gemacht hat. Als Schacht sein Buch schrieb, war die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Botaniker fast ausschliess- lich auf Anatomie und Entwickelungsgeschichte gerichtet, und mit letzterer suchte man vor Allem die Morphologie in Beziehung zu setzen, in der damals noch vielfach die Gespenster der Naturphiloso- phie spukten. Die Physiologie steckte noch in den Kinderschuhen ; und erst zwölfJahre nach der Herausgabe vonSchachts Bucherschien das erste Handbuch der Experimentalphysiologie von Julius Sachs. Seitdem hat diese Diseiplin einen überraschenden Aufschwung ge- nommen, und ihr hat sich ein bis dahin fast ganz unbeachteter Zweig der Wissenschaft, die Oekologie, hinzugesellt. Es kann nicht fehlen, dass diese verschiedenen Tendenzen auch in den populäreren botanischen Schriften der verschiedenen Zeiten her- vortreten. Während Schacht die seinige mit der Lehre von der Zelle und den Geweben beginnt, während bei ihm neben Ent- wiekelungsgeschichte eine ziemlich trockene Anatomie und Morpho- logie die Hauptrolle spielen, übernehmen in neueren Büchern Physiologie und Oekologie die Führung, Sie verdrängen jene an- deren drei Disciplinen nicht, aber sie lassen sie mehr in den Hintergrund treten sehr zum Vortheil der Darstellung, die da- durch an Interesse und Lebendigkeit ungemein gewinnt. Ein klassisches Beispiel dafür ist Kerners berühmtes „Pflanzen- leben.“ Hat auch Büsgens neues Buch nicht entfernt den Um- fang dieses grossen Werkes, behandelt es auch einen viel be- schränkteren Stoff und wendet es sich besonders an ein kleineres, und meist fachmännisch gebildeteres Publikum, in erster Linie an die praktischen Hüter unserer Wälder, so möchte ich es doch mutatis mutandis eben dem Kerner’schen Buche vergleichen, dem es stilistisch nieht nachsteht und vor dem es ausserdem den Vor- zug strenger Zuverlässigkeit hat. Sehr zweckmässig geht Verf. im ersten, von der äusseren Ge- stalt der Bäume handelnden Kapitel von deren winterlicher Tracht aus, erörtert dann die Ursachen der Gestalt, je nachdem die Er- scheinungen von äusseren Kräften abhängig oder unabhängig sind, und lässt sodann ein Kapitel über die Knospen folgen. Die nächsten vier Abschnitte beschäftigen sich hauptsächlich mit den anatomischen Verhältnissen, immer jedoch in der schon oben an- gedeuteten Weise, und behandeln Eigenschaften und Lebensthätig- keit der Bildungsgewebe, die Elemente des Holzkörpers, die Rinde, den Jahresring, Holzgewicht nebst Holzstructur und die Ver- kernung. Das ökologische Moment tritt besonders hervor in dem Kapitel über die Blätter, das physiologische in denen über die Wurzel und ihre Thätigkeit, über die Wasserversorgung, die Her- kunft und Bedeutung der mineralischen Nährstoffe und die Stoff- wandlung und- Wanderung. Den Schluss macht ein Absehnitt über Blühen, Fruchten und Keimen. Das Buch bildet also eine allerdings gedrängte, aber innerhalb der einmal gezogenen Grenzen fast vollständige Naturgeschichte unserer Waldbäume, in der nur einige Angaben über Höhen- und Diekenverhältnisse, sowie über Alter und Tod und vielleicht auch über die wichtigsten Krank- heiten und Schädlinge noch wünschenswerth wären. Auf der an- deren Seite ist aber nieht nur die botanische, sondern auch die forstliche Litteratur ausgiebig benutzt, sodass auch den Speecial- bedürfnissen der Forstleute Rechnung getragen ist. Ganz beson- ders ihnen, aber auch den Botanikern und einem grösseren Publikum möchte ich das treffliche Buch hiermit angelegentlichst empfohlen haben. Kienitz-Gerloft. 44 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 4. ee een nn ann N Dr. Udo Dammer, Palmenzucht und Palmenpflege. Anweisung zur Anzucht und Pflege der Palmen. Mit. 24 Vollbildern. Frankfurt a. Oder, Trowitzsch & Sohn 1897. VI. 1288. 3°. — Preis 4 M. Das vorliegende Werk wurde abgefasst, um, der jetzt wieder aufblühenden Palmenliebhaberej neue Kreise zu erschliessen. Es soll nicht eine Beschreibung aller Palmen enthalten, auch nicht eine Beschreibung aller in Kultur befindlichen Arten. Es kam dem Verf. darauf an, dem Palmenliebhaber ein Buch in die Hand zu geben, in welchem er sich Rath holen kann, wie Palmen im gesunden und kranken Zustande zu behandeln sind. Dazu ist vor allen Dingen nothwendig, dass man weiss, unter welchen Be- dingungen die Palmen wachsen, welchen Verhältnissen sie ange- passt sind. In erster Linie ist das Werk für den Laien, den Lieb- haber, berechnet, weleher auf die Kultur der Palmen im Zimmer angewiesen ist; doch wird auch der Fachmann manche werthvolle, neue Beobachtung in dem Werke finden. Das Werk zerfällt in sechs Abschnitte. Im ersten bespricht der Verfasser die Vege- tationsbedingungen, im zweiten die Beschaffung, im dritten die Behandlung der Palmen. Der vierte Abschnitt ist dem Düngen und der fünfte den kranken Palmen gewidmet. Im letzten Ab- schnitte giebt der Verfasser eine Beschreibung der wichtigeren Palmengattungen und eine Aufzählung ihrer in Kultur befind- lichen Arten mit sehr ausführlicher Synonymik. An die Gattungs- beschreibungen schliessen sich kurze, biologische, kulturhistorische, pflanzengeographische ete. Notizen an. Standortsverhältnisse sind hier ebenfalls in weitestgehender Weise berücksichtigt. Die 34 Abbildungen sind künstlerisch ausgeführte Portraits von Exem- plaren des Berliner botanischen Gartens. (x.) Dr. Joseph Partsch, Die Regenkarte Schlesiens und der Nach- | bargebiete. Mit einer Karte (Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde, Bd. IX; Heft 3, S. 195—235, Stuttgart 1895). — Preis 4,70 Mk. Diese Arbeit des Breslauer Geographen ist eine Frucht ein- gehendster Studien für die zweibändige, vortreffliche Landeskunde von Schlesien, deren erster Band im Jahre 1896 erschienen ist (Schlesien. Eine Landeskunde für das deutsche Volk auf wissen- schaftlicher Grundlage bearbeitet. Leipzig und Breslau, F. Hirt, 2 Bände). Die Art dieses ausgezeichneten Werkes bedingte es, dass die Speeialstudien für dieselben nicht in vollem Umfange zur Verwerthung gelangen konnten, und so hat der Verfasser wenigstens für die Niederschlagsverhältnisse Schlesiens sich ent- schlossen, dieselben in den „Forschungen“ im Einzelnen niederzu- legen als Erläuterung der Grundlagen, des Inhalts und der Ver- werthbarkeit der Regenkarte. Dieselbe bildet den ersten Versuch einer genaueren Darstellung der räumlichen Vertheilung der Nieder- schläge in dem ganzen Gebiete zwischen dem böhmischen Elblauf und der Warthe, von der oberen Weichsel bis an die Spree, während für benachbarte Gebiete mehrere derartige monogra- phische Arbeiten bereits vorliegen. So füllt diese treffliche Mo- nographie eine klaffende Lücke und legt von neuem rühmliches Zeugniss ab für die so sorgfältige und kritische Arbeitsweise des um die geographische Erforschung Schlesiens hochverdienten Breslauer Gelehrten. Ueber diese selbst sei nun in Kürze nur Folgendes bemerkt: Ein dichtes Netz von Beobachtungsorten ist für Schlesien erst seit 1887 vorhanden: es traten zu den bis dahin vorhandenen 15 meteorologischen Stationen 200 Regenstationen hinzu, deren Ergebnisse monatlich veröffentlicht werden. Nach fünfjähriger Beobachtungszeit war der Versuch einer ersten Ge- sammtübersicht der Niederschlagsvertheilung gerechtfertigt, da nunmehr die relative Abstufung derselben von Landschaft zu Landschaft schon recht gut erkennbar sein musste. Verf. ging jedoch auch auf die Stationen der Nachbargebiete ein und ver- werthete im ganzen die Ergebnisse von 527 Stationen für den- selben Zeitraum bei der Herstellung der Karte; für alle wurde das Jahresmittel des Niederschlags genau für den gleichen Zeit- raum (Juni 1887 bis Mai 1892) berechnet und dann nach kritischer Prüfung die Ergebnisse auf der Karte niedergelegt. . Manche Einzelziffern erforderten lange Controllrechnurgen. Auf eine hydrographische Karte des schlesischen Odergebietes (1: 400 000) wurden nunmehr die Curven der Regenkarte entworfen unter Heranziehung von noch 54 weiteren Hilfstationen mit unvollstän- digen Reihen und unter sorgfältigster Berücksichtigung der je- weiligen Bodengestalt des Landes. So wurde die grösstmögliche Annäherung an die wirkliche Regenvertheilung erlangt, wie die- selbe für den bezeichneten Zeitraum für das schlesische Oder- gebiet bestand. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Vertheilung wie der Discussion über die Grenzen des Werthes der Karte und über die Verwerthung derselben sei auf die Erläuterungen des Verfassers selbst verwiesen, die auch auf die Hochwassergefahr und den Landbau näher eingehen. Fr. Regel. Dr. Christian Gruber, Der Hesselberg am Frankenjura und seine südlichen Vorhöhen. Mit einer Karte, einer hypsogra- phischen Curve und 5 Abbildungen (Forschungen zur Deutschen Landes- und Volkskunde Bd IX, Heft 6, S. 373—452, Stuttgart, Engelhorn, 1896). — Preis 5,20 Mk. Der durch verschiedene, werthvolle Arbeiten zur bayrischen Landeskunde bereits vortheilhaft bekannte Verfasser widmet die vorliegende Monographie seiner in dieser Hinsicht bis jetzt arg vernachlässigten speciellen Heimath, dem isolirten Höhenzug des Hesselberges, dieser bedeutsamen Landmarke an der Grenzscheide zwischen Franken und Bayerisch-Schwaben. Dieselbe beruht so- wohl auf liebevollem, autoptischen Studium und den bei den Be- wohnern eingezogenen Erkundigungen als auf der sorgfältigen Verwerthung des amtlichen Kartenmateriales: beim Entwurf der beigegebenen Karte ist das rein orographische Bild mit dem landschaftlichen in der Weise verknüpft worden, dass nicht nur die übliche Situation und die Isohypsen, sowie die dauernden und zeitweisen Quellen und Wasserläufe, sondern auch der Hoch- und der Buschwald, das Hutungland und die Felspartien eingezeichnet und die vulgären Ortsnamen hinzugefügt wurden. Im Text ver- breitet sich der Verfasser zunächst auf die Erwähnung und Be- handlung des Hesselberges in den älteren und neueren littera- rischen Quellen und giebt die Geschichte seiner Lagen- und Höhenbestimmung wie der kartographischen Aufnahme des Berges, der seinen Namen jedenfalls von den hier reichlich wachsenden Haselstauden erhielt und daher eigentlich Häselberg lauten sollte. Dann folgen seine eigenen Ausführungen über den zweifellos zum Frankenjura gehörigen, nur durch weitgehende Erosion von ihm jetzt gänzlich isolirten Bergrücken und sehr eingehende topographische Einzelschilderungen. Den Quellen und Wasserläufen ist noch ein spezielles Kapitel gewidmet, ebenso den bis jetzt vorliegenden meteorologischen Beobachtungen, den Beschluss bildet die Geschichte und wirthschaftliche Bedeutung der seit Beginn unseres Jahrhunderts alljährlich zur Pfingstzeit auf der Platte des Hesselberges abgehaltenen Messe. F. Regel. Naturae Novitates. Bibliographie neuer Erscheinungen aller Länder auf dem Gebiete der Naturgeschichte und der exacten Wissenschaften. Herausgegeben von R. Friedländer u. Sohn. Berlin NW. — Diese Bibliographie, von der uns Nr. 1 (Januar 1897) vorliegt, ist eine der vollständigsten periodisch er- scheinenden Bibliographieen. Sie ist gut und gewissenhaft von der genannten bekannten Buchhandlung zusammengestellt. Das vorliegende Heft umfasst in 8° nicht weniger als 74 Seiten. Briefkasten. Hr. Prof. H. — Fine „Naturphilosophie“ in dem von Ihnen gewünschten Sinn vermöchten wir Ihnen nicht zu nennen, jedoch können wir Ihnen — obwohl wir auf einem anderen Standpunkt stehen — nicht dringend genug den durchaus im naturwissenschaft- lichen Geiste, klar und eindringend geschriebenen naturphiloso- phischen Abschnitt in W. Wundt’s „System der Philosophie“ (Wilhelm Engelmann in Leipzig. 2. Aufl. 1897) empfehlen. Red. Chiffre B. — Es handelt sich nur um Eisenglanz. Red. Arnold, Prof. Dr. Carl, Repetitorium der Chemie. Hamburg. — 6 M. Brancsik, Dr. Karl, Die Fauna des Balatonsees. Wien. — 12 M. Kolbe, H. J., Käfer und Netzflügler. Berlin. — 10 M. Matzenauer, Carlos, Bolivia in historischer, geographischer und eultureller Hinsicht. Wien. — 2 M. Nagl, Technik.-Oberl. A., Das Wichtigste aus der Chemie der Metalloide. Mittweida. — 3 M. Riggenbach, Prof. Dr. Alb., Ergebnisse 7 jähriger Niederschlags- Registrirungen in Basel. Karlsruhe. — 1,50 M. Inhalt: A. Kobelt: Zur Theorie der Protoplasma- und Zellstruetur. (Schluss) — Beobachtungen an Lepidosiren. — Ueber die Ab- nahme der Vögel im Jahre 1897. — Eine praehistorische Pferdezeichnung. — Ueber die Körpertemperatur der niederen Säugethiere. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Franz Bley, Botanisches Bilderbuch für Jung und Alt. — Dr. M. Büsgen, Bau und Leben unserer Waldbäume. — Dr. Udo Dammer, Palmenzucht und Palmenpflege. — Dr. Joseph Partsch, Die Regen- N Sehlesiens und der Nachbargebiete. — Dr. Christian Gruber, der Hesselberg am Frankenjura. — Naturae Novitates. — riefkasten. — Liste. m nn nn nn a en mr nn om Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hügo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Düinmlers Verlagsbuehhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12 »senschaftliche st an weltum- an locken- ihr reichliel AN Zauber der Wirklielike t, derihre Schöpfungen schmückt. Schwendener. PR Redaktion: | Dr.H. Potonie. Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94, { 2 s ZAR r XIII. Band. Sonntag, den 30. Januar 1898. Nr. >. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- Y Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 4. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist # 4.— folo sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Ü bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Bringegeld bei der Post 15 „9 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. 69. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braunschweig Ende September 1897 *). J. Orth: Medieinischer Unterricht und ärztliehe ; Gewieht aufdie Verhütung von Krankheiten gelegt werden, Präxin. wozu die rasch fortschreitenden Kenntnisse über ihre Ur- sachen, die zum guten Theil belebte Wesen, Mikropara- siten sind, uns mehr und mehr befähigen. Es ist die Aufgabe der Aerzte, das Eindringen von Krankbheits- erregern in den menschlichen Körper zu verhindern, wie es z. B. bei den Wunden in so überraschendem Maasse schon gelungen ist, aber sie haben auch dafür zu sorgen, dass die ausserhalb des menschlichen Körpers vorhandenen Krankheitserreger soviel wie möglich zerstört werden, ins- besondere auch solche, welehe von kranken Menschen (im Stuhl bei Typhus, in dem Auswurf bei Tuberkulösen u. s. f.) stammen. In dem Vortrage des Herrn Orth handelt es sich wesentlich um die Aufgabe des akademischen Unter- richts, die Heranbildung junger Medieiner für die ärztliche Praxis. Will man feststellen, was der Unterricht, der für einen bestimmten Beruf vorbereiten soll, zu leisten hat, so muss man sich zunächst darüber klar werden, welche Anforderungen an den betreffenden Beruf gestellt werden, bezw. nach Lage der Verhältnisse gestellt werden können und müssen. Die Aufgabe des ärztlichen Berufes ist aber an Ener ana ee an der Menschen, Aust Die grössten Schwierigkeiten bieten in Rücksicht auf i i "haltung oder Wiederher g der G - 19 ARSE j En nn vonmadi heit. Je nach dem Stande unserer Kenntnisse über die Sch: a ee Lin Mittel zur Erhaltung der Gesundheit, über die Ursachen : Ne 4 Ex F 2 en ol Teiti Rd RT ; en sondern sich im Innern des Körpers befinden, entweder Inter ERINE Ins AeR, % AREHRIR Ren, ur gestörte | „unächst noch als unschädliche Parasiten oder abge- wiederherzustellen, werden auch die Anforderungen an EEE WG ze hear i i die praktische Thätigkeit sich ändern müssen. Es besteht uber I ee a ter sofort ihre krankmachenden Fähigkeiten zu entfalten, so- Medi ale aukbaneh Daprılig ” Ta ve nd: en 18 Bi © | pald sich günstige Bedingungen dafür einstellen. Für den N . ap o* S 1; = > B Äl “ Ban an einen, nenen RE LEN NEr SCAN | ersten Fall könnte an den zugänglichen Stellen, z. B. in nach den Ursachen der Krankheiten, eingetreten ist, s0 | ger Mundhöhle, die Parasitenflora von Zeit zu Zeit con- NIChUNE ai anesheiniache P en Ken an endepunkt Fe trollirt, jedenfalls dafür gesorgt werden, dass durch Rein- wohl der öffentlichen Thätigkei | an Ran. een : au; 2 a lese on LIE lichkeit, Entfernung cariöser Zahnstellen u. s. f. die Ent N : en nd se 8 > | wiekelung der Mikroparasiten möglichst eingeschränkt Br ERIR En Er Kran Er liein i EI DR werde. Beim zweiten Falle liegt zunächst die Schwierig- en an ar Heilk 2 ne ra er ee] Ber en keit vor, den verborgenen Krankheitsherd zu erkennen, au ee 5 unst gewesen, deren vornehmliche Au | doch hat die verdienstvolle Entdeckung Koch’s (Tuber- c. B ah ee RT ERDE einer ‚bestehenden Störnng der kulin) gezeigt, dass auch hier die Wissenschaft auf dem esundheit, gesucht wurde, ‘von ‚nun an muss grösseres | posten Wege ist, Licht in die Dunkelheit zu bringen. j fl 35 ; 2 18. Nun heisst’s, die aufgestöberten Parasiten unschädlich =) Wie üblich beginnen wir den Bericht über die in den all- machen, abtödten. Inwieweit das gelineen wird, vermag gemeinen Sitzungen gehaltenen Vorträge erst jetzt, -da wir stets | } 3 t nnnichh % Ren N = ent die im Interesse exäcter Berichterstättung das Erscheinen der off. | Man heute moch nie MEZ, EL. SEE Eee eiellen Veröffentlichungen abwarten. Red. Jetzigen Kenntnisse schon die Hoffnung, dass es möglich 46 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIH. Nr. 5. sein wird, solche, die Krankheitskeime vernichtende Mittel zu finden. Allein auch wenn diese Hoffnung täuschen sollte, so hat die Erkennung verborgener, keine Störungen mehr erzeugender Krankheitsherde doch darum den grössten Werth, weil, wie gerade die neueren ätiologischen Forschungen immer und immer wieder ergeben haben, die Krankheitserreger allein für die Entstehung der Krank- heiten nicht maassgebend sind, sondern auch der Boden, auf den sie einwirken, also der Zustand der Körper- gewebe und des ganzen Körpers überhaupt von ausschlag- gebender Bedeutung ist. Aenderungen im morphologi- schen und chemischen Zustand der Körpergewebe das ist hauptsächlich das, was jene vorher erwähnten günstigen Bedingungen, Dispositionen dafür schafft, dass bisher unschädliche Parasiten zu Krankheitserregern werden, dass in einem alten Krankheitsherde abge- schlossene Parasiten zu neuem Leben erwachen und einen Neuausbruch der zum Stillstand gekommenen Krankheit bewirken. Hier also eröffnet sich der ärztlichen vor- beugenden Thätigkeit ein schier unabsehbares Arbeits- feld, die Aufgabe, die Entstehung von Dispositionen zu verhindern, den Körper zu kräftigen, zu stählen für den Kampf mit den Krankheitsursachen. Das ist aber auch derjenige Theil der ärztlichen Thätigkeit, in dem die neueste Zeit die meisten und grössten Fortschritte aufzu- weisen hat, in dem deshalb auch die Ansprüche an die Leistungen der Aerzte in besonderem Grade gewachsen sind. Gesundheitspflege, öffentliche wie häusliche, nimmt nicht nur viele Gelegenheiten zur Erkrankung, besonders zur Infeetion weg, sondern schafft auch einen gesunden, kräftigen, widerstandsfähigen Körper. Erst in der neuen Zeit ist das Verständniss für die grosse Bedeutung der Gesundheitspflege der Allgemeinheit wieder voll auf- gegangen, aber auch die Ueberzeugung entstanden, dass nur unter dem sachverständigen Beirath von Aerzten die allgemeine, wie die individuelle Gesundheitspflege ge- fördert und ausgeübt werden kann. Nicht nur im Ge- sundheitsrathe der Städte und Gemeinden, in den Schulen u. s. w. hat der Arzt als erster Sachverständiger in gesundheitlichen Fragen mitzureden, kein Vater und keine Mutter sollte sich des ärztlichen Berathers ent- schlagen, wenn es sich darum handelt, die Einrichtung des Hauses, der Kleidung, der Lebensweise, besonders bei Kindern, gesundheitsgemäss herzustellen. Hier kann nieht schablonenmässig vorgegangen werden, denn die Constitution, d. h. der Bau und die davon abhängige Function des Körpers und seiner einzelnen Theile ist keine gleichmässige; Krankheitsanlagen der ver- schiedensten Art sind weit verbreitet, können kommen und sehwinden, und nur ein kundiger Arzt, dem Gelegen- heit zu längerer Betrachtung gegeben wird, ist im Stande, die Constitutionseigenthümlichkeiten zu erkennen und die geeigneten Maassnahmen zur möglichsten Unterdrückung bezw. Verhütung von Krankheitsanlagen zu treffen. . Endlich ist der neuesten Errungenschaft für die Pro- phylaxis zu gedenken, der Schutzimpfungen. Wie Jenner vor hundert Jahren für die Pocken, so hat die neue Wissenschaft bereits für verschiedene Krankheiten (Hunds- wuth, Wundstarrkrampf, Diphtherie u. a.) ein Vor- beugungsmittel in Schutzimpfungen gefunden, und wenn auch noch manche darauf bezügliche Fragen der Auf- klärung harren, so erscheint es doch nicht phantastisch, wenn man erwartet, dass da dem praktischen Arzte der Zukunft ein weites Feld segensreicher Thätigkeit eröffnet worden ist. Neben der Aufgabe, die Gesundheit zu stählen und Krankheiten zu verhüten, steht die andere, vorhandene Krankheiten zu heilen oder doch zu lindern. Wie die Anforderungen an die prophylaktischen Leistungen der Mediein gesteigert worden sind, so auch diejenigen an die Heilthätigkeit. Die neuen ätiologischen Forschungen haben neue Heilmethoden (Serumtherapie, Organtherapie geschaffen, die Fortschritte in der Prophy- laxis der Wundkrankheiten haben das Messer der Chi- rurgen und Gynäkologen immer weiter in die Tiefe dringen lassen, und immer complieirter wurden die Ope- rationen, die diagnostische wie die therapeutische Technik weitete sich nach allen Seiten, das Mikroskop ist zu einem immer unentbehrlicheren Bestandtheil des ärztliche Instru- mentariums geworden. Die Folge dieser Fortschritte ist, dass viel mehr Krankheiten einer eingreifenden Behand- lung unterzogen werden, wie früher, dass aber auch die Theilung der Arbeit, wie auf so vielen Gebieten, so auch in der Mediein eine immer grössere Ausdehnung gewonnen hat. Man mag jain gewisser Beziehung die Entwickelung des Speecialistenthums in der Mediein beklagen, aber es lässt sich doch nicht leugnen, dass Uebung den Meister macht und dass bei den grossen technischen Anforderungen, welche besonders die operativen Zweige der Mediein stellen, nur derjenige Uebung genug haben kann, welcher sich dauernd und ununterbrochen mit diesem Gegenstand beschäftigt, also Specialist ist. Es genügt auch nicht, dass einige wenige Specialisten etwa an den Universi- täten und in einigen grossen Städten vorhanden sind, denn die können dem Bedürfniss nach speeialistischer Behandlung durchaus nicht genügen, und das Publikum hat ein Recht zu beanspruchen, dass es möglichst schnell und möglichst bequem auch diejenige Behandlung finde, bei welcher nur der Geübte volle Garantie für riehtige Diagnose einerseits und beste Behandlung andererseits bietet. Ich bin also der Meinung, dass Niemand im Stande ist, die aus den Verhältnissen und aus einem Be- dürfnisse hervorgewachsene Arbeitstheilung in der Heil- kunst wieder rückgängig zu machen, ja in gewisser Be- schränkung muss sie im Interesse des Heilung suchenden Publikums gefördert werden, denn es ist völlig ausge- schlossen, dass jeder Arzt in jedem Zweige der Mediein diejenige Erfahrung und Uebung besitze, welche ihn zum Meister macht. Nur nach einem muss gestrebt werden, nämlich dass der Zusammenhang der Zweige des Baumes der Mediein gewahrt wird, dass neben der Vielheit die Einheit nicht vergessen wird, die medicinische Wissen- schaft. Sie ist es, welche die gemeinsame Wurzel aller praktischen Speecialitäten darstellt und darstellen muss. Vereint studiren, getrennt curiren, so könnte man die Forderung in kurze Worte fassen. Wenden wir uns nun, nachdem wir die Aufgaben, welche die Mediein zu erfüllen hat, in Kürze festgestellt haben, zu der Frage: was hat der medieinische Unter- richt zu leisten? so bedarf es keiner Auseinandersetzung, dass der Universitätsunterricht all das liefern muss, was die Aerzte befähigt, den ihnen gestellten Aufgaben ge- recht zu werden. Die Frage ist nur die, ob man ver- langen kann, dass jeder Arzt als fertiger Praktiker die Universität verlassen muss. Das ist von vornherein schon deshalb unmöglich, weil die Mediein auch eine Kunst ist und kein Künstler auf einer Schule fertig gebildet werden kann, sondern sich selbstständig zur Höhe seines Können allmählich ent- wickeln muss. So kann sich auch der practische Arzt erst in der Praxis und durch die Praxis auf die Höhe seiner Leistungsfähigkeit bringen, das, was der Unterrieht zu leisten hat, ist, die Grundlage zu liefern, welche ihn befähigt, sich zum selbstständigen ärztlichen Künstler zu entwickeln. Dazu ist in erster Linie nöthig die Kenntniss vom | gesunden und kranken Menschen in morphologischer und XI. Nr. 5 biologischer Beziehung, was wieder eine Summe von Vor- kenntnissen in den exaeten und beschreibenden Natur- wissenschaften voraussetzt, es ist nothwendig die Kennt- niss von den Ursachen der Krankheiten, der Art der Wirkung derselben, der Mittel und Wege, um ihre Wir- kung zu verhindern oder wieder aufzuheben, es gehört dazu die Kenntniss von den Veränderungen, welche der Körperbau und die Körperfunetionen bei der Krankheit erleiden, und der Mittel, welche zu Gebote stehen, um die Ausgleichung dieser Störungen zu fördern, die Wieder- herstellung und Festigung der Gesundheit zu bewirken. Aber es kommt nicht allein auf das Wissen an, sondern auch auf die Anwendung desselben im einzelnen Fall; der Arzt muss feststellen können, ob bei einem be- stimmten Individuum der Körperbau, die Körperfunetionen normal sind oder nicht, er muss erkennen können, welche Veränderungen etwa vorhanden sind, wie gross, wie be- schaffen die Abweichungen von der Norm sind, dazu ge- hört Beobachten, Schlüsse ziehen, methodisch Denken. Leider lässt die Vorbildung unserer Studenten in dieser Beziehung unendlich viel zu wünschen übrig, und eine kostbare Zeit muss darauf verwandt werden, den jungen Medieiner zu lehren, seine Sinne zu gebrauchen, das sinnlich Wahrgenommene richtig aufzu- fassen und gedanklich zu verarbeiten. Das ist aber die Grundlage aller ärztlichen Thätigkeit, und es kann nicht früh und nicht oft genug dies Beobachten, dies induetive Denken geübt werden. Erst nachdem die Kenntniss der Naturwissenschaften, der Anatomie, wozu auch Entwiekelungsgeschichte gehört, und Physiologie nebst physiologischer Chemie erworben und in einem strengen, womöglich auch praetischen Examen bezeugt worden ist, soll zum Studium der Pathologie übergegangen werden. Bei der kurzen Zeit, welche zu Gebote steht, soll dem Studenten das Lernen so sehr er- leichtert werden, wie nur möglich, dazu gehört aber meines Erachtens, dass ihm die wichtigsten Gegenstände zunächst in systematischer Uebersicht vorgeführt werden und ihm nicht überlassen wird, sich seine Kenntnisse darüber aus den verschiedenen, bei anderen Gelegenheiten gehörten Bemerkungen zusammenzusuchen. So sollen bei- spielsweise besonders die allgemeine Aetiologie, die Hygiene, die allgemeine Therapie in systematischen Vor- lesungen behandelt werden. Alle Vorlesungen müssen so viel wie möglich mit Demonstrationen verbunden werden, denn nihil est in mente quod non prius fuerit in sensu, aber sie müssen noch ergänzt werden durch praktische Uebungen, in pathologischer Histologie, im Seeiren und Protoeolliren, in Bacteriologie u. s. w., bei denen man nicht nur zu fragen hat, was für einen direeten Nutzen für die Praxis sie ge- währen, das wäre eine banausische, handwerksmässige Art der Betrachtung, denn sie sollen zwar ein bestimmtes Wissen und Können übermitteln, aber daneben auch als Hilfsmittel für die allgemeine Ausbildung dienen, für die Uebung von Hand und Auge, für die Uebung im Beob- achten und inductiven Denken. Nun kommt der Höhepunkt in der Ausbildung des Arztes, der Unterricht m der Behandlung des kranken Menschen, die klinische Unterweisung mit ihrem Zubehör, der physikalischen Diagnostik u. s. f£. Auch hier ist wieder das erste die Methodik. Der Klinieist muss lernen die Erscheinungen der Krankheiten zu erkennen, — die schon erlangte und in der Klinik weiter zu vervoll- kommende Uebung im Gebrauch der Sinne wird nun ihre Früchte tragen, — er muss lernen, die Erscheinungen gegeneinander abzuwägen bezw. mit einander zu ver- knüpfen, er muss das Hauptsächliche und das Neben- sächliche scheiden lernen, er muss denken und immer Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 47 wieder denken, inductiv denken, um den Sitz der Krank- heit, ihre Ursachen, ihre secundären Folgeerscheinungen zu erkennen, kurzum um die Diagnose zu machen. Auch heute noch gilt der Satz qui bene diagnoseit bene mede- bitur und die Fähigkeit, eine richtige und genaue Dia- gnose zu machen, ist es hauptsächlich, was den wissen- schaftlich gebildeten Arzt von dem Kurpfuscher unter- scheidet. Also diagnostieiren, mit Anwendung aller be- kannter Hilfsmittel diagnostieiren, das ist es, was in der Klinik, gleichgültig welche es ist, zunächst gelehrt und gelernt werden muss. Geschieht das? Zweierlei Mängel lassen sich nicht leugnen, einmal, dass an manchen Universitäten die Zahl der Zuhörer so gross ist, dass der einzelne zu einer praetischen Thätigkeit kaum gelangt, und zweitens, dass zur Bewältigung des grossen Stoffes die jetzt gegebene Zeit kaum hinreicht. Dem ersten Mangel ist dadurch zum Theil abzuhelfen, dass die Studirenden nicht nur an einer grossen Universität studiren, sondern am aller- besten an einer kleinen und einer grossen, an jener um nicht nur zum Zusehen verurtheilt zu sein, an dieser, um an der grösseren Fülle und Manmnigfaltigkeit des Materials ihre Anschauungen zu bereichern. Ausserdem aber muss die Poliklinik, sowohl die am- bulatorische, wie die eigentliche Stadt- oder Distriets- klinik noch etwas mehr, wie es seither, wenigstens von Seiten der Regierung, geschehen ist, in den Vordergrund gestellt werden, weil hier der Student nieht nur die kleinen Leiden, die meist in der Klinik weniger berücksichtigt zu werden pflegen, kennen und erkennen lernt, sondern weil er hier noch mehr wie in der Klinik zeigen kann, was er im selbstständigen Diagnostieiren zu leisten vermag. Dem zweiten Mangel kann nur durch eine Ver- längerung der Studienzeit abgeholfen werden, die es auch gestatten würde, eine geeignetere Eintheilung der patho- logisch-klinischen Studien, als sie jetzt möglich ist, vor- zunehmen und ausserdem einer grösseren Zahl von Stu- direnden die Möglichkeit eröffnen würde, als Famuli in verschiedenen Kliniken sich weiter auszubilden und ins- besondere auch den inneren’Krankenhausdienst kennen zu lernen und — was nicht hoch genug anzuschlagen ist — eine grössere Zahl von Kranken längere Zeit genau zu beobachten und so auch besser, als es sonst möglich ist, den ganzen Verlauf von Krankheiten zu verfolgen. Das Diagnostieiren aller Krankheiten müssen zweifellos alle Aerzte lernen, so dass sie es können, für die Behandlung gilt nicht dasselbe. Die Kenntniss der ganzen Therapie, auch der specialistischen, muss aller- dings verlangt werden, aber es ist nicht nothwendig, dass alle Studenten alle specialistischen Maassnahmen selbst ausführen lernen müssten. Am wenigsten Speeialistisches hat die innere Mediein, sie ist die allgemeine Domäne des allgemeinen Arztes; hierin muss Jeder, auch der Speeialist, bewandert sein, auch in der geburtshilflichen Therapie muss der allgemeine Arzt erfahren sein, im Uebrigen muss er allen Fällen gegenüber, wo schnelles Handeln nothwendig ist, völlig gewappnet sein, dagegen halte ich es nicht für nothwendig, dass er alle die complieirten chirurgischen, ophthalmologischen, gynäkologischen, oto- logischen u. s. w. Operationen, für welche die geeignete Zeit ausgewählt und die Vorbereitungen lange vorher ge- troffen werden können, selbst auszuführen im Stande ist. Da genügt es vollkommen, wenn er die Nothwendigkeit des Eingriffes rechtzeitig erkennt, also eine richtige Diagnose stellt und nun einen Specialarzt des betreffenden Gebietes zu Rathe zieht. Meines Wissens wird auch an den meisten Universitäten in diesem Sinne der Unterricht ertheilt. So ist also für einen geeigneten Unterricht im All- 48 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. gemeinen wohl gesorgt, um die Grundlage zu liefern, auf der die weitere Entwickelung sich gestalten kann. Es ist aber anzuerkennen, dass es immer noch Bedenken er- regen muss, dem erst in der Grundlage fertigen Arzt so- fort eine durchaus selbstständige Stellung zu geben, das Wohl und Wehe der sich ihm Anvertrauenden völlig un- eontrollirt in seine Hand zu geben, deshalb habe ich den Vorschlag eines einzuschaltenden praktischen Jahres mit Freuden begrüsst und befürworte ihn aufs Wärmste unter der Voraussetzung, dass dies praktische Jahr nach dem Examen gelegt und die Approbation nach seinem Ver- lauf, wenn nicht ganz besondere Gründe vorliegen, ohne Weiteres ertheilt wird. Nur einen von ärztlicher Seite gemachten Abänderungs-Vorschlag möchte ieh nicht von der Hand weisen, nämlich, dass das praktische Jahr auch bei einem geeigneten practischen Arzt zurückgelegt werden kann. Es wäre dann nur ein Zustand wieder hergestellt, wie er schon vor Jahrhunderten bestanden hat, denn die Deerete Friedrichs II für Salerno ordneten für das medicinische Studium an 5 Jahre philosophische, 5 Jahre medieinische und ehirurgische Studien und 1 Jahr praetische Beschäftigung unter einem befugten Arzte. Die durch dieses Jahr bedingte weitere Verlängerung der Studienzeit kann nicht in Betracht kommen, wo es sich um Menschenleben handelt, und ausserdem erfordern auch die übrigen academischen Berufszweige bis zur defini- tiven Anstellung mit kümmerlichem Gehalt nicht geringere Zeit und Mittel. Der geschilderte Studiengang ist der für den allge- meinen Arzt; wer Specialarzt werden will, muss sich be- sonders darauf vorbereiten, doch ist die Forderung einer bestimmten Assistentenzeit nicht glücklich, vielmehr sollte es Jedem selbst überlassen sein, wie er sich zu einem Speecialisten ausbilden will, man lasse ihn höchstens ein besonderes Examen ablegen, das ich allerdings für noth- wendig: halte, sobald der Staat den Aerzten wieder das Privilesium der Praxis ertheilt. Ich habe keine Furcht, dass durch die öffentliche Bestätigung von Specialärzten das Ansehen oder die XI. Nm. 5. Thätigkeit der allgemeinen. Aerzte eine Einbusse erlitte; bleibt diesen doch im Wesentlichen das grosse Gebiet der inneren Mediein gewahrt, und sind sie doch unersetzlich und unentbehrlich für die Krankheitsprophylaxis. Nicht die immer zahlreicher werdenden Krankenhäuser, nicht die Speeialisten vermögen dem allgemeinen Arzt in dieser Beziehung Abbruch zu thun, das. ist seine Specialität, deren Ausbau aller Aerzte eifrigstes Bemühen sein sollte. Freilich ist das nur möglich, wenn das Publikum die Aerzte unterstützt. Wir dürfen nicht ruhen und rasten, um Aufklärung in dieser Richtung zu verbreiten, um dem ‘Publikum klar zu machen, wie viel man thun kann, um Krankheiten zu vermeiden, dass aber nur unter sachver- ständiger Anleitung und Controlle dieses möglich ist. Wie wir Aerzte mit der Sorge um die öffentliche Gesundheits- pflege in Staat und Gemeinde beauftragt sein wollen, so wünschen und erwarten wir, dass der Arzt ständiger Be- rather und Beaufsichtiger der Familien werde, besonders während der so wichtigen Ausbildungszeit des kindlichen Körpers. Das kann aber kein Specialist, das kann nur dar allgemeine Arzt, der Hausarzt, weleher nieht nur als Helfer in der Noth der eingetretenen Krankheit gerufen wird, sondern dauernd und ununterbrochen für das. Wohl der seiner Sorge Anvertrauten bemüht ist, ein treuer Be- rather in allen Fragen der Gesundheitspflege, dafür aber auch eine Autorität, deren Rath nicht nur gehört, sondern auch befolgt wird. Dazu ist die Mitwirkung des Publikums nöthig, darum muss es das ernste und eifrige Bemühen der Aerzte sein, das Publikum über die. Bedeutung der Gesundheits- pflege und Krankheitsprophylaxis aufzuklären, wie nicht minder über die Schwierigkeit der Erkeunung der Krank- heiten und der Fesstellung des Heilplans. Erst wenn es Niemanden mehr giebt, der sich durch das falsche Wort des Goethe’schen Mephistopheles, der Geist der Mediein sei leicht zu fassen, irreführen lässt, erst dann wird auch das Kurpfuscherthum verschwinden, und die Aerzte werdenjenes Ansehen und jene Werthschätzung geniessen, welche sie sich wünschen — und welche sie verdienen. Ueber das Vorkommen einiger „seltener“ Ento- mostraken in der Provinz Brandenburg. — Wenn ich die nachfolgend aufgeführten niederen Krebsthiere „selten“ nannte, so will ich dies nur bezüglich der meist noch vorherrschenden Ansicht über die geographische Ver- breitung dieser Thiere aufgefasst wissen. Wie ich selber über die sogenannten „seltenen“ (d. h. bis jetzt nur erst an wenigen Orten aufgefundenen) Arten von Entomo- straken denke, darüber habe ich mich schon in Band XI (1896), S. 322, der „Naturwissensch. Wochenschrift“ aus- gesprochen. Von diesen „seltenen“ Formen wähle ich aus: 1. Cyelops varicans G. O. Sars (1862). Dieser zarte Spaltfusskrebs wurde bis heute in Norwegen, Tur- kestan und Polen gefunden. ©. Schmeil stellte ihn 1892 auch für Deutschland (Halle a. S.) fest. Ich fand das Thier am 28./9. 1897 im Staton*) des Müggelsees. — 2. Nitoera hibernica (Brady): 1850. Brady entdeckte diese Art 1880 in England, Richard fand sie 1891 auch in Frankreich auf. ©. Schmeil wies sie in den folgenden Jahren auch für Deutschland nach und zwar für die Um- gegend von Plön, Kiel und Halle. In der Provinz Brandenburg fand ich das Thier bis jetzt im Schermützel- *) Staton — nach J. Frenzel —, Gegensatz von Plankton, das nicht im Wasser treibende; also die Organismen des Ufers (und des Bodengrundes). W. Hartwig. see (Buckow), im Glindower See (Werder a. H.), im Kriensee (Rüdersdorf), im Gudelacksee (Lindow) und im Müggelsee. Im Staton des Müggelsees fand ich es vom Juni bis zum September, im Plankton desselben in den Monaten März und April; danach scheint das Thier in den heimischen Gewässern das ganze Jahr hindurch vertreten zu sein. — 3. Ectinosoma edwardsi (Richard): 1590. Dieser Copepode wurde von Richard zuerst in Frankreich aufgefunden und beschrieben. Da das Thier augenlos ist, glaubte Richard, es lebe unterirdisch. O. Schmeil fand es im Maleriale des Dobersdorfer Sees bei Kiel auf. Im Jahre 1895 wies ich. das Thier zuerst für unsere Provinz nach. Dazu kann ich heute vervoll- ständigend bemerken, dass es bei uns durchaus nicht selten ist und das ganze Jahr hindurch vorzukommen scheint, da ich es im Plankton des Müggelsees auch während der Wintermonate fand. — 4. Heterocope saliens (Lilljeborg): 1363. Dieser grosse und schöne Spaltfusskrebs wurde für Deutschland zuerst nachgewiesen durch Imhof, und zwar für den Chiemsee in Bayern und für den Titisee in Baden. Ich fand das Thier im Mai 1895 auffallender Weise in einem Wiesengraben bei Char- lottenburg, der nur während der Frühjahrsmonate Wasser führt. Es ist dies sehr bemerkenswerth, da das Thier bis dahin stets nur in grösseren Gewässern gefunden wurde. O. Zacharias fand es im Juni/Juli 1896 bei Trachenberg in Schlesien in einem Versuchsteiche. So wäre dieser XI. Nr. 5 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 49 Copepode allein für Deutschland bis jetzt an vier Orten nachgewiesen. — 5, Latona setifera. (O. F. Müller): 1776. Diese Cladocere, welche bis jetzt für England, Skandinavien, Dänemark, Russland und Nordamerika nachgewiesen wurde, fand ich in der Mark Brandenburg während der letzten Jahre in drei Gewässern; es sind dies der Kalksee bei Rüdersdorf, der Schwielowsee bei Werder a. H. und der fast gänzlich versumpfte Krem- mener See. — 6. Pasithea reetirostris (0. F. Müller): 1785. Diese Lyneodaphnide, von welcher OÖ. F. Müller 1785 sagt: „In aquis palustribus rara* (Entomostraca, S. 95), welehe Leydig auch „bloss in einigen Exem- plaren“ (Daphniden 1860, S. 201) antraf, habe ich in unserer Provinz bis heute aus mehr als einem Dutzend Gewässern in gegen 200 Stücken gesammelt. Ich zähle das Thier daher zu den häufigeren Entomostraken der Heimath. — 7. Alonopsis latissima Kurz (1874). Diese zierliche Cladocere wurde. bis jetzt in Böhmen, Russland und in der Schweiz gefunden, stets aber nur in wenigen Stücken. In diesem Jahre wies ich sie für die Provinz Brandenburg nach; ich fand nämlich am 30./7. 1897 da- von ein Weibehen in dem Materiale auf, welches von Herrn Dr. W. Weltner schon am 3./8. 1587 aus einem Sumpfe bei Halensee (Grunewald) gesammelt worden war. — 8. Anehistropus emarginatus G. ©. Sars (1862). Bis zum Jahre 1896 war dieser so auffallend geformte Lyneeide nur aus Norwegen und Britannien bekannt. Da fand ich am 18./8. 1896 drei Weibehen davon im Schwielowsee auf. In diesem Jahre (1897) sammelte ich am 7./8. 14 Stücke aus dem Plessower See bei Werder a. H. In der Zeit vom 26./7. bis zum 29./9. 1397 konnte ich das Thierchen im Staton des Müggelsees nachweisen; an einigen Tagen kam es sogar recht häufig vor, da ich manchmal in einem Präparate 5 bis 10 Stücke zählte. — 9. Monospilus tenuirostris (S. Fischer): 1854. — Mon. dispar & 0. Sarsı(1862).” Ich fand” diese Cladocere bis jetzt im Staton des Glindower Sees (Werder), des Schwie- lowsees (Werder), des Teupitzer Sees und in dem des Müggelsees. Was die Jahreszeit anbetrifft, in welcher das kleine, plumpe Thierehen auftritt, so konnte ich es bis heute für die Monate April, Mai, Juli und August fest- stellen. — 10. Ilyocypris bradyi G. O. Sars (1890). —1l. gibba repens Vävra (1891). —=1l. gibba repens Hartwig (1894). Diesen Ostracoden fand ich im August und September 1894 häufig in einer Lehmgrube bei Hermsdorf (Nordbahn). Da diese Lehmgrube seit etwa 15—16 Jahren nicht mehr ausgebeutet wird und nachdem erst: voll Wasser lief, so ist die Einwanderung des Thieres daselbst auch erst jüngsten Datums; es muss also, da kein Zufluss besteht, aus der näheren Umgebung eingeschleppt worden sein, mag dies nun durch Wasservögel, Wasser- käfer oder auf andere Weise geschehen sein. Ueber- gänge von Ilyocypris gibba repens nach Il. gibba fand ich — entgegen dem Befunde von Croneberg („Ostra- eodenfauna «der Umgegend von Moskau“, S. 14) — nicht, obwohl ich nicht wenige von meinen etwa 200 Stücken genau untersuchte. Ich halte daher Il. bradyi G. ©. Sars für eine gute Species. — 11. Darwinula stevensoni Brady and Rob. (1889). Am 10./6. 1896 fand ich diesen lebendiggebärenden Muschelkrebs das erste Mal in der Provinz auf, und zwar im Schwielowsee. Nachdem habe ich ihn überall im Spree- und Havelgebiet nachgewiesen bis nach Rüdersdorf hinauf. In diesem Jahre fand ich ihn auch im Kremmener See. Der Jahreszeit nach er- beutete ich das Thier vom Mai bis zum September. Wegen seiner weissen Farbe mit Perlmutterglanz ist es leicht auch aus grösseren Schlammmassen auszulesen, zumal es durchschnittlich eine Grösse von 0,8 mm erreicht. Es kommt in unserer Provinz nur limieol vor, — 12. Cythe- ridea lacustris (@ ©. Sars): 1862. Dieser Muschel- krebs wurde bis heute auf den Britischen Inseln, in Skan- dinavien, in der Schweiz und in Salzburg gefunden. Als Bewohner der Mark entdeckte ich das Thier 1896 im Zenssee bei Lychen in einer. Tiefe von 25. Metern. Am 26./7. 1897 fand ich es bei einer Tiefe von '30-Metern im Mohriner See (Neumark). Verwunderung erregte es bei mir jedoch, als ich am 5./8. 1597 das Thier im seichten Kremmener See bei einer Wassertiefe von kaum 2 Metern fand. Es ist also nicht zutreffend, dass dieser Ostracode, wie bis jetzt meist angenommen wurde, ein ausschliess- licher Tiefenbewohner ist. — 13. Limnicythere inopi- nata (Baird): 1850. — Limn. ineisa Dahl (1838), Ich fand in unserer Provinz sowohl die typische Form L. in- opinata — wie Kaufmann („Schweiz. Cytheriden*) sie. be- schreibt und abbildet —, sowie auch die Form L.. ineisa Dahl („Cyther. der westl. Ostsee“). Ich halte beide Formen, wie ich schon in der „Brandenburgia“ 1896 be: merkte, specifisch nicht für verschieden. Nachdem ‘ich auf diesen limicolen Muschelkrebs. erst aufmerksam ge- worden war, fand ich ihn von ‘Anfang Mai 'bis' Ende September in fast allen unseren grösseren Gewässern und zwar sowohl vadal*), wie auch limnetisch. — 14. Lim- nieythere saneti-patrieii Brady and Rob. (1869). Diese Art wurde auf. dem europäischen Festlande bis jetzt in Norwegen, in der Schweiz und: in Salzburg gefunden, In unserer Provinz stellte ich sie in den letzten Jahren fest für: Schwielowsee,' Glindower See, Kalksee (Rüders- dorf), Zenssee (Lychen), Kremmener See und Müggelsee; Auch dieser Muschelkrebs ist kein ausschliesslicher Tiefen- bewohner, da ieh ihn, im’ Kremmener See und Schwielow- see bei kaum 1 m Tiefe auffand. — 15. Lymnieythere relieta (Lilljeborg):' ‚1862 — Limn. relieta : Kaufmann (1896). Dieser Ostracode wurde bis jetzt nur in Schweden und in der Schweiz . aufgefunden. Ich fand ihn am 15./4. 1897 vadal-#m Schwielowsee in. einer..Tiefe von nur 0,75 m.**). A.'Kaufmann. fand Cytheriden (die Gat- tungen Cytheridea und Limvieythere) „nie littoral“. Das Auffinden dieser Species in. der Mark ist nicht-ohne Be- deutung in zoogeographiseher Hinsicht, da ihr Auftreten in dem weit auseinander liegenden Schweden und .der Sehweiz nun nicht. mehr ‚ein so unvermitteltes ist: Wir werden sicher zwischen Brandenburg und der Schweiz noch andere — südlichere — Gewässer finden, welche das Thier beherbergen; freilich wird dies kaum. durch gelegentliches Fischen, sondern nur durch ausdauerndes systematisches Suchen geschehen können. W. Hartwig (Berlin). Experimentelle Untersuchungen an einheimischen Grossschmetterlingen. — Seit Darwin im Jahre 1859 den Gedanken einer Abstammung und Blutsverwandt- schaft aller Organismen von Neuem belebte und be- gründete, ist die Frage nach der Entstehung und Um- wandlung der Thier- und Pflanzenarten in den Vorder- grund des Interesses getreten. Fast alle Diseiplinen der Biologie sind zur Lösung dieses Problems herangezogen worden. Es ist hier nieht der Ort, von den glänzenden Resultaten zu sprechen, die die vergleichend-morphologi- sche, geologische und zoogeographische Forschung in dieser Richtung zu verzeichnen hat; wir wollen im Folgenden ein Stück eines anderen Weges näher kennen lernen, der mit nicht geringerem Erfolg betreten worden ist. *) vadal — nach J. Frenzel — für litoral; es bleibt,,litoral dann besser allein für das Meeresufer. W. Hartwig. #*) Auffallender Weise an einer Stelle, wo ich früher stets nur Limnicythere inopinata fand. W. Hartwig. 50 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 5. Schon Darwin hatte klar erkannt, dass die bis ins graue Alterthum zurückreichenden Züchtungen der Haus- thiere und Culturpflanzen zwar ein äusserst werthvolles Material für descendenztheoretische Fragen darstellen, dass aber erst nach rein wissenschaftlichen Gesichts- punkten und in grossem Massstabe angelegte Zucht- versuche uns einen tieferen Einblick in die Werkstatt der Natur gewähren. Es giebt wohl kaum eine Thiergruppe, die sich für diese experimentellen Zwecke besser eignete als das leichtbeschwingte, daseinsflüchtige Geschlecht der Falter. Sie sind in Massen leicht zu beschaffen, ihre meist längere Zeit beanspruchende Metamorphose vom Ei bis zur platzenden Puppe gestattet es, die Versuche auf alle einzelnen Entwickelungsstadien auszudehnen, und die im farbenprächtigen Kleid des ausgeschlüpften Geschlechts- thieres unverhüllt zu Tage tretenden Arteharaktere sind in ihren künstlich hervorgerufenen Umwandlungen mehrere Generationen hintereinander direet zu verfolgen. Eine umfassende Darstellung dieses ebenso interessanten als schwierigen Gebietes verdanken wir in neuester Zeit einem in Zürich lebenden Gelehrten, Standfuss*), der auf Grund seiner und seines greisen Vaters**) vereinter 80jähriger Er- fahrung ebenso eingehend und klar die wissenschaftlichen Resultate der beobachtenden und experimentellen Schmetter- lingskunde, als die mannigfachen praktischen Bedürfnisse des Sammlers im Zusammenhang dargelegt hat. Ueber den Gesammtinhalt des Werkes und einige specielle Resultate ist dem Leser der „Naturw. Wochenschrift“ bereits früher beriehtet worden (XI. Bd., No. 40, S. 481). Ein Punkt aber, den der Berichterstatter damals nur kurz hat streifen können, ist werth, aus der Fülle der wissenschaftlichen Resultate besonders hervorgehoben zu werden. Er betrifft, neben den Bastardirungs-Versuchen, die- jenigen experimentellen Untersuehungen, die sich mit dem Einfluss der äusseren Umgebung auf die Charaktere des Falters beschäftigen. Es haben sich hier hochinteressante Parallelen zwischen den künstlich geschaffenen Be- dingungen des Experiments und den Verhältnisen in der freien Natur ergeben. Eine kurze, zusammenfassende Darstellung dieser vom Autor in die verschiedensten Kapitel seines Werkes eingeflochtenen, oft mit weiter abführenden Gedankengängen verknüpften Resultate wird deshalb nicht unwillkommen sein. Bereits Linne sah in der gelegentlichen Paarung zwischen Individuen verschiedener Arten (Hybridation, Kreuzung) eine Quelle für die Entstehung einer neuen Art. Was speciell unsere Falter betrifft, so dürfen wir als feststehend betrachten, dass durch Kreuzung bis jetzt schon 24 verschiedene Bastarde gezüchtet worden sind. Dass es bei allen übrigen Versuchen nicht möglich war, aus der Paarung verschiedener Artgenossen Nachkommen- schaft zu erzielen, hat seinen Grund theils darin, dass die Begattungsorgane der beiden Arten zu verschieden sind, als dass die Paarung normal verlaufen könnte, theils darin, dass wohl feinere, in der geweblichen oder molecularen Structur des Eies und der Samenfäden be- gründete Schwierigkeiten einer Befruchtung oder einer Weiterentwickelung des befruchteten Eies im Wege stehen. Um so werthvoller sind uns die Resultate eines glücklich gelungenen Kreuzungsversuchs. Allgemein be- kannt ist Ja, dass die so entstehenden Bastarde (— Hy- briden erster Ordnung) Zwischenformen der Eltern dar- stellen, die bald mehr dem Vater, bald mehr der Mutter ähneln. Auffallend sind aber die physiologischen Ver- schiedenheiten der männlichen und weiblichen Bastarde: *) Handbuch der palaearktischen Grossschmetterlinge für Forscher und Sammler. 2. Auflage. 1896. Verlag von Gustav Fischer in Jena Mit 8 lithographischen Tafeln und Textfiguren. **) Er starb 387 Jahre alt am 6. October 1897. die Weibehen sind vollkommen unfruchtbar; nur ein einziges Mal kam es überhaupt zur Ablage von Eiern, kleiner, verkrüppelter Gebilde, die sich nicht weiter ent- wickelten. Ob das auch für die in der Natur gefundenen Bastarde gilt, ist experimentell noch nicht entschieden worden. Die Bastardmännchen dagegen bilden zeugungs- fähigen Samen, der in einem Fall sowohl mit den Eiern Jeder der beiden Grundarten, als mit denen einer dritten Art lebenskräftige (und vielleicht in sich fortpflanzungs- fähige!) Nachkommen (— Hybriden zweiter Ordnung) er- gab: So ging der & Bastard von Saturnia pavonia L. & und S. spini Schiff. 2 nicht nur mit den Weibehen dieser beiden Grundarten, sondern auch mit denen von $. pyri Schiff. erfolgreiche Paarung ein. In diesem letzteren Fall gelang es also-dem Experimentator, eine neue Form zu züchten, an deren Aufbau alle drei Nachtpfauenaugen betheiligt sind! Die Frage liegt nahe, ob eine gleiche Vermehrung des Formenreichthums der Falter auch in der freien Natur zu Stande kommen kann. Ein Hinderniss scheint in der oft weitgehenden Speeialisirung des Geschlechts- lebens der einzelnen Art gegeben zu sein: der Duft, den | die Weibehen ausströmen, ist bei den verschiedenen Arten meist so verschieden, dass die durch ihn angelockten Männchen immer nur zu den Weibehen ihrer Art geführt, von denen der anderen Arten dagegen nicht gereizt werden. Eine Kreuzung ist daher — wie Beobachtungen gezeigt haben — nur dann zu erwarten, wenn das paarungslustige, von seinem Rivalen geschlagene Männchen in verliebter Raserei mit einem beliebigen Weibchen einer anderen Art sich begattet. Wir dürfen annehmen, dass es unter günstigen Umständen, wenn die Gatten nahe verwandten Arten angehören, auch zur Entstehung einer Bastardform kommt, deren Männchen mit den Weibehen der Stammformen oder wenigstens einer der Stammformen eine fortpflanzungsfähige Nachkommenschaft zu erzeugen im Stande ist. Von allgemeinem Interesse sind die Gesetzmässig- keiten, die ein eingehender Vergleich der Bastarde unter sich und mit den Ursprungs-Arten ergeben hat: Zunächst hat eine eingehende Vergleichung der Raupen- und Puppenformen der 5 Nachtpfauenaugen, die sehr ver- schiedenen Grade einer Schutzbildung gegen feindliche Angriffe erkennen lassen, zu der Ueberzeugung geführt, dass von den 3 Arten S. spini zuerst im Laufe der Erd- geschichte entstand, dass S. pavonia jünger, S. pyri die Jüngste, zuletzt entstandene Form ist. Die Hybriden erster und zweiter Ordnung haben nun gezeigt, dass jedesmal die phylogenetisch ältere Form ihre physiogno- mischen und biologischen Eigenschaften (Färbung, Flug- und Paarungszeit) in stärkerem Grade auf die Bastarde überträgt als die jüngere Form. Neben diesem über- raschenden Kausalzusammenhang zwischen den Bastard- Charakteren und der Stammesgeschichte der beiden Eltern-Arten hat die Untersuchung auch ergeben, dass der Vater dem Bastard seine Eigenschaften stärker aufprägt als die Mutter. Aus der Wechselwirkung dieser beiden Gesetzmässigkeiten resultirt in erster Linie der Gesammt- charakter der Bastardform. Wir dürfen annehmen, dass in gleicher Richtung angestellte Untersuchungen auch für allgemeine Probleme der thierischen Entwickelung einst von Bedeutung sein werden. Besonders klar in der Reaktion sind die Tem- peratur-Experimente. Bemerkenswerth, auch weil sie auf einzelne in der Natur beobachtete Erscheinungen ein erklärendes Licht werfen, sind zunächst die Versuche über den Einfluss der 'Temperaturverhältnisse während der Puppenzeit auf die Fortpflanzungsfähigkeit des ausschlüpfenden Falters. Wenn wir z. B. in der XII. Nr. 5. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Sl Entwickelung begriffene Puppen des grossen Nachtpfauen- auges (Saturnia pyri Schiff.) durch eine länger andauernde Erniedrigung der Temperatur auf +5 bis — 2°C. in ihrer Entwiekelung verzögern, oder durch Erhöhung auf —+ 25 bis 35°C. beschleunigen, so werden uns die aus- kriechenden Falter, auch wenn sie sich begatten, keine Nachkommenschaft liefern. Auf ähnliche Ursachen wird es zurückzuführen sein, dass die in der Natur nach kurzer Puppenzeit im Herbst auskriechende Generation des Todtenkopfes (Acherontia atropos L.) und des Windigs (Sphinx eonvolvuli L.) unfruchtbar ist. Einen eklatanten und durch Messungen exact zu be- stimmenden Einfluss üben ferner die Temperaturverhält- nisse während des Ei-, Raupen- und Puppenlebens auf die Grösse des Falters aus. Zwei Arten der Gattung Lasiocampa, die Feuerglucke (L. pruni L.) und der Kiefernspinner (L. pini L.) sind in dieser Hinsicht sehr lehrreich. Normalerweise bringen die Raupen beider Arten die kalte Jahreszeit im Winterschlafe zu. Wenn wir ihnen aber im warmen Zimmer eine behagliche Existenz schaffen, wachsen sie munter zur Puppe und zum Falter heran. Das Experiment wird nun dadurch ein- geleitet, dass wir die Räupchen schon vom Ei ab in einer Temperatur sich entwickeln lassen, die näher ist als die für das Auswachsen der frei lebende. aupe nothwendige Frühlings- und Sommerwärme. Darauf erhalten wir folgende, auf den ersten Blick einander widersprechende Resultate: Während die Raupen von L. pruni L. in ihren warmen Brutkästen zu Faltern heranwachsen, deren Spann- weite kleiner ist als das Normalmaass der Aıt es er- fordert, übertretfen die Falter von L. pmi L. in der Flügelweite ihre freilebenden Artgenossen um ein Be- trächtliches. Dieser Widerspruch löst sich aber in ein- facher nnd für die Frage nach der Entstehung gewisser Schmetterlings-Arten sehr lehrreicher Weise, wenn wir er- fahren, dass im ersten Fall (L: pruni) die Erhöhung der Temperatur die Entwickelung des Falters beschleunigt, die Frass- und Wachsthumsperiode des Raupenlebens daher entsprechend verkürzt hat, während im zweiten Fall (L. pini) diese Beschleunigung nicht stattfand, so dass die Raupe, durch nichts beeinträchtigt, die Vor- theile ihres bequemen und ergiebigen künstliehen Winter- aufenthaltes voll ausnutzen konnte. Dieses Experiment ist auch auf andere Formen aus- gedehnt worden; so führte bei L. quereifolia L. eine Er- höhung der Temperatur während der Entwickelung zu einer Reduction des Körpergewiehts beim ausgeschlüpften Falter auf den 7. Theil des Normalen! Die Experimente zeigen klar, dass die Grösse des Falters direet von der Frasszeit der Raupe und indireet von der Temperatur der Umgebung abhängig ist. Eine grosse Anzahl systematischer und thiergeographischer Thatsachen, denen wir bisher rathlos gegenüberstanden, werden durch diese Gesetzmässigkeit in ein neues Licht gerückt. Jetzt wird es uns z. B. verständlicher, dass von den Lasiocampa-Arten der paläarktischen Thierregion gerade die grössten bis über die Breite von Petersburg (i. Mittel hier niedrige Temperatur, verlängerte Frasszeit) hinausgehen, während nur die kleinste Art, L. suberifolia Dup., noch an der Nordküste Afrikas (hohe Temperatur, verkürzte Frasszeit) flieg. Auch die verticale Ver- theilung der verschieden grossen Arten in den Ebenen und auf den Höhen der Gebirge, die im Einzelnen eben- falls äusserst verwickelt ist und deshalb auch nicht summarisch beurtheilt werden darf, können wir jetzt in ihren Ursachen besser verstehen. Besonders deutlich zeigt sich in allen diesen Fällen, wie eine genaue Kenntniss anscheinend unbedeutender biologischer Einzel- heiten dem Verfasser eine werthvolle, zum Theil unent- behrliche Handhabe zur Lösung von Problemen gegeben hat, die weit über die Speeialfragen, in denen sie zuerst auftauchten, hinausgehend, allgemeines Interesse bean- spruchen. Wir wollen nun noch einen Ausflug in „das Gebiet des lepidopterologischen Aberglaubens und Märchens“ machen, das die grosse Zahl der von den normalen ab- weichenden Falter umfasst. Indem wir die noch nicht genügend experimentell nachgeprüften, mehr gelegent- lichen Beobachtungen über den Albinismus und den Mela- nismus der Schmetterlinge übergehen, wenden wir uns zu der Erscheinung des Farbenwechsels. Er besteht darin, dass einzelne Farben des typisch ausgebildeten Falterflügels gelegentlich durch andere Farben ersetzt werden. Zwei Fälle seien hier hervorgehoben, in denen es gelang, die in der Natur beobachteten Abweichungen von der normalen Färbung in ihren Ursachen zu erkennen und dann künstlich wieder hervorzubringen: die Arctia fasciata Esp. zeigt in ihrer algerischen Varietät (var. oberthüri) wesentlich röthere Hinterflügel als die nördliche Grundform; die letztere kann aber durch Zucht m künstlich erhöhter Temperatur in gleichem Sinne vom Experimen- tator verfärbt werden. Ebenso glücklich gelang es im zweiten Fall, ein Mittel zur Bildung neuer Farbentöne der Natur abzu- lauschen: Durch Fütterung der Raupen der sogenannten „Jungfer“ (Callimorpha dominula L.) mit Pflanzen, die in Koehsalzlauge eingetaucht waren, liess sich dem Roth im Hinterflügel des Falters constant ein Stich in das charakteristische Gelb beimischen, das die in nicht allzu- grosser Entfernung von der salzluftdurchwehten Meeres- küste Liguriens (und anderer Mittelmeerländer) fliegenden Artgenossen auszeichnet. Neben dem soeben illustrirten Einfluss der Temperatur und der chemischen Beschaffenheit der Nahrung, deren Wirkung übrigens meist stark überschätzt wird, sind_bis- her keine Ursachen für den Farbenwechsel der Schmetter- linge mit Sicherheit ermittelt worden. Mit diesem Farbenwechsel in innigem Zusammenhang steht die Entstehung verschiedener Localformen einer Art. In einem speciellen Fall hat das Experiment die wichtige Annahme bestätigt, zu der schon eine kritische Vergleichung zahlreicher erwachsener Localformen geführt hatte, die Annahme, dass es gerade das männliche Ge- schlecht ist, das den Anstoss zur Bildung einer neuen Localform giebt, während die Weibchen das konservativere Element darstellen. Ein Theil der genannten Experimente hat recht klar gezeigt, wie äussere Einflüsse eine direet umgestaltende Wirkung auf die Organisation des Falters herbeiführen können. Es ist leicht einzusehen, dass derartige Ver- änderungen sehr wohl den ersten Anstoss zunächst zu einer allmählich eonstant werdenden Varietät geben, die dann durch weitergehende Divergenz des Charakters zu einer neuen Art sich herausbildet. Das schon zu Anfang des Jahrhunderts von Lamarek und Geoffroy St. Hilaire hervorgehobene Prineip eines direct umgestaltenden Ein- flusses der Aussenwelt auf den Organismus ist erst in neuerer Zeit in seiner grossen Bedeutung für die Descen- denzfrage wieder ganz gewürdigt worden. Ein umfangreiches Kapitel hat Standfuss der erst seit dem Ende der 40er Jahre bekannt gewordenen, von Wallace als Saisondimorphismus bezeichneten Er- scheinung gewidmet, die darin besteht, dass die aufeinander folgenden Generationen einzelner Falterarten während der kalten und warmen Jahreszeit ein verschiedenes Gepräge zeigen. Die hier zu Tage tretenden Unterschiede betreffen die Gestalt, Grösse und Färbung des Falters. Das be- kannteste Beispiel eines derartigen Saison-Dimorphismus 52 Naturwissenschaftliche Wochensehrift. XIM. - Nr. 5. ist wohl das aus der Gattung Vanessa: Die aus über- winterten Puppen ausschlüpfende erste Generation des Gitterfalters (V. levana L.) ist im Allgemeinen braungelb gefärbt, mit schwarzen Flecken; die zweite Generation dagegen, die Sommerform (V. prorsa L.), ist durch ein von weissen Binden unterbrochenes Schwarz ausgezeichnet. Auf die zahlreichen, zur Erklärung des .Saison- dimorphismus unternommenen Experimente näher einzu- gehen, ist bei der Kürze des mir zugemessenen Raumes leider nicht möglich. Nur ein Experiment, dass in be- sonders anschaulicher Weise die Temperaturverhältnisse der Umgebung als Ursache charakteristischer‘ Um- gestaltungen erkennen und uns damit auch tiefer in das Verständniss des Saisondimorphismus im Allgemeinen ein- dringen lässt, sei hier angeführt: Wenn die Puppen des Schwalbenschwanzes (Papilio machaon L.), deren Raupen wir im Juni bei Zürich sammeln, einer constanten Einwirkung höherer Temperatur (37—38° C.) ausgesetzt werden, so entwickelt sich aus ihnen direet ein Falter, wie er im Juli bei Jerusalem fliegt. Was die weitgehenden deseendenztheoretischen, geo- graphischen und systematischen Schlussfolgerungen be- trifft, zu denen die Erscheinungen des Saison-Dimorphismus Veranlassung geben, so möge der Leser hier auf das Originalwerk von Standfuss verwiesen werden. Er wird das Buch gewiss nicht aus der Hand legen, ohne dauernde Anregung zu eigner Arbeit auf diesem an ästhetischen und intellektuellen Reizen so reichen Gebiete erhalten zu haben. L. S. Schultze. Die Entwiekelung des Aals war, obwohl sich be- deutende Gelehrte darum bemüht hatten, sie zu ent- hüllen, und obwohl sämmtliche europäische Küsten an- scheimend überreiches Material boten, bis vor kurzem un- bekannt geblieben. Da gelang es in den letzten Jahren den italienischen Zoologen Grassi und Calandruceio den undurchsichtigen Schleier zu lüften. Unterstützt von be- sonders günstigen Verhältnissen in der Strasse von Messina, wo die von den Alten als Seylla und Charybdis gefürchteten Wirbelströme regelmässig Tiefseeformen an die Oberfläche befördern und von einem wackern Fischer der Tietsee, dem Mondfisch oder schwimmenden Kopf (Orthagoriseus mola), erhielten sie zahlreiche Exemplare des sonst selten erbeuteten Leptocephalus brevirostris (s. Nr. 18, Bd. XII, S. 212 dieser Zeitschrift) und konnten durch Uebergangsstadien sowie durch Aufzucht im Aqua- Yium die Entwickelung des Aals durch Metamorphose aus Leptocephalus brevirostris beweisen. Ihr Erfolg wurde dureh Verleihung der goldenen Medaille von der Londoner Zoologischen Gesellschaft anerkannt. Nach ihrem neusten Berieht (Allgem. Fischereizeitung, Jahrg. XXI, Nr. 21 und 22) lässt sich nun der Lebenslauf des Aals folgender- maassen darstellen. Wie schon seit lange bekannt, wandern in der Zeit von October bis Januar alljährlich erwachsene, doch ge- schlechtlich noch unreife Aale flussabwärts ins Meer. Unter ihnen wurden seit 1750 nur Weibehen ‘gefunden, bis, fast 100 Jahre später, Syrski 1373 auch Männchen im Meere nachzuweisen vermochte. Während sieh dann in den Thieren Ovarien und Hoden weiter ausbilden, wandelt sich der Aal auch äusserlich um. : Er legt ein silbernes Hoehzeitskleid an, indem die gelbliche Farbe der Haut verschwindet. Dabei färbt sich die Brustflosse dunkler, und die Augen werden grösser (nach Petersen). Diese Silberaale verschwanden dann spurlos. Wie wir nun wissen, suchen sie grössere Meerestiefen auf, um dort ihre völlige Geschleehtsreife zu erreichen. Allerdings sind geschlechtsreife Aale bis jetzt nur aus der Strasse von Messina bekannt. Dort wurden Weibehen mit fast reifen Eiern und auch ein Männchen mit reifen Spermatozoen gefunden, die denen vom Conger ähnlich waren. Die Thiere zeichneten sich, abgesehen von der Silberfarbe, durch auffallend grosse Augen von 9—-10 mm Dutrch- messer und durch schwarzen Vorderrand der Kiemenöff- nung aus. Ausserdem entdeckte Dr. Raffaele sehon früher freischwimmende Eier von 2,7 mm Durchmesser ‘ohne Oeltropfen, die von September bis März auch nur spär- lieh an die Oberfläche gelangen. Aus ihnen entwiekelte sich ein Embryo, der nach Grassi aus anatomischen Gründen zu Leptocephalus brevirostris gehören muss. Demnach erfolgt die Ablage und Befruchtung der Eier frübestens im Juli oder August bei 13° C. in den Tiefen des Mittelmeeres. Aus diesen in grosser Tiefe schwe- benden Eiern entwickeln sich seitlich platt. gedrückte, wasserhelle und durchsichtige Fisehehen mit dunklen Augen, die in der Form einem Oleanderblatt- ähnlich sehen. Sie erreichen in dieser Gestalt 60-77 mm Länge und leben im Schlamm sich verkriechend am’ Grunde, Die Schwanzflosse ist wie bei jungen Aalen gebildet, der Unterkiefer springt wie- bei diesen zuweilen vor, ‘doch finden sieh verhältnissmässig grössere Augen und ab- weichende Bezahnung. Der Häufigkeit der Aale ent- sprechend treten sie dort in grossen Schaaren auf, da der Magen des Mondfisches regelmässig mit ihnen erfüllt ist und Grassi und Calandrucei im März 1895 mehrere Tausend Exemplare vom Seiroeco an den Strand beim Faro der Meerenge von Messina geworfen fanden. Aus diesen blattähnlichen Fischehen entwickelt sich nun in 1—2 Monaten der junge, eylindrische Aal, wie Aufzucht im Aquarium und Beobachtung von Uebergangs- stadien beweisen. Ganz allmählich wird der Körper des Thieres dieker, der Querschnitt weniger hoch, während die Larvenzähne ausfallen und After- und Rückenflosse sich durch Vorschieben nach vorn verlängern. Da die Thiere während der Umwandlung keine Nahrung zu sieh nehmen, verlieren sie an Umfang, sodass die Körperlänge des erwachsenen Leptocephalus von 60—77 mm bis auf 5l mm zurückgehen kann. Nachdem neue, definitive Zähne statt der ausgefallenen gebildet sind, nehmen die Jungen Aale wieder Nahrung auf und beginnen von Neuem zu wachsen. Sie halten sich dann noch einige Zeit lang im Meer*) und steigen in Frühjahr, etwa 1 Jahr alt, in die Flüsse hinauf, um dort weiter heranzuwachsen. Es fehlt nun noch der Nachweis des Leptocephalus brevirostris in den nordeuropäischen Meeren. Dr. Petersen, der erfahrene Leiter der dänischen biologischen Station in Frederikshavn, vermuthet, dass die Aale der Nordsee und Ostsee nach der tiefen Rinne bei Norwegen wandern, um zu laiehen und ist mit neu construirten Apparaten be- müht, dort ihre Larven zu suchen. Hoffentlich. gelingt es ihm, dieselben zu finden und so die letzten Zweifel an der Entdeckung der italienischen Gelehrten zu beseitigen. Vanhöffen. Ueber chemisch inactive Elemente. — Da die Rle- mente, Wasserstoff als Einheit ausgenommen, durchweg mit Kräften oder Valenzen wirken, die nicht ihren Atom- gewichten proportional sind, so zog ich“*) daraus auf Grund *) Bei der Nordseefahrt zur quantitativen Bestimmung der in der Nordsee treibenden Fischeier fingen Apstein und ich im März 1895 einen jungen, glashellen Aal mit dem Planktonnetz an einer als Silver Pit bekannten, tiefen Stelle der Nordsee, und im Winter wurden gelegentlich junge Aale (Montee) im Kieler Hafen in Klumpen von Miesmuscheln gefunden. Ra **) Das Parallelogramm der Kräfte als Grundlage des periodi- schen Systems in’der Chemie (Zürich, 1896, Verlag von E. Spvidel. Academ.-Polyteeh. Buehhandl.). — L. anorg. Ch. 14, 164 u. 374; 15, 281. — Diesv Zeitschrift Band XII, No. 9. XII. Nr. 5. des Satzes vom Parallelogramme der Kräfte den Schluss: 1. dass die Atome unter bestimmten Winkeln in Reaction treten, so dass die Valenz nur den Werth der Componente angiebt, die das Atom in die resultirende Verbindung in der Riehtung der Moleeularbewegung liefert; 2. dass die Valenz (v) eines Elementes gleich dem Atomgewichte («) mal dem cosinus des Winkels (p), unter dem das Atom in Verbindung tritt: v—AC08 p*). Dieser Winkel wird einerseits von der Richtung, in der das Atom innerhalb des Molecüls schwingt, ander- seits von der Richtung, in der das Moleecül selbst schwingt, gebildet. Für (N — 90° csy—0 v—a-.0=0 d. h. wenn ein Atom senkrecht zu den Molecular- bewegungen, die bei Gasen vorzüglich aus longitudinalen Schwingungen bestehen, also transversal schwingt, so hat es keine Valenz, somit auch keine Affinität und kann eo ipso keine chemischen Verbindungen eingehen. Meine Valenztheorie sagt also die Existenz von Ele- menten voraus, die keine chemischen Verbindungen ein- zugehen vermögen, weil ihre Atome vorzüglich transversale Sehwingungen ausführen. Dies trifft -thatsächlich zu, denn ein solches Element ist zweifelsohne der kosmische Aether, der, wie bekannt, keine chemischen Verbindungen eingeht und transversale Schwingungen ausführt. Ausser- dem sind in neuerer Zeit die chemisch inactiven Elemente Argon und Helium entdeckt worden. Wenn es bis jetzt trotz eifriger Bemühungen nicht gelungen ist, Argon und Heliuwut in chemische Verbindungen einzuführen, so wird nach meiner Valenztheorie der Grund darin liegen, dass ihre Atome vorzüglich transversale Schwingungen auszu- führen vermögen, die diese Elemente in nahe Beziehung zum kosmischen Aether bringen, vielleicht als Con- densationsproducte desselben, von verschiedenem Grade, erscheinen lassen. Es ist wichtig, dies festzustellen, denn weiss man ein- mal den Grund der Inactivität von Argon und Helium, so kann man auch eher die Mittel finden, um dieselben activ zu machen. Erfahrungsgemäss besitzen die Atome eines Elementes zu einander eine kleinere Affinität als zu anderen Atomen, worauf ja die grössere Affinität der Elemente in statu nascendi (im Entstehungszustande) beruht. Wenn also die Atome eines Elementes gar keine Affinität zu anderen Atomen zeigen, so können sie auch keine Affinität zu ein- ander besitzen. Daraus folgt, dass die imactiven Elemente einatomig sein müssen. Dies stimmt ebenfalls ‚mit Allem, was wir bis jetzt von Argon und Helium wissen. Dr. Joachim Sperber in: Zürich. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ordentliche Professor der Chemie in Berlin Dr. Emil Fischer zum Geh. Reg.-Rath; der Privatdocent der Irrenheilkunde in ZürichDr. Eugen Bleuler zum ordentlichen Pro- fessor; der ausserordentliche Professor der praktischen Geometrie an der technischen Hochschule in Lemberg Widt zum ordent- lichen Professor; der Lehrer der Anatomie in Oxford, Prof. Ray Lankester zum Professor der Physiologie an der „Royal Insti- tution“ in London; Miss Dr. Julia Snow zum Docenten der Botanik an der University of Michigan. Niedergelegt hat sein Amt: Der Professor der Physiologie an der „Royal Institution“ in London Waller. *) Dabei sind rechtwinklige Componenten vorausgesetzt, wie solche in der Natur sich häufig von selbst bilden. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 53 Es starben: Der Chemiker Dr. Eduard Wiederhold in Kassel; der Professor der Pädagogik Dr. Pfleiderer in Kron- thal bei Stuttgart; der Botaniker Jean Linden in Brüssel; der englische Mechaniker Joseph Warren Zambra. Die Regierung der Süd-Afrikanischen Republik hat in Pretoria eine geologische Landesaufnahme ins Leben gerufen und den Prof. Dr. G. A. F. Molengraaf mit der Aus- führung und Leitung derselben betraut. — Den gesetzlichen Bestimmungen ist zu entnehmen: Die Süd-Afrikanische Republik wird durch oder unter Führung des Staatsgeologen aufgenommen und die Resultate werden mittels Jahresberichten, Abhandlungen und Karten veröffentlicht werden. Mit der Landesaufnahme wird verbunden werden: a) ein öffentliches Museum von Mineralien und Gesteinen, in welchem die Süd-Afrikanischen Vorkommnisse eine besondere Berücksichtigung finden werden; b) ein Labo- ratorium, in welchem die Sammlungen wissenschaftlich bearbeitet werden; ce) eine Bibliothek von Fachlitteratur, in welcher die Speeiallitteratur und das Kartenmaterial über Süd-Afrika möglichst vollständig vertreten sein werden. Litteratur. H. Potonie, Die Metamorphose der Pflanzen im Lichte palaeon- tologischer Thatsachen. Nach einem Vortrag gehalten in Berlin am 8. October 1897 vor dem cultusministeriellen VII. natur- wissenschaftliehen Ferieneursus für Lehrer an höheren Schulen. Mit 14 Figuren. Berlin, Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung. 1898. — Preis 1 M. Das Heft bringt den Abdruck des den Lesern bereits bekannten in der „Naturw. Wochenschr.“ XII, No. 51, S. 608 ff. erschienenen Aufsatzes des Verfassers; nur einige wenige unwesentliche Zu- sätze werden in der Sonderausgabe beigegeben, ausserdem aber ein Vorwort, dem wir das Folgende entnehmen. „Der Gegenstand, den die folgenden Zeilen behandeln — heisst es — beschäftigt den Verfasser nunmehr, er kann wohl sagen, schon zwei Jahrzehnte. Als er im Jahre 1880 am Königl. botanischen Garten und Museum in Berlin eintrat, hatte der auf dem morphologischen Gebiet so hervorragend thätige und bezüg- lich der Einzelthatsachen dieser Diseiplin so ausgezeichnet be- wanderte A.W. Eichler die Direetion der genannten Institute inne. Die vorausgehende Berührung des Verfassers mit dem Vorgänger Eichlers, mit Alexander Braun, hat nicht minder dazu bei- getragen, die Gedanken auf den Versuch einer zeitgemässen Lösung der morphologischen Probleme zu lenken. Aufder Basis, auf der die beiden genannten Gelehrten standen, hat sich ein allseitig befrie- digendes System der botanischen Morphologie nicht errichten lassen, wie der Zerfall in mehrere morphologische Schulen, vor Allem die Abtrennung der Sachs-Goebel’schen von der Goethe-Braun- schen Schule gelehrt hat. In der That ist denn anch die Grund- lage der Goethe-Braun’schen Morphologie keineswegs eine ge- nügend exaete und klare, und die Anschauungen, die sie förderte, sind demgemäss widerspruchsvoll. In mündlichen Unterhaltungen hat der Verf. wiederholt darauf hingewiesen; gern erinnert er sich diesbezüglich der fast stets an die Frage nach der „Möglichkeit spitzenständiger Blätter“ anknüpfenden, kleinen Diseutationen, die sieb mit Eichler wiederholt entspannen. Eichler, dessen erste wissenschaftliche Arbeit sich mit der Entwiekelungsgeschichte des Blattes beschäftigt, war allerdings und psychologisch begreiflich nieht derart zu überzeugen, dass er nunmehr die Goethe- Braun’sche Betrachtungsweise aufgegeben hätte; aber es ist doch von besonderem Interesse, dass er immer wieder auf die Sache zurückkam: es bedurfte nur eines geringen Anlasses, um die Gedanken immer wieder auf die „Begriffsbestimmung des Blattes“ zu lenken, sodass wenigstens soviel hervorgeht, dass ihm durch die Opposition eine „Vitaldifferenz“ gesetzt worden war, die freilich einen definitiven Ausgleich bei ihm noch nicht ge- funden hat. Hierbei ist allerdings nicht zu vergessen, dass die Gewohnheit in einer bestimmten Richtung zu denken um so un- überwindlicher wird, je länger und intensiver diese Gewohnheit Besitz ergriffen hat. Und dann noch eins: damals vermochte ich wohl fundamentale Schwächen in der Behandlung der botanischen Morphologie zu erkennen, zu der Einsicht aber, wie nun das nothwendig werdende, neue System dieser Disciplin ungefähr aus- sehen müsste, war noch eine ziemliche Strecke, die für mich erst durch eine lange Beschäftigung mit Pflanzenpalaeontologie über- wunden wurde.“ Es .sei die Gelegenheit benutzt, an dieser Stelle einen die nothwendig werdende neue Terminologie betreffenden Zusatz zu machen. Ueber den Gegenstand hat P. in der Sitzung vom 21. Dee. 1897 der „Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin“ einen Vortrag gehalten, in deren Veröffentlichungen (Sitzungs- berichte $. 183 ff.) er, einem Vorschlag des Herrn Geh. R. Prof. Fr. Eilhard Schulze folgend den Ausdruck Trophosporosom einführt als morphologischen Terminus für den Körper derjenigen 54 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIH. Nr. 5. [u ZZ Pflanzen, bei denen eine Arbeitstheilung in ernährende und der Fortpflanzung dienende, besonders individualisirte Organe noch nieht stattgefunden hat; für die bisher vom Verf. gebrauchten Ausdrücke Assimilations- resp. Laub-Sporophyll wird — der Be- zeichnung Trophosporosom — entsprechend „Trophosporo- phyll“ eingeführt. Dr. 0. Warburg, Die Muskatnuss, ihre Geschichte, Botanik, Kultur, Handel und Verwerthung sowie ihre Verfälschung und Surrogate. Zugleich ein Beitrag zur Kulturgeschichte der Bauda-Inseln. Mit 3 Heliogravüren, 4 lithographischen Tafeln, 1 Karte und 12 Abbildungen im Text. 628 Seiten. Wilh. Engelmann, Leipzig 1897. — Preis 20 M. So erfreulich es ist, ein recht inhaltreiches Buch zur Hand zu nehmen, und je lieber sich ein Leser in ein Buch vertieft, und je weniger gern er es bei Seite legt, um so schwieriger ist es für einen Referenten, eine Besprechung zu liefern, die ihrem Zweck ent- spricht, einen Ueberblick zu geben über den Inhalt und den Werth einer Arbeit. Und so ist es hier. Wollte man auch nur den In- halt der einzelnen Kapitel mit kurzen Worten streifen, so ginge das bei weitem über den Rahmen einer Besprechung hinaus. Zum ersten Mal finden wir alles das zusammengestellt, was an Wissens- werthem über die Muskatnuss, d. h. über die als Muskatnüsse in den Handel gebrachten Arten der Gattung Myristica bisher be- kannt; geworden ist. In’jahrelanger Arbeit‘hat Verfasser alle ihm nur irgend zugänglichen Quellen ausgezogen und sogar die mühe- vollen und den meisten Naturwissenschaftlern fremden philologisch- historischen Studien nicht gescheut, um seinen Zweck so voll- kommen wie möglich zu erreichen, Verf. betrachtet es als höchst unwahrscheinlich, dass die Griechen und Römer die Muskatnuss gekannt haben, indem er nachweist, dass die bei den Schriftstellern des Alterthums vor- kommende, als Muskatnüsse gedeuteten Namen von Gewürzen entweder ganz andere Droguen bezeichneten oder gänzlich unauf- geklärt sind. In Asien scheinen die Chinesen die ersten Abnehmer der molukkischen Gewürze gewesen zu sein, die sie an vorder- oder hinterindischen Plätzen einhandelten, wie auch der Handel nach den Kulturstaaten des Mittelmeergebietes augenscheinlich bis Ende des Mittelalters von Vorderindien aus vermittelt worden ist. Ob im 6. Jahrhundert die Muskatnuss in Europa bekannt war, erscheint unsicher, im 9. war sie am Mittelmeer sicher schon weit bekannt, auch unterschied man damals schon richtig die Maeis (der Arillus des Samens), die harte Samenschale und den Kern der Nuss. Erst am Ende des 11. Jahrhunderts finden wir die Muskatnuss im Abendlande erwähnt In grosser Ausführlich- keit folgt die ganze Geschichte der Muskatnuss und der Ent- deekung und Bereisung ihrer Heimathinseln. Auch in der Poesie spielt die Muskatnuss bei ihrer Kostbarkeit eine grosse Rolle; zuerst im Pareival des Wolfram von Eschenbach im Anfang des 13. Jahrhunderts. Die historische Entwiekelung der Namen für die Maeis und die Muskatnuss bilden die Schlusskapitel dieses ersten, so hochinteressanten Absehnittes. — Im zweiten Abschnitt „Productionsgebiet der Muskatnüsse und Maeis“ folgt eine genaue Geschichte und Beschreibung der Bandainseln und ihrer Bevölke- rung als des Hauptproduetionsgebietes der Muskatnüsse. An der Hand der Geschichte des Landes wird die Art der Gewinnung und Ausfuhr und die mannigfachen Geschieke, die der Handel nit ‘der Muskatnuss und .der Maeis erlitten, geschildert und als Anhang/die Geschichte der Kulturen in den Tropen der alten und neuen Welt, mit Angabe ihrer Erfolge beschrieben und eine tabellarische Uebersicht der Gesammtproduction an Muskatnüssen und Macis gegeben. Mit grosser Exactheit ist der botanische Theil durchgeführt; in ihm wırd naturgemäss der Beschreibung der echten Muskatnuss (Myristica fragrans) der grösste Raum gewidmet, obgleich auch den übrigen Formen, die ebenfalls auf der beigegebenen Tafel ab- gebildet sind, in ausgiebiger Weise gedacht wird. Der IV. Ab- schnitt ist der Kultur der Muskatnuss gewidmet, der Boden und die klimatischen Bedingungen werden besprochen, dann das Leben des Baumes von der Anzucht bis zur Blüthe und Fruchtreife ver- folgt und schliesslich die bei der Ernte gebräuchlichen Manipula- tionen (durch einige Abbildungen von Geräthen erläutert), geschildert. Von dem Handel mit der Muskatnuss und der Maeis handelt der V. Abschnitt. .Die Handelssorten beider Objeete werden auf- geführt, die Handelswege nnd Handelscentren angegeben, und nachdem die Verfälschungen der Muskatnuss und Maeis und ihre Surrogate, sowie deren Herkunft und Abstammung (mit Abbil- dungen) besprochen worden sind, schliesst der Abschnitt mit einem Anhang über „Preistabellen der Muskatnüsse und Maeis“, in dem wir die Werthverhältnisse seit dem 12. Jahrhundert bis auf unsere Tage angegeben finden. VI. Unter den Nebenproducten der Muskatkultur, deren Handel und Geschichte nimmt die Muskat- butter, die meist aus zerbrochenen und wurmstichigen Nüssen her- gestellt wird, die erste Stelle ein, weiter das Muskatnuss- und das. Macisöl, von denen das letztere bei weitem das werthvollere ist, die candirten und in Essig oder Salz eingelegten Conserven. Grosses allgemeines Interesse beansprucht auch der VII. Abschnitt über die „Verwendung der Producte des Muskatnussbaumes“ als Aroma, als Arzneimittel und als Gewürz. Auch hier finden wir alle Nachrichten aus den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart über die Art der Anwendung der Muskatnüsse zusammengetragen. Zum Schluss VIII betrachtet der Verf. die „Aussichten der Mus- katkultur in der Zukunft“, die er im Ganzen als günstige ansieht, besonders für den Kleinbetrieb des einzelnen Bauern, und schliess- lich giebt Verf. ein umfangreiches Verzeichniss aller ihm bekannt gewordenen Arbeiten, Aufsätze und Notizen, in denen sich etwas irgendwie auf die Muskatnuss Bezügliches findet. Wir haben es bei dem vorliegenden Buch mit einer Mono- graphie im wahren Sinne des Wortes zu thun, in Verbindung mit der in den Abhandlungen der Carolinisch-Leopodinischen Akade- mieder Naturforscher erscheinenden, rein botanischen Monographie der Myristicaceen hat Verf. wirklich alles das zusammengestellt und kritisch gesichtet, was uns bisher über die Muskatnuss be- kannt geworden ist. Es ist das Werk nicht nur für den Fach- mann, sondern für jeden Gebildeten von hohem Interesse. Der Wunsch des Verf., dass seine Arbeit auch andere Autoren zu ähnlichen Unternehmungen anstacheln werden, wird kaum oft in Erfüllung gehen, da es den meisten zu schwierig scheinen wird, ein auf eine so grosse Zahl von gänzlich verschiedenen Gebieten mensehlichen Wissens hinüberspielendes Werk durchzuführen, P. Graebner. Auftreten und Bekämpfung von Rebenkrankheiten (mit Ausnahme der Reblaus) im Deutschen Reiche im Jahre 1896 vom Regierungsrath Dr. Moritz (K. Gesundheitsamt, 20 S.) — Diese höchst interessante Schrift enthält einen eingehenden Bericht über die dureh thierische*) und pflanzliche Schmarotzer, durch die Witterung und andere Einflüsse am Wein in Deutschland im vorigen Jahre beobachteten Schädigungen. Wir müssen uns hier darauf beschränken, aus dem reichen Inhalt der Arbeit einige Punkte von allgemeinerem Interesse kurz zu berühren. Die von Mitte Juli bis zum November 1896 andauernde Nässe und ver- hältnissmässige Kälte hat das Reifen der Trauben natürlich sehr geschädigt. Es fehlt den Beeren die erforderliche Süsse, auch trat vielfach starke Rohfäule der Beeren ein, die z. B. in Geisen- heim '/,, der Ernte vernichtete. Die Qualität des: 1896er Jahr- gangs dürfte überall (mit Ausnahme von Unterfranken) eine sehr geringe sein. Auch über Hagel und wolkenbruchartige Nieder- schläge wurde vielfach geklagt. Unter den thierischen Reben- schädlingen, von denen ‘der Bericht 16 aufzählt, dürfte der Heu- oder Sauerwurm (Conchylis ambiguella Hübn.) nach der Reblaus den grössten Schaden angerichtet haben. An der mittleren Mosel, besonders im Kreise Bernkastel, soll er an manchen Orten die Ernte um !/, bis !/, geschädigt haben. Die reifen Beeren wurden am Rhein noch vielfach durch Dachse, wilde Kaninchen, Rehe und Wespen gefressen. Unter den pflanzlichen Rebenschädlingen, deren 6 erwähnt werden, zeigten sich besonders schädlich der falsche Mehlthau (Peronospora viticola De By.) und der Mehl- thau oder Traubenschimmel (Oidium Tuckeri Berk.). Die Peronospora trat in allen Weinbaugebieten sehr heftig, theilweise verheerend auf. Nur die Weinberge, welche kurz vor der Blüthe und nochmals nach der, Blüthe mit Kupfervitriolkalkbrühe be- sprengt waren, zeigten noch im October üppiges grünes Laub und lieferten reiche Erträge. In einigen Bezirken am Rhein wurde das Bespritzen polizeilich zwangsweise angeordnet, eine nachahmenswerthe Massregel-e. In manchen Gegenden standen schon im September grosse Rebenbestände entlaubt und mit halb- welken Trauben da. Das Oidium richtete in der Rheinprovinz, in Rheinhessen, der bairischen Pfalz ete. grossen Schaden an. Das dagegen angewendete Bestäuben der Reben mit gepulvertem Schwefel wurde durch den anhaltenden Regen sehr erschwert, oft selbst unwirksam gemacht, theilweise auch zu spät vorgenommen Von sonstigen Krankheiten wäre etwa noch die Gelbsucht, die an der Obermosel und in Württemberg auftrat zu nennen. R. Beyer. Dr. Siegmund Günther, ordentlicher Professor an der technischen Hochschule in München, Handbuch der Geophysik. Zweite, gänzlich umgeärbeitete Auflage. Erster Band. Mit 157 Ab- bildungen. Stuttgart, Ferdinand Enke 1897. — Preis 15 Mark. Das rühmlichst bekannte Werk, dessen erste Auflage 1884 erschien, ist nunmehr, völlig umgearbeitet und auf den neuesten Stand der Forschung gebracht, zur zweiten Auflage gediehen. Der Titel „Lehrbuch der Geophysik“ ist in dem passenderen „Handbuch der Geophysik“ geändert worden. Der zweite Band soll in ungefähr einem Jahre dem ersten nachfolgen. Von anderen ähnlichen Werken unterscheidet sich das vor- liegende dadurch, dass es unter Umständen sich eingehend auf *) Ausgeschlossen ist nur die Besprechung der Reblaus, über welche eine besondere Denksehrift ausgegeben wurde. Vgl. Natur- wissenschaftliche Wochenschrift XII, Nr. 51, S. 618, 619. XIII. Nr. 5. mathematische Deductionen einlässt, wenngleich diese keineswegs etwa einen so breiten Raum einnehmen, dass die populäre Dar- stellung darunter litte. Das schöne Werk sei hiermit angelegentlichst empfohlen. Entomologisches Jahrbuch für das Jahr 1898. VII. Jahrgang- Kalender für alle Inseeten-Sammler auf das Jahr 1898. Heraus- gegeben unter gütiger Mitwirkung hervorragender Entomologen von Dr. Oskar Kraucher, Realschul-Oberlehrer und Director der Buchdrueker-Lehranstalt in Leipzig. — Leipzig, Verlag von Frankenstein u. Wagner, 1897. 12°, 256 S. mit Textfiguren und einer bunten Tafel. — Preis 1,60 Mark. Der neue Band des Entomologischen Jahrbuchs entspricht ganz den Erwartungen, die wir auf Grund der früheren Jahrgänge hegen konnten. Die Einleitung bildet einen schwungvollen, in gebundener Form abgefassten Frühlingsgruss aller Entomologen von Max Fingerling. In Begleitung des gewöhnlichen Ka- lenders des bürgerlichen Jahres, dem sich die gebräuchlichen Ka- lenderbeigaben anschliessen, finden sich-für jeden Monat Hinweise auf die Insectenerscheinungen des betreffenden Monats angegeben („Monatliche Anweisungen für Sammler“); hierbei sind allerdings nvr die Schmetterlinge berücksichtigt. Den Schmetterlingssammlern ist damit gewiss sehr gedient; Sammler anderer Insecten sind aber benachtheiligt. Den grösseren Theil des Bandes nehmen kleinere Abhand- lungen Se Inhalts ein, z. B. ein Sammelausflug nach Sehillingsfürst; Betrachtungen über Gespinste anfertigende In- seeten, von Prof. Dr. Rudow; — Das Fahrrad im Dienste der Entomologie, von Ernst Füge; — Massenhaftes Erscheinen einiger Insectenarten, von Prof. Dr. Rudow; — Die Biene als Koch und Konsument, von P. Schönfeld; — Welches sind die schönsten Thiere? Von J. Stephan; — Tonerzeugende Schmetterlinge, Puppen und Raupen, von A. Voelschow; — Varietäten und Aberrationen in der Gattung Vanessa, von P. Speiser: — Ueber Varietäten der Tagfalter, von Th. Voss; — Cardamines, Gedicht von M. Fingerling; — Nachtfang der Sphingiden auf Blumen, von A H. Fassl; — Bombyeidae und Endromidae der Umgegend von Chemnitz und ihre Entwickelungs- geschichte von Prof. Dr. Papst; — Lasiocampa populifolia var. aestiva, von Wilh. Kunkel; — Caradrina ambigua, von P. Kuhlmann; — Boarmia einetaria-Varietät, von J. Fuhr; — Sammelberichte aus dem Jahre 1896, von R. Tietzmann; — Der erste Sammeltag im Jahre 1897 (Käfer), von R. L.; — Ueber die Larve von Chips typhoeus, von M. Thiem; — Plauderei eines Käfersammlers der Wesergegend, von Dr. Alisch; — Die Sing-Cikaden, von Dr. L. Melichar; — Wichtige. Er- scheinungen auf dem entomologischen Büchermarkte, von Dr. O0. Kraucher. Wie man sieht, weist der Inhalt des Jahrbuches einen ziem- lichen Reichthum an mancherlei Gesichtspunkten auf, denen allein schon weitere Verbreitung unter den Entomologen zu gönnen ist. Das Jahrbuch wirkt nicht ‘nur belehrend, sondern auch unterhaltend und erfreut zugleich durch die eingestreuten poetischen Ergüsse (S. VII, 1, 7, 9, 29, 45, 119, 145, 157, 164, 195, 221) von Max Fingerling, Gustav de Rossi u. a. Herz und Gemüth. Sinnige Naturbeobachtungen finden sich neben Sammelberichten; fachwissenschaftliche Fragen werden neben po- pulären behandelt. An die Abhandlungen schliessen sich Berichte über Ento- mologische Vereine Deutschlands, Oesterreich - Ungarns, der Schweiz und Schwedens. Eine „Todtenschau“ gedenkt der heim- gegangenen Entomologen des Jahres 1897. Den Schluss bildet eine Fortsetzung des Verzeichnisses der Entomologen Europas. Bei der Durchsicht ‘des Büchleins fällt der Mangel an Mit- theilungen über praktische Behandlung der gesammelten Insecten, Anweisungen zum Sammeln und andere einschlagende Fragen auf, womit jüngeren Insectenfreunden sicher gedient wäre. Und noch einem Wunsehe möchte der Herausgeber vielleicht willfahren: Beifügung leerer Blätter für alle Tage des Jahres; denn die Inseetensammler benutzen gern einen für alle Tage des Jahres berechneten Notizkalender, um entomologische Eintragungen verschiedenster Art zu machen. Diesem Bedürfniss ist im Ento- mologischen Jahrbuch nicht genügt. Die Zahl der Abnehmer desselben würde sich wahrscheinlich vergrössern, wenn dem. be- resten Wunsch Rechnung getragen würde. H. J. Kolbe. Naturwissenschaftliche.’Wochenschrift. ——6eeeeeeeeeeeeeeee nn 55 Gut Licht! Jahrbuch und Almanach für Photographen und ‚ Kunstliebhaber. Herausgegeben von Hermann Schnauss. ı 3. Jahrgang. Dresden-A. Verlag des „Apollo“ 1898. — Preis geb. 1,50 .M. | Das trotz seiner gediegenen Ausstattung und seines Umfanges von 146 S.° sowohl wie mehrerer hübscher Kunstbeilagen, wie sie - in photographischen Veröffentlichungen vorliegender Art üblich ge- worden sind, recht billige Buch — freilich „von den Inseraten kommt der fette Braten“ — ist sehr zweckmässig zusammen- estellt. Es bietet, abgesehen von dem--unvermeidlichen Ka- endern, Gedanken und Aussprüchen über die Photographie, eine Sammlung praktischer Vorschriften für den: täglichen Gebrauch, Annalen und Chronik der Photographie 1897, einen Kalender der Ausstellungen und Preisausschreiben für 1898, Beschreibungen von Neuheiten und Litteratur. Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, gegründet von Richard Avenarius, herausgegeben von Fr. Carstanjen und OÖ. Krebs. XXI. Jahrgang. Heft I. O.R. Reisland in Leipzig. : 1898. — Preis 3 Mark. Nir machen ausnahmsweise, ohne den fertigen Band abzu- warten, in vorliegendem Falle schon auf das 1. Heft aufmerksam, weil bei der uns mehrfach aus den Leserkreisen kund ge- wordenen Neigung nach naturwissenschaftlich-philosophischen Schriften, sagen wir getrost nach Naturphilosophie, hier Gelegen- heit ist, auf eine Abhandlung aufmerksam zu machen, die solchen Bedürfnissen sehr gelegen kommen dürfte. Rs ist die Abhand- lung des Herrn Fr. ‚Carstanjen „Der Empiriokritieismus, zu- gleich eine Erwiderung auf W. Wundt’s Aufsätze „„Der naive und kritische Realismus““, von der in dem Heft ein „Erster Ar- tikel“ (S. 45—95) erschienen ist. Carstanjen hat früher eine Schrift veröffentlicht: „Richard Avenarius” Biomechanische Grund- legung der neuen allgemeinen Erkenntnisstheorie, eine Einführung in die „„Kritik der reinen Erfahrung““, die den Versuch macht, in die dem jetzigen philosophischen Denken immer noch fern liegende, auf naturwissenschaftlicher Basis stehende. Philosophie von R. Ayenarius einzuführen; der gegenwärtige Artikel, der mit grosser Geschicklichkeit und Sachkenntniss die Wundt’schen Aus- einandersetzungen kritisirt, ist nun als allgemein-verständliche Ein- führung in die Philosophie von Avenarius ganz besonders geeignet. Ueberhaupt sei ausdrücklich die Vierteljahrsschrift nochmals Den- jenigen wärmstens empfohlen, die es sich angelegen sein lassen, über ihre Speeialität hinaus das Allgemeine nicht aus dem Auge zu ‘verlieren. y" 3 Altum, Geh. Reg.-R., Forstakad.-Prof. Dr. Bernard, Der Vogel und sein Leben. Münster. — 4,20 M. Brenner, Dir. Leo, Spaziergänge durch das Himmelszelt. Leipzig. = 6,50 M. Christ, Dr. H., Die Farnkräuter der Erde. Jena. — 12 M. Fischer, Dr. L., Katalog der Vögel Badens. Karlsruhe.-— 4 M. Fricke, Prof. Dr. Rob., Hauptsätze der Differential- und Integral- Rechnung, als Leitfaden zum Gebrauch bei Vorlesungen zu- sammengestellt. 3. (Schluss.-)Thl. Braunschweig. — 1.M. Haeckel, Prof. Ernst, Natürliche Schöpfungsgeschichte. Gemein- verständliche wissenschaftliche Vorträge über die Entwickelungs- Lehre im Allgemeinen und diejenige von Darwin, Goethe und Lamarck im Besonderen. Berlin. — 16,50 M. :' Klein, Dr. Herm. J., Astronomische Abende. Leipzig. — 6,50 M Messtischblätter des preussischen Staates. 1655. Hebelermeer. — 1875. Bramsche. — 1945. Österkappeln. — 2009. Tecklenburg. — 2012. Schledehausen. — 2077. Ladbergen.. — 2078. Lengerich, ıln Westfalen.) — 2079. Iburg. — 2080. Borgholzhausen. — 2081. — Neuenkirchen. (Kr. ‘Melle.) — 2138. Vreden. — 2139. Öttenstein. (In Westfalen.) — 2141. Horstmar,. — 2142. Alten- berge. — 2145. Ostbevern. — 2147. Bockhorst. — 2148. Halle. (In Westfalen.) — 2209. Stadtlohn. — 2210. Koesfeld. (West.) — 2216. Sassenberg. — 2285. Buldern. — 2288. Enniger. — 2290. Wiedenbrück. — 2362. Ahlen. — 2435. Rhynern. — 2509. Soest. — 2510. Anröchte. Berlin. — A 1M. Romanes, George John, Darwin und nach Darwin. — 8,80 M. Rudolf. Dr. H., Die Constitution der Materie und der Zusammen- hang zwischen ponderabler und imponderabler Materie. Berlin. —'IM. Turner, A., Das Problem der Krystallisation. Leipzig. — 10 M. Leipzig. Inhalt: 69. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braunschweig. — Ueber das Vorkommen einiger „seltener“ Entomostraken in der Provinz Brandenburg. — Experimentelle Untersuchungen an einheimischen Grossschmetterlingen. — Die Entwiekelung des Aals. — Ueber chemisch inaetive Elemente. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: H. Potonie, Die Metamorphose der Pflanzen im Lichte palaeontologischer Thatsachen. — Dr. O0. Warburg, Die Muskatnuss, ihre Geschichte, Botanik, Kultur, Handel und Verwerthung sowie ihre Verfälschung und Surrogate. Zugleich ein Beitrag zur Kulturgeschiehte der Bauda-Inseln. — Auftreten und: Bekämpfung von Rebenkrankheiten (mit Ausnahme der Reblaus) im Deutschen Reiche im Jahre 1896. — Dr. Siegmund Günther, Handbuch der’Geophysik. — Entomologisches Jahrbuch für das ' Jahr 1898. — Gut’ Licht! — Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie. — Liste. Jr er) Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIll. Nr. 5 © Gewinnbetheiligung ! B gung! Wasserstoff 3 HE Bedentender Rabatt! Sauerstoff. =I% [E72 Peer we rare au) . 28 KR Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. =|> Neues Poinzih für als Massenbetheiligung 2 u an industriellen S0000000029000000000000000 0000701 E09 RE 085 Internationaler Verein 5 zur rationellen Verwerthung En ® a : Dr. Robert Muencke 5 Eingetr. Genossenschaft m. b. H., Berlin. ntheile . 10. ° £ s + Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, participirt am Reingewinn und er- > LuiSenste, 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. . hält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabricirten Artikel. |® Technisches.Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate & Der- Prospekte durch den Vorstand. ® und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. ® Gebrauchte Gasmotoren DAM PF- und DYNAMO- MASCHINEN garantirt betriebsfähig in allen Grössen 'sotlort lieierbar. Elektromotor,s.n.v.». Schibauerdamnı 21 Berlin NW. PATENTBUREAU Ulrich R. Maerz Jnh: C.Schmidtlein,Jngenieur Berlin NW., Luisenstr. 22. Gegründet 1878. Patent- Marken -u. Musterschutz Paul Wächter Berlin - Friedenau empfiehlt als Spezia- litäten seine Mikroskope ° photogr.Ohjektive Am Preislisten gratis ä und franko. Otto Toepfer Werkstatt für wisssenschaft- liche Instrumente. Potsdam. * Gegr. 1873. * Specialgebiet: „Astrophysik“ (Astrophotometrie, Astrospectroskopie, Astrophotographie). Fernrohre bis 5* fr. Oeffn. azimuthal u. parallaktisch mon- tirt. (Mit und ohne Uhrwerk.) — Ocu- lar-, Nebel-, Stern-, Protuberanz-Spec- troskope. — Spec- tralapparate und Spectrometer für wissenschaftliche, technische u. Schul- zwecke. — Stern- spectrographen nach Prof. H. C. Vogel.— Heliographen ver- schiedener Art. — Spectroheliogra- phen nach Hale. — Heliostate bewähr- ter Construction. — Keilphotometer mit Registrireinrich- tung. — Astropho- tometer nach Zöll- tometer div. Üon- struction. He- lioskop-Oculare. — Astronom. Hülfsin- strumente jeder Art. — Schraubenmikro- meterwerke. — Ocu- lare, Lupen, Pris- men. Optische Bänke. — Photogr. Apparate zur Re- propuction astron. Objecte. — Neutral- gläser mit und ohne Fassung. — Sensito- meter und Iconometer für photogr. Be- darf. — Lupenapparate und kleine Mi- kroskope für botanische und entomolo- gische Studien. — Projeetionsapparaäte. Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur "Ausstellung Berlin. Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Gameras. Für 12 Platten. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. | Photo:rarhische Stativ-Jund Hand- 5” Sämmtliche Bedarfsartikel. 3% Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera ‚„Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). Gediegene Ausstattung. Ohne Beutel! ner. — Spectralpho- | = DS TS ST ST ST I TS 7 TTS TI TS SIT Tr Tr 2 22T 27 Franz Bartels, Patent-u. technisches Bureau, Berlin SW., Yorkstr. 19! Billig, sorgfältig, schnell. Reelle Bedienung. Gans & Goldschmidt, Berlin N., Auguststr. 26. Elektrotechnische Anstalt und mechanische Werkstätten. Spezialität: Elektr. Messinstrumente, Normal-Elemente, Normal- und Praeci- sionswiderstände, nach den Modellen der Physikal. Techn. Reichsanstalt.— Normal- Volt- und Amperemeter, Spiegelgalvano- meter, Physikalische Lehrmittelapparate. Einrichtung von Laboratorien. "! iR I, N N ) Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. In unserm Verlage erschien: Elementare Rechnungen aus der mathematischen Geographie für Freunde der Astronomie in ausgewählten Kapiteln gemeinverständlich begründet und vorgeführt von ©. Weidefeld, Oberrossarzt a.D. bewährter Construction: Mit einer Figurentafel. Preis 2 Mark. 64 Seiten gr. 8°. R. Fuess, Mechanisch- optische Werkstätten, an Steglitz bei Berlin, empfiehlt die in nebenstehender Figur abgebildete und patentrechtlich geschützte einfache photo- graphische Camera zum Aufsetzen auf den Tubus jeden beliebigen Mikroskopes. Die Camera wird für Plattenformate von 7x7 cm bis zu 9x12 cm geliefert. — Gewicht der Camera (für 7><7) mit ge- füllter Doppelcassette ca. 160 Gramm. — Beschreibung und ausführliche Preisliste, " auch über die erforderlichen photographischen Utensilien, gratis und franco. Ferner stehen auf Wunsch Cataloge über: Spectrometer, Gonio- meter, Heliostaten, Polarisationsapparate, Mikro- skope für krystallographische und physikalische Untersuchungen (Hauptcatalog 1891 nebst Er- gänzungen 1894 und 1895), Projectionsapparate, Schneide- und Schleifmaschinen für Mineralien; Instrumente für Meteorologie, wie: Barometer, Ther- mometer und registrirende Apparate etc. etc., gratis und franco zur Verfügung. Hierzu eine Beilage der Verlagsbuchhandlung Eduard Heinrich Mayer in Leipzig betr. „Brenner, Spazier- gänge durch das Himmelszelt‘‘, die wir besonderer Beachtung empfehlen. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Hugo Bernstein in Berlin. -- Verlag: Henr Potonie, Gr, Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: erd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. bester und ER x Redaktion: Sn => = en Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. Was die naturwissens N Forschung -ufgiebt an weltum- 4 fassenden Ideen und an locken- den Gebil‘en der Phantasıe, wırd ihr reichlich ersetzt durch den R Zauber der Wirklichke t, derihre gW Schöpfungen schmückt. Se dener, Dr. H. Potonie. XII. Band. Sonntag, den 6. Februar 1898. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Bringegeld bei der Post 15 „3 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— € Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 „3. Grössere Aufträge ent- ? sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Die Fermentwirkung in ihrer Beziehung zum Organismus. Von Dr. med. Carl Scherk in Bad Homburg. Das Studium der fermentativen Processe ausserhalb und innerhalb des Organismus war bis in die neueste Zeit hinein keineswegs von Erfolg gekrönt. Ueberall trat das Gefühl der Unzuverlässigkeit bei den Untersuchungs- resultaten vor Augen. Es fehlte uns die Basis, — auf schwankendem Boden war der Autbau nicht auszu- führen! — Dureh die epochemachenden Entdeckungen der Ge- brüder Hans und Eduard Buchner, welche exact nachge- wiesen haben, dass durch frisch ausgepressten Hefe- zellensaft eine echte alkoholische Gährung erzeugt werden kann, hat sich der Situationsplan bedeutend zu unseren Gunsten verändert. — Heutzutage können wir, in Folge der Buchner’schen Forschungen, die vitalistische Theorie von der Tages- ordnung getrost streichen und es ist damit zugleich ein Hauptunterschied, wie derselbe zwischen geformten und ungeformten Fermenten in ihrer Wirkungsweise fest- gehalten wurde, vollkommen auszuschalten. — — „Ein organisirtes Ferment ist ein solches, welches die lebende Zelle während des Vorganges der Gährung nicht verlässt. Ein nicht organisirtes Ferment (Enzym) wird da- gegen von den Zellen ausgeschieden und übt dann erst seine speeifische Wirkung aus.“ — Diese Differenz in der Wirkungsweise wird in den neuesten Lehrbüchern noch mit vorstehenden Worten ge- kennzeichnet und Halliburton fügt ahnungsvoll hinzu: „Wahrscheinlieh ist die chemische Natur des Fer- mentes in beiden Fällen nahezu dieselbe.“ Derselbe hebt ausserdem hervor (Chem. Physiologie und Pathologie 1893, S. 162): „Wenn es bis jetzt noch nieht gelungen ist, lösliche Fermente da nachzuweisen, wo ihre Existenz geleugnet wird, so ist das noch kein Beweis dafür, dass es nicht in Zukunft gelingen wird.“ — Die eminente Bedeutung der Buchner’schen Forschungs- resultate tritt uns, nach diesen Ausführungen des be- kannten englischen Physiologen, in hellem Liehte ent- gegen und wir müssen anerkennen, dass wir auf Grund der Buchner’schen Entdeekung der Lehre der Ferment- wirkung eine Basis darbieten können, auf welcher wir getrost weiterbauen dürfen. Wir können den Begriff eines Fermentes resp. Enzyms nach den jüngsten Forschungen dahin präeisiren, dass wir dasselbe als katabolisches Zellenproduct an- sprechen. Dasselbe kann das Resultat des animalischen oder vegetabilischen Zellenchemismus darstellen. In allen Fällen haben wir mit einer eiweisshaltigen Flüssigkeit zu rechnen, welche sich durch Beimengung verschiedener sogenannter anorganischer Grundstoffe kennzeichnet. So weist bekanntlich die Hefezelle einen hohen Phosphorgehalt auf, die Derivate des phosphorhaltigen Zellkernnuclein, wie dieselben im fermentativen Product der Hefezellen vertreten sind, werden demnach auch im Fermente diese eigenthümliche, anorganische Beimengung documentiren. Von welcher Bedeutung dieselbe für die Wirkungs- weise ist, kann jeder Bierbrauer bestätigen. Durch Zusatz von Phosphaten wird anerkannter- maassen der Brauact befördert. — Im Gegensatz zu den phosphorhaltigen Nucleinen charakterisiren sich die Albumine durch Schwefelgehalt, wir finden denselben beispielsweise im Speichelseeret als Rhodankalium in den albuminosen Derivaten vertreten. Das. Produet der Thyroideazellen und der Zirbel- drüse kennzeichnen sich durch ihre Jodverbindungen. Das Pepsin des Magensaftes ist nur in Vereinigung mit Salz- säure wirksam, hier treten uns die Chlorverbindungen in ihrer specifischen Bedeutung klar vor Augen. Der Panereassaft weist einen hohen Gehalt von | Natrium auf, kurz die verschiedensten Elemente sind mit 58 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. AT. NINE: den eiweissartigen Substanzen der Fermente und Enzyme Durch diese Umwandlung werden die zu veı- verbunden und die specielle Function derselben werden wir näher zu beleuchten haben, wenn wir uns die fer- mentative Wirkungsweise erklären wollen. — Es besteht aber noch eine andere Analogie zwischen der Wirkungsweise der geformten und der ungeformten Fermente. Sowohl die Hefezelle ist im Stande, ver- schiedene Fermente zu produeiren, wie auch die organischen Zellen befähigt sind, verschiedene Enzyme zu liefern. — Die Hefezelle ist im Stande ein Ferment zu pro- dueiren, welches eine alkoholische Gährung erzeugt, sie liefert aber auch ein invertirendes Ferment, und, wie M. Hahn neuerdings constatirt, ein peptonisirendes Ferment. Die Aehnlichkeit mit der Wirkungsweise bestimmter animalischer Drüsenzellen, so namentlich der Bauch- speicheldrüse, tritt hier zu Tage, denn die Pancreaszellen liefern neben dem amylolytischen Enzym bekanntlich ein sogenanntes proteolytisches und ein steatolytisches Enzym. Immerhin werden wir zu dem Resultat kommen, dass der Unterschied zwischen geformter und ungeformter Fermentwirkung, also zwischen organisirter Ferment- wirkung und Enzymwirkung, wie derselbe noch von vielen Forschern festgehalten wird, fallen zu lassen ist. Wir können, nach meiner Ansicht, in beiden Fällen getrost von einer „fermentativen Wirkung“ sprechen. — Wenn wir andererseits die Factoren auf die Wag- schale legen, welche bei den fermentativen Processen zu berücksichtigen sind, so kommen neben der differenten Zusammensetzung der Eiweissderivate, welche durch die Beimischungen der sogenannten anorganischen Elemente bedingt ist, Flüssigkeitsmenge, Temperatur und Reactions- verhältnisse in Betracht. Andererseits ist die Zusammen- setzung der passiven Substanz, welche sozusagen durch die Fermentwirkung verarbeitet werden soll, von grosser Bedeutung, wenn die Fermentwirkung von Erfolg be- gleitet sein soll. Die differente Configuration der Molecüle einer Sub- stanz, welche der Fermentwirkung ausgesetzt wird, ist selbstverständlich für die Beurtheilung der Wirkung eines Fermentes von eben so grossem Einfluss, als die Be- schaffenheit des Fermentes selbst. Wie ein Schlüssel zum Schloss passen muss, so kann eine Fermentwirkung, nach Emil Fischers Vergleich, nur von Erfolg sein, wenn dem speeifischen Fermente auch wirklich von der zu zersetzenden passiven Substanz aus Angriffspunkte geboten werden. Namentlich ist der Fall von Bedeutung, wo es sich nicht nur um eine Spaltung, sondern um eine Oxy- dation, als Schlussaet des fermentativen Processes handelt. — Es wird z. B. das Verhältniss der Wasser- stoffmoleeüle in seiner eigenthümlichen Gruppirung den Kohlenstoffmoleeülen gegenüber zu. berücksichtigen sein, die Uebertragung des frei gewordenen Sauerstoffs auf Kohlenstoff und die Vereinigung des frei gewordenen Sauerstoffs mit naseirendem Wasserstoff wird von der grössten Bedeutung sein, da sie CO, und Wasser, bekannt- lieh die Endpunkte jeden Verbrennungsprocesses liefern. Immerhin dürfen wir die Lösung, Spaltung und In- vertirung bestimmter Substanzen durch Fermentwirkung nicht mit dem Schlussact des Processes der Oxydation in einem Tiegel verarbeiten. Zweifellos findet bei jeder Lösung, Spaltung und Invertirung eine Wasseraufnahme zunächst statt. Diese Hydrolyse tritt uns nicht nur bei der Lösung der Eiweiss- körper entgegen, sondern auch bei der Invertirung des Rohrzuckers in Trauben und Fruchtzucker findet be- kanntlich eine Wasseraufnahme statt. Auch die Fette werden durch Fermente, welche hydrolytische Spaltungen hervorrufen, in Glycerin und Fettsäuren gespalten. — arbeitenden Substanzen oxydationsfähig gemacht, denn es findet, nach Hoppe-Seylers Ausführungen bei der milch- sauren und alkoholischen Gährung ete. ein Freiwerden von Wasserstoff statt. Das Wasser wird demnach durch die Fermentwirkung in seine Dissociationsproducte, d. h. in freie Wasserstoff- und Sauerstoff-Jonen zersetzt werden. Der frei gewordene Sauerstoff wird jede oxydations- fähige Substanz oxydiren. Trifft andererseits der naseirende Wasserstoff nicht mit freiem Sauerstoff zu- sammen, so nimmt er den Sauerstoff von den organischen Substanzen, d. h. er redueirt dieselben. Die Uebertragung des frei gewordenen Sauerstoffs auf Kohlenstoff wird durch die sogenannten anorganischen Beimengungen, welche im Ferment vertreten sind, be- deutend befördert werden. — In derselben Weise, wie der Eisengehalt des Haemo- globins der rothen Blutzellen die Function zu erfüllen hat, den durch die Lungenbläschen aus der Atmosphäre ab- sorbirten Sauerstoff auf die anderen Gewebszellen zu übertragen und dadurch die intraorganen Oxydations- processe zu befördern, so werden auch die sogenannten anorganischen Verbindungen, welche in den Fermenten vertreten sind, denselben Zwecken dienen. Auch die Reactionsverhältnisse des Mediums werden zweifellos durch die metallischen und metalloiden Grundstoffe, welehe im Ferment enthalten sind, modifieirt werden. Es ist bekannt, dass beispielsweise die Pancereas- enzyme nur im alkoholischen Medium wirksam sind, da- mit correspondirt auch der hohe Gehalt von Natrium- verbindungen, welche im Pancreassaft enthalten sind. Andererseits reagirt die alkoholische, weinsaure, kurz gesagt, jede echte Gährung sauer. Geht die Gährung in Fäulniss über, so tritt eine alkalische Reaction ein und anderen Mikrobien wird eine Nährflüssigkeit zur Colo- nisirung geboten, welche sich in ihrer alkalischen Reaction dem Gedeihen und Sprossen der Fäulnisspilze anpasst. — Diese Verhältnisse treten uns klar und deutlich bei Verlauf der harnsauren Gähruug vor Augen. — Sobald die Gährung in das Fäulnissstadium übergeht, also eine alkolische Reaction hervortritt, ist der Miero- coceus ureae nachzuweisen. Derselbe wird dagegen in einer sauer reagirenden Flüssigkeit nicht gedeihen. — Der Unterschied zwischen einem Gährungs- und Fäulnissprocess ist aber nicht nur in der Reactions- ditferenz zu suchen, sondern verschiedene Momente kommen bei diesen fermentativen Processen noch in Betracht, welche für den Verlauf bedeutungsvoll sind. In beiden Fällen werden wir allerdings mit Wasser- aufnahme und Wasserzersetzung zu rechnen haben. — Bei der Gährung wird indess die Sauerstoff- übertragungin den Vordergrund treten, CO, und Wasser werden die Verbrennungsresultate bilden, bei der Fäulniss wird dagegen die Vereinigung des Wasserstoffs mit anderen Elementen dem Vorgange sein charakteristisches Gepräge verleihen. Derselbe wird sich nicht nur mit dem Stickstoff der Eiweissubstanzen zu Ammoniak, mit dem Kohlenstoff zu Sumpfgas, mit dem Sauerstoff zu Wasser, sondern auch mit dem Sebwefelgehalt der Albumine und Albumosen zu Sehwefelwasserstoff und zu anderen übel- riechenden Gasen verbinden. — Ziehen wir in Erwägung, dass die Fäulnissvorgänge im lebenden Organismus unter normalen Verhältnissen nur im Intestinaltraetus beobachtet werden und das Material, welches in diesen Process hineingezogen wird, dennoch zum Aufbau der lebenden Zelle Verwendung findet, so werden wir bei der Deutung der fermentätiven Vorgänge | verschiedene Factoren zu berücksichtigen haben, wenn XI. Nr. 6. wir uns die Abwickelung der Gährungs- und Fäulniss- processe im lebenden Organismus klar legen wollen. — Dass dieselben nicht in derselben Weise, wie im Reagenzglase verlaufen, ist bei den complicirten Factoren, welehe im organischen Haushalte zu berücksichtigen sind, nieht zu bestreiten. — Zweifellos bleibt z. B. die Annahme, ob im Orga- nismus überhaupt eine alkoholische Gährung stattfindet. Wir wissen, dass im Organismus die Endresultate der Oxydation von Glykosen aus CO, und Wasser bestehen, während die Hefezelle bekanntlich CO, und Alkohol als Verbrennungsproduct liefert. Die Acten dieser interessanten Frage sind allerdings noch nicht geschlossen, und es wäre nicht unmöglich, dass auch im Organismus der Alkohol eine Zwischenstufe bei der Verbrennung der Glykosen darstellt, um dann sofort wieder CO, und Wasser, als Schlussresultat des Oxydationsprocesses zu liefern. — Wurden doch von Rajewsky (Pflügers Arch. XI., 122) zweifellos kleine Mengen von Aethyl-Alkohol in den frischen Muskeln der Kaninchen, Ochsen und Pferde auf- gefunden. Ausserdem sind diese Untersuchungen durch Bechamps Forschungen bestätigt. — Immerhin ist zu erwägen, dass wir im Zellenleben mit normalen chemischen Affinitätsgesetzen zu rechnen haben, welche allerdings durch osmotische Strömungen und differente Permeabilität der Membranen moditieirt werden. Andererseits weisen bestimmte pathologische Ver- hältnisse uns deutlich auf die Abwickelung der fermenta- tiven Processe hin, und wir erkennen aus der Bildung der unfertigen Produete, dass eine bedeutende Analogie mit den fermentativen Vorgängen im Reagenzglase vorhanden sein muss. — So wissen wir beispielsweise, dass bei dem Dia- betikern die Verarbeitung der Kohlehydrate nnd Glykosen derartig pathologisch modifieirt ist, dass ein Theil der gebildeten Dextrose nieht oxydabel ist. Dieselbe kann für die Energie des Zellenchemismus keine Verwendung finden und wird mit den Secreten als Ballast ausge- schieden. Unter normalen Verhältnissen werden im Organismus Dextrose sowohl als Laevulose, Maltose und die anderen Glykosen zu CO, und Wasser verbrannt. Jedenfalls ist die Laevulose in Folge der günstigen Molekülfiguration leichter verbrennbar, als die Dextrose. Darauf weist der Umstand hin, dass man bei Diabetikern stets nur Dextrose in den Secreten nachweisen kann. Wird nun in Folge einer fehlerhaften specifischen Enzym- wirkung durch mangelhafte Invertirung eine Dextrose aus Kohlebydraten oder Rohrzucker gebildet, welche schwer oxydabel ist, so wird sich Zuckerkrankheit bei dem be- treffenden Individuum herausbilden. — Die Ursache einer solehen mangelhaften Enzym- wirkung lässt sich auf verschiedene Factoren zurück- führen. Es können die Drüsenzellen, welche das specifische Enzym liefern, degenerirt sein, es kann auch die ganze Drüse funetionsunfähig gemacht werden. So haben Min- kowski und von Mering durch ihre Versuche an Hunden nachgewiesen, dass nach Exstirpation der Bauchspeichel- drüse sich unter allen Umständen Zuckerkrankheit ent- wickelt. Durch Ausschaltung dieser Drüse wird das Enzym, welches die Aufgabe hat, die Kohlehydrate und Saecharosen vorschriftsmässig zu Oxydationszwecken vorzubereiten, aus- fallen, und es wird die Bildung einer inoxydablen Dextrose die Folge sein. Aber auch, wenn eine Affeetion der Drüsennerven- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 59 bahnen vorhanden ist, wird die Innervirung der Zellen- laboratorien mangelhaft sein. Die Folge wird sein, dass der Zellenehemismus gestört ist, und das katabolische Produet desselben, das speeifische Enzym, wird in seiner Wirkung fehlerhaft sein. Darauf weisen die Diabetes- erkrankungen hin, welche nach gewaltiger Erschütterung des Nervensystems, so z. B. nach Zusammenstoss von Eisenbahnzügen, die Menschen befallen. Auch bei den häufigen Fällen von Zuckerkrankheit, wie dieselbe nach acuten Infectionskrankheiten, nach Influenza, Diphteritis ete. auftritt, müssen wir die Erkrankungsursache auf eine Schädigung der betreffenden Drüsensecretionsnervenbahnen zurückführen. Da ausser der Bauchspeicheldrüse der Leberzellen- chemismus und andere Enzyme im Organismus bei der Invertirung der Saecharosen und Umwandlung der Kohle- hydrate in Betracht kommen, so sind noch verschiedene andere Ursachen für die Entwickelung der Zuckerkrank- heit verantwortlich zu machen. — Ich habe nur die Bauchspeicheldrüse gewissermaassen als Paradigma vorgeführt, um zu beweisen, dass es sich zunächst um eine mangelhafte, specifische Enzymbildung bei der Zuckerkrankeit handelt. Durch diese fehlerhafte Enzymbildung wird eine Dextrose gebildet, welehe schwerer oxydabel ist, als die unter normalen Verhältnissen entstandene Glykose. Letztere wird durch Einwirkung des sogenannten „glyko- Iytischen“ Fermentes, welches neuerdings im Blutstrome nachgewiesen ist, zu CO, und Wasser verbrannt. — Die Analogie mit der alkoholischen Gährung, wie dieselbe durch das katabolische Product der Hefezelle be- wirkt wird, liegt klar zu Tage. Die Hefezelle führt neben der Zymase ein inver- tirendes Ferment und der Rohrzucker wird zunächst in Dextrose und Laevulose gespalten, um dann zu CO, und Alkohol verbrannt zu werden. Im Organismus wird ebenfalls der Rohrzucker in rechts- und linksdrehende Glykose zerlegt werden, um dann erst dem Oxydationsprocesse unterworfen zu werden. Es würde über den Rahmen dieser Skizze heraus- gehen, wollten wir die Enzymwirkung in derselben Weise bei anderen Constitutionsanomalien, so in speeie der Gicht und Fettsucht, hier weiter eingehend verfolgen. — Hervorheben möchte ich nur noch, dass alle diese drei Krankheiten in ihren Entstehungsursachen im engsten Zusammenhang stehen, und wir können diesen eigenthüm- lichen Connex wiederum auf den gestörten Pancreaszellen- chemismus zurückleiten. Bei der Gicht wird es sich, in Folge fehlerhafter Enzymbildung, um eine mangelhafte Spaltung des Zell- kernnueleins handeln, welehes unter normalem Verhältniss der Einwirkung des speeifischen Enzyms, des Trypsins, unterliegt. — Es wird bei Störungen des Zellenchemismus in der, Reihe des Abbaues der Zellkernnucleine eine pathologisch modifieirte Harnsäure gebildet werden, welche nicht so leicht wie die normale Harnsäure zu den Endresultaten der stiekstoffhaltigen Substanzen, nämlich zu Harnstoff und CO, verbrannt wird. — Die Harnsäure, welche sich bei Gichtkranken bildet, hat die Eigenthümlichkeit, sich mit Natrium zu saurem harnsauren Natrium zu verbinden und mit Caleium zu Kalkurat zu vereinigen. Diese Ablagerungen sind schwer löslich und werden sich geeignete Stapelplätze im Knorpel- gewebe und anderen Lagerstätten aussuchen. Da das Knorpelgewebe einen reichen Gehalt an Natrium- und Caleiumverbindungen aufzuweisen hat, so ist es weiter nicht auffallend, dass gerade diese Gebilde für die Ablagerung der harnsauren Salze geeignet sind. 60 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 6. Die seleetive Zellenfunetion verschafft sich hier unter pathologischen Verhältnissen ihr Recht, welches durch die chemischen Affinitätsgesetze bedingt wird. Auch die mangelhafte Verbrennung des zugeführten Nahrungsfettes bei Entwickelung der Fettsucht ist anf analoge Factoren zurückzuführen. Auch hier wird die Ursache in einer mangelhaften Beschaffenheit des aus den Pancreaszellen produceirten fettspaltenden Enzyms zu suchen sein. — Die Aufgabe des Arztes wird vornehmlich darauf be- ruhen, diese aetiologischen Krankheitsfaetoren zu berück- sichtigen und seine therapeutischen Vorschriften den all- gemeinen pathologischen Modificationen anzupassen. — So wird in allen Fällen, in welchen die Oxydations- processe im Organismus daniederliegen, die Aufmerksam- keit des Arztes darauf zu richten sein, dieselben wo- möglich zu heben. — Durch Aufenthalt in frischer, freier Atmosphäre werden die allgemeinen Oxydationen bekanntlich ge- hoben, diese Erhöhung der Verbrennungsprocesse wird demnach auch auf die specifischen Oxydationen im Or- ganismus übertragen werden. Ausserdem ist nach neueren Untersuchungen nicht zu bestreiten, dass durch den Gebrauch bestimmter Mineral- wasserkuren die Enzymwirkung befördert wird. Wir können uns diesen Erfolg nur durch die Hypo- these erklären, dass unter Umständen ein Minus be- stimmter Mineralverbindungen im Organismus vorhanden ist, und dass dieses Defieit anorganischer Bestandtheile durch den Gebrauch einer natürlichen Mineralwassertrink- kur ausgeglichen wird. — In analoger Weise, wie wir den Eisengehalt bei Bleichsucht in den rothen Blutzellen durch Gebrauch von Eisenquellen auszugleichen suchen, so werden auch die anderen anorganischen Elemente, welche in den Heil- quellen vertreten sind, das Defieit eventuell decken. — Eigenthümlich ist immerhin der Befund, dass in einzelnen Mineralquellen alle Elemente vorhanden sind, welche der Organismus zu seinem somatischen Haushalt beansprucht. So sind beispielsweise im Homburger Elisabethbrunnen alle Grundstoffe, wenn auch zum Theil in minimalen Verhältnissen enthalten, welche auch im normalen menschlichen Organismus nachzu- weisen sind. Nach den epochemachenden Lehren von van’t Hoff und dessen Schülern liegt aber der Schwerpunkt der Jonenspaltung gerade in den minimalen Ingredienzien. Denn nur in verdünnten Salzlösungen werden die Salze in ihre Dissociationsproduete gespalten. Die differente Permeabilität resp. Semipermeabilität der organischen Membranen spielt bei der Jonenwanderung eine grosse Rolle, es würden aber andererseits ausführ- liche Ausführungen erforderlich sein, um diese Verhältnisse hier alle klar zu legen. — Deshalb möge die Thatsache vorab genügen, dass allerdings durch eine geeignete Mineralwassertrinkkur die Enzymwirkung erhöht werden kann. Eine Beobachtung, welche uns den Schlüssel für viele räthselhafte Fragen in die Hand giebt. — Und so wollen wir die Hoffnung schliesslich aus- sprechen, dass die Fortschritte, welche die physikalische Chemie in der Erkenntniss der Jonenspaltung zu ver- zeichnen hat, auch für die therapeutischen Maximen des behandelnden Arztes von grossem Werth sein werden. In Natural Science vom October 1897 findet sich ein bemerkenswerther Artikel, der ein Zeichen ist für die immer mehr um sich greifende Reaction gegen die über- mässige Herrschaft der technischen Methoden in der Zoologie und eine Lanze bricht für das Studium des lebenden Thieres. Obgleich die epochemachenden Werke Darwins den ganzen Werth der Biologie gezeigt haben, besteht auch heute noch der Lehrplan der Zoologie an den Universitäten ausschliesslich aus vergleichender Ana- tomie und Embryologie. Der Zoologe, der heutzutage die Universität verlässt, schaut mit Verachtung auf den „Systematiker“ herab, und er bildet sich ein, er beherrsche das Ganze der Grundzüge der Biologie, bevor er die elementarsten Kenntnisse der Gattungen- und Art-Charaktere und der Erscheinungen der Variation erworben hat. Der Artikel stützt sich des weiteren auf zwei Aeusserungen hervorragender englischer Gelehrter aus der letzten Zeit, von Prof. Miall und W. Garstang. Ein Theil der des Letzteren ist abgedruckt,und da er ebenso gut auf deutsche wie auf englische Verhältnisse passt, sei er hier frei wiedergegeben: „Von verschiedenen Seiten ist in den letzten Jahren die Nützlichkeit der Kenntnisse der mehr unbedeutenden Bildungen, die die Gattungen und Arten von einander unterscheiden, angezweifelt worden. Man braucht sich nieht darüber zu wundern, wenn man be- denkt, wie die ungeheuere Mehrheit der Biologen aus- schliesslich mit dem Studium der vergleichenden Anatomie und Entwickelungsgeschichte beschäftigt ist. Die Auf- merksamkeit, die dieser zugewendet wird, steht in keinem Vergleiche zu der, die dem wissenschaftlicben Studium der Gewohnheiten der Thiere, der Funktionen ihrer Organe uud Körpertheile geschenkt wird. Mit wenigen Ausnahmen haben nur die reisenden Naturforscher in letzterer Richtung unsere Kenntnisse vermehrt. Doch auch an unseren Küsten und fast vor unseren Thüren leben. Formen, deren Gewohnheiten und Lebens-Bedingungen wir noch nicht kennen. Ich wage zu glauben, dass die Zeit gekommen ist für die Betrachtung, ob der lebendige Organismus nicht mehr Würdigung verdient, als ihm heute im Lehrplan unserer Universitäten zugebilligt wird. Solche Würdigung würde sicherlich fast sofort zu einer raschen Erweiterung unseres Wissens führen, und der Gegenstand bietet so tiefgehendes Interesse und hängt so eng mit den Problemen der Entwickelung zusammen, dass ich glaube, viele Forscher würden sich der Morphologie widmen, die sie heute als einen Zweig der reinen ver- gleichenden Anatomie meiden. Selbstverständlich können die grossen Probleme, die uns Darwin hinterliess, nach- dem er sie so hell beleuchtet hatte, nicht durch aus- schliesslich morphologische Studien gelöst werden. Aber das Studium der funktionellen Beziehungen der Theile Hand in Hand mit der anatomischen Aufklärung ihrer Bestandtheile liefert nieht nur die Thatsachen für Ver- allgemeinerung von einschneidender Wichtigkeit, sondern auch unschätzbare Hülfe in dem Gebiete morphologischer Unterscheidung“. Reh. Nach A. E. Dolbear, Amer. Naturalist, Nov. 1897, soll die amerikanische Feldgrille ein ausge- zeichnetes Thermometer sein. Allein zirpt sie unregel- mässig, aber wenn Nachts grosse Massen von ihnen zirpen, thun dies alle Grillen eines Feldes gleichzeitig, genau im Takte. Die benachbarter Felder zirpen in dem- selben Rhythmus, aber nicht gleichzeitig. Dieser Rhythmus, die Zahl der Töne in einer Minute soll direet und genau mit der Lufttemperatur in Verbindung stehen. Bei 50° F. und weniger zirpen die Grillen eines Feldes nur 40 Mal. Von da ab aber steigt die Zahl der Zirptöne bei jedem RING: 76. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 61 ee et et trier treten nn Grad F. um 4, so dass bei 60° F. die Grillen SO Mal, bei 70° F. 120 Mal in der Minute, zirpen. Die Formel, nach der man aus der Zahl N der Zirptöne in der Minute die Temperatur T berechnen könne, lautet: 0) i R ; } h ‚ also bei 100maligem Zirpen in der 100 — 40 4 m—50T Sl 4 Minute T=50 + — 650. Reh. Der Russ ist ein für die weite Kreise interessirende Frage der verschiedenen Modificationen des Kohlenstofls so wichtiger Körper, dass gewiss Vielen einige Angaben wichtiger Eigenschaften desselben willkommen sein werden, die J. Stark in Wiedemanns Annalen der Physik Ch. 62, S. 353 mittheilt. Stark hat seine Untersuchungen an Gasruss ausgeführt, weil dieser nach seiner Ansicht am wenigsten unverbrannte oder nur theilweise redueirte Kohlenstoffverbindungen enthält. Als „porös“ bezeichnet er den Russ in seiner unmittelbaren Niederschlagsform, als „eompaet“ dagegen denjenigen einer durch eontinuir- liche Aneinanderlagerung verdichteten Russschicht. Zunächst bestimmt Stark die Luftabsorption des Russes. Die Beobachtungen machen wahrscheinlich, dass der Russ bei einer Temperatur, die nicht viel kleiner ist als diejenige der Gasflamme, beinahe alle absorbirte Luft abstösst, dagegen mit sinkender Temperatur rasch Luft an seiner Oberfläche verdichtet, und zwar nimmt frisch hergestellter Russ 13,4 Procent seines Gewichtes an ab- sorbirter Luft auf. Beim Liegen an freier Luft erfährt der Russ dann noch eine weitere Gewichtszunahme haupt- sächlich in Folge von Wasserdampfabsorption. Sehr wahrscheinlich hat aber auch die zunächst absorbirte Luft eine andere Zusammensetzung als die atmosphärische, indem» das Absorptionsvermögen des Russes für Stickstoff und Sauerstoff verschieden gross sein dürfte, und lässt sich in Berücksichtigung dieser Unsicherheit das Normal- volumen der absorbirten Luft nicht aus der Zahl 15,4 berechnen. Das specifische Gewieht des compaeten Russes in Terpentinöl pyknometrisch bestimmt, wurde bei 18° C. zu 2,1 gefunden, während dasjenige von Graphit als zwischen 2,09 und 2,24 wechselnd angegeben wird. Um das specifische Gewicht des porösen Russes zu messen, benutzte Stark in findiger Weise das Reflexionsvermögen des Russes, indem er durch die Reflexion controlirte, dass eine Russschicht genau dieselbe Dicke erreichte, wie zwei beiderseits angrenzende Nickelblechblättchen. Aus dem Volumen und Gewicht des Russschichtkörpers wurde, als Mittel verschiedener Versuche, das spee. Gewicht ohne Berücksichtigung der Luftabsorption zu 0,055 errechnet, welche Zahl auch schon Rosicky gefunden hatte. Wird die Luftabsorption in Rechnung gezogen, so beträgt das specifische Gewicht des porösen Russes 0,048. Gemäss dem Verhältniss 43,75 der beiden specifischen Gewichte (2,1 und 0,048) sind vom Volumen des porösen Russes durchschnittlich nur 2,28 Procent von Russsubstanz erfüllt, dagegen 97,72 Procent von Luft. Die Betheiligung der Russsubstanz am porösen Russ ist also eine ungemein geringe. Während man gewöhnt ist anzunehmen, die an Menge überwiegende Substanz einer porösen Russschicht sei Russ, hat man diese auf Grund der vorliegenden Wägungen als eine Luftschicht zu betrachten, welche durch Russ nur getrübt ist. Dabei ist aber die Russ- substanz im porösen Russe ungemein fein vertheilt. Als mittlerer Durchmesser der Russtheilchen wurde 0,000262 mm gefunden (es wurde nämlich ermittelt, dass derselbe kleiner sei, als die Wellenlänge der violetten Strahlen). „Da nun 1 cem porösen Russes ohne absorbirte Luft 0,048 g wiegt, und das speeifische Gewieht der Russsubstanz 2,1 ist, so lässt sich aus diesen drei Angaben die Zahl der in 1 cem porösen Russes enthaltenen Russtheilchen leicht berechnen. Unter Annahme einer Würfelgestalt der Russtheilchen findet man, dass in 1 cem porösen Russes ungefähr 1 Billion und 270900 Millionen kleiner disereter Russ- körperehen vertheilt sind. Bei Annahme von Kugelgestalt beträgt die Zahl 1 Billion 307 500 Millionen.“ Nach Stark’s Meinung besteht der poröse Russ aus unzählig vielen, kleinen, lufterfüllten Hohlräumen, deren Wände sehr locker aus Russtheilehen gefügt sind und deren Volumen bedeutend grösser ist als dasjenige der Wände. Die übrigen Ermittelungen Stark’s betreffen optische Verhältnisse, und zwar zunächst die regelmässige Reflexion an einer rauhen Russfläche. Den Grenzwinkel der regel- mässigen Reflexion bestimmt er zu 41° 45’; dieser Werth gilt jedoch nur für frisch hergestellte Russflächen; lässt man nämlich diese mehrere Tage in der feuchten Zimmer- luft liegen oder behaucht sie schwach, so wird der Grenz- winkel kleiner, weil sich in Folge der Condensation von Wasserdampf um die einzelnen Russtheilchen Tröpfehen bilden, die zusammenfliessend die Oberfläche ebnen und deren Rauhheit vermindern, sodass schon bei kleinerer Ineidenz regelmässige Reflexion eintritt. An künstlich polirten Russflächen (Russspiegeln) war eine starke ellip- tische Polarisation nachzuweisen, die ebenso nahe der- jenigen an Metallen, wie an Nichtmetallen verwandt ist, also eine überleitende Mittelstellung zwischen beiden ein- nimmt. Untersuchungen über die Auslöschung des Liehtes in Russ ergaben einen sehr hohen Auslöschungseoeffieienten für alle Farben; derselbe variirt mit der Wellenlänge, indem er wächst, wenn diese abnimmt. Zur Erklärung dieser Er- scheinung muss ıan sich gegenwärtig halten, dass die gefundene Schwächung des Lichtes in Russ, wenn aueh nicht ausschliesslich, so doch zweifellos zu einem grossen Theil von der Structur und der Discontinuität des porösen Russes herrührt. In diesem liegt ein trübes Medium vor, nämlich Luft, in welcher äusserst kleine Theilchen einer fremden Substanz, nämlich von Russ, in spärlicher Menge vertheilt sind. „Im vorliegenden Falle ist ein Gas durch einen festen Körper von hohem Brechungsexponenten getrübt; die optischen Eigenschaften, vor Allem die Absorption der Substanz des trübenden Körpers können nicht mit Sicherheit oder gar nicht aufgedeekt werden, weil dieser nicht in entsprechender makroskopischer Grösse im Aggre- gatzustand des einzelnen einheitlichen Theilchens her- gestellt werden kann.“ Deshalb bleibt auch die Grösse der Liehtabsorption der eigentlichen Russ-Substanz un- bekannt. 0. L. Gemeinschaftlich mit Lorenz Ach hat Emil Fischer in den Ber. Deutsch Chem. Ges. 30, 2208 eine Arbeit „Ueber das Oxydiehlorpurin“ publieirt. Aeltere Unter- suchungen von E. Fischer hatten gezeigt, dass Chlor- phosphor imstande ist, den Methylharnsäuren den Sauer- stoff partiell oder vollständig zu entziehen, wobei ge- chlorte Purine resultiren. So liefert 9-Methylharnsäure (8-Methylharnsäure) zunächst Methyloxydichlorpurin und schliesslich das Methyltrichlorpurin. N—=6..,0] N G,Cl | | | CAETECEENE EC IMEzN lin 60 Inne: GeRel N -.C.N:-CH, N-0C-.N-CH, Methyloxydichlorpurin Methyltrichlorpurin. 62 Die damals versuchte Uebertragung der Reaction auf die Harnsäure selbst führte zu keinen Resultaten, einer- seits wegen der geringen Löslichkeit derselben in Phosphor- oxycehlorid, andererseits wegen ihrer Unbeständigkeit gegen Phosphorpentachlorid. Verwendet man nun aber statt der freien Harnsäure das Kaliumsalz und bewerkstelligt die Chlorirung durch Phosphoroxychlorid, so erhält man eine Verbindung der Zusammensetzung C;H>N,OCl,, die dem oben erwähnten Methyloxydichlorpurin entspricht. Dass wirklich das 8-Oxy-2 - 6-diehlorpurin vorliegt, N— 6770 ai CC C-NH | E> N--C.NH geht aus der Methylirung hervor, wobei das 7 . 9-Dime- thyloxydichlorpurin entsteht, dessen Structur bereits be- kannt ist. Durch Reduction mit Jodwasserstoff geht die Chlor- verbindung in das S-Oxypurin, durch längeres Erhitzen mit Salzsäure in Harnsäure über; die Chloratome lassen sich suecessive durch die Aminogruppe ersetzen, es ent- steht zunächst 6-Amino-S-oxy-2-chlorpurin : 10/0) N——C . NH, | | Cl-C C.NH es E=C0 N—6.NH das bei der Reduction das mit dem Guanin isomere 6-Animo-8-oxypurin liefert, und dann 2. 6-Diamino-S-oxy- purin: N—-C . NH, | NH,:C C-NH Int tl GO, N—C - NH 8-oxy-2 - 6-dichlorpurin. 1 Theil gut getrocknetes harnsaures Kalium wird mit 1,2 Theilen Phosphoroxyehlorid innig vermischt und 6 Stunden im Einschlussrohr auf 160—170° erhitzt; das Reaetionsproduct wird mit Wasser zersetzt und der Nieder- schlag abgesaugt. Man trocknet denselben auf dem Wasser- bade, trägt ihn zur Zerstörung der Nebenproduete in 4—6 Theile heisse Salpetersäure (s — 1,4) ein und kocht 20—30 Minuten. Das Oxydiehlorpurin bleibt grössten- theils ungelöst, der Rest scheidet sich beim Verdünnen mit Wasser ab; man erhält auf diese Weise ein gelb ge- färbtes, fein krystallinisches Pulyer, das zur Reinigung zunächst in das schön krystallisirende Ammonsalz über- geführt und aus diesem durch Zusatz von Säuren abge- schieden wird. Aus Alkohol krystallisirt es in kleinen Prismen, aus Wasser in kleinen Tafeln; die Alkalisalze krystallisiren in feinen, biegsamen, und das Baryumsalz in büschel- oder sternförmigen Nadeln. Verwandlung des Oxydichlorpurins in Harnsäure. Erhitzt man feingepulvertes Oxydichlorpurin mit der fünfzigfachen Gewichtsmenge Salzsäure (s — 1-19) im ge- schlossenen Rohr unter beständig schüttelnder Bewegung, so tritt nach 3 bis 4 Stunden Lösung ein, und nach 7 Stunden ist die Reaction beendet. Verdampft man Jetzt den Röhreninhalt. so erhält man einen gelbbraunen Rückstand, der sich nach der Reinigung als Harnsäure erweist. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XII. Nr. 6. Methylirung des Oxydichlorpurins. Erbitzt man das Bleisalz des Oxydichlorpurins mit Jodmethyl und Aether 12 Stunden im geschlossenen Rohr auf 100—110°, so scheidet sich beim Auskochen des Röhreninhaltes mit Alkohol das gebildete Dimethylderivat aus der eoncentrirten Lösung beim Erkalten in Nadeln ab. Das Product zeigte den Schmelzpunkt des 7.9 Di- methyl-8-oxy-2 - 6-dichlorpurins und wurde zur weiteren Identifieirung in das Dimethyloxydiaethoxypurin ver- wandelt. Das Monomethylderivat resultirt, wenn man 10 gr Oxydichlorpurin in 40 gr Wasser und 7 gr Aetzkali löst, mit 40 cem Alkohol vermischt und in einer Kältemischung abkühlt; man giebt 7 gr Jodmethyl hinzu und lässt das Gemisch unter häufigem Schütteln bei 1° stehen. Im Laufe von 5—10 Stunden tritt Lösung ein; Altrivt man nach 48 Stunden, verdampft dann den Alkohol und säuert mit Essigsäure an, so fällt die Methylverbindung krystallinisch aus; ihr Uebergang in Methylharnsäure beim Erhitzen mit Salzsäure einerseits, ihr Schmelzpunkt andererseits erwiesen die Identität mit dem 7-Methyl-S- oxy-2 - 6-dichlorpurin. N—(@H Kee| EIGEN HI | 1.60 N—C.NH 8-oxypurin. Zur Bereitung dieser mit dem Hypoxanthin isomeren Base wird feingepulvertes 8-oxy-2 - 6-dichlorpurin mit der 1Ofachen Gewiebtsmenge Jodwasserstoff (s — 1,96) auf dem Wasserbade erhitzt und so viel Jodphosphonium zu- gegeben als zum Verschwinden des freiwerdenden Jods erforderlich ist. Erwärmt man dann nach 20 Minuten unter Zusatz von Jodphosphonium über freier Flamme, bis eine farblose, klare Lösung entstanden ist und dampft auf dem Wasserbade ein, so bleibt jodwasserstoffsaures Oxypurin als gelblich gefärbte Krystallmasse zurück. Durch Zerlegung des jodwasserstoffsauren Salzes mit Ammoniak erhält man schliesslich die reine Base, die in farblosen, biegsamen Nädelchen vom Schmelzpunkt 3170 krystallisirt. Das Jodbydrat krystallisirt in farblosen Prismen, das Nitrat in spiessförmigen, das Chlorhydrat in derben, gelb- rothen Krystallen und das Aurochlorat in feinen, gelben Blättchen. 6-Amino-S-oxy-2-chlorpurin. 1 Theil 8-Oxy-diehlorpurin wird mit 25 Theilen alko- holischem Ammoniak 6 Stunden im geschlossenen Rohr auf 150° erhitzt. Nach dem Erkalten ist das Amino-oxy- chlorpurin zum grössten Theil in hellrothen kuglig- krystallinischen Aggregaten abgeschieden. Die Reinigung geschieht über das Hydrochlorat, das in schwach gelb gefärbten Nadeln und über das Baryumsalz, das in feinen, langen Nadeln krystallisirt. Löst man das Baryumsalz in heissem Wasser und giebt Essigsäure bis zur stark sauren Reaction hinzu, so scheidet sich die freie Base | sofort in äusserst feinen, verfilzten Nädelchen ab. Das Natriumsalz krystallisirtt in verfilzten und das Sulfat in feinen, vielfach büschelförmig verwachsenen Nadeln. N—=C . NH, HE20222 CE INH | CO NONE 6-Amino-8-oxypurin. XII. Nr. 6. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 63 Erwärmt man das Aminooxycehlorpurin mit der zehn- fachen Menge Jodwasserstoffsäure (s — 1,96) unter Zusatz von Jodphosphonium unter häufigem Schütteln auf dem Wasserbade, so tritt allmählich Lösung ein, und nach 15 bis 20 Minuten ist die Reduction beendet. Man ver- dampft zur Trockene, löst das in schönen Prismen krystallisirte Jodhydrat in heissem Wasser und über- sättigt mit Ammoniak. Hierbei fällt das Amino-oxypurin als farbloser krystallinischer Niederschlag, der zur Reinigung in Wasser unter Zusatz von Salzsäure gelöst und abermals mit Ammoniak gefällt wird. Das freie Amino-oxypurin krystallisirt in mikroskopi- schen Nädelehen, sein Sulfat in schiefen, vierseitigen Platten (Unterschied von Guaninsulfat) und das Nitrat in sternförmig verwachsenen Nadeln. — N—C. NH, NH, - € Ö.nH | | oo N 6. NH 2 - 6-Diamino-8-oxypurin. Zur Bereitung der Verbindung wird Oxydichlorpurin mit der zehnfachen Gewichtsmenge wässrigem Ammoniak von 14 pCt. Gehalt 4 Stunden im Einschlussrohr auf 150° erhitzt. Der Process verläuft nicht glatt, in der Kälte scheiden sich schwach gelb gefärbte, blättrige Krystalle ab, deren Gewichtsmenge nur 30 pCt. der Theorie be- trägt. Die Reinigung geschieht über das Hydrochlorat, das in langen, farblosen Nadeln krystallisirt; löst man dasselbe in heissem Wasser und fügt zu dieser Lösung Ammoniak in geringem Ueberschuss, so scheidet sich die freie Base in farblosen, langen Nadeln ab. Das Sulfat krystallisirt in feinen Nädelchen und das Chlorplatinat in eigenthümlich gezackten, schwertförmigen, gelbrothen Blättehen. H-N—-00 KR? H-C C.NH Ill Re C9 N-C-NH 6 - 8-Dioxypurin. Diese mit Xanthin isomere Base entsteht, wenn man 6-Amino-S-oxypurin in 16 Theilen 15 procentiger Salzsäure heiss löst, die Lösung auf 40° abkühlt und allmählich die für 1'/; Molekül berechnete Menge Natriumnitrit hinzu- fügt. Es tritt lebhafte Gasentwickelung ein, und nach kurzer Zeit scheidet sich das Dioxypurin als farbloses Pulver ab. Aus heissem Wasser krystallisirt die Verbindung in langen, schmalen, an den kurzen Enden eigenthümlich gezackten Blättern; gegen Oxydationsmittel ist sie em- pfindlicher als das Xanthin; so wirkt starke Salpeter- säure schon in gelinder Wärme zerstörend ein; zum Unter- schied von Xanthin liefert sie bei der Oxydation mit Chlor kein Alloxan. Methylirung des 6 - S-Dioxypurins. Löst man Dioxy- purin in Normalkalilauge (3 Mol.), fügt dann 3 Mol. Jod- methyl hinzu und erhitzt das Gemisch unter beständigem Schütteln im Einschlussrohr auf 100° so erhält man schliesslich eine farblose Lösung. Man verdampft zur Trockene und kocht den Rückstand mit Chloroform aus; beim Verjagen des Chloroforms hinterbleibt die Methyl- verbindung, die nach der Reinigung leicht mit dem auf anderem Wege dargestellten 1 - 7 - 9-Trimethyl-6 » 8-dioxy- purim identifieirt werden konnte. Dr. A. Sp. Ueber die chemische Beschaffenkeit der Diastase und über das Vorkommen eines Arabans in den Diastasepräparaten hat A. Wröblewski in den Berichten der Deutschen Chemischen Gesellschaft 30, 2239 berichtet. Verfasser weist in der Einleitung auf die mannigfach sich widersprechenden Vorstellungen über die Natur der Enzyme hin und stellt sich die Aufgabe, die Eigenschaften derselben näher zu studiren; er wählt zu diesem Zweck das am leichtesten zugängliche Enzym, die Diastase. Darstellung der Diastase: Nach den Beobachtungen Lintners und anderer Autoren löst sich Diastase in eirea 50 procentigem, nicht dagegen in circa 65 procentigem Alkohol, sie dialysirt nicht und wird durch schwefelsaures Ammon ausgesalzen; diese Angaben benützte Wröblewski bei der Gewinnung der Diastase. Zunächst wird fein geschrotetes Malz mit 68 procen- tigem Alkohol ausgezogen, der Auszug entfernt und der ausgepresste Rückstand zwei Mal mit 45 procentigem Al- kohol extrahirt. Die vereinigten Auszüge werden zur Fällung mit so viel hochprocentigem Alkohol versetzt, dass eine Flüssigkeit von eirca 70 °/, an Alkoholgehalt re- sultirt; der Niederschlag wird abfiltrirt, nach abermaligem Lösen und Fällen in Wasser gelöst, mit Magnesiumsulfat ausgesalzen, dann solange der Dialyse unterworfen, als in der äusseren Flüssigkeit Schwefelsäure nachweisbar ist und schliesslich mit absolutem Alkohol und Aether gefällt. Man erhält auf diese Weise in Wasser fast voll- ständig lösliche Präparate, die starke Diastasewirkung besitzen und mit Jod keine Färbung geben. Biuret- reaction war fast gar nicht oder überhaupt nicht vor- handen, während die übrigen Eiweissreactionen eintraten; Fehling’sche Lösung wird nicht redueirt, kocht man in- dessen eine Lösung des Präparates mit Salzsäure, so ent- steht ein Niederschlag, der Eiweissreaction ergiebt, das Filtrat redueirt Fehling’sche Lösung. Die Analysen- werthe der Präparate differirten stark untereinander, der Gehalt an Stickstoff schwankte zwischen 4 bis 8 Procent. Da voraussichtlich ein Gemisch von Proteinstoffen mit Kohlenhydraten vorlag, schlug Verfasser nunmehr das Brücke-Külz’sche Verfahren ein, das sieh bei der Tren- nung des Glycogens von den Proteinstoffen sehr gut be- währt hatte. Eine Lösung des Präparates wurde mit Jodqueck- silberjodkalium und verdünnter Salzsäure versetzt, es ent- stand ein voluminöser Niederschlag, von dem abfiltrirt wurde; das Filtrat gab auf Zusatz von Alkohol einen sehr starken Niederschlag eines dextrinartigen Kohle- hydrats, das frei von diastatischer Wirkung war. Im Niederschlag war Proteinstoff vorhanden. Das Kohlehydrat. Durch Lösen in Wasser und Wiederausfällen mit Alkohol konnte das Kohlehydrat als schneeweisses, nicht süss schmeckendes Pulver erhalten werden; eine wässrige Lösung des Präparates wird durch Jod nicht gefärbt und redueirt Fehling’sche Lösung erst nach dem Erhitzen mit Säure; Bleizucker, Bleiessig und Phosphorwolframsäure erzeugen nur im concentrirten Lösungen Niederschläge, die Polarisationsebene wird stark links, nach erfolgter Inversion nach rechts gedreht. Die bei der Inversion entstandene Zuckerart konnte Verfasser auf Grund des Osazons wie Drehungsvermögens als Arabinose eharakterisiren, das Vorkommen eines Ara- bans in den Diastasepräparaten war somit erwiesen. Die Proteinstoffe. Zur Isolirung der Proteinstoffe wurde der durch das Brücke’sche Reagens erhaltene Niederschlag ausgewaschen, zur Beseitigung von Queck- silber wie Jod mit Silberearbonat innig verrieben, wobei der Proteinstoff schwer und unvollständig in Lösung geht; in die Lösung wird Schwefelwasserstoff geleitet, dann 64 wird vom Sehwefelsilber abfiltrirt und das Filtrat mit Alkohol versetzt; der entstandene Niederschlag wird mit Alkohol gewaschen und in Wasser gelöst. Die so er- haltene, graugefärbte, opaleseirende Flüssigkeit wirkt ver- zuckernd auf die lösliche Stärke und zeigt Biuretreaction, mit Bleizucker giebt sie keine Fällung, mit Bleiessig nur eine Trübung. Zur Gewinnung grösserer Mengen des Proteinstoffes ist diese Methode, die zugleich ein Beweis für die protein- artige Beschaffenheit der Diastase ist, schlecht geeignet, da sie einerseits zu grosse Schwierigkeiten bietet, anderer- seits aber kein chemisch reines Präparat liefert. Zu den folgend beschriebenen Spaltungen fand eine Proteinsub- stanz Verwendung, die aus einem von Merk dargestelltem, von Verfasser mit A belegten Diastasepräparat durch Kochen mit verdünnter Schwefelsäure gewonnen war. Die Wröblewski’schen Präparate, Gemische von Kohlehydrat und Proteinstoff, waren in Wasser wenngleich schwer, so doch vollständig löslich. Das Präparat A da- gegen war in Wasser nieht ganz löslich, der hinter- bleibende Rückstand erwies sich als Proteinstoff, der in Wasser stark aufquoll und jetzt Diastasewirkung zeigte; auch er wurde zu Spaltungsversuchen benützt. Spaltung der Proteinstoffe. Unterwirft man den un- löslichen Proteinstoff nach der Methode von Hlasiwetz und Habermann der Spaltung, so erhält man eine Flüssigkeit, in der sich Ammoniak, stiekstoffhaltige Basen und Amido- säuren nachweisen lassen; von letzteren konnten Leuein und Tyrosin kıystallinisch isolirt werden. In den Spaltungsprodueten des löslichen Protein- stoffes liessen sich wenig Ammoniak, organische Basen und relativ grosse Mengen Amidosäuren (Leuein, Tyrosin) nachweisen. Möglicherweise ist der lösliche und unlösliche Protein- körper ein und dieselbe Substanz, da Verfasser constatirt hat, dass der lösliche Proteinstoff durch Einwirkung von Alkohol an seiner Löslichkeit einbüsst; der in Präparat 'A vorhandene, unlösliche Proteinstoff wäre demnach nur ein durch die Darstellungsmethode veränderter, löslicher Pro- teinstoff. Was ist Diastase? Verfasser kommt auf Grund seiner Resultate zu dem Schluss, dass Diastase ein Protein- stoff ist, mannigfache Einwände widerlegt er; eine Auf- fassung des Sinnes, dass einem an und für sich unwirk- samen Proteinstoff äusserst geringe Mengen eines wirk- lichen Enzyms anhaften könnten, beantwortet er dahin, dass dasselbe zweifellos doch in äusserst nahen Be- ziehungen zu dem von ihm nachgewiesenen Proteinstoff stehen, somit einen sehr ähnlichen Körper darstellen müsse; als Träger der enzymotischen Kräfte will er den Protein- stoff aufgefasst wissen und bezeichnet ihn als „Enzym“, „Diastase*. Dr. A. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Die königl. Bezirksgeologen Dr. Max Koch und Dr Henry Schröder in Berlin zu könig- lichen Landesgeologen; Dr. Henry Potonie und Dr. August Denekmann zu kgl. Bezirksgeologen; der Privatdocent der Bacteriologie in Breslau Dr. Richard Stern zum Professor; Dr. Gaupp aus Neuenburg (Württemberg) zum Assistenten an der Universitätsklinik für Nervenkrankheiten in Breslau; Privat- docent Dr. Kausch in Strassburg zum Assistenten an der dor- tigen chirurgischen Klinik; die Privatdocenten der Astronomie bezw. Zoologie in Göttingen Dr. Ambronn und Dr. Rhumbler zu Professoren. Es habilitirten sieh: in Berlin Dr Erich Lexer für Chirur- gie, Dr. Georg Joachimsthal für orthopädische Chirurgie, Dr. Wolpert für Hygiene; in Wien Dr. Ewald für Chirurgie; in Greifswald Dr. Hermann Triepel für Anatomie. Es starben: Der als Zoologe bekannte Oberförster a. D. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XIII. Nr. 6. Oskar von Riesenthal in Charlottenburg; der ordentliche Professor der Zoologie in Halle Dr. Ernst Taschenberg; der Entomologe Dr. George H. Horn, Professor an der University of Pennsylvania; der Astronom Eduard Lindemann an der Sternwarte zu Pulkowa; der Professor der Mineralogie in Wien Dr. Albrecht Schrauf; der ehemalige Präsident der Institution of Civil Engineers Sir Charles Hutton Gregory, KR. C.M.G; der Präsident der National Geographie Society in. Washington Gardiner G. Hubbard; der Präsident der angewandten Chemie an der University of Maryland Dr. Campbell Morfit; der be- kannte norwegische Arzt Joachim Voss in Christiania; der Botaniker Conrector Fr. ‚Wilh. Seydler in Bratinsberg; der Frauenarzt Stephan Tarnier in Paris; der ordentliche Pro- fessor der Ingenieur-Wissenschaften in München Gottfried Asimont; der ehemalige Professor der Chirurgie in Kiew Dr. A. Jazenko; der Professor der Physiologie an der Universite Nouvelle in Brüssel Emile Legros; der Odontologe Dr. Emile Magitot in Paris; der Ormithologe Charles Bygrave Whar- ton in Totton (Hants., England); der Astronom S. E. Peal in Assam; der französische Ethnograph Lucien Biart; der Prä- parator am Musee d’Histoire Naturelle in Paris Eugene Quantin; der Taxidermist am American Museum of Natural History in New- York Isaac N. Travos. Litteratur. Dr. Augustin Krämer, Ueber den Bau der Korallenriffe und die Planktonvertheilung an den Samoanischen Küsten. Nebst einem Anhang „Ueber den Palolowurm“* von Dr. A. Collin. Lipsius & Tischer in Kiel und Leipzig 1897. — Preis 6 M. Der Samoa-Archipel besteht aus 10, in 5 Gruppen vertheilten Inseln, die sich zwischen 13,5 und 14,5° s. Br. und 168—193° w.L. von NNW, nach OSO. erstrecken, zugleich in dieser Richtung an Höhe und Grösse abnehmend. Alle Inseln sind vuleanischen Ur- sprungs; die höchsten Berggipfel erheben sich bis zu 1600 m. Von W. nach ©. sind die Inseln folgende: Savaii ist die grösste (1700 qkm) und höchste. Ihr Inneres ist von mächtigen Gebirgszügen erfüllt, mit vielen Kratern und Jungen Sehlacken-Feldern. Ringsum zieht sich ein schmaler, nur an der Ostseite sich verbreitender, Hacher Ufersaum. Während die übrigen Küsten der Riffbildungen fast ganz entbehren, liegt der Ostküste ein ungefähr 12 Seemeilen langes Strandriff vor. In dem Savaii von der nächsten grösseren Insel trennenden, 10 Seemeilen breiten, aber nur 100 m tiefen Canale liegen zwei kleine Inseln. Zuerst Apolima, der Rest eines 144 m hohen Kraters, dessen nördlicher Rand eingestürzt ist. Hier schliesst ein nur mit einem engen Canal versehenes Korallenriff die Pforte. Die zweite Insel, Manono, ist ein niedriger dreieckiger Kegel, der nur ein abgetrenntes Stück von Upolu darstellt, in dessen grosses Riff er auch eingelagert ist. Upolu, die zweitgrösste Insel, ist langgestreckt, mit einem sie durchziehenden bis zu 1000 m hohen Gebirge und mehreren einzelnen, steilen Bergen; Krater sind natürlich häufig, während frische Lavafelder hier, wie auf den nächsten Inseln fehlen. Der Strand ist, besonders nach Norden, flach. Hier zieht sich auch ein grosses Strandriff in nahezu ununterbrochener Linie über 25 Seemeilen hin, das an einer Stelle zwei Seemeilen breit wird. Noch 2 andere, grössere Strandriffe verlängern es, überall da unterbrochen, wo steile Berge an die Küste herantreten, wie auch an den übrigen Seiten der Insel Riffe überall dort fehlen, wo Steilküsteu vorhanden sind, und auftreten, wo Flachküsten sich zwischen Berge und Meer schieben. An einer Stelle im Süden, bei der grössten Ansiedelung der ganzen Inselgruppe, Falealili, wird das Strandriff von einem 150 m breiten Canale durchbrochen, dem sich, etwa 100 m entfernt, ein 1 km langes Barrieren-Riff mit einer kleinen Insel vorlagert. Tutuila ist eine einzige, bis zu 700 m hohe, wilde Gebirgs- Masse, die überall steil ins Meer abfällt. Nur die Südküste ist etwas weniger abfallend und hier liegt denn auch ein grösseres etwa 4 km langes Strandriff vor.. Die grosse Pange-Pango-Bucht in der Südküste ist von echten Saumriffen ausgekleidet. Etwas vor der Küste liegen dann noch 2 sogenannte versunkene Riffe, von denen das eine von einer niedrigen, mit einem Vulkane gekrönten Insel seinen Ausgang nimmt. An der steileren Nordküste finden sich Riffe nur in einigen Buchten. Manuia besteht aus 2 kleinen, schroffen Felsen-Inseln ohne bedeutende Riffe. Auf der grösseren liegen in der Höhe von 80 Fuss, !/;, Meile landeinwärts, viele und grosse Stücke Korallenkalk und andere marine Reste in einer Mischung von zersetzter Lava und Sand. Ob sie durch Hebung oder eine Eruption dahin gebracht sind, ist unentschieden. Bei Manuia fand im September 1866 ein 4 Wochen dauernder submariner Ausbruch statt, in dem unge- heure Mengen von Aschen und Schlamm mehrere 100 m in die Höhe geworfen wurden. XII. Nr. 6. Die letzte Insel ist das Rose-Atoll, ein Kreis von 2'/, See- meilen Durchmesser. An der Südseite erhebt sich eine je 1 km lange und breite Insel, nördlich davon eine Sanddüne. Der Insel egenüber ist die Ausflussöffnung des Atolls, 1—2 m tief, die bis zu 20 m tiefe Lagune mit dem Meere verbindend. Auf der Insel liegen verschiedene grosse Basaltblöcke zerstreut. Die Entstehung der Inseln fällt nach Krämer in die Schlusszeit des Tertiärs. Zuerst scheint der östliche Theil ent- standen zu sein, worauf sonderbarer Weise auch die Sagen der Eingeborenen hinweisen. Hier beruhigte sich auch die vulkanische Thätigkeit zuerst; die zu Tage tretenden Gesteine sind meist zersetzte Laven, Trachyte u. s. w. Der später entstandene west- liche Theil war noch bis in die letzten Jahrhunderte hinein vul- canisch thätig, was die frischen, unverwitterten Lava-Felder, die besonders häufig auf Savaii vorkommen, zeigen. Erst tertiär trat dann im Osten eine starke Senkung ein, während sich der Westen noch längere Zeit langsam hob. Neuerdings scheinen in- dess an beiden Theilen Hebungen stattgefunden zu haben, wenigstens finden sich Korallenblöcke in beiden Theilen ziemlich von der Küste entfernt im Innern; und an verschiedenen Stellen sind ältere Strandlinien über der jetzigen zu erkennen. Zeichen von Hebungen, selbst neuesten Datums (Falken-Ins., 1895), sind ebenso, wie Vorkommen von Erdbeben und vulkanischen Aus- brüchen über die ganze Südsee zerstreut; man ist also, nach Krämer, berechtigt, auch für Samoa Hebung anzunehmen. Die überall in der Südsee beobachteten Zeichen von Senkungen dürften also nicht als seculäre, sondern nur als intermittirende Senkung, abwechselnd mit Hebung, oder zeitweise aussetzend, an- gesprochen werden. Die Form der Korallenriffe ist eine recht verschiedene. Doch lassen sich 5 Arten von Riffen genauer abgrenzen, auf die die übrigen alle zurückgeführt werden können. Sie kommen auf Samoa alle vor. 1. Die Korallenbank ist ein isolirter, säulenförmiger, wenig umfangreicher Korallenfelsen, die Anlage jedes Riffes. In Folge ihrer Schwäche können Bänke im freien Meere nie die Oberfläche mit ihrem starken Wogengang erreichen, sondern bleiben min- destens 2m darunter. Nur im Hafen können sie bis zur Luft ge- langen. Beispiele von ihnen finden sich in den Häfen von Upolo, besonders in dem von Apia. 2. Das Saumriff springt an Steilküsten, in Häfen oder Buchten, balkonartig vor, ist nur wenige Meter breit und bleibt ebenfalls meist unter der Oberfläche. Der Hafen von Pango-Pango auf Tutuila ist mit Saumriffen ausgekleidet. 3. Das Strandriff hat seinen Namen daher, dass es vor flach abfallendem Ufer dadurch den Strand verbreitert bezw. einen neuen bildet, dass es sich weithin ins Meer erstreckt, wo- durch die zurückliegenden Theile allmählich absterben und versanden. Diese Riffform ist in Samoa weitaus die verbreitetste. 4. Das Barrierenriff entsteht da, wo die Küste nicht gleich- mässig unter Wasser abfällt, sondern wo ihr in einiger Entfernung vom Ufer eine Erhebung vorgelagert ist, auf der sich die Korallen ansiedeln können. Im Rücken hat es also, im Gegensatz zum vorigen, freies, tieferes Wasser. Solche Riffe kommen besonders auf Upulo allein, oder in Verbindung mit Strandriffen, vor. Bei Tutuila liegen submarine Barrierenriffe. 5. Das Atoll ist ein ringförmiges Riff, das mehr oder weniger weit als Land das Meer überragt. Kleine Atolle sind meist ge- schlossen, grössere haben mindestens 1 Oeffnung. Entstehen sie auf submarinen Bergkuppen, so bleibt die vom Riff umgebene Lagune flach; entstehen sie auf submarinen Kratern, so ist die Lagune tief. Ein Beispiel für letztere Art ist das Rose-Atoll. Verfolgen wir nun des weiteren den Aufbau eines Strand- riffes, wie er sich nach den Untersuchungen Krämers an denen Samoas ergiebt. Wir nehmen dabei den Weg vom Meere zur Küste. Zuerst kommen wir über einen erhöhten Sandgrund, den Talus. Woher der Sand kommt, ob durch die Gezeiten vom Meere dem Riff zugetrieben, oder aus dem Riff durch das ab- laufende ‚Wasser herausgeholt, ist noch ungewiss. Durch diese Erhöhung des Untergrundes vor dem Riffe wird diesem die Mög- lichkeit gegeben, nach dem Meere zuzuwachsen. Das eigentliche Riff beginnt mit dem langsam treppenartig aufsteigenden Fuss, etwa bei 15—20m Tiefe. Er ist der lebende Theil und eigentliche Bildner des Riffes, der es immer weiter ins Meer hinaus zu schieben versucht. Je stärker die Brandung gegen ihn andringt, um so flacher ist er, d. h. um so schwerer hält es den oberen, ihr besonders ausgesetzten Theilen, vorwärts zu dringen; je schwächer die Brandung, umso steiler ist er; ja er kann schliesslich überhängend werden, wie ein Barrieren-Riff. Die obere Kante des Fusses ist die Riffkante. Sie ist verschieden gestaltet, je nachdem sie dem Wellengange ausgesetzt ist. Die vor dem Winde liegende Luvkante ist 10-20 m breit, abgerundet. Alle Lücken uud Löcher werden von Sand und Trümmern ausgefüllt, die ihr eine rosse Festigkeit geben. Anders die hinter dem Rande liegende eekante. Sie ist nur 2—-3 m breit, scharf abgeschnitten und oft eoncav. Sie ist ganz durchsetzt von Atoll-artigen Lagunen- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 65 bildungen. Hinter ihr liegt häufig die 10—20 m breite und '% m tiefe Aussen-Lagune. Hinter der Kante beginnt die Platt- form, d.i. der Theil des Riffes, der sich bis an oder über die Oberfläche des Meeres erhebt. Sie ist nur eine grosse Trümmer- fläche, entstanden durch Anhäufung der von der Brandung los- gerissenen Korallenstücke. Ihre Breite wechselt sehr, überschreitet aber oft 200 m. Wo die Bewegung der See sehr stark ist, bildet sich auf ihr noch ein I m hoher und 3—4 m breiter Schutt- kegel. Hinter der Plattform dehnt sich die Lagune in einer Breite von wenigen 100 bis zu einigen 1000 m aus. Sie fällt ganz allmählich nach dem Lande zu ab, sich zugleich mit immer feinerem Korallensande bedeckend. Bei tiefer Ebbe ist selten mehr als knietiefes Wasser auf ihr. Sie endigt meist in dem Strand- oder Bootskanal, so genannt, weil nur hier ein sicherer Boots- verkehr möglich ist. Der Sandstrand schliesslich ist der todte, bereits trockengelegte Theil des Riffes, auf dem sich sogar schon oft Sandstein bildet. In ihm liegen häufig Brackwasserlagunen, die Quellen oder Flüssen ihre Entstehung verdanken. — Aehnlich sind die übrigen Riffformen aufgebaut, nur dass bei jeder einer oder einige der Bestandtheile fehlen. — Andere Ausdrücke, wie Riffbucht oder -Hafen, Riffeinlass (wenn sehr klein, dann: Bootspassage) erklären sich von selbst. Die letzteren hängen immer mit dem Hafen oder dem Strandkanale zusammen und dienen als Abzugskanäle für das mit der Fluth oder bei Stürmen über das Riff tretende Wasser. Da dieser Strom immer Sand mit sich führt, hält er die Abzugskanäle, die natürlich sonst leicht von den Korallen zugewachsen würden, frei. Die Entstehung eines Strandriffes findet natürlich vom Ufer aus statt. Zuerst bilden sich einzelne, kleine Bänke, die allmählich zusammenwachsen. Je höher die Korallen wachsen, umso weiter vom Lande entfernt wird die Brandung gebrochen, und umso leichter wird den zurückliegenden Korallen das Wachs- thum, wobei die Gezeiten einen theilweise helfenden, theilweise schadenden Einfluss ausüben. Besonders ist dabei der zuerst sehr breite Fuss als Wellenbrecher von höchster Wichtigkeit. Ist er bis zur Tiefe von 15 m, der durchschnittlichen Tiefengrenze der Korallen, vorgedrungen, so kann er vorerst nicht weiter, und der Ausbau des Riffes findet statt. Erst wenn durch Korallensand ein grösserer Talus gebildet ist, kann dann das Riff noch langsaın vordringen. Die Herkunft des Korallensandes ist mannigfaltig. Ein grosser Theil desselben wird gebildet von den von Korallen lebenden Krebsen, Stachelhäutern, Fischen u. s. w. Seine Haupt- quelle bildet aber die bewegende Kraft der Wellen, die lockere oder dureh die Thätigkeit der Bohrmuscheln, Bohrwürmer u. s. w. gelockerte Korallenblöcke losreisst und ständig hin und herrollt, sie so zerreibend. Auch die Wirkung der während der Ebbe auf die trocken gelegten Theile des Riffes brennenden Sonne dürfte diesen Vorgang nur beschleunigen. Das bei der Ebbe von der nach dem Lande zu abfallenden Plattform wegfliessende Wasser führt den Sand dann zum Theil wieder weg. Ueber die für das Wachsthum der Korallen günstigsten Bedingungen fehlen zum Theil noch zuverlässige Beobachtungen. So glaubte man vielfach seither, dass z. B. die Brandung geradezu nothwendig wäre. Wie aus obigem ersichtlich, ergaben die Untersuchungen Krämers das Gegentheil. Nur da können die Korallen bis an die Oberfläche emporwachsen, wo durch den Fuss die Macht der Wellen gebrochen wird, oder wo, wie an der Lee- kante der Riffe oder im Hafen keine Brandung vorhanden ist. Auch starke Meeresströmungen hindern das Vordringen der Korallen, zumal sie auch nicht die ihnen vielfach zugeschriebene Bedeutung von Nahrungsquellen haben, sondern nur, wie die Winde auf dem Lande, Reiniger des umgebenden Mediums von den Stoffwechsel-Produeten sind. Ein vorübergehendes Trocken- legen, wie bei tiefer Ebbe, können die Korallen ganz gut vertragen. Die Polypen ziehen sich in ihre Kelche zurück; aber die ganze Oberfläche bleibt mit Schleim bedeckt, der das Austrocknen verhindert. Dagegen ist ein ganz wesentliches Be- dingniss für das Wachsthum der Korallen das Licht: sie sind stark heliotropisch. Nicht nur, dass alle Polypenkelche sich nach dem Lichte fzu öffnen, auch die Flächen der Schirme und die Aeste der Stöcke wachsen ihm zu. In diesem Heliotropismus dürfte auch ein wesentlicher Grund für die geringe Tiefengrenze der Korallen liegen; denn schon bei 10 m ist ein grosser Theil der für letztere wichtigsten, rothen Lichtstrahlen absorbirt. Wäh- rend allgemein als niedrigste Temperatur für das Auftreten von Korallen 210 angegeben wird, sinkt sie bei Bermudas bis auf 19°. Der Einfluss des Süsswassers ist recht gering. In Samoa liegen vor den meisten Flussmündungen Riffe. Aller- dings sind die Flüsse während der Trockenzeit meist so wasser- arın, dass eine nennenswerthe Versüssung des Meerwassers nicht möglich ist. Die Schnelligkeit des Wachsthums der Ko- rallen ist ziemlich ausgiebig. Genauere Messungen liegen nicht vor. Krämer kann sich mit der Darwin’schen Theorie der Ent- stehung der Korallenriffe, wenigstens für Samoa, nicht be- freunden. Die dort beobachteten Hebungen und die Vertheilung der 66 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 6. Riffe sprechen ihm zu sehr dagegen. Er glaubt nicht, dass die ver- schiedenen Riffformen in genetischem Zusammenhange stehen, sondern nur Folgen der verschiedenen Tektonik des Untergrundes sind. Die Entstehung der Atolle erklärt er folgendermaassen: Die flachlagunige Form bildet sich, wie gesagt, auf unterseeischen Bergkuppen, die tieflagunige auf unterseeischen Kratern. Nur ein kleiner Theil der submarinen Krater wirft wie die ober- irdischen Lava aus und steigt so steil in die Höhe; die meisten werfen Asche und Schlamm aus, die von den herrschenden Meeresströmungen davongetragen bezw. wegen der schnell reini- genden Kraft des Meerwassers bald abgesetzt werden. So ent- standen untermeerische Höhenrüeken in der Richtung der Ströme, und wo sie die für die Korallen günstige Höhe erreicht hatten, siedelten sich diese auf ihnen an. Die Ringform des Atolls wurde zum Theil wesentlich bestimmt durch die Riehtung der Ströme, in der die Atolle fast immer langgestreckt sind. War der Strom sehr stark und gleichbleibend, so entstand das hinter dem Strome offene Hufeisen-Atoll, war er schwach und mit anderen Richtungen abwechselnd, so entstanden die runden Atolle. Inzwischen ist indess durch die bekannten Bohrungen von Prof. T. E. David aus Sidney auf den Ellis-Inseln noch aus 557 und 643 Fuss Tiefe Korallenkalk zu Tage gefördert und damit ein neuer schlagender Beweis für die Richtigkeit der Darwin’schen Senkungs-Theorie geliefert worden. Immerhin dürften die Aus- führungen Krämers sehr beachtenswerth sein und mindestens zur Erklärung der Riff-, besonders der Atollformen werthvolle Beiträge liefern. Die Fauna der Riffe von Samoa ist arm, wie ja überhaupt die tropischen Meere viel thierärmer sind, als man gewöhnlich annnimmt und vor Allem gar keinen Vergleich aushalten mit dem riesigen Individuum-Reiehthum der nordischen Meere. Die Riesen des Meeres, Wale und Delphine, sind sehr selten, dagegen mehrere Arten von Haien recht häufig, ebenso wie Schildkröten. Auch Tintenfische werden viel gefangen und Seeschlangen sind weit verbreitet. Der Reichthum von Fischen ist so gross, dass selbst die Samoaner über 200 Arten unterscheiden, wie ja denn auch die Fischerei eine der hauptsächlichsten Beschäftigungen der Samoaner bildet und ihnen den Haupttheil ihrer Fleischnahrung liefert. Der häufigste Fisch ist ein Aal, Mugil sp., der wichtigste, wegen des mit seinem Fang betriebenen Sports, ein Tunfisch, der Bonito (Thymnus pelamys). Von Krebsen unterscheiden die Samoaner ungefähr 30, von Weichthieren 50 Arten. Muscheln und Schnecken kommen natürlich überall auf den Riffen vor. Stachelhäuter sind recht zahlreich; die Holothurien werden ge- gessen. Ein Seeigel, Diadema, bohrt sich allenthalben in die Korallenriffe ein. Medusen sind selten, Würmer dagegen sehr häufig, von denen der Palolowurm, Lysidice viridis, von dem man nur abgetrennte Glieder, nicht aber den Kopf kennt, zu gewissen Zeiten, October und November, in ungeheuren Massen für kurze Zeit an die Oberfläche kommt, wo die Samoaner so viele fangen, als sie nur können; denn sie sind ihnen ein sehr erwünschter Leckerbissen, Das Plankton von Samoa ist an Masse recht arm, wobei die Küstenfauna noch reicher ist als der offene Ozean. In 1 cbm Wasser war durchsehnittlich 0,42 eem Plankton enthalten, und in l eem von diesem wurden wieder etwa 1000 Individuen gezählt. Die höchsten Fänge wurden im Mai und Juni gemacht mit dem Maximum von 1,44 cem, der niedrigste mit 0,04 cem im October. Indessen wurde in der Zeit vom December bis März nichts ge- fangen. Bei Niedrigwasser (Ebbe) war mehr Plankton vorhanden, als bei Hochwasser (Fluth). Am dichtesten war es bei 10 bis 20 Meter Tiefe. Seine Tiefenverbreitung ist nicht sehr gross; höchstens bis 200 Meter ist es in nenenswerther Menge vor- handen. In der Hauptsache besteht das Plankton aus Copepoden und Ostrakoden, von denen erstere an Zahl bis zu 90 Procent ausmachen können, während sie ihrer Kleinheit wegen an Ge- wicht oft gegen andere Formen zurücktreten. So können be- sonders die grossen Sagitten durch ihr Volumen in den Vorder- grund treten. Globigerinen, Mollusken-Larven, Diatomeen und Radiolarien sind gewöhnlich in etwa je 1 Procent vorhanden. Larven von Korallen, Echinodermen, Medusen u. s. w. sind recht selten; dagegen traten solehe von Crustaceen, wie Nauplius, so- wie die Appendicularien immer auf. Als Nahrung für die Korallen kommen, eben ihrer relativen Menge wegen, hauptsächlich die Copepoden in Betracht. Einige Zahlen mögen das gegenseitige Verhältniss illustriren. An einer Madreprenschale sitzen etwa 100000 Polypen, und mehrere solcher Schalen kommen auf 1 ebm. In einem solchen sind etwa 5000 Plankton-Individuen vorhanden, etwa auf 1 Glas Wasser eines. Diese Menge scheint sehr gering zu sein. Aber einmal sind doch viele von den Plankton-Thieren, besonders wieder die Copepoden recht beweglich und können so ständig für Ersatz sorgen, andererseits hängen alle Polypen eines Stockes zusammen, so dass die Nahrung, die einer zu sieh nimmt, mehr oder weniger Allen zu Gute kommt. Ferner sorgen die Gezeiten auch mehr als übergenug für Zuschub frischer Nahrung und Ausfüllung der Lücken. Sind doch, nach einer niedrigen Be- rechnung, in einer Seemeile Umkreis um das Rose-Atoll z. B. egen 1000 Tonnen (A 1000 kg) Copepoden-Plankton vorhanden. % vermögen, nach einem hübschen Vergleiche Krämer’s, die zahlreichen, kleinen Korallenpolypen eines Riffes ebensowenig die ungeheuren Mengen von Plankton zu dezimiren, wie die grosse, wenn auch beträchtlich kleinere Zahl von Menschen in einer Grossstadt den Sauerstoff der Luft zu vermindern vermag. Reh. Prof. Dr. H. Bruchmann, Untersuchungen über Selaginella spinulosa A. Br. Mit 3 Tafeln. Verlag von Friedrich Andreas Perthes in Gotha. 1897: — Preis 4 M. Die vorliegende fleissige Arbeit von 64 Seiten in Gross-Octav beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Entwickelungsgeschichte und dem anatomischen Bau der vegetativen Organe der im Titel genannten Pflanze; voraus geht eine Betrachtung des äusseren Aussehens derselben, und da ist es denn bemerkenswerth, dass bisher noch Niemand diese, wenn auch nicht häufige, so doch allen Floristen bekannte, interessante Art ihrem Habitus nach genau untersucht und beschrieben hat, selbst nicht der so ge- wissenhafte Alexander Braun, der übrigens — wie aus Ascherson’s Synopsis der mitteleuropäischen Flora I, 2. Lief., 1896, S. 159/160 hervorgeht — nicht der erste Autor der Sel. spinulosa A. Br. (1843) ist, die vielmehr Sel. selaginoides Lk. (1841) heissen muss. Besonders merkwürdig ist das Vorkommen einer knolligen An- schwellung am Grunde des hypokotylen Gliedes, die mit dem Alter der Pflanze stärker wird, also einen seeundären Zuwachs erhält und aus der sämmtliche Wurzeln endogen ihren Ursprung nehmen. Wurzelträger wie bei anderen Selaginellen werden in den Verzweigungswinkeln der Sprosse nieht gebildet, weshalb denn auch der Keimblattstamm unserer Art zeitlebens erhalten bleibt und eine vegetative Vermehrung ausgeschlossen ist. Auch sonst bietet die schöne Arbeit noch manche wichtige Einzelheiten, welche unsere Kenntnisse über die Selaginellaceon wesentlich fördern, die ja deshalb ein hervorragenderes Interesse bean- spruchen, weil sie zu den Pflanzengruppen gehören, auf deren Studium wir angewiesen sind, um den phylogenetischen Zusammen- hang zwischen Pteridophyten und Phanerogamen zu ergründen. Dr. Wilhelm Schjerning, Der Pinzgau. Physikalisches Bild eines Alpengaues. Mit einer Karte, neun Tafeln und einer Ab- bildung im Text. 133 S. 8,80 M. u — Die Pinzgauer. Mit 2 Lichtdrucktafeln und 2 Abbildungen im Text. 104 S. (Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde, Band X, Heft 2 und 3). Stuttgart, J. Engelhorn 1897. 5,00 M. Die beiden Hefte bilden eigentlich ein Ganzes, dem zweiten durch eine kurze, topographische Einleitung eine selbständige Stelle gewahrt. Im ersten ist der bis auf die neuere Zeit sehr abgeschlossene Pinzgau nach seiner physi- kalischen Seite auf das sorgfältigste und eingehendste ge- schildert, in zweiten wird die Bevölkerung dieser Landschaft in ihrer geschiehtlichen Entwickelung und in ihrem Zusammenhang mit dem Boden, den sie bewohnt, wie mit den natürlichen Lebens- bedingungen, die er ihr bietet, näher behandelt. Obwohl nicht selbst aus dem Pinzgau gebürtig, hat der Ver- fasser denselben viele Jahre hindurch immer wieder nach allen Richtungen durchwandert und auch auf einsamen Wegen abseits von den ausgetretenen Pfaden des grossen Touristenstromes durchforscht, sich sodann in die alte wie die neue Litteratur über den Gau vertieft und so in mehrjähriger Thätigkeit den Stoff zu der vorliegenden Monographie zusammengetragen. Einer sehr ge- nauen topographischen Uebersicht über die so verschiedenen Landschaftsmomente der Centralkette, der Schiefer- und Kalk- alpen sowie ihrer Hauptthäler und Thalböden folgen nähere Mit- theilungen über die Zusammensetzung der festen Erdrinde, den Centralgneis und seine Schieferhülle, den nördlichen Phyllitzug und die Kalkzone und über die Bedeckung mit Wasser und Eis, veranschaulicht durch eine Reihe guter, auf eigenen Aufnahmen beruhender Abbildungen. Die beigegebene Karte im Maassstab 1:250000 ist nach der österreichischen Speeialkarte 1:75 000 bei Wagner und Debes reducirt und giebt ein sehr klares Bild des gesammten Reliefs durch Höhenschiehten. Dem Ref. ist der Pinzgau ebenfalls aus eigener Anschauung bekannt, doch ist ihm bei der Leetüre des Heftes nirgends eine erhebliche Ungenauig- keit aufgefallen. Auch das zweite Heft über die Bewohner ist mit der gleichen Liebe und Sachkenntniss ausgearbeitet: Für das Ver- ständniss der hier in Betracht kommenden speciellen Verhältnisse war ein geschichtlicher Abschnitt unerlässlich (S: 203—236); ihm schliesst sich ein kurzer Ueberblick über die Geschichte der, landeskundlichen Bestrebungen an, dann erst werden die Bewoliner doch ist XII. Nr. 6. selbst nach ihrer körperlichen Erscheinung ins Auge gefasst, so- wie der Hausbau, die Siedelungen, die Tracht, die Gebräuche, die Mundart, ferner Ackerbau und Viehzucht, Forstwirthschaft und Jagd, Fischerei und Bergbau, endlich die Heilquellen der Bade- orte, die Unterkunftsstätten und die neuere Erschliessung des Gebirges durch die Alpenvereine wie durch einzelne Pioniere be- sprochen. Allen denen, welche in die Naturverhältnisse und in die ganze Eigenart des Pinzgaues näher eindringen wollen, darf man diese treffliehen Studien Sehjernings auf das wärmste empfehlen. Fr. Regel. Geological Survey of Canada. Annual Report (new series). Volume VIII. Reports A, D, J, L, R, S. 1895. Ottawa 1897. — Preis 1 Dollar. Der umfangreiche Band — höchst billig wie alle diese amerikanischen gelehrten Sehriften bringt: 1. Report A: G. M. Dawson: Bericht über die Vorgänge an der Anstalt, 1895. 2.D: J. Burr Turrell und D. B. Dowling, Rep. on the country between Athabasca lake and Chureill river. 3. 1 Frank D. Adams, Rep. on the geology of a portion of the Laurentian area lying to the North of the island of Montreal. 4. L: A. P Low: Rep. on explorations in the Labrador peninsula, along the East Main, Koksoak, Hamilton, Manieuagan, and portions of other rivers (diesem Aufsatz sind 7 Appendices verschiedener Autoren beigefügt). 5. R: G. C. Hoffmann, Rep. of the section of chemistry and mineralogy. 6. E. D. Ingall, Section of mineral statisties and mines. 1895. — Der Band enthält 7 Karten und 18 Tafeln. Astronomischer Kalender für 1898. Herausgegeben von der k. k. Sternwarte zu Wien. Der ganzen Reihe 60. Jahrgang; der - neuen Folge 17. Jahrgang. Wien, Carl Gerolds Sohn. — Preis 2,40 M. "Ausser dem üblichen Kalendarium nebst Regententafeln, Tarifen u. s. w. enthält der vorliegende Band des bewährten Kalenders: Verzeichnisse von Fixsternen, veränderlichen Sternen, Sternhaufen und Nebelfleeken; Tabelle der Elemente der grossen Planeten und ihrer Monde; Asteroidentafeln; Tafeln für die periodischen Kometen und Sternschnuppenschwärme; ein Ver- zeichniss geographischer Positionen; Tafeln der Werthe der Ele- mente des Erdmagnetismus. Hinzu kommt noch ein Aufsatz: „Die Himmelsphotographie“ von Dr. Friedrich Bidschof (nach einem am 25. XI. 96 in Wien gehaltenen Vortrag) und ein an- derer: „Neue Planeten und Kometen“ von Prof. Dr. E. Weiss. Briefkasten. Hr. Prof. W. — Ihre Anfragen „Zum natürlichen Pflanzensystem der Neuzeit“ beantworten wir wie folgt: A. W. Eichler gab den Fachgenossen in seinem Syllabus der Vorlesungen über specielle und medizinisch-pharmazeutische Bo- tanik (4. verb. Aufl., Berlin 1886), der zunächst nur für seine bo- tanischen Vorlesungen, (zuletztjan der Berliner Universität) bestimmt war, sein mit grosser Anerkennung aufgenommenes Pflanzen- system, das als eine Fortbildung des Brongniart’schen Systems zu betrachten ist; nur muss man gerade wegen der Benutzung des Eichler’schen Syllabus seitens der Botaniker bedauern, dass „einige unbedeutendere“ Familien weggelassen worden sind. Eichler überbliekte, wie nur sehr wenige, das ungeheure pflanzen- systematische Gebiet, sein System wurde gemäss den neueren Fortschritten der Systematik stets in den neuen Auflagen des Syllabus hier und da verändert.*) So sind besonders in der 4. Auflage im Vergleich mit der vorausgegangenen bedeutende Veränderungen in der Systematik der Thallophyten vorgenommen worden. Beispielsweise sind die Myxomyceten, „als richtiger zu Thieren gehörig“, in eine Anmerkung verwiesen und die Flechten als eine Hauptgruppe der Pilze dargestellt worden; auch bei den Algen haben wesentliche Umstellungen stattgefunden. Im Uebrigen *) Siehe auch meine Besprechung der 4. Auflage in der ein- gegangenen, zuletzt von Prof. Vetter herausgegebenen Zeitschrift „Kosmos“ 1886, I. Band (X. Jahrgang, Bd. XVII) S. 315 u. 316. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 67 ist die Stellung und Begrenzung der Abtheilungen im Ganzen dieselbe geblieben; wir heben jedoch hervor, dass die früher mit einem ? zu der „Reihe“ der Urtieinae gestellte Familie der Pla- tanaceen in der 4. Auflage in der Reihe der Saxifraginae er- scheint. Man muss immer Rücksicht nehmen auf die fabelhafte Macht der Gewohnheit im Menschen, und so hat es denn Eichler nicht gewagt, die tief eingewurzelte Zweitheilung des Pflanzen- reichs in Kryptogamen und Phanerogamen zu beseitigen, obwohl die Forschung längst gezeigt hat, dass die höheren Kryptogamen viel mehr Verwandtschaft mit den Phanerogamen als mit den niederen Kryptogamen besitzen. Die schroffe Gegenüberstellung von Kryptogamen und Phanerogamen ist durchaus unzeitgemäss, und wir wünschten, sie wäre bald ganz überwunden. In dem System A. Engler’s und in anderen neueren Systemen kommt der Namen „Kryptogamen“, der ja überdies falsch ist, glück- licherweise nicht mehr vor. Das grosse Werk „Die natürlichen Pflanzenfamilien* (Wilhelm Engelmann in Leipzig), das dieser Botaniker herausgiebt, wird hoffentlich wesentlich dazu beitragen, die abgethane, in Rede stehende Zweitheilung ganz auszumerzen. So sehr nun auch die neueren Autoren wie Engler ihre Systeme durchaus den heutigen Kenntnissen entsprechend zu gestalten ver- suchen, eins dürfen wir nicht vergessen: das wahre natürliche System ist noch lange nicht erreicht. So tief für die Systematik ein- greifende Fortschritte in der Abtheilung der Kryptogamen in den letzten Decennien auch gemacht worden sind, so ist doch die systematische Hauptgliederung der Phanerogamen in den neueren Systemen die gleiche geblieben wie früher. Auch die Familien- Gruppirung weist z. B. bei Engler keine prinzipiell in gleicher Weise wie innerhalb der Kryptogamen nothwendig gewordenen, einschneidenden und bedeutend ins Gewicht fallenden Vorschloden. heiten auf. Mag das nun darin seinen Grund haben, dass die Phanerogamen ja zweifellos besser und länger erforscht sind als die Kryptogamen, bei denen ohne Mikroskop der jetzige Stand- punkt nicht hätte erreicht werden können, so muss man doch andererseits stutzen, dass wir in Bezug auf die Gliederung der Phanerogamen in einer gewissen Beziehung nicht über Linne hinaus sind. Denn verhehlen wir es uns nicht: wie sehr auch in dem Streben, ein „natürliches System“ zu schaffen, darauf hin- gewirkt wird, möglichst die Eigenthümliehkeiten, welche von der ganzen Pflanze geboten werden, zu berücksichtigen, so steht doch noch immer, wie bei dem rein künstlichen System von Linne die Betrachtung der Geschlechtsorgane, bei den höheren Pflanzen also der Blüthen, im Vordergrunde, und insofern haftet auch den heutigen Systemen — das fortgeschrittenste Engler’sche nicht ausgeschlossen — immer noch etwas Künstliches an. Es scheint sich allerdirgs gerade in der Aehnlichkeit des Baues der Blüthen die Verwandtschaft der Pflanzen ammeisten auszusprechen, und mög- licherweise stellt sich daher immer mehr heraus, dass sich durch die fast ausschliessliche Berücksichtigung der genannten Organe wirk- lich ein wahrhaft natürliches System annähernd erreichen lässt. Sicher ist das aber nieht: um dies bestimmt behaupten zu können, dazu reichen unsere Kenntnisse nicht aus. RE Bruchmann, Prof. Dr. H., Untersuchungen spinulosa A. Br. Gotha. — 4 M. Eimer, Prof. Dr. G. H. Thdr., Die Entstehung der Arten auf Grund von Vererben erworbener Eigenschaften nach den Ge- setzen organischen Wachsens. 2. Theil. Leipzig. — 20,50 M. Fortschritte, die, der Physik im Jahre 1896, dargestallt von der physikal. Gesellschaft zu Berlin. Braunschweig. — 30 M. Groth, P., Tabellarische Uebersicht der Mineralien, nach ihren krystallographisch-chem. Beziehungen geordnet. Braunschweig. — 30 M. Küster, H. C. u. G. Kraatz, DD, Die Käfer Europas. Nürnberg. — 3M. Wiepken C. F, und Dr. E. Greve, Systematisches Verzeichnis der Wirbelthiere im Herzogthum Oldenburg. Oldenburg. — 1,50 M. Wundt, Wilh., Vorlesungen über die Menschen- und Thierseele. Hamburg. — 14 M. über Selaginella DB er Bu a Fe nie me 2 am LuPees Be Inhalt: Carl Scherk, Die Fermentwirkung in ihrer Beziehung zum Organismus. — Studium des lebenden Thieres. — Amerikanische “ Feldgrille als Thermometer. — Russ. — Ueber das Oxydichlorpurin. — Ueber die chemische Beschaffenheit der Diastase und über das Vorkommen eines Arabans in den Diastasepräparaten. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Literatur: Dr. Augustin Krämer, Ueber den Bau der Korallenriffe und die DS one elyoR an den Samoanischen Küsten. — Prof. Dr. H. Bruchmann, Untersuchungen über Selaginella spenulosa A. Br. — Dr. Wilhelm chjerning, Der Pinzgau. — Derselbe, Die Pinzgauer. — Geologieal Survey of Canada. — Astronomischer Kalender für 1998, — Briefkasten. — Liste. 68 HOP OH HH HH PHHO HH HH HH HS Dr. Robert Muencke Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. nd 5 & 5 h 0 © Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ® “ “ % SQ % % ® “ ® ® % [2 Kein Risiko! % ® und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. ® OOYHHHPOPOHOHOH HH HH HH HH HH HH HH HH HH Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Carl Zeiss, - Optische Werkstaette. — Jena. Mikroskope mit Zubehör. Mikrophotographische Apparate. % Neue Doppelfernrohre für Handgebrauch. Astronomische Objective und astro- | optische Instrumente. Cataloge gratis und franco. Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckeimann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Photozr?rhische Stativ- und Hand- „ Gameras. Gediegene Ausstattung. | IE Sämmitliche Bedarfsartikel. 4 Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) | Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Dünnschliff- Sammlungen für praktische mikroskopische Uebungen. Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller wichtigen E Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. Rosenbusch ®# „Mikroskopische Physiographie der massiven Gesteine“ Stutt- gart 1896. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste $ gedruckte Beschreibung, derart, dass der Lernende die einzelnen # Gemengtheile der Gesteine makroskopisch und mikroskopisch erkennen und bestimmen kann. F Sammlungen von je 120, 180 und 250 Dünnschliffen in elegantem Etui je Mk. 150, Mk. 225, bez. Mk. 325. Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen Handstücken. (Format 8, x 11 em.) je Mk. 250, Mk. 390, bez. Mk. 575. Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer genauen mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate und für die richtige Auswahl von charakteristischem Material B garantirt werden kann. Dr. F. Krantz, Rheinisches Mineralien-Contor. Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. Geschäftsgründung 1833. Bonn a./Rh. Geschäftsgründung 1833. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde Naturwissensehaftliche Wochenschrift. B| wei Urevangelien. XIII. Nr. 6 Grosse Vortheile! Neues Prinzip für Massen- EEE hetheiligung an industriellen 3 Unternehmungen. Neuheiten-Vertriek. Neu aufgenommen: Durchführung des Butten- stedt'schen Flugprineips (von zwanzig namhaften Gelehrten unterstützt) und Errichtung einer Versuchsstation für Pflugzwecke. Internationaler Verein zur rationellen Verwerthung von Erfindungs-Patenten. Eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht. X Antheile a 10 M. . „Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 A ntheile übernehmen, participirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabrieirten Artikel Gebrauchte Gasmotoren DAMPF- una DYNAMO- MASCHINEN garantirt Paul Wächter Berlin - Friedenau empfiehlt als Spezia- litäten seine Mikroskope und photopt. Ohjetive m Preislisten ‚gratis VL Se und franko. Lo Gans & Goldschmidt, Berlin N., Auguststr. 26. Elektrotechnische Anstalt und mechanische Werkstätten. Spezialität:jElektr. Messinstrumente, Normal-Elemente, Normal- und Praeci- sionswiderstände, nach den Modellen der Physikal. Techn. Reichsanstalt. — Normal- Volt- und Amperemeter, Spiegelgalvano- meter, Physikalische Lehrmittelapparate. Einrichtung von Laboratorien. EEE Franz Bartels, Patent- u. technisches Bureau, Berlin SW., Yorkstr. 19! Billig, sorgfältig, schnell. Reelle Bedienung. betriebsfähig in „allen Grössen ‘sofort lieferbar. Elektromotor, s.n.v.u Schitfpauerdamm'21 Berlin NW. Hempel’s Klassiker -Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandl. In Ferd. Dümmilers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 12 erschien Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am königl. Realgymn. in Berlin 444 Seitengr.8. Preis6M..geb.7.M JLLPREISLISTEN NÜR AN. WIEDERVERKÄUFER uUNS) Ferd. Dümmlers Berlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Das Ziuch Seftis. Die Urevangelien. Neu durchgejehen , neu überjekt, georpnet und u8 den Urfprahen erklärt von Wolfgang Birchbad;. Dftav-Ausgabe 184 Seiten 1,50 M., eleg. geb. 2,25 M. VBolks-Ausgabe 156 ©eiten gebunden 70 Pfennig. 28as lebrte Defus? Von Wolfnang Birchbardy. 256 Oeiten Dftav M., enden 6 M. (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. -- Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. .— 5 BERIE ey Dr A En > Redaktion: Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. as die naturwissenschaftliche chung -ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- den Gebilten der Phantasıe, wırd ff" ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, der ihre Schöpfungen schmückt, Schwendener, ER EI Dr. H. Potonie. y / XIII. Band. Sonntag, den 13. Februar 1898. Nr. 7. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition, Bringegeld bei der Post 15 ,, extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Der Vierteljahrspreis ist HM 4.— > J Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Die Jupitermonde. Von Adolf Hnatek (Wien). Man sollte meinen, dass das Jupitersystem, das seit seiner Entdeckung durch Galilei am 7. und 16. Januar des Jahres 1610, also bald drei Jahrhunderte lang fast fortwährend beobachtet wird, uns nun schon so weit be- kannt sein muss, dass uns zum mindesten keine Frage über dasselbe mehr in Verlegenheit setzen kann und unsere Kenntniss desselben nur mehr geringfügiger Er- weiterungen bedarf, um Anspruch auf Vollständigkeit oder Lückenlosigkeit erheben zu können. Denn einerseits kann ja das System durchaus nicht unermesslich genannt werden, handelt es sich doch nur um 5 resp. 6 Körper in verhältnissmässig geringen Entfernungen von einander, und andererseits ist ja auch die Entfernung von unserer Erde nach astronomischen Begriffen keineswegs allzugross. Nichts. destoweniger scheint es, als wären wir gerade erst jetzt am Anfang unserer Erkenntniss bezüglich des Mondsystems Jupiters angelangt und immer mehr müssen wir erkennen, dass unsere Riesenrefractoren für gewöhnlich zu allem eher taugen, als zu einer erfolgreichen Unter- suchung der Planetenoberflächen und ihrer Monde. Mit der Grösse des Objectivs wächst auch die Dicke des Lufteylinders, welcher frei von störenden Luftströmungen und Wallungen sein muss, um gute Bilder zu geben und die starken Vergrösserungen zu erlauben, deren Ermög- lichung ohne Zweifel auch ein Zweck der Riesenfernrohre ist. Daher ist ein kleines Instrument viel unempfindlicher gegen den Zustand der Luft, obwohl derselbe auch hier nicht gerade nebensächlich ist. Was speciell das Mondsystem Jupiters betrifft, so lassen die Verschiedenheiten in den Resultaten bekannter Forscher keine grosse Sicherheit des behandelten Gegen- standes vermuthen. Gerade in Betreff alles desjenigen, was für uns die physische Kenntniss eines planetarischen Körpers ausmacht, wie Rotationsverhältnisse, Gestaltung der Oberfläche, Abplattung und dergl. tappen wir voll- ständig im Dunkeln. Wir vermuthen . ganz richtig, dass diese im Verhältniss zu ihrem Centralkörper kleinen Körperehen wahrscheinlich auch eine Achsendrehung be- sitzen werden, wie wir dies von den meisten grossen Planeten unseres Sonnensystems wissen; wir vermuthen weiteres mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit, dass es auf der Oberfläche dieser Körper, die an Grösse ungefähr unserem Monde gleichen, dunkle und vielleieht auch helle Flecke giebt, aber unzweifelhaft und deutlich gesehen hat man solehe überhaupt noch nicht und hat auch Pickering seine eigenen in dieser Hinsicht gemachten Beobachtungen für optische Täuschungen erklärt. Und was die geome- trische Gestalt dieser Körper anbelangt, nun so wissen wir, — und in diesem Falle handelt es sich um positives Wissen —, dass diese kleinen Jupitertrabanten nicht immer kugelrund erscheinen, sondern ziemlich oft auch eiförmig und stark elliptisch. Aber unser Wissen ist da- mit auch zu Ende, und eine positive, direete Antwort ist uns unmöglich, wollte man uns fragen, ob diese von der Kugelform abweichende Gestalt constant sei, oder ob diese kleinen Diener unseres mächtigen Zwingherrn an den äusseren Marken unseres Sonnensystems nur zu Zeiten diese abnorme Gestalt annehmen. Und alles dieses Wissen und Vermuthen bezieht sich wieder nur auf die vier schon seit den Zeiten Galileis bekannten Monde und nicht auf den fünften, der von E. E. Barnard am 9. September 1892 mit dem Rieseninstrument der Lieksternwarte auf Mount Hamilton entdeckt wurde. Von diesem letzteren wissen wir, was seine physische Natur betrifft, überhaupt nichts, und was seine Bewegungsverhältnisse anbelangt, auch noch nicht viel. Eine kritische Sichtung der sich aus den vornehm- liehsten Resultaten, die bis jetzt erzielt wurden, ergeben- den positiven Erkenntniss erscheint daher nicht unnütz, umsomehr als die sich durehaus nicht deekenden Ergeb- 70 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. ZU NT. nisse verschiedener Forscher durchaus nicht einwandsfrei sind und schwere Bedenken offen lassen. Drüben in Amerika existirt ein astronomisches Ob- servatorium, das der Liebhaberei eines reichen Privat- mannes seine Entstehung verdankt und mit allen mög- lichen Instrumenten ausgerüstet ist, das Lowell-Observatory. Zum ersten Mal hat dasselbe von sich reden gemacht, als die Marsbeobachtungen Lowells in die Oeffentlichkeit drangen, dann später wieder einmal, als Lowell die seit langen Jahrhunderten offen gebliebene Frage nach der Rotation der inneren Planeten mit einem Schlage ihrer endgültigen Auflösung entgegengeführt zu haben glaubte. Hier machte sich bereits ein energischer Widerstand geltend; während die einen in stiller Bewunderung die Resultate des genialen Amerikaners — Oberflächliehkeit war. von jeher eine Eigenschaft des Genies — anstaunten, wiesen ihm andere, die sich seinen Ausführungen gegen- über etwas skeptischer verhielten, nach, dass er sich bei der Beobachtung hatte Fehler zu Schulden kommen lassen, die in hohem Grade geeignet waren, die Resultate der- selben zu beeinflussen, ja sogar vollständig zu verkehren. Vor einiger Zeit (Astr. Nachr. 5424, 3427) durch- flatterten wieder zwei Telegramme des Flagstaff-Observa- toriums die astronomische Welt, welche anzeigten, dass einer von dessenBeobachtern, Douglass, nun auch die Frage nach der Rotation der Jupitermonde der Lösung näher gebracht habe, durch Bestimmung der Rotationszeit von Ganymed und Callisto*) gleich ihrer Umlaufszeit. Ein Artikel in den A. N. (Nr. 3432) klärt uns über die Gründe auf, die Douglass zu dieser Annahme nöthigten. Auf einer Anzahl Zeichnungen sehen wir dieselben langen, schmalen Streifen wiederkehren, die schon auf der Lowell’schen Venuskarte unser Bedenken erregt haben, die wir schon vor einiger Zeit Bd. XII, Nr. 43 besprochen haben. Auch diese Be- obachtungen wurden mit dem Clark’schen 24-Zöller aus- geführt. Musste schon die auffallend ähnliche Gestaltung der Oberflächen von durch viele Millionen Kilometer von einander getrennten Weltkörpern auffallen, — bekanntlich hat Lowell dieselben, langen schmalen Linien auch auf Mereur gefunden („Mercury“ A. N. 3417), so werden diese Bedenken noch genährt durch die Untersuchungen, die ein anderer von Lowell’s Beobachtern, T. J. J. See, über die Luftverhältnisse des Flagstaff-Observatoriums, sowie über die in Fernrohren sichtbaren, durch die Luftwellen ver- ursachten Zeichnungen angestellt hat. Einige der von dem genannten Beobachter dafür gegebenen Dar- stellungen (A. N. 3455) verrathen eine ganz be- merkenswerthe Aehnlichkeit mit den Douglass’- schen Satellitendarstellungen und lassen Brenner’s Ansicht, dass Lowell und seine Beobachter Opfer ihres 24-Zöllers geworden sind, welcher schlechte und falsche Bilder gebe, nur sehr wahrscheinlich erscheinen. Treffend vergleicht Brenner die Lowell’schen Zeichnungen mit Ab- bildungen von „chinesischen Münzen“ (Brenner, Spazier- gänge durch das Himmelszelt, S. 125). Wenn man weiter bedenkt, dass Brenner selbst ein- mal, am 24. März 1897, als für eine kurze Zeit wallende Luft eintrat, auf der Venusscheibe dieselben langen, schmalen, dunklen Linien sah, welche Lowell beständig sieht, so ist auch diese Thatsache, die wir ebenfalls schon in Nr, 43 des vorigen Jahrganges hervorgehoben haben, nur geeignet, das Misstrauen in die Resultate des Lowell- Observatoriums zu bestärken. **) *) Die Namen Jo, Europa, Ganymed, Callisto für: I-IV wurden im „Nautical Almanae“ pro 1896 eingeführt, scheinen aber wenig Anklang gefunden zu haben. ‘**) Es sei mir gleich hier gestattet, auf eine Notiz Bezug zu nehmen, die Herr Brenner meinem Aufsatz in Nr. 43 kurze Zeit Wir sind also früher bei dem bemerkenswerthen Schlusse angelangt, dass die Douglass’schen Zeichnungen ganz und gar haltlos sind. Vor kurzer Zeit hat ein an- derer bekannter Astronom, E. E. Barnard, in den A. N, (Nr. 3453) wieder Beobachtungen von III und IV ver- öffentlicht, die ihrer Natur nach zwar total verschieden sind von den Wahrnehmungen Douglass’, aber nichtsdesto- weniger des letzteren Schluss auf eine der Umlaufszeit gleiche Rotationsdauer bestätigen. Eine beigegebene Tafel bringt eine Reihe von Zeichnungen, wie sie Bar- nard nach seinen Beobachtungen anfertigte. Bei der auf- fallenden Einfachheit dieser Bilder, die vielleicht auch durch Barnard’s sonderbare Manier, Planetenoberflächen mit ihren hellen und dunklen Flecken zu zeichnen, her- vorgerufen sein mag, wird man schwerlich weit fehl gehen, wenn man die verschwommenen und undeutlichen Flecken, die Barnard gesehen haben will, für optische Täuschungen erklärt. Dann behielie Prenner Recht, welcher behauptet, dass Barnard’s Auge gar nicht fähig sei, so schwache Lichtunterschiede, und um solche handelt es sich hier ja nur, zu erkennen. Was die Polarflecke betrifft, die Barnard wahrnahm, so würden dieselben zwar für eine ziemlich rasche Rotation sprechen und da- her gerade das Gegentheil von Barnard’s Schlusssatz ver- muthen lassen, da aber eine schnelle Rotation aus anderen Gründen unwahrscheinlich ist, so rufen auch jene Polar- flecken gerechte Bedenken in die Competenz Barnard’s in solchen Fragen wach. Wie man aus dem Gesagten entnehmen kann, wissen wir also über etwa auf III und IV vorhandene Flecken- gebilde so gut wie nichts. Vor ungefähr 6 oder 7 Jahren haben Schäberle und Campbell bemerkt, dass der erste Jupitermond zu Zeiten länglich erscheine. Nicht lange darnach, im Jahre 1893, gelang es Pickering in Arequipa alle vier Monde in dieser abnormen Gestalt zu beobachten, und seither sind der- gleichen Beobachtungen allerdings nicht oft, aber. doch einige Male gelungen. Man erinnert sich nun auch, dass schon Seechi, Lassell und Burton den dritten Mond einige Male elliptisch gesehen hatten. Pickering verwerthete sofort die Resultate seiner Messungen und suchte eine etwa vorhandene Periodieität dieser Erscheinungen abzu- leiten und so einen Werth für die Rotationsdauer zu er- halten. Er fand folgende ungefähre Rotationszeiten: Tas zn II 41h 24m III Rotationszeit gleich Umlaufszeit IV n N n Seitdem ist es auch Brenner ziemlich häufig gelungen, die elliptische Gestalt wahrzunehmen, und auch Schia- Ich habe sofort nach Drucklegung von Brenner’s Berichtigung Herrn Brenner selbst auf brieflichem Wege Mittheilung gemacht, dass ich das Datum, — ich hatte nämlich geschrieben, dass Brenner die eben besprochene äusserst wichtige Beobachtung be- züglich der Venusscheibe am 24. April angestellt — dem „Sirius“ entnommen habe und dass daher der Fehler nicht auf meine Kosten zu setzen sei; wie ich aber die falsche Jahreszahl — 1895 statt 1897 — in der Correctur stehen lassen konnte, ist mir selbst unbegreiflich. Hiermit sei jene Stelle meines Artikels nun auch von meiner Seite corrigirt, Was weiter jene Herren betrifft, die Brenner als mit seiner Ansicht übereinstimmend anführt, so sei dem entgegnet, dass ich dieselben keineswegs vergessen habe; ich habe, wie ja auch die wenigen von mir angeführten Gegner be- weisen, — viele giebt es ihrer überhaupt nieht —, nur einige der bekannteren Vertreter ausgewählt, zu denen ja ohne Zweifel Brenner, Flammarion und vielleicht auch Trouvelot gehören, Schliesslich geht sowohl aus dem Artikel in Nr. 43, sowie aus den wenigen Stellen des vorliegenden, wo ich Lowell’s Ergeb- nisse bezüglich der Mereur- und Venusrotation berühren konnte, hervor, dass auch ich nicht zu den Anhängern der langen Rota- nach seinem Erscheinen in Nr. 47 des vorigen Jahrganges widmete. | tionsperiode der inneren Planeten gehöre. NIE Nr. 7. parelli hat den ersten Mond öfter elliptisch, aber mit einiger Unsicherheit, gesehen, wie er dies Brenner mit- theilt. Wie wichtig eine genaue Beobachtung dieser Er- scheinungen ist, geht aus den Ausführungen Brenner’s hervor, weleher in seinem neuesten Buche „Spaziergänge durch das Himmelszelt“ (Seite 205) sagt: „Der Formwechsel scheint entweder vom Umlaufe abzuhängen oder willkürlich zu sein. Welches das Richtige ist, dies zu entscheiden, müsste ich mehr Beobachtungen gemacht haben und das kann erst im nächsten Jahre ge- schehen. Sollte ersteres das Richtige sein, dann würde daraus folgen, dass bei den Satelliten (geradeso wie bei unserem Monde) Umdrehungszeit und Umlaufszeit einander gleich sind; denn nur auf diese Weise liesse es sich er- klären, dass die Elliptieität der Monde von ihren Stellungen während ihres Umlaufes abhängt. „Sollte sich jedoch herausstellen, dass die Elliptieität zwar in regelmässigen Zeiträumen eintritt, diese aber nicht mit bestimmten Stellungen während des Umlaufes zusammenfallen, so hätte Piekering Recht, der vermuthet, dass sich die Satelliten nicht um die kleine, sondern um ihre grosse Achse drehen. „Stellt es sich jedoch heraus, dass die Eiförmigkeit in unregelmässigen Zeiträumen und in verschiedener Form eintritt — so wie dies aus meinen Messungen hervorzu- gehen scheint — so würde man daraus schliessen müssen, dass die Jupiter-Monde keine festen Körper sind, sondern weiche, deren Bestandtheile unter der Anziehung der Nachbarn verschiedenartig auseinandergezerrt werden. In diesem Falle läge aber die Annahme nahe, dass die Jupiter-Satelliten nichts als Zusammenballungen von win- zigen kosmischen Körpern (oder Meteoriten) sind, ähnlich dem Saturnringe oder unserem dieksten irdischen Nebel.“ Letztere Annahme, welche die Jupiter-Monde als eine Anhäufung von Meteoriten darstellt, erscheint nicht sofort plausibel. Es wäre möglich, was natürlich ohne vorhergegangene mathematische Untersuchung nicht vorweg mit Gewissheit behauptet werden kann, dass die ungeheure Anziehungskraft Jupiters und die verhältnissmässig sehr rasche Umlaufsgeschwindigkeit der Monde, (zum mindesten des I. und vielleicht auch II.) eine ähnliche Verstreuung der Partikelehen längs der Bahn zur Folge hat, wie sie die Sonne auf die Kometen im Perihel ausübt (Biela). Die Folge wäre ein Ring, ähnlich dem Saturnring. Auch die Auflösung eines Mondes würde uns also in diesem Falle Ringformen liefern ebenso wie Naturwissenschaftliche Wochensehrift. 711 die Kant-Laplace’sche Theorie. Dann kömnte auch die Annahme nicht verwehrt werden, dass sich der Saturnring auf diese Weise aus abgestorbenen, zerfallenen und aufge- lösten Monden gebildet hat. Wie schon oben bemerkt, lässt sich aber ohne mathematische Discussion der Ver- hältnisse nichts Entschiedenes aussprechen. Ein flüssiger Zustand aber widerspricht der Kant- Laplace’schen Theorie. Nach derselben ist Jupiter un- zweifelhaft bedeutend älter als unsere Erde und daher sind höchst wahrscheinlich auch die Jupitertrabanten „be- jahrter“ als unser Mond. Da sie nun ungefähr von der- selben Grösse sind wie der letztere, so dürften sie auch ungefähr dieselben Stadien durchgemacht haben und daher zum mindesten ebensoweit in ihrer Entwickelung vorge- schritten sein wie derselbe. Zwar spricht die geringe Dichte der Jupitermonde gegen einen festen Zustand der- selben, aber es giebt auch Stoffe, die eine ziemlich ge- ringe Dichte besitzen und es hindert uns obendrein nichts anzunehmen, dass bei der durch die Abkühlung hervor- gerufenen Zusammenziehung die Bildung zahlreieher Hohl- räume ermöglicht wurde. Wir neigen also eher der Ansicht zu, dass wir es hier mit festen Körpern zu thun haben. Sollte diese Ansicht Recht behalten, so könnten wir weiter behaupten, dass die Rotationszeit dann auf jeden Fall von der Umlaufs- zeit nicht viel verschieden sein werde. Denn die durch den mächtigen Centralkörper hervorgerufenen, ungeheuren Gezeitenwirkungen werden die vielleicht anfangs rasche Rotation dieser Körperchen gar bald verlangsamt haben. Auch von einer Atmosphäre dürften die Jupitermonde kaum viel wissen, denn dieselbe dürfte sofort von Jupiter an sich gezogen worden sein. Die Lebensbedingungen, die uns die Jupitermonde bieten würden, sind also ziem- lich trostlos. Wenn wir also unsere Kenntnisse bezüglich der phy- sischen Beschaffenheit der Jupiter-Monde summiren, so kommt trotz der immerhin ganz beträchtlichen Anzahl von Beobachtungen, welche vorliegen, doch eine gähnende Leere heraus, in der sich die einzelnen materiellen Punkte unseres positiven Wissens wie Tropfen im Weltall aus- nehmen. Der Hauptgrund liegt offenbar darin, dass eigentlich systematische Beobachtungen noch nicht ange- stellt wurden und dort, wo sie begonnen wurden, entweder die nöthigen Instrumente oder die auch für ausgezeich- nete Instrumente nöthigen guten und erfahrenen Beobachter fehlten, die von den unerlässlichen scharfen Augen unter- stützt, die Sache beim rechten Fleck angefasst hätten. Ziele und Aufgaben naturhistorischer Museen. Von Dr. Anton König in Saaz. Ein erfreulicher Zug unserer Zeit geht dahin, einen | und in einer Art komischer Verblendung Interesse voraus- möglichst grossen Theil der Menschen an den Errungen- schaften von Kunst und Wissenschaft theilnehmen zu lassen, und die Mitfreude vieler ist ein edler Sporn ge- worden im Ringen nach den höchsten Gütern der Wahr- heit und Schönheit. Nicht immer war es so! Ins- besondere das Wissen war lange, nur zu lange für jeden Freund der Menschheit ein esoterisches, und wie die Ge- lehrsamkeit alter Zeit des geheimnissvollen Dunkels nicht entrathen konnte, vermied sie auch die enge Berührung mit der Allgemeinheit, ihr und der Menschheit zum Schaden! Jede Wissenschaft geht heute darauf aus, den Kreis ihrer Freunde möglichst zu erweitern, Interesse an ihren wichtigsten Resultaten zu erregen. Ja der Eifer geht manchmal soweit, dass die Kreise zu weit gezogen gesetzt wird, wo es unmöglich sein kann, und ein Kampf um die Oberherrschaft Platz greift, der nur zur Zer- splitterung der Interessen führen kann. Die Naturwissen- schaften sind es in erster Linie gewesen, die sich die Theilnahme der breitesten Schichten erzwangen, und nicht bloss durch den Aufschwung, den ihnen die Neuzeit brachte, sondern auch vermöge ihres Gehaltes an tiefen Wahrheiten allgemeinster Art. Nicht allein der äussere Erfolg, der sich in den Siegen der Technik über das spröde Material der Naturkräfte ausspricht, stempelt unser Jahrhundert zum naturwissenschaftlichen, es ist auch die Macht der Ideen! Die Prineipien der Erhaltung der Energie, die Erkenntniss des stets fortdauernden Werdens der Dinge, des inneren Zusammenhanges der 12 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 7. Organismen, wie sie die Descendenztheorie lehrt, all das ist, wenn auch oft unbewusst, dem modernen Menschen ein Stück seiner Selbst! Die Naturwissenschaften be- nützen die Wucht des sinnlichen Eindruckes, der mehr und rascher überzeugen kann, denn ein kunstvoller Syllo- gismus. Anschauung zu bieten, das Schauen zu schulen, vom Schauen zum bewussten Sehen hinzuleiten und von dort zur Abstraction ewiger Gesetze zu gelangen ist ihre Aufgabe. Eines ihrer gewichtigsten Hilfsmittel sind jene Sammlungen von Naturdingen, die als Museen bezeichnet werden. Dass diese ein mächtiges Hilfsmittel zur Ver- breitung naturwissenschaftlicber Kenntnisse sind, wird Jeder ohne Weiteres zugeben. Inwiefern sie ihrer Auf- gabe gerecht werden, inwiefern sie ihre Aufgabe noch nicht in vollem Maasse erfüllen, weil sie nieht für die Bildung des Volkes das leisten, was sie könnten: das in knappster Kürze zu zeigen, wird die Aufgabe der folgenden Zeilen sein. Die Entstehung der Museen kann leicht auf zwei Wurzeln zurückgeführt werden, auf die Neigung des Menschen, seltsame und fremdartige Naturdinge anzu- häufen und auf das Bestreben, Schätze der Kunst und menschlicher Kunstfertigkeit aufzuspeichern. Von ersterer Neigung schreiben sich die naturwissenschaftlichen, von letzterer die kunsthistorischen und Gewerbemuseen her. Schon die griechischen und römischen Schriftsteller melden von den prunkvollen Schatzkammern der Mächtigen und von den wunderbaren Erzeugnissen ferner, sagen- umwobener Länder, die diesen selten fehlten. Denn das werthbestimmende Moment für Naturdinge war Anfangs allein deren Seltenheit. Curiosa, Raritäten, Lusus naturae, darnach strebte man, getreu dem psychologischen Ge- setze, dass das Fremdartige mit viel grösserem Nach- druck in das Vorstellungs- und somit Begehrungsleben des Menschen eintritt, als das Alltägliche. Dieser Gesichts- punkt blieb lange Zeit der herrschende, und er zeitigte noch in später Zeit sonderbare Früchte. Warum sollte ein findiger Kopf nicht die Natur in Curiosis übertrumpfen können. In Gessner’s prächtigem Thierbuche findet man neben den für ihre Zeit meist trefflichen Abbildungen auch Monstra abgebildet, die man oft so deuten kann, dass ein Gauner mit vieler Geschicklichkeit der Natur ein Schnippchen geschlagen und den gelahrten Sammler, dem die Möglichkeit genauer Nachprüfung fehlte, genas- führt habe. Mit der Bereicherung der Kenntnisse, wie sie hauptsächlich die Entdeckung neuer Welttheile mit sich brachte, wuchs das Thatsachenmaterial in solchem Maasse, dass sich ein neues Prineip, das des wissen- schaftlichen Interesses, mächtig geltend machte. Die Oekonomie des Menschengeistes wies diesem sogleich seinen Weg zur Beherrschung der verwirrenden Menge. Nicht zufällig fällt der hohe Aufschwung der Systematik in die Zeiten, welche dem Alter der Entdeckungen folgten. Die Sucht nach Curiositäten schwand natürlich nicht mit einem Schlage vom Schauplatz, ihr wurden sogar neue Felder der Thätigkeit eröffnet. Es mag nur auf die verrückten Preise hingewiesen werden, die einzelne Conchylien erzielten, ganz analog der Tulpenmanie der Holländer. Aber die Freude an der Systematik, die sich so recht vereinbart mit dem Wunsch, in sauberer Ordnung all die Thiere und Pflanzen und Steinarten zu besitzen und aufzustellen, erwies sich als schöpferisch genug, um eine Reihe von Raritäten-Cabinetten allmählich zum Range bedeutender wissenschaftlicher Sammlungen zu erheben. Wir wollen hier absehen von jenen Sammlungen, die, dem Bedürfniss des Unterrichts entsprungen, an Universi- täten entstanden. Ihre Aufgabe ist es, die Belegstücke und das Anschauungsmaterial für einen bestimmten Kreis von Fachstudirenden zu liefern, und sie haben insofern einen hohen wissenschaftlichen Werth, als sie der Er- ziehung zur Wissenschaft dienen. Insofern sie noch über eine längere Zeit der Entwiekelung verfügen, bieten sie Material zum Studium der Geschichte der Wissenschaft. Für die allgemeine Bildung kommen sie weniger in Betracht. Die grössten Sammlungen von Naturalien konnten natürlich nur mit bedeutenden Geldmitteln angelegt und erhalten werden. Dies macht es erklärlich, dass sie an den Sitzen der Fürsten, in den grossen Städten sich be- fanden und im Contact mit den Vertretern der Wissen- schaft zu immer grösserem wissenschaftlichen Werthe heranreiften. Dieser Weg blieb den kleineren Sammlungen der Provinzstädte versagt. Dafür eröffnete sich ihnen ein anderes Gebiet, die Landeskunde, denn vom Interesse am Fremden schreitet der gebildetere Geist bald vorwärts zu vertieftem Interesse am Heimischen. ‘So könnte, kurz ge- sagt, die Entwiekelung der Museen als von zwei Ge- danken beherrscht erscheinen, vom naiven Interesse am Seltsamen und vom wissenschaftlichen Inter- esse an den Naturdingen. Der zweite Gedanke ist jetzt zu vollster Herrschaft gelangt und jede Sammlung strebt naturgemäss wissen- schaftliche Ordnung und thunlichste Vollständigkeit an. Freilich kommt hinzu die Rücksichtnahme auf die Oeffentlichkeit, die es verlangt, einen möglichst grossen Theil der Sammlung in schöner, dem Auge gefälliger Weise aufzustellen. Damit aber, dass der Schritt in die Oeffentlichkeit gewollt und gethan wird, treten die Museen in die Reihe der Bildungsmittel des Volkes, und wir stellen hier die Forderung auf, dass dieser Gedanke in viel nachhaltigerer Weise zu betonen ist, als es gegen- wärtig geschieht. Von selbst hat sich bei allen grossen Museen eine Art Zweitheilung ergeben, indem das vorhandene Material entweder der Sechausammlung, d. h. dem allgemein zugänglichen und sichtbaren Antheil oder aber der Arbeitssammlung zugetheilt wird. Naturgemäss ent- hält die Schausammlung die wichtigsten Typen und ferner besondere Prachtstücke, die durch Ausbildung, Grösse, Herkunft ete. hervorragend erscheinen. Das Aufstellungs- prineip ist fast durchwegs das wissenschaftliche System, ab und zu findet man bereits Ansätze zu einer biolo- gischen Gruppirung. Ueber die Bedeutung der Arbeits- sammlungen braucht wohl nicht viel gesagt zu werden. Immer unabsehbarer wird in den beschreibenden Natur- wissenschaften das Heer der bekannten Objecte, immer schwieriger der Ueberblick über selbst kleine Gebiete, das Gespenst der Synonymie nimmt bedrohliche Dimen- sionen an. Wort und Bild vermögen ein Naturproduct nicht immer, ja nur selten so zu kennzeichnen, dass eine Verwechslung ausgeschlossen ist. Denn auch die beste Beschreibung kann immer nur jene Merkmale verwenden und mit jenem Grade von Genauigkeit festlegen, wie sie der jeweilige Stand der Erkenntniss verlangt. Ob ihnen für alle Zeit dieser Werth zukommt oder ob nicht Merk- male, die zur Zeit als höchst nebensächlich erscheinen, später von grösster Wichtigkeit sein werden, das sind Erwägungen, die keinen Forscher veranlassen können, seinen Diagnosen durch allzugrosse Breite Brauchbarkeit und Schärfe zu nehmen. Dadurch gewinnen Original- exemplare die höchste Bedeutung, sie werden gleichsam zu Urkunden der Forschung und grosse Museen werden darnach streben, vollständige Archive dieser Urkunden zu werden. Wie man heute Separata von Xu Near Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 13 Arbeiten an öffentliche Bibliotheken einsendet, ja dies in manchen Fällen pflichtmässig thun muss, so soll der Ge- brauch Originalexemplare beschriebener Formen und Originalpräparate an Museen einzusenden allgemein üblich werden. Pflichtmässige Einsendung könnten Museen erreichen, welche gleichzeitig Zeitschriften herausgeben, wenn sie die Aufnahme von Publikationen von der Zuwendung eines Originales abhängig machten. Systematische Arbeiten würden dann noch mehr an den Museen gepflegt werden als jetzt und erführen durch ein geordnetes Ausleihverfahren grosse Förderung. Provinzialmuseen würde eine ähnliche Aufgabe auf dem Gebiete landeskundlicher Forschung zufallen. Sie müssten sich es angelegen sein lassen, möglichst voll- ständige Aufsammlungen der Naturproducte des betref- fenden Kreises in wissenschaftlich eorrecter Weise herzu- stellen. Auch davon müsste Abstand genommen werden, dass, wie es jetzt oft geschieht, gerade die werthvollsten Dinge in die Museen der Grossstädte geschleppt werden, ein Verfahren, das nur zu billigen ist, wo es sich um Unica höchsten Werthes handelt. Soweit die wissenschaftliche Aufgabe der Museen! Die Schausammlungen sind es, welche als Bildungs- mittel dienen müssen, und hier scheinen Reformen wünsehenswerth. Da es sich für den Laien, der seine Anschauungen bereichern und vertiefen oder neue Ein- drücke gewinnen will, der bestrebt ist, aus der Fülle der Einzeldinge allgemeine Einsichten zu erringen, nicht angeht, sich ins wissenschaftliche Detail zu vertiefen, oder die langwierige Theorie zu erlernen, so muss die Art der Darbietung einen grossen Theil der Arbeit auf sich nehmen. Während die Forscher Vollständigkeit ver- langen, muss der Laie Beschränkung fordern. Denn ihn betäubt die ungeheure Masse der Einzeldinge, sie setzt dermaassen in Respect, dass der eingeschüchterte Geist auf. dem Stadium-des-Staunens stehen bleibt, ohne zu dem des bewussten Schauens vordringen zu können. Grelle Einzelnheiten werden im Kampfe der Eindrücke oft das Bedeutungsvollste niederringen. Es wird unmöglich für den ungeschulten Geist sein, in der Mannigfaltigkeit das alles umfassende Gesetz zu erkennen und somit wird für die Bildung, die ja-nicht ein Conglomerat von Einzeln- kenntnissen, sondern eine organische Masse verarbeiteten und angeeigneten Bildungsmateriales sein muss, kein Ge- winn sich ergeben. Die jetzt fast allenthalben beliebte Anordnung der Schausammlungen, etwa das Königl. Museum für Natur- kunde in Berlin und die Sammlungen des Senkenber- gischen Institutes in Frankfurt ausgenommen, ist eine rein systematische. Durch eine lange Flucht von Sälen wandert der Beschauer zwischen Glasschränken hin, aus denen eine Unmasse von Objeeten ihn anstarren. Spärlich sind sogar die Aufsehriften, und die Kataloge enthalten oft — ja sie können es gar nicht enthalten — nieht einmal die Namen aller schönen Dinge, die zu sehen sind. Zudem ist nicht jeder Besucher gewillt für den Katalog etwa mehr aus- zugeben, als der Eintrittspreis beträgt. Die erste For- derung wäre demnach: Beschränkung der ausgestellten Objeete, Erläuterung derselben durch daneben angebrachte Zeichnungen und Aufschriften, die knapp, aber deutlich das hervorheben, was durch das betreffende Object ge- zeigt oder gelehrt werden soll. Nieht stumme Parade- stücke, sondern lebende Zeugen! Allerdings muss man sich darauf gefasst machen, eine Schaar von Gaffern unter den Besuchern zu missen. Dafür werden die Besucher höheren Gewinn haben. Die nächste Forderung ist: Das wissenschaftliche System darf nicht mehr allein als leitendes Prineip der Anordnung sein, es muss viel mehr Gewicht auf andere jeete Momente gelegt werden. Für den anorganischen Theil ist stets die Beziehung zum Menschen hervorzuheben. Also die technische Verwerthbarkeit eines Minerals oder einer Mineralgruppe! Ferner ist das Werden und Ver- gehen der anorganischen Welt ins rechte Licht zu setzen und stets an die nächste Umgebung des Ortes anzu- knüpfen. Für die organische Welt wird mehr zu betonen sein, die biologische Zusammengehörigkeit der Organismen, die Lebensgemeinschaften, Anpassung der Organismen an ihre Umgebung, ihr Aufbau aus verhältnissmässig wenig mit einander gleichartigen Bausteinen, die Umgestaltung der- selben in Folge der verschiedenen Anforderungen, also funetionelle Anpassungen, Beziehungen zum Menschen u. 8. w. Trotz der vielseitigen Pflege und Förderung, die das Volksbildungswesen in unserer Zeit erfährt, sind die Re- sultate nieht im richtigen Verhältnisse zur aufgewendeten Mühe. Es fehlt an der richtigen Concentration der zer- splitterten Bestrebungen, es fehlt an einer brauchbaren Theorie des Volksbildungswesens. Sonst müsste es leichter sein, den Platz und die Aufgaben so wichtiger Bildungs- mittel, wie die Museen sind, festzustellen. In Verbindung mit Volksbibliotheken sollen Museen — wenn auch be- scheidenster Art — in jedem Orte entstehen. Die Ob- der Museen sollen den Verweis auf bestimmte Bücher der Bibliothek an ihrer Aufschrift haben, und in den Büchern soll es nicht an weiteren Fingerzeigen auf andere Objeete der Sammlung fehlen. Diese kleinen und kleinsten Museen hätten keinerlei wissenschaftlichen Zweck zu verfolgen, sondern blos einen didaktischen. Didaktische Grundsätze sollen die Wahl der Objeete, die Art der Aufstellung derselben be- stimmen. Freilich fände, wie schon oben angedeutet, müssige Neugier und gedankenlose Schaulust ihre Rech- nung nicht dabei, freilich würde-nur derjenige einen Ge- winn ziehen, der einen ziehen wollte, d. h. dem es um Aneignung von Kenntnissen und Bildung wirklich zu thun ist! Und einem anderen mag man zur Bildung helfen mit allen möglichen Mitteln, bei der Bildung ist jeder sein eigner Bildner; alles andere ist nur das noth- wendige Material. Es mag zum Schluss noch gestattet sein, utopistisch und skizzenhaft Andeutungen zu geben, wie ich mir etwa die Ausführung eines solchen Planes denke. Es stuft sich da das Bedürfniss ab. Typen könnte man nennen das Dorf mit Ackerbau und Viehzucht, den Markt mit Industrie und Handel, die Stadt mit Handel, Gewerbe und Industrie. Das Dorfmuseum behandelt folgende Themen: Hy- giene und Somatologie, Grund und Boden, Nutzpflanzen, ihr Lebensprocess, ihre Feinde. Nutzthiere, nützliche und schädliche Thiere der Gegend! Das Museum des Marktfleckens: Hygiene und Soma- tologie mit besonderer Rücksicht auf die örtlichen Ver- hältnisse. Die Lebensgemeinsehaften der Umgebung de- monstriren die Thier- und. Pflanzenformen unter Berück- sichtigung der biologischen Grundsätze, der Anpassung u. s. w. Der Lebensprocess bei Thier und Pflanze. Die wichtigsten Handelsproducte, deren Herkunft, Verwen- dung ete., daran anschliessend das auswärtige Material. Grund und Boden der weiteren Umgebung als Einführung in die Geologie. Die Materiale der im Orte betriebenen Industrien. Stadtmuseum. Hygiene und Somatologie mit Rück- sieht auf die örtlichen Verhältnisse. Geologie und Mine- ralogie des Landes, ausgehend von der Umgebung der Stadt, Beziehungen zu Industrie und Handel. Kenntniss der wichtigsten Thierformen des Landes unter Berück- 74 siehtigung der Lebensgemeinschaften, der Anpassungen u. s. w. Typen der wichtigsten Thierklassen zum Ver- gleich ihres Bauplanes und ihrer Anatomie. In ähnlicher Weise die Botanik behandelt. Jederzeit muss der innigste Anschluss an die un- mittelbare Umgebung eingehalten werden, und daher lassen sich nur für conerete Fälle bestimmtere Angaben liefern. Sollten aber die vorangehenden Zeilen einige Anregung auf eimem gegenwärtig wenig ausgenützten Felde der Thätigkeit geben, so wäre ihr Ziel erreicht und das Streben des Autors, ein kleines Scherflein zur wahrhaften Förderung der Naturwissenschaft im Volke beizutragen, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. AIR Nr.te in schönster Weise belohnt, auch wenn in der Aus- führung vieles ganz anders würde, als er es selbst hoffte und wünschte *). *) Nach Abschluss dieser Korrektur erhielt ich dureh. die Redaction die Abhandlung Prof. Dr. K. Kraepelins „Die Be- deutung der naturhistorischen, insonderheit der zoologischen Museen“, Naturw. Wochenschrift 1888, in welcher dieselben Be- denken gegen die Art des Musealbetriebes mit noch grösserer Ausführlichkeit hervorgehoben und die gleichen Mittel zur Abhilfe angegeben werden wie von mir. In Bezug auf die Ausnützung der volksbildenden Thätigkeit der Museen gehen meine Aus- führungen noch einen Schritt weiter als die Prof. Kraepelins. Ueber den @eruchssinn der grossen Wegschnecke, Limax maximus theilt L. G. Adams eine hübsche Be- obachtung in dem Journ. of Conchol., January 1898 mit. Er beobachtete eine solehe Schnecke, wie sie auf eine 6 Fuss entfernte Platte mit den Resten einer Hunde- Mahlzeit, Knochen und Bohnen, hinkroch. Als sie die Platte erreicht hatte, nahm A. diese weg und leste sie wieder 6 Schritte von der Schnecke entfernt nieder. Letztere kroch direet auf sie zu. Als sie 4 Fuss zurück- gelegt hatte, nahm A. wieder die Platte weg und legte sie in anderer Richtung 3 Schritte entfernt nieder. So- fort wendete sich die Schnecke und kroch wieder direct auf die Platte zu. Eine Wiederholung dieses Versuches gelang ebensogut. Immer wendete die Schnecke augen- bliecklich und kroch direet auf die Platte zu. Da es schon dunkel war und die Schnecke ausserdem im Grase kroch, konnte sie die Platte unmöglich sehen und nur durch ihren Geruchsinn geleitet werden. Reh. Hautflügler, die im Wasser leben, sind selten. 1863 lehrte J. Lubbock zwei Formen, Polynema natans und Prestwichia aquatica, kennen. Die letztere hat nun neuerdings V. Willem näher untersucht (Bull. seient. France et Belgique, T. 30, 1897, S. 265ff.). Das Weib- chen ist kaum 1 mm, das Männchen 0,7 mm gross. Der Kopf trägt zwei Netz- und drei Punktaugen, sowie zwei siebengliederige Fühler. Das Weibchen trägt grössere Vorder- und schmalere und kleinere Hinterflügel mit langen Haaren an den Rändern, das Männchen hat ver- kümmerte Flügel. An der Hinterbrust befinden sich zwei Stigmen. Da am Tracheensystem ein Luftsack fehlt, müssen die Thiere eine ausgedehnte Hautathmung haben. Sie können stundenlang unter Wasser bleiben. Die be- obachteten Exemplare erschienen in einem Potamogeton enthaltenden Aquarium mit Agrionlarven zusammen. Offenbar waren ihre Eier in die von Agrion abgelegt. Sie schwimmen nach Art der Wassermilben mit den Beinen, gehen aber auch auf Pflanzen und an den Wänden des Aquariums einher. Auch auf der Wasseroberfläche können sie einhergehen. Offenbar fehlt den Weibehen auch das Flugvermögen nicht. C. Mft. Ueber den Appetit und die Häutungen indischer Schlangen in Gefangenschaft berichtet A. Günther in den Ann. Mag. nat. Hist. January 1898, nach dem Verwaltungs-Bericht des Madras-Museums. Python mo- lurus, die Tigerschlange, frass 59 Ratten, 2 Wachteln und 8 Eiehhörnehen jährlich, häutete sich am 12. April, 2. Juli und 17. December. Zamenis mucosus, die Zorn- natter, frass 135 Frösche, häutete sich monatlich. Dryophis mycterizans, Peitschenschlange, frass 44 Mäuse und 6 Frösche und häutete sich am 28. Mai, 9. August und 25. October. Le HE m m in en a — Eryx Johnii frass 17 Ratten, häutete sich am 24. April, 28. Juni, 18. December und 14. Januar. — Gongylophis eonieus: 65 Ratten; 30. April, 4. Juni, 22. Juli, 4. Oc- tober. — Tropidonotus stolatus: 130 Frösche; 28. Juni, 6. und 27. Juli, 3. September, 14. December, 18. Januar, 27. Februar. Sie legte Eier am 17. und 20. August (je 1), 22. August (2), 12. und 14. September (je 3), 15. September (1), 18. September (3). Bungarus ceoeruleus häutete sich am 7. Dezember, 13. Januar, 27. Februar. Dendrophis pietus, Baumschlange: 94 Frösche; 2. April, 6. Mai, 28. Juni, 27. Juli, 29. Oetober. — Vipera russellii, eine junge: 27 Mäuse, 2 kleine Ratten, 5 Eichhörnehen, 4 Frösche; eine alte: 27 Ratten, 5 Eichhörnchen. Erstere häutete sich am 16. Juni, 31. Juli, 6. October, 27. De- cember. — Eine Wassernatter, Tropidonotus quineuneiatus legte am 26. Februar 36 Eier. Reh. Ueber eine Krankheit der Aale in der Gefangen- schaft berichtet der dänische Fischereikonsulent A. Fed- dersen in Nr. 34 des „Dansk Fiskeriforenings Medlems- blad.“ Die Erscheinungen der Krankheit, die Feddersen als „Rothseuche“ bezeichnen möchte, sind etwa fol- gende: Zunächst werden die äussersten Spitzen der Sehwanzflosse und der oberste Rand der Rückenflosse blutroth, bald wird auch der Bauch blutig gesprenkelt, und es treten am ganzen Körper solche Flecken in grösserer oder geringerer Ausdehnung auf. Dann ist der Aal bereits matt, kehrt häufig den Bauch nach oben und lässt sich leicht in der Hand halten. Als letztes Zeichen, bevor der Tod eintritt, erscheinen an der Schwanzspitze, der Rückenflosse, an verschiedenen Stellen des Körpers geschwürige Pusteln, während die Haut sich in Fetzen ablöst; ausserdem umgiebt sich die Analöffnung mit einem rothen, schmalen Ring, um den sich ein etwas breiterer von grauer Farbe legt. Das sogenannte Hilfsherz des Schwanzes stellt früh seine Thätigkeit ein oder pulsirt nur schwach, das Adernetz des Darmes ist stark blut- getränkt, die Darmwände gespannt und von röthlicher Farbe, der Darminhalt besteht aus einer dünnen, reichlich wasserhaltigen Flüssigkeit. Wird der tote Aal aus dem Wasser genommen, so wird er alsbald grau und schleimig und beginnt zu faulen. Diese Seuche soll schon früher an der Südküste der Ostsee und in Holland aufgetreten sein, doch liegen bis- her keine näheren Beschreibungen oder eingehende Unter- suchungen vor. Feddersen machte seine Beobachtungen im Jahre 1896 an der Küste von Süd-Seeland und in diesem Jahre im Limfjord, und zwar sah er sie an Stellen auftreten, wo der Aal bisher gesund geblieben, nachdem die Temperatur des Wassers 14° R. überschritten hatte. Ihre Ausbreitung ging so schnell vor sich, dass innerhalb 24 Stunden ein Fang von mehreren 100 Pfund 'abstarb. Ein von Feddersen untersuchtes Gewässer, wo in den XII. Nr: 7. Naturwissenschaftliche Wochensehritt. 75 Fischbehältern die Seuche ausgebrochen war, wies eine Wassertemperatur von 16° R., vom Boden, der allerdings etwas moderig, stieg zu Tausenden junge Aalbrut auf, da gerade dort sich ein Bach in den Fjord ergoss, nirgends fand sich tote Aalbrut oder tote Aale im Fjord. Man hat beobachtet, dass, je tiefer der Behälter im Wasser steht, desto geringer die Sterblichkeit ist, dass ferner der lebend aus ihnen genommene Aal noch in den Transport- fahrzeugen erkrankt und abstirbt. Diese Thatsache würde zu der Annahme führen, dass die Krankheitserreger in dem sehr warmen Oberflächenwasser zu suchen sind, und dass der Aal, der sich in diesem Wasser befunden, die Ansteekung mitbringt, der er erliegt. Es hat sich auch als nutzlos erwiesen, die Fischbehälter an eine andere Stelle oder in tieferes Wasser zu bringen, nur wenn sie sehr tief oder bis auf den Boden gesenkt wurden, ver- minderte sich die Seuche. Die Blutextravasate, die Schwellung des Körpers, die Lösung der Haut könnten vielleicht auf die Wirkung von Bacterien deuten, es ist jedoch ebenso wenig ausgeschlossen, dass die Ursache der Rothseuche darin zu suchen ist, dass das erwärmte, luft- arme Wasser ungenügend ist, um die Athmung der in den Behältern zusammengedrängten Aale zu unterhalten, und dass den Extravasaten eine Erstickung zu Grunde liegt. Eine bemerkenswerthe Thatsache ist schliesslich, dass diese Krankheit, die weder jungen noch alten, weder gelben noch Blankaal verschont, nur periodisch auftritt und sich keineswegs in jedem warmen Sommer zeigt. G. Adam. Ueber die Protoceratiden, eine fossile Gruppe der Artiodactyla, bringt der berühmte, amerikanische Paläon- tologe Prof. Othniel Charles Marsh eine zusammen- hängende Darstellung in dem Septemberheft des „Amer. Journ. of Seience“, S. 165—176 (mit 6 Tafeln). Der Ge- nannte entdeckte die Gattung Protoceras im Jahre 1891 in dem Miocän von Süd-Dakota; seitdem sind noch mehr- mals fossile Reste dieser Gattung aufgefunden worden, so dass mehrere Arten (celer, comptus) aufgestellt werden konnten. Der Kopf von Protoceras war mit 4 Paar Hörnern oder doch wenigstens knochigen Vorragungen versehen; hierdurch weichen diese Thiere von allen bisher bekannten, recenten und fossilen Artiodaetylen ab. Das erste Paar Hörner befindet sich vorn auf dem Oberkiefer, das zweite seitlich auf der Vereinigung von Nasen- und Stirnbein, das dritte über den Augenhöhlen auf dem äusseren Hinterwinkel der Stirnbeine und das vierte auf den Scheitelbeinen. Besonders das erste und vierte Paar zeichnen sich durch ihre Grösse aus, während das zweite nur eben eine leichte Hervorragung bildet und das dritte stark nach den Seiten ausgebreitet ist. Charakteristisch für den Schädel ist ferner die grosse Oeffnung der Nasen- höhle, welche darauf schliessen lässt, dass die Protocera- tiden eine lange, biegsame Nase oder vielleicht eine Art Elephantenrüssel hatten; von den jetzt lebenden Paar- zehern besitzt nur die Saigaantilope dieses bezeichnende Merkmal, und auch dieses Thier hat ja eine verlängerte, sehr bewegliche Nase. Bemerkenswerth an dem Proto- cerasschädel ist ferner die Gegenwart eines stark er- habenen Längskammes, der sich von dem Oberkiefer bis zu den Augenhöhlen ausdehnt und vorn seitlich eine Grube begrenzt, die wahrscheinlich zur Aufnahme einer Drüse gedient hat. Als weiteres Characteristieum des Schädels sind die ausserordentlich langen und spitzen oberen Eck- zähne zu nennen, die fast Raubthierzähnen ähneln. Die Zahnformel ist en das Gebiss ist sonst ganz das typische Wiederkäuergebiss, wie ja auch das Männchen des ebenfalls zu den Paarzehern gehörenden Moschus- thieres hauerartige obere Eckzähne hat. Die Vorderbeine sind länger als die Hinterbeine, auch sind letztere in Bezug auf die Zeben mehr redueirt. An den vorderen Extremitäten finden sich nämlich 5 freie Zehen, die erste ist rudimentär, die zweite und fünfte sind etwas grösser und unter einander gleich, die dritte und vierte sind am kräftigsten entwickelt und berühren den Boden. Dagegen fehlt an den Hinterbeinen die erste Zehe ganz, die zweite und fünfte sind rudimentär, und nur die dritte und vierte Zehe sind gut entwickelt. Wie man sieht, haben die Protoceratiden in Bezug auf die Beine eine gewisse Aehnlichkeit mit den Traguliden, dagegen erinnert der Bau ihres Schädels mehr an die Giraffen. S. Sch. Mittheiluingen „Ueber einen phosphorhaltigen Pflanzenbestandtheil, welcher bei der Spaltung Inosit liefert“, hat E. Winterstein in dem Ber. D. Chem. Ges. 30, 2299 gemacht. Frühere Versuche von E. Schulze und Winterstein haben in den Pflanzensamen die An- wesenheit eines Calecium-Magnesiumsalzes einer gepaarten Phosphorsäure erwiesen; Verfasser suchte klarzulegen, welche organische Substanz in vorliegendem Körper mit Phosphorsäure verbunden ist. Zur Isolirung des Körpers diente folgendes Verfahren: 500 gr. zuvor entfetteter und feingepulverter Samen von Sinapis nigra wurden in einem Gefäss mit 120 bis 150 ecem Eisessig und 4 Liter Wasser übergossen, das Ge- misch wurde unter Agitiren zwei Tage sich selbst überlassen, der Extraet abgegossen und der Rückstand gut ausge- presst. Der Presskuchen wird abermals derselben Be- handlung unterworfen, dann werden die vereinigten Ex- tracte zum Sieden erhitzt, nach dem Erkalten durch Filtration von den abgeschiedenen Eiweissstoffen befreit und das Filtrat mit Ammoniak schwach alkalisch ge- macht. Es entsteht ein Niederschlag, der durch Kochen beträchtlich vermehrt wird, derselbe wird auf einem Heiss- wassertrichter mit heissem Wasser solange ausgewaschen, bis das Waschwasser vollkommen neutrale Reaction zeigt, dann mit Eisessig verrieben und mit soviel Wasser ver- setzt, dass die Flüssigkeit 4—5 Procent Essigsäure ent- hält; dann filtrirt man vom Ungelösten ab und scheidet den in Lösung gegangenen Theil durch Zusatz von Am- moniak und Kochen wieder ab. Die grösste Menge des Ammoniaks entfernt man durch Waschen auf einem Heiss- wassertrichter, die letzten Spuren durch Decantation in einem hohen Cylinder. Die hinterbleibende, weisse Masse, die auf Zusatz von Nesslers’ Reagens keine Ammoniak- reaction mehr zeigte, wurde auf einem Filter gesammelt und mit Alkohol und Aether gewaschen; nach dem Trocknen resultirt eine amorphe, weisse, erdige Masse, die leicht und vollkommen in verdünnter Essigsäure lös- lich ist und sich beim Kochen dieser Lösung theilweise, auf Zusatz von Ammoniak aber vollständig abscheidet. Direete Spaltungen der Caleium-Magnesiumverbindung mit Säuren führten, obgleich in geringer Ausbeute, zu einem krystallischen Produet; bessere Resultate erhielt Verfasser, als er zunächst das Caleium mittels Oxalsäure beseitigte; zu diesem Zweck wurden 50 gr der Substanz mit 50 gr Eisessig verrieben, das Gemisch mit 4 Liter verdünnt und mit Oxalsäure im geringen Ueberschuss ge- fällt; man filtrirt vom Caleiumoxalat ab, dampft auf ein kleines Volumen ein, filtrirt abermals und giesst die er- haltene Flüssigkeit unter stetem Umrühren in absoluten Alkohol ein, wobei sich eine zähe, klebrige Masse ab- scheidet, die sich allmählich zusammenballt; dieselbe wird in Wasser gelöst, dureh Filtration vom rückständigen 76 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Theil befreit, das Filtrat zur Syrupconsistenz eingeengt und abermals mit absolutem Alkohol gefällt. Diese Behandlungsart wird so oft wiederholt, bis die entstandene Fällung nahezu vollständig in Wasser löslich ist; man erhält schliesslich eine weisse, amorphe, pulverige Masse, die 42,24 Proc. Phosphorsäure und 12,97 Proe. Magnesiumoxyd aufwies. 5 gr dieser Substanz wurden im Einschlussrohr mit 25 gr rauchender Salzsäure auf etwa 130° eirca 30 Stunden erhitzt, und dann der Röhreninhalt, der aus einer braunen Flüssigkeit bestand, wiederholt mit Wasser zur Entfernung der Salzsäure eingedampft. Die resultirende saure, syrupöse Flüssigkeit wird mit absolutem Alkohol gefällt und der Niederschlag aus verdünntem Weingeist umkrystallisirt; er krystallisirt in kleinen, weissen Nadeln, die sich auf Grund elementaranalytischer Daten und Iden- tieitätsreaetionen, als Inosit erwiesen. In der Annahme, dass der organische Rest des phosphorhaltigen Körpers nur aus Inosit besteht, berechnet sich die Ausbeute auf 60 Proc. Inosit. Gegen die Voraussetzung, dass der phosphorhaltige Bestandtheil der Pflanzensamen das Caleium-Magnesium- Salz einer Inositphosphorsäure ist, die auf je ein Molekül Inosit je ein Molekül Phosphorsäure enthält, spricht der Umstand, dass beim Verbrennen jenes phosphorhaltigen Körpers mit Soda und Salpeter eine Phosphorsäuremenge gefunden wurde, die bedeutend höher war, als der Berech- nung entsprach. Dr. A. Sp. Der diesjährige milde Winter bildete das Thema eines Vortrags, welchen Prof. Gustav Hellmann am 1. Februar im Berliner Zweigverein der Deutschen Meteoro- logischen Gesellschaft hielt. Da eine der des Stoffes in grossem Maassstabe zur Zeit natürlich noch nicht möglich ist, so beschränkte sich H. darauf die Berliner Beobachtungen zu discutiren und mit den früheren zu vergleichen. Dass aus den Beobachtungen einer deutschen Station ohne weiteres mit nur geringen Modi- fieationen die gleichen Schlüsse für das übrige Deutsch- land, ja das ganze Oentral-Europa gelten, ist schon des öfteren eingehend dargelegt worden. H. betrachtete vorläufig nur die beiden Hauptwinter- monate Dezember und Januar, von denen der erste um 1,5°, der andere um 3,9° zu warm war. Er hat schon in einer früheren 1884 erschienenen Arbeit*) den „milden“ Winter dahin definirt, dass die Temperaturmittel von Dezember und von Januar eine positive Abweichung aufweisen. Ueberschreitet die Summe der positiven Abweichungen beider Monate 5°, wie es in diesem Jahre der Fall war (5,4°), so bezeichnet er den Winter als „sehr mild“. In den 178 Jahren, für welche Berliner 'Temperaturbeob- achtungen vorliegen, fanden sich nun nicht weniger als 41 milde Winter ein, sodass im Durchschnitt etwa alle 4 Jahre ein solcher zu erwarten ist. Von dem letzten milden Winter im Jahre 1885/84 trennen uns nicht weniger als 14 Jahre, ein so langer Zeitraum, wie er sonst zwischen zwei milden Wintern nicht beobachtet worden ist. Der Intensität der Wärme nach nimmt der dies- Jährige Winter durchaus keine bevorzugte Stellung ein; vielmehr wird er in dieser Beziehung von 6 anderen Wintern dieses Jahrhunderts, zum Theil nicht unerheblich, übertroffen. Der weitaus wärmste, überhaupt beobachtete Winter war der des Jahres 1795/96, wo der Dezember um 3,9°C., der Januar gar um 8,1°C. von der normalen Temperatur abwich; der wärmste Winter dieses Jahr- *) G. Hellmann: „Die milden Winter Berlins seit 1720“ in der Zeitschrift des Königl. Statistischen Bureaus für 1883. XI. Nr. 7. hunderts war derjenige, der dem berühmten Weinjahr 1834 mit seinem excessiy heissen Sommer voranging. Was aber den diesmaligen Winter besonders auszeichnet, ist der Umstand, dass er bisher von keiner kurzdauernden Kälte- epoche unterbrochen worden ist, wie es sonst zumeist zu geschehen pflegt. In der Regel pflegen einige wenige, aufeinanderfolgende Tage mitten in die Wärmeepoche hinein ziemlich strenge Kälte zu bringen: in diesem Jahre hat jedoch in Berlin das Thermometer noch nicht ein einziges Mal 24 Stunden hintereinander unter dem Ge- frierpunkt gestanden, die tiefste, beobachtete Temperatur betrug nur — 5,0°, und sogar die Pentaden des Dezember und Januar waren ausnahmslos zu warm. Die Regel, dass die milden Winter meist schon in der zweiten Hälfte des November beginnen, ist auch in diesem Jahre bestätigt, indem die Wärmeperiode ihren Beginn — ziemlich plötzlich — am 18. November nahm. Die milden Winter pflegen meist auch in den folgenden Monaten des „Spätwinters“ ihre Wirksamkeit zu entfalten, und man kann nach früheren Erfahrungen sogar 4 gegen 1 wetten, dass auch der Februar zu warm sein wird; wahrscheinlich wird auch der März noch einen Wärme- überschuss aufweisen. Ja, man kann sogar — allerdings nur mit vollster Reserve .und ohne jegliche Verantwortlichkeit — mit einiger Wahrscheinlichkeit auf den Charakter des nächsten Sommers und des nächsten Winters Schlüsse ziehen. Was zunächst den folgenden Winter anbetrifft, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch er ein milder sein wird. Es ist nämlich sehr auffallend, dass warme Winter fast immer gruppenweise, d. h. in schneller Aufeinanderfolge, auftreten. Nur zweimal in den vorliegenden 178 Jahren ist es vorgekommen, dass ein ganz vereinzelter milder Winter mitten hineinfiel in eine mehrjährige Epoche nor- maler oder kalter Winter (1748/49 und 1865/66). Der Schluss, dass wir im Laufe der nächsten Jahre‘ noch mehrfach milde Winter zu erwarten haben, besitzt also keinen allzu geringen Grad von Wahrscheinlichkeit. Ref. möchte freilich nochmals ausdrücklich davor warnen, diese Schlüsse als irgendwie bindend anzusehen; selbst die Möglichkeit, dass der nächste Winter sehr streng ist, ist noch keineswegs ausgeschlossen: auf den sehr milden Winter 1787/88, der noch ein wenig wärmer als der diesmalige Winter war, folgte jener ganz abnorm kalte, verhängnissvolle Winter 1788/89, der ein würdiges Seiten- stück zu dem berühmten Winter 1812/13 bildet. Der Winter 1789,90 war dann wieder ein ungewöhnlich milder. Ebenso ist mit einiger Wahrscheinlichkeit die Prognose auf einen ziemlich warmen Sommer zu stellen. Schon in seiner oben eitirten Arbeit vom Jahre 1334 hat Hellmann den überraschenden Nachweis geführt, dass auf einen mässig milden Winter (positive Abw. von Dezember + Januar: < + 5°) auffallend häufig ein kühler, regnerischer Sommer folgt, auf einen sehr milden Winter (pos. Abw. > + 5°) dagegen meistens ein recht warmer Sommer. So folste, wie schon erwähnt, der wärmste Sommer dieses Jahr- hunderts (1834) auf den wärmsten Winter des Jahrhunderts. Allerdings wird die Sicherheit, mit der sich aus früheren Wetterbeobachtungen ein Analogieschluss auf den nächsten Sommer ziehen lässt, nicht unwesentlich beeinträchtigt durch einen Umstand, der diesen Winter recht bedeutend von den meisten andern milden Wintern unterscheidet. Während nämlich eine relativ hohe Temperatur in den Wintermonaten gewöhnlich Hand in Hand geht mit reichlichen Niederschlägen, viel heftigen, oft stürmischen Winden aus den westlichen Richtungen, starken Barometer- schwankungen, Wintergewittern u. s. w., trug der dies- Jährige Winter bis in die letzten Januartage ‘hinein einen ganz andren Charakter: alle Monate, schon seit October, IM Net. hatten in Central-Europa einen — meist sehr erheblichen — Fehlbetrag an Niederschlägen aufzuweisen; nichtsdesto- weniger war die absolute Feuchtigkeit der Luft eine für die Jahreszeit ganz ausserordentlich hohe, und die Zahl der trüben Tage war dementsprechend ungemein gross, die Zahl der Sonnenschein-Stunden minimal. Trotz der sehr starken Bewölkung stand aber das Barometer fast ununterbrochen erheblich über dem normalen Stande, wo- durch ja bekanntlich im allgemeinen Aufklaren des Himmels und im Winter lebhafter Frost bedingt wird. Da aber eben der Winter in dieser Beziehung ganz einzigartig dasteht, so wird man die obigen Analogieschlüsse auf den Sommer nur mit Einschränkungen und Vorbehalten gelten lassen können. Hoffen wir allerdings, dass die von Hellmann 1884 aufgestellte Regel auch diesmal ihre Gültigkeit be- hält: „Je weniger im Winter die Sonne hat scheinen können, um so wahrscheinlicher wird sie häufiger im Sommer scheinen.“ Aus dem oben genannten Grunde, möchte Ref. hinzu- fügen, werden wir aber auch für den Nachwinter (April- Mai) keine halbwegs gesicherte Prognose stellen können. Die von Dove aufgestellte Behauptung, dass in der Regel auf einen warmen Winter ein kalter Nachwinter und besonders ein kalter Mai folgt, ist nach den bisherigen Beobachtungen sicher als meist zutreffend zu bezeichnen, wenngleich auch hier einige eklatante Ausnahmen zu verzeichnen sind; ob man das Recht hat, auch für einen so eigen- artigen Winter, wie den diesjährigen, die Regel in An- wendung zu bringen, kann erst die Zukunft lehren. Hellmann meint, dass der Charakter des Sommers und Frühjahrs diesmal im wesentlichen von dem Zeit- punkt abhängt, wo die zu erwartende Kompensation des bisherigen Mangels an Niederschlägen eintritt. Er glaubt daher diesmal die Regel aufstellen zu können: „Kommt ein regenreiches Frühjahr, so wird ein warmer Sommer, sonst ein kühler Sommer folgen.“ Endlich legt sich Hellmann die wichtige Frage vor, welehe Ursachen für den fortdauernd milden Charakter dieses Winters verantwortlich zu machen sind. Es ist klar, dass eine erschöpfende Antwort auf diese Frage nicht gegeben werden kann. Wir sind zwar im Stande, aus der charakteristischen Luftdruckvertheilung die Nothwendigkeit milder Witterung abzuleiten, aber auf die Frage, weshalb gerade in diesem Winter die Luftdruckvertheilung so und nicht anders war, müssen wir verstummen und vermögen keine, auch nur theilweise befriedigende Antwort darauf zu geben. Bei der Erklärung von Witterungsereignissen sind die Luftdruckverhältnisse eben noch die ultima ratio der Meteorologen; diese wieder in ihren Ursachen erklären zu wollen, ist ebenso verfrüht wie aussichtslos. Man wird sich also mit der „Erklärung“ begnügen müssen, dass während des ganzen Winters mit geringen Unterbreehungen der höchste Luftdruck südlich von uns lagerte, in Folge dessen fast unausgesetzt warme westliche und südliche Winde über Mittel-Europa dahinstrichen.*) Die Lage des höchsten Luftdrucks im Süden unterlag freilich auch wieder verschiedenen Schwankungen: von einem scharf ausgeprägten Typus kann daher kaum die Rede sein. Teisserene de Bort und van Bebber haben einige Winter-Typen der Luftdruckvertheilung unter- schieden, von denen die sogenannten Typen D und E die milden Winter bedingen sollen. Der Typus D zeigt über Nord-Europa tiefen Druck und besagt also, dass die Depressionen mit Vorliebe Skandinavien durchqueren, *) Hätte der hohe Luftdruck nördlich von uns gelegen, so hätte dieser Umstand nach Ansicht des Ref. in Folge des Vor- wiegens östlicher Winde vollauf genügt, um — ceteris paribus — den Winter zu einem recht strengen zu machen. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 77 während der höchste Druck vorzugsweise den Südwesten Europas und das westliche Mittelmeer bedeckt. Typus E dagegen zeigt den hohen Druck im Osten Europas, während die Depressionen unausgesetzt den Westen des Kontinents beunruhigen. Der vergangene Winter neigt zwar noch am meisten dem Typus D zu, doch lag der höchste Luftdruck vorzugsweise im Südosten, und Hellmann glaubt, dass vielleicht der Winter 1897,98 als Vorbild für einen neu zu schaffenden Typus gewählt werden kann, für einen mild-trockenen Wintertypus. Nur einmal wurde der antieyclonale Charakter der Witterung, der von Mitte Oktober bis Ende Januar dauerte, bedenklich erschüttert, als am 28. und 29. November ein tiefes, oceanisches Minimum in Central-Europa eindrang. Dass der Witterungscharakter, der Ende Januar eintrat und bis heut (4. II) seine Herrschaft durch reichliche Nieder- schläge und schwere Stürme kennzeichnete, den voran- gegangenen dauernd wird verdrängen können, ist nicht sehr wahrscheinlich*), da er von recht labiler Natur zu sein pflegt: es ist der Typus E’ (Bezeichnung von Less), der dem Typus D nahe verwandt ist**) und sich nur da- durch von ihm unterscheidet, dass der Hochdruck vom europäischen Südwesten über den Golf von Biscaya nach Grossbritannien hinübergreift, so dass die Isobaren nord- westlich-südöstlich verlaufen. Es ist der Typus, dem wir stets unser böiges Nordwestwetter mit all seinen ver- schiedenen, charakteristischen Jahreszeit -Modificationen verdanken. Meteorologisch ist der grösstentheils verflossene Winter sehr interessant, und mögen nun die folgenden Monate und Jahreszeiten sein, wie sie wollen, mögen die ge- stellten Wahrscheinlichkeitsprognosen eintreffen oder nicht: Der Winter 1397/98 wird in der Geschichte der Meteoro- logie und auch im künftigen Prognosenwesen eine nicht unbedeutende Rolle spielen. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ordentliche Professor der Anatomie an der Thierärztlichen Hochschule zu Dresden Dr. W. Ellenberger zum Öber-Medizinal-Rath; der ordentliche Professor der patho- logischen Anatomie in Würzburg Dr. G. E. Rindfleisch zum Geheimen Medizinal-Rath; der ordentliche Professor für innere Mediein in Krakau Dr. E. Korezynski zum Hofrath; der or- dentliche Professor der Chirurgie in Lemberg Dr. L. Rydygier zum Hofrath; der ausserordentliche Professor der Physiologie in Breslau Dr. Karl Hürthle zum ordentlichen Professor und Director des physiologischen Instituts als Nachfolger des Pro- fessor Heidenhain; der ausserordentliche Professor der Chemie in Bonn Dr. R. Anschütz zum ordentlichen Professor; der ausser- ordentliche Professor der Chirurgie in Krakau Dr. R. Trzebicki zum Primararzt des St. Lazarus-Spitals; der Privat-Dozent der Chirurgie in Krakau Dr. A. Bossowski zum Primararzt des Bonifratren-Spitals; der Privat-Dozent der Chirurgie in Lemberg Dr, B. Kozlowski zum Primararzt desLandesspitals in Drohobyez; der Privat-Docent der allgemeinen Maschinenkunde an der Wiener Hochschule für Bodenkultur J. Rezek zum ausserordentlichen Professor; die Privat-Docenten der physikalischen Therapie bezw. Anatomie in Basel A. Jaquet und K. Korning zu ausserordent- lichen Professoren; die ausserordentlichen Professoren der Chemie bezw. Zoologie in Freiburg i. d. Schweiz R. Thomas-Mamert und L. Kathariner zu ordentlichen Professoren. Es habilitirten sich: in Greifswald Assistent Dr.M.Gerulanos für Chirurgie und Dr. B. Leick für innere Mediein; in Heidel- berg Dr. S. Bettmann für innere Mediein; in Leipzig Assistent Perthes für Chirurgie; in Lemberg A. Gabryszewski für Chirurgie; in Zürich M. Cloetta für Pharmakologie; in Wien Assistent E. Fronz für Kinderheilkunde. Es starben: Der Director des pharmakologischen Univer- sitäts-Instituts in Heidelberg Prof. Dr. Woldemar v. Schroeder; der Professor der Aesthetik an der technischen Hochschule in Darmstadt R. Adamy; der ehemalige Professor der Chirurgie in Graz K. Ritter von Rzehazek. *) Neuerdings (6 II) scheint sich ein vollständiger, dauernder Umsehlag der Luftdruckvertheilung vollzogen zu haben. **) Daher möchte Ref. die Bezeichnung D’ für passender halten. 73 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Litteratur. Prof. Dr. Ottokar Lorenz, Lehrbuch der gesammten wissen- schaftlichen Genealogie. Stammbaum und Ahnentafel in ihrer geschichtlichen, sociologischen und naturwissenschaftlichen Be- deutung. Wilhelm Hertz (Besser’sche Buchhandlung) Berlin 1898. — Preis 8 M. Der Historiker, Herr Ottokar Lorenz, bietet in dem vor- liegenden Buch (von IX und 489 Seiten) eine systematische Be- handlung der Genealogie. Unsere heutige Litteratur hat nichts Aehnliches aufzuweisen. Verfasser macht den Versuch, „die Genealogie als Wissenschaft in ihren gesammten Beziehungen zu historischen, gesellschaftlichen, staatlichen, rechtlichen und vor Allem auch naturwissenschaftlichen Fragen und Aufgaben syste- matisch darzustellen.“ Er betont, dass man in mannigfachen Zweigen psychologischer und naturwissenschaftlicher, sowie sociologischer Disciplinen heute ohne Zuthun des historischen Betriebs mehr und mehr in einer genealogischen Richtung thätig ist. Eine hübsche und klare Einleitung „Genealogie als Wissenschaft“ be- sehäftigt sich zunächst mit dem Begriff der Genealogie, die, wenn ein genealogisches Bewusstsein vorhanden ist, historisch so mächtig gewirkt hat. Sagt doch Gatterer, der vor nunmehr 100 Jahren der erste gewesen ist, der ein systematisches Buch über die Genealogie schrieb: „Genealogie gab es eher unter den Menschen als Geschiehte.“ L. geht insofern in die gebührende Tiefe“ als er von der umfassenden Begriffsbestimmung ausgeht: „Die Erkenntniss von dem Zusammenhange lebender Wesen in Folge von Zeugungen der einen und Abstammung der anderen kann im allgemeinsten Sinne als die Grundlage alles dessen an- gesehen werden, was unter Genealogie zu verstehen ist.“ Bei den Wirkungen, die sich durch eine bestimmte Abstammung er- geben, die die Naturwissenschaft, namentlich durch das Auf- blühen der Phylogenesis in den letzten Jahrzehnten so eifrig studirt hat, ist eine Berücksichtigung dieser Wissenschaft nicht zu umgehen. Ja, die Genealogie kann oder besser muss als eine naturwissenschaftliche Diseiplin angesehen werden, ebenso wie die vergleichende Sprachforschung, die eigentlich wissenschaftliche Philologie, sofern sie über die blosse, zusammenhangslose Be- trachtung ihrer Objecte hinausgeht. Mit dem grossen Philologen Max Müller kommen weitere Kreise immer mehr zu der Einsicht: „Die Sprachwissensehaft gehört zu den Naturwissenschaften.“ Sofern es sich dabei darum handelt, die Meinung auszudrücken, dass nur durch zielbewusste Anwendung der naturwissenschaft- lichen Methode ein „wissenschaftliches“ Resultat zu erreichen ist, können wir bei der heutigen Vorbereitung des gelehrten Publieums getrost, ohne gar zu grosse Erschütterung hervorzurufen, den Satz dahin erweitern: Es giebt nur eine Wissenschaft — — — — und das ist die Naturwissenschaft. Von diesem Geiste ist das Buch durchdrungen, und es wird denn auch in den Kreisen dieser Wissenschaft die gebührende Beachtung finden müssen. — Bei der Fülle von Verpflichtungen, die die „Naturw. Wochenschr.“ gegen- über einer grossen Anzahl noch zur Besprechung vorliegender Bücher hat, bedauern wir nicht näher auf das interessante, gute Buch eingehen zu können, hoffen aber, dass die Andeutungen genügen werden, die Interessenten zu veranlassen, es in die Hand zu nehmen. Prof. Dr. Otto Wünsche, Die Pflanzen Deutschlands. Eine An- leitung zu ihrer Bestimmung. Die höheren Pflanzen. 7. Auf- lage. B. G. Teubner in Leipzig 1897. — Preis geb. 5 M. Die neue Auflage der „Schulflora von Deutschland“ bringt nunmehr alle im Gebiet vorkommenden Pteridophyten und Pha- nerogamen, also auch diejenigen, die wegen ihrer Seltenheit in den früheren Auflagen weggelassen worden waren, wie Onosma arenarium u s. w. Das Buch ist daher jetzt eine für den Anfänger empfehlenswerthe GesammtFlora der höheren Pflanzen von Deutschland; daher wurde denn auch der Titel des Buches verändert. Verfasser richtet sich zweckmässiger Weise hinsichtich seiner Familien-Gruppirung nach den Engler-Prantl’schen „Natür- lichen Päbnzenfanien leider jedoch hat er unseren Vorschlag (vergl. Bd. XI S. 387) die Blüthen der Pteridophyten (die so- genannten „Aehren“ der Equisetaceen, Lycopodiaceen, Selaginella- ceen) auch wirklich Blüthen zu nennen nicht befolgt. Wir be- dauern das umsomehr, als so beliebte Schulbücher wie die Wünsche- schen berufen sind, allmählich den festgesicherten Fortschritten der Wissenschaft Eingang nach unten hin zu verschaffen. Es ist zu hoffen, dass Verfasser sich entschliessen wird, den Terminus Blüthe in dem einzig vernünftigen Sinne zu gebrauchen, wenn er sehen wird, dass dies in der Behandlung der Pteridophyten der natürlichen Pflanzenfamilien auch geschehen wird. Dr. Hans Witte, in Strassburg i. E., Zur Geschichte des Deutschthums im Elsass und im Vogesengebiet. Mit einer Karte, Forschungen zur Deutschen Landes- und Volkskunde, Bd. X, Heft 4, S. 297—424. Stuttgart, J. Engelhorn, 1897. — Preis 7,60 M. Die vorliegende Arbeit beruht fast ausschliesslich auf un- gedruckten, archivalischen Materialien der Bezirksarchive zu Strass- | XII. Nr. 7. burg und Colmar und des Departementsarchivs zu Naney und liegt daher in methodischer Hinsicht den Lesern dieser Zeitschrift ferner, nicht aber hinsichtlich ihrer nationalen Ergebnisse für die- jenigen, welche sich ein Urtheil darüber bilden wollen, auf welcher Grundlage sich die nationalen Verhältnisse des Elsass zu ihrer heutigen Gestaltung entwickelt haben, und wie das deutsche Element aus der wechselvollen Geschichte eines mehr als tausendjährigen Kampfes mit dem Romanenthum hervor- gegangen ist. Haben die früheren entsprechenden Arbeiten des Verfassers über Lothringen *) die bisher vorhandenen übertriebenen Vorstellungen von der früheren Ausdehnung des deutschen Sprachgebietes nach Westen auf ein bescheidenes Maass zurück- geführt, sodass z. B. von einem einstmals deutsch sprechenden Metz nun nicht mehr die Rede sein kann, wenn auch die Einbusse des deutschen Besitzstandes hier immer noch schmerzlich genug sind, so bietet das Elsass ein weit erfreulicheres Bild, denn hier hat die deutsche Sprache in den letzten Jahrhunderten trotz lange währender Fremdherrschaft im wesentlichen ihren Besitzstand be- hauptet und grössere Veränderungen haben nur zur Zeit des früheren Mittelalters stattgefunden, deren nähere Aufstellung der Verf. in der vorliegenden werthvollen Studie sich angelegen sein lässt. So ist durch seine eifrigen Bemühungen nunmehr für die ganze Ausdehnung Elsass-Lothringens von der luxem- burgischen bis zur schweizerischen Grenze im Ein- zelnen festgestellt, wie weit die deutsche Zunge einst- mals geklungen hat, während dies für die anstossenden Theile Frankreichs, Luxemburgs und Belgiens zur Zeit noch nicht näher bekannt ist. Nach einem Vergleich des Elsass mit Lothringen, der für die Entwickelung der nationalen Besitzverhältnisse des Elsass eine überraschende Stetigkeit aufweist, bespricht der Verf. zu- nächst die Germanisation des Elsass und geht dann speciell auf die historische Gestaltung der deutsch-französischen Sprachgrenze in den Vogesen näher ein: Nur die hauptsächlichsten Ergebnisse mögen hier kurz zusammengefasst werden. Die Ortsnamen auf — heim bezeichnen scharf das älteste alemannische Siedelungsgebiet, ihre Grenze ist daher auf der bei- gegebenen Karte eingetragen. In dichten Schaaren war der alemanische Stamm ins Land eingebrochen; die sich weithin dehnende fruchtbare Ebene des Aliouz hatte ihn zum Bleiben ein- geladen. Die spärlichen Reste der eingeborenen römischen Pro- vinzialbevölkerung, die dem Schwerte entgangen oder nicht aus- gewandert waren, schwanden schnell in dem Strome deutschen Lebens dahin, der das obere Rheinthal jetzt gleichmässig über- fluthete; nur in den Bergen des Westens und des Südens fanden einige Trümmer der vorgermanischen Bevölkerung noch eine Zu- flucht und hielten sich noch Jahrhunderte hindurch, ja in einigen Theilen bis auf den heutigen Tag. In der Ebene erinnern nur wenige Ortsnamen und kaum ein einziger Flussname daran, dass auch hier einst romanisch redende Bewohner gesessen haben, in den Bergen hingegen begegnen wir auf Schritt und Tritt alten Namen, die nur im Munde einer ro- manischen Bewohnerschaft entstanden sein können, und dies auch da, wo seit vielen Jahrhunderten eine deutsch redende Bevölke- rung haust. Denn bald wurde der stark anwachsenden deutschen Colonie in der Ebene der Boden zu eng, sie drängte colonisirend gegen die anfangs verschmähten Gebirgsgegenden vor, im Süden allein, im Norden aber (vom Donon an) rückten die lothringischen Franken im gleichen Sinne vom Westen her vor, bedrohten die romanischen Bevölkerungsreste im Gebirge, welche hier einem frühen und vollständigen Untergange preisgegeben waren. Im Süden wurde höchstens von den westwärts vor- dringenden elsässischen Alemannen eine Germanisirung des öst- lichen Gebirgsthales bis auf die Kammhöhe hinauf erreicht (so im Münster-, im Amariner- und im Sewenthale der Südvogesen), während das Breusch- und Weilerthal von den in der Mitte des Elsass gelegenen Gebirgsthälern nur zum Theil deutsch geworden sind und das Lebes- und das Urbeisthal um das Jahr 1000 noch eine vollständige romanische Bevölkerung aufweisen und auch im Jahre 1500 noch eine von deutscher Zuwanderung kaum beein- trächtigte romanische Bevölkerungsmasse besitzen. Mit dem Jahre 1000 darf die zweite Phase der elsässi- schen Colonisation als abgeschlossen gelten, denn damals be- reits war die nationale Abgrenzung auch im Gebirge im Grossen und Ganzen festgelegt. Veränderungen haben dann nur noch da stattgefunden, wo der sich entfaltende Bergbau den elsässischen Zuzug verstärkte durch bergmännische Einwanderung aus ent- fernteren Theilen des deutschen Sprachgebietes, besonders aus *) Zunächst die grundlegende Strassburger Dissertation des Verfassers (veröffentlicht im Jahrbuch der Gesellsch. für lothring. Gesch. u. Alterthumskunde 1890) „Zur Geschichte des Deutsch- thums in Lothringen“, ferner „Deutsche und Keltoromanen in Lothringen nach der Völkerwanderung“, Strassburg 1891, und die im VIII. Bande der Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde veröffentlichte Monographie: „Das deutsche Sprach- gebiet Lothringens und seine Wandlungen von der Feststellung der Sprachgrenze bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts.“ # XIU. Nr. 7. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 19 Sachsen. Dies ist die letzte Phase deutscher Offensive. Sie ist nördlich von Belfort in Planches, Giromagny und anderen Orten deutlich erkennbar und hat auch im Lebesthale Erfolge ge- habt (von St. Kreuz an), während das Urbeisthal seine romanische Eigenart bis heute bewahrte. Trotz dieser Verschiedenheit im Einzelnen sind dort im Ganzen nur 2 Haupttheile im deut- schen Sprachgebiet des Elsass zu scheiden: die Ebene und das Gebirgsland. Die Bevölkerung des ersteren bildete sich auf der Grundlage der starken Alemanneneinwäanderung, die die ge- ringen romanischen Reste vollständig absorbirten., Im Gebirge ist dagegen der Grundstock ein romanischer und wurde durch die friedliche Colonisation der Alemannen nicht erdrückt: das dünn besiedelte Gebirge bot Raum genug für den deutschen Zu- zug; es entstanden deutsche Siedelungen neben denen der alt- heimischen Romanen, welche allmählich mehr und mehr von deutscher Einwanderung durchsetzt wurden, bis zuletzt ihre Sprache und Nationalität in derjenigen der Neusiedler aufging. Die jetzt deutsch redende Bevölkerung im Gebirge ist sonach zum Theil wenigstens das Ergebniss einer Aufprepfung deutscher Reiser auf einen romanischen Zweig. Das Product dieser Verschiebungen ist die deutsch-französische Sprach- grenze des Elsass, die im Grossen und Ganzen seit dem Jahre 1000 feststeht. Für diese Zeit ist sie daher auf der Karte ein- getragen, ausserdem die für 1500 zum Vergleich mit heute und die der Gegenwart. Die französische Herrschaft von 1681—1870 hat auf die Nationalitätsverhältnisse so gut wie keine Einwirkung gehabt. Eine französische Masseneinwanderung wie nach Lothringen hat in das Elsass nicht stattgefunden, mit einziger Ausnahme des Breuschthales. Nur wo starke Garnisonen oder centrale Ver- waltungskörper vorhanden waren, entstanden zahlreiche fran- zösische Colonien. Ausser dem Breuschthal ist am ganzen Ver- lauf der Spraehgrenze nur eine ganz verschwindende Zahl von Ortschaften romanisirt worden, z. B. Steige im Weilerthal voll- ständig, das benachbarte Breitenau theilweise. Sonst hat sich das elsässische Deutschthum in seiner ganzen Ausdehnung be- hauptet. Die Bedeutung der Fremdherrschaft liegt lediglich auf geistigem Gebiet; ein Stamm, dessen führende Kreise den Zu- sammenhang mit ihrer Nation zerreissen und ee um in einem künstlich anerzogenen, fremden Wesen eine Stümperrolle zu spielen, muss dem Fluche der geistigen Unfruchtbarkeit anheim fallen. Es wird dieses erst dann ansgetilgt sein, wenn eine Ge- neration ‚berangewachsen ist, die, stolz auf ihre grossen deutschen Ahnen, die Verirrung ihrer Väter wieder gut macht und ganz im Leben der deutschen Nation aufgeht. „Ueberall im Lande spriesst und keimt die deutsche Saat. Es wird und muss die Zeit kommen, in der das Elsass immer wieder wie ehedem ein blühender und fruchtbringender Zweig am Baume des Deutschthums sein wird!“ Jena. Fr. Regel. P. Joseph Kolberg, S. J.: Nach Ecuador. Reisebilder. Vierte ergänzte |Auflage. Mit einem Titelbild in.. Farbendruck, 150 Illustrationen und 2 Karten. Herder'sche Verlagsbuchhand- lung. Freiburg im Breisgau 1897. — Preis 9 Mark. Die vierte Auflage des anregend geschriebenen und gut illustrirten Buches konnte nicht mehr vom Verfasser selbst, der im März 1893 verstorben ist, besorgt werden. Der Neu-Heraus- geber, Joseph Schwarz S. J., giebt in der Vorrede einen kurzen Blick auf das Leben des Pater Kolberg und über die Ent- stehung des vorliegenden Werkes; er selbst hat sich bemüht, das Werk nach der neueren Litteratur, namentlich der geologischen zu ergänzen und zu verbessern. Den Mittelpunkt der Behandlung bildet nach dem Urtheil, des jetzigen Herausgebers die „mathe- matisch-physikalische Auffassung des Verfassers“, die ihn dazu führte, namentlich über die- vulkanischen Erscheinungen, die Ecuador in so reichem Maasse bietet, nachzudenken. Freilich die Resultate, die Kolberg gewinnt, sind von den Suess’schen recht verschieden und damit wird für Manche von ‘vornherein Neigung vorhanden sein, auf ein Studium der Kolberg’schen Ausführungen zu verzichten, (die auf der Annahme der Wirkung des Ge- wölbeschubes in der Erdkruste basiren. In einem besonderen Kapitel ist am Schlusse des Buches die Theorie des Gewölbe- schubes zusammengefasst. Die Fortschritte der Physik im Jahre 1896. Dargestellt von der physikalischen Gesellschaft zu Berlin. 1. und 2. Abtheilung Pünktlich um die Jahreswende 1897/98 ist der vorliegende 52. Jahrgang des einzigartigen Sammelwerkes vollendet worden. Noch deutlicher als bisher tritt in demselben die Steigerung des Interesses an der „Physik des Aethers“ gegenüber demjenigen an der „Physik der Materie“ hervor, der wir die im dritten Bande behandelte „kosmische Physik“ füglich zureehnen dürfen. Der Litteraturbericht über die Röntgenstrahlen allein beanspruchte im zweiten Bande einen Raum von 57 Seiten, während die wenigen Publikationen auf akustischem Gebiete auf nur 13 Seiten am Schluss des ersten Bandes besprochen werden konnten. — Der dritte Band weist gegenüber dem Vorjahre einen wesentlich ge- vingeren Umfang auf, und fast will es uns scheinen, als ob die Ergebnisse der Forschung in der kosmischen Physik auch an Be- deutung hinter den epochemachenden Thaten früherer Jahre nicht unerheblich zurückgeblieben sind. Sollte der bisher so staunen- erregende Fortschritt auf astrophysikalischem Gebiet uns bis zu einer gewissen Grenze der Leistungsfähigkeit unserer Instrumente und Methoden geführt haben? — Die Redaction der „Fortschritte“ hat auch diesmal wieder mit grosser Sorgfalt ihres Amtes ge- waltet und das gewaltige Material, zu dessen Verarbeitung allein am zweiten Bande mehr als 40 Mitarbeiter zusammenwirken mussten, durch übersichtliche Gruppirung in zahlreiche Einzel- abschnitte harmonisch zusammengefügt. Dass dabei auch die nur formalen Fortschritte in Didaktik und Experimentirkunst volle Berücksichtigung gefunden haben, verdient lobend hervorgehoben zu werden; bildet doch die klare und möglichst von allem un- nöthigen Ballast befreite Ueberlieferung der heutigen Wissenschaft an die heranwachsende Generation eine für die Beförderung künftigen Forschens unabweisliche, hochwichtige Aufgabe, die ebenso wie die Entdeekung neuer Thatsachen des Schweisses der Edlen werth ist. Und dass gerade auf diesem dem Ehrgeiz wenig verheissenden Gebiete in neuester Zeit eine erfreuliche Thätigkeit entfaltet wird, dürfen wir mit besonderer Genugthuung begrüssen. — Bei der grossen Zahl der Mitarbeiter darf es nieht überraschen, dass sich mitunter mehrere Referate über denselben Gegenstand an verschiedenen Stellen*) vorfinden, wo ein einfacher Hinweis genügt hätte. Vielleicht wird in dieser Beziehung in Zukunft noch etwas Raum gespart werden können. F. Kbr. Naturgeschichtliche Bilder für Schule und Haus. Zusammen- gestellt von Dr. B. Plüss, Reallehrer in Basel. Zoologie — Botanik — Mineralogie. 244 Tafeln mit 1060 Holzsehnitten und mehr als 1200 Aufgaben. Dritte, vermehrte und verbesserte Auflage. Herder’sche Verlagshandlung zu Freiburg im Breisgau. 4°. (262 S.). — Preis 4,80 Mark; geb. in Halbleinwand mit farbigem Umschlag 5,80 Mark. Das gut ausgestattete Buch, namentlich hinsichtlich des zur Verwendung gebrachten starken Papiers, auf dem sich die Ab- bildungen gut präsentiren, ist wohl in der Lage, die Jugend an- zuregen. Die Abbildungen sind anderen Verlagswerken der Hardlung entnommen wie Altum und Landois’ Zoologie u. 8. w. oder fremden Werken wie Fitch und Smith’s „Illustrations of the British Flora“ u. s. w. Die Abbildungen sind allermeist gut und richtig; die drei der Pflanzenpalaeontologie auf Tafel 224—243 gewidmeten Figuren 71, 73 und 74 sind schlecht und die Figur 73 obendrein, die die Unterschrift führt „Sternblattkraut Astero- phyllum (Aus der Steinkohle)“, falsch bezeichnet); sie stellt in Wirklichkeit das zweifelhafte Fossil Oldhamia dar. L’Intermediaire de Biologistes, Organe international de Zoo- logie, Botanique, Physiologie et Psychologie. Directeur: Alfred Binet, Docteur &s-sciences, Direeteur du Laboratoire de Psychologie Physiologique de la Sorbonne. Direeteur-Adjoint: Vietor Henri, Docteur en philosophie, Seer6taire de la Re- daetion de l’Annde Psychologique. Avee la Collaboration d’un Comite de Redaeteurs. Seeretaires de la Redaction: N. Va- sehide et A. Petit. Paraissant le 5 et le 20 de ehaque mois. Redaction et Administration: Paris, Librairie C. Reinwald. Schleicher Freres, &diteurs,. — Prix de l’abonnement annuel: Paris et Departements 10 fr. — Union Postale 12 fr. Prix du numero: 60 centimes. Unter diesem Titel erscheint eine neue Zeitschrift, deren Tendenz zur Genüge aus dem Untertitel hervorgeht; sie will be- sonders auch auf Fragen antworten, die aus dem Leserkreise ein- gehen und fordert diesen selbst zu Antworten auf. Diese können auch in deutscher, englischer, spanischer, italienischer, rumänischer Be: SE : = Ye und russischer Sprache geboten werden; eine kurze französische RalbiEct g young Re: Börnstein, 3. Abtheilung vedigirt, von Uebersetzung soll stets beigegeben werden. R. Assmann. Braunschweig, F. Vieweg & Sohn. — Preis zu- | _____ S sammen 51 M. *) Vgl. z.B. Bd. III, S. 265 und 297; I, S. 56 und III, S. 200. Inhalt: Adolf Hnatek: Die Jupitermonde. — Anton König: Ziele und Aufgaben naturhistorischer Museen. — Geruchssinn der grossen Wegschnecke, Limax maximus. — Hautflügler, die im Wasser leben. — Appetit und die Häutungen indischer Schlangen in Gefangensehaft. — Krankheit der Aale. — Ueber die Protoceratiden. — Ueber einen phosphorhaltigen Pflanzen- bestandtheil, welcher bei der Spaltung Inosit liefert. — Der diesjährige milde Winter. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Prof. Dr. Ottokar Lorenz, Lehrbuch der gesammten wissenschaftlichen Genealogie. — Prof. Dr. Otto Wünsche, Die Pflanzen Deutschlands. — Dr. Hans Witte, Zur Geschichte des Deutschthums in Elsass und im Vogesengebiet. — F. Joseph Kolberg, S. J. Nach Ecuador. — Die Fortschritte der Physik im Jahre 1896. — Naturgeschichtliche Bilder für Schule und Haus. — L’Intermediaire de Biologistes. 30 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. = das auf Grund seiner Qualität und seiner gleichzeitigen Eigenschaften: Leichtester Lauf x Grösste Zuverlässigkeit Schönheit der Formen 7, I art kein Falrral sich solcher allgemeinen Anerkennung erfreut wie das „ Adler“ Rad... Adler Fahrradwerke vorm. Heinrich Kleyer, Frankfurt a. M. | 200000090 0000099099%% Hempel’s Klassiker -Ausgaben. Spezial-Fabrik für Fahrräder mit über 1300 Arbeitern. Jahres-Production über 35000 Fahrräder. Filialen gleicher Firma: Berlin,;Hamburg, Köln, Hannover, Kopenhagen Vertreter im In- und Auslande. ! Kein Risiko Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandl. PLIZIESLIIIIIIIIIIIITS Ferd. Diimmlers Derlagsbunhhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerfr. 94. XII. Nr. 7 Grosse Vortheile! Neues Prinzip für Massen- ; | betheiligung an industriellen fg Unternehmungen. Neuheiten-Vertrieb. Neu aufgenommen: Durchführung des Butten- stedt'schen Flugprineips ... BERLIN. 5.0.26. (yon zwanzig namhaften Gelehrten ; unterstützt) und Errichtung einer Versuchsstation für Flugzwecke. Internationaler Verein zur rationellen Verwerthung von Erfindungs-Patenten. Eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht Antheile a 10 M. Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, participirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabrieirten Artikel Gebrauchte Gasmotoren DAMPF- und DYNAMO- MASCHINEN betriebsfähig Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. garantirt Soeben erfchienen: PATENTBUREAU Ulrich R. Maerz Jnh:C.Schmidtlein Ingenieur Berlin NW., Luisenstr.22. Gegründet 1878. Patent- Marken -u..Musterschutz In Ferd. Dümmilers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 12 erschien Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am königl. Realgymn. in Berlin 444 Seitengr.8. Preis6M.,geb.7M. Über Briider und Schiveitern DVoman von Eugen Beichel. Geheitet 4 Mark, geb. 5 Marf. Beter Halfet im 2\afbonalande. Von Olive Schreiner. Autorifirte Weberjegung von Helene Robedan. Geheftet 1,60 Mark, geb. 2,40. Matt. Ungereimtes aus dem Srauenleben. don Anna Bernan. Geheitet 60 Pi. Die Charakteristik der Tonarten. Historisch, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. 136 Seiten Octav. — Preis 2,40 Mark. 3u beziehen durch jede Buchhandlung. geographische Ortsbestimmungen ohne astronomische Instrumente. Von Prof. Dr. P. Harzer, Director der Herzoglichen Sternwarte zu Gotha Mit einer Tafel. Franz Bartels, Patent- u. technisches Bureau. Berlin SW., Yorkstr. 19!- Billig, sorgfältig, schnell. Reelle Bedienung. (Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik.) 53 Seiten Lex. 8°. — Preis 1,20 M. Ferd. Dimmlers Derlagsbunhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerfr. 94. Eransvaal. Roman aus dem füdafritanijchen Leben der Gegenwart von Gregor Samarow. Geheftet < Marf, in einem Band gebunden 8 Marf. 2 Bände. | Photo:7rkische Stativ- und Hand- Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R. P.) in allen Grössen sofort lieierbar. Elektromotor,c:n.v.n. Schibauerdamm 21 Berlin NW. (U. Beruna.) bester und bewährter WIEDERVERKÄUFER „INSTALLATEURE , Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. N Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max. Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. „ Cameras. Gediegene Ausstattung. SS Sämmtliche Bedarfsartikel. 8% Spee.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechseloassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). 14 Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. -- Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G@. Bernstein, Berlin SW. 12. ER N Fer Ed Pen “Redaktion: Was die naturwissensch Forschung -ufgiebt an weltum- M fassenden Ideen und an locken- R, den Gebil'en der Phantasıe, wırd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, der ihre Schöpfungeu schmückt, Sch Dr.H. Potonie. B Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. | Sonntag, den 20. Februar 1898. Nr. 8. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Bringegeld bei der Post 15 „9, extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— At ii Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 %. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Ein Beitrag zur naturwissenschaftlichen Erkenntnisstheorie behufs Begründung der Sociologie auf Weierstrass’scher mathematischer Grundanschauung. Von Mathematiker Carl Itzigsohn. Die bisherige Behandlungsweise der Probleme der Soeiologie bietet denjenigen, welche die Methode der exacten Wissenschaften gewöhnt sind, eine eigenartige Erscheinung dar. Ohne die wissenschaftliche Behandlung der aufgeworfenen Fragen in genügender Weise, ge- schweige denn erschöpfend, vollendet zu haben, geht man hier an die praktische Lösung, d. h. die Praxis meint hier das Recht zu haben, der Theorie voranzueilen. Es scheint somit, als habe man in der Soeciologie das Vertrauen zur Theorie eingebüsst. Dieses Misstrauen einem Zweige der Wissenschaft gegenüber giebt zu denken, und es drängt sich die Frage auf, ob wohl die Sociologie als Wissenschaft sich der richtigen Methode bediene, um zu Resultaten der For- schung zu gelangen, und ob diese ihre Methode über- haupt im Stande sei, den Ansprüchen zu genügen, welche man an eine Wissenschaft zu stellen berechtigt ist, damit diese reife Früchte trage. Die Soeiologie stützt sich hauptsächlich auf Wirth- schaftslehre und Ethik, zwei Zweige menschlichen Wissens, welche nach ihrer bisherigen Behandlungsweise auf ver- schiedener Grundlage der Erkenntniss sich aufbauen: Die Wirthschaftslehre rein auf Verstandes- begriffen, die Ethik — (wenigstens im engeren Sinne, und diese hat man gewöhnlich im Auge) — vorzugsweise auf Gefühlswahrnehmungen. Es müssen so zwei scheinbar heterogene Gebiete der Wahrnehmung für die Behandlung einer Wissenschaft das Bemessungsmaterial abgeben; mit anderen Worten: die Soeiologie ist in die Nothwendigkeit versetzt, mit zwei vollständig von einander verschiedenen Maasseinheiten, die ohne Beziehung zu einander stehen, also keine gemein- schaftliche Behandlung gestatten, sich bemessen zu lassen. Die Mangelhaftigkeit einer derartigen Weise der Forschung springt klar ins Auge. Theoretisch wird so die einheitliche Behandlung einer Wissenschaft zur Unmöglich- keit. Dann aber hat auch die Verwendung dieser Art von Theorie für die Praxis ihre Schattenseiten: die Praxis zeigt die Absonderlichkeit, dass zur Begründung resp. zur Bekämpfung soeialer Forderungen bald wirthschaftliche, bald ethische Gesichtspunkte in den Vordergrund geschoben werden, wie es eben dem Klassen- oder Partei-Egoismus ins Handwerk passt. Alle diese Missstände würden ver- mieden werden, wenn Wirthschaftslehre und Ethik auf gemeinsamer begrifflicher Grundlage errichtet werden könnten. Zur Forschung überhaupt stehen zwei Arten von Methoden der Wissenschaft zur Verfügung: die der Betrachtung des Nacheinander und die der Betrachtung des Nebeneinander der Dinge und der Erscheinungen. Die bisher in der Wirthschaftslehre und der Ethik angewendete Methode: die historische, bei der die Be- trachtung des Nac heinander die Hauptrolle spielt, ist nicht im Stande gewesen, eine gemeinschaftliche Basis für die Begründung der Wirthschaftslehre und der Ethik zu schaffen. Und dieser Mangel ist leicht erklärlich, denn die Methode des Betrachtens des Nacheinander verschafft nicht, wie jene Methode, welche die Betrachtung des Nebeneinander in das Vordertreffen stellt, genügendes Angriffsmaterial, weil jene, die Methode des Nacheinander, nicht wie diese, des Nebeneinander, genügend zur Ver- gleichung anregt und in Folge dessen nicht in voll- kommener Weise zu :analytischer Thätigkeit anspornt. Auch ermöglicht die Methode des Nebeneinander die doppelte Mögliehkeit der inductiven und deductiven Be- handlung, die den exaeten Wissenschaften eine so grosse 82 Macht errungen hat und erringt, namentlich, wenn man die Betrachtung des Nacheinander dabei nicht aus dem Auge lässt. Der Versuch die Methode der exaeten Wissenschaften auf Wirthschaftslehre und Ethik anzuwenden, um für beide eine gemeinschaftliche Grundlage zu erschaffen, drängt sich nach diesen Ueberlegungen förmlich mit Gewalt auf, und diese Ueberlegung hat auch mich veranlasst, diesen allgemeineren Gesichtspunkt als Ziel zu nehmen, um Klarheit und Wahrheit zu schaffen. Ein specielles Problem ist es gewesen, welches mir als Ausgangspunkt gedient hat. Herr Geheimrath Prof. Dr. Wilhelm Förster hat un- längst über die Verkürzung der Arbeitszeit eine Betrachtung veröffentlicht. Diese Erörterungen haben mir Veranlassung gegeben, die Bedeutung und die Bemessung der Arbeit, vom naturwissenschaftlich - mathematischen Standpunkte aus, der Betrachtung zu unterziehen. Bei dieser Untersuchung hat sich gezeigt, unter welchen Um- ständen Mittel und Methode der Naturwissenschaften es ermöglichen, die Wirthschaftslehre und die Ethik energetisch zu begründen (und zwar beide auf gemeinsamer Grund- lage), und dass diese Art der Behandlung zu Ergebnissen führen würde, welche verallgemeinernd die vermöge der historischen Methode erzielten Beobachtungen in sich be- greifen. Ich knüpfe an die Worte und Auseinandersetzungen des Herrn Geheimrath Förster an. Herr Geheimrath Förster eröffnet seine Untersuchungen mit dem Satze: „Unsäglich verschieden sind die Arbeiten und die Arbeitsbedingungen des Menschen, so dass er einem schnellfertigen Urtheile als eine der unverständigsten Gleichheitsbedingungen er- scheinen kann eine und dieselbe tägliche Arbeits- dauer für verschiedene Verhältnisse festsetzen zu wollen.“ Diesen Satz verstehe ich so: Gleiehbemessung der Arbeitszeit erachtet der Herr Verfasser als eine verständige Gleichheitsbedingung für verschiedenartige Arbeitsleistungen, und er schreibt das Unverständig-Scheinen dieser Forderung einem Fehler des Denkens: der Schnellfertigkeit des Urtheilens zu. Somit dürfte es nothwendig sein, um jenen Fehler des Denkens bei der Untersuchung zu vermeiden, ein langsameres Tempo der Ueberlegung zu wählen. Zu welchem Re- sultate man dann geführt wird, das wird sich nach ein- gehenderen Untersuchungen zeigen. Der Herr Verfasser äussert sich dann weiter so: „Ein grosser Gelehrter in Berlin hat vor einiger Zeit in einer Unterhaltung über den acht- stündigen Arbeitstag die Bemerkung gemacht, dass seine eigene tägliche Arbeitszeit beinahe das Doppelte jenes Arbeitstages betrage. Wenn er hiermit hat sagen wollen, dass der achtstün- dige Arbeitstag viel zu kurz bemessen sei, so hat er eben das ganze Wesen der Forderung nicht verstanden.“ Der ausgesprochene Gedanke erscheint hier wie oben in negativer Formgewandung; der Herr Verfasser sagt nicht: „ich fordere den achtstündigen Arbeitstag“, sondern er drückt sich so aus: „Wer den achtstündigen Arbeitstag als zu kurz bemessen erachtet, weil er indivi- duell täglich eine längere Zeit wissenschaftlich arbeitet, hat das Wesen dieser Forderung nicht verstanden.“ Das Wesen dieser Forderung zu ergründen, wird auch unsere Aufgabe sein. Vorerst müssen wir den Herrn Verfasser noch weiter, hören: Naturwissenschäftliehe Wochenschrift. XIII. Nr. 8. „Die gesetzliche Einführung bestimmter oberer Grenzen der Arbeitszeit wird von Man- ehem noch aus dem Grunde bemängelt, dassete... Aber es giebt Entwickelungsstufen der Gemein- schafts-Örganisation, in denen die feineren und zweckentsprechenderen Anordnungen einstweilen hinter der groben Arbeit, der Feststellung ge- wisser, sozusagen moralischer Grundpfeilereines neuen Gesellschaftsbaues zurücktreten müssen, weil die Mehrheit mit gutem Grunde an der Ver- wirklichung von feineren, ebenso humanen, aber vielleicht noch sachgemässeren Normen auf dem Wege der freien und wahrhaft sachverständigen Vereinbarungen verzweifelt und desshalb die ge- setzliche Autorität anruft. Die Faust der Auto- rität fühlen die dann Säumigen eine Zeit lang mit vollem Rechte, bis sie Verständniss und Respect für die neuen Forderungen der Gemeinschaft ge- wonnen haben und sich bei der Verwirklichung ihrer tieferen und dauernderen Durchführung frei und mit leitendem Geiste betheiligen.“ Die gesetzliche Einführung oberer Grenzen der Arbeits- zeit (der Maximalarbeitstag) ist somit — wenigstens ver- stehe ich dies so — nach Ansicht des Herrn Verfassers eine Entwickelungsstufe der groben Arbeit der Gemein- schaftsorganisation, also nicht die des feineren Gesell- schaftsbaues, welche die vorläufigen Anordnungen abzu- lösen bestimmt ist. Herr Geheimrath Förster begründet seine Ansichten dann folgendermaassen: „Jeder Mensch besitzt einen gewissen Kraftvorrath, welcher den verschiedensten Zwecken zu dienen hat. Von diesem Kraftvorrathe ist bisber auf die Arbeit ein zu grosser Theil verwendet worden, und deshalb ist bis- her die Arbeitszeit eine zu lange bemessene gewesen. In Zukunft muss bei Bemessung der Arbeitszeit berücksichtigt werden, dass 1. nieht nur die Arbeit selbst, sondern auch gewisse Nebenumstände, die bei der Arbeit obwalten, (näm- lich die Beschränkung auf gewisse Orts- und be- stimmte Zeitgrenzen) Kraft erfordern, welche von dem Gesammtvorrathe des Einzelnen einen Theil in Anspruch nehmen, dass 2. der Kraftvorrath durch die erwünschte Theilnahme an der Geisteseultur Abnahme erleidet oder erleiden müsste, dass ferner 3. die Nothwendigkeit eines menschen würdigen — so lautet der terminus technieus — Existenz (zu welcher nicht nur Schlafens- und Essenszeit, son- dern auch ein Mindestmaass von Freistunden und zugleich die Pflege des Familienlebens gehört), Theile des Kraftvorrathes absorbiren, die als Kraftverminderung in Abzug gebrachf werden müssen. Wenn dies geschieht, so ergiebt sieh, dass nach Abzug all dieser Kräfte, welehe die menschliche Wohlfahrt er- fordert, der Theil des Kraftvorrathes, welcher zur Be- messung der Arbeitszeit bei dem Einzelnen zur Ver- fügung stehen sollte, gegenüber dem Theile des Kraft- vorrathes, der heute für die Arbeit verbraucht wird, eine bedeutende Verminderung erleiden müsste, weshalb hinfüro die Arbeitszeit kürzer bemessen werden muss, als dies bisher geschehen ist.“ Damit hat der Herr Verfasser bewiesen: Die Verkür- zung der Arbeitszeit gewährt gewissen Nutz/en. Ueber die Art der Verkürzung äussert sich der Verfasserlhier nicht. Ob diesem Nutzen Schäden bei der Verkürzung der Arbeits- zeit gegenüber stehen, welelier Art dieselben sind, ob und xl. Nr. 8 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 83 in welcher Weise sich Schäden und Nutzen gegeneinander abwägen, resp. ob und in welcher Weise es möglich sein dürfte, gewisse Nachtheile, die den Individuen erwachsen, dureh Einrichtungen des neuen Gemeinschaftsbaues zu be- seitigen, alle diese Fragen hat der Herr Verfasser nicht untersucht oder in befriedigender Weise beantwortet. Die Folgen der allgemeinen Verkürzung der Arbeitszeit sind somit in jener Schrift erschöpfend der Betrachtung nicht unterzogen worden. Dass die veränderte Zeitbemessung der Arbeit in Verkürzung der Arbeitszeit bestehen soll, darüber waltet kein Zwiespalt der Meinungen ob. Die heutigen For- derungen verkürzter Zeitbemessung der Arbeit unter- scheiden sich vielmehr durch das Verlangen der Art der Zeitverkürzung. Wir begegnen: 1. der Forderung die verkürzte Arbeitszeit ist ungleich zu bemessen mit bestimmten oberen Zeitgrenzen — der Forderung des Normalarbeitstages — und dann 2. der Forderung: die verkürzte Arbeitszeit ist gleich zu bemessen — der Forderung des Normalarbeitstages — und hierbei spielt die speciellere Forderung die Hauptrolle, die ver- kürzte, gleich bemessene Arbeitszeit ist auf acht Stunden täglieh zu normiren; es ist dies die Forderung des achtstündigen Normalarbeitstages. Die Forderung verkürzter Arbeitszeit ist in jener Schrift genügend begründet, nicht aber die der verkürzten gleichbemessenen Arbeitszeit. Was der Herr Verfasser als Beleg für die Forderung der Gleichbemessung der Arbeitszeit anführt: die Arbeitsleistung ist nieht nur Function der Zeit und der Intensität, sondern auch noch von anderen Grössen, dürfte nicht genügen, um zu beweisen, wesshalb man be- rechtigt sein sollte, diese Funetion von mehreren Grössen nur als Function einer der Grössen, nämlich der Zeit, anzusehen und Gleichheitsbedingungen für die Zeit als identisch mit Gleichheitsbedingungen für Arbeitsleistungen zu erachten. Andere Gründe für die Berechtigung der Forderung der gleichbemessenen Arbeitsdauer sind in diesen Auseinandersetzungen nicht angeführt und die Erwägung der Schäden der gleichbe- messenen Arbeitszeit vermisst man hier gänzlich, Eben- so wenig dürften die „feineren Betrachtungen“, welche der Herr Verfasser uns vorbehält, im Stande sein, den Beweis für die Berechtigung der Forderung des Acht- stundentages zu bringen, denn feinere Betrachtungen erlangen ihre Qualität durch die Zurückführung der Erklärungen irgend einer Erscheinung auf möglichst einfache Grundgesetze, so sagt Gauss in der Anzeige jener Abhandlung, welche die Energetik be- gründet. Feinere Betrachtungen erfordern synthetische und analytische Thätigkeit, welche sich auf die durch Erfahrung erlangte Erkenntniss stützt. Ohne den Nach- weis dieser Art der Erkenntniss und des Denkens darf man Betrachtungen nicht als „feinere* Betrachtungen gelten lassen. Auch die erklingende Fülle des Herzens reicht zu dieser Qualifikation allein dann nicht aus, wenn noch die Sanetion des Kopfes Nothwendigkeit ist, wie z. B. in wirthschaftlichen Diugen. Denn selbst die Ethik, jene Ethik, welche die Förderung der ethischen Kultur herbeizuführen berufen ist, verlangt, dass bei den Hand- lungen und Institutionen der Menschen weitestes, er- kennendes Wissen mit feinstem, empfindenden Denken harmonisch sich eint. Vorbemerkung: Diese Zeilen sind im II. Quartal des Jahres 1895 geschrieben, 15 Monate früher, als Herr Prof. Flechsig aus Leipzig seine denkwürdigen Entdeekungen über die „Assimi- lirungs-Centren des menschlichen Gehirns“ veröffentlicht hat, Darlegungen, welche die nachstehenden Ausführungen physiologisch ergänzen. Bei der Arbeit handelt es sich um Thätigke it. Jede menschliche Thätigkeit eines Einzelwesens, also der Einzelmenschen, hängt ab von einem, nämlich seinem individuellen Körper, von der Aussenwelt dieses Körpers und von den Beziehungen seines Körpers zur Aussenwelt. Sein Körper, seine Aussenwelt unddie Beziehungen beider zu einander, wie solche sich in seinem Körper spiegeln, bilden das Reich der Erkenntniss des ein- zelnen Menschen. Da aus der Erkenntniss des Einzel- menschen seine Gedankenwelt, aus seiner Gedankenwelt seine handelnde Thätigkeit entspringt, so werden wir uns zunächst klar zu machen haben, in weleher Weise die in- dividuelle Erkenntniss entsteht, welche Eigen- schaften ihr anhaften, welche von diesen Eigenschaften in unserer Gedankenwelt und welche dann bei unserer handelnden Thätigkeit erhalten bleiben. Die Erkenntniss unseres Körpers und die seiner Be- ziehungen zu der ihn umgebenden Aussenwelt geht nun so vor sich: Ein Ding der Aussenwelt ruft auf unseren Körper gewisse Eindrücke hervor, die Eindrücke gelangen zum Bewusstsein, sie werden zu Erscheinungen. Durch Ver- gleichen von Erscheinungen und durch die Fähigkeit der Reproductionvon Erscheinungen erlangen wir Vorstellungen. Indem wir die Vorstellung eines bestimmten Dinges ana- lytisch auflösen, erkennen wir, dass die Vorstellung eines bestimmten Dinges in gewisse Theilvorstellungen des Dinges, in gewisse Kennzeichen, an dem Dinge sich zerlegen lassen. Diese Theilvorstellungen besitzen in Bezug auf unsere Erkenntniss dieselben Eigenschaften, wie die Gesammtvorstellungen; auch ihre Wahrnehmung zeigt sich entweder an wirklichen Dingen oder an Reproduetionen von Erscheinungen in uns. Da- durch wird es uns möglich, die Verschiedenheit der Vor- stellungen von Dingen, welche in unserer Erkenntniss vor- handen sind, auf die Verschiedenheit der Theilvorstellungen der Dinge — auf Kennzeichen an den Dingen zurück- zuführen. Jede Vorstellung von wirklichen Dingen (im Unter- schiede von Reproductionen in uns) besitzt die Eigen- schaften der Materie und der Form. Die Verschiedenheit dieser Dinge beruht auf der Vorstellung der Verschieden- heit von mit Materie erfüllten Formen. Die Ursache der Veränderungen materieller Formen bezeichnen wir als Energie. Wir erkennen die Energie nur an ihren Wirkungen — an materiellen Formver- änderungen. Gewisse Wirkungen lassen sich in ihren gegenseitigen Beziehungen mit dem Gesetze von der Er- haltung der Kraft erklären, und zwar gilt dies Gesetz mit Bezug auf die individuelle Erscheinung. Diesem Gesetze unterliegen auch diejenigen Beziehungen zwischen Körper und Aussenwelt, welehe der Erhaltung „de l’homme ma- chine“ dienen: der Stoffwechsel. Bei dem Stoffwechsel bleibt ein Theil der, von der Aussenwelt auf den Körper übertragenen Energie in ge- wissen Formgebilden der Materie (Atomenassociationen, mit: ihrer Veranlagung für die Erfüllung physikalischer Aufgaben) Molecülen, chemischen Verbindungen, Zellen, Zellgebilden, Organen u. s. w.) als potentielle Energie dem Körper erhalten, diese Energieaufspeicherung befähigt den Körper zu jener Energieentwiekelung — jener kine- tischen Energie — deren Ursache wir als potentielle Energie niederer Ordnung des menschlichen Körpers bezeichnen wollen. . 54 Neben der niederen potentiellen Energie beherbergt der Zellenkörper des Menschen noch eine potentielle Energie höherer Ordnung. Wir vermögen, wie wir oben gesehen, die Vorstellung von einem bestimmten Dinge analytisch in gewisse Theil- vorstellungen — in Kennzeichen an dem Dinge — aufzu- lösen und sind im Stande, diese Theilvorstellungen be- liebig in uns zu reproduziren, zu assoeiren und auch diese Associationen in beliebiger Weise in Aggregate von Theil- vorstellungen aufzulösen. Wenn wir die Vorstellung von einem oder von meh- reren bestimmten Dingen in Einzelvorstellungen, in Kenn- zeichen an den Dingen zerlegt haben und dann aus diesen Kennzeichen an den Dingen durch Association von Kenn- zeichen in gewisser Verschiedenheit, in gewisser Anzahl und in gewisser Anordnung neue Vorstellungen in uns bilden, so können diese neuen, zusammengesetzten Vor- stellungen entweder Eigenschaften der Dinge darstellen, die wir als allgemeine Begriffe bezeichnen (und dies ist der Fall, wenn aus der Gesammtheit der Kennzeichen eines und desselben Dinges ein Theil der Kennzeichen, associlativ verbunden, gewählt ist —), oder diese neuen Vorstellungen können zu Erscheinungen führen, die zunächst nur in uns existiren. Indem wir die allgemeinen Begriffe oder selbst die nur in uns existirenden Vorstellungen ver- möge analytischer und synthetischer Thätigkeit zu ein- ander in Beziehung bringen, gelangen wir zu jener fei- neren Erkenntniss, die uns befähigt, vermöge von Vor- gängen in uns, Beziehungen der Dinge der Aussenwelt wahrzunehmen, welche sich unserer primitiven Wahr- nehmung verschliessen, z. B. Spectralanalyse, Röntgen- Strahlen ete. Die so gewonnenen Vorstellungen bilden eine erhöhte Art potentieller Energie, eine poten- tielle Energie höherer Ordnung, welche uns in den Stand setzt, durch die Vermittelung niederer potentieller und kinetischer Energie eines geringen Intensitätsgrades unseres Körpers, in der Aussenwelt kinetische Energie eines er- höhten Intensitätsgrades hervorzurufen, oder auch in der Aussenwelt (l’homme machine mit inbegriffen) niedere po- tentielle Energie eines erhöhten Intensitätsgrades anzu- sammeln. *) Nehmen wir in der Aussenwelt die Abscheidung: un- persönliche und persönliche Aussenwelt vor (also scheiden wir die Mitmenschen von der Gesammtheit der Dinge ab), so erkennen wir, dass die höhere potentielle Energie ‘die Fähigkeit der Uebertragung vom Individuum Mensch auf das Individuum Mensch (mit Zuhülfenahme von niederer potentieller resp. kinetischer Energie eines geringen Inten- sitätsgrades) besitzt. Die höhere potentielle Energie des einzelnen Menschen wird auf diese Weise Besitz der Menschheit. Als Mittel der Uebertragung der höheren poten- tiellen Energie von Individuum zu Individuum dient die Mittheilung durch Zeiehen und Wort. Durch Uebertragung der höheren potentiellen Energie des Einzelnen auf die Generation und die der Uebertragung von Generation zu Generation, also durch beliebige Vervielfältigung ist es möglich, die vorhandene höhere potentielle Energie inner- halb der Gattung Mensch über jede Grenze hinaus zu erhöhen. Das sind die aus den Gesetzen der Erkenntniss sich ergebenden Eigenschaften der Ein zel- Vorstellungen eines Einzelnen. Die Gesammtheit der Vorstellungen eines Einzelnen setzen sich aus den Einzelvorstellungen zusammen. Nachdem eine Vorstellung im Individuum entstanden, __ _*) Für die höhere potentielle Energie gilt das Gesetz von der Erhaltung der Kraft nieht mehr mit Bezug auf die individuelle Erscheinung. Naturwissenschaftliche Wochensehritt. XIII. Nr. 8. tritt eine andere Vorstellung an ihre Stelle, an deren Stelle tritt wiederum eine andere, und so geht es fort. Betrachten wir die sämmtlichen Vorstellungen eines individuellen Menschen in der Folge, in welcher sie sich ablösen, so führt uns diese Auffassung zu dem Be- griff einer bestimmten Folge von verschiedenen einzelnen bestimmten Gliedern, und zwar werden bei jedem Einzelnen diese Glieder gebildet von den Einzel-Vorstellungen des Einzelnen. Wenn wir diese bestimmte Reihe bestimmter Gliederfolge von Vorgängen in uns vergleichen mit ge- wissen anderen, in uns sich wiederspiegelnden, perio- dischen Vorgängen der Aussenwelt, so gelangen wir zum Begriff der Zeit. Die Gesammtheit der Vorstellungen eines Einzelnen lässt sich daher mit Bezug auf die Zeit darstellen als eine Reihe, in welcher die Zeit die Reihenfolge der Glieder angiebt, während die einzelnen Glieder als vollständig unabhängig von der Zeit erscheinen. Da die Gesammtheit der Vorstellungen, welche sich im Individuum abspiegeln, und welche diese bestimmte zum Begriff der Zeit führende Reihe bilden, in zwei Kategorien von Vorstellungen zerfallen: in solche Vorstellungen, die wirklichen Vorstellungen an Dingen entsprechen (in die Erscheinungender Wirkung niederer potentieller Energie), und in solche Vorstellungen, welche nur Vorgänge in uns abspiegeln, (in die Erscheinungen der Wirkungen höherer potentieller Energie), so lässt sich auch jede einzelne Kategorie der Vorstellungen eines Einzelnen mit Bezug auf die Zeit als eine Reihe darstellen, in welcher die Zeit die. Reihenfolge der Glieder angiebt. Zu den Erscheinungen der höheren potentiellen Energie gehört der Wille, er bewirkt die Umsetzung einer gewissen Eigenart von potentieller Energie des Individuums zunächst in kinetische Energie des In- dividuums und dann in die Energie der Aussenwelt. Diese Beeinflussung der Aussenwelt durch das lebende Individuum bezeichnen wir als Bethätigung des Indivi- duums. Die Ergebnisse der Bethätigung mit Hülfe des Willens bilden die Handlungen; die einer bestimmten Vorstellung mit Hülfe eines bestimmten Willens ent- sprechende bestimmte Bethätigung bildet eine be- stimmte Handlung. Da die sämmtlichen Vorstellungen eines Einzelnen eine bestimmte Reihe bilden, aber nur gewissen Gliedern dieser Reihe von Vorstellungen be- stimmter Folge, gewisse Handlungen bestimmter Folge entsprechen, so lassen sich auch die sämmtlichen Hand- lungen eines Einzelnen als Glieder einer Reihe auffassen, Glieder, deren Folge von der Zeit abhängt. Weil demnach jede menschliche Thätigkeit sich in Form einer Reihe einzelner Glieder so darstellen lässt, dass die einzelnen Glieder unabhängig von der Zeit sind und nur die Reihenfolge der Glieder von der Zeit abhängt, so ist dasselbe der Fall -für eine Reihe von Handlungen. Eine begrenzte, menschliche, mit zur Hülfenahme des Willens entspringende Thätigkeit, lässt sich also als eine Summe von Handlungen auf- fassen, in welcher die Zeit die Reihenfolge der Glieder dieser Reihe von Handlungen angiebt. Nun ist eine in Form einer Reihe und zwar speciell einer Summe darstellbare Function, wie es hier die begrenzte Thätigkeit als Folge des Wollens ist, keineswegs stets eine bestimmte Function; denn zur Bestimmung wäre wenigstens der Nachweis erforderlich, dass die jene Funetion dar- stellende Reihe summirbar wäre. Summirbar ist aber eine Reihe noch nicht, wenn die Reihenfolge der einzelnen Glieder bekannt ist, und zwar selbst dann noch nicht, wenn die Anzahl der Glieder eine endliche ist, sondern zur Summirung bedürfte es noch der Bestimmung jedes der einzelnen Glieder und deshalb zunächst des Nach- RIEF Nie: weises, dass 1. jedes einzelne Glied bestimmt werden kann mittelst Einheitsarten, und dann müsste nachge- wiesen werden, dass 2. diese Einheitsarten in allen Gliedern dieselben sind. Da wir für die Function „menschliche Bethätigung“ im Allgemeinen nur Zeitbestimmungen haben, so besitzen wir im Allgemeinen nur Angaben über die Reihenfolge der Glieder in der Reihe; die einzelnen Glieder an und für sich sind aber allgemein nicht bestimmbar, also ist auch die Summe der Reihe nicht bestimmbar, Denn eine Function, welche als Function durch eine Reihe nicht bestimmbarer einzelner Glieder dargestellt wird, ist nicht bestimmbar. Die menschliche Thätigkeit ist also eine Function der Zeit, aber mittelst Zeit- bestimmungen allein nicht bestimmbar. Was aber nieht bestimmbar ist, kann nicht der Vergleichung unter- zogen werden. Im Allgemeinen haben wir es bei Bethätigungen verschiedener Menschen in Bezug auf jeden einzelnen Menschen nieht mit etwas Bestimmbarem zu thun, weshalb auch im Allgemeinen die Bethätigungen von verschiedenen Menschen nicht vergleichbar sind. Hieran würde sich die Frage knüpfen, ob das, was im Allgemeinen nicht bestimmbar ist, in besonderen Fällen bestimmbar sein kann, und unter welehen Bedin- gungen dies zutreffen würde. Wollte man bei systematischer Behandlung alle Betrachtungen erschöpfen, so müsste sich zunächst hieran mit Nothwendigkeit die Untersuchung schliessen: unter welehen Bedingungen die in Form einer Reihe dargestellte Function, in weleher die Zeit die Reihen- folge der Glieder angiebt, aus Gliedern gebildet ist, deren jedes einzelne als Function derselben be- nannten Einheitsarten quantitativ bestimmbar ist. Dies würde ergeben: I. Bethätigungen, bei welchen es sich um die Um- setzung höherer potentieller Energie in höhere potentielle Energie handelt, sind — (wenigstens bis jetzt) — auf die gegebene Weise allgemein nicht bestimmbar, weil für die höhere potentielle Energie, die in andere höhere potentielle Energie umgesetzt wird, bis jetzt keine Maass-Einheiten be- kannt sind, d. h. es existiren nieht einmal quali- tative Bestimmungen, geschweige denn quantitave. Il. Bethätigungen, welche der Umsetzung höherer po- tentieller Energie in niedere potentielle Energie entstammen, können bestimmbar sein. III. Bethätigungen, bei welehen es sich um die Um- setzung niederer potentieller Energie in kinetische Energie handelt, können gleichfalls bestimmbar sein. Sind Bethätigungen bestimmbar, so sind sie end- gültig immer als Funetionen von Materie, Form und Zeit denkbar, d. h. sie sind complexe Grössen von drei ver- schiedenen Einheitsarten. Complexe Grössen von drei verschiedenen Einheits- arten ohne Einheits-Relationen sind aber nicht bestimmbar mittelst Angaben, die nur auf Bestimmungen einer dieser complexen Grössen, z. B. auf denen der Zeit basirt sind; also sind Bethätigungen durch Zeitangaben allein nicht bestimmbar, und aus denselben Gründen auch nicht Willens- bethätigungen. Nach unserer heutigen wissenschaftlichen Erkenntniss ist zur Bestimmbarkeit menschlicher Bethätigung der Nachweis ihrer Zurückführbarkeit auf Erscheinungen nie- derer potentieller Energie erforderlich. Aber selbst, wenn diese Zurückführung möglich ist, so ist die Bestimmung solcher Bethätigungen dennoch nicht im Allgemeinen möglich, weil selbst für Erscheinungen, welche als Er- scheinungen niederer potentieller Energie zu Tage treten, das hierzu erforderliche physiologische Material noch nicht Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 85 vorhanden ist; nicht einmal das für die qualitative Be- stimmung erforderliche, geschweige denn das für die quantitative. Indess scheint die Möglichkeit der Be- stimmbarkeit und dann die der Vergleiehung von der- artigen Bethätigungen unserer wissenschaftlichen Er- kenntniss begrifflich kein unlösbares Problem zu bieten, falls diese Bethätigungen sich irgend wie als Erschei- nungen niederer potentieller Energie nachweisen lassen. Anders, aber nicht etwa besser, ist es bei den der höheren potentiellen Energie entstammenden Wir- kungen, denn hier lässt sich das Problem der Bestimmung nicht einmal formulieren. Was Darwin sagt: „Geistige Kräfte können von den Naturforschern nicht ver- glichen und elassifieirt werden“ trifft bei dem heu- tigen Stande der Wissenschaft noch zu, nur hätte er sagen müssen: „Geistige Kräfte können nicht elassi- fieirt und deshalb nicht verglichen werden“. Darwin hat den Versuch gemacht, die der höheren poten- tiellen Energie entstammenden verschiedenen Wirkungen in Beziehung zu bringen und zunächst die verschiedenen Grade der Wirkungen der höheren potentiellen Energie beobachtet, welche sich bei der Betrachtung der (durch Interpolationen aus verschwundenen Formationen vervoll- ständigten) Entwickelungsreihe differeneirter körperlicher Formen organischer Geschöpfe offenbaren; aber. bei diesem Versuche ist es auch bis jetzt geblieben. Von einer Classification oder von qualitativen Bestimmungen mensch- licher Bethätigung überhaupt (die aus höherer potentieller Energie entstammende mit eingerechnet) kann also nicht die Rede sein. Wo aber selbst qualitative Bestimmungen fehlen, existiren keine quantitativen. Deshalb können im Allgemeinen menschliche Bethätigungen nicht bestimmt und nicht verglichen werden. Soweit die Betrachtungen über die individuellen menschlichen Bethätigungen, welche zu folgendem Ergeb- niss geführt haben: j Die Bethätigungsleistung eines Einzelnen — des Individuums Mensch — ist eine Funetion I. der Bethätigungsfähigkeit, II. des Bethätigungswillens und III. der Bethätigungshandlung; sie ist erstens in Bezug auf die Bethätigungsfähigkeit bedingt 1. von der potentiellen Energie, welche das Indi- viduum in sich trägt, und welche ihm zur Ver- fügung steht, 2. von der Energie der Widerstände, welche der Be- thätigungsfähigkeit des Individuums von der Aussen- welt bereitet werden, sie ist zweitens in Bezug auf den. Bethätigungswillen abhängig 3. von derjenigen höheren potentiellen Energie, welehe als Willensriehtung bezeichnet wird, und sie ist drittens in Bezug auf die Bethätigungshand- lung abhängig 4. von der Energieentfaltung, welche der Energie- vorrath eines Einzelnen in Folge des Bethätigungs- willens ermöglicht, und zwar unter Berücksichtigung derjenigen Energiewiderstände, welche die Aussen- welt der Energieentfaltung des Individuums ent- gegensetzt. Bethätigungsfähigkeit, Bethätigungswille und Be- thätigungshandlung sind Funetionen von verschiedenen Argumenten. Eins dieser Argumente bei jeder dieser Functionen ist die Zeit; die anderen Argumente aber stehen nieht in soleher Beziehung, dass die Verschiedenheit ihrer Werthe die Funetion nieht tangirt. Diese Functionen lassen sich also nicht einzig und allein als Funetionen der Zeit auffassen resp. behandeln. 86 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Wenden wir uns nun der Betrachtung speecieller Bethätigungsleistungen zu: Wenn durch irgend welche energetischen Vorgänge mit oder ohne Zuthun der Menschen Dinge erzeugt werden, welche entweder dem Individuum oder auch der Gattung Mensch zur Erhaltung resp. Förderung von Lebensvortheilen dienen oder zu dienen vermögen, so nennen wir Dinge dieser Art: Güter. Diejenige bestimmte Art der Willensbethätigung, welche zur Hervorbringung oder zur Erhaltung von Gütern dient, heisst Arbeit. Ursächlich entstammt die Arbeit der potentiellen Energie, aber nicht nur der niederen, sondern auch der höheren potentiellen Energie. Die höhere potentielle Energie äussert sich hierbei zwar in niederer potentieller Energie entstammender kinetischer Energie; die Intensität dieser kinetischen Energie bietet aber keinen Maassstab für die Intensität dieser höheren potentiellen Energie, wie wir oben bereits erörtert haben. Da die Arbeit eine besondere Art der Bethäti- gung ist, besitzt sie dieselben Eigenschaften und ist denselben Gesetzen unterworfen, wie jede Bethätigung. Das Resultat einer Arbeit mit bestimmter oberer und un- terer Grenze ist die Arbeitsleistung; die Arbeits- leistung ist demnach auch eine Funktion verschiedener Argumente, deren eines die Zeit ist, während die anderen Argumente, die, welche nicht von Zeitbestimmungen ab- hängen, im Allgemeinen nicht bestimmbar sind. Es ist somit in keiner Weise nachweisbar oder erkennbar, es ist kein Grund für die Annahme vorhanden, dass jene un- zeitlichen Argumente in derartigen Beziehungen zu ein- ander stehen, dass die Werte der Function Arbeit resp. Arbeitsleistung von jenen Argumenten nicht beeinflusst werden, mit anderen Worten: es ist nicht der geringste Grand vorhanden, welcher zu der Annahme berechtigt, dass die Arbeit resp. die Arbeitsleistung einzig und allein als Function der Zeit aufgefasst werden kann und in Folge dessen mittelst Zeitbestimmungen allein be- stimmbar ist. Jede Arbeit, resp. Arbeitsleistung lässt sich daher zwar in Form einer Reihe darstellen, deren Glieder- folge die Zeit bestimmt, aber die einzelnen Glieder dieser Reihe sind im Allgemeinen nicht bestimmbar. Deshalb sind im Allgemeinen verschiedene Arbeitsleistungen dar- stellende Reihen überhaupt nicht vergleichbar. Gleich- heitsbestimmungen für die Zeit sind somit nicht iden- tisch mit Gleichheits - Bestimmungen für Arbeits- leistungen. Die Forderungen der gleichbemessenen Arbeitszeit, d.h. ein und derselben Arbeitsdauer für jegliche Art der Ar- beit für jeglichen Arbeiter — also für die verschiedensten Verhältnisse — hat daher nicht nur keine wissenschaft- liche Berechtigung, sondern widerspricht sogar der Er- kenntniss. Unter diesen Umständen erscheint der oben aus- gesprochene Gedanke: „dass es einem schnellfertigen Urtheil als eine der unverständigsten Gleichheitsbedingungen erscheinen kann, ein und dieselbe Arbeitsdauer für verschiedene Verhältnisse festsetzen zu wollen“, nicht esoterischen Ursprungs zu sein, denn gerade das Gegentheil von dem trifft zu, was der Herr Ver- fasser dort behauptet. Ja, selbst, wenn es der Fall wäre — und es ist eben nicht der Fall —, dass in Folge der Berufswahl die Energie-Veranlagung niederen potentiellen Charakters so geregelt sein würde, dass die für die Arbeitsleistung er- forderliche Verausgabung an Energie dem Energievorrathe individuell in vollkommenster Weise entsprechen würde — und ich wiederhole es, dass dies nicht so möglich ist, wie es der naive Sinn weiter Kreise sich träumen lässt | XIH. Nr. 8. —, so würde sich diese Regelung stets nur für die der niederen potentiellen Energie entsprossene Thätigkeit denken lassen. Da aber für die Verausgabung höherer po- tentieller Energie ebensowenig, wie für den Vorrath irgend welche Maassbestimmungen existiren, und demnach die Be- messung, die Bestimmung und die Vergleiehung für diese überhaupt nicht möglich ist, wie wir gesehen haben, so existiren keine allgemeinen Normen für die Prüfung po- tentieller Veranlagung. Man mag es deshalb anfangen wie man will, die In- stitution der gleichbemessenen Arbeitszeit muss endgültig an den Consequenzen der durch sie erzeugten Schäden scheitern; so lehrt es die Wissenschaft. Wenn aber der Beweis erbracht ist, dass und warum dies geschehen muss, dann ist es überflüssig, auch noch den Nachweis zu führen, dass auch die etwaige Normirung der gleichbemessenen Arbeitszeit auf acht Stunden täglich ein Verlangen sei, welches, weil auf irrthümliehen Voraus- setzungen beruhend, bei seiner Realisirung zu gesellschaft- liehen Unzuträglichkeiten führen müsste. Es ist so festgestellt: die Forderung der gleich- bemessenen Arbeitszeit ist vor dem Richterstuhle der Wissenschaft ein nicht berechtigtes Verlangen. Damit ist aber keineswegs gesagt, dass eine Verkürzung der Arbeitszeit überhaupt nicht möglich sein dürfte, wenn man die Bedingung der Gleich- bemessung fallen lässt und die nicht gleiehbe- messene — die ungleich bemessene verkürzte Arbeits- zeit als Forderung stellt. Tritt man in diese Unter- suchung ein, so muss erst schärfer definirt werden, was man eigentlich unter Arbeit verstehen soll, ob nur den Broterwerb, oder, wie wir definirt, die Thätig- keit, welche direet oder indireet zur Erzeugung von Gütern führt. Ehe erörtert und festgestellt werden kann, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um eine Verkürzung der, ungleich zu bemessenden, Arbeitszeit zu ermöglichen, müssen die Grundgesätze, welche für jede assoeiative Bethätigung gelten, erforscht werden; denn diese Ge- setze beherrschen auch die associative Arbeit. Wenn zwei oder mehrere Individuen mit verschiedener oder derselben Willensrichtung isolirt thätig sind, so ist die Bethätigungsleistung beider gleich der Summe der beiden einzelnen Bethätigungsleistungen. Vereinen sich aber die Individuen zur gemeinsamen Vollbringung der- selben Bethätigungshandlung, so wird die Einwirkung der associirten Individuen auf die Aussenwelt durch die Association erhöht. Der Beweis für diese Behauptuug er- giebt sich aus Folgendem: I. Die Bethätigungsfähigkeit zweier auf die Weise assoclirten Wesen wird grösser als die Summe der beiden Bethätigungsfähigkeiten der Einzelnen, weil 1. bei der potentiellen Energie, welche beide Indi- viduen in sich tragen und welche ihnen nach der Ver- einigung zur Verfügung steht, sich zeigt, dass a) der Theil von der potentiellen Energie höherer Ordnung der beiden assoeiürten Individuen, welche für eine Bethätigung bestimmter Art erforderlich ist, durch Austausch Gemeingut beider Individuen wird; d. h. es bleibt bei der Vereinigung nicht nur diejenige höhere potentielle Energie, welche jedes Einzelwesen bei der Association mitbringt, der Gemeinschaft erhalten, sondern es wird auch diejenige höhere potentielle Energie, welche das eine Individuum vor dem anderen mit Bezug auf die gemeinsam ausgeübte Bethätigung voraus hat, dureh gegenseitigen Austausch Eigenthum der an- deren Mitglieder der Gemeinschaft; die höhere potentielle Energie der Einzelnen vermehrt sich XIM: Nr: 8 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 87 also bei zwei, zu derselben Thätigkeit associirten Individuen, sobald derselbe Bethätigungswille herrscht. Es zeigt sich ferner: b. die niedere potentielle Energie summirt sich und erzeugt bei der Umsetzung in kinetische Energie alle die Vortheile, welehe die Formen zweier vereinigter Körper mit bestimmten Eigen- schaften vereint zu leisten vermögen. 2. Die Energie der Widerstände, welche der Be- thätigungshandlung bei den Individuen von der Aussen- welt bereitet wird, erfährt bei der Assoeiation eine Ver- minderung. Denn: die Widerstände der Aussenwelt, dem indi- viduellen Menschen gegenüber, vermindert sich, sobald dieser Mensch fortgesetzt dieselbe Bethätigung ausübt, und zwar geschieht dies in Folge erhöhten Anpassungs- vermögens des Körpers an diese bestimmte Art der Be- thätigung; die weitere Folge ist dann eine grössere Leistungsfäbigkeiti welehe durch Association — also durch Bildung einer Gruppe von Individuen mit demselben Be- thätigungswillen — noch erhöht wird. Ist die Gesammt- heit auf diese Weise in Gruppen getheilt, so wird durch eine derartige Formation der Gesellschaft die Leistungs- fähigkeit der Gesammtheit gesteigert; d. h. die Theilung der Bethätigung der Gesammtheit in gewissen Kategorien erhöht die Bethätigungsfähigkeit einer Gesammtheit. Also auch die Theilung der Arbeit, d. h. die Arbeits- theilung steigert die Leistungsfähigkeit einer Gesammtheit. II. Der Bethätigungswille wächst bei der Association in Folge von Nerveneigenschaften des menschlichen Körpers. Auf diese Weise wird durch die Vergrösserung der Bethätigungsfähigkeit und des Bethätigungswillens es ermöglicht, dass III. die Bethätigungshandlung der Association sich intensiver zu gestalten vermag, so dass zwei associirte Wesen mehr zu leisten vermögen als zwei einzelne, isolirte Individuen. Die erhöhte Einwirkung der assoeirten Individuen auf die Aussenwelt in Folge der Association entstammt somit in erster Linie der Intensitätszunahme der höheren potentiellen Energie. Der Zunahme der Gesammt-Energie in Folge der Association steht gegenüber eine Abnahme der Ge- sammt-Energie dieser Association, welche eine Folge der vermehrten Einwirkung der Aussenwelt auf die associirten Individuen ist. Verursacht wird diese Verringerung der Energie der Association durch die Beschränkung der Willensrichtung jedes Einzelnen in Folge des associativen Verbandes. Diese behindernde Einwirkung, welche die Aussen- welt auf den individuellen Menschen ausübt, rührt her: a) von der unpersönlichen Aussenwelt; diese Be- hinderung entstammt der niederen potentiellen Energie, b) von der persönlichen Aussenwelt; diese Be- hinderung entstammt theils niederer, theils höherer potentieller Energie, Denn da bei jeder associativen Vereinigung von zwei Menschen, behufs Ausübung gemeinsamer Thätigkeit, die Willensrichtung des einen durch die des anderen — ein Theil der persönlichen Aussenwelt des ersteren — be- schränkt wird, so erlangt die Einwirkung der persön- lichen Aussenwelt des ersteren Individuums auf das erstere Individuum erhöhten Einfluss, und umgekehrt gilt dasselbe. Für das vortheilhafteste Bestehen jeder Association von Menschen sind somit die Grundbedingungen dieselben wie für das Bestehen des einzelnen agirenden Menschen: U 1. das Vorhandensein eines möglichst grossen Energie- Vermögens (möglichst starker potentieller Energie) und . die weiteste Möglichkeit, die höhere potentielle Energie in niedere potentielle Energie und die niedere potentielle Energie in kinetische Energie umsetzen zu können. Es entsteht hier also die Frage, welche Bedingungen sind zu erfüllen, damit bei associirten Wesen 1. der Energievorrath ein Maximum und 2. die Einschränkung der Umsetzung der höheren potentiellen Energie in niedere potentielle Energie und zugleich die Einschränkung der Umsetzung der niederen potentiellen Energie in kinetische Energie ein Minimum werde. Es würde die Beantwortung dieser Frage eine der Rechnung zufallende Aufgabe sein, wenn die einzelnen in Betracht kommenden Grössen qualitativ und quantitativ bemessen werden könnten, was ja, wie wir oben gesehen, heute nicht entfernt möglich ist. Das rationelle Problem würde dann etwa so lauten: Gegeben ist eine bestimmte Anzahl Menschen, deren Association auf Energie-Inanspruchnahme mit beschränkter Haft der Einzelnen, also auf partieller Bethätigungs- leistung beruht. Jedes einzelne Mitglied bedarf zu seiner Erhaltung bestimmter Güter, diese Güter bedürfen zu ihrer Hervorbringung einer bestimmten Menge von kineti- scher Energie und die Möglichkeit der Erzeugung dieser kinetischen Energie erfordert das Vorhandensein be- stimmter potentieller Energie, niederer und höherer. Die Frage ist dann: 1. welehes Quantum Energie muss vorhanden sein und 2. in weleher Weise muss die Inanspruchnahme der Energie-Abgabe des einzelnen Associes er- folgen, damit ein Maximum von Mitgliedern sich in einem Maximum von Wohlfahrt (Wohl- fahrt muss erst als Maximum der Widerstands- fähigkeit gegen Beeinflussung der Aussenwelt de- finirt werden) befinde und in diesem Zustande ver- bleibe. Man sieht, das ist eine Aufgabe, deren Inangriff- nahme resp. Lösung mit ungeheueren Schwierigkeiten zu kämpfen haben würde, schon deshalb, weil sie voraus- setzt, dass die Frage bereits beantwortet sei: in welcher Weise die Abgrenzung der Erzeugung niederer und höherer potentieller Energie beim Individuum und auch bei der Association zu erfolgen hat, damit der gesammte Energievorrath der Association ein Maximum werde. In Folge der Mangelhaftigkeit unserer Erkenntniss können wir die Lösung dieser Aufgabe nicht in rationeller Weise deductiv vornehmen, sondern wir müssen uns bis jetzt auf die empirische induetive Behandlung des Problems be- schränken. Hierbei erfährt die Aufgabe sofort dadurch Er- leichterungen, dass wir es mit einer bestimmten Art der Be- thätigung: mit Arbeitsleistungen zu thun haben und zwar deshalb Verringerungen seiner Schwierigkeiten, weil als- dann in gewisser Weise — aber nur in gewisser Weise — ein Maassstab für die Arbeitsleistungen vorhanden ist: die erzeugten Güter. Nun lehrt die Erfahrung an der Hand der Geschichte, dass die Civilisation (diese ist der Maassstab für den Grad der Wohlfahrt) eines Volkes ab- hängt: 1. von den vorhandenen Gütern (ihrer qualitativen Beschaffenheit und ihrer quantitativen Menge) und 2. von der Art der Vertheilung der vorhandenen Güter anf die einzelnen Individuen, und dass die Civilisationsstufe sich erhöht, je grösser die 159) 58 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Menge, je besser die Qualität der vorhandenen Güter ist und je gleichmässiger die Vertheilung sich unter der Voraussetzung vollzieht und voll- zogen hat, dass durch die Art der Ver- theilung der Güter deren Quantität und | deren Qualität nicht verringert wird. Die Berechtigung jeder socialen Forderung — ich betone dies — hängt von dem Nachweise der Erfüllbarkeit dieser Bedingungen ab, zu deren Kenntniss uns bisher historische Mittel geführt haben. Stellt man sich auf den naturwissenschaftlichen Standpunkt, so ist die Untersuchung geboten, zu erforschen, welche Gestalt diese Bedingungen (an der Hand der naturwissenschaftlichen Mittel) annehmen. Die Erzeugung von Gütern wird ermöglicht und be- wirkt: 1. durch die bereits vorhandenen (die früher erzeugten) Güter und 2. durch die Arbeit, welche mit Zuhülfenahme der vorhandenen Güter geleistet wird. Die vorhandenen Güter repräsentiren: aufgespeicherte Energie — die Arbeit: die bewirkte, die vollzogene Ent- faltung aufgespeicherter Energie. Die Erzeugung von Gütern ist deshalb in energetischer Auffassung bedingt: 1. von Energie-Aufspeicherung, 2. von Energie-Entfaltung. Da aber auch durch die Art der Vertheilung der vorhandenen Güter die Arbeit bedingt ist, so ist vom naturwissenschaftlichen Standpunkte aus die Civilisation abhängig: 1. von der Energie-Aufspeicherung, welche die Ge- sammtheit besitzt, und 2. von der Möglichkeit jedes Einzelnen, die aufge- speicherte Energie mit Ueberwindung eines Mini- mums von Hindernissen der Aussenwelt entfalten zu können. An die Stelle der historischen Bedingungen sind somit allgemeinere Bedingungen getreten: Damit die vorhandene potentielle Energie ein Maximum bleibe, ist nothwendig erforderlich, dass der Energie-Verbrauch auf das geringste Maass sinke. Die Auffindung und Feststellung derjenigen Bedingungen und Umstände, unter welchen der Energie-Vorrath der Gesammtheit ein Maximum und ihr Energie-Verbrauch ein Minimum werde, ist die Aufgabe, welche die Energetik der Wirthschafts- lehre stellt. Der Energie-Verbrauch verringert sich in demselben Maasse, in welchem die Widerstände der Aussenwelt sich vermindern. Die Feststellung der zu erfüllenden indivi- duellen Vorschriften und der zu treffenden ge- sellsehaftlichen Einrichtungen, welehe für die Menschheit (dem weitesten Begriffe der Association) erforderlich sind, damit alle die Energie des Einzelnen verringernden und schwächenden Ein- schränkungen, welche die Energie des Ein- zelnen durch die Einwirkung seiner persönlichen Aussenwelt erfährt (d. h. damit die Behinderung der Energie-Entfaltung des Einzelmenschen durch seine Mit- menschen) sich innerhalb der Association auf ein Minimum redueire —: diese Feststellung ist Auf- gabe der Ethik. Bei ethischen Betrachtungen darf man jedoch nie ausser Acht lassen, dass neben der die Energie-Entfaltung be- schränkenden persönlichen Aussenwelt des Einzelmenschen, welche allerdings vorzugsweise vom Willen des Mit- menschen abhängt, für den Einzelmenschen auch noch eine unpersönliche, sachliche, die Energie-Entfaltung ein- XI. Nr. 8. schränkende Aussenwelt existirt, welche nicht vom Wollen der Mitmenschen, sondern von dem dnrch die unpersön- liche Natur bedingten Können bedingt ist. Die Resultate, welche hier die Forschung gezeitigt, | entstammen naturwissenschaftlichen Untersuchungen, Unter- suchungen, welche aus der Betrachtung des Neben- einander und des Nacheinander der Erscheinungen ihre Beurtheilung herleiten, während die historisch ge- wonnenen Resultate: „der Betrachtung des Nach- einander der Ereignisse“ ihren Ursprung verdanken. Beide Forschungsarten führen zu denselben Ergebnissen, nur mit dem Unterschiede, dass die naturwissenschaftliche Auffassung (wir haben es hier mit Doppelreihen zu thun) einen allgemeineren, die historische Ausschau umfassenden Ueberblick gestattet. Verschieden aber sind die beiden angewendeten Methoden, denn der Charakter der ge- schichtlichen Methode ist inductiv, der der Naturwissen- schaften inductiv und deduetiv, und gerade in der De- duetion liegt das Uebergewicht der letzteren Methode. Für die Wirthschaftslehre und auch für die Ethik ist es bis jetzt nieht möglich gewesen, die naturwissen- schaftliche Methode der Deduction zu fructifieiren. Denn noch sind wir nicht im Stande, den Energie-Vorrath einer Association anzugeben oder den Energie-Verbrauch für gewisse associative Bedürfnisse zu berechnen und diesen Bedürfnissen entsprechend die Inanspruchnahme des Einzelnen in Bezug auf seine Energie-Lieferung festzu- stellen (unter Berücksichtigung derjenigen Einschränkungen der Energie-Entfaltung, welche der Einzelmensch durch die Gesammtheit seiner Mitmenschen erfährt), sondern wir müssen uns mit der Methode der Betrachtung des Nach- einander, der zeitlich differentiellen energetischen Ver- änderungen bestehender Institutionen begnügen und die Wirkungen dieser Aenderung auf die Gesammtheit em- pirisch beobachten. Diese. Methode der Verbesserung bestehender Zustände ist höchst mangelhaft, sie gewährt indess einen gewissen Vortheil, nämlich die Gewissheit, dass bei der Realisirung von Gedanken-Ergebnissen sich grössere Nachtheile für die Wohlfahrt der Gesammtheit vermeiden lassen, da etwaige sich zeigende Fehler sofort dnrch Gegenmaassregeln zu beseitigen sind, ohne grössere Schäden angerichtet zu haben. Also leider sind mıt den jetzigen Mitteln der Erkenntniss Feststellungen mittels Deduction auf socialem Gebiete im Allgemeinen nicht möglich. Würde aber selbst die Wissenschaft bereits auf einer derartigen Höhe der Entwickelung angelangt sein, dass man im Stande sein möchte, bei der Behandlung socialer Fragen die Deduction anzuwenden, so müsste es doch erste Pflicht, erste Bedingung sein, diese Methode selber den Forderungen der Deduetion anzupassen; also z. B. müsste auch bei der Behandlung der socialen Frage der Verkürzung der Arbeitszeit den Vorschriften der De- duetion streng entsprochen werden, wenn man die de- ductive Methode anzuwenden versuchen wollte. Diese Frage beruht in erster Linie auf wirthschaft- lichen Erwägungen, erst in zweiter Linie kommen, wie wir gesehen, ethische Gesichtspunkte in Betracht. Bei der Erörterung dieser Aufgabe müssen folgerecht wirth- schaftliche Betrachtungen die Grundlage -der Unter- suchungen bilden. Mit welchem Rechte man trotzdem be- fugt sein dürfte, weil: „eine gründliche Darlegung der voll- ständigsten und neuesten Erfahrungen und Ermittelungen auf dem ethisch und wirth- schaftlich so überaus wichtigen Gebiete dieser Frage von fachmännischer Seite nicht gelungen ist“, da „eine geeignete Kraft nicht aufzutreiben gewesen ist“, XII. Nr. 8. mit ethischen Darlegungen die Untersuchungen zu be- ginnen, wie ein grosser Gelebrter und reiner Menschen- freund jüngst in. einer Schrift behauptet, das entzieht sich — wenigstens auf Grund des in jener Arbeit vor- liegenden Materials — der Beurtheilung. Denn wenn ein socialer Neubau errichtet werden soll, in welchem die Verkürzung der Arbeitszeit die nöthige Berücksichtigung finden soll, so dürfen doch — und wenn der Neubau in noch so vollkommener Weise ausgeführt wird — un- möglich die Gesetze der socialen Statik unbeachtet bleiben und das Gelüste eines socialen Architekten (weil nun alles anders werden soll) einmal den Versuch zu machen, bei der Dachfirste beginnend, diesen Umbau aus- führen zu wollen, wird schwerlich über den Gedanken- kreis der Phantasie hinaus Geltung gewinnen. Der Fehler derartiger Betrachtungen liegt in dem Mangel .analytischer Gedankenthätigkeit, welche einzig und allein zu einer Klärung der Grundbegriffe führt und einen rationellen Gedanken-Aufbau ermöglicht. Wenn die höchste Aufgabe der Menschheit die Er- haltung der Gattung ist, die Erhaltung der Gattung von der Stärke der potentiellen Energie der Gesammtheit ab- hängt, und ein Wachsthum dieser Gesammt-Energie im Wesentlichen von dem Wachsthume der höheren po- tentiellen Energie der Gesammtheit bedingt ist, so hängt doch in letzter Instanz eine Steigerung der höheren potentiellen Energie der Gesammtheit von der Fortentwickelung der höheren potentiellen Energie des Einzelnen, des Individuums Mensch ab. Die höhere potentielle Energie will ja ursprünglich-individuell geschaffen sein, auf esoterischem Wege, die Ausbreitung der individuell ge- schaffenen höheren potentiellen Energie auf die Massen, diese exoterische Arbeit bildet erst die zweite Etappe auf dem Kulturpfade. Der umgekehrte Weg führt über dürre Felder; diese Wegesrichtung schwächt die Gesammtenergie der Menschheit; anstatt sie zu stärken, sie gereicht der -Mensehheit nicht zum Segen, selbst dann nicht, wenn die höchste Sittliebkeit die reinsten Pfade wandelt. Die Resultate, zu welchen diese Abhandlung gelangt ist, sind so selbstverständlich, dass es als überflüssig er- scheinen könnte, derartige Trivialitäten einem sach- verständigen Lesepublikum zu unterbreiten, wenn es nicht der Zweck dieser Zeilen gewesen wäre, den Versuch zu machen, aphoristisch anzudeuten, welche Wege die Wirth- schaftslehre und welche die Ethik in Zukunft zu wandeln haben dürfte, um wissenschaftliche Gleichberechtigung mit den Naturwissenschaften zu erlangen und es so zu er- möglichen, die Behandlung socialer Fragen (wie es z. B. die Forderung des achtstündigen Arbeitstages ist) von einem höheren Standpunkte aus vornehmen zu können, Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 89 von derjenigen Höhe, deren Gesichtskreis es gestattet, sociologische Erörterungen loszulösen von jenen Tages- meinungen, bei welchen das abstraete Empfinden das wissenschaftliche Erkennen ersetzen helfen muss. Nachwort: Herrn Geheimrath Professor Dr. Wilhelm Förster, welchem ich diese Arbeit vor mehr denn Jahresfrist in dem Bewusstsein unterbreitet hatte, dass sein hoher, selbstloser Sinn .auch entgegengesetzte Meinungen zu würdigen weiss, wenn solche dem reinen Bestreben entsprungen sind, Wahrheit schaffen zu wollen, dürften obige Darlegungen die Anregung zu der Uni- versitätsvorlesung gegeben haben, welche er in diesem Semester unter dem Titel: „Zur naturwissenschaft- lichen Erkenntnisstheorie“ angekündigt hat. Zu meiner Freude schliesst sich der beliebte Universitätslehrer im Grossen und Ganzen eng dem Gedankengange an, welehen ich bei meinen Auseinandersetzungen skizzenhaft angedeutet habe; der wissensreiche Gelehrte ergänzt aber jene Aphorismen in ganzer Fülle aus dem Arsenale seiner weiten Kenntnisse in der ihm eigenen, gedankensprühenden, klaugvollen Weise, indem er zugleich bemüht ist, für die- jenigen Erscheinungen, welche ich als höhere, potentielle Energie bezeichnet habe, Classificationen zu schaffen unter Hinweis auf Analogien, welche die Physik der Impon- derabilien erkennen lehrt. Wenn man den Zusammenhang der Erscheinungen klar zu legen bemüht ist und sich dabei als Mittel thetischer und Iytischer Gedankenoperationen bedient, so stehen derartige Betrachtungen auf sicherem Boden, sobald man sie auf die einfachsten Begriffe zurückzuführen vermag, welche die all- gemeine Grössenlehre, (und zwar sowohl die diserete, wie die eontinuirliche) uns bietet, weil nur alsdann der Nach- weis der Uebereinstimmung des arithmetischen, geometri- schen und des physikalischen Abhängigkeitsbegriffes möglich sein dürfte. Hier findet also stets die Zurück- führung auf die einfachsten Begriffe statt. Ob die Zurück- führung auf zusammengesetztere Begriffe, welche zwar ein- fachsten arithmetischen Beziehungen zwischen einfachen Bewegungserseheinungen ihre begriffliche Entstehung ver- danken nnd dabei sinnlichen Wahrnehmungen entsprechen, wie dies bei der Harmonie der Töne der Fall ist, ge- eignet sein dürften, das Material für eine tiefere und feinere Einsicht in den Zusammenhang der Erscheinungen des Kosmos, den Menschen mit eingeschlossen, abzugehen, — Herr Geheimrath Förster weist auf die Plato’sche Harmonielehre hin — das ist eine Frage, deren natur- wissenschaftlich-mathematische Beantwortung noch aus- stehen dürfte. Die Bedeutung des Buchweizens für Frankreich bespricht der Oberapotheker Balland aus Paris in einer Note, welche er der französischen Akademie der Wissen- schaften eingereicht hat. In Frankreieh werden zur Zeit gegen 651000 Hectar mit Buchweizen bestellt, das ist dasselbe - Areal wie schon 1840, aber seit der Zeit ist der Ertrag der Ländereien bedeutend gestiegen, nämlich pro Hectar von 13 auf 17 Heetoliter. Im Jahre 1895 betrug die Eınte 9 900 000 Heetoliter oder 6 245 000 Centner. Nach Frankreich importirt wird gar kein Buch- weizen; der Export betrug 1895 etwa 184000 Centner. Nach Russland ist Frankreich das Land, welches den meisten Buchweizen produeirt, dann kommen die Ver- einigten Staaten mit 5Y/, Millionen Hectoliter, Oesterreich- Ungarn mit 2 Millionen und Deutschland mit 1 Million Heectoliter. In Frankreich wird der Buchweizen nament- lieh in der Normandie, der Bretagne, sowie in den alten Provinzen Limousin und La Bresse angebaut; die chemische Zusammensetzung dieser verschiedenen Sorten bietet wenig Unterschiede. Das Gewieht von 1000 Buchweizenkörnern schwankt zwischen 17,80 und 25 Gramm. Von dem ge- ‚schälten Korn kommen 19—21 Procent auf die. Schale, also noch einmal so: viel als bei der französischen Gerste; die Schale besteht aus einem harten, lederartigen Tegu- ment. Der Kern ist weiss, fast rein von Cellulose und sehr nahrhaft, er ist in jeder Weise den eigentlichen Ge- treidearten bezügl. seines Nährwerthes gleichzustellen. Der französische Bauer benutzt denn auch den Buchweizen nicht nur als Viehfutter,. sondern er verwendet ihn auch unter der Form von Kuchen .und 'einer Art Waffeln zu seiner eigenen Nahrung. S. Sch. 90 Wetter - Monatsübersicht. (Januar) Der milde Witterungscharakter, welchen bereits der December 1397 gezeigt hatte, bestand in noch viel ausgesprochenerer Weise während des ganzen diesjährigen Januar fort. Wie schon ein Blick auf die beistehende Zeichnung er- ] Temperaturen im Januar 1898. —— Tägliches Maximum, bez. Minimum, dUhr Morgens, 1898. „8 Uhr Morgens normal aytdan M. AB. N. Hp | [9 fer. -. _ Nordwestdeutschland. As | Br RANG = FERN ZSSHS mrına N ATSUJYZ \/ vENY WALNIEVZWIN, N an mann = Feen 0 Alan. N. 16. FEN ZINN z SIIWY/H-HN | =ealejet Posen Nordostdeutschland. R meNza aa. jea| Su \ X BEBErENGNE EZ ENG N N rn Zi kennen lässt, lagen die Temperaturen in Deutschland mit Ausnahme weniger Tage immer über ihren normalen Höhen, von denen sie um den 6. allgemein, in Nord- deutschland auch um den 21. und am Schlusse des Mo- mnats um 6° ©. oder noch mehr abwichen. Selbst wäh- rend der Nacht ging das Thermometer in den nordwest- liehen Landestheilen nur selten unter den Gefrierpunkt herab, etwas häufiger im Nordosten, und von der Oder an ostwärts herrschte zwischen dem 25. und 27. Januar sogar ziemlich strenger Frost mit 12° Kälte in Königsberg, 10° in Memel und Breslau. In Süddeutschland war es während der ersten Hälfte des Monats wenigstens in den Tagesstunden ebenso warm Naturwissenschaftliche Wochenschrift. wie im Norden. Wie dort in Köln, so überschritt hier in Mülhausen i. E. und München das Thermometer mehrmals 10°C.; aber seit dem 16. Januar trat Frostwetter ein, das bis zum 21. anhielt. Bis zum Schlusse des. Monats lagen die Temperaturen dann fast immer mehrere Grade über Null, und im Monatsmittel waren sie reichlich zwei Grade höher, als dem langjährigen Durchschnittswerthe für die süddeutschen Stationen entspricht. In ganz Norddeutsch- land jedoch wurde die normale Januartemperatur sogar um 3/, bis 4 Grade übertroffen; beispielsweise betrug die Mitteltemperatur zu BerlinN. + 3,0°C., während hier — 0,6 für den Januar normal ist. Eine so starke Abweichung vom normalen Werthe kommt zwar nicht eben bäufig, indessen auch nicht so selten vor, wie man gewöhnlich wohl annimmt*). Neben der hohen Wärme des vergangenen Januar bildete seine grösste Eigenthümlichkeit das beinahe voll- ständige Fehlen von Schnee, während Regen nieht selten vorkam. Nach zwei gänzlich trockenen Tagen fanden, der nebenstehenden Darstellung zufolge, vom 3. bis 8. Januar ausgebreitete und längs der Küste ziemlich ergiebige *) Vergl. das Referat in voriger Nummer. Red. XIH. Nr. 8. Regenfälle statt. In der folgenden Woche waren sie viel geringer und hörten am Ende derselben völlig auf. Seit dem 19. Januar begannen neue Regen, welche jetzt über ganz Norddeutschland ziemlich gleichmässig vertheilt, in Süddeutschland hingegen, noch spärlicher als früher waren, und in den östlichen Landestheilen vom 23. an in Schnee edershlagshöh Dune /p y, Mittlerer Werth für IE Deutschland. 7 Monatssummen im Jan. Helgoland yır Swinemünde Königsberg Hannoven Magdeburg Chemnitz Berlin, Breslau Mühlhausen/E $ übergingen. Bald jedochfnahmen !die Niederschläge aber- mals an Zahl und Stärke ab, und erst am Monatsschlusse traten in Folge heftiger Weststürme ‚wieder: bedeutendere Regenfälle auf. Die Summe, derselben, welche sich für den Durchschnitt aller deutschen Stationen zu 31,5 Milli- metern ergab, war wenig kleiner, als im Mittel der letzten Januarmonate; nur im Januar 1895 wie auch 1892 wurden erheblich grössere Regenmengen gemessen Auch die Grösse der Bewölkung und Dauer der Sonnenstrahlung wichen im Januar dieses Jahres nicht bedeutend von ihren Mittelwerthen ab; z. B. hatte Berlin 34, Potsdam 42, Uslar 43 Stunden mit Sonnenschein, welche sich überall auf etwa den dritten Theil aller Tage des Monats ver- theilten; um die Mitte desselben war ganz Deutschland von einer dichten Nebelhülle überdeckt. Gleichmässiger, als es innerhalb eines mehrwöchent- lichen Zeitraumes in der Regel der Fall ist, gestalteten sich die Luftdruckverhältnisse während des vergangenen Januar. Von Nordschottland zogen über die skandinayvische Halbinsel nach Nordrussland beständig oceanische Minima von grösserer oder geringerer Tiefe, die für Nordeuropa sehr häufig stürmisches Wetter mit sich brachten. Da- gegen wurde die mittlere Zone Europas von einem Gebiete hohen Luftdrucks eingenonmen, so dass in Deutschland, das sich meistens in der nördlichen Hälfte dieses Gebietes befand, noch mehr wie schon im vergangenen December, milde Südwest- und Westwinde vorherrschten. Freilich lag das barometrische Maximum auch nieht selten mitten in Deutschland, nämlich vom 8. zum 9., vom 13. zum 14., vom 16. zum 17. und vom 25. zum 26. Januar, weshalb im Monatsmittel der Barometerstand z. B. in Berlin um 6,0 Millimeter seinen Normalwerth übertraf. Wenn trotz- dem nicht, wie es im Winter bei hohem Luftdrucke die Regel ist, sich eine stärkere Wärmeausstrahlung bemerk- bar machte, so ist das wohl in erster Linie der Abwesen- heit einer Schneedecke zuzuschreiben, welche sonst ver- möge ihrer geringen Leitungsfähigkeit der atmosphärischen XII. Nr. 8. Luft die Wärmezufuhr aus dem Erdinneren abschneidet und selbst durch Ausstrahlung von ihrer lockeren Ober- fläche aus schnell erkaltet. Vielleicht lag es auch an diesem Mangel an Schnee, dass der Kern des Hochdruck- gebietes sich immer nur kurze Zeit bei uns aufhielt und den südlichen Ausläufern der oceanischen Depressionen das Eindringen in Norddeutschland nicht verwehrte. Wenigstens befanden sich im östlichen Russland, wo am 11. Januar zu Tscherdyn die Luft über einer 7 Deceimeter hohen Schneedecke sich bis — 41° C. abkühlte, während der ersten Hälfte des Januar fast ununterbrochen Baro- metermaxima, bis sich am 14. ein tiefes Minimum vom Weissen Meere einen Weg nach Süden bahnte. Von da ab wurde die östliche Hälfte Europa’s von zahlreicheren Depressionen durchzogen, welche gegen Ende des Monats auf der Balkanhalbinsel schwere Schneestürme im Gefolge hatten. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Chemiker Professor Dr. Ferdinand Tiemann in Berlin zum Geheimen Regierungsrath; der Privat- docent der Geophysik in Göttingen Professor Dr. Emil Wiechert zum ausserordentlichen Professor. Berufen wurden: Der ordentliche Professor der Philosophie in Kiel Geheimrath Dr. H. Riehl nach Halle; Professor Eugen Maier von der technischen Hochschule zu Hannover als Professor der landwirthschaftlichen Maschinenkunde und technischen Physik nach Göttingen; der ausserordentliche Professor der Philosophie in Strassburg Dr. Paul Hensel als ausserordentlicher Professor nach Heidelberg; der ausserordentliche Professor der Dermatologie in Innsbruck Dr. von Lukasiewicz als ordentlicher Professor nach Lemberg. Es habilitirten sich: In Berlin Dr. Erich von Drygalski für Geographie; in Strassburg Dr. Dreyfus für innere Mediein; in Jena Dr. M. Steuer für Mineralogie. In den Ruhestand tritt: Der ordentliche Professor der Chirurgie in Kiel Geheimrath Dr. Friedrich von Esmarch. ‚Es starben: ‘Der ordentliche Professor der Zoologie und Zootomie in Leipzig Dr. Rudolf Leuckart; der um die Irren- heilkunde sehr verdiente Geheime Medieinalrath Dr. Paul Hasse in Braunschweig; der Direetor der Irrenanstalt in Düren Geheimer Sanitätsrath Dr. Ludwig Hugo Ripping; der zweite Assistent an der Königsberger medieinischen Universitäts-Klinik Privatdocent Dr. Max Podack; der Vorsteher der prähistorischen Abtheilung des bosnisch-herzogovinischen Landesmuseums in Sarajevo, Custos Franz Fiala; der Oberdirector der technischen Hocbschule in Stockholm Professor Knud Styffe. Litteratur. Schuldirector Max Fischer, Pokorny’s Naturgeschichte des Pflanzenreiches für höhere Lehranstalten. 20. verb. Aufl. Mit 421 Abb. G. Fıeytag. Leipzig 1898. — Preis 2,50 M. Das Buch beschäftigt sich im Wesentlichen (auf 200 Seiten) mit der Systematik der Pflanzen, „Bau und Leben“ nehmen S. 201—244 ein. Ein Anhang giebt eine Uebersicht über das Linn@'sche System und Tabellen zum Bestimmen der wichtigsten einheimischen und häufiger ceultivirten, ausländischen Pflanzen- Gattungen nach dem genannten System, sodass das Buch der Schule auch eine Flora zu ersetzen sucht. Prof.Dr. Walter Migula, Synopsis Characearum europaearum. Dlustrirte Beschreibung der Characeen Europas mit Berück- sichtigung der übrigen Welttheile. Auszug aus dessen Bear- beitung der Characeen in Rabenhorst’s Kryptogamenflora. Mit 133 Abbildungen und einer Einleitung. 176 S.. Verlag von Eduard Kummer in Leipzig. — Preis 8 Mark. ,. Das umfangreiche und 'gewissenhafte Werk, aus welchem die vorliegende Schrift einen Auszug bildet, wurde in der „Naturw. Wochensehr.“ Bd XII. S. 131 besprochen. Der Verfasser behandelt in der mit 15 Abbildungen ver- sehenen Einleitung den Bau der Characeen und giebt.sodann eine Anweisung zum Sammeln und Bestimmen derselben. Letzteres ist Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 9 sehr erleiehtert dureh einen Schlüssel, hauptsächlich aber durch Habitusbilder in natürlicher Grösse, sowie Abbildungen aller charakteristischen Theile in entsprechender Vergrösserung. Jede Species (mit alleiniger Ausnahme von Tolypella hispanica) und ein grösserer Theil der Varietäten ist abgebildet. Ein Verzeichniss der Characeen-Litteratur und ein solches der Exsiecatensamm- lungen sind beigegeben. Apotheker W. Brandes, Flora der Provinz Hannover. Ver. zeichniss der in der Provinz Hannover vorkommenden Gefäss- pflanzen. Hahn’sche Buchhandlung. Hannover und Leipzig 1897- Das fleissige, mit eingehenden Standortsangaben versehene Verzeichniss von 543 Seiten in Oetavformat berücksichtigt nicht nur die ursprünglich wildwachsenden, sondern auch die allgemein eultivirten, sich scheinbar einbürgernden und häufig bier und da sporadisch auftretenden Arten; der Florist wird dasselbe freudig begrüssen. a Prof. A. Slaby, Die Funkentelegraphie Mit 22 Abb. und 2 Karten. Leonhard Simion in Berlin 1897. Die Schrift ist die erweiterte Ausarbeitung eines Vortrages. den der Verfasser im Verein zur Beförderung des Gewerbefleisses über diese zur Zeit eifrigst ventilirte Frage gehalten hat. Den Ausdruck „Funkentelegraphie“ führt der Verfasser ein statt der bisher üblichen, aber unrichtigen Bezeichnung „Telegraphie ohne Draht“. Nach einer populär gehaltenen Einleitung über die Art der Hertz’schen Strahlen und die Methoden, dieselben hervorzurufen, bringt Verfasser den ersten authentischen Bericht über die in seiner Gegenwart von Marconi in England angestellten Versuche mit der neuen Telegraphie. Der Hauptinhalt der Schrift bezieht sich indess auf die von dem Verfasser selbstständig durchgeführten Versuche an der Havel. Besonderes Interesse erwecken die aus- führlich mitgetheilten Versuche, welche der Verfasser mit Unter- stützung der Luftschifferabtheilung vorgenommen hat. Es gelang ihm, auf die Entfernung von 21 Kilometern deutliche Telegramme zu senden, die in der vorliegenden Broschüre autotypisch wieder- gegeben sind. In einem Anhang hat der Verfasser die von ihm gebauten und benutzten Apparate unter Wiedergabe ausführlicher Constructionszeichnungen beschrieben, welche die Abweichungen von den Mareoni’schen Apparaten deutlich erkennen lassen. Für diejenigen, welche sich mit der praktischen Ausführung der Funkentelegraphie beschäftigen, enthält die Schrift eine Fülle von wichtigen und interessanten Fingerzeigen. E. von Federow, Stereographisches Netz zur Feldspath- bestimmung. Leipzig 1897. Verlag von Wilhelm Engelmann. — Preis 1,50 M. Die Methoden zur Bestimmung der Feldspathe hat E. von Federow in hervorragender Weise “gefördert und entwickelt. Seine „Universalmethode“ geht darauf aus, aus jedem beliebigen Sehnitt eines Feldspathes im Dünnsehliff, oder einem beliebig orientirten Körnchen die jeweilige Natur (dieses Minerals klar- zustellen. Weder. Instrumente noch Methode der Beobachtung können hier besprochen werden. Sie sind in der Groth’schen Zeitschrift für Krystallographie und Mineralogie beschrieben. Die zur Festlegung und Verwerthung der Beobachtungen nöthigen graphischen Hilfsmittel werden in den vorliegenden stereographi- schen Netzen geboten, welche in beliebiger Zahl zu geringen Preisen vom Verleger zu beziehen sind. S. Barlow, Figuren zur Veranschaulichung homogener Structuren. Leipzig 1897. Verlag von Wilhelm Engelmann. — Preis 40 Pf. Die auf vorliegender Kartontafel verzeichneten sieben Fi- guren sind zum Ausschneiden und Zusammenkleben zu Gestalten bestimmt. Diese sollen als Modelle zur Veranschaulichung der homogenen Strueturen in den fünf Krystallklassen des regulären Systems dienen. Die Art der für jeden Typus charakteristischen Wiederholung wird durch aufgezeichnete Hände angezeigt. Die Tafel gehört zu einer im 26. Bande der Groth’schen Zeitschrift für Krystallographie und Mineralogie veröffentlichten Arbeit. 8. Die natürlichen Pflanzenfamilien, herausgegeben von A. Engler. Liof. 169 und 170. Wilhelm Engelmann in Leipzig 1895. — Preis A 3 M. (in Subseription 1,50 M.) f Lief. 169 bringt den Anfang der Musci (Laubmoose), eine fleissige und gewissenhafte Arbeit von Carl Müller (Charlotten- burg-Berlin), Lief. 170 beschliesst die Daeryomyeetineae, bringt die Exobasidiineae und beginnt die Hymenomycstineae, alle be- arbeitet von P. Hennings. Inhalt: Carl Itzigsohn: Ein Beitrag: zur naturwissenschaftlichen Erkenntnisstheorie behufs Begründung der Sociologie auf Weierstrass’scher mathematischer Grundanschauung. — Die Bedeutung des Buchweizens für Frankreich. — Wetter-Monats- übersicht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Schuldirector Max Fischer, Pokorny’s Naturgeschichte des Pflanzen- reiches. — Prof. Dr. Walter Migula, Synopsis Characearum europaearum. — Apotheker W. Brandes, Flora der Provinz Hannover. — Prof. A. Slaby, Die Funkentelegraphie. — E. von Federow, Stereographisches Netz zur Feldspathbestimmung. — Barlow, Figuren zur Veranschaulichung homogener Structuren. — Die natürlichen Pflanzenfamilien. 92 Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! = I Neues Princip für Massenbetheiligun „Grosse Vortheilei an industriellen Unfernshmungen: 2 = Neuheiten - Vertrieb. — 2 Neu aufgenommen: om DareBTDERUDE des Buttenstedt- RL schen Flugprineips Re 9 (von zwanzig namhaften Gelehrten unterstützt) und wi Errichtung einer Versuchs- a) station für Flugzwecke. S EIER. nIETIE RDEIN Kerelt jur nlonellen en z erwerthung von Erfindungs-Patenten. vn BERLIN. 5.0.26. Eee ann mit be- schränkter Haftpflicht. Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, partieipirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabrieirten Artikel Das optische Institut Franz Bartels, Patent- u, technisches Bureau. Berlin SW., Yorkstr. 19! Billig, sorgfältig, schnell. Reelle Bedienung. Paul Wächter Berlin - Friedenau empfiehlt als Spezia- litäten seine Mikroskope und photogr. Objektive. ) Preislisten gratis und franko. Gebrauchte: Gasmotoren DAMPF- und DYNAMO- MASCHINEN betriebsfähig-'. in allen rössen. sofort lieierbar. Elektromotor,<:n.o.#. SchiNbauerdamn. 21 Berlin NW. EXTYXIXYIXIIIIIIIIITZI Hempel’s Klassiker-Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandl. ELITIITELITLIIIIIIITZTTI $ard. BünnlersBerlagsbuhhanung in Berlin SW. 12, Finmerfe. 94. garantint - Soeben erjhienen: Brüder und Schiweitern Moman von Eugen Reichel. Geheitet 4 Mark, geb. 5 Mark. Beter Halfet im 2llafbonalande. Bon line Schreiner. Autorifirte Neberjegung von Helene Kobedan. Geheitet 1,60 Mart, geb. 2,40 Marf. Ei Ungereimtes aus dem Frauenleben. Bon Anna Bernam, (2l. Beruna.) Geheitet 60 Bi. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. 200000000000000090000000000090090000000090 Dr. Robert Muencke Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. & Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ® und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. III TI DET TE I I N N I SS N ST I SS 1 2 2 5 22 “ : : 52 ® o E ® ® 52 % “., Naturwissensehaftliche Wochenschrift. CUXIIIYZIYIIIIITIIITIIIITZIIITTIITT I TI IT) |" DIIIIIEIIEETEOIOIIIITTgEE von Poncet Glashütten-Werke 54, Köpnickerstr. BERLIN SO., Köpnickerstr. 54. ® In na I a CR ann 1“ IN KITTY II YII III II II I aller Gefässe und Utensilien für chem., pharm., physical., electro- u. a. techn. Zwecke. Gläser für den Versand und zur Ausstellung naturwissenschaftlicher Preisverzeichniss gratis und [ranco. Kl | Konrrrr EIYIIIIIXITIIITIETTIII III IT TI IT XIII. Nr. 5 Fabrik und Lager Präparate. EXXXXYIIIIZIIIIZIIIIT) | Al Otto Toepfer Werkstatt für wisssenschaft- liche Instrumente. Potsdam. * Gegr. 1873. * Specialgebiet: „Astrophysik“ (Astrophotometrie, Astrospectroskopie, Astrophotographie). Fernrohre bis 5* fr. Oeftn. azimuthal u. parallaktisch mon- tirt. (Mit und ohne Uhrwerk.) — Ocu- lar-, Nebel-, Stern-, Protuberanz-Spec- troskope. — Spec- tralapparate und Speetrometer für wissenschattliche, technische u. Schul- zwecke. — Stern- specetrographen nach Prof. H: C. Vogel.— Heliographen ver- schiedener Art. — Speetroheliogra- phen nach Hale. — Heliostate bewähr- ter Construction. — Keilphotometer mit Registrireinrich- tung. — Astropho- tometer nach Zöll- ner. — Spectralpho- tometer div. Üon- struction. He- lioskop-Oculare. — Astronom. Hülfsin- strumente jeder Art. — Schraubenmikro- meterwerke. — Ocu- lare, Lupen, Pris- men. Optische Bänke. — Photogr. Apparate zur Re- propuction astron Objecte. — Neutral- ; läser mit und ohne assung. — Sensito- meter und Iconometer für photogr. Be- darf. — Lupenapparate und kleine Mi- kroskope für botanische und entomolo- gische Studien. — Projectionsapparate. Fl nal rg HT N IN Gans & Goldschmidt, Berlin N., Auguststr. 26, Elektrotechnische Anstalt und mechanische Werkstätten. Spezialität: Elektr. Messinstrumente, Normal-Elemente, Normal- und Praeci- sionswiderstände, nach den Modellen der Physikal. Techn. Reichsanstalt.— Normal- Volt- und Amperemeter, Spiegelgalvano- meter, Physikalische Lehrmittelapparate. Einrichtung von Laboratorien. bester und bewährter Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Photo Gameras. Für 12 Platten. Max: Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 33. graphische Stativ- und Hand- | ME” Sämmtliche Bedarfsartikel. ‚ ‚Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) | Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“. An jede Camera anzubringen. | Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“ Gediegene Ausstattung. Ohne Beutel! Platten (Act. Ges). 4 Verantwortlicher Redaeteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. -- Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. SI == el Redaktion: Was die naturwissenschaftliche Forschung -ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- den Gebil sen der Phantasıe, wırd ihr reichlich ersetzt durch den MM Zauber der Wirklichke t, derihre WW Schöpfungeu schmückt, Sc Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmilers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XIII. Band, Sonntag, den 27, Februar 1898. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist AM 4.— Ense bei der Post 15 „, extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollstä zer ger Quellenangabe gestattet. 69. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braunschweig Ende September 1897. C. Chun: Die Resultate der Tiefseeforschung und die Aufgaben einer deutschen Tiefsee- Expedition. Die Tiefen der Oceane haben seit alter Zeit mächtig die Phantasie der Menschen erregt. Bald dachte man sie sieh unergründlich und des organischen Lebens baar, bald hielt man sie für das Abbild des Oberflächenreliefs unserer Erde und belebte sie mit phantastischen Ge- stalten. Das Interesse für eine eingehendere Erforschung schlummerte indessen vollständig bis zum Beginne unseres Jahrhunderts. John Ross hob auf seiner Polarfahrt in der Baffins-Bai 1515 aus einer Tiefe von 1000 Faden Schlamm, in dem er lebende Schlangensterne nachwies. Mit einem Schlage war die Auffassung seiner französischen Zeitgenossen, dass der Boden der Oceane mit Eis bedeckt sei, widerlegt und überzeugend nachgewiesen, dass selbst im hohen Norden die grossen Tiefen dem organischen Leben zugänglich sind. Sein Befund gerieth indessen in Vergessenheit, und es bedurfte erst der Thätigkeit nor- discher Forscher, um die von Edward Forbes 1841 geäusserte Abyssustheorie, nach welcher unterhalb einer Tiefe von 300 Faden keine Organismen mehr vorkommen sollten, in Zweifel zu stellen. Micha&älSars, Loven und Asbjörnson vermochten an den skandinavischen Küsten keine Grenze für das Vor- dringen thierischer Organismen festzustellen. Als dann weiterhin die ersten transatlantischen Kabel im Atlantischen Ocean und Mittelmeer rissen und wieder aufgefischt wurden, ergab es sich zum Staunen Aller, dass in Tiefen bis zu 3600 m eine Anzahl eigenartiger Thiere sich auf ihnen festgesetzt hatte. Die hervorragendsten Biologen äusserten sich in Gutachten über die Bedeutung dieser Befunde und waren übereinstimmend der Ansicht, dass bei systematisch betriebenen Tietsee-Forschungen eine neue Welt dem Zoo- logen sich eröffnen würde. Der richtige Mann fand sich denn auch in dem Edin- burger Prof. Wyville Thomson. In Gemeinschaft mit Carpenter wusste er es zu erreichen, dass von der eng- lischen Regierung zwei kleine Kriegsschiffe ausgerüstet wurden, welche von 1863—18370 eine Reihe von Lothungen und Dredschzügen im Umkreise des Inselreiches, längs der Küste von Portugal und im Mittelmeer ausführten. Wir vermögen heute schwer noch den nachhaltigen Ein- druck uns zu vergegenwärtigen, welchen das köstliche Werk von Wyville Thomson: „The depths of the sea“ (1873) auf die gebildete Welt ausübte. Die Tiefseefauna, von der wir nur wenige Bruchstücke kennen gelernt hatten, erwies sich als so üppig, so farbenprächtig und fremdartig, dass man die Begeisterung begreiflich finden kann, mit der ein Mitglied des Parlaments auftrat und es als Ehrenpflicht Englands bezeichnete, eine Expedition in grossem Stile auszurüsten, welche die gesammten Oceane in den Kreis der Betr achtung ziehe. Im December 1872 verliess unter der Leitung von Wyville Thomson die Corvette „Challenger“ England mit einem Stabe gewiegter Forscher — unter ihnen John Murray — an Bord. Nach fünf Jahren kehrte sie zurück, nachdem sie den Atlantischen Ocean zweimal gekreuzt, den Paeifischen Ocean in seiner ganzen Ausdehnung erforscht und von den Kerguelen aus einen Vorstoss in das antarktische Gebiet bis zur Eis- barriere unternommen hatte. Was sie leistete, ist eine wissenschaftliche Grossthat ersten Ranges, und die 42 voluminösen Quartbände, in denen die Resultate der Ex- pedition, bearbeitet von Forschern der verschiedensten Nationalitäten, niedergelegt sind, bilden für alle Zeiten eine Fundgrube für unser Wissen. Doch auch die übrigen Nationen sicherten sich ihren Ehrentheil an der Erforschung der Tiefsee. Allen voran suchten die Amerikaner unter dem Grafen Pourtal&s und Alexander Agassiz die Reliefverhält- nisse des westlichen Atlantischen Oceans im Bereiche von 94 Naturwissenschaftliche Wochensehritft. ZUNG IN 8 Nord- und Central-Amerika klarzulegen. Während einer Reihe von Expeditionen, welche den Zeitraum von 1875 bis 1850 umfassen, wurde der Steilabfall des westatlan- tischen Beckens längs der Antillen bis zu einer Tiefe von 7090 m und westlich von den Bermudas bis zu 8341 m gelothet und die dort wunderbar reich entwickelte Tiefseefauna eingehend erforscht. Auf einer neueren Fahrt (1391) untersuchte dann weiterhin Agassiz die abyssalen Gründe des Paeifischen Oceans von der Westküste Mexicos bis zu den Galapagos. Die Legung des transatlantischen Kabels zwischen Nord-Amerika und Japan durch die „Luscarora“ hatte schon früherhin Anlass zur Entdeckung der grössten bis 1896 durch genaue Lothung festgestellten Tiefe von 8513 m westlich von Japan gegeben. Es ist bemerkenswerth, dass diese gewaltigen Tiefen, welche den höchsten Erhebungen im Himalaya an Ausdehnung gleichkommen, in der Nähe ausgedehnter Störungslinien im Sehichtenbau der Erde, welche von langgezogenen Vulkanketten begrenzt werden, auftreten. Den Amerikanern folgten die Skandinavier, welche von 1876—1878 die eigenartige Tiefseefauna des hohen Nordens erforschten, während seit 1330 Frankreich nicht weniger denn 4 Expeditionen ausrüstete, welche das Mittelmeer und den Oestlichen Atlantischen Ocean bis zu den Capverden und zum Sargasso-Meer gründlieh unter- suchten. Im die Erforschung der abyssalen Gründe des Mittelmeeres theilten sich die Italiener (1880) mit den Oesterreichern und den um Verbesserung der Tiefsee- apparate verdienten Fürsten von Monaco. Der Letztere dehnt seine Fahrten bis zu den Azoren aus, während das österreichische Stationsschiff „Pola“ auch das Rothe Meer in den Kreis der Betrachtung zu ziehen beginnt. Auch Dänemark und Holland wollen nicht zurückstehen, indem das Erstere sich wiederum der Erforschung der arktischen Gebiete zuwendet, das Letztere die Tiefseegründe im Be- reiche seines hinterindischen Colonialbesitzes aufzuschliessen gedenkt. Die gediegenen Arbeiten der Kieler Commission zur Untersuchung der deutschen Meere erstrecken sich auf ein relativ flaches Gebiet und schlossen die Erforschung der Tiefsee von vornherein aus. Die biologische Wissen- schaft hat es mit Freuden begrüsst, dass durch die Muni- ficeenz seiner Majestät des Kaisers diese Untersuchungen auf den Atlantischen Ocean ausgedehnt wurden, indem die von originellen Gesichtspunkten ausgehende Plankton- Expedition unter der Leitung von Hensen den Atlan- tischen Ocean kreuzte und bestimmte Vorstellungen über das Quantum an organischer Substanz gewann, welche an der Oberfläche der Oceane flottirt. Zwei Drittel der Erdoberfläche sind durch die Tief- see-Expeditionen in den letzten Jahrzehnten uns neu er- schlossen, ja geradezu neu entdeckt worden. Niemand hat mit eigenen Augen die Tiefseegründe geschaut, und doch sind wir über das Relief des Meeresbodens, über die Beschaffenheit des Tiefseeschlammes, über die ehemischen und physikalischen Eigenschaften des Tiefenwassers und vor Allem über die Fauna, welche hier lebt und webt, besser orientirt, als über die geographische Gestaltung und über die Organismenwelt grosser Länderstrecken. Der Boden der ÖOceane zeigt in grösserer Entfernung vom Lande keinen sehroffen Wechsel von Berg und Thal. Es handelt sich im Allgemeinen um muldenförmige De- pressionen von gewaltiger Ausdehnung, welche hie und da zu flachen plateauartigen Erhebungen anschwellen. Ein gewaltiger Druck von Hunderten von Atmosphären, wie wir ihn auch nicht annähernd mit unseren wider- standsfähigsten hydraulischen Pressen zu erzeugen im Stande sind, macht sich in den grossen Tiefen (man hat die mittlere Tiefe des Atlantischen Oeeans auf 3600 m, | diejenige des Pacifischen auf 3800 m berechnet) geltend. Er wirkt indessen auf die Tiefseeorganismen nicht ein- seitig, wie der Druck zwischen zwei Walzen, sondern ver- theilt sich nach bekannten Gesetzen allseitig im Wasser. So kommt es denn, dass in manchen Fällen auch die zartesten Wesen tadellos erhalten an die Oberfläche ge- langen, während andere — und zwar namentlich solche, welche comprimable Medien in ihrem Körper enthalten — durch die Druckverminderung bei dem Aufwinden der Netze stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Temperatur bewegt sich in den grösseren Tiefen unterhalb 1500 m um den Nullpunkt und kann sogar in den Tiefen der arktischen und antarktischen Gebiete um einige Grade unter denselben sinken. Nur in jenen Becken, welche durch unterseeische Barrieren, wie durch einen Riegel, gegen die vordringenden kalten polaren Tiefenwässer abgeschlossen sind, bleibt die Temperatur in der Tiefe erheblich über dem Nullpunkt. So weist das durch einen unterseeischen Rücken bei Gibraltar gegen den Ocean abgeschlossene Mittelmeer von 1000 m Tiefe bis zum Grunde eine Temperatur von wenig über 13°C. auf, welche der mittleren Oberflächentemperatur im käl- testen Monat entspricht. Der Salzgehalt und der Gehalt an absorbirter Luft zeigen zwar in den Tiefen gewisse charakteristische Eigen- thümlichkeiten, welche indessen dem organischen Leben sich durchaus nicht feindlich erweisen. Das Licht dringt nur in relativ geringe Tiefe vor. Die Versuche mit photographischen Platten, welche unter besonderen Vorsichtsmaassregeln lange Zeit hindurch ex- ponirt wurden, lehren, dass die Grenze für chemisch wirk- same Strahlen zwischen 500 und 600 m gelegen ist. Wir finden dies begreiflich, wenn wir bedenken, dass nach den Versuchen von Regnard schon in einem Meter Tiefe die Lichtintensität auf die Hälfte herabgesetzt wird. Unter einem gewaltigen Drucke von mehreren Hun- derten von Atmosphären, bei einer Temperatur, die sich um den Nullpunkt bewegt, in ewiger, undurchdringlicher Finsterniss, lebt eine Fauna von wunderbarer Ueppigkeit, Farbenpracht und Fremdartigkeit. Schwärme von Fischen mit knorpeligem und knöcher- nem Skelett durchfurchen die Tiefsee. In geringeren Tiefen gleichen sie den oberflächlichen Arten, in grösseren nehmen sie gelatinöse Beschaffenheit an. Die einen wühlen sich in den weichen Tiefseeschlamm ein und suchen durch bizarre Lockapparate am Kopfe oder an den Flossen ihre Opfer zu täuschen oder sie durch elek- trische Schläge zu betäuben, wie wir es von Plattfischen der Tiefsee wissen. Die anderen sind elegante Schwimmer und gierige Räuber mit gewaltigen Flossen und Fang- zähnen. Die Phantasie eines genialen Meisters, wie Teniers, wüsste kaum bizarrere Monstra auf die Lein- wand zu "zaubern, als sie unter manchen Tiefseeaalen mit ihrem zu zwei Dritteln in ein gewaltiges Maul und volu- minösen Magen umgewandelten Körper vorliegen. Nur wenige Tiefseefische sind blind, während die meisten dureh wohlentwickelte und oft monströs vergrösserte Augen ausgezeichnet sind. Es ist das ein Verhalten, welches sein Analogon unter den Krustern der Tiefsee findet. Schwärme von eleganten Garneelen und von ungewöhnlich grossen Schizopoden tummeln sich schwimmend über dem Grunde, eine Legion von Asselkrebsen, Taschenkrebsen, Astaciden und Ein- siedlerkrebsen lauert ewig hungrig auf die Beute. Die in den Schlamm sich einwühlenden Arten sind oft bleich gefärbt, die schwimmenden Formen zeigen die prächtigsten Tinten in allen Sehattirungen des Roth. Neben kleinen behenden Krustern imponiren unter den Asselkrebsen und Taschenkrebsen einige Gattungen durch unerhörte Di- RING Nr mensionen. Dabei starren ihre Panzer häufig von einem Wald langer, in nadelscharfe Spitzen auslaufender Dornen. Andere wiederum sind an den Flanken des Körpers und längs aller Anhänge mit einem Flaum zarter Sinneshaare ausgestattet oder weisen Fühler auf, welche den Körper an Länge um das Zehn- bis Zwanzigfache überbieten. Unter den zahllosen, neuen Familien und Gattungen, mit denen die Erforsehung der Tiefsee uns vertraut machte, mögen nur die Eryoniden hervorgehoben werden. Wir kannten sie bisher fossil aus dem Solenhofener litho- graphischen Schiefer. Während sie früher die stillen oberflächlichen Buchten des Jurassischen Meeres be- völkerten und mit Augen ausgestattet waren, sind die heute lebenden Vertreter blind und auf die grössten Tiefen beschränkt. Das Auftreten von wohlentwickelten, oft ungewöhn- lich vergrösserten Augen bei Fischen und Krustern, welche in ewig dunklen Regionen leben, hat die Biologen nicht wenig überrascht. Man vermuthete, dass vielleicht ultra- violette Strahlen oder Strahlen uns noch unbekannter Art in die Tiefe vordringen und die Ausbildung von Seh- organen bedingen möchten. Der Physiker ist uns freilich bis jetzt den Beweis dafür schuldig geblieben, dass unter- halb 600 m eine Wirkung der Belichtung sich geltend mache, und bevor dieser Nachweis nicht unwiderleglich geführt wird, haben wir nach anderen Lichtquellen zu suchen, welche den Tiefseeorganismen zur Verfügung stehen könnten. Die Vorstellung, dass dieses Lieht von den Tiefseethieren selbst erzeugt werde, ist ungemein an- sprechend und durch direete Beobachtung über allen Zweifel gestellt. Es gewährt einen feenhaften Anblick, wenn Tiefseeorganismen noch lebend an die Oberfläche ge- langen undinphosphorischem Scheineerglühen. Baldsondern sie leuchtende Secrete ab, bald erstrahlt der ganze Körper, bald beschränkt sich das Leuchtvermögen auf specifische Organe. An den Zweigen der Rindenkorallen huschen blitzartig, von Polyp zu Polyp übergreifend, die Strahlen auf undab; die Protozoen, die Würmer, der von Asbjörn- son entdeckte Seestern Brisinga, die Cephalopoden der Tiefsee, nicht zum mindesten aber auch ein Theil der Kruster und der Tiefseefische: sie alle sind durch ihre Phosphorescenz ausgezeichnet. Bei den letzteren um- säumen die Leuchtorgane als Blendlaternen, mit Hohl- spiegeln und Linsen ausgestattet, die Seitentheile des Körpers und den Bauch, während andere Fische als Diogenesse der Tiefsee ihre Glühlämpchen am Kopfe und auf den Kiemendeckeln tragen. Da die wegen ihrer Aehnlichkeit mit Augen früher für Sehorgane gehaltenen Leuchtorgane von Nerven versorgt werden, so dürfen wir wohl annehmen, dass die Phosphorescenz dem Willen des Thieres anheimgestellt ist. Entschieden beruht der bio- logische Werth des Leuchtvermögens auf einem Anlocken von Beutethieren, nicht aber, wie vielfach die Vorstellung lautet, auf einem Abschrecken von Organismen. Elek- trische Glühlämpcehen, welche wir an der Oberfläche des Meeres bei Nacht flottiren lassen, werden in kurzer Zeit von Myriaden kleiner pelagischer Organismen — unter ihnen auch von Fischen aus der Familie der Scopeliden, welche, selbst mit Leuchtorganen ausgestattet, aus grösse- ren Tiefen an die Oberfläche aufsteigen — umschwärmt. Tage würden nieht ausreichen, um eine annähernde Idee von dem gewaltigen Zuwachs an eigenartigen thie- rischen Organismen zu geben, welchen die Erforschung der Tiefsee lieferte. Abyssale Wälder von Seelilien, Beete reizvoller Glasschwämme mit duftigen Kieselskeletten durchfurchten die Dredschen der Expeditionen. Viele derselben haben sich aus Erdepochen, welche der Geo- loge freigebig nach Jahrmillionen zurückdatirt, in die heutige Lebewelt herübergerettet, und manche Gattungen, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 95 die wir längst für erloschen hielten, gleichen auffällig den Vertretern aus dem Jura und der Kreide. Eine ganz ungeahnte Wichtigkeit für das Leben auf dem Grunde des Meeres und für den Aufbau unserer Erd- rinde gewinnen nach den Resultaten der Tiefseeforschung die Protozoen. Im Rahmen einer einzigen Zelle tragen sie das Leben in denkbar nacktester Form zur Schau. Viele scheiden Schalen aus, welche meist aus kohlen- saurem Kalk oder aus Kieselsäure bestehen. In zahl- losen Arten leben sie auf dem Grunde des Meeres oder flottiren sie in allen Schichten von der Oberfläche bis zum Boden. Es ist bemerkenswerth, dass unter den durch Kalkschalen ausgezeichneten Foramiiferen nur relativ wenige Arten eine pelagische Lebensweise führen, dafür aber in den warmen Stromgebieten in ungeheurer Indi- viduenzahl auftreten. In den kalten arktischen und ant- arktischen Strömungen überwiegen diejenigen Protozoen, welche Kieselskelette ausscheiden. Vor Allem imponiren hier durch die Massenhaftigkeit ihres periodischen Auf- tretens die Diatomeen. Die Schalen aller dieser mikro- skopischen Organismen sinken allmählich auf den Meeres- grund nieder und häufen sich im Laufe der Jahrtausende zu mächtigen Bänken an. Bis zu einer Tiefe von 4000 m baut sich der Untergrund der Oceane im Bereiche der arktischen und antarktischen Stromgebiete aus fast reiner Kieselguhr auf, während in den wärmeren Regionen der Globigerinenschlick, gebildet aus den Kalkschalen der Foraminiferen, überwiegt. In grösseren Tiefen werden die letzteren — vielleicht schon bei dem Niedersinken — aufgelöst, und es bleiben. nur die unlöslichen, anorganischen Bestandtheile der Schalen übrig, welche den für alle abyssalen Gründe unterhalb 4500 m charakteristischen rothen Thon bilden helfen. An manchen Stellen gesellen sich zu den Schalen- resten der Protozoen in erstaunlicher Menge die Gehäuse von Flügelschnecken (Pteropoden) und Kielschnecken (Heteropoden). Selbst Haifischzähne, Otholithen von Fischen, Gehörknochen von Cetaceen können, vergesell- schaftet mit den Skelettresten der sessilen Tiefseeorganis- men, nicht unwesentlich zum Aufbau der abyssalen Schichten beitragen. Der Meeresgrund ist eine riesenhafte Grabstätte für Alles, was an der Oberfläche lebt. Milliarden von Leichen sinken täglich und stündlich in die Tiefe und gleichzeitig mit ihnen der Schlamm, welchen die Flüsse mitführen, vulkanische Asche und der Geschiebelehm arktischer und antarktischer Gletscher, welche, an ihrem Rande in Eis- berge zerschellend, sich südlich bis zum 40., nördlich bis zum 60. Breitengrad zerstreuen. Der Geologe belehrt uns, dass ein Theil der Erd- rinde, auf welchem wir unsere Lebensarbeit verrichten, ursprünglich den Untergrund von Oceanen bildete. Der Nachweis, dass der Tiefseeschlamm, welcher den Meeres- boden bildet, in letzter Linie dem organischen Leben seine Herkunft verdankt hat, ist gewiss ein grossartigen Ergebniss der Tiefsee-Expeditionen. Wir vermögen eines Einbliek in die vergilbten Urkunden der Erdgeschichte zu gewinnen und uns zu überzeugen, dass die uralten Blätter nur die Vorrede zu einem Schauspiel bilden, welches sich heute noch vor unsern Augen vollzicht. Sehr viele naheliegende Fragen harren noch der Be- antwortung. Herr Chun hat sich daher erlaubt, an Se. Majestät den Kaiser ein Immediatgesuch zu richten mit der Bitte, aus Kaiserlichen Dispositionsfonds die Summe von 300 000 Mark behufs Ausrüstung einer deutschen Tiefsee-Expedi- tion zur Verfügung zu stellen. *) (x) *) Ein Abschnitt über die Ziele und Ausrüstung der Expedition folgt später. Red. 96 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Die Phagocytentheorie. — Die Frage nach dem Wesen der Heilung bei Infeetionskrankheiten und der Immunität des Organismus gegen specifische Infectionen hatte Metschnikoff durch seine Phagocytentheorie lösen zu können geglaubt*). Nach dieser sind es zwei Zellarten, Epithelzellen, die sogenannten Makrophagen, und vor Allem Leukocyten, die sogenannten Mikrophagen, denen vermöge ihrer amöboiden Eigenschaften die Fähig- keit zukommt, Baeterien in sich aufzunehmen und inner- halb ihres Zellleibes unschädlich zu machen. Im Gegensatz dazu fand man die Thatsache, dass schon das vollkommen zellfreie normale Blutserum diese schützenden Eigenschaften besitzt, vermöge der darin enthaltenen bactericiden Substanzen, der soge- nannten Alexine. Diese bacterieide Kraft des Blutes unterliegt grossen Schwankungen, welche von seinem Gehalt an Leukocyten abhängig sind, und zwar ist die bacterieide Wirksamkeit um so grösser, je höher der Ge- halt des Blutes an Leukocyten ist. Bald nach der Ein- bringung von Infectionserregern in den Organismus tritt eine Hyperleukocytose, eine Vermehrung der Leuko- eyten, auf, mit deren Hilfe die im Blute kreisenden Ba- eillen unschädlich gemacht werden. Denys und A. Kaisin, die diesen wichtigen Nachweis führten, dachten sich diese Wirkung der weissen Blut- körperchen immer noch von dem Act der Phagoeytose abhängig, während bereits andere Untersucher darauf hingewiesen hatten, dass die schützende Thätigkeit dieser Zellen auch auf anderen Ursachen beruhen könne, nämlich auf der Secretion bacterieider Substanzen, der schon erwähnten Alexine. Den experimentellen Nachweis dafür lieferte Buchner durch folgenden Versuch. Durch Injeetion von sterilem Weizenkleber in die Brusthöhle er- zeugte er im Brustfellsack ein leukocytenreiches Exsudat und brachte dann durch Einfrieren und Wiederaufthauen desselben die darin enthaltenen weissen Blutkörperchen zum Absterben. Trotz dieses Verfahrens behielt das Ex- sudat seine erhöhte Activität im Vergleich zu gewöhn- lichem Blut und Serum bei. Hätte seine gesteigerte Wirksamkeit in der That nur auf dem Fressen beruht, so hätte dieselbe jetzt nach dem Tode der Fresszellen ver- schwinden müssen. Gegen die Metschnikoff’sche Theorie spricht noch der Umstand, dass die Fressthätigkeit der Leukoeyten zwar harmlosen Mikroorganismen, z. B. Hefezellen gegenüber prompt einsetzt, dagegen bei säurebildenden Baecterien bereits versagt, vollends bei giftbildenden Infections- erregern. Die bei günstigem Verlaufe einer Infeetion regel- mässig zu beobachtende Phagocytose erklärt Buchner da- hin, dass es sich in diesen Fällen um entweder schon von Anfang an oder durch Alexine abgeschwächte Infeetionserreger handelt, die nun nach Verlust ihrer Giftigkeit von den Leukocyten gefressen werden. Nach Buchner’s Auffassung handelt es sich bei der Phagocytose im Wesentlichen um einen Ernährungs- process der Leukocyten (gerade so, wie wir dies bei den Amöben sehen); und das ist auch Metschnikoffs ursprüngliche Anschauung; „er nimmt aber an, dass diese uralte Form der intracellularen Nahrungsaufnahme mit der Zeit in eine Abwehrfunetion umgewandelt sei.“ Dem gegenüber vertritt Buchner (Münchener Medizinische Wochenschrift 1897, S. 1320ff.) den Standpunkt, dass „die Leukocyten eine wichtige Funetion bei den natürlichen Abwehrvorkehrungen des Organismus besitzen, aber nicht als Phagocyten, sondern durch gelöste Stoffe, welche von ihnen secernirt werden.“ 2 *) Vergl. „Naturw. Wochenschr.“ Bd. IV. (1889) S. 25 ff. XII. Nr. 9. Dem Sitzungsbericht der Pariser Akademie vom 27. December vorigen Jahres entnehmen wir folgende interessante Abhandlung von G. Reynaud über den Ortssinn der Thiere. „Durch Beobachtung von Thatsachen, die sich auf den Ortssinn beziehen, bin ich zu einer Theorie gelangt, für die mir eine Reihe ganz neuer Versuche die Bestäti- gung geliefert hat. 1. Wenn ein Thier plötzlich über die Grenzen seines ihm bekannten Aufenthaltsortes hinausversetzt wird, kann es durch das auf der Uebung der fünf Sinne beruhende Gedächtniss in keiner Weise geleitet werden. Dennoch orientirt sich das Thier, und es gelingt ihm meist, seinen Wohnort wiederzufinden. Hierfür sprechen folgende That- sachen. E Brieftauben, welche aus Evreux stammten, wurden in der Richtung Evreux-Lille versendet. Ich verschiekte sie in einer ihnen unbekannten Richtuug; in Vierzon wurden sie losgelassen und kehrten zurück. Es erscheint unmög- lich, dass Vögel, welche sich wegen der Luftverdünnung nicht über eine Höhe von 300 m erheben können, von Vierzon aus einen bekannten Punkt des Horizonts von Evreux hätten erkennen sollen. Demnach sind sie dureh den Gesichtssinn nicht geleitet worden. In Paris befinden sich in der Umgebung des Champs- de-Mars mehrere Taubenschläge. Wenn der Gesichtssinn der einzige Führer der Brieftaube wäre, so müsste für sie der Eiffelthurm ein werthvoller Orientirungspunkt sein, weil er in einem Umkreise von 250 km von Paris leicht sichtbar ist. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass die Taubenschläge im Quartier de Grenelle heutzutage ebenso- viele Verluste erleiden wie vor der Erbauung des Thurmes. Ueberdies zeigt die Rückkehr von Tauben, welche auf dem Meere, 500 km von der Küste entfernt, losgelassen wurden, dass die Ortskenntniss mit der Orientirung nichts zu thun hat. Wenn man also auch die Orientirung in der Nähe durch das Zusammenwirken der fünf Sinne erklären kann, so bildet doch diejenige in einem unbekannten Gebiet und in die Ferne eine besondere Function, welche dureh das Specialorgan eines sechsten Sinnes vermittelt wird. Dieses Organ ist kein anderes als die halbkreisförmigen Bogengänge des Ohrlabyrinths.. De Cyon und nach ihm Dr. Bonnier haben thatsächlich gezeigt, dass jede ihm zugefügte Verletzung die Orientivungsfäbigkeit bei Mensch und Thier beeinträchtigt. Wie wirkt nun der Mechanismus bei der Orientirung in die Ferne? Die Taube, welche 600 km von ihrem Schlag entfernt in Freiheit gesetzt und durch den sechsten Sinn geleitet wird, schlägt die entgegengesetzte Richtung des Weges ein, den sie auf der Eisenbahn zurückgelegt hat. Sobald sie auf diese Weise einen Punkt der ihr bekannten Zone erreicht hat, verlässt sie sich nicht mehr auf den sechsten Sinn und fliegt, durch das Gesicht ge- leitet, gerade auf ihre Behausung zu. Unter anderen Um- ständen verfolgt die Taube unter Führung durch den sechsten Sinn bis zum Taubenschlage die entgegengesetzte Richtung des Weges, auf dem man sie bis dahin brachte, wo man sie losliess. Der sechste Sinn verbindet demnach seine Thätigkeit nicht mit der der fünf anderen; er wird vielmehr erst dann benutzt, wenn die anderen das Thier im Stiche lassen, und hört auf zu funetioniren, wenn das Thier sich in ihm bekannter Gegend befindet. Das Thier, welches durch das Gesicht geleitet wird, fliegt auf dem kürzesten Wege auf sein Ziel zu; im Gegensatz dazu ist es durch den sechsten Sinn hinsichtlich seiner Rückkehr an alle Umwege gebunden, die es ursprünglich machen musste. Durch mehrere Beobachtungen derselben Art habe ich XI. Ne29 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 97 das Gesetz festgestellt, welches die Bewegungen der Thiere in unbekanntem Gebiet beherrscht:. Der Instinct der Orientirung in die Ferne ist die Fähigkeit der Thiere, einen einmal durchlaufenen Weg in entgegengesetzter Richtung zurückzulegen. Während die fünf Sinne, auf welche die von der Gegend selbst herrührenden Eindrücke einwirken, ob- jeetive*) Organe sind, ist der sechste Sinn, der dem Thier die Kenntniss von seiner Situation gegenüber dem Ausgangspunkte vermittelt, ganz unabhängig von den äusseren Eindrücken: er ist ein subjectives Organ. Ich gehe nun über zu den interessanten Versuchen, welche ganz neuerdings und zum ersten Mal angestellt wurden und welche auf der Anwendung meiner Theorie beruhen. 2. Wenn wirklich die Ortskenntniss nicht durchaus unentbehrlich ist, um die Rückkehr zum Ausgangspunkte zu sichern und wenn der Sinn der Orientirung in die Ferne allein ausreicht, um ein Thier unter allen Um- ständen zn leiten, dann muss es gelingen, die Bewohner eines transportabeln Taubenschlages an das Nomaden- leben zu gewöhnen. Gesetzt, man hätte einen Taubenschlag in ein völlig neues Gebiet versetzt, ohne das Dasein seiner Bewohner im Geringsten zu stören. Wenn man sie dann nach der Ankunft in Freiheit setzt, so werden sie sich vielleicht entfernen, aber das Gesetz der entgegengesetzten Richtung wird ihre Rückkehr verbürgen. Ich habe einen solchen transportabeln Taubenschlag hergestellt. Als Taubenschläge eingerichtete Wagen fahren in ganz Frankreich umher; die in diesem Nomadenleben gross gewordenen Tauben kennen keine andere Heimath. Wenn der Taaubenschlag in einer neuen Oertlichkeit an- kommt, lässt man die Thiere ins Freie und ab und zu, „nach einer, ‚oder zwei Stunden, transportirt man, sie weiter, um sie loszulassen und sie vermögen dann zurückzukehren. Eine solche Rückkehr kann nicht anf der sehr oberfläch- lichen, ‚unter diesen Umständen erworbenen Ortskenntniss beruhen. Die Taube wird also bei der Rückkehr von dem sechsten Sinn geleitet, freigelassen schlägt sie die entgegengesetzte Richtung des Weges ein, den man sie geführt hat und kehrt zum Taubenschlag zurück. Mit- unter fliegt sie wie hypnotisirt, ohne sie zu sehen, über ihre Wohnung; hinweg bis zur Rast des Tages vorher. Ich kann in dieser Beziehung einen sehr merkwürdigen Fall anführen. Während der Taubenschlag bei dem Schlosse von Morchies hielt, zur Zeit der Armeemanöver von 1897, entfernten sich zwei Tauben; man fand sie bei Bapaume wieder, wo der Taubenschlag seine letzte Rast gehalten hatte. Die eine wurde eingefangen, die andere entwich. Ihre Ankunft wurde mir nacheinander gemeldet aus Saulty, Lillers und Houdain. Bis zu diesem letzteren Orte hatte sie genau den vorher zurückgelegten Weg rückwärts verfolgt. Von Houdain begab sie sich nach Evreux, indem sie auch wieder in entgegengesetzter Rich- tung den Weg machte, den sie einige Tage vorher auf der Eisenbahn passirt hatte. In Evreux gelang es, sie zu fangen. Bestätigt diese Route die gewissermaassen Sehritt für Schritt verfolgt wurde, nicht mein Gesetz der ent- gegengesetzen Richtung? Ein anderes Beispiel, welches dem Tagebuch des beweglichen Taubenschlages entnommen ist, wird zeigen, dass der sechste Sinn ein subjeetives Organ ist. Ein Taubenschlagwagen hielt achtzig Stunden lang in *) Im Original steht an. dieser Stelle fälschlich: „des organes subjectifes“. Epernay. Seine Bewohner wurden im Schlage behalten, während man die Tauben der Nachbarwagen zwei Stunden lang herausliess, um sie dann weiter zu transportiren und schliesslich in Freiheit zu setzen. Am folgenden Tage wurden meine sämmtlichen Wagen nach Chälons dirigirt nur mit Ausnahme desjenigen, dessen Tauben in Epernay im Schlage geblieben waren. Diese Tauben wurden nun auf die anderen Wagen vertheilt, welche übrigens dem ihrigen ganz gleich waren, da alle nach demselben Modell gearbeitet sind. In Chälons wurden die Taubenschläge geöffnet und ihre Bewohner in Freiheit gesetzt. Einige von denen, welche den Weg von Epernay nach Chälons in fremdem Wagen zurück- gelegt hatten, flogen nach Epernay zurück und fanden hier ihre bewegliche Wohnung wieder. Auf welche Weise hatten sie den Weg von Chälons nach Epernay in der der ursprünglichen entgegengesetzten Richtung durchfliegen und ihre Wohnung wiederfinden können an einer Stelle, deren Zugang sie nicht einmal kannten? Derartige Thatsachen sind unerklärlich, wenn man sich an die bisher gangbaren Theorien hält, welche alle mehr oder weniger den Act der Orientirung auf Rechnung einer dureh lange Beobachtung erreichten. Ortskenntniss setzen oder aber auf diejenige der localen magnetischen Strömungen. Man hat sich wohl mit Unrecht bei der Er- klärung der Orientirung auf ein einzelnes Factum be- schränkt, nämlich auf das der Rückkehr nach einem ein- zigen Ausgangspunkte. Der Versuch mit dem transportabeln Taubenschlag beweist, dass der sechste Sinn das Thier befähigt, einen wechselnden Aufenthaltsort wiederzufinden, der für es ein augenblickliches Interesse hat. Das Thier beschäftigt sich nur mit einem Gegenstande, nämlich damit, den Wagen wieder zu erreichen, an dem es seine Gewohnheit knüpft und in dem sich sein Weibchen und seine Jungen befinden. Die Umgebung, in die der Wagen versetzt wird, ist ihm gleichgültig. Die Orientirung, die sich auf Beobachtung und Ge- dächtniss gründet, wäre beinahe eine intelleetuelle Leistung. Nun sind aber diejenigen Thiere, bei denen der Instinet in dieser Riehtung am meisten entwickelt ist, nicht die intelligentesten, wohl aber mit der grössten Fähigkeit zur Ortsbewegung begabt. Die Orientirung scheint also ein durchaus materieller Vorgang zu sein, bei dem ganz einfach ein ausserordentlich vollkommenes Organ in Wirkung tritt. Kienitz-Gerloff. Den Einfluss des Menschen auf die Verbreitung Land-bewohnender Arten, bes. der Inseeten behandelt L. ©. Howard in Seienee vom 10. September 1897. — Während in früheren Jahrhunderten Verbreitung fast nur auf natürlichem Wege vor sich ging, ist in dem letzten der Einfluss des Menschen vorherrschend geworden, dureh absichtliche Einführung oder zufällige Verschleppung. Erstere findet statt durch erobernde Heere, wissenschaft- liche Gärten, Liebhaber, Auswanderer u. s. w. Bei Pflanzen wurde sie selten verhängnissvoll. Allium vi- neale, von den ersten deutschen Ansiedlern nach Pennsyl- vanien gebracht, ist heute dort eine Plage. Eiehhornia erassipes, als Schmuckpflanze in Florida eingeführt, hat im St. Johns-Flusse so überhand genommen, dass sie der Schifffahrt Eintrag thut und behördliches Einschreiten er- forderte*). Hieracium aurantiacum, von Liebhabern in New- York angepflanzt, hat hunderte von Ackern Weidelandes zerstört. Genista tinetorium, als Schmuckpflanze nach Massachusetts gebracht, ist heute eine weit verbreitete *) Vergl. „Naturw. Wochenschr.“ XII. (1897) S. 499. Red. 98 Naturwissenschaftliche Wochensehrift. Plage. Einführungen von Thieren sind, mit Ausnahme der Hausthiere, weit schwieriger und wurden daher sel- tener lästig. Aber selbst das Pferd hat sich in Australien so vermehrt, dass ein Schussgeld darauf gesetzt ist, und die Kaninchen sind dort eine wahre Pest geworden. Von wilden Thieren ist der Sperling in Nordamerika eine fürchterliche Plage geworden; die nach Jamaica zur Zer- störung der Zuckerrohrratten eingeführten Mungos haben fast die ganze einheimische Fauna vertilgt und den Pflanzungen unberechenbaren Schaden gethan. Porthetria dispar, deren Eier sich ein Liebhaber in Massachusetts 1868 zur Zucht kommen liess, von denen einige Schmetter- linge entflogen, veranlasste 1890 das Einschreiten des Staates, dem sie jetzt schon !/, Mill. Dollar gekostet hat und noch 1!/, Millionen kosten wird. Andererseits hat Vedalia eardinalis, 1889 von Australien nach Californien eingeführt, die ganze Orangen-Industrie dieses Staates vor den Verwüstungen einer Blutlaus gerettet. — So bilden absichtliche Einführungen immer ein gewagtes Experiment, das nur bei genauester Kenntniss der Lebensweise der betreffenden Art unternommen werden sollte, wenn auch selbst diese keine volle Bürgschaft für das Gelingen leistet. — Wichtiger für die Faunistik ist die zufällige Verschleppung durch den Menschen, deren Grösse Hand im Hand geht mit der des Handels. Andere Mittel für diese Art von Verbreitung sind folgende: Winde, die besonders leichte, fliegende Samen weithin tragen, Wasser, das fast nur für die Verbreitung auf dem Fest- lande oder von diesem nach benachbarten Inseln in Be- tracht kommt, Vögel, die im Schnabel oder in der zwischen den Zehen hängenden Erde Samen oder un- verdauliche Samenkörner fleischiger Früchte weit ver- schleppen. So ist die locale Verbreitung von Rhus toxi- ceodendron in Nordamerika bedingt durch die seine Früchte fressende Saatkrähe. Im Ballast (Erde und Sand) in Schiffen, in unreinen Sämereien sind mehr fremde Pflanzen nach Nordamerika gekommen, als auf alle anderen Arten zusammen. Im Packmateriale des Handels (Heu oder Stroh) werden sehr viele Samen ver- schleppt und schliesslich durch lebende Pflanzen, an denen selbst oder in deren Wurzelerde solche hängen. — Verschleppung grösserer Thiere kommt natürlich selten vor. Nur Ratte und Maus sind auf diese Art cosmopolitisch geworden, erstere nur durch die kalten Zonen eingeschränkt, letztere selbst auf den Prybilov- Inseln lebend. Schnecken unterliegen ähnlichen Ver- breitungsweisen wie die Pflanzen, nur einige davon werden als Waare verschleppt. Die Regenwlürmer der ganzen Erde sind identisch mit denen von Europa, was nur durch zufällige Verschleppung zu erklären ist. Bei den Insecten sind die Verbreitungs-Weisen noch nicht genügend bekannt. Als günstige Bedingungen für Verschleppung sind anzusehen: Gleichmässigkeit des Klimas beider Länder, besonders aber Gleichartigkeit der Jahreszeiten. So eignen sich besonders die palä- und nearktische Zone, die orientalische und australische, letztere und die neotropische, weniger die äthiopische und australische oder neotropische, noch weniger letztere und die nearktische, am wenigsten die nördlichen und süd- lichen gemässigten Zonen für einander; denn bei letzteren fallen die Jahreszeiten gerade entgegengesetzt. Abhängig ist die Verschleppung auch von der Beschaffenheit der Art. Viele Arten werden ständig verschleppt ohne sich an fremden Plätzen ansiedeln zu können; von nahe ver- wandten Arten wird oft nur eine verschleppt, so z. B. hat sich von den Pieris-Arten nur P. rapae in Nordamerika eingebürgert; Phytonomus punetatus, in Europa kaum schädlich, ist es in Amerika sehr geworden, während Ph. meles noch nicht hierher verschleppt ist. Von den RING: Coleophora-Arten ist nur C. laricella in Amerika bekannt geworden, u. $s. w. Die Ursache liegt z. Th. in den so sehr verwickelten Lebensbedingungen der Insecten, so dass nur die mit den einfachsten sich leicht fremden Verhältnissen anpassen können. Auch findet die Ver- schleppung fast nur nach den grossen Häfen statt, wo die Gelegenheiten zum Weiterleben nieht so günstig sind; erst wenn zufällig Inseeten oder ihre Entwiekelungsstadien im Gepäck der Reisenden oder sonstwo mit nach dem Innern gebracht werden, wird ihnen ein Festsetzen er- möglicht. Auch Häufigkeit und Schnelligkeit des kauf- männischen Verkehrs sind von grosser Wichtigkeit. Da- her findet besonders Verschleppung zwischen Europa und Nordamerika statt. Ein merkwürdiger Zug ist die Rieh- tung der Verschleppung von Ost nach West, von Asien nach Europa, von da nach Amerika, von da nach Hawaii, Neu-Seeland und Australien; nur sehr wenige Arten gelangten von Amerika nach Europa (Reblaus), oder von Asien direct nach Amerika. Dieser Zug von Osten nach Westen, der sich bei den Unkräutern und auch bei der Civilisation wieder findet, hat seine Ursache in der dichten Bevölkerung, der Ausnutzung und hohen Cultivirung der östlichen Gegenden, gegen die die west- lichen Stellen geringeren Widerstandes darstellen. Aber die australische Fauna ist auch älter und weniger lebens- kräftig als die amerikanische, und diese wieder steht in demselben Verhältniss zur paläarktischen. — H. unter- scheidet bei der Verschleppung der schädlichen Insecten drei Arten: 1. unbewusste und unbemerkte, in Be- gleitung ihrer natürlichen Nahrung, die selbst Gegenstand der Einführung ist: die für sie günstigste Art von Ver- schleppung. So die Coceiden, die Aphiden, holzfressende Larven von Käfern oder Schmetterlingen. Bekannte Fälle sind Diaspis lanatus, Aulacaspis rosae, Chionaspis eitri, Howardia bielavis, Lecanium oleae. Zugleich mit diesen wurden auch ihre Parasiten verschleppt, besonders Hymenopteren (Aspidiotiphagus eitrinus, Prospalta au- rantii, Aphelinus spp., Arrhenophagus chionaspidis u. s. w.). 2. Verschleppungen in den Verpackungen (Heu, Stroh), so Cecidomyia destructor von Europa nach Amerika, wie sich überhaupt Dipteren ganz besonders zur Verschleppung eignen. Die englischen Colonien haben bereits Gesetze gegen diese Arten der Verpackungen erlassen. 3. Zu- fällige Passagiere der Schiffe. Hier ist in erster Linie der Sandfloh, Sarcopsylla penetrans zu erwähnen, der 1872 von Rio de Janeiro im Ballast-Sand nach Guinea gelangte und jetzt schon im Innern Afrikas ge- funden wird. — Günstige Bedingungen für Einschleppung bieten die Welt-Ausstellungen. In Chicago waren eigens Entomologen angestellt, um diese zu verhindern. Sie fanden im Getreide u. s. w. 101 Arten, in thierischen Producten 7, im Holz 13. Auch die im Hause sich fin- denden Insecten haben meistens schon cosmopolitische Verbreitung erlangt. Verschleppungen nehmen oft grosse Verhältnisse an. Von Europa nach Amerika sind allein 156 Käfer verschleppt, 60 durch die beiden ersteren, 96 durch den letzten der oben angeführten Wege. — Da die eingeführten Arten ihre Feinde meist hinter sich lassen, können sie sich, unter sonst günstigen Bedingungen, in ihrer neuen Heimath zuerst sehr rasch vermehren. Erst allmählich passen sich hier einheimische Thiere der neuen Nahrung an. Eine schwerwiegende Folge von Einfüh- rungen fremder Arten ist ihre Wirkung auf die einhei- mische Fauna und Flora. Pieris rapae hat in Amerika die Pontia olerana zum Verschwinden gebracht, Doryphora 10-lineata die östliche D. juneta, Mytilaspis pomorum die Chionaspis furfurus, M. eitricola die M. gloverii u. s. w. — Die Ziegen haben in St. Helena gänzlich die Waldflora, die mit dieser zusammenhängenden Insecten, Weichthiere, XII. Nr. 9 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 99 Vögel und kleinerer Säugethiere ausgerottet, wie es über- haupt das Vieh häufig thut.*) — So berechtigt also im Allgemeinen der Widerwille der Sachkundigen gegen neue Einführungen und die Maassnahmen gegen Einschlep- pungen sind, so giebt es noch genng nützliche Insecten, deren Einführung unter sachverständiger Leitung von grösster Wichtigkeit werden kann. Reh. Eine Besteigung des Mount Morrison auf der Insel Formosa schildert Dr. Seiroku Honda, ausser- ordentlicher Professor der Forstwissenschaft in Tokio (Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens in Tokio 1897) wie folgt: Der Mount Morrison bildet den höchsten Berggipfel nicht nur auf der Insel Formosa, sondern überhaupt in ganz Ost- asien, Er wurde zuerst von einem englischen Kapitän am Ende des letzten Jahrhunderts erwähnt, dessen Namen er trägt; aber noch Niemand hat ihn bestiegen, da er in Mitten des Gebirgslandes liegt, das lediglich von den oft sehr feindseligen Eingeborenen bewohnt ist, und die Ab- wesenheit von Wegen und Ortschaften eiv weiteres Hinder- niss bildet. Von der Stadt Taiwan aus gewahrt man bei klarem Wetter die weisse Spitze des Berges, welche auch den Seefahrern auf weithin eine Marke bildet. Er liegt unter der nördlichen Breite von 23,5 Grad. Seitdem Formosa ein Bestandtbeil meines Heimath- landes Japan wurde, hegte ich den innigen Wunsch, den gebirgigen, bis jetzt nicht durchforschten Theil dieser Insel kennen zu lernen. Endlich im vergangenen Herbst wurde mir von unserer kaiserlichen Regierung der ehrenvolle Auftrag zu Theil, über die Waldverhältnisse jenes Landes eingehend Bericht zu erstatten. Anfangs October 1896 reiste ich ab und landete nach sieben Tagen in Kelung, der nördliehsten Hafenstadt der Insel, nachdem wir unter- wegs bei den Liukiu-Inseln uns etwas aufgehalten hatten. Von hier aus begann ich mit vier Reisebegleitern meine Fusstour dureh die westlichen Abhänge des nahezu cen- tralen Gebirgszuges nach Süden. Herrliche, immergrüne Laubwälder, aus Fieus- und Palmenarten, Kampherbäumen, Bambus, Feigen, Ananas, Bananen und Zimmtbaumarten bedecken dessen westliche Ausläufer, an denen man noch vielfach Niederlassungen von Chinesen findet. Oestlich aber, gegen den Gebirgsrücken hin, hausen nur noch die Eingeborenen, und mit der zunehmenden Seehöhe wechselt natürlich die Vegetation. Das tropische Gewand ver- schwindet und Cryptomerien, Fichten und Tannen er- innern uns an die gemässigte Zone. Glücklicherweise sind die Chinesen noch nicht sehr weit in die Gebirgs- gegenden vorgedrungen, denn eine Rücksicht auf den Wald kennt der Chinese nicht. Wo er seinen Fuss hin- setzt, wird mit Feuer dem Walde der Krieg erklärt, und auf den kahlen Ebenen, wo der Chinese haust, sieht man nur Bambushaine, welche bei den Wohnungen gepflanzt werden. Unberechenbarer Schaden ist so bereits durch die barbarischen Verwüstungen erzeugt worden. Nach einem Marsch von 10 Tagen gelangten wir nach dem von Chinesen bewohnten Orte Ling-ki-ho, wo ich die letzte japanische Besatzung vorfand. Von hier aus gegen den Mount Morrison trifft man keine chinesische Nieder- lassung mehr. Pferde waren für meine Zwecke nirgends aufzutreiben, ebensowenig Maulthiere oder Esel. Die Zu- stände sind in dieser Beziehung auf der ganzen Insel Formosa äusserst primitiv. Die Landstrassen bestehen aus schmalen Fusspfaden, die sich nnregelmässig in Win- keln und Curven zwischen den Feldern hinziehen; Brücken *) Erinnert sei hier auch an die Verdrängung der verhält- nissmässig unschädlichen Hausratte durch die viel schlimmere Wanderratte. Ref. fehlen fast gänzlich. Wir mussten daher unsere ganze Reise zu Fuss machen. Als die Japaner anfingen, breite Verkehrswege herzustellen, waren die chinesischen Bauern nicht sonderlich erbaut und meinten, es sei doch eine grosse Verschwendung, den Weg auf Kosten der nütz- lichen Felder so breit anzulegen, da für einen Fussgänger eine ganz geringe Breite hinreiche. Man kann sich denken, auf welche Schwierigkeiten des Transports das japanische Militär stiess, als es galt, die Rebellen zu unterdrücken. Das Dorf Ling-ki-ho, von wo wir unseren eigentlichen Anstieg begannen, ist von kahlen Hügeln umgeben, zwischen denen sich Reis- und Batatenfelder ausbreiten. Unter seinen eirca tausend Einwohnern, welche anfangs den Japanern sehr feindlich gesinnt waren und in den Reihen der Rebellen kämpften, befanden sich zum Theil Leute, die den Campherhandel betreiben. Wir hatten die grösste Mühe, Träger dort aufzutreiben; an Führer war gar nieht zu denken. Endlich, als wir 20 Leute engagirt hatten und diese am andern Tage unser Reise- ziel erfuhren, desertirten sie alle wieder aus Furcht vor den Ureinwohnern, bei denen es als besondere Grossthat gilt, mehrere Chinesenköpfe mit nach Hause zu bringen; und ein Jüngling kann bei den Wilden bloss dann an das Heirathen denken, nachdem er seinen Muth auf solche Weise bewiesen hat. Die nun von neuem engagirten an- deren 20 Träger wurden nun über Nacht eingesperrt, vom Arzt auf ihre Gesundheit untersucht, wobei vier Leute ausgeschieden wurden, und am nächsten Morgen wurde mit Hilfe des Militärs jedem seine zugedachte Last von etwa 24 Kilogramm auf den Rücken festgebunden, damit an das Desertiren nicht mehr gedacht werden konnte. Ausser zwei Öffieieren mit 25 Mann Soldaten mit ihrer Ausrüstung betheiligten sich noch sieben Japaner, worunter ein Zeitungsreporter, ein Dolmetscher, ein Arzt, ein Geo- loge und ein Topograph. Mir fiel nieht nur die Leitung der Expedition zu, sondern auch die Aufgabe, die Wald- verhältnisse genau zu studiren und alles Wünschenswerthe zu photographieren. Selbstverständlich waren wir gut mit allerlei wissenschaftlichen Instrumenten ausgerüstet, sowie mit Werkzeugen, um den Weg durchs Dickicht zu bahnen, Hütten gegen Regen zu bauen u. s. f. Am ersten Tage (den 13. Nov.) machten wir 24 Kilo- meter durch Hügel- und Ackerland, am zweiten Tage durch drei Meter hohes Gras und Bambuswaldungen, welche auf den Thalsohlen durch Bananenwaldungen ab- gelöst wurden. Höher ansteigend gelangten wir bald in die immergrünen Laubwaldungen. Diese hatten früher offenbar auch sich dahin ausgebreitet, wo jetzt Bambus und Banane herrschen; allein durch das wiederholte Abbrennen konnten die Laubwälder nicht mehr gegen Bambus auf- kommen. Da wo auch die Bambuswaldungen oft wieder abgebrannt werden, regiert schliesslich nur das lästige Kaya-Gras (Imperata arundinacea, Cyr.). In den Laub- waldungen finden sich hauptsächlich Feigen und Campher- bäume, oft grosse Strecken bedeckend, untermischt mit Palmen und Schlingpflanzen. Die Vegetation ist hier un- gemein üppig; die Campherbäume erreichen bis 10 Meter Umfang und 50 Meter Höhe, Farrenkräuter, 20 Meter hoch, drängen sich zwischen den Bäumen hervor, Riesen- luftwurzeln hängen dazwischen herab, und oft standen wir rathlos vor dem undurchdringlichen Gewirr von Schlingpflanzen. Zwei Tage lang hielt uns dieser Urwald auf. Mit Schmerz gewahrte ich, dass viele der riesigen Campherbäume von den Camphersammlern angehackt und so dem Tode verfallen waren. Viele dieser Riesenbäume waren umgefallen oder vom Winde desshalb leicht um- geworfen worden. Von diesem so werthvollen Holze ver- faulen dort tausende von Stämmen, nachdem etwa je 100 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 9. 5 pCt. eines Baumes zur Camphergewinnung benützt worden waren. Natürlich haben wir strenge Forstgesetze erlassen gegen diese Verwüstung, allein noch ist nicht das nöthige Personal vorhanden, um in jenen gefähr- lichen Gegenden Ordnung zu schaffen. Oft nöthigten uns die todten Riesen des Waldes zu Umwegen, was uns viel Zeit kostete. An diesem zweiten Tage übernachteten wir in einer einsamen Hütte, welche von Camphersammlern errichtet war. Am dritten Tage stiessen wir auf die erste Nieder- lassung der Wilden; dieses Dorf bestand aus dreizehn von etwa 150 Personen bewohnten Hütten und hiess Namaka- ban. Kurz verher hatte ich die militärische Begleitung zurückgeschickt, weil ich zur Ansicht gekommen war, dass sie mehr schaden wie nützen könnte; denn mein Dolmetscher, ein Chinese, der viel mit den Wilden ver- kehrt hatte und ihr Salzlieferant war, sagte mir ohne Rückhalt, dass bei Ankunft einer bewaffneten Begleitung sofort Feindseligkeiten eröffnet würden. Bei der An- näherung an das Dorf sahen wir den Häuptling mit un- fähr 30 Leuten, die mit Flinten, Speeren und Pfeil und Bogen bewaffnet waren, auf einem Hügel sieh postiren. Vorher hatte ich jedoch sehon meinen Dolmetscher ins Dorf geschickt mit den Auftrage, von unseren friedlichen Absichten die Leute in Kenntniss zu setzen. Ich ging nun ohne sichtbare Waffe, nur mit dem Revolver in der Tasche, den Leuten entgegen, worauf der Häuptling niederkniete und seine Hände über seinem Kopfe faltete zum Zeichen der Begrüssung. Ich folgte ihm hierauf in das Dorf, wo ich ihm verschiedene Geschenke gab. Nur die Weiber sind etwas bekleidet; die Männer gehen ganz nackt, ein locker umgebundenes Schamtuch bildet meistens die einzige Bekleidung. Auch über den Rücken getragene Hirschfelle sieht man, besonders bei den Häuptlingen. Hals und Armringe aus Muscheln oder Früchten werden von Männern wie Frauen getragen. Aufgefallen ist mir besonders die fest anliegende von Jung und Alt getragene Bauchbinde aus dem Bast von Calamus Rotang. Wie man mir sagte, ist ihr Hauptzweck, eine zu reichliche Nahrungsaufnahme zu verhindern. In dem Dorfe fiel mir eine besonders grosse Hütte auf, von etwa 140 Quadrat- meter Grundfläche. Es war das gemeinsame Schlafhaus für alle Unverheiratheten männlichen Geschlechts. Das Innere ist mit Bambus gepflastert und hat in der Mitte einen Herd. Abtheilungen in einzelne Zimmer fehlen. Auf zwei Seiten ist das Haus offen, ohne Wand, auf den zwei andern schützt das weit herabgehende Dach einigermaassen gegen Unwetter. An der Decke fand ich volle 85 Schädel aufgehängt, alle von Chinesen. Alle Männer sind mit einem etwa 40 em langen Dolche be- waffnet. Jedes Dorf steht unter einem Häuptling, ist völlig unabhängig und steht den Nachbardörfern oft feindlich gegenüber. Ein sonderbarer Gebrauch ist das Entfernen der Augenzähne bei allen Kindern im Alter von etwa 5 Jahren. Einzelne haben Hand und Gesicht tätowirt. Der Häupt- ling liess mir zu Ehren einen Tanz aufführen, wobei einerseits 10 Weiber und mehr sich an der Hand fassend einen grossen Kreis bildeten, sich hin und her wiegten und unter einförmigem Gesang mit den Füssen den Tact schlugen. Ebenso verfuhr ein Kreis von Männern. Ehe- liche Treue wird aufs Strengste aufrecht erhalten, auch die Häuptlinge haben nur eine Frau und bleiben dieser treu. Es existirt eine Tradition bei ihnen, dass sie Brüder der Japaner seien, die Chinesen aber hätten diese Brüder vertrieben. Desshalb wurde der Sieg der Japaner auch als ihr Sieg über die Chinesen betrachtet. Am folgenden Tage machten wir 5 Stunden durch Grasland in etwa 2700 Fuss Seehöhe, his zum nächsten von etwa 300 Personen bewohnten Dorf Ho-Sha. Auf dem Wege dahin passirten wir eine uns einige Ueber- raschung bereitende Hängebrücke aus Calamus Rotang über den dort etwa 30 Meter breiten Tinlankei-Fluss, wo wir ähnlich wie Tags vorher empfangen wurden und ich wieder im Gemeinde-Schlafhaus, umgeben von keineswegs ätherischen Gerüchen, übernachten musste. Am folgenden Tage machten wir ohne jeden Weg und Steg, oft lange bis zum Bauche im Wasser watend, einem Fluss mit Steilrändern entlang, etwa 6 Stunden bis zum Dorfe Tom-bu, der letzten menschlichen Ansiede- lung auf unserem Marsche. Hier mussten wir uns frisch verproviantiren. Wir erhielten einige Hühner, süsse Kar- toffeln und Hirse. Hier liessen wir auch eine Anzahl Gepäckträger und das nieht absolut nöthige Gepäck zu- rück und begannen in Begleitung von vier in der ganzen Gegend wohlbewanderten Wilden nun unseren eigent- lichen Anstieg. Nach dreistündigem Marsche stiessen wir in einer Seehöhe von 5500 Fuss auf eine etwa 70° C. heisse Quelle an dem Flussufer. Auch im Fluss selbst entsprangen solche Quellen. Bis hierher erstreckten sich grosse, immergrüne Laub- wälder. Da, wo oft von den Eingeborenen. das hohe Gras niedergebrannt wird, kann sich jedoch nur die Kork- eiche (Quereus variabilis Bl.) halten, die dort srosse Flächen bedeckt. Von hier an aber begannen Nadel- wälder, bei einer Seehöhe von 6000 Fuss, bestehend aus riesigen Chamacyparis und Cryptomerien mit Stammes- durchmessern von 6—10 Fuss. Bei 7000 Fuss Seehöhe erreichten wir die Zone herrlicher Fiehtenwälder; worunter einige mir neue Arten. Die zwei vorhergehenden Marsch- tage waren sehr beschwerlich gewesen, indem wir meist in einem zwischen Steilrändern eingeschlossenen Bache waten mussten. Am Vormittag des achten Tages erreichten wir nach mühsamem Aufstieg auf kahlen Abhängen in Seehöhe von 9500 Fuss eine die Wasserscheide bildende, mehrere eng- lische Quadratmeilen grosse, etwas nach Süden geneigte Grasfläche, und der Gipfel des Mount Morrison stand majestätisch vor uns. Bei einem grossen Feuer brachten wir den kühlen Abend in einem kleinen Thale zu, und um zwei Uhr früh des folgenden Tages bei empfindlicher Kälte von — 3° C. begannen wir den schliesslichen An- stieg, zunächst auf der Nordseite durch Tsuga-Waldung, dänn auf der weniger steilen Südseite mit Tannen- waldungen, theilweise auch über Grasfläche und schliess- lich auf dem mehrere Spitzen tragenden Grate selbst, welcher mit scharfkantigen, aus Thonschiefer bestehenden Gesteinsbrocken bedeckt war. Um elf Uhr erreichten wir endlich die Spitze, von welcher aus der wolkenlose Himmel uns eine grossartige- Aussicht fast über ganz Formosa ermöglichte. Ueber unzählige Bergspitzen hin- weg grüsste uns im fernen Osten das Meer. In weit grösserer Entfernung war gegen Westen das Meer eben- falls sichtbar. Gegen Norden breitete sich ein Wirrsal bewaldeter Berge aus. Von bewohnten Ortschaften ge- wahrten wir im Westen Taiwanfu, im Süden Tainan, An- pıng und Takao. Nachdem wir einige Phographien aufgenommen und unsere wissenschaftlichen Beobachtungen beendet hatten, zwangen uns Nebel und starker Wind zum Rück- zug, und es war die Dunkelheit schon eingebrochen, als wir unseren letzten Lagerplatz wieder erreichten, wo wir das meiste Gepäck mit den Trägern, so wie die bereits vom Fieber leidenden Genossen zurückgelassen hatten. Hirsche und Wildschweine eıregten zwar unseren Appetit, doch hatten wir zum Jagen keine Zeit. Da es am Abend etwas geregnet hatte und in der Nacht Eis- bildung eintrat, litten wir beim Schlafen im Freien be- RUITSENTEY. trächtlich, und am anderen Morgen hatten sämmtliche Japaner das Fieber, und zwar ich so stark, dass meine Körpertemperatur auf 41!/,° stieg und einer unserer ein- geborenen wilden Führer mich während der folgenden drei Tage auf seinem Rücken trug, für welchen Liebes- dienst ich ihm ein paar alte Hosen schenkte, da er mit Geld absolut nichts anzufangen wusste. Da wir auf eine kürzere Zeit gerechnet hatten, war unser Proviant vor der Zeit consumirt, und nun bildete gekochte Hirse unsere alleinige Nahrung. Am fünfund- zwanzigsten November erreichten wir endlich wieder Ling-ki-ho, unseren anfänglichen Ausgangspunkt. Was nun schliesslich unsere wissenschaftliche Aus- beute betrifft, möchte ich hier nur folgende Punkte her- vorheben: 1. Die vielfach verbreitete Ansicht, Mount Morrison sei vulkanischer Natur, hat sich als irrig erwiesen, indem die wesentlichen Gesteine des Berges und seiner Um- gebung aus Thonschiefer und Quarzit bestehen. Erstere Schichten streichen bei einer Neigung von 70° von O.N. 10° nach W. S. 10, weshalb die nördlichen Abhänge weit steiler als die südlichen sind und viele Bergstürze dort vorkommen. 2. Die Seehöhe des Gipfels ist nicht, wie früher aus trigonometrischen Messungen vom Meer aus berechnet, 12830 Fuss, sondern nach unseren barometrischen Messungen 14350 Fuss. Vom Meere aus ist wahrschein- lich der eigentliche Gipfel durch einen nahen Vorgipfel verdeckt. 3. Unser Barometer zeigte am 21. Vormittags zwölf Uhr 453 mm, und das Thermometer nach Celsius 4,5, bei einer relativen Feuchtigkeit von 90 pCt. 4. Schnee wurde von uns nirgends, auch nicht in Felsenlöchern auf dem Berge, angetroffen, und die unter den Chinesen Formosas verbreitete Ansicht von ewigem Sehnee ist nur dadurch hervorgerufen worden, dass weisse Quarzpartien auf weithin den Eindruck von Schnee machen. 5. Das Bergland Formosas besteht keineswegs über- all aus undurchdringlichem Urwald, indem die Südab- hänge der Berge oft mit ausgedehntem Graslande bedeckt sind, woran zum Theil die von den Eingeborenen zum Zwecke leichterer Jagd verursachten Brände die Schuld tragen. Wir haben mit dem Fernrohr die Bergregion auf weit hin vom Gipfel aus durchmustert und können so viel sagen, dass höchstens 40 pCt. der sichtbaren Fläche mit Waldung bedeckt war. 6. Das Flachland Formosas gehört bis zur Seehöhe von 1700 Fuss der tropischen Vegetation an mit haupt- sächlich Fieus, Pandanus, Palmen und Ananas. Von hier bis 6000 Fuss Seehöhe dehnt sich subtropischer immer- grüner Laubwald aus, wobei der Campherbaum bis 6500 Fuss vorkommt, ausserdem .immergrüne Eichenarten. Von 6000 Fuss an beginnt die Nadelwaldregion, zunächst mit Cryptomeria und Chamäsyparis, dann von 7000 bis 8500 Fuss mit Fichten (Ver. von Pieea Glehni), von 850010 500 Fuss mit Tsugen (Tsuga diversifolia, Maxim.) und schliesslieh von 10 500 Fuss bis zur Spitze des Morri- son mit Tannen- und Junierusarten und hauptsächlich Abies Mariesii. 7. Der Wasserreichthum des Berglandes bedingt, dass man den Wasserläufen entlang bis in die Region der Fiehten gelangen und das Wasser zum Herunterflössen des Holzes benützen kann. 8. Die Camphergewinnung in Formosa ist noch in äusserst primitivem Zustande. Wie sie in Kiusbiu in Ge- brauch ist, kann leicht die Ausbeute verdoppelt werden. 9. Die Ureinwohner sind keineswegs Jäger; nur die Häuptlinge und wenige Untergebene widmen sich der Jagd; die Hauptbeschäftigung ist Ackerbau; besonders Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 101 süsse Kartoffel und Hirse bilden wiehtige Produete. Auch Tabak und eine Art Erbse werden gebaut, alles jedoch unter dem Regime des Communismus, was wenigstens soviel Gutes hat, dass nichts gestohlen wird, denn Eigen- thum darf Niemand besitzen; Arbeit und Ernte ist ge- meinschaftlich. | 10. Da die Männer willig arbeiten und gerne sich mit Holzhacken beschäftigen, glaube ich, dass sie sich gut als Waldarbeiter eignen. Ueber eine neue Methode der Abwässerklärung, welehe aller Wahrscheinliebkeit nach bestimmt sein dürfte, in der Städtehygiene der Zukunft eine grosse Rolle zu spielen, berichtet das Centralblatt der Bauverwaltung Nr. 40, S. 453, 1897. Die Beseitigung der Abwässer, welehe die umfangreichen Kanalisationsanlagen der grösseren Städte tagtäglich liefern, ist eine Frage von nieht geringer hygienischer und ökonomischer Bedeutung, Die fortwährend produeirten Massen fäulnissfähiger Sub- stanzen sollen nicht nur aus der Stadt geschafft werden, sondern es muss auch dafür gesorgt werden, dass sie dort, wohin sie gelangen, keinen wirthschaftlichen oder gar gesundheitlichen Schaden anrichten. Um dies zu er- reichen, hat man bekanntlich verschiedene Methoden zur Anwendung gebracht. Wo ein 'grösserer Fluss in der Nähe fliesst, kann man die Cloakenwässer direet in diesen einlaufen lassen; er vollführt dann die Vertheilung und Zersetzung der festen Schlammstoffe von selbst in genü- sendem Grade und mit hinreichender Schnelligkeit. Ge- statten die örtlichen Verhältnisse dies nicht, so kann man die Abwässer zunächst in besonderen Sammelbecken auf- fangen, in denen die festen Schmutzpartikel sich entweder mit oder ohne Hülfe von zugesetzten Chemikalien zu Boden senken, und darauf die auf diese Weise erheblich geklärte Flüssigkeit dem nächsten Flusse zuführen. Einen nicht zu unterschätzenden Uebelstand dieses Klärverfahrens bietet aber die Nothwendigkeit, den im Klärbeeken zurück- bleibenden Schlamm zu beseitigen. Seine allmählich immer wachsende Anhäufung in der Nähe der Stadt kann zu grossen Unzuträglichkeiten führen. Die Rieselfelder- anlagen sind daher das bisher noch immer am besten be- währte Auskunftsmittel gewesen. Auch in England hat man regierungsseitig die Riesel- felder stark protegirt, und das mit um so mehr Recht, als sich erwiesen hat, dass die in die Themse eingelasse- nen, vorher chemisch geklärten Abwässer Londons im Flusse selbst einer Nachfäulniss unterliegen und damit eine Gefahr für die Stadt bedeuten, weil der Fluss bis weit über London hinauf der Ebbe und Fluth ausgesetzt ist. Die Rieselfelderanlage stösst jedoch in England vielfach auf Widerstand, und der erste Chemiker des Grafschaftsrathes von London, W. J. Dibdin, hat sich daher bemüht, ein neues Verfahren der Abwässerklärung anzubahnen. Dieses Verfahren geht von dem Grundgedanken aus, die fäulnissfähigen Stoffe von den in ihnen selbst ent- haltenen Baeterien zersetzen zu lassen. Versuche dieser Art wurden zuerst in Nordamerika ausgeführt, und zwar mit solehem Erfolge, dass Dibdin sie in grösserem Maass- stabe in London wiederholte. Es wurde ein Becken „von einem Acre Grundfläche gebaut, in welches eine Schicht von 9) em Koks, bedeekt mit 8 em Kies eingebracht wurde. Der Grund wurde mit einem Netz von Abzugs- röhren versehen, welche in einenSammelbehälter mündeten.“ Bei den ersten Versuchen nahm die Wirkung des Bettes rasch ab, und das Bett verstopfte sich. Es wurde alsdann aber folgendes Verfahren, das sich bestens bewährte, ausfindig gemacht. „Man leitete das Abwasser in das 102 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Bett, bis es die Oberkante des Füllungsmaterials er- reichte, überliess es zwei volle Stunden der Einwirkung der Bacterien und zog es dann rasch ab. Hierauf trat eine Ruhepause ein, um dem Bett Gelegenheit zur Lüftung zu geben, worauf, etwa sieben Stunden nach Beginn der vorhergehenden, eine neue Füllung vorgenommen wurde. Auf diese Weise arbeitete man während der sechs Wochen- tage, den ganzen Sonntag dagegen blieb das Bett un- benutzt.“ Bei dieser Art des Arbeitsbetriebes betrug die Durehschnittsleistung der täglichen Klärung eine Million Gallonen. In den vorstehend geschilderten Versuchen kamen nur solehe Abwässer zur Verwendung, welche schon eine chemische Klärung durchgemacht hatten. Es steht nun aber auch dem nichts im Wege, die ganz rohen Cloaken- wässer, wie sie dem Siel entströmen, in das Bacterien- beeken zu bringen. Nur erwies es sich dann als gerathen, eine zweimalige Klärung durch die Bacterien vorzunehmen. Bis zu welchem Grade die Mikroorganismen klärend auf das Cloakenwasser einzuwirken vermögen, zeigen folgende Angaben. Das rohe Abwasser enthielt rund 0,86 g un- gelöster Stoffe im Liter; nach der ersten Klärung waren nur noch 0,04, nach der zweiten 0,01 g davon übrig. Die Oxydation betrug 63,16 v. H. nach der ersten und 85,85 v. H. nach der zweiten Klärung. Am Schlusse war das Wasser klar, geruchlos und frei von Fäulniss- erscheinungen. Die Art, wie die Klärung vor sich geht, wird man sich so vorzustellen haben. Die gewöhnlichen Fäulniss- und verwandten Bacterien, welche die Abwässer in sich enthalten, zersetzen die organischen Verbindungen in Wasser, Kohlensäure und Ammoniak. Letzteres wird dann von anderen, nitrificirenden Lebewesen in salpetrige und Salpetersäure verwandelt. Es ist also ausser dem Vorhandensein von Basen, mit denen sich die Salpeter- säure verbinden kann, nur nöthig, dass die Mikroorganis- men mit genügendem Sauerstoff versehen werden, was während der Lüftung in den Pausen des Betriebes ge- schieht. Eigentliche Kosten verursacht dieser also kaum. Sch. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Privatdocent für Geschichte der Medizin in Berlin Dr. Julius Pagel zum Professor; der ausser- ordentliche Professor der Pharmakologie in HeidelbergDr. Gottlieb zum provisorischen Nachfolger des verstorbenen Professor Dr. W. von Schroeder. Berufen wurden: Der ordentliche Professor der Physik und Director des physikalischen Institut in Kiel Dr. Hermann Ebert nach München; der ausserordentliche Professor der Philosophie in Giessen Dr. Karl Groos nach Basel; Dr. van Niessen in Wies- baden an das Petersburger Institut für experimentelle Medizin. Es habilitirten sich: In Bonn Dr. Eschweiler für Ohren- heilkunde und Dr. Loeb für Chemie; in Wien Dr. Weiss für innere Medizin; in Leiden Dr. J. E. Kabbie für Chemie, ins- besondere Mikrochemie. Der nächste Balneologen-Congress wird vom 12. bis 16. März dieses Jahres in Wien tagen, die Sitzungen sollen unter Liebreich’s Präsidium im Gebäude der Kaiserl. Gesellschaft der Aerzte statt- acer Anmeldungen sind an Sanitätsrath Dr. Brock, Berlin, zu richten. Der von Seiten der Deutschen Gesellschaft für volks- thümliche Naturkunde gemachte Versuch, neben ihren seit- herigen reichhaltigen und vielseitigen Veranstaltungen auch be- sondere Lehrkurse naturwissenschaftlicher Art einzurichten, kann als ein in jeder Beziehung gelungener bezeichnet werden. Der erste Kursus dieser Art umfasste das Gebiet der allgemeinen ! Chemie und lag in den bewährten Händen des Oberlehrers am Dorotheenstädtischen Realgymnasium in Berlin, Herın Professor Dr. Böttger, der es in geradezu meisterhafter Weise verstand, in verhältnissmässig kurzer Zeit seine zahlreichen Zuhörer in die . XI. Nr. 9. Geheimnisse jenes Wissensgebietes einzuführen und sie dureh eine grosse Anzahl mit vollendeter Sicherheit ausgeführter Experimente zu fesseln. Im Anschluss an die Kurse sind noch besondere Exeursionen in Aussicht genommen, so war unter Führung des Herrn Professor Böttger von den Theilnehmern des chemischen Cyklus am 17. Februar einer städtischen Gasanstalt ein Besuch abgestattet worden. An diesen chemischen Lehrkursus reiht sich ein mineralogischer an, für welchen es dem Vorstande gelungen ist, Herrn Professor Dr. Scheibe zu gewinnen, und welcher am Dienstag, den 15. Februar, abends 8 Uhr, in den Räumen der König- lichen Bergakademie eröffnet worden ist. Besonders dankenswerth ist es, dass die Direcetion der letztgenannten Anstalt ihre überaus werthvolle Lehrmittelsammlung zu dem Zwecke in bereitwilligster Weise zur Verfügung gestellt hat. Nähere Auskunft über die Kurse ertheilt der I. Schriftführer der Gesellschaft, Oberlehrer Dr. W. Greif, SO., Köpenickerstrasse 142, Litteratur. Prof. Dr. A. Fleischmann, Lehrbuch der Zoologie. Nach morpho- genetischen Gesichtspunkten bearbeitet. Mit 400 Abbildungen und 3 Farbentafeln. C. W. Kreidel’s Verlag Wiesbaden 1898. — Preis 11,60 M. Eine von den üblichen trefflicehen Lehrbüchern, die wir nunmehr in Mehrzahl in deutscher Sprache haben, vor allem auffallende Ab- weichung des vorliegenden Lehrbuches fällt ganz besonders auf: es ist das der Kampf, den das Buch gegen die Descendenz-Theorie auf- nimmt! Bei dem fundamentalen Interesse, welches das Problem nach dem Zusammenhange der Organismen besitzt, hat Referent daher nieht umhin gekonnt, zunächst die Abschnitte zu lesen, die sich auf dieses Problem beziehen, in der Hoffnung, möglicher- weise weite Ausblicke zu gewinnen, die die Descendenz-Theorie als unhaltbar ergeben. Der Leser sucht jedoch vergeblich in dem Buch nach dem Versuch einer besseren Lösung des genannten Problems, als sie die Descendenz-Theorie bietet, vielmehr nimmt Verf. ohne Weiteres die alte Hypothese von der Constanz der Arten wieder auf. Ist esdenn wirklich und ernstlieh noch gelegentlich nöthig, einem Biologen zu sagen, dass von den beiden Hypo- thesen, nämlich der Annahme der Descendenz einerseits, und der Constanz der Arten andererseits, die erstere der letzteren unend- lich überlegen und daher so lange beizubehalten ist, bis derjenige kommen wird, der die Constanz der Arten begreiflich macht und durch diese Hypothese mehr erklärt, als es durch die Annahme der Descendenz möglich ist? Wie sagt doch einmal (1873) der so gedankenklare Gustav Theodor Fechner als Beantwortung der Frage: Warum sich überhaupt an sie (nämlich die Descen- denz-Theorie) halten? Er sagt: „Einfach aus dem Grunde, weil jede andere Lehre, durch welche man die Descendenzlehre er- setzen möchte, an denselben Unvollkommenheiten in unverhält- nissmässig höherem Grade leidet. Es gilt in der That hier ein fundamentales Entweder, Oder: Entwickelung der höheren ÖOrganisationsstufen aus den niederen, oder Neuschöpfung jeder höheren Stufe sozusagen aus dem Urschlamm; und will man das letztere nieht annehmen, was fruchtet eine bloss negirende oder bloss mäkelnde Opposition gegen das Erstere?* Ref. ist kaum in der Lage, zu glauben, dass ein Biologe, der im Stande ist, ein zwar in manchen Punkten etwas merkwürdiges, aber im Ganzen doch gutes und in einigen Punkten sogar be- merkenswerthes Lehrbuch zu schreiben, das neben anderen aber im ınodernen Geist verfassten durchaus dem Studirenden zweck- dienlich und fördernd ist, nicht die vorläufig unüberwindliche Wichtigkeit der so trefflich wie kaum eine andere Theorie fun- dirten Descendenz-Theorie einsehen sollte. Das ist auch der Grund, warum wir es für recht müssig halten würden, näher auf die diesbezüglichen Ausführungen F.’s einzugehen. — Die Ab- bildungen in dem Buch sind sehr schön und mustergiltig hin- sichtlich ihrer Klarheit. 1 Max Riedel, Gallen und Gallwespen. Naturgeschichte der in Deutschland vorkommenden Wespengallen und ihrer Erzeuger. Mit ca. 100 Abbildungen auf 5 Tafeln. Süddeutsches Verlags- institut in Stuttgart. — Preis 1 M. Die Arbeit ist ein Separat-Abzug aus der Zeitschrift „Aus der Heimath“ von 1896 und sehr geeignet als Einführung in die Gallenkunde und zur Orientirung speciell über die Gallwespen- Gallen zu dienen. Die charakteristischen Figuren unterstützen diesen Zweck wesentlich. Die Arbeit zerfällt in eine Einführung zum Gegenstande, die auch die entomologische Seite eingehend berücksichtigt und in einen speciellen Theil, der die Beschreibung der in Deutschland vorkommenden Gallen und ihrer Erzeuger enthält. REIFEN Eg: Leo Brenner’s Spaziergänge durch das Himmelszelt. Astro- nomische Plaudereien mit besonderer Berücksichtigung der Ent- deckungen der letzten Jahre. Mit 7 Tafeln und 23 Abbildungen. Eduard Heinrich Mayer in Leipzig 1898. — Preis 5,50 M. Die kernige und doch gefällige, leichte Schreibweise Brenner’s bringt es mit sich, dass wohl Niemand auch der vollständige Laie nicht, das Buch lesen wird, ‚ohne gleich das erste Mal mindestens drei Viertel desselben im Kopf zu behalten. Dadurch unterscheidet sich Brenner's Buch sehr vortheilhaft von zahlreichen anderen „populären“ Werken, die oft ein ganz respeetables Studium erfordern. Was aber das Buch am interessantesten macht, das ist der Umstand, dass dasselbe einen raschen Ueberblick über die Thätig- keit der Manora-Sternwarte und über die wichtigsten Arbeiten und Entdeckungen ihres Directors giebt. Die Veränderungen auf der Mondoberfläche, welche Brenner im Laufe der letzten Jahre unzweifelhaft feststellen konnte, sowie die Lösung der Frage der Venus-Rotation und seine interessanten Mereurbeobachtungen, die eine Rotationszeit von ungefähr 33—35 Stunden fordern, zeugen sowohl von der Geschicklichkeit wie auch von der Unermüdlich- keit Brenner’s. Sie füllen drei der interessantesten Kapitel des Buches. Aber auch nach aussen hin, d. h. nach der anderen Seite unseres Sonnensystems hin, hat die kleine Manora-Sternwarte erfolgreich gewirkt, wie uns die nächsten Blätter erzählen. Gleich der nächste Planet, Mars, wurde von Brenner so eingehenden Beobachtungen unterzogen, dass derselbe nieht nur eine Reihe von neuen Ent- deekungen machte, sondern dass es ihm sogar gelang, sich auf Grund seiner Erfahrungen und Beobachtungen eine Erklärung der Vorgänge auf diesem Planeten zurechtzulegen, die wohl bis jetzt die einzige ist, welehe die grossen Marsräthsel zu lösen im Stande ist. Zwar hat Brenner viele Feinde, insbesondere Lowell stellt sich alles ganz anders vor, aber Brenner hat schon einige Male ihm gegenüber Recht behalten, und dürfte sich daher auch hier wieder seine Ansicht bewähren. As Wir sind schon gewohnt, von der Manora-Sternwarte mit Ueberraschungen bedacht zu werden, und so wird es uns auch nicht mehr Wunder nehmen, wenn Brenner auf Jupiter und Saturn mehr sieht als viele andere mit Riesenfernrohren „be- waffnete“ Beobachter. Und was die Räthsel betrifft, die uns die Jupitermonde aufgeben, sowie das Dunkel, das noch über der Uranus-Rotation schwebt — auch hier hat Brenner schon einige Resultate erzielt —, so wird Brenner diese Fragen hoffentlich recht bald und energisch aufnehmen. Das sind die interessantesten Kapitel, denn sie führen uns mitten in die Beobachtungsthätigkeit eines kleinen Privatobser- vatoriums, das trotz seiner kleinen, aber allerdings ausgezeichneten Hilfsmittel berufen zu sein scheint, in vielen Fragen, vor denen viele Berufsastronomen entweder absichtlich oder gezwungen Halt machen, ein entscheidendes Wort zu sprechen. Aber auch im Grossen und Ganzen kann das Buch jedem, der Belehrung über das Gesammtgebiet der Himmelskunde sucht, nur wärmstens an- empfohlen werden. Entschieden ist das Buch Brenner’s päda- gogischer geschrieben, als alle anderen populären Schriften, die den Beisatz „populär“ oft ganz mit Unrecht tragen. Adolf Hnatek. Forschungsberichte aus der biologischen Station zu Plön. Theil 6. Abtheilung I. Mit 3 lithographischen Tafeln. Heraus- gegeben von Dr. Otto Zacharias, Erwin Nägele in Stutt- gart 1898. In dem Heft giebt ©. Zacharias einen summarischen Be- richt über ‚die Ergebnisse einer Riesengebirgsexeursion von 1896, Bruno Schröder einen Aufsatz „Neue Beiträge zur Kenntniss der Algen des Riesengebirges“ und Otto Müller einen Aufsatz „Baeillariales aus den Hochseen des Riesengebirges“. Ueber den letzteren das Folgende. Die Hochseen des Riesengebirges; der grosse und kleine Koppenteich und die drei Kochelteiche, befinden sich vermöge ihrer Höhenlage (1168—1250 m) unter ähnlichen klimatischen Ver- hältnissen, wie die durch subalpine resp. subarktische Flora aus- gezeichneten Höhen ihrer Umgebung. Daher beansprucht eine Be- arbeitung ihrer Fauna und Flora von vornherein Interesse, und es ist dankbar anzuerkennen, dass sie O. Zacharias in den Kreis seiner vergleichend limnischen Untersuchungen hineingezogen hat. Aus den von ihm nicht ohne Schwierigkeiten gesammelten Grundproben hatte in Band IV der Plöner Berichte J. Brun eine Liste von 50 in den beiden Koppenteichen vorgefundenen. Dia- tomeen gegeben, jetzt erhalten wir aus der Feder des hochver- Inhait: Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Be er rn Es ne m ee u a en 103 dienten Berliner Diatomaceenforschers eine erschöpfende und an kritischen Bemerkungen reiche Bearbeitung der Grundproben aller fünf Gewässer. M. stellte 195 verschiedene Formen in dem erhaltenen Mate- rial fest, trotzdem mehrere bei uns sonst häufige und formenreiche Gattungen gar nicht (Synedra, Coceoneis, Cymatopleura, Campy- lodiseus) oder auffallend spärlich (Nitzschia, Amphora, Epithemia, Achnanthes) gefunden wurden. Eine entschieden arktische, fünf (n. Cleve) subarktische und neun (n. Heribaud) montane Formen, sowie die starke Entwickelung gewisser ganzer Gruppen geben der Flora ein subalpines oder subarktisches Gepräge. Vor Allem auffallend ist das reichliehe Vorkommen der bis- her nur von wenigen Fundpunkten in Europa und Amerika be- kannten Stenopterobia anceps. Die zierliche und systematisch merkwürdige Form besitzt nach M. zwei Kanalraphen an jeder Schale ohne Flügelbildung, nimmt daher eine Mittelstellung ein zwischen Surirella (zwei auf Flügelgebilden verlaufende Kanal- raphen) und Nitzschia (eine Kanalraphe auf jeder Schale ohne Flügelentwickelung). Eine kritische Beleuchtung erfährt vor Allem die formen- reiche Gruppe der divergenten Pinnularien. Von neuen Formen werden beschrieben und abgebildet: Fragilaria virescens var. undulata, Eunotia Kocheliensis, — sudetica, — pectinalis var.impressa (Abb. van Heurck, Syn. XXXIII, 22.), Neidium bisuleatum var. undulata, Pinnularia Brebissonii var. linearis, — mierostauron var. biundulata, Gomphonema laneeolatum var. acutiuseula. Martin Schmidt. Warburg, Dr. O., Monographie der Myristicaceen. 45 M. Ziegler, Prof. Dr. Ernst, Lehrbuch der allgemeinen Pathologie und der pathologischen Anatomie. 1. Band. 9. Aufl. Jena. — 14 M. Leipzig. — Briefkasten. Chiffre ©. — Sie befinden sich mit Ihrer Meinung, dass der Unterzeichnete in seiner Annahme der ganz vorwiegend autoch- thonen Entstehung der Kohlenflötze „gegenwärtig ziemlich isolirt stehe“ im Irrthum. Es sei nur ein sehr berücksichtigenswerther Autor, Herr Prof. E. Ramann, in Eberswalde genannt, der die Bedingungen der Moorbildung eingehend behandelt hat (1. Organogene Ablagerungen der Jetztzeit. N. Jahrb. f. Min. 1895, 2. Ueber Torf und Mineralkohlen. Zeitschr. d. D. geol. Ges. 1896) und zu den folgenden Resultaten kommt. — R. unterscheidet 1. lIoeale Moore, die Süsswasser-Ansammlungen zur Voraus- setzung haben, 2. regionale Moorbildung, die auf den ver- schiedensten Bodenschichten bei höherer Luftfeuchtigkeit in den kälteren höchstens subtropischen Zonen auftritt. Dass das Gros der Mineralkohlen autochthonen Ursprungs ist, und dass ihre Deutung als Meeresbildungen nicht haltbar ist, geht hervor haupt- sächlich aus den Thatsachen: 1. Unzweifelhafte Meeresthiere fehlen in den Steinkohlen. 2. Viele Kohlenlager sind sehr arm an anorganischen Stoffen, bis unter 1 pCt., sodass Sinkstoffe von Flüssen oder Meeresschlick nicht beigemischt sein können. 3. Die Zufuhr der zur Bildung der Kohlenlager nöthigen Pflanzenreste zu erklären ist bei Annahme von Allochthonie unmöglich. 4. Alloch- thone Parallelbildungen fehlen in der Jetztzeit fast völlig. — Andererseits sind jedoch Analogien zwischen Torfmooren und Kohlenlagern reichlich vorhanden. Solche Analogien sind: 1. Der Gehalt an Mineralstoffen in den Kohlen schwankt in ähnlichen Grenzen wie in den Moorbildungen. 2. Die Haupttypen der Moorablagerungen — Schlamm, Moor und Torf — finden sich ähnlich bei. den Kohlen. a) Dem Schlamm würden entsprechen die Boghead- und Cannelkohlen, b) dem Moor viele erdige Braun- kohlen und vielleicht viele Mattkohlen unter den Steinkohlen, c) dem Torf die grosse Restmasse der Mineralkohlen. 3. Das Vorkommen von Baumresten in den meisten Mineralkohlen wie in den Cypress-Swamps und den europäischen Waldmooren. 4. Die habituelle Wurzel- (bei Stigmarien Rhizom-) Bildung aller auf Moorboden erwachsenen Bäume, die sich durch Ausbreitung der Wurzeln in einer Ebene kennzeichnet. 5. Das Liegende der Kohlen hat vielfach die Eigenschaften des Untergrundes der Moore, sogar paläozoische Ortsteinbildungen, ähnlich denen, die bei Entstehung der regionalen Moore eine so grosse Rolle spielen, scheinen vorzukommen. 6. Das u. a. von dem Unterzeichneten hervorgehobene Vorkommen. von bewurzelten Stammstümpfen in natürlicher Lagerung im Liegenden, Hangenden und innerhalb der Kohlenflötze, in Uebereinstimmung mit dem Vorkommen der Baumreste in unseren Hochmooren. 69. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braunschweig. — Die Phagoeytentheorie. — _ Ortssinn der 'Thiere. — Der Einfluss des Menschen auf die Verbreitung Land-bewohnender Arten, besonders der Inseeten. — Eine Besteigung des Mount Morrison auf der Insel Formosa. — Ueber eine neue Methode der Abwässerklärung. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Prof. Dr. A. Fleischmann, Lehrbuch der Zoologie. — Max Riedel, Gallen und Gall- wespen. — Leo Brenner’s Spaziergänge durch das Himmelszelt. — Forschungsberichte aus der biologischen Station zu Plön. — Liste. — Briefkasten. "Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. | | Gameras. Photo Für 12 Platten. Max. Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. graphische Stativ- und Hand- SE” Sämmtliche Bedarfsartikel. 3% Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). Gediegene Ausstattung. Ohne Beute!! PATENTBUREAU Ulrich R. Maerz Jnh: C.Schmidtlein Ingenieur Berlin NW., Luisenstr. 22. Gegründet 1878. Patent- Marken -u. Musterschutz Gebrauchte Gasmotoren DAMPF: und DYNAMO- MASCHINEN: garantirt betriebsfähig in allen Grössen sotor ieferbar. Elektromotor Schillbauerdamm 21 Berlin NW. |Das optische Institut] Paul Wächter Berlin - Friedenau empfiehlt als Spezia- litäten seine Mikroskope photop, Ohjektie Preislisten gratis und franko. [aut e) Gans &; Goldschmidt, Berlin N., Auguststr. 26. Elektrotechnische Anstalt und mechanische Werkstätten. Spezialität: Elektr. Messinstrumente, Normal-Elemente, Normal- und Praeci- sionswiderstände, nach den Modellen der Physikal. Techn. Reichsanstalt. — Normal- Volt- und Amperemeter, Spiegelgalvano- meter, Physikalische Lehrmittelapparate. Einrichtung von Laboratorien. TITLE ET TEE Franz Bartels, Patent- u. technisches Bureau, Berlin SW., Yorkstr. 19!- Billig, sorgfältig, schnell. Reelle Bedienung. ELYYTIIIITIIIIIIIIIIXS Hempel’s Klassiker -Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandl. AXYITITIITIYITITTTTTTT In Ferd. Dümmilers Verlagsbuch, handlung in Berlin SW. 12 erschien: Einführung in die Blütenbiologie Von E. Loew, | Professor am königl. Realgymn. in Berlin 444 Seiten gr.8. Preis6M..geb.7M. 2 “ 2 57 KLYIYTETZTTIITTTI IT aller Gefässe und Utensilien für chem., Gläser für den Versand und zur Ausstellung naturwissenschaftlicher Preisverzeichniss gratis und franco, | ENXYYIIXIIIIIITKIIIIIIIXIIIIIIIKIIITIT | [2 von Poncet Glashütten-Werke ? 54, Köpnickerstr. BERLIN SO,., Köpnickerstr. 54. Fabrik und Lager pharm., physical., electro- u. a. techn. Zwecke. Präparate. AITITTTIYTITI III IT | EEIXITTEITIIIIIZIIIIIICEIIIIIIIIIIITIT XII. Nr. 9. Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! . I Neues Princip für Massenbetheiligun „Grosse Vortheile: an industriellen ca Frag J = Neuheiten - Vertrieb. — ! 2 Neu aufgenommen; == Durchführung des Buttenstedt- E schen Flugprineips F2 9 (von zwanzig namhaften Gelehrten ; unterstützt) und Errichtung einer Versuchs- station für Flugzwecke. Internationaler Verein zur rationellen ein K Otto Toepfer Werkstatt für wisssenschaft- liche Instrumente, Potsdam. * Gegr. 1873. * Specialgebiet: „Astrophysik“ (Astrophotometrie, Astrospectroskopie, Astrophotographie). Fernrohre bis 5* fr. Oeffn. azimuthal u. parallaktisch mon- tirt. (Mit und ohne Uhrwerk.) — Ocu- lar-, Nebel-, Stern-, Protuberanz-Spec- troskope. — Spec- tralapparate und Spectrometer für wissenschaftliche, technische u. Schul- zwecke. — Stern- spectrographen nach Prof. H. C. Vogel.— Heliographen ver- schiedener Art. — Spectroheliogra- phen nach Hale. — Heliostate bewähr- ter Construction. — Keilphotometer mit Registrireinrich- tung. — Astropho- tometer nach Zöll- ner. — Spectralpho- tometer div. Üon- struction. ‚He- lioskop-Oculare. Astronom. Hülfsin- strumente jeder Art. — Schraubenmikro- meterwerke. — Ocu- lare, Lupen, Pris- men. Optische Bänke. — Photogr. Apparate zur Re- propuction astron Objecte. — Neutral- gläser mit und ohne Fassung. — Sensito- meter und Iconometer für photogr. Be- darf. — Lupenapparate und kleine Mi- kroskope für botanische und entomolo- gische Studien. — Projectionsapparate, bester und bewährter JLLPREISLISTEN NUR AN WIEDERVERKÄUFER WINSTALLATEURE , Dünnschliff- Sammlungen für praktische mikroskopische Uebungen. Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller wichtigen Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. Rosenbusch „Mikroskopische Physiographie der massiven Gesteine“ Stutt- gart 1896. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste gedruckte Beschreibung, derart, dass der Lernende die einzelnen Gemengtheile der Gesteine makroskopisch und mikroskopisch erkennen und bestimmen kann. Sammlungen von je 120, 180 und 250 Dünnschliffen in elegantem Etui je Mk. 150, Mk. 225, bez. Mk. 325. Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen Handstücken. (Format 8), >< 11 em.) je Mk. 250, Mk. 390, bez. Mk. 575. Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer genauen mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate und für die richtige Auswahl von charakteristischem Material garantirt werden kann. Dr. F. Krantz, Rheinisches Mineralien- Contor. Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. Geschäftsgründung 1833. Bonn a./Rh. Geschäftsgründung 1833. SM” Hierzu eine Beilage von Herrn Dr. Hermann Lietz, betr. „Deutsches Landerziehungsheim für Knaben“, die wir hiermit besonderer Beachtung empfehlen. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil‘ Hugo Bernstein in Berlin. -- Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G, Bernstein, Berlin SW. 12- lie naturwissenschaftliche vrschung -ufgiebt an weltum. fassenden Ideen und an locken IM den Gebilien der Phantasıe, wırd ihr reichlich ersetzt durch den r Zauber der Wirklichke t, derilre, WW Schöpfungen schmilckt. S ERUN = „Redaktion: Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. | Sonntag, den 6. März 1898. Nr. 10. Abonnement: Man ab*nnirt bei allen Buchhandlungen und Post- Y Inserate Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist HM 4— 1010) sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Zee bei der Post 15 9 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. u bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. 69. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braunschweig | Ende September 1897. Richard Meyer: Chemische Forschung und che- | Es war dem scharfen Blicke Kekule’s vorbehalten, dieses | Dunkel zu lichten. Durch die Aufstellung des vierten Typus „Grubengas“ hindureh gelangte er zu dem Begriff Versetzen wir uns für einen kurzen Augenblick in | der „Valenz“ und der „Atomverkettung.“ Die Radicale die Anschauungen, welche die Chemie zu Anfang der | werden weiter in ihre elementaren Atome aufgelöst. Ein sechziger Jahre beherrschten. Die elektrochemisch-dua- | jedes Atom besitzt die Fähigkeit, sich mit einer bestimmten listische Auffassung von der Natur der chemischen Ver- | Anzahl anderer Atome direet zu verbinden — die „Idee bindungen, wie sie besonders Berzelius ausgebildet und | der Typen“, d. h. der philosophische Inhalt dieser zunächst zuletzt noch mit Hartnäckigkeit vertheidigt hatte, war | als Klassifieationsmittel gebrauchten Gedankengebilde durch die Arbeiten der französischen und englischen | war gefunden. Die Werthigkeit der Radicale wurde auf Chemiker gestürzt worden. An ihre Stelle trat die uni- | die Werthigkeit oder Valenz der sie zusammensetzenden tarische Betrachtungsweise, welche zur Typentheorie | Atome zurückgeführt — das specifisch organische Element, ee Man bezog alle chemischen Verbindungen auf die | der Kohlenstoff, als vierwerthig erkannt. — Die ausser- drei Typen Wasserstoff, Wasser und Ammoniak: die or- ordentliche Zahl und Mannigfaltigkeit der organischen ganischen Verbindungen entstanden aus diesen durch Ein- Verbindungen beruht auf der grossen Neigung der Kohlen- mische Technik in ihrer Wechselwirkung. tritt von Atomgruppen — „zusammengesetzten Radi- | stoffatome, sich mit ihres Gleichen zu verketten, in welcher ealen* — an Stelle von Wasserstoff. So erschien der | sie von keinem anderen Elemente auch nur annähernd gewöhnliche Alkohol als Wasser, in welchem ein Wasser- | erreicht werden. stoffatom durch das aus zwei Kohlenstoff- und fünf Unter den organischen Verbindungen erregte eine da- Wasserstoffatomen bestehende Radical Aethyl ersetzt ist. | mals nicht sehr grosse Gruppe von Körpern durch ihre Unterliegen beide Wasserstoffatome des Wassers dieser | besonderen Eigenschaften die Aufmerksamkeit derart, dass Substitution, so entsteht der Aether. sie unter einem eigenen Namen, nämlich als „aroma- “ Die Zahl der or ganischen Radicale ist eine sehr grosse. | tische Verbin dungen“ zusammengefasst wurden. Dahin Viele von ihnen theilen mit dem Aethyl die Eigenschaft, gehören z. B. das Oel der bitteren "Mandeln, die Benzo&- je ein „typisches Wasserstoffatom“ zu ersetzen; andere säure, die Salieylsäure, das Anilin. Kekul&e erkannte in treten stets an die Stelle von zwei, wieder andere er | dem 1825 von Faraday entdeckten, von Mitscherlich 1534 setzen je drei Wasserstoffatome. Man unterschied des- | aus der Benzoösäure abgespalteten, von A. W. Hotmann halb ein-, zwei- und dreiatomige Radiecale. Im Glycerin | 1845 im Steinkohlentheer aufgefundenen Benzol die Mutter- ist z. B. ein dreiwerthiges, aus drei Kohlenstoff- und fünf | substanz der aromatischen Verbindungen; sie werden Wasserstoffatomen bestehendes Radical enthalten, welches | nach ihm jetzt allgemein als „Benzolderivate“ be- drei Wasserstoffatome in dem „verdreifachten Wasser- | zeichnet. Das Benzol ist ein aus sechs Kohlenstoff- und typus“ ersetzt. sechs Wasserstoffatomen bestehender Kohlenwasserstoff. Ein Grund für die verschiedene „Werthigkeit“ oder Indem Kekul& versuchte, sich die Natur des Benzols „Atomigkeit“ der Radicale liess sich nicht angeben; man | im Lichte seiner Valenz- und Verkettungstheorie klar zu musste sie als empirisch ermittelte Thatsache hinnehmen. | machen, gelangte er zu der Auffassung, dass die sechs 106 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIU. Nr. 10. Kohlenstoffatome unter einander zu einem ringförmigen Gebilde vereinigt seien, so dass jedes derselben in sym- metrischer Weise ein Wasserstoffatom bindet. Wie diese grossen Gedanken in ihm zur Reife kamen erzählt K. selbst wie folgt: „Während meines Aufenthaltes in London wohnte ich längere Zeit in Clapham road in der Nähe des Common. Die Abende aber verbrachte ich vielfach bei meinem Freunde Hugo Müller in Islington, dem entgegengesetzten Ende der Riesenstadt. Wir sprachen da von Mancherlei, am meisten aber von unserer lieben Chemie. An einem schönen Sommertage fuhr ich wieder einmal mit dem letzten Omnibus durch die zu dieser Zeit öden Strassen der sonst so belebten Weltstadt; ‚outside‘ auf dem Dache des Omnibus wie immer. Ich versank in Träumereien. Da gaukelten vor meinen Augen die Atome. Ich hatte sie immer in Bewegung gesehen, jene kleinen Wesen, aber es war mir nie gelungen, die Art ihrer Bewegung zu er- lauschen. Heute sah ich, wie vielfach zwei kleinere sich zu Pärchen zusammenfügten; wie grössere zwei kleine umfassten, noch grössere drei und selbst vier der kleinen festhielten, und wie sich alles in wirbelndem Reigen drehte. Ich sah, wie grössere eine Reihe bildeten und nur an den Enden der Kette noch kleinere mitschleppten. Ich sah, was Altmeister Kopp, mein hochverehrter Lehrer und Freund, in seiner ‚Molecularwelt‘ uns in so reizender Weise schildert — aber ich sah es lange vor ihm. — Der Ruf des Conducteurs ‚Clapham road‘ erweckte mich aus meinen Träumereien, aber ich verbrachte einen Theil der Nacht, um wenigstens Skizzen jener Traumgebilde zu Papier zu bringen. So entstand die Structur- theorie. Aehnlich ging es mit der Benzoltheorie. Während meines Aufenthaltes in Gent in Belgien bewohnte ich elegante Junggesellenzimmer in der Hauptstrasse. Mein Arbeitszimmer aber lag nach einer engen Seitengasse und hatte ‘während des Tages kein Licht. Für den Che- miker, der die Tagesstunden im Laboratorium verbringt, war dies kein Nachtheil. Da sass ich und schrieb an meinem Lehrbuch; aber es ging nicht recht; mein Geist war bei anderen Dingen. Ich drehte den Stuhl nach dem Kamin und versank in Halbschlaf. Wieder gaukelten die Atome vor meinen Augen. Kleinere Gruppen hielten sich diesmal bescheiden im Hintergrunde. Mein geistiges Auge, durch wiederholte Gesichter ähnlicher Art geschärft, unter- schied jetzt grössere Gebilde von mannigfacher Gestaltung. Lange Reihen, vielfach diehter zusammengefügt; alles in Bewegung, schlangenartig sich windend und drehend. Und siehe, was war das? Eine der Schlangen erfasste den eigenen Schwanz, und höhnisch wirbelte das Gebilde vor meinen Augen. Wie durch einen Blitzstrahl erwachte ich; auch diesmal verbrachte ich den Rest der Nacht, um die Consequenzen der Hypothese auszuarbeiten.“ Man macht sich nicht leicht eine Vorstellung von dem ungeheuren Umschwung, welchen die Grossthat Kekule’s hervorgerufen hat. Das Benzol und seine Derivate waren mit einem Schlage in den Vordergrund des Interesses gerückt. Die erste Consequenz seiner Theorie zog Kekule selbst: er gab die Erklärung für eine besondere Art von Isomerie, welche den aromatischen Verbindungen eigen- thümlick ist, und welche bis dahin vollkommen räthsel- haft geblieben war. Aber dies war nur der Anfang einer Bewegung die an Ausdehnung und Intensität in der Ge- schichte der experimentellen Naturwissenschaften schwer- lich ihres Gleichen hat. Zahllose Hände widmeten sich der Bearbeitung des neu erschlossenen Gebietes; in den Lehrbüchern der organischen Chemie schwoll das Capitel der Benzolderivate zu immer grösserem Umfange an — eine Generation von Chemikern arbeitete, wenn auch nicht ausschliesslich, so doch am meisten unter dem Zeichen des Benzols. Der sechsgliedrige Kohlenstoffring blieb nicht ver- einzelt. Zahlreiche andere Atomringe wurden entdeckt — sie unterscheiden sich durch Art und Zahl ihrer Glieder vom Benzol; oftmals treten auch mehrere solcher Ringe zu einem complieirteren Gebilde zusammen. Adolf Baeyer’s geistvolle Speculationen lieferten uns den Schlüssel zu der merk- würdigen Thatsache, dass gerade die fünf- und sechsglie- derigen Kohlenstoffringe vor den übrigen durch einen be- sonders hohen Grad von Stabilität ausgezeichnet sind. In einer seiner Kekule-Reden giebt A. W. Hofmann auf die Frage nach der Beziehung von K.’s Theorie zur Praxis eine kurze prägnante Antwort: „Liebig ist niemals hinter einem Pfluge hergegangen, und doch hat er die Landwirthschaft mehr als Generationen von Ackerbauern gefördert. Aehnliches lässt sich von Kekule sagen.“ In der That: Kekul&e hat niemals einen Farbstoff dargestellt, aber ohne seine Theorie wäre die beispiellose Entwicke- lung, welche die Farbenindustrie in einem Zeitraume von 30 Jahren durchlaufen hat, unmöglich gewesen. Als mit Kekule’s Benzoltheorie für die organische Chemie das Morgenroth einer neuen Aera aufleuchtete, steckte die Industrie der künstlichen Farbstoffe noch in den Kinderschuhen. Sie war im Jahre 1856 geboren worden, als aus Perkin’s Händen an Stelle des erwar- teten künstlichen Chinins der erste Anilinfarbstoff hervor- ging. Ihm folgte bald das Fuchsin, dessen Entdeckung rasch zu einer kräftigen Entwickelung der Farbentechnik geführt hat. Aber dieser moderne. Zweig menschlicher Betriebsamkeit ruhte damals auf einer ziemlich grob em- pirischen Grundlage. Der erste Pfadfinder auf dem Wege zur bewussten Forschung auf diesem Gebiete war Aug. Wilh. Hofmann; aber den Ariadnefaden, welcher wirklich herausführen sollte aus dem dunklen Labyrinthe des Zu- falls, hat dem Farbentechniker erst Kekule in die Hand gegeben. hi Es ist unmöglich, die Geschichte der Theerfarbenin- dustrie hier auch nur mit einigen flüchtigen Strieben zu skizziren; sie ist mehrfach ausführlicher oder kürzer ge- schildert worden. Ihre Producte sind sämmtlich im en- geren oder weiteren Sinne Benzolderivate.. Das Roh- material zu ihrer Darstellung bildet der Steinkohlen- theer. Er enthält — neben Carbolsäure und einer Reihe basischer Bestandtheile — vor Allem eine Anzahl aroma- tischer Kohlenwasserstoffe, unter ihnen das Benzol und seine Homologen; ferner Naphtalin und Anthracen — ersteres ein doppelter, letzteres ein dreifacher Benzolring. Aus diesen wenigen Elementen bauen sich die meist recht eomplieirten Gebilde der organischen Farbstoffe auf. Während das Alizarin, welches Graebe und Liebermann 1869 aus dem Anthracen synthetisch erhielten, in dem kurzen Zeitraum eines Jahrzehntes die seit Jahrtausenden in der Färberei eingebürgerte Krappwurzel fast voll- ständig verdrängt hat, ist durch das zahlreiche Heer der meist dem Naphtalin entstammenden Azofarbstoffe die Praxis des Färbers in ungeahnter Weise bereichert und zugleich vereinfacht worden. Auch der blaue Indigo ist durch die monumentalen Arbeiten Adolf Baeyer’s der Synthese zum Opfer gefallen. Freilich hat dieses für die Wissenschaft bedeutungsvolle Ergebniss in der Praxis noch kaum nennenswerthe Früchte gezeitigt, aber eine Reihe blauer Anthracenfarbstoffe fängt bereits an, dem Indigo eine nicht mehr ganz zu verachtende Coneurrenz zu machen. Neben diesen neueren Produeten haben auch das Fuchsin und die sich um dasselbe gruppirenden Farbstoffe ihre Bedeutung behalten. Die zarten und zugleich so feurigen Eosine, die Safranine, Induline, Thionine RILTENTEELO: und viele andere — wir können sie hier nicht einmal eines flüchtigen Seitenblickes würdigen. Aus kleinen Anfängen hat sich diese Industrie in wenigen Jahrzehnten zu einer Macht entwickelt. H. Wichel- haus schätzt den Werth der 1890 in Deutschland er- zeugten Theerfarbstofte auf 65 Millionen Mark. Das fort- dauernde Werden — und Vergehen — auf diesem Gebiete hat eine ganz eigene Art technischer Thätigkeit hervor- gebracht. Die Farbenfabriken können nur bestehen, wenn sie Jahr für Jahr Neues und Besseres schaffen. Deshalb müssen ihre Techniker nieht nur Fabrikanten, sondern auch Erfinder sein. Jede dieser Fabriken hat — ausser den Laboratorien, in denen der Betrieb regelmässig ana- Iytisch überwacht wird — auch ein wissenschaftliches Laboratorium, welches der freien Forschung auf dem Ge- biete der Theerfarbstoffe gewidmet ist. Eine einzige dieser Fabriken — freilich eine der grössten — beschäf- tigt nicht weniger als 100 Chemiker. Die wissenschaftliche Forschung in den Laboratorien der Farbenfabriken unterscheidet sich nur in ihrem, auf praktische Verwerthung gerichteten Ziele von der Arbeit in den Stätten der reinen Wissenschaft. In der Methode stimmen beide vollkommen überein; und es konnte nicht ausbleiben, dass die von der emsigen Tagesarbeit der technischen Forscher geförderten Thatsachen auch die Männer der Wissenschaft lebhaft interessirten. In der ersten Periode der Farbenindustrie erfuhr man freilich wenig genug davon. Die Fabrikationsmethoden, ebenso wie die Versuche zur Darstellung neuer Farbstoffe, wurden unter dem Siegel des Fabrikgeheimnisses streng ver- schlossen gehalten. Die neuen Farbstoffe erschienen auf dem Markte unter Phantasienamen, welehe von ihrer che- mischen Natur und ihrem Ursprunge nichts verriethen. Zwar erklärte schon damals A. W. Hofmann, dass das „Zeitalter der Arkanisten“ vorüber sei, und dass ein Che- miker, weleher seinen Fachgenossen Räthsel aufgebe, darauf gefasst sein müsse, dass sie gelöst würden. Aber solehe Lösungen waren doch selten, und die Arbeit der Techniker blieb zum weitaus grössten Theile für die Wissenschaft verloren. Seit dem Jahre 1877 ist das anders geworden. In diesem Jahre erhielt das deutsche Reich ein Patentgesetz, welches sich besonders in einem Punkte vor anderen vor- theilhaft auszeichnet: es schützt keine chemische Verbin- dung als solche, sondern nur ein zu ihrer Darstellung dienendes Verfahren; dann giebt es die geschützte Erfin- dung in ihrem vollen Umfange der Oeffentlichkeit preis. Beide Bestimmungen sind von unschätzbarem Werthe für den technischen Fortschritt; sie sind der sichere Schutz- wall gegen Monopolisirung und Stagnation. In den 20 Jahren seit dem Bestehen des Patentge- setzes sind in Deutschland bereits mehr als 90 000 Patente ertheilt worden. Davon können ungefähr 3000 auf Farb- stoffe und verwandte Erzeugnisse gerechnet werden. Die Beschreibungen der geschützten Erfindungen werden von dem deutschen Patentamte im Drucke herausgegeben. Sie enthalten ein überreiches Material an Einzelbeobachtungen von zum Theil hohem wissenschaftlichen Werthe: die Patentbeschreibungen sind ein neuer und wichtiger Zweig der chemischen Litteratur geworden. P. Friedländer, ein hervorragender Kenner des Patent- wesens, nimmt an, dass kaum 1 Procent der patentirten Verbindungen zur technischen Verwendung gelangt, und ‚vergleicht deshalb den Vorgang mit einem Schiessen ins Blaue, mit der Hoffnung, bin und wieder aus Zufall einen Treffer zu erzielen. Dem gegenüber darf wohl geltend gemacht werden, dass bei einem Schiessen ins Blaue schwerlich 1 Procent Treffer erzielt werden würden, und dass ohne die 99 Fehlschüsse auch der eine Treffer nicht Naturwissenschaftliche Wochensehrift. 107 gemacht werden würde; ist ja im Kriege bekanntlich das Verhältniss ein noch unvergleichlich viel ungünstigeres. Die Industrie stellt jetzt der Wissenschaft Probleme. In früherer Zeit hatten die Chemiker vor Allem damit zu thun, die Naturkörper auf ihre Zusammensetzung zu unter- suchen: zuerst die Stoffe des Mineralreiches. Bis in die Mitte unseres Jahrhunderts war deshalb die Ausbildung der Mineralanalyse eine der vornehmsten Aufgaben che- mischer Forschung. An die Producte des Thier- und Pflanzenreiches konnte man mit Erfolg erst herantreten, nachdem Liebig der organischen Elementaranalyse eine Form und Sicherheit gegeben hatte, durch welche sie in die Reihe der exacten Arbeitsmethoden eingetreten ist. Den Erzeugnissen der neueren organischen Industrie stand die Wissenschaft zunächst ganz ähnlich gegenüber wie den Naturprodueten. Es wurde schon erwähnt, dass die ersten Theerfarbstoffe auf rein empirischem Wege ge- funden wurden. Ihre wissenschaftliche Erforschung be- gann mit der Untersuchung des Fuchsins durch A. W. Hofmann. Er stellte seine Zusammensetzung und gewisse Bedingungen seiner Bildung fest. Aber der Boden für die völlige Klarlegung so complieirter Körper war damals noch nicht bereitet. Probleme dieser Ordnung konnten ihre Lösung erst auf dem Boden der Structurlehre finden; sie konnte nur einer Generation gelingen, welche über ein reiches Material von Einzelnthatsachen verfügte, wie es sich unsere Altvordern nicht träumen liessen. In der That liegt zwischen den ersten Arbeiten Hofmann’s und der völligen Auflösung der Fuchsinformel durch E. u. O. Fischer ein Zeitraum von nahezu 20 Jahren. Und die Natur des ersten von Perkin dargestellten Anilinfarbstoffs ist erst in der allerjüngsten Zeit, fast 40 Jahre nach seiner Entdeckung enthüllt worden. Aehnlich ging es mit den Indulinen, einer wich- tigen Klasse von Farbstoffen, mit welchen Heinrich Caro die Industrie beschenkt hat. Ihre chemische Natur ist gleiehfalls erst in, der neuesten Zeit, nachdem. sie. bereits seit Jahrzehnten Gegenstand technischer Erzeugung waren, durch die schwierigen und beharrlichen Untersuchungen von O. Fischer und E. Hepp ergründet worden. Das Sa- franin, Methylenblau und viele andere haben eine ähnliche Geschichte. Diese Arbeiten sind der Technik und der Wissen- schaft in gleichem Maasse zugute gekommen. Es leuchtet ein, dass die Industrie anders arbeitet, wenn es sich um ein Product handelt, dessen atomischer Bau klar zu Tage liegt, als um ein Gebilde räthselhafter Natur. Die Me- thoden können verbessert, rationeller gestaltet werden; aber es wird auch möglich, zielbewusst nach neuen Me- thoden zu suchen, welche direeter zu demselben Ergeb- nisse führen können, wie die alten. Endlich lassen sich rationelle Methoden auch auf andere Fälle anwenden, als diejenigen, für welche sie ersonnen wurden, und man erntet dann Früchte, welche die Empirie niemals gezeitigt hätte. Die Geschichte der Theerfarbenindustrie hat diese Consequenzen in reichem Maasse gezogen; die Patentbe- schreibungen legen davon ein vielfältiges und beredtes Zeugniss ab. Ja, so weit ist man bereits gekommen, dass ein neues Verfahren meist nicht einen, sondern eine ganze Gruppe von Farbstoffen liefert. Und die Eigenschaften der erst zu erhaltenden Prodnete lassen sich oft auf Grund weitgehender Analogien mit einem solehen Grade von Wahrscheinliebkeit voraussehen, dass man bewusst nach Farbstoffen bestimmten Tones sucht, um auf der schon fast überreichen Palette des Färbers eine hier und da noch fühlbare Lücke auszufüllen. Die Wissenschaft ihrerseits, speciell die organische Chemie, hat durch diese Forschungen eine ausserordent- 108 liche Bereicherung erfahren. Man lernte früher unbekannte Atomgruppirungen kennen, eigenartige Verkettungen des Kohlenstoffs mit Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel, zum Theil von ringförmiger Natur. So enthält das Methylenblau den sechsgliederigen, aus vier: Kohlenstoft-, einem Stick- stoff- und einem Schwefelstoffatom bestehenden „Thiazin- ing“; die Safranine und Induline den aus vier Kohlen- stoff- und zwei Stiekstoffatomen bestehenden „Azinring“; die Eosine den aus fünf Kohlenstoff- und einem Sauer: stoffatom bestehenden „Pyronring.“ Die grosse Zahl der künstlichen Farbstoffe und die allmähliche Abstufung ihrer Töne legte ferner die Frage nahe, wodürch eigentlich die Färbung organischer Ver- bindungen bedingt sei. Sie liess sich dahin beantworten, dass es ganz bestimmte Atomgruppen sind, welche durch ihren Eintritt in ungefärbte Verbindungen diesen die Fähigkeit auswählender Lichtabsorption ertheilen. Nach dem Vorschlage O. N. Witt’s werden diese Atomeomplexe als „Chromophore“ bezeichnet. Löst man ihre Bindung, so verschwindet auch die Färbung. Weitere For- schungen erstreckten sich auf die Frage, in welchem Sinne und Grade die Färbung organischer Verbindungen dureh den Eintritt anderer, nicht chromophorer Atom- gruppen beeinflusst wird, und es konnte ein solcher Ein- fluss nieht nur festgestellt, sondern auch in seiner Ab- hängigkeit von der Natur der substituirenden Gruppen näher präeisirt werden. Gewisse Klassen organischer Farbstoffe besitzen ferner die Fähigkeit, in Lösung zu fluoreseiren. Auch diese optische Eigenschaft ist durch die Anwesenheit gewisser „tluorophorer“ Gruppen in den Molecülen der betref- tenden Körper bedingt. So ist der oben erwähnte Pyron- ring der Fluorophor der Fluoreseeingruppe. Diese physikalisch-chemischen Forschungen wären kaum möglich gewesen ohne das überreiche Material, welches die rastlos schaffende Farbenindustrie im Laufe von Decennien zu Tage gefördert hat. Aber die Industrie stellt nicht nur Probleme und giebt der Wissenschaft die zu ihrer Lösung nöthigen Stoffe in die Hände; sie liefert ihr auch fortwährend ein reiehhal- tiges und werthvolles Material für Forschungen, welche in keiner, wenigstens nicht in direeter Beziehung zu tech- nischen Problemen stehen. Wie wir sahen, leiten die künstlichen organischen Farbstoffe ihren Ursprung auf den Steinkohlentheer zurück. Dieses schwarze, übelriechende Produet entsteht bei der troekenen Destillation der Steinkohlen, wie sie zur Ge- winnung des Leuchtgases ausgeübt wird. Es ist ein complieirtes Gemenge von Kohlenwasser- stoffen, sauren und basischen Verbindungen, dessen Ent- wirrung mit den Hülfsmitteln eines wissenschaftlichen La- boratoriums nur in sehr unvollkommenem Grade möglich wäre. Die Technik verlangte die Isolirung und möglichste Reindarstellung der für ihre Zweeke nothwendigen Theer- bestandtheile; mit ihren grossen Hülfsmitteln unterwirft sie täglich ungeheuere Mengen Theer einem systema- tischen Aufbereitungsprocesse, durch welchen er in eine sanze Anzahl von Einzelfraetionen zerlegt wird. Je weiter diese Differenzirung getrieben wird, um so mehr häufen sich auch die weniger reichlich im Theer vorhandenen Körper in den einzelnen Fractionen an und werden da- dureh der wissenschaftlichen Untersuchung zugänglich. Ganz ähnlieh sammeln sich, wie kürzlich erst Clemens Winkler in geistvoller Weise ausgeführt hat, die seltenen Elemente, welehe ursprünglich offenbar ziemlich gleich- förmig an der Erdoberfläche vertheilt waren, durch die Jahrtausende lang fortgesetzten geologischen Verände- rungen an einzelnen Fundstätten und vermögen sich dann Naturwissenschaftliche Woehenschrift. | | j | der menschlichen Wahrnehmung nicht mehr zu entziehen. XI. Nr. 10. Mehr als 100 Körper sind so im Laufe der Zeit aus dem Steinkohlentheer isolirt und untersucht worden. Nur wenige von ihnen haben technisches Interesse: für die Wissenschaft aber sind sie alle von Bedeutung. Wenn, wie oben gesagt wurde, die Chemiker in den letzten 30 Jahren. sich mit besonderer Vorliebe dem Studium der Benzolderivate zugewendet haben, so hat die Industrie des Steinkohlentheers dazu das Material geliefert. Ohne sie wäre der grösste Theil dieser Untersuchungen gar nicht möglich gewesen. : Nur einer von vielen Fällen dieser Art sei hier als Beispiel angeführt. Es ist möglich gewesen, aus dem Benzol des Steinkohlentheers eine schwefelhaltige Sub- stanz zu isoliren, welche mit dem Benzol in ihrem ganzen Verhalten so täuschende Aehnlichkeit besitzt, dass sie lange Zeit der Beobachtung entging. Vietor Meyer, welcher den Körper entdeckte, hat ihn mit dem Namen Thiophen belegt und gezeigt, dass er, ausser vier Wasserstoffatomen, einen aus vier Kohlenstoff- und einem Schwefelatom bestehenden Fünfring enthält. Die grosse Aehnliehkeit dieses Gebildes mit dem sechsgliederigen und völlig homogenen Benzolringe ist höchst merkwürdig und wäre sicher von keinem Chemiker vermuthet worden. Die weitere Verfolgung des Gegenstandes aber zeigte, dass die Aehnlichkeit der beiden Körper sich auch auf ihre Derivate erstreckt, so dass allmählich eine Chemie des Thiophens entstand, welche sich mit der des Benzols zwar nicht an Umfang vergleichen kann, aber bis zu einem gewissen Grade fast wie ein Spiegelbild der letz- teren erscheint. Für die Kenntniss der elementaren Atome aber ist es von höchstem Interesse, dass im Benzolmole- eül zwei Kohlenstoff- und zwei Wasserstoffatome durch ein Sehwefelatom ersetzt werden können, und dass diese anscheinend so tiefgreitende Veränderung die Eigen- schaften nur in relativ geringem Grade beeinflusst. Die der Farbenindustrie als Ausgangsmaterial die- nenden Bestandtheile des Steinkoklentheers — Benzol, Naphtalin, Anthracen, Carbolsäure u. s. f. — sind sämmt- lich an sieh ungefärbt. Sie müssen erst durch bald ein- fachere, bald durch complieirtere chemische Processe in die Farbstoffe selbst eingeführt werden. Nur in wenigen Ausnahmefällen ist dieser Weg ein direeter; fast immer erhält man zunächst farblose „Zwischenproducte.“ Auch diese sind für die Wissenschaft von ebenso grossem Interesse wie für die Industrie, und zahlreiche rein theo- retische Untersuchungen knüpfen sich an sie an. Es braucht hier nur erwähnt zu werden, dass das Anilin ein solehes Zwisehenproduet ist, um die Bedeutung dieses Verhältnisses sofort zu erkennen. Die nahe Berührung technischer und wissenschaft- lieher Fragen zeigt sich ferner in dem vielfach gerade an diesen Zwischenprodueten studirten Einfluss der Isomerie auf die Eigenschaften und das Verhalten der Körper. Be- sonders lehrreich sind in dieser Hinsicht die überaus zahl- reichen und mannigfaltigen Derivate des Naphtalins. Ver- schiedene Körper gleicher Zusammensetzung haben hier oft einen sehr versehiedenen Werth für die Farbenindustrie. Bei einem unserer ersten Farbentechniker sah ich ge- legentlich Modelle des Naphtalinmoleeüls. Auf meine Frage nach dem Zwecke derselben wurde mir erwidert, sie seien dazu bestimmt, den Juristen des Patentamtes die technisch wichtigen Isomerieverhältnisse des Naphtalins zu erläutern. Wir dürfen diese Erörterungen nicht schliessen, ohne wenigstens einige flüchtige Blicke auch über andere Be- zirke des so mannigfachen technisch-chemischen Gebietes gleiten zu lassen. Sie fallen zunächst auf einige Indu- strien, welche der Farbentechnik dureh ihren Ursprung XII. Nr. 10 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 109 aus dem Steinkohlentheer, sowie durch ihre Arbeits- methode nahe verwandt und oft auch direet mit ihr ver- bunden sind. Ihre Aufgabe ist die Gewinnung organischer Verbindungen sehr verschiedener Art. Da sind zunächst die synthetischen Heilmittel: die Salieylsäure und das Heer der neueren Antiseptica; ferner die Antipy- retica, unter denen vor Allem Antipyrin und Phena- eetin erwähnt werden mögen. Ihnen schliesst sich eine Reihe von Medicamenten und Anaesthetica an, wie das von Liebig entdeckte und von Liebreich in den Arznei- schatz eingeführte Chloral, der Paraldehyd, das Sul- fonal, das gichtvertreibende Piperazin und viele andere, welche nicht aus dem Steinkohlentheer gewonnen werden, sondern meist ihren Ursprung auf die Alkoholindustrie zurückführen. So ist die organisch-chemische Technik auch mit der Mediein in Berührung getreten. An der Pflege und Fort- entwiekelung dieser jungen und doch schon so werth- vollen Beziehungen wird in den Laboratorien der Farben- fabriken mit gleichem Eifer gearbeitet wie in den klini- schen und pharmakologischen Instituten. Während die Chemiker mit der Darstellung neuer Verbindungen be- schäftigt sind, gilt es von medieinischer Seite, die physio- logische und therapeutische Wirkung der aus dem synthe- tischen Laboratorium hervorgegangenen Körper zu studiren. Und schon lassen die Ergebnisse dieser Forschungen ge- wisse Beziehungen zwischen der chemischen Constitution der Körper und ihren Wirkungen auf den thierischen Or- ganismus erkennen. So konnte man feststellen, dass stark giftige Substanzen durch den Eintritt indifferenter Atom- gruppen in ihren toxischen Eigenschaften erheblich ge- schwächt werden. Das Phenol ist ein starkes Gift; durch den Eintritt einer Carboxylgruppe geht es in die fast harmlose Salieylsäure über. Führen wir in das gleich- falls recht giftige Anilin das Radical der Essigsäure ein, so entsteht das relativ ungiftige Antifebrin; dieses aber geht durch weiteren Eintritt einer Aethoxylgruppe in das noch unschädlichere Phenacetin über. Andererseits lässt sich schon jetzt erkennen, wie die speeifischen Wir- kungen der einzelnen Körpergruppen an die Anwesenheit ganz bestimmter Atomcomplexe gebunden sind. Erst ganz kürzlich haben A. Einhorn und R. Heinz gezeigt, dass es ein charakteristisches Merkmal aller aromatischen Amido- oxyester ist, locale Anästhesie zu erzeugen. An die auf rein chemisch-synthetischem Wege ge- wonnenen Präparate schliessen sich dann weiter die Pro- ducte, welche nur unter dem Einflusse biologischer Pro- cesse erhalten werden können: die Impf und Serumprä- parate, wie Robert Koch’s Tubereulin und das Beh- ring’sche Diphtherie-Heilserum; ferner die jodhaltigen Präparate aus der Schilddrüse, mit deren Kenntniss und praktischer Verwendung der zu früh verstorbene Baumann noch ganz kurz vor seinem Tode die Physiologie und Therapie bereichert hat; und manche andere.. Die Leiter der grossen Theerfarbenfabriken haben mit scharfem Blicke die Bedeutung dieser neuen medi- einischen Riehtung erkannt und ihre Verwerthung für die Praxis in die Hand genommen. Der Thierversuch ist ein Hülfsmittel der chemischen Industrie geworden; neben den chemischen Versuchslaboratorien mussten in den Fabriken Arbeitsstätten für pharmakologische Untersuchungen ge- schaffen werden, und die in ihnen geförderten Thatsachen kommen der medieinischen Wissenschaft direet zu Gute. Wer hätte noch vor Kurzem gedacht, dass zu dem In- ventar einer chemischen Fabrik ein grosser Bestand an Pferden gehören könnte, nicht um Lasten zu ziehen, son- dern um in ihrem künstlich gegen bestimmte Krankheiten immunisirten Körper das gegen dieselben Krankheiten heil- kräftige Blutserum zu erzeugen! Den pharmaceutisch verwerthbaren Produeten der neueren chemischen Industrie reihen sich ferner noch an: die künstlichen Süssstoffe, vor allem Saccharin; die Riechstoffe: Vanillin, künstlicher Mosehus und das den Duft der Veilchen spendende Jonin. Ferner ist man seit Jahren eifrig damit beschäftigt, der Photographie neue Hülfsmittel zu bereiten. -Insbesondere die soge- nannten „Entwickler“, welche dazu dienen, das auf der liehtempfindlichen Platte zunächst unsichtbar entstandene Bild siehtbar hervorzurufen, sind in letzter Zeit wie Pilze aus der Erde geschossen. Sehon jetzt ist es möglich ge- wesen, gewisse Beziehungen zwischen der chemischen Constitution dieser Körper und ihren scheinbar zufälligen Entwieklerfunetionen aufzufinden. Es hat sieh gezeigt, dass gewisse Benzolderivate hervorragende Entwickler sind, während ihren Isomeren diese Fähigkeit vollkommen abgeht. Bedenkt man aber, dass die Hervorrufung des photographischen Bildes ein Reductionsprocess ist, so er- scheint die Beziehung dieses Vorganges zur chemischen Constitution weit weniger auffallend, als man bei ober- flächlicher Ueberlegung glauben möchte. So hat auch hier das reichhaltige Material, wele'iıs die chemische Industrie zu Tage fördert, die Mittel liefert, um eine Reihe zunächst rein empirisch gefundener Erscheinungen unter einen allgemeinen wissenschaftlieben Gesichtspunkt zu bringen. Auch in anderen Bezirken chemischer Technik herrscht gegenwärtig ein überaus reges Leben. Die Zucker- industrie, die auf den Gährungsprocess begründeten Gewerbe und nicht minder die anorganische Gross- industrie sind m lebhafter Entwickelung und demgemäss mehr oder weniger stets in einem Umwandlungsprocesse begriffen. Auch haben die rastlosen Untersuchungen im Interesse des technischen Fortschrittes manche werthvolle Frucht für die Wissenschaft gezeitigt. Es sei hier bei- spielsweise an die Bereicherung unserer Kenntnisse von der Natur und den physiologischen Functionen des Sac- charomycespilzes erinnert, welche auf dem Boden gäh- rungstechnischer Probleme erwachsen ist. Aber die zur Verfügung stehende Zeit verbietet es, dabei länger zu verweilen. Nur auf die Umgestaltung sei noch verwiesen, welche die chemische Industrie von der Verbilligung der elektri- schen Energie zu erwarten hat. Wir stehen hier offenbar erst am Eingangsthore einer neuen Aera. Dennoch macht sich schon jetzt die Rückwirkung auf die chemische For- schung bemerkbar. Das jetzt so bewunderte und wohl meist für neu entdeckt gehaltene Caleiumcarbid hat schon 1362 Wöhler in Händen gehabt; aber erst seitdem Moissan es in seinem mit früher ungeahnter Energie ge- speisten elektrischen Ofen in grösserer Menge zu erzeugen lehrte, konnte an eine praktische Verwendung dieses re- actionsfähigen Körpers gedacht werden. Ob das mittels des Caleiumcarbids zu erzeugende Acetylen die für die Beleuchtungsindustrie erhoffte Bedeutung gewinnen, ob es gelingen wird, die bisher mit seiner Anwendung ver- knüpfte Explosionsgefahr zu beseitigen, ob es die syn- thetischen Träume der Chemiker erfüllen wird — wir müssen es der Zukunft überlassen, diese Fragen zu beant- worten. Für die Wissenschaft ist es schon ein sicherer Gewinn, dass ein so merkwürdiges und bisher in grösserer Menge nur schwer zu beschaffendes Gas jetzt ein leicht zugänglicher Körper geworden ist. Auch in anderer Richtung erwartet man viel von der weiteren Entwickelung der Elektrochemie. Wie hätten sich wohl sonst die Staatsregierungen bereit finden lassen, z. B. recht bedeutende Mittel für die Pflege dieses Jungen ı Forschungszweiges aufzuwenden? Besondere Lehrstühle | wurden für ihn errichtet, eigene elektrochemische Labo- nn. oO ae 110 ratorien wurden unseren Hochschulen angegliedert. Die praktisch greifbare Verzinsung dieser Capitalanlage ist nieht in einer kurzen Spanne Zeit zu erwarten, aber der Wissenschaft hat sie schon jetzt reiche Früchte getragen. Während Walther Nernst durch seine bahnbrechenden Arbeiten die Theorie der galvanischen Stromerzeugung auf eine neue Grundlage gestellt und damit das alte Problem der unverständlichen Contaetwirkung gelöst hat, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 10. haben andere Forscher sich der Elektrolyse organischer Verbindungen zugewendet. Die „Elektrosynthese“, welche von Kolbe 1849 begründet, aber seitdem nur ver- einzelt bearbeitet wurde, ist heute ein Gegenstand eifriger und erfolgreicher Bearbeitung. Für analytische wie synthetische Zwecke ist der elektrische Strom ein Be- standtheil des Rüstzeuges unserer Laboratorien ge- worden. Das Gift der Hymenopteren als Sehutzmittel gegen das Schlangengift. Der durch seine zahlreichen Untersuchungen über das Schlangengift bekannte Dr. Cesaire Phisalix vom Naturhistorisehen Museum zu Paris (vergl. „Naturw. Wochenschr.“ 1396, S. 480 und 1597, S. 523) hat nach einer Mittheilung der „Revue scientifique* vom 18. December 1897 seine Experimente auch auf die Wirkung des Hymenopterengiftes ausgedehnt und untersucht, ob und welche Beziehungen zwischen diesem und dem Viperngifte bestehen. Er ist dabei zu folgenden Resultaten gekommen. Phisalix nahm das Gift aus den Giftbläschen von 15 Hornissen und impfte das- selbe einem Meerschweinchen in den Sehenkel ein. Bald fiel die Temperatur des Versuchsthieres um 4° und blieb 36 Stunden auf dieser Höhe; an der Impfstelle entstand Röthung und eine Geschwulst, welche sich bis auf den Hinterleib auslebnte, und schliesslich starb die infieirte Haut ganz ab. Bei einem andern Meerschweinchen wurde dieselbe Menge Hornissengift verwandt; das Gift war aber vorher 20 Minuten lang auf 80° erhitzt worden, und in diesem Falle trat keine der obigen Erscheinungen auf, die Localwirkung erstreckte sich auf eine leichte, bald vorübergehende Anschwellung. Auch die Maceration des Hornissengiftes mit Glycerin lieferte ein Produet, dass bei Einimpfung einer Dosis von 1—3 Cubikcentimetern nur schwache Localstörungen hervorrief. Die so behandelten Meerschweinchen zeigten sich nun gegen die Einimpfung von Viperngift immun. Eine Dosis Viperngift, welche sonst ein Meerschweinehen in 4-5 Stunden tödtet, wurde hier ohne jeden Schaden ertragen, die Immunität er- streckte sich auf einen Zeitraum von 5—11 Tagen. Wurde das Hornissengift gleichzeitig mit dem Viperngift injieirt, so trat der Tod erheblich später ein, als wenn nar Viperngift eingeimpft wurde. Pbisalix hat bei seinen Untersuchungen über die Natur des unbekannten immuni- sirenden Stoffes, der im Hornissengift enthalten ist, ge- funden, dass derselbe bei Erhitzung auf 120° noch nicht zerstört wird, dass er in Alkohol löslich ist, dass er durch das Filter zurückgehalten wird, dass er endlich weder ein Albuminoid noch ein Alkaloid ist. Weitere Unter- suchungen sind in Aussicht gestellt. S. Sch. Neue Beobachtungen über den Lemming. — Der bekannte Zoologe Prof. R. Collett veröffentlichte in „Christiania Videnskabs-Selskabs Forhandlingar“ 1895, No. 3 eine ausführliebe und höchst interessante, auf eigene Beobachtungen gegründete Arbeit über den Lemming, die weiteren Kreisen zugänglich gemacht zu werden ver- dient. Da die genannte wissenschaftliche Zeitschrift wohl nur einem verhältnissmässig geringen Theil der Leser der „Naturw. Wochenschr.“ zur Hand sein dürfte, erscheint es nicht unangemessen, hier einen Auszug aus der genannten Arbeit zu geben. Betitelt ist dieselbe „Myodes lemmus, its Habits and Migrations in Norway“. Nach Erörterungen über. die verschiedenen Arten der Gattung Myodes, sowie nach einer historischen Uebersicht über die Ansichten älterer Autoren betreffs des eigenartigen, kleinen Nagetiers, die übrigens zum Theil auch in Brehms Thierleben wieder- gegeben sind, berichtet Collett nach eigenen Beob- achtungen über die Biologie des Lemmings (Myodes lemmus), und zwar zunächst über die Verbreitung in Skandinavien. Nächst Sorex araneus, die überall in ganz Skandi- navien lebt, ist der Lemming in dem genannten Lande das am meisten verbreitete T'hier. Dies rührt von der bergigen Beschaffenheit des grössten "Theiles von Nor- wegen her, das unserem Nager überall geeignete Lebens- bedingungen darbietet. Er bewohnt thatsächlich alle Berg- plateaus, die über der Zone der Nadelhölzer liegen. Im Süden und in den Küstenstrichen, wo die Berge kahl sind, halten sich die Lemminge in geringerer Höhe auf, und in Finmarken leben sie sogar in der Ebene. Ihre eigentliche Heimat bildet die Birken- und Weidenregion bis hinauf zur Schneegrenze, besonders die höchsten Theile der Birkenregion, wo Juniperus und Flechten mit Zwergbirken, Carex-Arten, Gramineen und Rubus chamae- morus wechseln. Meistens sind die Thierchen nur in geringerer Zahl vorhanden. Man sieht sie auch nur verhältnissmässig selten, was aber zum Theil daher rührt, dass sie erst in der Dämmerung hervorkommen und sich ausserdem im Gestrüpp sehr verborgen halten. Wenn man darauf achtet, sieht man aber vor den Eingängen‘ der Höhlen oft den Mist, auch häufig Raubvogel-Gewölle mit Haaren und Schädeln ete. von Lemmingen. Das Nest steht unter einem Stein, neben einem Grasbüschel, in Birken- oder Wacholder- gestrüpp u. s. w. und enthält meist fünf Junge. Wahr- scheinlich erfolgen auch in gewöhnlichen Jahren minde- stens 2 Würfe während des Sommers. Die Nahrung ist rein vegetabilisch und besteht besonders aus Blättern und Wurzeln von Gräsern, im Winter aus der Rinde ver- schiedener Birken. Ueber die auffallend viele Lemminge bringenden „fruchtbaren Jahre“ äussert Collet z. Th. neue Ansichten. Gewisse Thiere, nicht nur die Lemminge, treten in ein- zelnen Jahren überaus häufig auf, wofür man nicht immer Gründe angeben kann. Beim Lemming finden sich wohl einerseits viele Paare zusammen, mehr als sonst, und die Fortpflanzung findet gleichzeitig in erhöhtem Maasstabe statt, so dass ein Wurf dem andern folgt. Andererseits sind die Jungen widerstandsfähig genug, so dass fast alle gross werden. Collett meint, dass bei diesen Verhält- nissen gewisse Baeterien im Spiel sind, die man aber noch nicht hat nachweisen können. Klimatische Bedingungen sind dabei ebenfalls wirksam, doch hat man auch beob- achtet, dass Vermehrungsjahre auf nasse, kalte Sommer folgten, die den Bestand der Thiere sehr verringert hatten. „Fruchtbare Jahre“ kennt man bei den Arvico- linen und unter den Murinen bei Mus sylvaticus, am auf- fallendsten sind sie aber bei unserm Lemming. Gleich- zeitig mit Lemmingsjahren findet meistens auch Massen- production bei Arvicola ratticeps in den südlichen Berg- gegenden statt, ferner gelegentlich bei Arvicola gregarius, Myodes schisticolor (dem Waldlemming), seltener bei Arvicola glareolus, die alle aber auch, wenn auch nicht XIII. Nr. 10. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 111 häufig, für sich allein „fruchtbare Jahre“ haben können. Andererseits hängen wieder gewisse Thiere mittelbar mit den Lemmingen zusammen, so die von diesen Nagern lebenden Raubthiere. Als Regel nimmt man an, dass diese sich wegen der Menge der Nahrung zahlreich ein- finden. Das ist aber kaum der einzige Grund. Sie werden ebenfalls durch „die Fruchtbarkeit des Jahres“ beeinflusst und haben nachweislich stärkere Nachkommen- schaft. So legt z. B. der Rauhfussbussard in solchen Jahren 5—6, anstatt 3—4 Eier, die Schnee-Eule S—10, statt 5-6 u. s. w. Dass dies aber nicht nur mit der Leichtigkeit des Nahrungserwerbes zusammenhängt, geht daraus hervor, dass in Lemmingjahren Tag- und Nachtraubvögel auch in solchen Gegenden zahlreicher auftreten, wo keine Lemming-Vermehrung stattfindet. Auch verschiedene andere Thiere vermehren sich sehr in Lemmingsjahren, aber ohne Zusammenhang mit diesen Nagern, so Waldhühner, Sorex araneus, Cidaria dilutata (ein Spanner). Dies ist schon von älteren Schriftstellern erwähnt worden; Collett führt eine Anzahl Beispiele hier- für an. Die Ueberproduction von Myodes lemmus re- sultirt also nicht aus Ursachen, welche diese Art allein berühren, denn dieselben Ursachen beeinflussen mehr oder minder stark gleichzeitig viele andere Thierarten, die z. Th. ganz verschiedenen Gruppen angehören. Collett machte 1891 Beobachtungen über die Fort- pflanzung in einem „fruchtbaren Jahr“. Er fand, dass die Masse der Lemminge im August fast nur aus Jungen desselben Jahres bestand, während sehr wenige Alte vom Jahr vorher übrig geblieben waren. Diese starben grössten- theils im Laufe des Sommers, nachdem sie drei, bisweilen sogar vier Würfe produeirt hatten. Der erste Wurf war wahrscheinlich gleich nach Eintritt des Frühjahrs geboren; die Weibchen hiervon waren im August trächtig oder hatten Milch in den Zitzen. Der zweite Wurf ist im August etwas mehr als halb erwachsen, meist noch nicht fortpflanzungsfähig (Collett fand nur ein einziges träch- tiges Weibehen vom zweiten Wurf und bei diesem nur zwei Foeten). Die Jungen des dritten Wurfes liegen noch im Nest oder bleiben in der Nähe desselben, aber die zugehörigen Alten waren dann (später als August) schon wieder trächtig (vierter Wurf). Die Jungen des vierten Wurfes waren somit noch nicht geboren, in manchen Fällen doch, aber dann noch ganz jung. Manchmal werden schon wieder Junge geboren, wenn die vom vor- hergehenden Wurf noch im Nest sind. So fand Collet z. B. einmal acht Junge des dritten Wurfes zusammen mit sechs Jungen vom vierten Wurf in einem Nest. In der Regel ist die Zahl der Jungen beim zweiten Wurf am grössten, 8 oder noch mehr; beim dritten meist 5—6, manchmal 7—8, einmal sogar 10! Beim vierten Wurf brachten die alten Weibehen meist wieder 5—6, selten 7 Junge. Junge Weibchen vom Jahre hatten höchstens 6, oft nur 3 Sprösslinge bei sich. Numerische Unterschiede der Geschlechter konnte Collet nicht feststellen. Die Jungen sind etwa S Tage nackt, dann behaaren sie sich; etwa vom 10. oder 11. Tage an liefen sie, obwohl noch blind, im und am Nest umher. Am 13. Tage öffneten sich die Augen. Die Thierchen hatten dann die Grösse einer Maus und begannen an Pflanzen zu knabbern. Die Alten scheinen nur Nachts im Nest bei den Jungen zu sein, da Collett nie am Tage Alte im Nest fand. Die Fortpflanzung scheint stets vor, fast nie aber während oder nach einer Wanderung zu erfolgen. Wenige Male aber fand der Forscher Junge in den Niederungen nach der Wanderung. Ueber diese letztere Eigenthümlichkeit des Wanderns verbreitet sich Collett ausführlich. In „fruchtbaren Jahren“ entsteht bei vielen kleinen ) nem Grade, so z. B. bei Arvicola ratticeps und an- deren Arvicolen viel schwächer als beim Lemming, ob- wohl man auch bei jenen Beispiele kennt, dass sie ganze Distriete plötzlich überschwemmten. Bei Myodes lemmus erfordern in „fruchtbaren Jahren“ die ungeheuren Mengen von Individuen ausgedehnteren Raum und die Thiere, die unter normalen Bedingungen ein sehr weites Revier zur Verfügung haben, können ihrer Natur nach die ungewohnte Nähe zahlreicher Nachbaren nicht ertragen. Unwillkür- lich werden sie zur Seite gedrängt, bis der Rand der Gebirge erreicht ist. Kurze Zeit fühlen sie sich hier noch wohl, und die Alten werfen in den oberen Theilen der Wälder, wo sie sonst gänzlich fehlen. Aber neue Scharen folgen, Rückkehr ist unmöglich, die Reise geht weiter an den Seiten der Berge herab, und wenn die Wanderer ein- mal die Thäler erreicht haben, finden sie Gegenden, die ihnen ganz fremd sind. Dann rücken sie hlindlings weiter, bemüht, eine neue Heimath gleich der alten zu finden, die sie aber nie wieder erreichen. Die wandern- den Thiere gehen unrettbar dem sicheren Tode ent- gegen. Höchst selten wandern sie aufwärts und es ist nie bemerkt worden, dass Thiere, die den Grund der Thäler erreicht hatten, wieder eine Höhe gewannen, wo sie sich ansiedeln konnten. Bei den Arvicolen ist dies anders. Diese bewohnen Niederungen und finden auf der Wande- rung rasch ihnen zusagende Gegenden, wo sie sich nieder- lassen. Die Ueberproduction findet nie überall gleich- zeitig statt, sondern hier und da in grösseren oder klei- neren Distrieten. In Norwegen giebt es fünf grosse Berg- gruppen, die Wanderungscentren darstellen, sei es ganz oder in gewissen Partien. Es sind dies 1. die Berg- plateaus des Jotunheimen und Lang Fjeld; 2. der Dovre Fjeld; 3. die Grenzberge des nördlichen Amtes Trond- heim; 4. die Nordlandberge: 5. die ausgedehnten Gebirgs- plateaus von Finmarken. Die Richtung des Wander- zuges ist unveränderlich zur Hauptsache von den Thälern abhängig, so dass der Zug strahlenförmig in entgegen- gesetzten Riehtungen von einem Berge ausgehen kann. Die Thiere werden meistens bemerkt, wenn sie Land- strassen kreuzen. Die Züge gehen sehr weit, in Nor- wegen bis hinunter zum Cap Lindesnaes, in Schweden jedoch nur bis zum Süden von Wermland. Regelmässige Zwischenräume zwischen den einzelnen Wanderungen lassen sich nicht feststellen. Auf der Wanderung be- griffen, laufen die Lemminge, welche in ihrer Heimath sehr ruhig leben, sobald sie die Thäler erreicht haben, auch bei Tage geschäftig umher, gerathen an die unge- wöhnliehsten Orte, mitten in Dörfer und Städte, selbst in Häuser. Collett erzählt unter anderem, dass er die T’hiere die grossse Treppe der Universität in Christiania habe herauflaufen sehen, und dass sie 18576 in allen Küsten- städten zwischen dem Christianiafjord und Christiansand so zahlreich waren, dass man z. B. in Arendal jeden Morgen auf den Strassen und Höfen die Cadaver der Nachts von Katzen sgetödteten Lemminge beseitigen musste. Jeder Sinn für Gefahr scheint den Thierchen auf der Wanderung abhanden zu kommen, auch scheint der Wandertrieb alle Vorsicht und alle geistigen Fähig- keiten zu unterdrücken. Eigentlich gesellig sind sie auch in den Wanderschaaren nicht und, obwohl zusammen- gedrängt, sucht doch jedes Individuum seine eigene Strasse zu ziehen. Treffen sich zwei alte Männchen, so giebt es meistens einen Kampf auf Leben und Tod, in welchem, da sie schon an leichten Verwundungen zu Grunde zu gehen pflegen, einer der Kämpfer oder beide auf dem Platze bleiben. Pleske’s Angabe, dass sich die Lemminge auf der Wanderung durch leises Pfeifen an- Nagern eine Neigung zum Wandern, aber in verschiede- | locken, kann Collett nicht bestätigen. Cholerischer Natur, 112 wie die winzigen Nager sind, machen sie sich oft durch ihre bellende Stimme bemerkbar, wenn ein Mensch oder Hund in ihre Nähe kommt. Sie versuchen auch sich zu vertheidigen, beissen in einen vorgehaltenen Stock u. s. w., während sie in ihrer Heimath stets ihr Heil in der Flucht suehen. Sperrt man mehrere zusammen ein, so pflegen sie so lange mit einander zu kämpfen, bis der Stärkste allein übrig bleibt. (Hierbei ist zu bemerken, dass vor einigen Jahren mehrere Lemminge in den Berliner Zoo- logischen Garten gelangten und hier eine Zeit lang lebten.) Für gewöhnlich kann man die Lemminge nicht als sebädlich betrachten, aber bei starker Vermehrung richten sie besonders auf hoch gelegenen Weiden grossen Schaden an, auch plündern sie Korngarben, besonders von Gerste. Unter den Feinden unseres Nagers sind neben den Raubsäugethieren und Raubvögeln die wilden und zahmen Renthiere bemerkenswerth, die mit Begierde Lemminge aufspüren, fassen und fressen! Auch Kühe und Ziegen sollen dies gelegentlich thun, wenn ihnen Salz mangelt. Eisfuchs und Vielfrass folgen den Zügen oft bis in Ge- genden, wo sie sonst fehlen. Obwohl die Lemminge für gewöhnlich nicht schwimmen, lassen sie sich auf der Wanderung durch Bäche, Flüsse, Seen und Meeresarme nicht aufhalten. 1868 gerieth ein Dampfer im Trondheim Fjord in einen Zug schwimmender Lemminge, der erst nach einer Viertelstunde durchquert war. Sehr viele kommen natürlich im Wasser um, viel mehr aber durch Infeetionskrankheiten, die sich in Wanderjahren stets ent- wickeln, und zwar gehen die meisten Individuen im Winter daran zu Grunde, wenn sie sich in Schlupfwinkeln zahlreich zusammendrängen. Zu Hunderten findet man dann’ die Cadaver zusammen. In lemmingreichen Jahren entsteht fast stets eine eigenthümliche, scharlachartige Krankheit, das sogenannte „Lemmingfieber“, in Norwegen, über dessen Natur man lange im Unklaren war, das aber im Volksmunde schon lange nit den Lemmingen in Verbindung gebracht wurde. Es ist nun festgestellt, dass durch die Kothmassen und die verwesenden Cadaver in Folge Abspülens durch Regen alle Berggewässer verunreinigt werden und dass durch den Genuss dieses Wassers die Krankheit entsteht. Diese zeigt sich in Fieber mit Durchfall und Erbrechen, ge- legentlich Angina, Ulceration in der Mundhöhle, Drüsen- anschwellungen u. s. w. Ihre Dauer beträgt meistens etwa 5 Tage, sie erzeugt oft grosse Hinfälligkeit, ist aber selten letal. Zum Schluss seiner Arbeit giebt Collet eine genaue Liste der Lemmingjahre in den letzten beiden Jahr- hunderten mit Ortsangaben. Besonders viele Wanderungen fanden in den siebziger Jahren unseres Jahrhunderts statt. Dr. Ernst Schäff. Der Vulecan Lamongan. — Die in den letzten Tagen aus Java gemeldete Eruption des Vulcans Lamongan ver- anlasst mich, dem Leserkreis der „Naturw. Wochenschr.“ eine kurze Beschreibung des Berges und seiner Umgebung zu bieten. Der in der Provinz Probolinggo liegende Berg La- mongan ist einer der kleinsten, aber thätigsten Vulcane auf Java und erreicht eine Höhe von 5238 Fuss. Wäh- rend nämlich die Westseite von Probolinggo von den öst- liehen Abhängen und Ausläufern des Tengergebirges und den Bergen Garu und Smeru bedeekt wird, erhebt sieh im Punkte, wo die Grenzen der drei Abtheilungen dieser Provinz einander treffen, der Vulkan Lamongan, in der Form zweier zum grössten Theil zusammengeschmolzenen Kegel; durch einen sehr niedrigen, hauptsächlich aus Naturwissenschaftliche Wochenschrift. RI. 7NTENIO: vulkanischem Sand bestehenden Bergrücken ist er mit dem Tengergebirge verbunden; ein ähnlicher Rücken ver- bindet ihn andererseits mit dem theilweise in Probolinggo, theilweise in der Provinz Besuki gelegenen Jang-Gebirge, Die schönste Aussicht auf den Lamongan geniesst man von Kelakah, dem Hauptplatz des Distriktes Kanu Lamongan. Ke'akah ist berühmt durch seinen See, an dessen Ufer ein sebr guter Pasanggrahan (Unterkunfts- haus für, europäische Reisende) in Mitten eines schönen Blumengartens errichtet ist. Von der mit Schlingpflanzen umgebenen Veranda aus, welche sich an der Hinterseite des Gebäudes befindet, erblickt man den schönen, runden See, auf dem eine Unzahl von Enten und Wasservögeln herumschwimmen, und der umsäumt ist von diechtem Ge- büsch, mit einer Bevölkerung von Nashornvögeln und Schwärmen von Fledermäusen. Hinter diesem Becken erhebt sich aus seinem Waldkleid der kahle Gipfel des Lamongan, und mit dem Rauchkranz, der seine Spitze umgiebt, spiegelt er sich in dem ruhigen Wasser. Seine nieht geringe Höhe kann sich nicht mit der der meisten javanischen Vulkane messen, und, was seinen Umfang be- trifft, dürfte er höchstens den Namen eines Miniatur- vulkans verdienen. Von seiner Thätigkeit behauptete der berühmte Reisende Junghuhn, dass sie ihm vorkäme, wie ein zur Belustigung der Zuschauer angezündetes Feuer- werk. Die zwei Kegel, aus welchen der Lamongan besteht, trennen sich auf */, ihrer Höhe und bilden zwei besondere Berggipfel von welchen der eine in südwestlicher, der andere in nordöstlicher Richtung liegt. Der nordöstliche Gipfel, der älteste und höchste, trägt den Namen Gunung Tarub; er hat eine unregelmässigere Form als der Krater- gipfel, der eigentiiche Lamongan, welcher 52 Meter niedriger ist. Der Kratergipfel erhebt sich gleichmässig bis zur Kraterwand, wahrscheinlich ist er entstanden durch eine Verstopfung des Tarubkraters. Sein aus Lava, Asche und Steinsrümmern bestehender Auswurf, fand hier einen Ausweg, häufte sich um die Ocffnung an, und die immer wiederkehrenden Eruptionen bildeten auf diese Weise im Laufe der Zeit einen Kegel, welcher fast eben- so hoch, wie der ursprüngliche wurde. Wo er sich aus dem Walde erhebt, hat dieser Kegel eine hellgelbe Farbe; er ist jedoch mit einer dunklen Kappe bedeckt, von welcher dunkle Franzen herabhängen. Auf dem Berg- abhang ist das Wechselspiel von schöpfenden und ver- wüstenden Naturkräften in deutlichen Streifen einge- zeichnet; während von oben der Lavastrom hier und da in das Waldgebiet eindringt, steigt von unten, wo es nur festen Fuss gewinnen kann, das grüne Pflanzenleben in Rissen und Schluchten aufwärts. Durch die immer wiederkehrenden Ausbrüche erleidet der Kraterrand Um- gestaltungen, wobei die Abbröckelungen und Einstürze an anderen Stellen durch neue Erhöhungen eompensirt werden. Was die Ausbrüche des Lamongan betrifft, so muss ein Unterschied gemacht werden zwischen den gewöhn- lichen, welche sich fast täglich wiederholen, und den ge- waltigeren, die in Zwischenpausen von einigen Jahren stattfinden. Es ist schwer, zwischen beiden eine bestimmte Grenze zu ziehen ; schon die gewöhnlichen Ausbrüche sind, besonders zur Nachtzeit, so schön und ergreifend, dass grössere Eruptionen kaum einen viel mächtigeren Eim- druck machen könnten, wenn nieht unterirdisches Donnern, Erdbeben, glühende Lavaströme und heftiger Asche- regen sie begleiteten. Das Feuerwerk von rothen Flammen, Funken und Raketen, welches sehon in der Hauptstadt Probolinggo, auf einem Abstand von 16 geographischen Minuten, den südwestlichen Horizont in der Dunkelheit erleuchtet, hat wohl noch nie den Reisenden enttäuscht, XI. Nr. 10. der die Nacht im Pasanggrahan von Kelakah zubrachte, um dieses prächtige Naturschauspiel zu geniessen. Die von Junghulın im Jahre 1838 beobachtete und beschriebene Eruption gehörte zu den heftigeren; an ein Erklimmen des Gipfels war damals nicht zu denken, und als er pro- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. birte jenseits der Waldgrenze auf einem früher angelegten | Fussweg den Berg zu besteigen, veranlasste ihn der Stein- regen zum schleunigen Rückzug. Zum Besteigen des anderen Gipfels fehlte ihm die nöthige Zeit, da er sich erst durch den Waldgürtel einen Weg hätte bahnen lassen müssen. Was ihm damals nicht gelang, wurde im Jahre 1345 durch Zollinger vollbracht. Er erstieg den Gunung Tarub von Tiris aus, einem nordöstlich an dessen Fuss | liegenden Dorfe, bei welchem sich eine warme Quelle von einer Temperatur von etwa 40° Celsius befindet. Das Wasser sprudelt aus verschiedenen kleinen Quellen in ein ovales Becken, welches sich in den naheliegenden Segaran-Fluss ergiesst. In der Nähe liegen noch ein Dutzend Seen, so dass der Lamongan von einem Gürtel solcher Wasserflächen in weitem Kreise umgeben ist. Junghuhn betrachtet diese Süsswasserseen, deren steile Wände jeden sichtbaren Ausfluss verhindern, als Senkungen des Bodens, Zollinger dagegen hält sie, wegen ihrer kesselförmigen Gestalt und wegen ihrer steilen Ränder, für frühere Krater. Des Morgens um 6 Uhr verliess er Tiris und. er- reichte um 2 Uhr Nachmittags den Gipfel des Tarub, dessen botanischer Charakter ihm vor Allem auffiel. Er fand keine Spur von Casuarinen, welche alle ostjava- nischen Berge bis zu einer gewissen Höhe bedecken. Imperata arundinacea und Saccharum spontaneum be- kleideten die Fläche um den Berg herum, dann folgte ein Bambusgürtel, schliesslich ein Pandanenwald, in welchem sich einige niedrige Pflanzen zeigten und, nahe am Gipfel, dessen Vegetation wenig Charakteristisches bot, stand eine schöne Arecapalme. Hier umgiebt ein hoher Rand den Kessel eines ausgebrannten Kraters, dessen mit Sand bedeckte Grundfläche 260 Meter lang und 160 Meter breit ist. Südwestlich von diesem fand er noch einen zweiten ausgebrannten Krater, und, vom Tarub aus, erschien ihm der Lamongan als ein regelmässiger Kegel ohne Kämme und Schluchten; die täglichen Eruptionen machten ein Besteigen des letzteren unmöglich. Der letzte heftige Ausbruch des Lamongan fand, mit einer geringeren Wiederholung in den 60er Jahren, 1859 statt. Am 6. Fe- bruar dieses Jahres entfaltete der Vulean wieder seine furehtbare Thätigkeit und vernichtete viele Pflanzungen, ohne jedoch Menschenleben zu fordern. 320 Hectar Regierungsplantagen wurden verwüstet und als Merk- würdigkeit wird gemeldet, dass sich am Fusse des Vulcans ein zweiter Krater gebildet habe. Dr. E. Fürst. Das Graphitlager von Schwarzbach i. B. — Das Schwarzbacher Graphitvorkommen ist nicht nur das grösste im böhmisch-bayrischen Grenzgebirge, sondern wegen seiner ausgezeichneten Aufschlüsse wohl auch das zum Studium geeignetste in ganz Mitteleuropa. Es sei des- halb gestattet, die Resultate einer Untersuchung des dortigen Bergwerks in Kürze mitzutheilen. Wir befinden uns mitten im Gebiete des archäischen Gneisses, der einen grossen Theil des südlichen Böhmer- waldes zusammensetzt, und der Graphit ist völlig gleich- sinnig in zwei mächtigen, flachen Linsen zwischen den Gneiss eingelagert. Das Streichen der Lager ist nach NO; das Einfallen beträgt ca. 65—80° gegen SO. Der Fahr- stuhl des Schachtes, der uns 76 m in die Tiefe führt, reicht bis in die liegenden Schichten, und wir können nun auf einem Hauptgange, dem „Lauf“, immer parallel dem 113 Streichen fortgehen. Vom Lauf aus sind in kurzen Ent- fernungen „Querschläge“ ins Gestein getrieben, in denen wir das ganze, steil von uns wegfallende Schichtensystem durchschreiten und vortrefflich studiren können. Ein schematisches Profil möge das Gesagte erläutern: Profil durch das Graphitlager von Schwarzbach. Wir gelangen nach diesem Profile also zunächst in den typischen Gneiss, Das mikroskopische Bild desselben ist folgendes: Der reichliche Plagioklas zeigt prächtige Zwillingslamellirung, bisweilen verbogene Streifen und undulöse Auslöschung*). Der Biotit liegt in braunen Fetzen lagenweise darin und giebt dem ganzen Gestein einen braunröthlichen, fast metallischen Schimmer. Quarz tritt gegen den Feldspath zurück; dagegen stellt sich ziemlich häufig Pyroxen in grösseren zerfressen aus- sehenden Stücken ein. Titanit in Keilen, Magnetit, Pyrit sind accessorisch vorhanden. Die nächste Lage ist stark verwittert und im Profil deshalb als „zersetzter Gneiss“ (gn{) bezeichnet. Darauf folgt eine Varietät, die wegen ihrer besseren Parallel- struetur, ihres scharf markirten Farbenwechsels der einzelnen Lagen als „Lagengneiss“ (gn A) aufgeführt wird. Gegen das Hangende hin nimmt der Gneiss einzelne Zwischenlagen von krystallinischem Kalk auf und bildet somit einen Uebergang zu dem nun folgenden ziemlich mächtigen Kalklager. Vor zwei Jahren wurde mitten in diesem Kalk eine ziemlich grosse, abbauwürdige Graphit- butze gefunden. Ausserdem sind in demselben häufig mit Caleit-Skalenoedern ausgekleidete Drüsen vorhanden. Auf den körnigen Kalk folgt eine Schicht sandigen Gneisses (gn o) mit stellenweise grossen Nestern von zer- setztem Feldspath und Adern chloritisirter Hornblende, die bis in den Graphit hineinführen. Gegen das Hangende tritt der Glimmer immer mehr und mehr zurück; Graphit- schüppchen nehmen seine Stelle ein, so dass wir schliesslich einen ziemlich eompacten Graphitgneiss ohne Glimmer vor uns haben. Neuerdings sind in diesem Graphitgneiss eigenthümliche Kügelchen gefunden und in der Hand- sammlung des Werkes als „organische Reste* gebucht worden. Wie aber vorauszusehen, erwiesen sie sich unter dem Mikroskop als typische Coneretionen von zierlicher eoncentrischer und radiärer Structur, in denen der Graphit in mehreren Kreisen angeordnet ist und eine gelblich- weisse, lebhaft polarisirende Zwischenmasse radiärstrahlig oder dendritisch durchgreift. Es liess sich nicht fest- stellen, ob die Zwischenmasse Muskovit oder irgend ein Zersetzungsproduet war. Nun gelangen wir in das erste Graphitvorkommen, das sogenannte Parallellager, das als ca. 4 m mächtige Linse im gleichen Streichen und Fallen eingeschaltet ist. Nach oben ist dasselbe durch einen „Eisenhut“, d. h. eine schwache Schieht leicht zerreiblichen Eisenoxyd- *) Diese Anzeichen dynamometamorphischer Einwirkung finden wir übrigens im Böhmerwalde auffallend häufig. Alle Ge- steinsschliffe, vom Hornblendegebiet des Nordens bis in die Passauer Gegend herab, zeigten dasselbe Bild gewaltiger Zer- quetschung und Zertrümmerung. 114 hydrates, abgeschlossen. Auf eine Gneisszwischenlage folgt, zwischen zwei Eisenhüte eingebettet, das „Haupt- lager“, das wieder bedeckt wird von zersetztem Gneiss. Der Grapbit schliesst in sich zahlreiche Bruchstücke von Gneiss, Kalk, Eisenoxydhydrat, Quarz, Feldspath- krystalle und vor Allem feldspathige Zersetzungsproduete in Form von grossen und kleinen Thonklumpen ein. Ein grosser, scharfkantiger Block, dessen Herkunft räthselhaft erschien, zeigte im Dünnschliff kaolinisirten Orthoklas, Plagioklas mit stark verbogenen Lamellen, Mikroklin, Mikropegmatit, accessorisch Biotit, Titanit, Magneteisen und Apatit. Ein weiteres merkwürdiges Vorkommniss aus dem Graphit ist krystallinischer Kalk, verwachsen mit silifieirtem Pikrolith., Die grünen Flächen des Beleg- stückes erschienen — vermuthlich aber nur in Folge einer Harnischbildung — von strahligem Gefüge. Die beiden Gemengtheile wechseln lagenweise, so dass man dem Gestein keineswegs den im Bergwerk üblichen Namen Ophicaleit beilegen darf. Auf Adern finden sich im Graphit nicht selten Aus- scheidungen von gediegenem Schwefel, der übrigens auch auf Klüften des Lagengneisses in feinem Ueberzuge nach- gewiesen wurde. Die Handsammlung des Bergwerks zeigte ausserdem noch eine grössere Anzahl von bei- gemengten Mineralien, z. B. Opal, Zinkblende, Pyrit, Markasit, Amiant, Strahlstein, Porzellanerde. Es ist nicht unsere Absicht, hier näher auf das schwierige Problem der Entstehung des Graphits einzu- gehen. Wir können nur die so oft beobachtete Thatsache einer Verbindung der Graphitlagerstätten mit Kalkflözen auch in diesem Falle constatiren. Ferner lässt uns das reichliche Auftreten von allerhand Gesteinsblöcken im Graphit schliessen, dass wir es mit einer secundären Lagerstätte zu thun haben. Es seien nun noch einige Bemerkungen über die technische Seite des Bergbaues angefügt. Man unter- scheidet den Graphit beim Abbau in harten und weichen. Der erstere muss zum Theil gesprengt werden; der letztere wird emfach abgesraben und schon vor Ort von den grösseren Thonstücken geschieden. Nachdem am Tages- lieht die Ausscheidung der kleinen Thonklumpen voll- endet worden ist, gestaltet sich die weitere Behandlung des Rohmaterials je nach dem Zwecke verschieden: 1. Der Graphit wird auf grossen, flachen Pfannen durch Heissluft getrocknet und dann an die Bleistift- fabriken zur Verarbeitung abgegeben. 2. Die ebenso getrockneten Stücke kommen in den „Kollergang“, wo auf einer kreisförmigen Steinunterlage zwei senkrecht stehende Mühlsteine an gemeinsamer Axe um denselben Mittelpunkt rollen. Dadurch wird der Graphit fein gemahlen und so in den Handel gebracht. 3. Die Stücke werden im Kollergang unter Zusatz von Wasser gemahlen. Die so entstehende Flüssigkeit, die „Trübe* kommt in grosse, flache Holzkästen, die „Sandkästen“, die zu einem System von ca. 12 Stück verbunden sind. Auf dem langen Wege, den so die Trübe zu durchlaufen hat, setzen sich die suspendirten Bestandtheile nach und nach zu Boden. Die ersten Kästen enthalten naturgemäss die gröbsten Unreinigkeiten, so dass ihr Inhalt als unbrauchbar auf die Halden ge- schüttet wird. In den nächsten Behältern ist noch immer stark verunreinigter Graphit, der zu geringwerthigen Sachen, Tiegeln ete. verwendet wird. Aus dem letzten Sandkasten fliesst die Trübe in ein ähnliches System von „Setzkästen“, wo dem Graphit fast nur noch Thon bei- gemengt ist. Da der Thon specifisch leichter ist, ent- halten die letzten Kästen etwas mehr als die ersten. Der Thongehalt gilt nicht als Nachtheil, ist vielmehr für ge- wisse Zwecke geradezu Bedinsung. Um nun nach Be- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 10. darf die richtige Mischung zu erzielen, schöpft man den Inhalt der geeigneten Behälter in einen grossen „Misch- kasten“ über. Von dort geht der nun ziemlich dicke Brei in das Haus zurück, wird dort durch einen grossen Quirl nochmals innig gemischt und durch eine Pumpe in die Presse getrieben. Dieselbe besteht aus einem System senkreeht neben einanderstehender Metallrahmen, die ge- trennt sind durch mit Stoff überspannte Holzrahmen. Werden die Metallrahmen durch ein unten angebrachtes Loch mit Trübe gefüllt, so wird das Wasser durch die Stoffwand in die Zwischenräume entweichen und von da abfliessen. So bildet sich nach und nach eine diehte Graphitplatte, die herausgeschnitten und in der Trocken- kammer aufgestellt wird. Dort sind die Platten einer Temperatur von 70—80° ausgesetzt und können ihr Wasser in Dampfform durch einen weiten Kamin ent- weichen lassen. Dureh verschiedene Mischung von thonreichen und -armen Trüben können 60 verschiedene Marken des Graphites hergestellt werden. Die thonreichen Massen dienen zur Bleistiftfabrieation und decken zumeist den Bedarf der grossen Fabrik von Hardtmuth in Budweis. Die reineren Sorten werden zu Hüttenzwecken ver- arbeitet. Nur anhangs- und vergleichsweise sei noch eins der kleineren Graphitwerke auf bayerischem Boden erwähnt, die sich meist in der Passauer Gegend befinden, sich aber nicht entfernt mit dem Schwarzbacher Vorkommen messen können. Verfasser besuchte das kleine Lager an der „Kropfmühle“ bei Pfaffenreuth, in das zwei Schächte von ca. 22 m Tiefe getrieben sind. Das Gestein ist hier ein ziemlich fester Graphitgneiss, zuweilen mit Quarz- anreicherung. Einzelne Lagen desselben sind stark zer- setzt und bilden das Abbaumaterial. Reiner Graphit, wie er in Schwarzbach die Hauptmasse bildet, ist hier nur in kleinen Nestern vorhanden. Deshalb ist. das gewonnene Product auch nicht zur Bleistiftfabrieation geeignet, sondern wird in der bekannten Schwarzhafenindustrie von Obernzell und Passau verarbeitet. Der Betrieb ist primitiv, der Schacht nur auf einer höchst schlüpfrigen Fahrt passirbar, der Stollen schlecht verschalt und wegen des mangelhaften Pumpwerks reichlich durchwässert. Andere bayerische Fundorte sind freilich noch minderwerthiger. Es giebt deren viele, die überhaupt nur im Winter von den bäuerlichen Besitzern abgebaut werden, und die mehr eine Beschäftigung für müssige Tage, als einen lohnenden Nebenverdienst bieten. Dr. P. Wagner. Verfahren zum Verkoken von Braunkohle. — Zweck dieses von Dr. Desiderius Nagy in Budapest angegebenen Verfahrens ist, aus Lignit oder anderer Braun- kohle Koks zu gewinnen, der für alle Zwecke verwend- bar ist, für welehe Holzkohlen gebraucht werden. Die Herstellung geschieht folgendermaassen: Die Braunkohle wird in Gefässen oder Meilern mit Zugabe von 0,27 bis 0,65 pCt. Caleiumchlorid und im Verhältniss dieser Menge von Caleiumchlorid mit 0,5—2 pCt. kohlen- saurem Magnesium, ferner mit 0,01—0,5 pCt. Borsäure unter atmosphärischem Druck einer trockenen Destillation oder Verkohlung unterworfen. Die Nebenproducte können aufgefangen und ver- werthet werden. Bei diesem Verfahren wird die Braunkohle zu einem zwischen der Holzkohle und dem Steinkohlenkoks stehen- den Stoff umgestaltet, der Kohlenstoffgehalt derselben er- höht und die schädlichen Beimengungen entfernt. Es verbinden sich nämlich die in der Braunkohle XIMN. Nr. 10 vorhandenen Aluminiumverbindungen mit den oben er- wähnten Zusätzen zu Glas, welches das Zusammenhalten der Kohle und deren koksartige Beschaffenheit bewirkt. (Zeitschrift „Glück auf“ vom 5. II. 98.) Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Bibliothekar der Reichstagsbibliothek Dr. Johannes Müller zum Professor; der Redacteur der „Naturw. Wochenschr.“ Dr H. Potoni& zum Correspodenten des West- preussischen Provinzial-Museums in Danzig. Es starben: Der ausserordentliche Professor der Gynäkologie in Leipzig Dr. Wilhelm Moldenhauer; der Oberstabsarzt I. Classe Dr. Gottfried Lenhartz in Berlin; der ehemalige Bibliothekar des Deutschen Reichstags Dr. August Potthast in Leobschütz; der bekannte Arzt Dr. Oskar Hasse; der zweite Vorsitzende des deutschen Aerztevereinsbundes Dr. Jo- hann Conrad Busch in Krefeld; der belgische Afrikareisende Kapitain Brasseur. Naturwissenschaftliche Preisaufgabe ausgeschrieben von der Stiftung won Schnyder von Wartensee für Kunst und Wissenschaft in Zürich. — Die Stiftung von Schnyder von Wartensee schreibt für das Jahr 1900 folgende Preisaufgabe aus dem Gebiet der Naturwissenschaften aus. „Es wird eine geo- physikalische Monographie der Torfmoore der Schweiz nach Ent- stehung, Aufbau und Beziehungen zur Geschichte der Vegetation und der Oekonomie des Landes verlangt.“ Dabei gelten folgende Bestimmungen: 1. An der Preisbewerbung können sich Angehörige aller Nationen betheiligen. 2. Die einzureichenden Concurrenz- Arbeiten von Bewerbern um den Preis sind in deutscher, fran- zösischer oder englischer Sprache abzufassen und spätestens am 30. September 1900 an die unter Ziffer 7 bezeichnete Stelle ein- zusenden. 3. Die Beurteilung dieser Arbeiten wird einem Preis- gerichte übertragen, das aus den nachbenannten Herren besteht: Herr‘ Professor Dr. Ed. Brückner in Bern, Herr Dr. Carl Weber, Direetor der Moorversuchsstation in Bremen, Herr Professor Dr. A. Heim, als Mitglied der ausschreibenden Commission. 4. Für die Prämiierung der eingegangenen Arbeiten stehen Frs. 4500 zur Verfügung, wovon Frs. 3000 für einen Hauptpreis, Frs. 1500 für Nahepreise bestimmt sind. 5. Die mit dem Hauptpreis be- dachte Arbeit wird Eigenthum der Stiftung von Schnyder von Wartensee, die sich mit dem Verfasser über die Veröffentlichung der Preisschrift verständigen wird. 6. Jeder Verfasser einer ein- zureichenden Arbeit hat diese auf dem Titel mit einem Motto zu versehen und seinen Namen in einem versiegelten Zettel beizulegen, der auf seiner Aussenseite das nämliche Motto trägt. 7. Die Arbeiten sind innerhalb der in Ziffer 2 bezeichneten Frist unter folgender Adresse an die Stiftung zu Händen des Preisgerichtes einzusenden: „An das Präsidium des Convents der Stadtbibliorhek Zürich (betreffend Preisaufgabe der Stiftung von Schnyder von Wartensee für das Jahr 1900)“. Zürich, den 31. Dee. 1897. Im Auftrage des Convents der Stadtbibliothek Zürich die Commission f.d. Stiftung von Schnyder von Wartensee. Litteratur. L. Rütimeyer, Gesammelte kleine Schriften allgemeinen Inhalts aus dem Gebiete der Naturwissenschaft. Nebst einer auto- biographischen Skizze. Herausgegeben von H. G. Stehlin. Bd. I: Autobiographie. Zoologische Schriften. Mit 1 Portrait, 1 Karte und 6 Abbild. Bd. II: Geographische Schriften. Nekrologe. Verzeichniss der Publieationen. Mit 1 Abb. Verlag von Georg &Co. Basel 1898. — Preis 12 M. Das Vorwort wird nicht allein von dem im Titel genannten Herausgeber, sondern auch von Leopold Rütimeyer unter- zeichnet. Die Herausgabe der Schriften wird vielfach freudig begrüsst werden; sind doch einige derselben, die aber der Fach- mann nicht entbehren kann, seit Jahren nur schwer zu haben gewesen. Die Autobiographie fand sich unter dem Titel „Un- geordnete Rückblicke auf den der Wissenschaft gewidmeten Theil meines Lebens“ im Nachlass Rütimeyer’s vor. Sehr dankenswerth ist es, dass im Verzeichniss der Schriften R.’s in bestimmten Fällen Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 115 nicht bloss eine Titelangabe, sondern kurz ein näherer Hinweis auf den Inhalt geboten wurde, da unter Rütimeyer'schen Titeln oft allerlei verborgen ist, was Niemand darunter vermuthet. — Band I bringt die folgenden Abhandlungen: 1. Ueber Form und Geschichte des Wirbelthierskelettes, 2. Ueber die historische Methode in der Palaeontologie, 3. Ueber die Aufgabe der Natur- geschichte, 4. Ueber die Herkunft unserer Thierwelt, 5. Die Grenzen der Thierwelt, 6. Die Veränderungen der Thierwelt in der Schweiz seit Anwesenheit des Menschen, 7. Ueber die Art des Fortschritts in den organischen Geschöpfen. Bd. II enthält die Aufsätze: 1. Vom Meer bis nach den Alpen, 2. Die Bevölkerung der Alpen, 3. Ein Blick auf die Geschichte der Gletscherstudien in der Schweiz, 4. Die Bretagne und endlich 5. Nekrologe resp. Biographieen von Louis Agassiz, Charles Darwin, des Rathsherrn Peter Merian und von Bernhard Studer. Franz Schleichert, Anleitung zu botanischen Beobachtungen und pflanzenphysiologischen Experimenten. Ein Hilfsbuch für den Lehrer beim botanischen Schulunterricht. 3. veränderte und vielfach vermehrte Auflage. Mit 64 Abbildungen. Hermann Bayer & Söhne. Langensalza 1897. — Preis 2,25 M. Wir freuen uns, eine 3. Auflage des Heftes anzeigen zu können; beweist uns doch ihr Erscheinen, dass die Schule sich mehr und mehr von der trockenen Behandlung der scientia amabilis freimacht, wie sie noch vor nicht zu langer Zeit fast durehgängig in der Schule üblich war. Abgesehen von Erweite- rungen, Verbesserungen und Ergänzungen sind neu die folgenden Abschnitte hinzugekommen: 1. Die Spaltöffnungen und der Assi- milationsprocess, 2. Die Spaltöffnungen und die Transpiration der Pflanze, 3. Die Bewegungen des Protoplasmas und der Chlorophyll- körper. Prof. Dr. Ferdinand Zirkel, Elemente der Mineralogie, begründet von Carl Friedrich Naumann (18737) 13., vollständig um- gearbeitete Auflage. I. Hälfte: allgemeiner Theil. Bogen 1—-25. Mit Figur 1—273. Wilhelm Engelmann. Leipzig 1897. — Preis 7 M. Das Werk ist ja bekanntlich, seitdem Zirkel die Neu-Heraus- gabe übernommen hat, ein ganz anderes geworden, als es ursprünglich war; es gehört zu den besten Compendien über Mineralogie und ist so inhaltreich, dass der Titel „Elemente“ absolut nieht mehr passt, dass man es vielmehr mit einem Hand- buch oder ausführlichen, trefflichen Lehrbuch zu thun hat. Wir wollten nicht vermeiden, auf das Erscheinen der 1. Hälfte der 13. Auflage desselben ausdrücklich aufmerksam zu machen und behalten uns ein näheres Eingehen nach dem Erscheinen der 2. Hälfte vor. Prof. Fr. Busch, 100 einfache Versuche zur Ableitung elek- trischer Grundgesetze. 2. Auflage. Aschendorff’sche Buch- handlung. Münster 1897. — Preis 80 Pf. Verfasser hat es mit grosser Geschicklichkeit verstanden, durch Anregung zu einfachen Versuchen und zwar mit den denkbar einfachsten Mitteln auf nur 36 Seiten in Octav in die Reibungs- elektrieität einzuführen. Nicht nur der nachdenkliche Schüler, auch der Lehrer und schliesslich diejenigen unter den gebildeten Laien, die doch wenigstens eine Anschauung über die Grund- thatsachen, mit denen die jetzt so weltbewegende elektrische Technik arbeitet, wünschen, ist das Heft sehr zu empfehlen. Jahrbuch der Chemie. — Bericht über die wichtigsten Fortschritte der reinen und angewandten Ohemie. Herausgegeben von Richard Meyer. VI. Jahrgang 1896. Friedr. Vieweg & Sohn. Braunschweig 1897. — Bei der ausserordentlichen litterarischen Production, welche auf chemischem Gebiet noch immer anhält und voraussichtlich anhalten wird, ist die Auswahl des wichtigsten zur Zusammen- fassung in einem mässigen Bande von 564 Seiten, wie der vor- liegende, nicht leicht und nur von genauen Fach-Kennern zu be- werkstelligen. Auch im VI. Jahrgang ist das so gut wie möglich gelungen. Es ist eine wahre Freude, ein Buch zu haben, das auch weiteren Kreisen zweckmässig den Extraet der Leistungen auf chemischem Gebiete in praktischer Form darbringt, ohne den Ballast von Referaten verhältnissmässig untergeordneter Arbeiten, wie solche in anderen wissenschaftlichen Jahresberiehten den Hauptplatz wegnehmen. Inhalt: 69. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braunschweig. — Das Gift der Hymenopteren als Schutzmittel gegen das Schlangengift. — Beobachtungen über den Lemming. — Der Vulkan Lamongan. — Das Graphit- lager von Schwarzbach i. B. — Verfahren zum Verkoken von Braunkohle. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: L. Rütimeyer, Gesammelte kleine Schriften allgemeinen Inhalts aus dem Gebiete der Naturwissenschaft. — Franz Schleichert, Anleitung zu botanischen Beobachtungen und pflanzenphysiologischen Experimenten. — Prof. Dr. Ferdinand Zirkel, Elemente der Mineralogie. — Prof. Fr. Busch, 100 einfache Versuche zur Ableitung elektrischer Grundgesetze. — Jahrbuch der Chemie. 116 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 10. at Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! 6 M 52 fa! Neues Princip für Massenbetheili >< r. 0 ert UEnc e s a Grosse Vortheile! an industriellen Unternahntüpgen & $% Luisenstr. 55. BERLIN NW. Luisenstr. 58. |< — ee an = nommen: s Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate % = Durchführung des Buttenstedt- % und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. © | = en ee En VO9HHHHHHHHOHHHPHHOHOHHOHH HH H9IHH 9 x unterstützt) und e =; SEITEN EIER: = Ai s Errichtung einer Versuchs- W # 7 ir Pe m station für Flugzwecke. assersto Leise Internationaler Verein zur rationellen = BERLIN. 0 Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung Franz Bartels, en an en it : Inlunrung In Ale biutenb10LOgIe p aleil- 1. technisches Bureatı. auf historischer Grundlage. Berlin SW., Yorkstr. 19! Von Billig, sorgfältig, schnell. E. Loew, Professor am königl. Realgymn. in Berlin. 444 Seiten gr.8. Preis6M., geb. 7M. Reelle Bedienung. Zen. Dümmlers Berlagshudijandlung in Berlin SW. 1%, Fimmerht. 94. Vor Kurzem erjchien: Brüder und Schiweitern DVoman von Eugen Veichel. Geheitet 4 Mark, geb. 5 Mart. Better Halfet im 2lafbonalanöe. Von Olive Sıhreiner. Autorijirte Neberjegung von Helene Lobedan. Geheitet 1,60 Mark, geb. 2,40 Matt. lUngereimtes aus dem Srauenleben. Bon Anna Bernan (U. Beruna.) Geheitet 60 Pi. Die Charakteristik der Tonarten. Historisch, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. 136 Seiten Oectav. — Preis 2,40 Mark. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. dä Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. | Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. | Max Steckelmann, | Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 33. | | i| Photo:r?rkische Stativ- und Hand- | 7 Gameras. Gediegene Ausstattung. | ME Sämmitliche Bedarfsartikel, =% | Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Victoria“ (D.R.P.) | | | Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. | | Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! | Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. r ErDe der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges ). schränkter Haftpflicht. Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, participirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabrieirten Artikel. Gans & Goldschmidt, Berlin N., Auguststr. 26. Elektrotechnische Anstalt und mechanische Werkstätten, Spezialität: Elektr. Messinstrumente, Normal-Elemente, Normal- und Praeeci- sionswiderstände, nach den Modellen der Physikal. Techn. Reichsanstalt. — Normal- Volt- und Amperemeter, Spiegelgalvano- meter, Physikalische Lehrmittelapparate. Einrichtung von Laboratorien. Gehkauchte f toren DYNAMO- "rgarantirt »Detriebsfähig in ‚allen ‚Grössen 'Sotörtylieierbar. Elektromotor, s.n.v.#. Schilfbauerdamn 21 Berlin NW: |Das optische Institut | Paul Wächter Berlin - Friedenau empfiehlt als Spezia- SS litäten seine > Mikroskope En, und = photogr Ohjektie, " Preislisten gratis und franko. Le ee In Ferd. Dümmlers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 12 erschien : Über geographische Ortsbestimmungen f: Ss 02 ohne astronomische Instrumente. NY Von } N\ ; Prof. Dr. P. Harzer, ON" ! Director der Herzoglichen Sternwarte zu Gotha. Mit einer Tafel. (Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik.) JLLPREISLISTEN NUR AN WIEDERVERKÄUFER wINST/ 53 Seiten Lex. 8°. — Preis 1.20 M. ER SA e Carl Zeiss, — Optische Werkstaette. Jena Mikroskope mit Zubehör. Mikrophotographische Apparate. Neue Doppelfernrohre für Handgebrauch. Astronomische Objective und astro- optische Instrumente. Cataloge gratis und franco. Verantwortlicher Redaeteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. -- Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. = ass Redaktion: nschaftliche Fo ng nufgiebt an weltum- fassendon Ideen und an locken- R. den Gebil'en der Phantasıe, wırd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichkeit, der ihre Schöpfungen schmückt. Schwendener. Rare Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. | Sonntag, den 13. März 1898. Nr. il. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Bringegeld bei der Post 15 „, extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Abdruck ist nar mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Der Vierteljahrspreis ist AM 4.— & | Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. 69. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braunschweig Ende September 1897. Wilhelm Waldeyer: Befruchtung und Vererbung. Alles Lebendige auf unserem Planeten, sei es Pflanze oder Thier, erscheint in besonderen Formgebilden als einzelne Geschöpfe, Individuen, oder als Verbände, Colonien soleher Individuen. Das Nichtlebendige, z. B. der Ackerboden oder das Wasser, tritt zumeist in ungeformten Massen uns entgegen. Indessen kann auch das Nichtlebendige in Form einzelner Geschöpfe auftreten; es sind dies die Krystalle. Jeder Krystall ist ein In- dividuum, ein Geschöpf für sich wie eine Pflanze oder ein Thier. Aber zwischen dem geformten Nichtlebendigen und dem Lebendigen, zwischen einem Krystall und einer Pflanze oder einem Thiere, besteht dennoch ein unge- heurer Unterschied, wenn wir auch davon absehen, dass der Krystall an sich unbeweglich ist, während in der Pflanze und beim Thiere Bewegungen stattfinden. Dieser Unterschied ist der — und er führt uns direct zu unserem Thema — dass der einmal entstandene Krystall sich nicht fortpflanzt, nicht seines Gleichen erzeugen kann, während die lebendigen Individuen dies thun, ja nur auf diese Weise das Lebendige auf der Welt sich überhaupt erhält. *) Soll ein Kıystall entstehen, so muss das Material, die Substauz, aus der er besteht, vorher in ungeformtem, und zwar in gelöstem, flüssigen Zustande gegeben sein; sind dann die sonstigen Bedingungen, die wir bei Weiten noch nicht alle kennen, vorhanden, dann entsteht der Krystall aus der Lösung in bestimmter Form als fester Körper. Dieser Körper kann auch wachsen, so lange er ruhig in seiner Mutterlösung bleibt und die sonstigen Be- dingungen seiner Bildung vorhanden sind. Ist der Krystall aber fertig, so unterliegt er weiter keinen Veränderungen, als denen, welche die ihn treffenden physikalischen und *) Vergl. jedoch Potoni& und Rauber „Kıystall und Organis- mus“ in „Naturw. Wochenschr.“ XII, S. 65. Red. chemischen Kräfte auf ihn ausüben. Bestände er aus einer schwer angreitbaren Substanz, wie z. B. ein Diamant- krystall, und schützte man ihn möglichst, so würde er in seiner Individualität bleiben, so lange überhaupt Substanz bleiben kann, d. h. für unsere Vorstellung unermesslich lange, rund gesagt: ewig! Betrachten wir dem gegenüber ein lebendiges Indivi- duum. Dasselbe ist niemals fertig, wie ein ausge- wachsener Krystall, niemals tritt für dasselbe ein Rubepunkt ein. Wenn wir auch z. B. einen mächtigen Eichbaum in säcularer Ruhe vor uns zu sehen vermeinen, so ist das nur scheinbar. Von dem Augenblicke an, wo er in seiner ersten Spur entstand, bis zu dem, in welehem das letzte Blatt von ıhm abfällt, das er überhaupt hervor- bringt, ist er in stetiger Veränderung begriffen, nicht in dem millionten Bruchtheile einer Secunde hat er Ruhe. Kein Mensch ist jemals in zwei auf einander folgenden Augenblicken seines Daseins genan derselbe! Und wenn diese Veränderung aufhört, dann ist das eben der Tod! Leben ist eine nach bestimmten, genau bemessenen Ge- setzen sich vollziehende, ununterbrochene Veränderung. Hierin liegt der eine gewaltige Unterschied zwischen den belebten und den unbelebten Individuen. Der andere liegt darin, dass das Lebendige sich immerfort unmittel- bar aus sich selbst weiter erzeugt, niemals aus Un- lebendigem, niemals auch aus einem ungeformten Le- bendigen, aus einemungeformten, organischen „Urschlamm“, wie man es wohl geglaubt hat, sondern immer direct von Form zu Form. So musste es auch sein, wenn das Lebendige er- halten werden sollte; die „Form“ ist’ eben für das Leben eine unbedingte Voraussetzung; sie kann daher auch nicht unterbrochen werden, wenn ein neues, lebendes Individuum entstehen soll. Und da die einzelnen Individuen sterben, so mussten, falls das Lebende erhalten werden sollte, sie 118 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. RI ENT Il. das Leben weiter geben, während und wie sie es be- sassen, d. h. sie mussten neue lebende Individuen er- zeugen. Jedes lebende Individuum musste also vom Augenblicke an, wo es entsteht — so will ich einmal kurz sagen — das Vermögen, die Keime neuer Individuen zu bilden, in sich bergen, die dann später nur frei werden, indem sie sich von dem Mutterindividuum ablösen. Also, um ein Beispiel zu gebrauchen, in einem Eichbaume sind in dem Augenblicke, wo er als Samen in die Erde ge- steckt wird, schon potentia die Keime für alle die Eich- bäume enthalten, die er etwa durch seine Eichelfrüchte hervorbringen kann. Wir nennen dies die Continuität des Lebens. Ist dem nun so, dann kann man im streugem Wortsinne auch nicht sagen, dass irgend ein lebendiges Individuum neu entstehe: es ist vielmehr in einem wachs- thums- und vermehrungsfähigen Keime immer schon da- gewesen. Wann das erste Leben entstand, wann das letzte enden wird, wer mag das künden? Genug, wie es jetzt ist, stellt es sich als eine in einzelnen Individuen in die Erscheinung tretende, gesetzmässig ablaufende Kette von Veränderungen dar, gleich einer mathematischen Functionsreihe. Wenn nun, um das Leben auf unserem Planeten zu erhalten, die einzelnen Lebewesen sich vermehren müssen, so geschieht das in zweifacher Weise: mit Befruchtung und ohne Befruchtung. Die Fortpflanzung ohne Be- fruchtung ist die einfachere. Sie vollzieht sich auf dem Wege der Theilung oder der Sprossung, welche letztere indessen nichts Anderes als eine abgeänderte T'hei- lung ist. Die „agame*“ Fortpflanzung, wie man die Fort- pflanzung ohne Befruchtung genannt hat, ist weitaus die häufigere; denn einmal ist sie, soweit bis jetzt bekannt, die ausschliessliche Vermehrungsform der niedrigst stehen- den Geschöpfe, der sogenannten „Spaltpilze* (Schizo- myceten), zu denen die Baecillen, Vibrionen, Bac- terien und Kokken gehören; weiterhin ist sie, wenn auch nieht die ausschliessliche, so doch die häufigste Vermehrungsform der übrigen Urpflanzen (Protophyten) und der niedersten Thiere, der Urthiere oder Proto- zoen, zu denen die Rhizopoden, Gregarinen und Infusorien gehören; drittens kommt sie, in der Form von Sprossung auch bei einer ganzen Reihe höherer Pflanzen und Thiere vor, und endlich ist sie die einzige Form, in der sich die Vermehrung der elementaren Körperbestandtheile sämmt- licher höheren Pflanzen und Thiere, Metaphyten und Me- tazoen, bis zum Menschen hinauf vollzieht. Wenn wir bedenken, dass wir ohne Zweifel erst einen sehr kleinen Theil der Schizomyceten, Protophyten und Protozoen kennen, dass diese Geschöpfe, also die niedersten Pflanzen und Thiere, sicherlich nicht nur an Zahl der Individuen, so dürfen wir ohne Bedenken annehmen, sondern auch an Zahl der Arten die höheren Geschöpfe weit über- treffen; wenn nun hinzukommt, dass die nach unausdenk- baren Billionen und Trillionen zählenden Elementarbe- standtheile sämmtlicher höheren Pflanzen und Thiere sich auch nur auf dem agamen Wege fortpflanzen: so leuchtet ohne Weiteres ein, dass dieser einfachere Weg der über- wiegend beschrittene ist. Es würde viel zu weit führen, wenn ich alle Einzel- heiten der agamen Fortpflanzung hier mittheilen wollte; so beschränke ich mich denn auf eine kurze Schilderung des einfachen Theilungsvorganges und lasse die Fort- pflanzung durch Sprossung und die merkwürdigen Fälle, in denen sich zeigt, dass auch schon höher organisirte Thiere, wie Quallen und Würmer, in mehrere Theile zer- schnitten werden können und jeder Theil doch wieder zu einem ganzen Thiere auswächst, bei Seite. Der einfache Theilungsvorgang kommt, wie wir von vorn herein festlegen wollen, nur bei den Elementar- organismen im Sinne Brücke’s vor. Theodor Schwan wies im Vereine mit Schleiden nach, dass sämmtliche Geschöpfe, seien es Pflanzen oder Thiere, die auf unserem Planeten existiren, existirt haben und existiren werden — entweder einfache Zellen sind, oder aus mehreren solcher einfachen Zellen zusammengesetzt sind. Jedes Geschöpf ist also entweder eine Zelle oder eine Zellencolonie, ein Zellenstaat. Die vorhin genannten Schizomyceten, wie das insbesondere Bütschli wahrschein- lieh gemacht hat, sicher aber die Protozoen, sind Ge- schöpfe, welche auf dem Stadium einfacher Zellen stehen, die isolirt geblieben sind, aber ein völlig selbständiges Leben führen. Treten mehrere solcher Zellen zusammen und bilden einen Verband, dann entsteht damit eine höhere Pflanze, Metaphyt, oder ein höheres Thier, Metazoon. Da die einzelnen Zellen kaum mit freiem Auge siehtbar sind*), so müssen die grösseren Geschöpfe, wie z. B. ein Baum, oder wir Menschen, aus unzählbaren Millionen von Zelleri bestehen. Klar ist ferner, dass, wenn ein solcher Zellenverband als einheitliches Lebewesen erscheinen und in Action treten soll, dann jede einzelne der Zellen, aus der er besteht, etwas von ibrer Selbständigkeit aufgeben muss, wie jeder Bürger eines wohlgeordneten Staates, Ein Vermögen aber bewahren die Zellen der Metaphyten und Metazoen, so lange sie jugendlich sind, fast alle, nämlich das der Fortpflanzung, und es ist nun wichtig zu eonstatiren, dass sowohl die einzelnen Zellen eines jeden höheren Organismus, wie auch die auf dem Stande einer einzelnen Zelle stehen gebliebenen Urpflanzen und Urthiere, sich ausnahmslos aut dem agamen Wege, durch Theilung oder Sprossung, ohne Befruchtung, fortpflanzen. Eine Einschränkung für eine grosse Anzahl der Protophyten und Protozoen, insbesondere für die Infusorien, melde ich hier gleich an; ich komme aber erst später darauf zurück. Wir müssen also nach dem Festgestellten sagen, dass die agame Fortpflanzung der einfachere Weg zur Unter- haltung des Lebendigen auf dieser Erde ist und offenbar auch der primäre, auf welchem der complieirtere Weg der Fortpflanzung durch Befruchtung als der seeundäre im Laufe der allmählichen Weiterentwicklung unseres Erdballes und seiner Bewohner erst gefolgt ist. Bei der agamen Fortpflanzung durch Theilung giebt es zwei Wege, einen einfacheren und einen ver- wiekelteren. Wir bezeichnen nach Flemming den ein- facheren Weg als die „amitotische“, den complieirteren als die „mitotische“ Theilung.**) Jede Zelle besteht aus zwei wesentlichen Theilen, dem Zellenleibe oder Zellkörper, und dem in diesem eingeschlossenen „Kerne“; dazu kommt sehr häufig noch ein sogenanntes „Kernkörperehen“, welches wieder in dem Kerne eingeschlossen ist. Endlich haben wir als. beständigen Zellenbestandtheil höchst wahrscheinlich noeh das Centralkörperchen, Centrosoma, welches von Edouard van Beneden entdeckt wurde. Der Weg der amitotischen Zelltheilung ist nun der folgende: Zuerst zerfällt das Kernkörperchen, falls es vorhanden ist, in zwei gleiche Hälften, dann der Kern, endlich der Zellenleib, dessen Substanz wir als „Proto- plasma“ bezeichnen. Jede Zellkörperhälfte enthält ihre Kernhälfte, diese wieder ihre Kernkörperchenhälfte. Weitere *) Wenigstens allermeist; bekanntlich kommen unter den PHanzen Organismen (z. B. Caulerpa) vor, die, viele em gross, doch nur aus einer einzigen Zelle bestehen. Red. ®#) Von dem griechischen Worte wuvzos = Faden. Der Names ist gewählt, weil bei der mitotischen Theilung ungemein charak- teristische Fadenfiguren in den Zellen und deren Kernen auftreten, wie aus der weiteren Beschreibung und aus den Figuren her- vorgeht. XI. Nr. besondere Erseheinungen nimmt man bei dieser Form der Theilung nieht wahr; sie ist seltener als die mitotische und scheint, so weit wir wissen, nur dann vorzukommen, wenn die betreffende Zelltheilung die letzte ist in der Reihe der gesammten Theilungen, welche sich im Lebens- gange einer Zelle abspielen, mit anderen Worten, wenn die beiden „Tochterzellen“, die aus der Theilung der Mutterzelle hervorgingen, sich nicht mehr weiter theilen, sondern nach kürzerer oder längerer Lebensdauer ab- sterben. Freilich müssen wir hier gleich wieder ein- sehränkend sagen, dass dies nur für vollkommen ausge- bildete Zellen höherer Thiere gilt; bei den niedersten Gesehöpfen, den Spaltpilzen, hat man bisher nur amito- tische Theilungen beobachtet, und zwar in unbeschränkter Folge. Für diese gilt also das eben Gesagte nicht. Ueberhaupt sind wir bezüglich des Verhältnisses der amitotischen Theilung zur mitotischen noch nicht im Klaren. Die mitotische Theilung ist, wie es scheint, der Fortpflanzungsweg der höher ausgebildeten Zellen, nament lich aller derjenigen, welche gut ausgebildete Kerne haben und sie ist die einzige, welche bei dem Befruchtungsvor- gange, bis jetzt wenigstens, beobachtet worden ist. Um die sonderbaren Erscheinungen der mitotischen Theilung oder der Mitose, wie man kurz sagt, zu ver- stehen, ist es nöthig, mit ein paar Worten der Zusammen- setzung der Zellenkerne zu gedenken. Man unterscheidet an ihnen eine äussere Hülle, die Kernmembran, dann eine netzförmig angeordnete, festere Substanz, das Kern- gerüst, mit dem Kernkör perchen, und eine mehr flüssige, welche die Maschenräume des Kerngerüstes ausfüllt, Kernsaft. Kerngerüst, Kernmembran und auch das Kernkörperchen haben in hohem Maasse, wie wir uns ausdrücken, „chromatophile Eigenschaften“, d.h. sie nehmen gewisse Farbstoffe, z. B. das Carminroth oder das Hä- matoxylinblau, den Farbstoff des Campecheholzes, sehr begierig auf und färben sich damit in kurzer Zeit intensiv roth oder blau. Diese schätzbare Eigenschaft ist es, welche uns die Erscheinungen der Mitose erst hat ent- decken und verfolgen lassen, und gegenwärtig ist die mikroskopische Färberei, welche 1858 zuerst von Anatomen J. v. Gerlach in Erlangen methodisch ange- wendet wurde, weit fortgeschritten und ausgebildet. Wir nennen diese sich leicht färbenden Substanzen der Kerne nach einem Vorschlage von Flemming „chromatische‘ und die übrigen „achromatische* Substanzen. Der Ablauf einer mitotischen Theilung ist nun kurz folgender. Zunächst sieht man das Centrosoma deutlich werden und in 2 Hälften sieh theilen; um diese Centrosomen tritt im Protoplasma der Zellen eine aus feinen Fäden bestehende, sonnenförmige „Strahlung“ auf, während das Zellprotoplasma in der nächsten Umgebung des Centro- somas selbst sich zu einem dunkler erscheinenden Hofe verdichtet; diesen Hof nennt man die Sphäre. Diese Bildungen sind in neuester Zeit insbesondere durch Boveri und Martin Heidenhain studirt worden; sie, also die Öentrosomen mit ihren Höfen, Sphären und Strahlungen, gehören zusammen und bilden nach der jetzt herrschenden Ansicht einen bei der Zelltheilung in Wirksamkeit treten- den mechanischen Apparat, worauf schon gleich Auffindung dieser Bildungen E. van Beneden wiesen hat. ; Während der Ausbildung dieses Apparates tritt nun die gesammte chromatische Substanz des Kernes, einschliesslich der des Kernkörperchens, zu einer Anzahl dieker, kurzer Fäden oder Stäbchen oder tönnchenförmiger Bildungen zusammen, wobei wenn alle ehromatische Substanz sich in diesen Bildungen sammeln soll — natürlich sowohl die Kernmembran wie den dem nach hinge- rundlicher, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 119 das Kernkörperchen, also das ganze frühere Bild des Kernes, verloren gehen muss. Diese Fäden, Stäbchen, Kugeln oder Tönnchen werden mit Rücksicht auf ihre enorme Wichtigkeit mit einem besonderen Namen, „Chro- mosomen“ belegt.*) Sehr beachtenswerth ist, dass jede Zellenart nur eme genau bestimmte Zahl von Chromo- somen, meist zwischen 2—24 wechselnd, entstehen lässt, die bei derselben Zellenart immer wiederkehrt. Zugleich mit der Bildung der Chromosomen kommt es zur Formirung einer aus feinen, den Strahlungsfäden gleichenden Fäden bestehenden Figur, der von F. Hermann sogenannten Centralspindel, deren Bildung, wie es scheint, innig mit dem Üentrosoma zusammenhängt, denn sie tritt auf, wenn das Centrosoma, wie es bei der mito- tischen Theilung geschieht, sich halbırt; die beiden so entstehenden Tochtercentrosomen findet man immer an den Polen der Spindel. Auch die Sphären hängen mit diesen Dingen eng zusammen. Spindel, Sphären und Centrosoma bilden, wie gesagt, ein zusammengehöriges Ganzes, ein besonderes Zellenorgan, welches mit grösster Wahrschemlichkeit als ein Bewegungsapparat der Zelle aufzufassen ist (Boveri, M. Heidenhain, Kostanecki). Um die Mitte (Aequator) der Spindel sammeln sich später die Chromosomen in bestimmter Ordnung. Die Summe dieser Erscheinungen bis zur Ausbildung der Spindel und der Anordnung der Centrosomen im Aequator der Centralspindel nennt man nach Strassburger Vorschlag die „Prophasen“. Für die so ungemein charakteristische, eben eeschilderte Figur, zu weleher die Prophasen führen, gebraucht man die ebenfalls von Strasburger herrührende Bezeichnung „Aequatorial- platte“ oder „Mesophase“; die gleich zu schildernden, gewissermaassen rückläufigen Vorgänge heissen wir „Ana- phasen* (Str asburger). Ungefähr im Stadium der Aequatorialplatte, also auf der Höhe der Situation könnte man sagen, spielt sich nun der wichtigste Vorgang der ganzen mitotischen Theilung ab, indem, wie Flemming entdeckte, jedes Ohromosom in zwei genau canz gleiche Hälften zerfällt, die Schwester- oder Tochterehromosomen. So wie dies geschehen ist, beginnt die rücklänfige Bewegung, die der Anaphasen, indem von den beiden Tochterchromosomen je eines und desselben Mutterehromosoms das eine zu dem einen Pole, das andere zu dem anderen Pole der Spindel, rückt. So häuft sich dann um die beiden Pole genau je die Hälfte der ehromatischen Substanz des Mutterkerns an; sie ist bestimmt die Grundlage für die beiden Tochter- kerne abzugeben, und man sieht leicht, dass auf dieses Ziel die ganze Reihe der Vorgänge hingerichtet ist. Was nun folgt, ist die Restitution der beiden Tochter- kerne zu ihrer gewöhnlichen Form und die Theilung des Zellleibes in die beiden Tochterzellen. Nach Kenntnissnahme der Vermehrung der Lebe- wesen auf dem agamen Wege, ist es leicht, wenigstens von den elementaren Vorgängen bei der von einer Be- fruchtung begleiteten "Vermehrung ein Verständniss zu gewinnen. Wir können gleich von vorn herein sagen, dass zwei Zellen zu einer Befruchtung nöthig sind; die beiden Zellen müssen mit einander verschmelzen; aus dieser Ver- schmelzung geht eine einzige befr uchtete Zelle hervor, die dann entweder selbst ein neues Individuum bildet, wie z. B. bei den Protozoen, oder, wie bei den höheren Pflanzen und höheren Thieren bis zum Menschen hinauf, ein solches aus sich hervorgehen lässt, indem sie sich weiterhm in rascher Folge agamisch, durch suecessive Theilung, vermehrt, so lange, bis ein fertiges Geschöpf =) Ein von Waldeyer eingeführter Terminus. Red. 120 daraus hervorgegangen ist, derselben Art, wie die, von der die beiden in der Befruchtung verschmolzenen Zellen — wir nennen sie „Geschlechtszellen* — stammen. Wir wir aus dem eben Gesagten ersehen, müssen wir wieder, obwohl der Befruchtungsvorgang im Wesent- lichen derselbe bleibt, zweckmässig zwischen den Protozoen und den Metazoen unterscheiden. Die einfacheren Vor- gänge finden wir naturgemäss bei den Protozoen; aber es ist auch sehr wichtig für die Auffassung des Wesens der Befruchtung ein wenig eingehender bei den Processen, wie sie sich bei den Protozoen abspielen, zu verweilen. Ich schicke noch vorauf, dass wir die beiden Geschlechts- zellen bei den höheren Thieren und Pflanzen, da sie ver- schiedenen Charakter zeigen, von einander unterscheiden und sie mit verschiedenen Namen belegen; wir nennen die eine die „männliche Geschlechtszelle“ oder „Spermie“, die andere die „weibliche Geschlechtszelle“, die „Ei- zelle“ oder kurz das „Ei“ (Ovum). Da sämmtliehe Protophyten und Protozoen selbst nur einzelne, zu besonderen Individuen gewordene Zellen sind, so kann man selbstverständlich hier nicht von besonderen Geschlechtszellen, von Spermien und Eizellen, sprechen. Es ist nun hochinteressant zu sehen, wie auch hier die Natur einen Befruchtungsvorgang schafft. Der einfachste Weg ist der seit langer Zeit gekannte Vorgang der Verschmelzung zweier Individuen der- selben Art zueinem. Wenn wir uns daran erinnern, dass jedes dieser beiden Individuen nur den Formenwerth einer einzigen Zelle hat. und sich ein solehes Individuum von dem anderen nicht unterscheidet, so müssen wir folge- richtig schliessen, sobald wir eine derartige Verschmelzung als einen Befruchtungsaet ansehen wollen — und wir müssen dies sonder Zweifel thun —: dass das Wesen der Befruchtung in der Verschmelzung zweier homologer, d. h. gleichartiger Zellen bestehe. Man hat lange gezweifelt, ob man die einfache Ver- schmelzung „Uonjugation* zweier Protozoen oder Proto- phyten als einen Befruchtungsaet ansehen solle; aber man kann die Berechtigung dazu nicht verkennen, wenn man einen Vergleich mit den unzweifelhaft als solchen anerkannten Befruchtungsvorgängen zieht, und wenn man sieht, wie meist auf eine solehe Conjugation rasch eine Theilung des conjugirten Organismus in eine Anzahl kleiner junger Organismen derselben Art, die dann bald zur definitiven Grösse heranwachsen, erfolgt. Hierdurch wird ja dann auch die Verminderung der Zahl der Ge- schöpfe der betreffenden Art, welche entstehen musste, wenn sich zwei Individuen zu einem einzigen conjugiren, alsbald wieder aufgehoben und zu einer Vermehrung umgestaltet. Weit interessanter aber ist der früher von Th. W. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. i XIII. Nr. 11. Engelmann, neuerdings von R. Hertwig und Maupas studirte Befruchtungsakt bei anderen Protozoenarten, ins- besondere bei den Infusorien, und ich komme hiermit auf die „Einschränkung“ zurück, welche ich bei der Er- wähnung, dass die agame Fortpflanzung bei den Ein- zelligen ausschliesslich vorkomme, gemacht habe. Wir sehen hier zwei Infusorien derselben Art sich einander nähern, wobei die Kerne der beiden Individuen in eine für jede Art bestimmte Anzahl von Stücken zer- fallen, die sich wie die vorhin geschilderten Chromo- somen verhalten. Daun legen sich diese Individuen an einander, und es bildet sich zwischen ihnen eine Proto- plasmabrücke aus. Durch diese Brücke hindurch tauschen sie einen Theil ihrer Chromosomen aus, während ein anderer Theil ihrer Kernmasse zu Grunde geht. Ist das geschehen, so entfernen sie sich wieder von einander, und bald beginnt nun jedes dieser beiden Individuen sich zu theilen. Nun wolle man wohl Folgendes merken: Viele Male vielleicht theilt sich ein Infusorium A ohne Spur eines voraufgegangenen Be- fruchtungsvorganges; es resultirten dann aus A, sagen wir, die 2 Individuen A, und A,, von denen jedes die Hälfte von A ist, aber wieder zur Grösse von A heranwächst; dann theilt sich jedes A, wieder in A, und A,, jedes A, dann wieder in A, und A, und so fort, bis endlich — sagen wir beliebig — ein A,, mit einem B;, oder auch mit einem der Descendenten von A, etwa einem Ay,s, den Befruchtungsaet eingeht, während andere A-Descendenten sich noch ohne Befruchtung weiter theilen. Jedenfalls ersehen wir daraus, dass schon bei den einzelligen Geschöpfen — bei den Protozoen sicherlich, bei den Schizomyceten ist es noch nieht beobachtet worden — obwohl diese Einzelligen sich auf dem Wege der agamischen Theilung vermehren können und in der That vorzugsweise auf diesem Wege sich vermehren, dennoch von Zeit zu Zeit eine Befruchtungstheilung sich dazwischen schiebt und wahrscheinlich auch dazwischen schieben muss, damit die Art erhalten bleibe. Ich füge noch an, dass wir bei den niedersten Algen, den Zygnemaceen, einer Abtheilung der Conjugaten, Fälle finden, wo die beiden conjugirenden Zellen sich völlig gleich verhalten, indem sie sich beide einander entgegen bewegen und in der Mitte des Weges, den sie zurück- zulegen haben, in dem sogenannten Copulationskanale, sich vereinigen (Monjoetia), während bei anderen (Spirogyra) die eine Zelle ruhig in ihrer Cellulosehülle bleibt, in der eine Oeffnung (Copulationscanal) sich gebildet hat, während die andere Zelle sich durch den Copulationscanal zu ihr hinbewegt. Hier haben wir offenbar die ersten Spuren einer Differenzierung in weibliche und männliche Zellen vor uns. (Fortsetzung folgt.) Ueber die Beständigkeit der Bienen theilt G. W. Ord in den Trans. nat. Hist. Soc. Glasgow Vol. 5, Pt. 1 3eobachtungen mit. Die Ansicht, dass eine Biene auf einem Fluge immer nur eine Pflanzenart besuche, ist dem- nach nieht ohne Weiteres zutreffend. 30 °%, der beob- achteten Bienen wechselten die Pflanze; aber nur die Minderzahl konnte lange genug beobachtet werden, um einen sicheren Schluss zu ziehen. Besonders häufig wechselten die Bienen zwischen verschiedenen Arten einer Gattung, so z. B. eine Hummel zwischen den 3 Geum- Arten bei 13 Besuchen 7 Mal, oder zwischen verwandten Gattungen, wie zwischen Caltha pulustris und Ranunculus fiearia bei 17 Besuchen 4 Mal. Besonders häufig waren die Wechsel in Gärten, so besuchte eine Honigbiene Cytisus racemosus 2 Mal, Primula obeonica 1 Mal, Tre- mandra ericetata 1 Mal, eine rosa Eupatorium 2 Mal, eine weisse ebenfalls 2 Mal, u. s. f., Leguminosen, Primulaceen, Compositen, gelbe, röthliche, weisse, purpurne Blumen durcheinander. Eine Hummel flog von einem rothen Tro- paeolum zu einem gelben (hier 2 Besuche) wieder zu einem rothen, zu einer Viola, zweimal zu einem rothen Tropaeolum, 1 Mal zu einem gelben und wieder 2 Mal zu einem rothen u. 8. w. — 0. fasst seine Beobachtungen zu folgenden Ergebnissen zusammen: 1. Die Mehrzahl der Bienen scheint constant zu sein, aber fast alle ge- nügend lang beobachteten waren es nicht. 2. Wenige Bienen scheinen den Versuchungen eines Gartens wider- stehen zu können. 3. Die Honigbiene scheint ebensowenig beständig zu sein als die Hummel. 4. Die bemerkens- werthesten Fälle von Beständigkeit wurden beobachtet RIIRENGEIIE bei Weide, Linde, Haidekraut, Bingelkraut (Mereurialis), Günsel (Ajuga), 5. Wechsel waren "besonders häufig, wo nahe verwandte Pflanzen zusammen stehen. Von hoher Wichtigkeit ist diese Unbeständigkeit der Biene für die Kreuzung der Pflanzen. So fand O. an dem Platze, wo er-früher den Wechsel der Hummel zwischen den Geum- Arten beobachtet hatte, später alle Stadien der Bastardirung zwischen G. rivale und G. urbanum; und aus dem Samen der oben erwähnten rothen und gelben Tropaeolum z0g er viele Pflanzen mit gemischten Farben. Reh. Die Herkunft des Flohes war bisher schwer zu er- mitteln. Nun entdeckte neuerdings F. Dahl (Zool. Anz., 20. Bd., 1897, S. 409) in seinen aus dem Bismarckarchipel stammenden Fängen eine Fliege, die den Phoriden an- gehörig ist, also einer Familie, die sich den Museiden anschliesst, und deren bekanntester deutscher Vertreter die sogenannte Faulbrut der Bienenstöcke hervorrufen soll. Sie ist flügel- und schwingenlos und ähnelt schon darum dem Flohe. Dahl nennt sie Pulieiphora lucifera. Fühler, Mundtheile, Beine und weibliche Gesch lechts- organe gleichen denen der Phoriden, aber ausser dem Mangel der Flügel und Schwingen zeigt die inter- essante Form einen stark rückgebildeten Brusttheil und gleichfalls wenig entwickelte Augen. Der Hinterleib trägt oben glänzende, dunkle Chitinplatten. Die Farbe des Thieres ist gelbbraun, oben fast schwarzbraun. Die Weibchen messen 3/, bis 1!/, mm, die Männchen etwa °/, mm. Als Köder für Pulieiphora diente ein todter Vogel; das Thier fand sich auch auf der nach Aas riechenden Blüthe der Aroidee Amorphophallus. C. Mft. Ueber die Herkunft der Hirsche. — Der Natur- wissenschaft ‚stehen, sofern. sie den Stammbaum Hirsche ergründen will, verschiedene Wege der Forschung offen. Die althergebraebte Methode ist die, durch Ver- gleich der Skelette lebender und ausgestorbener Ver- treter des Hirschgeschlechtes den verwandtschaftlichen Zusammenhang dieser Thiere nachzuweisen. Die mo- derne Zoologie hat noch ein anderes Mittel zur Verfügung. Seitdem Eimer in Tübingen nachgewiesen hat, dass die Anordnung der Zeichnungsmerkmale bei den T'hieren einer ganz bestimmten Gesetzmässigkeit unterworfen ist, sodass die einzelnen Merkmale an bestimmten Körperstellen sich bei verwandten Thieren aufeinander beziehen lassen, giebt uns diese Erkenntniss einen weiteren Schlüssel zur Er- schliessung stammesgeschichtlicher Fragen in die Hand. Unter unseren Hirscharten zeigt nun allerdings nur der Damhirsch (Cervus dama L.) im ausgewachsenen Zu- stande eine Zeichnung in Form von weissen Flecken im Sommerkleid, während bei ihm im Herbst die hellen Flecken von den länger werdenden und dunkle Spitzen erhaltenden Haaren bedeckt werden, sodass sie erst im nächsten Sommerpelz zum Vorschein kommen. Der Edel- hirsch (C. elaphus L.) und das Reh (C. capreolus L.) tragen dagegen nur im Jugendkleid eine weisse Fleck- zeiehnung. Diese Thatsachen gestatten uns Schlüsse über den genetischen Zusammenhang dieser Thiere. Eimer wies nach, dass als älteste Zeichnungsform die Längs- streifung zu betrachten ist, aus welcher dureh Auflösung dieser Längsstreifen in Flecken die Fleekzeichnung und durch Zusammenlaufen der einzelnen Flecken nach vertikaler Richtung hin die Querstreifung entstandt. Diese Zeichnungsformen schliessen sich einander nicht aus, so- dass z. B. auf dem Körper eines Thieres noch eine An- zahl von Längsstreifen vorhanden sein können, während an bestimmten Körperstellen die Zeiehnung schon den der. Naturwissenschaftliche Wochensehrift. 121 Charakter von Flecken zeigt. Es ist, wie die Unter- suchungen dieses Forschers klargelegt haben, im All- gemeinen der Fall, dass neue Zeiehnungscharaktere zu- erst bei den Männchen auftreten, während Weibchen und Junge noch auf dem vorhergehenden Stadium der Zeich- nung verharren. Von diesem Gesichtspunkte aus müssen wir die Zeiehnungslosigkeit des erwachsenen Edelhirsches und des Rehes als später erworben betrachten, während ihre Jungen in Bezug auf Zeichnung auf einem früheren Zustande der Entwiekelung verharren. Letzterem schliesst sich der Damhirsch sogar im ausgewachsenen Lebens- alter an. Wollen wir nun die übrigen Vertreter des Hirschgeschleehtes von diesem Standpunkte aus in unsere Betrachtung ziehen, so lohnt es sich, vorher einen Blick auf die Verbreitungsverhältnisse dieser Thiere zu werfen. Eine Reihe namhafter Zoologen nimmt an, dass die Ent- stehung der Landfauna ihren Weg von dem Norden der Erde nahm und sich von hier aus nach Süden bis in die entlegensten Endpunkte der Continente und auf die in den Meeren zerstreut liegenden Inseln erstreckte. An- genommen nun, diese Hypothese ist richtig, so müssen noch heute in den Südspitzen der Continente und auf den südlich gelegenen Inseln die genetisch ältesten Landthiere leben, ferner müssen diese Thiere, was ihre Zeichnung anbelangt, auf älteren Stadien verharren, als die Be- wohner des Nordens. Beides ist im der That der’ Fall! Kehren wir nun zu den Hirschen zurück, so ergiebt sich Kr „diese, dass die weiter südlich lebenden Arten wie 2. Cervus axis Erxl. aus Ostindien und den be- en Inseln, ©. poreinus Gmelin von Bengalen, C. Alfredi Gray von den Philippinen und Andere im Alter wie in der Jugend gefleckt sind. Das Zeichnungskleid ist für die Farbenpracht süd- licher Vegetation ‚geeignet, es bietet den Trägern den Vortheil dureh Auflösung des Gesammteindruckes ihrer Körpergestalt in der Gegensätzlichkeit-»von Schatten und Licht des tropischen Waldes zu verschwinden, um vor Feinden gesichert zu sein. Je weiter nach Norden hinauf, um so farbloser und eintöniger wird die Umgebung, desto geringer auch das Schutzbedürfniss nach einem Zeichnungskleid für die Thiere. So haben denn die Hirscharten nördlicher und gemässigter Gegenden im ausgewachsenen Zustande die Zeichnung verloren, während ihre Jungen durch ihr Zeichnungskleid auf einem früheren Stadium 'verharren und damit hindeuten, dass in vorhergehenden Erdperioden ihre Heimath an Klima und Vegetation einen südlichen Charakter hatte. Hiermit stehen die F orschungsergebnisse der Geologen in Einklang, welche auf ein entschieden wärmeres Klima von tro- pischer und subtropischer Beschaffenheit in unseren Breiten hinweisen. Als sich später, besonders nach der diluvialen Eiszeit, unsere heutigen Klimazonen heraus- bildeten, sahen sich. viele Thiere gezwungen, sich auch in ihrer Zeichnung diesen Verhältnissen anzupassen: sie wurden ihrer Zeichnung verlustig und nahmen ein schlicht- gefärbtes Kleid an, welches zu der Umgebung passte. Manche folgten nach Abzug des Eises diesem bis in die Regionen des Nordens hinein. Als solche nenne ich unter den Hirscharten das Renthier und den Elch, welche als Charakterthiere des Nordens auch im Jugendkleid keine Spur von Zeichnung tragen. — Dass nun der Damhirsch, wie oben erwähnt, auch im Alter Zeichnung hat, wird aus der Lage und Beschaffenheit seiner eigentlichen Heimgebiete erklärlich. Letztere sind erwiesenermaassen die Mittelmeerländer bis an den Nord- rand der Sahara hinab, von wo aus er sich nach Norden verbreitete. Aber auch für unseren Edelhirsch lässt sich meiner Ueberzeugung nach die Einwanderung aus dem Süden 1 D) +) 774 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XUIFN: IE auf Grund der Zeichnung nachweisen: Der den Nordrand von Afrika bewohnende, sich über Marokko, Algier und Tunis verbreitende Berberhirsch (Cervus barbarus), welcher keineswegs allseitig vom Edelhirsch als besondere Art abgetrennt wird, trägt im Sommerkleid eine Fleckzeich- nung. Ich halte ihn für eine Localform des Edelhirsches, welehe unter dem Einfluss südlicher Umgebung noch auf einem früheren Stadium in der Zeichnung verhartt. Alexander Sokolowsky in Zürich. Ueber die Fortpflanzung der europäischen Schlangen machte R. Rollinat der Societe de Biologie de France auffallende Mittheilungen (C. R. vom 15. Jan. 1598). Während man nämlich allgemein annimmt, dass die Paarung im Frühjahre stattfindet, konnte R. wenigstens für 2 Arten feststellen, dass sie schon im Hochsommer, bezw. Herbst paaren. Bei der Vipernatter (Tropidonotus viperinus) bleibt, wenn das Ei den Eierstock verlässt, seine Hülle als bräunlicher Fleck zurück, der erst im nächsten Januar oder Februar verschwindet, so dass man bis dahin feststellen kann, ob eine Schlange im voran- gegangenen Jahre trächtig war. Auch sind die Eileiter soleher Weibehen dieker und undurehsichtiger als die von Weibchen, die noch nieht trächtig waren. Im No- ‘ vember oder December fand nun R. bei allen den Weib- chen, die im Juni oder Juli vorher geboren hatten, in den Eileitern grosse Mengen von Sperma, das sehr viele völlig lebendige Spermatozoen enthielt. Da sich bei den im August untersuchten Weibehen noch kein Sperma fand, konnte die Begattung also nur kurz vor dem Winter- schlaf, im October oder November, stattgefunden haben. Bei den Weibchen, die sich zum ersten Male fortpflanzen, scheint dagegen thatsächlich die Paarung im März oder April vor sich zu gehen. Die Samenleiter der Männchen erwiesen sich sowohl im Frühjahr als im Herbst von Sperma mit sehr vielen Spermatozoen erfüllt. — Bei der glatten Natter, Coronella laevis, kann man ebenfalls an den bräunlichen Eihüllen im Eierstock und an der Anschwellung der Eileiter an den Stellen, wo die Eier gelegen und sich entwickelt haben, noch mehrere Monate lang erkennen, ob ein Weibehen trächtig war. Hier fand R. sehon Ende August oder im September, bald nachdem die Weibchen geboren hatten, eine ungeheure Menge von Spermatozoen in den Eileitern, als Beweis, dass die Paarung um diese Zeit stattgefunden hatte. Die Männchen ergaben denselben Befund wie die der Vipernatter. Anknüpfend hieran versucht E. Trouessart eine Erklärung für die Verzögerung der Entwickelung im Winter bei einigen Thieren zu geben. Bis jetzt kennt man diese Erscheinung von der Mehrzahl unserer Fleder- mäuse, dem Reh und den beiden oben senannten Schlangen. Alle diese Thiere sind unzweifelhaft süd- lichen Ursprungs, wie denn auch unsere nordischen Thiere zum Theil im Winter ihre Paarung haben oder wie Bär, Dachs und Wolf, im Winter gebären. Als jene Thiere nach der Eiszeit wieder aus den südlicheren Ländern bei uns einwanderten, erlaubte ihnen der Wechsel der Jahres- zeiten nicht die Innehaltung ihres geschlechtlichen Rhyth- mus. Während sie früher zweimal im Jahre Brunst hatten, hat sich jetzt nur noch die herbstliche, nach dem warmen, nahrungsreichen Sommer, erhalten. Während Fleder- mäuse und Schlangen sieh durch den Winterschlaf an unser Klima angepasst haben, das Reh sogar soweit, dass es den Winter im Freien übersteht, ist jene Er- scheinung der Entwiekelungs-Hemmung als eine unvoll- kommene Anpassung an unser Klima zu betrachten. Reh. ee ee ee ee EEE I en a m a Die Frage nach der Bedeutung der Farbe der grünen Austern ist schon mehrfach beantwortet worden, wenn auch nicht immer genügend. Es steht wohl fest, dass die Ursache der gelegentlichen Grünfärbung der be- liebten Weichthiere nieht stets dieselbe ist. Bekannt sind die grünen Austern von Marennes (Nieder-Charente), die sich ohne Frage in gesundem Zustande befinden. Eine mit grüner Färbung verbundene Erkrankung untersuchten nun kürz- lich genau R. Boyce und W. A. Herdman in Liver- pool (Proe. Roy. Soc. London, Vol. 62. 1897, S. 50). Die der Art Ostrea edulis zugehörenden Marennesaustern sind blaugrün; die von den Genannten untersuchten ge- hören zu O. virginiea und zeigen eine bleiche, erbsengrüne Farbe. Sie waren nach Liverpool eingeführt, und bei Fleetwood ausgesetzt worden. Das Integument, nament- lich das des Mantels, wies zahlreiche grüne Flecken und Streifen auf, die Blutbahnen, namentlich die der Ober- fläche der Eingeweide, waren in abnorıner Verfassung, und das Herz war voll von grünen Leucocyten. Diese letztgenannten Zellen, die körnig und amöboid sind, sind die Träger der abnormen Farbe. Man kann also die Austernkrankheit, die hier vorliegt, als grüne Leucoeytose bezeichnen. Auch die grünen Flecken des Mantels werden von Ansammlungen ausgewanderter Leucoeyten hervorgerufen. Chemische Analysen ergaben, dass die grünen Austern 3 bis 4mal so viel Kupfer enthielten, als weisse, sowie dass der Kupfergehalt den grünen Körper- theilen zukam. Zu dem gleichen Ergebniss führten miero- chemische Untersuehungen. Diese Leucoeytose, die sich in abnormer Gefässerweiterung und Leucocytenansamm- lung kundthut, ist demnach mit einer auf degenerativer Reaction beruhender Kupferbereicherung der Leueoeyten verbunden. Es entspricht die letztere der Eisenbereiche- rung in Fällen von Haemorrhagie, pernieiöser Anaemie und dgl. Schwierig ist die Frage, wie das Kupfer aufge- speichert wird. Wahrscheinlieh werden die äusserst ge- ringen Mengen dieses Metalles, die bei dem Stoffwechsel den Körper durchlaufen und sich im Haemoeyanıin vor- finden, durch einen gestörten Stoffumsatz zurückgehalten und in den Leucoeyten angesammelt. Es spielt das Kupfer neben dem Eisen offenbar eine Rolle in der Blut- physiologie der Austern. C. Mff. Ueber die Lebensdauer der Baeteriensporen macht F. Miquel in den „Annales de Mierographie“ 1897, S. 199 ff. interessante Mittheilungen. Am 20. Mai 1881 entnahm der Genannte dem Parke von Montsouris eine Portion Erde aus einer Tiefe von 20 Centimetern. Er troeknete dieselbe zwei Tage lang bei 30°, pulverisirte sie und brachte sie in sterilisirte Gefässe, welche er ver- siegelte und in einem dunkeln Raume aufbewahrte. Beim Einsammeln der Erde enthielt dieselbe 6 500 000 Bacterien per Gramm, nach der Pulverisation war die Zahl auf 3920000 gesunken. Im letzten Mai, also nach 16 Jahren, wurden die Röhren geöffnet und ihr Inhalt untersucht. Da ergab sich, dass auf 1 Gramm Erde immer noch 3583 000 Bacterien kamen, darunter war auch der Baeillus von Nieolajev, dessen Gegenwart Miquel vor 16 Jahren schon eonstatirt hatte. Meerschweinchen, denen eine Dosis dieser Erde eingeimpft wurde, erkrankten nach zwei Tagen an Tetanus. S. Sch. In den Berichten der Deutschen Chemischen Ge- sellschaft 30, 2220 hat Emil Fischer Mittheilungen „Ueber das Triehlorpurin“ gemacht. Während die beiden isomeren, längst bekannten Methyloxydichlorpurine dureh Erhitzen mit Phosphoroxychlorid und Phosphor- pentachlorid in die entsprechenden Trichlorverbindungen XII. Nr. 11. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 123 verwandelt werden, trifft diese Reaction für das 8-Oxy-2 - 6-diehlorpurin nur unter ganz besonderen Bedingungen | Das Phosphorpentachlorid wirkt hier direet schäd- | ein. lich, und Phosphoroxychlorid führt nur zum Ziel, wenn bei sorgfältiger Regulirung der Temperatur seine Menge sehr gross und seine Wirkung auf das Oxydichlorpurin durch häufiges Schütteln erleichtert wird. Aus der Bildungsweise könnte man für das Triehlor- purin mit gleichem Rechte die beiden folgenden Structur- formeln aufstellen: N—-C.0 N—=C . Cl OISGE ICE INH ElsCH CaN | GC | C-q N—C-N N—-C - NH Methylirt man das Trichlorpurin, so entstehen gleich- zeitig die beiden bekannten Methyltrichlorpurine: N—-C. Cl N—C . Cl | | | Cl. 6 C:N-CH, und >61. CT CN | | | | >C . Cl N—C:N N—C.N.CH, so dass die Frage, welche von beiden oben aufgeführten Strueturformeln dem Triehlorpurin zukommt, durch die Methylirung keine Lösung findet. Die Annahme, dass das Trichlorpurin ein Gemisch der beiden isomeren Formen ist, verwirft Fischer, da es ihm nieht gelungen ist, beim Trichlorpurin oder bei den Amino- und Oxyderivaten isomere Formen zu isoliren; seiner Meinung nach handelt es sich hier um einen Fall der Tautomerie, der am meisten an die von H. v. Pech- mann studirten Erscheinungen bei den Amidinen erinnert. Der Einfachheit halber schlägt Fischer vor für das Triehlorpurin nur folgende Formel: N==Ö0 . Cl | | CiHCHEC NH | C.Cl N— G=N und ebenso für Xanthin und Adenin nur die Formeln HN—-CO N-GHNHRS NZ IWF. CO CG.NH BO GENE | I —=>CH | | (al NH-C.N N— 6 zu gebrauchen. Darstellung und Eigenschaften des Trichlorpurins. Erhitzt man fein gepulvertes 8-Oxy-2 - 6-diehlorpurin unter häufigem Durchrühren mit der 7Ofachen Gewichts- menge Phosphoroxychlorid im Einschlussrohr im Oel- bade auf 150—155°, so resultirt schliesslich eine klare Lösung; verdampft man dieselbe im Vakuum, so hinter- bleibt ein Rückstand, der beim Schütteln mit Wasser krystallinisch wird. Die Krystalle werden auf der Saug- pumpe abgesaugt und mit Aether ausgelaugt; nach dem Verjagen des Aethers erhält man eine krystallinische Masse, die grösstentheils aus Triehlorpurin besteht und aus heissem Wasser in feinen, farblosen Blättchen kry- stallisirt. Von seinen Methylderivaten unterscheidet sich das Triehlorpurin scharf durch seine saure Natur, es bildet mit den Metallen und mit Ammoniak ziemlich- beständige Salze. — | Stunde auf 60—70°. Verwandlung des Trichlorpurins in 8-Oxy-2 - 6-dichlorpurin. Erwärmt man fein gepulvertes Triehlorpurin mit der 30fachen Menge 20 procentiger Salzsäure zum Sieden, so: löst es sich, und nach einer halben Stunde ist die Reaction beendet. Schon nach kurzer Zeit beginnt die Krystallisation der Verbindung, fügt man dann noch das gleiche Vo- lumen Wasser hinzu, so scheidet sich das Oxydichlorpurin nahezu in quantitativer Ausbeute ab. Methylirung des Trichlorpurins. Man löst 5 gr Triehlorpurin in 22,5 eem Normal- kalilauge (1 Mol.), giebt 3,5 gr Jodmethyl (etwas mehr als 1 Mol.) hinzu und erwärmt das Gemisch im Einschluss- rohr unter beständigem Schütteln im Wasserbade 21/, Schon während des Reactionsver- laufs schied sich das Methylderivat krystallinisch ab; es wurde zunächst abfiltrirt, zur Reinigung mit verdünnter Natronlauge behandelt, abermals abgesaugt, mit Wasser gewaschen und dann mit Aceton ausgelaugt. Der Rück- stand, ein Gemisch aus 7-Methyl- und 9-Methyltrichlor- purin, krystallisirt aus Alkohol in kleinen Nädelchen, die unregelmässigen Schmelzpunkt 145—165° zeigten. Der Nachweis der beiden isomeren Methyltrichlor- purine wurde durch Verwandlung in die entsprechenden Harnsäuren geführt. Beim vierstündigen Erhitzen mit der zehnfachen Ge- wichtsmenge Salzsäure s—1:- 19 auf 125° gehen die Chlorverbindungen vollständig in die Harnsäure über. Verdampft man zur Trockene und kocht den Rückstand mit Wasser aus, so geht 7-Methylharnsäure in Lösung, während 9-Methylbarnsäure hinterbleibt. Zur völligen Identifieirung wurde die 9-Methylharn- säure noch durch Phosphoroxycehlorid und Phosphorpenta- chlorid in das 9-Methyl-S-oxy-2 - 6-diehlorpurin und die 7-Methylharnsäure in Sarkosin übergeführt. Dr. A. Sp. Die Auswitterungen an Ziegeln und Ziegelmauer- werk sind in doppelter Beziehung eine höchst unliebsame Erscheinung. Einmal beeinträchtigen sie das schöne Aus- sehen eines sonst durch verschiedene Färbung der Steine und Ornamentik kunstvoll wirkenden Gebäudes und zwei- tens üben sie auf das Mauerwerk einen direct zerstörenden Einfluss. Ueber diesen Gegenstand hat H. Günther im Archiv des Vereins der Freunde für Naturgeschichte in Mecklenburg 1897, Jubiläumsband S. 101, eine Unter- suchung, theils nach litterarischen Studien, theils nach eigenen Versuchen veröffentlicht unter dem Titel: „Unter- suchungen über Auswitterungen an Ziegeln und Ziegel- mauerwerk, deren Ursachen und Verhütung.“ Die Ausblühungen am Mauerwerk können pflanz- licher und mineralischer Natur sein. Die pflanzlichen sind bedingt durch kleine Algen, die aber ausschliesslich an hellgefärbten Steinflächen auftreten, während dunkle Stellen freibleiben. Ihre Bedeutung tritt gegen den mine- ralischen Ausschlag ganz in den Hintergrund. Letzterer besteht aus verschiedenen Salzen, von denen die Sulfate, und unter diesen wieder das Glaubersalz, in überwiegen- dem Maasse in Betracht kommen. Bezüglich der ver- schiedenen Möglichkeiten, wie das Glaubersalz in das Mauerwerk gelangt, stellt G. folgende Uebersicht auf: A. Auswitterungen aus dem Mauerwerk. I. Aus dem Ziegel: 1. im Rohthon enthalten, 2. während der Fabrikation geführt, 3. während des Brennprocesses entstanden: durch Wasser zu- 124 a) aus den Aschenbestandtheilen der Stein- kohle, b) aus dem Schwefelkies der Steinkohle, e) aus dem Schwefelkies des T’hons. II. Aus dem Mörtel: 1. Infiltration löslicher Bestandtheile in die Ziegel, 2. chemische Umsetzung der Alkalien des Mörtels mit dem Gypsgehalt der Steine. B. Auswitterungen aus der Umgebung des Mauerwerks. 1. Aufsaugen von Salpeter aus dem Boden, 2. Aufnahme von Ammoniak und Ammoniaksalzen aus der Luft und Umwandlung in Nitrate. 3. Entstehung von Trona aus Kochsalz in der Nähe des Meeres. Dass die meisten zur Ziegelfabrikation benutzten Thone lösliche Salze und unter diesen besonders Sulfate ent- halten, ist festgestellt; während das bei der Herstellung der Ziegel verwendete Wasser wohl kaum im Stande ist, den Thon wesentlich mit Salzen anzureichern. Als Haupt- quelle für die Bildung der Ausblühungen sieht man aber allgemein das Brennen mit Steinkohlen an und zwar be- sonders wegen des Schwefelkiesgehaltes derselben. G. hat jedoch andererseits sich auch durch eigene Versuche überzeugt, dass häufig der Schwefelkiesgehalt des Thons noch mehr in Betracht kommt als der des Brennmaterials. An manchen Auswitterungen ist der Mörtel schuld. Ausblühungen, die in frischen Mauern aus den den Mörtel- fugen benachbarten Ziegelkanten hervortreten, bestehen grösstentheils aus kohlensaurem Kalk, gebildet durch den aus dem Mörtel austretenden Aetzkalk, der durch CO,- Aufnahme unlöslich wird. Besonders wichtig ist für die Entstehung des Ausschlags das Zusammenwirken von Mörtel und Mauerwerk. Ersterer enthält häufig, wie ge- sagt, kohlensaure und Aetzalkalien, letzteres schwetel- sauren Kalk. Diese Chemikalien treten nun derart in Wechselbeziehung, dass die aus dem Mörtel in die Ziegel eintretenden Alkalien den Gyps zersetzen und Alkalisulfat bilden, das dann mit der Feuchtigkeit nach aussen tritt. Die Glaubersalzausscheidung, die übrigens auch an Sandsteinquadern auftritt — so z. B. am Polytechnikum in Charlottenburg —, bewirkt nun zugleich den soge- nannten Mauerfrass. Die eigenthümlichen Löslichkeits- verhältnisse des Glaubersalzes bedingen, dass es bald an die Oberfläche der Steine tritt, bald wieder zurück, und dabei kıystallisirt es bald aussen, bald in den Poren der Steine. Dieses beständige Hin- und Herwandern mit gleichzeitiger Kıystallisation muss natürlich einen ver- witternden Einfluss auf das Mauerwerk ausüben. Wo eine Auswitterung einmal Platz gegriffen hat, ist sie kaum unschädlich zu machen. Ueberziehen der Steine mit Theer, Wasserglas, Oelfarbe ete. hat wenig Nutzen, da solche Ueberzüge bald springen. Auch künst- liche Reinigungsversuche an den Ziegeln vorzunehmen, ist entweder zwecklos oder zu kostspielig. Zur Verhin de- rung der Ausblühungen bleibt also nichts übrig als ihr vorzubeugen. Hierzu sind Zusätze von Barytverbin- dungen zum Thon vor seiner Verarbeitung zu empfehlen, da diese eine unlösliche Sulfatverbindung geben. Die frühere Methode, den Thon vor der Verarbeitung auf- zugraben und der Einwirkung der Atmosphärilien zu überlassen, wobei während dieses „Auswinterns“ die Sul- fate durch Regen ausgewaschen werden, ist heutigen Tages zu umständlich und zeitraubend. Sch. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 11. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ausserordentliche Professor der Chemie is Bonn Dr. Richard Anschütz zum ordentlichen Professor; der ausserordentliche Professor der Botanik in Heidelberg Dr. Askenasy zum ordentlichen Professor; Dr. M. GräfinvonLinden zum stellvertretenden zweiten Assistenten am zoologischen Institut in Tübingen; Dr. Maquenne zum Professor der Pflanzenphysio- logio am Musee d’histoire naturelle in Paris; Franeis Ramaley zum ausserordentlichen Professor der Botanik an der University of Colorado; Dr. Abelous zum Professor der Physiologie in Toulouse; Dr. F. Stanley Kipping zum Professor der Chemie am University College Nottingham; J. G. Luechmann zum Re- gierungs-Botaniker von Vietoria als Nachfolger des verstorbenen Freiherrn Ferd. von Müller. Es habilitirten sich: Der erste Assistent am physikalischen Institut der technischen Hochschule in München Dr. Fischer daselbst für Physik; Dr. Weberbauer aus Landeck für Botanik in Breslau; Dr. Pagel in der medizinischen Fakultät zu Berlin. In den Ruhestand tritt: Der Director der Pflege-Anstalt in Zwiefalten (Württemberg) Dr. J. L. A. Koch. Es starben: Der ehemalige Professor der Chemie an der technischen Hochschule in Dresden Geheimer Hofrath Dr. Rudolph Wilhelm Sehmitt zu Radebeul in der Lössnitz; der Professor der pathologischen Anatomie an der thierärztlichen Hochschule zu Hannover Dr. Christian Rabe; der Bakteriologe Dr. Max Dahmen in Krefeld; der ausserordentliche Professor der Derma- tologie in Budapest Dr. Ernst Schwimmer; der Zoologe Samuel A. Miller in Cincinnati; der Mathematiker Rev. ©. L. Dodgson in Oxford; der Professor der Physik am Wor- cester Polytechnie Institute Alonzo S. Kimball; der Botaniker P.B. L.Verlot in Verriöres-les-Brusson; der französische Forscher Bazin. Deutschen 14., 15. und der aın Die VIII. Allgemeine Versammlung Meteorologischen Gesellschaft finder 16. April 1898 in Frankfurt a. Main statt. Beim Westpreussischen Provinzial-Museum soll zum 1. April er, eine neue Kustodenstelle mit dem Anfangsgehalt von 1800 M. jährlich eingerichtet werden. Junge Naturhistoriker, die in Museumsarbeiten geübt sind und, neben guten allgemeinen naturgeschichtlichen Kenntnissen, ein specielles Fachwissen in der Zoologie oder Geologie besitzen, wollen ihr Gesuch nebst Lebenslauf, unter Beifügung ihrer Veröffentlichungen, gefälligst bald dem Unterzeichneten einreichen. Danzig, den 28. Februar 1898. Conwentz, Direetor d. Provinzial-Museums. Litteratur. Albrecht Rau, Empfinden und Denken. Eine physiologische Untersuchung über die Natur des menschlichen Verstandes. 8°, 241), Bogen. Verlag von Emil Roth in Giessen. 1396. — Preis 8 Mark. Im Allgemeinen hat es seine Richtigkeit, dass die mittelalter- lichen Anschauungen in der Wissenschaft ausser Geltung ge- kommen, Spuren davon zeigen sich aber allemal, wo das Gebiet erweisbarer Thatsachen verlassen und die Erklärung aus bloss gedanklichen Constructionen hergenommen wird. Derlei Rück- fälle in die Scholastik bleiben unter solchen Umständen auch bei geflissentlicher Abkehr von derselben nieht aus, wie beispielsweise bei Descartes, der wohl die ptolemäische Deutung der Stern- bahnen verwarf, das eopernicanische System jedoch nicht an- nehmen mochte und für die Bewegung der Himmelskörper eine Menge stetig wirksamer „Wirbel“ ersann, für die kein Nachweis zu geben war. Ein volles Jahrhundert nach Entdeckung des Blutumlaufs durch Harvey verhielten sich zahlreiche Hoch- schulen ablehnend dagegen und huldigten dem altehrwürdigen Aristotelismus. Erst das vorige Jahrhundert räumte in dieser Hin- sicht gründlich auf, aber die mit Beginn des unsern empor- gekommene Romantik brachte aristotelische Anschauungen auch in der Physiologie wieder zu Ehren, und zwar in der noch heute vielfach festgehaltenen Lehre von den specifischen Ener- gien der Sinnesorgane. Von dem seiner Zeit hochverdienten Physiologen Johannes Müller begründet, hat sie sich bei seinen an verschiedenen Hochschulen wirkenden Schülern erhalten, wiewohl die Ergebnisse | unbefangener Forschung jene Lehre in jeglicher Weise wider- legen. Es lag daher nahe, dies Verhältniss eingehender zu unter- suchen, und das hat, mit eben so viel Scharfsinn wie Gründlich- keit, vor einiger Zeit Albrecht Rau geleistet in seinem bisher nieht genügend gewürdigten, obengenannten Buche. XII. Nr. 11. Nach dem Gesetz der speeifischen Energien der Sinnesorgane sind alle Empfindungen, das heisst der ganze Act des Auffassens von Aussendingen, lediglich ein innerhalb der Nerven verlaufender Process, bedingt durch die den Nerven angehörende besondere „Substanzialität“, worin ihre Lebendigkeit bestehe. Unsere Em- findungen seien Leitungen eines Zustandes unserer Nerven ins Den nieht die Uebermittelung von auf sie einwirkenden Zuständen und Verhältnissen von auswärts. Das was entsteht, wenn Reize auf den Nerv treffen, ist die speeifische Empfindung. In dieser Wirkung soll aber die Natur des Reizes gänzlich unter- gegangen sein: die Nerven bilden aus den mechanischen An- stössen, nämlich aus den anschwirrenden Reizen, etwas vollkommen Neues, welches dem Objecete der Empfindung unvergleichbar sei. Die Empfindungen, so wird gelehrt, seien keineswegs abhängig von der Natur der Reize, irgend welche Uebereinstimmung zwischen Lieht und Lichtemfindung, zwischen Schall und Schall- empfindung bestehe durchaus nicht. Die Sinnesempfindung als solche, heisst es ausdrücklich, entsteht erst in den Sinnsubstanzen, diese sind es, welche die in allen Nerven gleichartige Erregung überhaupt erst in Sinnesempfindung übersetzen und dabei, je nach ihrer Natur, als Träger der „specifischen Energien“ die Qualität erzeugen. Ohne Seh- und Gehörsinnsubstanz wäre diese farben- glühende, tönende Welt um uns her finster und stumm, und finster, stumm und eigenschaftslos ist die Welt auch für die durch ob- jeetive Betrachtung gewonnene mechanische Anschauung. Alle diese Behauptungen sind, wie es Rau vortrefflich dar- legt, ebensoviele Verstösse gegen das Grundverfahren echter Naturforschung, so weit es ihre Aufgabe ist, den ursächlichen Zusammenhang in den ihr zur Erklärung vorliegenden That- sachen zu erweisen. Im Causalgesetz wird behauptet, dass die Summe der Ursachen die Natur der Wirkungen bestimme, be- ziehentlich dass jeder daran betheiligte Umstand auch in der Wirkung zur Geltung gelangen müsse und nicht darin vernichtet werden könne. Wenn nun aber die Nerven, wie es die be- treffende Schule lehrt, aus den Reizen etwas machen, was diese an sich gar nicht sind, so ist die Leistung der Nerven offenbar eine spontane oder autonome, in Wahrheit also eine Schöpfung aus nichts, und es ist überhaupt nicht einzusehen, was Reize mit der Empfindung zu thun haben. Das Gesetz der speeifischen Energien, so folgert der Autor ganz richtig, steht mithin in Wider- spruch mit dem Gesetz der Causalität. Die Thatsache, dass wir vermittelst der entsprechenden Sinnesnerven hören, sehen, riechen, schmecken, tasten u. s. w. damit erklären, dass jede dieser Funetionen durch einen specifischen Nerv besorgt werde, der mit eben dieser Functionsfähigkeit ausgerüstet gedacht werden müsse, damit gelangt man zweifellos nicht einen Schritt über das zu erklärende Phänomen hinaus: es werden nichts als nutzlose Cirkelbewegungen um dasselbe vollführt, und das Problem als solches bleibt unerklärt wie vorher. Und es kann dies nicht anders sein, weil besagtes Gesetz, wie vorliegende Untersuchung unabweisbar darthut, auf echt aristotelischen Voraussetzungen ruht: jede der zu erklärenden Thätiekeiten wird aus einem der betreffenden Sinnesfunetion eigenthümlichen „Vermögen“ abge- leitet, das wissenschaftlich genau so viel bedeutet, wie die seiner Zeit von Moli&re verspottete Formel der damaligen Scholastik in der Heilkunde: Opium erzeuge Schlaf kraft seiner einschläfernden Eigenschaften. Aus der phantastisch speculativen Grundlage der Aristotelik emporgewachsen, hat sich das Gesetz von den speeifischen Sinnesenergien zu einem Dogma verknöchert, das noch heute lähmend auf die physiologische Denkweise wirkt. Und doch fand diese Lehre, sofort nach ihrer Verkündigung, entschiedenen Ein- spruch seitens hervorragender Vertreter der Physiologie. Zunächst hatte Alfr. Wilh. Volkmann in Halle auf die Unhaltbarkeit jener Lehre angesichts zweier wichtiger Thatsachen hingewiesen: dass nämlich Erzitterungen der Luft, welche im Gehörorgan ein Tönen veranlassen, keineswegs auch als Sehvorgang im Auge sich geltend machen, wogegen dieses Organ wiederum eine Ver- schiedenheit der Empfindungsqualität in der Wahrnehmung von Farben zeige, für welche nach besagter Lehre ebensoviele specifische Nerven anzunehmen wären. In ihrer Richtigkeit wurden diese Einwände in der inzwischen siegreich vorgedrungenen Entwieckelungslehre bestätigt, welche die Abhängigkeit der speci- fischen Nerven von dem Vorhergehen und fortwährenden Vorhanden- sein derihnen entsprechenden Reizeunwiderleglich nachgewiesen hat. In gleicher Richtung hatte sich auch Georg Herm. v. Meyer in Tübingen gegen jene Lehre erklärt und ihr entgegen gehalten, dass, was sie für speeifische Energien ansehe, in einem chronischen Reizzustande der Nerven bestehe, bedingt durch dieandauernde Wirk- samkeit von Reizen und einer ihnen entsprechenden Aufnahme- thätigkeit der die Reize zuleitenden Sinnesapparate. Die spe- eifischen Sinnesnerven sind durchweg an Organe gebunden, geeig- net, die Reize aufzunehmen oder concentrirt einwirken zu lassen: durch die verschiedenen Eindrücke, welehe die einzelnen Organe ihnen zuführen, müssen die einzelnen Sinnesnerven, theils vor der Geburt, theils nach derselben, kräftig angeregt und in einen Naturwissenschaftliche Wochenschrift. m itrreret resreer eeee 125 starken Reizzustand versetzt werden, welcher dann bestimmend für das ganze Leben einwirkt. Alle wahrhaften Fortschritte in der Physiologie führen so nothwendig zu einer Widerlegung des Müller’schen Gesetzes von den Sinnesenergien, dass die bedeutsamste Leistung auf diesem Gebiete, die Lehre der Tonempfindungen von Helmholtz den lurfolg ihrer Untersuchungen lediglich dem gewichtigen Umstande verdankt, auf einer jenem Gesetz durchaus entgegengesetzten Grundlage zu ruhen. Dass ihr Urheber, selbst der mehrgedachten Schule angehörend, den Bann ihrer falschen Grundanschauung durchbrochen hat, ohne sich dessen wahrhaft bewusst zu sein, zeigt sich sowohl in einzelnen den eigenen Einsichten wider- streitenden theoretischen Ausführungen, wie auch in dem sonstigen Verhalten, welches Helmholtz hinsichtlich der übrigen Sinne, darin den Müller’schen Anschauungen treu bleibend, zur Richt- schnur gehabt. In der Lehre von den Tonempfindungen ist aber, wie dies durch Rau in überzeugender Weise ausser Zweifel ge- stellt wird, die aristotelisirende Auffassung, dass die Reize im Acte der Empfindung untergehen und diese selbst eine spontane Neuschöpfung der Nerven sei, völlig aufgegeben. Für Helmholtz besteht ein strenger Causalzusammenhang zwischen den Klang- reizen und den im Gehörorgan ausgelösten Empfindungen. Auf rein pbysikalischen Voraussetzungen aufgebaut, hat die Lehre von den Tonempfindungen darin ihre wissenschaftliche Gewähr, dass sie das erfüllt, was eine wahrhafte Erklärung allein zu einer solehen macht: ein bestimmtes Faetum als durch ganz allgemein stattfindende Vorgänge bedingt nachzuweisen. Während auf dem Standpunkte der Müller'schen Hypothese die Klangempfindung als speeifische Leistung der Gehörnerven gilt, welches aus dem mechanischen Material etwas vollkommen Neues, seinem Wesen nach nicht weiter zu Erklärendes macht, weil keine causalen Be- ziehungen zwischen Aussen- und Innenwelt, zwischen Mechanis- mus und Organismus als vorhanden gedacht werden, führt Helm- holtz die Verschiedenheit in der Qualität des Klanges auf die Verschiedenheit der Qualität der anatomischen Gebilde zurück, welehe der Aufnahme von Schallreizen angepasst sind. Die Funetion der Gehirnnervenfasern besteht nur darin, dass sie die empfangenen Reize zum Gehirn leiten, wo sie bewusst werden; und hiernach kann den Fasern der Gehörnerven eine specifische Energie garnicht einwohnen. ‘Alle Sinnesnerven insgesammt haben die eine gleichartige Function, empfangene Reize so zu leiten, wie sie ihnen überliefert werden. Hier eröffnet sich uns ein Einblick in das Hauptergebniss der Untersuchungen Raus, wie es der Titel seines Buches angiebt. Das Ursprüngliche alles Auffassens und Erkennens liegt für den Autor im Empfinden, das unbedingt als das Primäre anzusehen ist; aus dem Vergleichen gehabter Sensationen geht erst das Denken hervor, sich zu den höheren Operationen wie Urtheilen und Schlüssen mit der umfassenden Schöpfung der Begriffe empor- bildend. Unser Intelleet kann nur verknüpfen, was in irgend einer Anschauung oder Empfindung wurzelt; kann diese wichtige Vorbedingung nicht herbeigeschafft werden, so fehlt auch jedes wahrhafte Verständniss. Eben dieser Mangel kennzeichnet die Lehre von den speeifischen Sinnesenergien: die Empfindung als einen eigenartigen Vorgang bestimmend, zerreisst sie den Zusammen- hang mit den Aussendingen, auf deren Erfassen alles Erkennen als solches nothwendig abzielt. Für die naturforschliche Denk- weise ist die Natur ein einheitliches Ganzes, und demnach münden auch die Untersuchungen unseres Autors in das grosse Problem aus, das Empfinden als einen den allgemeinen Beziehungen der Dinge unter einander entsprechenden Vorgang darzulegen. Weil Helmholtz dieser wichtigen Thatsache bei seinen Untersuchungen über die Tonempfindungen, gleichviel ob bewusst oder unbewusst, Rechnung getragen, ist diese seine Leistung echt wissenschaftlich, frei von jeglicher Scholastik. Bei so entschiedener Herausforderung an die Müller’sche Schule muss das von ihr aus bisher beobachtete Schweigen mit Recht befremden. Innerhalb der nahezu zwei Jahre seit dem Er- scheinen dieses ebenso durch die Reichhaltigkeit des herangezogenen Stoffes wie durch die Gediegenheit der Beweisführung ausgezeich- neten Buches ist ihm gebührende Beachtung innerhalb physio- logischer Fachkreise lange nicht zu Theil geworden, und das, wiewohl von eompetenter Seite erklärt worden: der deutliche Umsturz der Müller’schen Lehre, ihre bewusste Ersetzung durch die Lehre von den adäquaten Organen und indifferenten Nerven die grösste Umwälzung in den physiologischen Grund- anschauungen seit Harvey darstellen würde.*) Im rein sachlichen Interesse wäre eine Discussion zweifellos erwünscht, zunächst dem Autor selbst. dem es lediglich um das Ermitteln der Wahrheit zu thun ist. Ich greife nur an, äussert er einmal, um möglicher Weise widerlegt za werden, da die Wahrheit mir auch dann liebenswerth erscheint, wenn ich ihr nicht nahe- *) Fr. Rubinstein, in „Deutsche Medieinal-Zeitung“ 1896 No. 77 und 78. 126 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 19% gekommen wäre und das Suchen nach ihr mir nur Unangenehimes eingetragen hätte und noch ferner eintragen würde. So liess er sich vor bereis vierzehn Jahren vernehmen in einem Werk, das gegen scholastisches Treiben auf einem anderen Gebiete der Naturforschung gerichtet war. Damals hatte er die moderne Chemie, wie sie im Gegensatz zu der von Berzelius begründeten exaeten Richtung vorwiegend als Structurchemie ge- pflegt wird, zum Gegenstande seiner kritischen Erörterungen ge- macht.) Von diesen namentlich auch in erkenntnisstheoretischer Hinsicht bedeutsamen Untersuchungen hat sich aber die Structur- chemie nicht abhalten lassen, ihre atomistischen Luftschlösser flott weiter zu bauen, darum völlig unbekümmert, welchen mittelalter- lichen Aristotelismus sie damit betreibt. Solche Scheu vor einer eingehenden Auseinandersetzung zeugt wahrlich nicht zu Gunsten des Ansehens, dessen sich die angegriffene Partei einstweilen noch rühmen darf. Mag auch das Vorherrschen der vom Autor als irrig bezeichneten Ansichten hier und betreffs der ebenso scho- lastischen Lehre von den specifischen Sinnesenergien für einige Zeit noch gefristet sein, schliesslich werden sie doch den Ergeb- nissen echter Forschung weichen müssen. Und darauf hin sagen wir mit unserm Autor: eine Wahrheit, die einmal ausgesprochen, kann in ihrer Entwickelung und Verbreitung gehemmt werden; aber aus der Welt geschafft wird sie nie — das ist der Trost für diejenigen, welche nichts suchen als die Wahrheit.**) Prof. Dr. Wilhelm Bolin in Helsingfors (Finland.) Felix von Luschan, Beiträge zur Völkerkunde der deutschen Schutzgebiete. Erweiterte Sonderausgabe aus dem „Amtlichen Bericht über die erste deutsche Kolonialausstellung“ in Treptow 1896. Mit 48 Tafeln und 46 Textabbildungen, Berlin, Verlag von Dietrich Reimer, (Ernst Vohsen) 1897. Als im Jahre 1896 die erste deutsche Kolonialausstellung in Treptow bei Berlin stattfand, unterzog sich Professor v. Luschan der‘ ethnographischen Untersuchung des ausgestellten lebenden und todten Inventars. Von dem darüber erstatteten amtlichen Be- richt liegt dank der opferwilligen Liberalität des Verlegers eine sehr erweiterte Sonderausgabe vor, die nur in einer beschränkten Anzahl Exemplare gedruckt in erster Linie für die Fachgenossen bestimmt sein soll. Das ganze Werk zerfällt in zwei Theile. Im ersten (S. 5--43) beschäftigt sich der Verfasser mit der physischen Anthropologie, in dem zweiten (S. 44—83) mit der Ethnologie der ausgestellten Völkerschaften. — Nach einem besonderen, von ihm seit bereits 2 Dezennien erprobten Schema hat er die Leute gemessen und be- schricben. Im ganzen unterzog er aus der Togogruppe 16 Männer, aus der Kamerungruppe 11 Duallamänner, 2 Weiber und 4 Batanga- jungen, aus der Südostafrikagruppe 4 Hottentotten und 5 Herero, aus der Wasswahiligruppe 11 Männer, 2 Frauen und 2 Mädchen, aus der Massaigruppe 8 Männer, 5 Frauen und 4 Jungen und endlich aus der Gruppe der Neu-Britannier 7 Männer und 1 Jungen der Messung. Weil das Untersuchungsmaterial immerhin nur spärlich vorhanden gewesen ist, vermeidet Verfasser aus demselben vor- eilige Schlüsse zu ziehen; er hofft indessen, dass seine Messungen und Beschreibungen, denen man gewiss eingehende Sorgfältigkeit nachrühmen kann, späteren Forschern von Nutzen sein werden. Die gemessenen Leute und einzelne der Messung nicht zugänglich gewesene Togofrauen werden uns in ausgezeichnet gelungenen Liehtdruckbildern auf 20 Tafeln und einigen Textbildern vorgeführt. Im ethnographischen Theile giebt Verfasser eine Beschreibung der ausgestellten Gegenstände und knüpft an einzelne derselben, die ein weitergehendes Interesse beanspruchen, mehr oder weniger eingehende vergleichende Bemerkungen. Aus Togo verdienen ua. a. Beachtung 2 Puppen, eiserne Daumenringe zum Bogen- spannen, einige Fetische und ein paar Haussa-Toben; die letzteren *) Albr. Rau, Die Theorien der modernen Chemie, Heft 1 bis 3, Braunschweig 1877—84. **) Es ist bedauerlich, dass Herr Rau nicht Richard Avenarius berücksichtigt hat, um so mehr, als Herr Rau sich doch im grossen Ganzen in der gleichen Richtung bemüht. Die beiden Grund- thatsachen, auf denen sich die Avenarius’sche Philosophie der reinen Erfahrung aufbaut — nämlich erstens die strenge Be- schreibung des Vorgefundenen ohne scholastische Zuthaten (also Wiedergabe der gesichteten reinen Erfahrung) und zweitens die Einsicht, dass als Vorgefundenes, als reine Erfahrung uns allemal sich eine Beziehung (Relation, Koordination oder wie man es sonst nennen will) zwischen Ich und Umgebung bietet, bei der beide Glieder völlig gleichwerthig sind und eine unzertrennliche, unauflösliche Einheit bilden, — kehrt auch in der Rau’schen Auf- fassung, nur nicht völlig geklärt, wieder. Die Auffassung der Natur als einer geschlossenen Einheit, die Abneigung gegen eine Zerreissung des Zusammenhangs der Ich-Vorgänge mit den Aussen- dingen und weiterhin die gegen scholastische, einseitige Deutungs- versuche u. a. m. findet seine beste Begründung und Sicherung in der Avenarius’schen Philosophie. Für d. Red.: M. K. werden vom Verfasser ausführlicher behandelt. Aus Kamerun finden besondere Erwähnung Thonpfeifen und Stühle der Bali und ein eigenartiges Schnitzwerk der Bakunda. Aus Ostafrika lag eine besonders reichhaltige Sammlung vor; als besonders werthvoll hebt Verfasser Boote aus Uganda und Mrima, sowie Flechtmatten der Sswahili, gelegentlich deren Beschreibung er sich mit der Wandelung der menschlichen Figur auf denselben, sowie mit Schriftbändern im "allgemeinen beschäftigt, hervor. Eine Inschrift findet sich auch auf einer Sswahili-Trommel. — Die Sammlungen aus den deutschen Besitzungen in der Südsee geben ihm Veran- lassung in etwas eingehender, gleichsam monographischer Dar- stellung über einige ethnographische Probleme, wie die Wurf- hölzer, die Kopfbänke, die Nasenflöten, die Technik bei der Durchbohrung von Tridaena-Scheiben, über Masken u. a. m. sich auszulassen. Der kurze Raum, der hier uns vergönnt ist. erlaubt nicht eine Wiedergabe im einzelnen der zahlreichen Beobachtungen und vielseitigen Anregungen, die Verfasser bietet. Es soll ja auch nur die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf das für die Kenntniss von unseren Kolonien so bedeutende Werk hingewiesen werden, zu dessen Gelingen Verfasser und Verleger in gleicher Weise beigetragen haben. 48 wohlgelungene Lichtdrucktafeln mit ca. 350 Einzelabbildungen, sowie 46 Abbildungen im Text sind der erläuternden Beschreibung beigegeben. Buschan-Stettin. Die Fauna des Balatonsees, herausgegeben von der Balatonsee- Commission der Ungarischen Geographischen Gesellschaft. — Wien 1897. Commissionsverlag von Ed. Hölzel. Im Jahre 1891 begann die Ungarische Geographische Ge- sellschaft mit Unterstützung verschiedener Behörden und mit privater Beihilfe die wissenschaftliche Durchforschung des, Bala- tonsees, der ausserhalb Ungarns als Plattensee bekannt ist. Die Resultate der Untersuchung des grössten ungarischen Sees, welchen in Europa nur 3 russische und 3 schwedische Seen an Oberflächenausdehnung übertreffen, wurden von der Plattensee- Commission in 3 Bänden herausgegeben, von denen der 2. Band, betitelt: „Die Biologie des Balatonsees und seiner Umgebung“ im ersten Theile die Fauna des Balatonsees behandelt. Dieser Theil, 261 Seiten umfassend, mit 153 Textfiguren, enthält eine Einleitung mit Beschreibung neuer Sammelgeräthe mit allgemeinen Be- trachtungen über die Fauna und einem Gesammtverzeichniss der gefundenen Arten von Dr. Geza Enz, der specielle Abhandlungen über Protozoen von Raoul France, über Schwämme und Hydren von Eugen Vangel, Turbellarien von Dr. Carl Szigethy, Nema- toden von Dr. Eugen von Daday, Rotatorien von Dr. Eugen von Daday, Moosthiere von Dr. E. Vangel, Anneliden von Dr. E. Vangel, Fischparasiten von Dr. Stephan v. Rätz, Crustaceen von Dr. E. v. Daday, Hydrachniden (Wassermilben) von Dr. von Daday, Mollusken von Dr. v. Daday und K. Branesik, Fische von Dr. v. Daday, Amphibien und Reptilien von Professor Ludwig von Mehely und Vögel von Dr. Alexander von Lovassy folgen. Die neuen Netze, welche zur Verwendung kamen, sind ein eylindrisches und ein verschliessbares Grundnetz. Das erstere ist ein einfaches Netz aus Seidengaze, das innen durch ein Cylinder- netz von weiterer, aussen durch eins von engmaschiger Drahtgaze vor Zerreissen geschützt ist. Das Schliessnetz, ebenfalls aus Seiden- gaze, hat halbkreisförmige Oeffnung, in deren Randplatte aus Messing durch 2 Scharniere eine Fallthür eingelenkt ist. Sie wird durch besonderen Strick beliebig angezogen, hat Führung durch 2 bewegliche Messingstäbe und schliesst das Netz beim Aufziehen desselben durch ihre eigene Schwere. Beide Apparate sollen sich gut bewährt haben. Allerdings ist das Fischen im Plattensee verhältnissmässig leicht, da er sehr flach ist. Trotz seiner Oberflächenausdehnung von 650 Okm ist er an den tiefsten Stellen nicht über IO m und im Durchschnitt nur 3 m tief. Es ist daher zu verstehen, dass die Ufer- und Grundfauna reich entwickelt ist und dass sich in der Planktonfauna ein Gegensatz zu kleineren und tieferen Seen zeigt, der wohl durch die starke Erwärmung des Wassers im Plattensee während des Sommers bedingt ist. Die 58 limnetischen Arten, welche ange- führt werden, sind nieht besonders charakteristisch. Der Gegen- satz beruht vielmehr darauf, dass mehrere typische Plankton- thiere im Plattensee fehlen. Auffallend ist z. B., dass kein Dino- bryon gefunden wurde, dass unter den Räderthieren Conochilus Synehaeta, Triarthra und Diurella vermisst werden, dass ferner Traehelius ovum, Staurophrya elegans, Bosmina coregoni, B. gibbera, B. longispina und Bythotrephes longimanus dort fehlen. Im Ganzen wurden 38 Fischarten, 31 Mollusken, 5 Bryozoen, 1 Gastrotricha, 88 Würmer, 35 Räderthiere, 72 Crustaceen, 16 Hy- drachniden, 8 Coelenteren und 191 Protozoen gefunden, von denen 7 Protozoen, 16 Würmer, 4 Crustaceen, 2 Hydrachniden, also 29 Arten und 3 Varietäten bisher nicht bekannt waren. Die Protozoenfauna erwies sich weniger von klimatischen Verhältnissen als von der Bodenbeschaffenheit und dem Pflanzen- „die Bryozoe an. XI HNGSIE wuchs abhängig. Die Coelenteren setzen sich aus 3 Hydren und 5 Schwammarten zusammen, darunter die indische Spongilla Carteri, welehe sonst in Europa nicht vorkommt und wahrscheinlich irgendwie eingeschleppt wurde. An Hydrachniden ist der Plattensee nach der bisherigen Untersuchung nicht so reich wie die kleineren nord- deutschen Seen. Von kleinen COrustern sind charakteristisch, weil in grossen Mengen vorhanden: Oyelops tenuicornis, Cyelops Leuckartii, Diaptomus gracilis, Daphnia kahlbergensis. Daphnella brachyura und Leptodora hyalina. Asellus aquaticus und Gamma- rus pulex sollen im grossen Balatonsee vorkommen, sind aber' selten, während sie in den als „kleiner Balatonsee“ bezeichneten Zipfel ziemlich häufig erscheinen. Astacus leptodaetylus, früher sehr gemein, war in Folge einer Epidemie zur Zeit der Unter- suchung richt zu finden. Ausser ihm kommen vielleicht noch Astacus fluviatilis und Astacus saxatilis im. Plattensee vor, da die Fischer 3 Krebsarten unterscheiden. Die Rotatorien sind im kleinen Balatonsee nur dureh Ufer- formen, im grossen auch durch pelagische Arten vertreten. Go- stützt auf das Auftreten zu verschiedener Zeit hält von Daday es nicht für ausgeschlossen, dass Anuraea aculeata sich in Anuraea eochlearis, A. eochlearis eventuell in Anuraea tecta oder Änuraea eurviecornis umwandeln kann. Von Würmern sind 11 Turbellarien, 10 Hirudineen, darunter der echte Blutegel (Hirudo medicinalis), welcher jedoch nur im kleinen Balaton vorkommt, ferner 11 Oligochaeten, 39. Nematoden und 17 Parasiten vorhanden. Am meisten ist von den letzteren anscheinend der Zander (Fogasch) geplagt, der werthvollste Fisch, welehen 6 verschiedene Arten dieser Würmer bewohnen. Die Bryozoen steigen wahrscheinlich nicht in grössere Tiefe als 2 m herab. Fredericella sultana kommt regelmässig mit Spongilla ver- gesellschaftet vor, nimmt die Farbe des Schwammes -an und ist “ daher schwer zu erkennen. Die Spongie siedelt sich später als Den Grund des Zusammenwohnens vermuthet Vangel darin, dass Fredericella dadurch weniger bemerkbar wird, während der Schwamm von der Wasserbewegung durch die Bryozoe Vortheil hat. Von den Fischen sind Barbus fuviatilis, Anguilla vulgaris, Aceipenser ruthenus, Rhodeus amarus, Gobius marmoratus, Spiri- linus bipunctatus, Cobitis taenia, Nemachilus barbatulus und Umbra Krameri als gelegentliche Gäste zu betrachten. Zur Ueberwinterung erscheinen Gobius fluviatilis und Gobius urano- scopus. Pontischen Charakter des Sees bedingen Gobius marmo- ratus, Lucioperea volgensis, Lueioperca sandra und Pelecus eul- tratus, die alle den nicht zur Donau gehörigen westeuropäischen Seen, ebenso wie Astacus leptodactylus, fehlen. Als.an und im.See vorkommend werden endlich noch 4 Sala- mander, 10 Frösche und Kröten, 7 Schlangen, 6 Echsen, eine Schildkröte (Emys orbieularis L) und 74 Vogelarten erwähnt. Die ganze Fauna giebt keinen Anhalt für die Hypothese, dass der Plattensee ein Relietensee sei, was mit den neueren geo- logischen Forschungen übereinstimmt. Vanhöffen. . Adolph Wüllner, Lehrbuch der Experimentalphysik. 5. viel- fach umgearbeitete und verbesserte Auflage. Ill. Band. Die Lehre vom Magnetismus und von der Elektrieität. Mit einer Einleitung Grundzüge der Lehre vom Potential.‘ Mit 341 Abbildungen. B. G. Teubner. Leipzig 1897. Das eminente Nachschlagebuch umfasst in der Neu-Auflage des vorliegenden 3. Bandes nieht weniger als 1415 Seiten. Es ist nicht nur wesentlich und überall verbessert worden, sondern es ist auch mancherlei hinzugekommen. Ganz neu ist besonders ein Kapitel über die Lehre von den elektrischen Schwingungen. Die Grundzüge der Lehre vom Potential nehmen jetzt — in dem bekannten Format — 42 Seiten ein, der Magnetismus S. 43—175, die Reibungselektrieität S. 176—474, der Galvanismus $S.475—919 und der 4. Abschnitt „Die Wirkungen des Stromes ausserhalb des Stromkreises“ den Schluss ein. Ein Vergleich dieser Umfänge init denen der 4. Auflage weist schon rein äusserlich auf die ein- greifenden Veränderungen hin. Dass das Werk in keiner einiger- maassen ausgestatteten physikalischen Bibliothek fehlen darf, brauehtnieht betont zu werden; wir wollen aber bei’der klaren Vor- führung der ausserordentlichen Fülle des Gebotenen in Verbindung mit dem bemerkenswerth billigen Preise des Werkes auf die Zweckdienlichkeit auch für chemische und überhaupt exact-natur- wissenschaftliche sowohl wie Schulbibliotheken aufmerksam machen. Das Werk ist in der Lage, diesen eine grosse physikalische Bibliothek zu ersetzen. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 127 Hans Januschke, Kaiserl. Königl. Director der Staats-Oberreal- schule in Teschen. Das Princip der Erhaltung der Energie und seine Anwendung in der Naturlehre. Ein Hilfsbuch für den höheren Unterricht. Mit 95 Figuren im Text. Leipzig 1897. B. G. Teubner. Verfasser nimmt mit diesem Buche den Versuch wieder auf, das Prineip der Erhaltung der Energie zum Mittelpunkt in.allen Gebieten der Naturlehre zu machen. Trotzdem Hertz, Boltzmann und Planck dies Prineip nicht als das Grundprineip anerkennen wollen, glaubt Verfasser doch dazu berechtigt zu sein, da neuer- dings durch Schütz gezeigt wurde, dass Hertz’ Prineip der ge- radesten Bahnen auf das Hamilton’sche Prineip, und somit auch auf das Energieprineip- zurückgeführt werden-kann. Nichtsdesto- weniger schliesst sich Verfasser keineswegs vollständig an die Energetikerschule Ostwald’s an. Jeder theoretische Physiker wird natürlich heute sein Lehr- gebiet von einem andern Gesichtspunkt aus betrachten wollen ; der eine wird hierauf Hauptwerth legen, der andre darauf. Das ist eben lediglich eine Geschmacksfrage; und so ist gegen den Grund. gedanken des vorliegenden Werkes gewiss nichts Stichhaltiges einzuwenden. Die Entwickelung selbst und die Darlegung der 'ganzeh theoretisch-mathematischen Physik ist eine recht geschickte, ‚und so kann denn den mathematisch genügend vorgebildeten Inter- essenten das J.'sche Lehrbuch — denn üm ein solches handelt es sich — recht empfohlen werden. H, Hugo Fenkner, Arithmetische Aufgaben. Berücksichtigung von Anwendungen aus dem Gebiete der Geometrie, Physik und Chemie. Ausgabe A. Vornehmlich für den Gebrauch in Gymnasien, Realgymnasien und .Ober-Real- schulen. Theil I: Pensum der Unter-Tertia, Ober-Tertia und Unter-Sekunda. Dritte, mit besonderer Berücksichtigung der Anforderungen bei der Abschlussprüfung umgearbeitete Auflage Preis 2,20 M. sechsklassigen höheren und mittleren Lehranstalten, sowie in Seminaren und gewerblichen Fachschulen. 2. verbesserte Auf- lage. Verlag von Otto Salle, Berlin 1898! — Preis 1,65 M. Die Fenkner’schen Aufgabensammlungen ‚sind nach den Gesichtspunkten ausgearbeitet, die der ‚namhafte mathematische Pädagoge Krumme über den algebraischen Unterricht zusammen- gestellt hat. Es sind Aufgaben, die allzu umfangreiche und zeitraubende Umformungen erfordern, vermieden worden; statt der Auflösung von Gleichungen in allen erdenklichen Formen — was zu einem „geisttödtenden Mechanismus“ führt — wird der Schwerpunkt in die Anwendungen der algebraischen Gleichungen und in das Ueben des Ansatzes verlegt. Unter besonderer Hierdureh kann sich ' der algebraische Unterricht erst wahrhaft anregend und frucht- , bringend gestalten. Zugleich ist damit der grosse Vortheil ver- bunden, dass man die früher häufig vernachlässigte Beziehung zur Geometrie, Physik und Chemie .heranziehen und diese ver- schiedenen Unterrichtsfächer in lebendige Wechselwirkung bringen kann. schiedensten Gebieten hier zusammengetragen in einer Weise, die auf den Schüler nicht- den Eindruck der Einförmigkeit macht und sein Interesse zu fesseln in hohem Grade geeignet erscheint. “ Jedem Abschnitt ist eine kurze Uebersicht über die in Betracht kommenden Sätze und Formeln vorangestellt; da diese Andeutungen ein Lehrbuch der Algebra weder ersetzen können noch sollen, so könnten dieselben unseres Krachtens vielfach gekürzt werden, doch überlassen wir das Urtheil hierüber gern den im Schul- unterricht thätigen Lehrern. % Goebel, K., Organographie der Pflanzen, insbesondere der Arche- goniaten und Samenpflanzen. Jena — 6 M. j Hammer, 'Prof. Dr. E., Lehrbuch der ebenen und sphärischen Trigonometrie. Stuttgart. — 7,90 M. } Rütimeyer, L., Gesammelte kleine Schriften allgemeinen Inhalts aus dem Gebiet der Naturwissenschaft. Basel. — 12 M. Briefkasten. Hr. Geh. R.O. — Ein eingehender, namentlich die geologischen Verhältnisse berücksiehtigender illustrirter Artikel iiber Schantung (Kiau-tschou, die neue deutsche Besitzung in China) wird in einer der nächsten Nummern erscheinen. Inhalt: 69. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braunsehweig. — Beständigkeit der. Bienen. — Herkunft des Flohes. — Ueber die Herkunft der Hirsche. — Fortpflanzung der europäischen Schlangen. — Grüne Austern. — Ueber die Lebensdauer der Baeteriensporen. — Ueber das Trichlorpurin. — Die Auswitterungen an Ziegeln und Ziegelmauerwerk. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Albrecht Rau, Empfinden und Denken. — Felix von Luschan, Beiträge zur Völkerkunde der deutschen Schutzgebiete. — Die Fauna des Balatonsees. — Adolph Wüllner, Lehrbuch der Experimentalphysik. — Hans Januschke, Das Prineip der Erhaltung der Energie und seine Anwendung.in der Naturlehre. — Hugo Fenkner, Arith- metische Aufgaben. — Liste. — Briefkasten. In der That finden wir denn auch-Aufgaben- aus den ver=..- Ausgabe B. Vornehmlich für den Gebrauch in . 128 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIU. Nr. 11. BESSER SEFSRFFFEFFFF EFF Fre ree re eetttestttt Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! Rs giebt kein Fahrrad ! © „2 om das auf Grund An seiner Qualität und seiner gleichzeitigen E- Fr Eigenschaften: = ni Leichtester Lauf %* Grösste Zuverlässigkeit |, EEE Schönheit der Formen sich solcher allgemeinen Anerkennung erfreut Grosse Vortheile! Neues Princip für Massenbetheiligung an industriellen Unternehmungen. == Neuheiten - Vertrieb. — Neu aufgenommen; Durchführung des Buttenstedt- schen Flugprineips (von zwanzig namhaften Gelehrten unterstützt) und Errichtung einer Versuchs- station für Flugzwecke. Internationaler Verein zur rationellen Verwerthung von Erfindungs-Patenten. Eingetragene Genossenschaft mit be- schränkter Haftpflicht, Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, partieipirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabrieirten Artikel. “ Meyer’s—Brockhaus’Lexi- D kon lief. ohne Anzahl., 3—5 Mark wie das eT A der | Monatsrate, E. Belitz, Berlin, 9) eT | Stephanstr. 58. Adler Fahrradwerke vorm. Heinrich Kleyer, Frankfurt a. M. Spezial-Fabrik für Fahrräder mit über 1300 Arbeitern. Jahres-Produetion über 35000 Fahrräder. Filialen gleicher Firma: Berlin, Hamburg, Köln, Hannover, Kopenhagen Vertreter im In- und Auslande. Franz Bartels, Patent- u, technisches Bureau. Berlin SW., Yorkstr. 19! | Billig, sorgfältig, schnell. Reelle Bedienung. FEITTTTIITLIITEIEELIELZELTEELTETZFELTETTTÄ Ierd. Dümmlers Derlagsbuchandlung in Berlin SW. 2. Das Z5uch Deftis. — Die Urevangelien. Neu durdgefehen, neu überfegt, neordnet und cus Fr den Urjpradhen erklärt von Wolfaang Rirdbadı. N | Dftav-Ausgabe 184 Geiten 1,50 M., eleg. geb. 2,25 M. Bolfs-Ausgabe 156 Geiten gebunden 70 Pfennig. 28as lehrte Defus? Von Wolfgang Birdybadj. 256 Ceiten Dftav 5 D., eleg. gebunden 6 WM. Emlobftobba. Roman oder Wirkligkeit? Bilder aus dem Schulleben der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft. - ®& OR Zwei lrevangelien. PATENTBUREAU Ulrich R. Maerz MuJnh:C.Schmidtlein Ingenieur Berlin NW., Luisenstr.22. Gegründet 1878. —— Patent-, Marken-u. Musterschutz 2 Schränke werden für die Unterbringung einer geologischen Sammlung zu Don kaufen gesucht. Gefl. Offerten ; mit Preisangaben befördert unter Duupuz Sernnı Eich, R. L. 12 die Exped. der „Natur- wissenschaftl. Wochenschrift“. 200 Seiten gr. 8° und 22 Tafeln in Autotypie. Preis 3 Mark Gebrauchte Gasmotoren DAMPF- und DYNAMO- MASCHINEN betriebsfähig in allen Grössen sofort lieterbar. Elektromotor,c.n.v:H. Schilibauerdamm 21: Berlin NW. garantirt bester und bewährter JILPREISLISTEN NUR AN WIEDERVERKÄUFER INS] Ferd. Dimmlers Derlagsbunhhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerfr. 94. Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. N Silberne 'edaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Vor Kurzem erjchien: Brüder und Schiweitern Moman von Eugen Reichel. Geheitet 4 Mark, geb. 5 Marl. | | Better Halfet im 2Iafbonalande. Von NMlive Srhreiner, Autorifirte Weberjegung von Helene Kobedan. Geheitet 1,60 Mart, geb. 2,40 Mart. IB CHRIRNEE Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Photo:rarhische Stativ- und Hand- a _ Gameras. Gediegene Ausstattung. 5” Sämmtliche Bedarfsartikel, 8% Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare 'Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges ). Ohne Beutel! Zu beziehen durch jede Buchhandlung. Verantwortlicher Redaeteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. -- Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Was die naturwissonschaftliche zn Forschung -ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken den Gebil‘en der Phantasıe, wırd N" ihr reichlich ersetzt durch den | Zauber der Wirklichke t, derihre WM Schöpfungen schmückt, Schwendener. - Bu en „<“" Redaktion: Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. St . v XI. Band. Sonntag, den 20, März 1898 Nr. 12. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition, Der Vierteljahrspreis ist HM 4.— e® sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Beipvegelä b bei der Post 15 „3 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. i bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. 69. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braunschweig Ende September 1897. (Fortsetzung.) Indem wir uns zu den Befruchtungsvorgängen | heit ob. Bei den einen Pflanzen (z. B. dem Wallnuss- bei den höheren Thieren und Pflanzen, den Meta- | baum) sitzen die Organe, welche die Spermien liefern, phyten und Metazoen, wenden, sind. zuerst deren Ge- | zwar auf demselben Baume, wie die die Eizellen er- schlechtszellen, die Spermien und Eizellen in Betracht | zeugenden Organe, aber sie 'sind von einander getrennt; zu ziehen. *) bei den anderen (z. B. die Aepfel- und Birnenbäume) Sahen wir bei den Protophyten und Protozoen die | sitzen beiderlei Organe in derselben Blüthe dicht bei- beiden zur Conjugation sich vereinigenden Individuen | sammen: die Spermien erzeugenden, männlichen Organe einander völlig gleich, so stellt sich als erster bemerkens- | als die sogenannten Staubfäden, die weiblichen als der werther Punkt bei den Metazoen und Metaphyten heraus, | Fruchtsack mit seiner Narbe. Wir finden alle möglichen dass die beiden Geschlechtszellen, die man doch den beiden | Formen von der Vereinigung beider Geschlechter in einem copulirenden Protozoenindividuen vergleichen muss, ver- | Individuum bis zur Vertheilung derselben auf zwei Indi- schieden in ihrem äusseren Aussehen und in ihrem Be- | viduen. Es sei übrigens nicht versäumt hervorzuheben, haben bei der Befruchtung sind; das ist so bei den | dass man von Geschlechtern erst sprechen kann, wenn Pflanzen wie bei den Thieren. Und nicht nur dies: auch | verschieden gebaute Geschlechtszellen auftreten; wir werden die Hervorbringung der beiderlei Geschlechtszellen ver- | indessen bald sehen, dass im Grunde, eben sowenig wie theilt sich, insbesondere bei den Thieren, auf verschiedene | bei den Protozoen und Protophyten eine wesentliche Ver- Individuen, so dass die einen — wir nennen sie die | schiedenheit bei den copulirenden Individuen zu be- männlichen Individuen — nur Spermien, die anderen | merken ist, eine solche bei den Geschlechtszellen der — die weiblichen Individuen — nur Eizellen hervor- | Metaphyten und Metazoen besteht; wenigstens werden bringen. Ich wähle ein paar Beispiele aus dem Pflanzen- | wir sehen, dass bei ihrem ersten Entstehen die Spermien reiche und erinnere an den Hanf, den Hopfen und die | den Eizellen bei allen Geschöpfen vollständig gleich sind, Dattelpalme, wo es männliche und weibliche Pflanzen | und dass die Differenz erst später erworben wird. giebt, die allerdings für den Ungeübten kaum unterscheid- Bei den Thieren findet sich dieselbe Stufenleiter der bar sind, immerhin aber auch in ihrem Aeusseren gewisse | Geschlechtsdifferenzirung, wie bei den Pflanzen. So haben Differenzen zeigen. Meistens erzeugt aber dasselbe Pflanzen- | wir auf der untersten Stufe Geschöpfe, welehe beiderlei individuum, also derselbe Baum oder Strauch, sowohl | Geschlechtszellen erzeugen; wir nennen sie „hermaphro- Spermien, die wir hier Pollenzellen nennen, als auch | ditische Thiere“; dahin gehören z. B. die Band- Eizellen. Hier waltet indessen wieder eine Verschieden- | würmer und ein grosser Theil der Schalthiere, ich ee nenne hier nur die Auster, wo der Fall so liegt, dass *) Ueber die Befruchtungserscheinungen bei den Protozoen | dasselbe Organ jedes einzelnen Thieres zu einer bestimmten hat jüngst Rhumbler (Zellleib-Schalen und Kernverschmelzungen ES B SER Da: DE bei den Rhizopoden und deren wahrscheinliche Beziehungen zu Jahreszeit Spermien, zu einer anderen Zeit Eizellen her- phylogenetischen Vorstufen der Metazoenbefruchtung. Biologisches vorbringt. Bei den Bandwürmern sind die Spermien ‚Centralbl. XVII. Bd., Nr. 4, 1898) weitere Mittheilungen gemacht, bildenden Organe zwar von den die Eizellen erzeugenden welche mir zur Zeit der Braunschweiger Naturforscherversammlung getrennt; beiderlei Organe sitzen aber dicht neben ein- noch nicht bekannt waren. Sie zeigen, dass es noch einfachere ng 0 : Du Vorgänge, als die hier geschilderten giebt, die als Befruchtungs- ander in demselben Individuum. Bis zu den Fischen erscheinungen gedeutet werden können. W. hinauf — z. B. gehört hierher der Sägebarsch (Serranus) 130 — kommen noch hermaphroditische Formen vor; bei den höheren Thieren, u. a. bei der Kröte, nur noch in rudi- mentären Formen oder nur in Missbildungen. Ich erwähne beiläufig, dass bei unserem Hausschweine eine Missbildung gar nicht so selten ist, die darin besteht, dass ein und dasselbe Individuum an einer Seite seines Körpers ein Organ besitzt, welches Spermien liefert, während das entsprechende Organ der anderen Seite Eizellen hervor- bringt. Während nun bei den Pflanzen aber der Umstand, dass sie ausschliesslich Spermien oder ausschliesslich Ei- zellen erzeugen (Hanf, Dattelpalme), wenig Einfluss auf die äussere Formgestaltung der betreffenden Exemplare ausübt, wird dieser Einfluss bei den Thieren auffälliger und tritt im Allgemeinen um so stärker hervor, je höher in der Reihe die betreffende Thierart steht. Wir sehen also auch in diesen rein äusserlichen Dingen eine stetig fortschreitende Differenzirung. Was die Form der Spermien betrifft, so können im Allgemeinen zweierlei Gestaltungen unterschieden werden: eine, welche der ursprünglichen Zellenform fast gleich bleibt, und die andere, bei Thieren weit verbreitete, welche sich durch den Besitz einer langen, fadenförmigen Geissel, die lediglich zu Bewegungszwecken dient, aus- zeichnet. Es hat sich herausgestellt, dass der Kopf der Sper- mien im Wesentlichen aus der chromatischen Substanz des Kernes entsteht, der Geisselfaden und sein Verbindungs- stück mit dem Kopfe aus dem Centrosoma und der zu- gehörigen Sphäre, wie neuerdings Hermann, L. Auerbach, Meves und v. Lenhossek gezeigt haben. Wie v. Barde- leben fand, ohne jedoch zunächst den Vorgang völlig richtig zu deuten, und wie es neuerdings Meves und v. Lenhossek in allen Phasen verfolgt haben, legt sich das Mittelstück mit dem Geisselfaden Anfangs ganz ge- trennt vom Kopfe an; es wandert dann — wenigstens ist es so nach v. Lenhossek bei der Ratte — wie es scheint, activ zum Kopfe hin und verbindet sich mit demselben — auf welehe Weise, ob durch eine Art Kittsubstanz? — bleibt noch festzustellen. Der Perforationsapparat (ein Spiess mit Widerhaken vorn am Kopf) entsteht nach Hermann wesentlich aus der Kernmembran (bei Selachiern) und aus einer Partie der achromatischen Kernsubstanz, dem achromatischen Spitzenstücke oder Innenkörper von Ballowitz; die Kern- membran bildet den von Ballowitz sogenannten „Mantel“ des Spiesses. Abweichend hiervon lassen Benda, Meves u. A. diesen Apparat aus dem „Nebenkern“, d. i. der Sphärensubstanz (Archiplasma, Benda) hervorgehen. Was nun aber das Wichtigste ist und besonders hervorge- hoben werden muss, ist die Thatsache, dass jede Spermie sich durch Umwandlung einer Zelle, die wir nach v. la Valette St. George als Spermatide bezeichnen, herstellt. Wir sehen, dass bei dieser Umwandlung insbesondere der Kern unter Schwund des Kernkörpers, dessen chromatische Substanz jedoch im Kopfe der Spermie erhalten bleibt, eonservirt wird, während vom Zellenleibe sieh nur wenig, und zwar um das Mittelstück herum und (nach Meves beim Salamander) auch am Geisselfaden entlang, erhält, dass endlich das Centrosoma und ein von ihm auswach- sender Faden, eben der Geisselfaden, bestehen bleibt. Verfolgen wir den Process der Spermienbildung noch weiter rückwärts, so erkennen wir, dass die Spermatiden durch 'Theilung aus anderen Zellen, die wir Spermato- eyten nennen, hervorgehen, diese endlich wiederum durch Theilung aus Zellen, die v. la Valette als Spermatogonien bezeichnet hat. Also sind die Spermien das Product einer dreifachen Zellengeneration und einer Metamorphose der Enkel- Naturwissensehaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 12. zellen, d. i. der Spermatiden, die augenscheinlich darauf hinausläuft, unter sorgfältiger Wahrung der chromatischen Substanz, das Gebilde vom Zellprotoplasma möglichst zu befreien und das auf diese Weise leicht beweglich gewordene Stück noch mit einem recht wirksamen Perforations- und Bewegungsapparate auszustatten. Wenden wir uns zum „Perforationsapparat“, so lässt der Spiess oder das bei vielen Arten seine Stelle einnehmende messerförmige Gebilde wohl keine andere Deutung zu, als dass diese Stücke zum Eindringen in das Ei, insbesondere zum Durchbohren oder zum Durch- schneiden der Eihülle bestimmt sind; dass dabei die Widerhaken eine unter Umständen wichtige Rolle spielen können, liegt auf der Hand. Der oder die Geisselfäden mit ihrer Membran und dem Steuerapparate dienen gleichfalls mechanischen Zwecken, und zwar der Bewegung des ganzen Gebildes. Es fragt sich nur, in welchem Theile wir den activen Bewegungsapparat zu suchen haben. Ballowitz legt auf den Faden als den sich activ be- wegenden Theil das grösste Gewicht, indem er daran er- innert, dass wir überall da, wo wir active Bewegungs- organe im Körper haben, z. B. bei den Muskeln, fibrilläre Bildungen finden. Andere wollen in dem protoplasma- tischen Antheile des Mittelstückes das activ sich Bewegende sehen; hierdurch werde der Geisselfaden mit allen seinen Anhangsgebilden in Bewegung gesetzt; Niessing und Benda vermuthen neuerdings in der Spirale (die sich um den Axenfaden hinter dem Kopf herumwindet) das bewegende Agens. — Wir sind zur Zeit noch ausser Stande im Ein- zelnen zu bestimmen, welcher Specialfunetion dieser oder jener Theil des ganzen wunderbaren Apparates dient; aber so viel ist wohl sicher, dass die genannten Theile, der Perforations- und der Geisselapparat, rein mechanische Zwecke erfüllen. Die wichtige Rolle der Befruchtung fällt dem Kopfe der Spermie, vielleicht auch noch dem Mittelstücke, wenigstens dem diesen anhaftenden Proto- plasma zu. Von Interesse ist es zu constatiren, dass der Be- wegungsapparat der Spermien sich aus demjenigen Ab- schnitte der Bildungszelle, der Spermatide, entwickelt, den wir auch bei einer gewöhnlichen Zelltheilung als einen mechanischen Apparat erkannt haben, aus dem Sphärenapparate. — Auch dürfte die weitere Be- merkung interessiren, dass die Spermien ihre Bewegungs- fähigkeit sehr lange bewahren, bei den Bienen sogar einige Jahre! Genau in entgegengesetzter Richtung spielt sich die Entwieckelung der Eizelle ab. Verfolgen wir die Oogenese von ihrem ersten erkennbaren Anfange an, so ergiebt sich die schon vorhin angedeutete, äusserst wich- tige Thatsache, dass die Zellen, welche bestimmt sind Eizellen zu werden, die Oogonien, nicht von denjenigen zu unterscheiden sind, aus denen in letzter Instanz die Spermien hervorgehen, also von den Spermatogonien. Wenigstens vermögen wir dies nicht mit unseren gegenwärtigen Hülfsmitteln. Zweitens können wir feststellen, dass bei der Entwicke- lung irgend eines höheren Thieres oder einer höheren Pflanze — die niederen kommen ja, da sie selbst nichts anderes sind, als einfache Zellen, hier gar nicht in Be- tracht — die von einander noch nicht unterscheidbaren Bildungszellen der Spermien und der Eier schon sehr früh auftreten; bei einem Hühnchen z. B. kann man sie schon am fünften Tage nach Beginn der Bebrütung sicher erkennen, bei anderen, niederen Metazoen noch früher. Aber wir vermögen dann noch nicht zu sagen, ob die betreffenden Zellen der Spermatogonien oder Oogonien sind. Damit will ich nicht behaupten, dass nicht schon XII. Nr. 12. doch von Anfang an Unterschiede beständen; sie können ja den Mitteln der Forschung, über welche wir heutigen Tages verfügen, noch verborgen bleiben; jedenfalls hat nach unserem heutigen Wissen jedes Geschöpf einen pri- mären, indifferenten Zustand, der aber alsbald entweder nach beiden Geschlechtscharakteren (Hermaphro- diten, Zwitter), oder einem Geschlechtscharakter hin sich entscheidet. Wir kennen heute wissenschaftlich noch nichts über die Ursachen, welche den Ge- schleehtscharakter bedingen. Genug, wir müssen nach dem zeitigen Stande unseres Wissens sagen, dass den Spermien, wie den Eizellen dieselbe Urzellenform zu Grunde liegt, die man wohl am besten als „Urgeschlechts- zelle* bezeichnet; diese Zellen sind es eben, welche man beim Hühnchen vom 5. Tage ab schon erkennen kann. Wie eine Urgeschlechtszelle sich zu einer Spermie entwickelt, haben wir vorhin gesehen; soll eine Eizelle daraus werden, so sehen wir zwar auch ähnliche Thei- lungen eintreten, wie bei der Spermienentwickelung: aus den Ovogonien werden die Ovocyten; aber in der Ovoeytenperiode tritt eine lange Ruhepause in den Thei- lungen ein, während welcher der betreffende Ovoeyt Zeit hat heranzuwachsen und eine, den Spermien gegenüber beträchtliche Grösse zu erreichen. Die Eizellen der Pflanzen erreichen keine so erheb- liche Grösse, wie die vieler Thiere; sie gleichen jugend- lichen Zellen überhaupt. Sind die beiderlei Geschlechts- zellen einander gleich, so nennt man sie bei den Pflanzen „Gameten“; sind sie ungleich, so werden sie wie bei den Thieren mit den Namen „Spermien“ und Eier (Eizellen) bezeichnet. Die Eizellen enthalten die Anlagen der Chro- matophoren (des Chlorophylis), diese fehlen den männ- lichen Gameten (bezw. Spermien). Bei den Thieren giebt es ausserordentlich grosse Unterschiede in der Grösse der Eizellen, die im Wesent- lichen davon abhängig sind, ob das Thier seine Eizellen — wir sprechen aber dann nicht mehr von Eizellen, sondern nennen diese Produete „Eier“ — ablegt, oder nicht. Legt das Thier seine Eier ab, so bedürfen sie, wie leicht begreiflich, besonderer Schutzvorrichtungen gegen die Einwirkungen des Wassers, der Luft und der Temperatur, ferner aber müssen sie so viel Nahrungs- material — wir nennen dieses „Dotter“ — in sich auf- nehmen, als das junge, in dem Ei sich entwickelnde Thierchen zu seiner Ausbildung bedarf. Mit der Auf- nahme so vielen Nahrungsmaterials und der Ausbildung von mancherlei Schutzhüllen verliert dann die Eizelle, wenigstens äusserlich, ihren Charakter als „Zelle“ und wird zu einem zuweilen sehr eomplieirten Organismus, zu dem, was wir eben ein „Ei“ nennen. Doch ist — und das mag wiederum besonders hervorgehohen sein — selbst in den grössten Eiern, denen der Vögel z. B., die ur- sprüngliche Eizelle immer noch zu erkennen, und diese ist auch nicht grösser, als die Eizelle derjenigen Thiere, welche ihre Eier nicht ablegen, sondern in ihrem Körper entwickeln und dann lebendige Junge gebären. Die Ei- zellen der Säugethiere erreichen, wenn sie vollständig ausgebildet sind, etwa die Grösse eines feinen Sandkörn- chens; die Spermien aber sind meist tausendfach kleiner und überhaupt gar nicht mit freiem Auge wahrzunehmen. Auch die sogenannten Eier, d. h. die zur Ablage kom- menden Bildungen, zeigen auffallende Grössen- und Form- differenzen; ich erinnere nur an die kleinen Eier mancher Fische, wie wir sie im Häringsrogen Alle kennen, dann an die grossen Eier der Forellen und Lachse, die die Dimensionen kleiner Erbsen erreichen, an die Froscheier, die bei diesen Thieren durch eine Gallertmasse zu dem sogenannten „Laich“ vereinigt werden, und die etwa zwischen den Härings- und Lachseiern in der Mitte Naturwissenschaftliche Wochenschrift. ee IE INNE 0 ee 0 el A a ee 131 stehen, endlich an die Eier der Haifische, Reptilien (z. B. Schlangen) und Vögel, wo wir im Strausseneie und in den Eiern der ausgestorbenen madagaskarischen Riesenvögel Exemplare von sehr erheblichen Dimensionen vor uns sehen, die bei den erwähnten Riesenvögeln bis zu Menschenkopf-Grösse zeigen. Betrachten wir die von der grossen, gelben Dotter- masse und dem Eiweiss isolirte Eizelle eines solchen Vogeleies allein, so sehen wir an ihr alle Bestandtheile einer Zelle: Protoplasma, Kern- und Kernkörperchen. Dasselbe finden wir bei allen anderen Eiern, und je we- niger Nahrungsdotter sie aufgenommen haben, natürlich um so deutlicher. So bei den Eizellen der Pflanzen, so bei denen vieler niederer Thiere, bei denen der Säuge- thiere und des Menschen. Eine Hülle, die „Zona“, die wir, ihres hellen Aussehens halber, Zona perlueida nennen, bildet sich aber auch hier aus. Beim menschlichen Ei sieht man zu äusserst die dicke, fein streifige Zona pellueida, dann folgt ein heller Raum, den man als einen Spaltraum, perivitellinen Spaltraum auffasst, und welcher wahrscheinlich eine geringe Menge Flüssigkeit enthält. Darauf hin folgt eine breitere, hellere Zone mit wenig Dotterkugeln (Protoplasmazone), dann eine Zone mit viel Dotterkugeln (Deutoplasmazone). In dieser liegt das helle, runde Keimbläschen (Zellkern) und darin ein unregelmässig begrenzter Fleck, der Keimfleck. Während des Lebens ändert dieser Fleck, resp. dieses Körperchen beständig seine Form. Wir sehen also, dass die Eier sämmtlicher Pflanzen und Thiere von Zellen abstammen und ebenso, wie die Spermien, nichts weiter als nach bestimmter Riehtung hin ausgebildete Zellen sind, in denen wir die wesentlichen Bestandtheile irgend einer Zelle, wenn auch modifieirt, wiederfinden. In der Eizelle sind sie deutlicher zu er- kennen, als in der Spermie, bei der, wie wir sahen, auch in vielen Fällen die Zellenform ganz verloren geht. Man kann, wenn wir das Mitgetheilte nochmals kurz zusammen- fassen, den Unterschied in der Entwiekelungsbahn der Spermie und der Eizelle kurz so fassen, dass man sagt, die Bildungszelle der Spermie, die Spermatide, entledige sich möglichst ihres Protoplasmas, um sich, unter Conservirung der cehromatischen Kernsubstanz, zu einem kleinen, beweglichen Körperchen umzugestalten, während die Vor- stufe der Eizelle, gleichfalls unter Conservirung der chromatischen Kernsubstanz, möglichst viel Protoplasma und dazu noch Dottermasse, als Er- nährungsmaterial, ansammle und so zu einem grossen, schwer beweglichen Gebilde werde. Diese Umbildungen sind sofort verständlich, wenn wir uns daran erinnern, dass das Ei bestimmt ist, das neue, Junge Geschöpf substantiell aus sich heraus zu bilden und eine Zeit lang zu ernähren; es muss also möglichst viel Bildungsmaterial und auch Ernährungsmaterial sammeln und aufspeichern. Die Spermie hat sich mit der Eizelle zu verbinden; zu dem Zwecke muss sie die schwer be- wegliche Eizelle aufsuchen und in dieselbe eindringen; sie muss also ein leicht beweglicher, mit Bohr- oder Schneidevorrichtungen versehener Apparat sein, als welchen wir sie ja kennen gelernt haben. Die Verbindung nun der Spermie mit dem Ei stellt den Befruchtungsvorgang bei den höheren Pflanzen und Thieren dar. Da wir ge- sehen haben, dass sowohl die Spermien wie die Eier nichts anderes sind, als für besondere Zwecke abge- änderte Zellen, so schliesst sich dieser Vorgang un- mittelbar an das an, was wir bei den Protozoen als Be- fruchtungsvorgang kennen gelernt haben, d. h. er stellt eine Verschmelzung zweier Zellen dar. (Fortsetzung folgt.) 132 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIU. Nr. 12. Die Cultur des Reises und der auf Reisfeldern erzielten zweiten Gewächse. Von Dr. E. Fürst. Der Javane ist Landwirth; sein Geburtsland, welches ihm viel für geringe Arbeit verspricht, bringt ihn dazu, mit Herz und Seele sorgt er für seine Reisfelder, und er hat es darin auch recht weit gebracht. Schon als Knabe begleitet er seinen Vater aufs Feld und hilft ihm bei der Arbeit mit Pflug und Spaten, beim Verfertigen von Dämmen und Wasserleitungen zur Bewässerung seiner Felder. Er zählt seine Jahre nach Reisernten, er be- rechnet die Zeit nach der Farbe seiner auf dem Felde stehenden Aehren, ihm ist wohl unter den Freunden, die mit ihm den Reis schneiden, er sucht seine Frau unter den Dorfmädcehen, welehe des Abends bei fröhlichem Gesang den Reis stampfen, um ihn von seiner Hülse zu befreien, der Besitz einiger Büffel, die seinen Pflug ziehen, ist sein Ideal; die Reiseultur ist für den Javanen das, was im Rheinland und in Süd-Frankreich die Weinernte bedeutet. Die verschiedenen Reisarten bilden die botanische Gattung Oryza, deren Vaterland bis jetzt nicht bekannt ist. Wahrscheinlich brachten die Hindus die Reispflanze nach Java und lehrten den Javanen den Anbau dieses Hauptbestandtheils seiner Ernährung. Der Javane baut seinen Reis in unzähligen Abarten, die jedoch gewöhnlich auf vier Arten zurückgebracht werden: Oryza sativa, praecox, montana und glutinosa. Oryza sativa ist die Art, welche der Javane gewöhnlich, oder wenigstens mit Vorliebe auf seinen Sawahs oder bewässerten Feldern anbaut und die unter dem Namen von Pari dalem oder djero bekannt ist; es ist eine Sumpfpflanze, welche hin- welkt und abstirbt, wenn nicht der Boden, auf welchem sie wächst bis kurz vor ihrem Reifwerden, beständig unter Wasser gehalten wird. Vom Pari dalem bestehen eine Menge Varietäten, welche sich durch Farbe, Form und Gewicht der Körner, nebst anderen Besonder- heiten von einander unterscheiden und welche alle von den Javanen verschieden benannt werden. Oryza praecox oder der frühe Reis, vom Javanen Pari gendja genannt, ist ebenfalls eine Sumpfpflanze, wird auf dieselbe Weise behandelt, reift jedoch viel früher, dagegen steht seine Qualität unter der des Pari dalem, auch ist er viel weniger productiv. Durch die Einführung der verpflichteten Cultur von Producten für den europäischen Markt, auch auf Sawahs, hat der Anbau des früher eultivirten Pari gendja in manchen Strichen beträchtlich zugenommen, was nach dem Urtheil com- petenter Leute als ein grosser Nachtheil für den in- ländischen Ackerbau betrachtet werden muss. Oryza montana oder der Bergreis, Pari tegal, umfasst die Reisvarietäten, welche an Bergabhängen angebaut werden können, ohne andere Bewässerung als die des Regenwassers. Die Felder, auf welchen er gebaut wird, heissen Tegal. Roh bearbeitete Tegals heissen Gaga. Oryza glutinosa oder der kleberige Reis, Ketan genannt, kann ebensogut auf Tegals, als auf Sawahs angebaut werden, ist dem Bergreis sehr ähnlich, unterscheidet sich jedoch von ihm durch die Klebrigkeit der gekochten Körner; er wird in einer schwarzen und einer weissen Varietät angebaut und dient hauptsächlich zur Bereitung vou Gebäck. Der Gaga-, der Tegal- und der Sawah-Anbau bilden die drei Entwickelungsstufen der Reiseultur, die jedoch auch nebeneinander bestehen. Der rohe Gaga-Anbau wird auf Java durch den nomadischen Theil der Be- völkerung betrieben, welcher weder eigene Felder, noch einen Antheil an den Dessa-Feldern besitzt. Auf die | ruchloseste Weise werden oft Wälder vernichtet, um auf einer abgebrannten Stelle eine geringe Ernte zu erzielen, und im folgenden Jahr wird dieser Platz mit einem anderen vertauscht, wenn der erste nicht mehr fruchtbar genug erscheint, um ohne Bearbeitung eine zweite Ernte zu liefern. Auf den Gagas bleiben die Stämme und Wurzeln der umgehauenen Bäume im Grund stecken, und der Reissamen wird in Löcher geworfen, die mit einem spitzen Stock in den Grund gebohrt werden. Dies ist weiter nichts, als eine Raubeultur. Auf höherer Stufe steht der Tegal-Anbau, bei welchem das Feld ordentlich gereinigt, wiederholt gepflügt und geeggt, in manchen Strichen selbst gedüngt wird und wobei der Reis immer in vorher mit dem Pfluge gezogenen Furchen ausgesäet wird. Die Ernten sind weniger reich und wechselfälliger als die der Sawahs, auch die Qualität des Gewächses ist eine geringere. Wenn der junge, erst kürzlich ver- heirathete Javane nicht gleich für sich und die Seinen Nahrung nöthig hätte, welche ihm ein Tegal-Feld noch im selben Jahre verschaffen kann, während eine Sawah schwere und langwierige Arbeit erfordert und erst im dritten Jahre guten Reis liefert, so würde die Cultur auf troekenen Feldern wahrscheinlich sehr eingeschränkt bleiben. Sobald es möglich ist, wird dann auch später jeder Tegal in eine Sawah umgewandelt. Das Kennzeichen einer Sawah im Gegensatz zu einem Tegal oder einem Gaga-Feld besteht hauptsächlich in den sie umringenden Dämmen, durch welche das Wasser auf ihr zurückgehalten werden kann. Auf manchen Sawahs dient der Damm nur dazu, das Regenwasser auf dem Acker zurückzuhalten, so lange es die Pflanze benöthigt. Solehe Felder, Sawah tadah udan genannt, d.h. die den Regen auffangen, können nur in der Regenzeit bepflanzt werden. Den Vorzug verdienen deshalb Sawahs mit künstlicher Bewässerung. Die kleinen Bäche, welche überall in zahlloser Menge mit starkem Fall von den Bergen herabströmen, bieten dem Inländer in den meisten Gegenden die schönste Gelegenheit, seine Felder mit Wasser zu versehen. Liegt das Wasser tiefer, als die Sawah, so wird an einer geeigneten Stelle im Bach ein Damm angebracht, um es aufzustauen, und es wird durch einen kleinen Bewässerungscanal zum oberen Ende der Sawah gebracht. Für das Anlegen solcher Bewässerungs- werke hat der Javane einen besonders practischen Blick, und erstaunlich ist oft die Höhe, bis zu welcher er das Wasser aufzuführen versteht. Wird der Acker nur durch einen kleinen Strahl angefeuchtet, so dass er das Regen- wasser nicht ganz entbehren kann, so heisst er Sawah sorotan. Ist er jedoch so mit Wasserleitungen und Dämmen ausgerüstet, dass er auch in der trockenen Jahreszeit bearbeitet werden kann, so nennt man ihn Sawah gadon. Durch diese künstliche Irrigation können Sawahs angelegt werden bis zur äussersten Höhe, auf weleher der Reis noch wächst, d. h. bis zu einer Höhe von 2000, ja selbst hier und da bis zu einer solchen von 3000 und 3500 Fuss. Aber nicht nur an den Bergabhängen, sondern auch in den Thälern und in den Schluchten, wo das Wasser Sümpfe oder Rawas bildet, wird es zum Anlegen von Reisfeldern gebraucht; solche Felder nennt man Sawah rawa. Durch die Veremigung aller dieser ver- schiedenen Formen der Reiscultur erscheint der bebaute Theil Javas wie eine ununterbrochene Reihe fruchtbarer Aecker; hauptsächlich jedoch sind es die Sawahs, welche an den Abhängen der Hügel und Berge angebracht sind, die der Landschaft eine unbeschreibliche Anmuth ver- XII. Nr. 12, leihen. Hunderte von Quadratmeilen eines ziemlich un- gleichmässigen Terrains sind durch Terrassen von ver- sehiedener Grösse geebnet, je nach der Bodenbeschaffen- heit. Die Dämme, die jedes Fach umgeben, erheben sieh übereinander in horizontalen Linien, welche dem Rande der Hügel folgen, und in ihnen sind kleine Ein- schnitte angebracht, durch welche das überflüssige Wasser aus den höher gelegenen Terrassen nach den niedrigeren abfliessen kann, um sich am Fuss des Berges zu einem Flüsschen zu vereinigen, welches dann einen der zahl- reichen Bäche vergrössert. Wenn der Landbauer sein Land bepflügt hat und es während einiger Wochen hat ausdampfen lassen, so wird es durch das Einlassen von Wasser in einen kleinen See umgewandelt, welcher mit den angrenzenden Sawahs ein grosses Meer bilden würde, wenn diese nieht überein- ander lägen und nicht geschieden wären durch kleine Dämme, welche sich in der Breite eines Fusspfades über den Wasserspiegel erheben, während die in ihnen ange- brachten Einsehneidungen durch das ablaufende Wasser eine Unzahl von Miniaturwasserfällen bilden. Nach der Ueberpflanzung, welche im Schlamm stattfindet, wird das Wasser abgelassen, und während einiger Tage zeigt sich das gelbartige Grün des jungen Gewächses, welches zwar sehr bald wieder unter Wasser gesetzt wird, doch nur um sich nach wenigen Wochen wieder darüber zu erheben, wo- bei an Stelle des gelben ein saftiges, zartes Grün das Auge bezaubert. Nun kommt bald die Zeit, die als die schönste der Reiseultur betrachtet werden kann. Es ist die der Befruchtnng der Reispflanze. Die Stengel sind ausge- wachsen und die aufgerichtete Aehre je nach der Art mit Silber, Gelb, Roth oder Schwarz schattirt, zeigt sich im frischen Glanz ihrer Farbenpracht. Kaum weniger sehön ist jedoch die Zeit der völligen Reife, wenn das zarte Grün verschwunden ist und die lebendigen Farben verbleicht“sind; jedoch“ nur, um in eine goldene-Gluth überzugehen, die zum Freudenfest der Ernte einladet. Die Regeln, welche der Javane bei der Reiseultur ‘beobachtet, beruhen grösstentheils auf der Adat, der Ge- wohnheit der Vorväter; diese besteht wieder aus zwei Elementen: den Lehren einer Jahrhunderte alten Er- fahrung, und den Vorschriften eines Aberglaubens, welcher ja in den meisten religiösen Anschauungen der Naturvölker vorkommt. Unsere Dichter stellen sich die ganze Natur als beseelt vor, die Blumen, die Zweige, die Flüsse, die Wellen lassen sie an ihrer Freude und ihrem Schmerz theilnehmen. In ihrer ganzen Umgebung finden sie Symbole ihrer Gemüthserregung; darum erscheint uns der Animismus der Naturvölker als eine poetische Vor- stellung, wir glauben, dass es die Liebe für Symbolik ist, welche sie alle, in der Natur vorkommenden Gegenstände als beseelt betrachten lässt. Nichts ist weniger wahr; ihnen ist es damit ganz und gar ernst; es ist keine poetische, sondern eine wirkliche Vorstellung. Und wie in der ganzen Denkweise des Javanen noch die Begriffe der Naturvölker durchsehimmern, so ist das besonders bei der Reisceultur der Fall. Nach einer javanischen Legende ist die Seele von Tisna Wati, der Tochter von Batara Guru in den Berg-Reis, die von dewi Sri, der Gattin von Wishnu in den Sawah-Reis gefahren. Beide Gewächse müssen also sorgfältig wie Menschen behandelt werden, denn jedes von ihnen besitzt eine Seele. Die Verehrung von Tisna Wati gerieth nach und nach in Vergessenheit, dewi Sri dagegen ist die javanische Ceres, die bis zum heutigen Tage hochverehrte Göttin des Ackerbaues. Die vielen, abergläubischen Formalitäten, welche bei der Reis- eultur beobachtet werden, und von denen ich nur einige als Proben mittheilen will, hängen fast alle mit obiger Anschauung zusammen. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 135 Die drei ersten Zeitabschnitte des Culturjahres sind für den gewöhnlichen Sawah-Anbau von keiner Wichtig- keit; zur Bearbeitung der nassen Felder wird die Regen- zeit abgewartet. Im vierten Abschnitt fangen Wind und Regen an mit schönem Wetter abzuwechseln, erst im fünften jedoch regnet es täglich. Sobald die Bäche ge- nügend angeschwollen sind, um die Leitungen mit dem nöthigen Wasser zu versehen, fängt der Landbauer nach vorhergegangener Absprache mit seinen Nachbaren an, seine Aecker zu bearbeiten. In manchen Gegenden wartet man das Auftreten der geflügelten Termiten ab, weil man glaubt, dass diese Inseeten sich nicht um zeit- weise Regengüsse bekümmern, sondern dass sie ihre Höhlen erst dann verlassen, wenn die nasse Jahreszeit wirklich eingetreten ist. Der Arbeit geht ein Sidekah buhmi voran, ein Opfer zur Ehre des Sawah-Geistes. Das Anlegen der Fächer für den Bibit oder die Samenpflanzen (denn bei nassen Reisfeldern wird der Reis nie gleich auf das Feld gesäet, auf welchem er reift,) bildet nun die erste Arbeit. Der Grund wird erst umgepflügt, und die Schollen werden zerschlagen. Darauf lässt man ihn einen Tag lang ausdampfen, dann wird das Wasser in die Fächer hineingelassen, und schliesslich geht man zum Aussäen über. Fünf Tage später lässt man das Wasser ablaufen, setzt jedoch nach dem achten Tage das Feld wieder unter Wasser. Ein solches Feld heisst Sebaran, wenn es mit Reiskörnern bestreut wird, Uritan, wenn ganze Reisähren zur Keimung in den Grund gelegt werden. Während der Bibit die zur Ueber- pflanzung nöthige Stärke erreicht, bearbeitet der Land- bauer die eigentlichen Reisfelder. Der für die nassen Felder gebrauchte Pflug ist verschieden vom chinesischen Pflug, weleher für Gärten und Tegals gebraucht wird und weniger tief einschneidet, beide sind jedoch sehr ein- fache Geräthe, welche der Landmann, nach vollbrachter Tagesarbeit, mühelos auf. der Schulter nach Hause tragen kann. Der Sawah-Pflug wird gewöhnlich dureh zwei, der Garten-Pflug durch einen Büffel gezogen. Das Bepflügen der nassen, sumpfigen Felder ist eine sehr anstrengende Arbeit, denn während die Büffel sich langsam fortbewegen, sinkt der Arbeiter bei jedem Schritt tief in den Schlamm hinein. Nach dem Bepflügen lässt der Landmann das Feld vierzig bis sechzig Tage lang ausdampfen, danu lässt er das Wasser in die Fächer fliessen, welche nun sorgfältig geeggt werden, mit dem Gara, einem Geräthe, welches, da es nur eine Zahnreihe besitzt, mehr einem grossen Rechen, als unserer Egge gleicht. Während der Büffel die Egge fortzieht, sitzt der Lenker gewöhnlich auf dieser, um den Druck zu vermehren. Sowohl Pflug als Egge sind gewöhnlich aus Eichenholz und Bambus verfertigt, nur bei ersterem ist das Messer mit einer eisernen Spitze versehen. Inzwischen sind die Keimlinge gross genug ge- worden, um übergepflanzt zu werden. Sie werden sorg- fältig ausgezogen und, wenn sie sehr gut entwickelt sind, Halm für Halm, sonst zwei oder vier Pflänzehen zugleich, auf einen Abstand von fünfzehn bis zwanzig Centimeter von einander gepflanzt. Die Männer ziehen die Pflänzehen aus, binden sie in Büschel zusammen und vertheilen sie über die Felder; das Pflanzen selbst ist die Aufgabe der Frauen. Mit gelbem Reispulver geschminkt und mit Blumen im Haar betreten sie die Sawah, während auf einem der Dämmchen wohlriechende Harze verbrannt werden. In der rechten Hand halten sie ein Büschel Keimlinge und mit der linken halten sie ihren Rock hoch, damit dieser nieht vom Sehlamme beschmutzt wird. Sie begeben sich zum äussersten Rande des Feldes, um von dort aus rückwärtsgehend die Keimlinge in die Erde zu 154 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 12. stecken und anzudrücken, was stets mit den Fingern ge- sehieht. Die Arbeit findet Vormittags statt von sechs bis etwa zehn Uhr, denn eine erhöhte Temperatur des Wassers wird als schädlich für das Ueberpflanzen be- trachtet. Während der Ueberpflanzungszeit dürfen die Arbeiter, sowohl Männer als Frauen kein Salz in ihren Speisen geniessen. Nach dem Ueberpflanzen lässt man das Wasser ab, und das Feld bleibt zwei bis drei Tage lang trocken, dann wird es wieder bewässert und bleibt unter Wasser bis zum Anfang der Reifung; je höher die Pflanzen inzwischen werden, desto mehr wird das Wasser dem Auge entzogen. In dieser Zeit werden die Felder mehrmals gegätet, auch dies ist gewöhnlich eine Frauen- arbeit und bei der ersten Gätung, welche etwa einen Monat nach der Ueberpflanzungszeit stattfindet, giebt der Landmann seinen Helferinnen einen Slamettan, d. h. ein Opfermahl zu Ehren der Naturgeister; die Geister be- kommen von diesem Mahl nur einen feineren, unsichtbaren Theil, den Geist der Speisen; der materielle Ueberschuss verbleibt den Opfernden. Nun kommt die Zeit, in welcher sich die Blume der Reispflanze bildet; diese betrachtet der Inländer nicht als Werkzeug zur Befruchtung, sondern als deren erste Folge. Die Pflanze ist also jetzt in seinen Augen schwanger. Er sagt von ihr ebenso wie von einer schwangeren Frau, dass sie ngidam ist, und meint, dass sie zusammen- ziehende Stoffe zur Ernährung nöthig hat, ebenso wie eine schwangere Frau nach saueren oder gewürzten Speisen verlangt. Darum vermischt er sein Sawahwasser mit Rudjak, einer saueren, aus unreifen Früchten be- stehenden Speise, nebst Ananas und essbarer Erde, welche unter den Lehmarten der tertiären Lagen von Java vor- kommt und unter dem Namen Ampo bekannt ist. Den Ampo findet man auf Java in verschiedenen Gegenden, er wird zu Stangen geknetet, mit Oel bestrichen und ge- backen oder geröstet. Auch wird in. dieser Periode, da- mit die Frucht sich gut setzt, und als Mittel gegen Krank- heiten in der Eınte, wieder ein Slamettan gegeben. In der Blüthezeit werden lange, mit Löchern versehene Bambushalme auf die Dämme gepflanzt, welche bis nach der Ernte dort verbleiben. Der Landmann glaubt, dass der klagende Ton, welchen der darin spielende Wind zu Stande bringt, vom Geist der Pflanzen als eine Huldigung angenommen wird und diesen geneigt macht, seine Wünsche zu erfüllen. Nun folgt das Abzapfen des Wassers, welches jedoch nicht überall zu gleicher Zeit stattfindet. In den Berg- strichen, wo die Atmosphäre feuchter ist, findet es früher statt, als in der Ebene; gewöhnlich geschieht es, wenn die Körner anfangen sich in den Samenhäuschen zu setzen. Sobald aber das Niederbeugen der Aehren zeigt, dass sie sich füllen, so überfällt den Landmann eine neue Sorge. Nun muss er sein Gewächs gegen die Vernichtung der Vögel und der Wildschweine beschützen. Dazu er- richtet er Wachthäuser auf den Feldern. Die Reisvögel, Fringilla oryzovora, sieht man in Schwärmen von vielen Tausenden, wie dichte Wolken über den Reisfeldern schweben, und sie werden verjagt, indem der Landmann über sein Feld Stricke ausspannt, an welchen bunte Lappen befestigt sind, die durch den Wind bewegt werden. Vor Wildschweinen schützt er sein Feld durch fortwährendes Schlagen auf Bambustrommeln. Endlich brieht die frohe Erntezeit an, die dem Land- mann den Lohn seiner Arbeit bringt. Ueber die beste Zeit für den Anfang der Ernte sind die Ansichten sehr verschieden, und Vorurtheil und Landessitte bringen den Javanen oft dazu, seinen Reis zu früh oder zu spät zu schneiden, wodurch er sich selbst nicht unbeträchtlichen Schaden zufügt. Bevor die Ernte anfängt, muss eine Hebamme, unter Anrufung von dewi Sri auf dem Felde die Halme suchen, welche die Reisbraut und den Reisbräutigam vorstellen sollen. Sind sie gefunden, so werden sie zusammen- gebunden, man hält ihnen eine Rede, schminkt sie mit gelbem Reispulver, schmückt sie mit Blumen und be- schützt sie mit Palmblättern gegen die Sonne. Die Hochzeit wird mit einem Mahle gefeiert, und gleich darauf fängt das Schneiden an. Meistens wird das Schneiden durch Frauen besorgt; die Männer helfen nur dann, wenn ihnen die Arbeit zu schwer wird. Man behauptet, dass der Mann eine zu warme Hand hat, und dass der von ihm geerntete Reis eher verdirbt. Das Geräthe, mit welchem geerntet wird, besteht aus einem Brettehen, welches an einem zwanzig Centimeter langen Stöckehen befestigt ist, und in dessen Rand ein kleines Stahlmesser sitzt. Der Schnitter hält dieses Geräthe so in der Hand, dass er jeden Halm einzeln an die Schneide drücken kann, und er ist darin sehr geschickt. Der enorme Zeitverlust, welcher mit dieser umständlichen Art von Ernten verbunden ist, wird vom Javanen nicht beachtet, im Gegensatz zur Gunst vom dewi Sri, welche er durch eine gleichgültigere Art des Schneidens verscherzen könnte. Alle diejenigen, welche am Reisschneiden theilnehmen, sind festlich angezogen und tragen auf dem Kopf einen aus Stroh geflochtenen, goldlackirten Sonnenhut, in der Form eines runden Kübels von sechzig bis siebzig Centimeter Durchmesser, welcher sehr dazu geeignet ist, Gesicht, Hals und Schultern vor der Sonnengluth zu beschützen. Der Besitzer des Feldes bietet seinen Helfern Mittags einige, durch den Gebrauch - vorgeschriebene Speisen an, danach wird die Arbeit wieder aufgenommen und bis Abend sechs Uhr, der Zeit des Asar-Gebetes, fortgesetzt. Der Lohn der Arbeiter beträgt ein Fünftel oder ein Sechstel dessen, was sie ge- schnitten haben. Jungen‘ Leuten bietet die Reisernte die schönste Gelegenheit, zarte Verhältnisse anzuknüpfen, und Hochzeitsfeste sind nie häufiger als in den ersten Wochen nach der Erntezeit. Beim Schneiden des Reises bleibt etwa ein Deeimeter vom Stroh an der Aehre sitzen, der Rest bleibt auf dem Felde und wird später verbrannt oder untergepflügt. Aber auch das geschnittene Korn bleibt ungefähr einen Monat lang auf dem Felde liegen zum Austrocknen, bevor es in den Lumbungs oder Reisscheuern aufgehoben wird. Der Lumbung kann viereckig oder rund sein, doch ist er oben immer breiter als unten und die Thüre ist oben angebracht, so dass der Reis mit Hülfe einer Leiter hineingebraeht werden muss. Die Ecken ruhen auf Pfählen, die von grossen, steinernen Sockeln getragen werden; diese ganze Einrichtung dient dazu, den Schaden abzuhalten, welchen Regen oder Ungeziefer der Ernte zufügen könnten. Die Aufspeicherung bietet wieder Ge- legenheit zu mannigfaltigen Festen und besonderen feier- lichen Gebräuchen. Für das Reis-Brautpaar wird in der Seheuer ein besonderes Hochzeitszimmer abgetheilt, welches mit einer neuen Fussmatte, einer Lampe und allerlei Toilettegegenständen ausgerüstet wird. Einige Reis- bündel, welehe die Hochzeitsgäste vorstellen, werden bei der Braut und dem Bräutigam niedergelegt. Erst danach wird die ganze Ernte in dıe Scheuer getragen und um das Ehepaar aufgehäuft. Die Träger bekommen eine festliche Mahlzeit; nachdem die Ernte beendigt ist, darf sich Niemand vor Ablauf von vierzig Tagen in den Lumbung begeben, denn ebensowenig, als man jung ver- heirathete Menschen in ihrem Glück stören soll, darf man das Reis-Ehepaar während der ersten Wochen beun- ruhigen. Das Enthülsen des Reises geschieht gewöhnlich je nach dem Bedarf, denn der enthülste Reis wird oft KINN 2 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 135 durch Calandren angegriffen. Das ist wiederum eine Arbeit für Frauen. Dazu gebraucht man entweder den Lesung, einen länglichen, ausgehöhlten Holzblock in Nachenform, oder den Lumpang, eine Art hölzernen Mörser. Um den Lesung versammeln sich vier bis sechs Weiber, jede mit einem grossen Stampfer oder Alu be- waffnet, und in festem Takt stampfen sie damit auf den hineingeworfenen Reis, wobei sicherlich die Hälfte der Körner zerstampft wird. Kleine Mengen zum häuslichen Gebrauch werden gewöhnlich im Lumpang enthülst. Das Mehl der zerstampften Körner wird zum Theil beim Sieben weggeweht, zum Theil löst es sich im Wasser auf, wenn der Reis gewaschen wird. Dieses Letztere ge- schiebt in einem geflochtenen Körbchen, welches so lange in fliessendem Wasser herumgeschwenkt wird, bis das herausfliessende Wasser farblos bleibt. Im Allgemeinen rechnet man, dass der Reis etwa die Hälfte seines Brutto- gewichtes an reinem Reis liefert, doch wäre der Ertrag sicherlich viel grösser bei einer vernünftigeren Dresch- weise. Nachdem wir gesehen haben, wie der Reis gewonnen wird, wäre vielleicht nicht uninteressant zu wissen, wie man ihn isst. Gekochter Reis ist das Hauptgericht bei jeder javanischen Mahlzeit und vertritt die Stelle von Brot und Gemüse. Er wird erst ein wenig in Kokosöl geröstet und dann unter Zufügung von Salz auf heissem Wasser in einem Körbchen gedünstet, bis er weich ist, so aber, dass die Körner ganz bleiben und nicht an ein- ander kleben; dazu isst man Zuspeisen von mancherlei \Art: Gebratenen Fisch, kleine, gesalzene Fische, halb in Verwesung übergegangene Krabben, Hühnerfleisch mit Tamarinde zubereitet, an der Sonne getrocknetes Fleisch, auf einem Kohlenfeuer geröstete Fleischstückehen, Fisch- suppe, gesalzene Enteneier, die jedoch wenigstens drei Monate alt sein müssen, dieke Larven eines grossen Käfers, welcher in Kokos- und Rohrpalmen lebt und in gebratenem Zustande als eine grosse Delicatesse betrachtet wird, gebratene Termiten, Gemüsesuppe, gebratene Zwiebeln, Spinat, Gurken, Cayennepfeffer u. s. w. Aus dem Ketan oder Klebereis werden unendlich verschiedene Arten von Backwerk verfertigt, von welchen manche Sorten selbst einem europäischen Gaumen zusagen. Der Reis bildet wohl die Haupteultur der Javanen, doeh ist er nieht ihre einzige. Zur Ausnützung der Kraft des äusserst fruchtbaren Bodens werden sogenannte zweite Gewächse auf den Reisfeldern ausgesäet, welche in der zwischen der Ernte und dem Aussäen des Reises ver- laufenden Zeit zur Reife gelangen. Diese zweiten Ge- wächse nennt man Palawidja, ein Ausdruck, der buch- stäblich Samenfrüchte bezeichnet und von den Javanen für alle einjährigen Feldfrüchte, mit Ausnahme des Reises, gebraucht wird. Doch werden nicht alle Felder mit zweiten Gewächsen bepflanzt, oft lässt der Javane sein Feld ein oder mehrere Jahre brach liegen; ob dieses ge- schieht, um den Boden nicht zu erschöpfen, oder aus purer Faulheit, möchte ich bei der angeborenen Trägheit des Javanen dahingestellt sein lassen. Es sei mir gestattet. die Hauptproducte, welche als Palawidja erzielt werden, kurz anzuführen und über ihren Gebrauch noch einiges zu bemerken. Die erste Stelle unter diesen Gewächsen nimmt der Mais (Zea mays) ein; diese Pflanze wird seit Jahrhunderten im ganzen indischen Archipel angebaut. Ist seine Hei- math, wie gewöhnlich angenommen wird, Süd-Amerika, so müssen ihn die Portugiesen eingeführt haben. Der Name Djagung jedoch, welcher auf Java, Sumatra und Borneo für diese Pflanze gebräuchlich ist, und dessen Ur- sprung unbekannt ist, der aber sicherlich von keiner europäischen Sprache abgeleitet werden kann, dürfte a | vielleicht darauf hinweisen, dass der Mais lange vor der Entdeekung Amerikas in der alten Welt bekannt war. Auf Java wird der Mais auf Tegal-Feldern, oft auch in kleinen Gärten bei den Wohnungen gepflanzt. Bis zu einer Höhe von viertausend Fuss über dem Meeresspiegel lässt er sich gut anbauen, und darum ist er von be- sonderer Wichtigkeit für die Bewohner hochgelegener Berggegenden, welchen er den Reis ersetzt. In der Niederung wird er in unreifem Zustande eingesammelt, und die Körner, welehe dann noch eine weisse, milch- artige, süsse Flüssigkeit enthalten, werden in geröstetem Zustande gegessen. Auf Java wächst der Stengel hoch und kräftig auf, und der Kolben wird sehr schwer. Schon nach drei Monaten kann der Mais in der Ebene geerntet werden, im Gebirge nach vier bis fünf Monaten. Der Weizen ist bei den Inländern unter dem portu- giesischen Namen Trigo bekannt; damit ist auch schon gesagt, wer ihn einführte. Auf einer Höhe von über viertausend Fuss findet man ihn öfters, und er dient zur Brodbereitung, auffallend ist es, dass er nieht mehr an- gepflanzt wird, obschon der Gebrauch des Brotes beim In- länder immer mehr Ausbreitung findet. Von den Getreidearten gehen wir zu den Hülsen- früchten über, welche unter dem allgemeinen Namen Katjang zusammengefasst werden. Eine grosse Anzahl ihrer Arten wird auf Java zu verschiedenen Zwecken gebraucht; die Früchte, selbst die Blätter werden, ge- kocht oder gedämpft, als Zuspeise zum Reis genossen. Zu den am meisten vorkommenden Arten von Hülsen- früchten gehören: Unsere gewöhnlichen Bohnen (Phaseolus vulgaris), der überall in Indien vorkommende Katjang idjo (Phaseolus radiatus), eine Erbsenart (Pisum sativum), welche die Javanen Katjang kapri nennen, der strauch- artige Katjang iris (Cajanus indieus), der Katjang kedele (Soja hispida), dessen Bohne den hauptsächlichsten Be- standtheil zur Bereitung der japanischen Soja liefert, während die Javanen daraus Tempe bereiten, welcher, zu dünnen Kuchen geknetet und gebraten oder gebacken, eine angenehme Zuspeise zum Reis bildet, der Katjang manila (Voandzeia subterranea), dessen unterirdische Früchte zur Oelbereitung dienen oder auch geröstet ge- gessen werden, endlich der nützlichste und merkwürdigste von allen, der Katjang tjina (Arachis hypogaea), dessen wohlsehmeckende Früchte unter dem Namen von Erd- mandeln auch bei uns bekannt sind. Den Samen dieser Pflanze essen die Javanen geröstet unter dem Namen von Katjang goreng; das fette Oel, welches daraus ge- presst wird, ist unter dem Namen Katjang-Oel bekannt und findet verschiedentliehe Anwendungen, die ausge- pressten Katjangkuchen bilden einen guten Mist für Zuckerfelder, und das Laub ist ein sehr gutes Viehfutter. Nach den Hülsenfrüchten kommen zunächst die Erd- früchte in Betracht, welehe der Javane Uwi nennt. Dazu gehören an erster Stelle die Jams, deren verschiedene Arten die Familie der Dioxoreen bilden. Sie werden wegen ihrer fleischigen Knollen gepflanzt. Von einigen Arten, z. B. Dioscorea triphylla, behauptet man, dass sie giftige Eigenschaften besitzen. Die wildwachsende Art (Uwi allas), von welcher die andere wahrscheinlich nur eine durch Cultur erzielte Veredelung bildet, hat eine sehr lange und dieke Wurzel, ist jedoch nicht besonders schmackhaft. Die zweite Gruppe der Erdfrüchte gehört zu den Aroideen, bildet die Familie der Colocasien, und heisst auf Javanisch Linnjal. Auf Java scheint davon nur eine Art, Colocasia antiquorum, jedoch in einer Anzahl Varie- täten vorzukommen, welche in zwei Hauptgruppen zer- fallen, je nachdem sie lange oder runde Knollen bilden. Die Knollen sind reich an Stärke, aber sie enthalten eine 156 scharfe Substanz, welche jedoch durch Kochen oder Braten aus ihnen entfernt wird. Auch die angenehm schmeekenden Blätter dieser Pflanzen werden gegessen, doch müssen sie vorher stark abgekocht werden, da sie sonst die Kehle zu sehr reizen würden. Beliebter sind die Bataten oder süsse Kartoffeln (Batatas edulis und verwandte Arten), die zu den Con- vulaceen gehören und in manchen Gegenden im Grossen angebaut werden. Die Knollen sind länglich, sehr nahr- haft und von süsslichem Geschmack, doch verursachen sie bei täglichem Gebrauch Verdauungsstörungen. Die jungen Sprösslinge der Pflanzen geben abgekocht ein an- genehmes Gemüse. Zu den wabiaten gehört die javanische Erdeichel, Coleus tuberosus, eine Pflanze, welche ebenfalls wegen ihrer nahrhaften Knollen in Gärten gepflanzt wird. Die Javanen nennen sie Kentang. Diesen Namen legten sie auch den von den Europäern eingeführten Kartoffeln zu, welche auf einer Höhe von drei- bis viertausend Fuss sehr gut fortkommen. Letztere essen die Javanen selten und bauen sie nur, um sie den Europäern zu verkaufen. Vor allen anderen auf Java gebauten Erdfrüchten verdient wegen seiner nahrhaften Eigenschaften den Vor- zug der Dangder, eine Varietät der in West-Indien so bekannten Cassave oder Maniok (Janipha manihot). Der javanische Maniok kommt seit undenklichen Zeiten auf Java vor und wurde nach der Ueberlieferung aus China eingeführt. Obschon er als Nahrungsmittel weit über dem Reis steht und durch die beispiellose Leichtigkeit seines Anbaues einen merkwürdigen Contrast mit der so viel Pflege verlangenden Reispflanze bildet, so ist seine Cultur auf Java doch wenig ausgebreitet. Ein grössere Aus- breitung des Anbaues dieser vortrefflichen Pflanze würde Java mit seiner immer mehr zunehmenden Bevölkerung vor der stets drohenden Hungersnoth bewahren können, da das Gelingen der Reisernte so viel Gefahren ausgesetzt ist. Unglücklicher Weise giebt es in des Javanen Augen nichts, was die Frucht von dewi Sri übertreffen könnte, und wenn er auch viel nahrhaftere Speisen genossen hätte, so würde er eine Mahlzeit ohne Reis nicht als eine genügende erachten, gerade wie bei uns die niederen Klassen sich keine gehörige Mahlzeit ohne Kartoffeln vorstellen können; und ebenso wie bei uns der allgemeine Gebrauch der Kartoffeln ziemlich recenten Datums ist, wusste der Javane im Anfang dieses Jahrhunderts sich noch ganz gut der Zeit zu erinnern, in welcher Blatt- gemüse und Knollengewächse die Hauptnahrung des ge- wöhnlichen Mannes bildete und der Reis für ihn ein Luxusartikel war. Neben den Nahrungsmitteln nimmt unter den Pala- widja-Gewächsen der Kapas oder die Baumwollpflanze eine Hauptstelle ein; ihre verschiedenen Arten und Varietäten bilden die Gattung Gossypium, welche zur Familie der Malvaceen gehört. Bekanntlich kommen ausser den krautartigen oder einjährigen Baumwollarten (Gossypium herbaceum) auch strauchartige oder mehr- Jährige (Gossypium arboreum) vor. Auch von den letzteren sind verschiedene Varietäten auf Java nicht un- bekannt, z. B. Gossypium micranthum und Gossypium vitifolium: letztere Pflanze wurde von den Holländern aus Suriname nach Java importirt. Obschon aber Gossy- pum micranthum, dessen Faser weiss, fein und sehr brauchbar ist, hier und da angebaut wird, behandeln es die Inländer mehr als einen einjährigen Strauch, wodurch seine grössten Vortheile verloren gehen; von Gossypium vitifolium, welches erst nach neun Monaten Früchte liefert, wird man nicht leicht regelmässige Anpflanzungen finden, obgleich in den Dörfern einzelne Sträucher ge- funden werden, deren Baumwolle meistens zu Lampen- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. NUTSANESHD: dochten gebraucht wird. _ Der Inländer versteht die richtige Behandlung der mehrjährigen. Arten nicht, und er will sie auch nicht lernen, denn die dafür bestimmten Aecker würde er für die Reiseultur vermissen müssen; er zieht die einjährigen Arten vor, von. welchen er sehon nach vier Monaten die Früchte ernten kann, so dass er sie nach Ablauf der Reisernte als zweites Gewächs an- pflanzen kann. Dazu gebraucht er verschiedene Varie- täten von Gossypium indiecum, die er unter dem Namen Kapas djava, javanische Baumwolle, zusammenfasst. Der Baumwollenbau findet sowohl auf den Gagas und Tegals, als auf den Sawahs statt, doch hat der Javane wenig Vorliebe für ihn, und er vernachlässigt oft seine An- pflanzung so sehr, dass Missernten daraus entstehen. Diese Cultur ist aber für die inländische Haushaltung von grosser Wichtigkeit, obschon dies jetzt weniger der Fall ist, als früher; zwar bestehen die Kleider der Ja- vanen immer noch aus Baumwollstoffen, diese werden Jedoch zum grossen Theil in den Webereien von Manchester, Glarus und Twente verfertist, während die inländische Baumwollindustrie mehr und mehr in Europa verfertigte Faden gebraucht. Als, in Folge des Krieges zwischen Norden und Süden, der Import von Baumwolle aus Amerika still stand und man überall nach Gelegenheiten suchte, den dadurch für die europäische Baumwollindustrie entstandenen Mangel wieder auszufüllen, wurde auf Java ein Baumwollunternehmen errichtet, deren Zweck haupt- sächlich in der Förderung der Cultur der besseren Arten zum Export nach Europa bestand. Ausser besonderen Missgeschicken, die sie überfielen, hatte diese Gesell-' schaft mit allen Mühseligkeiten zu kämpfen, welche der Cultur der amerikanischen Arten auf Java im Wege stehen, so dass sie nach einem kümmerlichen Bestehen von wenigen Jahren wieder aufgelöst wurde. Baumwolle für den europäischen Markt wird gegenwärtig nirgends mehr auf Java angepflanzt, die ganze Ernte ist für die inländische Industrie bestimmt; diese konnte sich aber auf Java nie zu einer fabrikmässigen erheben, sondern sie blieb auf den häuslichen Gebrauch beschränkt und ist eine Arbeit für Frauen. Mit dem Einernten ist die Auf- gabe des Mannes beendet, und nun beginnt die seiner Frauen und Töchter. Zuerst wird das Produet gereinigt und ausgesucht; zur Ausscheidung der Samenkörner be- dient man sich einer kleinen Mühle, welche aus zwei ein-- ander beinahe berührenden, mit Riefen versehenen, sich gegen einander drehenden Rollen von hartem Holz be- steht, die durch zwei, an ihren Achsen befestigten Zahnräderechen mit einer Krücke in Bewegung ge- bracht werden. Fast einen ganzen Tag hat man dazu nöthig, mit Hülfe dieses primitiven Instruments ein Pfund reine Baumwolle zu erhalten. Die gereinigte Baumwolle wird nun in einen Korb gebracht, darin fein ge- schlagen und zerzupft mittels des Wusu’s, eines Bogens aus Bambus, dessen straff gespannte Sehne inmitten der Baumwolle durch eimen kleinen Haken in trillende Be- wegung versetzt wird und die Baumwolle auseinander stäuben lässt, dann wird sie mit gewundenen Rohrklopfern wieder zusammengeschlagen, in einen Strang ausgezogen und um einen Stock gewickelt. Nun kann sie gesponnen werden. — Zum Spinnen des Fadens gebraucht man ein kleines, sehr unvollkommenes Spinnrad, welches mit der Hand gedreht wird. Daran zu drehen ohne zu spinnen, ist in den Augen des abergläubischen Javanen eine sehr bedenkliche Sache. Um ein Pfund Baumwolle zu Faden zu spinnen hat eine Person etwa zehn Tage nöthig. Dieser Faden wird in drei Stränge vertheilt und falls er zu bunten Webereien dienen soll, erst gefärbt; zu weissen Stoffen kann er gleich auf den Webstuhl gebracht werden. RUTNTS I Zum Weben wird ein sehr einfaeher Handwebstuhl benützt. Der Weber sitzt immer vor seinem Hause auf dem Boden oder auf einer kleinen Erhöhung mit den Beinen unter dem Webstuhl ausgestreckt, also in einer Haltung, in welcher der Unterleib gewaltig gedrückt wird. Die obere Seite des Webstuhles ist an der Wand des Hauses befestigt, und seine untere Seite ist mit einem joehförmigen Stück Holz verbunden, gegen welches sich der Weber mit dem Rücken anlehnt, so dass er das In- strument gestreckt hält. Die Kettenfäden, welche erst aufgespannt werden, gehen abwechselnd durch die Zähne eines Kammes von Bambus, und die übrigen werden in einer ähnlichen Vorrichtung eingefasst. Das Schiffchen besteht aus einem kleinen, geschnitzten Bambusköcher von 11/, Deeimeter Länge, in dem sich ein Stöckchen befindet, um welches der Einschlagfaden gewunden ist. Zwei dünne, flache Bambusstöckcehen sind seitlich zwischen die Kettenfäden gesteckt, um dieselben zum Durchlassen des Einschlages auseinanderzuhalten und um die durch- gesteckten Fäden jeweilig anzudrücken. Der abgewobene Theil wird nicht aufgerollt oder umgeschlagen, sondern man lässt ihn am oberen Ende des Stuhles durch zwei Latten des Stuhles durchlaufen, bis das ganze Gewebe, welches selten länger. als acht bis zehn Meter wird, ganz fertig ist. Die Arbeit geht sehr langsam voran; zu einem Stück von der gewöhnlichen Länge, ein Meter breit und mittelmässig fein, benöthigt der Arbeiter vier bis fünf Wochen. Die Gewebe, welche aus farbigen Fäden verfertigt werden, sind gestreift oder carrirt. Die Carrirten haben gerade die Grösse eines Rockes, die Gestreiften sind länger, und da das ganze Stück dasselbe Muster hat, kann man so viel davon abschneiden, als man gerade benöthigt. Auf dem weissen Gewebe, welches zu Röcken, Kopftüchern und anderen Kleidungsstücken bestimmt ist, werden Blumen und sonstige Verzierungen mittelst einer sehr verwickelten Bearbeitung angebracht, die man Batik nennt. Erst werden auf dem ganzen Gewebe die Figuren aus freier Hand gezeichnet, dann werden sie mit einer Lage kochenden Wachses bedeckt, welchen man darauf träufeln lässt durch ein am Boden eines feinen Schüssel- chens befindliches, enges Röhrehen. Dadurch bleiben die Bilder intaet, wenn das Gewebe in den Farb-Bottich ge- bracht wird, um ihm seine Grundfarbe zu geben. Ist die Grundfarbe angebracht, so wird das Wachs durch heisses Wasser entfernt und dann wird der Theil des Gewebes gewachst, welcher die zweite Farbe nicht annehmen soll. Für jede neue Farbe muss diese Bearbeitung wiederholt werden, bis dass das ganze Gewebe mit der gewünschten Zeichnung versehen ist. Eine Folge dieser Bearbeitung ist das Zusammenfliessen der Farben an den Rändern, wodurch es dem Käufer leicht wird, echte gebatikte Ge- wärder von europäischen Nachahmungen zu unter- scheiden. Welche Vorliebe jedoch der Inländer für sein eigenes Fabrikat auch haben möge, so kann solch eine mühevolle Bearbeitung die Coneurrenz mit den gedruckten Baumwollstoffen der europäischen Fabriken nicht aus- halten, vor Allem, seit dem letztere eifrig danach trachten, den grilligen Anforderungen des inländischen Geschmackes zu genügen, und doch ist es der inländischen Industrie geglückt, den europäischen Coneurrenten einigermaassen zurückzudrängen. In mehreren Provinzen findet man in- ländische, oft auch chinesische Batiker, welche die Muster mittelst kupferner Stempel oder mit dicken Lederlappen, in welchen die Zeichnungen ausgeschnitten sind, auf das Gewebe bringen. Zu dieser Bearbeitung gebraucht man durchweg europäische Calicots. Diese Industrie scheint einen Umfang angenommen zu haben, welcher auf den Verkauf von in Europa gedruckten Baumwollstoffen einen Naturwissenschaftlicehe Wochenschrift. 137 merkbaren Einfluss auszuüben beginnt; sie wird selten als ständiger Broderwerb ausgeübt; je nach der grösseren oder geringeren Nachfrage arbeitet solch ein Drucker allein oder mit emem oder mehr Gehilfen, und wenn z. B. kurz vor der Reisernte wenig Geld unter der Be- völkerung eireulirt, so hört die Arbeit ganz auf. Für seine Kleider liebt der Inländer keine hellen, lebendigen Farben, sondern er zieht die dunkeln vor. Unter seinen Farbstoffen nimmt der Indigo, welcher aus den Blättern der verschiedenen Arten und Varietäten der Gattung Indigofera gewonnen wird, die erste Stelle ein. Zum eigenen Gebrauche pflanzt die Bevölkerung Indigo als zweites Gewächs auf Reisfeldern. Der Inländer ge- winnt seinen Indigo aus Samen (Tarum caju), denn die Gewinnung aus Stecklingen (Tarum kembang) giebt zwar bessere Resultate, verlangt aber auch mehr Sorge und Aufsicht. Obige Namen weisen nicht auf einen botani- schen Unterschied hin, sondern auf einen Unterschied in der Behandlung. Vom Tarum caju wird Samen ge- wonnen, denn er wird jährlich frisch ausgesäet. Der Tarum kembang wird mittelst Stecklingen fortgepflanzt, und ob- schon diese sich mit Blumen bedecken, erzeugen sie, nach Behauptung der Inländer, keinen Samen. Dieses ist un- wahr, aber durch das Abschneiden der Steeklinge ent- wiekeln sich Wurzeln, Stengel und Blätter auf Kosten der künftigen Früchte. Der Tarum caju ist meistens Indigofera tinetoria, seltener Indigofera anil, der Tarum kembang eine durch Cultur entstandene Bastardirung beider Arten. Bei der Bereitung des Farbstoffes, welcher Nila genannt wird, geben die Inländer demselben keine feste Form, wie dieses zum Export nach Europa ge- schieht, sie weichen einfach die zerhackten Blätter und Stengel einige Zeit in Wasser auf, dann kochen sie die- selben und mischen etwas ungelöschten Kalk und einen Absud der Blätter von Paku saba, einer Farne, hinein, um den Farbstoff zu binden. Nach Abgiessung des über- flüssigen Wassers ist der Indigo zum Gebrauch fertig; soll er auf den Markt gebracht werden, so wird. er zu Ballen geknetet. Zu den zweiten Gewächsen gehören auch der Widjen und der Djarak. Beide sind ölgebende Pflanzen. Der Widjen (Sesamum indieum) wird gleichzeitig mit dem Reis ausgesäet, und die Pflanzen werden vorsichtig aus- geschnitten, bevor der Reis reif ist. Die kleinen Samen- körner werden als Gewürz auf Gebäck gestreut, auch wird aus ihnen ein Oel ausgepresst, welches zum in- und auswendigen medieinischen Gebrauch dient und auch als Lampen- und Haaröl Verwendung findet. Unter dem Namen von Djarak fasst der Javane verschiedene Arten der Gattungen Rieinus und Jatropha zusammen. Ich möchte mich an dieser Stelle nieht in die Cultur und den viel- fältigen Gebrauch dieser Pflanze vertiefen; im Allgemeinen bemerke ich bloss, dass diese schnell wachsenden Sträucher auf Aeckern, in Gärten, als Hecken und als Schattenspender für den Kaffee gepflanzt werden; das aus ihren Früchten ausgepresste Oel ist dick, riecht sehr unangenehm und dient zu Beleuchtungszwecken; die Blätter werden als Laxantia gegessen, und der geringe Javane gebraucht gewöhnlich zu seinen Berechnungen Djarak-Samen, so dass das Verbum „andjarak“ mit „zählen“ übersetzt werden kann. Unser Rieinusöl ist das Product einer Djarak-Art. Ein anderes Produet, das ich nieht mit Stillschweigen übergehen darf, ist der Lombok oder spanische Pfeffer (Capsicum). Er ist für den Javanen eine unmissbare Zu- speise zum Reis, und, obschon von amerikanischem Ur- sprung, ist er im ganzen indischen Archipel so verbreitet, dass selbst der ärmste Hausvater ihm ein Plätzchen in seinem Garten gönnt. Der Inländer zieht ihn bei Weitem 138 dem gewöhnlichen Pfeffer vor, und die mannigfachen Varietäten, die auf Java erzielt werden, haben ihre eigene inländische Namen. Als zweite Gewächse wären schliesslich noch Tabak Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XIU. Nr. 12 und Zucker zu erwähnen, die Wichtigkeit dieser Producte für den europäischen Markt veranlasst mich jedoch, die- selben, sowie den Kaffee, in einem besonderen Aufsatze zu behandeln. Wetter-Monatsübersicht. (Februar.) — Während des diesjährigen Februar wich die Witterung in Deutsch- land viel weniger als im Laufe des Januar von den ge- wöhnlichen Verhältnissen ab, ihr vorherrschender Charakter blieb aber der gleiche. Mehrmals hatte es den Anschein, als ob der Winter endlich in seine Rechte treten wollte, doch kehrte das milde Wetter nach wenigen kalten Tagen immer wieder zurück. Allerdings kamen, wie die bei- stehende Zeichnung erkennen lässt, überall die höchsten Temperafuren im Kebruar 1898. —— Tägliches Maximum, bex Minimum. _—_8UhrMorgens, 1898. „ --.- 8 UhrMorgens,normal, 4.Fehr. 6. N. 16. 21. 26. AA Norimstisännd. ern) A, ohne! ie a IE ee Temperaturen gleich bei Beginn des Monats vor; am 2. Februar stiegen dieselben z. B. in München bis auf 14, in Halle bis 12° C., nicht viel niedriger waren sie jedoch auch um den 16. Februar. In beiden Fällen wurde die warme Luft durch W eststürme herbeigeführt, welche besonders an der Nordseeküste heftig auftraten und vom 16. zum 17. Februar auf der Unterelbe Sturm- fluthen erzeugten. Im Monatsmittel übertraf die Temperatur in den nord- ostdeutschen Landestheilen ihre normale Höhe um reichlich 2 Grade, im Nordwesten um 1'/, und im Süden um einen halben Grad Celsius. Auffallend gering waren die Unter- schiede zwischen den höchsten und niedrigsten Tempe- raturen der meisten Tage. Dies lag an der anhaltenden starken Bewölkung; z. B. hatte Berlin während des ganzen Monats nur 36 Stunden mit Sonnenschein, be- deutend weniger, als in jedem früheren Februarmonat innerhalb dieses Jahrzehntes und noch nicht halb so viel, als im Februar 1896 verzeichnet worden waren. Klares, wolkenloses Wetter gab es hauptsächlich nur zwischen dem 10. und 13. Februar in Süddeutschland und theilweise an der Ostseeküste, zu welcher Zeit das Thermometer in München bis — 13, in Memel bis — 14° C. herabging. Die durch unsere zweite Zeichnung zur Anschauung gebrachten Niederschläge waren in allen Theilen Deutschlands sehr zahlreich und oft auch ergiebig. Ihre Monatssumme, welche sich für den Durchschnitt der | Tagen, berichtenden Stationen auf 63,4 Millimeter belief, war erheblich gröser als die entsprechenden Werthe von den letzten vier Februarmonaten und wurde erst im Februar 1893 um 9,6 Millimeter übertroffen. Innerhalb des Monats Tliederschlagshöhen im Februar 1898. # " ch ste 2.‘ Miltterer Werth für Eee are s 282.357 E55 23, 4328.8 88222] Deutschland. s2 o0u2 92 3 22°, 255725 EBE= 2268 Emsz 9 = 225,5 | Monatssummen im Febr. BELFCISSEELSSÄnESZSEE | 1RN %,H.94 93, wiesen die einzelnen Wochen abwechselnd grössere und geringere Niederschlagshöhen auf, und zwar gehörten die grössten in den meisten Gegenden der ersten, die ge- ringsten der zweiten Februarwoche an. Am bedeutendsten waren die Niederschläge in den ersten Tagen des Monats an den nordwestlichen Stationen, aber auch in Süd- deutschland :ielen um die gleiche Zeit die ersten er- giebigeren Regen- und Schneefälle seit October. Im Osten kam während des ganzen Monats viel häufiger Schnee als Regen vor, der jedoch nicht dauernd liegen blieb, nur vom 9. bis zum 12. Februar hatte z. B. Chemnitz eine 1!/; Decimeter hohe Schneedecke. Die Tage vom 16. bis 18. waren ausserdem reich an Hagel- und Graupel- fällen und zeigten überhaupt ganz den Charakter des „Aprilwetters“. Um diese Zeit gab es an der Küste so- wie in Thüringen mehrfach Gewitter und in verschiedenen Gegenden wurden schön ausgebildete Elmsfeuer beob- achtet, nicht allein auf Berggipfeln wie dem Brocken, sondern auch an niedriger gelegenen Orten, so zu Uslar in der Provinz Hannover und auf einer Anhöhe bei Rotenburg an der Fulda. Innerhalb der ersten acht Februartage zogen mehrere tiefe barometrische Minima in Begleitung schwerer West- stürme vom norwegischen Meere ostwärts oder südostwärts in das Innere Russlands, während sich von der Biscaya- see nach Frankreich ein Gebiet hohen Luftdruckes er- streckte. Letzteres setzte sich am 9. Februar in Ver- bindung mit einem zweiten Barometermaximum, das sich in Finnland ausgebildet hatte. Aber das ganze dadurch entstandene Maximalgebiet wurde schon nach wenigen in denen eine merkliche Abnahme der Nieder- XIII. Nr. 12. schläge und Bewölkung innerhalb Deutschlands erfolgt war, durch eine neue Depression langsam von Nordwest nach Südost gedrängt und verblieb während der zweiten | Hälfte des Monats in Ostrussland und Westsibirien, wo daher andauernd eine ausserordentlich strenge Kälte herrschte. Noch am 26. Februar hatten beispielsweise Tscherdyn, Kasan, Uralsk, Saratow — 32°, in Sibirien Barnaul — 46, Irkutsk — 38, Omsk — 37° C. Nachdem die nordwestliche Depression unter all- mählicher Verflachung über die südliche Ostsee hinweg- gezogen war, erschien am 19. Februar auf dem nor- wegischen Meere eine neue, welche mehrere Tage dort und auf der Nordsee verweilte. Dagegen vermochte ein enger begrenztes Minimum am 22. von Westfrankreich aus in den mitteleuropäischen Continent einzudringen, wo dasselbe in den nächsten zwei Tagen ausserordentlich starke Schneefälle in den Alpen, die verschiedentlich zu Lawinenstürzen führten, und sehr heftige Guss- regen in Südfrankreich, Süddeutschland und Istrien um sich verbreitete. In den letzten Tagen des Februar trat ein Minimum westlich von Irland auf, das sich wiederum nach dem norwegischen Meere begab, und dessen südliche Ausläufer die nasse Witterung in Deutsch- land sich bis zum Schlusse des Monats fortsetzen liessen. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernanpt wurden: Der Privatdocent der Mineralogie in Heidel- berg Dr. A. Sauer zum ausserordentlichen Professor; der Privat- docent der Zoologie in Heidelberg Dr. Bela Haller zum ausser- ordentlichen Professor. Es habilitirte sich: Physiologie. Es starb: Der Geologe John Carrick Moore in Eaton Square. In Leipzig Dr. Franz Hofmann für Litteratur. Privatdocent Dr. Paul Hauptfleisch, Professor Julius v. Sachs. ° Gedächtnissrede gehalten in der Physikal.-med. Gesellschaft zu Würzburg. Mit dem Bildniss v. Sachs’ und einem chrono- logischen Verzeichniss seiner Publicationen. Stahel’'sche kgl. Hof- und Universitäts-Buch- und Kunsthandlung. Würzburg 1897. — Preis 0,80 M. Wir haben No. 10 dieses Jahrgangs der „Naturw. Wochenschr.“ bereits eine Biographie des ausgezeichneten Botanikers Julius Sachs angezeigt. Die vorliegende Schrift bildet in manchen Punkten eine Ergänzung zu der früheren aus der Feder Goebel’s. Das von H. gegebene Bildniss z. B. giebt Sachs aus neuerer Zeit wieder, während dasin dem Heft Goebel’s gebotene Bild Sachs aus früherer Zeit darstellt. Ferner führt H. nicht weniger als 144 Abhandlungen und Bücher von Sachs an gegenüber 99 bei Goebel, obwohl H. noch nicht Alles hat zusammenbringen können. „Doch fehlen — meint Verf. — wohl nur Aufsätze, die in mehr popu- lären Zeitschriften erschienen sind.“ Dr. Julius Thilo, Einführung in die Grundlehre der Chemie. Für Schulen und zum Selbstunterricht. Hermann Beyer & Söhne. Langensalza 1897. — Preis 2,50 M. Das Buch (übrigens ganz ohne Abbildungen) ist für seinen Zweck wohl geeignet. Von den allgemeinen chemischen Theorien hat Verf. nur „das absolut nothwendige Mindestmaass“ vorgebracht „mit Rücksicht auf die wichtigste Forderung, dass nämlich alles, was gelehrt wird, dem Schüler absolut klar werden muss.“ Briefkasten. Hr. R. 0. — Die Frage nach der Art der Abhängigkeit der Seele vom Körper hat der Unterzeichnete in der von ihm zusammen mit Herrn Dr. R. Hennig besorgten Neu-Auflage von Inhait: 69. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braunschweig. — E. Fürst: Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 139 Bernstein’s Volksbüchern XII. Theil S. 25 u. 26 in der folgenden Weise kurz zu beantworten versucht. „Die geistigen (seelischen) Werthe sind von Bewegungen abhängig, die sich im Gehirn vollziehen. Die Bewegungen im Gehirn kann man daher als „Unabhängige“, die seelischen Werthe als „Abhängige*“ bezeichnen, Um die Art der Abhängigkeit einigermaassen zu verbildlichen, sei auf die Abhängigkeit der von einem Winkel eingeschlossenen, geraden Strecke von der Grösse dieses Winkels hin- Y gewiesen. Das heisst, wenn der Winkel » in A grösser gemacht wird, etwa durch Bewegung der Linie xy, so wird auch die Linie @ grösser und umgekehrt. Die Länge der Linie a ist also in bestimmter Weise abhängig von der Grösse des Winkels w, oder wie der Mathematiker sagen würde: die Länge der Linie a ist eine Funktion des Winkels ». In Funktional-Beziehung zu- einander stehen auch die Bewegungen des Gehirns und die seelischen Werthe, welche zusammengenommen die „Seele“ ausmachen, deren „Einheitlichkeit“ durch die Fähigkeit, sich früherer seelischer Werthe zu erinnern zu stande kommt. Da nun das Gehirn als Theil des Gesammtkörpers im Ver- laufe der Generation der Lebewesen sich ebenso geändert, immer höhere, komplieirtere Gestaltangen angenommen hat, so müssen natürlich auch die seelischen Werthe, z. B. die Denkformen sich geändert, sich entwickelt haben.“ (Näheres hierüber vergl. in meinem Artikel „Ueber die Entstehung der Denkformen“, Naturw. Wochenschr. Bd. VI, Nr. 15 vom 12. April 1891. In diesem Artikel habe ich freilich die angegebene Art der Abhängigkeit, auf die R. Avenarius aufmerksam gemacht hat, noch nicht zu Grunde gelegt). Der hier gebotene Vergleich der Abhängigkeit der seelischen Werthe von Bewegungs-Erscheinungen mit der Funktion eines Winkels scheint mir der am leichtesten verständliche. Ich habe wiederholt die Erfahrung gemacht, dass auf dem angegebenen Wege für pädagogische Zwecke gerade auf diesem ein Verständniss der eigentlichen Meinung der Avenarius’schen Schule am schnellsten und leichtesten zu erreichen ist. Es sei hier noch hinzugefügt, dass es die Festhaltung an dem sonst umstossbaren Gesetz von der Erhaltung der Energie ist, welches zu der Annahme einer „logischen“ Functional-Beziehung zwischen den Bewegungen im Gehirn und den seelischen Werthen zwingt. Avenarius sagt „logische“ Functional-Beziehung zum Unterschied von den physiologischen Functional-Beziehungen wie z. B. das Aussondern von Urin durch die Nieren, ein Vergleich, den bekanntlich der Materialist Carl Vogt vorgebracht hat und zur Kennzeichnung des schweren Grundfehlers der materialistischen Riehtung ganz ausgezeichnet ist. Betrachten wir die sämmtlichen Bewegungs- Erscheinungen, so sind wir doch bislang noch nie und nimmer irgendwie und irgendwo auf seelische Werthe gestossen als Stadium dieser striete nach dem Gesetz von der Erhaltung der Energie verlaufenden Erscheinungen. Nur und allein physiologische Functional-Beziehungen haben bis jetzt im und am thierischen Körper constatirt werden können: niemals liegen in der Route derselben seelische Werth. Würde die heutige Philosophie diese Erkenntniss durchweg und zielbewusst festhalten, so müsste sie ein ganz anderes Durchschnittsbild ergeben als es thatsächlich vorhanden ist. R. Avenarius ist es, der zuerst dieser Forderung exaeter wissenschaftlicher Forschung genügt hat. Eingehenderes über die von ihm auf dieser Basis gewonnenen Resultate finden Sie in den Artikeln unseres Vertreters der Philosophie in der „Naturw. Wochenschr.“, Herrn Dr. Maximilian Klein. H. P. Chiffre L. — Der Ornithologe Herr Professor Reichenow beantwortet Ihre Frage „Was versteht man unter Wolga- huhn?“ wie folgt: „Wolgahuhn“ ist keine gebräuchliche Be- zeichnung für irgend eine Vogelart. Es lässt sich aber vermuthen, dass damit das Steppenhuhn Syrrhaptes paradoxus (Pall) ge- meint ist. Die Cultur des Reises und der auf Reisfeldern erzielten zweiten Gewächse. — Wetter-Monatsübersicht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Privatdocent Dr. Paul Hauptfleisch, Professor Julius von Sachs. — Dr. Julius Thilo, Einführung in die Grund- lehre der Chemie. — Briefkasten. 140 IT I I I I I ST N ET ET ET I TE TS SS U TS ST 0 0 7 7 7 7 I 7 7 Dr. Robert Muencke Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. & Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ® und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. 9000000009900000000000900000000000000900004 Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! Grosse Vortheile! Neues Princip für Massenbetheiligung EEE ER EREN EHe ® % 54 Q ® % 7 52 ® 2 “ % os an industriellen Unternehmungen. == Neuheiten - Vertrieb. — N 2 Neu aufgenommen: om DUECH FUN EENR des Buttenstedt- A schen Flugprincips & (von zwanzig namhaften Gelehrten unterstützt) und ac Errichtung einer Versuchs- um station für Flugzwecke. o Internationaler Verein zur rationellen Verwerthung von Erfindungs-Patenten. Eingetragene Genossenschaft mit be- schränkter Haftpflicht. Berlin SO. 26. Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, partieipirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabricirten Artikel K Das optische Institut ne Franz Ba rtels, Patent- u. technisches Bureau. Berlin SW., Yorkstr. 19! Billig, sorgfältig, schnell. Reelle Bedienung. Paul Wächter Berlin - Friedenau empfiehlt als Spezia- litäten seine Mikroskope und photogr. Objektive M Preislisten gratis & und franko. Gebrauchte Gasmotoren DAMPF- und DYNAMO- = MASCHINEN :: garantirt :betriebsfähig 7: EXYYXIIIIYIIYIIYIYIYY! Hempel’s Klassiker-Ausgaben. Ausführl. Speeialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandl. ELLITIIIIIIIIIIITIIITI in “allen Grössen. sofort lielerbar. Eransvdaal. Roman aus dem jüdafrifanifchen Leben der Gegenwart von Gregor Samarow, Geheftet © Marf, in einem Band gebunden 8 Mar. rufe Antworten auf Finderfrngen, Ausgewählte Kapitel aus einer praktifhen Pädagogik fürs Haus von Dr. phil. Audolph PBenzig, Dozent an der Humboldt - Afademie in Berlin. 248 ©. groi Dftav. Preis geh. 2,80 M., geb. 3,60 M. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. 2 Bände. Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Eine Theorie der Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 12. Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Rh Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Gameras. Für 12 Platten. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Photosr?rhische Stativ- und Hand- is$” Sämmtliche Bedarfsartikel. = Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges ). Gediegene Ausstattung. Ohne Beutel! Otto Toepfer Werkstatt für wisssenschaft- liche Instrumente. Potsdam. = Gegr. 1873. * Speeialgebiet: „Astrophysik“ (Astrophotometrie, Astrospectroskopie, Astrophotographie). Fernrohre bis 5° fr. Oeffn. azimuthal u. parallaktisch mon- tirt. (Mit und ohne Uhrwerk.) — Ocu- 1 lar-, Nebel-, Stern-, N Protuberanz-Spec- troskope. — Spec- tralapparate und Speetrometer für wissenschaftliche, technische u. Schul- zwecke. — Stern- specetrographen nach Prof. H. C. Vogel. — Heliographen ver- schiedener Art. Spectroheliogra- phen nach Hale. — Heliostate bewähr- ter Construction. — Keilphotometer mit Registrireinrich- tung. — Astropho- tometer nach Zöll- ner. — Speetralpho- tometer div. Con- struction. He- lioskop-Oculare. Astronom. Hülfsin- strumente jeder Art. — Schraubenmikro- meterwerke. — Ocu- lare, Lupen, Pris- men. — Optische Bänke. — Photogr. Apparate zur Re- propuction astron. Objecte. — Neutral- läser mit und ohne assung. — Sensito- meter und Iconometer für photogr. Be- darf. — Lupenapparate und kleine Mi- kroskope für botanische und entomolo- gische Studien. — Projectionsapparate. JLLPREISLISTEN NUR AN : [WIEDERVERKÄUFER uINSTALLATEURE Saga Gans & Goldschmidt, Berlin N., Auguststr. 26. Elektrotechnische Anstalt und mechanische Werkstätten. Spezialität: Elektr. Messinstrumente, Normal-Elemente, Normal- und Praeci- sionswiderstände, nach den Modellen der Physikal. Techn. Reichsanstalt. — Normal- Volt- und Amperemeter, Spiegelgalvano- meter, Physikalische Lehrmittelapparate. Einrichtung von Laboratorien. |. ERKIIIIZIIYIIIIEIIIIIIIIIIIIIIIEIIIIIT E72 ; von Poncet Glashütten-Werke 54, Köpnickerstr. BERLIN SO,., Köpnickerstr. 54. KETTTTZKTETTITTITTTT aller Gefässe und Utensilien für chem., pharm., physical., electro- u. a. techn. Zwecke. Gläser für den Versand und zur Ausstellung naturwissenschaftlicher Preisverzeichniss gratis und franco. |. EXXXIITZIIIIIIIIIIIIIICKIIIIITTIIIIT IT Fabrik und Lager Präparate. AI TI YYTY IT IIT III III) Hierzu eine Beilage von Ferd. Dümmlers Verlagsbkuchhandlung in Berlin SW. 12, betreffend: „Korn, Gravitation und der elektrischen Erscheinungen“, die wir hiermit besonderer Beachtung empfehlen. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12, = BER = x Fern "Redaktion: Was die naturwissenschaftliche Forschung „ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- den Gebilten der Phantasıe, wı ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, der ihre Schöpfungen schmückt, Schwendoner. RE Dr. H. Potonie. aa Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. | Sonntag, den 27. März 1898. Nr. 13. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Bringegeld bei der Post 15 3 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. y Der Vierteljahrspreis ist M 4.— felo Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Der geologische Bau von Schantung (Kiau-tschou) mit besonderer Berücksichtigung der nutzbaren Lagerstätten. Nach der Mittheilung des Geheimrath Prof. Dr, Ferdinand Frhr. y. Richthofen in der Zeitschrift für praktische Geologie (Berlin). Die Provinz Schantung wurde von Ferdinand v. Riehthofen am Beginn seiner Landreise in China im Frühjahr 1869 besucht. Geologische Untersuchungen Anderer lagen damals noch nicht vor. Da es auch anbrauch- baren topographischen Karten fehlte, musste eine eigene topographische Aufnahme zur Einzeiehnung der geologischen Beobachtungen vorgenommen werden. Der Maassstab der v. Richthofen’schen Blätter ist 1:437 000; sie sind ver- kleinert (1: 730 000) in seinem Atlas von China wieder- gegeben, wo Schantung auf den Blättern 1 bis 4 und 33, 54 dargestellt ist. Die Provinz besteht überwiegend aus ebenem Land, einem Theile der grossen Ebene von China; nur etwa ?/, des Gebietes sind gebirgig. Das Bergland umfasst die Halbinsel ganz und greift westwärts über dieselbe hinaus, eine von’ Ebene und Meer umschlossene, inselförmige Masse bildend. Die grosse Ebene ist ein weites Einbruchs- gebiet, von dessen Untergrund zur Zeit noch nichts be- kannt ist. Die Oberflächengebilde sind ein Produet des Hwang-ho und anderer Ströme, von denen jeder einmal zu irgend einer Zeit ein Zufluss des ersteren war. Die grosse Ebene stellt einen ausgedehnten, sanft nach Osten abgedachten Schuttkegel dieses gewaltigen Strom- systems dar. Das Bergland wird durch eine dem Wei-Fluss fol- gende, nordsüdliche Bruchlinie in 2 geologisch und oro- graphisch verschiedene Theile getrennt, deren Höhen im Allgemeinen nicht beträchtlich sind. Der Tai-schan im westlichen Theile erreicht 1600 m, einzelne Rücken in der Nähe noch 1200—1300 m; im Osten sind die Höhen durch- weg geringer; die Bergformen aber schroff und wild. Ein von Meeresbuchten mehrfach durehbrochener Bergzug folgt der Südküste der Halbinsel; zwischen den Ausläufern des 1090 m hohen Lauschan und denen seiner westlichen Fortsetzung führt eine über 40 m tiefe Wasserstrasse in die Kiau-tschou-Bai, ein kreisrundes Becken von über 26km Durchmesser. Nördlich von ihr zieht sich eine breite Senke. von flachwelligen Geländeformen bis zur Nordküste der Halb- insel, sie greift auch weit nach Osten in das Gebirgs- land hinein, besteht aber aus keinem Alluvialland, sondern aus zersetztem, anstehenden Gestein. Hier liegen die fruchtbarsten und am dichtesten bevölkerten Gebiete. Das Bergland von Schantung besteht in geologischer Beziehung nur aus alten Formationen: einem archäischen, zusammengefalteten Grundgerüst und einer palaeozoischen Decke von nicht metamorphischen und nieht gefalteten Schiehteneomplexen. Das tiefste Grundgebirge setzen Ur- gneiss und Gneissgranit mit Hornblendenschiefern — durchbrochen von Pegmatit und Quarzgängen — zu- sammen. Darüber folgen krystallinische Schiefer mit Kalk- steinen; Granitausbrüche (Korea-Granit) haben die sehr intensiven gebirgsbildenden Vorgänge begleitet. Der grösste Theil der darüber folgenden, nur wenig gestörten palaeozoischen Schiehtenmassen wird durch die sogenannte sinische Formation eingenommen. In ihrer unteren Ab- theilung treten grobe Conglomerate und Sandsteine, in der mittleren Quarzsandsteine und thonige Schiehten im Wechsel mit plattigen Kalksteinen auf; in der oberen herrschen Kalksteine vor; gewisse globulitische Kalke sind hier charakteristisch. Unmittelbar auf diese Schichten folgt das Carbon. Silur- und Devonformation fehlen also anscheinend. Das Carbon beginnt mit Kohlen-Kalksteinen; darüber kommen kalkige, zuweilen versteinerungsreiche, zum Theil auch mehr sandig-thonige Schichten; mit den bangendsten 142 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. ZI. Nr. 13. Formationsgliedern stehen Porphyre und Porphyrtuffe per- mischen oder jüngeren Alters in Verbindung. Damit ist die Reihe der älteren Formationen zu Ende. AlsDecke findet sich nur der alle Thal- böden, Abhänge und niederen Hü- gel bedeckende Löss. Wie aus der in Figur 5 auf S. 133 hier bei- gegebenen Karte hervorgeht, sind Ost- und West- Schantung in ihrem geologi- schen und tek- tonischen Aufbau verschieden. Auf der Ostseite fehlt die Kohlenfor- mation, die si- nische tritt nur ganz unterge- ordnet auf, im Westen sind die Schichten der letzteren sehr entwickelt und das Carbon ist mehrfach vorhan- den. Im Westen treten die krystal- linischen Ge- steine als Ober- flächenbildnerzu- rück, im Osten waltet das Grund- gebirge vor; im westlichenSchan- tung ist die Löss- bedeckung sehr allgemein, im östlichen nicht. Diese - wich- tige, schon oben erwähnte Tren- nungslinie zwi- schen Ost- und West- Schantung ist ein Theil der grossen Bruch- linie von Liau- tung und Schan- tung, die gleich- zeitig durch eine Kette vuleani- scher Eruptio- nen bezeichnet ist. Im östlichen Schantung, wo Gneiss und Gneissgranit überwiegen, scheint eine doppelte Zusammenfaltung stattgefunden zu haben, einmal in der normalen Streichrichtung des Gneisses von Nordnordwest & & & PlUL:ATS} -sslaun) 'n sstousı] sap ueyyoryag pun MIOrC] 777 717797 77 7 MuodAr] UuBys-Zueuss, a azıqaspunır) sOydpsıayday uUOA aurajs -98) ayasıyd -0WBJO]L Ny-neu-Is], AuBıH) JoArydnım ———Z—— yosrurg -a0Juf] yosıurg -1090 pun -PHIMN unrıqwe/) "I 'S0a uayngs -SI9J[V Op Zunuual], -uO[JON] auyo yosrurg ey uoqas/) "g 'IIA OyoTop31eA UISP[aFuayoy] uep nz noyosI-nery] UOA or] aıp Aaqan]) SOALINNPOLI -00082E 1: 'W 'T (uogoy4yory 'A ‘A Yozu) Sunyuwyog UoA Aapfajuepyoy] uayoıpıou 1op SJABySIupIsIegaN ayosı3ojoar) uogqıe/) -2oqeN) auTaJsaX) SpnL ByostuzopnA SyostuwonA 8807 wnranggy tunTAnILd Schiehtgebilden vor; nach Südsüdost, dann nach der sinischen Streichrichtung von Westsüdwest nach Ostnordost. Das Gebirgs- land der West- hälfte zerfällt in eine grössere An- zahl langgedehn- ter, tafelartiger Schollen, deren jede an einer Längsseite ge- hoben ist, und auseinem krystal- linischen Unter- bau und einer daraufgelagerten Kappe sinischer Sedimente _be- steht. Die Ta- feln fallen unter geringen Win- keln in nördlicher Richtung ein, die Bruchlinien ha- ben dagegen ver- schiedenes Strei- chen; im Allge- meinen scheint eine Tendenz nach einer ra- dialen _ Anord- nung mit dem Tai-schan als Centrum vorzu- liegen, während kleinere,, Brüche rechtwinklig zu diesen die Ra- dialspalten glie- dern und am Nordrand des Ge- birges kleine Bruchfelder tie- fe Einbuchtungen verursachen. Mit diesen tektonischen Vor- gängen stehen die Koblenvor- kommen in Be- ziehung, deren Lage aus der Uebersichtskarte Fig. 5 ersichtlich ist. Die geolo- gischen Verhält- nisse, die, s0- weit man sie bis jetzt kennt, auf der neben- stehenden geo- logischen Karte Figur 1 dar- gestellt wur- den, sind noch nicht völlig ge- klärt, wahrscheinlich liegen aber versenkte und dadurch der Erosion entgangene Reste von ehemals weit ver- ihre Fortsetzung unter XI. Nr. 15 den jüngsten Schwemmgebilden werden sich vermuthlich durch eine genaue Aufnahme erweisen lassen. Jedes der Kohlenfelder zeigt das Vorhandensein mehrerer Flötze von meist vorzüglicher Kohlenbeschaffenheit in abbau- würdiger Mächtigkeit. Sie finden sich stets in Wechsellagerungen mit Kohlenkalk und klastischen Gebilden. Von den grossen Koh- lenfeldern des Nordrandes wer- den in dem genannten Aufsatz ausführlich beschrieben und durch die auch hier beigegebenen Profile erläutert die Kohlenfelder von Po-schan (mehrere Flötze von 6-8 Fuss Mächtigkeit), Tschang-kiu (mehrere Flötze von 4—6 Fuss Mächtigkeit), Naturwissenschaftliche Wochenschrift. NW Lai-Gebirge 1 Unzersetzter Gneiss; 2 Wellenland von zersetztem Gneiss 3 Sinische Schichten. Fig. 2. Auflagerung Sinischer Schichten auf Wellenland von zer- setztem Gneiss mit zahlreichen Gängen von Quarz und Peg- matit, neben schroffen Ketten von unzersetztem Gneiss mit wenigen Gängen. 145 gewonnen werden; ein anderes Vorkommen von Eisen- erzen (Magneteisenstein) ist östlich von Tsi-nan-fu bekannt und bildet eine typische Con- tactlagerstätte, die Dioritdurch- brüchen ihre Entstehung ver- dankt. Die Zukunft der Provinz Schantung und unserer neuen chinesischen Besitzung beruht nach v. Richthofen auf den ausgedehnten Kohlenfeldern und zum geringeren Theil auf den Eisenerzvorkommen. Der übrige Metallreiehthum, über den phantasievolle Berichte gegeben wurden und der sogar auf Karten der Provinz graphische Darstellung fand, beschränkt sich auf Spuren von Gold in den Alluvionen und auf Wei-hsien (viele Flötze von 4—6 Fuss Mächtigkeit), | geringe Mengen von Bleiglanz und Kupferkies im archä- ee ischen Ge- und I-hsien birge. (wahrschein- „3 z= i "Den Ab- lich 7 mn INNERES E 3 3 u von bis Se ieLageun Fuss Mäch- GELBES MEER. SI Bedeutung tigkeit). er von Kiau- a ; we fr re ohlen- der das Ur- feld hat eine theil des beträcht- besten Ken- liche, aber 7) © ners der Bo- noch nicht 2 denschätze zu überse- 93) von Schan- hende Aus- a tung enthält, dehnung; es geben wir dürfte insbe- im Folgen- sondere sei- i ; den voll- ne Fortset- Ma, ständig wie- zung nach NEN der: Osten und SEN Die La- Süden unter NN ge und den dort IL‘ | Bedeu tung auftretenden EKY N | von Kiau- Tuffgestei- So tschou. nen zu unter- 3. r. Die Lage suchen sein; Q von Kiau- überhaupt N = tschou ist, wird eine \ \ BD was das Mor- genaue geo- en : N EN RN & phographi- logische Er- zu un ar N Man. ———n — sche betrifft, forschung je- Die vollschwarzen Flächen stellen vulcanische Gesteine, die stark schräg schraffirten die Kohlenfelder dar. als eine un- des einzel- Fig. 3. gemein gün- nen Vorkom- Tektonische Karte der Provinz Schantung (nach F. v. Riehthofen) i. M. 1:4263158. stige zu be- = ; mens sehr zeichnen. Die wesentliche und wichtige Ergebnisse zeitigen. Ausserdem kommen im I-tschou-fu Distriet Eisenerze vor, die bis jetzt trotz ihres hohen Eisengehaltes nicht SW Kiu-nü-shan 1 = I N um DE 1 )) N Im 1 Gneiss; 2 Tungwönn-Schichten; 3 Rothe thonige Sandsteine, Kalksteinefete ; 4 Lungmönn-Schichten; 5 Alluvium. Tung-Wönn-hö Hwang-ku-pi-tsze Een 3 er: ; 5 MN Fig. 4. Idealprofil der Verwerfungen am Tung-Wönn-hö. NO *) Frhr. v. Richthofen erklärt die Schreibweise Kiau-tschou gegenüber der amtlich festgesetzten Kiaotschau für die einzig richtige und die chinesische Aussprache völlig wiedergebende. Fig. 5. Kohlengruben bei Ku-ta-wan. 144 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 15. LI Bai öffnet sieh an der Südküste der Halbinsel Schan- tung, unweit der Stelle, wo diese an das Festland an- setzt. Die Einfahrt ist tief. Im Innern vermindern sich bald die Tiefen nach allen Riehtungen, und seichter, ver- sandeter Boden erfüllt einen grossen Theil der Bai. Der von Norden einmündende Kiau-ho mit dem Ku-ho hat jedenfalls wesentlich die Versandung bewirkt. Diese, ebenso wie alle Flüsse, welche in die Bai münden, durch- strömen das bis in grosse Tiefe völlig zersetzte, daher leicht zerstörbare archäische Gestein. Sehr frühe Besie- dass man sie durch einen Kanal verbinden konnte; kleine Kanalboote gingen in früherer Zeit von Meer zu Meer. Der grosse Plan, den Wasserweg zu einem Kanal für Seeschiffe zu erweitern, ist nur ersonnen, nie ausgeführt worden. Seine alte Bedeutung hat Kiau-tschou durch die Oeff- nung von Tschifu für den Fremdhandel eingebüsst, da diese den ganzen Verkehr von Schantung eine andere Richtung wies. Jetzt bestehen in der Provinz überhaupt, also auch zur Verbindung des Innern mit Kiau-tschon, delung und nur schlech- Uebervölke- Hsiau-fu-Thal Hei-shan teLandwege. rung haben Der Trans- längst zu port ge- unbedachter schieht durch Entwaldung die einfach- der Berge sten Mittel, und des 1 Kohlenkalkstein; 2 Schichten am Po-schan-mau; 3 Kohlenführende Schichten des Hei-shan; 4 Flötzleerer, fester Quarz- daher ist Hügellandes, sandstein; 5 Jüngere Fa röthlich gefärbt; 6 Löss. die Fracht und schliess- Fig.26. theuer. Neue lieh zur Aus- Profil durch das Kohlenbecken H&i-shan bei Po-schan-hsiön und von dort weiter in nördlicher Riehtung. Strassen rottung jedes könntennach nur brennbaren Gewächses geführt. Dadurch ist die Ver- sandung der Flussbetten veranlasst; die Sedimente ge- langten nach den Mündungsgebieten. Vielleicht hat eine langsame Hebung, auf welche einige Anzeichen hin- deuten, die Bildung von Untiefen auf den vorgeschobenen Sandbänken befördert. Keineswegs haben aber diese Ver- hältnisse die Bai als Ha- fenplatz un- W Wei-hsien ZZ den wiehtigsten Punkten mit Leichtigkeit angelegt werden. Aber die Zukunft von Kiau-tschou beruht in seiner Rolle als Ausgangspunkt von Eisenbahnen. ‘Die Kohlenfelder von Schantung werden durch sie erschlossen und den Häfen nahe gerückt werden. Die Felder sind günstig gelegen, die Flötze haben genug Mächtigkeit, um den Abbau zu lohnen, und die Beschaf- fenheit der Kohle dürfte sie für den Ma-sZ Ss tauglich ge- 1 Granit; 2 und 3 Obersinische Schichten; 4. Steinkohlenführende Schichten; 5. Eruptivgestein; 6 Löss. Gebrauchauf macht; zur Fig. 7. Dampfschif- Rechten der Durchschnitt des Kohlenfeldes von Wei-hsien. fen vorzüg=; Einfahrt, lich geeignet: nördlich vom Lau-schan, ist tiefer Ankergrund vorhanden, in einem die Kieler Bucht übertreffenden Areal, mithin in hinreichen- der Ausdehnung zur Aufnahme grosser Flotten. Die Stadt Kiau-tschou war früher ein wichtiger Handelsplatz. Durch ihre Erreichbarkeit von der See und ihre geographische Lage war sie geeignet, nicht nur den grössten Theil machen. Der wiehtigste Punkt ist der, dass es im ganzen südlichen und östlichen Asien keine Stelle giebt, wo gleich gute Steinkohle so nahe von einem günstig gelegenen Verschiffungsplatz vor- kommt. Die grossen und ausgezeichneten Kohlenfelder liegen weiter binnenwärts, nur Kaiping ist dieht an der Küste, aber die Fahrt ist lang bis dahin, und es bietet sich kein gün- von Schan- Ss Ausläufer des sinischen Plateaus Tsi-nan-tu Herang-hö N stiger Hafen- tung, sondern A platz. Die me- auch weite Ge- > ? 5_..—z Sozoischen 5 biete der gros- Kohlen von hl sen Ebene 1 kristallinischer Kalkstein mit Eisenerzen, von Dioritgängen durchzogen; Hyperit; 3 Sinischer Kalkstein; 4 Löss; 5 Alluvium. Japan und mit Handels- Fig. 8. Formosa ste-, gütern zu Vver- Hyperithügel in der Ebene bei Tsi-nan-fu und ihr Verhältniss zu dem Plateau der sinischen Schichten. hen an Be- sorgen; auch schaffenheit hat sie zu ge- hinter denen wissen Zeiten dient. Als ein weiterer Vortheil kam zu dieser günstigen Lage der Umstand, dass, wie bereits erwähnt, an Kiau-tschou nördlich ein flaches Gebiet, eine Zone niederen Wellen- landes anschliesst, die ergiebig und dicht bevölkert zwischen dem westlichen und östlichen Gebirgsland von Schantung weit nach Norden durchgreift, sodass eine leichte Ver- bindung zwischen dem äusseren und inneren Gelben Meere möglich ist. Ein Fluss, der Kiau-ho, kommt aus dem Laigebirge und ergiesst sich in die Bai; ein anderer, der Lai-ho, geht in der Senke nach Norden. Da, wo beide Flüsse einander am nächsten kommen, ist das Land so flach, als Zwischenhandelsplatz für Korea ge- von Sehantung zurück, und die Tertiärkohlen Indonesiens können einen Vergleich nicht aushalten. _ ih 2,30% Die Lage der Eisenbahnen ist vorgeschrieben. Eine Bahn nach Wei-hsien, von da gegen Westen der Nord- grenze des Gebirges entlang nach Poschan-hsien und: Tsi-nan-fu verlängert, würde die nördlichen Kobhlenfelder der Reihe nach dem Hafen tributpflichtig machen. Der Bau der Streeken in diesen ungemein volkreichen und produktiven Gebieten ist leicht und wegen der äusserst billigen Arbeit wenig kostspielig. Ein wei- terer Schienenweg würde in westlicher Richtung nach I-tschou-fu angelegt werden müssen. Sollten sich hier die Eisenerze als abbauwürdig zeigen, so würde der Ort noch eine besondere Wichtigkeit erlangen Die Verbindung XIII. Nr. 13. der letztgenannten Stadt über Yentschoufu mit Tsi-nan-fu würde einen höchst bedeutsamen vorläufigen Abschluss des Netzes bilden. Bisher waren die Kohlen fast ausserhalb jeder Ver- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 145 kehrsmöglichkeit. In der Eröffnung des Hafens von Kiau-tschou und im der Herstellung der genannten Ver- bindungen liegt die Zukunft der reichen, zum Theil noch unbekannten Kohlenfelder von Schantung. Ueber neuere Forschungen auf dem Gebiete der experimentellen Pathologie des Centralnervensystems. — Die moderne wissenschaftliche Heilkunde hat nicht nur die meisten .Fortsehritte in der Erkenntniss der Krank- heiten, sondern auch neuerdings in der Heilung derselben der experimentell-pathologischen Forschung zu danken, welche vor etwa 30 Jahren von dem berühmten Berliner Kliniker Professor Ludwig Traube begründet worden ist. In neuester Zeit ist diese Forschung auch auf das Central- nervensystem ausgedehnt worden und hat auch hier bereits überraschende Ergebnisse geliefert. Der feinere Bau des Centralnervensystems, welcher vor einem Menschen- alter noch ganz unbekannt war, ist seitdem wesentlich genauer bekannt geworden, in Folge der Anwendung neuer Färbemethoden für mikroskopische Hirn-Rücken- marksschnitte. Einen besonderen Fortschritt in dieser Hinsicht hat die von Dr. Nissl angegebene Methode durch Färbung der Nervenzellen mittels Methylenblau angebahnt. Die Ganglienzellen in den grauen Vorderhörnern des Rückenmarks, welche die Ausgangspunkte für die Aus- lösung der Muskelbewegungen sind, erscheinen, wenn sie nach der Nissl’schen Methode gefärbt werden, von eigenthümlichen, blau gefärbten Klümpchen angefüllt, welehe dureh helle Zwischenräume von einander getrennt sind. Man nennt diese Klümpehen jetzt gewöhnlich die Nissl’schen Zellkörperchen. Es hat sich nun gezeigt, dass die durch diese Färbungsmethode aufgedeckte . Structur der Nervenzellen dureh Erkrankungen, welche auch das Centralnervensystem in Mitleidenschaft ziehen, z. B. die Infeetionskrankheiten, die Vergiftungen und dergleichen verändert wird, während man mit den früher angewendeten Untersuchungsmethoden keine Affeetion des Gehirns und Rückenmarks in solchen Fällen nachweisen konnte. Dass sich die Erkrankungen im Centralnervensystem innerhalb der Nervenzellen gerade an den beschriebenen Nissl’schen Zellkörperehen abspielen, dafür hat erst jüngst die Ex- perimentalpathologie den Beweis gebracht. Zwei Berliner Forscher, die DDr. Goldscheider und Flatau, haben durch künstliche Erhitzung von Kaninchen im Brutschrank bei 45 Gr. C. auffällige Veränderungen der Struetur der Ganglienzellen mit Hilfe der genannten Methode ermittelt; die Zellkörperehen sind nicht mehr zu erkennen, die ganzen Zellen sehen verwaschen aus und sind unförmlich geschwollen, ebenso ihre zahlreichen seitliehen Ausläufer. Tödtet man die Thiere erst nach längerer Zeit, so kann man feststellen, dass die Veränderungen der Nervenzellen sich ganz allmählich wieder zurückbilden, so dass nach zwei Tagen gar keine Veränderungen an denselben mehr zu sehen sind. In gleicher Weise lassen sich Ver- änderungen in dem Aufbau der Nervenzellen nachweisen, wenn man die Thiere vergiftet, z. B. mit Malonnitril. Bringt man den so vergifteten Thieren vor Eintritt des Todes noch das Gegengift bei, nämlich Natriumhyper- sulphit, so beobachtet man auch hier einen Rückgang der Vergiftungserscheinungen an den Nervenzellen, und zwar einen um so stärkeren, je früher das Gegengift ge- geben wird. Die Thiere bleiben am Leben, und tödtet man sie zur Untersuchung nach einigen Tagen, so findet man an denselben keine Abnormitäten mehr. Neuerdings hat Dr. Goldseheider noeh weiterhin festgestellt, dass die Veränderungen der Ganglienzellen, welche denen nach künstlicher Erhitzung von Thieren durchaus gleich sind, auch bei fieberhaften Zuständen des kranken Menschen auftreten, und zwar gleich viel weleher Ursache das Fieber war. Es scheint also, dass auch beim Menschen die Ueberhitzung der eigenen Wärme des Körpers einen schädlichen Einfluss auf das Centralnervensystem ausübt. Vielleicht gehen sogar die Krankheitserscheinungen des Fiebers zu einem grossen Theil von diesen bisher nicht gekannten Veränderungen innerhalb der Nervenzellen aus. Die Veränderungen, welche durch die erhöhte Temperatur des Körpers, mag dieselbe nun künstlich hervorgerufen oder dureh Krankheiten bedingt sein, erzeugt werden, unterscheiden sieh wesentlich von den Veränderungen der Ganglienzellen des Rückenmarks nach Vergiftungen. Von den letzteren ist eine der am besten gekannten, hin- siehtlieh der Wirkung auf das Öentralnervensystem, der sogenannte Wundstarrkrampf (Tetanus), welcher durch Infeetion mit den Tetanusbacillen hervorgerufen wird, so- bald dieselben von einer damit infieirten Wunde aus in das Blut dringen. Die Tetanusbacillen wirken auf das Centralnervensystem durch Vermittelung eines von ihnen selbst gebildeten Giftes, des sogenannten Tetanustoxins. Die Wirkungsweise des letzteren ist erst durch Anwendung der Nissl’schen Färbungsmethode für das Centralnerven- system verständlich geworden. Mit Hilfe derselben kann man die Veränderungen, welche das Tetanusgift in die Nervenzellen setzt, direet beobachten. Es ist nun höchst interessant, dass man die Wirkungen der Vergiftungen ebenso wie beim Malonnitril auch beim Tetanusgift genau beobachten kann. Wenn man künstlich mit Tetanus- bacillen infieirten Thieren auf der Höhe der Vergiftung das Gegengift, nämlich das Tetanus-Antitoxin beibringt, welches in dem Behring’schen Tetanus-Heilserum enthalten ist, so zeigt sich auch hier bei rechtzeitiger Einspritzung des Gegengiftes ein allmählicher Rückgang der Ver- giftungserscheinungen an den Nervenzellen bis zum voll- ständigen Verschwinden der stattgehabten Veränderungen. Diese Versuchsanordnung der experimentellen Pathologie hat gleichzeitig einen unerwarteten, glänzenden Beweis für die prinzipielle Wirksamkeit des Behring’schen Tetanus- Heilserums erbracht, womit freilich noch nicht gesagt ist, dass das darin nachgewiesene Heilungsprineip für die praetische Verwendung des“Mittels stark genug ist. Die Wirkungen von Gift und Gegengift auf die Nervenzellen des Rückenmarks sind mit Hilfe derselben combinirten Untersuchungsmethode neuerdings auch bei der Fleischvergiftung durch die DDr. Kempner und Pollak festgestellt worden. Diese Vergiftung wird hervorgerufen durch einen dem verdorbenen Fleische anhaftenden specifischen Mikroorganismus, den Bacillus Botulinus, welcher in gleicher Weise wie der Tetanusbaeillus im menschlichen Körper selbst ein Gift aus sich heraus er- zeugt. Die Wirkungsweise des Giftes lässt sich mit Hilfe der Nissl’schen Methode nunmehr genau anatomisch nach- weisen; ja noch mehr, das Gegengift, welches man in dem Blutserum künstlich gegen”’dieses Gift unempfänglich gemachter Thiere gewinnt, wirkt wiederum in so charakteristischer Weise auf die Nervenzellen, dass die von dem Gift gemachten Veränderungen derselben sehr schnell schwächer und schwächer werden und schliesslich ganz verschwinden. Schlagender kann der Beweis der 146 Wirksamkeit des Gegengiftes nicht erbracht werden. Es handelt sich hier also um eine speeifische Heilwirkung, die wahrscheinlich in der Weise zu Stande kommt, dass das Gift durch das Gegengift in den Nervenzellen chemisch gebunden und dadurch unschädlich gemacht wird. Voraussichtlich spielen sich die Vorgänge in gleicher oder sehr ähnlicher Weise nicht nur in den Nervenzellen, sondern überhaupt in allen Gewebszellen des Körpers bei den acuten Infeetionskrankheiten des Menschen (Masern, Scharlach, Typhus, Pocken u. s, w.) ab, denen auch die Heilung von selbst durch die spontane Bildung des Gegen- giftes im Körper zu Stande kommt. Die Thatsache, dass der Mensch von diesen Krankheiten meist nur einmal im Leben befallen zu werden pflegt, ist höchst wahrscheinlich dadurch zu erklären, dass der Körper durch die Aus- bildung des Gegengiftes für das Gift dauernd unempfindlich gemacht wird. Die wiedergegebenen Forschungsresultate beweisen wohl zur Genüge, welche eminente Bedeutung dem neuesten Gebiete der experimentellen Pathologie zu- kommt. Sie gewähren nieht nur einen Einblick in das Wesen zahlreicher Krankheitserscheinungen, welche uns bisher unverständlich geblieben sind, sondern geben auch ein sicheres Mittel zur Prüfung von Heilmitteln an die Hand. Die experimentelle Pathologie hat ihre Daseins- berechtigung und ihren Nutzen wieder einmal glänzend bewiesen, und die Wissenschaft kann deshalb über das neuerdings aufgetretene Geschrei gegen die Viviseetion mit ruhigem Gewissen zur Tagesordnung übergehen. Dr. Albu (Berlin). In der Berliner medieinischen Gesellschaft wurde am 2. Februar d. J. von A. Bruck ein Hermaphrodit vor- geführt (Berliner klinische Wochenschrift 1898, S. 177 ff. Siehe auch „Naturw. Wochenschrift“ 1895, S. 216. Ueber Pseudohermaphroditen). Es handelte sich um das „tune- sische Mannweib“, welches sich im Passage-Panopticum in Berlin produeirte. Die bisexuelle Entwickelung des- selben tritt in verschiedener Weise zu Tage. Auf den ersten Blick, in der betreffenden Kleidung, glaubt man einen Mann vor sich zu haben, ein Eindruck, der durch das ziemlich grobknochige, stark bebärtete Antlitz ver- stärkt wird. Der völlig entblösste Körper, das aufgelöste, in langen Strähnen über den rundlichen Rücken herabfal- lende Haupthaar verwischt aber wieder diesen Eindruck. Aus der Vorgeschichte ist zu erwähnen, dass die Person, jetzt 33 Jahre alt, in Tunis als 4. Kind italienischer Eltern, die ebenso wie 15 andere Kinder vollkommen nor- mal gebildet waren, geboren und als Mädchen erzogen ist. Sie war trotzdem jeder weiblichen Beschäftigung von Kindheit an abhold, hatte eine grosse Leidenschaft für Pferde, auf welchen sie sich, nach Männerart reitend, um- hertummelte. Seit zehn Jahren ist sie an einen Mann verheirathet, der, kränklich, in Venedig lebt, während sie die Welt durchreist, um ihre eigenartigen Reize bewundern zu lassen. Angeblich hat sie in ihrer Ehe zweimal abor- tirt. Es lassen sich jedoch für diese Behauptung keine Beweise auffinden, und wird man gut thun, diese Angaben, wie so manches Andere, was sie über sich zu berichten weiss, in das Reich der Fabel zu verweisen und als eine Art phantastischen Niederschlages von allen den Examina aufzufassen, welchen sie im Laufe der Jahre unterworfen worden ist. Ihre Menstruation soll regelmässig, in einer Jedesmaligen Dauer von drei Tagen, vorhanden gewesen sein. Bei der Ankunft in Berlin will sie dieselbe zum letzten Mal gehabt haben, doch ist sie bisher dort nicht eonstatirt. Den Coitus übt sie in beiderlei Form aus, d.h. mit Männern und mit Frauen. In der letzten Zeit will Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 13. sie jedoch mehr zum Coitus mit Frauen geneigt haben, während ihr andrerseits der Verkehr mit einem Manne ein Bedürfniss — una necessita — gewesen ist. Sexuelle Erregung ist bestimmt bei beiden Formen vorhanden ge- wesen. Die genauere Untersuchung des Körpers ergiebt Folgendes: Körperlänge 1,537 m, Gewicht 43,5 kg, der Kopf, nicht besonders voluminös, macht einen etwas derb- knochigen Eindruck, vornehmlich wegen des breiten Ge- sichtes, welches Schnurrbart und Vollbart zieren. Ueber der Stirn sind die Haare spärlich entwickelt, hinten da- gegen fallen sie lang über den Nacken herab. Der Hals ist kurz, gedrungen, der Kehlkopf springt ziemlich stark hervor, dem entspricht die männlich sonore Stimme. Der Rumpf zeigt von vorn gesehen mehr einen männlichen, von hinten mehr weiblichen Habitus. Der Brustkorb ist kräftig entwickelt, die Brüste sind ziemlich massig, ohne jedoch excessiv weibliche Fülle zu verrathen. Brust- drüsen konnte Bruck nicht deutlich fühlen. Die Scham- haare sind reichlich entwickelt und breiten sich, ganz wie beim Manne, zipfelfürmig zum Nabel hin aus. Die Rück- seite des Rumpfes zeigt dagegen, zumal im Bereich der Schulterblätter und am Gesäss, jene Rundung und Weich- heit der Formen, wie sie dem weiblichen Geschlecht eigen ist. Arme und Beine, zum Theil mit feinen Haaren be- deckt, sind die eines Mannes, während Hände und Füsse weiblichen Charakter tragen. Das Individuum zeigt also eine Mischung männlicher und weiblicher Züge, wie sie gerade für den Hermaphroditismus charakteristisch ist. Man muss indess mit der Verwerthung des Habitus für die Geschlechtsbestimmung vorsichtig sein, da schon bei geschlechtlich normalen Personen mannigfache Ab- weichungen und Verschiedenheiten vorkommen. Will man die Frage nach dem Geschlecht beantworten, so ist natür- lich auch das Verhalten der äusseren und — soweit zu- gänglich — der inneren Genitalien in Betracht zu ziehen. Es zeigte sich eine normal grosse Scheide mit den grossen Lippen. Die kleineren, kümmerlich entwickelten Lippen, finden nach vorn ihren Abschluss, statt in der Clitoris, in einem wohlgebildeten Penis, der im Erschlaffungszustand eirca 5V/, em lang ist und eirea 61/,;, em im Umfang misst. An der unteren Fläche der Glans zeigt sich eine kleine, mit Krypten besetzte Rinne, die nach hinten blind endet, also eine Art hypospadischer Bildung. Eine männ- liebe Urethra fehlt. Die eigentliche Urethralöffnung be- findet sich im Bereich der Scheide, einige Centimeter hinter dem Penisansatz, von hier aus dringt der Katheter ohne Schwierigkeit in die Blase. Dahinter gelangt man in die Scheide. Die weiblichen äusseren Genitalien sind somit reich- lieher und vollkommener ausgebildet, als die mänulichen, von welchen nur der Penis nachweisbar ist. Die innere Untersuchung der Genitalien ergab nach Prof. L. Landau eine 7 em lange Scheide, leicht permeabel für den Zeige- finger, der von einem wohlausgebildeten Constrietor fest umschnürt wird. Im Seheidenblindsack findet sich zwischen zwei rudimentären Muttermundslippen ein feines Grübchen, in das gerade nur ein Harnleiterkatheter in einer Länge von 3 em eindringt, sodass man also mit Sicherheit sagen kann, dass das "Individuum einen rudimentären Uterus besitzt. Beide Leistengegenden sind frei. In der linken Leistengegend findet man einige Drüsen. Durch bima- nuelle Untersuchung ist weiter links von dem als Uterus anzusprechenden Organ nichts Besonderes festzustellen, wohl aber rechts von ihm ein etwa wallnussgrosser Körper, der weder als Eierstock noch als Hoden gedeutet werden kann. Eine Aufnahme des Beckens mit Röntgenstrahlen ist von Dr. Max Levy vorgenommen und handelt es sich nach dem Bilde um ein weibliches Becken, wenn auch XII. Nr. 13. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 147 der Ansatz des einen Oberschenkels mehr männlich er- scheint. Mit Hülfe eines von Dr. Max Levy und Dr. Thumim gefundenen Verfahrens ist es möglich, bei der Röntgen-Aufnahme die Beckenmaasse zu nehmen, eine für die Geburtshülfe sehr wichtige Thatsache. An diesem Individuum war die Conjugata vera 7,9, der Querdurchmesser des Beckeneingangs 10,68, der Quer- durchmesser des Beckenausgangs 9,45 cm. Anschliessend an diese Angaben nahm R. Virchow die Gelegenheit wahr, um einige Bemerkungen in Be- ziehung auf die generelle Auffassung des Hermaphrodi- tismus zu machen. Virchow scheint es, dass über den vielen Detailuntersuchungen zuletzt eine Art von Scho- lastik Platz gegriffen hat in Bezug auf die Eintheilung und die Deutung des Hermaphroditismus, welche keine rechte Begründung hat. Mehr und mehr spricht man von einem wahren und falschen Hermaphroditismus. An sich ist das bei einer generellen Erörterung sehr wohl begründet, aber wenn man das bis auf jeden einzelnen Fall verfolgt, dann kommt man in eine Art von Scholastik hinein, die für das praktische Leben keinen Werth hat, und die nur dazu beiträgt, den Sachverhalt zu verdunkeln. Es ist immer daran festzuhalten, dass die alte Bezeichnung des Herma- phroditismus nicht davon ausgegangen ist, dass alle die- jenigen Eigenthümlichkeiten, die wir als Zubehör und Attribut der Geschlechter betrachten, doppelt vorhanden seien, sondern davon, dass der Habitus, der Anschein, das Aussehen beider Geschlechter an einem Individuum vorhanden ist. Das trifft für sehr viele Fälle zu. Trotz- dem wird man nichts dagegen haben können, wenn ge- sagt wird, dass die eine Reihe dieser Fälle im Grossen und Ganzen Männer sind, die andere Reihe Frauen. Nach Virehow’s Erfahrung überwiegt die Zahl der Fälle, welche sich als weibliche ausweisen, doch so sehr, dass nach seiner Ansicht im Grossen und Ganzen der Hermaphro- ditismus häufiger eine Abweichung vom weiblichen Ge- schlechte ist als vom männlichen, eine Variante, welche sich im Laufe der embryonalen Entwickelung beim weib- lichen Geschlecht ausbildet. Der wahre Hermaphroditis- mus redueirt sich auf sehr wenige Fälle, wenn man es ganz genau nimmt, auf einen einzigen Fall, wo Dr. Obo- sinski einmal glaubte, bei demselben Individuum wirk- liche Hoden und wirkliche Eierstöcke zu finden. Der Fall kann jedoch vorläufig ziemlich ausser Betracht bleiben. Was die gewöhnlichen Fälle betrifft, so hebt Virchow hervor, ist es nicht immer ganz leicht, herauszubringen, was für ein Organ oder welche Drüse, ob Ovarium oder Testikel, im gegebenen Falle vorhanden ist; und zwar deshalb nicht, weil sehr häufig das fragliche Organ nur rudimentär entwickelt ist. In diesem Falle findet man einen Körper, der in der Regel mehr Aehn- lichkeit mit einem Eierstock, als mit einem Hoden hat. Das liegt daran, dass jeder Eierstock ein starkes Stroma besitzt aus ziemlich festem Bindegewebe, in dem die Eifollikel gewöhnlich nur kleine Dimensionen erreichen. Wenn sie ganz klein sind, so geht man darüber wohl hinweg. Aber deswegen ist das Organ noch kein Hoden. Ein Hoden verlangt, dass nachweisbar Samenkanälchen darin vorhanden sind, diese fehlen in der Regel. Virchow selbst hat in solchen Fällen noch niemals einen wirklichen Testikel nachweisen können. Die örtliche Beziehung, die ein solcher Körper zu den anderen Theilen des Geschlechts- apparates, und besonders zu den Wolft’schen und Müller- schen Gängen hat, entscheidet verhältnissmässig sehr wenig, da diese Beziehungen zu den häufig schwankenden Ein- richtungen des Organismus gehören. Man muss in der That zugestehen, dass bei einer gewissen Zahl von Her- maphroditen überhaupt keine ausgeprägte Ge- schleehtsdrüse vorhanden ist. Diesen Fall hat Virchow wiederholt den Statistikern und Juristen vorge- halten, dass es wirklich ein Individuum neutraler Art giebt, ein Individuum neutrius generis. Man kann dabei nieht mit Sicherheit sagen: es ist eine Frau oder es ist ein Mann. Man wird allerdings sagen können, ob der gesammte Habitus eines solehen Individuums mehr männlich oder mehr weiblich ist, da kommt man von den Geschlechts- drüsen auf die nächst anstossenden Abschnitte, nament- lieh auf die mittleren Theile des Geschlechts- apparates. Wenn ein weiblicher Uterus gefühlt wird und eine mit diesem sich verbindende, geräumige Scheide, wie sie bei dem vorgestellten Falle vorhanden ist, so wird man zugestehen, dass der weibliche Charakter über- wiegend ist, und wenn ein Urtheil darüber abzugeben wäre, wie das Individuum statistisch und rechtlich be- handelt werden soll, so würde V. kein Bedenken tragen es zu den Frauen zu stellen. Immerhin bedarf man wissenschaftlich noch weiterer Kriterien, die schwieriger aufzufinden sind, weil sie sich weniger sicher beobachten lassen. So hat z. B. das vor- gestellte Individuum Virchow auf das Allersicherste be- theuert, dass es fausses couches gemacht habe. Ebenso will es menstruirt gewesen sein. Direet beobachtet ist das jedoch nicht. Solehe Angaben werden von Herma- phroditen sehr oft gemacht und ist ihre Richtigkeit durchaus nicht allgemein zu bestreiten. Dass das vorgestellte In- dividuum schwanger gewesen sei, hält Virchow jedoch nicht einmal für wahrscheinlich. Es sind keine Spuren davon da, Schwangerschaftsnarben sind nicht vorhanden, auch sonst nichts, was auf eine vorangegangene Geburt schliessen liesse. Noch viel unsicherer ist die Angabe von Samenergiessungen, deren Natur nur mikroskopisch sicher gestellt werden kann. Prof. L. Landau zeigte im Anschluss an diesen Fall das Bild eines Hermaphroditen vor, der sich ihm vor etwa 4 Monaten als 24jähriges Mädchen vorgestellt hat und dem er auf Grund eingehender Untersuchung mit Hülfe des Standesamtes zur Declaration verhalf, dass es ein männliches Individuum sei. Die äusseren Genitalien zeigten in der Abbildung eine grosse Aehnlichkeit mit denen der vorgestellten Person. Ein wesentlicher Unter- schied bestand jedoch bezüglich der inneren Genitalien insofern, als die sehr enge Scheide selbst nur unter hef- tigen Schmerzen und nur für einen Finger durchgängig war, und als jegliche Andeutung eines für einen Uterus anzusprechenden Hohlorgans fehlte. Es befand sich an dem 5 bis 6 em langen Blindsack nur ein etwa kirsch- kerngrosser Körper, an welchem keine Oeffnung zu fühlen war. Drüsenähnliche Körper waren beiderseits, und diese auch nur rudimentär, rechts und links von diesem rudi- mentären Körper nur durch bimanuelle Untersuchung — per rectum und Bauchdeecken — in tiefster Narkose zu ent- decken. Ein penisähnlicher Körper, der in früherer Zeit vorhanden war, ist, da das Individuum bei der Geburt wegen der äusserlich weiblichen Genitalien als Mädchen angemeldet war, von einem Arzt im 4. Lebensjahr chirur- gisch entfernt worden. Zwar zeigte auch die von Levy und Thumim aufgenommene, vorzüglich gelungene Röntgen- aufnahme des Beckens dasselbe als ein weibliches, mit bogenförmigem Areus pubis. Trotzdem stand Landau nicht an, das Individuum für einen Mann zu erklären auf Grund folgender Erwägungen. Die Angabe des Individuums, es hätte Pollutionen und verlöre Samen, liessen sich zwar nicht bestätigen, da die wiederholte Untersuchung der Pollutionsflüssigkeit auf Samenzellen negativ ausfiel. Aber sein ganzes äusseres Aussehen, sein Wesen, seine Nei- gungen, die athletenartige Muskulatur, der Haarwuchs 148 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 13. am ganzen Körper, die Stimme, der Adamsapfel, der ganze Habitus und auch die Psyche mit allen männlichen Leidenschaften und Begierden waren so ausgesprochen, dass es grausam gewesen wäre, das Individuum weiter als Weib existiren zu lassen. Wenngleich man sich bei der Bestimmung des Geschlechts lediglich nach der Be- schaffenheit der Keimdrüse zu richten hat, so war die objeetive Bestimmung derselben unmöglich. Ja selbst eine Laparotomie oder Section wird das nicht ermög- liehen, wenn die Keimdrüse rudimentär entwickelt ist. Wenn aber der objective Charakter fehlt, so muss man sich bei der Bestimmung des Geschlechts, auch nach der Ansicht von Landau, nach den subjectiven Symptomen richten, von welchen man weiss, dass sie normal die Aus- bildung der weiblichen oder männlichen Generationsorgane zu begleiten pflegen. Das Preussische Landrecht sagt nun: Wenn ein sog. Zwitter geboren wird, so haben die Eltern das Recht, zu bestimmen, welchem Geschlecht er angehören soll. Das Individuum selbst aber hat nach dem 18. bis 19. Lebens- jahr das Recht, nach seinem Belieben das Geschlecht zu wählen, also auch zu ändern, vorausgesetzt, dass Rechte Dritter nieht beeinträchtigt werden. Dann muss das Gut- achten Sachverständiger eingeholt werden. In einzelnen Fällen wird die Entscheidung keine grossen Schwierig- keiten bieten, wie bei dem von Bruck demonstrirten Fall, den auch Landau ausieht als ein Weib mit verkümmerten inneren und äusseren Genitalien, und einer hypertrophi- schen, penisähnlich gewordenen Clitoris. In den meisten Fällen wird man ein non liquet aussprechen müssen, weil objeetive Zeichen und vielleicht auch subjectiv beweisende Momente fehlen. Man müsste dann weder von Mann noch von Frau, noch von Zwitter, sondern thatsächlich von einem geschleehtslosen Individuum sprechen, eine Kate- gorie Menschen, mit welchen sich bisher die Gesetzgeber aller Länder noch nicht beschäftigt haben. In dem neuen Bürgerlichen Gesetzbuch ist m dieser Beziehung gar nichts angegeben; dasselbe steht auf dem Standpunkt, die Wissenschaft wäre so weit, dass man im Stande sei, jeden Zwitter auszuschliessen und bei jedem einzelnen solcher Individuen zu sagen, ob es ein verküm- merter Mann oder eine Frau ist. Soweit sind wir aber nach den obigen Auseinandersetzungen von Virchow, wie auch von Landau, noch nicht. Mz. Ueber die Lebensweise von Bipalium kewense, Moseley, jener eigenthümlichen Land-Planarie, die man seit 1565 in den verschiedensten Treibhäusern gefunden hat, ohne dass man ihre Heimath und bisher ihre Lebens- weise kannte, berichtet Charles Hogg in den Trans. nat. Hist. Soc. Glasgow, Vol. 5 Pt. 1. Sie ist nächtlich und schläft am Tage. Wärme scheint keine ihrer noth- wendigen Bedürfnisse zu sein, denn sie wurde in Schott- land im Freien, als die Temperatur beträchtlich unter Null war, gefunden und in einem Hause bei + 4—-5°C. Sie schadet den Pflanzen nicht und hält sich am liebsten an feuchten Plätzen auf. Sie scheint sich in Schottland fortzupflanzen. Kurz vor ihrem Auftreten war eine grosse Sendung von Pflanzen aus Algier angekommen, mit der sie möglicher Weise eingeschleppt wurde. Reh. Ueber die „Rothseuche“ der Aale (vgl. „Naturw. Woechenschr.“ No. 7 dieses Jahrganges) macht Feddersen im „Dansk Fiskeriforenings Medlemsblad“ (Nr. 34 v. J.) noch folgende Mittheilungen: Eine ähnliche Erscheinung erwähnt J. S. Bullo im „Giornale italiano di pesea e aquieol- tura“ von den Aalen in den adriatischen Lagunen. Dort hat man, so lautet der Bericht Bullos, auch im Sommer des Jahres 1897 einen Verlust von Aalen in Folge einer eigenthümlichen Krankheit gehabt, die sieh seit etwa 30 Jahren in dem Lagunengebiet gezeigt hat. Besonders interessant ist die Beobachtung in dem Gewässer Lovato bei der Lagune Marano Lagunare, die der Fischzüchter Galeazzi di Latisana mittheilte. Danach bestehen die äusseren Erscheinungen der Krankheit in der Rothfärbung und der Schwellung der Kiemen und der Eingeweide. Die Röthung erstreckt sich vom Unterkiefer bis zur Schwanzspitze, am stärksten ist sie jedoch vom After‘ abwärts. Die Haut ist weniger schleimig und trocknet leichter ein als beim gesunden Thiere. Das Auge ist matt wie bei solchen, die an Kälte zu Grunde gegangen sind. Sobald die Aale erkrankt sind, erheben: sie sich vom schlammigen Boden und steigen in die Nähe der Schleusen, auch wenn kein frisches Wasser durch diese eingelassen wird, und man findet sie dort in grosser Menge. Die Krankheit wurde zuerst am 4. Juli-beob- achtet; schon vorher waren auch Plattfische im’ den äusseren Canälen zu Grunde gegangen. Die Temperatur des Wassers betrug 29°C., Nachmittags stieg sie bis auf 33°, Morgens zwischen 4 bis 6 Uhr zeigte das Wasser den niedrigsten Wärmegrad, und doch wurden um diese Zeit die meisten kranken Fische beobachtet. Vom 20. Juni an stieg der Salzgehalt von 20 auf 25%. Da an den Tagen zuvor nach einer Zeit der Trockenheit Regen gefallen war, so war der Wasserstand hoch, und man hatte deshalb kein frisches Meerwasser einlassen können. Die Temperatur der Luft betrug während der Nacht 29°, am Tage bis 32° in der Sonne 42°. An einigen Stellen zeigte das Wasser eine kupfrige Färbung, jedenfalls durch verfaulte organische Stoffe verursacht. Vom 4. Juli ab, dem letzten Tage mit hoher Temperatur, nahm die Sterblichkeit bis zum 13. Juli zu und ver- minderte sich dann wieder allmählich; nach dem 20. Juli wurde kein neuer Fall mehr beobachtet. Nach Galeazzi’s Schätzung sind einige Centner Aale in dieser Weise ab- gestorben, und einen ähnlichen Verlust hatten die benach- barten Züchtereien. “ Auch an der Küste von Dalmatien ist nach Senne- bogen diese Krankheit in starker Verbreitung aufgetreten. Wissenschaftliche Untersuchungen über die Seuche liegen von Professor Canestrini aus dem Jahre 1895 vor. Er wies an kranken Aalen aus der grossen Züchterei Comaechio eine Bacterie nach, die Bacterie des Aales. Sie ist Krankheitserreger für den Aal wie auch für einige andere Fische, Frösche und Eidechsen. Sie lebt und vermehrt sich stark in salzhaltigem Wasser, während sie in süssem Wasser weniger gut gedeiht. Canestrini räth daher, bei Eintritt der Wärme den Fischereigewässern der Lagunen frisches Wasser zuzuführen. — Feddersen glaubt hiernach, auch die in den dänischen Gewässern auf- tretende Krankheit auf die Wirkung einer ähnlichen Bacterie zurückführen zu sollen, wenn auch dort kein höherer Salzgebalt des Wassers für ihre Wirksamkeit er- forderlich ist, sie müsste demnach unter etwas anderen Bedingungen leben. G. Adam. Eine Kupferpflanze beschreibt S. B. Skertehly in „Gardeners Chroniele* vom 11. December 1897. Es ist Polycarpaea spirostylis, zur Familie der Caryophylla- ceen gehörig. Sie wächst in Queensland und zwar nur auf solehem Boden, welcher Kupfer enthält. Diese merk- würdige Art des Vorkommens benutzen die dortigen Bergleute, indem sie auf der Suche nach Kupfersalzen nur an solehen Orten nachgraben, wo die Pflanze einiger- maassen häufig ist. Die Analyse ergab, dass Polycarpaea stets eine bestimmte Menge Kupfer enthält. S. Sch. XII. Nr. 13. Naturwissenschaftliche Wochenschrift, 149 ———— m nn Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurde: Der ausserordentliche Professor der Chirur- gie in Kiel Dr. August Bier zum provisorischen Nachfolger des Prof. v. Esmarch. Berufen wurden: Zahnarzt Albrecht in Berlin zum Leiter des zahnärztlichen Instituts in Marburg; der Professor der Derma- tologie in Bonn Dr. Röder als Docent an die kaiserlich medi- zinische Schule in Constantinopel; der ausserordentliche Professor der Physik in Heidelberg Dr. Philipp Lenard als ordentlicher Professor nach Kiel; der ordentliche Professor der Zoologie in Breslau Dr. Karl Chun nach Leipzig; der Professor der Zoologie in Bologna O. Matticolo als Professor der Botanik und Direetor des botanischen Gartens nach Florenz; der Professor der Botanik in Messina F. Morini nach Bologna. Es habilitirten sich: Der erste Assistent an der Augenklinik in Tübingen Dr. Grunert für Augenheilkunde; Dr. Eichler in Bonn für Zahnheilkunde. Es starben: Der ordentliche Professor für Thierheilkunde in Halle Dr. Hermann Puctz; der besonders als Chirurge bekannte Professor für Dermatologie in Königsberg Dr.Rudolf Schneider; der frühere Leiter der Alexianer-Krankenanstalten Sanitäts-Rath Dr. Carl Kapellmann in Aachen; der berühmte Pariser Ver- leger Gauthier-Villars. Lobatschewsky-Preis. — In Band XI. (S. 518-519) der „Naturwissenschaftlichen Wochenschrift“ finden sieh Mittheilungen über die Gründung eines Preises zum ehrenden Andenken an den russischen Mathematiker Lobatschewsky, den Begründer der sogenannten niehteuklidischen Geometrie, Die erste Vertheilung dieses Preises fand am 3. November 1897 in feierlicher Sitzung der Physiko-Mathematischen Gesellschaft zu Kasan statt, und es ist gewiss von Interesse, das Ergebniss allgemein bekannt zu machen. Den Preis erhielt Professor Sophus Lie an der Uni- versität Leipzig für den Bd. III seines grossen Werkes: Theorie der Transformationsgruppen, Leipzig 1893. Ferner wurden von den neun im ganzen eingereichten Werken durch eine ehrenvolle Erwähnung ausgezeichnet: L. Gerard, Professor in Lyon: These sur la g&ometrie non-euclidienne, Paris 1892; E. Cesaro, Professor an der Universität Neapel: Lezioni di Geometria intrinseca, Napoli 1896, und G. Fontene, Professor am College Rollin: L’hyperespace & n — 1 dimensions, Paris 1892. Die goldene Lobatschewsky - Medaille wurde Professor F. Klein in Göttingen verliehen für das umfangreiche Gutachten, welches er der Physiko-Mathematischen Gesellschaft zu Kasan über den preisgekrönten Band III des Lie’schen Werkes über Transformationsgruppen erstattet hat. Dieses Gutachten ist in den Schriften der genannten Gesellschaft zu Kasan zur Ver- öffentlichung gebracht worden, und es seien die Mathematiker unter unseren Lesern auf die darin enthaltene ungemein klare Exposition der Lie’schen Untersuchungen und deren Zusammen- hang mit älteren und neueren Forschungen nachdrücklich auf- merksam gemacht. Leider verbietet es sich von selbst, an dieser Stelle eine Skizze der darin vorgetragenen Gedankenketten zu geben. Schliesslich sei erwähnt, dass die nächste Preisvertheilung am 3. November 1900 stattfindet; die Bewerbungsschriften müssen innerhalb der letzten sechs, der Preisvertheilung vorangehenden Jahre veröffentlicht sein und sind bis zum 3. November 1899 an die Physiko-Mathematische Gesellschaft zu Kasan (gegenwärtiger Präsident: Prof. Dr. A. Vassilief) einzusenden. Litteratur. Geh. Reg.-Rath und Prof. A. Riedler. Unsere Hochschulen und die Anforderungen des zwanzigsten Jahrhunderts. Verlag von A. Seydel in Berlin 1898. — Preis 1 M. Das Buch unterzieht den gegenwärtigen Stand der Universi- täten und technischen Hochschulen einer eingehenden Betrachtung und erörtert die Frage, wieweit diese unsere höchsten Bildungs- stätten den staatlichen und nationalen Aufgaben der Zukunft, insbesondere auf wirthschaftlichem Gebiete, gewachsen sind. Dies führt zu Betrachtungen über den Einfluss und die Culturarbeit der Technik, die namentlich in ihrer Rolle als Bahnbrecherin der Naturwissenschaften und als eine der Hauptgrundlagen der mo- dernen Cultur gewürdigt wird. Die Gegner der Maschinenarbeit werden darauf hingewiesen, dass sie sich mit der gesammten gegenwärtigen Cultur, deren Wobhlthaten auch sie gern geniessen, in Widerspruch setzen, und es wird die volle, noch vielfach mangelnde Anerkennung des Ingenieurberufs und der Ingenieur- arbeit als höchststehender Geistesthätigkeit mit Nachdruck ge- fordert. — Aus diesen allgemeinen Erwägungen leitet der Ver- fasser Vorschläge zur Umgestaltung der Hochschulen ab. Er empfiehlt in erster Linie die Vereinigung der bestehenden Hoch- schulen, insbesondere die Schaffung technischer Facultäten an den Universitäten und eine neue Facultätsgliederung der letzteren. Auch die Kunst würde in dieser wirklichen universitas einen Platz finden können. Die Schwierigkeiten, die einer solchen Vereinigung entgegenstehen, verkennnt der Verfasser nicht, hält sie aber für überwindbar, und im Zusammenhange damit werden die Titel und Standesfragen, sowie die Fragen der Vorbildung des näheren von ihm erörtert. Für den Fall, dass die Vereinigung der Hochschulen an den Schwierigkeiten oder an dem Widerstande der betheiligten Kreise scheitern sollte, tritt der Verfasser für eine Ausgestaltung der technischen Hochschulen im Sinne ver- tiefter wirthschaftlicher und allgemeiner Bildung ein, während er alles Fliekwerk an Universitäten, wodurch ihnen einzelne technische Fächer anzuhängen versucht werden könnte, für durchaus verfehlt erachtet. Auch die technischen Mittelschulen, welche die Hilfskräfte für die Technik ausbilden sollen, zieht der Verfasser in den Kreis seiner Erörterrungen. — Am Schlusse des Buches wird die Gründung von Hochschulen im Osten Preussens ausführlich besprochen und die Erriehtung technischer Hoch- schulen in Danzig und Breslau als dringend nothwendig dargelegt. Für ihre Organisation bieten die Ergebnisse der vorangegangenen Untersuchungen die nöthigen Anhaltspunkte. — Der Preis des 120 Seiten Grossoetav umfassenden Buches ist äusserst mässig, da seine Veröffentlichung nur der Sache dienen soll. Prof. Dr. Albert v. Kölliker, Die Energiden von v. Sachs im Lichte der Gewebelehre der Thiere. Stahel’sche K. Hotf- und Universitäts-Buehhandlung 1897. — Preis 1 M. Ein Vortrag, gehalten von der Physikalisch-medieinischen Gesellschaft zu Würzburg, aus deren Verhandlungen derselbe vorliegend als Sonderabdruck erschienen ist. Das Gesammtresultat seiner Auseinandersetzung fasst K. in die folgenden Schlussworte zusammen. Bei der Gestaltung der Pflanzen spielen nackte Energiden keine Rolle, sondern nur solehe, die von einer Cellulosenmembran umhällt sind, oder ächte Zellen, doch bedingen auch so die Wachsthums- und Gestaltungsverhältnisse der Energiden die Formen der Zellen und Organe. Cutieularbildungen und Inter- cellularsubstanzen, sowie Intercellularflüssigkeiten sind am Aufbaue der Pflanzen kaum betheiligt, und ebenso fehlen alloplasmatische active Energidenproducte fast ganz. Bei den Thieren dagegen betheiligen sich einerseits nackte Energiden sehr wesentlich direet an der Gestaltung vieler Organe, unter denen vor Allem die Oberhautbildungen und Drüsen zu nennen sind, andererseits erzeugen solche Energiden mächtige Intereellularsubstanzen, wie das gesammte Bindegewebe, elastische Gewebe, Zahnbeingewebe, Knorpel- und Knochengewebe. Be- sonders. charakteristisch für die Thiere ist aber, dass alloplas- matische, active Energidenproducte, nämlich Muskel- und Nerven- zellen in ungemeiner Entwickelung bei denselben vorkommen und den gesammten Lebensverlauf so beherrschen, dass sie die typi- schen animalen Organe bilden. Den Stoffwechsel der Energiden anlangend, so finden sich, wie bekannt, Grundverschiedenheiten zwischen beiden Reichen, aber auch viele Uebereinstimmungen, die sich. bei der Bildung der Zellensäfte aus dem Protoplasma ergeben. H. Peters, Rector der I. Knaben-Volksschule in Kiel und Lehrer an der Präparanden-Anstalt daselbst, Bilder aus der Mineralogie und Geologie. Ein Handbuch für Lehrer und Lernende, sowie ein Lesebuch für Naturfreunde. Lipsius & Tischler, Verlags- buchhandlung in Kiel und Leipzig, 1898. — Preis 2,80 M. Das Buch ist wohl geeignet, seinen Zweck zu erfüllen. Ver- fasser behandelt geschiekt Mineralogie und Geologie zusammen, in Anlehnung an die von Junge für die Biologie in der Schule eingeführte Methode, Bau und Function in Zusammenhang vorzu- bringen: „‚Bilder‘ müssen wir bieten“, sagt Peters. Jedem Kapitel vorangestellt sind zweekmässig passende Veranschaulichungsmittel genannt; es soll das dem Lehrer eine Hilfe sein beim Anlegen einer Sammlung. Schmeisser, K., kgl. preuss. Oberbergrath, unter Mitwirkung von Dr. K. Vogelsang, kgl. Bergassessor: Die Goldfelder Austra- liens. Berlin, Dietrich Reimer, 1897. 165 Seiten mit 25 Ab- bildungen, 13 Kartenbeilagen und zahlreichen Tabellen. — Preis geb. 12 M. Bei der Fülle der australischen Litteratur und ihrer ver- hältnissmässig schweren Zugänglichkeit muss jeder für den austra- lischen Bergbau sich Interessirende ein Werk wie das Schmeisser- Vogelsang’sche mit Freuden begrüssen. Auf noch nicht 200 Seiten findet er einen wohlgesichteten, mit kritischem Bliek ausgesuchten Auszug der vorhandenen we- sentlichen Litteratur, der dadurch an wissenschaftlicher Bedeutung gewinnt, dass beide Autoren einen grossen Theil des in Betracht kommenden Gebietes bereisten und viele Lagerstätten selbst unter- suchten. In Anbetracht dessen, dass Australien mit Tasmanien und Neu-Seeland in Bezug auf die Goldproduction an dritter Stelle 150 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 13. steht (im Jahre 1896: Vereinigte Staaten 223689300; Afrika 185 636 000 und Australien u. s. w. 184820800 M.) ist eine Ab- handlung wie die vorliegende nicht nur von geologischer und bergbaulicher, sondern auch von finanz- und handelspolitischer Bedeutung. Das Werk beginnt mit einem Vorwort, welches eine kurze Schilderung der Reise und Bemerkungen über Litteratur und Kartenwerke enthält. Die eingeflochtenen Tabellen über die Golderzeugung der Welt in den verschiedenen Goldproduetions- gebieten im Jahre 1895 und 1896 und über in Australien ge- brauchte Maasse, Gewichte und Geldwerthe dürften für viele Leser von Werth und Interesse sein. Der übrige Stoff wird in 3 Capiteln abgehandelt, von denen das erste (S. 1 bis 30) die Geo- graphie, Geschichte und wirthschaftliche Entwickelung Australiens, das zweite, bei weitem umfangreichste (S. 31—109) die geognostische Skizzirung des ganzen Gebietes und die Beschreibung der Goldvor- kommen enthält, während sich das dritte Capitel (S. 110—147) mit der Goldgewinnung Australiens beschäftigt. In dem ersten Capitel behandeln die Verfasser zunächst die Lage und Grösse, die Flüsse, das Klima, die Fruchtbarkeit und die Pflanzen- und Thierwelt von Australien, Tasmanien und Neu- Seeland in knapper, trotzdem aber interessanter Weise. Die wirthschaftliche Entwiekelung der in Frage stehenden Gebiete wird von Schmeisser eingehend besprochen. Er führt uns. die Geschichte des Erdtheils vor von seiner Entdeekung an bis zu seiner heutigen Weltstellung. Die hier eingeflochtenen Reise- erlebnisse machen die Leetüre theilweise geradezu spannend. Den Geologen interessirt naturgemäss vor allen Dingen das zweite Capitel, dessen erster Theil eine kurze Uebersicht über den geologischen Bau Australasiens giebt. Australien besteht da- nach aus Gliedern der arehäischen Formation (Woodward theilt sie in 6 Zonen ein, von denen die vierte und die sechste Gold- lagerstätten enthalten) aus Silur, Devon, Carbon, Trias, Kreide, Tertiär, Diluvium und Alluvium. Tasmanien, die südliehste Fort- setzung der ostaustralischen Cordillere, wird aufgebaut von ge- falteten Silurschiehten, Granit, Carbon und Tertiär. Das die Insel Neu-Seeland durchziehende Faltengebirge besteht aus kry- stallinen Schiefern, Granit und palaeozoischen Schichten. Der Westflügel der Falte ist abgebrochen und in die Tiefe gesunken; nach Osten dagegen lehnen sich flach mesozoische Schichten an. Von grosser Bedeutung sind die earbonischen Steinkohlenablage- rungen bei Reefton und Brunnerton am Grey River und die eocänen Braunkohlen im Otago-Distriet. Der westliche und nordwestliche Theil der Südinsel mit seinen Trachyten, Andesiten und Pro- pyliten hat in Folge der bis in die jüngste Zeit fortdauerden vul- canischen Thätigkeit eine eigenartige Ausbildung erhalten. Die Kürze des nur 5 Seiten umfassenden geologischen Theils erklärt sich daraus, dass die australische geologische Landes- untersuchung aus Mangel an einer ausreichenden Zahl tüchtiger Geologen und wegen der kurzen Zeit, die man bis jetzt auf die Aufnahme verwandt hat, noch vor vielen, ungelösten Räthseln steht, auch was den geologischen Bau Australiens im Grossen und Ganzen anbetrifft. Zu selbständigen, rein geologischen, grösseren Untersuchungen hatten aber die beiden Verfasser naturgemäss keine Zeit. Der zweite Theil des zweiten Capitels „Die Goldvorkommen Australiens“, ist der Hauptabschnitt des ganzen vortrefflichen Werkes. Hier geben uns Schmeisser und Vogelsang eine austra- lische Goldlagerstättenlehre, die in vielen Beziehungen Vorzüg- liches bietet. Sie beginnt mit je einem Capitel über die geologische und geognostische Verbreitung des Goldes und schildert dann die Goldgebiete in Gruppen, die sieh dadurch ergeben, dass die Lager- stätten im geologisch gleichaltrigen (bei Sedimenten) oder petro- graphisch gleichartigen (bei Eruptivgesteinen) Gestein zusammen- gefasst werden. Eine derartige Eintheilung der australischen Goldlagerstätten hat den Nachtheil, dass sich die Verfasser von dem Stande der geologischen Landesuntersuchung im höchsten Maasse abhängig machen. In Australien werden die Schichten noch oft ein anderes geologisches Alter bekommen, und jede Aenderung zwingt zu einer Aenderung in der Aufzählung der Lagerstätten bei den hoffentlich reeht oft erfolgenden Neuauflagen des Werkes. Die Art und Weise der Darstellnng der Lagerstätten ist für Jeden, der grosse Gebiete auf verhältnissmässig kleinem Raume behandeln muss, empfehlenswerth. Bei jedem Gangdistriet bringt der Autor eine kurze Beschreibung des geologischen Aufbaues, eine Skizzirung des Auftretens der Gänge, ihre Beschreibung in Bezug auf Verhalten im Streichen und Fallen, Gangfüllung und Vertheilung des Goldes. Notizen über Tiefe des Bergbaues, über Production, über das Verhältniss der Tiefe zur Goldproduc- tion geben der Beschreibung einen grossen praktischen Werth. Die oft eingefügten Abschnitte über die Genesis der Lagerstätten werden meist die Billigung jedes Lagerstättenkundigen finden. Er- wähnen möchte ich indessen hierbei, dass namentlich bei der genetischen Beurtheilung der Lagerstätten gediegener Metalle elektrolytische Vorgänge mit in Rechnung gezogen werden müssen. Von grossem Werth sind die im Petitdruck beigefügten Resultate der mikroskopischen Untersuchung Vogelsang’s. Sie bringen Klarheit in das Wesen manches Gesteins, welches bis jetzt in der australischen Litteratur mit verschiedenem Namen bezeichnet wurde. Die der Beschreibung der Grubendistriete angefügten Absehnitte über Erscheinungsweise, Feingehalt und begleitende Mineralien des Goldes fassen die im Vorhergehenden zerstreuten Bemerkungen ergänzend zusammen. Das dritte, sich mit der Goldgewinnung Australiens be- schäftigende Capitel enthält die geschichtliche Entwiekelung, bergrechtliche und bergpolizeiliche Bestimmungen und Näheres über den Bergbau und Alles, was dazu gehört. Die am Schluss stehenden Abschnitte über die Production des Goldbergbaues, die Selbstkosten, die Ertragsfähigkeit der Bergwerke und die Zu- kunft des australischen Goldbergbaues sind für jeden Inter- essenten von der grössten Wichtigkeit. Schmeisser giebt hier eine Menge auf eigener Erfahrung beruhender, werthvoller Winke, die Jeder beherzigen sollte, der die Absicht hat, sich mit Geld an bergbaulichen Unternehmungen zu betheiligen. Das Urtheil des Autors über die Nachhaltigkeit des australischen Goldbergbaues ist kurz in dem Satz zusammengefasst: „Es er- scheint mir unzweifelhaft, dass die australischeu Goldfelder noch lange Zeit hindurch beträchtliche Goldmengen dem Verkehr zu- führen werden “ Die am Schluss des Textes angefügten statistischen Tafeln enthalten Productionsziffern aus den in Frage kommenden Gold- gebieten von 1851—1896 mit besonderer Berücksichtigung der letzten 3 Jahre. Bei den 13 dem Werk beigegebenen Tafeln möchte ich vor allen Dingen Werth auf die Profile legen und last not least auf die graphischen Darstellungen Schmeisser’s auf Tafel XIII, welche uns einmal den Stand der Goldgewinnung der letzten Jahrzehnte in den 7 australischen Colonien vor Augen führen und uns schliesslich auch zeigen, welche Stellung die einzelnen Colonien in der gesammten australischen Gold- gewinnung von 1851—1896 einnahmen. Von den 100 Millionen Unzen Gold, die Australien in der genannten Periode lieferte, kommen allein ca. 61 Millionen auf Victoria. Schliesslich sei es mir noch vergönnt, auf die im Text zer- streuten Abbildungen hinzuweisen, sie tragen nicht unwesentlich dazu bei, das Werk auch für Nichtfachleute fesselnd zu machen. Die vorzüglich ausgeführten und trefflich ausgewählten Bilder stellen fast durchweg charakteristische Momente aus dem Gold- Sn dar, so dass sie für sich allein eine lebenswarme childerung von Land und Leuten in den Golddistrieten bilden. Krusch. Erich Ernecke, Ingenieur, Ueber elektrische Wellen und ihre Anwendung zur Demonstration der Telegraphie ohne Draht nach Marconi. Experimentalvortrag, gehalten im Naturwissen- schaftlichen Ferienceursus zu Berlin am 2. Oetober 1897 und im Verein zur Förderung des physikalischen Unterrichts zu Berlin am 18. October 1897. Mit 12 Abbildungen. R. Gaertners Ver- lagsbuchhandlueg (Hermann Heyfelder). Berlin 1897. Der 15 Seiten umfassende Vortrag ist sehr geeignet, schnell über das actuelle Thema zu orientiren. Rendiconti della R. Accademia dei Lincei. — Aus dem reichen Inhalte des zweiten Halbjahrsbandes für 1897 (Serie V, Band VI) seien folgende Mittheilungen namhaft gemacht: Bal- biano, Ueber die Constitution der Kampfersäure; Reina, Ueber die Theorie der quantitativen Projeetionen; Majorana, Ueber die durch Kathodenstrahlen erzeugten elektrostatischen Ladungen; Peglion, Exobasidium vitis; Campetti, Ueber die entladende Wirkung der Luft, durch welche X-Strahlen hindurehgehen; Buscalioni, Bemerkungen über Phylosiphon Arisari; Peglion, Wurzelfäule der Tabakspflänzchen, verursacht durch Thielavia basieola Zopf; Righi, Ueber das Nichteindringen der elektrischen Wellen in einen durch eine Metallplatte abgeschlossenen Raum; Ascoli, Ueber die Jamin’schen Magnete (die Jamin’schen Magnete bestehen bekanntlich aus vielen Platten, die einzeln magnetisirt und dann zu einem Bündel vereinigt werden); Majorana, Ueber die Geschwindigkeit der Kathodenstrahlen; Mazzotto, Ueber die doppelte elektrische Strahlenbreehung des Holzes; (der Ver- fasser kommt zu folgendem Ergebniss: 1. Der Index der elektri- schen Strahlenbrechung variirt bemerkenswerth von einer Holzart zur anderen und wächst mit der Diehtigkeit zwischen den Grenzen 1,540 (Tanne: Dichtigkeit —= 0,458) und 2,244 (Steineiehe: Dichtig- keit = 1,238); 2. Bei derselben Holzart breitet sich die elektrische Schwingung seukreeht zu den Fasern schneller aus als parallel den Fasern, weswegen der Brechungsindex im ersten Falle kleiner ist als im zweiten; 3. Die Differenz der beiden Indices ist bei dichteren Holzarten kleiner als bei leichteren): Mazotto, Die Maxwell’sche Beziehung zwischen den elektrischen Constanten des Tannenholzes (Fortsetzung der oben eitirten Untersuchungen); Cattaneo, Ueber den Temperatureoeffieienten der Lösungen von XII. Nr. 13. Naturwissenschaftliche Wochensehrift. 151 Salzen in Mischungen von Alkohol und Aether; De Angelis d’Ossat, Die Umgebungen von Rapolano Siena; (es handelt sich um die geologische Untersuchung des genannten Gebietes); Roiti, Ob die X-Strahlen schon im Kathodenstrahlenbündel existiren, welches sie erzeugt; (diese Frage wird in der Form beantwortet, dass wahrscheinlich undeformirbare Kathodenstrahlen nicht existiren, oder wenn welche existiren, so sind sie nicht in X-Strahlen transformirbar); Majorana, Ueber die Herstellung des Diamanten; Veronese, Ueber das Postulat der Stetigkeit; Sehoenflies, Ueber die transfiniten Zahlen des Herrn Veronese; Segre, Ueber gewisse singuläre Punkte der algebraischen Curven, und über die parabolische Linie einer Oberfläche; Lustig, Re- sultate der in Indien angestellten Untersuchungen über die vor- beugende Impfung gegen die Beulenpest und- über die Serum- therapie; Taechini, Ueber die Sonnen-Flecken, -Fackeln und -Protuberanzen, die im Observatorium des Collegio Romano im 2. und 3. Vierteljahr 1897 beobachtet worden sind; Taceehini, Der seismische Registrirapparat mit doppelter Geschwindigkeit bei dem Erdbeben vom 21. September 1897; Millosevich, Beobachtungen des Perrini’schen Cometen; Medolaghi, Ueber gewisse Punktinvarianten der partiellen Differentialgleichungen zweiter Ordnung; Straneo, Ueber die Wärmeleitungsfähigkeit des Eises; Berzolari, Eine Bemerkung über die Ausdehnung der Sätze von Euler und Meusnier auf Räume höherer Di- mensionen; Loria, Evangelista Toricelli und die erste Reeti- fieation einer Curve; Guglielino, Ueber gewisse neue Formen der Sprengel’schen Pumpe und gewisse einfache Formen von Röntgenröhren; Banal, Ueber Räume constanter Krümmung; Folgheraiter, Die Magnetisirung des Thons beim Brennen in Verbindung mit den Hypothesen über die Herstellung der schwarzen etruskischen Geschirre. Von der Königlichen geologischen Landesanstalt in Berlin sind neuerdings von der geologisch-agronomischen Specialkarte von Preussen 1:25000 veröffentlicht: Lieferung 82, enthaltend die Blätter Altenhagen, Kar- witz, Schlawe, Damerow, Zirchow, Wussow. Lieferung 83, enthaltend die Blätter Witte-Lanzig, Sa- leske, Rügenwalde, Grupenhagen, Peest. Diese aus 11 Messtischblättern bestehenden beiden Liefe- rungen umfassen ein Gebiet von ca. 22 Quadratmeilen, nahezu den ganzen im Norden und Nordwesten von der Ostsee begrenzten landräthlichen Kreis Schlawe. Sie bilden ein Rechteck von 3 Blättern Breite und 4 Blättern Höhe, welches fast in seiner ganzen Ausdehnung der fruchtbaren Küstenzone Hinterpommerns angehört. Nur durch den schmalen Saum der aus dem eigentlichen Seestrande, einem Dünenstreifen und den im Schutze des letzteren aus alten Seebuchten entstandenen Moore oder Süss- bis Braeken- wasserbecken gebildeten Strandzone vom Meere getrennt, erhebt sich diese Küstenzone als sanftansteigende Hochfläche von 10 und 20 m Meereshöhe in den nördlichen, bis zu 70 und SO m Höhe in den südlichen Kartenblättern. Durch eine Reihe von Thälern, welche ganz anderen Wassermassen, als denen der sie jetzt in der Hauptsache durchfliessenden Wipper und Grabow ihre Entstehung verdanken, zeigt sich diese Küstenzone wieder in eine ganze An- zahl Einzelplateaus zerlegt. Sie alle werden, wie ein Blick auf die geologische Karte sofort erkennen lässt, in der Hauptsache von dem Lelımmergel oder Oberen Geschiebemergel gebildet, der in seiner Eigenschaft als Untergrund unschwer als die Ursache der hervorragenden Fruchtbarkeit des die Ackerkrume bildenden lehmigen Sand- und Lehmbodens dieser Gegend erkannt wird. Nur in den Thälern gewinnt neben einem alluvialen Lehm- und dem, gewaltige Torfmoore bedeekenden Moorboden auch der Sandboden einige Ausdehnung. Untergeordnet geben die Karten auch echten Thonboden und andererseits gerade durch seine Un- fruchtbarkeit gekennzeichneten Quarzsandboden älterer, soge- nannter Tertiärschichten an. Der äusserste Südosten desin Rede stehenden Karten-Rechteckes endlich, d. h. ungefähr das südliche Drittel der Blätter Zirchow und Wusow, gehört schon der nörd- lichen Abdachung des pommerschen Höhenrückens an, Die hier schnell bis über 100 m ansteigende Oberfläche zeigt einen ver- haltnissmässig häufigen Wechsel zwischen Sand- und Lehmboden. Da die geologisch agronomischen Karten für die Landwirth- schaft ein hervorragendes, praktisches Interesse haben, indem in denselben und in den dazu gehörigen Bohrkarten und Bohr- registern ausser den geologischen die Boden- und die Unter- Inhalt: Der geologische Bau von Schantung (Kiau-tschou) mit besonderer Berücksichtigung neuere Forschungen auf dem Gebiete der experimentellen Pathologie des Centralnervensystems. weise von Bipalium kewense, Moseley. — „Rothseuche“ der Aale. — Eine Kupferpflanze, grunds-Verhältnisse, sowie die Wasserverhältnisse des Unter- grundes angegeben und in den beigefügten Erläuterungsheften näher besprochen sind, werden sie besonders für die Grund- besitzer, die Gemeinde- und Gutsvorstände dieser Gegend von Wichtigkeit sein. , Jedem einzelnen geologischen Blatte ist eine Karte im gleichen Maassstabe mit den eingetragenen agronomischen Boh- rungen, sowie ein Erläuterungsheft beigegeben. Die Erläuterungen enthalten nach einem Vorwort einen geognostischen, einen agro- nomischen, einen analytischen Theil und ein Bohrregister. Das letztere enthält die Bodenprofile von sämmtlichen in der Bohr- karte durch Punkte und Zahlen angegebenen, bis 2 m tiefen Bohrungen in übersichtlicher Weise geordnet. Da jedes einzelne Blatt, welches meist 15—20 Gemeinde- und Gutsbezirke umfasst, mit ca. 2300 Bohrungen besetzt ist, kann sich jeder Landwirth über die Grund- und Bodenverhält- nisse ete. seiner Gegend genau informiren. Jedes Blatt ist einzeln zu dem Preise von 3 M. (einschl. Bohrkarte und Erläuterungen) bei der Verlagshandlung von Paul Parey in Berlin SW, Hede- mannstrasse 10, käuflich. Schliesslich sei noch erwähnt, dass ein noch grösseres Gebiet von ea. 34 Quadratmeilen, welches sich südlich an das oben er- wähnte anschliesst und Theile der Kreise Schlawe, Rummelsburg, Bublitz und Neu-Stettin umfasst, bereits früher von der König- lichen geologischen Landesanstalt in Berlin geologisch-agronomisch untersucht worden ist und Karten darüber durch die genannte Buchhandlung zu beziehen sind. Briefkasten. Chiffre L. Herr Prof. Thoms antwortet freundlichst auf Ihre Anfrage: Byrolin ist ein Hautpflegemittel, welches ein Gemisch aus Borsäure, Glycerin und Lanolin darstellt. Ir. S. D. in Berlin. — Von dem schönen Werk Kirchner und Blochmann, Die mikroskopische Pflanzen- und Thierwelt, dessen Anschaffung wir Ihnen dringend empfehlen, liegen vor: Theil I Pflanzenwelt (von Kirchner) und Theil II, Abtheilung I Protozoa (von Blochmann). Die Verlagshandlung Lucas Gräfe und Sillem in Hamburg schreibt uns, dass die Metazoen (von Blochmann) leider noch nieht erschienen sind und vor Schluss d. J. wohl nicht fertig gestellt werden können. Besprechung von Theil I finden sie in der „Naturw. Wochenschr.“ Bd. VI (1891) S. 471, von Theil II; Abth. I in Bd. XI (1896) S. 182. A. M.L. — Der Ausdruck „Isochoren“ ist uns völlig un- bekannt. Auch glauben wir nicht, dass dies ein Fachausdruck ist (jedenfalls kein meteorologischer). Wahrscheinlich liegt lediglich ein Druckfehler (für Isochronen oder Isochionen?) vor, denn auch die Zusammensetzung des Wortes lässt nieht auf irgend eine ver- nünftige Bedeutung sehliessen. Vielleicht theilen Sie uns freund- liehst mit, in welchem Werk Sie das räthselhafte Wort gefunden haben? Berichtigungen. | In der Recension von Herrn Vanhöfen über die Fauna des Balaton, No. 11, befindet sich ein Irrthum, den ich mir erlaube aufzuklären. Es wird dort gesagt, dass in Europa an Fläche den Balaton nur 3 russische und 3 schwedische Seen übertreffen. Dies ist unrichtig. Grösser als der Balaton in Europa sind: 1. Enaresee in Lappland (Schweden) nn Okm 2. Ladogasee „ Russland . . - 50 n 3. Mälarsee ,„ Schweden . 1637 5 4. Onega „ Russland 9752 = 5. Oulujärvi „ Finnland 984 - 6. Päijänne „ 5 1576 5 7. Peipus „ Russland 3513 r 8. Saima „ Finnland 1760 ” > 9. Wenersee „ Schweden . 6238 > 10. Wettersee „ 5 6 1964 Der Balaton ist seinem Areal nach also der 11. See in Europa. Dr. W. Halbfass. Herr Dr. Carl Weber, einer der 3 in der „naturwissen- schaftlichen Preisaufgabe“ angegebenen Preisrichter, ist nicht | Direetor, sondern Botaniker an der Moorversuchsstation in | Bremen. der nutzbaren Lagerstätten. — Ueber — Hermaphrodit. — Lebens- — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Geheim. Reg.-Rath und Prof. A. Riedler, Unsere Hochschulen und die Anforderungen des zwanzigsten Jahr- hunderts. — Prof. Dr. Albert v. Kölliker, Die Energiden von v. Sachs im Lichte der Gewebelehre der Thiere. — H. Peters, Bilder aus der Mineralogie und Geologie. — K. Schmeisser und K. Vogelsang, Die Goldfelder Australiens. — Erich Ernecke, Ueber elektrische Wellen und ihre Anwendung zur Demonstration der Telegraphie ohne Draht nach Mareoni. della R. Accademia dei Lincei. — Geologisch-agronomische — Rendieonti Specialkarte von Preussen. — Briefkasten. — Berichtigungen, 152 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XIII. Nr. 13. BEE EEEEEGEEEEEEEEEEEREEEEEEEREERERE | Ge winmnbetheiligung bei Erfindungen! Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. Soeben erschien: van Bebber, hersage. gr. 8. 1897. geh. M. 5.— Prof. Dr. wegR Mit zahlreichen Beispielen und 125 Abbild. Zweite, verbesserte und vermehrte Aufl. Die Wettervor- Gebrauchte Gasmotoren .DAMPF-und DYNAMO- MASCHINEN garantirt betriebsfähig in allen ‚Grössen sofort. lieierbar. Elektromotor, s.n.v.n. Schinvauerdanm 21: Berlin NW. 2 Schränke werden für die Unterbringung einer geologischen Sammlung zu kaufen gesucht. Gefl. Offerten mit Preisangaben befördert unter R. L. 12 die Exped. der „Natur- wissenschaftl. Wochenschrift“. In Ferd. Dümmlers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 12 erschien: Elementare Rechnungen aus der mathematischen Geographie für Freunde der Astronomie in ausgewählten Kapiteln gemoinvorständlich hegründet und vorgeführt von®©. Weidefeld, Oberrossarzt a.D. Mit einer Figurentafel. 64 Seiten gr. 8°. Preis 2 Mark. Hempel’s Klassiker -Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandl. Ferd. Dimmlers Derlagsbucmhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerfr. 94. Vor Kurzem erjchien: Yriider und Schiweitern Doman von Eugen Beichel. Geheitet 4 Mark, geb. 5 Mark. Dünnschliff- Sammlungen für praktische mikroskopische Uebungen. Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller wichtigen Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. Rosenbusch „Mikroskopische Physiographie der massiven Gesteine“ Stutt- gart 1896. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste gedruckte Beschreibung, derart, dass der Lernende die einzelnen Gemengtheile der Gesteine makroskopisch und mikroskopisch erkennen und bestimmen kann. Sammlungen von je 120, 180 und 250 Dünnschliffen in elegantem Etui je Mk. 150, Mk. 225, bez. Mk. 325. Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen Handstücken. (Format 8/;>< 11 em.) je Mk. 250, Mk. 390, bez. Mk. 575. Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer genauen mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate und für die richtige Auswahl von charakteristischem Material garantirt werden kann. Dr. F. Krantz, Rheinisches Mineralien- Contor. Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. Du Verantwortlicher Redaeteur: Geschäftsgründung 1833. Bonn a./Rh. Geschäftsgründung 1833. Die Erneuerung des Abonnements wird den geehrten Abnehmern dieser Wochenschrift hierdurch in geneigte Erinnerung gebracht. Neues Princip für Massenbetheiligung an industriellen Unternehmungen. == Neuheiten - Vertrieb. — Grosse Vortheile! [__ ı ee P 7 1 a anee] ! ° Ir j Neu aufgenommen: om EN Durchiuhrung: des Buttenstedt- nn foren) TradeMark schen. EIESpEIHCIB, en R ; (von zwanzig namhaften Gelehrten A ar x unterstützt) und - a Jul az Errichtung einer Versuchs- um IN station für Flugzwecke. . 4 Internationaler Verein zur rationellen Verwerthung von Erfindungs-Patenten. Eingetragene Genossenschaft mit be- = BERLIN. 5.0.26. © schränkter Haftpflicht. Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, participirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabricirten Artikel. Otto Toepfer Werkstatt für wisssenschaft- liche Instrumente. Potsdam. = Gegr. 1873. # Specialgebiet: „Astrophysik“ (Astrophotometrie, Astrospectros kopie, Astrophotographie). Fernrohre bis 5* fr. Oeffn. azimuthal u. parallaktisch mon- tirt. (Mit und ohne Uhrwerk.) — Ocu- lar-, Nebel-, Stern-, Protuberanz-Spec- troskope. — Spec- tralapparate und Speetrometer für wissenschaftliche, technische u. Schul- zwecke. — Stern- spectrographen nach Prof. H. C. Vogel. — Heliographen ver- schiedener Art. — Spectroheliogra- phen nach Hale. — Hcliostate bewähr- ter Construction. — Keilphotometer mit Registrireinrich- tung. — Astropho- tometer nach Zöll- ner. — Spectralpho- tometer div. Üon- structione — He- lioskop-Oculare. — Astronom. Hülfsin- strumente jeder Art. — Schraubenmikro- meterwerke. — Ocu- lare, Lupen, Pris- men. — Optische Bänke. — Photogr. Apparate zur Re- propuction astron. Objecte. — Neutral- läser mit und ohne K PATENTBUREAU Ulrich R. Maerz Jnh:C.Schmidftlein Ingenieur Berlin: NW., Luisenstr.22. % Gegründet 1878. Patent- Marken -u. Musterschutz ’ bester und bewährter assung. — Sensito- meter und Iconometer für photogr. Be- darf. — Lupenapparate und kleine Mi- kroskope für botanische und entomolo- gische Studien. — Projeetionsapparate. Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 33l. | Photo:7?rkische Stativ- und Hand- um GAMETAS. Gediegene Ausstattung. | 35” Sämmtliche Bedarfsartikel. 32 ' Spee.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) | Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. | Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! | Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). =) Die Verlagsbuchhandlung. Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Was die naturwissenschaftliche Forschung =ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- den Gebilien der Phantasie, wırd MM" ihr reichlich ersetzt durch den uber der Wirklichke t, derihre Schöpfungen schmückt, 47 Pf Dr. H. Potonie. ER „rt m =“ Redaktion: Schwendener. er Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XIII. Band. Sonntag, den 3. April 1898. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- ] anstalten, wie bei der Expedition, Bringegeld bei der Post 15 .% extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— SL sprechenden Rabatt. | Nr. Inserate Die viergespaltene Petitzeile 40 9. Grössere Aufträge ent- Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. 14. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Thätigkeit der Manora-Sternwarte im Jahre 1897. Von Leo Brenner Mit 10 Abbildungen. Diese Wiederwärtigkeiten sind zweifacher So wie in den. Vorjahren*) gebe ich auch heuer an | den wären. dieser Stelle emen kurzen Bericht über unsere Thätig- | Art: unvermeidliche, und solche, die ich nicht keit im abge- laufenen Jah- re, welchem ich dureh die Güte der Ver- lagsbuchhand- lung Eduard, Heinr. Mayer in Leipzig 10 Abbildun- gen beigeben kann, die mei- nem dort er- schienenen Bu- che „Spazier- gänge durch das Himmels- zelt“ entnom- men Sind. [Wenngleich ich mit dem Resultate mei- ner Thätigkeit auch diesmal zufrieden sein könnte, so drängt sich nıir dennoch das bittere Gefühl auf, dass ich viel mehr hätte leisten können, dene Widerwärtigkeiten die Flügel beschnitten wor- *) Siehe „Naturw. Wochenschr.“ No. 28, Band X; No. 22, Band XI; No. 16, Band XII. Fig. 1. Manora-Sternwarte. wenn mir nieht durch verschie- als solche be- trachten kann. Zu den un- vermeid- lichen Wider- wärtigkeiten gehören: der Umstand, dass im letzten Drit- tel des Jahres 1897 (aber auch in ande- ren Monaten) die Luftver- hältnisse ganz ungewöhnlich schlechte wa- ren; _ wieder- holte Krank- heiten, nament- lieh meiner Au- gen, welche mich auch zu einer vier- wöchentlichen Erholungsreise zwangen; end- lich Havarien der Instrumen- te und der Sternwarte.*) Wirken schon derartige Missgeschieke auf einen *) So z. B. entführte der Cyelon am 29. November die Dach- klappe (welche man in Fig.1 zurückgeschoben sieht), und der folgende Wolkenbruch durehnässte das Mikrometer trotz aller Umhüllungen. 154 eifiigen Beobachter deprimirend genug ein, so gilt dies noch in höherem Grade von den anderen, welche mich im abgelaufenen Jahre lahmgelegt haben. In Folge von beträchtlichen finanziellen Verlusten war ich schon vor einem Jahre vor die Alternative gestellt worden: ent- weder für den leidigen Broderwerb zu sorgen oder der Astronomie (die mir bisher nicht einen Heller ein- getragen hat) zu entsagen. mir so theure Wissenschaft Um dem Verzicht auf die Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 14. mir vorgeschlagenen Abänderungen wurden von Herrn Heyde vorgenommen. Auf Grund genauer Messungen erhielt ich für die Dieke der neuen, beweglichen Fäden folgende Werthe: Faden I = 0'281; ‘II = 0343; III = 0'343; IV—0"297; V—=0'343. Mittlerer fester Faden 0”406. (Die fünf anderen festen Fäden habe ich noch nicht gemessen). Für die Abstände der beweglichen Fäden fand ich: I—II = 182”041; II—III —= 180009; III—IV = 177711; IV—V vorzubeugen, entschlosssich die Eigenthümerin unserer Sternwarte bei dem öster- reichischen Unterrichtsmi- nisterium entweder um Ver- staatlichung der Sternwarte oder um deren Subventio- nirung mit 2000 fl. pro Jahr nebst Druck der Beobach- tungen auf Staatskosten an- zusuchen. ‚Nach 9 Monaten erhielten wir jedoch ab- lehnenden Bescheid. Nach- dem also Oesterreich bei einem Budget von 800 Mil- lionen nicht 2000 fl. zur Unterstützung anerkannt werthvoller astronomischer Beobachtungen erübrigen kann, bin ich gezwungen, des Lebensunterhalts halber meine astronomische Thä- tigkeit bedeutend einzu- schränken. Diese Aufklärung war ich meiner Ehre schuldig, ‘weil meine Collegen sonst aus der geringeren Zahl meiner vorjährigen Beob- achtungen auf eine Ab- nahme meines Eifers und meines Fleisses schliessen würden.] *) Instrumente. Wenn- sleich im abgelaufenen Jahre die Zahl der vorhan- denen Instrumente keine Vermehrung erfuhr, so wur- — 210"215.*) Die Schraube hat fast keinen todten Gang, derart, dass selbst bei wieder- holtem Vorwärts- und Zu- rückdrehen die Differenz noch keine 0”01 ausmacht! Mit Ausnahme des Un:- standes, dass mir die Fä- den für Messungen auf Planetenoberflächen noch immer zu dick erscheinen, und dass sie trotzdem mit der stärksten Ver- grösserung zu wenig hell erleuchtet sind, kann ich über dieses Prachtinstru- ment nur in den Aus- drücken des höchsten Lobes sprechen. Bibliothek. Dank dem Interesse, welches unsere Sternwarte bei den meisten wirklich thätigen Kollegen findet, erhöhte sich die Zahl der Nummern in unserer Bibliothek von 570 auf 730. Für diese Be- reicherungen spreche ich den betreffenden Spendern auch noch an dieser Stelle meinen verbindliehsten Dank aus. s Luftzustand. Indem ich diesbezüglich auf das hinweise, was ich in meinem letzten Jahres- berichte darüber gesagt, den doch zwei derselben Fig. 2. gebe ich hiermit nach- verbessert. Das Aequa- Aequatoreal der Manora-Sternwarte. stehende Tabelle für das toreal (s. Fig. 2) erhielt Jahr 1897: auf der Declinationsaxe und dem Objeetivende weitere | BIT: ale Gegengewichte, und das treibende Gewicht seines Uhr- EB ee p en 2l2|s|A|8S!5/15/|9|5|° EI EIS werkes wurde von 30 auf 63 kg erhöht, so dass letzteres [333 7 3|*|2l2|3)2)>|% Jetzt wieder ruhig und gleichmässig läuft. Ebenso wurde | le | Ja las die Klemmung des Rectascensions-Sehlüssels verbessert A. Bei Tage. und mehrere Bestandtheile der Montirung durch neue | Luft 1... Tagel—|— —|— | 1) 2| 3 4 31 le ersetzt (von Plössl in Wien), so dass fast alle feineren » 2 RS) 2 5 5 R n r S E = 2 1 . 2 »estandtheile der ursprünglichen Montirung nach und nach u » Te] 5| slı3| 6| 8lı0| 4| 2)10/11 10] 94 durch neue ersetzt worden sind. 5 a 5| 2] 9) 18 6| 3:72]10| 3) 45158 Das Negus-Chronometer wurde durch eines von | „ 6... „ [1710| 7| 6| 9| ı| 2| 1lı2J]ı2] 8| 7 92 Weichert (No. 2317) ersetzt. B. Bei Nacht. i d Das Mikrometer (s. Fig. 3), welches sich vorzüglich | Luft 1. .Nächtel— | —| 2| 1) 1] 3) 4| 7| 2| 1) 2|—| 23 SAT ’ 5 BAe". ai 1:5) 3) 5/1 | 3) sl%5.1ln2J28 1186 bewährt hat, musste behufs Reparatur auf 6 Wochen zu Vs 2 3\ el 5|5| 3|I zl al 8| al 3| 2) al 51 Heyde zurück. Bei dieser Gelegenheit wurde die Zahl | ? 4. : 5/ 3| 8| 7210| 5) 8| 5| 2| 68/10/18 8 der festen Fäden um 2 vermehrt. Auch sonstige von | „ 5. » 6| 8) 6| 4| 4| 6| 3| 2/10| 6| 8| 4) 67 N. u Do Y 16| 5| 7| 8/13] 6|.4| 4|13|13| 6| 10/105 *) Unserer Bitte, den in [ ] eingeschlossenen Abschnitt zu mässigen resp. zu entfernen, ist der Herr Verf. leider nicht in *) Ende Januar 1898 mussten leider neue Fäden eingezogen genügender Weise nachgekommen. Wir lehnen also dem Leserkreis | werden, deren Dieke mich nicht befriedigt, daher ich sie bei gegenüber die Mitverantwortlichkeit für diesen Inhalt ab. Red. nächster Gelegenheit durch dünnere zu ersetzen gedenke. XIII. Nr. 14 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 155 Die nun folgende Tabelle enthält die Beobachtungs- Statistik, entsprechend jener der früheren Berichte. Zahl der I) Beobachtuugstage | Hunden, um 8b noch gleich hell damit. Der Gegenschein war aber um 7% nicht mehr wahrnehmbar. Am 25. Februar gab ich dem Zodiakallichte die vierfache Helligkeit der damals sehr hell erscheinenden Milchstrasse in Cassiopeja. Monate a ah |Beobach-| aufge- | Beobach- Meine Beobachtungen vom 27. Februar entsprachen jenen Iwiksn ER 4151| aa enden.) tungen | yom 22. Februar. Am 20. März fand ich das Zodiakal- Test licht schwächer als sonst. Am hellsten war es noch um anna. 21|5|54 9 aa | 9 Sh, zu welcher Zeit es dreimal heller als die Milchstrasse Daher here * as au Zi 2 ar g2 7 zwischen den beiden Hunden zu sein schien. Den Gegen- Aal. . 0. als" ag 2% 16 schein vermuthete ich wohl, doch erreichte er lange nicht MEI he: I 7 18°/, 14 die Helligkeit der Milchstrasse in Cassiopeja. Am 23. Dee. Juni en.).u0. . Keee Li 4| 8) 61 |. 14 | Ai 34 wurde das Zodiakallicht zuerst um 6!/,® sichtbar; um A Mh h E 5 E ” nn Ay 2 61/5" kam es dem hellsten Theil der Milchstrasse im Schwan Beklember ER | Be 14 gleich; um 6°/," übertraf er diesen um das Doppelte an October 1%... 8. N N 3, 6 Helligkeit (wobei es sich nahezu bis gegen den Widder Noyembern... - -.22..[ 21. 21.220) 6 19), 10 erstreekte); um 7!/;h war es noch so hell wie die Milch- December... . ... Ka: URLS ESEL |, Par Te 8 strasse in Cassiopeja. Der Gegenschein war um 6?/,h Ganzes Jahr 1897. ..|14139|51 51/15) 108 | 405 | 215 | sehr deutlich und so hell wie die Milchstrasse in Cassiopeja; Mehr Zeit er befand sich als diese Beob- im Krebs, er- achtungennahm streekte sich jedoch dasRein- nicht über die zeichnen der Zwillinge hin- Zeichnungen,ihr aus und war Copiren für die nicht konisch Reproduction *) sondern rund- und die Ver- lich. Am 25. De- arbeitung des cember wurde Resultates für das Zodiakal- die Veröffent- licht schon um lichungen in Dh dm sichtbar Anspruch. So — 10 Minuten z. B. beschäf- nach der Milch- tigte mich strasse, mit der die Reduction es, um, 6h, 8m der Marsbeob- gleiche Hellig- achtungenallein keit hatte. Um (bezw. die Her- 6h 13m war es stellung der schon doppelt Karte) durch so hell, blieb so anderthalb Mo- bis 7b 15m und nate! war um -7/oh ; noch gerade so en ne hell wie . die b Me $ _ Milchstrasse im unICmtungen; Bd Schwan, um 8 Die Sonne Er schonsehrblass, wurde nur 4 Mal beobachtet (51/; Stunden), meist behufs Aufsuchung von Protuberanzen. Das Zodiakallicht beobachtete ich 10 Mal (18), Stunden). Am 26. Januar fand ich es auffallend breit und heller als die Milchstrasse in Cassiopeja; zwei Tage später war es zwei- bis dreimal heller. Am 21. Februar notirte ich es „siebenmal heller als die Milchstrasse zwischen den beiden Hunden.“ Am 22. Februar machte es sich zuerst um 5b57m bemerkbar; fünf Minuten später war es bereits deutlich, während die Milchstrasse erst um 6610 m erkennbar wurde. Um 6°/,b war das Zodiakallicht etwa fünfmal heller als die Milchstrasse bei Cassiopeja, um 7b etwa 7—8 Mal, während auch der Gegenschein sehr schwach im Löwen erschien, aber kaum die Hälfte der Helligkeit der Milchstrasse erreichte. Um 7!/,;h war das Zodiakallicht (welches sich bis zu den Hyaden er- streckte, noch dreimal, um 73/,h doppelt so hell als die Milchstrasse in ihrem hellsten Theile zwischen den beiden *) Im Ganzen fertigte ich im Vorjahre 342 Zeichnungen an, davon 112 in Farben. Mikrometer der Manora-Sternwarte. um 81,h un- sichtbar. Den Gegenschein sah ich zuerst um 61/,b; umj6!/," war er so hell wie die [Milchstrasse in Cassiopeja, eine Stunde später aber nieht mehr erkennbar. Um 6!/,h hatte er eine kleine Pyramide (im Krebs) gegen die Zwillinge hin gebildet. Am 26. December wurde das Zodiakallicht wegen der nahen Mondsichel erst um 6h5m sichtbar — 5m später als die Milehstrasse, mit der es um 6h 10m bereits gleiche Helligkeit hatte. Um 6b 30m war es sogar heller als die Milchstrasse im Schwan, nahm aber. dann wieder ab. Es erstreckte sich auch nur bis zu den Fischen. Merkur wurde nur 3 Mal beobachtet (1'/, Stunden), und ohne Erfolg. Dagegen waren meine 40 Beobachtungen der Venus 1341/, Stunden) desto erfolgreicher. Es gelang mir, 54 Zeiehnungen (s. Fig 4 und 5) aufzunehmen, welche die schnelle Rotation des Planeten ganz ausser Frage stellen. Ausser den zahlreichen (aber meist sehr schwachen) Flecken konnte ich den unbeleuchteten Theil und die Aurole um ihn sehr oft sehen, zweimal sogar theilweises 156 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Phosphoreseiren der Nachtseite. (Siehe Figur 4.) Das Gesammtresultat meiner Venus-Beobachtungen der Jahre 1894— 1898 gedenke ich zu Anfang 1899 der Oeffentlich- keit zu übergeben, Dann wird man beurtheilen können, ob sich die Hypothese der langsamen Rotation der Venus noch länger aufrechter- halten lässt! Mars be- obachteteich noch 16 Mal (30\/, Stun- den) mitgros- sem Glücke, wobei ich 10 Zeichnungen aufnahm. (S. Fig. 6und 7.) Aus allen 73 Zeichnungen der Opposi- tion 1896 — 1597 stellte ich dann eine Karte zusam- men, wel- che nebst 18 ehromolito- graphischen Zeichnungen und einem ge- drängten Be- richt über meine Be- obachtungen demnächst in den „Ab- handlungen der König- lichen Preus- sischen Aka- demie der Wissenschaf- ten“ (und auch als Se- paratab- druck) er- scheinen wird. Sie enthält unter Anderm 68 neue Canäle, 12 neue Seen Fig.a4. Venus am 6. März 1897. Fig. 6. und eine Mars am 24. November 1896. neue Halb- insel die ich zu ent- decken vermochte. Wichtiger als diese Entdeckungen ist aber der unanfechtbare Nachweis, dass die Lowell- sche Hypothese jeder Grundlage entbehrt, dass die Canäle sich nieht erst nach der Schneeschmelze „ver- doppeln“, sondern beständig doppelt sind, d. h. dass die vermeintlichen Doppeleanäle nichts anderes als permanent vorhandene Paralleleanjäle sind, welche nur nicht mit beiden Armen gleichzeitig sicht- bar sind u. s. w. Ueber diese Ergebnisse werde ich mich übrigens dem nächst an dieser Stelle ausführ- licher verbreiten. Charakteristisch ist, dass ich wohl fast alle von Schiaparelli gezeichneten Canäle etc. Nr. 14. in annähernd gleicher Lage zu sehen vermochte, aber nur 8 oder 10 der Lowell’schen und keinen einzigen der angeblichen Douglass’schen „Canäle auf dem Meeres- grunde*. Jupiter beobachtete ich 39 Mal (88 Stunden), wobei ich 20 Zeich- nungen auf- nahm, die über tau- send Flecke enthalten. (Siehe Fi- guren 8 und 9.) Einzel- ne .‚Flecke und die „Schultern“ wurden mit dem Mikro- meter, ge- messen. Das Resultat mei- ner Beobach- tungen ge- denke - ich zusammen mit jenen der diesjäh- rigen Beob- achtungen zu Ende des Jahres zu veröffentli- chen, Unser Mi- krometer be- nutzte ich auch wieder- holt zu Mes- sungen der vier Jupi- ter-Satelliten deren Ab- plattung bei guter Luft meist sehr augenfällig erschien. Als Ergebniss meiner Mes- sungen er- hielt ich fol- gende Wer- Venus am 12. August 1897. Fig. 7. Mars am 11. December 1896. the: | Mond I | Mond II | Mond III | Mond IV Jupiter Polar - Durch- | messer ..... 1060 0"955 1504 1'345 36'134 Aequatoreal- | Durchmesser . _ ' 1063 1'704 1'550 38'539 l 1 1 1 Ahp lan St! 10,183 | 852 | 7568 | 16,024 Polar Durch- | messer *) ... 3993 3609 5665 5067 136112 Aequatoreal- 2 Durchmesser *) 5 400 | 6419 5839 145172 *) In Kilometern, bei Zugrundelegung der Harkness’schen Sonnenparallaxe von 8'809, die mir richtiger erscheint, als der international angenommene Werth von 8"800. XI. Nr. 14. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 157 nn nn nn Ausserdem maass ich noch wiederholt die Lage der Streifen auf dem Jupiter, deren Veränderliehkeit ich auf diese Art sehr genau festzustellen vermochte. (Näheres darüber siehe „Astr. Nachr.* No. 3444.) Saturn wurde 35 Mal beob- achtet (45 Stunden) und dabei 12 Zeichnungen aufgenom- men (s. Fig. 10), welche 146 Flecke enthalten. Am 2. Juni entdeckte die Eigen- thümerin un- serer Stern- warte die nach ihr be- nannte „Ma- nora-Thei- Fig. 8. lung“ zwi- Jupiter am 24. Februar 1897. schen den Ringen B und C (welehe dann auch von den Herren Krieger und Fauth verifieirt wurde), während es mir ge- lang, am 27. August ausserdem noch die seit 10 Jahren nicht gesehene „Struve-Theilung“ wahrzunehmen und eine neue Tren- nung im Ringe A (zwischen Encke- und Cassini - Thei- lung) zu ent- decken.*) (S. Fig. 10.) Bei guter Luft war die Encke- Theilung im- mer, die An- toniadi - Thei- lung meis- tens. zu se- hen. Die Sa- telliten sah ich alle bis auf Hy- perion, ‘ nach dem ich aber auch niemals suchte. Messungen nahm ich bei jeder günstigen Gelegenheit vor, stellte auf diese Art die ge- naue Lage der Streifen fest und maass die Ausdehnungen des ganzen Ringsystems, sowie den Aequatorealdurchmesser der Saturn-Kugel. Bei Unterdrückung der offenbar mit irgend einem Fehler behafteten Messungen vom 28. August erhielt ich aus den übrigen folgende Mittelwerthe: Fig Saturn am 27 Aussen || Innen h | Kilometer | S | Kilometer Pin RAU 4064 275 424 | 35.37 242 317 ar vB Dester SE 3413 233822 | 26245 179 803 RT ET ER 25156 172 342 | 20"71 141 883 Kugel- Aequatorealdurch- | | messer ) N mIIl a 1797 1311| — | — Cassini - Spalte, Durch- | MERBer seta ar 062 4288| — | _ Manora-Theilung, Durch- | | en A 0”51 Erle ee *) Nach Beendigung meiner für heuer geplanten Messungen des Saturn-Systems gedenke ich eine Abhandlung darüber zu Danach würde also die Höhe des Crape-Ringes über der Saturn-Oberfläche 1”363 — 9538 km betragen, was zwar mit dem Barnard’schen Resultate von 134 gut stimmt, aber von dem Bond’schen (2”255) so stark ab- weicht, dass es keinem Zweifel un- terliegt, dass sich der Cra- pe-Ring seit seiner Ent- deekung um etwa 6100km dem Saturn genähert hat. Um dies ge- nau festzu- stellen und um über- haupt mög- lichst ge- naue Mes- sungen des Saturn -Ring- Ä Fig. 9. systems vor- Jupiter am 22. März 1897. zunehmen, wäre es von grösstem Werthe, wenn es mir ermöglicht würde, im Jahre 1899 Saturn während seiner Opposition auf der südlichen Halbkugel mit unserem wundervollen Fernrohre | zu beobachten bezw. mit unserem ausgezeichneten Mikro- meter zu ver- messen; aber an die Verwirk- * liehung eines so fronmen Wunsches ist natürlich nicht zu denken, weil eine solche Ex- pedition kaum unter 8000 fl. oder doch 12000 Mark zu bewerkstel- ligen wäre, und für wissen- schaftliche 10. Zwecke das August 1897. Geld nicht so leicht aufzutreiben ist, wie z. B. für Kirchen und Theater. Bemerkenswerth wäre noch, dass ich den Durch- messer des Titan indireet zu 062 maass, was einem wirk- lichen von 4248 km entsprechen würde. Den Schatten der Kugel auf den Ringen sah ich stets regelmässig (so wie in Figur 10), d. h. mit jenem eigenthümlichen Verlaufe der Linie, aus dem man schliessen müsste, dass die Ringe A und B nicht ganz genau in der gleichen Ebene liegen. Uranus beobachtete ich nur 7 Mal (2!/, Stunden) fand ihn aber niemals so schön wie im Vorjahre, sodass ich also weder Flecke auf ihm zu erkennen, noch ihn zu messen vermochte. Da er noch tiefer steht als Saturn, wäre es mir ein Leichtes, ihn auf der südlichen Halb- veröffentlichen, aus welcher ersichtlich sein wird, dass fast alle neuen Theilungen (Antoniadi, Manora, Brenner, Schäberle) schon früher gesehen worden sind, also vielleicht periodische Trennungen sein könnten. 158 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIH. Nr. 14. kugel mit unserem Instrumente nicht nur genau zu messen, sondern wahrscheinlich auch seine Umdrehungszeit ge- nauer zu bestimmen, als mir dies im Vorjahre ge- lungen ist. Und da er sich jetzt in der Nähe des Saturn befindet, könnten diese Beobachtungen gleich- zeitig stattfinden. Ich werde natürlich Versuche machen, das Zustandekommen der oben erwähnten Expedition zu ermöglichen, aber ich habe diesbezüglich sehr wenig Hoffnung. Den Mond beobachtete ich im Vorjahre nur aus- nahmsweise — meist auf Aufforderung von Collegen nach bestimmten Objeeten zu sehen. Infolgedessen sind auch nur 16 Beobachtungen (13 Stunden) verzeichnet, welche zur Entdeckung von 20 Rillen, 19 Kratern und 5 Bergen führten; nämlich: ; Zahl der Zahl der entdeckten Mondlandschaft Beobacht. | Stunden | Rillen | Krater | Berge Arzachelil!!"!!. . as. 1 1a — _ —_ Gapsini Sruml. Baden. 1 Ur — —_ = Gassendi u.a. Bi ann: 3 7 20(4)*)) 19(1) | 5(1) Hygıinus; .. .. .-..Eeasrye 1 Yy; — — = Tsinne -.#0.r . . Kae 2 Yg —_ _ —_ Riphaeus d ....... 19003 1/, _ = _ Mychokr 3=13... We 1 U — _ _ Durchmusterungen . . . . 4 | = — Damit ist die Zahl der von mir auf dem Monde ent- decekten Objeete auf 918 gestiegen (340 Rillen, 431 Krater, 147 Berge). Fixsterne beobachtete ich 29 Mal (39°/, Stunden); unter Anderem maass ich mehrere Doppelsterne, für welche ich folgende Resultate erhielt: Epoche | Stern | R. Ase. Decl. | Magn. | Posit. Distanz | 1597,206 | Sirius | 6h 40,m7 | — 16°%34 | —1,4;9;| 189,8 | 376 1897,850 | = 2909 |22h 23,m7| — 037° | 454, | 321°1 | 3”43 1897,850 | = 2995 |23h 11,m2| — @ 9 | 8,8%; | 2863 | 477 1897,861 8.79 |23h 11,mg| - 29 | 8;8%,; | 89,76 | 0"54 Nebelfleecke und Sternhaufen beobachtete ich SMal (5 Stunden), und nach Kometen suchte ich 8 Mal (22 Stunden). aber vergeblich. Im Ganzen habe ich somit im Jahre 1897 nur 215 Beobachtungen gemacht (gegen 600 im Jahre 1896, 920 im Jahre 1595 und 619 im Jahre 1894, [2. und 3. Tri- mester]); — weshalb? habe ich bereits eingangs aus- einandergesetzt. Veröffentliehungen. Im Jahre 1897 erschienen aus meiner Feder folgende wissenschaftliche Veröffent- lichungen: Denkschriften kaiserl. Akademie der Wissen- schaften. Wien. Jupiter-Beobachtungen an der Manora-Sternwarte 1895—%. Mit 8 chromolithographirten Tafeln. (15 Karten und 15 Zeichnungen enthaltend und auch als Separatabdruck im Buchhandel erschienen). der Band LXIV. Astronomische Nachrichten. Kiel. No. 3411. Veränderungen auf dem Mars. ». 3421. Messungen des Sirius-Begleiters. » ‚9427. Ueber eine neue Theilung auf dem Saturn -Ringe. (Mit Bild.) „ 9444. Mikrometer-Messungen betr. Jupiter an der Manora- Sternwarte. », 3450, Neue Theilungen in den Saturn-Ringen. »„ 9461. Saturn-Beobachtungen 1897 an der Manora-Sternwarte. (Mit 3 Bildern.) *) Die Zahlen in den Klammern zeigen an, dass ausser den 20 neuen Rillen noch Verlängerungen zu 4 anderen gefunden, bezw. die Lage je eines Kraters und Berges richtig gestellt wurde. Naturwissenschaftlicehe Wochenschrift. Berlin. Thätigkeit der Manora-Sternwarte im Jahre 1896. 11 Bildern.) Chronodeik von Stephan Ressel. Pereival Lowell und die -Venus-Rotation. (Mit Sirius. Köln und Leipzig. Merkur-Beobachtungen an der Manora-Sternwarte. Der Krater g im Innern von Gassendi. Neueste Publikationen über Mars. Gassendi. Die Rotation und die Flecke der Venus. Eine neue Trennungslinie auf dem Saturnringe. ae eohachin an der Manora-Sternwarte 1895 is 1896. Bulletin de la Societe astronomique de France. Paris. No. Communication sur les eanaux de Mars. Communication sur les canaux de Mars. Un phenomene singulier sur Venus. La rotation de Uranus. Communications relatives & Sirius et Mercure. Saturne en 1896. (Mit 2 Bildern.) ae de Saturne ä& l’observatoire Manora. ild. (Mit ‚ 10. Jupiter et ses satellites. i j „ 11. Nouveaux dessins de la planete Mars. (Mit 4 Bildern.) „ 11. Nouvelles divisions dans les anneaux de Saturne. (Mit Bild.) „ 11. Dessins de Venus. (Mit 2 Bildern). „ 12. Carte et dessins de la planete Venus. (Mit 4 Bildern.) Bulletin de la Societe belge d’Astronomie. Bruxelles. III. No. 1. Observations de Mars et Saturne & l’observatoire Manora. (Mit 3 chromolithographischen und 6 anderen Bildern.) Les Sciences populaires. No. 2. Mars en 1896. (Mit 4 Bildern.) ; Observatory. London. Paris. No. 255: Canals on Venus. „ 254. A peculiar spot on Jupiter. „ 254. Measures of the companion to Sirius. „ 255. A new division in the Saturnian ring-system. „ 256. Measures of Jupiter and his satellites. „ 258. Two new divisions in the Saturnian rings. „ 260. On the reduction of observations. JournaloftheBritish Astronomical Association. London. No. 5. The rotation of Venus. (Mit 2 Bildern.) „ 7. Remarks on the rotation of Venus. » 7. The rotation of Mereury. (Mit 20 Bildern.) „ 7. Discovery of the rotation of Uranus. (Mit 12 Bildern.) „ 10. Saturn 1897. (Mit Bild.) English Mechanie and World of Seience. No. 1660. Work of the Manora Observatory in 1896, „ 1670. Plato and Brenner's Rill. Ausser diesen (auch in anderen Zeitschriften vielfach nachgedruckten) 46 wissenschaftlichen, noch 52 Feuilletons populär-astronomischen Inhalts in 26 Zeitungen, sowie ein Buch: „Spaziergänge durch das Himmelszelt. Astro- nomische Plaudereien mit besonderer Berücksichtigung der Entdeckungen der letzten Jahre.“ (Mit 7 Tafeln und 23 Textbildern; 25'/, Bogen, 8°; Verlag von Ed. H. Mayer, Leipzig; Preis 5!/, M). Arbeitsprogramm für 1898. So weit es die mir aufgezwungene schriftstellerische Thätigkeit gestattet, sollen heuer die Planeten Jupiter, Venus, Mars, Saturn — eventuell auch Merkur, Uranus und der Mond — beob- achtet werden; ebenso gelegentlich das Zodiakallicht und Doppelsterne. Von Jupiter gedenke ich nur wenige Zeichnungen aufzunehmen, dagegen desto mehr zu messen, namentlich seine Satelliten. Immerhin hoffe ich soviele Zeichnungen aufnehmen zu können, um in der Lage zu sein, über das wahre Aussehen des Planeten zu verschiedenen Zeiten Aufschluss zu geben. Sollten sich ungewöhnliche Flecke zeigen, werde ich natürlich auch ihnen besondere Auf- merksamkeit schenken. *) *) Also auch den wieder aufgetauchten Granatflecken. London. XII. Nr. 14. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 159 Bezüglich Venus gedenke ich meine Forschungen über ihre Rotation heuer zu Ende zu führen. Mars beabsichtige ich wieder so früh als möglich aufs Korn zu nehmen und auch Messungen anzustellen. Sollte Saturn trotz seines tiefen Standes Messungen ermöglichen oder Flecke zeigen, so werde ich natürlich solche vornehmen bezw. zeichnen. Für Merkur und Uranus dürfte und den Mond Emil Fischer hat in den Ber. Deutsch. Chem. Ges. 30. 2226 in einer eingehenden Arbeit über die Synthese des Hypoxanthins, Xanthins, Adenins und Guanins berichtet. Nach der Festlegung der nahen Beziehungen der Xanthinbasen zu der Harnsäure bei ihren Methylderi- vaten durfte man erwarten, dass die so häufig und oft vergeblich versuchte Verwandlung der Harnsäure in oben genannte Basen gelingen werde. In genialer Weise hat Emil Fischer durch die Auffindung des Trichlorpurins das Problem gelöst. Während die Methyltrichlorpurine bei der Einwirkung von Basen mit Leichtigkeit das in Stellung 8 befindliche Halogen verlieren und aus diesem Grunde für die Darstellung von Xanthinbasen nicht ge- eignet sind, ist im Triehlorpurin glücklicherweise gerade dies Halogen, soweit die Einwirkung von Basen in Be- tracht kommt, besonders fest gebunden. Die beiden anderen Chloratome können beliebig durch Sauerstoff oder Amid ersetzt werden, und durch nachträgliche Re- duetion lässt sich auch das in Stellung 8 befindliche Halogen mit Wasserstoff vertauschen. Auf diese Weise können zahlreiche der Xanthingruppe angehörige Körper gewonnen werden. Verwandlung des Trichlorpurins in Hypoxanthin. 6-Oxy-2 - S-diehlorpurin*) oder Dichlorbypoxanthin: H-N 00 | Cl-C C-NH | —C.Cl N-CN 10 gr Triehlorpurin werden in 140 eem. Normal-Kali- lauge (3 Mol.) gelöst und 3 Stunden auf 100° unter Be- schränkung des Luftzutritts erwärmt; übersättigt man die Reactionsflüssigkeit mit Salzsäure, so krystallisirt das neue Product in röthlich-gelb gefärbten Nadeln, die meist zu sternförmigen Aggregaten vereinigt sind. Zur Reinigung wurde die Base zunächst in das Kaliumsalz verwandelt und aus diesem durch Lösen in Wasser und Fällen mit Salzsäure zurückgewonnen; man erhält das Dichlor- hypoxanthin schliesslich in schönen, völlig farblosen Nadeln. Das Kaliumsalz krystallisirt in feinen, das Bariumsalz in meist büschelförmigen Nadeln, das Silbersalz ist farblos und amorph. Hypoxanthin. Zur Darstellung dieser Verbindung wird das rohe Dichlorhypoxanthin mit der zehnfachen Menge Jodwasser- *) Nach Emil Fischer sind die 9 Glieder des Purikerns wie folgt zu numeriren: Eh 2C 50—N7 Bel 68 3N—C—N9 4 Siehe auch diese Zeitschrift vom 21. November 1897. wohl unter den obwaltenden Umständen kaum yiel Zeit bleiben; ebenso zum Messen von Doppelsternen. Ueberhaupt werden meine diesjährigen Arbeiten haupt- sächlich davon abhängen, ob in der finanziellen Lage der Sternwarte eine Aenderung eintritt, oder ob. ich, nach wie vor, verurtheilt sein werde, meine Zeit mit wissenschaftlich unfruchtbarer Sehriftstellerei zu ver- geuden. stoffsäure (s—1:%96) übergossen und unter Zusatz von Jodphosphonium bei gewöhnlicher Temperatur geschüttelt. Nach eirca 1 Stunde ist die Reduction beendet; man er- wärmt jetzt bei Gegenwart von Jodphosphonium, bis eine klare Flüssigkeit resultirt, dampft zur Troekne ein, löst den Rückstand in warmem Wasser und übersättigt mit Ammoniak. Hierbei fällt der grösste Theil der Base aus, man verdampft den Ueberschuss des Ammoniaks, filtrirt nach dem Erkalten und krystallisirt den Rückstand aus heissem Wasser um. Nach Emil Fischer löst sich das synthetische Hy- poxanthin in 69.5 Theilen siedendem Wasser, in 1370 Theilen von 23° und in 1415 Theilen von 19°; mit Silber- nitrat giebt es in ammoniakalischer Lösung ebenso wie die natürliche Verbindung einen amorphen Niederschlag. Nach den Angaben von Kossel zeigt das Hypoxanthin ähnlich wie Adenin nach der Reduction mit Zink und Salzsäure auf Zusatz von Natronlauge Rothfärbung. Fischer beobachtete, dass die Purpurfärbung beim künst- lichen Adenin bereits im Anfang der Reduction sehr sehön, viel schwächer indessen beim synthetischen Hy- poxanthin auftritt; selbst nach dem Uebersättigen mit Alkali war die Färbung lange nicht so intensiv wie beim Adenin. Die sichere Identifieirung des künstlichen und natür- liehen Hypoxanthins geschah mittels des leichter erkenn- baren Dimethylhypoxanthin. Dimethyldichlorhypoxantbin. 2 gr gereinigtes Diehlorhypoxanthin wurden mit 19.5 cem Normal-Kalilauge und 3 gr Jodmethyl zwei Stunden bei 80° im Einschlussrohr unter beständig schüttelnder Bewegung erhitzt. Schon während der Operation schied sich das Product in Nadeln ab; man übersättigte nach dem Erkalten mit Natronlauge, filtrirte und krystallisirte den Niederschlag aus Alkohol um. Das Dimethyldichlorhypoxanthin krystallisirt in: Nadeln, die keinen constanten Schmelzpunkt besitzen, und besteht wahrscheinlich aus einem Gemisch von zwei Isomeren. Reduction des Dimethyldiehlorhypoxanthins. Beim Schütteln der fein gepulverten Chlorverbindung mit der zehnfachen Menge rauchender Jodwasserstofisäure und überschüssigem Jodphosphonium und Verdampfen der Lösung resultirt das Jodhydrat des Dimethylhypoxanthins, das durch Behandeln mit Natronlauge in die bereits von Krüger charakterisirte Jodnatriumverbindung des Dimethyl- hypoxanthins übergeführt wurde. Für die in Freiheit ge- setzte, reine Base ergab sich der Schmelzpunkt 244— 246°. Die vollkommen übereinstimmenden Eigenschaften der beiden letzten Producte mit analogen Präparaten, die aus Adenin und aus Fleischextraet dargestellt waren, erwiesen die Identität mit der von Fischer synthetisch gewonnenen Verbindung. Synthese des Xanthins. Durch Vermittelung von Natriumäthylat lassen sich aus dem Trichlorpurin in’ alkoholischer Lösung leicht 160 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 14. zwei Halogene ablösen. Bei gewöhnlicher Temperatur entsteht Monoäthoxydiehlorpurin, das durch Jodwasserstoff in Hypoxanthin verwandelt wird; durch Erhitzen mit überschüssigem Natriumäthylat auf 100° geht diese Ver- bindung in 2. 6-Diaethoxy-8-chlorpurin über. Entweder durch direete Reduction mit Jodwasserstoff, wobei gleichzeitig das Chlor und die beiden Aethylgruppen entfernt werden, oder durch Erhitzen mit starker Salz- säure, wobei zunächst Chlorxanthin entsteht, das dann dureh Jodwasserstoffsäure der Reduction unterworfen wird, resultirt Xanthin. Die scharfe. Identifieirung des künstlichen Xanthins mit der natürlichen Base geschah durch die Umwandlung in das leichter erkennbare Caffein, Fischer bediente sich zu diesem Zweck des Chlorxanthins, weil bei ihm die Methylirung glatter verläuft als bei dem Xanthin selbst. 6-Aethoxy-2 - 8-dichlorpurin, ar Bold, | Cl-C C.NH u), „ea net Fügt man zu einer auf Zimmertemperatur abgekühlten alkoholischen Natriumlösung eine erkaltete alkoholische Lösung von Trichlorpurin, so erhält man zunächst eine klare, gelbliche Flüssigkeit, die sich bald durch Ab- scheidung von Chlornatrium trübt. Versetzt man nach drei Stunden mit dem gleichen Volumen Wasser, übersättigt mit Essigsäure und dampft den Alkohol im Vacuum ab, so scheidet sich das Aeth- oxydichlorpurin in langen, biegsamen Nadeln ab. Durch Behandeln mit Jodwasserstoffsäure geht die Verbindung in Hypoxanthin über. 2 - 6-Diaethoxy-8-chlorpurin, N-—-C- 06,H, I) GH;0-.C G-NH et: N—C-N Man erhitzt Trichlorpurin 3 Stunden. im geschlossenen Gefäss auf 100° mit einer concentrirten Lösung von Natrium in Alkohol, verdampft den Alkohol auf dem Wasserbade, verdünnt mit Wasser und übersättigt mit Essigsäure; hierbei scheidet sich die Verbindung krystal- linisch ab. Zur Reinigung wird das Produet aus 16 Theilen siedendem Aceton umkrystallisirt; man erhält auf diese Weise feine, farblose, verfilzte Nadeln, die keinen scharfen Schmelzpunkt besitzen. Ueberführung des 2 - 6-Diaethoxy-8-chlorpurin in Xanthin. Löst man die Diaethoxyverbindung in der zehnfachen Gewichtsmenge Jodwasserstoffsäure (s—1-%), so be- ginnt alsbald die Reduction; fügt man einen Ueberschuss von Jodphosphonium hinzu und schüttelt häufig um, so ist bei kleineren Mengen die Reaction nach °/, Stunden be- endet, verdampft man die Flüssigkeit auf dem Wasser- bade, so hinterbleibt ein dieker Krystallbrei von jod- wassersaurem Xanthin, das zur Isolirung der freien ‘Base mit Ammoniak zerlegt wird. Das synthetische Xanthin zeigt alle Reactionen der natürlichen Verbindung; so giebt es in ammoniakalischer Lösung mit Silbernitrat einen farblosen Niederschlag, der sich beim kurzen Kochen nicht färbt und zeigt, mit Chlor- wasser behandelt, sehr schön die Murexidreaction. Chlorxanthin HN-—--CO IE CO C.NH | |. CU HN—C.N Erwärmt man gepulvertes 2 - 6 Diaethoxy-8-ehlorpurin mit der fünffachen Menge Salzsäure (s— 1-19) auf dem Wasserbade, so tritt zunächst Lösung und naeh kurzer Zeit Abscheidung des äusserst schwer löslichen Chlor- xanthins ein; nach eirca einer halben Stunde ist die Zer- setzung beendet. Man lässt erkalten, verdünnt mit Wasser und filtrirt den entstandenen Niederschlag ab. | Die Reinigung geschieht über das Ammoniaksalz, das entweder in kugeligen Aggregaten oder in kleinen, schön ausgebildeten Tafeln erystallisirt; löst man die Ammoniak- verbindung in heissem Wasser und versetzt mit Säure, so fällt Chlorxanthin als farbloses, undeutlich krystallinisches Pulver, das schwer in heissem Wasser, Alkohol und Eis- essig löslich ist und beim Erhitzen, ohne zu schmelzen, verkohlt. Concentrirte Jodwasserstoffsäure und Jodphos- phonium führen das Chlorxanthin in der Wärme in Xan- thin über. ' Verwandlung des Chlorxanthins in Chloreaffein. Erhitzt man Chlorxanthin in alkalischer Lösung mit Jodmethyl 2 Stunden im Einschlussrohr bei 80° unter beständigem Schütteln, so scheidet sich das Chloreaffein schon während der Operation in Nadeln ab. Das Produet besass nach dem Umkrystallisiren aus heissem Wasser den richtigen Schmelzpunkt des Chloreaffeins; zur völligen Identifieirung wurde es noch in Aethoxy- und Hydroxy- caffein und durch Reduction in Caffein übergeführt. Synthese des Adenins. Lässt man stark wässriges Alkali auf Tiiehlor- purin einwirken, so wird das in Stellung 6 befindliche Halogen durch Amid ersetzt, und es entsteht 6-Amino- 2 - 3-diehlorpurin, ann [#4 Cl-C C-NH u Durch Reduction mit Jodwasserstoff resultirt daraus das mit dem natürlichen Adenin identische 6-Aminopurin. Beim Erwärmen mit rauchender Salzsäure auf 120° erhält man das 6-Amino-2 - 8-dioxypurin, —C.: NH; | CO C-NH I" elle HN— © - NH Blosses Kochen mit Salzsäure oder Erhitzen mit Natrium- aethylat bedingt den Verlust nur eines Chloratoms des 6-Ammodichlorpurins, es entsteht dabei in letzterem Falle das 6-Amino-2-aethoxy-S-chlorpurin, das durch Jodwasser- stoff in 8-Amino-2-oxypurin, N—-C . NH, Ik | ca C-NH I | CH HN--C.N eine mit dem Guanin isomere Base, verwandelt wird. XI. Nr. 14 6-Amino-2 » 8-diehlorpurin (Diehloradenin). Erhitzt man getrocknetes Triehlorpurin mit der zehn- fachen Gewichtsmenge wässrigen, bei Zimmertemperatur gesättigten Ammoniaks 6 Stunden im geschlossenen Gefäss auf 100°, dampft dann die ammoniakalische Lösung zur Troekne, und behandelt den: Rückstand mit warmem Wasser, so hinterbleibt krystallinisches Aminodichlorpurin; es krystallisirt aus Alkohol in kleinen, meist sternförmig vereinigten Nadeln, die keinen Schmelzpunkt besitzen. Die Base besitzt nur schwache Basieität, von verdünnten Mineralsäuren wird sie deshalb nur schwierig aufge- nommen, leicht dagegen löst sie sich beim kurzen Kochen in heisser, l5procentiger Salzsäure und 25procentiger Schwefel- resp. Salpetersäure. Beim Erkalten scheiden sich die betreffenden Salze ab, von denen das Nitrat, das aus feinen Nadeln gebildete Sterne oder Büschel zeigt, am schönsten ist. Von den Alkaliverbindungen krystallisirt das Kalium- salz in feinen, biegsamen, das Natriumsalz in stärkeren, farblosen Nadeln. — Verwandlung des 6-Amino-2 - S-diehlorpurin in Adenin. Man trägt gepulvertes Aminodichlorpurin in die zehn- fache Gewichtsmenge Jodwasserstoff (s — 1 - 96) ein, fügt Jodphosphonium im Ueberschuss zu und schüttelt das Ge- | misch 2 Stunden lang bei Zimmertemperatur; dann ist die Reaction grösstentheils beendet, und das jodwasser- stoffsaure Adenin als wenig gefärbte Krystallmasse aus- geschieden. Erhitzt man zum Kochen, so entsteht eine klare Lösung, aus der beim Erkalten grosse, farblose Prismen auskrystallisiren, die wahrscheinlich eine Ver bindung von 1 Mol. Adenin mit 2 Mol. Jodwasserstoff sind. Versetzt man eine concentrirte, wässrige Lösung des Salzes in der Wärme mit Ammoniak, so scheidet sich die freie Base als farblose, erystallinische Masse ab. Das synthetische Adenin löst sich in 156 Theilen Wasser von 18°, was sich mit der Kossel’schen Angabe deckt, sowohl das synthetische wie das natürliche Adenin krystallisiren aus concentrirter, wässriger Lösung in wasser- freien, vierseitigen Pyramiden. Löst man die Sulfate in Salzsäure und erwärmt auf dem Wasserbade mit über- schüssigem Zink, so tritt bald Purpurfärbung auf, die später wieder verschwindet. Verdünnt man die farblose Lösung mit Wasser und übersättigt mit Natronlauge, so tritt die von Kossel als charakteristisch angeführte Roth- färbung auf. Verhalten des Aminodichlorpurins gegen Säuren und Alkalien. Erhitzt man Aminodichlorpurin mit rauchender Salz- säure auf 125°, so verliert es alles Halogen und giebt nach der Gleichung: N—C. NH, N-=C: NH, CC C NE +23,0=00 C:NH -+2Hc1 | ca | CO N—C N N C-NH 6-Amino-2 » 8-dioxypurin. Bei gemässigter Einwirkung von Salzsäure wird da- gegen nur 1 Chloratom gegen Sauerstoff ausgetauscht, das Product wurde nicht in reinem Zustand isolirt, da es aber bei der Einwirkung von Jodwasserstoffsäure das unten beschriebene 6-Amino-2-oxypurin gab, so bestand es zweifellos der Hauptmenge nach aus 6-Amino-2-oxy- 8-chlorpurin. Wässriges Alkali greift viel schwieriger an und führte zu einer Substanz, die der zuvor erwähnten un- gemein glich und bei der Reduction allem Anschein nach dasselbe Aminooxypurin lieferte. Die Wechselwirkung Naturwissenschaftliche Wochenschrift. I 161 zwischen Aminodichlorpurin und Natriumaethylat bietet eine weit bequemere Handhabe zur Loslösung des einen Chloratoms, sie giebt nach der Gleichung N—C . NH, | cl-C CH NH | C-Cl+Na0G,H, = N—C-N N—C : NH, I ©] GH,0-C :C—NH | C-Cl 1 Nadl NN 6-Amino-2 aethoxy-S-chlorpurin, das durch Jodwasserstoff ebenfalls in 6-Amino-2-oxypurin übergeführt wird. 6-Amino-2 - S-dioxypurin, HN——C : NH, EIN GESNEI | | CO C.NH oder CO C.NH | | CO | | »=(i0) N——C » NH HN-—- CC. NH Entsteht sowohl aus 6-Amino-2 - S-diehlorpurin als auch aus 6-Amino-S-oxy-2-chlorpurin durch Erhitzen mit starker Salzsäure auf 120—125°. Zur praktischen Dar- stellung des Aminodioxypurins ist indessen das leichter zugängliche Aminooxychlorpurin vorzuziehen. Man erhitzt 6-Amino-8-oxy-2-chlorpurin mit der elf- fachen Menge Salzsäure (s—1-19) im Einschlussrohr im Oelbad 3 Stunden auf 120° und dampft die Reactions- flüssigkeit auf dem Wasserbade auf '/, Volumen ein, hierbei scheidet sich das Hydrochlorat des Aminodioxy- purins in derben Prismen ab; man lässt erkalten und filtrirt die Krystalle ab. Die freie Base wird durch Zerlegen des salzsauren Salzes mit Ammoniak als farbloses, krystallinisches Pulver erhalten, das oberhalb 360°, ohne zu schmelzen, verkohlt. Von dem früber beschriebenen isomeren 2-Amino- 6 - 5-dioxypurin *) unterscheidet sich die Verbindung einer- seits durch die viel grössere Löslichkeit in warmem Ammoniak, andererseits dadurch, dass sie beim Behandeln mit Chlor und Wasser sehr schnell zersetzt wird, aber dabei keine nachweisbare Menge von Guanidin liefert. 6-Amino-2 aethoxy-S-chlorpurin N C.NH, | GH,0:C C-NH | >C Cl N—-C.N Die Verbindung entsteht beim dreistündigen Erhitzen einer alkoholischen Lösung von 6 Amino-2 - S-dichlorpurin mit Natrium im Einschlussrohr auf 130°; nach dem Ver- dampfen des Alkohols und Ansäuren mit Essigsäure, fällt das Reaetionsproduct als flockige, gelbliche Masse aus, die aus heissem Alkohol in kleinen, farblosen Nadeln krystallisirt. — 6-Amino-2-oxypurin, NINE, | | 0OC C.NH | ICH NH-C-N Uebergiesst man die vorhergehende Verbindung mit *) Diese Zeitschrift vom 13. Juni 1897. 162 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XII. Nr. 14. =———— 0er N ee ee ee der zehnfachen Menge Jodwasserstoffsäure (s= 1: 96), fügt unter anhaltendem Schütteln einen Ueberschuss von Jodphosphonium hinzu und erwärmt nach erfolgter Lösung zum Sieden, dampft dann auf dem Wasserbade zur Troekne ein und nimmt den Rückstand mit wenig heissem Wasser auf, so krystallisirt beim Erkalten das Jodhydrat des Aminooxypurins in schönen, farblosen Prismen. Durch Zerlegen des jodwasserstoffsauren Salzes mit Ammoniak erhält man die freie Base; von dem isomeren 6-Amino- 8-oxypurin unterscheidet sie sich durch die erheblich ge- ringere Löslichkeit in Wasser, die gleichfalls geringere Löslichkeit ihrer Salze, sowie die grössere Beständigkeit ihrer Silberverbindung. Zur Unterscheidung von dem äusserst ähnlichen Guanin kann einerseits das Sulfat, das nur 1 Mol. Krystall- wasser enthält und dies auch bei 120° noch nicht verliert, andererseits die Zersetzung durch Chlorwasser dienen, denn das 6-Amino-2-oxypurin liefert hierbei keine nach- weisbare Menge von Guanidin. Das 6-Amino-2-oxypurin, das als Oxydationsproduet des Adenins aufzufassen ist, dürfte im thierischen Orga- nismus anzutreffen und bereits daraus isolirt worden sein, wegen der Aehnlichkeit mit Guanin ist es indessen in solchem Falle als letztere Verbindung angesehen worden; es ist daher zukünftig bei physiologischen Arbeiten ge- boten, das Guanin durch die Analyse des Sulfates zu identihieiren. Structur des Adenins. Zunächst kommt das Verhältniss des Adenins zu dem 6-Aminodioxypurin in Betracht; die Aminogruppe befindet sich in beiden an demselben Platze, denn sie sind durch das Dichloradenin miteinander verknüpft. Das erwähnte Aminodioxypurin entsteht nun auch aus dem 8-Oxy-2 - 6- dichlorpurin, mithin ist die Stellung 8 für die Amino- gruppe ausgeschlossen; das vorliegende Aminodioxypurin ist fernerhin total verschieden von der isomeren Ver- bindung, die zweifellos die Aminogruppe in Stellung 2 enthält, schliesslich liefert das 6-Aminodioxypurin bei der Oxydation mit Chlor kein Guanidin. Aus der Synthese des Guaninus, das entsteht, wenn man Dichlorhypoxanthin zunächst durch Ammoniak in Aminooxychlorpurin verwandelt und dann reducirt, folgt, da im Hypoxanthin beziehungsweise Diehlorhypoxanthin der Sauerstoff dieselbe Stellung hat wie das Amid im Adenin, dass Adenin und Guanin das Amid in ver- schiedener Stellung enthalten müssen. Für das Adenin liessen sich daher folgende tautomere Strueturformeln aufstellen: HN—-C: NH N——-C . NH, age] I a HC C.NH HC C.N l || CH Is I N—C:N N-—-C.NH (Iminoformel) (Aminoformel) von denen die letztere, die grössere Berechtigung in An- spruch nimmt, von Fischer im weiteren Verlauf der Arbeit aus Bequemlichkeitsgründen ausschliesslich benutzt wird. Methylirung des Diechloradenins. Erwärmt man Dichloradenin mit 1 Mol. Jodmethyl bei Gegenwart von Alkali unter beständiger Bewegung 2 Stunden auf 70° so scheidet sich das Methylderivat bereits in der Wärme in feinen Nadeln ab. Nach dem Erkalten versetzt man mit Natronlauge bis zur alkalischen Reaction und krystallisirt das Reactionsproduet aus heissem Alkohol um. Da die auf anderem Wege in reinem Zustand ge- wonnenen Methyldichloradenine etwas andere Eigen- schaften besitzen, und da des Ferneren bei der Reduction der Verbindung mit Jodwasserstoff verschiedene Sub- stanzen entstehen, hält Fischer es für zweifellos, dass das Methylproduet ein Gemisch von zwei Isomeren ist, ob- gleich ihm die Trennung in die beiden Componenten durch Krystallisation nicht gelungen ist. Aus der Unlöslichkeit der Verbindung in Alkali folgert Fischer, dass keine Imidgruppe mehr vorhanden ist. 9-Methyladenin. Entsteht beim anhaltenden Schütteln der vorher- gehenden Verbindung mit Jodwasserstoffsäure und Zusatz von Jodphosphonium; beim Verdampfen der Lösung auf dem Wasserbade resultirt das Jodhydrat, das zur Ge- winnung der freien Base in wenig heissem Wasser gelöst und mit Amoniak zersetzt wird. Das Methyladenin krystallisirt in schönen, schief abgeschnittenen Prismen; bei der Spaltung durch Säuren liefert es Methylamin und Glyeoecoll, woraus sich die folgende Structurformel ergiebt: N PZINE | 1810 (0 of | CH N-—C:N:CH, Synthese des Guanins. Die Ausführung der Synthese gelingt zweckmässig wie folgt: Man schüttelt fein gepulvertes 6-Oxy-2 - 8- diehlorpurin mit 10 Theilen einer bei 0° gesättigten alko- holischen Ammoniaklösung im geschlossenen Gefäss sorg- fältig um und erhitzt 5 Stunden auf 150°. Man dampft dann auf dem Wasserbade zur Trockne ein und führt das erhaltene, keineswegs einheitliche Reactionsproduet direet in Guanin über. Zu diesem Zweck wird es mit Jodwasserstoffsäure und Jodphosphonium zunächst auf dem Wasserbade, dann über freiem Feuer erhitzt, bis, abgesehen von einigen schmutzigen Flocken, Lösung der festen Substanz einge- treten ist. Beim Erkalten krystallisirt das Jodhydrat des Guanins, das zur Gewinnung der freien Base mit Ammoniak zerlegt wird. Charakteristisch für die Base ist das Sulfat, das zum Unterschiede von den beiden bekannten Isomeren 2’ Mol. Kıystallwasser enthält. Die weitere Ueberführung der Base in Xanthin und Guanidin erwiesen die Identität des künstlichen Guanins mit der natürlichen Verbindung. Dr. A. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Director der Bergakademie in Freiberg Prof. Dr. Winkler zum Geh. Reg.-Rath; der ausserordentliche Professor in der medizinischen Fakultät zu Breslau Dr. Born zum ordentlichen Professor; der Privat-Docent der Botanik an der technischen Hochschule in Karlsruhe Dr. J. Behrens zum ausserordentlichen Professor; der ordentliche Professor der an- gewandten Chemie in München Dr. A. Hilger zum Mitglied des Gesundheitsraths der Stadt München; der ordentliche Professor für Zoologie und Botanik am Lyceum zu Regensburg Singer zum geistlichen Rath; die ordentlichen Professoren der Chemie an der deutschen technischen Hochschule in Prag W. Gintl, der Pharmakologie, medizinischen Chemie bezw. gerichtlichen Medizin an der böhmischen Universität Prag B. v. Jirus, J. Hor- baezewski und J. Reinsberg, der inneren Medizin, medi- zinischen Chemie, Anatomie bezw. Dermatologie in Wien L. Oser, J. Mauthner, R. Paltauf und F. Mrazek zu Mitgliedern des österreichischen Landes-Sanitätsrathes; der Professor der che- mischen Technologie an der Wiener technischen Hochschule H. Ritter von Perger zum ordentlichen Mitglied des Ver- sicherungsbeirathes im Ministerium des Innern. Berufen wurden: Der ausserordentliche Professor der patho- logischen Anatomie in Breslau Dr. Eduard Kaufmann als ordentlicher Professor nach Basel; der Docent der Maschinen- XII. Nr. 14. kunde und technischen Physik an der technischen Hochschule in Hannover Dr. E, Meyer als ausserordentlicher Profossor nach Göttingen; der Assistent an der technischen Hochschule in Karls- ruhe E. Böse als Staatsgeologe nach Mexico. Es habilitirten sich: In Berlin Dr. W. Meyerhoffer für Physik und Dr. OÖ. Emmerling für Chemie; an der technischen Hochschule in Dresden Dr. A. Schlossmann für physiologische Chemie; an der technischen Hochschule in München Assistent Dr. Fischer für Physik; an der thierärztliehen Hochschule in Lemberg Dr. W. Kulezycki für Zoologie, Dr. K. Miezynski für Landwirthschaft, Dr. A. Zalewski, Privat-Docent an der Universität, für Botanik; in Zürich J. Bernheim für Kinder- krankheiten. In den Ruhestand traten: Der Professor für Chemie, Mine- ralogie und Geologie am Lyceum zu Regensburg Wittwer unter Ernennung zum Hofrath; der ordentliche Professor für patho- logische Anatomie in Basel M. Roth. Es starben: Der ausserordentliche Professor der Hygiene in Neuchätel Nikolas; der englische Kliniker Sir Richard Quain; der Chefingenieur und Leiter der grössten Hennegau’schen Zechen in Mariemont und Baseoup Alphonse Briart in Mariemont; der bekannte Industrielle Sir Henry Bessemer in London. Programm für den Ostern 1898 in Berlin abzuhaltenden natur- wissenschaftlichen Feriencursus für Lehrer höherer Schulen. Der Cursus findet statt in der Zeit von Mittwoch, den 13. April, bis Sonnabend, den 23. April. Eröffnung: Mittwoch, den 13. April, ll Uhr, in der Aula des Dorotheenstädtischen Realgymnasiums durch Director Prof. Dr. Sch walbe. d I. Vorlesungen. l. Direetor Prof. Dr. Müllenhoff: „Die neueren Unter- suchungen über den Vogelflug mit Demonstrationen“, 1 Stunde. — 2. Prof. Dr. Pufahl (Geologische Landesanstalt und Berg- akademie): „Das Eisen und seine Gewinnung mit besonderer Be- rücksiehtigung der neueren Fortschritte und Methoden“, 4 Stunden. 3. Dr. Täuber (Teehnologisches Institut): „Ueber Theer- farbstoffe“, 4 Stunden. — 4. Prof. Dr. König (Physikalisches In- stitut): „Neuere Forschungen auf dem Gebiet der physiologischen Optik“, 3 Stunden. — 5. Geheimer Regierungsrath Prof. Dr. Frhr. Ferd.v. Riehthofen (Geographisches Institut): „Ueber Ostasien“, 3 Stunden. — 6. Prof. Dr. Looser (Dorotheenstädtisches Real- gymnasium): „Thermoskopische Versuche“, 2 Stunden. — 7. Ge- heimer Regierungsrath-Prof. Dr. Foerster (Urania): „Ueber Zeit- messung, geographische Ortsbestimmung“, 2 Stunden. „Ueber neue Forschungen auf dem Gebiet der Astronomie“, 1 Stunde. — 8. Prof. Dr. Plate (Zoologisches Institut): „Neuere Forschungen über Befruchtung, Vererbung und Entwickelungsmechanik“, 4 Stunden. — 9, Prof. Jäckel (Palaeontolögisches Institut): „Ueber den gegen- wärtigen Stand der Descendenzlehre, verbunden mit palaeontolo- gischen Demonstrationen“, 4 Stunden. — 10. Prof. Dr. Warburg, Dr. Kaufmann und Dr. Behn (Physikalisches Institut): a) „Neue Vorlesungsversuche*, b) „Ueber die Emissionstheorie der Kathoden- strahlen mit Demonstrationen“, ce) „Ueber tropfbar-flüssige Luft mit Demonstrationen“, 4 Stunden. — 11. Prof. Dr. Saare (Institut für nern: „Chemische Technologie der Gährungs ewerbe und Stärkefabrikation“, 3 Stunden. — 12. Professor Dr. indner: „Bacteriologie der Gährungsgewerbe“, 3 Stunden. — 13. Prof. Dr. Böttger (Dorotheenstädtisches Realgymnasium): „Ueber die Verarbeitung der Stassfurter Kalisalze“, 1 Stunde. II. Besichtigungen und Excursionen. 1. Besichtigung der veranstalteten Ausstellung natur- historischer und geographischer Lehrmittel unter Führung des Herrn Directors Dr. Vogel; 2. Besichtigung der metallurgischen Sammlungen; Besichtigung des palaeontologischen Instituts unter Führung des Herrn Prof. Dr. Jäckel. Excursion nach Stassfurt unter Führung des Herrn Prof. Dr. Wahnschaffe. — Im Anschluss daran: Schluss des Cursus: Sonnabend, den 23. April, in Magdeburg durch Herrn Director Dr. Vogel. Litteratur. Prof. Dr. Emil Peters, Der griechische Physiologus und seine orientalischen Uebersetzungen. Berlin, Verlag von S. Calvary & Co. 1898. Zur Einführung in das interessante Heft bringen wir im Folgen- den die einführenden Worte des Verfassers. Ersagt: Physiologus ist der Titel einer kleinen Schrift der griechisch-alexandrinischen Litteratur aus dem ersten Viertel des zweiten christlichen Jahr- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 163 hunderts. Sie ist in ihrem ursprünglichen Bestande, welcher noch der vorchristliehen Zeit angehört, die älteste populäre Natur- geschichte der Griechen, von der wir wissen, freilich kein Werk von der Art derjenigen, welche auf den Resultaten exacter wissen- schaftlicher Forschung beruhen, sondern ein Buch von merk- würdigen Eigenschaften wirklicher und fabelhafter Thiere, auch einiger Bäume und Steine. Aber dieses Buch oder einzelne Stücke desselben, welche geeignet erschienen, besonders von Thieren, welche auch in der Septuaginta vorkamen, legten alexandrinische Theologen ihren Moralisationen zu Grunde, indem sie von der Eigenart der Aegypter, unter welehen sie wohnten, ausgingen, die Thiere mit ihren sich immer gleichbleibenden Trieben und Instineten den Menschen als Vorbilder und Beispiele hinzustellen, welchen sie nachahmen sollten. Auch dieses aus Naturgeschiehte und christlicher Erläuterung zusammengesetzte Buch erhielt den Titel Physiologus, und in dieser Form ist es auf uns gekommen. Heute kaum von einer Litteraturgeschichte oder einer Eneyelopädie erwähnt, und ausser von wenigen Gelehrten von Niemand weiter gekannt, obgleich auch unsere Zeit noch unter seinem Einflusse steht, war dieses Buch doch einst im ehristliehen Morgen- und Abendlande weit verbreitet. Es wurde aus dem Griechischen übersetzt ins Aethiopische, Armenische, wiederholt ins Syrische, und zuletzt ins Arabische. Es ging dann über in die lateinische Litteratur und aus dieser in die Sprachen fast aller germanischen und romanischen Völker. Wir kennen einen althoehdeutschen, angelsächsischen, altenglischen, isländischen, provencalischen und altfranzösischen Physiologus. Während des ganzen Mittelalters stand er in hoher Blüthe, und erst im Zeit- alter der Reformation begann er allmählich aus der Litteratur und aus der Erinnerung der Menschen zu verschwinden. Wenn wir jetzt in einen mittelalterlichen Dom oder in eine moderne Kirche treten, so haftet wohl unser Blick mit Verwunderung und Erstaunen auf den mannigfachen symbolischen Thiergestalten, die uns allerorten begegnen und die wir entweder gar nicht oder nur ungenügend zu deuten vermögen. Da sehen wir auf den ge- malten Glasfenstern, auf Altar- und Wandgemälden und als Seulpturen an den Portalen oder an den Kapitälen der Säulen, als Schnitzwerk an Altären und Chorstühlen: Löwe, Einhorn, Panther, Hirsch, Adler, Pelikan, Phönix, Schlange und viele an- dere Thiere, aber wir vermögen nieht mehr ihre Symbolik uns zu erklären. Den Schlüssel und die Erläuterung aller dieser symbolischen Thierfiguren gewährt uns nun der Physiologus. Die Arbeit verfolgt also den Zweck, durch ihre populäre Form einem grösseren Leserkreise, als es bisher geschah, die Kenntniss dieses merkwürdigen und kulturell hochwichtigen Büchleins zu vermitteln. Sie wird sich nur mit dem griechischen Physiologus und seinen orientalischen Uebersetzungen beschäftigen, denn Verf. glaubt, aus dem nunmehr vorliegenden Material den ganzen ur- sprünglichen Physiologus wiederherstellen zu können. Bortkewitsch, Priv.-Doc. Dr. L. v., Das Gesetz der kleinen Zahlen. Leipzig. — 2 M. Brandes, Apoth. W., Flora der Provinz Hannover. — 4M. Czuber, Prof. Eman., Vorlesungen über Differential- u. Integral- Rechnung. Leipzig. — 12 M. Dreyer, Frädr., Peneroplis. Leipzig. — 10 M. France, Raoul H., Der Organismus der Craspedomonaden. dapest. — 6 M. Landolt, Prof. Dr. H., Das optische Drehungsvermögen organischer Hannover. Bu- Substanzen und dessen praktische Anwendungen. 2. Auflage. Braunschweig. — 19 M. Mohn, Prof. Dir. H., Grundzüge der Meteorologie. Berlin. — 6 M. Potonie, H., Die Metamorphose der Pflanzen im Lichte palaeon- tologischer Thatsachen. Berlin. — 1 M. Schell, Geh. Hofr. Prof. Dr. Wilh., Allgemeine Theorie der Curven doppelter Krümmung in rein geometrischer Darstellung. Leipzig. — 5 M. Schmeisser, Ob.,-Bergr. Goldfelder Berlin. — 12 M. Karl, Die Australasiens. Briefkasten. Chiffre L. — Zu der Antwort auf S. 139 das Folgende: Ich weiss aus wreisen der Restaurateure, dass Wolgahühner einfach die aus Russland in den letzten Jahren nach Deutschland in Massen eingeführten, geschlachteten Haushühner sind, die mit dem Steppenhuhn absolut nichts zu thun haben. Ich habe wieder- holt solche sogenannten Wolgahühner gekauft und mich davon überzeugt, dass es unser gewöhnliches Haushuhn ist. J. Schrodt. Inhalt: Leo Brenner: Thätigkeit der Manora-Sternwarte im Jahre 1897. — Synthese des Hypoxanthins, Xanthins, Adenins und Guanins. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Prof. Dr. Emil Peters, Der griechisch Physiologus und seine orientalischen Uebersetzungen. — Liste. — Briefkasten. 164 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XINEONT te Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! 30%0009000000000000000000000000000000000008 Grosse Vortheile! Neues Princip für Massenhetheiligung : Dr. Robert Muencke 24 rn en Se 7 AZ A "never ® s ® an industriellen Unternehmungen. == Neuheiten - Vertrieb. — Luisenstr. 55. BERLIN NW. Duisenstr. 58. Neu aufgenommen: 29 o a ne a > Technisches Institut für Anfertigung wissensehaftlicher Apparate & EAN on zur rahaR EN Gier und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. ® unterstützt) und HOYOdLPH HOCH HH HH HH PH HH HH IH 9 Errichtung einer Versuchs- : r ® station für Flugzwecke. Bekanntmachung. fr 545 n $ ; { u Internationaler Verein zur rationellen B r IN. 5.0.26, Yerwerthung von Erfindungs-Patenten. Um den nicht chemisch vor- Eingetragene Genossenschaft mit be- ild Ray 51 “ . a en gebildeten Farbenhändlern die Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Befolgung der Bestimmungen der Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, participirt am Reingewinn und | Ministerialverordnung über den erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabrieirten Artikel. | Handel mit Giften v. 24. Aug. 1895 r r = zu erleichtern, habe ich durch den Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. | Drogerienrevisor Dr. Lebbin eine } E BELEG NETTE - möglichst vollständige Zusammen- In unserem Verlage erschien soeben: stellung der zur Zeitim Handel ge- - x bräuchliehen Bezeichnungen gif- Eine Theorie tiger und ungiftiger Farben an- fertigen lassen. Diese bei Richard Schoetz, Luisenst. 36, jetzt erschie- „Die Gravitation u. d, elektrisch. Erscheinungen Sa": "Fabyar "in Sinne der Ministerial-Verordnung auf Grundlage der Hydrodynamik, vom 24. August 1895“ wird in Zu- kunft den Revisionen zu Grunde Yon gelegt werden. Dr. Arthur Korn, Berlin, & 5 Manz ge Privatdocent an der k. Universität München. Der Polizei-Präsident. Zweite Auflage. gez.) von Windheim. 286 Seiten gross Octav. Preis 6 Mark, gebunden 7 Mark. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung e a; in Berlin SW. 12. Über Willensireiheit geographische Ortsbestinmungen EB a und i em 1 n x e ohne astronomische Instrumente. Gans & Goldschmidt, sittliche Verantwortlichkeit. Von Berlin N., Auguststr. 26. A e { Prof. Dr. P. Harzer, Elektrotechnische Anstalt und mechanische Eine socialpsychologische Untersuchung Director der Herzoglichen Sternwarte zu Gotha. Werkstätten. on Mit einer Tafel. Spezialität: Elektr. Messinstrumente, 3 © ® Ss -A k ittei n Normal-Elemente, Normal- und Praeei- Dr. Friedrieh Wilhelm Foerster. Vereinigung yon Bitunden der Asirondine uma | sionswiderstäinde, nach den Modellen der Eargs: f \ A n Gere hr I .6 Physikal. Techn. Reichsanstalt. — Normal- 54 Seiten gross Octav. Preis 1 Mark. 53 Seiten Lex. 8”. — Preis 1.20 M, Volt- und Amperemeter, Spiegelgalvano- De ae net FF — meter, Physikalische Lehrmittelapparate. Das optische Institut : Einrichtung von Laboratorien. Braftiiche Ethik für Schule und Baus. Ein Handbuch f. d. fiffliche Belehrung u. Erziehung d. Jugend. Mit Berükiichtigung u Geuralene A Paul Wächter [Verne Berlin - Friedenau D AM PF: und DYNAMO- empfiehlt als Spezia- 5, der Sinatenkunde, Der Gefellfiyaftstiel d des itä ; RR 3 des Stenfgefekes, Der & vn Hunde ne efellfiyaftsiehre und des en seine M AS CHINEN. Bon Mikroskope garantirt \betriebsfähig Anton Ohiekive 1 Se N pnotogt, De II Elektromotor,s.n..». a | Schinvauerdamm 21 Berlin NW. C j \ i If) to b 5 (08 Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. . Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Nlirbfichbeit? Max Steckelmann Aoman An Wirklipkeit? Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Bilder ans dem apulleben der Mergangenheit, Gegenwart oder Zukunft. ——_ % 9. Müller. 164 Seiten groß Dctav. Preis gehejtet 1,50 M,, gebunden 1,80 M. Von | graphische Stativ- und Hand- Dr. phil. Hermann Liek, | Photo Gameras. Gediegene Ausstattung. Lie. theol. | ME Sämmtliche Bedarfsartikel. = ' Spee.: Steckelmann’s Zusammenlegbare 200 Seiten gr. 8’ und 22 Tafeln in Autotypie. Preis 3 M,, geb. 4 M. Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R. P.) Wasserstoff Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Sauerstoff. Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). a a een a oe nn EEE Verantwortlicher Redaeteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Was die naturwissenschaftliche Forschung -ufgiebt an weltum- 7 fassenden Ideen und an locken- R den Gebilen der Phantasıe, wırd ihr reichlich ersetzt durch den | Zauber der Wirklichke t, derihre gi Schöpfungen schmückt. S SERIE no er 7 - =“ Redaktion: Dr.H. Potonie. IS Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. Sonntag, den 10. April 1898. Nr. 15. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- ] Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— 2 sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 „3 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. N} bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. 69. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braunschweig Ende September 1897. (Fortsetzung. *) Dass bei den Metazoen die Spermien mit den Eiern | Vermischung von Spermien und Eiern ein zweiter Kern zusammenkommen und in die letzteren eindringen müssen, | in den letzteren erschien, der sich dem Kerne der Eizelle um die Befruchtung zu erzielen, ist näherte und alsbald mit ihm zu schon lange bekannt; schon vor i ah hi einem einzigen, neuen Kerne ver- fast 60 Jahren stellte Martin Barry ne schmolz. Hertwig vermuthete so- dieses fundamentale Factum bei — Kopf fort und sprach es, gestützt auf Säugethieren fest. gute Gründe, aus, dass der neu Nach Feststellung der That- S erscheinende, zweite Kern der zu Endknopt. = n einem Kerngebilde umgewandelte Kopf der eingedrungenen Spermie Achsenfaden. sei, ferner erblickte er schon gleich —— Nebenfaden. damals das Wesen der Befruchtung sache, dass die Spermien in die Eizelle eindringen, lag es natürlich auf der Hand zu erforschen, was aus ihnen in der Eizelle wird; Spirale 32 Jahre sind aber nach Barry’s in der Copulation zweier Kernge- Nachweis hingegangen, ehe wieder bilde. Fast gleichzeitig und völlig unabhängig von ©. Hertwig fand denselben Vorgang E. van Beneden beim Kaninchen, und ein wenig später ergänzte insbesondere H. Fol durch wichtige weitere Beobach- tungen die Ermittelungen der bei- ji den genannten Forscher. Man I muss aber sagen, dass, alles er- —Stenermembran. wogen, O. Hertwig in einem der i wichtigsten Punkte zuerst der Wahr- Endfaden. heit am nächsten gekommen ist, darin nämlich, dass er den einen der mit einander verschmelzenden Kerne vom Kopfe der Spermie ab- ein bedeutender Fortschritt gemacht wurde, ein Fortschritt, der zu den bedeutendsten Entdeckungen unse- res Jahrhunderts gehört und die ganze Befruchtungslehre in einneues Stadium geführt bat. Bis dahin erkannte man nur, dass die in die Eizelle eingedrungenen Spermien nach einiger Zeit darin verschwin- den, und man nahm, wie es auch natürlich war, an, dass sie darin aufgelöst würden. Damit war aller- dings denn auch jeder weiteren morphologischen Forschung Thür und Thor abgeschlossen. Da fand denn 1875 O. Hertwig un leitete, und ich meine, dass deshalb 1 a s DR lan _ Schema einer Spermie mit allen bisher an einer solcher unter- toi 1 “ = ® bei der Befruchtung nn Seeigel schiedenen Theilen. — Wesentlich nach Böhm und Davidoff. 0. Hertwig in der Geschichte der Eiern, dass einige Zeit nach der neueren Befruchtunglehre an erster Stelle zu nennen sei. Wir werden *) Die Cliches zu den Abbildungen sind uns durch Vermittelung des Herrn Geheimrath Professor Waldeyer von dem Verlag F. C. W. Vogel in Leipzig freundlichst geliehen worden. Nur Fig. 1 wurde eigens für die „Naturw. Wochenschr.“ angefertigt, da sich im Original ein kleiner Fehler befindet. Wir benutzen die Gelegenheit mitzutheilen, dass Herr Geheimrath Waldeyer gütigst die Korrekturen zu dem obigen Referat seines Vortrages selbst durehsieht und hier und da kleine Verbesserungen und Zusätze bringt. Red. 166 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 15. alsbald sehen, dass der Nachweis einer zweiten funda- mentalen Thatsache E. van Beneden gebührt. Ich habe, an anderer Stelle die geschichtliche Entwicklung der Lehre von der Befruchtung gegeben und verweise hier darauf. Durch die Beobachtungen der genannten Forscher und zahlreicher anderer stellt sich nun der Vorgang der Befruchtung heraus, wie ich ihn im Nachfolgenden schildern will. Ich lege die sorgfältige Untersuchung von J. Sobotta über den Befruchtungsvorgang bei der Maus zu Grunde, einmal, weil es sich hier- bei um die am vollständigsten durch- geführte Untersuchung bei einem Säugethier handelt, was uns doch am meisten interessiren muss, und dann, weil ich einen grossen Theil der Präparate Sobotta’s aus eigner Anschauung kenne. Das erste, was zu besprechen ist, soll der Vorgang des Ein- dringens der Spermie in das zur , Befruchtung reife Ei sein. Das Ei wird zur Befruchtung reif durch die dass diese Canäle so beschaffen sind, dass sie nur den Spermien von Thieren derselben Art den Zutritt ermög- lichen. Ich will bei dieser Gelegenheit bemerken, dass | die Spermien aller Thierarten, so weit man dies bis jetzt weiss, verschieden sind nach Grösse und Gestalt, sodass man die Thierspeeies nach ihren Spermien ebenso gut elassificiren könnte, wie man das jetzt z. B. nach dem Gebisse und anderen Merkmalen thut. Das eben Erwähnte, worin eine wichtige Schutz- vorrichtung zur Erhaltung der Art bei denjenigen Thieren zu erblieken ist, die ihre Spermien und Eizellen im Wasser ablegen, wie z. B. die Fische, wo sonst die Reinerhaltung der Art sehr gefährdet wäre, bringt mich auf eine andere Schutzvorrich- tung, die noch merkwürdiger ist. Es zeigt sich nämlich bei vielen Thieren, die unter ähnlichen Bedingungen sich fortpflanzen und keine dieken Ei- hüllen haben, dass, sobald eine ein- zige Spermie in das Ei eingedrungen Ausstossung der Riehtungskörper- chen; diesen Vorgang aber und diese Gebilde will ich, um den Gang der Dar- Fig. 2. E = Ei einer phanerogamen Pflanze, Ek = Eikern, Sp = Spermie innerhalb des vorderen Endes des ein- gedrungenen Pollenschlauches, Sp., k. = Kern der ist, dasselbe sehr schnell eine feste Hülle bekommt — in wenigen Minu- ten —, welche jeder weiteren Spermie stellung nichtzu unterbrechen, erstnach Schilderung des eigentlichen Befruch- tungsvorganges in Betracht ziehen. Tafani war der erste, welcher überhaupt, und zwar bei der Maus, den Act des Eindringens einer Spermie in das Ei bei einem Säugethiere beobachtet hat. So- botta hat diesen Act ebenfalls beobachten können. (Fig. 7 u. 8.) Bei der Maus dringt der grösste Theil des Fadens nicht mit ein; er klumpt sich vielmehr zusammen, fällt ab und verschwindet; bei anderen Säugethieren da- gegen, z. B. beim Kaninchen (Rein u. A.), beim Axolotl (R. Fick), beim Triton (Michaelis), bei der Molluskenart Physa fonti- nalis (v. Kostanecki), dringt der ganze Faden mit ein. Die Mäuse- spermien besitzen eine beilförmige, also schneidend wirkende Perfora- tionsvorrichtung. Sobald der Sper- mienkopf eingedrungen ist, quillt er alsbald auf (Fig. 9) und nimmt eine rundliche Form an; (Fig. 12) er wird zum „männlichen Vor- kerne* E. van Beneden’s, zum „Spermakerne“* 0. Hertwig’s. Noch ist er kleiner, als der in- zwischen durch die kurz erwähnten Reifungsvorgänge der Eizelle aus dem ursprünglichen Kerne derselben, dem Keimbläschen, hervorge- gangene „weibliche Vorkern“ E. van Beneden’s („Eikern“ O. Hertwigs). (Fig. 11 u. 12.) Bei dem Penetrationsphänomene der Spermien ist die Eizelle nicht ganz passiv. Wie es zuerst H. Fol fest- stellte, erhebt sich vom Protoplasma der Eizelle mancher Thiere, an der Stelle, wo ihr eine Spermie sich nähert, eine kleine, kegelförmige Hervorragung, Cöne d’impreg- nation, wie Fol sie nannte, welche der Spermie sozusagen auf halbem Wege entgegenkommt, und in welchen Hügel dann auch meist die Spermie eintritt. Diejenigen Eizellen, welche, wie z. B. die Eier der Inseeten oder mancher Fische, schon vor der Befruchtung eine dieke, harte Schale entwickeln, zeigen in derselben eine oder auch mehrere kleine Canäle, Mikropylen, durch welche die Spermien eindringen können. euole. Spermie, ©. E. und C. Sp. = Centrosomen, V = Va- (Nach Strasburger.) Fig. 3. Eine Spermie von Chara fragilis. apparat, Cil. = Bewegungsgeisseln (Cilien), K = Kopf- theil, aus dem Kern der Samenzelle entstanden, T = protoplasmatischer Anhang. (Nach Strassburger.) den Eintritt absolut verwehrt. Dies Factum hat nun die überaus wichtige Bedeutung, uns zu lehren, dass nur eine einzige Spermie zur Befruchtung noth- wendig und erspriesslich ist. In der That kann man, soweit unsere jetzigen Erfahrungen reichen, sagen: Jede normale Befruchtung geschieht nur durch eine einzige Spermie; die Befruchtung ist „mo- nospermisch“. Dies ist für die ganze Theorie der Be- fruchtung eine äusserst wichtige Thatsache; wir werden sofort wieder an die Verhältnisse bei den Protozoen er- innert, wo bei der Befruchtung z wei Zellen conjugiren, und nur zwei. Allerdings giebt es bei verschie- denen Thieren, z. B. Arthropoden (Henking, Blochmann), Selachiern (Rückert, Oppel), Amphibien (von Kupffer, R. Fick, Michaelis), Säuge- thieren, und zwar Kaninchen (Rein), Mäusen (Sobotta), Eier, die in ein- zelnen Fällen oder der Regel nach mehrere Spermien zulassen (Poly- spermie); aber es zeigt sich hierbei, dass entweder nur eine Spermie sich in den Spermakern umwandelt und mit dem Eikerne verschmilzt, wäh- rend die übrigen zu Grunde gehen, oder dass geschädigte Eizellen vor- liegen — wie in höchst interessanten Experimenten, z. B durch Chloro- formirung der Eizellen, OÖ. und R. Hertwig nachgewiesen — oder aber gar, dass nach polyspermischen Befruchtungen monströse Bildungen aus der Eizelle hervorgehen, oder endlich, dass letztere gar nicht zur Entwicklung gelangen. Fol hat versucht, die Zwillings-, Drillings- ete. Bildungen, die so sehr häufig bei Fischen beobachtet werden, auf die Polyspermie zurückzuführen; doch hat sich dies als unzulässig erwiesen. In einzelnen Fällen freilich (Braus, Sobotta) hat sich gezeigt, dass auch mehrere Spermien in einem Eie zur Bildung eines Vorkernes gelangten; auch erwähnt Sobotta einer sehr merkwürdigen Thatsache, nämlich des Ein- dringens von Spermien in eine Furchungszelle, wie P. = Perforations- Es scheint, | sie nach geschehener Befruchtung aus der Eizelle hervor- XII. Nr. 15. gehen, und zwar waren sie innerhalb der Furchungszelle wie zu einer Vorkernbildung gequollen. Diese verein- zelten Ausnahmen vermögen jedoch die Richtigkeit der regelrechten monospermischen Befruchtung nieht anzu- tasten. Nach dem Eindringen der Spermie sieht man bei manchen Thieren, z. B. bei Amphibien, die Geissel noch längere Zeit im Innern der Eizelle erhalten; schliesslich jedoch schwindet sie ausnahmslos, und man geht wohl nicht fehl, wenn man annimmt, dass sie sich auflöse. Ihre Substanz muss sich dabei nothwendig mit dem Protoplasma der Eizelle mischen. Der Kopf der Spermie, sowie ihr aus dem Sphären- apparate der Spermatide hervorgegangenes Mittelstück bleibt erhalten, und man sieht nun als nächste Veränderung alsbald eine An- schwellung des Kopfes, sowie das deutliche Auftreten einesCentrosoms, welches natürlich, da es aus dem Mit- telstücke der Sper- mie hervorgeht, An- fangs hinter dem Kopfe derselben liegt. Da das Mit- telstück der Sper- mie aus dem Sphä- renapparate der Spermatide, zu wel- cher auch das Cen- trosom gehört, her- vorgeht, so wird also unter Anderem durch , diesen Vor- gang das Centro- soma der männ- lichen Befruchtungs- zelle in die weib- liche übertragen, und bemerkens- wertherWeise lassen auch die Eizellen der meisten unter- suchten Thiere kein Centrosoma erkennen. Mit dem Centro- soma tritt nun auch eine dasselbe umgebende Strahlung auf, welche bei einigen Thieren, z. B. gerade bei der Maus und bei Myzostoma (v. Kostanecki), sehr schwach ist, bei anderen dagegen, wie z. B. bei Physa fontinalis (von Kostanecki) stark hervortritt. Ferner rückt nun das Centrosoma mit seiner Strahlung an den vorderen Pol des Spermienkopfes, der inzwischen, unter weiterer Ver- grösserung, mehr und mehr die Gestalt eines Kernes an- genommen hat. Inzwischen ‚wächst auch der weibliche Vorkern, und beide Vorkerne nähern sich einander langsam; dem männ- lichen, i. e. dem Spermienkopfe, geht sein Centrosoma mit der Strahlung vorauf. Der weibliche Vorkern ist Anfangs der grössere. Das Chromatin beider Vorkerne zieht sich (bei der Maus) eine Zeit lang in die neu ent- stehenden Kernkörper zusammen. Bei der Maus zeigt sich hier in so fern ein wohl nur geringfügiger Unter- schied, als der männliche Vorkern stets nur ein Kern- körperchen aufweist, während der weibliche häufig mehrere kleinere zeigt. Nun verlässt das Chromatin die Kernkörper, die dann wie helle Ringe aussehen, und vertheilt sich auf den ganzen Kernraum in beiden Vorkernen; letztere rücken Corona radiata Protoplas- mazone perivitell-i' ner Spalt- raum Naturwissenschaftliche Wochenschrift. nn —————nnnnnnnn Fig. 4. Menschliches Ei. 167 zum Centrum hin dieht an einander und werden in allen Stücken völlig gleich. (Fig. 13) Die Strahlung und das eine Centrosoma liegt ihnen an. Nunmehr bildet sich in jedem Vorkerne aus dessen gesammten Chromatingehalt ein einziger langer, gewun- dener, wie es scheint, zu einem Ringe geschlossener Faden Dieser zerfällt alsbald, gleichzeitig in beiden Vorkernen, in schleifenförmige Stücke, die man sofort als Chromo- somen erkennt. (Fig. 14) Mit der Ausbildung der Chromo- somen werden nun, wie bei einer gewöhnlichen mitotischen Zelltheilung, die achromatische Kernsubstanz sowie die Kernmembran undeutlich und schwinden später ganz; das. noch einzige Centrosoma mit nunmehr beginnender deut- licher Strahlung liegt zwischen den beiden Chromosomen- haufen. (Fig. 15.) In Folge des Schwindens der Kern- membran muss sich der Kernsaft bei- der Vorkerne mischen und im Protoplasma der Ei- zelle vertheilen; aber, ich betone es, die Chromosomen- gruppen, die beider- seits völlig gleich sind — jederseits zwölf von gleicher Grösse, zwölf männ- liche Chromosomen, vom Spermienkopfe abstammend, und zwölf weibliche, vom weiblichen Vor- kerne abstammend, — bleiben völlig getrennt. Jetzt theilt sich das Centrosoma. Die beiden Theilstücke Zona ea pellueida Deutoplas- mazone EDER. desselben rücken Keimbläs- a chen mit auseinander, und amöboidem zwischen ihnen bil- det sich eine Spin- delfiguraus (Fig.16), wie das besonders ! klar von K. v. Kostanecki bei Physa fontinalis gezeigt worden ist. Auch die Polstrahlungen treten auf. Nun- mehr ordnen sich sämmtliche Chromosomen am Aequator der Centralspindel in Gestalt der Aequatorialplatte an; der ganze Process erreicht das Stadium der Mesophase. Es liegen zwölf männliche und zwölf weibliche Chromo- somen in einem Kranze angeordnet um die Mitte der Furchungsspindel. (Fig. 17, 18, 19.) Wenn die Spermie der Maus sich aus ihrer Bildungs- zelle, ihrer Spermatide, heranbildet, dann treten dabei gleichfalls zwölf Chromosomen auf, die sich zum Kopfe der Spermie verdichten und zusammensintern. Dieselben zwölf Chromosomen treten auch bei der definitiven Aus- bildung der Eizelle auf. Kurz, wir sehen, dass jetzt, bei dem Zusammentritte beider Vorkerne im Befruchtungsacte dieselbe Zahl der Chromosomen auf beiden Seiten wieder erscheint! Der ganze Vorgang tritt weiterhin alsbald in die Anaphasen ein, und zwar genau wie bei einer mitotischen Zelltheilung. Zunächst folgt die Flemming’sche Längstheilung der Chromosomen, wodurch wir 48 Tochterchromo- somen, 24 männliche und 24 weibliche, erhalten; dann rückt, wie bei der gewöhnlichen Mitose, je eines von den 168 Naturwissenschaftlicehe Wochenschrift. XI. Nr. 15. beiden aus einem Mutterchromosom (A) entstandenen Toehterchromosomen a, und a,, sagen wir a, nach dem einen Pol P, und das andere, sagen wir a,, nach dem zweiten Pol P, der Furchungsspindel; ferner von den Tochterehromosomen des Mutterchromosoms B b, zu P} und b, zu P, und so weiter für alle 24 Chromosomen. Der Effect ist, dass sich schliesslich am Pole P, 24 Tochter- ehromosomen befinden, darunter zwölf männliche und zwölf weibliche, ebenso aber auch am Pole P;,. (Fig. 20.) Nunmehr erst verschmelzen bei der Maus an jedem TEE Pole diese 24 zur THUN Hälfte männlichen, EEE \ zur Hälfte weib- N “> lichen Chromosomen DE RRENEE wieder zu einem k " Chromatingerüst, in Va welchem man die RER männliche chroma- tische Substanz von der weiblichen nicht mehr unterscheiden kann; es bildet sich wieder ein chroma- tisches Kerngerüst mit Kernkörperchen und, unter Schwund der Spindelfäden und Polstrahlungen, auch eine achroma- Br: tische Kernsubstanz sowie eine Kern- membran, welche einen Kernsaft ein- een, schliesst; kurz, es a bildet sich an je- dem Pole in der Eizelle ein {neuer Kern, deraber männ- liche und weib- liche Substanzmas- sen, wie es scheint zu völlig gleichen Fig. 5. Ei der Maus mit tangentia liegender Spindel. In ein Mäuse-Ei (ein Randstück des Eies ' gezeichnet) eindringende Spermie. Theilen, gemischt G. 2 enthält. Diese bei- BEE x N den neuen Kerne er we E3 R haben auch jeder 7° * sein Centrosom in Fig. 9. der Nähe liegen, Stück eines Mäuse-Bies mit dem bereits ange- welehe beide dureh sehwollenen Kopfe der eingedrungenen Spermie. Theilung aus dem mit der Spermie ein- geführten einzigen männlichen Centrosoma entstanden sind. Jetzt beginnt die ganze Eizelle sich zu theilen, und es entstehen so aus ihr zwei Zellen, die beiden ersten Furchungszellen (Fig. 21 u. 22). Die Befruch- tung ist geschehen, die Furchung, wie man es nennt, und damit die Bildung des jungen, neuen Geschöptes beginnt! Nach der ersten Furchung beginnt alsbald die zweite (Fig. 23), d.h. jede der beiden Furchungszellen theilt sich wiederin je zwei, so dass wir einen jungen Embryo vor uns haben, der aus 4 Zellen besteht. Bei der schnell folgenden nächsten Furchung besteht die junge Maus aus 8 Zellen, dann aus 16, dann aus 32 u. s. f. Bei den fortgesetzten Theilungen hört natürlich bald die Möglich- keit zu zählen auf und damit auch die Controlle, wie lange sich sämmtliche Zellen a tempo theilen, also die Ei der Maus. Spindel zur Richtungskörper- bildung rk, rechts unten der eingedrungene Vermehrung derselben in geometrischer Progression weiter geht. Bei den fortgesetzten Theilungen werden die Zellen auch immer kleiner, bis sie die Grösse erreichen, die sie im ausgebildeten Mausekörper haben. Mittlerweile ordnen sie sich ausserdem in besondere Gruppen, so dass man bald sehen kann, wo der Kopf, wo der Rumpf des jungen Thierchens sein wird. Und so geht es fort, und das ist, was wir Entwickelung eines höheren Thieres, eines Meta- zoon, nennen. Gerade so geht es aber auch mit der Ent- wickelung der hö- heren Pflanzen; es besteht kein Unter- N schied in _ die- er \ sen fundamentalen BENTN \ Dingen. MRS NER Das 2 tische Kerngerüst der beiden ersten Furchungszellen be- stand aus 24 ver- schmolzenen Chro- mosomen, von denen 12 mämlich, 12 weiblich waren. Wenn nun diese beiden Furchungs- zellen sich wieder ehroma- Fig. 6. Kopf einer Spermie (spk). zur Theilung an- schwf. schicken, so er- k. schemen bei den R Prophasender neuen Theilung in jedem 2 ET der beiden neuen TA IR Kerne nicht 24 Chro- ee mosomen, sondern Er 2 12 hat Wie Fig. 7. = Köpfen) & nur Isa, Schwanzfaden der Spermie, letz- sich also ‚„ un d terer nur noch zum Theil erhalten. dasistsehr wieh- tig, eine Fusion der männlichen und der weib- lichen chroma- Qı tischen Substanz vollzogen, wo- durch die Zahl der Mutterchromo- somen, welche bei jeder Theilung für- derhin auftreten, und zwar so lange bei irgend einer Maus während ihres Lebens eine mito- tische Zelltheilung geschieht, auf 12 redueirt und fest- gesetzt wird. So scheint es wenigstens nach den An- gaben Sobotta’s für die Maus zu sein. Auch für andere Thiere hat sich ein gleiches Ver- halten, also eine Constanz der Chromosomenzahl bei den Zelltheilungen, herausgestellt. Insbesondere leicht lässt sich dies bei Thieren mit geringer Chromosomenzahl, wohin das durch die Untersuchungen E. van Beneden’s klassisch gewordene Object, der Pferdespulwurm, Ascaris megalocephala, gehört, erweisen. £ Nun zur Besprechung einiger bisher nur oberflächlich gestreifter Begleiterscheinungen. Es sind dies die Fragen nach dem Verhalten der Öentrosomen nach den Reifungs- und Reduetionserscheinungen und nach der insbesondere von O. Hertwig betonten Verschmelzung der Kerne bei der Befruchtung. 3 60 “ Fig. 10. Abtrennung des Richtungskörperehens von der Eizelle. (Mäuse-Ei.) XIII. Nr. 15 Es wird aufgefallen sein, dass bisher nur von einem Centrosom die Rede war, welches mit der Spermie in die Eizelle gelangte. Hat denn die Eizelle kein solches? Früher nahm man ein Eicentrosoma an, und Fol stellte die Behauptung auf, dass auch das weibliche Centrosoma sich theile. An jedem Pole der Centralspindel sollte sich je ein männliches und ein weibliches Centrosoma auf- stellen — er nannte das mit einem humoristischen Anfluge „Quadrille des centres* — und dann sollten sich die männlichen und weiblichen Centrosomen an jedem Pole zu einem Körperchen vereinigen. Das hat sich nicht be- stätigt. Boveri lehrte zu- erst, dass die Eizelle ihr Centrosoma verliere, und dass somit die ÜCen- trosomengenerationen der neuen Embryonal- zellen alle männlichen Ursprunges seien. Es sind zwar bei den soge- Fig. 11. Mäuse-Ei. Oben, rk, das Richtungskörper- chen, darunter der weibliche Vorkern, ek, unten links der männliche Vorkern, spk. nannten Reductionsthei- lungen der Eizelle, zu deren Besprechung wir gleich übergehen, Centro- somen sichergestellt; aber es spricht Alles dafür, dass sie entweder später h zu Grunde gehen oder inactiv werden. Wenig- stens stellt sich die. über- wiegende Zahl der Beob- £_Sei B RR Fig. 13. achter = eite = Mäuse-Ei. Oben ein Rich- So hatte noch der hoch- tungskörperchen; beide Vorkerne, an Grösse gleich, haben sich einander ge- nähert. verdiente französische Bo- taniker Guignard eine Cen- trenquadrille im Sinne Fol’s für die lilienartigen Pflan- zen (Liliaceen) behauptet; indessen hat das keine Bestätigung erfahren. Ab- geschlossen ist allerdings diese wichtige Frage noch nicht. So wurde, um nur Einiges noch anzuführen, schon erwähnt, dass Michaelis bei Triton kein Centrosom, weder ein männliches noch ein weib- liches, nachweisen konnte, andererseits ist H. Ziegler geneigt, dem weiblichen Fig. 15. Mäuse-Ei. Rechts oben ein Richtungskörperchen. Zwischen den Chromosomen der beiden Vorkerne, deren runder Umriss geschwun- den ist, tritt ein Centrosom mit Strahlung auf. Vorkernezwei Üentrosomen zuzuweisen. Ferner hat Wheeler behauptet, dass bei Myzostoma glabrum das Centrosom von der Eizelle abstamme; in einer jüngst erschienenen, äusserst sorgfältigen Arbeit von, v. Kosta- necki über denselben Gegenstand wird es aber sehr wahrscheinlich gemacht, dass auch hier das Boveri’sche Gesetz gilt. Auch der neueste Vertheidiger der Fol’schen Centrenquadrille, van der Stricht (bei Amphioxus und bei Thysanozoon) scheint nicht glücklicher damit ge- wesen zu sein; ich verweise in dieser Beziehung auf die Angaben von Sobotta und Carnoy. Ich bin absichtlich dieser Detailfrage näher getreten, denn es muss, mag man die Bedeutung des Centrosoma Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Mäuse-Ei. Oben zwei Richtungskörperchen ıkı und rk.. ek der schon stark vergrösserte weibliche Vorkern (Eikern); spk der eben- 169 so hoch oder so niedrig anschlagen, wie man will, doch zugegeben werden, dass eine allgemeine Anerkennung des Boverischen Gesetzes von der äussersten Wichtigkeit wäre. Es wäre damit festgestellt, dass durch das Ein- dringen der Spermie in die Eizelle ein für die Mechanik der Zelltheilung zweifellos sehr wichtiger Apparat dieser Zelle geliefert würde, die möglicherweise selbst die für ihre Theilung nothwendigen Kräfte nicht besitzt. Sehr wichtig sind die Reifungserschei- nungen am Ei und die damit zusammenhängen- A S den Richtungskörper- k——N) \ chen und Reductions- © 0a \ theilungen. R ' Wahrscheinlich hat im Jahre 1828 zuerst Carus a diejenigen Bildungen ge- g f sehen, welche man seit ne ihrem eigentlichen Ent- Fig. 12. decker, dem jüngst ver- storbenen ausgezeichneten Biologen Fr. Müller (Bra- silien), als „Richtungs- körperchen“ (Globes polaires Robin) benannt hat. Man hat sie jetzt als Producte einer T'hei- lung der Eibildungszelle, der Ovogonie (nach Bo- veri), mit ungleichen Thei- lungsproducten erkannt. Sobotta hat bei der Maus diesen Vorgang auf das Genaueste beschrieben. +Die. Regel ist, dass sich bei den Thieren, welche sich mit Befruch- tung entwickeln, zwei Rich- tungskörperchen bilden; sonderbarer Weise zeigen falls vergrösserte männliche Vorkern. Fig. 14. Mäuse-Ei. Links ein Richtungs- körperchen. In beiden nahe zu- sammenliegenden Vorkernen beginnt die Bildung der Uhro- mosomen, PN die Fig. 16. Mäuse-Ei mit zwei Rich- tungskörperchen (oben). Zwischen den Chromosomen beiderVorkerneeine Spindel. Mäuseeier meist nur ein Richtungskörperchen; es kommen aber auch zwei vor und, wenn . auch selten, drei. Immer ent- steht aber in solchen Fäl- len das dritte durch aber- malige Theilung eines der bereits gebildeten, und zwar des erstgebildeten Riehtungskörpers; die Ei- zelle selbst giebt stets nur zwei her, wenigstens bei Säugethieren. Es ist gänz- lich unbekannt, wie diese Schwankungen zu Stande kommen, und wie sie zu erklären sind. Hat eine Ovogonie der Maus ein gewisses Maass der Ausbildung erlangt, so zeigt sich in ihr eine tangential liegende Oentralspindel. (Fig. 5.) An dieser zeigen sich weder Pole — d. h. ihre Fäden stehen an beiden Enden auseinander — noch zeigen sich (bei der Maus) Centrosomen, noch Strahlungen. Aus dem Chro- matin des schwindenden Keimbläschens entwickeln sich (Maus) 12 Chromosomen. Nun theilen sich diese letzteren der Quere nach (Längstheilung ist, wie wir sahen, sonst die Regel), sodass 24 Tochterchromosomen entstehen; die Spindel stellt sich schräg, dann radiär; 170 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. RIND, nun rücken 12 Chromosomen an den einen, 12 an den anderen Pol, das -Protoplasma. der Ovogonie erhebt sich ein wenig (mit der Spindel) an der betreffenden Stelle, es treten die sogenannten Zwischenkörperchen an der Spindel auf, und schliesslich theilt sich mitten durch die Zwischenkörperchen der Protoplasmahügel sammt der Spindel. Die eine Chromosomengruppe sinkt dann mit dem einen Theile der Spindel in die Eizelle zurück, die andere bleibt in dem abgeschnürten Protoplasma und trennt sich mit diesem von der Eizelle los. Dies ist das Richtungskörperchen.(Fig.10) Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass wir es hier mit einer richtigen Zell- theilung, und zwar in mitotischer Form, zu thun haben. Bei der Maus ist das besonders einleuchtend, da das Richtungskörperchen verhältnissmässig sehr gross ist und daher seinen Zellencharakter deutlich zur Schau trägt. Dies ist um so klarer, als die Chromosomen mit dem zugehörigen Abschnitte der Spindelfigur sich alsbald zu einem Zellen- kern von typischer Form gestalten. Wie bemerkt, treten hierbei weder Centrosomen noch Strahlungen auf. Wenn sich (ausnahmsweise) bei der Maus zwei Richtungskörper bilden, (Fig. 12) dann ist der erstgebildete weit grösser als der zweite; er zeigt dann auch Dotterkugeln und eine Membran, kurz, er verhält sich ganz wie ein kleines Ei: das zweite Körperchen aber verhält sich ganz wie das einzige Richtungskörperchen, welches sich ge- wöhnlich nur bildet. Demgemäss sind die Richtungskörper als kleine, echte ÖOvocyten anzusehen, Abortiveier, wie es von Mark zuerst klar ausgesprochen worden ist. Ich kann unmöglich auf alle Einzelheiten, die bezüg- lich der Richtungskörperehen bereits beobachtet worden sind, hier eingehen; die Hauptsache ist, dass wir die Be- deutung dieses merkwürdigen Vorgangs zu ergründen suchen; wir verdanken ir dieser Beziehung E. van Be- neden den ersten Aufschluss, der wie mir scheint, auch unzweifelhaft das Richtige getroffen hat. van Beneden wies schon 1583 bei seinen Unter- suchungen über Ascaris megalocephala nach, dass in jedem der beiden zur Copulation gelangenden Vorkerne die Zahl der Chromosomen nur die Hälfte von der bei der betreffenden Thierart üblichen Normalzahl beträgt; er zeigte ferner, dass für die Eizelle diese Reduction durch die Ausstossung der Richtungskörper zu Stande kommt. Jede Körperzelle der Varietät Ascaris mega- locephala bivalens z. B. zeigt vier Chromosomen, welche sich bei einer etwaigen Theilung dieser Zelle halbiren (Flemming’sche Theilung), so dass unmittelbar vor Beginn der Anaphasen, also in der Mesophase, acht Tochter- chromosomen vorhanden sind; davon gehen nun, wie ein- gangs erörtert, vier in die eine, vier in die andere Toochter- zelle über, sodass jede neue Körperzelle wieder vier Chromosomen zählt. Die Geschlechtszellen aber, oder besser, die Befruchtungszellen, d. h. die reife Eizelle nach Ausstossung ihrer Riehtungskörper in ihrem Vorkerne und der sich aus der Spermie entwickelnde männliche Vor- kern, führen jede nur zwei Chromosomen, macht zu- sammen wieder vier! Diese vier liegen in der Meso- phase am Aequator der Furchungsspindel; jedes Chromosom hälftet sich durch Flemming’sche Theilung, dies giebt für die erste Entwickelungstheilung oder Furchung acht Tochterchromosomen, davon kommen dann je vier (zwei männliche und zwei weibliche) auf jeden Tochterkern, bezw. jede Tochterzelle, und so gewinnt denn das junge Thier die typische Vierzahl der Chromosomen von An- fang an für jede seiner Zellen, Wir sehen also, dass die Ausstossung der Richtungs- körper im Wesentlichen eine Reduction der Chroma- tinmassen der Ovogonie herbeiführt, und wir | | müssen sagen, auch bezweckt. Denn sie ist, wie ein- leuchtet, eine Nothwendigkeit, sobald wir eine Befruch- tung durch eine Addirung der Chromosomen der Eizelle und der Spermie haben. Denn fände nicht vorher eine Reduction statt, so würde ja bei jeder Befruchtung eine Vermehrung (Verdoppelung) der Chromosomenzahl und damit natürlich auch der Chromatinmasse in der ersten dem jungen Geschöpfe zu Grunde liegenden Zelle statt- finden. Es ist aber wohl ohne Weiteres klar, dass dies nicht sein darf, falls eben die Nachkommenschaft den Eltern gleichen soll. Schliesslich würde ja auch die un- gemessene Vermehrung des Chromatins zum Untergange der betreffenden Zellengeneration führen. Es leuchtet aber ferner ein, dass, wenn bei der Ovo- gonie eine Reduction des Chromatins nöthig ist, dies auch bei der Spermatogonie der Fall sein muss, wie. schon E. van Beneden alsbald es ausgesprochen und zu er- weisen versucht hat. Und, in der That, durch die ge- naue Verfolgung der Entwickelung der Spermien sowohl wie der Eizellen bei Rundwürmern, insbesondere bei As- caris megalocephala, haben später Platner und O0. Hertwig, wenigstens für diese T'hiere, einen voll- kommenen Parallelismus in der weiteren Entwickelung der Övogonie zur reifen, befruchtungsfähigen Eizelle, zum Ei, und der Spermatogonie zur befruchtungsfähigen Sper- ' mie festgestellt; auch bei diesem letzteren Entwiekelungs- gange findet die gleiche Reduction des Chromatins statt, wie wir sie soeben für die Ovogonie geschildert haben. Weismann bezeichnet nun solche Theilungen, bei denen eine Reduction der Chromatinmasse stattfindet, als „Reduetionstheilungen“, die übrigen — die gewöhn- lichen Zelltheilungen beim Wachsthum der Organismen, — als „Aequationstheilungen“, gewiss eine sehr wichtige und passende Unterscheidung. Wir entnehmen aus dem Geschilderten. das. wichtige Factum, dass die Ovogonien, ehe sie zu Befruchtungs- zellen werden, ebenso wie die Spermatogonien eine Anzahl Vorgänge durchmachen müssen, welche wir als „Reifungs- vorgänge“ bezeichnen wollen. Ehe diese, die im Wesentlichen aufeine Reduction des Chromatins hinauslaufen, nicht beendet sind, ist weder die eine noch die andere Geschlechtszelle befruch- tungsfähig. Boveri hat diese Vorgänge kurz folgendermaassen charakterisirtt: Die Geschlechtszellen vder Gameten, wie man sie, insbesondere bei den Pflanzen, wohl nennt, machen drei Entwickelungsabschnitte durch: I. die Theilungs- oder Vermehrungsperiode, U. die Wachsthumsperiode, UI. die Reifungsperiode, In der ersten Periode vermehren sich die Urgeschlechts- zellen (Spermatogonien v. la Valette St. George und Ovogonien Boveri) reichlich durch mitotische Theilung. In der zweiten Periode wachsen die Producte der letzten mitotischen Theilung der ersten Periode, die Spermato- eyten und Ovocyten, wie diese Zellen nunmehr heissen, in Ruhe heran, insbesondere die Ovocyten. In der dritten oder der Reifungsperiode machen Spermatocyten wie ÖOvocyten, die ersteren zwei gleiche (äquale), die letzteren zwei ungleiche (inäquale) Theilungen durch, bei denen zugleich die Reduction stattfindet; nach der letzten dieser Theilungen sind die Ovoeyten zweiter Ord- nung, wie man sie nennt, bezw. die Spermatiden, zur Befruchtung reif; sie erleiden, insbesondere die Sperma- tiden, in ihrer Ausbildung zu den Spermien, jenen be- schwingten, leicht beweglichen Körperchen, welche im Stande sind, die reife Eizelle aufzusuchen und in sie ein- zudringen, zwar noch eine Reihe von Umformungen, diese sind aber mit den besprochenen nicht in eine Kategorie XIII. Nr. 15 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 171 zu bringen und können auch, wie z. B. bei den zellen- förmigen Spermien, grösstentheils ausbleiben. Es ist nieht abzusehen, warum nicht auch ein Rich- tungskörperchen befruchtungsfähig sein sollte. Es würde nur nicht in ausgiebiger Weise entwickelungsfähig sein, da es nicht die nöthige Masse von Leibessubstanz (Proto- plasma) und von Ernährungsmaterial (Dotter) fasst. So sehen wir denn auch, dass die Eizellen allein übrig bleiben, während die als Abortiveier zu bezeichnenden Richtungszellen zu Grunde gehen, meist erst, nachdem die Eizelle sich bereits zu furchen begonnen hat. Man nimmt an, dass sie sich auflösen; Näheres freilich ist über ihr Endschicksal nicht bekannt. Eine reife oder zur Reifung bestimmte Eizelle erweist sich als ein energisch auf die Erfüllung ihrer Bestimmung hinzielendes Wesen: so sehen wir bei manchen Thieren grosse Eizellen benachbarte, kleinere Eizellen in sich auf- nehmen, mit dürren Worten, verspeisen, um auf deren Kosten noch weiter zu wachsen. So geht in der That eine Menge von Eizellen zu Grunde. Immerhin ist aber ihre Zahl bei einem neugeborenen weiblichen Geschöpfe, auch bei Säugethieren, nach einigen Hunderttausenden zu bemessen, so dass eine ausreichende Menge ihre Be- stimmung erreicht. Verweilen wir noch einen Augenblick bei diesen interessanten Zahlenverhältnissen, so kommen auf jede reife Eizelle mindestens Hunderttausende von Spermien, obwohl befruchtend nur jedesmal eine von diesen in Action tritt. Diese merkwürdigen Zahlen lehren eindringlich, wie sehr die natürlichen Einrichtungen dieser Welt darauf hinzielen, das Lebendige zu erhalten! Die Vorgänge der Reductionstheilung bei Ovocyt und Spermatocyt lassen uns einen tiefen und ungemein inter- essanten Einblick in den feineren Haushalt der lebenden Natur thun. Leider sind für das volle Verständniss hier noch manche Schwierigkeiten zu überwinden. Wie z. B. erklärt sich-die verschiedene Zahl der Richtungskörper ? Kommt es immer auf die Reduction der Zahl der Chromo- somen an, oder wesentlich nur auf die der Masse des Chromatins? Von sehr vielen Geschöpfen wissen wir noch nicht, wie bei ihnen die Reduetion zu Stande kommt. Boveri hat bei Ascaris eine interessante Gruppirung der Chromosomen in der Vierzahl bei den Reductionstheilungen nachgewiesen, die „Vierergruppen“ genannt werden, sie finden sich aber auch nicht überall. Sehr schwierig zu verstehen ist auch das Verhaiten der Richtungskörper bei den parthenogenetisch sich entwickelnden Eiern. Man kennt bei manchen Thier- arten, meist aus der Reihe der Arthropoden, z. B. bei den Blattläusen und Bienen — Anklänge daran kommen aber bis zu den höchsten Geschöpfen vor — die höchst befremdliche Thatsache, dass ganze Generationen sich aus Eiern entwickeln, die nicht befruchtet worden sind. Bei einigen Arten, z. B. den Bienen, entwiekeln die unbe- fruchteten Eier männliche, die befruchteten weibliche Individuen; aber auch das Umgekehrte kommt vor. Nun stellt sich, worauf insbesondere der durch seinetiefgehenden Betrachtungen über das Befruchtungs- und Vererbungs- problem hochverdiente Zoologe Weismann in Freiburg die Aufmerksamkeit gelenkt hat, heraus, dass die partheno- genetisch sich entwickelnden Eier meist nur ein Richtungs- körperchen abstossen, und Weismann benutzte diese T’hat- sache zur Aufstellung einer geistreichen Theorie über die Bedeutung der Richtungskörper. Es sind indessen auch Fälle von zwei Richtungskörperchen bei solchen Eiern bekannt, und so erscheint es vorerst noch fraglich, ob weitere theoretische Erwägungen in der von Weismann inaugurirten Richtung zum Ziele führen. Nicht mindere Schwierigkeiten walten noch ob in der Deutung der Vorgänge der Reductionstheilung bei sehr vielen der untersuchten Geschöpfe; ich erinnere nur an die geschilderten Verhältnisse bei der Maus, die keines- wegs so einfach liegen, wie bei Ascaris z. B. Endlieh muss ich anführen, dass wir bei den Pflanzen mit Sicherheit noch keine Reductionstheilungen kennen; ich stütze mich in dieser Beziehung auf eine jüngste Mit- theilung von Strasburger und Mottier. Wir sehen also, in dieser wichtigen Frage häuft sich noch Problem auf Problem; ich muss mich darauf beschränken auf einige der neuesten, grundlegenden Arbeiten in dieser Richtung zu verweisen. Ich hebe nun, bevor wir in eine theoretische Be- sprechung des Befruchtungsvorganges eintreten, diejenige Ereheinung bei dem ganzen Acte, welche ©. Hertwig als das „van Beneden’sche Gesetz“ bezeichnet, noch be- sonders hervor. Es ist dieses die Thatsache, welche zuerst von E. van Beneden bei Ascaris megalocephala auf- gefunden und in ihrer Bedeutung erkannt wurde, dass nämlich bei der ersten auf den Zusammentritt der beiden Vorkerne folgenden Zelltheilung gleich viel männliche und weibliche Chromo- somen auf jede Seite rücken, und somit jede der beiden ersten Furchungszellen, d. i. der- jenigen Zellen, von denen die gesammte Em- bryonalanlage ausgeht, gleich viel männliches und weibliches Chromosomenmaterial enthält. Unzweifelhaft ist dieses eine der wichtigsten That- sachen des Befruchtungsvorganges. Der Befruchtungs- vorgang bei der Maus, wie er vorhin nach Sobotta’s Untersuchungen geschildert wurde, liess das van Beneden- sche Gesetz gleichfalls erkennen. Mit diesem Vorgange hängt nun aber die von 0. Hertwig entdeckte und als Haupterscheinung der Be- fruchtung hingestellte „Kernverschmelzung“ zusammen. Wie steht es damit? Sie werden, wenn Sie die Schilderung des Verhaltens der Kerne bei der Maus genau verfolgt haben, schon überrascht gewesen sein, zu erfahren, dass hier gar keine Verschmelzung der Chromosomen der beiden Vorkerne vor der ersten Furchungstheilung stattfindet; E. van Be- neden zeigte zuerst, dass dies bei Ascaris ebensowenig der Fall sei. In der That hat sich nun eine wohl zu beachtende Verschiedenheit bei den einzelnen Arten, ins- besondere der Thiere, herausgestellt. Bei den Seeigeln ist es so, wie es seiner Zeit O. Hertwig schilderte, d. h. beide Vorkerne verschmelzen mit einander, bevor die Chromosomen sich bilden und das charakteristische Bild der Mesophase auftritt; man ist hier ausser Stande, männliche und weibliche Chromosomen von einander zu unterscheiden. Freilich kann man auch bei den Echino- dermen noch einige Zeit nach der Verschmelzung die Chromatinmasse der Spermie, d. i. des männlichen Vor- kerns, von der des weiblichen in dem gemeinsamen Furchungskerne unterscheiden. Für Ascaris und für die Maus muss man zugeben, dass diejenigen Kernbestandtheile, welche wir ausser den Chromosomen noch vorfinden, insbesondere der Kernsaft, verschmelzen, und dies dürfen wir nicht vernachlässigen. Jeder Bestandtheil des Kerns und der Zelle hat sicherlich seine Bedeutung auch bei der Befruchtung. Auf der anderen Seite kann man fragen, ob der Befruch- tungsvorgang bei den Echinodermen schon mit aller Schärfe in allen seinen Einzelheiten erkannt ist. Vielleicht finden wir auch hier noch, dass ungeachtet der anscheinenden Verschmelzung der beiderseitigen Kernmassen mit allen ihren Theilen dennoch die chromatischen Substanzen der beiden Vorkerne bei ihrer ersten Begegnung sich getrennt halten, d. h. ihre Chromosomen getrennt. Der eben er. wähnte Umstand, dass man noch längere Zeit die Spermien. 172 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 15. chromatinmasse von der Eiehromatinmasse unterscheiden kann, spricht vielleicht dafür. Verfolgen wir nun aber die Furchungsthei- lungen weiter, so sehen wir, dass sowohl .bei As- caris wie bei der Maus alsbald ruhende Kerne, d. h. solche, in denen das Chromatin wieder als Ge- rüst auftritt, erscheinen; bei der Maus stets bereits in den beiden ersten Fur- chungszellen (Fig. 22). Hier also verschmelzen dann die männlichen und weiblichen Chromosomen, und zwar, wie wir sehen, gleich nach Beginn der Furehung. Anders ist es merkwürdigerweise nach Rückerts Untersuchungen bei Cyelops, wo in der ganzen ersten Entwicke- lungsperiode, wenigstens bei einem Theil der Kerne der Embryonalzellen, keine Verschmelzung der väter- lichen und miütterlichen Kerne, insbesondere deren Chromosomen, eintritt. Eine Verschmelzung der letzteren ist also für den normalen Ablauf der Dinge, zum mindesten in der ersten Zeit der Ent- wickelung, nicht _ erfor- derlich. Was wir aber stets finden, ist eine einzige Spindel und eine Ver- schmelzung des Kern- saftes. Die „Spindel“ oder „Spindelfigur“, in unserem Fall auch als „Furchungs- spindel“ bezeichnet, be- steht aus achromatischen Fäden, welche von einem Centrosom zum andern laufen. Die mehr in der Axe der Spindel gelegenen Fäden laufen ununter- brochen durch; sie bilden die von F. Hermann so- genannte „Centralspin- del“; die peripherischen Fäden sollen sich nach der von E. van Beneden begründeten und von den Meisten getheilten Mei- nung an die Chromosomen anheften. Durch sie soll- ten, als durch contractile Organe, die Chromosomen nach den beiden Polen hingezogen werden. Sonach müssten des einen Poles an die einen Chromosomen, die des Fig. 17. Mäuse-Ei. Ein Richtungskör- perchen (rechts). Die Chromo- somen beider Vorkerne ordnen sich am Aequator der Spindel, a N 3 BR Sr Fig. 19. Die Spindel der Figur 18 stärker vergrössert. Fig. 22, Mäuse-Ei. Erste Furchung, weiter vorgeschrittenes Sta- dium; die Kerne sind fertig ausgebildet mit Kerngerüst und Oben das Kernkörperchen. Richtungskörperchen. TER EN 4 5 OBEN a NER nei dann die Fäden anderen an die anderen sich heften und nur halb so Fig. 18. Mäuse-Ei. Ein Richtungskör- perchen (rechts). Die Spindel stark vergrössert mit den am Aequator geordneten Chromo- somen (Stadium der Aequa- torialplatte oder der Mesophase). An den Polen der Spindel je ein Centrosom mit Strahlung. NG a RN 2 Fig. 20. Mäuse-Ei mit einem Rich- tungskörperchen (oben). Be- ginn der Chromosomen- Theilung, deren eine Hälfte zum oberen, deren andere zum unteren Pole der Spin- del rückt. Mäuse-Ei. Die erste Furchungs- theilung hat sich vollzogen, der Kern jeder Furchungszelle be- ginnt sich zu bilden, zeigt aber noch die Chromosomen. Oben das Richtnngskörperchen. Fig. 23. Mäuse-Ei. Weiter fortgeschrit- tenes Stadium; links ein ruhen- der Kern; rechts bereitet sich die Furchungszelle zu weiterer Theilung vor; ihr Kern im Stadium der Aequatorialplatte. Das Richtungskörperchen (oben) ist noch erhalten, lang sein, wie die Fäden der Oentralspindel. Es hat nun sicherlich sein Interesse, die Her- kunft der Spindelfäden zu kennen. Von Fol, Guignard, Henneguy u. A. wurden sie aus dem Proto- plasma abgeleitet, Sobotta führt sie auf die Centro- somen, beziehentlich deren Sphären zurück, ohne sich jedoch mit aller Bestimmt- heit zu äussern. ©. Hert- wig und Carnoy vertreten die Ansicht, dass sie aus den Kernbestandtheilen, insonderheit aus dem so- genannten Liningerüst (Hertwig) desselben ent- stünden. v.Erlanger u. A., denen ich mich anschliesse, wollen einen Theil der Spindelfäden aus dem Zellprotoplasma, insbeson- dere aus dem Sphären- theile desselben, den an- deren aus Kernbestand- theilen herleiten. Nehmen wir an, wo- für die meisten Beobach- tungen sprechen, dass die Kerne wenigstens zum Theil das Material für die Spindelfäden her- geben, so wäre allemal in der Spindelfigur eine Verschmelzung von männ- lichen und weiblichen Kernbestandtheilen ge- geben, bevor die erste, embryonale Theilung der Eizelle eintritt, denn we- nigstens die Fäden der Centralspindel gehen con- tinuirlich in einander über, und so kommt es doch, selbst wenn die Chromo- somen nicht verschmelzen, zur Verschmelzung von anderen Kernbestandthei- len, nämlich des Kern- saftes und der Kernbe- standtheile der Central- spindel. Zuletzt muss aber noch einer anderen Ver- schmelzung gedacht wer- den. Nach den neueren Untersuchungen über die Spermatogenese ist nicht daran zu zweifeln, dass die Spermien eine, wenn auch noch so geringe Quantität Protoplasma zu ihrenBestandtheilenzählen. Dass sich solehes am Mittelstück finde, wird allgemein angenommen; ich verweise hierzu nur auf die Aeusse- XII. Nr. 15. rungen v. Kostanecki’s in seiner Abhandlung über die Befruchtungsvorgänge von Physa fontinalis. L. Auerbach und v. Erlanger nehmen gleichfalls eine dünne, proto- plasmatische Hülle um den Kopf der Spermien an. Ich theile die Ansicht, dass sich protoplasmatische Reste am Mittelstücke finden, vollkommen. Kopf und Mittelstück treten aber stets und bei allen Geschöpfen mit Spermien- befruchtung in die Eizelle ein, wenn auch bei vielen die Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 173 Geissel ausgeschlossen wird. Sonach muss es unter allen Umständen auch zu einer Verschmelzung von männlichem und. weiblichem Protoplasma kommen. Wir schliessen hiemit die Schilderung der bei dem Befruchtungsvorgange beobachteten Hauptthatsachen und deren Begleiterscheinungen und gehen zu einer kurzen theoretischen Betrachtung über. (Fortsetzung folgt.) Ueber Kryokonit. — Auf der Oberfläche des grön- ländischen Inlandeises hatte Nordenskjöld (Pogg. Ann. 6 R. 151, 154) Staub-Ansammlungen, „Kryokonit“, beob- achtet, den er für kosmischen (Meteor)-Staub erklärte. Dass es sich jedoch in diesem Gestein keineswegs um den Staub aus niedergefallenen, festen T'heilen meteorischen Ursprungs sondern um irdischen, auf das Eis nieder- geschlagenen Staub handelt, ging schon aus einer Mit- theilung E. A. Wülfing’s (Neues Jahrb. f. Min., Geol. und Palaeont. VII. Beilage-Band. Stuttgart 1891) hervor. In dem grossen von Erich v. Drygalski heraus- gegebenen Werk „Grönland-Expedition der Gesellschaft für Erdkunde 1891—1893* (I. Bd, Berlin 1897) werden nun ausführlichere mechanische und chemische Analysen beigebracht, aus denen hervorgeht, dass es sich in der That in dem Kryokonit, von dem der genannte Geograph eine Portion aus Grönland mitgebracht hat, um irdischen Staub handelt. Die von G. Maas angefertigte mechani- sche Analyse ergab eirca 5 '/, Sand und etwa 95 °/, thon- haltige Theile, die chemische Analyse der letzteren (aus- geführt von R. Gans) über 53 %/, Kieselsäure, über 13 %, Thonerde, über 7°,, Eisenoxyd, fast 6°/, Humus, über 4°/, Kalkerde, fast 4°), Magnesia, über 3 °/, Natron, über 2°, Kali, ferner noch etwas Phosphorsäure, Kohlen- säure, Stickstoff. Die: von H. Potonie ausgeführte Untersuchung auf or- ganisirtte Materie erweitert unsere diesbezügliche Kenntniss in mehreren Punkten, wenn wir die Angabe Wülfing’s 1. ce. zu Grunde legen: „Herr Prof. Bloch- mann hatte die Freundlichkeit, einige Proben zu unter- suchen und mir mitzutheilen, dass eine grüne Alge sich vorfinde“. Weiter wird von dem genannten Autor über den organisirten Inhalt nichts gesagt. P. hatte zur Verfügung drei in verschiedener Weise behandelte Proben. Die am besten erhaltene war in Pikrinsäure und Spiritus aufbewahrt worden, die zweite in Wasser, die dritte in lufttrockenem Zustande. An pflanzlichem Inhalt fanden sich in dem Material nur Reste von Algen, vorwiegend Algenfäden, welche die Gesteinspartikel wie ein Filz zusammenhalten. Es sind allmählich nach der Spitze zu verschmälerte Fäden einer Rivulariacee, zusammengesetzt aus vielen, kurzen Zellen. Ed. Bornet in Paris bestimmte diese Rivulariacee als eine neue Art: Calothrix (Homoeothrix) Drygalskiana, ausserdem fand dieser Autor von Algen noch eine Pal- mellacee (Trochiseia) und eine Aphanocapsa oder Gloeo- capsa. P. sagt weiter: „Das in Wasser aufbewahrte Material (Probe 2) zeigte die organischen Materialien, wie schon der Geruch zeigte, in Zersetzung übergegangen, die aber auf einem bestimmten Punkt stehen geblieben war, da der die Zersetzung fördernde Sauerstoff der Luft durch eine gute Verkorkung des Glases kaum Zutritt hatte. Die mineralischen Bestandtheile, durchsetzt von den Algenfäden am Grunde des Glases, waren von einer gallertigen, braungelben Schieht bedeckt, über der das Wasser stand, die wohl die Abscheidung der die lebenden Algen umhüllenden Gallerte sein dürfte. Irgend eine Struetur liess die gallertige Masse nicht erkennen. Die Algenfäden in den Proben 2 und 3 konnten als solche ohne Weiteres nicht erkannt werden, da die Quer- scheidewände hier undeutlich oder gar nicht zu bemerken sind, so dass sie, auch durch ihre Färbung, leicht den Eindruck humifieirter Pilz-Hyphen machen. Die Ver- schmälerung der Fäden nach ihrem Gipfel hin und die Grössen-Verhältnisse derselben, überhaupt der Vergleich mit den gut erhaltenen Rivulariaceen-Fäden aus Probe 1 macht jedoch gewiss, dass es sich hier um dieselben Be- standtheile handelt, wie die besser erhaltenen in der Probe 1. Diatomaceen sind in den Proben nur spärlich vor- handen; es fand sich eine Pinnularia und eine sehr lang- gestreckte, stabförmige Art. Ausser den Algen fand sich in der Probe 1 ein ziemlich bedeutender Fetzen einer pflanzlichen, dünnzell- wandigen Epidermis mit Spaltöffnungen; sie dürfte einer Monocotyledonen oder Dieotyledonen angehört haben. Bezüglich des thierischen Inhaltes des Kryokonits ergab sich das Vorhandensein in Probe 1 und 3 einer Tardigraden, vermuthlich Macrobiotus Hufelandii. Schüttelt man die Probe 1 um und lässt sie dann langsam zum Absatz kommen, so ist diese Art in zahlreichen Exemplaren in der sich bildenden oberen Schicht, also in den leichteren Bestandtheilen des Materials zu constatiren. In Probe 1 und 3 fanden sich ferner Exemplare eines Räderthierchens der Gattung Brachionus, das aber wegen ungenügender Erhaltung nicht mehr spezifisch bestimmbar war. Kugelförmige und birnförmige Gebilde in Probe 1 dürften solche Thiere in eingezogenem Zustande sein. Ausserdem fand ich in Probe 3 eine einzelne Schuppe eines Schmetterlingsflügels, die durch ihre gelbbraune Färbung darauf hinwies, dass sie an der Bildungsstelle des Kryokonits in denselben hineingekommen ist, jeden- falls nicht nachträglich hineingerathen ist“. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Docent an der landwirthschaftlichen Hochschule in Berlin und Vorsteher des Instituts für Gährungs- gewerbe und Stärkefabrikation Prof. Dr. Delbrück zum Geh. Regierungs-Rath; der Privat-Docent der Botanik an der Berliner Universität Dr. Otto Warburg zum Professor. Berufen wurde: Der ausserordentliche Professor der Philosophie in Bonn Dr. Götz Martius als ordentlicher Professor nach Kiel. Es habilitirten sich: In Jena Dr. Schulz für physiologische Chemie; in Leipzig Dr. Richter für Philosophie; in München Assistent Dr. Trumpp für Kinderheilkunde; an der technischen Hochschule in Dresden Dr. R. Wolf für Bakteriologie; in Buda- pest Dr. Aladär Richter für physiologische und systematische Pflanzenanatomie. Es starben: Der um die Irrenpflege verdiente Geh. Sanitäts- Rath Dr. Ferdinand Wahrendorf in Ilten; der englische Bo- taniker Prof. Kirk; der Chemiker Dr. Ferdinand Hurter in Liverpool. 174 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIIL- Nr. 15. Litteratur. Dr. Berthold Weiss, Die Zukunft der Menschheit. Otto Weber in Leipzig 1898. — Preis 0,40 M. Das unscheinbare, 16 Seiten umfassende Schriftehen enthält geistreiche Aphorismen, die auf drei Phasen aller Entwickelungen hinweisen, die Phase des Entstehens, des Bestehens und des Ver- gehens, die sich zeigen am Sonnensystem, an der Erde, der Pflanze, dem Thier und Menschen. Verf. deutet die Charakteristika dieser Phasen insbesondere für den Menschen als Einzelindividuum und Volk an. Anton Kerner von Marilaun, Pflanzenleben. Zweite, gänzlich neubearbeitete Auflage. 2. Bd.: Die Geschichte der Pflanzen. Mit einer Karte, 233 Abbildungen im Text, 19 Farbendruck- und 11 Holzschnitt-Tafeln. Bibliographisches Institut in Leipzig und Wien 1898. — Preis geb. 16 M. Bd. I der Neu-Auflage des mit Recht allgemein bekannt ge- wordenen, schönen Werkes wurde Bd. XII der „Naturw. Wochen- schrift“ S. 69 besprochen. In zwei stattlichen, reich illustrirten Bänden liegt das Werk jetzt abgeschlossen vor. Die Neu-Auflage ist gründlich umgearbeitet und mit den neuesten Ergebnissen der Forschung bereichert worden, aber in richtiger Erkenntniss, dass die l. Auflage den Ton für das grosse Publikum, für welches das Werk berechnet ist, zutreffend gefunden hat, wurde an den Grund- linien der Darstellung, wie sie schon die erste Auflage aufwies, nichts geändert. Im grossen Ganzen also das frühere, beliebte Werk, wie es sich so viele Freunde zu erwerben wusste, ist das „Pflanzenleben“ im Einzelnen wesentlich verbessert worden, und diese Verbesserungen erstrecken sich auch auf den Illustrations- schmuck. Schon bei der Bearbeitung der ersten Auflage trat klar und unabweisbar der Umstand zu Tage, dass bei diesem Werke mehr als bei jedem anderen der Text weitgehende Anforderungen an die illustrative Ausstattung stellte, ja das bildliche Beiwerk musste fast noch reichlicher als im „Brehm“ vertreten sein, wollte man dem sich hier mehr als anderweit geltend machenden An- schauungsbedürfniss in befriedigender Weise entgegenkommen. Neben der Fülle aber waren gegenständliche Klarheit und wissen- schaftliche Treue die Haupterfordernisse für die Textbilder wie für die schwarzen und farbigen Tafeln. Diese Prinzipien, schon in der ersten Auflage glänzend durchgeführt, behielten natürlich auch in der zweiten ihre Geltung. Von den Beilagen wollen wir wenigstens einige ausdrücklich anführen. Im ersten Bande fesseln den Beschauer besonders die farbenprächtigen Drucke: „Nulli- porenbänke im Adriatischen Meere“, „Die Schattenpalme auf Ceylon“ (nach Haeckel), „Leuchtmoos im Geklüfte der Schiefer- felsen“, „Herbstliche Laubfärbung am Eriesee“, „Florideen im Adriatischen Meere“, und auch die Holzschnitttafeln: „Ravena!a Madagascariensis“, „Eiche“ etc. ziehen wegen der charakteristischen Darstellung des Gegenstandes die Aufmerksamkeit auf sich. Im zweiten Bande ragen durch besondere Schönheit hervor: „Vietoria regia im Amazonenstrome“, „Farne auf einer diluvialen Moräne in Tirol“, „Aroideen im brasilischen Urwald“, „Königin der Nacht“ (Mexico), „Westindische Orchideen“; ebenso die schwarzen Bei- jagen: „Buchenwald“, „Hexenringe“, „Baumfarne auf Ceylon“ u. s. w. — Wir freuen uns, dass das treffliche Werk wieder hinauszieht, neue Jünger zu werben der aufmerksamen und liebevollen Be- trachtung der Natur. Prof. Dr. Friedrich Hildebrand, Die Gattung Cyclamen L., eine systematische und biologische Monographie. Mit 6 litho- graphischen Tafeln. Gustav Fischer in Jena. 1898. — Preis 8 Mark. Verf. beschreibt ausführlich die bekannten Alpenveilchen- Arten, es sind deren 13 und giebt am Schluss des systematischen Theils einen Sehlüssel zur Bestimmung dieser 13 Arten, um sich sodann (S. 90—182) in dem „allgemeinen Theil“ über die Vege- tationsweise der Arten, Keimung, Knollen und Wurzeln, Laub- sprosse, Blüthen, Bestäubung, Fruchtbildung, Bastardbildung, Variation, teratologische Bildungen und geographische Verbreitung auszulassen. Die fleissige Arbeit wird dem Gartenfreunde er- wünscht sein und für jede weitere Beschäftigung mit der Gruppe zu Grunde zu legen sein. Fridtjof Nansen, In Nacht und Eis. Die norwegische Polar- expedition 1893—1896. Mit einem Beitrag von Kapitän Sverdrup. 211 Abbildungen, 8 Chromotafeln und 4 Karten. Neue revidirte Ausgabe. 2 Bände. F. A. Brockhaus in Leipzig 1898. Jahre werden noch vergehen bis zur endgültigen Bearbeitung der wissenschaftlichen Ergebnisse von Nansen’s Nordpolreise. In- zwischen erscheint eine neue, rovidirte Ausgabe seines Werks „In Nacht und Eis“, dessen |. Ausgabe in Bd. XII, S. 202/203 be- sprochen wurde. In Franz-Joseph-Land war der erste Theil des Manuscriptes einst entstanden, der Rest war nach der Rückkehr Stenographen dietirt worden. Zwischen Festen und Ehrungen und Vorträgen hat der gefeierte Forscher die Musse -gefunden, sein Werk nochmals durchzuarbeiten und namentlich die wissen- schaftlichen Ergebnisse zu ergänzen. Nansen hat es — nach einem Ausspruch des Geh. Admirali- tätsrath Prof. Dr. Neumayer verstanden, die Polarforschung populär zu machen und dadurch dem weitesten Publikum Herz und Hana zu öffnen, damit die letzten Geheimnisse auf unserem Erdball ent- hüllt und die Gebiete des Nordpols und Südpols endlich ganz durchforscht werden können. Wer verdenkt es dem praktischen Norweger, dass er die glänzenden Angebote seiner Verleger und Impresarios, die gleichzeitig sein Ideal verwirklichen halfen, nicht ablehnte? Wir müssen uns diesmal auf die wenigen Worte mit Hinweis auf das frühere ausführlichere Referat beschränken. Prof. Dr. Hippolyt Haas, Katechismus der Geologie. Sechste, vermehrte und verbesserte Auflage. Mit 157 in den Text ge- ‘ druckten Abbildungen und einer Tafel. In Verlag von J. J, Weber in Leipzig. — Preis geb. 3 M. Das in seiner 5. Auflage Bd. VIII (1893) der „Naturw. Wochenschr.“ S. 277 angezeigte, kleine Buch ist in der vor- liegenden 6. Auflage vielfach einer Umarbeitung unterzogen worden. Die Zahl der Abbildungen ist von 149 auf 157 gebracht worden. Dr. M. Wilhelm Meyer, Das Weltgebäude. Eine gemeinver- ständliche Himmelskunde. Mit 287 Abbildungen, -10 Karten und 31 Tafeln in Farbendruck, Heliogravüre und Holzschnitt von Th. Alphons, H. Harder W. Kranz, O. Schulz, G. Witt u. a. - Bibliographisches Institut in Leipzig und Wien 1898. Preis ge- bunden 6 M. j - f Das schön ausgestattete Werk gehört in den Rahmen. der von der Verlagshandlung herausgegebenen naturwissenschaftlichen Compendien im Anschluss an Brehm’s Thierleben. Wer Meyer’s Styl kennt, wird den Autor in dem Buch schnell durch die stellen- weis — wenigstens nach unserem Geschmack — etwas‘ zu 'pathe- tische Vortragsart wiedererkennen, die zu oft verführt, mehr zu sagen, als der ruhige Naturforscher sollte. Davon abgesehen aber gehört das Buch in die Reihe populärer Astronomien, die man empfehlen kann, denn es ist anregend geschrieben und in der Lage in das Gebiet einzuführen, das ja gerade denjenigen, der sich mit der Natur zu beschäftigen wünscht, zunächst am meisten zu interessiren pflegt. In der That ist es dem Verfasser gelungen, allgemeinverständlich zu sein, und wenn wir hervorheben, dass er zuweilen sich etwas zu: weit.in-Hypothesen verliert, so werden diese dem selbständigen Denker nicht schaden, da sie sich als solehe bei einiger Aufmerksamkeit leicht zu erkennen geben. Die durchweg trefflichen, und soweit es sich um „astronomische Landschaften“ handelt, künstlerischen Abbildungen sind instructiv und geschickt gewählt. j Prof. Dr. F. W. Küster, Abtheilungsvorsteher im chemischen Institut der Universität Breslau, Die Bedeutung der physi- kalischen Chemie für andere Wissenschaften. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht 1898. Der Vortrag brieht eine Lanze für den Ausspruch von Nernst, dass die durch das gemeinsame Wirken von Chemie und Physik geschaffene Naturanschauung die Grundlage aller anderen Zweige der Naturwissenschaft bildet. Erwin Knipping, Seeschiffahrt für Jedermann. Verlag von |G. W. Niemeyer Nachfolger (G. Wolfshagen). Hamburg 1898. — — Preis geb. 3,50 M. Der Verfasser ist aus der Praxis des seemännischen Berufs hervorgegangen. In seiner nachherigen Wirksamkeit als Mitglied der Prüfungs-Commission für Seeleute in Japan, Mitarbeiter an dem Segelhandbuch der Deutschen Seewarte über den Stillen Ocean, Bearbeiter der nautischen Notizen und Tabellen zu Justus Perthes’ See-Atlas, zur Zeit an der Redaction der Annalen der Hydro- graphie und maritimen Meteorologie ist er auch weiteren Kreisen be kannt geworden. In dem vorliegenden Buche ist die Aufgabe unter- nommen, allen Laien, jüngeren und älteren Seeleuten, eine Praxis der Seeschiffahrt zu liefern, wie sie in dieser Form und Kürze neu ist. Neben einer Menge werthvoller Winke ist besonders hervorzu- heben das hier behandelte Gebiet der Steuermannskunst, wie auch die wesentlich verkürzte Rechnung mit Hilfe 4stelliger Loga- rithmen in einfachster Anordnung. Verfasser möchte durch das Buch das noch vielerorts, so wohl im Küstengebiet als im Binnenlande mangelnde Verständniss für seemännische Dinge durch eine umfassende Behandlung des Stoffes in knapper und klarer Form heben und erweitern. IM N... E. v. Drygalski, Grönland-Expedition der Gesellschaft für Erd- kunde zu Berlin. Berlin. — 45 M. Foster, Prof. M., Physiologie. Strasburg. — 0,80 M. Hildebrand, Prof. Dr. Frdr., Die Gattungen Cyelamen L., einer systemat. und biolog. Monographie. Jena. — SM. Keilhack K. u. E. Zimmermann, DD., Verzeichniss v. auf Deutschland bezüglichen geologischen Schriften und Karten- Verzeichnissen. Berlin. — 4 M. Kaunhowen, F., Die Gastropoden der Jena. — 25 M. Specialkarte, geologische, des Königreich Sachsen. 1:25 000. 86. Hinterhermsdorf-Daubitz von O. Herrmann u. R. Reck. — 107. Zittau-Oybin-Lausche von Th. Siegert. — Leipzig. — 3 M. Vogler, Prof. Dr. Ch. Aug., Grundlehren der Kulturtechnik. Berlin. — 20 M. Maestriehter Kreide. Briefkasten. Einigen Anfragen betreffend die Rechtschreibung des Namens Kiau-tschou zu genügen, ‚bringen wir im folgenden die diesbezügliche Auslassung Ferd. -v. Richthofen’s in den Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin (XXV. Bd. 1898, S. 71—74). Der Name „Kiau-tschou“* besteht aus zwei Silben, welche zwei verschiedene Begriffe darstellen. Kiau ist der Name eines in alten Schriften oft erwähnten Volkes, welches, anfangs zu den Barbaren gerechnet, sich lange unabhängig gehalten hat. Als es im sechsten Jahrhundert v. Chr. unterworfen wurde, errichtete man eine Stadt, vor der aus wahrscheinlich der angegliederte Distrikt verwaltet wurde, und gab ihr den Namen des Volkes. Man hängt in China dem Namen jeder Stadt die Bezeichnung ihrer Rangstufe im Verwaltungs-Örganismus an. Die wichtigsten Rangstufen sind folgende vier: l. fu, Regierungsbezirk ersten Ranges, welcher mehrere Kreise ersten und zweiten Grades (tschöu II und hsiön) unter sich hat. Die Hauptstadt hat das Rang- zeichen fu, insoweit sie dem ganzen Regierungsbezirk vorgesetzt ist; ausserdem ist die Stadt selbst Haupt- stadt eines Kreises vom Grad eines hsiön. 2. tschou I, Regierungsbezirk zweiten Ranges. Er ist ebenso organisirt, enthält aber nur Kreise vom zweiten Grad (hsiön), und der Stadtbezirk ist nicht gleich- zeitig ein besonderer Kreis. 31° tschou IE, Kreis ersten" Grades: 4. hsiön, Kreis zweiten Grades. Im Ganzen giebt es neun Rangklassen von Verwaltungs- einheiten und ihnen vorgesetzten Ortschaften, und ebenso neun Rangklassen von Verwaltungsbeamten, Mandarinen. Den vier ge- nannten Rangklassen sind Mandarine vom 4., 5.. 6. und 7. Rang vorgesetzt. Kiau-tschou ist ein tschou II und bildet einen Kreis ersten Grades in dem Regierungsbezirk Lai-tschou-fu, welcher nach den ehemaligen Lai-Barbaren benannt ist. Früher gab es noch zwei nach den Kiau-Barbaren benannte Kreisstädte: Kiau-hsi und Kiau-tung. Die erste Silbe wird von den Chinesen genau wie der deutsche Klang von Kiau ausgesprochen; das auf i folgende au ist derselbe Diphthong wie in den Worten Kabliau, miau oder jauchzen. Da die phonetische Analyse diesen Diphthong in a und u zerlegt, so dürfen wir behaupten, dass wir ihn im Deutschen phonetisch genau richtig schreiben. Dies vermögen viele andere Nationen nicht zu thun. Da sie aber die meisten chinesischen geographischen Namen früher, als es in Deutschland geschah, schriftlich an- wendeten, so wurde ihre Schreibweise, die man einer weiteren Prüfung nicht unterzog, auch für Deutschland maassgebend. Es entstanden dadurch vielfache Missgriffe und Inconsequenzen. Dies gilt-auch für alle diejenigen Namen, in welchen der für uns ein- fach wiederzugebende Klang au vorkommt. Einerseits wurde den einfachen Voecalzeichen, deren deutsche (oder damit identische italienische) Lautung theoretisch als die allein richtige anerkannt wird, praktisch in der Aussprache ein anderer Klang beigelegt, wie es bekanntlich die Engländer betreffs des a und u, die Franzosen betreffs des u thun. Andererseits geben diese dem ebenfalls theoretisch als richtig geschrieben an- erkannten Diphthong-Zeichen au einen völlig verschiedenen, bei Engländern und Franzosen an ein mehr dumpfes oder offenes o erinnernden Klang, der weder mit der Aussprache der beiden ein- zelnen Komponenten a und u, noch mit dem zusammengezogenen Diphthong au phonetisch etwas zu thun hat. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 175 Sie befanden sich daher in Verlegenheit, als sich ihnen die Aufgabe bot, chinesische Namen zu schreiben, welche diesen Diphthong klar und scharf besitzen. Man traf die Auskunft, ao zu schreiben. Diesem Nothbehelf könnten wir uns zum Zweck internationaler Ausgleichung unbedenklich fügen, wenn dem ao die Aussprache eines Diphthongs beigelegt würde. Dies geschieht aber nicht. Wie in Pharaonen und Lykaonien, hört man bei der Aussprache der Schreibformen kiao (statt kiau) oder liao (statt liau, z. B. in Liautung), stets den Hiatus zwischen den Lauten a und o, oder mindestens ihre scharfe Sonderung, während au ohne weiteres als Diphthong behandelt wird. Es erscheint aus diesem Grunde unzweckmässig, die Schreibweise, deren sich die Träger anderer Sprachen als eines Nothbehelfs bedienen mussten, in das Deutsche zu übertragen, welche mühelos den richtigen Klang durch Buchstaben ausdrückt. Die Uebertragung wird aber auch durch Rücksicht auf internationales Entgegenkommen in der Orthographie nicht gestützt, weil in Frankreich und in England besondere, zur Festsetzung der Orthographie eingesetzte Kom- missionen dahin entschieden haben, dass die Vocale so auszu- sprechen seien, wie es im Italienischen (und im Deutschen) ge- schieht. Die Engländer haben daher in der offieiellen Schreibart schon grossentheils die Anwendung von au statt des veralteten ao zugestanden. Die zweite Silbe, welehe in chinesischen Städtenamen von den beiden vorgenannten Rangklassen. bekanntlich sehr häufig wiederkehrt, wird nicht überall gleich, niemals aber tschau aus- gesprochen. Im nördlichen, centralen und westlichen China sprieht man tschöu, verwandelt dies aber beinahe in dsehöu, wenn das Wort zur Ergänzung an ein erstes herangezogen wird, auf dem der Ton ruht. In Kiau-tschou ruht der Ton auf Kiau, weil dies allein eigentlich der Name ist; daher ist die Aussprache annähernd wie Kiau-dschöu. Doch wäre es der Gleichmässigkeit wegen nieht richtig, diese kleine Abwandlung zu berücksichtigen, und es ist mehr bereehtigt, in allen Fällen bei der Schreibart tschöu (oder, mit Weglassung des Accents, tschou) zu bleiben. Die Engländer haben hierfür chow gesetzt; doch ist dafür in der Neuzeit chou getreten, welches wir selbstverständlich in tschou umzusetzen haben. Die Franzosen würden wegen ihrer abweichenden Aussprache des Schriftzeichens u und des Ge- brauchs von ou zur Bezeichnung des Lautes u Schwierigkeiten : haben, einen schriftlichen Ausdruck für die Wiedergabe des chinesischen öu in tschöu zu finden. Es kommt zwar oou bei ihnen zuweilen vor; aber die Missionare des siebzehnten Jahr- hunderts fanden einen bequemeren Ausweg in der abweichenden Aussprache, welche dem engbegrenzten Idiom von Ningpo und Nanking eigen ist. Dort tritt nämlich für öu ein cu ein, welches von den Franzosen &ou geschrieben wurde. So wurden durch d’Anville’s maassgebende Karten von 1735 die vielen mit den Silben tschou und kou verbundenen Ortsnamen mit der Schreibart teheou und keou in die Geographie eingeführt. In Deutschland schrieb man (und schreibt man zum Theil noch heute) tscheu und keu. Eine weitere Folge war (horribile dietu!) die Aussprache tschoi und koi. (Seit dem 30. III. d. J. ist Kiau-tschou als offieielle Schreibweise eingeführt. Red.) Hr. Oberlehrer R. @G. — Ein zusammenfassendes neueres Werk über dieFermenteundderen Wirkung existirt meines Wissens nicht. Hingegen dürften die nachfolgend genannten Abhandlungen eine hinlängliche Orientirung auf dem Gebiete der Fermente bieten. Emil Fischer: Einfluss der Configuration auf die Wirkung der Eneyme, Ber. d. deutschen chem. Ges. XXVII, 2985 und 3479, ferner ebenda XXVIII, 1429 (Jahrgang 1894 und 1895). Ed. Buchner: Fortschritte in der Chemie der Gährung. Tübingen bei F. Pietzeker 1897. Prof. Thoms. Chiffre L. — Herr Prof. K. Schumann liefert zur Frage nach den Wolgahühnern freundliehst noch die folgende Ergänzung: „Wolgahühner sindin Russland gemästete, ganz gewöhnliche Haus- hühner, die sogleich nach dem Schlachten in der Eiskammer zum Gefrieren gebracht und so versandt werden.“ Herrn A. M. inL. — Nernst nennt die Gleichung von Guld- berg und Waage, die den Einfluss von Concentrationsänderungen bei constant gehaltener Temperatur kennen lehrt, die Gleichung der Reactionsisotherme, dagegen die Gleichung von van’t Hoff, die uns über den Einfluss der Temperatur auf den Gleichgewichts- zustand eines Systems bei constantem Volumen unterrichtet, die Gleichung der Reactionsisochore. $wo« bedeutet den Raum, den etwas einnimmt. Dr. 0. Dammer. Inhalt: 69. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braunschweig. — Ueber Kryokonit. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. Berthold Weiss, Die Zukunft der Menschheit. — Anton Kerner von Manilaun, Pflanzenleben. — Prof. Dr. Friedrich Hildebrandt, Die Gattung Cyelamen L. — Fridtjof Nansen, In Nacht und Eis. — Prof. Dr. Hippolyt Haas, Katechismus der Geologie. — Dr. M. Wilhelm Meyer, Das Weltgebäude. — Prof. Dr. F. W. Küster, Die Bedeutung der physikalischen ‚Chemie für andere Wissenschaften. — Erwin Knipping, Seeschiffahrt für Jedermann. — Liste. — Briefkasten. 176 Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. | | Max Steckelmann, | Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Photo::?rhische Stativ- und Hand- Gameras. Gediegene Ausstattung. | iE” Sämmtliche Bedarfsartikel. 9% Spee.: Steekelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). | | | | Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XIII. Nr. 15. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. In unserem Verlage erschien soeben: Willensfreiheit und sittliche Verantwortlichkeit. Eine socialpsychologische Untersuchung von Dr. Friedrich Wilhelm Foerster. 54 Seiten gross Octav. Preis 1 Mark. Hempel’s Klassiker Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchh. Die Insekten-Börse Internationales Wochenblatt der Entomologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, DE Professor am königl. Realgymn. in Berlin 444 Seitengr.8. Preis6M..geb.7M. hervorragendste Blatt, welches wegen der be- lehrenden Artikel, sowie seiner internationalen und grossen Verbreitung betreffs Ankauf, Ver- kauf und Umtausch aller Objecte die weit- gehendsten Erwartungen erfüllt, wie ein bester und bewährter Gebrauchte Probe-Abonnementlehren dürfte. Zubeziehen rs durch die Post. Abonnements - Preis pro G asmo t oren Quartal Mark 1.50, für das Ausland per DAMPF- und DYNAM O- Kreuzband durch die Verlags- Buchhandlung 2 MASCHINEN Frankenstein & Wagner, Leipzig, Salomon- PATENTBUREAU strasse 14, pro Quartal Mark 2.20 = 2 Shilling Ulrich R Maerz garantirt ‚betriebsfähig 2 Pence = 2 Fr. 75 Cent. — Probenummern cs idfi x in allen. Grössen svtort lielerbar. gratis und franco, — Insertionspreis pro Jnh:L. Schmidt ein ‚Ingenieur Elektromotor, s.n.v.#. Schilibauerdamm 21 Berlin NW. Bor Kurzem erjhien: Brüder und Schiveitern Bomann von Eugen Beichel. Geheitet 4 Mark, geb. 5 Mark. Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! = I Neues Princip für Massenbetheiligun „Grosse Vortheile? an industriellen ihternehmungen: g = Neuheiten - Vertrieb. — Y © 4 Neu aufgenommen: ir > Durel nEnun des Buttenstedt- A ,- schen Flusprineips va Y Ar pre) Trade Mark (von zwanzig namhaften Gelehrten ZH unterstützt) und mi fr Errichtung einer Versuchs- Je! ee in station für Flugzwecke. N u Internationaler Verein zur rationellen <-| \ 0.26, Verwerthung von Erfindungs-Patenten. Eingetragene Genossenschaft mit be- schränkter Haftpflicht. Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, participirt am Reingewinn und arhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabrieirten Artikel Berlin NW., Luisenstr. 22. Gegründet 1878. Patent- Marken -u. Musterschutz [=] Rs giebt kein Fahrra das auf Grund seiner Qualität und seiner gleichzeitigen Eigenschaften: Leichtester Lauf x Grösste Zuverlässigkeit Schönheit der Formen sich solcher allgemeinen Anerkennung erfreut wie das „ Adler“ Rad .. Adler Fahrradwerke vorm. Heinrich Kleyer, Frankfurt a. M. Spezial-Fabrik für Fahrräder mit über 1300 Arbeitern. Jahres-Production über 35 000 Fahrräder. Filialen gleicher Firma: Berlin, Hamburg, Köln, Hannover, Kopenhagen Vertreter im In- und Auslande. Per he a I N FD eb ee wre TE ee —— Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ZERUN Redaktion: ee se die naturwissenschaftliche Forschung -ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- den Gebil'en der Phantasıe, wırd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, der ihre Schöpfungsu schmückt. Schwendener. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. | Abonnement: Man abeonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Emerald bei der Post 15 „ extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Der Vierteljahrspreis ist AM 4.— [61 ? Sonntag, den 17. April 1898. Nr. 16. Inserate Die viergespaltene Petitzeile 40 4. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. 69. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braunschweig Ende September 1897. (Fortsetzung.) Mir scheint, dass man bei allen theoretischen Be- trachtungen über Befruchtung an die einfachsten Formen derselben sich zu halten habe. Als einfachste Form derselben haben wir aber — bei niederen Pflanzen — die Conjugation zweier Zellen erkannt. Zwei Zellen, jede für sich mit allen Attributen eines solchen Elementarorganismus ausgestattet, verschmelzen zu einer Zelle, Protoplasma mit Protoplasma, Kern mit Kern. Mehr können wir heute noch nicht sagen, indem wir nieht wissen, wie sich bei diesem Acte die etwaigen Kernkörper oder die etwaigen Centrosomen verhalten. Wir sehen nun, indem wir die Abänderungen, welehe die Befruchtungserscheinungen bei den Protozoen, insbe- sondere bei den Infusorien, erfahren, in Betracht nehmen, dass hier hauptsächlich die Kerne in Action treten. Das Protoplasma scheint inaetiv zu bleiben. Ich sage: „scheint“, denn es bildet sich während der Con- Jugation doch eine Protoplasmabrücke zwischen den eonjugirenden Individuen, dureh welche Brücke die aus- zutauschenden Kerntheile hindurehwandern, und es ist nicht in Abrede zu stellen, dass in dieser auch ein Aus- tausch von Protoplasmatheilen stattfinden kann. Ich möchte wenigstens bis auf strenge Widerlegung dafür eintreten, dass so etwas stattfindet. Bei den Metazoen übernehmen nun nicht mehr die gesammten Individuen, sondern besondere, in ihnen aus- gebildete Geschlechtszellen den Befruchtungsact, die Ovo- eyten und die Spermien. Wir sahen aber, dass die Spermien auch protoplasmatische Bestandtheile enthalten, und dass diese, soweit sie sich am Mittelstücke der Spermie befinden, mit in die Eizelle gelangen und mit deren Protoplasma sich mischen. Wir müssen also sagen, dass, wenigstens nach unseren jetzigen Kenntnissen, die Be- fruchtung in der Verschmelzung zweier Zellen besteht. Für die Metazoen wäre dem hinzuzufügen, dass dies zwei Zellen besonderer Art seien, die wir als” „Ge- schlechtszellen“ (Sexualzellen) bezeiehnen. Diese Zellen sind, das soll noch hervorgehoben werden, soweit wir dies nachzuweisen im Stande sind, auf der niedersten Stufe völlig gleich; also sind die differenten Ge- schlechter, das männliche und das weibliche, für- die Befruchtung an sich nichts Nothwendiges. Es ist aber völlig begreiflich, dass in der Natur, in der ja das Ver- mögen und die Tension nach weiterer Entwiekelung und weiterer Differenzirung besteht, sich die T'hatsache der Conjugation zweier gleicher Zellen als ein mächtiger Factor für weitere Differenzirungen erweist, und so wird es schon aus diesem Grunde, abgesehen von allem Anderen, auf welches ich hier nicht eingehen kann, begreiflichh, dass die mannigfachen Formen der Eizellen und der Spermien entstehen, welche aber jede eine ganze, wenn auch abgeänderte Zelle darstellen. Von dem Punkte nun ausgehend, dass es sich bei der Befruchtung stets um eine Conjugation zweier Zellen mit allen ihren Bestandtheilen handelt, müssen wir den Moment des Perfeetwerdens der Befruchtung dann für gekommen erachten, wenn diese Ver- schmelzung sich vollkommen vollzogen hat. In denjenigen Fällen also, in welchen die beiden Vorkerne nicht zum Furchungskerne verschmelzen, wie z. B. bei der Maus und bei Cyclops, wird, meines Erachtens, die Befruchtung erst später perfect, "und zwar erst währenil des Furchungsactes, bei dem es immer in irgend einem Stadium auch zur Verschmelzung der beiderlei Chromo- somen nachträglich kommt. Man möge nicht einwenden, dass ja doch das Ein- treten der Furchung die vollzogene, Befruchtung erweise. Mit Nichten! Denn wir wissen, dass die Eizellen, selbst die des Menschen, sämmtlich das Vermögen haben, sich auch ohne Eindringen einer Spermie parthenogenetisch bis zu einer gewissen Stufe zu theilen. Wenn nun aber eine Spermie eindringt, so kann dieses den Anfang der Furchungstheilung wohl bis zu einem gewissen Grade auslösen, und es ist sehr gut denkbar, dass die Theilung 178 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIU. Nr. 16. nicht bis zur vollständigen Entwiekelung gedeihen würde, wenn nicht doch auf einer gewissen späteren Stufe — wie bei Cyclops — auch die Kernverschmelzung einträte. Mit der Beantwortung der Frage, in welehem Augen- blieke die Befruchtung perfeet geworden sei, ist auch schon die zweite Frage, worin das Wesen der Be- fruchtung liege, gegeben. Das Wesen der Be- fruchtung ist die Verschmelzung zweier Zellen zu einer einzigen. Es klingt dies freilich sehr einfach; wenn wir aber eine nähere Erwägung anstellen, wird sie sich als. höchst bedeutungsvoller Vorgang, der in der Erdenwelt seines Gleichen nicht hat, darstellen. Wir müssen uns behufs dieser Erwägung einmal ver- gegenwärtigen, was wir denn in einer Zelle vor uns haben. Die Zelle ist nichts mehr und nichts weniger als die Grundform, in die alles Lebendige auf unserer Erde gebracht ist. Nach den Untersuchungen Bütschli’s haben wir allen Grund anzunehmen, dass auch das allertiefst stehende Lebendige, ein Bacillus oder ein Mieroeoceus, in die Form einer Zelle gebracht ist. Alles Lebendige, was auf unserer Erde vorkommt, ist geformt, und zwar als Zelle, oder aber, es ist Produet einer Zelle. Ein solches Produet, wie z. B. eine Muskelfaser oder Bindegewebs- faser, kann aber nicht neu entstehen für sich, sondern nur wieder aus irgend einer Zelle. Alle Geschöpfe, Pflanzen wie Thiere, sind entweder isolirte, zu einem selbstständigen Leben befähigte Zellen (Protophyten und Protozoen) oder Colonien von Zellen, die einen Theil ihrer Selbstständigkeit zum Besten des Ganzen aufgegeben haben, wie das, nicht ohne Absicht, schon Eingangs her- vorgehoben wurde. Jeder Tag, den wir der Erforschung des feineren Baues der Zelle widmen, bringt uns aber neue, zum Theil überraschende Aufschlüsse; wir kennen eine solehe Menge Details über den feineren Bau der Zelle, dass es schon zu einer besonderen wissenschaftlichen Diseiplin, der Cytologie, gekommen ist. Wenn wir nun bedenken, dass auch die höchsten Geschöpfe, wie der Mensch, aus einer einzigen Zelle, der Eizelle — oder hier richtiger gesagt — aus einer Zelle, welche das Product der Ver- einigung zweier Zellen ist, der befruchteten Eizelle, her- vorgehen, so ist klar, dass diese Zelle alle Energien, die zur Entwiekelung eines ganzen Menschen nöthig sind, in sich enthalten muss, oder doch wenigstens fähig sein muss, das Fehlende aus ihrer Umgebung zu assimiliren und diese Energien zu entwickeln. Jede Zelle ist also ein höchst complieirter Organismus! Wenn wir nun sagen, dass das Wesen der Befruchtung in der Ver- schmelzung zweier Zellen besteht, so werden wir wenigstens das „empfinden“ — „verstehen“ sage ich nicht —, dass es sich um einen höchst bedeutungsvollen Vorgang handelt, der in nuce, so möchte ich sagen, die Coneentration alles Lebens repräsentirt. Zwei für sich selbstständige Organismen von sehr verwickeltem Bau, Jeder mit besonderem selbstständigen Leben ausgestattet, verschmelzen zu einem Organismus, der nun befähigt wird, einer grossen Summe neuer Lebewesen seiner Art durch den Vorgang einfacher Theilung das Dasein zu geben! Denn dies ist die Folge der Befruchtung, sowohl bei den Protozoen wie bei den Metazoen. Bei den Proto- zoen trennen sich die einzelnen aus der Theilung hervor- gegangenen Tochterzellen sofort und leben jede für sich als selbstständiges Wesen weiter, bei den Metazoen bleiben die Tochterzellen zu einer Colonie vereinigt und gehen eine Arbeitstheilung ein, wie sie auch in einer Colonie von Thieren oder Menschen vorgenommen wird. Die einen Zellen werden zu Muskelzellen und übernehmen die Bewegung, andere bilden sich zu Knochen um und über- nehmen die Stütze der Gesammtcolonie, andere nehmen die Nahrung auf, andere werden wieder zu Geschlechts- zellen und warten des Moments, wo sie zu einer Ver- einigung kommen können. Während jedes Protozoon in einer Zelle alle diese Fähigkeiten vereinigt behält, hat die Metazoonzelle, wenn sie sich — bildlich gesprochen — einmal für die Wahl ihres Berufes entschieden hat, die Möglichkeit verloren, noch eine andere Aufgabe zu erfüllen. Aus Allem diesem ist leicht ersichtlich, welch grossen Inhalt der kleine Satz: „Das Wesen der Befruchtung be- steht in der Verschmelzung zweier gleichartiger Zellen“, in sich schliesst. —*) Warum nun, so lautet unsere dritte Frage, muss eine Befruchtung eintreten? Weshalb können nicht die Meta- phyten und Metazoen, so gut wie die Schizomyceten, sich auf dem Wege einer einfachen Theilung fortpflanzen, oder auf dem Wege der Sprossung? Sie können es auch zum grossen Theile, wie so viele Pflanzen und Thiere zeigen, die durch Stecklinge und Knospen sich fortpflanzen, z. B. Weiden, Pappeln und von den Thieren die Coelenteraten, Würmer u. a. Fest steht indessen, dass die höheren Thiere sich nur noch auf dem Wege der Befruchtung fortpflanzen, und dass auch diejenigen Pflanzen und Thiere, welche die Knospenfortpflanzung haben, daneben noch die geschlechtliche, die Befruchtungsfortpflanzung, besitzen. Daraus folgt, dass, wenn das Lebendige einen gewissen Grad höherer Organisation erreicht hat, die Be- fruchtung zur Erhaltung der Art eine Nothwendigkeit wird. Warum nun das? Weshalb ist die Befruchtung nothwendig? Eine sichere Beantwortung dieser Frage ist zur Zeit nicht möglich. Wir können nur vermuthen, dass in der Verschmelzung zweier, wenn auch gleichartiger Zellen das geheimnissvolle Mittel gegeben ist, wodurch eine weitere Differenzirung und Vervollkommnung der Lebens- formen auf unserm Planeten möglich wird. Wir müssen uns hierbei daran erinnern, dass unser Planet im Ganzen in gewissem Sinne selbst eine Art Lebewesen ist. Sicherlich ist er irgendwie einmal als besondere Daseins- form entstanden und hat sich von dem Momente seiner Entstehung an zu verändern, d. h. zu entwickeln be- gonnen. Sicher ist, dass er auch einmal aufhören wird, als besonderes Formgebilde zu bestehen. Man kann bei allen Ueberlegungen zu keinen anderen Schlüssen kommen. Keinen folgenden Augenblick hat unser Erdkörper den- selben Zustand, wie den Augenblick vorher oder nachher. Das Lebendige auf unserem Erdkörper muss sich dem anpassen und thut dies auch, wie uns die Paläontologie überzeugend lehrt. Fast alle die Thier- und Pflanzen- formen, welche z. B. zur Kreidezeit die Erde bevölkerten, sind, wenn auch nicht in den Gattungen, so doch in den Arten, heute geschwunden; aber wir haben allen Grund anzunehmen, dass die heutigen Formen in continuirlicher Reihe aus den alten entstanden sind. Das kann nur so erklärt werden, dass die Lebensformen selbst mit den Veränderungen der Erde sich in minimo stetig ändern und diese Veränderung auf ihre Nachkommenschaft über- tragen. Wenn nun ausschliesslich eine Fortpflanzung durch Theilung oder Knospung bestände, so würde ja zwar unter dieser Annahme im Laufe der Zeiten auch eine Veränderung kommen müssen, ob diese indessen zu der Mamnigfaltigkeit der Formen führen würde, wie wir sie thatsächlich vor uns haben, ist fraglich. Thatsächlich haben wir schon viele hundert verschiedene, wohl charakterisirte Arten von Schizomyceten vor uns, und das schon beweist, dass auch eine Veränderlichkeit bei Wesen möglieh ist, die, soweit wir wissen, nur durch Theilung *) Diesen Satz hat meines Wissens zuerst M. Nussbaum aus- gesprochen: „Die Befruchtung ist die Copula zweier homologen Zellen“. Sitzungsberichte der niederrheinischen Gesellschaft in Bonn. 19. März 1879. XII. Nr. 16 — ohne jede Befruchtung — sich fortpflanzen. Vielleicht ist dies auf die Dauer recht wohl möglich bei der so ein- fachen Organisation dieser Wesen. Sobald indessen eine höhere Organisation gewonnen wird, welche, naturgemäss, äusseren Einflüssen grösseren Widerstand entgegensetzt, reicht das Moment der äusseren Einwirkung und der Uebertragbarkeit auf eine durch Theilung gewonnene Nachkommenschaft nicht mehr aus. Es entwickelt sich der Befruchtungsvorgang, welcher ein neues und wirk- sameres Moment der Variabilität setzt. Unter der vorhin gemachten Voraussetzung nämlich, dass äussere Einflüsse Organismen vom Werthe einer Zelle noch verändern können, werden je zwei conjugirende Infusorien z. B. schon nicht mehr ganz gleich sein, wenigstens wäre es schwer denkbar, dass sie ganz gleich sich verhielten. Aus der Conjugation entsteht ein neues Wesen, welches die Eigenschaften beider haben muss und sie der Nach- kommenschaft überträgt. Hiermit ist also ein mächtiger Factor weiterer Differenzirung und vermehrter Anpassungs- fähigkeit an neue Lebensbedingungen gegeben, wie das insbesondere Weismann, dem ich in vielen Stücken folge, ausgeführt hat. Ich weiche freilich darin von Weismann ab, dass ich wenigstens die Vererbung von Eigenschaften, welche von einem ausgebildeten Organismus, der auf der Form einer Zelle steht, erworben sind, zulasse, oder, bei den Metazoen, die Vererbung von Eigenschaften, welche deren Geschlechtszellen erworben haben. Dagegen leugne ich mit Weismann die Vererbung von Eigenschaften, welche die Veränderung von ganzen Organen eines Metazoon betreffen, die im Laufe des Lebens erworben sind. ; So bin ich, um ein krasses Beispiel zu gebrauchen, mit Weismann der Ansicht, dass man niemals eine Rasse schwanzloser Hunde dadureh würde erzeugen können, dass man beiden Elternthieren die Schwänze exstirpirte und allen Nachkommen fort und fort, und dabei auch für strengste Inzucht sorgte, selbst wenn das Jahrtausende fortgesetzt würde. Denn die Veränderung trifft hier Körperzellen, nicht Geschlechtszellen. Die Geschlechts- zellen allerdings sind, meiner Ansicht nach, impressions- fähig, so dass sie das neu Erworbene übertragen können. Ob sie auch durch traumatische Proceduren (Wegnahme eines Stückes Kern oder Protoplasmas) in dieser Richtung beeinflusst werden können, das wissen wir nicht zur Ge- nüge, obzwar manche neuere Experimente dafür zu sprechen scheinen. Die Wege, auf denen sie verändert werden, sind in der Natur aber sicherlich andere, ver- schlungenere. Ich bin, um hier noch einmal zusammenzufassen, der Meinung, dass der Befruchtungsvorgang eine Einrichtung der Natur ist, welche die Variabilität der Lebewesen und damit ihre Anpassungsfähigkeit an die stetig fortlaufenden Veränderungen des Erdballes vermehrt, und hierdurch dazu beiträgt, dass sich das Leben auf unserem Planeten möglichst ausbreitet, möglichst lange erhält und möglichst vervollkommnet. Wie weit wir auf dieser Stufenleiter schon vorangeschritten sind, ob wir noch weiter schreiten werden, oder ob die Höhe schon hinter uns ist, wer ver- möchte das zu sagen!? Auf eines sei hier noch hingewiesen: auf die Diffe- renzirung der beiden Anfangs gleichen Geschlechtszellen zu Ovocyt und Spermie folgt, wie bekannt, die ihrer Träger zu verschiedenen Individuen, den männlichen und den weiblichen. Wir sehen somit, dass die Entstehung der beiden Geschlechter, deren Verschiedenheiten sich im Allgemeinen un: so schärfer ausprägen, je höher wir in der Welt der Lebewesen aufwärts gehen, ein secun- därer Vorgang ist. Welch hohe Bedeutung aber diese secundäre Differenzirung für das gesammte Leben auf Naturwissenschaftliche Wochenschrift. "19 unserem Planeten hat, ist nieht nöthig weiter auszumalen. Ich glaube nicht zu weit zu gehen, wenn ich behaupte, dass darin einer der wesentlichsten Factoren unserer Cultur und weiteren Entwickeluug liegt! Der Theorien über das Wesen der Befruchtung sind mehrere aufgestellt worden: die bedeutsamsten derselben mögen hier noch kurz berührt werden. OÖ. Hertwig stellte, als er seine wichtige Entdeckung gemacht hatte, den Satz auf, dass das Wesen der Be- fruchtung in der Verschmelzung der beiderlei Kerne liege. Da E. van Beneden richtig erkannte, dass bei As- caris vor Beginn der Furchung keine Verschmelzung der Kernehromosomen stattfindet, so vermochte er der Hert- wig’schen Verschmelzungstheorie nicht zuzustimmen. Er sieht vielmehr die Befruchtung in dem Augenblicke als perfect geworden an, in dem die beiden Vorkerne völlig ausgebildet sind. Ausserdem verknüpfte er seine Auffassung der Befruchtung mit der, welche er von der Bedeutung der Riehtungskörperchen sich gebildet hatte. Dureh die Ausstossung derselben verliert der ursprüng- liche Kern der Eizelle einen Theil der Masse, ebenso ist es bei den Spermatocyten während ihrer Theilung. Wir sind vorhin, bei der Besprechung der Reductionstheilungen, darauf eingegangen. Aus dieser Erwägung heraus spricht denn auch E. van Beneden nicht von „Kernen“ in der Eizelle (nach Ausstossung der Richtungskörper und Ein- dringen der Spermie), sondern von „Vorkernen“ (Pro- nuclei). Das, was O. Hertwig mit „Eikern“ und „Sper- makern“ bezeichnete, waren van Beneden’s weiblicher und männlicher „Vorkern“. Näher definirte nun van Beneden die Befruchtung dahin, dass es sich dabei um den Ersatz der dem Keimbläschen verloren gegangenen Kerntheile durch den männlichen Vorkern, der ja auch ein reducirter Kern sei, handle. Beide Kerne zusammen lieferten so viel Kernmasse, als für eine complete Zelle, die eine suc- cessive Theilung eingehen sollte, nöthi& wäre. Zu ver- schmelzen brauchten dann dabei die Chromosomen beider Vorkerne durchaus nicht; sie könnten es aber auch thun, und so erklärte sich das Wechselnde in dem an- scheinend so fundamentalen Vorgange der Chromosomen- Verschmelzung. Ich habe s. Z. die E. van Beneden’sche Lehre als „nucleare Ersatztheorie* bezeichnet. Kultschitzky ist der Meinung, dass es auf ein Mehr oder Weniger von Kernsubstanz bei der Beurtheilung dessen, ob etwas ein vollwichtiger Kern sei oder nicht, nicht ankomme; er hält daher die beiden Pronuelei E. van Beneden’s für richtig ausgebildete Kerne, zumal es ihm gelang auch im Spermakern, was bis dahin nicht bekannt war, ein Kernkörperchen nachzuweisen. Ausgehend nun von der gewiss zu rechtfertigenden Vorstellung, dass man doch immer unter Befruchtung, wenigstens bis dahin, das verstanden hatte, was das männliche Element zu leisten hat, um den Theilungsvorgang der Eizelle einzu- leiten und zu unterhalten — die feineren Vorgänge bei der Conjugation der Protozoen waren derzeit noch nicht bekannt — sah er das Wesen der Befruchtung darin, dass die weibliche Eizelle durch das Eindringen der Spermie, die sich in einen vollständigen Kern, den Sper- makern OÖ. Hertwig’s, umwandelte, auch unter den Ein- fluss eines männlichen Kerns gestellt würde. Unter dieser Vorstellung brauchte man gleichfalls an einer Verschmel- zung der beiden Kerne vor der Furchung nicht festzu- halten. Kultschitzky’s Lehre kann man als die „reine Nueleartheorie“ bezeichnen. Viel besprochen ist die Boveri’sche „Centrosomen- Theorie“. Wir erwähnten vorhin, dass in der Regel die Eizellen bei der Reifung ihr Centrosoma einbüssen, dass dagegen mit der Spermie ein neues Centrosom zugeführt 150 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. wird. Auf der anderen Seite hat die Spermie nur eine geringe Menge von Protoplasma; sie wird ergänzt durch das überwiegende Protoplasma des Eies. Boveri sagt in dieser Beziehung: „Das Spermatozoon besitzt alle zur Entwickelung nöthigen Qualitäten, Kern und Centrosoma, nur fehlt ihm das Protoplasma, in welchem diese Organe ihre Thätig- keit entfalten können. Das Ei umgekehrt besitzt Kern und Protoplasma, ihm fehlt aber das Centrosoma, oder das vorhandene ist zu schwach, um die Theilungsvorgänge in Bewegung setzen zu können. Durch die Vereinigung von Ei- und Samenzelle ergänzt jede von beiden den Defeet der anderen, und so entsteht das entwickelungs- fähige Ei, die erste Embryonalzelle.“ Sehr geschickt unterscheidet Boveri einen „Zweck“ der Befruchtung von dem „Wesen“ der Befruchtung. Als Zweck der Befruchtung sieht er die Vereinigung der Kerne an, indem er die Chromosomen als die Träger der Vererbungssubstanzen auffasst. Diese müssen also von den beiden sich paarenden Zellen zusammengebracht werden. Nun sollen aber auch nach der Zusammen- bringung dieser zwei Erbmassen neue Individuen ent- stehen, also, bei den Protozoen, müssen sich die gepaarten Individuen durch folgende Theilungen vervielfältigen, bei den Metazoen muss die erste aus der Paarung hervorge- gangene Embryonalzelle durch fortgesetzte Theilungen sich zu einem neuen Metazoon entwickeln, also überall muss nach der Paarung der Kerne eine grosse Folge von Zelltheilungen in Scene gesetzt werden. Boveri fasst nun die Centrosomen als selbstständige, activ das Protoplasma und speciell dessen Bewegungen beherrschende Organe der Zelle auf und sieht somit in der Einführung eines neuen, lebenskräftigen Centrosomas das Wichtigte, was die Spermie bezüglich der einen Seite der Befruchtung, die wir nach Boveri das „Wesen“ der- selben nannten, leistet, während die Eizelle das Substrat für die Einwirkung des Centrosomas, d. i. das Proto- plasma, liefert. Was nun aber zunächst die Experimente betrifft durch welche dargethan werden soll, dass die Vereinigung der Kerne nichts mit dem Wesen der Befruchtung, d. h. mit den zu der fortgesetzten Theilung führenden Bewegungen, zu tlıun hat, sondern lediglich dem Vererbungszwecke der Befruchtung diente, so hat Boveri deren zweierlei aus- geführt. Er zerlegte durch Schütteln die Eier von Sphaer- echinus granularis und befruchtete diese geschüttelte Masse mit Spermien von Echinus microtubereularis. Es wurden nun sowohl gewöhnliche und wohlbekannte Bastard- larven als auch andere Larven erzielt, welche ausschliess- lich den Typus der Larven von Echinus mierotubereularis hatten. Boveri schliesst nun, dass diese letzteren erzeugt worden seien aus kernlosen, beim Schütteln entstan- denen Stücken der Eier von Sphaerechinus und in diese Stücke eingedrungenen Spermien von Echinus. Ferner beobachtet man nicht selten bei den Befruch- tungen von Echinodermen-Eiern, dass nach der ersten Theilung der Spermakern unverschmolzen in der einen Theilzelle liegen bleibt, während sich ein Centrosoma mit dem Eikern vereinigt hatte; nichts desto weniger geht die Theilung einige Stadien weiter, bis dann in einer der Theilungszellen einmal die Vereinigung auch der beiderlei Kerne stattfindet. Hier wäre also der Spermakern als unnöthig hingestellt. Boveri schliesst nun aus diesen Ex- perimenten und Beobachtungen, dass ebensowenig der Eikern, wie der Spermakern für die Anregung zu den Theilungen nothwendig seien. Hier muss aber eingewendet werden, dass die Wieder- holung der Boveri’schen Experimente durch Morgan und Ziegler nicht die vollen Ergebnisse brachte, wie sie Boveri XII. Nr. 16. erhalten hatte; kernlose Eifragmente, in welehe Spermien eingedrungen waren, gelangten keineswegs bis zum Larvenstadium, und Eifragmente ohne Spermie, nur mit dem Eikerne versehen, schritten in der Theilung gar nicht voran, sondern gingen zu Grunde. Neuere Experimente von Boveri selbst gaben auch nicht die weitgehenden Re- sultate, wie er sie früher aus seinen Beobachtungen an- nehmen zu müssen geglaubt hatte. Sonach lässt sich der Satz, dass die Kernpaarung ausschliesslich dem Vererbungszwecke der Befruchtung diene und für die Theilungsvorgänge selbst belanglos sei, nach dem Stande unseres heutigen Wissens nicht aufrecht erhalten. Ebensowenig aber die Rolle, welche Boveri den Centrosomen anweist. v. Kostanecki, der sonst auf Boveris Standpunkte steht, schreibt nicht dem Centro- soma der Spermie, sondern dem Protoplasma derselben, welches in Form eines Archiplasmas um das Centrosoma eoncentrirt ist, die Einwirkung auf die Theilungsvorgänge zu. Ich verweise hier auch noch auf die Bedenken, welche jüngst Carnoy und Lebrun gegen Boveri’s Theorien geäussert haben. Ich meine nun auch noch Folgendes sagen zu sollen: Wir sehen, wie bereits vorhin hervorgehoben wurde, dass die einfachsten Organismen die Befruchtung als eine reine Zelleneonjugation vollziehen. Sobald eine Differenzirung dieser Zellen in männliche und weibliche eintritt, wie bei den Metaphyten und Metazoen, lässt sich die Nothwendig- keit dieser Differenzirung dadurch erklären, dass bei der Eigenthümlichkeit des Metazoenbaues grössere Schwierig- keiten sich dem Begegnen beider Zellen behufs der Ver- schmelzung entgegenstellen. Dabei ist nicht zu übersehen, dass in den beiden Zellen auch das für die ersten Thei- lungen nöthige Nahrungsmaterial aufzusammeln war. Es liegt auf der Hand, dass dieses Beides: das die Copu- lation bedingende Aufsuchen und Eindringen und die Aufspeicherung von Ernährungssubstanz am vollkommensten und einfachsten durch eine sich auf beide Sexualzellen erstreckende Arbeitstheilung erreicht werden konnte. Wenn wir also bei dem Versuche, das Wesen der Befruchtung zu erfassen, die Differenzen zwischen der Eizelle und der Spermie, Dinge, die sich ganz seeundär entwickelt haben, mit heranziehen, wie es die Boveri’sche Lehre thut, dann laufen wir allemal Gefahr, irre zu gehen. Vorläufig können wir uns noch nicht weiter vorwagen, als den leider noch unbefriedigt lassenden Satz aussprechen, dass die Befruchtung in der Verschmelzung zweier gleich- werthiger Zellen bestehe. Indem wir uns nunmehr zu der Vererbungsfrage wenden, muss ich von vorn herein um Entschuldigung bitten, wenn ich hier nur einen Punkt des ungeheuren und noch so räthselvollen Gebietes berühre, welches die Vererbungslehre umfasst. Wer sich eine Vorstellung da- von machen will, wie vieles in diese Lehre hineinspielt, den verweise ich auf die beiden Werke von Orschansky und Yves Delage, in welchen, namentlich in dem ersteren, ein grösserer Theil der Probleme, welche hier noch zu lösen sind, in sehr verdieustvoller Weise abgehandelt wird. Die Frage, welche ich an dieser Stelle zu erörtern versuchen werde, betrifft allerdings den Cardinalpunkt der Vererbungslehre, wie er sich unmittelbar an die vorhin entwickelte Befruchtungslehre anschliesst, nämlich die Frage nach den Trägern der Vererbungs- potenzen innerhalb der bei einem Befruchtungs- act sich paarenden Zellen. Seit wir wissen, dass ein neues Wesen durch eine Verschmelzung von Ovocyte und Spermie zu Stande kommt, war es klar, dass sowohl in der Eizelle, als auch in der Spermie die gleichen Vererbungspotenzen liegen mussten, denn die Nachkommen ähneln sehr oft beiden XIII. Nr. 16. Eltern in gleicher Weise; bald freilich überwiegt die Aehnlichkeit mit dem mütterlichen, bald die mit dem ‚äterliehen Organismus. Fügen wir gleich hinzu, dass, wie allgemein bekannt, auch noch der Einfluss der Ahnen und Urahnen sich mit oft frappirender Stärke wieder geltend machen kann. So knüpft die Vererbung ein starkes Band zwischen ganzen Generationsreihen, so schafft sie die Familie, den Stamm, die Nationen, die Rassen! Welch ein ungeheures Agens, die Vererbungs- fähigkeit! Welch ein Problem, wenn wir bedenken, dass die Vererbung mit allen ihren Varianten an so zwei winzige Körperchen wie die Eizelle und die Spermie, ge- knüpft ist! Die Frage nach der Vererbung verfeinerte sich und spitzte sich in überraschender Weise zu seit dem Nach- weise der Chromosomen und der Entdeckung der Kern- versechmelzung. Da wir seit v. Kölliker’s bahnbrechenden Untersuchungen wussten, dass die Spermien wesentlich Kerngebilde sind, so musste in logischer Consequenz nach Entdeekung der Kernverschmelzung bei der Befruchtung sofort die Frage auftauchen: Ist nicht, da eine einzige Spermie alle Charaktere des Wesens, von dem sie stammt, zur Vererbung bringen kann, die letztere an die Kern- substanz gebunden? In der That haben auch alsbald, wie bemerkt, O. Hertwig und Strasburger die Kerntheorie der Vererbung aufgestellt. Kurz vorher schon war der verstorbene Münchener Botaniker Nägeli zu der Anschauung gekommen, dass die Geschlechtszellen zwei verschiedene Arten von Proto- plasma enthielten, welche er als Ernährungsplasma und Idioplasma bezeichnete. Das letztere müsse in gleichen Mengen sowohl in den Eizellen, wie in den Spermien vorhanden sein, es übertrage die erblichen Eigenschaften. Das Ernährungsplasma dagegen diene nur der Ernährung und Unterhaltung der Zelle und sei bei der--Vererbung-nieht- betheiligt. Nägeli lässt das Idioplasma als eine Substanz von festerem Gefüge durch die übrige Zellmasse verbreitet sein. ©. Hertwig und Strasburger sprachen nun die chromatische Substanz des Kernes als dies Idioplasma an und gaben dadurch der Vorstellung Nägeli’s ein bestimmtes, fassbares und weiterer Untersuchung zugängliches Substrat. Ich füge noch hinzu, dass man seit E. van Beneden, Pfitzuer u. A. sich die Vorstellung gebildet hat, als be- stände die chromatische Substanz des Kernes aus kleinen, gleich grossen T'heilen, den Karyomikrosomen; diese Vor- stellung ist weiter von Nägeli im Sinne der Molecular- theorie ausgebildet worden, indem er noch weit kleinere Theilchen als Bestandtheile seines Idioplasmas annimmt, die er „Micellen“ nennt; jede Micelle würde wieder aus mehreren Molecülen zusammengesetzt. Micellen können gruppenweise zu höheren Einheiten, die mit besonderen Eigenschaften ausgestattet sind, und die man als be- stimmte, von einander qualitativ unterschiedene, elementare Bestandtheile des Idioplasmas anschen kann, verbunden sein. ©. Hertwig bezeichnet solche Micellengruppen, die er aus der chromatischen Kernsubstanz bestehen lässt, als „Idioblasten“. Die Vorstellung der Zusammen- setzung der Erbsubstanz, des Idioplasmas, aus einer grossen Anzahl unter sich qualitativ verschiedener Elemen- tartheilchen, welche wachsen und sich durch Theilung vermehren können, wodurch sie sich von den Moleeülen und Atomen der Chemiker und Physiker unterscheiden (0. Hertwig), lässt uns eine bestimmte Vorstellung davon gewinnen, wie bei der Gleichheit der Nachkommenschaft im Rahmen der Art, in welchem ja fast allein — oder sicher sonst nur noch bei nahe verwandten Arten — Be- fruchtung und Vererbung stattfindet, doch die einzelnen Individuen in allen ihren Theilen mit einer gewissen Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 151 Differenz sich ausbilden. Ich will nur bemerken, dass das Bedürfniss nach einer solehen Vorstellung vom feineren Bau der Zellen und speeiell der Vererbungsmasse von vielen Seiten lebhaft empfunden ist, und dass nach dieser Richtung verschiedene T'heorien ausgebaut sind, die der Hauptsache nach auf den Idioblasten verwandte Vorstel- lungen hmauslaufen, so von Franeis Darwin, de Vries, Weismann, W. Roux, Wiesner, H. Spencer u. A. Die Vorstellung ©. Hertwig’s und Strasburger’s, dass die Vererbungssubstanz, das Idioplasma mit seinen Idio- blasten, in dem Zellkerne gelegen sei, hat bald viele Anhänger gefunden; sie wird heute von den meisten Bio- logen, ich nenne v. Kölliker, Weismann, E. van Beneden, W. Roux, Boveri, R. Hertwig, C. Weigert, de Vries, Guignard u. A. getheilt. ©. Hertwig bestimmt als Erb- masse näher das Chromatin (Nuclein) des Kernes und die Polsubstanz, d. h. die Substanz der Centrosomen, und stützt seine Lehre im Wesentlichen dureh folgende Gründe: Wir sehen erstens, dass in sehr vielen Fällen die Nach- kommenschaft gleich viel Eigenschaften vom väterlichen und vom mütterlichen Organismus aufweist, das lässt auf eine Gleichheit der Erbmassen in der Eizelle und in der Spermie schliessen. Nun sind aber nur die Kerne, welche bei der Befruchtung copulirt werden, (d. h. der weibliche und der männliche Vorkern, wirklich gleich, und es ist sogar, wie wir gesehen haben, geradezu auf- fällig (Kultschitzky 1. e.), wie sehr die beiden Vorkerne unmittelbar vor ihrer Verschmelzung einander gleichen! Das Protoplasma dagegen der Eizelle und der Spermie sind sehr ungleich. Zweitens müssen wir annehmen, dass das Idioplasma auf die bei der Entwickelung aus der Eizelle hervor- gehenden Tochter- und Enkelzellen gleichmässig vertheilt wird. Dafür spricht die Thatsache, dass man bei manchen niederen metaphytischen und metazoischen Wesen aus jeder Zelle derselben ein neues Wesen derselben Art her- vorwachsen sehen kann. Auch für die Sexualzellen der höheren Thiere und Pflanzen gilt dies ja, wie ohne Wei- teres zuzugeben ist. Nun sind aber die verschiedenen Zellen solcher Thier- und Pflanzenleiber verschieden gross, während die Kerne nahezu gleich gross sind. Auch die Vorgänge bei der mitotischen Theilung weisen darauf hin, dass es der Natur darauf sehr genau ankommt. den beiden Tochterzellen gleich viel cehromatische Kern- substanz und Polsubstanz (Centrosomensubstanz) mitzu- geben, welcher Auffassung von der Bedeutung der Kern- theilungsfiguren insbesondere W. Roux klaren Ausdruck gegeben hat. Drittens wird von ©. und R. Hertwig der vorhin an- geführte Boveri’sche Bastardirungsversuch herangezogen. In der That wäre es ein starkes Argument für die Kern- vererbungslehre, wenn es allemal zuträfe, dass ein kern- loses Stück eines Eies von Sphaereelinus granularis, be- fruchtet mit einer Spermie von Eehinus mierotubereularis, Bastardlarven von Echinuscharakter lieferte. Schliesslich ist auf die Reductionstheilungen hinzuweisen. Sie betreffen nur die Kerne und passen vortrefflich zu der Erwägung, dass bei dem Befruchtungs- acte durch Kerneopulation, falls in den Kernen die Erb- masse ruht, Einrichtungen getroffen sein müssen, welche eine Summirung der Erbmassen zu verhüten geeignet sind. Insbesondere hat Weismann in seinen genannten Abhand- lungen diese Seite der Frage in geistvoller Weise ein- gehend erörtert. Vielleicht ist auch der Umstand hierher zu ziehen, dass, wie es scheint, die Eizellen ihr Centrosom verlieren. Wenn ich nun auch die Gründe der Anhänger der Kernvererbungslehre vollauf anerkenne und offen meine Meinung dahin äussere, dass O. Hertwig’s und Stras- 152 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 16. burger’s Vererbungslehre heute als die am besten gestützte zu gelten hat, so will ich doch nicht verschweigen, dass keines der Argumente zwingend ist. So muss darauf hingewiesen werden, dass sehr oft in der Nachkommen- schaft der väterliche oder mütterliche Einfluss in auf- fälliger Weise überwiegt. Ferner zeigen doch viele Kerne der verschiedenen Zellenarten nicht die erwünschte Gleich- heit, und die Reductionstheilungen sind bei Weitem noch nieht sicher überall erwiesen, wie wir vorhin bemerken mussten. Auch ist schon die Anfechtbarkeit des Boveri- schen Versuches besprochen worden. Was mir aber besonders wichtig erscheint, ist, dass die Forschungen auf dem Gebiete der Spermatogenese lehren, dass am Mittelstücke der Spermien stets Proto- plasma in, wir können sagen, concentrirtester Art, als sogenanntes Archiplasma (Benda), Archoplasma (Bo- veri) (Sphäre) sich befindet. Ich bin mit R. v. Erlanger und v. Kostanecki und Siedlecki der Meinung, dass das Archiplasma nichts Besonderes im Sinne Boveri’s, sondern Neue Apparate zu BRöntgen-Versuchen von der Firma Siemens & Halske Actiengesellschaft in Char- Ioftenburg und Berlin. — Die zur Erzeugung von Röntgen- strahlen verwendeten Vacuumröhren werden bekanntlich in Folge der während des Gebrauchs im Ent- ladungsrohr stattfinden- den Druckänderungen allmählieh unwirksam. Durch die Erwärmung der von den Kathoden- strahlen getroffenen Röhrenwandung wird die dem Glase anhaftende Luftschicht losgelöst, während durch Zerstäu- ben der Elektroden Luft gebunden wird. Jenach- dem der eine oder der andere Einfluss über- wiegt, steigt oder sinkt der Luftdruck in der Röhre. Da die Ent- stehung der Röntgen- strahlen an einen be- stimmten Gasdruck ge- bunden ist, so hört bei allzu grossen Druckände- rungen die Wirksamkeit der Röhre auf. Dieser Fehler der gewöhnlichen Röntgen- nur ein verdichtetes, gleichsam eoncentrirtes Protoplasma darstellt, und verweise noch insbesondere auf die inhalt- reiche Arbeit des jüngst verstorbenen sorgfältigen For- schers L. Auerbach über die Spermien von Paludina vivipara. Wird nun mit der Spermie dies so zu sagen concen- trivte Protoplasma eingeführt — und R. Fick sowie v. Kostanecki sprechen sich direet dafür aus —, so kann man nicht annehmen, dass es unwirksam bleibe. Boveri und v. Kostanecki gestehen ihm auch eine mechanische Wirkung zu, wie wir vorhin sahen; aber, wenn überhaupt männliches Protoplasma in die Eizelle hineingelangt, dann sind wir zur Zeit, so meine ich wenigstens, noch nicht berechtigt, jeden Erbeinfluss desselben auszuschliessen. Ich führe gern hier an, dass auch R. Fick, Flemming, Verworn, Rauber, J. Frenzel und insbesondere Nuss- baum, sowie noch jüngst Carmoy und Lebrun dem Proto- plasma seinen Einfluss bei der Vererbung gewahrt wissen möchten. (Fortsetzung folgt.) bildet, während eine Zunahme des Druckes durch Er- wärmen der Rohrwandung und Vertreiben der an der Glasfläche verdichteten Luftschieht erreicht werden kann. Die Abbildung stellt die neue Röntgenlampe dar. Das cylindrische Entla- dungsrohr enthält eine als Hohlspiegel geformte Kathode aus Aluminium- blech und eine ebene, schräg zur Röhrenachse gestellte Platin- Anode. Eine mit dem Entladungs- rohr verbundene: Kugel trägt eine Hilfsanode und dieser gegenüber ein An- satzrohr, dessen Wan- dung mit dem zur Luft- absorption dienenden Phosphor bedeckt ist. Mit Hilfe eines fluo- reseirenden Schirmes lässt sich leicht erkennen, ob im Entladungsrohr der für die Entstehung von Röntgenstrahlen günstig- ste Luftdruck herrscht. Leuchtet der Schirm nur schwach, während von dem Aluminium - Hohl- spiegel ein starkes, ko- nisches Bündel blauer Strahlen ausgeht, so ist der Luftdruck im Rohr röhren wird in der ein- fachsten Weise durch die neue, der Firma Siemens & Halske Actien- gesellschaft gesetzlich ge- schützte Röntgenlampe mit regulirbarem Vacuum gehoben, die den Vortheil bietet, dass während des Gebrauchs der Luftdruck! im Ent- ladungsrohr stets genau auf die Höhe eingestellt werden kann, bei der sich die intensivste Bestrahlung und die schärfsten Bilder ergeben. Das Mittel zur Verminderung des Luftdruckes ergab sieh aus der Beobachtung, dass die beim Stromdurchgange leuchtende Luft mit den Dämpfen des Phosphors, Jods und ähnlicher Stoffe feste Körper Fig. 1. Eine neue Röntgenlampe mit regulirbarem Vacuum. zu hoch; man legt in diesem Falle den posi- tiven Pol des Inductoriums an die Hilfselektrode der Kugel und lässt den Entladungsstrom so lange auf die Luft und den Phosphor- dampf in der Kugel einwirken, bis das Anfangs das Ver- bindungsrohr erfüllende, blauweisse Licht zu einem dünnen Faden zusammenschrumpft. Ein zu niedriger Luftdruck wird durch intermittirende Entladung und völliges Fehlen des blauen Lichtes bei schwacher Fluoreseenz des Sehirmes angezeigt; man erhöht dann den Druck, indem man die Kugel mit einer Flamme erwärmt und dadurch RN ENT 16, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 183 die am Glase haftende Luftschicht in das Vacuum hin- | stellt einen Inductor für 30 em Schlagweite dar, der auf eintreibt. In Folge der genauen Regulirung des Vaeuuns ist die Intensität der mit der hier beschrie- benen, neuen Rönt- genlampe erzeugten Strahlung bei Ver- wendung von ver- hältnissmässig_ klei- nen Funkeninducto- ren sehr bedeutend; man kann z. B, mit Induetorien von nur 15 bis 20 em Schlag- weite Strahlen er- zielen, die das Kno- der linken Seite mit einem Queck- ] silber - Unterbrecher und Stromwender und auf der rechten mit einem Deprez- Unterbreeher ver- sehen ist; in dem Kasten, auf dem diese Theile aufge- baut sind, befindet sich der Conden- sator. Die eigenar- | tige >ehandlung der Secundär- spule macht das Auftreten von Isola- chengerüst der Hand durch eine 2 mm dieke Messingplatte hindurch deutlich erkennen lassen. Eine Probe von der Leistung der neuen Lampe giebt die in Figur 3 reprodueirte photographische Auf- nahme einer Messingplatte von 5 mm Dieke mit kreuzweise aufgelegten 1 mm dieken Messingstreifen. Die Aufnahme erfolgte mit 5 Minuten Belichtung bei 15 em Schlagweite des Induetors und 15 em Entfernung zwischen Röhre und Object. Die Röntgenlampen eignen sich wegen der - Intensität: ihrer Strahlung be- sonders zur Durchleuchtung des ganzen Körpers erwachsener Per- sonen. Die Verwen- dung der Funken- induetoren für Röntgen - Versu- che stellte ver- schiedene neue An- forderungen an die Construction dieser Apparate. Inductor und Unterbrecher sollen, ohne Schaden zu nehmen, eine län- gere, ununterbroche- ne Benutzung ge- statten; der Unter- breeher soll wäh- rend des Betriebes ohne Störung des- selben regulirbar sein; einzelne der Abnutzung unter- worfene Theile des Unterbrechers sollen sich auf einfache Weise auswechseln lassen. Diesen Anforderungen entsprechen die von der ge- nannten Firma gebauten Inductoren. Ausgerenkter Arm. Arm. wieder eingerenkt. Fig. 3. Fig. 4. Funkeninductor. = tionsfehlern in die- sem empfindliehsten und werthvollsten Theile des Appa- rates selbst bei lang anhaltender, starker Beanspruchung unmöglich; dasselbe gilt für den zur Unterbrechungsstelle des Primärstrom- kreises parallel liegenden, sorgfältig zusammengesetzten Condensator. Bei der Ausführung des rechts montirten Deprez-Unterbrechers ist darauf Bedacht genommen, dass die Unterbrechungsfunken weder eine übermässige Erwärmung hervorrufen noch eine Beschädigung der isoliren- den Theile herbeiführen. Bei Funkeninductoren für ge- ringere Schlagwei- ten (10 em) genügt ein Unterbrechungs- eontaet, bei sol- chen für höhere Schlagweiten (von 20 em an) hat es sich im Interesse sicheren Fune- tionirens als vor-. theilhaft erwiesen, zwei Contacte zu verwenden; die Stromunterbrechung ist alsdann eme gleichmässigere, so dass grössere Schlagweiten auch durch den Deprez- Unterbreeher mit Sicherheit erzielt werden können. Der Queek- silber-Unterbre- eher auf der lin- ken Seite des In- duetors ist construc- tiv dadurch ausge- zeichnet, dass der bewegliche Arm mit | at Red] Unterbrechungsstift und Eisenanker fest in Zapfen ge- Die Abbildung 4 | lagert ist; hierdurch wird die Bewegung des Armes 154 Naturwisseuschaftliche Wochenuschritt. XII. Nr. 16. sicherer gewährleistet, als wenn er durch eine Blattfeder mit der festen Säule verbunden wäre. Besondere Spiral- federn überbrücken den Uebergangswiderstand zwischen Zapfen und Säule. Der Eisenanker sitzt an einem be- sonderen, durch Schraube verstellbaren Theil des Armes, damit man seine Entfernung von dem Eisenkern des In- duetors reguliren kann Auf den Arm ist eine Stange mit Laufgewieht auf- geschraubt, durch das die Anzahl der Unter- brechungen in be- kannter Weise ver- ändert werden kann. Der Stromwen- der neben dem Queck- silber-Unterbrecher ist mit Anschlägen und Marke versehen, wo- durch die richtige Ein- schaltung bezüglich der Polarität erleichtert und der Gefahr vor- gebeugt wird, dass die Vacuumröhre durch falsche Verbindung mit den Polen der Secundärspule beschä- digt werden kann. Auf dem Schild- chen am Condensator- kasten des Inductors sind alle wissenswer- then Constanten der Primär- und Seeundär- spule verzeichnet. Die Abbildung auf dieser Seite zeigt alle für eine Durchleuch- tung erforderlichen Apparate. Der Induc- tor erhält seinen Strom von einer besonderen sechszelligen Akkumu- latorenbatterie, in deren Stromkreis ein Regulirwiderstand mit fünf Abtheilungen eingeschaltet ist. Die beiden Elektroden der «esetzlich geschützten Röntgen-Lampe mit regulirbarem Vacuum, die durch ein practisches Stativ zum Verstellen der Lampe ge- halten wird, sind mit den Polen der Secundärspule des Induetors verbunden, von denen auch zu den beiden Elektroden des Funkenmessers Drähte geführt sind. Diese Anordnung empfiehlt sich aus zwei Gründen: ein- mal lässt sich aus der Art und Weise, wie die Funken am Funkenmesser überspringen, die Polarität der Seeundär- spule bestimmen, bevor die Röhre eingeschaltet ist; sodann ist durch die Einstellung des Funkenmessers auf ent- sprechende Entfernung der Elektroden ein Mittel gegeben, Ein Versuch, die bei Blitzschlägen erreichte maximale Stromstärke zu schätzen ist von F. Pockels im Februarheft der „Meteorologischen Zeitschrift“ mitge- theilt worden. Pockels ging von der Ueberlegung aus, dass der an exponirten Basaltfelsen häufig beobachtete, starke polare Magnetismus durch Blitzschläge verursacht sein müsse, und glaubte somit in der magnetisirenden Inductor mit Apparaten für Durchleuchtung. die Lampe gegen Beschädigung durch Funken von zu grosser Länge zu schützen. Das zweite Stativ trägt einen Fluoreseenzsehirm mit Dunkelkappe für Durchleuehtungen. Die Röntgen- lampe lässt sich an ihrem Stativ in einfacher Weise horizontal stellen und kann für photographische Auf- nahmen Verwendung finden. Der Inductor ist in Verbindung mit einem entsprechend be- messenen Regulirwi- derstand auch mit hö- herer Spannung z. B. Netzspannung eines Elektrieitäts- werkes zu betrei- ben. Der Betrieb mit geringerer Spannung durch eine besondere Akkumulatorenbatterie ist jedoeh vortheilhaf- ter und hat ausserdem eine geringere Ab- nutzung der Contacte des Deprez - Unter- brechers zur Folge. Der Quecksilber-Unter- brecher ist zum Be- triebe mit höherer Spannung weniger geeignet. Bei dem gegen- wärtigen Stand der Fabrikation von Rönt- genlampen genügen für alle _ Anforderun- sen Funkeninduetoren von Siemens & Halske für eine Schlagweite von ea. 20 cm Funken- länge vollständig. Ge- baut werden jedoch Induetoren für eine Schlagweite von ca. 10 cm an bis zu ea. 50 em, die den weit- gehendsten Ansprüchen gerecht werden und auch bei maximaler Sehlagweite äusserst intensive Funken geben. Für photographische Aufnahmen eignet sich der Betrieb des Induetors mit Quecksilber und Deprez- Unterbrecher in gleieher Weise; für Durchleuehtung giebt der Deprez-Unterbrecher ein etwas gleiehmässigeres Licht als der Queeksilber-Unterbrecher, jedoch ist die Anzahl der Unterbreehungen auch bei dem Quecksilber- Unterbrecher soweit regulirbar, dass er sich für diesen Zweck verwenden lässt. Ausser für Röntgen-Versuche finden die neuen Indue- toren unter anderem besonders auch für Laboratoriums- Apparate zur Ozon-Darstellung Verwendung. Wirkung ein Mittel zu finden, um das Maximum der Stromstärke bei Blitzentladungen berechnen zu können. Basaltstäbe, für welche zuvor das vermittelst eines Spiegel-Magnetometers gemessene, remanente magnetische Moment als Function der gewesenen magnetischen Feld- stärke bestimmt worden war, konnten durch Batterie-Ent- ladungen magnetisirt werden. Pockels schnitt nun aus XIII. Nr. 16. Basaltstücken, die offenbar einst einer elektrischen Ent- ladung ausgesetzt waren, passende Stäbe heraus, ent- magnetisirte sie, indem er sie in eine Spule steckte, die von einem bei beständig abnehmender Stärke oft kommu- tirten Strom durchflossen war, und bestimmte das Magnet- feld, durch welches das ursprünglich vorhandene, natür- liche Moment des Stabes wieder erzeugt wurde. Da freilich die Entfernung des niedergehenden Blitz- strahles von dem magnetisirten Basaltstück stets nur an- genähert zu bestimmen war, so sind die gefundenen Werthe selbstverständlich rur als ungefähr richtig zu be- trachten. Aus einem am Landsberge bei Spechtshausen im Tharandter Wald gefundenen, geeigneten Basaltstück bestimmte Pockels die Stromstärke des wirksamen Blitz- strahls zu 6450 Ampere, aus einem anderen, das vom Grossen Winterberge in der sächsischen Schweiz stammte, eine Stromstärke von 10800 Ampere, aus einem dritten, demselben Orte entstammend, bei dem aber die Ent- fernung der elektrischen Entladung nur sehr ungenau zu bestimmen war, eine Stromstärke von 14—15 000 Ampere. Da an anstehenden Basaltfelsen auf Felsgipfeln aber viel stärkerer polarer Magnetismus, als an den genannten, vor- kommt, so dürfte die Stromstärke von Blitzentladung den Werth von 10000 Ampere zweifellos sehr bedeutend über- schreiten können. Das früher von Kohlrausch gefundene Resultat, wonach die Stromstärke bei Blitzschlägen zwischen 9200 und 52000 Ampere schwankt, stimmt im Wesentlichen mit Pockel’s Angaben überein. H. Wetter-Monatsübersicht (März). — Der Witterungs- charakter des vergangenen März war in ganz Deutschland trübe und sehr nass, während die Wärmeverhältnisse ziemlich ansehnliche Schwankungen aufwiesen. Innerhalb des ersten Monatsdrittels war es der beistehenden Dar- Temperaturen im SPlärz 1398. >) ums Tägliches Maximum, bez. Minimum. —— 8Unr Morgens, 1898. N. -_ 8 Uhr Morgens, normal. 16. 21. 26. 3 € stellung zufolge überall kühl. Nachts herrschte gewöhnlich leichter Frost, und in den nordwestdeutschen Landes- theilen blieben sogar die Mittagstemperaturen bis zum 10. März weit unter 5°C. Dann kamen einige sonnige Tage mit rascher Erwärmung, während in den ihnen folgenden Nächten die Luft in Norddeutschland ebenso Naturwissenschaftliche Wochenschrift. | 185 sehr, in Süddeutschland sogar noch etwas stärker als vorher erkaltete. Erst seit Mitte des Monats, nachdem die Bewölkung wieder zugenommen, die bisherige rauhe Östströmung aber milden Südwestwinden Platz gemacht hatte, war es Tag und Nacht recht warm. Doch am 19. März erfolgte in den Temperaturen ein ziemlich jäher Rückschlag, und es blieb dann bis gegen Ende des Monats wieder verhältnissmässig kühl. An der Ostseeküste und besonders in Süddeutschland wiederholten sich die Nacht- fröste, wobei am 22. das Thermometer in Bamberg bis —5°, am 24. in Memel bis —6° C. herabging. Dagegen stieg dasselbe am 50. Mittags bis zu 17°C. in Grünberg, 16° in Breslau. Die aus den Morgenbeobachtungen der einzelnen Tage sich ergebenden Temperaturmittel wiehen von ihren langjährigen Durchsehnittswerthen für: März nur wenig ab, und zwar war der diesjährige Mittelwerth für Nordwestdeutschland (2,2°), sowie für Süddeutschland (2,4°) einen halben Grad niedriger als die normalen, der- Jenige für die nordöstlichen Landestheile (1,8%) hingegen einen Grad höher. Innerhalb des grössten Theiles des Monats kamen, wie die nachfolgende Zeichnung ersichtlichmacht, in ganz Deutschland ergiebige Regen- und Schneefälle vor, denen sich nieht selten Hagel- und Graupelschauer beigesellten. Nur vom 9. bis 15. März blieben die Niederschläge bei- nahe gänzlich aus. Während der ersten und letzten acht Tage waren dieselben in der westlichen Hälfte Deutsch- lands reichlicher als im Osten. Dort begann der Monat mit stürmischen Westwinden, zu Kaiserslautern fand in der Nacht zum 2. ein Gewitter statt. Vom 16. bis 23. März fielen die stärksten Niederschläge in Bayern, Württemberg sowie im Gebiete der Elbe und Oder, während jetzt an der Ostseeküste Weststürme herrschten. Viel verhängnissvoller als diese sollte jedoch, besonders für die schleswig-holsteinsche Ostküste, der schwere Nord- | oststurm werden, welcher in den folgenden Tagen auf der westlichen Ostsee und südlichen Nordsee tobte. Der- selbe trieb das Seewasser in ungeheuren Mengen unauf- haltsam dem Lande zu und führte daher, noch verstärkt durch heftige Schneegestöber, in Flensburg, Kiel, Lübeck 5 Piederschlagshöhen im März» 1898. Q) n im & ] S Y ß k ea SV Mittlerer Werth für =e6 gsEN D.5825m€5% h e3,232.53%35252| Deutschland. ep: SSEIZSEnERSSES Monatssummen im März e == o :5 E32 2SS8055 33258 1898.97.96. 95. 94. 93. ee) egen, £ Al» 1 9-15.März (7 Tage,frocken oder mit elwas I EHEFEFEHI + - ausserordentliche Ueber- erhebliehe Schäden und und an vielen anderen Orten schwemmungen herbei, die ! mancherlei Verkehrsstörungen verursachten. 186 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 16. Noch kurz vor Schluss des Monats fanden in Mittel- deutschland starke Gewitterregen statt, wobei am 31. in Bamberg 28, in Chemnitz 23, in Magdeburg 22 Milli- meter gemessen wurden. Der Gesammtertrag der Nieder- schläge, welcher sich für den Durchschnitt aller Stationen auf 58,5 Millimeter belief, war allerdings niedriger als in den beiden letzten, überaus nassen Märzmonaten, übertraf hingegen die Märzniederschläge der früheren Jahre und ihren Normalwerth für März ziemlich bedeutend. In Uebereinstimmung damit war die Dauer der Sonnen- strahlung, die im vergangenen März beispielsweise in Berlin und Potsdam je 66 Stunden betrug, viel geringer als in den meisten vorangegangenen Märzmonaten. Bei- nahe die Hälfte aller Tage war ohne messbaren Sonnen- schein. Während im vergangenen Winter die barometrischen Minima von der westlichen Hälfte Europas sich meistens ziemlich entfernt gehalten hatten, drangen im Laufe des März verschiedene tief in den Continent ein, wogegen in Russland hoher Luftdruck mit theilweise sehr strengem Frost fast immer anhiel. Demgemäss war auch der mittlere Barometerstand in Deutschland viel tiefer, als derselbe sonst sogar im März, dem Monat mit dem niedrigsten Durchschnittswerthe des Luftdruckes, zu sein pflegt; z. B. betrug der auf den Meeresspiegel redueirte Barometerstand in Berlin nur 756,4 Millimeter, (5 Millim. zu tief). Nachdem zu Beginn des Monats ein tiefes Minimum von der Nordsee nach der südlichen Ostsee gezogen war, erschien am 4. ein flacheres in Südfrankreich und rückte langsam nordnordostwärts vor. Ihm folgten mehrere Theil- minima, die eine auf dem westlichen Mittelmeere lagernde umfangreiche Depression, welche am 7. März bei Sieilien einen starken Südsturm mit zahlreichen Sehiffsverlusten verursachte, so lange nach Norden entsenden konnte, bis am 11. ein von Russland und ein vom Ocean kommendes Barometermaximum mit einander in Verbindung getreten waren. Nach mehrtägiger Herrschaft des Hochdruck- gebietes schob sich in dasselbe um Mitte des Monats von Nordwesten her ein Minimum hinein, worauf verschiedene, tiefe Depressionen die scandinavische Halbinsel und Nord- westrussland heimsuchten und ihren Bereich bis Mittel- europa ausdehnten. Von einer der letzteren sich abtrennend, rückte am 24. März ein umfangreicheres Minimum mitten in Deutsch- land ein und verursachte in Norddeutschland mehrtägige Stürme, verstärkt durch eine andere, bei Italien erschienene Depression. Nachdem sich dieses am 28. beinahe ausge- glichen hatte, folgte sehr bald ein neues Minimum aus Süden nach, welches von Spanien nach dem Golf von Genua und sodann nordostwärts vorgedrungen war. Durch die verschiedenen südlichen Depressionen wurden am Anfang und gegen Ende des Monats Südfrankreich, Italien, die Schweiz und Tirol viel schwerer als Deutsch- land betroffen. Ueberall kamen ausserordentlich starke Regen- oder Schneefälle vor, welche besonders in Süd- tirol erhebliche Ueberschwemmungen zur Folge hatten, und seit dem 25. traten in Frankreich ziemlich strenge Nachtfröste auf, die namentlich in den Weinbergen grossen Schaden anrichteten. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Hilfsarbeiter in der medizinischen Ab- theilung des preussischen Cultusministeriums Oberstabsarzt a. D. Prof. Dr. Kirehner zum vortragenden Rath daselbst; der ausser- ordentliche Professor der Philosophie in Czernowitz Dr. Wahle zum ordentlichen Professor; die Geologen Dr. Klautsch und Dr. Paul Gustav Krause zu Hilfsgeologen bei der geologischen Landesanstalt in Berlin; der Docent der Landwirthschaftskunde an der technischen Hochschule in Lemberg J. Blauth zum OÖber- ingenieur des Landesausschusses; der Privatdocent der Zoologie an der deutschen Universität Prag Dr. J. Cori zum Professor; der ordentliche Professor der Zoologie in Wien Dr. F. Brauer zum Direetor der zoologischen Abtheilung des naturhistorischen Hofmuseums; an der Wiener technischen Hochschule Amanuensis J. Mayrhofer zum Skriptor, Praktikant R. Daublesky von Sterneck zum Amanuensis; der ausserordentliche Professor der Chirurgie in Budapest G. Dollinger zum ordentlichen Professor; Dr. F. Gyalui zum Oustos der Universitäts-Bibliothek in Klausen- burg; Dr. Bolk zum Professor der Anatomie in Amsterdam. Berufen wurden: Der Privatdocent der Mediein in Würzburg und Assistent am Juliushospital Dr. Koll als Oberarzt der inneren Abtheilung des Stadtkrankenhauses in Barmen; der ausserordent- liche Professor der Zoologie in Kiel Dr. Dahl als Assistent an die zoologische Sammlung des Museums für Naturkunde in Berlin; der Assistent an der zoologischen Sammlung des Museums für Naturkunde in Berlin Dr. Vanhöffen ans zoologische Instistut nach Kiel; der Privatdocent der Dermatologie in Bonn Prof. R. Rieder an die kais. medieinische Schule in Konstantinopel; der Privatdocent für Psychiatrie in Zürich Dr. A. Delbrück als Director der Irrenanstalt nach Bremen. Es habilitirten sich: Regierungsbaumeister Lorey für In- genieur-Wissenschaften an der technischen Hochschnle in Darm- stadt; A. Sarbo für innere Mediein in Budapest. In den Ruhestand tritt: Der vortragende Rath in der medi- zinischen Abtheilung des preussischen Cultus-Ministeriums Geh. Öber-Reg. Rath Dr. Karl Skrzezka. Es starben: Der ordentliche Professor der allgemeinen Patho- logie in Wien Dr. Salomon Stricker; der frühere Director des landwirthschaftlichen Instituts in Jena Geh. Reg.-Rath a. D, Stöckhardt in Bautzen; der um die deutsche Irrenpflege ver- diente Geheime Sanitätsrath Dr. Ferdinand Wahrendorf in Ilten. Litteratur. L. von Bortkewitsch, Das Gesetz der kleinen Zahlen. VII u. 52 S., 8° Verlag von B. G. Teubner, Leipzig 1898. — Preis 2 Mark. Die vorliegende Schrift beansprucht in gleicher Weise das Interesse des Mathematikers und des Statistikers; sie versucht, auf statistische Reihen, welche aus kleinen, absoluten Zahlen be- stehen, die Wahrscheinlichkeitsrechnung anzuwenden. Da der- artige Reihen aus dem Grunde bisher kaum beachtet worden sind, weil in denselben die zufälligen Ursachen zu sehr hervor- treten, so handelt es sich also um eine Untersuchung von grund- sätzlicher Bedeutung. Auf das Detail der Entwickelungen kann an dieser Stelle nieht eingegangen werden. Der Inhalt gliedert sich in drei Ra- pitel, in deren erstem einige Formeln der Wahrscheinlichkeits- rechnung abgeleitet worden in der Voraussetzung einer unendlich grossen Zahl von Versuchen und einer unendlich kleinen Wahr- scheinlichkeit des Einzelereignisses. Die gewonnenen Formeln werden dann im zweiten Kapitel auf einige Daten der Selbst- mord- und der Unfallstatistik angewendet, wobei sich eine weit- gehende Uebereinstimmung der Schwankungen der untersuchten Reihen mit den Voraussagungen der Theorie herausstellt. Im dritten Kapitel entwickelt der Verfasser die Theorie der Fehler- excedenten, und zwar in anderer Weise als Lexis; diese Theorie wird benutzt, um den scheinbaren Widerspruch zwischen dem Verhalten der grossen und dem der kleinen Ereignisszahlen auf- zuklären. Während die letzteren, wie eben erwähnt, ein der An- wendung der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf die Statistik günstiges Resultat ergeben, unterwerfen sich die grossen Zahlen bekanntlich nur selten den Poisson’schen Gesetzen für dieselben. — Den Beschluss der Abhandlung bilden drei Anlagen. Aus dem Gesagten dürfte in der That zur Genüge erhellen, welches Interesse die vorliegende Schrift von der mathematischen und statistischen Seite zu beanspruchen berechtigt ist, selbst wenn die Grundlage, auf welcher die Folgerungen aufgebaut sind, einer eindringenden Kritik nicht durchweg Stand halten a Dr. Otto Zacharias, Director der Biologischen Station, Forschungs- berichte aus der Biologischen Station zu Plön. Theil 6. Abtheilung IL. Mit 2 lithographischen Tafeln. Stuttgart. Erwin Nägele. 1898. — Preis 6 M. Das Heft enthält die folgenden Arbeiten: Untersuehungen über das Plankton der Teichgewässer. Von Dr. Otto Zacharias (Plön). — Zur Verbreitung der niederen Crustaceen in der Provinz Brandenburg. Zweiter Beitrag. Von W. Hartwig (Berlin). — Die Lebensweise der Limnaea. trunca. XII. Nr. 16. Naturwissenschaftliche Wochensehrift. 187 tula. Von Dr. Heinr. Brockmeier (M.-Gladbach). — Süss- wasserschnecken als Planktonfischer. Notiz von Dr. Heinr. Brockmeier (M.-Gladbach). — Der grosse Waterneverstorfer Binnensee. Eine biologische Studie. Von E. Lemmermann (Bremen). — Ueber die vermeintliche Schädlichkeit der Wasser- blüthe. Von Dr. Strodtmann (Plön). — Zur Käferfauna der Gewässer in der Umgebung von Plön. Von J. Gerhardt (Lieg- nitz). — Ausweis über die Benützung und den Besuch der Bio- logischen Station zu Plön in den Jahren 1892—1897. Bastian, Adf., Lose Blätter aus Indien. Berlin. — 10 M. Bebber, Abtheilungsvorst. Prof. Dr. W. J. van, Die Wetter- vorhersage. Stuttgart. — 5 M. Cohen, Ernst, Experimentaluntersuchung über die Dissoeiation ge- löster Körper in Alkohol-Wassergemischen. Rotterdam. — 2,50 M. Jorissen, Dr. E. J. P., Erinnerungen an Transyaal 1876—1896. Berlin. — 5 M. Killing, Prof. Dr. Wilh., Einführung in die Grundlagen der Geo- metrie. Paderborn. — 7 M. Sailer, Realsch.-Rekt. Engelb., Die Aufgaben aus der Elementar- Mathematik, welche bei der Prüfung für das Lehramt der Mathematik und Physik an den k. bayerischen humanistischen und technischen Unterrichts-Anstalten in den Jahren 1373 bis 1893 gestellt wurden. München. — 3,80 M. Schneider, Gymn.-Prof. Dr. Gust., Die Weltanschauung Platos, dargestellt im Anschluss an den Dialog Phädon. Berlin. — 2,40 M. Schweiger-Lerchenfeld, Amad. Frhr. v., Atlas der Himmels- kunde auf Grundlage der Ergebnisse der eoelestischen Photo- graphie. Wien. — 40 Mark. Specialkarte, geologische, von Elsass-Lothringen. 1:25000. 33. Remily. Von DD. E. Schumacher u. L. van Wervecke. (47 S.) — 534. Falkenberg. (Mit Deckblatt.) Von Landesgeol. Dr. Schumacher. (107 S.) — 53. Niederbronn. Von Dr. L. van Wervecke. (87 S.) Berlin. — Ak 2M. Steiner’s, Jac., Vorlesungen über synthetische Geometrie. 2. Thl. A.u.d. T.: Die Theorie der Kegelschnitte, gestützt auf projeetive Eigenschaften. Leipzig. — 14 M. Voigt, Prof. Dr. Wold., Die fundamentalen physikalischen Eigen- schaften der Krystalle in elementarer Darstellung. Leipzig. — 5,60 M. Weber, Prof. Heinr., Lehrbuch der Algebra. 1. Bd. Braunschweig. — 10M. Wettstein, Prof. Dr. R. v., Grundzüge der geographisch-morpho- logischen Methode der Pflanzensystematik. Jena. — 4 M. Ieor.8% Offener Brief. Sehr geehrter Herr Redacteur! Die mir erst gestern zugegangene No. 24 des Jahrgangs 1897 der „Naturw. Wochenschr.“ enthält eine Besprechung meiner Vor- lesung: „Grundzüge der Aesthetik der musikalischen Harmonie auf psycho-physiologischer Grundlage“ (Hugo Anders, Bielefeld), die weder in formaler, noch in sachlicher Beziehung den That- sachen gerecht wird. Ich ersuche Sie daher höflich, nachfolgende Erwiderung von mir an geeigneter Stelle in der „Naturw. Wochenschr.* zu ver- öffentlichen. In genannter Besprechung (S. 287) wirft mir ihr Verfasser, wenn ich den Kern der Sache kennzeichnen soll, geradezu vor, dass ich beim Anstellen meiner Forschungen meinen Vorgängern zu wenig Vertrauen schenke, indem ich ihre Ansichten einer Prüfung unterziehe, wobei mich der Gedanke leiten soll, dass erst ich in die in Frage stehenden Probleme Licht hineintragen müsse. Ich muss nun gestehen, dass ich in der Art und Weise. wie hiernach die Probleme von mir behandelt sein sollen, keinen Vor- wurf, sondern vielmehr im Gegensatze zu dem Autor ein Lob er- kenne, da, wenn ich Forschungen anstelle, ich keine für mich gelösten Probleme erörtere, sondern mir aufstossende Räthsel zu klären suche, wobei ich gewissenhafterweise die Experimente wie die Ansichten meiner Vorläufer einer möglichst scharfen Controle zu unterziehen habe. Würde ich anders handeln, so würde ich autoritäts- gläubig,nicht wissenschaftlich verfahren, indemdie Wissen- schaft keinen Glauben, sondern Ueberzeugung verlangt, die nur durch eigene Anschauung und eigenes Denken erworben werden kann. Mit aus diesem Grunde kann es mieh auch denn nicht mehr befremden, wenn der Autor der genannten Besprechung erklärt: ich hätte mich — so zu sagen — erdreistet, auf „26! Seiten“ in einem „pädagogischen Vortrage“ v. Helmholtz (hinsicht- sich seiner Theorie von Consonanz und Dissonanz) „ab- schlachten“ zu wollen. — Das Wort „abschlachten“ ist hier gewiss nicht am Platze, denn eine rein sachliche Widerlegung einer Ansicht, (wie die in dem bewussten Vortrage), kann nie und nimmer ein „Ab- schlachten“ genannt werden, am wenigsten aber in der Wissen- schaft, wo die Kritik und Skepsis am meisten geboten ist, um zur Wahrheit zu gelangen. Wie leicht und mit wie wenigen Worten aber die An- sicht von v. Helmholtz in Bezug der musikalischen Harmonie, von Consonanz und Dissonanz, aufs Ersichtlichste zu widerlegen ist, will ich sogleich zeigen. v. Helmholtz lehrt nämlich, wie bekannt, dass Consonanz und Dissonanz der Töne nicht als Ergebniss verschiedener Sehwingungszahl zu Stande kommen, sondern durch die soge- nannten „Schwebungen“, (resp. „Stösse“), d. h. durch Unter- brechungen des sonst gleiehförmigen Tonflusses, welche die Inter- ferenzen der Wellen der erklingenden Töne veranlassen. Nach v. Helmholtz resultirt nun eine Consonanz allein dann, wenn die Reihenfolge der von den angeschlagenen, verschiedenen Tönen bewirkten Schwebungen ihrer Ueberschaulichkeit zufolge das Ohr angenehm berührt, eine Dissonanz aber, wenn die Reihen- folge der Schwebungen einen mehr verworrenen Charakter an- nimmt, wie dies letzte bei zu schneller Aufeinanderfolge der „Stösse“ geschieht. Dass diese Auffassung unrichtig ist, lehrt u. A. nachfolgende Betrachtung: Schlägt man auf einem (wohl temperirten) Klavier z. B. cl an, alsdann aber, nachdem dieser Ton schon verklungen ist, jedoch noch in voller Schärfe im Gedächtnisse lebt, el, so liefert auch die zeitliche melodische Verbindung beider Töne eine ausgesprochene Consonanz (von dem Charakter der grossen Terz), während, wenn dasselbe mit cl und hl geschieht, sich eine ausgesprochene Dissonanz (von dem Charakter der grossen Sep- time) fühlbar macht. Da nun in beiden Fällen keine Schwebungen oder Stösse wegen der genügend getrennten Nacheinanderfolge der Töne in Frage kommen, so kann der eigentliche Charakter von Consonanz und Dissonanz nie und nimmer durch Tonunterbrechungen (Schwe- bungen oder Stösse) bedingt sein, die erst im Laufe der Zeit eintreten sondern muss vielmehr in der gleichzeitigen (psychischen) Verbindung der wahrgenommenen Töne liegen. Die unverkennbare Thatsache, dass wir im Augenblicke des Erklingens der Töne, wo also noch keine Schwebungen (resp. Stösse) sich dem Ohre fühlbar gemacht haben, Consonanz oder Dissonanz empfinden, bestätigt meine Widerlegung der Richtigkeit der von Helmholtz aufgestellten Theorie von Conso- nanz und Dissonanz. Dass die Schwebungen jedoch im Laufe der Zeit die Harmonie der Töne, um es so auszudrücken, nüaneiren, habe ich in dem genannten Vortrage: „Grundzüge der Aesthetik der musi- Aachen Harmonie auf psycho-physiologischer Grundlage“ dar- ethan. ® Da der Verfasser der Besprechung dieses Vortrages im Uebrigen keine von meinen Ansichten widerlegt, sondern nur von ihrem „grossentheils sehr angreifbaren Inhalt“ spricht, so schliesse ich hiermit meine Erwiderung. Berlin, im März 1898. Hochachtungsvoll Dr. Eugen Dreher.*) *) Wir halten es nunmehr für angezeigt, künftig auf An- zeigen, Referate oder Kritiken von Arbeiten des Herrn Dr. Dreher zu verzichten. Red. FE En EIER LI IE Far I TS EP Be ET Hy BE Inhalt: 69. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braunschweig. — Neue Apparate zu Röntgen- Versuchen von der Firma Siemens & Halske Actiengesellschaft. — Ein Versuch, die bei Blitzschlägen erreichte maximale Strom- stärke zu schätzen. — Wetter-Monatsübersicht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: L. von Bortkewitsch, Das Gesetz der kleinen Zahlen. — Dr. Otto Zacharias, Forschungsberichte aus der Biologischen Station zu Plön. — Liste. — Offener Brief. 188 Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! Grosse Vortheile! Neues Princip für Massenbetheiligung an industriellen Unternehmungen. = Neuheiten - Vertrieb. — Neu aufgenommen: Durcn run, des Buttenstedt- schen Flugprincips 2 (von zwanzig namhaften Gelehrten unterstützt) und Errichtung einer Versuchs- station für Flugzwecke. Internationaler Verein zur rationellen Verwerthung von Erfindungs-Patenten. BER Eingetragene Genossenschaft mit be- schränkter Haftpflicht. Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, participirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabrieirten Artikel. IN. 5.0.28. Kein Risiko! L Er Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. | Über geographische Ortsbestimmungen | AM P F- und. DY. AM ohne astronomische Instrumente. ‘MASCHINEN » garantirt „betriet ‚in allen. -Grössen..suto Von Prof. Dr. P. Harzer, Director der Herzoglichen Sternwarte zu Gotha. Mit einer Tafel. Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik.) Schilfbauerdamm 21 Berlin "NW. 53 Seiten Lex. $. — Preis 1.20 M Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. In unserem Verlage erschien soeben: Willensfreiheit und sittliche Verantwortlichkeit. Eine socialpsychologische Untersuchung von Dr. Friedrich Wilhelm Foerster. 54 Seiten gross Octav. Preis 1 Mark. Brüder nuıd Schiweitern Dioman von Eugen Bieichel. Geheitet 4 Mark, geb. 5 Matt. y Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. IR Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. | | Max Steckelmann, | Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. | Photozs7?rkische Stativ- und Hand- „ Cameras. Gediegene Ausstattung. SE” Sämmtliche Bedarfsartikel. = | Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare | Spiegel-Camera „Victoria“ (D.R.P.) | Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! | Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. x Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges). w Verantwortlicher Redacteur: Naturwissensehaftliehe Wochenschrift. XIII. Nr. 16. EXTIIILZEXZLLILTIIITILZEIITIIIIEITIIIT von Poncet Glashütten-Werke 54, Köpnickerstr. BERLIN SO., Köpnickerstr. 54. Fabrik und Lager aller Gefässe und Utensilien für chem., pharm., physical., electro- u. a. techn. Zwecke. Gläser für den Versand und zur Ausstellung naturwissenschaftlicher Präparate. Preisverzeichniss gratis und franco. ® ÜREELTTTZIIIIIIIIIITIIYUIEITIIIITIIIIIITT VO OHYO HH HH HH 999) EXIIXZYXIIIIIIIIIIIIT) | 5 ® Gans & Goldschmidt, Berlin N., Auguststr. 26. Elektrotechnische Anstalt und mechanische Werkstätten. Spezialität: Elektr. Messinstrumente, Normal-Elemente, Normal- und Praeei- sionswiderstände, nach den Modellen der Physikal. Techn. Reichsanstalt. — Normal- Volt- und Amperemeter, Spiegelgalvano- meter, Physikalische Lehrmittelapparate. Einrichtung von Laboratorien. Das optische Institut] \ Paul Wächter Berlin - Friedenau empfiehlt als Spezia- litäten seine Mikroskope photo. Ohjetire Preislisten gratis und franko. f: ‚bewährter Construction. VOOHHHPHPHOHHHHH HOP IHPHHHOH HH HH HH 99 Dr. Robert Muencke Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. % Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ® und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. OH HHHHHHHH HH HH PO HOHH OH HH HH OO HH SH N SIEBTESTTTIESTSETESESE Carl Zeiss, — Optische Werkstaette. Jena \ Mikroskope mit Zubehör. h Mikrophotographische Apparate. Photographische Objective. | Mechanische und optische Messapparate \ für physikalische und chemische Zwecke. optische Instrumente. &) Cataloge gratis und franco. Neue Doppelfernrohre für Handgebrauch. OESESEIETIESSEIESSEDSTSTRGCDSTSLCDEDEDEN ® ® ® “ 999% 5 . ==, & Astronomische Objective und astro- Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. die natıtrwissenschaftliche Forschung -ufgiebt an weltum« fassenden Ideen und an locken- den Gebil-en der Phantasıe, wırd if ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, der ihre Schöpfungen schmückt, S dener. ER up <““ Redaktion: Dr.H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. Sonntag, den 24. April 1898. | Nr. 17. Abonnement: Man abennirt bei allen Buchhandlungen und Post- Y Inserate. Die viergespaltene Petitzeile 40 %. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist A 4.— T sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme ) Bringegeld bei der Post 15 „3 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Die „San Jose-Schildlaus“-Frage. Von Dr. Friedr. Krüger- Berlin. Nachdem durch den Schreiber dieses die San Jose- | keit der Nährpflanzen, die Leichtigkeit, mit der diese Laus in Hamburg an amerikanischem Obst constatirt war, | Schildläuse sich über weite Gebiete mit Hilfe anderer und zwar auch in lebendem Zustande, sowohl Männchen | Lebewesen oder: todter Gegenstände auszubreiten im wie trächtige Weibehen, und nachdem dann weiter eine | Stande sind, , die Widerstandsfähigkeit der ‘die Thiere Reihe anerkannter Autoritäten auf pflanzenpathologischem | schützenden Schilde gegen Bekämpfungsmittel, alles dies und zoologischenı Gebiete, nämlich die Herren Prof. Dr. | sind Momente, welche die Los Angeles Hortieult.-Commission Frank und Regierungsrath Dr. Moritz, beide zu Berlin, Prof. | bereits im Jahre 1590 erklären liessen: „.. ... Der ganze Kräppelin-Hamburg und Dr. Schiemenz-Berlin, die auf- | Obstbau Californiens und der Westküste der: Union sind gefundenen Thiere thatsächlich als die echte der völligen Vernichtung preisgegeben, wenn San Jose-Schildlaus identifieirt hatten, schritt es nieht gelingt, den Schädling zu ver- die Behörde zu den bekannten Massnahmen *), aa a nichten . . .“, ein Ausspruch, der nach den die die lebhafteste Erörterung und Kritik Erfahrungen der letzten Jahre auch von den in der politischen Presse erfuhren. Aber übrigen staatlichen Instituten Amerikas .be- alle gemachten Einwände werden am besten stätigt wird. und sachgemässesten dadurch widerlegt, Die eigentliche Heimath dieser Schild- dass man ihnen die Urtheile der ersten laus kennen wir nicht. Sicher festgestellt wissenschaftlichen amerikanischen Autori- ist, dass dieselbe zunächst nach Chile ein- täten gegenüberstellt, aus denen nur zu klar geschleppt wurde, und dass sie sich dann hervorgeht, mit welch gefährlichem Thier Fig. 1. später in den achtziger Jahren durch die wir es zu thun haben, und was dasselbe San Jose-Schildlaus; erwachsens orossen Beschädigungen, die sie auf Birn- für die Obsteultur eines Landes bedeutet. ul) bäumen, Pfirsichen, Pflaumen und Pecan- Die Schädlichkeit des Einzelindividuums, Nüssen verursachte, zuerst in Californien be- die ungeheure Vermehrungsfähigkeit, die Kleinheit der | merkbar machte, und zwar zunächst in der Umgegend der Thiere,. die leichte Anpassungsfähigkeit an klimatische | Stadt San Jose, von der sie auch ihren Namen „San Jose- Verhältnisse, die grosse Verschiedenheit und Reichhaltig- | Schildlaus“ bekam. In den nächsten Jahren wird dann *) Die Verordnung betr. die Einfuhr lebender Pflanzen und | von der Eingangsstelle vorgenommenen Untersuchung das Vor- frischen Obstes aus Amerika vom 5. Februar d J. hat folgenden | handensein der San Jose-Schildlaus an den Waaren oder dem Wortlaut: } Verpackungsmaterial festgestellt wird. Auf .Waaren und. Gegen- $ 1. Zur Verhütung der Binschleppung der San Jos6-Schild- | stände der vorbezeichneten Art, welche zu Schiff eingehen und laus (Aspidiotus pernieiosus) ist die Rinfuhr lebender Pflanzen | von dem Schiffe nicht entfernt werden, findet das Verbot keine und frischer Pflanzenabfälle aus Amerika, ferner der | Anwendung. Fässer, Kisten und sonstiger Gegenstände, welche zur Verpackung .. 8 2 Der Reichskanzler ist ermächtigt, Ausnahmen von oder Verwahrung derartiger Waaren oder Abfälle gedient haben, | diesem Verbote zu gestatten und die erforderlichen Sicherheits- bis auf Weiteres verboten. Das Gleiche gilt von Sendungen | massregeln anzuordnen. frischen Obstes und frischer Obstabfälle aus Amerika, $ 3. Gegenwärtige Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Ver- sowie von dem zugehörigen Verpaeckungsmaterial, sofern bei einer | kündung in Kraft. % : 190 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 17. über ein vereinzeltes Auftreten des Thieres im Osten, in Virginia, Maryland und Florida berichtet, jetzt aber ist es unzweifelhaft, dass 14 Staaten östlich von den Rocky-Mountains mehr oder weniger verseucht sind. Nach den angestellten Untersuchungen dürfte die Laus durch Stämme der Kelsey-Pflaume im Jahre 1887 aus Californien nach zwei Baumschulen New-Jerseys verschleppt sein; dort hat sie sich dann allmählielı verbreitet und nun von hier aus vermittelst Baumschul- artikel den ganzen Osten mehr oder weniger infieirt. Damit ist aber für Europa, speciell für Deutschland, die Gefahr der Uebertragung in ein akutes Stadium getreten, zumal da in den Gegenden, in denen sich das Thier jetzt eingebürgert hat, ähnliche klimatische Ver- hältnisse herrschen wie bei uns in Deutschland. Ueber die Entwickelung der Thiere und deren Lebens- verhältnisse sei aus den ameri- kanischen Berichten folgendes hervorgehoben: Während des Winters befinden sich die Läuse in Ruhe. Im Laufe des März bis Mai — das richtet sich nach den Witterungsverhält- nissen — erscheinen zunächst die Männchen und bald darauf die Weibchen. Letztere er- zeugen dann 6 Wochen lang lebendige Junge und sterben darauf ab. Die jungen Larven fangen bald an herum- zukriechen, setzen sich aber schon kurze Zeit darauf fest, nachdem sie eine passende Stelle gefunden haben, an der sie ihre Saugborsten durch die Rinde hindurch in die saftigen Theile der Pflanze hinein- bohren können. Beide Geschlechter sind im jugendlichen Zustand einander gleich. Sie sind mikroskopisch klein, anfänglich oval, später rundlich, blassgelblich bis orange und haben hellpurpurne Augen. Zwei Tage nach der Geburt beginnt bereits die Entwiekelung des Schildes, der anfänglich blassgrau ist, später aber bei den weiblichen Thieren etwas dunkler wird. und die Farbe der Thiere selbst verdeckt, während er bei den männlichen eine mehr gelbliche Farbe annimmt. Nach der ersten Häutung tritt eine Differenzirung der Geschlechter ein, und zwar sind die mit kräftigem Saugrüssel versehenen Weibchen kleiner als die Männchen. Bei beiden sind Beine und Fühler verschwunden. Die weiblichen Thiere sind augenlos, kreisrund, gelb, während die Männchen mehr birnenförmige Gestalt bekommen und im Gegensatz zu den Weibchen purpurne Augen haben. Die zweite Häutung erfolgt beim Männchen am acht- zehnten Tage; es entsteht zunächst die Vorpuppe und drei Tage später die eigentliche Puppe. Beide sind blassgelb, haben purpurfarbige Augen und wieder kräftig entwickelte 3eine und Fühler. Bei der Vorpuppe ist das Endsegment noch breit und flach und birgt zwei kurze Dornen, während bei der eigentlichen Puppe bereits das kräftige, konische, 0,15 mm lange Geschlechtswerkzeug erschienen ist. Am 24.—26. Tage nach der Geburt schlüpfen die ausge- wachsenen Männchen aus und haben nun eine Länge von San Jose-Laus; Fig. 2. San Jos&-Laus ; erwachsenes Weibchen, aus dem Schild herauspräparirt; letzteres von der Ober- sowie von der Unterseite gesehen. (%/,.) Fig. 3. trächtiges Weibchen (°/,) (von der Saugborste ist nur der Anfang gezeichnet, da sie beim Abprä- pariren der Thiere meistens abreisst.) 0,6 mm. Sie sind fliegenartig (vergl. Fig. 1), orange, mit dunklem Kopf. Fühler, Beine und das 0,15 mm lange Geschlechtswerkzeug sind rauchgrau; die Flügel sind gelb- grün, irisirend. Die Fühler sind sehr kräftig entwickelt, behaart und fast so lang wie das Thier selbst; sie setzen sich aus zehn Gliedern zusammen, von denen das zweite beinahe kugelig und sehr kurz, das vierte und fünfte Glied am längsten ist; das zehnte Glied ist das kürzeste und hat etwas konische Ge- stalt; der Brustschrld ist oval und mit schmalem, braunen Querband versehen, Die zweite Häutung der weiblichen Thiere findet etwas später als beim Männchen statt, nämlich am zwanzigsten Tage. Sie haben nach derselben fast kreisrunde Gestalt von etwa 0,56 mm Durchmesser und sind durch einen bis zu 2 mm langen, gespaltenen Saugrüssel ausgezeichnet. Der letzte Kör- perabschnitt ähnelt hier schon sehr dem des ausgewachsenen Weibchens. Am dreissigsten Tage nach der Geburt sind die weiblichen Thiere ausge- wachsen und können nach 3—7 Tagen wieder Junge er- zeugen. Der eigentliche Körper wird durch den durchschnittlich 1,4 mm grossen, kreisrunden Schild von grauer Farbe mit blass-röthlich-gelbem, etwas erhöhtem centralen Theile verdeckt (vergl. Abb. 2). Die Lebensdauer eines Thieres währt 6 Wochen; während der letzten Periode bringt es täglich lebendige Jungen zur Welt und zwar so reichlich, dass von einem einzigen Weibehen im Laufe eines Sommers 3000 Millionen Junge entstehen können. Die ausgewachsenen Thiere sind ur- sprünglich oval, etwa 1 mm lang und 0,5 mm breit, verlieren jedoch später ihre ursprüngliche Gestalt (vergl. Abb. 5). Wie unsere einheimischen Schildläuse, so sitzen auch die weiblichen San Jose- Schildläuse an denjenigen Stellen fest, wo sie sich ursprünglich angesiedelt, und saugen vermittelst ihrer sehr langen Saug- borste die inneren saftigen Theile der Pflanzen, speciell das für das Dicken- wachsthum der letzteren nothwendige Cambiumgewebe, aus. An den befallenen Pflanzen entstehen in Folge dessen eigen- thümliche Verkrüppelungen und später, nach einigen wenigen Jahren, gehen solche Pflanzen meist ganz ein. Zu- nächst freilich bilden sich an den angebohrten Stellen, so- wohl äusserlich, wie im Cambium selbst, rothe bis purpur- braune Flecke, oft auch eben solche Flecke um die saugen- den Thiere selbst, (vergl. Abb. 4) und derartige Stellen sind es, die die Anwesenheit der Läuse verrathen, die sonst bei ihrer Kleinheit, wenn es sich nur um vereinzelte Exemplare handelt, leicht übersehen werden. Bei zahl- reicherem Vorhandensein verrathen sie sich freilich da- durch, dass die besetzten Pflanzentheile ein graues, schorf- artiges Aussehen bekommen (vergl. Abb. 5), das bisweilen Aehnlichkeit mit einem Aschenbefall haben soll. Kratzt man an solchen Stellen die Schuppen fort, so tritt eine gelbe, ölige Flüssigkeit hervor, die von den getödteten Thieren herrührt. BRUT. Non. ‚17. Besonders gefährlich wird die San Jose-Schildlaus da- darch, dass die Zahl der Pflanzen, die den Thieren als Nährpflauzen dienen, eine überaus grosse ist. Es wurden nach den bis jetzt vorliegenden Mittheilungen befallen: Linden, Evonymus, Mandel, Pfirsich, Apri- kosen, Pflaumen, Kirschen, Spiräen, Himbeeren, Rosen, Weissdorn, Cotoneaster, Birnen, Aepfel, Quitten, Japan- Quitten, Stachelbeeren, Johannisbeeren und blühende Johannisbeeren; ferner Kaki-Pflaumen (Diospyros Kaki, eine Ebenacee), Akazien, Ulmen, Maclura aurantiaca, Wallnüsse und Peean-Nüsse (Carya olivaeformis) Erlen (?), Trauerweide, lorbeerblättrige Weide und sogar Coniferen. Die grosse Zahl der Wirthspflanzen, verbunden mit der eolossalen Vermehrungsfähigkeit, machen es nun an sich schon zur Unmöglichkeit, eine infieirte Anlage wieder zu säubern, ganz abgesehen davon, dass wirklich sicher wirkende Bekämpfungsmittel sich nur sehr schwer und zum Theil von Privatpersonen kaum anwenden lassen. Ueber den Werth soleher Bekämpfungsmittel decken sieh die aus dem Westen der Vereinigten Staaten kommenden Mittheiluingen mit denen aus dem Osten nicht; was sich dort als wirksam erwies, hatte in den östlichen Staaten keinen oder nur zweifelhaften Erfolg. Dahin ge- hören u. a. die zur Winterszeit auszuführen- den Wasehungen mit Kalk-Schwefel-Salz- Lösungen oder mit verseiften Harzbrühen oder mit Petroleum-Emulsion, von denen bald jene im Westen mit Erfolg verwendet ist, während im Osten mehrfach wiederholte Winterwaschungen mit Walfischölseife als wirksamstes Mittel am meisten empfohlen werden, obgleich die Blüthen, falls solche Manipulationen nicht erst im späten Frühjahr vorgenommen werden, darunter leiden. Besonders das zuletzt genannte Mittel soll auf junge Thiere, bis deren Schild erhärtet ist, sicher vernichtend wirken. Da die Erhärtung sich schon nach wenigen Tagen vollzieht, andererseits aber täglich neue Junge geboren werden, so könnte man bei dieser Methode nur dann. auf sicheren Erfolg rechnen, wenn während des Sommers solche gründlichen Waschun- gen, der Lebensperiode eines Weib- chens entsprechend, mindestens sechs Wochen lang täglich fortgesetzt würden, was natürlich in der Praxis absolut undurchführbar ist, ganz abgesehen da- von, dass die ganze Mühe vergebens wäre, wenn auch nur ein einziges Weibchen der Behand- lung entkäme, da von diesem wiederum bald eine voll- ständige Verseuchung ausgehen würde. Deshalb legt man denn auch jetzt den Schwerpunkt der Bekämpfung vielfach nicht mehr auf solche Waschungen, sondern auf die Behandlung mit giftigen Gasen, und zwar benutzt man Blausäuregas, indem man um die infieirten Bäume ein grosses Zelt spannt und nun vermittelst Oyankali und Schwefelsäure dieses furchtbar giftige Blausäuregas ent- wickelt, das allerdings binnen sehr kurzer Zeit alle Lebe- wesen vernichtet. Eine derartige zwei- bis dreimalige „Räucherung“ soll selbst bei starker Infection sicher wirken. Ausgeführt werden dieselben von professions- mässigen „Räucherern“, die mit dieser sehr gefährlichen Arbeit genau vertraut sein müssen, da schon geringe Quantitäten des Gases genügen, einen Menschen auf der Stelle zu töten. In Deutschland dürfte aus letzterem fallener Apfel. stück, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Fig. Ein von der San Jose-Laus be- bildete sich ein rother Fleck. (na- türliche Grösse.) Fig. Ein von der San Jose-Laus befallenes Zweig- Grunde diese „Räucherung“ nie zur Anwendung gelangen. Da die San Jose-Schildläuse von verschiedenen thie- rischen Parasiten befallen werden, ferner aber auch 191 manche natürlichen Feinde haben, die ihnen stark nach- stellen, z. B. namentlich verschiedene Sonnenkäferarten, so meinte man eine Zeit lang, dass sie durch diese würden in Schach gehalten werden können. Allein es hat sich jetzt herausgestellt, dass diese Hoffnung sich nicht er- füllte. Vor kurzem will man auch einen parasitären Pilz, dessen Namen und genauere Beschreibung in- dessen Referent noch nicht ermitteln konnte, gefunden haben, der die Läuse vernichtet, indessen dürfte nach den Erfahrungen, die wir in Europa mit derartigen Infectionen gemacht haben, vorläufig noch nicht allzu viel davon zu erwarten sein. Nachdem, wie schon anfangs ausgeführt, die San Jose- Sehildlaus thatsächlich auf importirtem Obst in lebendem Zustand constatirt und durch das Einfuhrverbot der Gefahr der Weiter- einschleppung abgeschwächt ist, drängt sich uns unwillkürlich die Frage auf: Hat sich dieser Schädling etwa schon bei uns ange- siedelt, und was ist, wenn dies der Fall, zu thun? Was zunächst die Frage betrifft, ob wir die San Jose-Schildlaus schon hier haben, so ist jedenfalls bis jetzt über ihr Vor- handensein in Deutschland nichts bekannt. Weder Herrn Oekonomierath Goethe, der sich mit einheimischen Sehildläusen beschäf- tiste, noch dem Institut für Pflanzenphysio- logie und Pflanzenschutz, das so reichliche 4. Um die Thiere bald diese, ı Einsendungen und Anfragen bezüglich kranker Pflanzen aus der Praxis erhält, ist die San Jose-Schildlaus bis jetzt aufgestossen. Damit ist nun freilich noch nicht viel gewonnen, denn die bisherigen Untersuchungen sind sehr sporadische. Nur eine allgemeine, systematische Nachforschung wird uns über diese Frage orientieren können. Diese hätte sich zunächst auf die oben schon erwähnten Holzgewächse zu erstrecken, auf deren Rinde die Thiere besonders leben und von der aus sie vermuth- lieh erst bei Uebervölkerung auf die Früchte übergehen. Wie könnte nun aber bei uns Aspidiotus pernieiosus auf die erwähnten Nährpflanzen ge- langt, was der Ueberträger des Schäd- lings gewesen sein? Einmal von den Thieren befallenes amerikanisches Obst und Obstabfälle, die von uns achtlos auf den Composthaufen geworfen und nun gewissermassen „zufällig der Aus- gangspunkt einer Infection wurden, ferner ähnliche „gedörrte“ Obstabfälle, die zur Krautbereitung jetzt in grossen Mengen importirt werden, oft aber nur so oberflächlich an der Luft ge- trocknet sind, dass die Pflanzenzellen, wie auch die an ihnen etwa vorhandenen Thiere völlig lebend sind, ferner alles mit frischen Pflanzen und Pflanzentheilen in Berührung gewesene Verpackungsmaterial und endlich importirte, von den Läusen befallene Holzgewächse selbst. Letztere kommen jedenfalls in allererster Linie in Betracht, wäh- rend andere Dinge, wie Zwiebeln, Knollen, Blätter ete. kaum noch in Frage kommen. Aber die direct aus Amerika zu uns im Laufe der letzten Jahre gebrachten Gewächse und die Pflanzen, die in ibrer Umgebung stehen, sind es, die zunächst bei der jetzt geplanten Untersuchung ganz besonders ins Auge zu fassen wären. Naturgemäss würde es dabei von der grössten Be- deutung sein, wenn die Baumschul- und Gartenbesitzer dadurch, dass sie sich selbst an den Untersuchungen und Nachforschungen betheiligen wollten, die Behörden unter- stützten. Dazu gehört freilich, dass man das Thier kennt. Farbige Tafeln und populär gehaltene, im Auftrage der Re- 5. Che) 192 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. gierung herausgegebene Druckschriften, sollen dazu dienen, weitere Kreise der Bevölkerung mit dem Schädling be- kannt zu machen. Um ganz bestimmt zu entscheiden, ob man es mit Aspidiotus perniciosus oder mit anderen, nahe verwandten Thieren zu thun hat, gehört freilich noch ein mindestens 300fach vergrösserndes Mikroskop und ein mit solehen mikroskopischen Untersuchungen geschultes Auge. Wie nämlich jeder Gärtner und Gartenfreund weiss, haben wir auch bei uns verschiedene Arten von Schild- läusen. Sie unterscheiden sich vielfach schon mit blossem Auge betrachtet durch Grösse und Gestalt von der San. Jose-Schildlaus; es giebt aber auch solche, und dahin gehört der in letzter Zeit häufiger beob- achtete und speciell von Herrn Oekonomierath Goethe-Geisenheim näher studirte Aspidiotus ostre- aeformis, der. äusserlich und selbst bei geringer mikroskopischer Vergrös- serung dem echten Aspi- diotus pernieiosus ganz ausserordentlich. gleicht. Nur eine direete Untersuchung der Thiere selbst und zwar bei mindestens 300facher mikroskopischer Vergrösserung setzt uns in den Stand, beide letztgenannten, sowie auch einige andere, diesen ebenfalls sehr ähnliche Schildläuse von einander zu unterscheiden. Es ist das letzte Hinterleibs- segment, welches bei den einzelnen Schildlausarten ver- schieden entwickelt ist. Abb. 6 stellt bei 570facher Vergrösserung dasjenige von Aspidiotus pernieiosus dar, Abb. 7 dasjenige von Aspidiotus ostreaeformis bei der- selben Vergrösserung. Form und Anordnung der einzelnen Lappen und Haare sind bei beiden so typisch verschieden, dass ein mit solchen Un- tersuchungen vertrauter Forscher nie im Zweifel sein wird, mit welcher der beiden Formen er es zu thun hat. Wer freilich in solchen Arbeiten nicht geübt ist oder kein ge- Aspidiotus perniciosus. Fig, 6. Letztes Hinterleibssegment. Weil die Thiere sehr variiren, sind beide Körperhälften ungleich gezeichnet. sätze*; p = Die gesägten Haare „plaids* genannt; h= Die ganzrandigen Haare, Dornen; d = Chitinverdiekungen in der Wandung. (°°/..) Nr. 17. Gefahr gleich im Keime zu ersticken. Sollten sich aber grössere Bestände als verseucht erweisen, so wäre doch vielleicht zweckmässiger, von einem so radikalen Mittel abzu- sehen und zunächst zu versuchen, mit geeigneten Desinfee- tionsmitteln vorzugehen und zwar auf Grundlage der nach dieser Richtung hin in Amerika gemachten Erfahrungen. Verseifungen von Fetten oder Harzen, besonders die schon in Amerika erfolgreich angewendete Walfischschölseife (9 Pfund auf 4 bis 5 Liter Wasser) wäre zu versuchen. Auch Petroleum-Emulsion, die gegen andere Schildläuse mit gutem Erfolg benutzt ist,*) käme in Betracht. - Neuerdings hat man auch schon unverdünntes Pe- troleum zur Vertilgung der San Jose-Laus in Amerika zur Anwendung gebracht. Dabei ist frei- lich nothwendig, dass die zu behandelnden Pflanzen sich in tiefster Winterruhe befinden, und selbst dann scheint mehrmalige Be- handlung Pärsichen und zarteren Birnensorten ver- hängnissvoll zu sein, wäh- rend Apfelbäume einen solchen zur Winterszeit gemachten Petroleumanstrich der Stämme und Bespritzung der Zweige besser zu vertragen scheinen. Derartige Versuche stellt Herr Oekonomierath Goethe-Geisenheim jetzt bereits an und wird über seine Erfolge später selbst berichten. Das beste und zuverlässigste Mittel ist freilich, dafür Sorge zu tragen, dass das Thier überhaupt nicht erst in eine noch uninfizirte Gegend verschleppt wird. Einer sulehen Verschleppung beugen die Amerikaner, nachdem sie durch Schaden klug geworden, dadurch vor, 1, 2, 3 = „Lappen“ bezw. „Körperfort- dass die Einzelstaaten der Union die Einfuhr von lebenden Pflanzen und Früchten aus ver- seuchten Staaten in noch nicht infieirte nur dann gestatten, wenn sie sich bei der vorzunehmenden Untersuchung als gesund erweisen, während an- dere verlangen, dass jeder nügendes Mikroskop be- sitzt, der wird die Frage, ob es sich um die echte San Jose-Laus oder um ein verwandtes Thier handelt, nieht mit Sicherheit ent- scheiden können. Da müssen dann die wissenschaftlichen, derartigen Zwecken dienenden Institute in Action treten, und zu solehen gehört auch das Institut für Pflanzenphysiologie und Pflanzenschutz der Kgl. Landwirthschaftlichen Hoch- schule, Berlin, Invalidenstrasse 42, das in zweifelhaften Fällen allen Interessenten, ohne dass denselben Unkosten irgend welcher Art entstehen, sachgemässe Auskunft ertheilt. Sollte nun, was freilich sehr zu bedauern, unter den obwaltenden Verhältnissen aber mehr als wahrscheinlich ist, Aspidiotus pernieiosus thatsächlich bei dieser jetzt geplanten, systematischen Besichtigung der Obstanlagen ete. constatirt werden, so wird unter thunlichster Berücksichti- gung der wirthschaftlichen Interessen der Betheiligten vor- zugehen sein. ‚Handelt es sich nur um einige mehr oder weniger infieirte Pflanzen, so wäre es jedensfalls das einzig richtige, diese durch Feuer zu zerstören, um so die drohende Fig. 7. Aspidiotus ostreaeformis. Letztes Hinterleibssegment. Sendung ein Attest von dem betreffenden Staats- entomologen beiliegt, des Inhaltes, dass sie aus einer Baumschule oder Obstanlage stamme, die weder jetzt noch früher von der Laus infieirt gewesen sei; auch ist vor Kurzem in den gesetzgebenden Körperschaften der Union zu Washington eine Reihe von Gesetzen zur Annahme gelangt, die gegen die Verschleppung oder das Eindringen des Schädlings in Wirksamkeit treten sollen. Man hat somit weder hier in Deutschland noch drüben in Amerika Ursache, über das zu klagen, was jetzt von unseren Behörden pflichtgemäss geschehen ist.**) 9) *) Käuflich zu beziehen von Dr. Küstenmacher-Steglitz bei Berlin, Ahornstrasse 10. Dies Präparat zeiehnet sich vor ähn- lichen sowie auch den selbstbereiteten dadurch aus, dass sich das Petroleum beim Verdünnen mit Wasser nicht ausscheidet, dass es also auch zu einer Zeit, wenn die Pflanzen belaubt sind, verwendet werden kann, ohne sie zu schädigen. **) Der obige Artikel ist im Wesentlichen eine gedrängte Zusammenfassung einiger Abhandlungen über denselben Gegen- stand von dem nämlichen Verfasser. Die Cliches sind uns gütigst von der Redaktion der „Gartenflora* in Berlin geliehen worden. XII. Nr. 17. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 193 Bärtige Frauen. — Bärtige Frauen haben zu allen | war. Auch Shakespeare’s Hexen in „Macbeth“ tragen historischen Zeiten die Aufmerksamkeit der Mitwelt auf | Bärte, die hier indess die Rolle des Wunderbaren, Räthsel- sich gelenkt, und es ist wohl kaum eine Zeitepoche aus- findig zu machen, in der nicht mehrere bärtige Frauen- zimmer sich als "noch nie dagewesene* Phänomene zur Schau stellten. Auch für unsere Tage können einige in einem Athemzuge genannt werden, von denen die Ameri- kanerin Annie Jones und die Polin Marie Nekrassow die bekanntesten sein dürften. Ausser diesen mehr bekannten mag aber noch manch anderes Bartweib von Jahrmarkt zu Jahrmarkt ziehen, um sich für wenige Nickel anstaunen zu lassen, und eine noch grössere Zahl von Damen, bei denen diese lästige Anomalie auftritt, mag daheim im Känmerlein und Boudoir streng abgeschlossen von jedem spähenden Auge jedes Härchen, sobald es nur die Ober- fläche der Haut erreicht, mittelst Rasirmesser, chemischer und anderweitiger Depilator en zu entfernen suchen. Ein leichter Grad von Bärtigkeit bei Frauen ist ver- hältnissmässig häufig. Professor Brandt in Charkow, welcher sich mit dem Studium dieser Anomalie seit langer Zeit beschäftigt und bereits recht interessante Mittheilungen darüber veröffentlichte, nimmt an, dass 10°), der Frauen mit einem Bärtchen geschmückt sind, wenn man so sagen darf. In den weitaus meisten Fällen sind diese Bärte in ihrer Struetur ausserordentlich fein; die Härchen er- reichen noch nicht die Dieke des Haupthaares, sind also nur flaumig und daher, namentlich bei Blondinen und helleren Brünetten, wenig auffällig. Kräftiger entwickelt sind sie bereits bei jungen Frauen, die in der Blüthe ihrer Jahre stehen; noch mehr zur Bartbildung neigen ältere Frauen, namentlich nach dem Klimax. Bei ihnen beob- achtet man, dass die betreffenden Haare länger und dicker, selbst borstenartig wie in stärkeren männlichen Bärten werden und nicht nur auf der Oberlippe, sondern auch am Kinn und an den Backen auftreten. Der. Weiberbart hat eine gewisse kulturhistorische Bedeutung. Bald ist er von feindlichgesinnten Mächten verliehen und verkündet dann die Zaubermaeht seiner Trägerin, bald gilt er als Geschenk einer besonderen göttlichen Gnade, das vor jedweder Gefahr schützt. Bald ist er das Zeichen eines übermenschlich hohen Alters, verbunden mit übermenschlicher Erfahrung und über- menschlichen Geistesfähigkeiten, bald zeigt er das vor- zeitige Alter in Keuschheit lebender Wittwen an. Bald erscheint der Frauenbart als das Hässlichste des Häss- liehsten, bald als eine Verschmelzung des männlichen ‘und weiblichen Prinzips, des befruchtenden und em- pfangenden. Wenn schon die Ainoweiber auf Jasso den Bart als nothwendigen Schmuck betrachten, und in seiner Er- mangelung das Gesicht in der Mund- und Wangengegend mit blauen Strichen bemalen, so gilt diese Anomalie doch allgemein als der Begriff superlativer Entstellung, und dieser ist es auch, der in weit zurückliegenden Zeitläuften mit dem Weiberbarte verknüpft ist. Trotzdem ist er bei heidnischen wie christlichen Völkern, bei den Indoeuro- päern wie bei den Semiten der Gegenstand inbrünstiger Betrachtung, ja selbst höchster göttlicher Verehrung ge- wesen. Als hässliche Zugabe fasst Cervantes in seinem „Don Quijote“* den Weiberbart auf, den er in der lustigen Epi- sode von der glücklichen Errettung der Gräfin Drei- ‚schleppina in die Litteratur einführt. Dieses Hauptwerk Cervantes’ ist bekanntlich zu einem europäischen Buche geworden, von welchem nicht weniger als 70 deutsche Vebersetzungen existiren, die nicht zuletzt Veranlassung zum Entstehen des Theaterstückes „Das bärtige Frauen- zimmer“ gegeben haben mögen, welches in seiner derb- drastischen Sprache im vorigen Jahrhundert recht beliebt haften und Dämonischen spielen. Es ist schon darauf hingewiesen, dass dem Weiber- bart auch eine ernste und heilige Bedeutung zugeschrieben wurde. Nach Aristoteles waren die Priesterinnen der Athene von Pedasus mit Bärten geschmückt, welehe Mit- theilung indess nach Herodot dahin zu verstehen ist, dass unter der Gesammtzahl derselben einige bärtige (zu ver- schiedenen Zeiten) vorgekommen sind. Die Bewohner der Insel Cypern verehrten eine bärtige Göttin, eine Aphrodite, die allerdings nicht identisch ist mit der Liches- göttin der Griechen und der Venus der Römer, sondern mit der assyrisch-phönizischen Asterroth, der Göttin der Fruchtbarkeit, des Entstehens und Gebärens. Und diese Göttin, welehe männliche und weibliche Attribute in sich vereinigte, erinnert an verschiedene andere Wesen der assyrischen Götterlehre, die aus Theilen verschiedener Individuen zusammengesetzt sind, aus Theilen des Mannes und des Weibes, wie aus solehen vom Menschen und Thier. Hierher gehören z. B. der geflügelte Mann, das- selbe Wesen mit einem Adlerkopfe, der menschenköpfige Stier, der geflügelte, menschenköpfige Löwe, aus dem be- kanntlich der Cherubim Israels hervorging. Selbst in die ehristliche Religion sind diese assyrischen Doppelwesen eingedrungen und haben sieh als Symbol der vier Evan- gelisten bis auf den heutigen Tag erhalten. Wenn die christliche Kirche kein Bedenken trug, den Evangelisten solche Doppelgestalten beizugesellen, dürfen wir uns auch nicht wundern, wenn sie in bärtigen Frauen etwas Uebernatürliches erblickte und dieselben zu Hei- ligen machte, freilich mag dann neben der äusseren Er- scheinung auch das Innere maassgebend gewesen sein. Aus den Actis Sancetorum der Bollandisten erfahren wir, dass unter den Heiligen drei bärtige Frauen zu finden sind. In der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts lebte in Rom die aus vornehmem Hause stammende heilige Galla. Sie verwitwete frühzeitig und widerstand allem Drängen ihrer Angehörigen, sich zum zweiten Male zu verehe- lichen, trotzdem „ihr die Aerzte begannen zu sagen, dass sie bei ihrer sehr feurigen Körperconstitution durch die grosse Hitze einen Bart bekommen würde“, wie Gregor der Grosse erzählt. Und so geschah es auch. Dieser Auffassung liegt eine alte, humoralpathologische Ansehau- ung zu Grunde, nach welcher bei hitziger Complexion das normale organische Gleichgewicht des Körpers nur durch regelmässiges Geschlechtsleben erhalten wird. Unter- bleibt dieses, so entstehen Productionen contra naturam, d. h. Aftergebilde, und zu diesen gehört beim weiblichen Geschlecht in erster Linie die Heterogenie des Bartes. Die zweite Heilige war die heilige Paula, welche ihres Bartschmuckes halber auch Saneta Barbata genannt wird. Paula war die Tochter einfacher Landleute und zeichnete sich durch seltene Schönheit aus. Ein ver- schmähter Liebhaber hatte ihr Rache geschworen. Bei einem Gange übers freie Feld erblickte sie ihn und eilte so schnell sie ihre Füsse tragen konnten in eine Kapelle. Dort warf sie sich vor dem “Kruzifix nieder und bat um die schrecklichste Entstellung, damit sie von dem Nach- stürmenden nieht erkannt würde. Ihr inbrünstiges Gebet fand Erhörung — es wurde ihr ein stattlicher Bart. Die berühmteste Bärtige ist aber die heilige Wilge- fortis, welche in allen katholischen Ländern Europas an- gerufen wird. Bei einundvierzig Namen, unter denen Saneta Wilgefortis, Saneta Liberata und heilige Kümmer- niss die verbreitetsten sind, bitten die Gläubigen i in Spanien und Portugal, in Frankreich und Belgien, in England, Deutschland und Böhmen um ihren Beistand. Ihre Ab- 194 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 17. stammung ist bislang noch nicht genügend aufgeklärt, our will man, dass sie königlichem Geschlecht angehöre. Von einer Christin liess sich die vornehme Jungfrau heim- lieh taufen. Als dann später ein heidnischer König um ihre Hand anhielt, schlug sie dieselbe aus. Der erzürnte Vater liess die Tochter in den Kerker werfen, und da diese auch jetzt ihre Gesinnung nicht änderte, musste sie die härtesten Strafen erleiden. Aber auch diese Qualen vermochten nichts; Tag und Nacht betete die Arme zu ihrem „himmlischen Bräutigam“. Er erhörte sie und ver- lieh ihr als Gnadengeschenk einen Bart. Der Vater aber war ein Heide vom reinsten Wasser und liess seine un- glückliche Tochter, „um sie dem Himmelsbräutigam noch ähnlicher zu machen“, ans Kreuz schlagen. Da that der Himmel ein Wunder: drei Tage lebte die Märtyrerin am Kreuze. Jetzt erkannte der Vater seine Schuld und um diese zu sühnen, liess er eine Kapelle errichten, in welcher er das Standbild seiner Tochter in Gold aufstellte. Mancherlei Wunder geschahen unter Anrufung desselben, und so entstand der Wilgefortes-Cultus. Viele bildliche Darstellungen, freilich alle erst aus dem 17. Jahrhundert stammend, zeigen die bärtige Wilgefortes an dem rohen Kreuze. Der Bart der Heiligen ist kurz und überragt die Conturen des Gesichts nur um Geringes. Die Gestalt ist in den sogenannten Herrgottsrock gekleidet, so dass das Ganze mit gewissen bildlichen Darstellungen des Ge- kreuzigten Aehnlichkeit hat. Es ist wahrscheinlich, dass in dieser Geschichte, wie auch in jener von der heiligen Paula und den Athene- priesterinnen von Pedasus das Andenken an eine ganz bestimmte bärtige Jungfrau nachklingt, deren über- raschende Bartbildung eben zur Entstehung dieser Legen- den Veranlassung gab. Aus diesen drei Geschichten ist zu ersehen, dass unsere Vorfahren Nüaneirungen in der Entstellung des Frauenantlitzes durch den Bart unterschieden. ‚Während der Bart der heiligen Galla physiologischen Ursachen seine Entstehung verdankt, ist der der heiligen Paula eine nackte Verhässlichung bis zur vollständigen Ent- stellung, entstanden nach göttlicher Erhörung eines in- brünstigen Gebetes. Dem gleichen Umstande verdankt der Bart der heiligen Wilgefortes seine Entstehung; in diesem Falle ist er aber zugleich eine Belohnung, denn Gott begnadigte die Märtyrerin mit derjenigen Gestaltung und Gesiehtsbildung, die der Erlöser selbst auf Erden getragen hat. Die eulturhistorische Bedeutung des Weiberbartes reicht also nach dem Gesagten bis in die ersten Jahr- hunderte der christlichen Kirche zurück, wobei ganz nebensächlich ist, ob der uns überlieferte Stoff über diese Anomalie der Legende und Sage angehört, oder ob es sich um wirkliche bärtige Originale handelt. Erfreulicher Weise finden Erscheinungen, die ehemals als blosse Curiosa oder als Spiel der Natur angesehen wurden, heute die erforderliche wissenschaftliche Beur- theilung, und so hat nicht zuletzt der Weiberbart die Auf- merksamkeit der Forscher auf sich gelenkt. Darwin nimmt an, dass die Männchen der Affen ihre Bärte durch geschleehtliche Zuchtwahl als Zieraten er- hielten und in den meisten Fällen auf ihre Nachkommen beiderlei Geschlechts in gleichem Grade überlieferten. Durch Eschricht wissen wir, dass bei der menschlichen Frucht (beim männlichen wie beim weiblichen Fötus) am Ende des dritten oder,.im Anfange des vierten Monats als normale Erscheinung ein Wollhaarkleid auftritt, welches im sechsten bezw. siebenten Monat seine volle Ausbildung erlangt hat, so dass zu dieser Zeit die ganze Frucht in ein feines Pelzchen gehüllt ist, dessen Härchen 6,5—13,5 mm lang sind. Ferner ist bekannt, dass dieses Wollhaar bereits während des Fruchtlebens wieder aus- zufallen beginnt, im Schafwasser schwimmt, von hier in den Verdauungscanal gelangt und im Kindspech nach- weisbar ist. Das fötale Wollhaar wird zuerst in der Augenbrauengegend, an der Stirn und im Umkreis des Mundes angelegt, bricht auch an diesen Partien zuerst durch, breitet sich dann über den ganzen Kopf, allmählich auch über den Rumpf und die Extremitäten aus. Diese Behaarung, insbesondere die des Gesichts, weist darauf hin, dass wir von einem Urzeuger abstammen, dessen beide Geschlechter bärtig waren. Es scheint daher auf den ersten Blick wahrscheinlich zu sein, dass der Mann seinen Bart von einer sehr frühen Periode her behalten hat, während die Frau ihren Bart zu der nämlichen Zeit verlor, als ihr Körper beinahe vollständig von Haaren entblösst wurde. . Dann fährt Darwin fort: Es liegt eine geringere Unwahrscheinlichkeit darin, dass die Männer der mit Bärten versehenen Rassen ihre Bärte von Urzeiten her behalten haben, als in Bezug auf die Haare am Körper; denn bei denjenigen Quadrumanen, bei welchen die Männchen einen grösseren Bart haben als die Weibchen, ist derselbe vollständig nur zur Geschlechts- reife entwickelt, und es können nur die späteren Ent- wickelungsstufen ausschliesslich auf die Menschheit über- liefert worden sein. Wir würden das erblicken, was wirklich der Fall ist, nämlich, dass unsere männlichen Kinder, ehe sie zur Geschlechtsreife gelangen, ebenso der Bärte entbehren, wie unsere weiblichen Kinder. Auf der anderen Seite deutet die grosse Variabilität des Bartes innerhalb der Grenzen einer und derselben Rasse und bei verschiedenen Rassen darauf hin, dass Rückschlag in Thätigkeit getreten ist. Wie sich indessen die Sache verhalten mag, wir dürfen die Rolle nicht übersehen, welche die geschlechtliche Zuchtwahl während späterer Zeiten gespielt haben kann, denn wir wissen, dass bei Wilden die Männer ‚der bartlosen Rassen sich unendliche Mühe geben, jedes einzelne Haar aus ihrem Gesicht als etwas Widerwärtiges auszureissen, während die Männer der bebärteten Rassen den grössten Stolz in ihren Bart setzen. Ohne Zweifel nehmen die Frauen an diesen Ge- fühlen Theil, und wenn dies der Fall ist, so kann ge- schleehtliche Zuchtwahl kaum anders, als auch etwas im Verlaufe der späteren Zeiten bewirkt haben. . Ueber die „äusserst verwickelte Natur des Gegenstandes“, wie Darwin selbst betont, spricht er noch an einer anderen Stelle in seiner „Abstammung des Menschen“, nach weleber zweierlei Vorfahren des Menschen angenommen werden dürften: nämlich älteste, die in beiden Geschlechtern bebartet waren und jüngere, affenähnliche, deren männ- liche Individuen den unterdessen verloren gegangenen Bart wieder erhielten und ihn erblich auf den Menschen übertrugen. Professor Brandt in Charkow stellt sich in seiner Vorstellung über den Bart an Darwins Seite, meint aber, dass die Ausbildung des recenten menschlichen Bartes noch nicht abgeschlossen ist und glaubt behaupten zu dürfen, dass seine Uebertragung auf das weibliche Ge- schlecht noch bevorstehe. Demnach sind ihm die bärtigen Weiber, Viragines, prophetische Individuen, bezw. Pioniere auf einem kommenden Generationen vorgezeichneten Ent- wickelungspfade. Bereits in einer 1889 erschienenen Arbeit über männ- lich befiederte Vogelweibehen (Anatomisches und All- gemeines über die sogenannte Hahnenfedrigkeit etc.) zieht Brandt die Viragines als Beispiel der Arrhenoidie, der Männchenähnlichkeit heran und sagt etwa in diesem Bei- trag der „Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie“, dass man im Grossen und Ganzen für die Summe der thie- rischen Wesen in beiden Geschlechtern ein Streben nach XII. Nr. 17. Schmuck und Waffen annehmen könne, welches Streben nicht nur seit undenklichen Zeiten besteht, sondern auch zu wirken fortfahre, bei den männlichen Individuen indess stärker hervortrete als bei den weiblichen. Unter den Säugern eilen die Männchen durch auffallende äussere Merkmale (Bart, Mähne, Geweih, verlängerte Zähne u. s. w.) den Weibchen voran; in der Vogelwelt tragen bei vielen Arten die Männchen ein schöneres Gefieder als die Weibehen. Dass das weibliche Geschlecht dem männ- lichen in dem Streben nach Schmuck thatsächlich nach- folgt, wird bewiesen durch die Virilescenz, die bekannt- lich bei den Cervinen unter den Säugern und den Tetra- onen unter den Vögeln nicht gar zu selten ist. Diese arrhenoiden Weibehben bezeichnete Brandt seiner Zeit eben- falls als prophetische Variationen, welche gemäss. einer deutlich erkennbaren, allgemeinen Entwickelungsrichtung dazu bestinnmt zu sein scheinen, in mehr oder weniger ferner Zukunft normale Merkmale der betreffenden Art darzustellen. Der Brandt’schen Annahme, die Viragines seien prophetische Individuen, widersprieht der Dorpater Pro- fessor J. v. Kennel. Nach ihm steht der Mann heute in Bezug auf Behaarung der Stammform noch näher als das Weib. Deswegen tritt bei ihm die atavistische Behaarung vieler Körperregionen viel leichter und öfter auf als beim Weibe, das sich durch viel weitergehende Degeneration der Integumentbildungen im höheren Maasse von dem Urtypus entfernt hat. Bärtige Frauen sind nach Kennel Rückschlagserscheinungen, nicht aber solche, die der Jetzt- zeit gewissermaassen vorausgeeilt sind. Auch sieht dieser Gelehrte den Bart nicht als einen nur beim Manne zur Ausbildung gelangten sexuellen Schmuck an, sondern deutet ihn als Ueberbleibsel des embryonalen Kiefer- behanges und als eine compensatorische Weiterbildung stärkerer und fester eingewurzelter Haare auf Kosten des zurückgegangenen Haarkleides. Man denke an die Kahl: köpfe, bei welchen die ganze Wachsthumsenergie der Kopfhaare in den Bart geflüchtet zu sein scheint. Aus dieser Thatsache könnte aber ebensogut die Unabhängig- keit der Barthaare von der übrigen Behaarung bewiesen werden; auch wäre sie ein Beweis für die weitere Fort- bildung des Barthaares, was gegen die atavistische Be- deutung des Bartes sprechen würde. Darwin und mit ihm Haeckel nehmen an, dass der Mensch oder vielmehr ursprünglich die Frau das Haar- kleid zu ornamentalen Zwecken verlor, wie auch das Gesicht mehrerer Affenspecies und grössere Flächen am Hintertheile anderer Affenarten von Haaren entblösst worden sind, welche Erscheinung nach jenen Gelehrten entschieden der geschlechtlichen Zuchtwahl zuzuschreiben sei. Dem gegenüber meint Brandt, dass nicht die Zucht- wahl in ursächlichem Zusammenhange mit dem Verlust des Haarkleides stehe, sondern es wahrscheinlicher sei, dass Rudimentärwerden des menschlichen Haarkleides durch eine unabwendbare, innere, im Organismus selbst liegende Ursache, etwa als eorrelative Abänderung hervor- gerufen werde, die sich in einer Depression der forma- tiven Hauptthätigkeit äussert. Und in der That sehen wir diese letztere quantitativ und zeitlich herabgestimmt, wobei die kleinen Flaumhaare erst im späteren Alter die Kraft finden können, weiter zu wachsen und dabei nicht einmal allerwärts, sondern meist nur an einzelnen Körper- partien und vorzüglich nur bei Männern. Ausnahmefälle, welche in einer Maturitäts- oder postembrıyonalen Hyper- trichose bestehen, zeugen von einer gelegentlich sich früh restituirenden, ursprünglichen Productivität der Haut. Wo indess den Haaren eine specielle physiologische Aufgabe zukommt, wie auf dem Scheitel, in der Achselhöhle und auf dem mons veneris, sind die Körperstellen bei der all- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 195 gemeinen Denudation der Hautdecke unserer Vorfahren naturgemäss geschont geblieben. Auf eine jahrelange bartlose Periode beginnt mit Eintritt der Pubertät bei den männlichen Individuen mancher Völkerschaften ein Kieferbehang zu sprossen, welcher an Länge und Ueppigkeit im Thierreich seines Gleichen sucht. Daraus ergiebt sich, dass der mensch- liche Bart ein speecifischer, ausgesprochen seeundärer männlicher Geschlechtscharakter, resp. Sexualschmuck ist. Weibliche Individuen, denen ebenfalls ein mehr oder we- niger angedeuteter oder selbst gut ausgebildeter Bart sprosst, gehören in die Kategorie arrhenoider Weibehen, gleich den hahnenfedrigen Auerhennen und Geweih auf- setzenden Hirschkühen, Wie in diesen Fällen treten auch beim menschlichen Weibe die männlichen Merkmale ge- wöhnlich erst nach dem Erlöschen der Geschlechtsthätig- keit auf. Es ist allerdings seit längerer Zeit bekannt, dass bei Säugern und Vögeln arrhenoide Merkmale auch durch gewisse Erkrankungen und Defecte der weiblichen Genitalien bedingt werden, so konnte diese Ursache der Hypertrichose Professor Brandt vor nun wohl zwei Jahren auch am menschlichen Weibe nachweisen und feststellen. Die Polin Marie Jakowlowna Unkrassow-Bartschew hatte wegen heftiger Gemüthsaufregung eine Frühgeburt und in diesem, dem zweiten Wochenbett, entwickelte sich bei der sonst nur mit der gewöhnlichen Lanugo bedeckten, neununddreissigjährigen Frau die Hypertrichose und zwar in einer solchen Weise, dass die Schnurrbarthaare 4—5 em Länge erreichten, während die des Backen- bartes 20, die längsten sogar 35 em lang wurden. Der auf einer früheren Entwickelungsstufe zum Ab- schluss kommende weibliche Organismus ist nieht im Stande, alle der Species zugewiesenen Merkmale zu er- ringen, es sei denn, dass sich beim Wegfall der Aus- gaben für die Geschlechtsthätigkeit ein Ueberschuss an Bildungsmaterial und Bildungsenergie einstellt. Gewisse an und für sich kräftiger, entwickelungsfähiger angelegte, sonst normale Weibchen können es aber bereits im kräftigen Alter, ja schon in der Jugend zu arrhenoiden Merkmalen bringen. In diese Gruppe ist jedenfalls in erster Linie die schöne Amerikanerin Viola mit dem Christuskopfe zu zählen. Schon bei der Geburt des Mädchens zeigten Oberlippe, Backen, Kinn und Sub- maxillargegend einen weichen, weissen Haarwuchs; im zehnten Jahre waren die Härchen schon merklich ge- wachsen, und im achtzehnten Jahre erfreute es sich eines vollen, diehten und schönen Vollbartes, um den es selbst ein Mann beneiden konnte. Es ist nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, dass der Kopf der schönen Viola mit dem Christuskopfe grösste Aehnlichkeit besass. Ist nun der männliche Bart ein progressirendes Ge- bilde, von manchen Völkern relativ erst unlängst, von anderen so gut wie noch gar nicht erworben, so muss dies auch für den weiblichen Bart Geltung haben. Da ferner der weibliche Bart für gewöhnlich später als der männliche auftritt, so muss er nach dem biogenetischen Grundgesetz jüngeren Datums sein. Und das bei den Vogelweibchen ausgesprochene Bestreben, in Schmuck und Waffen dem Männchen gleichzukommen, findet in dem Frauenbarte sein Analogon. Und wenn fernerhin arrhe- noide Säugethier- und Vogelweibehen prophetische Indi- viduen sind, so werden es auch die menschlichen Viragines sein. So dürfte auch jener französische Gelehrte Rechthaben, der da behauptet, dass der Schnurrbart bei seinen Lands- männinnen heutigen Tags eine viel häufigere Erscheinung sei wie ehedem. Für Frankreich nimmt der Gelehrte 5°), (was wohl zu niedrig gegriffen sein dürfte) von Frauen an, die jenen interessanten Flaum auf der Ober- lippe nicht mehr unsichtbar zu machen im Stande sind; 196 in Constantinopel trägt jede zehnte Dame ein zierliches Bärtchen, und in Spanien und Italien ist der Procentsatz noch grösser als am Goldenen Horn. Unserem schönen Geschlecht, welches trotz seiner Gleichheitsbestrebungen den männlichen Bart bewundert, den eigenen aber verabscheut, bleibt aber der Trost, dass nach Brandt die Zahl der schwach und stark bebarteten Frauen nur ganz allmählich und unmerklich im Verlaufe von Jahrtausenden zunehmen dürfte. Unterdess mögen sie noch weiter mittelst Rasirmesser, Elektrolyse und Kosmetika den geheimen Bart der bösen Welt unsichtbar machen. Vielleicht ändert sich auch in dieser Beziehung einmal der Geschmack, und das weibliche Geschlecht findet seinen Bart nicht so ganz unübel, wie es bei den Ainomädehen schon heute der Fall ist, wenn sie die üppige Behaarung der Männer durch blaue Farbestriche imitiren. Schenkling-Prevöt. Die Eier von Monotus albus Levinsen, einer zu den Rhabdocoelen gehörenden Turbellarie, beobachtete der bekannte Pariser Biologe Alfred Giard, wie er in den „Comptes rendus hebdomad..de la Soc. de Biologie“ 1897, S. 1011 mittheilt, im vergangenen’ Sommer im Meere bei Boulogne-sur-Mer. Giard war daselbst beschäftigt, verschiedene Muscheln vom Meeresgrunde heraufzuholen. Dabei fand er an einigen derselben, besonders an Donax, truneulus L., Tellina tenuis Da Costa und Tellina fabula Gronov. ganz merkwürdige Bildungen, die beim, Be- trachten mit blossem Auge Aehnlichkeit mit ‘gewissen Pedicellinen und Loxosomen hatten. Dieselben bildeten dichte Ueberzüge auf den Schalen der Muscheln, nament- lich an den.Rändern, in der Nähe der: Siphons oder auf diesen selbst, mitunter auch auf dem Seitenrande des Mantels. Bei mikroskopischer Vergrösserung stellten sich die Gebilde als kleine, elliptische Schalen von 0,3 bis 0,5 Millimeter Länge dar, die mittelst: eines an dem einen Pol des Ellipsoids sitzenden Füsschens auf der Muschel be- festigt waren und hellviolette Farbe hatten. Eine grosse Zahl dieser Schalen war schon offen und leer, andere enthielten einen Embryo, der durch die feste, aber durch- seheinende Schale wohl. zu erkennen war und beständig um sich selbst rotirte.., Nachdem Giard einige dieser Embryonen aus ihrer Hülle befreit hatte, erkannte er sie als zu der Gattung Monotus gehörig, bezüglich der Art hält er sie für. Mon. albus Levinsen; dieselbe gilt als grönländische Species, ist aber bereits von Gamble in einem Exemplar bei Plymouth gefunden worden und über- haupt noch sehr wenig bekannt. Viele Strudelwürmer besitzen Otocysten oder Gehör- - bläschen, welche den Ganglien aufsitzen; so fand auch Giard bei den untersuchten Monotus derartige Organe. Die Gehörblase ist glockenförmig und enthält einen grossen, biconvexen Otolithen, weleher horizontal im Grunde der Glocke liegt und seitlich von zwei kleinen, sphärischen Körpern überragt wird. — Bemerkenswerth ist ferner, dass die Embryonen eine hellviolette Farbe aufwiesen, was bei der erwachsenen Form, wie auch der Name andeutet, bisher nieht beobachtet wurde. Aus Giard’s Beobachtungen lässt sich also ent- nehmen, dass die Eier von Monotus zu ihrer Entwiekelung immer frisches Wasser nöthig haben; dieselben werden deshalb auch dort abgelegt, wo durch die Athmung des Wirthes ein permanenter Wasserstrom erzeugt wird. Trotz der verhältnissmässigen Dieke der Eischale findet ein Gaswechsel zwischen dem Innern des Eies und dem sauer- | stoffreichen Wasser statt. S. Seh. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIU. Nr. 17. Zur Entdeckung der Puliciphora lueifera. In No. 11 der „Naturw. Wochenschr.“ wird erwähnt, dass Dahl in seinen aus dem Bismarckarchipel stammenden Fängen eine Fliege entdeckt hat, die der Familie der Phoriden angehört und in verschiedener Hinsicht dem Floh so ähnlich sei, dass sie für dessen nächste Verwandte, Ja für dessen Vorläufer gehalten werden müsse. Dahl nannte dieses für die Phylogenese der Aphaniptera scheinbar so wichtige Insect Pulieiphora lucifera. Im Zoolog. Anzeiger No. 553, 1895 finden wir nun eine Abhandlung von Dr. Benno Wandolleck, der bei der Untersuchung des Dahl’schen Materials zu wesentlich verschiedenen Er- gebnissen gelangt ist. Nach Wandolleck’s Untersuchungen beruhen die Dahl’schen Behauptungen in allen Theilen auf ungeheuren Irrthümern. Nach der Beschreibung Dahls wären es hauptsächlich die Männchen, welehe dureh die Gestalt ihrer Geschlechtsorgane eine deutliche Verwandt- schaft mit den Flöhen zeigen. Das erste Resultat, dass Wandolleck erhielt, war nun aber, dass sich unter dem ganzen Material gar keine Männchen vorfanden. Die vermuthblichen Männchen waren typische, legereife Eier tragende Weibchen von total anderem Bau und anderem Habitus, als die von Dahl für Weibchen gehaltenen Thiere, kurze Weibchen einer anderen Gattung. Beide weib- lichen Formen stehen allerdings den Phoriden nahe, unter- scheiden sich indessen von ihnen durch die Gestalt ihrer Mundtheile, die nach Dahl gerade für ihre Zugehörigkeit zu den Phoriden sprechen sollte. Auch die nahen Beziehungen, welche Pulieiphora lucifera nach Dahl zu den Flöhen zu haben scheint, zeigen sich nach. den Wandolleek’schen Befunden ziem- lich problematisch. Das Imago von Pulex hat einen aus drei freien Ringen bestehenden Thorax, während der- jenige des Imago von Pulieiphora aus einem Stück be- steht. Der Kopf des Flohes sitzt mit breiter Basis dem Thorax auf, der der Pulieiphora ist frei beweglich auf einem Halse befestigt. Die Fühler von Pulex sind dem homonomen Typus am nächsten und stehen hinter den Augen; bei. Puliei- phora beobachtet man Gliederverschmelzung, und die Fühler stehen wie bei allen Fliegen vor den Augen. Auch in ihren Larven zeigen Phoriden und Apha- nipteren grosse Unterschiede. Die Larven der Phoriden haben einen ausgebildeten Kopf mit mehrtheiligen Mund- werkzeugen, sie sind peripneustischh die Larven der Phoriden besitzen ein Paar hackenförmige Mundtheile, sie sind amphipneustisch. Phoriden und Aphanipteren sind somit auch in ihren ontogenetisch jüngeren Stadien wesentlich von einander versebieden, und zwar müssen die Eigenschaften der Flohlarve als phylogenetisch älter an- gesehen werden als die der Phoriden. Nach den Ergeb- nissen Wandolleck’s, deren ausführlichere Begründung demnächst in den Zoologischen Jahrbüchern erscheinen werden, ist also die Phylogenese der Aphanipteren nach wie vor noch ein Räthsel, indem die angebliche Ent- deckung Dahls auf einem Irrthum_ beruht. Dr. Gräfin M. v. Linden. Die Doppelstern - Natur von 8 Lyrae. — Der zu den regelmässigsten Veränderlichen gehörige Fix- stern & Lyrae bildet schon seit mehreren Jahren ein Object eifrigster Forschung seitens der Astronomen. Nachdem nämlich bei Algol die Duplieität als Ursache der Veränderlichkeit durch H. C. Vogel: mit Sicherheit erwiesen worden war, lag die Vermuthung, dass ähnliche | Erscheinungen bei anderen Sternen auch durch ähnliche Ursachen bedingt sein möchten, ausserordentlich nahe. Bei 8 Lyrae mussten allerdings jedenfalls beide Compo- RUNSNTITETE nenten leuchtende Himmelskörper sein*), da die Licht- kurve dieses Sternes zwei Maxima und zwei Minima auf- weist, bei jeder Bedeckung des einen Sternes durch den anderen also eine Lichtverminderung anzunehmen war. Spektroskopisch machte sich dies auch dadurch deutlich bemerkbar, dass die photographischen Aufnahmen des Speetrums von # Lyrae, welche zuerst Pickering ge- langen, die meisten Linien als doppelt erkennen liessen, sodass man es zweifellos mit der Uebereinanderlagerung zweier Sternspeetra zu thun hatte. Die Linien des einen Speetrums heben sich von dem continuirlichen Hinter- grunde als hellere, verwaschene Bänder, die des anderen dagegen als feine, dunkle Unterbrechungen ab. Dass diese Linien auch gewisse mit dem Lichtwechsel im Zu- sammenhang stehende Schwankungen erfahren, wurde ganz den Vermuthungen entsprechend bereits im Jahre 1893 von Belopolsky und H. Ü. Vogel erkannt, doch liess sich das Verhalten gewisser Linien mit demjenigen anderer und mit den Erscheinungen des Lichtwechsels damals nicht in einen einfachen Zusammenhang bringen. Gleichwohl konnte Myers vor Kurzem darthun, dass sich alle Eigenthümlichkeiten des Lichtwechsels von ß Lyrae dureh die einfache Dppelsternhypothese völlig zufriedenstellend erklären lassen, wenn man beide Sterne als stark abgeplattet annimmt, sowie eine 21mal, be- ziehungsweise 9'/,mal die Sonne übertreffende Masse und einen gegenseitigen Abstand von 50 Mill. Kilometern vor- aussetzt. Die Resultate dieser Mycrs’schen Arbeit sind nun jüngst von Belopolsky durch erneute Aufnahme der speetrographischen Untersuchung mit einem besonders lichtstarken Apparate in schönster Weise bestätigt worden. Bei den im Jahre 1892 photographierten Theilen des Spectrums fand eine derartige Ueberdeekung der Spectra beider Componenten statt, dass die Messungen keine sicheren Einstellungen zuliessen; daher konnten die damaligen Ergebnisse eine beträchtliche Verbesse- rung erfahren, nachdem in der Magnesiumlinie bei i — 4482 eine Linie gefunden war, welche ihre Ge- stalt nicht ändert, und nachdem der neue Spectrograph der Sternwarte in Pulkowo die Möglichkeit gewährte, den betreffenden Theil des Speetrums zugleich mit einem als Vergleichsobjeet dienenden, künstlichen Eisen- speetrum zu photographieren. Aus 26 über alle Phasen des Lichtwechsels sich vertheilenden Aufnahmen konnte Belopolsky nun Bewegungen im Visionsradius ableiten, welche durchaus einen regelmässigen und den Erwar- tungen entsprechenden Gang zeigen und daher gleich- zeitig mit dem Lichtwechsel durch eine enge Doppel- sternbahn erklärt werden können. Der Stern, dem die Linie 4482 angehört, nähert sich uns vom Hauptminimum an mit zunehmender Geschwindigkeit bis zum Maximum. Dann sinkt die Geschwindigkeit wieder, um im Neben- minimum zu verschwinden und ihr Zeichen zu wechseln. Zur Zeit des zweiten Licht-Maximums erreicht auch die Geschwindigkeit der Entfernung ihren grössten Werth, bis nach Erreichung des Hauptminimums das Spiel von Neuem beginnt. Das Hauptminimum ist sonach offenbar dadurch bedingt, dass der hellere Stern von dem dunkleren verdeckt wird, während beim seeundären Minimum die Stellung die umgekehrte ist, sodass in beiden Fällen die Bewegung in der Gesichtslinie gleich Null ist. Die beiden gleich hellen Maxima kommen dagegen bei maximalen Geschwindigkeiten in der Gesichtslinie zu Stande, wenn beide Componenten neben einander leuchten. Die Be- wegungsgeschwindigkeit wurde von Belopolsky auf 150 Kilometer in der Secunde bestimmt, woraus sich in Ver- *) Die Erscheinungen des Algol waren dagegen durch einen dunklen Begleiter völlig erklärt worden. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 197 » bindung mit der der Liehtperiode gleichen Umlaufszeit von fast 13 Tagen in guter Uebereinstimmung mit Myers’ Resultat der Halbmesser der Bahn zu 4318000 geogr. Meilen ergiebt. — Auch die Bewegung der anderen Componente konnte von Belopolsky beobachtet werden, indem nämlich die in den Speetrogrammen von f% Lyrae hell erscheinende Linie F gerade umgekehrte Schwankungen erkennen lässt, als die dunkle Linie bei 4482. Die helle F-Linie muss sonach dem weniger leuchtenden der beiden Sterne angehören, welcher beim Hauptminimum den helleren ganz oder theilweise verdeckt, und dessen Bewegung der des helleren Sternes stets entgegengesetzt erscheint. — Wie bei Algol und den übrigen speetroskopisch entdeckten Doppelsternen ist übrigens auch im vorliegenden Falle noch keine Aussicht auf optische Trennung der beiden so überaus nahe stehenden Himmelskörper vorhanden, wir haben es hier vielmehr bislang noch durchaus mit einem Kapitel aus der „Astronomie des Unsichtbaren“ zu thun.* F. Kbr. Die Deeimalstunde. — In neuerer Zeit mehren sich die Versuche, die grossen Vortheile, welehe mit dem deci- malen Maass-, Gewichts- und Münzsystem verbunden sind, auch für andere Gebiete durch Einführung der deeimalen Theilung nutzbar zu machen, und es ist in der „Naturw. Wochenschrift“ wiederholt auf Schriften hingewiesen worden, welehe in dieser Richtung Bahn zu brechen suchen, so insbesondere auf die Bestrebungen, der deci- malen bezw. centesimalen Theilung des Kreises oder des Kreisquadranten statt der bisherigen in 360° zu allge- meiner Annahme zu verhelfen. Diese Bewegung scheint allmählich immer mehr an Boden zu gewinnen, und es ist deshalb vielleicht von einigem Interesse, auf eine Sehrift hinzuweisen, die Henri de Sarrauton der Pariser Akademie vorgelegt hat, und über welche er selbst in den Comptes Rendus vom 17. Januar d. J. einen vor- läufigen Bericht veröffentlicht. Die wesentlichen Ueber- legungen, auf welche sich de Sarrauton stützt, sind nach seiner eigenen Angabe kurz die folgenden: Die Umdrehung der Erde um ihre Axe ist, in Zeit ausgedrückt, ein Tag, in Graden ausgedrückt, ein Kreis; demgemäss ist es vernünftig, dem Tage und dem Kreise ein und dasselbe Maass zu geben. Da die uralte Theilung des Tages in 24 Stunden zugleich, vom mathematischen Gesichtspunkte, die bestmögliche ist, so muss sie als die Norm für die Theilung des Kreises dienen. Der Kreis soll also in 24 Stunden oder 240 Grad getheilt werden; alsdann verschwindet die Dualität der Theilungen in 360 alte Grad oder in 400 Centigrad (bei Centesimaltheilung des Quadranten). Die Stunde wird nun in 10 Theile ge- theilt, und man kann demgemäss von der Decimalstunde sprechen. Kreis und Tag werden also in 24» (h — Stunde) getheilt, die Stunde in 101 (d = degre — Grad), der Grad in 10 Minuten (10m). Die deeimalen Theile der neuen Minute werden nach dem deeimalen Stellenwerthe be- zeichnet: O,nl = eine Prime, 0,m01 = eine Secunde, 0,”001 —=eine Terze u. s. f. Man fasst ferner zweck- mässig immer zwei Decimalstellen zusammen, so dass immer eine grade Anzahl solcher Stellen geschrieben wird, z. B. 3,52540 —=3 Stunden 25 Minuten 40 Seeunden; ebenso: 6,41472—=6 Grad 14 Primen 72 Terzen. Auf diese Weise werden, da die Stunden und Minuten im Allge- meinen als Zeitmaass dienen, während der Grad das all- gemein verwendete Winkelmaass bildet, sich die Zeit- angaben von den Winkelangaben unterscheiden: die deci- malen Theile von gerader Ordnung (Minuten, Seceunden) gehören den ersteren an, dagegen die von ungerader ’ 198 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 17. Ordnung (Grade, Primen, Terzen) den letzteren; dadurch wird aber die Beziehung zwischen Tag und Kreis nicht unsicher. Es verschwindet zugleich die Anomalie, die gegenwärtig insofern besteht, als durch Minute, Secunde u. s. w. Grössen von ganz verschiedener Ordnung be- zeichnet werden. Herr de Sarrauton giebt an der bezeichneten Stelle ferner noch an, dass er auch für die Geographie seine Idee nutzbar machen wolle; er zählt die geographische Breite vom Aequator zum Pol von O4 bis 604, und zwar wird die nördliche und südliche Breite durch das positive und negative Zeichen unterschieden. Die geographische Länge wird von Ost nach West von Od bis 2404 ge- rechnet. Den Meridian 1404 legt der Verfasser in den westlichsten Punkt des alten Continentes. Auf dieser Grundlage hat der Verfasser nach seinem vorläufigen Bericht ferner eine geographische Tafel berechnet, die gestattet, mit den einfachsten Formeln der ebenen Trigo- nometrie schnell Aufgaben zu lösen, die ohne diese Tafel zum Theil den Gebrauch der sphärischen Trigonometrie und sogar der Integralrechnung erfordern. Ein nothwendiges Hilfsmittel für die Benutzung der neuen Theilung des Kreises in 240 ist natürlich eine darauf begründete Tafel der Kreisfunetionen; eine solche wird nach der genannten Quelle durch Lebegue und Mery in Brüssel berechnet. — Eine Prüfung aller Einzelheiten wäre natürlich ver- früht, da bis jetzt nur der vorläufige Bericht in den Comptes Rendus vorliegt. Es lässt sich aber wohl nicht leugnen, dass der Grundgedanke von de Sarrauton, das Zeit- und Winkelmaass in Uebereinstimmung zu bringen, Vieles für sich hat. Auch gegenüber der Deci- maltheilung treten mehrere Vorzüge in die Augen: der Quadrant wird jetzt in 609 getheilt, dadurch werden die ausgezeichneten Winkel 30° und 60° übergehen in 204 und 404, während bei der Centesimaltheilung des Qua- dranten diese Winkel sich nicht durch ganze Zahlen aus- drücken. Wir wollen uns hier aber weder für das eine noch für das andere aussprechen. Jedenfalls ist die Zeit nieht mehr fern, wo über die berührten Fragen eine internationale Verständigung herbeigeführt werden muss, so wie man über die physikalischen Einheiten und deren Bezeichnung sich verständigt und geeinigt hat. In diesem Sinne hat Prof. Rudio in Zürich auf Anregung des Unterzeichneten in seinem Vortrage „über die Aufgaben und die Organisation internationaler mathematischer Con- gresse“, den er bei dem ersten internationalen mathemati- schen Congresse zu Zürich im August 1897 hielt, sich folgendermaassen ausgesprochen: „Es wird daher als eine Aufgabe der internationalen Verständigung bezeichnet, die in den neuen Tabellen herrschende Verschiedenheit durch Festsetzung eines einheitlichen Winkelmaasses zu be- seitigen.“ Jedenfalls dürfte dabei der von de Sarrauton gemachte Versuch ernsthaft zu berücksichtigen sein. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Berufen wurden: Der ausserordentliche Professor der Botanik in Bonn Dr. Noll als etatsmässiger Professor an die landwirth- schaftliche Akademie in Poppelsdorf; der Privat-Docent der Chirurgie in Breslau Dr. Paul Reichel als Chefarzt und chirurgischer Oberarzt ans Stadtkrankenhaus in Chemnitz; der Director des Allegany-Observatoriums Professor JamesE. Keeler als Director an die Lick-Sternwarte. In den Ruhestand treten: Der Professor der Botanik an der landwirthschaftlichen Akademie in Poppelsdorf und Leiter des botanisch-ökonomischen Gartens daselbst Friedrich Körnicke; der Direetor der Lick-Sternwarte Professor Edward S. Holden. Es starb: Der um die zoologische und botanische Erforschung Westindiens verdiente Prof. Leopold Krug in Gross-Lichterfelde. Feriencurse in Jena (vom 3.—23. Aug. 1898). Die fort- während steigende Zahl der Theilnehmer und Theilnehmerinnen hat wiederum eine Erweiterung des Programms veranlasst. Es werden folgende Curse zu halten beabsichtigt: A. Allgemeine Fort- bildungseurse für Damen und Herren. 1. Allgemeine Physiologie, exacte Naturlehre, Geologie, physiologische Psychologie, Philo- sophie, Religionsgeschichte, Kulturgeschichte. 2. Pädagogik: Schulhygiene, Allgemeine Didaktik, Specielle Didaktik, Theorie des Arbeitsunterrichts, Methodik des geographischen Unterrichts, Pädagogische Pathologie. 3. Spracheurse und Litteraturgeschichte für Ausländer. B. Besondere Fortbildungseurse für Lehrer der Naturwissenschaften an höheren Lehranstalten: Astronomie, Bo- tanik, Mineralogie, Physiolegie, Physik, Zoologie. Anmeldungen nimmt entgegen und nähere Auskunft ertheilt das Secretariat Hugo Weinmann (Jena, Spitzweidenweg 4), Litteratur. Emile Ferriere, La cause premiere d’apres les donnees experi- mentales. Paris, Felix Alcan editeur. 1897. — Prix 3,50 fr. Der vorliegende Band zusammen mit 2 vorausgehenden „La matiere et l’önergie* und „La vie et l’äme“, deren Resultate hier kurz repetirt werden, bilden eine Naturphilosophie, die wir jedoch aus Mangel an Platz nicht kritisiren wollen. Bei den von unseren An- sichten vielfach ausserordentlich abweichenden Resultaten Ferriere’s würde das in der That fast heissen, ein neues Buchschreiben. Wir be- gnügen uns demnach damit, nur anzudeuten, dass der Autor ver- sucht, „die Einheitlichkeit des Stoffes“ darzulegen ohne aprio- ristische Annahmen zu machen allein auf Grund der Thatsachen. Er besprieht die naturwissenschaftliche Theorie, wie in vorliegen- dem Bande insbesondere die Descendenz-Theorie, und was damit zusammenhängt. Das neuerdings wieder häufigere Erscheinen naturphilo- sophischer und naturphilosophisch angehauchter Arbeiten ist sicherlich erfreulich, da es sich dadurch zeigt, dass das Bedürfniss nach Zusammenfassungen, nach einheitlichen Welt-Ansichten, deren Schaffung das letzte Ziel der einsichtsvollen Naturforschung ist, in breiteren Schichten vorhanden ist. Bedauerlich aber ist es, dass bei der Mehrzahl der Autören auf diesem Gebiet eine genügende Vertiefung in das bereits hier Geleistete fehlt. Es gehört freilich sehr viel dazu. Wer eine Naturphilosophie schreiben will, muss Naturforscher sein und eine eingehende Kenntniss der rein philosophischen Schriftsteller besitzen. Bücher wie das vorliegende machen auf den Nicht-Orientirten den Ein- druck, als seien von den Philosophen kaum nennenswerthe Resultate gewonnen. Es ist allerdings nicht leicht, hier das herauszusuchen, was der Naturforscher brauchen kann, aber ohne einen eingehenden Versuch nach dieser Richtung, wird dem Naturphilosophen viel Grosses und Schönes entgehen: einen wahren Fortschritt wird er nicht bringen. Dr. Johannes Unbehaun, Versuch einer philosophischen Selec- tionstheorie. Jena 1896. Gustav Fischer. 150 S. 8%. — Preis 3 Mark. Wenn Darwin zur Erklärung der Zweekmässigkeit bezw. Existenzfähigkeit der Lebewesen das Prinzip der Selection be- nutzte, d. h. des Unterganges der weniger existenzfähigen Formen, so führt das naheliegende Streben, diesen von Darwin mit so grossem Erfolg benutzten Gedanken zu verallgemeinern und auf andere Gebiete zu übertragen, zu der philosophisch wie methodo- logisch gleich wichtigen Frage: Lässt sich auch auf anderen Ge- bieten Zweckmässigkeit oder Fortschritt durch eine analoge Aus- lese erklären, d. h. durch einen Process, der von den überhaupt entstehenden Objeeten einen Theil erhält, einen anderen Theil ausscheidet; unter welehen Bedingungen und auf welchen Ge- bieten, in welehem Umfang darf dieses Prinzip angewendet werden ? Diese Frage bildet den Ausgangspunkt und Angelpunkt der vorliegenden Abhandlung. Diese soll die Tragweite des Selections- gedankens prüfen, einerseits alle Möglichkeiten seiner Anwendung erschöpfen, andererseits von verfehlten Anwendungen eines an sich richtigen Prinzips zurückhalten. Sie will zu diesem Zweck alle die- jenigen Bestandtheile der bisher unter Benutzung des Seleetionsge- dankens aufgestellten Theorien, die nur für bestimmte Gebiete gültig, also unwesentlich sind, abstreifen und dadurch die Theorie auf die allgemeinste Form bringen, die sie überhaupt zulässt; sie will die verschiedenen Gestaltungen, in denen die Selectionstheorie in ihren verschiedenen Anwendungen erscheint, auf ihre gemeinsame Wurzel zurückführen, auf ihre letzten Prinzipien verfolgen, um dann aus diesen rückwärts deducetiv und synthetisch eine philo- sophische Seleetionstheorie zu gewinnen, die einer induetiven und empirischen Stütze nicht mehr bedarf. Vorliegende Arbeit bringt, um über eine sichere, zuverlässige Methode zu verfügen XII. Nr. 17. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 199 die Grundbegriffe der Seleetionstheorie auf eine solehe präeise Form, dass sie eine mathematische Behandlung zulassen, und sucht dadurch dem Ideengebäude eine gleiche Exactheit zu ver- leihen wie einer mathematischen Disciplin, etwa der analytischen Mechanik. Nachdem in der theoretischen Betrachtung alle die- jenigen Voraussetzungen deductiv hergeleitet sind, unter denen die Resultate der Selectionstheorie Gültigkeit haben, wird im dritten Capitel die Aufgabe durchgeführt, diejenigen concreten Gebiete zu ermitteln, in denen jene Voraussetzungen erfüllt sind, mit anderen Worten den Geltungsbereich unserer Theorie genau abzugrenzen und dann die eonereten Anwendungen von den ge- wonnenen allgemeinen Gesichtspunkten aus zu beleuchten. Die wichtigsten Resultate sind folgende: Jeder unbegrenzte Fortschritt oder überhaupt jede unbe- grenzte Entwickelung in einer bestimmten Richtung lässt sich zurückführen auf drei Faetoren: erstens eine conservative Tendenz ohne welche der schon erreichte Stand der Entwickelung, wieder verloren gehen würde (z. B. Vererbung, Gewohnheit, Nachahmung), zweitens eine variirende Tendenz, ohne welche Stillstand eintreten würde, drittens Seleetion mit züchtendem Ein- fluss, d. h. es dürfen ausschliesslich oder doch vorzugsweise solche Objecte (resp. Theile) erhalten bleiben, welche bestimmte Quali- täten besitzen; und umgekehrt, sobald diese drei Factoren vorhanden sind, muss immer unbegrenzter Fortschritt eintreten. Daher wurde für die Verbindung dieser drei wichtigen Factoren ein neuer Aus- druck eingeführt, der Ausdruck „fortschreitende Seleetion“. Eine solehe conservative und variirende Tendenz haben wir in allen Gebieten der organischen Welt. Wir finden „fort- schreitende Seleetion“ unter den Individuen und unter ihren Theilen, in physischer wie im psychischer Hinsicht; dem Prineip der fort- schreitenden Seleetion unterliegen die Grundtendenzen alles Handelns, die egoistischen, die sexuellen und elterlichen, die altruistischen und socialen Instinete, die soeialen Aggregate und ge- sellsehaftlichen Einrichtungen, die eeremoniellen Formen, Sitten und Bräuche, die Formen des Umgangs und Verkehrs, die häus- lichen Einrichtungen; Werkzeuge und Methoden der Technik und Industrie, Litteratur und Kunst, Sprachen und Dialekte, die Ge- fühle und Willensrichtungen, die einzelnen Begriffe, die Gedanken- gänge, die Weltanschauungen und Religionen, die Methoden des alltäglichen Denkens, sowie des wissenschaftlichen Forschens, die Systeme, Methoden und Praxis des Unterrichts, der Erziehung u.s. w. Wir haben, wie im einzelnen nachgewiesen wird, in der gesammten Kulturentwiekelung der Menschheit ein äusserst complh- eirtes Wechselspiel verschiedener in einander übergreifender Arten von „fortschreitender Selection“, welche als der den Fort- schritt bedingende Factor nachgewiesen wird. Das Prinzip der fortschreitenden, d. h. mit einer conserva- tiven und mit einer variirenden Tendenz verbundenen Selection hat,sich somit herausgestellt als ein allgemeines Entwickelungs- prinzip für die ganze organische Natur in physischer wie psychischer Hinsicht. Aus diesem Prinzip lassen sich die Gesetze des Fort- schritts, der Anpassung, der Zweckmässigkeit herleiten, welche in H. Spencer’s „System der synthetischen Philosophie“ eine wichtige Rolle spielen. Die „philosophische Seleetionstheorie*“ hat daher eine Brücke geschlagen zwischen der naturwissenschaft- lichen Seleetionstheorie von Ch. Darwin und W. Roux einer- seits und Spencer's evolutionistischer Philosophie andererseits. Nicht weniger wichtig als der Nachweis der Fruchtbarkeit des Seleetionsprineips in der gesammten organischen und geistigen Welt ist die striete Zurückweisung aller Versuche, im Reich der anorganischen Natur einen Fortschritt aus dem Prinzip der Seleetion zu erklären. Einmal wird vom theoretischen Stand- punkt aus die Unmöglichkeiit nachgewiesen; dann werden that- sächlieh versuchte Anwendungen (z. B. du Prels Versuch, die Harmonie des Himmels aus dem Seleetionsprinzip zu erklären), widerlegt. . Vorliegende Arbeit enthält das vollständige Programm zu einer positivistisch-evolutionistischen Philosophie auf Grund des Seleetionsprineips. Denn erstens giebt sie die Grundzüge einer allgemeinen, abstracten Theorie, aus welcher allgemeingültige Resultate hergeleitet sind und sich noch weitere gewinnen lassen, und zweitens ist der Geltungsbereich festgestellt, innerhalb dessen die gewonnenen Resultate sich auf eonerete Gebiete und Fälle anwenden lassen. J. Unbehaun. 1 Dr. Julius Donath, Universitätsdocent, ordinirender Oberarzt für Nervenkrankheiten am St. Rochus-Spital in Budapest, Die An- fänge des menschlichen Geistes. Fest-Vortrag, gehalten in der Jahresversammlung der Gesellschaft der Budapester Hospital- ärzte am 29. December 1897. Stuttgart, Verlag von Ferdinand Enke, 1898. — Preis 1 M. Verf. meint, dass schon mit gewissen Bewegungserscheinungen einzelliger Wesen seelische Erscheinungen verknüpft sind, Bewusst- sein vorhanden sei. Im Wesentlichen beschäftigt sich der Vortrag mit den in Betracht kommenden Erscheinungen des menschlichen Embryos, Säuglings und sogenannten Wilden, um die Entwicke- lung des menschlichen Geistes aufzuzeigen. Prof. Dr. R. von Wettstein, Grundzüge der geographisch- morphologischen Methode der Pflanzensystematik. Mit 7 lithographischen Tafeln und 4 Abb. im Text. Gustav Fischer in Jena 1898. — Preis 4 M. Verf. macht auf wichtige Punkte aufmerksam, die bei der Aufstellung von Stammbäumen unbedingt zu beachten, aber meist unberücksichtigt geblieben sind, so z. B. die Neigung bei der Auf- stellung der Stammbäume die jetzt lebenden Arten einer Gattung unter einander und von einander abzuleiten, alle miteinander in direete Verbindung zu setzen, während doch richtiger viele Linien rückwärts zu ausgestorbenen, gemeinsamen Vorfahren führen müssen. Die jetzt lebenden Arten können doch nur die Endzweige des Stammbaumes sein. — Der morphologische *) Vergleich allein ist für die Eruirung der natürlichen Verwandt- schaft nieht ausreichend, weil bei nächstverwandten Arten, z. B. a und b, oft so starke Formänderungen eintreten, dass sie unter- einander, also a von b, verschiedener sind, als weiter verwandte, also etwa a und e. Die Ergebnisse der Form-Vergleichung müssen also ergänzt werden, und zwar ist es die „pflanzengeographisch- morphologische Methode“, von der ‚sich hier Verfasser am meisten verspricht, und die er eingehender an Beispielen (namentlich der Gattungen Gentiana und Euphrasia) auseinandersetzt. 2. Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen. Unter Mitwirkung von Geh. Med.-Rath Prof. Dr. v. Bramann in Halle, Prof. Dr. v. Bruns in Tübingen, Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Cursch- mann in Leipzig, Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Czerny in Heidel- berg, Prof. Dr. Forster in Bern, Prof. Dr. Grunmach in Berlin, Prof. Dr. Henschen in Upsala, Prof. Dr. Hoffa in Würzburg. Prof. Dr. Kölliker in Leipzig, Prof. Dr. Krause in Altona, Oberarzt Dr. Kümmell in Hamburg, Prof. Dr. Lenhartz in Hamburg, Prof. Dr. Lennander in Upsala, Prof. Dr. Oberst in Halle, Geh. Med.- Rath Prof. Dr. Riedel in Jena, Prof. Dr. Rumpf in Hamburg, Geh. Med.-Rath Prof. Dr. Schede in Bonn, Oberarzt Dr. Sick in Hamburg, Geh. Reg.-Rath Prof. Dr. Slaby in Charlottenburg, Oberstabsarzt I. Classe Dr. Schjerning in Berlin, Oberstabsarzt I. Classe Dr. Steehow in Berlin, Prof. Dr. Voller in Hamburg und Prof. Dr. J. Wolff in Berlin herausgegeben von Dr. med. Deycke und Dr. med. Albers-Schönberg in Hamburg. Hamburg, Lucas Gräfe & Sillem, 1897. — Unter obigem Titel erscheint eine neue, gut ausgestattete Zeitschrift in grossem Octav-, fast Quart-Format, deren 1. Heft von Bd. I uns vorliegt. Die Zeitschrift kostet jährlich 30 M; es erscheinen dafür 6 Hefte. Heft I entbält: Hoffa, Ueber den Stand des Schenkelkopfes bei der angeborenen Hüft- luxation (Tafel I und I), Hofmeister, Ueber Störungen des Knochenwachsthums bei Cretinismus (Tafel III), Forster, Ueber die kleinsten Massen metallischer Fremdkörper, welche durch Skiagraphie im menschlichen Körper nachweisbar sind, und die hierzu nöthige Expositionsdauer, Gocht, Therapeutische Ver- wendung der Röntgenstrahlen, W olff, Die Bedeutung der Röntgen- bilder für die Lehre von der angeborenen Hüftverrenkung (Tafel IV und V), Walter, Physikalisch-technische Mittheilungen, Journallitteratur. *) Unter Morphologie versteht der Verfasser, wie jetzt leider so oft durch wesentliche Verschiebung des ursprünglichen Be- griffes Morphologie, nur die gegebenen Form-Verhältnisse. Der Unterzeichnete würde lieber sachgemäss unterscheiden in Organo- graphie (das ist oben gemeint) und Morphologie. Vergl. „Naturw. Wochenschr.“ Bd. XII, S. 608, Spalte 2, Anmerkung. — P. Inhalt: Dr. Friedrich Krüger: Die „San Jose-Schildlaus“-Frage. — Bärtige Frauen. — Die Eier von Monotus albus Levinsen. — Zur Entdeckung der Pulieiphora lueifera. — Die Doppelstern-Natur von $ Lyrae. — Die Deeimalstunde. — Aus dem wissen- schaftlichen Leben. — Litteratur: Emile Ferriöre, La cause premiere d’apres les donnees exp@rimentales. — Dr. Johannes Unbehaun, Versuch einer philosophischen Selectionsthecrie. — Dr. Julius Donath, Die Anfänge des menschlichen Geistes, — Professor Dr. R. von Wettstein, Grundzüge der geographisch-morphologischen Methode der Pflanzensystematik. — Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen. 200 Naturwissensehaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 17. Serder’fdie Berlagshandlung, Freiburg im Breisgau. Sueben ift erjchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Fahrbud) der Naturwiflenfdaften. 1897-1898. Enthaltend die hervorragendften Fortjchritte auf den Gebieten: PHHjik, Chemie und chemifche Technologie, angewandte Mechanit; Meteorologie und phyfifaliiche Geographie; Ajtronomie und mathematiiche Geographie ; Boologte und Botanik; Forft- und Landiwirtichaft; Mineralogie und Beologie; Anthropologie, Ethnologie und Urgefchichte, Gejundheitspflege, Medizin und Phyfiologte; Länder- und Völferfunde; Handel, Smouftrie und Verkehr. Dreizehnter Jahrgang. Unter Mitwirkung von Fach: männern herausgegeben von Dr. Max Wildermann. Mit 39 in den Text gedruckten Abbildungen und 2 Karten. gr. 8%. (XII u. 582 ©.) M. 6; geb. in Leinwand M. 7. Zeichnungen für wissenschaftliche Zwecke und Illustrationen von Werken (auch für Anatomie ete.) liefert tüchtiger Zeichner mit Hoch- und Kunst- Schulbildung und mehrjähriger Praxis als Fachlehrer. Offerten 'erheten unter DZ an die Exped. (dieses Blattes. Gebrauchte Gasmotoren . DAMPF-und DYNAMO- MASCHINEN garantirt. betriebsfähig - in allen Grössen sotort lielerbar. Elektromotor, Re Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung Schiltbauerdamm 21, Berlin: NW. If in Berlin SW. 12. ? m Über geographische Ortsbestimmungen ohne astronomische Instrumente. Von Prof. Dr. P. Harzer, Director der Herzoglichen Sternwarte zu Gotha. Mit einer Tafel. \Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der ‚Vereinigung von Freunden der Astronomie und | kosmischen Physik.) N [2 er Re N) 53 Seiten Lex. 8. — Preis 1,20 M Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von PATENTBUREAU Ulrich R. Maerz .Schmidtlein Ingenieur n NW., Luisenstr.22. WI Gegründet 1878. | E. Loew, EIER NEN CHE ESCHE | Professor am königl. Realgymn. in Berlin S) 444 Seitengr.8. Preis6M .‚geb.7M. q Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. R | Silberne M edaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 33l. Photosr?rhische Stativ- und Hand- „ Cameras. Gediegene Ausstattung. we Sämmtliche Bedarfsartikel. ‚ Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. R | Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges). Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! Grosse Vortheile! Neues Princip für Massenbetheiligung an industriellen Unternehmungen. == Neuheiten - Vertrieb. — Neu aufgenommen: Durchführung des Buttenstedt- schen Flugprinecips (von zwanzig namhaften Gelehrten unterstützt) und Errichtung einer Versuchs- station für Flugzwecke. Internationaler Verein zur rationellen Verwerthung von Erfindungs-Patenten. Eingetragene Genossenschaft mit be- schränkter Haftpflicht. Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, participirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabrieirten Artikel. Soeben erschienen: Antiquariats Cataloge Nr. 58: Naturwissenschaften. Nr.57: Länder- u.Völkerkde. Reisen. Auf Verlangen gratis u, franko. Gilhofer u. Ranschburg, Antiquariat, Wien I, Bögnergasse 2. Verlag von B. 3. Voigt in Leipzig. Die Praxis der aturgeschichte. Ein vollständiges Lehrbuch über das Sammeln lebender und toter Natur- |körper; deren Beobachtung, Er- ‚haltung und Pflege im freien und gefangenen Zustande; Konservation, Präparation und Aufstellung in Sammlungen. Nach den neuesten Erfahrungen bearbeitet. In drei Teilen. Erster Teil: Taxidermie enthaltend die Lehre vom Sammeln, Präpariren, Konserviren und Aus- stopfen der Thiere und ihrer Theile; ‚nebst einem Anhang über Sammeln | von Pflanzen, Mineralien und Petre- fakten. Herausgegeben von Philipp Leopold Martin. Vierte verbesserte Anflage |neu bearbeitet von Leopold Martin, |t Präparator und Prosektor an der \ Thierarzneischule Zürich und Dr. ' Paul Martin, Professer an der Thier- arzneischule Zürich. Mit Atlas von 10 Tafeln und Text- abbildungen. 1898. Geh. 8 Mark. Borrätig in allen Buhhandlungen. bester und ‚bewährter Dünnschliff-Sammlungen für praktische mikroskopische Uebungen. Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller wichtigen Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. Rosenbusch „Mikroskopische Physiographie der massiven Gesteine“ Stutt- gart 1896. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste gedruckte Beschreibung, derart, dass der Lernende die einzelnen Gemengtheile der Gesteine makroskopisch und mikroskopisch erkennen und bestimmen kann. Sammlungen von je 120, 180 und 250 Dünnschliffen in elegantem Etui je Mk. 150, Mk. 225, bez. Mk. 325. Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen Handstücken. (Format 8V.>< 11 en.) je Mk. 250, Mk. 390, bez. Mk. 575. Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer genauen mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate und für die richtige Auswahl von charakteristischem Material garantirt werden kann. Dr. F. Krantz, Rheinisches Mineralien- Contor. Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. I Geschäftsgründung 1833. Bonn a./Rh. Geschäftsgründung 1833. wir hiermit besonderer Beachtung empfehlen. Hierzu. eine Beilage von Ferdinand Enke in Stuttgart, betreffend: „Lehmann, Aberglaube und Zauberei“, welche Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. naturwissenschaftliche „ufgiebt an weltum- ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, derihre Schöpfungsu schmückt. Schwendener, SERIE x r SS Redaktion: Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band, Sonntag, den 1. Mai 1898. Nr..18. Abonnement: Man abennirt bei allen Buchhandlungen und Post- Y Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 &. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist A 4.— . sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 „9, extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. J bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. I 69. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braunschweig Ende September 1897. (Schluss.) Die im Vorausgehenden gebrachten vier Vorträge der | Cameras, Chemikalien, Papiere, wurden fabrikmässig her- Herren Meyer, Waldeyer, Orth und Chun sind diejenigen, | gestellt. Bald überflügelte Deutschland darin das Aus- die m den allgemeinen Sitzungen gehalten worden sind; | land, es exportirte nach allen Ländern der Erde, während besonders bemerkenswerth ist ausserdem eine gemeinsame | die Wissenschafter, welche sieh anfänglich, kurz nach Sitzung aller naturwissenschaftlichen und mehrerer medi- | Bekanntwerden der Erfindung Daguerre’s, lebhaft dafür einischen Abtheilungen, in der über die wissenschaft- | interessirt hatten, ihre Hand bald zurückzogen. liche Photographie und ihre Anwendung auf den Abney, der erste Forscher Englands im Bereiche der verschiedenen Gebieten der Naturwissenschaft | Photographie, sagte 1889: und Medicin verhandelt wurde. Wir bringen hiervon „Photographie leidet unter dem Missgeschick der als Schluss unseres Berichtes über die Verhandlungen der | Quacksalberei von Seiten verschiedener ihrer Vertreter, Gesellschaft den einleitenden Vortrag von welehe nicht allein von Eigendünkel, sondern oft von Un- wissenheit über die einfachsten Prineipien ihrer Forschung erfüllt sind. Photographie wurde zwei Jahre nach der Telegraphie entdeckt. Kaum giebt es zwei andere Ent- Auch heute noch, wo Tausenden von Forschern die | deekungen, die auf die Menschheit einen gleich bedeu- Photographie als dienende Magd hoch willkommen ist, | tenden Einfluss geübt hätten. Aber die Telegraphie hatte ist ihre wissenschaftliche Bedeutung noch nicht in ge- | den Vortheil, dass sie wissenschaftlich weitergebildet nügendem Maasse geschätzt. In den meisten chemischen | wurde, die Photographie nur empirisch.“ Laboratorien studirt man die durch die Wärme veran- Das Wort muss heute noch als wahr gelten. lassten chemischen Processe eifrigst; aber die durch das In der Jugendzeit der Chemie, Ende des 18. Jahr- Licht veranlassten, die sich oft vor den Augen der Labo- | hunderts, schenkte man den photochemischen Erschei- ranten abspielen, ignorirt man fast völlig. Dass wir jetzt | nungen verhältnissmässig grössere Aufmerksamkeit, und neben der Thermochemie eine Photochemie haben, dass | mit welchen Erfolgen! dieselbe die gleiche Bedeutung für den Haushalt der Natur Der berühmte Chemiker Scheele in Stralsund studirte hat, wie die Thermochemie, ist noch nicht allgemein be- | bereits die Veränderung des Chlorsilbers im Licht chemisch ; kannt. Man sehe nur zahlreiche neue Lehrbücher der | er erkannte auch, dass scheinbar. stabile Verbindungen, H. W. Vogel: Ueber den gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Photographie. Chemie und Physik an, die — rühmliche Ausnahmen ab- | wie Salpetersäure, im Licht zerfallen. gerechnet — über Photographie die grössten Irrthümer Ja, eine noch für den Haushalt der Natur viel wich- enthalten. Die grosse Masse sieht die Photographie nur | tigere photographische Reaction wurde bereits im vorigen als eine billige Portraitirkunst an. Jahrhundert durch Sennebier und Tessier entdeckt, d. i. die Aber die Phototechnik wuchs heran, meist gepflegt | Zersetzung der Kohlensäure durch grüne Pflanzenblätter von Empirikern; sie rief eine ganz neue Industrie ins | bei Einwirkung des Sonnenlichts und die dadurch bewirkte Leben. Photographische Bedarfsartikel, wie Linsengläser, | Bildung von Blattgrün unter Freiwerden von Sauerstoff. 202 Hier haben wir einen photochemischen Process vor uns, der alle in der gewöhnlichen Chemie bekannten an Kolossalität weit überragt. Man ermesse den ungeheuren Umfang der Laubwälder und Wiesen auf dem ganzen Erdenrund, die sich mit Erdgraden messen lassen, und auf welche die Sonne ihre Strahlen sendet. Hier spielt sich eine Chlorophylibildung im Lichte ab, die quantitativ weit über die Summe aller künstlich in unseren Fabriken erzeugten Farbstoffe hinausgeht. Und wie gewaltig mag dieser Process in den Urzeiten der Erde mitgewirkt haben, als die Sonne noch glühender leuchtete, als die Quantität von Kohlensäure in unserer Atmosphäre bedeutend grösser war, als Riesenfarren, deren Reste wir heute noch be- wundern, zum Himmel wuchsen, unter dem Einfluss des Lichtes ungeheure Wälder bildeten, um schliesslich unter Sand und Thonschlamm begraben zu werden und als Steinkohle bis auf unsere Zeit erhalten zu bleiben. So hat das Licht in unvordenklichen Zeiten den Kohlensäuregehalt der Atmosphäre im Laufe vieler Millionen Jahre so weit redueirt, bis die Atmosphäre für das Leben von Menschen tauglich wurde, und uns die Steinkohlenlager geliefert, die unserer Industrie zum höchsten Segen gereichen. Wäre die chemische Wirkung des Lichtes nicht, so wäre das Menschengeschlecht nicht! Allmählich beruhigte sich die Reaction des Erdinnern gegen die Oberfläche. Auch die grossen photochemischen Processe hatten ihre Arbeit verrichtet. Aber im Kleinen schufen sie weiter und arbeiten noch fort bis in unsere Tage, allumfassend zum Segen der Menschheit, und den- noch nicht genügend verstanden und gewürdigt! Dureh Wirkung des Lichtes auf Wasser und Luft wird bei Gegenwart organischer Körper Wasserstoffsuper- oxyd erzeugt, welches als namhaftes Desinfeetionsmittel wirkt. Richardson und Ramsey haben durch eingehende Versuche die Bildung von Wasserstoffsuperoxyd im Wasser bei Gegenwart organischer Körper durch Einwirkung des Lichtes festgestellt und auf die Bedeutung dieses Vor- ganges bei der Desinfection von Flüssen hingewiesen. Pettenkofer hat erkannt, dass, wenn München alle Sink- stoffe in die Isar führte, das Wasser derselben in Frei- sing, 50,6 Km von München, vollkommen rein und ge- nussfähig ankommen würde. Hier ist freilich auch die Thätigkeit der organische Materien verschluckenden Algen, wie Euglena viridis, Vaucheria und Spirogyra, von Be- deutung. Aber auch hier ist eonstatirt worden, dass bei Gegenwart von Licht die Ernährung dieser Algen durch schädliche organische Stoffe intensiver ist. Dass aber die Bildung des desinficirenden Wasserstoffsuperoxyds durch das Licht eine Hauptrolle spielt, geht daraus her- vor, dass in beschatteten Flüssen die fauligen Stoffe sich auffallend bemerkbar machen, während die frei der Sonne ausgesetzten Theile desselben Flusses geruchfrei sind. Bei den Wässern des Berliner Thiergartens ist das deutlich zu constatiren, noch mehr bei den sonnenbeschienenen künstlichen Seen des Grunewalds, die weder Zu- noch Abfluss besitzen, schon bei der Anlage als künftige Seuchenherde gebrandmarkt wurden und jetzt nach sechs Jahren noch vollkommen geruchfrei sind. Noch grossartiger ist das Beispiel der Riesenflüsse Nil, Mississippi und Ganges. Trotz zahlloser Massen hin- eingeführter Sinkstoffe — man denke nur an die Tau- sende der in den Ganges geworfenen Hinduleichen, an den Unrath und Schmutz oberaegyptischer Dörfer, die schliesslich in den Nil gespült werden — ist das Wasser dieser Flüsse geruchlos, ja Nilwasser habe ich selbst ohne Bedenken im nicht filtrirten Zustande getrunken, wenn zum Filtriren keine Zeit war. Algen, wie die oben genannten, fand ich in jenen Wässern nicht. Hier ist es die durch Naturwissenschaftliche Wochenschrift. xXIM. Nr. 18. das Licht bewirkte Bildung von Wasserstoffsuperoxyd, welches die Desinfeetion allein bewirkt. Rechnen wir dazu, dass fast alle die bekannten Krankheitsüberträger, die Bakterien, im Lichte nicht leben können, so ist die gesundheitsnützliche Wirkung des Lichtes zweifellos erwiesen. Zu bedauern bleibt nur, dass das unseren Körper leicht durehdringende Röntgen- licht diese tödtende Wirkung auf Bakterien nicht ausübt. Gern pflegt man die Wirkung des Lichtes auf Pflanzen- stoffe, namentlich Farbstoffe, als nicht günstig hinzustellen. In der That zeigt die grosse Mehrzahl der natürlichen und künstlichen Farbstoffe im Licht eine Neigung zum Verbleichen und Verschiessen. Aber auch das Umgekelırte findet statt. Mahagoni färbt sich im Liehte dunkler, wie Jedermann weiss, der lichte Mabagonimöbel aus dem dunklen Möbelmagazin in helle Stuben gebracht hat. So- gar Papier zeigt diese Dunkelung im Licht. Kostbare Prachtwerke, die im Schaufenster der Buchhändler liegen, erleiden eine Vergilbung der Blätter an den Rändern, oft in so bedenklicher Weise, dass der Band unverkäuflieh wird, und ängstlich hüten die Buchhändler ihre Waare jetzt durch Jalousien. Die Preisfrage nach Herstellung eines liehtechten Papieres ist heute noch nicht gelöst. Das merkwürdigste Beispiel der Bildung eines Farbstoffes durch das Lieht bietet der vielgepriesene Purpur der Alten. Dieser wird durch Wirkung des Lichtes auf den gelben Saft der Purpurschnecke erzeugt. Merkwürdiger Weise ist diese Lichtwirkung den antiken Römern ent- gangen. Vielleicht hat man sie, wie so oft, der wärmen- den Wirkung der Sonnenstrahlen zugeschrieben. Erst eine byzantinische Prinzessin, Tochter des Kaisers Con- stantin XIIl., Eudoxia Makrembolitessa, erkannte und be- schrieb die Bildung des Purpurfarbstoffs durch Wirkung des Lichtes. Noch bedeutsamer ist die Wirkung des Lichtes für die Bildung des Rohrzuckers oder Rübenzuckers in der Runkelrübe. Jedermann glaubt, dass dieser durch den Lebensprocess in der Rübe selbst gebildet werde. Girard wies aber überzeugend nach, dass der Zucker durch Ein- fluss des Lichtes in den Blättern der Rübe gebildet wird und in der Nacht in die Wurzel wandert. So arbeitet die chemische Wirkung des Lichtes unserer grossartig ent- wickelten Zuckerfabrikation vor, sie erzeugt den eigent- lichen Rohrzucker, die Saecharose, deren Herstellung noch keinem Chemiker im Laboratorium geglückt ist. Sicher- lich hat unser Finanzminister keine Ahnung davon, dass er die 87 Millionen, die ihm die Zuckersteuer jährlich einbringt, der chemischen Wirkung des Lichtes verdankt. So sehen wir die chemische Wirkung des Lichtes nicht nur thätig im Gebiete der Photographie, sondern sie spielt eine wiehtige Rolle im Haushalte der Natur und in dem Gebiete der Technik überhaupt; deshalb ist die Photo- chemie eine Wissenschaft, der man allgemeinstes Interesse entgegenbringen sollte. Ist sie doch sogar im Stande ge- wesen, Verbindungen zu bilden, wie den Einfach-Schwefel- kohlenstoff, dessen Darstellung in der Hand des Chemikers bisher nieht gelungen ist. Wir haben ferner erkannt, wie das Licht Elemente, wie Schwefel, Phosphor, Tellur, Sauerstoff, in allotrope Modificationen überführt, wie es wohlstudirte organische Stoffe, wie Anthracen, Chinin, Chinon, Thymochinon, Styrolen, Asphalt ete., polymerisirt, und wie selbst der feste organische Körper, die Oxal- säure, unter seiner Wirkung zerfällt. Ja selbst einer der dauerhaftesten unorganischen Stoffe, wie Glas, zeigt sich auffallend liehtempfindlich. Es ändert seine Farbe theils nach Gelb hin, theils nach Rosa, falls es Mangan enthält. Wenige Gläser machen eine Ausnahme. Eine genaue Untersuchung steht noch aus. Ebenso sind die für die Malerei und Färberei so RI Ne: wichtigen Untersuchungen über die Echtheit oder Unecht- heit unserer Farbstoffe und Farbmaterialien noch nicht entfernt abgeschlossen, wenngleich man klagt, dass der Materialverlust an den im Sonnenlicht bleichenden ge- färbten Geweben in Deutschland jährlich 7 Mill. Mark betrage, und auf die Veränderungen, welche kostbare moderne Gemälde, z. B. verschiedene Hildebrands, erlitten haben, hinweist. Freilich haben diese Studien über Wirkung des Lichtes ihre Schwierigkeiten. Unähnlich der Wirkung der Wärme, bleiben sie oberflächlich. Das Lieht dringt nicht in die Tiefe, weil oft die dureh das Licht gedunkelte Oberfläche zugleich undurehsichtig wird. Manchmal ist aber seine Wirkung nicht sofort erkennbar. Das Jodsilber wird im Licht nur ganz schwach grau, kaum merkbar fürs Auge, nicht schwarz, wie man oft be- hauptet. Aber auch die Gegenwart fremder Stoffe ist von ganz bedentendem Einfluss auf die Lichtempfindlichkeit. Dieses gilt für die Photographie nicht minder als für die Färberei. So sind Safranin und Methylenblau, auf Wolle gefärbt, sehr unecht, auf Baumwolle dagegen echt, während man das Gegentheil vermuthen sollte. Bei der Entwickelung unserer photochemischen Kennt- nisse war cs vielleicht ein Unglück, dass man die ersten Studien an Silbersalzen machte, welche vorzugsweise für blaue und violette Strahlen empfindlich sind. Draper der Aeltere erklärte dieses zwar schon 1842 dahin, dass Silbersalze nur von denjenigen Strahlen chemisch zersetzt werden, welche sie optisch absorbiren. Man wagte aber nicht, dieses Gesetz zu verallgemeinern, sondern kam auf den Irrthum, dass die auf Silbersalze wirksamen Strahlen allgemein als chemisch wirksame Strahlen anzusehen seien, obgleich Sir John Herschel schon 1541 nachwies, dass farbige Georginenblätter in demjenigen Lichte am besten bleichen, welches ihrer Eigenfarbe complementär ist. Wir wissen jetzt, dass, Herschel entsprechend, für das grüne Chlorophyll, das rothe Licht das am stärksten chemisch wirksame ist, weil Chlorophyll dieses Licht am stärksten absorbirt. Aber welche Irrthümer haben wir durchmachen müssen, um zu der Ueberzeugung zu gelangen, dass alle chemischen Liehtwirkungen mit der Absorption des Lichts Hand in Hand gehen! Bunsen wollte die Stärke des chemisch wirksamen Lichts ermitteln, welehe den Lebensprocess der Pflanzen, die Fruchtbarkeit bedingt, er maass aber nicht die hier in Betracht kommende Stärke des rothen Lichts, sondern die des blauen durch einen für Blau und Violett em- pfindlichen Körper, das Chlorknallgas, und später sogar durch «das wesentlich violett empfindliche Silberpapier. Er hat damit der Photographie genützt, der Pflanzenphy- siologie nicht. In den gleichen Irrthum verfiel ganz neuer- dings der vortreffliche Botaniker Wiesner, indem er das chemische Klima von Java und Ceylon mit Silberpapier bestimmte. Es bleibt zu bedauern, dass Herschel’s so inhaltreiche Abhandlung unbeachtet blieb. Die Astronomen erkannten, dass sie nichts Astronomisches enthalte, und legten sie bei Seite, und die Chemiker lasen sie nicht, weil sie in der Arbeit eines Astronomen nichts Chemisches ver- mutheten. So wurden zahlreiche von ihm erfundene Pro- cesse völlig übersehen, um Jahrzehnte später von Anderen als neu entdeckt zu werden. Was uns Herschel über die Liehtempfindlichkeit von Eisensalzen, Bleisalzen, Kupfer- salzen, Goldsalzen schon 1840 mittheilte, ist erst viel später gewürdigt worden. Die Nichtbeachtung des Absorptionsprineips führte auch in Abney’s vortrefflieher Arbeit über die Unechtheit von Farbstoffen zu mancherlei Irrthümern. Carey Lea, die chemische Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 203 der vortreffliche amerikanische Forscher, stellte sogar das Absorptionsprineip auf den Kopf; er verkündete 1874, dass nicht die absorbirten Strahlen, sondern die durchgegan- genen auf die photographische Schieht wirkten. Seine Anschauungen fanden auch in deutschen und englischen Publicationen Unterstützung und standen der Anerkennung des Draper’schen Absorptionsgesetzes hindernd in dem Wege. Aber die Wahrheit kämpfte sich langsam durch. 1573 wurde bewiesen, dass nicht nur die Eigenabsorption der Silbersalze selbst, sondern auch die Absorption bei- gemengter Substanzen bei der Empfindlichkeit unserer Platten eine bedeutende Rolle spielt. In der Entwickelung der Photographie sind 3 Perioden zu unterscheiden. 1. Die Erfindung des Lichteopirverfahrens. Legt man undurchsichtige Buchstaben auf einen mit Chlorsilber überzogenen Bogen und lässt auf diesen Tages- licht fallen, so färbt sich das Chlorsilber braun, nicht schwarz, wie in vielen chemischen Lehrbüchern heute noch steht. Das durch schwarze Buchstaben geschützte Papier bleibt aber weiss; so erhält man eine weisse Copie auf braunem Grund. Dieses Experiment wurde schon in einfacher Form, wie Eder nachwies, 1727 von dem Me- dieiner Johann Heinrich Schulze in Halle a. S. ausgeführt und öffentlich beschrieben. Schulze nahm einen Silber- niederschlag, der im Dunkeln dargestellt, dann in einer Glasbüchse, deren Wandung mit schwarzen Buchstaben beklebt war, den Sonnenstrahlen ausgesetzt wurde. Ueber- setzt man Photographie wörtlich als Lichtschreiberei, so hat somit Schulze in Halle 1727 die erste Photographie erzeugt. Seine Entdeckung blieb unbeachtet; sie kam zu früh. Man blieb in der Idee befangen, dass die angeb- lichen Lichtwirkungen nur Wärmewirkungen seien, ob- gleich Sch. nachwies, dass hinterm warmen Ofen eine Färbung seiner Silbersalze nicht eintrat. Scheele, der seine ersten chemischen Versuche über Färbung des Chlor- silbers im Lichte 1782 veröffentlichte, kannte Schulze’s Versuche wicht. Erst 1802 trat Davy mit photographischen Versuchen in Gemeinschaft mit Wedgwood auf. Er be- nutzte mit Silbersalz getränktes Papier, welches im Licht dunkelbraun wird, und brachte dieses in das Bildfeld eines Sonnenmikroskops. Das durch das Object gegan- gene Licht färbte das Papier dunkel, die undurchsichtigen Theile des Objeetes blieben hell. Es entstand das Um- gekehrte des Originals, in so fern als alles Dunkle hell war, alles Helle dunkel — ein jetzt Negativ genanntes Bild. Interessant war hierbei, dass zum ersten Male ein optischer Apparat, das Sonnenmikroskop, in Anwendung trat, um das Bild gleichsam zu entwerfen. Später be- nutzte Niepce einen ganz anderen optischen Apparat, der heute noch in der Photographie die erste Rolle spielt: den photographischen Kasten, die Camera. Alle Ver- suche, auch mit diesen Instrument, liefen auf ein Ziel hinaus: direcete Färbung der lichtempfindlichen Silbersalze durch das Licht bis zur Entstehung eines sichtbaren Bildes. Dazu gehörten aber oft mehrere Stunden dauernde Belichtungen. An Aufnahme eines Menschen oder äln- lieber unrubiger Gegenstände konnte unter solchen Um- ständen nicht gedacht werden. Da wurde eine Ent- deckung gemacht, welche die Photographie eigentlich zu dem erhob, was sie jetzt ist, eine Entdeckung, welche die stundenlange Belichtung auf Minuten, ja Secunden redueirte, und die bis jetzt nur den Eingeweihteren hin- reichend bekannt ist. Das ist 2. die Entwiekelung. Diese Entdeckung leitete die folgende Periode der Photographie von 1839 ab ein. Daguerre war es, dem der Nachweis zuerst glückte, dass eine Jodsilberplatte, die viel zu kurz bestrahlt war, um in der Camera obsceura ein sichtbares Bild entstehen zu 204 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XII. Nr. 18 lassen, sofort ein Bild des aufgenommenen Gegenstandes erscheinen lässt, wenn man sie in Quecksilberdämpfen räuchert. Die Erscheinung ist über alle Maassen merk- würdig; es erscheint dem "Laien heute noch wie Hexerei, wenn er sieht, wie auf einer Platte, die vorher nicht die Spur eines Bildes zeiste, plötzlich ein Bild unter der so- genannten Entwickelung zum Vorschein kommt. Bald wurden noch andere Entwiekelungsmittel entdeckt. Seit der Zeit, wo die Entwiekelung bekannt wurde, spricht man eigentlich erst von Photographie. In ihrer ersten Form: Daguerreotypie, wurde sie nun aber rasch populär und verbreitete sich über ganz Europa. Jetzt ist die Daguerreotypie fast vergessen. Das Verdienst Daguerre’s als ersten Entdeckers der Entwickelung steht für ewig fest. Aber keineswegs wurde dadurch das ältere Ver- fahren — Bilderzeugung durch direete Färbung von Silber- salzen durch das Lieht — ausser Curs gesetzt. Der alte, von Schulze erfundene Process erfuhr von Seiten des zweiten Erfinders der Photographie, dem wir auch die ersten erfolgreichen Versuche in der Speetralanalyse ver danken, Fox Talbot in England, eine interessante Anwendung, die noch heutzutage von grosser Bedeutung ist. Statt "des silberhaltigen, lichtempfindliehen, lockeren, unzusanmen- hängenden Niedersehlages von Schulze verwendete er Papier, das er durch Baden in Kochsalzlösung, dann in Silberlösung mit Chlorsilber und Höllenstein imprägnirte und trocknete. Dieses Papier färbt sich schneller im Lichte als Schulze’s Niederschlag. Das Bild, welches darauf entsteht, wird durch die Poren des Papiers fest- gehalten, während Schulze’s Bilder durch Umrühren des Niederschlages verschwanden; so erhielt Talbot ein me- ehanisch dauerhaftes Bild, das durch heisses Kochsalz von dem überschüssigen Chlorsilber befreit und dadurch lichtfest gemacht wurde. Talbot stellte so nach flachen Gegenständen, Zeiehnungen, Pflanzenblättern schon 1839, im "Jahre der Entdeekung der Daguerreotypie, „ photogenic drawings“, d.h. Lichteopien, her. Dieselben waren negativ. Deckte er aber diese Negative auf liehtempfindliches Papier, so hielten die schwarzen Stellen des Negativs das Licht zurück, die helleren Stellen liessen es durch, und so resultirte ein positives Bild. Talbot konnte auf diese Weise nach eimem Negativ beliebig viele Liehteopien machen. Dadurch erhob er die 120 Jahre alte Schulze- sche Photographie zu einer vervielfältigenden Kunst, und diese Art Vervielfältigung blüht heute noch, im Portrait- fach sowohl, wo nach einer negativen Aufnahme Dutzende von positiven Bildern auf empfindliches Papier copirt werden, ebenso im Bau- und Maschinenwerkstätten, wo man nach einer positiven Zeiehnung oder einem Stich ohne optischen Apparat treue Liehteopien erhält, die als „Liehtpausen“ an Stelle des Originals hergestellt und an- gewendet werden. Mannigfache Lichtpausverfahren sind inzwischen er- funden worden. Die Bedeutung der Talbot’schen. Erfin- dung beruht aber auch darauf, dass er ein handliches, für bildliehe. Darstellungen beliebtes Material: Papier, ein- führte. Es galt nun, auch die Photographie mit Ent- wickelung für Papier anzuwenden. Dieses Problem löste Talbot in Anlehnung an Read’s Vorversuche ebenfalls. Er tränkte Papier mit Jodkaliumlösung, dann mit Silber- lösung und trocknete es. Dieses Jodsilberpapier exponirte er in der Camera nach Niepee und behandelte es mit Gallussäurelösung. Diese schlug aus dem gegenwärtigen Silbernitrat schwarzes pulverisirtes Silber nieder, welches merkwürdiger Weise sich nur an die belichteten Stellen des Papieres hing, so dass die helleren Stellen des Ori- ginals dunkel erschienen und umgekehrt, also wieder ein Negativ darstellten, das er natürlich fixiren und auf Chlor- silberpapier beliebig oft eopiren konnte, Reeht unschein- bar sahen diese Bilder neben den feinen Daguerreotypien aus, aber die Unfähigkeit der Daguerreotypie, sich in einfacher Weise copiren zu lassen, ihre hässliche Spiege- lung erschien als ein Mangel. Man war eifrig bestrebt, an Stelle des rauhen Papiers ein feineres Material zu ver- wenden. So kam man zu jodsilbergetränktem Eiweiss, später zur Collodiumplatte. Die neue Etappe der Entwickelung der Photogra- phie ist 3. die Entdeckung der hochempfindlichen Gelatine-Platten durch Bennett, welehe die 10- bis 20fache Empfindlichkeit der Collodiumplatten zeigten. Dieselben boten zugleich den grossen Vortheil der Halt- barkeit; sie konnten im Grossen angefertigt und wie Zeichenmaterial in den Handel gebracht werden. Seit der Zeit entwickelte sich erst die Amateurphotographie und die wissenschaftliche Photographie in grossartiger Weise. Die Photographie hörte auf, Fachkunst zu sein, sie wurde eine Liehtschreibekunst für Jedermann. Jetzt fand sie in allen Zweigen der Kunst, Wissenschaft und Industrie die ihr gebührende Anwendung, welcher sie die Ehre verdankt, auf dieser grossen Versammlung eine Section zu bilden und in der damit verbundenen Aus- stellung zu dominiren. Aber die Photographie war farben- blind. Die gewöhnlichen Platten absorbiren nur blaue und violette Strahlen. Deshalb zeigen sie nur eine Em- pfindliehkeit für Blau und Violett. 1873 wurde erkannt, dass durch Beimengung von Substanzen, welche rothes, gelbes und grünes Licht absorbiren, die Platten auch für diese Farben empfindlich werden. Das Absorptionsgesetz erfuhr eine Erweiterung. Zehn Jahre später waren farben- empfindliche, sogen. isochromatische und orthochromatische Platten Handelsartikel, sie werden von Amateuren so gut verwendet, wie von Fachleuten, sie sind dem Mikrosko- piker, der mit gefärbten Objeeten arbeitet, ganz unent- behrlich, sie überragen weit die gewöhnlichen Platten bei astronomischen und Speetral- und Fernaufnahmen. Ohne sie wäre die Herstellung des grandiosen Gitterspeetrums von Rowland nicht möglich geworden, sie smd in der Reproduction von Oelgemälden, welche früher wegen der falschen Wirkung der Farben auf gewöhnliche Platten eine complieirte und theure Nachhülfe (Retouche) ver- langten, ganz unentbehrlieh. Sie führte endlich in neuester Zeit zur Entwiekelung der indireeten Photographie in natürlichen Farben, welche bereits, wie unsere Ausstellung zeigt, für Kunst, Wissenschaft und Industrie seit 4 Jahren eifrig arbeitet. In so fern stellt die Erfindung der farben- empfindlichen Platte die vierte Etappe in der Entwicke- lung der Photographie dar. Ich gebe hier nicht meine Anschauung über die Sache wieder. Diese würde man mir, als Erfinder der farbenempfindlichen Platte, als Eigenlob auslegen. Des- halb ziehe ich es vor, hier die Ansichten ausgezeichneter photographischer Forscher, wie Prof. Eder in Wien, Bot- tomley in London, Himes in Philadephia, Fabre in Paris u. A. m., zu ceitiren. Merkwürdig ist, dass trotz aller Erfolge manche Wissenschafter von den farbenempfind- lichen Platten überhaupt noch nichts wissen. In dem neuen treffliehen Atlas der Himmelskunde von Schweiger- Lerchenfeld, der die Bedeutung der Photographie voll würdigt und sehr zahlreiche Sternphotographien bringt, findet sich S. 311 folgender Passus: „Recht unangenehm macht sich in der Planetenphotographie auch der Um- stand bemerkbar, dass die photographische Platte nicht für alle sichtbaren Liehtstrahlen eleieh empfindlich ist, ja für die gelben und rothen geradezu unempfindlich ist.“ Sollte der in Photographie sonst so heimische Autor wirk- lieh noch nichts von den vor mehr als 25 Jahren erfun- denen und seit 18 Jahren in die Praxis eingeführten XII. Nr. 18. farbenempfindlichen Platten gehört haben? Freilich hat der grosse astronomische Congress in Paris die farben- empfindlichen Platten ebenfalls ignorirt. Für die Auf- nahmen des grossen Himmelsatlas in 20000 Platten werden nieht farbenempfindliche, sondern gewöhnliche Platten ver- wendet, was derjenige nur bedauern kann, der dasselbe Sternbild nur einmal versuchsweise mit gewöhnlichen und farbenempfindlichen Platten neben einander aufgenommen hat. Der Unterschied ist kolossal; eine gewöhnliche Platte, neben einer farbenempfindlichen auf Orion exponirt, gab 55 Sternbahnen, die farbenempfindliche 110 (siehe E. Vogel, Photogr. Mittheilungen. XXIII. S. 295). So wird das photographische Riesenwerk der Himmelskarten-Aufnabmen eine halbe Arbeit bleiben. Es bleibt nun noch der letzte und bedeutendste Sehritt zu besprechen übrig das pium desiderium aller Photographen, d.i. die Photographie in natürlichen Farben, der photographische Stein der Weisen, wie sie Poggendorff vor 40 Jahren nannte. Den ersten Schritt auf diesem Wege that Seebeck schon im Jahre 1810. Goethe erwähnte ihn in seiner viel umstrittenen Farben- lehre. Chlorsilber bräunt sieh im Licht. Seebeck beob- achtete, dass, wenn man ein Sonnenspeetrum auf derart gebräuntes Chlorsilber fallen liess, das Chlorsilber sich den Spectralfarben ähnlich färbte. Ich betone ausdrück- lich ähnlich, denn von einer absoluten Uebereinstim- mung der Speetralfarben mit deren Abbildung auf Chlor- silber ist nicht die Rede. Das erkannte schon Seebeck, das bestätigen später zahlreiche Forscher, wie Herschel, Beequerel, Poitevin, Niepce, de St. Vietor, Verres, Zenker. Bei Versuchen, Abbildungen farbiger Bilder (nicht Spectra) in dieser Weise zu fertigen, waren die Abweichungen von der Naturfarbe noch viel grösser als bei Spectralauf- nahmen. Hierzu trat der Umstand, dass diese Farben nicht fixirbar waren. Bei der Behandlung mit dem Haupt- fixirmittel der Photographen, dem Natriumthiosulfat, ver- schwanden alle Farben. Professor Lippmann, Paris, über- wand diesen Mangel 1892, indem er statt des gefärbten Chlorsilbers Bromsilber verwendete, welches er nach dem farbenempfindlichen Prineip mit optischen Absorptions- mitteln versetzte, um es gelb-, roth- und grünempfindlich zu machen. Seine fixirten Platten erregten gerechtes Er- staunen. Lebhaft wurden die Resultate von Gelehrten, wie Wiener, Zenker, Krone, Valenta ete. erörtert; sie boten theoretisch die interessantesten Gesichtspunkte, aber praktisch kam die Sache nicht vorwärts. Dr. Neuhauss, welcher eifrigst nach Lippmann experimentirte, erhielt unter 240 Aufnahmen nur 10 brauchbare und brauchte selbst bei Sonnenlicht im Sommer 1 Stunde Exposition. Ein Jahr später erhielt er beim weiteren Experimentiren mit Farbenphotographie innerhalb eines Sommers nur Misserfolge. In so fern ist die direete Farbenphotographie weit entfernt, ein praktisch brauchbares Verfahren zu sein. Wissenschaftlich bleibt sie über die Maassen interessant, wie die geistvollen Abhandlungen von Prof. Dr. Wiener beweisen. Selbst wenn sie aber noch zu einem sicheren Verfahren führen würde, wäre sie doch nur im Stande, bei einer Aufnahme ein der Vervielfältigung nicht fähiges Einzelbild zu liefern, ähnlich wie die Daguerreotypie. Aber Vervielfältigung ist jetzt das Ziel aller photogra- phischen Verfahren. Und diese sucht man durch das Problem der Farbenphotographie auf indireetem Wege zu erreichen. Schon Maxwell sprach 1861 den Gedanken aus, ein farbiges Orginal durch eine rothe, gelbe und blaue Glasscheibe photographisch aufzunehmen und da- durch drei Negative desselben Objectes herzustellen, wo- von das erste nur die Wirkung der rothen, das zweite die Wirkung der gelben, das dritte die Wirkung der blauen Strahlen des Originals darstellen sollte. Diese Negative Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 205 waren sämmtlich schwarz. Nun sollten nach ihnen durch Liehtwirkung Photolithographien hergestellt und diese Steine nach Art des schon bekannten Farbendruckes mit verschiedenen passenden Farben eingewalzt und auf das- selbe Papier abgedruckt werden. Ducos du Hauron und Cros waren die Ersten, welche diese Idee 1869 praktisch auszuführen suchten. Sie fanden aber das grösste Hinder- niss daran, dass es zur Zeit nur blauempfindliche photo- graphische Platten gab, roth- und gelbempfindliche aber nicht. Das Problem konnte erst nach Entdeckung der farben- (roth und gelb) empfindlichen Platten 1873 zur Lösung geführt werden, Ducos du Hauron, Paris machte unverzüglich von diesem Prineip Gebrauch. Er schuf rothem- pfindliche Platten mit Hülfe von Chlorophyll, gelbempfind- liche mit Hülfe von Eosin ete. Nach den damit gewon- nenen Negativen copirte er Pigmentdrucke auf gefärbte Gelatineschichten und suchte die erlangten verschieden- farbigen Bilder auf dasselbe Papier vach einem bekannten photographischen Verfahren zu übertragen. Da dieser Uebertragsprocess mechanische Schwierigkeiten darbot, so suchte er das Verfahren durch Einführung des inzwischen von J. Albert in München ausgebildeten Lichtleimdrucks zu vereinfachen. Er copirte die drei Negative, die er hinter den drei farbigen Scheiben aufgenommen hatte, auf drei Leimehromatplatten und erhielt dadurch drei Druckplatten, die, lithographisch bebandelt, Abdrücke er- gaben. Mit welchen Farbstoffen waren aber die betreffenden Platten zu drucken? Fast Jedermann glaubt, die unter der Rothaufnahme copirte Platte mit Roth ete., das ist falsch. Man denke nur an die gewöhnliche schwarze Photographie. Diese wird copirt nach eimem Negativ, auf welchem Schwarz nieht gewirkt hat. Ebenso ist die nach dem Rothnegativ copirte Lichtleimdruckplatte in einer Farbe zu drucken, welche rothes Lieht nicht reflee- tirt. Das ist aber die Complementärfarbe Grün. Das Gelbnegativ muss nach diesem Prineip in einer Farbe ge- druckt werden, die kein Gelb refleetirt, das ist die com- plementäre Blau u. s. w. So weit kam Ducos de Hauron. Wenn die von ihm erzielten Proben nicht vollkommen sind, so ist der Umstand daran schuld, dass es eigentlich für die einzelnen Farbenstrahlen verschiedene eomplementäre giebt. Haben wir mit demFarbenkreisel ein eomplementäres Farbenpaar erlangt, so wird dieses Verhältniss nicht ge- stört, wenn wir Weiss oder Schwarz zumischen. Ja noch mehr, auch Zumischung eines anderen, unter sich com- plementären Farbenpaares, z. B. Gelb und Ultramarinblau, stört dieses Verhältniss nicht im mindesten. Welche Com- plementärfarbe für den Lichtfarbendruckprocess die rich- tige ist, hängt von dem Gutdünken des Operateurs ab. Dieser Unsicherheit in der Auswahl der Complementär- farbe machte ein weiterer Fortschritt in diesem Gebiete ein Ende. Bei dem Studium der Ducos’schen Publication ergaben sich bald Irrthümer, welche bewiesen, dass Ducos das Absorptionsprineip, welches die Photographie ebenso beherrscht wie die Farbenwelt, nieht kannte oder nicht beachtete. Er verwandte schliesslich nicht mehr wirklich roth- oder gelb- empfindliche Platten zur Aufnahme der rothen und gelben, resp. blauen Stellen der Natur, sondern schrieb zur Aufnahme alle drei Farbenplatten in dasselbe Eosineollodium vor, welches hauptsächlich nur grüngelb empfindlich war. Mit diesem Collodium suchte er hinter rothen Scheiben auch den rothen Liehteindruck, hinter blauen Scheiben den blauen Lichteindruck zu fesseln. Dass die dadurch erzielten Resultate nur mangelhaft sein konnten, liegt auf der Hand. Noch einen zweiten Irrthum beging Ducos und nach ihm viele Andere bis zum heutigen Tage. Er fusste auf den Young-Helmholtz’schen Grundfarben Roth, Violett und 206 Grün, über deren Werth sich übrigens Helmholtz selbst in sehr geringschätziger Weise ausspricht. Diese Helmholtz- schen Grundfarben sind aber farbige Strahlen, und was für diese gilt, gilt nicht für Farbstoffe. Roth, Violett und Grün, als Farbenstrahlen zweckmässig gemischt, geben Weiss, als Farbstoff gemischt, aber Schwarz. Helmholtz erzielte dureh Mischung von rothen und grünen Strahlen ein blasses Gelb. Durch Mischung rother und grüner Farbstoffe kommt nie ein Gelb heraus, oft aber ein Schwarz. So musste der photographische Dreifarbendruck auf Grund falsch angewendeter Prineipien auf den Holz- weg gerathen. Das die gesammte Photographie und Farbenlehre beherrschende Absorptionsprineip schafft allein einen Ausweg aus diesem Labyrinthe. 1885 betonte ich, dass die Absorptionsstreifen eines Farbstoffes gleichsam die complementäre Farbe zu dem Farbstoff selbst ent- halten. Nun aber macht ein lichtempfindlicher Farbstoff das Bromsilber einer Platte empfindlich für die Stelle oder die Farbe des Absorptionsstreifens. Complementär zu diesem ist die Farbe selbst, und daraus folgt, dass die der Platte behufs Sensibilisation zugesetzte Farbe auch die richtige Druckfarbe ist. Mit diesem Prineip war die richtige Farbenwahl in diesem Processe gesichert. Die Praxis hat die Richtigkeit dieser Anschauung zuerst durch die Versuche des Chromolithographen Ulrich bestätigt. Er arbeitete noch mit dem langsam liefernden Lichtleim- druck. Dr. E. Vogel u. Kurtz machten auf Grund gleicher Grundsätze das Verfahren auch für Liehtbuchdruck brauch- bar, und jetzt arbeitet es in Auflagen von Hunderttausen- den von Exemplaren für die illustrirte Presse in Deutsch- land, England und Amerika, für Kunst, Wissenschaft und Industrie. Dass diese Arbeiten im grossen Stil ganz be- sondere Sorgfalt in Auswahl der Objeete, der Farben der Präparate, der Druckmaschinen erfordern, liegt auf der Hand. Der Grossbetrieb eignet sich nicht für den Ama- teur,. Die Sehnsucht des letzteren nach einem möglichst simplen Verfahren, welches ebenfalls Bilder in Naturfarbe liefert, ist daher begreiflich. Man suchte ihr entgegenzu- kommen, indem man das oben erwähnte alte Verfahren von Ducos wieder aufsuchte, nach welchem die drei Ne- gative für Gelb, Blau und Roth auf passend gefärbtes Pigmentpapier copirt und die so erhaltenen, verschieden- farbigen Pigmentdrucke auf dasselbe weisse Papier über- tragen wurden. Dieses Verfahren wurde von Ducos selbst zu Gunsten des Lichtleimdrucks verlassen. Wer die sehr leichte mechanische Verletzlichkeit der Pigmentdrucke kennt, die natürlich hier, wo drei Häute über einander liegen, die dreifache ist, wird diesem Verfahren nicht das Wort reden. Man hat solche Bilder durch Projeetion in der Laterna magica geniessbarer zu machen gesucht. Aber Freiherr v. Hübl, der Vorstand der technischen Gruppe des Kaiserl. militärgeographischen Instituts in Wien, warnt, sich von solchen transparenten Bildern täuschen zu lassen. Er erinnert an die Glasmalerei. „Trotz der falschen Farbengebung (derselben), der harten Contouren, der fehlenden Uebergangstöne kommt ihnen eine blendende Gesammtwirkung zu. Das vielleicht feh- lende Grau und das falsche Braun entschuldigt man im transparenten Bild, während gerade der Dreifarbendruck auf die Wiedergabe solcher Töne ein besonderes Gewicht legen muss.“ „Ein Farbenprocess, der nur für Laternen- bilder arbeitet, kann für das Problem der Farbenphoto- grapbie gar nicht ernstlich in Betracht kommen“ sagt Brit. Journal of Photography. Leider trifft dieses Urtheil auch den neuen interessanten Vorschlag des Prof. Joly in Dublin, der die drei Aufnahmen des Farbendruckes auf eine redueirt, bei welcher er ein ganz feines System von auf Glas gezogenen rothen, gelben und blauen Linien ein- schaltet; so erzielt er die Gelb-, Blau- und Rothwirkung Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 18. auf derselben, für alle Farben empfindlichen Platte dieht neben einander. Er macht nach solehen Platten ein Positiv, welehes durch Vorsetzen desselben farbigen Gitters, welches zur Aufnahme diente, Laternamagicabilder erzeugt. Ein neuerdings von Frankreich aus durch Crassaigne lan- eirter Farbenprocess hat sich jetzt nach dem Ausspruche von Eingeweihten als „Humbug“ ergeben. Die Herren Amateure werden sich also mit der Sehnsucht nach einem leichten Farbenverfahren noch ein wenig gedulden müssen. Aber die Photographie ist vicht nur eine chemische Technik, sondern auch eine optische, sie bedarf des Lichtes. Dieses ist das chemisch wirksame Agens, wie in der gewöhnlichen Chemie die Wärme. Aber in der Thermochemie genügt die rohe Zuführung von Wärme- energie, in der Photochemie jedoch wirkt das Licht, auch vermöge seiner Refraction, indem man es von körperlichen Gegenständen ebene Bilder in der Camera obseura er- zeugt durch Hülfe von Linsen. Die Entwickelung der Beleuchtungstechnik und der Linsentechnik gehen deshalb mit der Entwickelung der Photographie Hand in Hand, und staunenswürdig sind die Fortschritte, welehe in beiden Richtungen in den letzten 15 Jahren gemacht worden sind. Schon lange kennt man elektrisches Licht und Magnesiumlicht als künstliche, photographisch wirksame Lichtquellen. Aber erst die Entwickelung der Dynamo- maschinen lieferte ersteres für einen billigen Preis, und erst die Anwendung des Magnesiums in Pulverform, ent- weder durch eine Flamme geblasen oder durch Mischung mit Kaliumnitrat und Schwefel zur Verpuffung gebracht, lieferte uns jenes dem Sonnenlichte gleichkommende, er- staunlich helle Lieht in einem Bruchtheil einer Secunde, welches es ermöglicht, sogar Momentbilder bei künstlichem Licht zu machen. Gaediecke u. Miethe haben sich um diese Momentphotograpbie besonders verdient gemacht. Dem Einwand, dass Tr. Taylor schon 20 Jahre vor ihnen solche explosive Magnesiummischungen zur Aufnahme eines bewegten Kupferstiches verwendet habe, ist damit zu be- gegnen, dass Niemand vor G. u’ M. Aufnahmen von Menschen und Thieren derart versucht hat. Man hielt sie für unmöglich, weil man sah, wie Menschen beim Auf- blitzen des Pulvers erschreckt zusammenfuhren, die Augen schlossen ete. Gaedicke u. Miethe wiesen zuerst nach, dass diese Schreekerschemungen erst nach Y, Secunde eintreten, während die Aufnahmen selbst schon nach Y;o Seeunde vorüber waren. Eine später kommende Be- wegung kann das Bild nieht mehr beeinflussen. Was das neue Licht, welches sogar das elektrische Licht aus der Portraitphotographie fast zurückgedrängt hat, in Photo- graphie unterirdischer Räume leistet, bezeugen die be- wundernswürdigen Photographien der Hermannshöhle des Herrn Prof. Müller-Braunschweig. Ein ganz neues, eigen- artiges photographisch wirksames Licht ist das Röntgen- licht, welehes man seiner seltsamen Eigenschaften wegen: Niehtbreehbarkeit, Niehtpolarisirbarkeit, leicht versucht ist für etwas anderes als Lieht zu halten. Die Bedeutung desselben für anatomische Untersuchungen ist offenbar. Es durcehdringt die Weichtheile, um an den Knochen Halt zu machen. Es liefert eine Photographie des Unsichtbaren in des Wortes verwegenster Bedeutung. Leider müssen wir bei seiner Anwendung zu dem primitivsten photogra- phischen Verfahren, dem Lichtpausprocess, zurückgreifen, da es nicht im Stande ist, Linsenbilder zu liefern. Während die herkömmliche Photographie mit Hülfe von Linsen nur die Oberfläche der Körper zeichnet, dringen die X-Strahlen in die Tiefe derselben, ja sie durchdringen sie und liefern, wie Herr Dr. Levy mit Reeht sagt, eine „Diaphoto- graphie*. Wunderbar sind die Vervollkommnungen in dem Ge- biete der photographischen Linsen. Deutschland mar- XII. Nr. 18. schirt jetzt hier an der Spitze, und betonen muss ich, dass wir uns in Braunschweig an einem Centralpunkt der photographischen Linsenindustrie befinden, dass der ver- storbene Chef des Hauses Voigtländer der Erste war, welcher nach Petzval’s Formeln der Photographie das erste lichtstarke Portraitobjeetiv lieferte und dadureh die Portraitphotographie eigentlich erst möglich machte. Nachher trat ein Stillstand "ein. Erst 25 Jahre später traten neue Erscheinungen auf den photographisch-optischen Markt: das Pantoskop von Busch mit seinem fast 110° umfassenden Gesichtsfeld und Steinheil’s Aplanat, der für zahlreiche andere Linsenconstructionen vorbildlich wurde. Aber der denkbar höchste Aufschwung erfolgte erst, als es Schott und Genossen in Jena mit Unterstützung des Ministers von Gossler gelang, das verloren gegangene Ge- heimniss der Herstellung optischer Gläser nicht nur wieder- zufinden, sondern die Qualitäten derselben durch Ein- führung von Baryt, Borsäure u. s. w. bedeutend zu ver- mehren. Hatten wir früher nur wenige Glassorten aus französischen und englischen Quellen zur Disposition, so liefert Jena 20 bis 30 mit den verschiedensten optischen Eigenschaften und erlaubt Linsenconstructionen, die man früher als unmöglich erachtet hatte. Mit Eifer stürzten sich die optischen Rechner in neue Combinationen. Zu den Aplanaten traten die Anastigmate, so Voigtländer’s Collineare, Zeiss’ Satz-Astigmate, Steinheil’s Orthostig- mate. Als ganz eigenartige Construetionen sind die soge- nannten Fernlinsen von Dr. Miethe, Dallmeyer, Steinheil, Zeiss und Voigtländer zu erwähnen, welche Bilder ferner Gegenstände in hinreichender Grösse liefern und in der Architektur, wie in der Militärphotographie bereits ausser- ordentliche Leistungen, von welchen unsere Ausstellung Kunde giebt, erzielt haben. Umunterbrochen meldet der Markt neue deutsche Constructionen an. „Jena glass“ and „german lenses* sind jetzt die Losung im In- und Auslande, und wer da weiss, welche Summe von Intelli- genz und Geschicklichkeit zur Herstellung einer photo- graphischen Linse aufgewendet werden muss, der wird Einen sehr interessanten Fall von einseitigem, fast völligen Mangel des Kleinhirns beschreiben Neu- bürger und Edinger in Frankfurt a. M. (Berl. Klin. Wochenschrift 1395, 4 und 5). Der Fall zeigte im Leben keinerlei Symptome, wie sie sonst wohl bei einseitigem Kleinhirnmangel beobachtet sind, als da sind Unsicherheit im Gang und in der Haltung, Schwäche der Unter- extremitäten, Veränderungen der Sprache, Schwindel, Intelligenzstörungen. Von alledem war keine Spur vor- handen. Der 46 Jahre alte Patient war verheirathet, hatte mehrere gesunde Kinder erzeugt und ist lebenslang einem Geschäft vorgestauden, das ihn geistig ziemlich in Anspruch nahm. Körperlich war er nieht besonders leistungsfähig; er hatte einen zarten Knochenbau und war sehr klein, kaum 145 em hoch. — Bei der Section zeigte sich die rechte hintere Schädelgrube beträchtlich abge- flacht. Man erkannte sofort, dass die rechte Kleinhirn- hemisphäre fehlte. Eine genaue Durchmusterung des Grosshirnes ergab keinerlei Abnormität an der Oberfläche oder den Binnenräumen. Speciell war keinerlei Grössen- differenz zwischen rechts und links nachweisbar. Die linke Kleinhirnhälfte war völlig normal entwickelt nach Grösse und Lappung, ebenso der Wurm, aber es schlossen die Läppchen des Wurmes nach der Medialseite hin mit grauer Substanz ab, und es hing nur ein ca. haselnuss- grosser Körper von ganz normal aussehender Kleinhirn- formation am frontalen und radialen Ende des Wurmes. | Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 207 den ungeheuren Fortschritt, welchen man deutschem Witz und deutschem Fleiss auf diesem schwierigsten Gebiete der Dioptrik verdankt, ermessen können. Unsere Lehr- bücher der Physik haben bisher dieses diffieile Gebiet ignorirt; desto höher muss es angeschlagen werden, dass ein Braunschweiger Verlagswerk, das allbekannte Pouillet- Müller’sche Lehrbuch der Physik — Verlag Fr. Vieweg & Sohn — in seiner neuesten Auflage durch Prof. Dr. Lummer es unternommen hat, den Leser in die photo- graphische Optik mit elementarer Mathematik einzuführen und dadurch den Interessenten ganz neue Anschauungen zu erschliessen. Die Combinationen von Photographie mit Pressen- druck, die für Kunst, Wissenschaft und Industrie von | höchster Bedeutung sind, kann ich nur streifen; sie er- fordern wegen ihres Umfanges eine besondere Behandlung. Wie die photographische Platte durch Nacht zum Lieht wandelt, so gelangte auch die Menschheit im Gebiet der Photochemie durch Irrthum zur Wahrheit. Ich glaube in der flüchtigen Uebersicht den Beweis erbracht zu haben, dass die Photographie noch mehr ist, als ein Beobachtungshülfsmittel, sie ist an sich selbst, als Photochemie, eine Wissenschaft, welehe sich den anderen Naturwissenschaften würdig anreibt und nicht nur im gra- phischen Gebiet, sondern auch im Gebiete der Pflanzen- und Thierphysiologie, in der Farbenchemie, in der Gesund- heitslehre, Pharmakologie, ja selbst Geologie eine wichtige Rolle spielt und um so mehr die Aufmerksamkeit der Forscher verdient, als noch grosse Gebiete der Photo- chemie ganz brach liegen. Ist bisher die Photographie als Wissenschaft nach Abney’s Ausspruch hauptsächlich von ungeschulten Empirikern gepflegt worden (eine rühm- liche Ausnahme ist das Gebiet der photographischen Optik), so hoffe ich, dass bald mehr Wissenschafter sich ihr widmen werden. Die 70. Versammlung der deutschen Naturforscher und Aerzte findet im September zu Düsseldorf statt. Das war der Rest der rechten Hemisphäre. Er sah aus etwa wie das Kleinhirn einer 4monatliehen Frucht, hatte ganz schöne Lappung und normale Consistenz, war aber abnorm klein und im Windungstyp in keiner Weise etwa auf eine nur verkleinerte Hemisphäre zurückzuführen. Der Fall — über dessen sonstige klinische Interessen wir hier hinweggehen — zeigt, dass ein Kleinbirn- hemisphärenausfall, wenn nur genügend lange Zeit zur Adaptation für den Organismus bleibt, auch beim Menschen völlig symptomlos bestehen kann. Der Zufall hatte es gewollt, dass gerade dieser Fall mehrfach im Laufe der letzten Jahre speciell auf Nervensymptome untersucht worden war. Es hatten hier nicht, wie in der Mehrzahl der bisher besehriebenen Fälle, nebenbei andere Miss- bildungen und Erkrankungen des Gehirns bestanden, es war ein völlig reiner Fall von Ausfall einer Kleinhirn- hemisphäre oder doch des allergrössten Theiles einer solchen. Ma. Das Geschmacksorgan der Schmetterlinge war bisher sicher nieht bekannt. W. A. Nagel, der Ver- fasser umfangreicher Untersuchungen über thierische Ge- ruchs- und Geschmackswerkzeuge, berichtet nun (Zool. Anz., 1897, S. 405), dass diese Kerfe in der Mundhöhle ein Geschmacksorgan von geringer Entwickelung besitzen. Es entspricht das dem allgemeinen Satze, dass bei den 208 saugenden Kerbthieren die inneren in der Mundhöhle be- findliehen Schmeekvorrichtungen gegenüber den äusseren am Zugang zu jener befindlichen zurücktreten. Der Sitz des Schmetterlingsgeschmacksorganes ist die bauchständige Wand des Schlundes, die den Wurzeln der Lippentaster zugekehrt ist. Beim Pappelschwärmer steht jederseits eine Gruppe von etwa 12, beim Taubenschwänzchen von etwa 24 blassen, durchsichtigen, kurzen, stumpfen Kegeln mit zarter Spitze und Porencanal. Sie sind nicht in Gruben versenkt. — Neben dieser inneren Schmeekvor- kehrung besitzen die Schmetterlinge äussere; es sind das die Zäpfchen am Ende des Rollrüssels. C. Mff. Rumex hymenosepalus Torr. — Diese Sauerampfer- Art aus Arizona, Colorado und Nord-Mexico, welche bis Jetzt in Europa noch nicht im Handel zu haben ist, wird seit verhältnissmässig kurzer Zeit in den Vereinigten Staaten im Grossen angebaut und zwar der Wurzeln wegen. Letztere bilden Knollen, welche eine sehr be- deutende Quantität Gerbstoff enthalten und statt Riehenrinde benutzt werden. — Die Pflanze ist eine Wüstenspecies und kann verhältnissmässig viel Frost, aber keine Nässe vertragen und wird am besten in einem kalten Kasten überwintert. — Das erste Jahr nach der Pflanzung treibt die Knolle fast gar nicht; das zweite aber fängt das Austreiben schon ganz früh (Februar) an und nachdem die Pflanze ausgeblüht hat, gehen die Blätter ein und bleibt die Knolle bis zum nächsten Frühjahr trocken auf- bewahrt. — Die Pflanze ist in ihrer Heimath im Frühling an schnell zunehmende Wärme und im Sommer an ausser- ordentlich starke Hitze gewöhnt; somit ist die Vegetations- periode vor Eintritt der regenlosen Sommerwärme be- endet und bleiben nur die Knollen übrig, welchen die furehtbare Dürre ebenso wie der Frost nicht schadet. — Versuchsproben in meinem Garten sind angestellt und werde ich später die Resultate mittheilen. — Knollen und Samen gingen mir aus Arizona zu. M. Buysman in Middelburg. Ueber durch elektrisches Licht hervorgerufene Vegetation berichtet Friedrich Thomas (Ohrdruf) m den Verhandlungen des Botanischen Vereins der Provinz Brandenburg XXXIX. — Seit den Versuchen, die Herve Mangon über den Einfluss des Lichts einer elektrischen Kohlenlampe auf Richtung und Ergrünung keimender Roggenpflanzen 1861 (Compt. rendus LIIl, S. 243) an- stellte, bis zu denjenigen Bonnier’s über die Wirkung eontinuirlicher Beleuchtung (Referat im Botan. Centralbl. 1596, Band 66, S. 311) haben zahlreiche Experimente erwiesen, dass das elektrische Licht in pflanzenphysio- logischer Beziehung das Sonnenlicht zu ersetzen vermag. Es ist deshalb nicht zu verwundern, wenn es seine Wir- kung auch ausserhalb des Experiments, d. h. in Fällen ausübt, in denen dieselbe bei der von Menschenhand ge- troffenen Veranstaltung nicht beabsichtigt war. Da aber eine derartige Beobachtung noch nicht bekannt geworden zu sein scheint, theile ich die nachfolgende hier mit, um- somehr, als sie auch für den Bryologen von Interesse ist. In der Dechenhöhle bei Iserlohn ist, wie Th. be- richtet wurde, hinter einer elektrischen Glühlampe, die etwa 6—10 m vom Eingang der Höhle entfernt ist, an der Felswand eine geringe Moosvegetation entstanden, welche vor Einführung der elektrischen Beleuchtung nieht vorhanden gewesen ist und auch in dem Theile der Höhle sich nicht findet, welcher zwischen der be- zeichneten Stelle und dem Eingange selbst liegt. Herr Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 18. Kaufmann Fritz Ortlepp aus Ohrdruf, der dies 1896 be- richtete, brachte Hr. Th. zugleich eine kleine Probe jenes Mooses. Der ausgezeichnete Kenner unserer deutschen Moosflora, Herr Oberlehrer K. G. Limpricht in Breslau, den Th. um Bestimmung bat, gab die Auskunft, dass die Probe männliche und weibliche Blüthen auf Sprossen zeige, welche, wie anzunehmen sei, einem und demselben Spross- system angehören. Unter dieser Voraussetzung sei das Moos als die Höhlenform von Rynchostegiella tenella (Dicks.) zu bezeichnen. Brizi hat diese Form als var. cavernarum nach Exemplaren aus De Notaris’ Herbar aufgestellt, auch selbst wiedergefunden in feuchten, unter- irdischen Räumen des Colosseums zu Rom und an an- deren Orten (ef. Malpighia X, 1896, S. 445); Brizi greift auf den älteren Bridel’schen Speciesnamen zurück und nennt die Art Rhynehostegium algirianum. Herr Limpricht äusserte zugleich, „dass wahrscheinlich fruch- tende Rh. tenella am Eingang der Höhle wachse, sodass die Sporen leicht in das Innere derselben gelangen konnten“. Die typische Rh. tenella ist nach H. Müller für Westfalen von sehr zahlreichen Fundorten bekannt (ef. Limpricht in Rabenhorst’s Kryptogamenflora Band IV, Abtheilung III, S. 211). Die Bildung des Zuckers in der Zuckerrübe bespricht Friedrich Strohmer in dem Decemberheft des „Journal Chemical Society“ 1897. — Schon’Hermann Schacht hatte 1366 ausgesprochen, dass sich der Zucker in den Blättern der Rübenpflanze bildet, und dass deshalb die Qualität der Zuckerrübe namentlich von der Zahl der entwickelten Blätter abhängt. Der Zucker _ent- steht in den Blättern entweder direet oder durch Zer- setzung der Stärke und anderer Kohlehydrate und geht von hier aus in die Wurzel über. Die Menge des ent- wiekelten Zuekers richtet sich ‚nach der Quantität des Lichtes, welches die Pflanze erhält, daher kommt viel auf die Form und die Stellung der Blätter an. Fällt das Lieht durch weisses oder gelbes Glas, so ist die Ent- wiekelung der Blätter eine lebhafte, rothes oder blaues Glas verhindert jedoch ein üppiges Wachsthum. Ange- stellte Untersuchungen ergaben, dass die Bildung des Zuckers in den Blättern sehr frühzeitig beginnt, dass sie ihr Maximum der Intensität aber erst in der Zeit von Anfang August bis Mitte September erreicht; unter günstigen Bedingungen geschieht die Bildung von Zucker auch noch später, bis die Blätter absterben. Man thut deshalb gut, die Ernte möglichst weit hinauszuschieben, damit sich der Zuekergehalt beständig erhöhen kann. Der einmal gebildete Zucker bleibt in der Wurzel; erst wenn die Rübe ausgezogen und ihrer Blätter beraubt ist, wird der Zucker zur Erhaltung des Lebens der. Pflanze wie zur Präparation des Keimes für das nächste Jahr ver- wendet. S. Seh. Oskar Piloty hat in den Ber. Deutsch. Chem. Ges. 30, 3161 „Ueber eine neue Totalsynthese des Glycerins und des Dyoxyacetons“ publieirt. Gemein- schaftlieh mit ©. Ruff hatte Verfasser vor einiger Zeit eine Arbeit veröffentlicht, die, von dem Nitroisobutylglycerin, (CH, - OH),C - NO,, ausgehend, über die entsprechende Hydroxylaminverbindung, (CH; - OH),C : NH . OH, zu dem Oxim des Dioxyacetons, (CH, - OH),C: N» OH, führte, Lässt man nun auf diesen Körper Brom in wässriger Lösung einwirken, so erhält man nach folgender Gleichung: 2(CH, - ON),C: N: OH + 2Br, + H,O — 2(CH, - OH),CO + N,0 + 4HBr XIII. Nr. 18. das Dioxyaceton zunächst als Syrup, der ziemlich leicht und vollständig krystallisirt. Dureh Reduction mit Natriumamalgam lässt sich das Keton glatt und ohne Schwierigkeit in Glycerin über- führen. Die einzelnen Phasen des Processes stellen sich also wie folgt dar: CH,OH 301,0 | R N COM DC: NO, CH,NO, E i CH,OH- CH,OH CH,OH——C.NH:0OH CH,OH CH, OH CH,OH CH, OH C: NOH co CH - OH CH, OH CH,OH CH, OH Vom Formaldehyd ausgehend, gewinnt diese Synthese eine specielle Bedeutung dadurch, dass sie sich vielleicht dem natürlichen Bildungsprocesse der Zuckerarten nähert und den Aufbau der Ketose, die von fundamentaler Be- deutung für die Entstehung der Kohlehydrate ist, in sich schliesst. Versuche, das Dioxyaceton, die Ketose, die beim Aufbau der Fructose die Ketogruppe in das Molekül mit- bringt, ihm mithin den specifischen Charakter des Zuckers verleiht, zu gewinnen, sind bereits häufig angestellt worden; so hat van Deen als erster eine Substanz beob- achtet, die wahrscheinlich Dioxyacceton enthielt. Durch Oxydation des Glycerins mit Platinmohr und Sauerstoff gelangte später Grimaux zu einem Syrup, der allem An- schein nach ebenfalls das Keton enthielt; gleichzeitig mit letztem Forscher erzielten E. Fischer und Tafel durch Oxydation des Glycerins mit Salpetersäure und mit Brom syrupförmige Producte, „Glycerose“, die aus Dioxyaccton neben etwas Glycerinaldehyd bestanden. Nach Piloty enthält die Glycerose etwa 58 pCt. Dioxyaceton neben anderen noch unbekannten Producten. Dioxyaceton. Zur Gewinnung dieser Verbindung werden 10 gr Dioxyacetoxim in 100 eem Wasser gelöst und die Lösung so schnell mit 15 gr Brom versetzt, dass die Temperatur 49% nicht übersteigt. Unter beträchtlicher Wärmeent- wiekelung entweichen reichliche Mengen von Stickoxydul, und es resultirt eine farblose Lösung, die 4 Minuten auf dem Wasserbade auf 40° erwärmt wird; man kühlt ab, entfernt die Hauptmenge der gebildeten Bromwasserstoff- säure mit Bleiearbonat, den Rest mit Silberoxyd, filtrirt schnell und leitet in das lose Filtrat zur Beseitigung von Silber Schwefelwasserstoffgas.. Dampft man alsdann das völlig farblose Filtrat bei 30% im Vacuum ein, so erhält man einen Syrup, der mit Alkohol und Aether behandelt, im Vacuum über Schwefelsäure innerhalb 12 Stunden vollständig zu einer harten Krystallmasse von reinen Dioxyaceton erstarrt. Die Ausbeute beträgt 95 p©t. der Theorie. Das Dioxyaceton selımeckt bitter, löst sich leicht in kaltem Wasser und kıystallisirt aus Aceton in prismati- schen, flachen Tafeln, die sich häufig zu compacten Asgregaten oder Spiessen zusammenlegen. Es besitzt keinen scharfen Schmelzpunkt, was wahrscheinlich seinen Grund in Polymerisationserscheinungen, die beim Erhitzen Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 209 stattfinden, hat; es redueirt Fehling’sche Lösung schon in der Kälte stark und wird durch Bierhefe nicht ver- gohren. Lässt man Dioxyacetonsyrup längere Zeit stehen, so tritt allmählich Trübung und Abscheidung einer neuen Verbindung ein, die unscharf gegen 155° schmilzt, süss schmeckt und Fehling’sche Lösung in der Hitze redueirt. Dampft man dagegen die Lösung des Dioxyacetons im Vacuum bei 65—70° ein, so erhält man eine weisse, feste Masse, die das Ausschen von Stärke hat. Seide Substanzen, die als Polymerisationsproducte oder Anhydride des Dioxyacetons aufzufassen sind, sind wegen Mangel an Material bis jetzt noch nicht näher charakterisirt worden. Reduction des Dioxyacetons zu Glycerin. Löst man 5 gr Dioxyaceton und 21 gr Aluminium- sulfat in 150 eem Wasser und trägt in die auf 0° abge- kühlte Lösung allmählich 170 gr 2!/,procentiges Natrium- amalgam ein, dampft dann die durch Filtration von Alu- miniumhydroxyd befreite Lösung auf dem Wasserbade ein, bis eine reichliche Krystallisation von Natriumsulfat stattfindet und giebt absoluten Alkohol hinzu, so erhält man beim Einengen der von Natriumsalz durch Filtration befreiten Lösung emen Syrup, der sich leicht als Glycerin identifieiren lässt. Betrachtet man den Formaldehyd als das erste Assi- milationsproduet der Kohlensäure in den Pflanzen, und nimmt an, dass hieraus durch Condensation die Zucker- arten entstehen, so kann man, um das Auftreten von Fruetose neben Glucose zu erklären, weiterhin annehmen, dass die Condensation des Formaldehyd zunächst zu den beiden Triosen: Glycerinaldehyd und Dioxyaccton führt, und dass des Ferneren durch Condensation von Dioxy- aceton mit Glyeerinaldehyd Fructose nach folgendem Schema gebildet wird: CH,(OH) - CH(OH) - CHO Glyeerinaldehyd CH,(OH) - CO - CH,(OH) Dioxyaceton — CH,(OH) - CH(OH) - CHOH CH(OH) : CO - CH,OH Nach diesen Voraussetzungen müsste man für die Bildung der beiden Triosen zwei verschiedene Con- densationsarten des Formaldehyd annnehmen, die eine würde über den Glyeolaldehyd (CH,OH - CHO) zum Glyeerinaldehyd führen, bei der anderen würden gleich- zeitig 3 Moleküle Formaldehyd Veranlassung zur Ent- stehung des Dioxyacetons geben. Der von Piloty eingeschlagene Weg zur Gewinnung der Triose durch Condensation des Nitromethan mit Formaldehyd findet innerhalb der Pflanze sicher nicht statt, sollte es aber gelingen — und dazu ermuntern die Piloty’schen Versuche — die bisher nicht geglückte Con- densation des Formaldehyd zu Dioxyaceton zu bewerk- stelligen, so würden die oben angestellten Betrachtungen an Wahrscheinlichkeit gewinnen, denn da in der Natur hauptsächlich Zuckerarten gebildet werden, die ein Multi- plum von 3 Kohlenstoffatomen umfassen, würde in der vorausgehenden Bildung des Glycerinaldehyds und Dioxy- acetons eine Stütze der aufgestellten Hypothese liegen. Dr. A. Sp. 210 Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurde: Der ordentliche Professor der Gynäkologie in Kiel Medieinal-Rath Dr. Werth zum Geheimen Medicinal-Rath. Es starben: Der ehemalige Professor der Mineralogie in Würzburg Dr. Fridolin von Sandberger; der ordentliche Professor der Chemie in München Dr. Hermann Kämmerer; der Pariser Hygieniker Dr. Jules Worms; der ehemalige Pro- fessor der Philosophie in Innsbruck Dr. von Wildauer. Litteratur. Prof. Dr. W.J. van Bebber, Abtheilungsvorstand der Deutschen Seewarte. Die Wettervorhersage. Eine gemeinverständliche praktische Anleitung zur Wettervorhersage auf Grundlage der Zeitungs-Wetterkarten und Zeitungs-Wetterberichte. Für alle Berufsarten. Im Auftrage der Deutschen Seewarte bearbeitet. Mit zahlreichen Beispielen und 125 Abbildungen. Zweite ver- besserte und vermehrte Auflage, Ferdinand Enke. Stuttgart 1898. — Preis 5 Mark. Man darf es sich leider nieht verhehlen, dass im grossen Publikum das Verständniss für die Ziele und Aufgaben der heu- tigen Meteorologie meistens noch völlig fehlt, und dass viel- fach ganz schiefe, ja thöriehte Vorstellungen herrschen von dem, was die Wetterkunde eigentlich will. Dass aber das wissenschaft- liche Prognosenwesen, welches ja doch immer nur einen Theil der gesammten Aufgaben der Meteorologie ausmacht, sich so un- gemein reseryirt verhält, immer nur auf 24 Stunden voraus Prognosen abgiebt und diese meistens recht kurz und unbestimmt abfasst und abfassen muss, das sind Dinge, mit denen sich Hinz und Kunz nieht befreunden können; wenn „man“ wissen will, ob „man“ am nächsten Sonntag eine Landpartie unternehmen kann, so will „man“ nieht erst am Sonnabend erfahren, ob eine „Neigung zu Niederschlägen“ bestehen wird oder nicht, sondern „man“ will mindestens 8 Tage vorher ganz genau wissen, ob es regnen wird und um welehe Zeit am Tage und wie lange, und wie warn es werden wird u. 8. w. Nur wer eine gedruckte Prognose für so lange Zeit vorher abzugeben sich getraut, ist bei Hinz und Kunz wirk- lich sachverständig, zumal wenn recht viel Bumbum und Trara drum und dran hängt; eintreffen thut es natürlich unter solchen Umständen „immer“ — wenn nicht hier, daun wird es wohl wo anders so gewesen sein... . So steht’s heut mit dem Verständniss des grossen Publikums in Wetterangelegenheiten! „Man“ liest ja zwar die wissenschaft- lichen Wetterprognosen, meist freilich nur, um sich über ihre Un- bestimmtheit zu moquiren: einen Blick aber auf die Wetterkarte wirft unter Dutzenden vielleicht einer. Und doch ist die Wetter- karte das Ein und All für eine vernünftige Wetter- vorhersage, und wer sie versteht, der bedarf nicht erst der stets beigegebenen, gedruckten Prognose und kann sich selber seinen Vers machen. Es wäre wahrhaftig der Ueberlegung an maassgebenden Stellen werth, ob man diese ge- druckte Prognose, die unter den heutigen Verhält- nissen nur sehr wenig Nutzen, vielleichtsogar Schaden stiftet, nicht am besten ganz fallen lässt und sich lediglich auf die Veröffentlichung der Wetterkarten und der Wetterübersiehten beschränkt, um dadurch das Publikum gewissermaassen zu zwingen, sich etwas mehr Ver- ständniss der Witterungsvorgänge und Wetterkarten anzu- eignen und sich selbst die für eine wissenschaftliche Prognose notwendigen Kenntnisse zu verschaffen. Für jeden, der diese Kenntnisse noch nicht besitzt und gern in die scheinbar unergründlichen, in Wahrheit sehr einfachen „Geheimnisse“ der Wetterkarten eindringen will, kann das vor- liegende Werk nur aufs Wärmste und Angelegentlichste em- pfohlen werden. van Bebber, seit Jahrzehnten die erste Autorität im Gebiet der Wetterprognose, hat in durchaus leicht verständ- licher, populärer Weise das Wissenswertheste dieser Kunst an der Hand ungemein zahlreicher Reproduetionen von charakteristischen Wetterkarten der „Deutschen Seewarte“ auf 215 Seiten zusammen- gestellt. Die erste Auflage des verdienstlichen Werkes erschien 1891, die wesentlichste Aenderung in der vorliegenden zweiten Auflage ist die Einfügung eines 1896 vom Verfasser in der Ber- liner Gewerbe-Ausstellung gehaltenen Vortrags: „Die Beurtheilung des Wetters auf mehrere Tage voraus.“ Möge die dritte Auflage nieht lange auf sich warten lassen und dadurch bewiesen werden, dass in Laienkreisen das heut noch sehr vereinzelte Verständniss für die meteorologische Wissenschaft immer weiter um sich greift! Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. RT SON I: Albert Stiger, Ueber das Wetterschiessen am südöstlichen Abhange des Bachergebirges nächst Windisch - Feistritz (Steiermark). Fritz Rasch. Cilli (in Steiermark) 1898. In der iin Titel genannten Gegend gingen seit den siebziger Jahren alljährlich Hagelwetter nieder, die sich seit 10 Jahren der- artig häuften, dass die gänzliche Verarmung der Landwirthe und Weinbauer zu befürchten stand. Die Wahrnehmung, dass jedem Hagelwetter eine nach Minuten zählende, vollständige Ruhe in der drückend schwülen Atmosphäre vorausging, liess den Verf. auf den Gedanken kommen, einen Versuch mit dem Wetterschiessen zu machen, um die verhängnissvolle Ruhe zu stören. Der erste derartige Versuch am 4. Juni 1896 war so erfolgreich, dass in kurzer Zeit noch an 32 anderen Stellen der Umgebung Schiess- stationen eingerichtet warden, welche in Action traten, sobald nur irgendwie ein Gewitter zu befürchten war. Die Wirkung dieses Netzes von Stationen soll eine derartige gewesen sein, dass 1896 und 1897 weder Hagelschläge vorgekommen sind noch Blitzschläge in die theilweise sehr exponirt liegenden Stationen. Die Wirksamkeit des Wetterschiessens ist bisher in der Meteorologie noch eine offene Frage, und die Ansichten darüber sind vielfach getheilt. Es ist ja noch nicht ausgeschlossen, dass das völlige Ausbleiben der Hagelwetter in den Jahren 1896 und 1897 nur auf einem Zufall beruht. Jedenfalls sind aber die An- gaben des Verf. so interessant, dass man es nur mit Freude begrüssen kann, dass eine der ersten Autoritäten im Gebiet der Hagelkunde, Herr Prof. Prohaska in Graz, der seit langem sich gerade mit den Hagelschlägen Steiermarks aufs eingehendste be- schäftigt, im Lauf des nächsten Sommers an Ort und Stelle den Einfluss des Wetterschiessens controliren wird. jäl, Carl August Lilje, Die Gesetze der Rotationselemente der Himmelskörper. 5°, V + 122 5. Central- Druckerei, Stock- holm, 1897. — Preis 4 M. Während durch die Kepler’schen Gesetze die Umlaufs- bewegungen der Himmelskörper in eine einfache und schöne Harmonie gebracht sind, fehlt noch die Einsicht in die Gesetze, durch welche die Rotation der Himmelskörper bestimmt wird. Die Versuche, die nach dieser Richtung angestellt worden sind, haben einer eindringenden Kritik nicht Stand gehalten. Der Verfasser greift dieses Problem von Neuem an und gelangt zu Gesetzen, deren Richtigkeit zu prüfen Sache der beobachtenden und reehnenden Astronomie sein wird. Zuverlässige Werthe der Rotationselemente liegen bekanntlich nur von wenigen Gliedern unseres Sonnensystems vor. Im ersten Theile der Schrift beschäftigt sich der Verfasser einestheils mit kritischen Erörterungen über die vorliegenden Erklärungen unseres Planetensystems und der Bewegungs- erscheinungen im Sonnensystem, andererseits findet er, den Ge- setzen der Mechanik zum Trotz, dass die Rotationsgeschwindig- keit eines erstarrenden Himmelskörpers seinem Volumen direct proportional ist. Im zweiten Theile werden dann die Gesetze der Rotationsgeschwindigkeit für Planeten und Satelliten her- geleitet. Es muss aber die Rotationsgeschwindigkeit noch von der Entfernung und von der Masse abhängen, und durch Ver- gleiehung der Rotationsgeschwindigkeiten von Erde, Mars, Jupiter und Saturn gewinnt der Verfasser das folgende Gesetz der Rotationsgeschwindigkeit der Planeten: „Die Rotationsgeschwindigkeiten zweier Planeten verhalten sieh direet wie ihre Volnmina, aber umgekehrt wie die °/,, Potenz ihrer Massen in die Quadratwurzeln ihrer mittleren Entfernungen.“ In Gestalt einer Formel drückt sich dieses Gesetz folgender- maassen aus: h= Zn, in ls» ale wo A das Verhältniss der Rotationsgeschwindigkeit zweier Pla- neten, v das Verhältniss ihrer Volumina, m das ihrer Massen und a das Verhältniss ihrer mittleren Entfernungen bedeutet. Für die Satelliten gilt nach dem Verfasser folgendes Gesetz der Rotationsgeschwindigkeiten: ® h= em) m /is 077 wo A, vo, m, a ganz analoge Bedeutung haben wie oben; natürlich bezieht sich dieses Gesetz nur auf solche Satelliten, die um den- selben Centralkörper kreisen. Auch für die Rotationszeit ergeben sich so Gesetze, und zwar für Planeten: an Is a ale 7 ee —— und für Satelliten: : 8 2 an l.a T-" NUT Nee: wo 7 das Verhältniss der Rotationszeiten zweier Planeten oder Satelliten und r das Verhältniss ihrer Aequatorialhalbmesser be- deutet, während m und a die oben angegebene Bedeutung besitzen. Diese letzteren Gleiehungen gelten nur für kugelförmige Körper, und bei abgeplatteten Planeten oder Satelliten modifieiren sich dieselben ein. wenig. Iın dritten und letzten Theile der vorliegenden Schrift sucht der Verfasser die Gesetze der Neigung des Aequators gegen die Bahnebene für Planeten und Satelliten zu ermitteln; dieselben formulirt er folgendermaassen: es ist für Planeten resp. Satelliten ı eh.ad.b resp. tang &e= —; ı 5 RS m®E.r.r msn tange—= $) und dabei bedeutet: & das Verhältniss der Acquatorneigungen zweier Planeten resp. Satelliten gegen die bezüglichen Bahnebenen derselben, e das Verhältniss der Exceentrieität der Bahnen, «a das Verhältniss der mittleren Entfernungen von der Sonne resp. dem Centralkörper. m das Verhältniss der Massen, s das Verhältniss des mittleren Abstandes des äussersten Satelliten des einen Planeten zu dem äussersten Satelliten des anderen Planeten, r das Verhältniss der Aequatorialhalbmesser und 5 das Verhältniss der Polarhalbmesser. Wir begnügen uns mit diesen Angaben und gehen auf die Anwendung dieser Formeln auf die einzelnen Planeten und Sa- telliten nicht näher ein, wie wir natürlich auch ihre Richtigkeit dahingestellt sein lassen; diese kann hier nicht kurzer Hand erwiesen oder abgeleugnet werden, und zwar um so weniger, als eine mathematische Begründung der neuen Gesetze nicht gegeben wird und zur Zeit nicht gegeben werden kann; es sind eben empirische Gesetze. Da dem so ist, so wird es zunächst darauf ankommen, zu prüfen, ob wirklich die Uebereinstimmung zwischen diesen Gesetzen und den genauesten beobachteten und berechneten Werthen eine so grosse ist, wie es nach dem Verfasser der Fall ist; den besten Prüfstein hat man naturgemäss in den auf die _ mitgetheilten Gesetze begründeten Voraussagen zu erblicken. Die Betrachtungen des Verfassers führen ihn zu der An- nahıme — und darauf basiren seine Folgerungen zum Theil —, dass der Weltäther emen Widerstand gegen die Bewegungen der Himmelskörper ausübt, und dass er sich in der Nähe eines Himmelskörpers durch dessen Anziehung verdichtet. Der Ver- fasser wirft die Fragen auf: Wieweit erstreckt sich die Aether- hülle eines Himmelskörpers? Nach welchem Gesetze nimmt die Dichtigkeit mit der Annäherung an den Mittelpunkt zu? Wie gvoss ist die relative Dichtigkeit des Aethers in einer gegebenen Entfernung vom Himmelskörper? Auf diese Fragen will der Verfasser in einer folgenden Abhaudlung über die Gesetze der Lichtstärke der Himmelskörper eine Antwort zu geben versuchen. G. Carriere, weil. Prof. Dr. Just, Die Entwicklungsgeschichte der Biene (Chalicodama muraria, Fabr.) im Ei. Halle. Leipzig. — 30 M. Helm, Prof. Dr. Geo., Die Energetik nach ihrer geschichtlichen Entwickelung. Leipzig. — 9,60 M. Kerner v. Marilaun, Prof. Dr. A., Pflanzenleben. Die Geschichte der Pflanzen. Leipzig. — 16 M. Lehmann, Hofr. Prof. Dr. O.. Die elektrischen Lichterscheinungen oder. Entladungen, bezeichnet als Glimmen, Büschel, Funken und Lichtbogen, in freier Luft und in Vacuumröhren. Halle. — 20M. 2. Aufl. 2 Bd. Nachtrag. Zu der I. Figurengruppe (Homaxonie) S. 39, sei Folgendes bemerkt: Zur Erleichterung der Uebersieht musste das Schema thun- lichst vereinfacht werden. Dies konnte indess nur auf Kosten der Vollständigkeit geschehen. Der eigentliche Gegensatz, in den die extreme Stufe a umschlägt, ist, wie S. 28 erörtert, die anti- typische Polarisation; es hätte daher letztere unter a, aufgeführt werden müssen, dann wäre aber die so wichtige Figur, die jetzt in a, wiedergegeben ist, fortgefallen. Die genauere Darstellung würde folgende sein (s. Fig. I u. II). nr Es ist also a, der Ueberreizungszustand (Typus inversus) der höheren Polarisationsstufen (a), d, der Ueberreizungszustand der Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 211 niederen (5). Das Synthema hat keinen besonderen Ueber- veizungszustand, öder vielmehr, da es schon überreizt ist, ruft eine eintretende Ueberreizung bei ihm keine besonders auf- I. Ne ale NE fallende Veränderung hervor. Doch wird letztere umsomehr dem Bilde d, nahekommen, je ähnlicher es selbst noch dem Zu- stand b ist. Wie oben, S. 28, ausgeführt, tritt bei starker Polarisation Bedrohung und Ueberreizung (Verbrennung — Verdichtung) schwer ein, ist dann aber sehr stark, die Erliolung (Wiederausdehnung) schwierig; bei schwacher Polarisation tritt Bedrohung und Ueber- reizung leicht ein, ist aber nur schwaeh, die Erholung leichter. Aın schnellsten erholt — dehnt sich das (lockere) Bathysına (so- lange es genügend Nahrung hat), weniger rasch das Syntliema, am wenigsten oder gar nicht mehr das verdichtete Burysma (das überreizte Bathysma). — Zu S. 39, Curvenreihe, III. ‘Es ist selbstverständlich, dass die Exeursionen, in dem Maass als ihre Zahl wächst, abermals kleiner werden (s. Fig. III A). — Zu S. 89, Sp. 1, Z. I von unten: Unter „Kraft“ ist hier na- türlich die Energie der Contraetion (der Reaction) verstanden. Ihr steht gegenüber der Sinn des Wortes, in dem wir es vor- wiegend gebrauchten, d. h. die Kraft (Gewalt), welche das Bathysma auf das BEurysma ausübt (Nahrungsverkürzung). Dementspreehiend hat auch das öfter vorkommende Wort „Activi- tät* einen doppelten Sinn. . Der einen wie der anderen Kraft oder Activität entsprieht als Kehrseite eine bestimmte Art Schwäche oder Passivität. Das Bathysma (dispersive Zone, s. Bem. 79) ist activ oder stark nach innen, dem übrigen Protoplasma gegenüber, passiv oder schwach (receptiv) der Aussenwelt gegenüber. Das Eurysma (contractive Zone) ist aetiv oder stark (reaetiv) der Aussenwelt gegenüber, passiv oder schwach nach innen, dem übrigen Protoplasma gegenüber, vergl. oben Bein. 41 und 145. (Die combustive Zone ist passiv nach aussen und nach innen). — In neuester Zeit hat auch R. v. Kupffer das Muskel- und Nervengewebe als Dynamoplasten bezeichnet (Rectoratsrede, München 1896). Für das Nervenelement würde also die Be- nennung mit der unseren übereinstimmen. Nach Obigem ist der Name aber auch für das Muskelelement gerechtfertigt; nur die Zusammenfassung der beiden gegensätzlichen Funetionen und Strueturen unter ganz demselben Ausdruck (wechselnder Sinn von durawıs) dürfte ein Fehler sein. — : Wiehtigere Druckversehen. 1897. S. 570, Sp. 1, Z. 36 von oben lies-kaum verändert; Sp. 2, 2.15 v. o. statt & 1.F. — S. 571, Sp. 1, Z. 29 v. unt. 1. Mann. — S. 572, Sp. 1, 2.14 v. o. l. Placoeista. — S. 573, Sp. 1, Z. 14 v. u. l. Senium. — S. 583, Sp. 2, Z. 9 v. o. l. unablässig. — S. 586, Sp. 1, 2.22 v. o.1. T.2. — 8.588, Sp. 2, Z. 38 v. o. 1. Mayer. 1898. S. 19, Sp. 1, Z. 37 v. o. st. ebenda l. A. mier. An. — S. 20, Sp. 1, Z. 20 v. u. l. Skeletbildungen. — S. 29, Sp. 2, Z. 26 v. o.l. p. 140 (Entod.). — S. 31, Sp. 1, Z. 17 v. o. l. unzweifel- haften. — S. 37, Sp. 1, Z. 3 v. u. 1. proceed. roy. Soc.; Sp. 2, Z.2 v. u. ]. (stärker) bedroht. — S. 38, Sp. 1. 2.7 v. o. st. dass |. das. — S. 89, Sp. 1, Z. 23 v. o. |. + Ruhe; Sp. 2,2. 3v.u. ist vor Pl. 14 einzuschalten: vol. 14, 1574. Dr. A. Kobelt. Inhalt: 69. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Braunschweig. — Einseitiger, fast völliger Mangel des Kleinhirns. — Geschmacksorgan der Schmetterlinge. — Rumex hymenosepalus Torr. -— Ueber durch elektrisches Licht hervor- gerufene Vegetation — Die Bildung des Zuckers in der Zuckerrübe. — Ueber eine neue Totalsynthese des Glycerins und des Dyoxyacetons. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Prof. Dr. W. van Bebber, Die Wettervorhersage. — Albert Stiger, Ueber das Wetterschiessen am südöstlichen Abhange des Bachergebirges nächst Windisch-Feistritz (Steiermark). — Carl August Lilje, Die Gesetze der Rotationselemente der Himmelskörper. — Liste, — Nachtrag. 212 geos0s0000000 0000000000000 ° Dr. Robert Muencke : $% Luisenstr. 58. BERLIN NW, Luisenstr. 58. > b e : £ h E % Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ® und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. AA TS ST I I I TI TI I I 7 I 27 oo. Weitverbreitete bestempfohlene natarwissenschaftliche Handbücher. Für den Forscher und Naturfreund: Die höheren Pflanzen. 7. Auflage. In biegs. Deutschlands. Ka 4 H Eine Anleitung zur Kenntnis derselben. Von Professor Dr. Die Pilze. O. Wünsche. 4 4.40. Dr. OÖ. Wünsche. In biegs. Lnwbd. 4 3.— ü . Nord- u. Mit d. i 0 Excursionsflora. f. Nor u. Mitteldeutschlan Von Director Prof. ee fd. Kar: Sachsen u. d. angrenz. Geg. Von Prof. Dr. O. Wünsche. 7. Aufl. In biegs. Lnwbd. 4 4.60. = > H . Flora: Die Pflanzen Von Prof. Dr. O. Wünsche: Die niederen Pflanzen. In biegs. Lnw. 4 4.60, ’ Ei i zu i T EN Prof- Die Alpenpflanzen. ine Anleitung zu ihrer Kenntniss.. Von Prof. Dr. K. Kraepelin. 4. Aufl. In biegs. Lnw. .# 3.80. Für den Naturfreund und die Jugend: N N Pflanzen | Von 2.40 In Die verbreitetsten "Hirz: BrobDe A| Hicen Tora TFue Käfer . Wünsche #2.— £ Deutschlands, Schmetterlinge Luwbd. Von Dr. R. Rössler N 1.80 gebdn. durch Wald u. Flur. Natur in Monatsbildern. Mit Illustr. geb. A 5.—. 1. Aufl. (ohne Illustr.) geb. #1. 2,80, Zu beziehen durch alle Buchhandlungen oder von der Verlagsbuclhhhandlung B. &. Teubner in Leipzig, Poststr. 3. E. Anltg. z. Beobachtung d. heimischen Von Öberl. B Landsberg. 2. Aufl. Streifzüge Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12, Über geographische Ortsbestimmungen ohne astronomische Instrumente. Gebrauchte Gasmotoren DAMPF- una DYNAMO- Von Prof. Dr. P. Harzer, Dircetor der Herzoglichen Sternwarte zu Gotha. Mit einer Tafel. Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik.) 53 Seiten Lex. 8. — Preis 1.20 M MASCHINEN betriebsfähig in. ‚allen 'Grössen' sotort_lieierbar. Elektroimotor,s.n.:.n. Schibauerdamm 21 Berlin NW. garantirt Eoeben erichienen: Der Menfchheitslehrer, Ein Kebensbild des Weifen von Nazareth. Bon George Paul Sylvefter GCabani2. 300 Seiten Oftav. Preis geh. 3 SM, elegant geb, 4 A. Eine vramatifche Schilderung des Lebens Seju, die fuwohl durch ihre edle, form- vollendete Sprade wie Lie bebe Auffaffung, der Geftalt und Lehre des Weifen von Nazareib fih als eine beynorragente Erfheinung befundet und auf jeden Lefer eine große Wirkung ausüben wird. + v Der aeninle Menfd. Von Hermann Türk. Dritte ftarf vermehrte Auflage. Snbalt: I. Künftleriiches Genichen und Schaffen des genialen Menichen. II. Bhilo- jopbiiches Streben. III. Braftiiches Verhalten. Gott und Welt. IV. Shafeipeares Hamlet. V. Goethes Fauft. VI. Byrens Manfred. VIT. Schopenhauer und Spingza. VII. Chriftus ud Bupdla. IX. Mlerander, Cäjar, Napoleon. X. Darwin und Lombrojo. XI. Stirner, Niegihe und Sbien. XI. Echluß- betrachtung. 390 Seiten gr. 8°, Preis geb. 4,50 Z, eleg. geb. 5,60 HH. Bon der Kritik ift das Fuch außerordentlich gerühmt worten. Das „Lite rariihe Gentralblatt” bat 3. B. die Efiays des Verfaffers über Shafejpenre und Goethe ald zum Besten gehörend bezeid,net, was über Dieje geichrieben worden ift. ——. Zu beziehen dur jede Buchhandlung. Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. °5 XIII. Nr. 18. Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! Grosse Vortheile! Neues Princip für Massenbetheiligung an industriellen Unternehmungen. == Neuheiten - Vertrieb. — Neu aufgenommen; Durchführung des Buttenstedt- schen Flugprineips =3 (von zwanzig namhaften Gelehrten unterstützt) und Errichtung einer Versuchs- station für Flugzwecke. Internationaler Verein zur rationellen Verwerthung von Erfindungs-Patenten. Eingetragene Genossenschaft mit be- schränkter Haftpflicht. Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, participirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabrieirten Artikel. "BERLIN. 5.0.26, Eine grosse Anzahl Schlangen, ein Krokodil, ein Alligator, ein Haifisch mit Eiern, ein fliegender Hund und eine Anzahl Skorpione, zusammen gegen hundert Exem- plare, alle in Spiritus mitgebracht aus Kamerun, bin ich willens zu verkaufen. Dieselben stehen zur Ansicht aus bei Hr. Otto Schöll, Tapezier u. Decorateur. Berlin, Kurfürstendanm 240. Botanisir -Büchsen, -Spaten und -Stöcke Lupen, Pflanzenpressen, Drabtgitterpressen M. 2,35 und M. 3.— zum Umhängen M. 4,50, mit Druckfedern M. 4,50. — Ill. Preisverzeichniss frei. Friedr. Ganzenmüller in Nürnberg. Das optische Institut Paul Wächter Berlin- Friedenau empfiehlt als Spezia- litäten seine Mikroskope hotop. Oljetire, U Preislisten gratis und franko. VE TE ET, En TE Gans & Goldschmidt, Berlin N., Auguststr 26, Elektrotechnische Anstalt und mechanische Werkstätten. Spezialität: Elektr. Messinstrumente, Normal-Elemente, Normal- und Praeei- sionswiderstände, nach den Modellen der Physikal. Techn Reichsanstalt.— Normal- Volt- und Amperemeter, Spiegelgalvano- meter, Physikalische Lehrmittelapparate Einrichtung von Laboratorien. Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Rh Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. | Max Steckelmann, | Soeben erschienen: Antiquariats-Cataloge Nr. 58: Naturwissenschaften. Nr. 57: Länder- n.Völkerkde. Reisen. Auf Verlangen gratis u. franko. Gilhofer u. Ranschburg, Antiquariat, Wien I, Bognergasse 2. Zeichnungen für wissenschaftliche Zwecke und Illustrationen von Werken (auch für Anatomie etc.) liefert tüchtiger Zeiehner mit Hoch- und Kunst- Schulbildung und mehrjähriger Praxis als Fachlehrer. Offerten erbeten unter DZ an die Exped. dieses Blattes. bester und bewährter Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Cameras. Gediegene Ausstattung. 5” Sämmtliche Bedarfsartikel. 7 Spee.: Steckelmann’s Zusammenlegbare | Spiegel: Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges 4 | Photos\?rhische Stativ- und Hand- | | | | m ——— Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. N a = = FE - In BSASSSS Redaktion: an a Pad % Dr.H. Potonie. s dien s ftliche Forschung »ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- den Gebilien der Phantasıe, wırd ff ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, der ihre Schöpfungen schmückt, Schwendener. en 4 Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94, XII. Band, | anstalten, wie bei der Expedition. Abonnement: Man abennirt bei allen Buchhandlungen und Post- € | Sonntag, den 8. Mai 1898. Der Vierteljahrspreis ist HM 4.— Bringegeld bei der Post 15 „), extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Nr. 19. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. -Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Seine Majestät der Kaiser stattete am 12. November 1397 der der Actiengesellschaft Vereinigte Königs- und Laurahütte gehörigen „Königs- hütte“in der gleichnamigen ober- schlesischen Stadt einen Besuch ab. In dem Bericht über diesen Besuch in der Zeitschrift „Stahl und Eisen“ (Düsseldorf 1897 No. 24) heisst es: „Seitdem am 29. August 1555 in Gegenwart des Königs Friedrich Wilhelm IV. auf dem Redenberge bei Königs- hütte das von den oberschle- sischen Gewerkschaften errich- tete Denkmal des genialen Be- gründers der oberschlesischen Montanindustrie und insbeson- dere der Königshütte, des Grafen *) Einen Auszug des Vortrages bringt der 47. Jahrgang (1898) der „Gartenflora“, Zeitschrift für Garten- und Blumenkunde, Organ des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in den preussischen Staaten, heraus- gegeben vom Geh. Regierungsrath L. Wittmaek, unter der Ueber- schrift „Lestaurirte vorweltliche Ptlanzen als Decorationsmittel.“ Der obige Artikel ist ein textlich und illustrativ wesentlich erweiterter Ab- druck dieser Veröffentlichung. Er wird hier gebracht, weil er Gelegen- heit giebt auf eine wichtige Auf- gabe der Pflanzenpalaeontologie, der Reconstruction von Steinkohlen- pflanzen, näher einzugehen. Die meisten Abbildungen sind meinem im Erscheinen begriffenen „Lehr- buch der Pflanzenpalaeontologie“ entlehnt. Restaurirte vorweltliche Pflanzen. Nach einem Vortrag mit Demonstrationen, gehalten am 30. Dezember 1897 vor dem Verein zur Beförderung des Gartenbanes in den Preussischen Staaten. *) Ehrenpforte Von H. Potonie. Fig. 1. zum Empfange Sr. Majestät des Kaisers am Eingange der Königshütte, Reden, enthüllt und bei dieser Gelegenheit auch die damals noch dem preussischen Staate gehörige Hütte von dem Könige besichtigt wurde, hatte kein Preussenkönig mehr auf der Hütte und in der Stadt geweilt“. Es galt also, einen möglichst würdigen Empfang vorzubereiten. Als der Generaldireetor der Königshütte, Herr Bergrath Junghann, mich aufforderte, mich in bestimmter Richtung an der geplanten Veranstaltung zu betheiligen, ging ich mit Freuden auf den ehrenden Antrag ein. Auf dem der Hütte gehören- den Gebiet waren nicht weniger als zehn Ehrenpforten errichtet worden, unter diesen zeichnete sich aber die am Haupteingang zur Hütte und vom Kaiser ein- gehender besichtigte, von Herrn Geheimen Baurath E. Ihne ent- worfene Ehrenpforte ganz be- sonders aus. Unsere Fig. 1 giebt eine Anschauung von der gewaltigen Grösse und der schönen Gliede- rung dieser, einem römischen Triumphbogen nachgebildeten Pforte. „Im Bilde sollte sie verkörpern, wie das gesammte Unternehmen der Vereinigten Königs- und Laurahütte der Steinkohle sein Entstehen ver- danke und auf ihr beruhe, wie 214 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 19. die verschiedenen Erzeugnisse der Hütten gleichsam | sagen — unserer gesammten Industrie bei der gewaltigen Bedeutung der Steinkohle nicht genügend. Deshalb hatte Herr Junghann die Idee, rechts und links innerhalb der Durchfahrt der grossen Ehrenpforte zwischen den Pfeilern in 4 m breiten und 9 m hohen Oeffnungen, die Durch- blicke aus der Steinkohle herauswachsen. Das Bauwerk erhob sich daher in einer Höhe von nahezu 24 m, in einer Breite von 16 m und einer Tiefe von 10 m inmitten eines zu Tage tretenden Steinkohlenflötzes, welches durch natürliche, zu beiden Seiten aufgeschüttete Steinkohlen- blöcke dargestellt war. Behauene Steinkohlen- quadern*) bildeten den Sockel, auf welchem die durch einen 6 m weit gespannten Rund- bogen verbundenen Mauerpfeiler ruhten. Ihnen vorgelagert waren an Front- und Rückseite je vier aus 9 m langen Eisenbahnschienen ge- bildete dorische Säulen“. „Ein dreistufiger Aufbau auf der Attika trug eine Trophäe, ge- in das Freie gewährten, malerische Gruppen plastisch reconstruirter Steinkohlenpflanzen auf- zustellen, von denen die Figuren 3 und 4 eine annähernde Vorstellung geben*. So erhob sich die imposante Ehrenpforte gewissermaassen als grossartiger Rahmen über den Pflanzen, die vor Jahr- und Jahr-Millionen, wunderbare. Waldmoore belebend, die Steinkohle bildeten: die Industrie, welche dankbar ihrem wichtig- F . . ke . Fig. 2, ia E bildet aus einem Eisenbahnräderpaar, verschie- ‘ en u. sten und fernsten Urheber gleichsam ihren ® a = en attwiırte. von .. . «| . denen Emblemen des Maschinenbaues, Fahnen Sphenophyllum cuneifoi, mächtigen Schutz leiht! und einem Wappenschilde des Hauses Hohen- zollern, überragt von der kaiserlichen Standarte und der deutschen Kaiserkrone. Die zwischen den Säulen sichtbaren Flächen der Bogenpfeiler zeigten in Reliefs Embleme des Grubenbaues und Hüttenwesens in Verbindung mit Blattornamenten“, deren Vorbilder Pflanzenreste der Steinkohlenflora waren. So hatten Sphenophyllum-Wirtel (Fig. 2) für Rosetten und fossile Fig. 3. Aus der Steinkohlenflora der Orzescher Schichten. — Eine Sigillaria, um deren Stamm Mariopteris muricata herumwindet, links Calama- rien, rechts Farnbäume. Farnwedel für andere Reliefs als Vorlage gedient. Hatten schon hier die pflanzlichen Bildner der Stein- kohle deeorative Verwendung gefunden, so erschien doch dieser mehr untergeordnete Hinweis auf die dem Pflanzen- reiche entstammende Grundlage — wir dürfen getrost *) In diesem Falle künstlich zur Darstellung gebracht. um, b= ein einzelnes Blatt etwas vergrössert. Für die im Fig. 3 zur Darstellung ge- brachte Gruppe hat mir die Flora eines etwas Jüngeren Steinkohlenhorizontes (desjenigen, der bei Orzesche in Oberschlesien abgebaut wird) vorge- schwebt als für die Gruppe Fig. 4, die im Wesentlichen Pflanzen veranschaulichen soll, welche für den bei Königs- hütte abgebauten Horizont bemerkenswerth sind. Ueber die Herstellung und die Materialien, aus denen Fig. 4. Aus der Steinkohlenflora des Sattellötz-Horizontes. — Ein Lepido- dendron und Farnbäume. Erklärung des Objectes rechts vergl. Fig. 12. die Nachbildungen hergerichtet wurden, das Folgende. Das Laub der mehrere Meter ausladenden Kronen *) Ich schreibe ausdrücklich eine „annähernde“ Vorstellung, weil die Bilder photographisch (in den Figuren 3 und 4) nieht von dem Standpunkt aus aufgenommen werden konnten, von denen aus die Gruppen beim Eintritt in die Ehrenpforte gesehen wurden und allein wirksam waren. XI. Nr. 19 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 215 der beiden Bäume war aus dünngewalztem der Königshütte und der Laurahütte von renommirten Blumenfabrik „Christine Jauch“ (Besitzer Herr Hantelmann) in Breslau, die auch die übrigen feineren Arbeiten und das Montiren der Stücke besorgt hat, mit Geschicklichkeit und Verständniss gebildet worden. Die aus Holz gefertigten Stämme der Pflanzen zeigten an ihrer Oberfläche die charakteristischen Sculpturen der Fos- silien und waren mit der Hand der Natur entsprechend als Reliefs herausgeschnitzt worden. Das Laub der Bäume war in der prächtig schwarzglänzenden Farbe des Eisen- blechs belassen worden, das Uebrige je- doch in der Farbe wiedergegeben, die die Pflanzen wohl zu Lebzeiten gehabt haben konnten. Abgesehen von den feineren, zur Blumenfabrieation gehörigen Arbeiten wurden die Modelle mit Aufwand vieler Kräfte in den trefflichen Werkstätten der Königshütte ausgeführt. Meinen herzlichsten Dank muss ich insbesondere noch Herrn Hütteninspeetor Melaun ausdrücken, der bei der aufreiben- den Thätigkeit, die ihm die übertragene Ober-Leitung der Decorations-Arbeiten ver- ursacht hat, noch Zeit fand, mir in der Hütte die Wege für meine bescheidene Thätig- keit in weitgehendster Weise zu ebnen. So war denn hinsichtlich der fossilen Pflanzen ein möglichst getreues, durch seine uns ungewohnten Formen wunderbar an- muthendes Bild entstanden, das den sinnen- den Besehauer in eine menschenlose, fern- weite Vergangenheit zurückversetzte: eine schwache Anschauung der landschaftlichen Eigenthümlichkeiten Oberschlesiens zur Stein- kohlenzeit bietend, soweit sie die Wissenschaft auf Grund langer und mühsamer Thätigkeit wieder hervorzuzaubern vermag. Wenden wir uns nun ein- gehender zu den botanischen Eigen- thümlichkeiten der plastischen Nachbildungen, soweit sie an den- selben besonders hervortreten. Ueber den hohen, belehrenden Werth soleher Modelle ist kein Wort zu verlieren; wie viel Worte sind nicht nötbig, um im Geiste eines Anderen auch nur einiger- maassen den Eindruck der Tracht z. B. eines der beiden Bäume zu erwecken, den die Modelle mit einem Schlage liefern, abgesehen davon, dass unmittelbar gewonnene Anschauungen ja weit unauslösch- licher haften als solche, die durch blosse Mittheilungen erreicht wer- den können. Betrachten wir zunächst ein- mal den in Fig. 3 dargestellten „Siegelbaum“* (Sigillaria), so ge- nannt wegen der, wie mit einem scharfen Petschaft sauber einge- Ein Stück drückten Blattnarben, welche die ganze Stammoberfläche bekleiden, wofür Fig. 5 und 6 Beispiele bieten, so fällt uns wohl am meisten die durchweg gablige Verzweigung der Krone auf, eine Verzweigungsart, welche die Pflanzen Eisenblech der wohl- Fig. 5, Eine Sigillaria - Stamm - Ober- fläche mit Blattnarben, unten mit „rhytidoleper* oben mit „tessellater“ Skulptur, ganz oben die Blattnarben wieder ent- fernter stehend. der Stamm-Oberfläche mit Blattnarben von Sigillaria Brardi, unten mit „elathrarischer“, oben mit „leiodermer“ Skulptur. der ältesten geologischen Zeiten im Gegensatz zu der heute beliebten, vorwiegend rispigen Verzweigung auf- fallend bevorzugen, und die ich durch die von vielen Thatsachen unterstützte Annahme der ursprünglichen Abstammung der ersten Landpflanzen von gegabelten, tangartigen Wasserpflanzen zu erklären versucht habe *), Es ist in der That bemerkenswerth, wie gern auch die heutigen Wasserpflanzen zu Gabelungen neigen, und so wären die Gabeln der Sigillarien Erinnerungen an ihre Herkunft aus dem Wasser, eine Herkunft, die nach Ansicht der heutigen Wissenschaft alle Lebewesen ohne Ausnahme mit der „Schaumgeborenen* theilen. Schon die so sinnige griechische Mythologie weist durch diesen Beinamen der Aphrodite auf den- selben Urquell alles Lebens hin. An der Ansatzstelle der Krone am Stamm sehen wir mächtige, zapfenförmige Gebilde, ge- stielte Blüthen, herabhängen; diese sind also hier „stammbürtig* wie bei so vielen Tropenpflanzen, bei denen der mächtige Kampf ums Licht sich unter Anderem auch darin ausspricht, dass die lichtbedürftigen Laubblätter oft ganz ausschliesslich den Gipfel einnehmen, während die Fortpflan- zungsorgane an den Theilen der Pflanzen auftreten, die dem Licht weniger zugäng- lich sind, wo sie jedenfalls die ausgiebige Lebensverriehtung der Laubblätter, die ja bekanntlich Ernährungsorgane sind, in keiner Weise behindern. Spricht schon diese Er- scheinung für die Tropennatur der Flora unserer Heimath und der ganzen Erde über- haupt zur ‚Steinkohlenzeit, so weisen eine ganze Anzahl anderer Eigenthümlichkeiten ebenfalls auf die Richtigkeit dieser Annahme hin, wie z. B. das gänz- liche Fehlen von Jahresringen, deren stetes Vorhandensein bei den jetzigen Holzgewächsen un- serer gemässigten und kalten Zone gerade der Periodizität der Klimate dieser Zonen entspricht, im Gegen- satz zu dem mehr gleichmässigen Wachsthum tropischer Pflanzen; dass aber, wie es freilich selbst- verständlich ist, länger dauernde Wechsel in den Witterungsverhält- nissen zur Steinkohlenzeit vorge- kommen sind, ähnlich wie in den heutigen Tropen, ist an den uns überkommenen Resten zuweilen in interessanter Weise noch wahrzu- nehmen. Wie nämlich unsere heu- tigen Pflanzen, wenn sie unge- nügend belichtet werden, wohl in dem Bestreben, das fehlende Licht zu suchen, gern lang aufschiessen und dadurch ihre Blätter weit aus- einander rücken, und wie die Pflanzen in der Trockenheit oder aus anderen Gründen leicht klein und kurz bleiben und dann um- *) Vergl. meinen Artikel „Die Phylogenie der pflanzlichen Blatt- und Stengel-Verzweigungen“ in der „Naturw, Wochensehr.“ X. Band (1895) S.433 ff. oder die begründenden Angaben in meinem „Lehrbuch der Pflanzenpalaeontologie“. 216 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIU. Nr. 19. gekehrt ihre Blätter diehter gedrängt zeigen, so kann man auch auf dem Stamm der zur Darstellung gebrachten Sigillaria einige Zonen enger stehender Blattnarben be- merken, die die fossilen Reste zuweilen zeigen, und die Demjenigen, der ihre Sprache zu lesen versteht, die wechselvolle Land- schaft in der Phantasie bis in gewisse Einzel- heiten hinein wieder er- stehen lässt. Solche fos- silen Reste mit abwech- selnden Zonen enger und weiter stehender Blatt- narben (mit „Wechsel- zonen“) veranschaulichen unsere Figuren 5 und 6. Die . unterirdischen Theile des Baumes sind von Pflanzen - Vorwesen- Kundigen, bevor sie noch die Zusammengehörigkeit der einzelnen Theile er- kannt hatten, als Stig- maria beschrieben wor- den. Es sind gegabelte, wurzelartige Gebilde, die natürlich auch die Function der Wurzel hatten, dadurch Stammoberflächen-Stück von Lepido- dendron Volkmannianum. Fig. 8. Stammoberflächen-Stück von Lepido- dendron Veltheimii. hätten durchweg etwa die Tracht einer Lampeneylinder bürste gehabt: einfache, unverzweigte Stämme mit einem Schopf Blätter am Gipfel. Sigillarien in den Abbildungen meist reconstruirt; aber So findet man denn auch die schon der Gedanke, dass der Aufwand eines mäch- tigen Baumstammes für eine ganz spärliche „Krone“, die nur wenigen Blättern Platz gewährt, unerklärlich wäre, ge- bietet, solehe Reconstruc- tionen mit Vorsicht aufzu- nehmen. Hält man sich, wie das die exacte For- schung verlangen muss, genau an die bekannten Einzelthatsachen, so eı- hält man nämlich eine bei Weitem spärlichere Krone als sie durch die übertrieben lang gezeich- neten Blätter wiederge- geben zu werden pflegt, und es kommt hinzu, dass auch der Stamm auf Grund der Funde soge- nannter unverweigter Sigillaria-Stämme einen ganz an- besonders bemerkenswerth, dass sie durchaus horizontal | deren Habitus besitzt als Fig. 3. Der wichtigste dieser ausgebreitet sind*) genau ebenso wie die Wurzeln unserer jetzigen in den Mooren wachsenden Bäume, z. B. unserer „Moor- Kiefern“ oder der Sumpfeypresse (Taxo- dium distichum) in den mächtigen Wald- mooren des südlichen Nordamerika, eine Thatsache, die die Annahme der ursprüng- lichen Waldmoornatur der Steinkohlenflötze nicht wenig unterstützt. In Sümpfen wach- sende Bäume brauchen das schon hin- reichend an der Oberfläche vorhandene Wasser nicht erst in der Tiefe zu suchen, und überdies wird der mechanische Halt einer grossen Pflanze, die in schlüpfrigem Boden fusst, durch die erwähnte Ausbil- dung sehr viel bedeutender: ein in einen Sumpf oder in Triebsand versinkender Mensch wird zu seiner Rettung die Arme ausbreiten, wie die erwähnten jetzt lebenden Moorbäume es mit ihren Wurzeln, die Fossilien es mit den Stig- marien thun. Auch die unterirdischen Organe des in der anderen Gruppe, in Fig. 4, veran- schaulichten Baumes, eines „Schuppen- baumes“ (Lepidodendron) (so genannt, weil die den Stamm bekleidenden, schön und regelmässig skulpturierten Polster, Fig. 7 und 8, welche die Blätter trugen, früher für Schuppen gehalten wurden) sind „Stig- marien“. Dieser Baum zeigt ebenfalls die bemerkenswerthe Gabelbildung der ganzen Krone. Die Aeste sind reicher verzweigt und enden in feinere Sprosse als die der Sigillarien, ja Gabelzweige letzterer sind überhaupt erst später. bekannt geworden und sind auch seltener. als solche von Lepidodendron, so dass man früher glaubte, die Sigillarien *) Vergl. „Naturw. Wochenschr.“ XI. Bd. (1896) S. 307 Fig 1. nd S. 508 Fig. 2 oder Pflanzenpalaeontologie S. 210 Fig. 202. Fig. 9. Syringodendron-Skulptur einer rhyti- dolepen Sigillarie. Fig. 10. Mariopteridischer Aufbau A = windende resp. kletternde Axe. Sigillarie. Funde nämlich, der im Wesentlichen die in Rede stehenden Reconstruetionen ver- anlasst hat, zeigt ganz andere Stamm- formen, als sie sonst Bäume besitzen. Es sind das von Goldenberg aus dem Saar- brücker Steinkohlen-Revier bekannt ge- gebenen, merkwürdigen Reste, über die dieser Autor sagt: „So wurde ein förm- licher Sigillarienwald aufgeschlossen, und zwar in der Gestalt, wie er einst leibte und lebte. Die Wurzeln dieser Pflanzen lagen in ein und. demselben geologischen Niveau, und die Stämme derselben be- fanden sich noch in ihrer ursprünglichen senkrechten Richtung auf diesem ihrem alten Grund und Boden. Die meisten dieser Sigillarien ..... hatten unten 2—3 Fuss im Durchmesser und endigten oben in einer ab- gerundeten Spitze ohne irgend eine Spur einer Ver- ästelung zu verrathen.“ Einen solchen Stamm bildet der genaunte Autor Tafel B Fig. 13 in '/,, der natürlichen Grösse in dem Atlas zu seiner „Flora saraepontana fossilis“ I 1855 ab. Im natürlicher Grösse muss dieser Stamm an seinem Grunde einen Durchmesser von etwa 2 m, in seiner Mitte von über 1\/; m aufweisen; er erhebt sich in der Form eines Zuekerhutes bis zu einer Höhe von etwa 5, m, aus welchen Angaben der freundliche Leser das wesentlich erst in seinem oberen Drittel allmählich zu einer dieken Kuppe sich verschmälernde Gebilde leicht reconstruiren kann. Die Oberflächen- Seulptur desselben bietet die sogenannte Syringodendron-Seulptur einer rhytidolepen Fig. 9 giebt eine Vorstellung dieser Seulptur. Die Syringodendren sind Steinkernoberflächen unter dem kohlig erhaltenen Theil der Rinde: sie besitzen eine mehr oder minder deutlich ausgesprochene Längsstreifung, die, XII. Nr. 19. da es sich um Innenrinden-Erhaltungszustände handelt, der Streekung von Stereiden in der Rinde entsprechen dürfte. Unter jeder Blattnarbe erblickt man, den Seitennärbehen derselben entsprechend, zwei, oft sehr grosse, linienförmige oder elliptische Male, die untereinander mehr oder minder verschmelzen können, zweitens kann man zwischen den beiden erwähnten Malen, wie in unserer Figur, noch ein drittes, punktförmiges Mal als Andeutung der Leitbündelspur bemerken. Ob die Syringodendren Goldenbergs nun bei ihrem eigenthümlichen Habitus nicht vielleicht Pflanzen angehören, die von den eigentlichen Sigillarien abzu- trennen sind, ist noch keineswegs ganz klar, sodass das angebliche Vorkommen unverzweigter, grosser, echter Sigillaria-Bäume keineswegs genügende Stützen findet. Doch nun wieder zurück zu unserer Lepidodendron- Reconstruetion. Während die Sigillariablätter lang- und schmallineale Gestalt besitzen, sind die Laubblätter Fig. 11. Mariopteris muricata. von Lepidodendron meist kurzlineal-lanzettlich und sitzen hier in derselben Weise an wie die Blätter unserer Bär- lappe („Schlangenmoose“), mit denen unsere Bäume ver- wandt sind; auch die Blüthen sitzen bei der zur Darstellung gebrachten Art endständig wie bei den Bärlappen. Als „Unterholz“ der beiden Bäume unserer Gruppen Fig. 3 u. 4 haben Farne und jene Verwandten und vielleicht direeten Vorfahren - unserer Schachtelhalme (Equiseten), die bekann- ten Calamarien der Steinkohlenzeit Verwendung gefunden, von denen die Fig. 3 links eine Gruppe veranschaulicht. Abgesehen davon, dass die Calamarien baumartig werden konnten, fällt, äusserlich betrachtet, noch auf, dass die wie bei den Schachtelhalmen quirlig stehenden Laubblätter nieht wie bei diesen mit einander verwachsen, den Stengel umfassende Manschetten oder Scheiden bilden, sondern von einander ge- trennt, höchstens noch am Grunde miteinander verbunden sind. Es ist mir jedoch gelungen, nachzu- weisen, dass speciell die Calamarienstämme in der Jugend ebenfalls zu Manschetten verbundene Blätter besassen, dass diese sich dann aber nach Maassgabe des Dicken- wachsthums der Stämme wie ein zu eng gewordenes Kleid erst nachträglich von einander trennten. Von den Farnen der Steinkohlenformation sind zwei Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Fig. 13. Hoeninghausi-Auf- bau. A=Hauptaxe. 217 physiognomisch auffallende Typen besonders bemerkens- werth: 1. Die Farnbäume, äusserlich an diejenigen unserer Tropen erinnernd, und 2. dünn-, aber dabei langstämmige*), Farne, die im Steinkohlen-Urwalde Fig. 12. Zwei rekonstruirte Farn-Lianen (Sphenopteris Hoeninghausi und Mariopteris muricata) der Steinkohlenzeit, sich um mächtige Calamarien-Schösslinge windend. Etwa 25 mal verkleinert. die Rolle unserer heutigen tropischen Phanerogamen-Lianen gespielt haben. Diese für die Physiognomie der Stein- koblenlandschaft wichtige Thatsache ist bisher nicht ge- nügend hervorgehoben worden. Es giebt in der Steinkohlenformation eine ganze Anzahl Arten, die zu der zweiten Gruppe gehören, sodass sie in der That eine hervorragende Rolle gespielt haben müssen. In unseren Gruppen sind 2 Arten zur Darstellung gebracht worden, nämlich Mariopteris murieata und Sphenopteris Hoening- hausi. Die erstgenannte Art, namentlich den Sigillariastamm Fig. 3 hinaufrankend, zeigt den Fig. 10 wiedergegebenen Aufbau; ein Wedel- stückehen in natürlicher Grösse bietet Fig. 11. Sphenopteris Hoeninghausi ist, ebenfalls als Liane reconstruirt, in der Gruppe Fig. 4 rechts untergebracht. Es muss dabei freilich dahin- gestellt bleiben, ob es sich in solchen lang- und dabei dünnstämmigen Arten wirklich um windende Pflanzen gehandelt hat, wie solche auch unter den heutigen tropischen Farnen, ohne je- doch der Physiognomie der Landschaft einen Charakter aufzuprägen, gelegentlich vorkommen; es sei diesbe- *) In wiefern es sich übrigens in morphologischer Hinsicht nieht um Stengel-Organe, sondern um sehr stark verlängerte und ganz den Habitus von Stengeln annehmende Wedel-Hauptspindeln handeln könnte, ist noch nieht hinreichend eruirt. 218 züglich an Lygodium japonicum mit seiner windenden Wedelspindel erinnert*). So viel ist sicher, dass die in Rede stehenden, dünnen und langen, fossilen Farn-Stämme oder Spindeln nicht in der Lage waren, ohne Stütze sich aufrecht zu erhalten, so dass mindestens anzunehmen ist, dass solche Farne durch Anschmiegen an Stämme, die in der Lage waren, sich selbst zu tragen, den Kampf zur Erreichung der Lichtquelle aufnahmen. Es muss also der Charakter des Steinkohlen-Urwaldes nicht un- wesentlich durch solche Farne beeinflusst gewesen sein, so dass sie den tropischen Habitus desselben mitbedingen halfen. Unsere Abbildung 12 stellt zwei mächtige Cala- marien-Schösslinge vor, die von Sphenopteris Hoeninghausi — es ist das der von dem einen Schössling auf den anderen überspringende Farn — und Mariopteris murieata — der kleinere, den grösseren Schössling hinaufwindende Fig. 15. Fig. 14. Pecopteris dentata. Stück der Haupt- spindel mit Adventivfiedern. Farn — als Stütze benutzt werden. Diese Reconstruction ist die auf Fig. 4 rechts befindliche. Auf die gegabelten Wedel der beiden genannten Farn-Lianen sei besonders aufmerksam gemacht. Der Aufbau von Sphenopteris Hoeninghausi wird schematisch durch die Fig. 13 veran- *) Die Herren Professoren W. Detmer in Jena, G. Haber- landt in Graz und E. Stahl in Jena schreiben mir freundlichst hierzu: Herr Detmer: „Farn-Lianen sah ich in Brasilien nicht.“ Herr Haberlandt: „Im indomalayischen Urwald giebt es zahlreiche kletternde und epiphytische Farne (Hymenophyllaceen, Polypodium-Arten, Davallia, Lindsaya scandens, Oleandra musae- folia u. a.) mit oft langen, „wurzelkletternden“ Rhizomen, aber keine eigentlichen Farnlianen, die für die Physiognomie des Urwaldes von hervorragenderer Bedeutung wären, als die rein epi- phytischen Formen. Arten mit windenden Blättern habe ich nicht beobachtet. Letztere sollen bei Lygodium artieulatum auf Neuseeland 50—100 Fuss lang werden“. Herr Stahl: „Von Farnlianen habe ich in Java Arten von Lygodium an einzelnen Stellen häufig gefunden, ohne sagen zu Kuzen, dass sie einen auffallenden Florencharakter gebildet nätten“. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Ein Wedelstückehen von Gleichenia (Mertensia) gigantea. — a — Hauptspindel (Spindel erster Ordnung) mit Adventivfiedern; b = Spindel zweiter Ordnung mit normalen Fiedern. XII. Nr. 19. schaulicht. -Wiederholt sind mir Stücke bekannt geworden, die diesem Schema durchaus entsprechen, sodass die Re- construktion Fig. 12, die einzig mögliche bleibt. Die Sphenopteris Hoeninghausi-Arten-Gruppe gehört ihrem Auf- bau nach jetzt zu den am besten bekannten; auch der innere Bau, die Anatomie der vor Kenntniss des Zu- sammenhanges als Lyginodendron beschriebenen Stämme, der als Kaloxylon beschriebenen Wurzeln und endlich der als Rhachiopteris aspera beschriebenen Wedelspindeln ist verhältnissmässig gut bekannt. Unter den zur Darstellung gebrachten Farnbäumen befindet sich auch einer (Abb. 4 links), der auf seinen Wedelspindeln jene bekannten, eigenthümlichen, in ihrer Gestalt von den „normalen“ Fiedern ganz abweichen- den „Adventivfiedern“ trägt, wie sie auch heute noch bei tropischen Farnen vorkommen: wiederum ein Hin- Fig. 16. Basis des Wedelstiels von Hemitelia capensis mit Adventivfiedern. weis auf die Tropennatur unserer Heimath zur Stein- kohlenzeit. Solche Adventivfiedern zeigen der Fig. 14 abgebildete Rest aus der Steinkohlenformation und im Vergleich damit die recenten Wedelstücke Fig. 15 u. 16. Die Adventivfiedern sind vielleicht als Ueberreste, Er- innerungen an die ursprünglich spreitig besetzt ge- wesenen Hauptspindeln der Wedel zu deuten; ihre feine Zertheilung mit gern mehr oder minder lineal gestalteten Theilen letzter Ordnung, ferner ihre zuweilen hervor- tretende Neigung zu Dichotomieen, Fig. 16, erinnern durchaus an die von denältesten und älteren Farnen, z. B. von der Gattung Rhodea, beliebten Eigenthümlichkeiten (Fig. 17 und 18). Wie Primärblätter von Pflanzen in ihrer Ausbildung Eigenthümlichkeiten der Hauptblätter der Vorfahren lange bewahren können, so sind vielleicht die Adventivfiedern, die doch Primärfiedern sind, ebenfalls auf den Aussterbeetat gesetzte Reste, die aber nicht bloss wie in anderen Fällen ihrer Stellung, sondern überdies auch ihrer Form nach an weit entlegene Bau-Verhältnisse der Vorfahren erinnern. Für die erwähnte Deutung der Adventivfiedern kann auch noch die Thatsache verwerthet XII. Nr. 19 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 219 werden, dass sie erst an Arten des oberen Palaeozoicum auftreten und vor Allem bei Arten vom Typus Rhodea noch nieht vor- handen sind. Sehr merk- würdig und noch auf- fälliger ist ein anderer zur Darstel- lung ge- brachter,auf- rechter, gros- ser Farn- baum (Ab- bildung 3 rechts), des- sen Stamm nieht in Spi- ralen, son- dern nur in 2 Längszei- len vorhan- 7 dene Blatt- narben auf- cH: weist: eine F Besonder- in 2 ” =. “ heit, die Rhodea Stachei. — a in '/, b = Spreiten- wir an un- seren heuti- gen Baum- stämmen nirgends mehr erblicken. Wir haben so die allerwesentlichsten Eigenthümlich- keiten unserer Fossilien angedeutet, die durch diese Be- sonderheiten auf den Beschauer geheimnissvoll wirken. theil vergr., ce = Hauptspindel vergr. Der Gedanke, dass es „heimathliche* Wesen sind, die uns so fremd anmuthen, drängt zum Vergleich der fernsten Ver- gangenheit und der Ge- genwart, da- mit aber unwidersteh- lich zu der Frage füh- ten: „Wie wird es einst werden ?* Der _ tie- fe Eindruck, den der im Win- de flüsternde Steinkohlen- flor auf Alle machte, die ihn an Ort und Stelle zu sehen Gele- genheit hat- ten, beweist Fig. 18. a Rhodea dissecta. ass die Steinkohlen- pflanzen ge- nug des An- ziehenden bieten, um auch noch heute als Grundlage für ästhetische Wirkungen dienen zu können — — trotz des Fehlens farbenprächtiger Inseetenblüthen: der Blumen. Ueber den Bau der Haare in seiner Bedeutung für die gerichtliche Mediein hielt W. G. Reynolds bei der 20. Versammlung der Amerikanischen mikroskopi- schen Gesellschaft einen Vortrag (Trans. ameriec. mier. Soc. Vol. 19), der auch für die vergleichende Zoologie viel Interessantes enthält. — Zur Unterscheidung der Haare dienen makroskopisch ihre Gestalt, Länge und Farbe, mikroskopisch ihre Form, ihr Durchmesser, die Farbe des Schaftes, die Cutieula, die Rinde und das Mark. — Bei allen Pelzthieren unterscheidet man ein gröberes, rauheres, grösseres aber auch spärlicheres Oberhaar und ein weicheres, feineres, kürzeres und diehteres Unterhaar. — Das Haar der schwarzen Menschenrassen ist eigenthümlich gewunden und ge- kräuselt, das Kopfhaar der übrigen gerade und schlicht, ihr Körperhaar dagegen unregelmässig gebogen. — Die Länge des Haares übertrifft bei Thieren selten 6—8 Zoll (Ausnahmen: Angora, Schaf, Mähne und Schwanz des Pferdes); sie hält sich meist zwischen 3—4 Zoll; bei vielen Thieren (Pferd, Ratte, Maus u. s. w.) beträgt sie weniger als 1 Zoll. Das Haar der Mähne und des Schwanzes des Pferdes misst bis 24 Zoll; ebensolang kann auch weibliches Haupthaar werden. — Die Farbe des Menschenhaares ist immer einheitlich; bei vielen Thieren (Ratte, Hase, Katze, Meerschwein, Hund) wechseln verschiedenfarbige Zonen mit einander. Die Haarfarbe kann nicht nur bei demselben Individuum, sondern sogar von demselben Kopfe recht verschieden sein. Bart- und Körperhaare sind gewöhnlich heller als das Kopfhaar. Künstlich gefärbte Haare kann man mit 20 procentiger Salpetersäure entfärben; auch kann man die Farbe meistens mikroskopisch nachweisen, da sie immer in kleinen Flocken der Oberfläche des Haares anhängt und gelegentlich Stellen frei lässt. — Die Form des Schaftes ist ge- wöhnlich rund; beim Neger ist sie oval. Die Spitze ist bei allen ungeschorenen Haustbieren scharf; das feine Haar der Thierpelze ist wie das des Männerkopfes ge- schoren und daher stumpf; die Augenhaare und die vom Körper sind feinspitzig. Das Menschenhaar ist nie lang zugespitzt; es ist oft durch den Gebrauch der Kämme und Bürsten gedreht, gebrochen oder zerrissen; gewaltsam aus- gerissene Haare sind gedrückt, gerieben, haben oft einen Theil der Epidermis an sich hängen, deren Zellen dann oft blutig sind. — Der Durchmesser aller Oberhaare ist am grössten am freien Theile des Haares, von hier aus spitzt er sich nach beiden Seiten zu, bis er an der Basis oft nur !/, des grössten beträgt. Dagegen zeigt das Unterhaar abwechselnd Zonen grösseren und kleineren Durchmessers, wie auch das Frauenhaar, bei dem bis zu 14 solcher vorhanden sein können. Der Durchmesser der Haare wechselt sehr an demselben Individuum und sogar von demselben Kopfe. Körperhaar ist gröber als Kopfhaar; und ein Pferdehaar kann feiner sein als ein Chinesenhaar, 6 Zoll vor seiner Spitze sogar feiner als ein Frauenhaar. Die schwarzen Menschenhaare sind viel dieker als die blonden. — Die Cutieula besteht aus einer einzigen dachziegel- förmigen Lage von Schuppen. Bei Marder, Biber, Otter, Katze stehen die distalen Enden derselben vom Schafte ab; bei Katzen, Robben und allen Unterhaaren der Pelz- thiere sieht man sie nur als eine feine Sägelung am 220 Naturwissenschattliehe Wochenschrift. XII. Nr. 19. Rande. Beim Schafe und Angora sind die Schuppen auf der ganzen Oberfläche gut sichtbar; bei weissen Menschen- und Pferdehaaren stellen sie sich als feine Querstreifung dar. Bei der Ziege sind sie spiralig angeordnet. Bei Pferd, Rind, Huud, Schwein, Mensch liegen sie fest an; nur ihre Spitze ist frei und sichtbar. — Die Sägelung am Rande ist an den Oberhaaren am deutlichsten sichtbar nahe der Wurzel, am wenigsten an der dieksten Stelle des Haares. An der Richtung der Schuppen kann man an Jedem Haarstücke die Wachsrichtung erkennen. Pig- mentirt ist die Cuticula nur bei den schwarzen Menschen- rassen, dem Rinde, Pferde und Hunde. — Die Rinden- schicht ist spärlich bei Ratte, Eichhorn, Hase, Kaninchen und Katze, reichlicher bei Hund, Pferd, Rind, Schwein, Otter, Biber, Meerschwein u. s. w.; bei den Pelzrobben, bei Schaf, Ziege und vielen Unterhaaren beträgt sie den grössten Theil des Schaftes. In der Rindenschicht liegt der Farbstoff des Haares, entweder diffus (blonde Menschenhaare) oder in Körnchen, die Längsreihen bilden. Am schwersten ist er im rothen Menschenhaare nach- zuweisen. Bei grauen Haaren liegen nur noch isolirte Pigmentkörperchen in der Rindenschicht; bei ganz weissen Haaren fehlen sie; letztere sind beim Pferd und Menschen und dem Unterhaare des Wolfes perl-, bei anderen Thieren milehweiss. Bei ganz dunklen Haaren verdeckt das Pigment oft den ganzen Schaft; es ist dann durch kurzes Eintauchen in Salpetersäure leicht zu entfernen. Bei einigen Thieren, wie Eichhorn, Katze, Ratte, Maus, Kaninchen liegt der Farbstoff ganz oder theilweise im Marke. Nahe der Wurzel ist das Haar immer heller. — Die Zellenstructur des Markes ist meist sehr auffallend. Sie fehlt bei den feineren Haaren der Pelzrobbe, der Otter, dem Schafe, der Ziege und bei Kindern, ebenso am Wurzel- und Spitzen-Ende. Der Durchmesser des Markes steht immer in demselben Verhältnisse zu dem des Schaftes; beide wechseln gleichmässig. Bei Ratte, Maus, Eichhorn, Fuchs, Hase und Katze liegen die-Zellen ähnlich wie die Getreidekörner in der Achre, bei anderen in Geldrollenform. Beide Arten kommen beim Menschen vor. Bei ihm sind die Markzellen eubisch oder unregelmässig sphärisch; bei Hund, Pferd, Rind u. s. w. grösser als der Durchmesser des Markes. Sind sie zerstört, so hebt sich der mit Luft gefüllte Markkanal scharf als bei ver- schiedenen Thieren versehieden breite, schwarze Linie hervor. Es unterscheiden sich nun vom menschlichen Haare die von Ratte, Maus, Eichhorn und Katze durch ihren abwechselnd gefärbten Sehaft, ihre geringe Rindensubstanz und ihr weites Mark mit gefensterter Structur; die von Pferd, Rind, Hund, Biber, Otter, Marder, Schwein durch ihre verhältnissmässig grossen und weiten Markzellen; die von Schaf, Ziege, Angora durch Fehlen des Markes, deutliche und scharfe Rindenschicht-Zellen; die der Pelz- robbe durch die deutliche Blättehenform der Schuppen und das Fehlen des Markes. Das Haar des südameri- kanischen Faunaffen (Colobus vellerosus) und weisses Pferdehaar sind dem menschlichen fast gleich. — Zum Schlusse kommt R. zu dem Ergebniss, dass es unmöglich ist, von einem Haare unbekannter Herkunft mit Bestimmt- heit zu behaupten, es sei ein Menschenhaar. Man kann höchstens sagen, es sei ihm sehr ähnlich, nicht aber, es gleiche ihm. Reh. Eine auf gründliehstem Studium beruhende, werth- volle Monographie über Palaemon Fabrieii von Th. Mor- tensen ist durch den dänischen Fischereiverein in Kopen- hagen (1397) veröffentlicht worden. Der Verfasser hat bei seinen Untersuchungen, deren Ergebnisse auch von grosser praktischer Bedeutung sind, sein Hauptaugenmerk auf die Entwickelung und Lebensweise der jungen Brut gerichtet. Das Geschlecht der Krabben ist in den dänischen Gewässern durch etwa 20 bis 21 Arten ver- treten. Neben der am weitesten verbreiteten Palaemon Fabrieii Rathke finden wir da zunächst Palaemon squilla L. im westlichen Kattegat bei Samsö und im Kleinen Belt, im Sunde wurde auch einmal Palaemon serratus Penn. gefangen. Die mit diesen nahe verwandte Süss- wasserkrabbe Palaemonetes varıans Leach, welche be- reits früher im Sunde und in seiner Nähe im Odensefjord gefunden wurde, ist von Mortensen an verschiedenen Stellen des Limfjords beobachtet worden, wo sie recht zahlreich auftritt. Auch die Palaemon etwas ferner stehenden Arten Hippolyte, Virbius, Pandalus, Athanas, und Nika fehlen nicht. So findet sich ziemlich allgemein, namentlich im westlichen Kattegat, Hippolyte Gaimardi M. Edw. und Hippolyte spinus Sow, dann, allerdings nur vereinzelt, Hippolyte Cranchii Leach und Hippolyte pusiola Kröyer; ferner Virbius varians Leach (jedenfalis dieselbe Art wie Virbius faseiger Gosse); Pandalus borealis Kr. in der Nordsee und dem Skagerrak, seltener Pandalus brevirostris Rathke und Pandalus Montagui: Leach im Kattegat; ebenso finden sich Athanas niteseens Leach und Nika edulis Riss; endlich wurde ein einzelnes Exem- plar von Pasiphaea Tarda Kröyer in der Nordsee ge- fangen. Alle diese Arten mit Ausnahme von Palaemon Fabrieii und Palaemonetes varians leben im tiefen Wasser von über drei l’aden Tiefe, und zwar meist auf weichem, mit Tang oder Gras bewachsenen Boden, seltener auf Sandboden. Auf letzterem hält sich die weit verbreitete Crangon vulgaris L. auf (dänisch Hestereje oder Sand- hest genannt: Pferdekrabbe, Sandpferd). Seltener und in bedeutend grösserer Tiefe (23 bis 50 Faden) tritt eine andere Crangon-Art auf: Crangon Allmanni Kin., welche im Unterschied von Crangon vulgaris den Sandboden meidet. Ferner trifft man, wenn auch nur selten, die dem Geschlechte Crangon verwandten Arten. Cheraphilus nanus in etwa 5 bis 15 Faden Tiefe. Pontophilus nor- vegieus M. Sars und Pontophilus spinosus Leach, eben- falls in ziemlich bedeutender Tiefe. Von all diesen Arten ist für Dänemark von wirthschaftlichem Werthe nur Palaemon Fabrieii, da dort die in Deutschland und Eng- land viel gefischte „Pferdekrabbe*, Crangon vulgaris, nicht geschätzt wird. Die grosse Wanderung der Krabben aus dem tiefen Wasser zu den flachen Küsten, wo die Paarung statt- findet, vollzieht sich in den Monaten April, Mai und Juni, und zwar kommen zuerst, im April, die grossen .‚weib- lichen Krabben und sämmtliche männlichen zur Küste, etwas später dann auch die kleineren Weibehen, die erst im Vorjahre ausgebrütet worden. Bereits Ende April zeigen sich Eier in den Ovarien als grüne Masse unter dem Rückenschild. Unmittelbar vor dem Legen der Eier findet ein Hautwechsel statt, ein Vorgang, der vermuth- lich allen Dekapoden gemein ist. Während des Eier- lesens wird der Schwanz unter den Vorderleib gebogen, sodass die Eier auf dessen Unterseite fallen; ‘mit den Schwanzfüssen werden sie dann am Grundgliede fest- geklebt vermittelst eines Sekretes, welches von kleinen Drüsen an der Innenseite der Epimeren, der verlängerten Seitentheile der Schwanzringe, geliefert wird. Der Vor- gang der Paarung selbst konnte nicht beobachtet werden. Die Eier, welche ursprünglich von dunkelgrüner Farbe sind, werden allmählich heller, zuletzt ganz durchsichtig, zugleich nehmen sie auch an Grösse zu. Ihre Zahl hängt von der Grösse des Mutterthieres ab und schwankt zwischen 300 bis 2500. Bei den grossen Krabben findet sich der Rogen eher als bei den kleineren; die ersten allerdings, XI. Nr. 19. welche Rogen besitzen, sind nicht die grössten von 3 Zoll Länge, sondern die von ca. 2'/,. Die Brutzeit dauert von Amfang Mai bis Ende Juli oder Anfang August. Die ersten Jungen treten Anfang Juni auf, so dass die Aus- brütung des Rogens etwa einen Monat erfordern muss. Da alle grossen Krabben bereits Anfang Mai Rogen tragen, so sollte man danach erwarten, von Mitte Juni ab keine Thiere mit Rogen mehr zu finden, trotzdem ist dies der Fall bis Ende Juli. Der Grund dafür liegt darin, dass ein grosser Theil zwei Mal im Laufe des Sommers laicht; bald nachdem die ersten Eier abgestossen sind, häuten die Thiere sich von Neuem, und es erscheint wiederum Rogen. Bei den jüngeren, ein Jahr alten Thieren wurde das doppelte Laichen jedoch fast nie beobachtet. Dieselbe Erscheinung hat Ehrenbaum für Crangon vulgaris festgestellt. Die jungen, soeben ausgebrüteten Thiere, welche von Anfang Juni bis Ende August ununterbrochen gefangen werden, haben anfänglich eine Länge von 5 mm; sie schwimmen frei im Wasser, rückwärts und auf dem Rücken sich bewegend, überall in offener See, besonders wo Strömung vorhanden ist. In den geschützten Buchten mit warmem, stillen Wasser und reicher Vegetation finden sich gar keine Jungen, da ja die Alten vor der Aus- brütung in das tiefe Wasser der offenen See auswandern, und die junge Brut, welche sich trotz eigener lebhafter Schwimmbewegungen wie Plankton pelagisch muss treiben lassen, nicht von selbst in die Buchten wieder einwandern kann. Mit je einigen Tagen Zwischenraum wechseln die Larven vier Mal die Haut und haben dann ihre grösste Entwickelung als pelagische Larven erreicht. Bei der fünften, manchmal der sechsten Häutung machen sie eine entscheidende Wandlung durch, sie verlieren alle provi- sorischen Schwimnwerkzeuge und nehmen wesentlich das Aussehen der Erwachsenen an. Von nun an geben sie ihr pelagisches Leben auf und kriechen am Boden wie die erwachsenen Thiere. Ihre Länge beträgt jetzt 7—S mm. Die Zeiten für die Häutung sind folgende: es vergingenzwischen Ausbrütung und erster Häutung4 Tage, zwischen 1. und 2. Häutung 4 bis 6 Tage, 5 Dadane nd: = Ri mans Sa En SEP E I LN ETe n 4. n D. N 10 N” a ee 3,5 oder8 %„ > Dre » DEsbiep 60 ” 1. n 8, n 4 n 6 n n 8. n 9. » 4 n ‘ n n 9. n 10. n 7 n Die erwachsenen Krabben wechseln alle 3—4 Wochen die Haut. Diese Beobachtungen stützen sich jedoch nur auf die Vorgänge bei in Gefangenschaft gehaltenen Krabben. Wo die fünfte Häutung stattfand, muss die Krabbe ihr Bodenstadium beginnen; sie wandert alsdann sogleich nach dem Lande zu in die Buchten und Fjorde mit rubigem Wasser und reicher Vegetation, die ihnen günstige Lebensbedingungen bieten. Von denen, welche in zu grosser Entfernung von der Küste ihre Wanderung be- ginnen mussten, geht sehr wahrscheinlich die grösste Zahl unterwegs zu Grunde. Den Gang des Wachsthums der Krabben schildert Mortensen folgendermaassen: Die junge, ausgeschlüpfte Krabbe ist 3 mm lang; nach einem pelagischen Leben von 4 bis 5 Wochen nimmt sie, nachdem sie fünf ver- schiedene Entwickelungsstufen durchgemacht hat, das Aussehen und die Lebensweise der erwachsenen Thiere an, sie ist jetzt 7—8 mm lang. In der ersten Zeit nach der Verwandlung wächst sie besonders schnell, und gegen Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 221 = den Herbst haben männliche wie weibliche Individuen eine Grösse von etwa 1!/, Zoll; im Laufe des Winters wächst sie nicht weiter, im nächstem Frühjahr jedoch beginnt das Wachsthum von Neuem. Die Weibchen wachsen :nun wieder ziemlich schnell und sind in der Mitte des Sommers 2 Zoll lang, also erwachsen; sie sind dann gerade ein Jahr alt. Die männlichen Thiere wachsen vom Frühjahr an nur noch um ein Geringes, da sie be- reits im Herbst ungefähr die Durehschnittsgrösse von 1'/, Zoll erreicht haben; sie werden überhaupt nie so gross wie die weiblichen und selten über 2 Zoll lang. Sie sind also ausgewachsen, wenn sie '/, bis °/, Jahr alt sind und leben vielleicht nicht länger als zwei Jahre. Sowohl die Männchen wie die Weibehen sind geschlechts- reif, wenn sie ein Alter von einem Jahre erreicht haben, jedoch scheinen die kleinsten der letzteren erst zu laichen, wenn sie 1°/, bis 2 Jahre alt sind. Bezüglich der Nahrung der Krabben ist zu bemerken, dass die jungen von Copepoden leben, während die grösseren in der Gefangenschaft mit Fischfleisch, Würmern und Krabben gefüttert wurden; die eben gehäuteten wurden meist von den anderen, die sich in derselben Schale befanden, aufgefressen. — Wenn die Krabben ge- fangen werden, zeigen sie meist ein reichliches, bräun- liches Pigment, in der Gefangenschaft aber, wo sie in weissen Porzellanschalen gehalten wurden, zeigten sie nach einiger Zeit eine durchsichtige oder schwach weiss- liche Färbung; eine plötzliche Farbenveränderung wurde indessen nicht beobachtet. G. Adam. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Hilfsarbeiter in der Medizinischen Ab- theilung des preussischen Kultusministeriums Oberstabsarzt Prof. Dr. Martin Kirchner zum Geheimen Medizinal-Rath und vor- tragenden Rath im Kultusministerium; der Privatdocent der Chirurgie in Königsberg Dr. Oskar Samter zum leitenden Chirurgen des städtischen Krankenhauses daselbst; der Privat- docent der Philosophie in Münehen Dr. Güttler zum ausser- ordentlichen Professor daselbst; der Dermatologe Professor von Düring in Konstantinopel zum Unterdirektor des Hospitals Haidar-Pascha daselbst. Berufen wurden: Der Professor der Dermatologie in Innsbruck Dr. Lukasiewiez nach Lemberg; Dr. Jadassohn am Kranken- hospital in Breslau als Professor der Dermatologie nach Bern. Es habilitirten sich: Der 1. Assistent am anatomischen Institut in Würzburg Dr. Bühler für Anatomie an der dortigen Univer- sität; Dr. von Baraez in Lemberg für un in Wien Dr. Neuburger für Geschichte der Medizin, Dr. Schwarz für innere Medizin, Professor Dr. Kreibig von der dortigen Handels- akademie für Ethik und Psyehologie. In den Ruhestand tritt: Der Direktor der königlichen Uni- versitäts- Bibliothek in Halle a. S. Geheimer Regierungs - Rath Dr. Hartwig. Litteratur. Dr. Ch. Ruths, Inductive Untersuchungen über die Funda- mentalgesetze der psychischen Phänomene Allgemeine Ein- leitung: Eineneue Forschungsmethode (43 Seiten). — Preis 120 M. Eıster Band: Experimental-Untersuchungen über Musikphantome und ein daraus erschlossenes Grundgesetz der Entstehung, der Wiedergabe und der Aufnahme von Tonwerken. (455 Seiten). — Kom- missionsverlag von H. L. Schlapp. Darmstadt, 1898. — Preis 8 Mk. Infolge einer grösseren Reihe von Beobachtungen verschiedener Natur kam Verf. dazu, ein Fundamentalgesetz der psychischen Phänomene aufzustellen, welches folgendermaassen lautet: „Es besteht stetig mehr oder weniger eine Tendenz im Gehirn, dass statt eines Phänomens ein ähnliches progressives Phänomen zum Bewusstsein oder zum bestimmenden Einfluss über den Organismus zu gelangen sucht“ (Allg. Einl. S.33). Verf. will nun nachweisen, dass dies Gesetz im Gehirn des Einzelnen wie im Denken der Völker eine ausschlaggebende Rolle spielt und gedenkt in einer 222 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 19. Reihe umfangreicher Untersuchungen über psychische Phänomene der verschiedensten Art die Wichtigkeit und Bedeutung seines ersten psychischen Grundgesetzes darzuthun. Der erste Band beschäftigt sich nun freilich auch mit einer grösseren Reihe von anderen Dingen, die nicht mit jenem Gesetz in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Was Verf. unter „Musik- phantomen“ versteht, lässt sich schwer in wenigen Worten wieder- geben: es giebt manche Personen, welche beim Anhören von Musik visuelle Wahrnehmungen räumlicher Gebilde von meist sehr complieirtem Charakter haben. Da sieht jemand z. B. beim Hauptmotiv in der Ouvertüre zum „Fliegenden Holländer“, das sieh bekanntlich nur aus Tonieca und Dominante zusammensetzt, „eine weithin gedehnte Wasserfläche, dunkelgrün und in Wellen gehend.“ DiePhantome tauchen zwar nur deutlich auf, wenn die Auf- merksamkeit darauf gerichtet wird, sind jedoch zwangsweise und können nicht nach dem Belieben der beobachtenden Person ge- ändert werden. Wie lebhaft die Phantome auftreten, beweist der Umstand, dass eine ziemliche musikalische Person glaubte, sie seien bei allen Menschen vorhanden, und es liege gerade in ihnen ganz allgemein der Hauptgenuss beim Anhören von Musik. Die Phantome sind in fortwährender Bewegung begriffen: Landschaften, Menschen und Thiergestalten, oft von sehr phantastischen Formen und in den merkwürdigsten Combinationen, tauchen in buntester Abwechslung vor dem geistigen Auge auf. Es ist in der That höchst auffallend, wie in den Ruths’schen Angaben bei bedeuten- deren Tonwerken die auftauchenden Phantome sich decken mit den Vorstellungen, die offenbar die Componisten bei der Ab- fassung gehabt haben — auch dann, wenn den Versuchspersonen das Stück völlig unbekannt war, und sie keine Ahnung hatten, was es vorstellen sollte. So schliessen sich die ungemein zahl- reichen Phantome, welche eine Versuchsperson beim ersten An- hören von Beethoven’s Pastoralsinfonie empfand, aufs engste an das vom Componisten selbst skizzirte Programm an, und 4 Jahre später, als die Versuchsperson sich an die Einzelheiten dieses Versuchs gar nicht mehr erinnerte, empfand sie beim abermaligen Anhören derselben Sinfonie fast genau die gleichen Phantome wie beim ersten Mal. Selbst entgegen den gleichzeitigen Eindrücken auf der Bühne können bei dramatischer Musik Phantome sich einstellen: als beim Beginn des Feuerzaubers in der „Walküre“ das Triangel hereinschlägt, nimmt der Beobachter ein Musik- phantom wahr, in welchem glänzende Funken und rothglühende Feuerstrahlen aus Felsen hervorschiessen, während auf der Bühne die Flammen nach und nach aus dem Boden emporkommen. Specielle Erinnerungen spielen unter Umständen in die Phantome hinein: ‘als die Versuchsperson eines Abends an den Tod Alexanders des Grossen gedacht hat, taucht am nächsten Tage bei der Aufführung des Verdi’schen Requiem im „Dies irae“ die hintere Hälfte vom Leichenwagen des grossen Alexander auf. Diese Beobachtungen und zahlreiche andere sind entschieden recht interessant, wenngleich Referent gestehen muss, dass ihm die Uebereinstimmung der Phantome mit den Intentionen des Componisten zuweilen doch gar zu auffallend erscheint. Auch scheint ihm die Ueberzeugungskraft der Beobachtungen dadurch etwas gefährdet, dass Ruths nur zwei Personen für seine Ver- suche verwerthen konnte; es wäre doch entschieden wünschens- werth und wohl auch möglich gewesen, an einer grösseren Anzahl von Personen zu experimentiren. Auch sei hier bemerkt, dass Ruths sich mit seinen Anschauungen über das Farbenhören (Synopsien)*) ganz gründlich im Irrthum befindet (z. B. S. 15, S. 255/56), wenn er alle derartigen Beobachtungen als Musik- phantome ansprechen will. Synopsien und Musikphantome sind vielmehr ganz incommensurable Grössen. Der zweite Theil des Werkes handelt zum weit über- wiegenden Theil von Schlummerphantomen, also Traumerschei- nungen im Schlaf und Halbschlaf, und ihrer Zurückführung auf Erlebnisse und Eindrücke vergangener Zeit. Der Theil ist ent- schieden sehr interessant, aber es ist nicht recht ersichtlich, wie diese Abschnitte in die Abhandlung über Musikphantome hinein- gehören. Ruths wird als nächstes Werk eine Analyse der Traum- phänomene veröffentlichen; hier wären jene Abschnitte am Platze gewesen, und wir behalten uns gern vor, nach dem Erscheinen dieses zweiten Werkes nochmals eingehend auf die Traumphänome zurückzukommen. Auch der dritte Theil schliesst sich nur zum kleineren Theil an das eigentliche Thema an; es hätte zum Vortheil des Werkes gedient, wenn die vielen, überflüssigen, anderweitigen Betrachtungen fortgefallen wären. Ganz entschieden entgegentreten müssen wir aber der seltsamen Anschauung des Verfassers, dass zahlreiche altgriechische Mythen und Sagen auf Musik- und Schlummerphantome zurückzuführen seien. Ruths neigt schon in manchmal bedenklicher Weise dazu, die Bedeutung der Musik- und Schlummerphantome und des von ihm aufgefundenen Pro- *) Vgl. „Naturw. Wochensehr.“ vom 4. März 1894, 3. Februar 1895 und 12. April 1896. gressions-*) und Substitutionsgesetzes beträchtlich zu überschätzen; wenn er aber gar z. B. die Orpheus-Sage dadurch erklären will, dass die Griechen bei den Tönen der Musik in Phantomen Felsen und Bäume sich bewegen, Thiere des Waldes, Vögel und Fische sich um den Sänger schaaren sahen und nun „veritable Wahrnehmungen“ vor sich zu haben glaubten (!) (S. 255), wenn er folgenden San des Alcaeus als Schilderung von Musikphantomen auffasst (S. 421/22): „Es singen die Nachtigallen dem Gotte Apollo entgegen und die Schwalben und die Cicaden, alle nicht ihr eigenes Lied, sondern von Apollo begeistert. Und auch die Flüsse fühlen seine Nähe und die Kastalia strömt mit silbernen Strömungen, und der Kephissus rauscht in höheren Wogen“, wenn er in ähnlicher, meist sehr gewagter Weise die Entstehung der griechischen Götter- und Heldensagen fast ausnahmslos auf Schlummerphänomene zurückführen will, so erscheinen uns doch derartige Erklärungen nieht nur absolut unhaltbar (aus psycho- logischen Gründen), sondern auch — offen gesagt! — ungeheuer geschmacklos. Wie kann man nur an die herrlichsten Produete genialer Volkspoesie und schönheitdurchglühter Phantasie einen so kleinlichen Maassstab anlegen wollen! Wenn Ruths erklärt: „Wir erheben den Prioritätsanspruch für die Anschauung, dass Mythen und Sagen ihre Hauptwurzeln in den oft erwähnten, besonderen Gehirnprocessen haben“ (S. 443), so wird ihm wahrhaftig Niemand diesen Anspruch streitig machen noch ihn drum beneiden. Also, wie gesagt, weniger wäre mehr gewesen: der dritte oder vierte Theil des Gebotenen hätte das Thema vollauf er- schöpft. Uebrigens tritt die Bedeutung des Progressionsgesetzes, das ja doch der rothe Faden in allen Ruths’schen Untersuchungen sein soll, bei Behandlung der Musikphantome gar zu sehr in den Hintergrund. Das Buch bietet entschieden viel Beachtenswerthes und Interessantes, doch möchten wir glauben, dass Ruths’ vor- bereitete Untersuchung über Traumphänomene werthvoller sein wird, als dieses Werk, dessen Bedeutung doch nicht im richtigen Verhältniss zu seinem Umfang steht. Wir hoffen aber jedenfalls noch einmal eingehend auf Ruths zurückzukommen. H. Dr. Woldemar Voigt, o. ö. Professor der Physik an der Uni- versität Göttingen, Die fundamentalen physikalischen Eigen- schaften der Krystalle in elementarer Darstellung. Mit 52 Figuren im Text. Leipzig, Verlag von Veit & Co., 1898. 8. 243 Seiten. — 5 Mk. Das Werk ist aus Vorträgen hervorgegangen, welche der Verfasser den Theilnehmern des Ostern 1897 abgehaltenen Ferien- eursus für Oberlehrer gehalten hat. Ihr Inhalt ist hier — in durch- gehends erweiterter Form — zu einer systematischen Darstellung der fundamentalen physikalischen Eigenschaften der Krystalle zusammengefasst worden. Nach einleitenden Bemerkungen über die physikalische Symmetrie krystallisirter Materie und die physikalischen Eigen- schaften als Wechselbeziehungen zwischen zwei Zuständen der Materie, finden die Erscheinung der Pyroelektrieität, thermischen Deformation, di@lektrischen Influenzirung, para- und diamagne- tischen Influenzirung, Electrieitätsleitung, Wärmeleitung, thermo- elektrischen und elektrothermischen Erregung, Piözoelektrieität, elektrische Deformation und Elastieität eine verschiedene, aus- führliche Behandlung, die sich im Allgemeinen nach der Bedeutung der Erscheinung richtet. Auch auf physikalische Eigenschaften höherer Ordnung und besonders solche, deren Gesetze bisher noch nicht erschlossen sind, wird hingewiesen. In einer Reihe von Zu- sätzen theils krystallographischen, theils mathematisch-physika- lischen Inhalts finden bestimmte Punkte nähere Erörterung, deren Behandlung mit Rücksicht auf den Zusammenhang des Haupt- theils zugleich mit der Litteratur hierher verlegt wurde. Die Gruppirung der dargestellten physikalischen Eigen- schaften der Krystalle erfolgte nach den Zuständen der Materie, deren Wechselbeziehungen die betreffende Eigenschaft bedingt. Diese Zustände sind als scalare, veetorielle und — mit einer neu- eingeführten Bezeichnung — tensorielle unterschieden worden. In elementarer Form, meist mit Hilfe einfacher geometrischer Ueberlegungen, völlig ohne höhere Rechnungsarten, wird alles Wesentliche dargestellt; hierin sehe ich neben der Beschränkung auf solche Eigenschaften, die bei homogener Veränderung des Krystalls hervortreten, und der ansprechenden, klaren Darstellungs- weise einen grossen Vorzug des Werkes, der es besonders auch den Mineralogen, welche nicht ausgebildete Mathematiker sein können, besonders angenehm macht. Aus der obigen Inhaltsangabe ersieht man, dass Verfasser die Behandlung der optischen Eigenschaften der Krystalle ausge- *) Eigentlich ist dies Progressionsgesetz wohl für Niemand gerade überraschend: dass die Verarbeitung von Eindrücken im Gehirn in progressiver Weise vor sich gehen muss, ist zwar von R. vielleicht zum ersten Male in präciser Form ausgesprochen, aber erscheint nicht gerade neu. XII. Nr. 19. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 223 7 schlossen hat. Auch hierfür giebt er in dem Vorworte seine Gründe an. Gerade gegenüber der eingehenden theoretischen Durch- arbeitung und Verfeinerung der Beobachtungsmethoden der Krystalloptik will er darauf hinweisen, dass die übrigen Gebiete der Kıystallphysik jener an Bedeutung sicher nahe kommen. Er hat damit völlig Recht; sie bieten des Interessanten und auch für den Mineralogen praktisch Wichtigen genug. Nicht nur dem weiteren Kreisen der Physiker, für die das Buch wohl hauptsächlich bestimmt ist, sondern ebenso sehr dem Mine- ralogen bietet es ein geschätztes Hilfsmittel, dessen Studium an- gelegentlich zu empfehlen ist. Mit Recht darf der Verfasser von seinem Werk annehmen, dass es den Zugang zu dem reichen und schönen Gebiet der Kıystallphysik erleichtert und ihr Studium fördern wird. S. P. Gerald Sanford, Chimiste conseil de la Cotton Powder Com- pany Limited; Ancien Chimiste attach& & la manufacture de eoton-poudre de Stowmarket et ä la fabrique de dynamite de Hayle, Cornwall, Explosifs nitres. Traite pratigue concernant les proprietes, la fabrication et l’analyse des substances or- ganiques explosibles nitrees, y compris les fulminates, les poudres sans fumee et le celluloid. Traduit, revu et augmente par J. Daniel, Ingenieur des Arts et Manufactures, Ancien Direec- teur de la Compagnie des Explosifs „Seeurite*. Um volume in-8, avec 43 Figures. Librairie Gauthier-Villars et fils. Paris 1898. — Preis 6 fr. In französischer Uebersetzung von Daniel liegt nunmehr das Sandford’sche Werk über die nitrirten Explosivstoffe vor. Es ist jedoch nicht nur eine Uebersetzung des in weiten Kreisen geschätzten englischen Buches, sondern eine durch lang- jährige eigene Erfahrungen bereicherte und vervollkommnete Ar- beit, welche uns Daniel bietet und das Werk daher besonders werthvoll erscheinen lässt. Wer sich über das Gebiet der Explosiv- stoffe orientiren will, sei es aus Interesse für diesen Gegenstand, sei es, um Anleitung und Winke für die Praxis zu erhalten, der wird das Daniel’sche Buch nicht ausser Acht lassen dürfen. Das erste Capitel des Buches handelt von der Anlage der für die Herstellung von Explosivstoffen in Frankreich benutzten Gebäude, das zweite Capitel macht uns mit der Darstellung, den Eigenschaften und der Verwendung des Nitroglycerins bekannt, während das nachfolgende Capitel die Compositionen, zu welchen das Nitroglycerin, angewendet wird, besonders den Dynamit be- handelt. Sehr werthvoll sind gerade in diesem Capitel die Ab- bildungen der. Apparatur, für die Herstellung dieser Gruppe von Explosivkörpern. In dem Capitel 4 finden sich Nitrocellulose, Nitrostärke, Nitrojute und Nitromannit in grosser Ausführlichkeit erörtert, und hieran schliesst sich im Capitel 5 eine Besprechung der Nitroverbindungen der aromatischen Reihe. Von grösstem Interesse ist die in Capitel 6 abgehandelte Fabrication der rauch- losen Pulver. Die nächstfolgenden Capitel geben eine brauchbare Andeutung zur Analyse der Explosivstoffe, Angaben über den Entflammungspunkt und über die Explosionswirkung derselben, während ein Schlusscapitel eine grössere Anzahl von Vorschriften für die Herstellung von Explosivstoffen enthält. Aus dieser kurzen Inhaltsangabe mag ein Schluss auf die Reichhaltigkeit und Vielseitigkeit des Daniel’schen Werkes ge- zogen werden. Wenn noch hinzugefügt wird, dass die Diction des Buches eine leicht verständliche und fliessende ist, so dürfte damit dem Werke die Empfehlung gezollt sein, welche es verdient. Thoms. Dölp, weil. Prof. Dr. H., Aufgaben zur Differential- und Integral- rechnung, nebst den Resultaten und der zur Lösung nöthigen theoretischen Erläuterungen. Giessen. — 4 M. Foerster, W. und E Blenck, Dirr., Populäre Mittheilungen zum astronomischen und chronologischen Theile des preussischen Normalkalenders für 1899. Berlin. — IM. Karte des deutschen Reiches, 1: 100000. Abth. Königr. Preussen. 296. Frankfurt a./O. — 346. Grünberg in Schlesien. — 380. Iserlohn. — 455. Eupen. — 556. Euskirchen. Berlin. — & 1,50 M. — topographische, des Königr. Sachsen. 1:25000. 7. Klein- trebnitz. — 30. Döbeln. — 31. Strauchitz. — 37. Kloster St. Marien- stern. — 39. Baruth m. Surplus Feldkaiser. — 147. Wiesenthal. Leipzig. — & 1,50 M. Mackay, John Henry, Max Stirner, sein Leben und sein Werk. Berlin. — 7,50 M. Messtischblätter des preussischen Staates. 1585. Rütenbrock. — 1726. Emlichheim. — 1727. Hesepertwist. — 1799. Wietmarschen. — 1878. Lemförde. — 1882. Schlüsselburg. — 1883. Rehburg. — 1886. Isernhagen. — 1940. Salzbergen. — 1942. Mettingen. — 1956. Hoimar. — 1957. Peine. — 2021. Pattensen. — 2072. Alstätte. — 2153. Aerzen. — 2224. Ottenstein. (In Braunschweig.) — 2297. Holzminden. — 2373. Lauenberg. — 2442. Willebadessen. Berlin. — A 1M. f Mez, Prof. Dr. C., Mikroskopische Wasseranalyse. Anleitung zur Untersuchung des Wassers mit besonderer Berücksichtigung von Trink- und Abwasser. Berlin. — 21,60 M. j Nansen, Fridtjof, In Nacht und Eis. Neue Ausgabe. — Leipzig. 20 M. Ruge, Prof. Dr. S., Die Entdeckung des Seeweges nach Ostindien durch Vasco da Gama 1497/S. Dresden. — 1,50 M. Briefkasten. Herrn A. in H. Auf Ihre Anfrage: Haben sich die Östgothen nach der letzien Niederlage des Tejas irgendwo gesondert erhalten oder haben sie sich mit anderen Völkern vermischt und mit welchen? ist zu ant- worten: Ueber das Schicksal der letzten Ostgothen lässt sich nach den Quellen Folgendes feststellen: Schon zur Zeit des Kaisers Glycerius (473) war Widimir, Bruderssohn Theodorichs, mit einem Heere zu den Westgothen nach Gallien und Spanien gezogen. Diese Ostgothen verschmolzen völlig mit ihren Stammesverwandten und theilten deren Geschieke. Nach der Schlacht am Vesuv und dem Heldentod des Königs Tejas folgte Narses dem Rathe des Johannes und „stellte den Muth der Verzweiflung“ nicht auf die Probe, sondern gestattete den Ueberlebenden gegen das Ver- sprechen, nicht mehr gegen Rom fechten zu wollen, mit Waffen und all ihrer Habe freien Abzug aus Italien. Ehe aber der Ver- trag geschlossen war, brachen 1000 Gothen unter Indulf durch und zogen sich auf ihre Burgen in Oberitalien zurück. Die Uebrigen beschworen den Vertrag (Prokop, Gothenkrieg IV. 55). Nach Agathias (Il) scheint der Vertrag so gelautet zu haben, dass die Gothen nieht ganz Italien verlassen, sondern sich nur auf das nördliche Poufer zurückziehen mussten. Sie gaben aber die Hoffnung auf Wiederherstellung des ruhmreichen Gothenreichs nicht auf und suchten Hilfe bei den Franken. Die Alamannen- herzöge Lentharis und Buzzelin (Burkhard), zwei Brüder, rückten auch mit einem starken Heere von Franken und Alamannen in Italien ein. Sofort erhoben sich fast alle Gothen, auch solche, die den Vertrag beschworen hatten, ein solches in der Noth ge- gebenes Versprechen aber nicht für bindend erachten mochten, unter dem Grafen Widin und dem tapferen Regnaris und machten mit den Franken gemeinschaftliche Sache. Die Festung Cinnae hatte Aligern, der tapfere Bruder des gefallenen Königs, mit dem Kronschatz gehalten und heldenmüthig vertheidigt. Da er aber, wahrscheinlich nicht mit Unrecht, argwöhnte, die Franken würden als Sieger Italien für sich behalten, und an der Herstellung des gothischen Königthums verzweifelte, übergab er die Burg und be- schloss, „als Römer zu leben“. und trat unter Narses’ Fahnen. Das fränkisch-alamannische Heer wurde theils durch Seuchen, theils durch das Schwert vernichtet; in der letzten, mörderischen Schlacht kämpfte Aligern schon auf Seite der Römer. Nun er- gab sich auch Ragnaris, der sich in Campsae eingeschlossen hatte. Seine 7000 Gothen wurden nach Byzanz geschickt (Agath. II 13), ebenso Graf Widin (Paul. Gert. Langob. II2). Ihnen wird woh: auch der später nicht mehr erwähnte Aligern mit seinen Mannen gefolgt sein. Aehnlich wie die kriegsgefangenen Vandalen, aus denen für den Krieg gegen die Perser fünf Reiterregimenter ge- bildet wurden*), werden auch die nach Konstantinopel verbrachten Östgothen in kaiserliche Kriegsdienste getreten sein und nach wechselvollem Heldenleben den Schlachtentod gefunden haben. Möglich, dass einzelne Gothen auf ihren Burgen in Öberitalien oder den Alpenländern zurückgeblieben sind; sie werden beim Ein- fall der Longobarden im Kampfe gegen diese gefallen oder in deren Adel aufgegangeu sein. Andere mögen sich den Westgothen oder den benachbarten Burgunden, Alamannen oder Bajowaren ange- schlossen haben. Das Volksthum der Ostgothen hat sich nirgends erhalten, vielleicht aber ihr Name in der Gottschee (Gotisca murca?); die Bewohner (Godescani) dieser deutschen Sprachinsel aber sind, wie ihre Mundart zeigt, jedenfalls meist Nachkommen späterer baiovarischer Einwanderer. Die mehrfach dichterisch, z. B. in Dahn’s „Kampf um Rom“, behandelte Rückwanderung der letzten Gothen nach Skandinavien ist ungeschichtlich und stammt aus einer spätmittelalterlichen Schrift des Nicol. Petreius, Cimbrorum et Gothorum origines. Er lässt die Ueberbleibsel des Gothenheeres in Gothlandiam et primaevos sedes zurückkehren. Dr. Ludw. Wilser. #) Prokop, Vandalenkrieg II 14. Inhalt: H. Potonie: Restaurirte vorweltliche Pflanzen. — Ueber den Bau der Haare in seiner Bedeutung für die gerichtliche Mediein. — Palaemon Fabrieii. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. Ch. Ruths, Inductive Untersuchungen über die Fundamentalgesetze der psychischen Phänomene. — Dr. Woldemar Voigt, Die fundamentalen physikalischen Eigen- schaften der Krystalle in elementarer Darstellung. — P. Gerald Sanford, Explosifs nitres. — Liste. — Briefkasten. 224 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 19. ks giebt kein Fahrrad das auf Grund Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! = | Neues Princip für Massenbetheiligun „Grosse Vortheile! an industriellen Unternehmungen. g = Neuheiten - Vertrieb. — Neu aufgenommen; Durchführung des Buttenstedt- iner itä »iner i iti enkinesciniies | —, seine Qualität und seiner gleichzeitigen 9 (von zwanzig an Gelehrten 2 Eigenschaften: unterstützt) und 5 . .. . . Errichtung einer Versuchs- | Leichtester Lauf x Grösste Zuverlässigkeit station für Flugzwecke. Internationaler Verein zur rationellen Ö 1 Verwerthung von Erfindungs-Patenten. Schönheit der Formen Eingetragene Genossenschaft mit be- schränkter Haftpflicht. sich soleher allgemeinen Anerkennung erfreut Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, participirt am Reingewinn und /L(£ erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabrieirten Artikel. wie das er A 3 u) der Kein Risiko! Soeben erschienen: PATENTBUREAU Antiquariats-Gataloge | Adler Fahrradwerke vorm. Heinrich Kleyer, Frankfurt a. M. Ulrich R. Maerz . n 2 Ka ME Spezial-Fabrik für Fahrräder mit über 1300 Arbeitern. idtlei i r.57: Länder- u.Völkerkde. Reisen. bh LE SshEm BA ok SE mUCIBE IR, Ingenir Auf Verlangen gratis u. franko. Jahres-Produetion über 35 000 Fahrräder. Gegrün are: Gilhofer u. Ranschburg, Filialen gleicher Firma: Berlin, Hamburg, Köln, Hannover, Kopenhagen. Patent- Marken -u: Musterschutz Antiquariat, Wien I, Bognergasse 2. Vertreter im In- und Auslande. Ferd. Diimmlers Derlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerfr. 94. Botanisir -Büchsen, -Spaten und -Stöcke r Lupen, Pflanzenpressen Der Menfchheitslehrer, mir ee Mehr M. EEE M. se 5 ” r x f zum Umhängen M. 4,50, mit Druckfedern Ein Lebensbild des Weijen von Nazareth. Me See I an Friedr. Ganzenmüller - F . in Nürnberg. George Paul Sylveiter Gabanis. u 300 Seiten Oftav. Preis geh. 3 4, elegant geb. 4 AM. Eine dramatifche Schilderung des Lebens Jeju, die jowohl durd) ihre edle, forn- rollendete Sprache wie Die hohe Auffaffung der Geftalt und Lehre des Weifen bon Nazareib fich als eine bervorragende Erjiheinung befumdet und auf jeden Lefer eine große Wirfung ausüben wird. Der neninle Menfd;. Eoeben erichienen: 5 Bon bester und Hermann Türd. y% bewährter Dritte ftark vermehrte Auflage. - wuchn, Snbalt: I. Künftleriiches Genichen und Schaffen des geninlen Menfchen. IT. Philo” R Construction: ; jopbijches Streben. III. Braktifches Verhalten. Gott und Welt. IV. Shafejpenres 3 : : Hamlet. V. Goethes Fauft- VI. Byrend Manfred. VII. Schopenhauer und : Gebrauchte Spinoza., VII. Chriftus und Bupdoha. IX. Alerander, Cäfav, Napoleon. X. Darwin und Lombrojo. XI. Stirner, Nießiche und Shfen. XI. Ecylub- betrachtung. 390 Seiten gr. 8°. Preis geb. 4,50 1, eleg. geb. 5,60 A. G a S 0 t Ö r e n Don der Kritik ift das Bud außerordentlic gerühmt worden. Das „Lite- 4 ® : ; " rariiche Gentralblatt” bat 3. B. die Efjays des Berfaffers über Shafejpeare und Goethe DAM PF und DYNAM O ald zum Beiten gebörend bezeichnet, was über dieje geichrieben worden ilt. ! MASCHINEN —— Zu beziehen durdkjede Buchhandlung. garäntirt betriebsfähig 0090900006008080808080088 in.allen ‘Grössen. sofort lielerbar. Dünnschliff-Sammlungen IRRE Eicktromotor,c.n... für praktische mikroskopische Uebungen. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandl. | | DyENE Ze rEe12 2 WAZ Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller wichtigen oo..„usu..so ° Ze Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. Rosenbusch Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. „Mikroskopische Physiographie der massiven Gesteine“ Stutt- Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. gart 1896. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste gedruckte Beschreibung, derart, dass der Lernende die einzelnen Max Steckelmann, Gemengtheile der Gesteine makroskopisch und mikroskopisch A dr erkennen und bestimmen kann. Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Sammlungen von je 120, 180 und 250 Dünnschliffen in elegantem Etui je Mk. 150, Mk. 225, bez. Mk. 325. Photo:7?rhische Stativ- und Hand- Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen Handstücken. are (Format 811, € 11 cm.) fe Mk. 250, Mk. 390, bez, Mk. 575. „ Cameras. Gediegene Ausstattung. Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer genauen | SE” Sämmtliche Bedarfsartikel. ME mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate | i r 3, und für die richtige Auswahl von charakteristischem Material | Spec. : Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera ‚„Vietoria“ (D.R.P.) garantirt werden kann. Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Dr. F. Krantz, Rheinisches Mineralien-Contor. Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. | Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges ). Geschäftsgründung 1833. Bonn a./Rh. Geschäftsgründung 1833. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ERIE up Redaktion: a Rn RE Was die naturwissenschaftliche Forschung „ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- den Gebilden der Phantasie, wırd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichkeit, derihre gW Schöpfungen schmückt. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. Sonntag, den 15. Mai 1898. Nr. 20. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Bringegeld bei der Post 15 „9 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Der Vierteljahrspreis ist HM 4— & J Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Die Bataker. Von Dr. E. Fürst. Im Herzen von Sumatra streckt sich südlich von At- sehin «das Land der Bataker aus, dessen halb wilde Be- völkerung dem Ethnologen manches Interessante bietet. Nominell sind die Bataker der holländischen Regierung unterworfen; obschon dies in Wirklichkeit noch nicht der Fall ist, so wird es doch sehr bald dazu kommen, denn die Regierung breitet sich immer mehr im Lande aus, so dass dem gegenwärtigen Zustand nur noch eine kurze Reihe von Jahren gegönnt ist. Die unterworfenen Bataker bieten wenig Interessantes; durch die europäische Cultur haben sie ihre charakteristischen Eigenschaften verloren; der noch freie Theil dieses Volkes ist jedoch einer Be- trachtung werth. Die Bataker gehören zur malayischen Rasse; die Bevölkerungszahl der noch unabhängigen Batakländer kann man selbst nicht ungefähr angeben. Ursprünglich bewohnten sie nach der Ueberlieferung das Plateau von Toba. Wie, wann und woher sie dahin kamen, ist unbe- kannt; man darf wohl annehmen, dass sie sich schon im Verlaufe des zwölften Jahrhunderts nach Süden zu ausbreiteten. — Ihr Charakter bietet sonderbare Wider- sprüche, und ihre Cultur steht auf einer sehr eigen- artigen Stufe, welehe, wenn sie auch nieht mit der irgend eines europäischen Volkes verglichen werden kann, doch nicht niedrig genannt werden darf. In der verdienstvollen Arbeit von Dr. De Hollander werden sie auf vortreffliche Weise geschildert. Unter ihren Tugenden nimmt ihre grosse Gastfreiheit die erste Stelle ein; in dieser be- steht ihre erste Pflicht; ferner sind sie ihren Eltern sehr anhänglich und sind grosse Kinderfreunde, nieht nur ihre eigenen Kinder betreffend, sondern auch die ihrer Fa- milienmitglieder. Im Allgemeinen haben sie eine fröhliche Natur, sind gesellig in ihrem Umgang, oberflächlich, neu- gıerig, äusserst abergläubisch, gierig im Essen und grosse Trinker. Eitelkeit und Habsucht sind zwei Eigenschaften, welche sie oft zum Bösen verleiten, aber obschon sie sehr misstrauisch, unaufriehtig und verschlossen sind, werden sie offenherzig und kann man auf ihr Wort bauen, wenn man ihr Vertrauen errungen hat. Die Männer sind äusserst faul, und nur grosse Noth bringt sie] zu geregelter Arbeit, die Frauen sind sehr eifrig und arbeitsam, bei beiden Geschlechtern lässt die Reinlichkeit sehr viel zu wünschen übrig. Sehr entwickelt ist bei ihnen das red- nerische Talent, dies ist vor allem bemerkbar bei dem in öffentlichen Versammlungen. stattfindenden Behandeln von Differenzen; sie halten dabei endlose Reden, trachten die Sachen so viel wie möglich zu verwickeln und nehmen es nicht genau mit der Wahrheit, wenn ihnen dies von Vortheil sein kann. Da sie von Natur sehr hitzig und aufbrausend sind, so ist bei ihnen die Lust immer gross, Differenzen mittels der Waffen zu begleichen. Neigung zu Fanatismus besitzt der Bataker nicht, doch wird es schwerfallen, eigensinnigere Menschen zu finden. Wo sie keinen Grund zum Hass haben, sind sie sanft und gefällig. Von der Hindu-Religion, welche, wie Ruinen be- weisen, in früheren Jahrhunderten in den südlichen Batak- ländern herrschte, findet man jetzt noch mannigfache Spuren in ihrer Religion zurück. Der Islam beginnt, ebenso wie das Christenthum ‚manche Anhänger zu be- kommen, doch sind die Umwohner des Tobasees noch fast alle Heiden. Wenn auch in den verschiedenen Strichen die Gottesdienstbegriffe. sehr von einander abweichen, so vereinigen sie sich doch wieder in einem geradezu unbe- greiflichen Aberglauben. Die Bataker glauben an eine Unzahl von Göttern und Geistern, sowohl überirdische und unterirdische, als auch solche, welche auf Erden die verschiedensten Gegenstände bewohnen. Den höchsten Rang unter. den Göttern bekleiden die Debatas, von welehen Batara Guru, Sori Pada und Bala Bulan die hauptsächliehsten sind... Von den als Götter verehrten 226 Wesen, welche auf Erden wohnen, ist der bauptsäch- lichste Si Singa Manga Radja, der Fürst von Bakara am Tobasee, eine Art von Priesterkönig, an welchen man Gebete richtet für eine glückliche Ernte, und welcher überall Stellvertreter zur Ueberbringung seiner Befehle hat. Fermer sind noch zu nennen die Somboans oder Geister von früheren Königen, welche auf Bäumen und Felsen hausen, die Begus, welche Krankheiten verursachen, und die Sumangots, welche als gute bezw. böse Geister auftreten; die Verehrung der Seelen von verstorbenen Verwandten spielt auch eine grosse Rolle, besonders ist dies der Fall mit den Seelen von todtgebornen Kindern und von Säuglingen. Zu den unterirdischen Göttern gehören unter anderen Naga Padoka und Rangga Puri, deren erster Sumatra auf den Kopf trägt, und durch seine Bewegungen Erd- beben verursacht; ferner ist die ganze Natur voll von Göttern und Geistern, welehe sich in den verschiedensten Gestalten zeigen und meistens Feinde des Menschen sind; viel Ehre wird ihnen nicht erwiesen, Tempel giebt es nicht, auch keine eigentlichen Priester, sondern nur Wahr- sager und Geisterbeschwörer, welche bei allen Unter- nehmungen zu Rath gezogen werden und zugleich Medi- zinmänner sind. Ihr Hauptmittel gegen Krankheit ist Geisterbeschwörung, wozu sie sich eines weiblichen Me- diums bedienen. Die Kleidung, welche die Bataker überhaupt erst mit dem 7ten oder Sten Lebensjahre zu tragen anfangen, be- steht aus Baumwollstoffen, die sie zum Theil selbst weben, zum Theil importiren. Der gewöhnliche Mann umgürtet seine Lenden mit einem groben Lappen, die Frauen tragen oft einen über der Brust zugebundenen Rock, in manchen Gegenden lassen sie den Oberleib entblösst; doch fängt der Einfluss der Fremden an, sich auch in der Kleidung geltend zu machen, indem die Männer sich zum Tragen einer Hose bequemen und die Frauen die malayische Tracht anlegen. Aermere Leute verfertigen ihre Kleider noch meistens aus Baumrinde, welche durch Einweichen und Klopfen sehr weich und geschmeidig gemacht wird. Die Häupter tragen einen am Rande mit Korallen ver- zierten Shawl, das Unterscheidungszeichen ihrer Würde. Bei Männern und Frauen wird das Haar am Hinterkopf in einen Knoten zusammengebunden und mit einem Gras- büschel oder einigen Blättern verziert. Armbänder, welche aus Elfenbein geschnitzt oder aus einer grossen Muschel- schale geschliffen sind, werden nur von den Häuptlingen getragen; junge Mädchen tragen als Schmuck um Hals, Arme und Knöchel schwere Kupferringe, deren Anzahl nach ihrem Rang und ihrem Reichthum verschieden ist; auch haben sie oft Korallen oder Kupfer- oder Zinnringe in den Ohren. All dieser Putz wird jedoch abgelegt, so- bald sie sich verheirathen. — Als Waffen tragen die Ba- taker einen langen Säbel, den Rudus, ein Dolehmesser, den Sewa, Lanzen mit eisernen Spitzen, und Feuerstein- gewehre, welche sie von den Malayen bekommen, für die sie sich jedoch selbst Kugeln und Pulver auf sehr primi- tive Weise fabrieiren. Das Handhaben von Feuerwaffen verstehen sie nur sehr mangelhaft. Die Häuser stehen auf Pfählen 6 bis S Fuss über dem Grund, sind aus Holz oder Bambus gebaut und mit Gras bedeckt; sie bilden längliche Vierecke, deren Breite 12 Fuss, die Länge 20 beträgt. Die Seitenwände sind 5 Fuss hoch, das an allen Seiten weit hinausragende Dach läuft spitz zu und ist ziemlich hoch, eine inwendige Ein- theilung des Hauses giebt es nicht. Die einzige Oeffnung wird durch eine 4 Fuss hohe Thüre gebildet, zu welcher eine aus Baumästen bestehende Leiter führt. Der Raum unter dem Hause dient als Schweine-, Rinder- und Pferde- stall. Die Wohnungen der Häuptlinge sind grösser und Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 20. sehr gut gebaut, ganz aus Holz, in zwei Etagen, mit kunstvoll verzierten Balken und Säulen. Die Dörfer bestehen gewöhnlich aus zwei Reihen Häusern, welche dicht nebeneinander, mit der schmalen Seite nach der Strasse zugekehrt, stehen. Nur selten sind sie um einen viereckigen Platz hingebaut. Jedes Dorf ist umgeben von einem 6—7 Fuss hohen Erdwall, welcher mit Pallisaden versehen ist und nur zwei Oeffnungen hat, an beiden Enden der Strasse. Ausser den Wohnhäusern findet man im Dorf noch Magazine zur Aufbewahrung des vorhandenen Reises, welche wie die Wohnhäuser aussehen, und Versammlungshäuser, welehe die Woh- nungen der Häuptlinge in Festigkeit und Schönheit über- treffen. Sie dienen zum Abhalten von allerlei Versamm- lungen, zum Beherbergen von Fremden, und zum Aufbe- wahren der heiligen Bücher, der Kriegsfahnen und der übrigen Kostbarkeiten des Dorfes. Das Hausgeräth besteht aus einigen irdenen Töpfen, ferner aus langen Bambusköchern, welche als Wasser- gefässe und als Trinkbeeher dienen, aus geflochtenen Bambuskörben, aus einem ausgehöhlten Holzblock mit Stampfer, um den Reis von seiner Hülle zu befreien, und aus einigen Messern. Zur Beleuchtung gebraucht man meistens Fackeln, die entweder aus harzreichem Holz be- stehen, oder aus einem mit Harz gefülltem Stück Bambus. In einzelnen Gegenden gebraucht man eine Lampe, welche aus einer halben, mit Oel gefüllten Cocosnussschale be- steht, auf welcher ein Docht schwimmt. Löffel, Teller, Kissen, Stühle, Bänke, Betten und alle übrigen Möbel sind ganz unbekannt. Die gewöhnlichen Speisen sind Reis, Mais und Erd- früchte; Salz wurde früher nicht gebraucht, dagegen desto mehr spanischer Pfeffer. Gegenwärtig wird es auf jedem Markt verkauft. Fisch und Fleisch von jedem Thier wird gegessen, aber meistens nur bei festlichen Gelegenheiten. Gewöhnlich trinken die Bataker nur Wasser und Palm- wein, wenn sie jedoch Schnaps bekommen können, ist ihnen dieser sehr willkommen. Die Mahlzeiten werden morgens um 8 Uhr und abends um 6 Uhr abgehalten. Im nördlichen Theil der Batakländer wird jegliche Arbeit, auch die auf dem Felde, durch Frauen ausgeführt, während sich die Männer die Zeit vertreiben mit Tabak- rauchen aus langen, kupfernen Pfeifen, deren Grösse und Gewicht den Rang und den Reiehthum des Besitzers an- deuten, mit Hahnenkämpfen, Hazardspielen und Opium- rauchen. In den südlichen Gegenden besorgt die Frau lediglich die Haushaltung, und die Feldarbeit ist Aufgabe des Mannes. Das Weben und Färben der Baumwolle zur Kleidung wird durch Frauen besorgt. Nach 4 Uhr nach- mittags wird nichts mehr gearbeitet, sondern der Rest des Tages wird im Hause verbracht, mit dem Erzählen von allerlei Geschichten, bei welchen Götter und Geister die Hauptrolle spielen. Jedes Dorf bildet eine selbstständige, völlig unab- hängige Gemeinde, die durch einen Radja oder Häuptling verwaltet wird, dessen Würde in der männlichen Linie erblich ist; doch hat seine Macht in Friedenszeit wenig zu bedeuten; in allen Dingen wird die ganze männliche Bevölkerung des Dorfes zu Rathe gezogen und, falls dieses versäumet ist, so kümmert sich Niemand um die Befehle des Radjas. Sobald dieser sich willkürliche Handlungen gegen seine Unterthanen erlaubt, verlassen diese einfach das Dorf, und stellen sich unter den Schutz eines benachbarten Radjas, woraus dann oft ein Krieg entsteht. Im Kriege ist der Radja Oberbefehlshaber, und seine Befehle werden streng ausgeführt; oft vereinigen sich auch mehrere Dörfer und wählen einen ihrer Radjas als Anführer im Streit gegen den gemeinschaftlichen Feind. Soleh ein Anführer behält, wenn auch nur nomi- XIII. Nr. 20. nell, eine gewisse Suprematie nach dem Friedensschluss in den verbundenen Dörfern. In früheren Jahrhunderten scheint unter dem Einfluss der Hindus eine priesterliche Monarchie bestanden zu haben, von der man jedoch nur noch sehr schwache Ueberreste findet. Die Rechte und Pflichten der Radjas sind durch die Adat, die alt hergebrachte von den Vorvätern ererbte Sitte, bestimmt. Sie haben kein festes Einkommen, doch finden sie ihren Lebensunterhalt im Viehhandel und im Ertrag ihrer Felder, welche theils umsonst durch ihre Unterthanen, theils durch Sklaven bearbeitet werden. Von ihren Dorfsgenossen unterscheiden sie sich nur durch äusserlichen Schmuck; im Uebrigen leben sie mit den- selben auf vollkommen gleichem Fuss. Sie werden als Eigenthümer eines zum Dorfes gehörenden Grundstückes betrachtet, welches sie den Einwohnern theilweise zum Gebrauchen ablassen, gegen eine geringe Vergütung, in Naturalien oder in persönlichen Diensten bestehend. Von diesem Grundstück dürfen sie jedoch nichts verkaufen, sondern sie müssen es ungeschmälert ihren Erben nach- lassen. Die Rechtsprache geschieht durch die gesammte männliche Bevölkerung und den Radja, im Versammlungs- haus, nach den überlieferten Gesetzen. Da in diesen je- doch bei Weitem nicht alle möglichen Rechtsfälle vorge- sehen sind, so lassen sie einen weiten Raum offen für willkürliche Urtheile.. Die Strafen bestehen aus Geld- bussen, bei Diebstahl, wenn das Gestohlene oder dessen Werth zurückgegeben wird, und aus der Todesstrafe, bei welcher in manchen Fällen der Missethäter gemeinschaft- lich verspeist wird; doch kann auch diese Strafe mit Geld oder Geldeswerth abgekauft werden. Die Geldbussen er- hält der beleidigte oder benachtheiligte Theil, ausserdem muss aber der Verurtheilte noch einen Büffel spendiren, welcher von der gesammten Bevölkerung verzehrt wird. Auf Mord steht die Todesstrafe, welehe von den nächsten Familienmitgliedern des Ermordeten vollzogen wird. Ehe- brecher, Landesverräther und Spione werden getödtet und gegessen, letzteres wiederfuhr früher auch den Fremden, welche, ohne dazu aufgefordert zu sein, ein Dorf betraten; sie wurden als Spione betrachtet; gegenwärtig scheint diese Gefahr, für Europäer wenigstens, nicht mehr zu be- stehen. Einen Feind, welcher mit den Waffen in der Hand gefangen wird, verspeist man lebendig, in diesem Falle ist kein Loskaufen möglich und demselben Gesetze ist der gewöhnliche Bataker unterworfen, welcher mit der Frau eines Radjas Ehebruch treibt. Ist der Thäter eines Vergehens unbekannt oder geflüchtet, so ist das Dorf, zu welchem er gehört, verantwortlich für die Busse. Bei Geburten werden kleine oder grössere Feste ab- gehalten; das Geben des Namens geschieht mit grosser Feierlichkeit. Ist das Kind einige Tage alt, so wird es unter Geleit von Blutsverwandten und Nachbarn zum nächsten Fluss gebracht und dort gebadet, indem der Vater den durch ihn erwählten Namen laut ausspricht. Der dazu bestimmte Tag muss von einem Wahrsager an- gewiesen werden. Nach Ablauf dieser Ceremonie kehrt der Aufzug nach Hause zurück und werden, je nach dem Rang und dem Vermögen der Eltern, einige Hühner, ein Schwein oder ein Büffel geschlachtet und den Gästen vor- gesetzt, danach wird im Versammlungshaus Musik ge- macht und getanzt. Etwa 14 Tage nach der Geburt bringt die Mutter das Kind zum Markt, um es da sehen zu lassen, und die ihr folgenden Verwandten bekommen Speise und Trank. Erst nach Ablauf dieser Festlichkeit wird das Kind mit dem Namen angeredet, den ihm der Vater gegeben hat. Kinderschulen giebt es nicht, und die Kunst des Lesens und Schreibens ist bei den Batakern nicht sehr verbreitet; nur die Kinder der Häuptlinge werden manch- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 227 mal darin unterrichtet, und der Lehrer erhält für seine Mühe ein Stück Kattun. Das Abfeilen der Zähne, welches früher allgemein stattfand, wird gegenwärtig mehr und mehr abgeschafft. Nur Frauen haben noch diese üble Gewohnheit. Mädchen heirathen mit 15 Jahren, Jünglinge mit 17 Jahren. Die Zustimmung der ersteren kommt garnicht in Betracht. Hochzeiten in dem eigenen Stamm sind streng verboten und werden als Blutschande betrachtet. Der Jüngling wendet sich an die Eltern des Mädchens und kauft von ihnen seine künftige Frau zu einem, zwischen 5—10 Büffeln variirenden Preis, ausserdem muss er, als Zeichen seiner reellen Absichten, den Eltern und der Braut Geschenke verehren. Sobald der Preis bezahlt ist hat der Jüngling das Recht, sich in die Wohnung seiner Frau zu begeben und mit ihr zusammen zu wohnen. Sonstige Ceremonien finden nicht statt; zum Schliessen einer Ehe sind weder Priester noch schriftliche Contraete nöthig, sie ist weiter nichts, als ein Kauf und Verkauf; Je nach seinem Vermögen spendirt der Bräutigam seinen Dorfgenossen ein kleineres oder grösseres Fest. Gewöhn- lich wohnt der junge Ehemann bei seinen Schwieger- eltern bis zur Geburt seines ersten Kindes, dann erst gründet er einen eigenen Herd und die Familie der Frau bestimmt, wieviel letztere in die Ehe mitbringt. Viel- weiberei ist gestattet, da jedoch die Frauen nicht billig sind, so können sich nur Häuptlinge diesen Luxus er- lauben; aber auch diese haben selten mehr als 4 oder 5 Frauen, welche alle gleiche Rechte besitzen. Ehescheidungen kommen selten vor, und auch nur bei der niedrigen Klasse. Wünscht der Mann zu scheiden, so schiekt er seine Frau einfach weg; geht dieser Wunsch jedoch von der Frau aus, so müssen ihre Eltern oder Verwandten ihren Kaufpreis zurückbezahlen, dem Mann als Schmerzensgeld ein Stück Kattun geben und die Dorfsgenossen mit einem Büffel regaliren. In beiden Fällen bleiben die Kinder beim Manne, wenn sie schon so alt sind, dass sie die Mutter entbehren können; stirbt der Mann, so wird die Frau das Eigenthum seines Bruders, oder, falls kein soleher vorhanden ist, seiner nächsten Verwandten. Stirbt die Frau, so muss ihre Fa- milie dem Wittwer eine andere Frau verschaffen oder die Hälfte des Kaufpreises zurückerstatten. Das Begräbniss eines angesehenen Häuptlings ge- schieht mit vielerlei Ceremonien. Sobald er gestorben ist, fangen seine Weiber, Verwandten, Bekannten an, fürchter- lich zu jammern. Für die von allen Seiten zuströmenden Leidtragenden wird ein Büffel geschlachtet. Dann wird durch den Sohn oder den nächsten Verwandten, auf einem kleinen Stück Grund, Reis ausgesät, und Arbeiter gehen in den Wald, um einen Baum zu fällen, aus dessen Stamm der Sarg verfertigt wird; darüber vergehen etwa 14 Tage, und während dieser Zeit liegt die Leiche im Hause auf einem Lager von feingestossenem Reis und wird täglich öfter mit Kampher bestreut. Ist die Kiste fertig, so wird der Verstorbene in seinen besten Kleidern und mit seinem ganzen Schmuck hinein gelegt, der Deckel darauf angebracht, und die Spalten werden mit Harz ver- schmiert, dann wird der Sarg auf einem Postament, in einem Winkel des Hauses deponirt. Wenn der am Sterbe- tage ausgesäete Reis reif geworden ist, also nach 5 bis 6 Monaten, wird ein Büffel geschlachtet, dessen Knochen manden Nachbarhäuptlingen sendet ; hierdurch werden diese zum Begräbniss eingeladen und jeder ist verpflichtet einen Büffel mitzubringen. An dem zum Begräbniss bestimmten Tage wird der Sarg vor das Haus gestellt und daneben in einer Reihe dievon den Häuptlingen mitgebrachten Büffel; die Verwandten des Verstorbenen spaziren 7 Mal um die- selben herum; danach zerschlägt die älteste der Wittwen 228 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 20. einen Teller mit gekochtem, am Sterbetage gepflanzten Reis auf dem Kopfe eines der Büffel, dies ist für die Frauen das Zeichen zum Anstimmen eines lauten Gejammers. Dann entfernen sie sich, um sich zu baden und zu schmücken, und nun gehen die Häuptlinge 7 Mal um die Büffel herum, wonach jeder dem Seinigen einen Lanzen- stich versetzt und das Thier durch die Umstehenden weiter abgeschlachtet wird. Während dieses geschieht und die Mahlzeit bereitet wird, trägt man unter Geleite der ganzen Bevölkerung den Sarg zum Grabe. Dort wird der Deckel geöffnet und der Sohn des Verstorbenen spricht: „Vater, nun siehst Du zum letzten Mal die Sonne, welche Du nıe wieder erblieken wirst.“ Darauf wird der Deckel wieder geschlossen und die Kiste in das Grab gesenkt und mit Erde bedeckt. Das ganze Gefolge kehrt fröhlich nach Hause, um sich an der aussergewöhnlich reichlichen Mahlzeit zu laben. — Es geschieht auch wohl, dass die Leichen 2 Jahre und länger über der Erde bleiben, wo- nach die Knochen gehörig gewaschen und mit den Ueber- resten inzwischen verstorbener Verwandten in eine neue Kiste gelegt und begraben werden. Stirbt ein gewöhnlicher Dorfbewohner, so wird die Leiche einfach in Tücher gewickelt und ohne weitere Ceremonien begraben. Die Begräbnissplätze sind gewöhnlich in der Nähe der Dörfer, da es jedoch Jedermann frei steht seine Todten zu begraben, wo er will, so trifft man auch viele Gräber ausserhalb dieser Plätze. Der Verstorbene wird durch seinen ältesten Sohn beerbt bezw. durch seinen nächsten männlichen Ver- wandten. Der Erbe ist verantwortlich für die Schulden des Verstorbenen; Töchter erben garnichts. Leibbürgen und Sklaven kommen bei den Batakern in grosser Anzahl vor, in manchen Gegenden wird selbst ein schwunghafter Sklavenhandel getrieben. Die Ursache der Sklaverei liegt theilweise in den vielen Bürgerkriegen, bei welchen Gefangene gemacht werden, theilweise darin, dass die meisten Strafen in Geldbussen bestehen oder für Geld abgekauft werden können. Ein Verurtheilter, der die ihm auferlegte Busse nicht bezahlen kann, oder Je- mand, der zu einer Unternehmung Geld nöthig hat, leiht die Summe von seinem Häuptling oder von einem anderen bemittelten Dorfbewohner. Beträgt die Summe den Werth eines Sklaven, etwa 150 Mark, so wird er sofort zum Eigenthum seines Gläubigers. Ist die Summe geringer, so hat er nur die Verpflichtung für seinen Gläubiger einige Arbeit zu verrichten, als Rente der geliehenen Summe. Wird die geliehene Summe innerhalb eines Jahres nicht zurückgezahlt, so verdoppelt sich dieselbe; nach dem zweiten Jahr vervierfacht sie sich, und so geht es weiter. Sobald die auf diese Weise anwachsende Schuld den Werth eines Sklaven erreicht hat, wird der Schuldner zum Eigenthum des Gläubigers. Dieser darf ihn nach Belieben zu sich nehmen oder verkaufen, und er ist seinem Herrn Gehorsam und Arbeit schuldig. Der Besitzer muss seine Sklaven kleiden und ernähren, und er darf sie nicht willkürlich strafen. Begeht ein Sklave einen Fehler, so wird über ihn, wie über einen freien Mann abgeurtheilt; wird ihm die Todesstrafe auferlegt, so kann er diese nieht abkaufen. Die Sklaven dürfen nicht an den öffentlichen Berathungen theilnehmen, übrigens aber unterscheiden sie sich nicht von den übrigen Dorfbewohnern, sie werden als Familienmitglieder ihres Herrn betrachtet und gut behandelt, darum trachten sie nur sehr selten zu entfliehen. Oft erwirbt sich ein Sklave etwas Vermögen und wird dadurch selbst Herr von an- deren Sklaven. Frauen und Mädchen werden von der Leibbürgschaft befreit, wenn jemand sie heirathen will und ihrem Herrn ihre Schuld bezahlt; diese Summe wird dann als Kauf- summe betrachtet. Das Essen von Menschenfleisch gehört nicht zu den täglichen Gebräuchen der Bataker, durch die Ueber- lieferung wird es jedoch als Strafe für manche Ver- breehen vorgeschrieben, und nur in den drei früher er- wähnten Fällen ist diese Strafe nicht abkäuflich. Das Schlachtopfer wird an einen Pfahl gebunden und durch den Beleidigten oder durch den Häuptling, der erst eine ausführliche Rede über das vergangene Verbrechen hält, mit Lanzenstichen getötet; darauf werden von den Zu- schauern Stücke von der Leiche abgeschnitten, auf vor- her angelegten Feuern geröstet und dann mit etwas Pfeffer verschlungen. Kriegsgefangene werden nicht erst getödtet, sondern sie sind schon theilweise verzehrt, bevor sie den Geist aufgeben. Diese abscheuliche Sitte scheint erst seit 200 oder 300 Jahren bei den Batakern zu herrschen und hat, nach der Ueberlieferung, folgenden Ursprung: Ein Häuptling hatte ein schweres Verbrechen begangen, und nach Jedermanns Ansicht musste er ge- straft werden, doch wollte Niemand die Verantwortung dafür auf sich nehmen. Schliesslich beschloss man ihn zu tödten, bestimmte aber, dass Jedermann ein Stückchen von ihm essen müsse, damit das ganze Volk Antheil nehme an der Ausübung der Strafe. Bei dieser Gelegenheit schmeckte den Leuten das Menschenfleisch so gut, dass sie beschlossen, künftig jeden zum Tode verurtheilten Verbrecher auf diese Weise zu behandeln. Die vielfachen Kriege und Feindlichkeiten zwischen zwei Dörfern entstehen oft wegen Schuldforderungen eines Dorfbewohners gegen Jemand aus einem anderen Dorfe. Im Allgemeinen verlaufen sie nieht sehr blutig; Waffenstillstände kommen viel vor, dadurch, dass Unbe- theiligte sich in die Sache einniischen und den Zwist bei- zulegen trachten. Solch ein Schiedsrichter erhält von beiden Parteien einen Ring oder ein Messer, zum Zeichen, dass sie den Waffenstillstand einhalten werden, so lange sie dieses Pfand nicht zurückerhalten haben. Kommt es nicht zu einem Vergleich, so verläuft der Krieg gewöhnlich auf folgende Weise: Wenn ein Schuldner nicht zur bestimmten Zeit bezahlt, und wenn sein Häupt- ling ihn dem Gläubiger, der gewöhnlich auch ein Häupt- ling ist, nicht ausliefert, so erfolgt die Kriegserklärung. Die geschädigte Partei schlachtet einen Büffel und ladet die befreundeten Nachbarhäuptlinge zur Mahlzeit ein; diejenigen, welche die Einladung annehmen, verpflichten sich dadurch, an dem Kriege theilzunehmen, oder we- nigstens dazu, -den Umgang mit dem feindlichen Dorfe abzubreehen, welches ebenfalls trachtet, Bundesgenossen zu erwerben. Das Dorf wird nun in Vertheidigungs- zustand gebracht, die Pallisaden werden verbessert oder erneuert, und auf den Wällen werden Wachen aufgestellt. Die Kriegsthaten beschränken sich anfangs darauf, Leute aus dem feindlichen Dorfe zu fangen, welche im Rath- haus angekettet werden, im Uebrigen aber keiner Miss- handlung; ausgesetzt sind, bis dass die eine Partei das Vieh der anderen raubt oder eine andere Gewaltthat be- geht. Dann werden einige Kriegsgefangene geschlachtet und gegessen, und jetzt erst beginnt der eigentliche Krieg, weleher gewöhnlich damit endet, dass eines der beiden Dörfer vernichtet und verbrannt wird und sämmtliche Einwohner, die sich nicht durch die Flucht retteten, zu Selaven gemacht werden. Die Batak’sche Musikkapelle heisst Gondang und besteht aus fünf Taganings, grossen, länglichen Trommeln, die mit Thierfellen überspannt sind und mit der Hand geschlagen werden, einer Flöte oder Senunei, den Hauptinstrument, welches die Melodie angiebt, und fünf Gongs. Die Melodien sind sehr eintönig und in sehr ge- X IM. ıNr2)20. ringer Anzahl bekannt; zur Musik wird fast immer ge- tanzt, und an den Tänzen nehmen sowohl Männer als Frauen theil; der Tanz der letzteren besteht jedoch nur aus spärlichen Verdrehungen der Hände und Füsse, woraus die Behauptung mancher Schriftsteller erklärlich ist, dass die Batakerfrauen nicht tanzen. Die Sprache der Bataker gehört zum grossen West- Malayischen Sprachenstamm und hat keine Aehnlichkeit mit der Sprache der Bewohner der östlichen Südseeinseln. Man trifft in ihr viele rein-malayische Bestandtheile an, und sie zerfällt in drei Hauptdialeete: den Toba’schen, den Dairischen und den Mandailingschen. Der Toba’sche zerfällt wieder in verschiedene Unterdialeete, welche ein- ander ziemlich unähnlich sind; die strenge Abscheidung zwischen den verschiedenen Stämmen scheint einen so grossen Einfluss auf ihre Sprache ausgeübt zu haben, dass die Be- wohner der einen Landschaft die Sprache der anderen nur schlecht oder gar nicht verstehen. Das batakische Alphabet besteht aus achtzehn Con- sonanten, welchen die Vocale durch besondere Zeichen zugefügt werden. Die Buchstaben werden auf Baumrinde eingeritzt oder mit Tinte und Rohrfed darauf geschrieben. Das Schreiben mit Tinte geschieht von links nach rechts, das Ritzen von unten nach oben. Die Litteratur beschränkt sich auf einige auf Baum- rinde geschriebene Werke: Beschreibungen von alten Ge- bräuchen, Religionslehre, Zauberformulare und Erzählungen von merkwürdigen Begebenheiten. Ausserdem besitzen sie noch Lieder, einzelne grössere Gedichte, Räthsel, deren Auflösung in Erzählungsform gegeben wird, und ziemlich schmutzige Geschichtcehen. Eine eigentliche Zeitrechnung besitzen sie nicht; ihr Jahr besteht aus zwölf Monaten von abwechselnd 29 und 350 Tagen. Jeder Monat besteht aus 4 Wochen und jede Woche aus 7 Tagen, welchen dann noch ein oder zwei Sehalttage hinzugefügt-werden. Meistens rechnen sie mit Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Maisernten; die Vertheilung des Tages in Stunden ist ihnen unbekannt, die Tageszeit wird nach dem Stand der Sonne bestimmt. In einzelnen Industriezweigen sind die Bataker sehr geschickt, sie fabrieiren ausgezeichnete blaue und rothe Farbstoffe aus Indigo und der Wurzel der Morinda eitri- folia, womit sie die von ihren Frauen gesponnenen und gewebten, baumwollenen Kleidungsstücke färben. Aus Elfenbein schneiden sie Armringe, die so rund und glatt sind, als ob sie gedrechselt wären; aus Kupfer machen sie /, —4 Fuss lange Tabakspfeifen, welche mehrere Pfund wiegen und in ihrer ganzen Länge mit Relieffiguren ver- zinkt sind. Ihre Geschicklichkeit in der Bearbeitung des Holzes zeigt sich hauptsächlich im reichen Schmuck der Balken und Säulen von Häuptlingshäusern und der Kriegs- fahnen, die aus einer Ebenholzart bestehen, fünf bis sieben Fuss lang und etwa 1!/, Fuss diek und von oben bis unten mit Schnitzereien verziert sind. Der oberste Theil einer Kriegsfahne stellt einen Menschenkopf vor, von welchem ein langer Zopf menschlichen Haares herab- hängt; sie dient auch als Zauberstab, zur Heilung von Krankheiten, zum Wettermachen u. s. w. In manchen Gegenden ist der Pflug bekannt, in anderen wird der Grund mit hölzernen Spitzhacken bearbeitet; in der Umgegend des Tobasees wird der Reisbau im Grossen betrieben. Der Mangel an guten Wegen und die durch die vielen Kriege bedingte Unsicherheit, erlauben dem in- ländischen Handel nicht, sich so zu entwickeln, wie er es könnte; der Handel mit dem Ausland beschränkt sich auf den Import von Kupferdraht, Glasperlen, Eisen und Baumwollstoffen, wogegen DBenzoö, Kampfer, Harz, Wachs, Elfenbein und Rohr exportirt werden. . Die Einverleibung eines grossen Theiles der Batakländer dureh die niederländische Regierung wird wohl mit der Zeit dazu beitragen, auch dort geordnetere Zustände zu schaffen. & Ueber die Energiden von Sachs im Lichte der Gewebelehre der Thiere äussert sich Albert Kölliker in den Verhandlungen der Physikalisch - medieinischen Gesellschaft zu Würzburg N. F. Bd. XXXI 1897. Ausgehend von der Thatsache, dass das Leben der Pflanze wesentlich an die Kerne und dass dieselben um- gebende Protoplasma im Innern der Pflanzenzellen gekettet ist, schlägt Sachs vor, je einen Kern und das zu demselben gehörende Protoplasma mit dem Namen Energide zu be- zeichnen, um mit dem Worte gleich auszudrücken, dass diese Theile die eigentlich activen Elemente der Pflanzen sind. Solche Energiden kommen im Pflanzenreiche theils als hüllenlose Gebilde vor, wie bei den Schwärmsporen, theils dicht umhüllt von einer Haut von Cellulose, wie in allen Vegetationspunkten. Und wenn auch später solche Zellen sich vergrössern und reichlichen Zellensaft in sich entwickeln, so bleibt doch der Kern und eine gewisse Menge Protoplasma um denselben herum das die Leistungen der Zellen Bestimmende. In anderen Fällen entwickeln solche grösser werdende Zellen viele, ja hunderte und tausende von Kernen in ihrem stetig an Menge zu- nehmenden Protoplasma, wie bei den Siphonocladiaceen nach Schmitz’s Entdeckung, bei den einzelligen Siphoneen (Codium, Caulerpa), bei Vaucheria u. a. mehr, und in solehen Zellen und einzelligen Pflanzen nimmt dann Sachs ebensoviele Energiden an, als Kerne in deren zusammen- hängendem Protoplasma sich finden. Die Würdigung solcher Fälle vor Allem scheint Sachs zu seiner Auf- stellung von Energiden veranlasst zu haben, denn bei dem gewöhnlichen Verhalten, wo eine Pflanzenzelle nur einen Kern enthält, wäre offenbar der längst übliche Name Protoblast oder Protoplast hinreichend; wenn aber eine grosse Zelle 100 oder 1000 Kerne in ihrem Proto- plasma führt, kann man unmöglich von 100 oder 1000 Protoplasten reden, da ja die Protoplasmaschicht eine ganz zusammenhängende ist und keinerlei Grenzen zeigt. Dagegen lässt sich sehr wohl mit Sachs von Einfluss- sphären der einzelnen Kerne reden und annehmen, dass jeder Kern in einem gewissen Umkreise das ihn um- gebende Protoplasma und die Lebensvorgänge desselben beherrsche. Und eine solehe Annahme wird um so plau- sibler erscheinen, wenn man erwägt, dass in gewissen Fällen das zusammenhängende Protoplasma vielkerniger Zellen nachträglich in getrennte, einkernige Stücke zerfällt, von denen jedes eine Cellulosenhülle sich anbildet, wie in den Embryosäcken bei der Endospermbildung. — Der Begriff Zelle ist somit bei den Pflanzen ein secundärer; zu demselben gehört nothwendig die Zellhaut, und diese wird von den Energiden erzeugt und ist der Behälter einer oder vieler Energiden. Weiter ins Einzelne gehend führt dann Sachs die Leistungen der Energiden aus und unterscheidet active und passive Energidenproducte und Leistungen. Active Theile sind der Kern, das Protoplasma, die Centrosomen (?), die Chloroplasten. Passive Energidentheile oder Produete sind die Zellmembranen, die Stärkekörner, die Krystalle, die Aleuronkörner, die Plasmasäfte in ihren mannigfachen Formen. Zu den activen Leistungen der Energiden ge- 230 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 20. hören das Wachsthum des Protoplasma, die Vermehrung der Energiden und Chloroplasten durch Theilung, die Be- fruchtung, die Bildung der Cellulosenmembran, der Zellen- säfte (Gummi, Schleim, Harze ete.), der Stärke, die Be- wegungserscheinungen (Saftströmung). Organisirt und lebend nennt Sachs nur die Energiden und ihre einzelnen Theile; die Zellmembranen dagegen und die Stärkekörner sind für ihn unorganisirte, chemisch- physikalische, nicht lebende Gebilde. Erstere wachsen durch Intussusception, letztere durch Apposition. Alles zusammengefasst „bilden, nach Sachs, die Energidentheile die embryonale Substanz, sind Träger der Erbliehkeit und stellen die Continuität der Generationen her, sie sind es, an denen sich die Ontogenese der Indi- viduen und die phylogenetische Verkettung der Species und Typen vollzieht. Dies leisten sie dadurch, dass sie ausschliesslich durch Intussusception wachsen und nur durch Selbsttheilung sich vermehren, aber nicht durch Neubildung entstehen.“ A. Meyer theilt die Bestandtheile der einkernigen Pflanzenzelle in vier Kategorien ein. Diese sind: 1. Die protoplasmatischen Organe. Dieselben sind daran zu erkennen, dass sie nicht neu entstehen können und ihre Zahl nur dadurch wachsen kann, dass dieselben sich theilen. Ihre Organisation ist phylogenetisch ge- worden und kann sich nicht mehr direet aus Anorgani- schem aufbauen. Solche sind das Cytoplasma, die Zell- kerne, die Trophoplasten (Chromatophoren) die Proto- plastenverbindungen und vielleicht die Centrosomen. 2. Die alloplasmatischen Organe, welche durch Um- gestaltung eines Theiles eines normalen Organes oder eines ganzen Organes hervorgehen. — Auch diese Organe können nicht neu entstehen und müssen sich stets aus normalen Organen der Protoplasten bilden. Sie entstehen unter Umlagerung der normalen Structur der Organe und verlieren die Fähigkeit, sich durch Theilung zu ver- mehren; sie können ihre Structur, die nur für bestimmte, einseitige Leistungen brauchbar ist, nicht direet vererben. Dahin gehören z. B. die Cilien der Volvoxarten. Allem Anscheine nach zählen auch die Muskel- und Nerven- fibrillen zu den alloplasmatischen Organen. 3. Die ergastischen Gebilde, welche durch Arbeit des Protoplasma neu gebildet werden. — Hierher zählen: a) Die Einschlüsse der Protoplasten innerhalb des Proto- plasma, des Zellkernes, der Chromatophoren. Dieselben sind nieht organisirt, entweder aus dem Protoplasma aus- geschiedene Tropfen oder Emulsionen oder krystallinische Gebilde, wie die Stärkekörner und die Oxalatkrystalle. b) Die Ausscheidungen der Protoplasten, den Einschlüssen gleichwerthige, nach Aussen abgeschiedene Massen, wie die Cellulosenmembranen. A. Meyer sondert also die activen Energidenorgane in zwei Kategorien, in primäre, welche jeder Energide zukommen, als vererbte anzusehen sind und nur durch Theilung sich vermehren, und secundäre, welehe behufs bestimmter activer Leistungen aus den Energiden hervor- gehen. Solche Organe sind bei den Pflanzen selten (Cilien oder Wimpern), bei den Thieren sind dagegen diese Organe wie die Flimmerhaare, die Muskel- und Nervenzellen, ungemein verbreitet und von der grössten Bedeutung. Fragen wir nun ganz allgemein, wie die Gewebelehre der Thiere zu den Lehren von Sachs sich stellt, so ist vor Allem zu betonen, dass bei den Thieren die Zell- membranen auch nicht von ferne die Rolle spielen, die denselben bei den Pflanzen zukommt. So zeigte sich, dass bei allen Geschöpfen mit Furehung des Dotters die ersten Elemente (Protoplasten) hüllenlose kugelige Dotter- massen, jede mit einem Kerne, darstellen, die durch Theilung sich vermehren und nach und nach den ganzen Leib des jungen Geschöpfes bilden. Ein Theil dieser Protoblasten erhält sich zeitlebens in diesem Zustande, während ein anderer nach und nach Hüllen sich anbildet und in den Zustand wirklicher Zellen übergeht. Diese Protoblasten nun, die aus einem Kerne und einer umhüllenden Masse von Protoplasma bestehen, sind dieselben Gebilde, die Sachs bei den Pflanzen als Energiden bezeichnet. Die wichtigsten Thatsachen, die über die Bedeutung derselben bei den Thieren aufgedeckt wurden, sind folgende: Erstens wurde der Nachweis geliefert, dass auch thierische Zellen contractil sind. Zweitens wurde auch für das Thierreich der Satz aufgestellt, dass dasselbe mit einzelligen Organısmen be- ginne und dass der Körper vieler derselben keine Hülle oder Zellmembran besitze, sondern einfach einen kern- haltigen Protoblasten darstelle. Drittens endlich wurden auch bei Thieren Organismen aufgefunden, die, obschon dieselben die Bedeutung von vielzelligen haben, „Gewebe“ besitzen, die nur aus Proto- plasma und vielen Kernen, sogenannten Syneytien, be- stehen, wie die Spongillen und viele Meerschwämme. Aehnliehe Erfahrungen machten auch die Botaniker bei den Mycetozoen oder Schleimpilzen. Bei den Thieren kommen also, ebenso wie bei den Pflanzen, Elementartheile vor, die als Energiden im Sinne von Sachs zu bezeichnen sind. Solche sind alle Elemente, die die Anatomen Protoblasten nennen. Zu diesen thierischen Energiden zählen vor allem die holoblastischen Eier und der Bildungsdotter der meroblastischen Eier, ferner alle Furchungsabschnitte der sich entwickelnden Eier und alle Elemente von Embryonen in früheren Stadien, so lange als nicht Umwandlungen derselben. auf- getreten sind, dann alle Keime von einzelligen Thieren. Im fertigen Organismus der höheren Geschöpfe kommen ebenfalls eine grosse Zahl von Elementen vor, die auf der Stufe hüllenloser Energiden sich finden, wie vor Allem die tieferen Theile geschichteter Epithelien und von Epidermisgebilden, alle Iymphoiden Zellen, die meisten Drüsenelemente, die Nervenkörper oder Nervenzellen, die Östeoblasten und Odontoblasten. Bei vielen dieser Proto- blasten finden sich ausser dem Protoplasma und dem Zellenkerne auch eingelagerte Körper, die den Ein- lagerungen in pflanzliche Energiden zu vergleichen sind, wie z. B. bei vielen Eiern, bei den Furchungsabschnitten der Amphibien, die anfänglich mit Dotterkörnern voll- gepfropft sind, bei vielen Drüsenzellen, deren Granula als passive Energidenproducte anzusehen sind. Ferner finden sich auch im Thierreiche mehr- und vielkernige Protoblasten, die den vielkernigen Energiden der Pflanzen zu vergleichen sind, wie solche im Embryo- sacke der Phanerogamen und bei gewissen einzelligen Algen (Caulerpa, Codium u. a.) sich finden, und gehören hierher die Syneytien der Spongien und gewisser sich entwiekelnden Eier (Knochenfische, Selachier, die Osto- klasten, die vielkernigen Zellen der Milz und Leber, die man mit Sachs als eine Mehrheit von unvollkommen ge- trennten Energiden auffassen kann. Durehgehen wir die einzelnen Functionen, so findet sich Folgendes: 1. Die Vermehrung der Elemente geht auch bei den Thieren von den nämlichen Theilen der Energiden aus, wie bei den Pflanzen, und spielen bei derselben die Kerne und die Centrosomen und Attraetionssphären, soviel sich bis jetzt ermitteln liess, genau dieselbe Rolle. Auch bei den Thieren geht die gesammte Bildung der Elemente XIII. Nr. 20. durch fortgesetzte Theilungen vor sich, die wesentlich durch die Theilungen der Kerne bedingt ist. — Dasselbe gilt von der Befruchtung, bei welcher ebenfalls die Kerne der Eier und Samenzellen die Hauptrolle spielen. 2. Auch der Stoffwechsel der thierischen Protoblasten steht demjenigen der pflanzlichen Energiden in sofern nahe, als nicht zu bezweifeln ist, dass das Protoplasma bei demselben wesentlich betheiligt ist, wie vor Allem die Drüsen lehren, deren Elemente gleichzeitig mit Ver- änderungen ihres typischen Protoplasma, Schleim, Fette, eiweisshaltige Secrete, Fermente, Glycogen, Haemoglobin, Serum, giftige Stoffe, Gallenbestandtheile u. s. w. bilden, Im Allgemeinen sind es auch hier nur kernhaltige Proto- blasten, die an den chemischen Vorgängen sich betheiligen, immerhin verdient Erwähnung, dass bei den höchsten Thierformen auch kernlos gewordene Zellen, wie die rothen Blutzellen, eine wichtige Aufgabe im chemischen Gebiete erfüllen. Alle die genannten Substanzen sind als passive Energidenproducte, als Zellensäfte zu be- zeichnen, wie bei den Pflanzen die Stärke, der Schleim, Gummi, Harze, Gerbstoff, ätherische Oele, organische Säuren, der Milchsaft, die Enzyme u. s. f. 3. Die Bewegungserscheinungen finden sich zum Theil in ganz gleicher Weise bei Pflanzen und Thieren, und sind hier vor Allem die amöboiden Bewegungen, die Be- wegungen der Samenkörper und Cilien zu nennen. Da- gegen ist eine fernere, bei Pflanzen sehr verbreitete Be- wegungsart, die Saftströmung, bei Thieren sehr selten und bisher nur vermuthungsweise angenommen. Auf der anderen Seite fehlen dagegen den pflanzlichen Energiden Gebilde, die mit Muskelfasern zu vergleichen wären, ganz und gar. Diese contractilen Elemente stellen bei den Thieren echte protoplasmatische Gebilde dar in der Art, dass bestimmte Energiden oder Protoplasten in ihrer Hauptmasse zu contractilen Fasern sich umwandeln, bei welchem -Vorgange - wieder zwei Modalitäten zu unter- scheiden sind. In dem einen Falle wandeln sich ein- kernige Protoblasten zu spindelförmigen, kürzeren Fasern um, die einer Zellmembran entbehren und wesentlich aus eontractilen Fibrillen und einem spärlichen Protoplasma- reste zwischen denselben, dem Sarcoplasma, bestehen. Bei der zweiten Form von Muskelelementen, die eine be- deutende Grösse erreichen, ist der Ausgangspunkt zwar auch eine einkernige Energide, die ebenfalls aus einem Theile ihres Protoplasma contractile Fibrillen erzeugt. Im weiteren Verlaufe der Entwickelung vermehrt sich je- doch der Kern durch wiederholte Theilungen zugleich mit dem ihn umgebenden Protoplasma, und wächst so die Muskelfaser im Zusammenhange mit diesen Kern- vermehrungen immer mehr in die Länge und Breite, wobei die Fibrillen an Zahl stetig zunehmen. Zuletzt geht aus diesen Vorgängen eine lange, dieke Faser hervor, die eine Zellmembran, das Sarcolemma, anbildet, im Innern aus Fibrillen und spärlichem Protoplasma besteht und durch die grosse Zahl ihrer Kerne andeutet, dass sie eigentlich den Werth vieler Energiden besitzt. Diese, so zu sagen, ganz in contraetile Substanz umgewandelten thierischen Energiden lassen sich unmöglich als passive Energidenproducte im Sinne von Sachs betrachten. Wenn man die activen Energidenproducte mit Arthur Meyer in protoplasmatische Organe und in alloplasmatische teilt, wie oben dargelegt wurde, so wird die Stellung der Muskelfasern ganz klar und durchsiehtig und ergiebt sich, dass dieselben zu den alloplasmatischen Producten ge- hören. — Nieht ohne Interesse ist die Wahrnehmung, dass die einzelligen Thiere, die einer einzigen Energide zu vergleichen sind, aus ihrem Protoplasma Fasern zu bilden im Stande sind, welehe den Muskelfibrillen der höheren Geschöpfe entsprechen, wie die Vortieellinen in Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 231 ihrem Stielmuskel, die Stentoren mit ihren Muskelfasern im Eetoplasma beweisen. In demselben Sinne wie Muskelfasern sind auch die Elemente des Nervensystemes active Energidenproducte. Auch sie, die Neurodendren oder Nervenzellen sind den Thieren ganz eigenthümlich und entstehen wie die Muskel- fasern, indem bestimmte Protoblasten in ihrem Proto- plasma sich umgestalten und Fasern aus sich hervor- treiben, die ebenfalls aus Fibrillen und einem Neuro- plasma bestehen und nichts als Auswüchse des Protoplasma der Nervenzellen darstellen. Das Nervenmark, das viele Nervenfasern umhüllt, wäre hingegen ein passives Ener- gidenproduet. Bezüglich der passiven Energidenproducte Folgendes: 1. kommen bei Thieren Zellenmembranen im Ganzen selten vor und zeigen gewöhnlich nur eine geringe Mächtigkeit. Bei Wirbelthieren sind als Elemente mit Membranen zu erwähnen die oberen Elemente der Epi- thelien und Oberhautgebilde, viele Cylinderepithelien, die Blutzellen, Fettzellen, die Zellen der Chorda dorsalis und viele Knorpelzellen, die quergestreiften Muskelzellen. Ausser den Knorpelzellen erreicht keine dieser Zellen- arten in ihren Membranen eine grössere Stärke und auch ° bei diesen ist kein Vergleich mit der grossen Mehrzahl der Pflanzenzellen möglich. — Bei den Wirbellosen finden sich wesentlich dieselben Elemente wie bei den Wirbel- thieren, mit Membranen versehen, ausserdem aber auch besondere Zellen, wie namentlich Drüsenzellen. Die ein- zelligen Thiere endlich haben zum Theil deutliche Mem- branen, wie die Gregarinen und manche Ciliata, zum Theil entbehren sie derselben wie die Rhizopoden und Amoeben; 2. bestehen die thierischen Zellmembranen, gewisse Fälle bei den Tunicaten ausgenommen, überall aus N-haltigem Material; 3. finden sich bei den Thieren in ungemeiner Ent- wiekelung geformte Theile, die als Auflagerungen auf Protoblasten und als Extra- und Intercellularsubstanzen anzusehen sind, die im Pflanzenreiche zum Theil gar nicht, zum Theil nur in geringer Entwickelung vor- kommen. Zu diesen Gebilden zählen: a) Die Cutieularbildungen. b) Intereellularsubstanzen. Diese scheiden sich in flüssige und feste. Flüssige Intereellularsubstanzen sind bei Pflanzen selten. Bei Thieren dagegen spielen dieselben als Blut, Lymphe, seröse Feuchtigkeit, Ernährungsflüssigkeit eine grosse Rolle. Intercellularräume fehlen allerdings den Pflanzen nicht, doch enthalten dieselben meist Luft, selten Flüssig- keiten oder geformte Theile. Festere Intercellularsubstanzen kommen, wenn über- haupt, bei Pflanzen nur in sehr geringer Entwickelung vor, spielen dagegen bei den Thieren eine äusserst wichtige Rolle und dienen bei allen Wirbelthieren zur Herstellung des Körperskelettes, indem dieselben die ge- sammte Binde- und Stützsubstanz des Körpers, das Binde- gewebe, elastische Gewebe und alle Arten von Knochen- und Zahnbeinsubstanzen und die wichtigsten Knorpelarten erzeugen. Es giebt Knochensubstanz, die gar keine Zellen ent- hält. Dies ist die „osteoide Substanz“, die das Skelett der Stachelflosser und vieler Weichflosser unter den Fischen und auch die Schuppen vieler derselben bildet. Diese harte Substanz, die eine leimgebende, organische Substanz als Grundlage hat und mikroskopisch einen fibrillären Bau besitzt, wie der echte Knochen, zeigt weder bei ihrer Entwiekelung, noch im fertigen Zustande jemals Zellen oder Protoblasten in sich und ist daher unzweifel- 252 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 20. haft als eine von Zellen ausgeschiedene Substanz anzu- sehen. In derselben Weise ist auch die Entwickelung und Bedeutung des Zahnbeines aufzufassen. Es seien noch die Hornfäden der Fischflossen er- wähnt, die nie Zellen enthalten, wohl aber von zellen- artigem Gewebe, das sie erzeugt, umgeben sind, und ferner der Mantel der Tunicaten, der lehrt, dass mächtige Intereellularsubstanzen vorkommen, die unzweifelhaft Aus- scheidungen von Protoblasten sind. Zu den Intereellularsubstanzen gehören nun sicher auch manche Gewebe von Wirbellosen, wie die Gallert- substanz der Medusen und Aleyonarien, die Hornsubstanz der Spongien, die Axen der Pennatuliden und manche andere Hartgebilde. Die Zusammenfassung des Gesammtresultates der K.’schen Auseinandersetzungen haben wir bereits S. 149 Spalte 2 geboten. Interessante Versuche über die Ueberführung be- fruchteter Eier in ein anderes Mutter-Individuum theilt Walter Heape in den Proc. R. Soc., London Nr. 381 mit. Er wählte dazu belgische und deutsche Kaninchen. Es gelang ihm nieht nur die Operation glücklich aus- zuführen, sondern in einigen Fällen gebaren ihm die Weibehen sogar völlig gesunde und lebenskräftige Jungen aus den operativ in ihren Uterus eingeführten Eiern der anderen Rasse. Seine Ergebnisse fasst er in folgenden Sätzen zusammen: 1. Es ist möglich, im Uterus einer Rasse befruchtete Eier einer anderen zur Entwickelung zu bringen; 2. die künstliche Mutter beeinflusst ihre künst- lichen Kinder nicht im Geringsten merkbar; 3. die Eigen- schaften des ersten Vaters können auf den Wurf des zweiten nieht durch seine eigenen Spermatozoen, sondern nur durch die Eier der Mutter übertragen werden. Reh. Nach landläufiger Ansicht sollen zwischen der Ab- reise der Zugvögel, namentlich der Schwalben und dem Charakter des darauf folgenden Winters insofern Beziehungen bestehen, als eine Abreise einen milden Winter und umgekehrt anzeigen soll. G. de Roequigny- Adanson hat darüber Untersuchungen angestellt, die er in der Revue se. bourbonn., September und October 1897, veröffentlicht. Ende des vorigen Jahrhunderts gab es drei sehr strenge Winter, die von 1775/76, von 1788/89 und von 1794/95. Im Jahre 1788 war die Abreise der Schwalben normal, am 1. October, 1775 zu früh, am 27, Sep- tember, und 1794 noch einen Tag früher, am 26. September. — Am Schlusse unseres Jahrhunderts sind bis jetzt ebenfalls drei sehr strenge Winter zu verzeichnen, die von 1879/80, 1390/91, 1894/95. R.-A. beobachtete in diesen Jahren die Abreise der Schwalben in Saint-Mans, wo sie normal am 13. October stattfindet. Im Jahre 1879 war sie hier später (15. Oetober), 1890 und 1894 früher (7. bezw. 9. October), dagegen an einer anderen Beobachtungs-Station, Bahire, im Jahre 1894 vier Tage zu früh, im Jahre 1890 zwei Tage zu spät. Im Jahre 1896 zogen die Schwalben auffallend spät fort, und trotzdem war ‚der Winter 1896/97 sehr milde. Noch später zogen sie im Jahre 1897 fort, an einer Station am 8. November, gegen 16. October normal, ein Unterschied, wie er bisher noch nie beobachtet worden ist. Und auch dieser Winter war auffallend milde. — Eine feste Beziehung ergiebt sich so aus den Untersuehungen nicht. Indess scheint eine späte Abreise der Schwalben eher auf einen milden, als auf einen strengen Winter hinzudeuten und umgekehrt. ' Reh. Den Bacillus des Sauerkohles hat nach einer Mittheilung der „Revue seientifique“ vom 26. Februar Conrad entdeckt. Bisher hatte man im Sauerkohl nur Hefe- und Schimmelpilze sowie einige seltene, saprogene Bacterien nachweisen können. Nun fand Conrad im Sauerkohl, welcher erst vor 24 Stunden eingelegt war, einen Bacillus, welchen er als den wirklichen Erreger der Fermentation ansieht; er nennt ihn Bacillus brassieae acidae. Der Bacillus entwickelt sich auf Agar-Agar unter reicher Gasbildung; wird dem Nährsubstrat eine Ab- kochung von Kohl zugesetzt, so ergeben die Culturen deutlich den charakteristischen Geruch des Sauerkohles. Der Baeillus ist mit Wimpern versehen und sehr beweglich; er ähnelt sehr dem Coli-Baeillus, von dem er sich eigent- lich nur durch seine starke Gasbildung unterscheidet. S. Sch. Ueber die Theegewinnung auf der Imsel Java berichtet der Kais. Russ. Wirkl. Geh.-Rath Dr. G. Radde, Director des Kaukasischen Museums zu Tiflis in Trans- kaukasien, in einem längeren Aufsatze „Eine Reise in Indonesien“ in der geographischen Zeitschrift „Aus allen Welttheilen“ 1398, S. 208. Der Genannte begleitete die russischen Prinzen auf deren asiatischer Reise, auf der sie auch die Insel Java berührten Hier besuchten sie die grosse Thee- und Kaffeeplantage eines reichen Herrn Kerkhoven zu Sinagar und konnten daselbst die Zu- bereitung des Thees bis zum Versand genau beobachten. Man arbeitet hier zum Theil mit Maschinen, die durch Wasser oder Dampf getrieben werden. Nach dem Bericht wird das gepflückte T'heeblatt in zweimal 24 Stunden für den Handel fertig. Das frisch eingesammelte Laub der Jungen Triebe, breit und ziemlich gross, wird zunächst sortirt und von groben Stengeln befreit, dann recht locker auf runde Bambusteller geschüttet und an der Sonne ge- trocknet. Der Thee auf dem Strauche hat gar kein Aroma, erst wenn der fertige Thee lagert, erhält er dasselbe. Nachdem die Blätter leidlich getrocknet und eine bräunlich-grüne Farbe angenommen haben, kommen sie in den Roll- und Quetschapparat und bilden grob- geformt eine feuchte, leicht zusammenhängende Masse. Diese wird in einem geneigt liegenden, rotirenden Cylinder auseinander geworfen, so dass sie nicht faulen kann, kommt dann wieder auf flachen Bambustellern an die Luft und trocknet. Mehrmaliges Sieben und Säubern von jedweden Verunreinigungen, namentlich Stengeln, wird als Handarbeit von Mädchen besorgt. Andere Theesorten werden ausschliesslich durch Menschenhand bereitet, die Blätter gewissermaassen gedreht. Sie zeichnen sich durch viel Weiss in der grauschwärzlichen Färbung des Thees aus und stehen desto höher im Preise, je mehr Weiss sie aufzeigen. Von angestellten competenten Beurtheilern werden dann die Absudproben der verschiedenen Thee- sorten auf ihren. Geschmack, ganz wie die Weine, geprüft und die Sorten darnach geordnet; auch werden Mischungen, wie sie von manchen Käufern brieflich bestellt werden, hergestellt. Die ganze Theeplantage ist in Reviere ein- getheilt, und von diesen werden die Ernten gesondert aufbewahrt. Was nicht einer bestimmten Qualität ent- spricht und danach die Marktmarke erhalten kann, wird schliesslich gemischt und kommt als geringere Sorte in den Handel. Der Thee geht in Bleikisten, die in leichte Holzhüllen gefasst werden, fest eingestampft und hermetisch verschlossen nach Holland und England, ein grosser Theil geringerer Güte auch nach Persien. S. Sch. XIH, Nr. 20 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 233 Die Aufgaben der Forschung am Nordpol und | niedrige Temperaturen verleihen; das Nordpolarmeer Südpol behandelte der durch seine Grönlandforschungen bekannte Geograph Dr. Erich von Drygalski bei seiner Habilitation an der Berliner Universität am 16. Februar 1898 in der Antrittsvorlesung, welche später in der „Geo- graphischen Zeitschrift“ veröffentlicht worden ist. Für das Nordpolargebiet bleiben, nachdem Nan- sen’s grosse That uns so zahllose, hochwichtige Auf- schlüsse darüber verschafft hat, verhältnissmässig nur noch wenige Probleme zu lösen. Während in den durch Nansen erforschten Gebieten künftige Expeditionen nur noch Er- gänzungen, aber kaum mehr wesentlich neue Aufschlüsse zu bringen vermögen, sind an zwei anderen Stellen des Polarmeeres noch wichtige Kenntnisse zu erzielen: die erste Stelle ist das Gebiet nördlich von der Bering- strasse, wo vermuthlich die Wurzeln der ganzen nordischen Eisdrift zu suchen sind, und wo daher die Erforschung der Meeresströmungen und Winde von besonderem Werth sein muss; die andere Stelle ist das Nordende Grönlands, gegen welches das schwerste arktische Eis von allen Seiten herangetrieben wird, und wo daher vermuthlich das Eis seine grösste Mächtigkeit erreicht. Es ist wahr- scheinlich, dass die Nordküste Grönlands nicht mehr weit von der dureh Lockwood erreichten Stelle entfernt ist, zumal da der von Peary nördlich vom 82° wahrgenom- mene Wasserweg als die nördliche Wassergrenze Grön- lands anzusprechen sein dürfte. In diese Gegend richtet sich erfreulicherweise die neue Sverdrupsche Expedition, welche hier also manche interessante Fragen zu lösen finden wird, wenn auch ein Vorstoss gegen den Nordpol . von dieser Seite in Folge der Strömungsrichtung ganz aussichtslos sein würde. Dass ausser den geographischen und meteorologischen Problemen auch andere Wissen- schaften, so besonders Erdmagnetismus, Astronomie und Geologie, manche neuen Aufschlüsse von künftigen Ex- peditionen zu erlangen vermögen, sei nur nebenbei erwähnt. Ungleieh wichtiger ist dagegen jetzt zunächst eine gründliche Erforschung des Südpolargebietes. „Jede Naturwissenschaft hat dort fundamentale Probleme zu lösen; alle die Fragen, welehe die Polarforschung stellt, haben im südlichen Eismeer eine erhöhte Bedeutung; dort liegen gegenwärtig ohne Zweifel die wichtigsten Aufgaben der wissenschaftlichen Geographie.“ Das geo- graphische Fundamentalproblem ist die Vertheilung von Wasser und Land daselbst. Bisherige Forschungen scheinen dafür zu sprechen, dass die Südkappe der Erdkugel von einem grossen, eisüberdeckten Continent eingenommen wird — im Gegensatz zur Nordkappe, welches ein von Land umschlossener, tiefer Meeresraum ist. Das Vorhandensein einer grossen Anzahl von Vulcanen im Südpolargebiet dürfte auch zur Erkenntniss des Vulcanismus und seiner Betheiligung an der Gebirgsbildung noch reiches Material zu liefern im Stande sein. Eine genauere Untersuchung der daselbst vorhandenen, mächtigen Lager von sedi- mentären Schichten, besonders Buntsandstein, dürfte die bis in die Tertiärzeit reichende, auffallende Aehnlichkeit in der Zusammensetzung der Faunen von Südamerika und Australien zu erklären vermögen. Alle Probleme des Eises haben ebenfalls hier auf den reichsten Gewinn zu rechnen, da die Mächtigkeit des Eises am Südpol selbst noch die- jenige im nördlichen Grönland zu übertreffen scheint. Abgesehen von den Fragen nach Tiefe, Wärme- vertheilung und chemischer Beschaffenheit der vor- handenen antarktischen Meere geben dieselben auch der biologischen Forschung manche wichtige Frage zu lösen. Eine besondere Bedeutung erhalten diese Probleme dadurch, dass hier vermuthlich der Ursprung all der kalten Strömungen zu suchen ist, welche dem Boden der Oceane an den verschiedensten Stellen so kann nämlich dafür nicht verantwortlich gemacht werden, da es ziemlich abgeschlossen und obendrein in der Tiefe von relativ warmem Wasser erfüllt ist. Auch auf die vom Südpolarmeer stammenden Oberflächenströmungen sei kurz hingewiesen, durch welche an den Westküsten der Süd- continente das Klima erheblich beeinflusst wird. Auch über die Flora der südlichen Polargegenden liegen bisher nur sehr spärliche Nachrichten vor. Wäh- rend man früher das ganze Gebiet jenseits von 64° 12’ s. Br. für vegetationsleer hielt, wurden 1895 durch Borehgrevink noch unter 71° auf der Possession-Insel Pflanzen gesammelt. Bemerkenswerth ist, dass die Floren auf allen Inselgruppen in der Umgegend des Südpolar- gebietes viele gemeinsame Züge aufweisen. Auch die überaus wichtige Frage ist noch zu entscheiden, ob sich bei der Abkühlung der Erde in den Polargebieten be- stimmte Formen der Thier- und Pflanzenwelt unter gleichen Bedingungen gleichmässig ausbildeten, worauf eine gewisse Aehnlichkeit von lediglich auf die beiden polaren Zonen beschränkten Lebewesen schliessen lassen könnte, oder ob beide Faunen und Floren auf einen gemeinsamen Ur- sprung zurückzuführen sind, oder ob noch heut in den kalten Tiefenströmungen ein Austausch zwischen den beiden Polarmeeren stattfindet. Besonders viel hat auch die Klimatologie von einer Südpolar-Expedition zu erwarten. Bisher liegen Beob- achtungen nur über sommerliche Witterungsverhältnisse und nur auf den Meerestheilen vor. Man weiss, dass der Sommer hier etwa 10° kälter ist als unter gleicher nörd- licher Breite; es wäre möglich, dass der Winter dement- sprechend wärmer ist, da ja die Temperatur-Amplitude auf dem Mcer stets bedeutend geringer ist, als auf dem Lande. Auch steht zu vermuthen, dass den ausgedehnten Hochflächen des Eises warme Föhnwinde entstammen, wie sie am Rande des grönländischen Inlandeises auf- zutreten pflegen. Mit geringen Mühen ist daher für die Meteorologie ausserordentlich viel zu erreichen. Dass eine Ausdehnung magnetischer Messungen auf das Südpolar- gebiet stattfinden müsse, bezeichnete schon Neumayer als unerlässliches Erforderniss jedes Fortschritts der erdınag- netischen Forschung. Jenseits des40. Gradess. Br. beruht un- sere ganze Kenntniss der magnetischen Verhältnisse noch heut im Wesentlichen nur auf den Messungen, welche vor 50 Jahren durch J. C. Ross angestellt wurden. Zieht man astronomische und geodätische Probleme sowie Messungen der Schwerkraft heran, so möchte man glauben, dass eine Expedition gar nicht im Stande sein würde, die Fülle der Aufgaben zu bewältigen. Und doch hält v. Drygalski dies für möglich, so weit man über- haupt von einer erstmaligen Erforschung Aufklärungen verlangen darf. Gerade jetzt scheint der Zeitpunkt für cine Expedition besonders geeignet, da die seit 1891 im südatlantischen und südindischen Ocean aufgetretene colossale Fülle von Treibeis darauf schliessen lässt, dass zur Zeit der gewaltige Gürtel von Landeis gesprengt ist, der bisher das Vordringen so sehr erschwerte. Vielleicht liegen jetzt die Verhältnisse wieder so erstaunlich günstig, wie 1323, als Weddel südlich von den Süd-Orkney-Inseln noch unter 74° s. Br. ringsum eisfreies Meer vorfand. v. Diygalski schlägt vor, von den Kerguelen aus die Forschungsreise anzutreten, schon während der Fahrt so viele wissenschaftliche Beobachtungen wie möglich an- zustellen und möglichst weit im Süden ein Land zu er- reichen, um hier zu überwintern. Im Frühjahr soll dann ein Vorstoss gegen den Pol erfolgen und im Herbst „mög- lichst auf anderen Wegen die gefundenen Küsten gegen den magnetischen Pol hin. verfolgend“, die ‚Rückkehr stattfinden, Weitgehende Instructionen aus der Heimath 234 müssten dabei freilich nach Möglichkeit vermieden und der Expedition vollste Freiheit im Handeln gelassen werden. Die geplante deutsche Südpolar-Expedition, die voraus- siehtlieh 1899 beginnen wird, ist inzwischen der wissen- schaftlichen Oberleitung Dr. v. Drygalski’s anvertraut worden, und so steht zu hoffen, dass die geschilderten Pläne des verdienten Gelehrten ebenso trefflich gelingen mögen, wie seine grönländische Forschungsreise. H. Wetter-Monatsübersicht (April). — Ausserordentlich trübe, regnerisch und ziemlich kühl gestaltete sich wäh- rend des diesjährigen April die Witterung in ganz Deutschland. Wie schon ein Blick auf die beistehende Zeichnung erkennen lässt, gab es in ihm nur wenige : Temperaturen im April 1898. —_Tägies Maximum, bez Minimum, 8 Uhr Morgens, je Re 8 Uhr Morgens, normal. are 6. A A. 8. Team] 21, Hagel jest 16, ee EEE Süddeutschland. — Tage, die den Eindruck behaglicher Wärme zurückliessen, nämlich um den 10. und gegen Ende des Monats. Beide Male blieben die Temperaturen in den meisten Gegenden Tag und Nacht über 5° und erreichten in den westlichen und südlichen Landestheilen während der Mittagsstunden vielfach 20° C.; am 9. April, dem durch ‘einen freund- lichen Witterungscharakter besonders ausgezeichneten Tage vor Ostern, stieg das Thermometer in Magdeburg und Bamberg bis 22°C. Die übrige Zeit hatte ziemlich gleichmässige Tem- peraturen, welche in Norddeutschland meistens selbst am Mittag unter 10°C. lagen. Oft kamen Nachtfröste vor, die sich bis Mitte des Monats auch auf Süddeutsch- land erstreckten und dort sogar etwas schärfer als im Norden auftraten, z. B. hatte in der Nacht zum 6. Bam- berg 5% Kaiserslautern 4° Kälte. Die Mittags- temperaturen aber kamen an den süddeutschen Stationen gewöhnlich 15° C. wenigstens nahe; das allgemeine Temperaturmittel des diesjährigen April blieb jedoch in ganz Deutschland ungefähr um einen Grad hinter seinem langjährigen Durchschnittswerthe zurück. Der Mangel an Sonnenschein, an welchem schon der Februar und März dieses Jahres zu leiden hatten, machte sich im Laufe des April noch in viel höherem Grade fühlbar, am meisten in Mitteldeutschland. Denn Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XII. Nr. 20. während die Tageslänge von Mitte März bis Mitte April um reichlich zwei Stunden zunimmt, kam beispielsweise in Potsdam an den 30 Apriltagen insgesammt nur eine Stunde mit Sonnenschein mehr als an den 31 März- tagen vor, nämlich 67 gegen 66, und wenig mehr als ein Drittel der Stunden, die im Durchschnitt der letzten fünf Aprilmonate daselbst verzeichnet worden waren. An einer grösseren Zahl von Tagen, als es im April die Regel ist, kamen im vergangenen Monat Nieder- sehläge vor, die sich jedoch auf die verschiedenen Ab- schnitte desselben sehr ungleich vertheilten. Theilt man den April in drei Zeiträume von gleicher Länge, wie in beistehender Darstellung geschehen ist, so ersieht man, dass am Anfang die ergiebigsten Regen auf dem Gebiet zwischen Elbe und Oder und ausserdem am Bodensee fielen. Am 2. April wurden zu Friedrichshafen von den letzten 24 Stunden 21 Millimeter Regen und Schnee, am 3. zu Magdeburg 26 Millimeter Regen gemessen. 2 Tiiederschlagshöhen im April 1898. - & Fuß Sen NY > yinlerer Werth für 332332202353 Deutschland. SEBESE uns Monatssummen im April E= £285 ZE SE 1838.97. 96, 95, 9.9, Vom 10. an waren die Niederschläge allgemein ziemlich beträchtlich, und da es bereits im Februar und März fast täglich geregnet hatte, so wuchsen die Wasserstände der meisten Flüsse zu ausserordentlicher Höhe an. Im ganzen nördlichen Deutschland begann man auch schon zu be- fürchten, dass den jungen Saaten, welche sehr gut durch den milden und schneefreien Winter gekonmen waren, die übergrosse Nässe verderblich werden könnte. Da trat, um den 20. April, das überall herbeigesehnte Ende der langen Regenzeit ein. Innerhalb des letzten Monatsdrittels kamen stärkere Regenfälle hauptsächlich im östlichen Theile des Ostsee- gebietes vor, wo dieselben bis dahin geringer als im übrigen Deutschland gewesen waren, ferner in ver- schiedenen Gegenden Süddeutschlands. Dagegen waren sie in Nordwest- und Mitteldeutschland bis zum vorletzten Tage des Monats äusserst spärlich. In Berlin ist bereits vom 15. an bis zum 29. April kein Niederschlag mehr gemessen worden. Indessen fielen an nicht weniger als 9 von diesen 15 Tagen Regentropfen und man hatte daher, zumal da auch die Bewölkung dicht und der Feuchtig- keitsgehalt der Luft verhältnissmässig gross war, durch- aus nicht den Eindruck einer „Dürreperiode“, wie ein mindestens zweiwöchentlicher Zeitraum ohne jeden mess- baren Niederschlag von den Meteorologen benannt worden ist. — In Folge der bedeutenden Verringerung, welche die XII. Nr. 20. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 235 Niederschläge in der zweiten Hälfte des April erfahren hatten, kam ihre Monatssumme, die sich für den Durch- schnitt der deutschen Stationen auf 53,2 Millimeter belief, denjenigen der ebenfalls sehr nassen letzten beiden April- monate nicht einmal gleich und übertraf die für April normale Niederschlagshöhe nicht gar zu erheblich. Nachdem zu Beginn des Monats ein Barometerminimum von Südwest nach Nordost durch Deutschland hindurch- gezogen war, erschien in Skandinavien ein anderes, von dem sich ein Theil zur Ostsee begab und längs der deutschen Küste stürmische, dampfgesättigte Westwinde verursachte, Am 5. April wanderte ein barometrisches Maximum von England nach Mitteldeutschland, wurde aber bald durch eine neue, nordwestliche Depression weiter nach Süd gedrängt. Von letzterer schoben sich, während vom nördlichen Eismeere her sich ein zweites Maximum über den bottnischen Meerbusen ausbreitete, zwischen beide Gebiete hohen Luftdruckes einzelne Theil- minima hinein, die bis Mitte April, und zwar namentlich in den Östertagen, der Witterung in Deutschland einen sehr unbeständigen Charakter gaben. In der zweiten Monatshälfte rückte das nordische Barometermaximum langsam südostwärts nach Russland vor. In Nordskandinavien zeigte sich sodann am 22. ein neues Maximum, das den gleichen Weg wie sein Vor- gänger nahm. Unterdessen lagen gewöhnlich in der südliehen Hälfte Europas und bei den britischen Inseln ziemlich flache Depressionen, von denen einzelne Ausläufer nach Norden und Osten zogen. In Deutschland, das sich fast immer zwischen den Gebieten hohen und niedrigen Luftdruckes befand, herrschten demgemäss jetzt nordöst- liche Winde mit ziemlich beständiger, trüber Witterung. Doch waren hier die Niederschläge sehr viel geringer als im Süden der Alpen, wo amı 17. und 18. beispielsweise in Lugano 84, in Turin 87, in Nizza 94 Millimeter ‚Regen gemessen wurden, ebenso wie im Gebiete der unteren Donau, wo um die gleiche Zeit der Sereth und Pruth aus ihren Ufern traten und in der oberen Moldau und Bessarabien zahlreiche Felder, Bahndämme und Strassen schädigten. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Angenommen wurde: Dr. Heinrich Monke zum Hilfsgeo- logen bei der königlichen geologischen Landesanstalt in Berlin. Berufen wurden: Der ausserordentliche Professor für patho- logische Anatomie in Königsberg Dr. Nauwerk als Prosektor am Stadtkrankenhaus in Chemnitz; der ausserordentliche Pro- fessor der Psychiatrie in Halle Dr. Wollenberg zum Leiter der Hamburger Irrenanstalt in Friedrichsberg. Zurückgetreten ist: Der Leiter der Bremen Dr. Friedrich Scholz. Es starb: Der als Florist verdiente Jurist und Historiker Dr. Karl Nöldeke, Oberappellationsrath in Celle. Irrenheilanstalten in Litteratur. Prof. Dr. William Marshall, Bilder-Atlas zur Zoologie der Vögel. Mit 238 Holzschnitten nach Zeichnungen von G. Mützel, Fr. Specht, Rob. Kretschmer, W. Kuhnert, L. Beckmann, Th. Kröner u. a. Bibliographisches Institut in Leipzig und Wien 1898. — Preis in Leinwand gebunden 2,50 M. Die Illustrationen — auf 8'/, Bogen Bildertafeln über 200 der charakteristischsten Thiererscheinungen aus der Gruppe der Vögel — sind sämmtlich von Künstlern nach dem Leben gezeichnet, und zwar so, dass man nicht nur ein naturgetreues Abbild der Gestalt und überhaupt der äussern Erscheinung des betreffenden Vogels erhält, sondern dass meist auch das Gebahren des Thieres, die Art seiner Bewegung, die Umgebung, in der es sich aufzuhalten pflegt u. s. w. charakterisirt wird, kurz, dass man mit Hülfe dieser Illustrationen einen Blick thun kann in das Leben der ge- schilderten Thiere. Vergl. im Uebrigen das bei der Besprechung des Atlas zur Zoologie der Säugethiere Bd. XII, S. 630 Gesagte, was hier nur zu wiederholen wäre, Dr. Max Rudolphi, Allgemeine und Physikalische Chemie. Sammlung Göschen. G. J. Göschen’sche Verlagsbuchhandlung. Leipzig 1898. — Preis gebunden 0,80 M. Dies Büchlein will nichts weiter geben als eine allgemeine Vorstellung von dem Inhalt der allgemeinen und physikalischen Chemie. Was gehört in das Gebiet der physikalischen Chemie ? Wie werden die wichtigsten physikalisch-chemischen Messungen ausgeführt? Ueber diese Fragen giebt das Büchlein kurz Auskunft, Schiller-Tietz, Neue Wege der Gährkunde und die Maltonweine. Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge, herausgegeben von Rud. Virchow. Neue Folge, Heft 287/88. Hamburg, Verlagsanstalt und Druckerei A.-G. (vorm J.F, Richter) 1898; 83 S. — Preis 1,20 M. Nach einer kurzen Uebersicht über die zahlreichen alkoho- lischen Genussmittel der verschiedenen Natur- und Kulturvölker und Würdigung der Bedeutung der Gährungsproducte für die Jetztzeit giebt Verfasser einen geschichtlichen Ueberbliek über die Entwicklung der Gährkunde. Hierauf werden eingehend die durch Einführung der Hefereinzucht in der Brauerei, Wein-, Obst- wein- und Schaumweinbereitung, Brennerei und Presshetefabri- eation, Milchwirthschaft und Tabakindustrie erzielten Fortschritte besprochen, welche für die Praxis der Gährungsgewerbe ebenso wichtig wie wissenschaftlich interessant sind; ist doch das Hefereinzuchtverfahren bereits die Grundlage einer völlig neuen, selbstständigen Gährungstechnik geworden, nämlich der Darstellung der Maltonweine. — Wir werden in der „Naturw. Wochenschr.* aus der Feder des Herrn Autors noch eine eingehendere Be- sprechung des Gegenstandes bringen. Baltzer, Prof. A., Studien am Unter-Grindelwaldgletscher über Glaeialerosion, Längen- und Dickenveränderung, in den Jahren 1892 bis 1897. Zürich. — 10 M. Büchner, Prof. Dr. Ludw., Kraft und Stoff oder Grundzüge der natürlichen Weltordnung. 19. deutsche Auflage. Leipzig. — 6,50 M. Burchard, Dr. Geo., Beiträge zur Morphologie und Entwicklungs- Geschichte der Bacterien. Karlsruhe. — 4,50 M. Erich v. Drygalski, Grönland-Expedition der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 1891—93. Berlin. — 45 M. Fuchs, Prof. Dr. C. W. C., Anleitung zum Bestimmen der Mine- ralien. Giessen. — 5,80 M. Günther, Prof. Dr. Carl, Gust., Einführung in das Studium der Baeteriologie, mit besonderer Berücksichtigung der mikro- skopischen Technik. 5. Aufl. Leipzig. — 13,50 M. Haas, Prof. Dr. Hippolyt, Katechismus der Geologie. 6. Aufl. Leipzig. — 3 M. Schmidt, Geh. Reg.-Rath Prof. Dir. Dr. Ernst, Ausführliches Lehrbuch der pharmaeeutischen Chemie. I. Bd. Organische Chemie. Braunschweig. -— 22 M. Schuchter, Gymn.-Prof. Jos., Empirische Psychologie, vom Stand- punkte seelischer Zielstrebigkeit aus bearbeitet. Brixen. — 2,50 M. Schwarz, Stabsveterinär Konserv. Aug. Frdr., Phanerogamen- und Gefässkryptogamen-Flora der Umgegend von Nürnberg-Er- langen und des angrenzenden Theiles des fränkischen Jura um Freistadt, Neumarkt, Hersbruck, Muggendorf, Hollfeld. Nürn- berg. — 5,50 M. Wiesner, Hofr. Prof. Dir. Dr. Jul,, Elemente der wissenschaft- lichen Botanik. 1. Bd. Anatomie und Physiologie der Pflanzen. Wien. - 7 M. Briefkasten. Chiffre Rr. — Wir bitten um den vollen Namen des Autors der unter dieser Chiffre eingesandten Notiz. Red. Inhalt: Dr. E. Fürst: Die Bataker. — Ueber die Energiden von Sachs im Lichte der Gewebelehre der Thiere. — Ueberführung befruchteter Eier in ein anderes Mutter-Individuum. — Abreise der Zugvögel. — Der Bacillus des Sauerkohles. — Ueber die Theegewinnung auf der Insel Java. — Die Aufgaben der Forschung am Nordpol und Südpol. — Wetter-Monatsübersicht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Prof. Dr. William Marshall, Bilder- Atlas zur Zoologie der Vögel. — Dr. Max Rudolphi, Allgemeine und Physikalische Chemie. — Schiller-Tietz, Neue Wege der Gährkunde und die Maltonweine. — Liste. — Briefkasten. 256 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XILI. Nr. 20. gen, Dimmlevs Derlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12, Fimmerfr. 94. Der Menfcheitsichrer. Ein Sebensbild des Weifen von Iazareth. Bon George Paul Sylvelter Cabaniz. 300 Seiten Oftav. Preis geh. 3 4, elegant geb, 4 HM. Eine dramatiiche Schilderung des Lebens Seju, die jowohl durd) ihre edle, forn- vollendete Sprache wie Die hohe Auffaflung, der Geftalt und Lehre des Weijen von Nazareth ji als eine herworragenne Erfcheinung bekundet und auf jeen Leer eine große Wirkung ausüben wird. Der neninle Menfdy. ng Türd. Dritte ftark vermehrte Auflage. Snbalt: I. Künftleriiches Genießen und Schaffen des genialen Menfchen. II. PBhilo- lophifches Streben. III. Braftiiches Verhalten. Gott und Welt, IV. Shateipeares Hamlet. V. Goethes Fauft- VI. Byrons Manfred. VII Schopenhauer und Spinoza. VIII Ghriftus und Buddha. IX. Mlerander, Cälay, Napoleon. > EN und Lombrojo. XI. Stirner, Niepihe und Sbjen. XI. Echluß- betrachtung. 390 Seiten gr. 8°. Preis geb. 4,50 HK, eleg. geb. 5,60 AL. ‚Bon der Kritik ift das Buch außerordentlic gerühmt worden. Das „Lite- variiche Gentralblatt” hat 3. B. die Ejjays_ des Verfaflers über Shafeipeare und Goethe als zum Beiten gebörend bezeichnet, was über dieje gejchrieben worden ilt. —— ZZ beziehen durch jede Buchhandlung. R Gebrauchte Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! Grosse Vortheile! Neues Princip für Massenbetheiligung an industriellen Unternehmungen. == Neuheiten - Vertrieb. — Neu aufgenommen: Durchführung des Buttenstedt- schen Flugprincips (von zwanzig namhaften Gelehrten unterstützt) und Errichtung einer Versuchs- station für Flugzwecke. Internationaler Verein zur rationellen Verwerthung von Erfindungs-Patenten. Eingetragene Genossenschaft mit be- schränkter Haftpflicht. Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, participirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabricirten . Artikel. Gans & Goldschmidt, —— = : Berlin N., Auguststr. 26. Das optische Institut Paul Wächter Werkstätten. Y Spezialität: Elektr. Messinstrumente, M Berlin - Friedenau empfiehlt als Spezia- Normal-Elemente, Normal- und Praeei- sionswiderstände, nach den Modellen der Physikal. Techn. Reichsanstalt.— Normal- litäten seine und Volt- und Amperemeter, Spiegelgalvano- photoRt. Onjektive] meter, Physikalische Lehrmittelapparate. Einrichtung von Laboratorien. ]) Preislisten gratis und franko. "BERLIN. 5.0.26. Hempel’s Klassiker Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümnmlers Verlagsbucln. Gasmotoren DAMPF- und DYNAMO- MASCHINEN. ‚garantirt betriebsfähig “in-allen Grössen- sotort lielerbar. Elektromotor, s.n..n. Schillbauerdamnı 21 Berlin NW. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Über geographische Ortsbestinmungen ohne astronomische Instrumente. Ernte Antworten Von Prof. Dr. P. Harzer, Director der Herzoglichen Sternwarte zu Gotha. Mit einer Tafel. Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und | 248 ©. groß Dftav. kosmischen Physik.) 53 Seiten Lex. 8. — Preis 1.20 M In unserem Verlage erschien soeben: Willensfreiheit und sittliiche Verantwortlichkeit. Eine socialpsychologische Untersuchung von Dr. Friedrich Wilhelm Foerster. 54 Seiten gross Octav. Preis 1 Mark. Ausgewählte Kapitel aus einer praßtifhen Pädagogik fürs Haus von Dr. phil. ARudolph PBenzig, Dozent an der Humboldt » Afademie in Berlin. Preis geh. 2,80 M., geb. 3,60 M. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. Apparate bester und auf Kinderfragen, WIEDERVERKÄUFER uÜNSTALLATEURE Ferd. Dümmlers Perlagsburhhandlung in Berlin SW. 12. Brüder und Schweitern DVioman von Eugen Veichel. Geheitet 4 Mark, geb. 5 Matt. Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. OO HOP HH OH OH HH HH Dr. Robert Muencke Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. % Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate & ® und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. ® DIT I ET TI 7 U S SS ST ST TI ST ST ST TS T ZT 7 TTS T 27 Redacteur: “ 57 52 52 “ “ 999% Verantwortlicher Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. R Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 33l. | Photo raphische Stativ- und Hand- „ Cameras. Gediegene Ausstattung. iS” Sämmitliche Bedarfsartikel. 82 Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ER Nr Redaktion: Sn ES = ar naturwissenschaftliche ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- den Gebil ‘en der Phantasıe, w.rd ihr reichlich ersetzt durch den - | Zauber der Wirklichke t, derihre (ig Schöpfungen schmückt, Schwendener. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XIII. Band. Sonntag, den 99 [777 Mai 1898. Nr. 21. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Bringegeld bei der Post 15 ,, extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. [0:0 Inserate Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Ueber die Formen der asiatischen Wüste. Von Johannes Walther in Jena.*) In dem System der Klima-Zonen der Erde unter- scheidet man gewöhnlich den breiten Gürtel des regen- reichen Tropenlandes, das wechselnde Klima der gemässig- ten Zone und die lebensfeindlichen Flächen der Polar- gebiete. Aber damit sind die grossen tellurischen Klima-Bezirke nicht vollständig aufgezählt. Denn auf beiden Halbkugeln schiebt sich zwischen Tropenland und gemässigte Zone ein Gürtel von Wüsten und Steppen mit einem durch Regenmangel ausgezeichneten, ariden Klima ein. Der wichtigste Charakter dieser Wüsten ist ihre Abflusslosigkeit; und wenn man in der Regel den atmo- sphärischen Kreislauf des Wassers als einen einzigen uni- versellen Ring schildert, so ist das nieht richtig. Denn in dieser Hinsicht führt jede Wüste ein besonderes Leben, und von dem süssen Bächlein, das die Oase Fairan am Sinai tränkt, bis zu dem 1'/, Mill. qkm grossen Fluss- gebiet der Wolga giebt es zahllose Wasseradern, die in den Wüsten versiegen. Da die Wüsten keine klimatischen Ausnahmen, son- dern notwendige Erscheinungen in der harmonischen An- ordnung der Klima-Zonen darstellen, muss es auch in früheren Erdperioden abflusslose Gebiete auf dem Fest- land gegeben haben, und das Studium der recenten Wüsten wird zu einem methodischen Hilfsmittel für die historische Geologie. Aus den regenreichen Wäldern des Ural und aus den Waldebenen des centralen Russlands strömen zahllose Flüsse und Wasseradern der Wolga zu und schütten ihre *) Der obige Aufsatz ist im Wesentlichen ein von der Re- daetion besorgter Auszug aus der Abhandlung des Herın Pro- fessor Walther: „Vergleichende Wüstenstudien in Transkaspien und Buchara.“ (Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin Band XXV, 1898.) Prof. Walther hat jedoch freund- lichst diesem von ihm wesentlich verbesserten Auszug die hier gebotenen Abbildungen beigefügt. Red. Wassermassen in den heiligen Strom. Wie prächtig: windet sich der gewaltige Fluss durch die bewaldeten Berge bei Samara, wie majestätisch erscheinen seine gelben Fluthen von dem Steilufer bei Kaschpur, wenn grosse Segelboote, erfüllt mit rotgekleideten Menschen, die breite Wasser- fläche beleben, wenn das westliche Ufer in weiter Ferne sich mit der ebenen Steppe vermählt. — Und diese ganze Wassermasse verdampft in der centralasiatischen Wüste, verschwindet in dem Kaspischen Binnensee. Kommen wir sodann hinüber nach den fruchtbaren Oasen von Merw, Buchara und Samarkand, so sind es wiederum verdampfende Flüsse, deren letzte Adern sich im Sande des Karakum verlieren. Und überschreiten wir auf der 5 km langen Holzbrücke die schlammigen Fluthen des Amu-darja, so ist es abermals ein verdampfender Fluss, der im Binnensee des Aral sein frühes Ende findet. Am 25. Mai 1897 wurde bei Kisilarwat der Bahn- damm durch das meterhoch heranbrausende Wasser eines Gewitterregens auf eine Länge von 400 Meter weg- gerissen, das ganze umliegende Land war von Wasser- fluthen überschwemmt, — aber alles versiegte und ver- dampfte, kein Tropfen erreichte das Meer. So wirkt das Wasser in den abflusslosen Regionen des Festlandes abtragend und transportirend. Aber wäh- rend in unserem Klima jedes Sandkörnchen nach langer Wanderung endlich dem Meer zugeführt, jedes gelöste Salztheilchen dem Salzgehalt des Oceans hinzugefügt wird, — sammeln sich in den Depressionen der Wüste alle diese mechanischen und chemischen Massen an, tiefe Thal- mulden füllen sich mit Conglomeraten, weite Ebenen be- decken sieh mit Flugsand, flache Becken füllen sich mit Gyps und Salzlagern. Geschiehtete und ungeschichtete Ablagerungen häufen sich an, und wir glauben, die Sedimente eines Meeres vor uns zu sehen, wäh- rend wir die Gesteine studieren, die in einem 238 festländischen Wüstengebiet gebildet worden sind. Charakteristische Wüstenerscheinungen treten uns in Trauskaspien überall entgegen: Hier liegt ein Fels- block, dessen Inneres eine grosse Höhlung zeigt, und der nur aus einer handbreiten Rinde besteht; dort überragt eine weit vorspringende Felsbank eine tiefe schattige Felsenbucht, und wie Eiszapfen hängen ge- bräunte groteske Felsenzaecken von ihrer Kante herab. Hier ist eine Felsenwand durch eine Reihe von länglichen Oeffnungen durchbrochen, die sich zu einem inneren Gang verbinden; dort erhebt sich ein riesiger Felsenpilz über seinem verengten Fuss. Kieselreiche Spongien in einem gelben Kalkstein sind mit dunkelbraunem Wüstenlack überzogen, herumliegende Kiesel sind durch den Sand- wind rundgeschliffen, oder ein klaffender Spalt trennt sie in zwei rebeneinander liegende Hälften, Wenn so dieselben Phänomene, wie sie die afrika- nischen und amerikanischen Wüsten bieten, auch in Central- asien auftreten, so müssen es hier wie dort dieselben Ursachen sein, die solche Ur- sachen hervorrufen. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Teer Ze XI. Nr. 21. Wird aber ein erwärmter Stein abgekühlt, so schrumpft die Oberflächenschicht zusammen und wird kleiner als der noch warme, innere Kern. Somit scheint die in der Wüste so oft beobachtete Abschuppung oder Desquama- tion durch Erwärmung zu entstehen, während die Bildung klaffender Sprünge eine Folge der Abkühlung sein muss. Livingstone beschreibt auch, dass in Südafrika nachts die Felsen krachend und polternd auseinander breehen, und in den texanischen Wüsten hat Steeruwitz dasselbe Phänomen mehrfach beobachtet. Bei weichen, marinen Sedimenten spielt aber naclı Schweinfurthı der Salzgehalt des Gesteins noch eine wichtige Rolle. Die beschatteten Grotten unter über- hängenden Felsen sind mit zahllosen, dünnen Gestein- splittern und Scherben bedeckt, die sich leieht ablösen lassen und den Boden der Grotte übersäen. Jeder dieser kleinen Splitter ist mit einer dünnen Salzkruste über- zogen, die, in einer Kapillarspalte auskıystallisirend, das Bruckstück gelockert und abgelöst hat. So haben die Temperaturunterschiede vorgearbeitet und ein reiches Material zarter Gesteinsfrag- mente geschaffen, das der vor- beistürmende Wind aufheben Von keiner Vegetation ge- schützt, ist in der Wüste der Erdboden den glühenden Sonnen- strahlen ausgesetzt, und wie der Spaltenfrost in unseren Breiten, so wirkt der Wechsel von mit- tägiger Hitze und nächtlicher Kälte in der Wüste auf die Gesteine ein. Um den Gang der Temperatur an der Ober- fläche besonnter Felsen mit den Wärmeveränderungen in der Luft zu vergleichen, hatte der und davontragen kann. Als solche „Deflations“-Erscheinun- gen müssen wir die seltsamen Formen der Felswüste be- zeichnen. Die Wirkung der Deflation lässt sich bei uns aus zwei Gründen schwer studieren. Erstens ist Deutschland fast überall zogen, der nackte Felsboden wird von Rasen, Haide, Moos, Verfasser Thermometer mit Angriffe des Windes geschützt, einem spiraligen Quecksilber- gefäss construiren lassen, und und durch die elastischen Pflan- zentheile wird seine Kraft über- stellte mittelst Messingpulver einen leitenden Contact zwischen Felsen und Thermometer her. Nebenstehende Figur 1 (aus dem Bull. des Soc. Imp. des Naturalistes de Moscou) giebt die Resultate einer am 25. September 1897 bei Perewal angestellten Beobachtungs- reihe wieder. Die Stundenzahlen von 5 Uhr Morgens bis 10 Uhr Abends stehen unten, die Temperaturen in C° links in dem Curvenbild. Die untere Linie giebt die Lufttemperatur, die Ziekzacklinie die Temperatur einer olivgrünen Dolomitblockes, die punktirte Linie die Tem- peratur des Sandes, die gestrichelte Linie die Temperatur eines hellen Lössbodens wieder. W. beobachtete während eines heftigen Ostwindes auf der Ostseite eines isolirten Hügels, und verlegte seine Beobachtungen um 1 Uhr nach der Westseite in den Windschatten. Sofort steigen die Temperatureurven um 5—7° ©. Also bewirkte der Wind eine dementsprechende Abkühlung von Felsen, Sand und Löss. Die Sonne ging um 5 Uhr 40 Minuten auf und um 5 Uhr 20 Minuten unter. Um 6 Uhr 30 Minuten sind alle Temperaturen schon unter die Lufteurve herabge- sunken. Nach einem heftigen Gewitterregen hat Ahnger eine Abkühlung der Luft von 50° auf 12° C. beobachtet; das dürfte einer Abkühlung der Felsen um mindestens 50° entsprechen. Wenn ein kalter Stein durch die Sonnenstrahlen er- wärmt wird, dann dehnt sich seine Oberflächenschicht aus und geräth in eine solche Spannung, dass sie sich wohl rindenartig abheben, aber niemals radial zerspringen kann. all gemildett. Dann aber ist bei uns der Wind fast stets der Vorbote oder Begleiter des Regens. In der Wüste liegt der Felsboden ungeschützt da, und beı sehönstem Sonnenschein erheben sich die furcht- baren Gluthwinde. Ihre Kraft ist unwiderstehlich, und alles lockere Material, das durch die Insolation auf ihren Weg ausgestreut wurde, deflatieren sie leicht und spielend. Am 27. September 1897 wanderte W. von der Station Perewal nach Norden. Es wehete bei schönstem, klaren Wetter ein Wind daher mit einer Geschwindigkeit von 300 m in der Minute. Auf der mit runden Kieseln über- säeten Lehmwüste fegte er jedes Sandkörnchen, jedes lockere Splitterchen hinweg, und indem er gleichzeitig die über dem Boden ruhende, 46° heisse Luftschicht mit sich riss, bildeten sich zahllose, aufsteigende Luftwirbel, welche die deflatirten Staubmassen in die Luft trieben. Von einem hohen Barchan nach dem persischen Grenz- gebirge blickend, konnte W. die Höhe dieser Staubzungen auf 300 m schätzen. : Im October 1896 wurden erbsengrosse Steinchen in solcher Menge gegen die Lokomotive der transkaspischen Bahn geschleudert, dass der Lacküberzug wie von Schroten zerschossen erschien. In den Jahren 1885 bis 1896 wurde zwischen Aidin und Balaischem der 7 m hoch gespannte Telegraphendraht mit einem Querschnitt von 4 mm durch den Sandwind bis auf 2,5 mm abgewetzt und auf manchen Strecken sogar keilförmig zugeschliffen. Wenn nun auch der Wind keine nuss- oder faustgrossen Steine aufheben mit Vegetation über-_ Flechte und Wald gegen’ die un m XII. Nr. 21. kann, so unterbläst er doch den sandigen Boden, auf dem sie liegen, und ist auf diese Weise im Stande, selbst grobes Geröll um wenige Millimeter zu rollen, und im Laufe langer Jahrhunderte selbst kiesbedeckte Ebenen in eine fliessende Bewegung zu versetzen. Besonders aber arbeitet er dem Wasser vor, indem er alle oberflächlich liegenden Kiesel rundet und freibläst, sodass eine geringe Menge Wasser hinreicht, um weite Kiesflächen in Fluss zu bringen. Man muss diese Erscheinungen wohl im Auge behalten, wenn man das befremdende Landschaftsbild der asiatischen Kieswüsten recht verstehen will. Viele Tage hatte W. die Kieswüsten Nord-Afrikas durchstreift und die flachundulierten Ebenen des Sserir studirt. Braune, rund geschliffene, speckig glänzende Kiesel bedeeken dort, alle Unebenheiten des Untergrundes verhüllend, den anstehenden Felsen. Jahrtausende lang haben Insolation und Deflation ein mächtiges Schichten- system zerstört und alles Weiche, Leichte davon getragen. Nur die härteren Bestandtheile blieben zurück. Bald sehen wir 10 m lange, versteinerte Holzstämme zwischen den Kieseln des grossen, versteinerten Waldes, bald reiten wir im Uadi Ssannur über ein Pflaster thalergrosser Nummu- liten, bald bedecken riesige Austern den Boden der Wüste bei Abu Roasch. In den Wüsten von Arizona, NeuMexico und Texas waren Kiesflächen weit verbreitet, aber nicht durch Abtragung, sondern durch Aufschüttung entstanden. Die riesige Ebene zwischen van Horn und der Sierra Diablo im Transpeeos-Distriet ist auch eine Kieswüste; aber beim Bohren eines Brunnens er- reichte man in 1050° noch nicht den anstehenden Fel- sen; Kies und Sand bildeten die Ausfüllung eines grossen, tiefen Beckens. Die Kies- wüsten Transkaspiens sind Wannen. Die Station Dschebel liegt, von sandigen Hügeln um- geben, einsam in der weiten Pforte zwischen dem Grossen und dem Kleinen Balehän. Die Ausschachtung am Bahnhof gab 2 m tief feinen Sand. Eine Ebene auf dem Wege nach dem Grossen Balehän Fig. 2, der in einer Entfernung von 20 km mit 1600 m hohen, senkrechten Steinwänden aus der sanft ansteigenden Kieswüste emporragte, war ziem- lich reich bewachsen. Wohl waren die niedrigen Wüsten- kräuter dürr und standen nur vereinzelt, wohl traf man mitten darin gänzlich pflanzenfreie Flächen; aber wenn man vom Rücken des Dromedars seinen Blick frei über die weite, vollkommen ungegliederte Fläche schweifen liess, so war es doch die düstere, braune Farbe der ver- dorrten Kräuter, die das Landschaftsbild beherrschte. Der sandige Boden von der Bahnlinie veränderte zu- sehends seine lithologische Beschaffenheit. Immer zahl- reicher wurden die runden Steine, und gröberes Geröll bildete langgestreckte, flache Felder zwischen feinerem Kies. Schmale, tiefe Schluchten zerschnitten die Felsen- mauer des Gebirges, und aus jedem dieser Thäler drang, wie ein Gletscher, ein mächtiger Steinstrom hervor. An der Mündung der Schlucht quollen die Schuttmassen zu einem riesigen Delta empor, dann gabelte sich der Sehuttkegel wie ein breiter Fächer, seine zerfurchten Kies- rippen verflachten sich zusehends und flossen wie ein weicher Teig in die breite, ebene Kieswüste unmerklich hinüber. | Fig. Schuttkegel am Fuss des Grossen Balchän. ebenfalls solche ausgefüllte Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 239 Je näher dem Gebirge, desto grösser wurde das Durch- schnittsmaass der Gerölle, und die Wassergräben der Kirghisen, ebenso wie eine neuangelegte, russische Wasser- leitung boten reichliche Gelegenheit, um die innere Struetur der Kieswüste zu studiren. Von wohlgeschichteten Sanden bis zu ungeschichteten Kieslagern fanden sich alle Ueber- gänge, und mancher Durchschnitt hätte einen eifrigen Glacialisten an Moränen erinnern können. Gelbe Sand- scehiehten enthielten Schnüre von kleinem Geröll, mächtige Lehmlager wechselten mit groben Kiesbänken. Lange Zungen von gerundeten oder entkanteten Steinen keilten zwischen sandigen Thonen aus, und ihre Querschnitte bildeten seltsame Linsen mitten in feinkörnigen Sedi- menten. Um die prächtig aufblühende Hauptstadt Askabad mit gutem Wasser zu versorgen, hat man am Fuss der nahen Gebirge eine Brunnenbohrung angelegt. — Leider in der Kieswüste! 660 m tief reieht die Bohrung, olıne anstehendes Gestein gefunden zu haben. Das Profil zeigt einen beständigen Wechsel von Kies, Sand und Lehm, und es ist zu befürchten, dass auch eine Weiterführung der Bohrung nur von wissenschaftlichem Werth sein wird. Regenwasser und Wind führen den Schutt des Ge- birges aus den felsigen Schluchten heraus, breiten ihn über die Ebene, und je mehr man sich von dem Fuss der Gebirge entfernt, desto mehr löst der Wind das Wasser ab, desto mehr verwandelt sich die Kies- wüste in die Sandwüste. Ein breites Band von Lehm- wüste bildet eine vermit- telnde Uebergangszone. Da, wo die periodisch 2. oder dauernd fliessenden Wasser versiegen, lagern sich die feinsten Schlamm- teilchen und die chemisch gelösten Salze ab; deshalb sind Lehmwüste und Salz- steppe auf das engste verbunden. In dem Maass, wie der Salzgehalt des Bodens zunimmt, verschwindet die Vegetation, und endlich entstehen jene seltsamen Takyr- böden, die längs der transkaspischen Bahn mit ihrer silbergrauen Fläche jedem Reisenden in die Augen fallen. Im Frühjahr, wenn der Schnee im Gebirge schmilzt, wenn heftige Regengüsse die Ebenen tränken, da spriesst und blüht eine reiche Flora auf der Lehm- steppe empor. Tulpen und Schwertlilien, Colehieum, Bongardia, Leontice, farbenprächtige Mohne und elegante Delphinien prangen im herrlichsten Blüthenschmuck. Schwärme von Zugvögeln beleben die Steppe, und die Herden der Turkmenen finden reiche Nahrung. Dann kommt der Sommer mit seiner Hitze, und matt und dürr sinken die Blüthen zusammen. Der dürre Lehmboden tritt wieder zu Tage, und nur graugrüne Artemisien er- füllen die trockene Luft mit ihrem balsamischen Duft, und Alhagi camelorum bringt etwas Abwechselung in die eintönige Färbung des Bodens. Wo aber das Salz im Boden sich anreichert, da ge- deihen üppige Felder von Salicornia herbacea. Ihre zartgrünen oder fleischrothen Blüthen umkränzen mit heiteren Farben den silbergrauen Teppich des Takyrs, den scharfe Trockenrisse in polygonale Felder zer- schneiden und dabei die ausgezeichnete Schiehtung der ganzen Ablagerung enthüllen. Die Fussspuren der letzten Zugvögel bleiben die einzigen Zeichen des Lebens, und 240 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 21. bald zaubert nur noch die Fata Morgana trügerische Wasserspiegel auf die leblose Wüste. Manche Wasseradern bringen nur wenig Schlamm, dafür aber chemisch gelöste Salze nach den flachen Senken der abflusslosen Gebiete. Hier entstehen Salzseen und Gypslager. Von hohen Sanddünen rings umgeben, liegt glatt und weiss wie eine frischbeschneite Eisfläche der Salzsee bei Mullahkara, Fig. 3. Tausende von Centnern Salz werden in jedem Jahr daraus gewonnen und durch lange Kameel-Karawanen nach der Bahn gebracht, aber immer ersetzt sich das Salz, immer wieder strömen salzige Zu- flüsse der Wanne zu. Ein Kranz grünen Busehwerks um- zieht einen Theil des Ufers. Ginster- artige Ephedra-Bäume, Binsenbestände und stachelige Akazien bilden eine dichte Hecke; dazwischen erheben sich hell- grüne Tamarisken. Ihre elegant berab- hängenden Aeste tragen eine rothe kommen zwei benachbarte Barchäne so nahe aneinander, dass sie seitlich verschmelzen, und solche Zwillings- und Drillings-Barchäne lagen überall zwischen den Einzeldünen. Alle diese Barchäne von modellartiger Figur waren durch einen Nordwind gebildet und öffneten ihre Sichel- bucht nach Süden, als ein heftiger Südsturm sich erhob und ungeheure Sandmassen durch die Luft jagte. Auf 50 Schritt konnten W. und seine Begleitung sich zu Pferd nicht mehr sehen, heftig schmerzten Gesicht und Hände, und nachdem sie eine charakteristische Sicheldüne genau markirt hatten, wurde in dem nahen Gehöft Schutz vor dem Sandtreiben gesucht. Nach einer Stunde ritt die Gesellschaft wieder nach den Dünen. Noch immer war die Sonne verdunkelt und lange musste gesucht werden, ehe in dem wilden Sandsturm die markirte Düne wiedergefunden wurde. Jetzt war die Form der Sicheldüne vollkommen Blüthentraube, fein und zart wie eine Marabufeder. Hier bedeckt schwarzer, nach Schwefelwasserstofft riechender Schlamm den Boden des Salzsees, an anderen Stellen überzieht ihn eine blendendweisse Kruste schöner Salz- krystalle. Dichte Schwärme von Artemia salina treiben sich in der Mutterlauge herum, und bisweilen ist das Salz sogar röthlich gefärbt von den darin einge- schlossenen Krebschen. Ein zweiter Salzsee in der Nähe ist bedeckt mit einer dichten Salzdecke, blendendweiss wie frischge- fallener Schnee. Unregelmässige Oeffnungen lassen an manchen Stellen erkennen, dass auch auf dem Boden Salzkıystalle ausgeschieden werden. Der graue Lehm- boden ist ganz gespickt mit eleganten Gypsdrusen, die wie das Salz immer aufs neue entstehen und plötzlich an einer Stelle erscheinen, wo man sie früher nicht be- merkt hat. Während des ganzen Sommers weht über die Kara- kum ein von Norden kommender Wind. Sandwolken treibt er vor sich her, und wo sich am Boden ein kleines Hinderniss findet, da bildet sich rasch ein flacher Sandhaufen von schildför- miger Gestalt — die Urdüne. Ein alter Buchariot, der sein kleines Gütchen am Kasak Hanim-Kurgan Fig. 3. Salzsee bei Mullahkara. verändert, die scharfe Kante war ver- schwunden, die spitzen Sichelarme ab- gerundet, und eine kleine, bandartige Abdachung, nach Norden gerichtet, schlang sich quer über den Sandhügel hinweg. Die Sichelarme hatten sich um 15 em, die Mitte der Bucht um - 10 cm verschoben, der Dünenrücken aber war um 50 em nach Norden ge- wandert. Es wurde dem Verfasser jetzt eine Erscheinung klar, die er bei seiner Fuss- wanderung durch die 48° heissen Dünen bei Perewal beobachtet hatte, ohne eine Erklärung dafür zu finden, und die in viel prächtigerer Weise einige Tage später das Sandmeer der Karakum zeigte. Wenn man von einer hohen Sanddüne umherblickt über das gelbe Sandmeer, das bis zum fernen Horizont nach allen Seiten zu fluthen scheint, wenn ein Dünenberg hinter dem andern auftaucht und das Auge wie auf hoher See nirgends einen Ruhepunkt findet, dann kann es dem Beobachter nicht entgehen, wie die Einzelform dieser unzähligen Sicheldünen auch im Ge- sammtbild der Dünenlandschaft zum Ausdruck kommt. Blickt man, dem herrschenden Wind entgegen, nach Norden, dann erscheinen in pa- rallelen Zügen die seitlich ver- schmolzenen Zwillings-Barchäne wie bei Murgak bebaut, erzählte, dass zu Lebzeiten seines Grossvaters vor etwa 60 Jahren der erste Flugsand zwischen seinen Feldern erschienen sei. Jetzt legt sich eine lange Sandwehe von 2 m Höhe an die Gartenmauer, und nahe bei dem Gehöft liegen auf dem ebenen Lehmboden über 100 Sicheldünen in allen Stadien der Entwieckelung. ‚Die flache, schildförmige Urdüne bildet wieder selbst ein Hinderniss für den herantreibenden Sand, der da ent- lang läuft, wo er die wenigsten Widerstände zu über- winden hat. Demgemäss wachsen am Vorderende des Sandhaufens zwei sich immer mehr verlängernde Siehel- arme heraus. Der Sand rollt über den flachen Rücken entlang und fällt dann an dessen Kopf hinab. So bildet sich im Profil durch die windgetriebenen, rollenden Sand- körner ein mit 10° flach ansteigender Rücken, durch die abfallenden Sande aber eine unter 35° scharf abgesetzte Stirn, und der Grundriss des flachen, eiförmigen Sand- haufens verwandelt sich in eine 35 Sehritt breite und 33 Schritt langgezogene Halbmondgestalt — die typische Sicheldüne Fig. 4, der turkestanische Barchän ist fertig. Oft Fig. 4. Bogendüne (Barchän). flachgewellte Bogenlinien hinterein- ander. Ihre Front stürzt steil zur Tiefe ab, und aus vielen dieser Sandthäler wachsen ‚kleine, grüne Oasen von Ephedra, Calligonum, Anabasis, Ammodendron empor. Schaut man nach Süden, dann glaubt man zahllose, runde Sandkuppen zu sehen, eine taucht hinter der anderen auf, und alle Vegetation scheint verschwunden bis auf ein- zelne, hellgrüne Büsche von Aristida purgens oder den dünnen Stamm eines Ammodendron, dessen zarte Zweige wie ein Springbrunnen auf den Sand herabhängen. Am interessantesten aber erscheint das Sandmeer, wenn wir seine Conturen im Profil nach Osten und Westen betrachten. Dann glaubt man: ein in Bewegung befindliches Meer zu sehen. Wie breite, glatte Dünungs- wogen heben sich die schwerfälligen Sandwellen empor und branden in die Tiefe hinab, — eine durch Insolation zertrümmerte und durch Deflation flüssig gewordene Fels- masse. Oft legen sich viel Barchäne seitlich aneinander, dass ein langer Wellenkamm entsteht, und wenn das ganze Jahr eine Windrichtung vorherrscht, dann verwandeln sich XIII. Nr. 21 ohne Zweifel die Barchänreihen der Karakum in die regelmässigen, langgestreckten Sandkämme, wie sie aus der Libyschen Wüste bekannt sind. In der Karakum kommt es nicht dazu, denn im October beginnt der Wind aus Süden zu wehen. Bei Murgak war W. Zeuge dieses Umschlagen des Windes gewesen und hatte mit eigenen Augen den Beginn der Formveränderung an den Bar- ehänen studiren können. Bei der zweiten Durchfahrt durch die Sandwüste von Repetek war der Process schon weiter vorgeschritten: die Dünen waren umgekrempelt, ihre Kante war nach Norden umgeschlagen; die beob- achteten Erscheinungen sind gesetzmässig. Während des ganzen Sommers herrscht nämlich ein nach Osten abgelenkter Nordwind. Unter seinem Einfluss bilden sich die Tausende der nach Süden geöffneten Sicheldünen. Viele verschmelzen seitlich mit einander und würden sich in lange Sandberge, ähnlich den Küsten- dünen verwandeln, wenn nicht Ende October der Süd- wind einsetzte. Die Barchäne krempeln sich um, und von November bis Ende Januar wan- dert der umgeschlagene Dünen- kamm über seinen eigenen Rücken - hinweg 12 m nach Norden. Würde der Winterwind dem Sommerwind genau parallel sein, so könnten die seitlich verschmolzenen Bar- cehän-Reihen gemeinsam nach Norden wandern; aber die Wind- abweichung von 10° bedingt es, dass sich die Ketten trennen und im Januar neu gruppiren. Mit Februar setzt der Nordnordost- wind ein und treibt den Dünen- kamm wieder zurück. Da er stärker und länger weht, kann Jetzt die-Düne-18 m-wandern, so dass in jedem Jahr ein Ueberschuss von 6 m Sand von dem Bahndamm entfernt werden muss. Es ist zu er- warten, dass die jetzt begonnene Bepflanzung eines 5 km breiten Streifens neben der Bahn diesem gefährlichen und kostspieligen Sandtreiben Einhalt thut. Zahllose Flüsse und Bäche versiegen im Sandmeer. und wenn sie schlammiges Wasser führen, bildet sich eine fruchtbare Oase mitten im Sande; enthalten sie ge- löste Salze, dann entsteht dort ein Salzsee oder ein salz- reicher grauer Takyrboden. Bei Repetek bilden sich aus dem gypshaltigen Grundwasser einer flachen Senke inner- halb des Sandmeeres prachtvolle Drusen fingerlanger Gypskrystalle, die immer wieder wachsen, wenn man den Boden von ihnen befreit hat. Nur ein Fluss durehschneidet ungestraft die Karakum und findet erst im Aral-See sein frühes Ende. Der alt- berühmte Oxus oder Amudarja. In zahllosen Wirbeln strudelt und gurgelt das schlammige Wasser mit reissen- der Geschwindigkeit. Feingeschichtete Schlammbänke im Strom verändern jedes Jahr ihre Gestalt, und bei Hoch- wasser drängt seine Fluth so gewaltig an das rechte Ufer, dass bei Farab 8000 Menschen Tag und Nacht ar- beiten mussten, um die gefährdeten Dämme zu schützen. Der Fluss drängt in 20 Jahren etwa 1 Werst nach rechts. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Fig. 5. Lösswan«l (an der Basis auskeilende Zungen von Kies) Nahe dem Ruinenfeld von Chiviabad, 241 Diese Thatsache kann zwar nicht die vielbesprochene Hypothese beweisen, dass der Oxus in historischer Zeit in den Kaspi geflossen sei, denn um die 300 km breite Fläche von dorther zu durchwandern, würde er rund 15 000 Jahre gebraucht haben. Aber eine andere Er- scheinung findet hierin ihre Erklärung: Das Sandmeer zwischen Merw und dem Oxus ist 200 km breit, rechts vom Fluss folgt abermals eine Sandzone von 100 km, und auf beiden Ufern hat der Sand dieselbe Beschaffen- heit. Wenn der Sand jedes Jahr 6 m nach Süden wan- dert und gleichzeitig der Fluss nach Nordosten drängt, so muss der Sand in irgend einer Weise das Oxus-Bett überschreiten. Und da die Breite des Flusses ein direetes Hinüberfliegen des Sandes unmöglich macht, ist unabweis- bar, dass die am rechten Ufer losgerissenen Sandmassen eine Strecke lang stromabwärts getrieben und am linken Ufer wieder abgesetzt werden. Dort beginnt der Wind den unterbrochenen Transport aufs neue und treibt den ge- reinigten Sand wiederum in hohen Sicheldünen nach Süden. Wie eine gelbe Stratuswolke verhüllte der Wüstenstaub tage- lang den Horizont, Staubwolken lösten sich von der Steilwand des Kubadagh ab und wirbelten lustig hinaus über die blaue Meeres- bucht, Staubnebel zogen wie flak- kernde Flammen über die Lehm- steppe bei Perewal, Staubtromben drehten sich langsam über die von der Mittagssonne erhitzte Ebene. Am Fuss des Kopet-dagh und in der Umgebung von Samarkand sind die Staubmaterialien als 20 m hohe Lössmassen aufge- schiehtet und in zahllosen, guten Aufschlüssen der Untersuchung zugänglich. Was Ferdinand von Richthofen von dem Osten Central-Asiens beschrieben hat, trifft Wort für Wort auf Turkestan zu. Ungeschichtete, gelbe Lehm- wände, von vertikalen Klüften durchzogen, von senk- rechten, engen Thalschluchten zerschnitten, sind oft so fest diagenetisch verkittet, dass das Gestein mit muscheli- gem Bruch unter dem Hammer klingt. Lössschnecken fand W. nicht, Wurzelröhrehen sind häufig, und lange Zungen von Geröll keilten sich bei der Ruinenstadt Chiviabad, nahe der persischen Grenze, im ungeschichteten Löss aus. (Fig. 5.) Dass der Löss durch Deflation von den Felsen ab- getragen, dass er äolisch abgelagert wird, ist heute nicht mehr Gegenstand der Diskussion. Aber unter welchen Umständen erfolgt der Niederschlag des Staubes ? Sinkt er nur durch seine Schwere zu Boden, ist Regen und Thau dabei wirksam, wird dieser Vorgang durch die meteorologischen Umstände beschleunigt oder verlang- samt? Am frühen Morgen wird die stauberfüllte Luft klar und durehsichtig, und man erkennt in den sich sen- kenden Staubnebeln der centralasiatischen Steppe den Anfang jener Vorgänge, die am Rand der lebensfeind- lichen Wüste blühende Oasen und fruchtbares Gartenland erzeugen. Einen Beitrag zur Fauna der Binnengewässer der Canarischen Inseln giebt Dr. Jules Richard in den „Compt. rend. hebd. de l’Acad. des Se.“ 1898, I. Hälfte, S. 439. Die niederen Thiere dieser Fauna waren bisher ganz unbekannt; die Reisenden Alluaud und Chevreux haben sich speciell dieser vernachlässigten Gruppen an- genommen und bei ihrem Aufenthalte auf den Canarischen Inseln vom November 1889 bis zum Juni 1390 viele davon gesammelt. Die Bestimmung ergab zunächst einen Phyllo- poden, Artemia salina L. Von Cladoceren wurden 242 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 21. 12 Arten resp. Varietäten gefunden, darunter als neue Art Alona Alluaudi Rich., die eine der grössten Formen ihrer Gattung darstellt, da sie fast 1 mm lang wird. Ferner ist von Cladoceren neu eine Varietät von Daphnia similis Cls., welche Richard Alluaudi nennt und die eine beträchtliche Grösse erreicht, bis 4,8 mm, ohne den Schwanzdorn, der oft allein 3 mm misst; übrigens wurde auch die Art Daphnia similis Cls., die bisher nur von Syrien und Palästina bekannt war, gefunden. An Cope- poden wurden gefunden 6 Cyelops, 1 Diaptomus und 1 Canthocamptus; die Art palustris G. Brady der letzteren Gattung war nur aus höheren Breiten bekannt, von Eng- land und Südfrankreich, sie wurde in dem Salzsee von Januvio auf Lanzarote nachgewiesen. Von ÖOstracoden wurde die interessante Form Cypris bispinosa gefunden, und von Rotiferen 3 Arten, darunter das merkwürdige Pedalion mirum, das in Schwärmen von Millionen vorkam. Aus der Gruppe der Bryozoen wurden Statoblasten der Gattung Plumatella gefunden. Die Canarischen Inseln sind vulkanischen Ursprungs; sie haben nie untereinander oder mit dem Festlande zu- sammengehängt. Dureh die Vögel und durch den Wind werden die Eier der Thiere von anderen Gewässern dort- hin verschleppt worden sein. Vorherrschend ist der Süd- ostwind, der mitunter diehte Sandwolken oder auch Heu- schreekenschwärme nach den Inseln führt, was leicht erklärbar ist, da die Inseln Lanzarote und Fuertefentura nur etwa 100 Kilometer von der Küste Marokko s entfernt liegen. Es ist deshalb anzunehmen, dass die jetzt auf den Canarischen Inseln nachgewiesenen Wasserthiere später auch in den benachbarten Regionen Afrikas ge- funden werden. S. Sch. Ueberwinterung der Schmetterlinge. — Schon früher („Naturw. Wochenschr.* 1896, S. 480) berichteten wir über die Untersuchungen des französischen Entomologen G. de Rocequigny-Adanson aus Moulins (Allier) be- treffend die Ueberwinterung der Schmetterlinge. Jetzt veröffentlicht der Genannte einen neuen Beitrag zu dieser Frage in dem Februarheft der „Feuille des Jeunes Na- turalistes“ 1898. Seine Beobachtungen, die bis 1887 zurückgehen, beziehen sich diesmal nur auf den Citronen- vogel, Rhodocera rhamni L. Wie schon in dem früheren Referat ausgeführt war, erklärt sich das Erscheinen der „Redactionsschmetterlinge“, der „Frühlingsboten“ ganz einfach auf die Weise, dass manche unserer Schmetter- linge den Winter als völlig entwickeltes Inseet an ge- schützten Orten bei uns zubringen und gelegentlich dureh Sonnenschein oder warmes Wetter verloekt werden, ihr Versteck zu verlassen. Den Citronenvogel konnte Roc- quigny an folgenden Wintertagen beobachten: 1857: 4. Februar 1891: 20. Februar 1895: 18. März 1888: 8. März 1892: 30. Januar 1896: 11. Februar 1589: 9. März 1593: 21. März 1597: 18. Februar 1890: 5. Januar 1894: 1. März 1598: 16. Januar. Der Citronenvogel ist überhaupt einer der wenigen Schmetterlinge, welche das ganze Jahr hindurch bei uns gefangen werden können. In einer weiteren Tabelle giebt Roequigny für die einzelnen Monate die Tage an, an welehen er den Schmetterling beobachtet hat: 16. Januar 1898 8. Mai 1892 13. September 1588 19. Februar 1896 5. Juni 1857 12. October 1897 21. März 1895 6. Juli 1894 16. November 1890 9. April 1889 10. August 1895 5. December 1891 Indem die „Revue seientifique“ vom 5. März 1898 über diese Arbeit Roequigny’s referirt, nimmt sie Ge- legenheit, einige andere Fälle von Ueberwinterung der Schmetterlinge mitzutheilen, welehe ihr zum Theil durch ihre Leser berichtet worden sind. Darnach ist auch der Trauermantel, Vanessa antiopa L., häufig im Winter zu beobachten, und zwar trifft man nur Männchen; es scheint, dass die Weibehen eine längere Zeit zu ihrer Entwicke- lung gebrauchen und den Winter noch als Puppe zu- bringen. Ebenso scheint es mit dem Tagpfaucnauge, Va- nesso jo L., zu sein, welches Landois mitten im Winter unter einem Epheublatte sitzend fand. Auch in Nordamerika sind, wie Seudder in seinen grossen Werke „The Butterflies of the Eastern United States and Canada“ angiebt, eine grosse Anzahl über- winternder Schmetterlinge festgestellt, so fast alle da- selbst vorkommenden Vanessa-Arten, ferner Eugonia jJ-album, Aglais milberti, Hypatus bachmanni, Junonia caena, Callidryas eubule, Xanthidia nieippe u. a. — Viele amerikanische Schmetterlinge überwintern im Raupen- stadium gleich unseren Bärenraupen, indem sie sich in Schlupfwinkel zurückziehen oder indem sie ein besonderes diehtes Winternest herstellen, wie es z. B. die Arten der Gattung Basilarchia tlun, von denen sich jede Raupe einzeln einspinnt; die Raupen der Gattung Euphydryas dagegen benutzen zur Ueberwinterung gemeinsam das Nest, in dem sie geboren sind, sie sitzen dann alle in der Mitte des Nestes, an dessen Aussenseiten sie trockene Blätter festgesponnen haben. Scudder nimmt an, dass von den nordamerikanischen Schmetterlingen wenigstens der vierte Theil, wenn nicht die Hälfte, im Raupen- zustand überwintert; manche dieser Raupen sind beim Eintritt des Winters erst vor kurzer Zeit aus dem Ei ge- schlüpft und haben noch gar keine Nahrung zu sich ge- nommen, andere dagegen sind schon ziemlich weit ent- wickelt. S. Sch. Bestimmt gerichtete Umbildung der Kalkkörper im Hautskelett der Holothurien. — Je weiter die ver- gleichende Betrachtungsweise auch auf scheinbar unter- geordnete Eigenschaften der Organismen ausgedehnt wird, je eingehender wir uns mit deren ontogenetischen und phylogenetischen Umwandlungen beschäftigen, um so nothwendiger wird es anzuerkennen sein, dass die Ge- staltung der Formen, die Entstehung der Arten nicht auf zufällige Abänderungen gegründet sein kann, deren weiteres Schicksal das Ergebniss natürlicher Zuchtwahl ist, sondern dass es sich um Vorgänge handelt, die Eimer mit Recht als „organisches Wachsen“ bezeichnet. Denn der Grund dieser „Organophysis“ liegt wie der des persönlichen Wachsthums in der Constitution des Organismus, und die treibenden Ursachen sind dieselben, welche auch das persönliche Waehsthum bedingen. Dieses „organische Wachsen“ äussert sieh, wie wir sehen, überall in der Umbildung der Organismen nach wenig bestimmten Richtungen in der Orthogenesis. Wir beobachten aber, dass sich nicht nur die auf- fälligen Artkennzeichen, wie sie uns z. B. in der Flügel- zeichnung der Schmetterlinge entgegentreten, gesetzmässig umbilden, wir finden eine solche orthogenetische Gestaltung auch bei Merkmalen, die sich der makroskopischen Be- trachtung durch ihre Kleinheit vollkommen entziehen, wie uns z. B. die Entwickelung der Seulptur auf den Flügeln der Käfer am besten beweist; und gerade darin, dass die Gesetze der Organophysis auch hier ihre Geltung be- halten, liegt die Bedeutung der Lehre vom „organischen Wachsen“. Von grosser Wichtigkeit für die von Eimer vertretenen entwiekelungstheoretischen Auffassungen dürften die neuen Untersuchungen über das Hautskelett der Holothurien sein. Bekanntlich ist die Lederhaut der Scewesen sowohl in der Körperwand als auch in der XIM. Nr. 21. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 243 Wand der Tentakeln, Ambulacren, Füsschen und Ambu- lacralpapillen von einer grossen Menge mikroskopisch kleiner Kalkkörper durchsetzt, welehe der Haut eine festere, derbere Beschaffenheit verleihen und als Schutz- mittel gedeutet werden. Diese Kalkkörperchen sind von sehr wechselnder Gestalt und erscheinen in Form von Rädehen, Stäbehen, Anker - Gitterplatten, Stühlchen, Schnallen, Rosetten ete., lassen sich indessen trotz ihrer Veränderliehkeit auf eine gemeinsame Grundform zurück- führen, die einen sehr kurzen Stab, welcher an beiden Enden zu diehotomischen Verästelungen neigt, darstellt. Da nun die Gestalt dieser Kalkkörper und die Art ihres Zusammenvorkommens für die Unterscheidung der Species von Bedeutung ist, so wurde von Seiten der Systematiker dem Hautskelette der Holothurien von jeher grössere Aufmerksamkeit geschenkt. Es ergaben nun die Unter- suchungen verschiedener Forscher ganz übereinstimmend, dass die Kalkkörper der Holothurien während des per- sönlichen Waehsthums ihrer Träger keineswegs eine be- stimmte Form beibehalten, sondern eine durchgreifende Umwandlung erfahren und Stadien durchlaufen, welche für die Vertreter anderer Arten eharakteristisch sind. So besitzen z. B., wie Hjalmar Ostergren (Upsala 1896, Zur Kenntniss der Subfamilie Synallactinae ete. in Fest- skrift för Lilljeborg) beschreibt, die Jungen der Meso- thuria intestinalis (Ascan) stühlehenförmige Kalk- körperchen, welche den erwachsenen Exemplaren gewisser anderer Arten ähneln, ja sogar wie die Kalkkörper von Holothuria seabra gäg. jenen ganz entsprechen können. Diese interessanten Beobachtungen zeigen somit, dass der Zusammenhang der verschiedenen Gestalten der Kalkkörper des Holothurienskelettes mit der stäbchen- förmigen Grundform nicht zufällig, sondern in ihrer Genese begründet ist. Allein auch über die Art und Weise, wie sich die Umgestaltungen im Hautskelett der Holothurien vollziehen, geben die Untersuchungen Ostergrens Aufschluss. Diese Verwandlung der Kalkkörperchen ist entweder eine con- tinuirliche, d. h. es entsteht während des Wachsthums eine ununterbrochene Serie von Zwischenformen, die den zuerst gebildeten Kalkkörper mit dem des definitiven Skelettes verbinden, oder aber, es bleiben die zuerst ent- standenen Kalkkörper in grösserer oder geringerer Zahl eine Zeit lang neben den neuen bestehen und lösen sich erst allmählich auf. Ich habe sehon darauf hingewiesen, dass die Gestalt der Kalkkörperchen im Skelett der Holothurien als gutes systematisches Merkmal besonders zur Unterscheidung der Arten betrachtet worden ist. Es wird sich nun fragen, ob, nachdem wir die Variabilität dieser Skeletttheile während ihres persönlichen Wachsthums kennen, die auf- gestellte Artenzahl nicht bedeutend kleiner werden wird. Die von Östergren beobachteten Beziehungen der bisheı als getrennte Arten angesehenen Holothurien M. impatiens (Forsk) und aphanes Lamp. lassen jedenfalls darauf schliessen, dass die neuen Befunde die Systematik der Holothurien nicht nur wesentlich zusammenhängender, sondern auch einfacher gestalten werden. Ostergren beobachtete drei aus dem rothen Meer stammende Exemplare der Holothuria aphanes Lamp. von 35—45 mm Länge, die winzig kleine oder überhaupt gar keine Geschlechtsorgane hatten. Bei einer dieser Seewalzen waren die Stühlchen unversehrt, bei einer anderen ermangelte die Haut gänzlich der Kalkkörper und bei dem Dritten fanden sich neben ganz unversehrten Stühlehen andere, die mehr oder weniger aufgelöst waren. Da es aber ausgeschlossen war, dass das Sehwinden der Kalkkörper durch eine im Alkohol vor- handene Säure hätte verursacht sein können, so musste angenommen werden, dass die Kalkresorption von Leuko- cyten verursacht worden war, wie es bei regenerirenden Individuen anderer Arten beobachtet wird, und dass das in dieser Weise aufgelöste Hautskelett später durch ein neues, anders beschaffenes ersetzt werde. Diese Beob- achtung führte Ostergren zu der Vermuthung, dass H. aphanes ein Jugendstadium einer anderen Art sein könnte, und zwar sehr wahrscheinlich der ebenfalls im rothen Meere gemeinen H.impatiens. Zu Gunsten einer solehen Erklärung sprachen, wie weitere Untersuchungen ergaben, die Anordnung der Füsschen bei kleinen Exem- plaren der H. impatiens, sowie deren Farbe und sonstige anatomische Merkmale. Nur die Kalkkörper im Skelett beider Arten zeigten wesentliche Unterschiede, und zwar befanden sich die Kalkkörper der H. impatiens auf einer höheren Entwiekelungsstufe (Schnallenbildung), als die der H. aphanes. Diese grossen Verschieden- heiten in der Beschaffenheit des Hautskelettes würde in- dessen nach Ostergrens Ansicht die Zusammengehörig- keit der H. aphanes und impatiens keineswegs aus- schliessen, sondern nur darauf hindeuten, dass die von H. aphanes neu gebildeten Kalkkörper dieselbe Ent- wiekelungsrichtung einschlagen, die in der Phylogenie schon längst beobachtet worden ist. Merkwürdig und neu bleibt bei der Metamorphose der H. aphanes, dass die Haut dieser Holothurie eine Zeit lang, wenn auch wahrscheinlich nur kurz, der Kalkkörper völlig ermangelt. Die endgültige Lösung der Frage, ob die H. aphanes wirklich nichts anderes als ein Jugend-Zustand der H. impatiens ist, dürfte wohl erst dann zu erwarten sein, wenn über den Aufbau der Kalkkörper der H. im- patiens nähere Untersuchungen vorliegen werden, Immerhin genügen schon die heute bekannten Thatsachen über die Metamorphosen des Hautskelettes der Holothurien, um zu zeigen, dass auch diese in der Cutis der Echi- nodermen verborgenen Gebilde des Organismus den Ge- setzen der Organophysis folgen, indem sie, wie Eimer sich ausdrückt, im wahrsten Sinne des Wortes im Laufe der persönlichen Entwickelung wie auch im Laufe der Stammesgeschiehte aus ursprünglich gleicher Masse herauskrystallisiren, unbeeinflusst durch Zuehtwahl oder Nutzen, deren Wirksamkeit hier von vornherein aus- geschlossen ist. Auch für die Erklärung, dass die Trennung der Organismenkette in Arten durch Stehen- bleiben auf einer bestimmten Stufe der Entwickelung — dureh Genepistase — erfolgt, kann kein besseres Beispiel gefunden werden, als es uns in der Entwieke- lungsgeschiehte der Holothurien an die Hand gegeben wird. Dr. M. v. L. Die Möglichkeit einer Witterungsprognose für längere Zeit im voraus wird im Märzheft der „Meteoro- logischen Zeitschrift“ dureh Dr. Wilhelm Meinardus für einen speziellen Fall nachgewiesen. Der betreffende Aufsatz*), die eingehendere Bearbeitung eines am 2. No- vember 1897 im Berliner Zweigverein der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft gehaltenen Vortrags, knüpft an eine Arbeit von O. Pettersson**), die im August 1896 veröffentlicht wurde und auch in dieser Zeitschrift (Bd. XI S. 568) eingehend besprochen worden ist. Pettersson hatte aus einer 21jährigen Beobachtungsreihe der Wassertemperaturen an den drei norwegischen Küsten- *) Dr. W. Meinardus: „Ueber einige meteorologische Be- ziehungen zwischen dem Nordatlantischen Ocean und Europa im Winterhalbjahr.“ ##) Q. Pettersson: „Ueber die Beziehungen zwischen hydro- graphischen und meteorologischen Phänomen.“ Meteorologische Zeitschrift Bd. XIII, S. 285. 244 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. RHETANEWET. stationen Udsire, Hellisö und Ona eine Reihe wichtiger | 35jährigen Beobachtungen beim Schluss des Winters (Fe- Resultate abgeleitet, von denen die beiden folgenden für Meinardus am wichtigsten sind: 1. Die Temperaturkurven der Meeresfläche verlaufen für die Monate December, Januar, Februar, März, April einerseits und Juli, August, September andererseits ähnlich. 2. Die Lufttemperatur ‘zeigt in allen Monaten mit Ausnahme vom October, November und December, sowie auch im Mai und Juni eine mehr. oder weniger aus- geprägte Tendenz, den Schwankungen der Meeres- Temperatur zu folgen. Pettersson folgerte daraus, dass man aus der Tem- peraturabweichung des Meereswassers im December einen Schluss auf die Abweichung der Lufttemperatur Skandinaviens während der folgenden Monate mit grosser Wahrsehemlichkeit ziehen könne und somit den Charakter bruar und März) und Beginn des Frühlings (März und April) in Mitteleuropa zum Ausdruck zu kommen pflegt. *) Für Berlin z. B. fand sich das Resultat, dass die Februar- und März-Temperatur in 92 °%, und die März- und April- Temperatur in 36°, der Fälle im gleichen Sinne gegen das Vorjahr variirte, wie die November-Januar-Temperatur in Christiansund. Für Kopenhagen und Königsberg er- gaben sich noch günstigere Resultate (92 und 92 bezw. 97 und 83°/,), während für Christiansund selbst die ent- sprechenden Zahlen nur 80 und 71 °/, waren. Das erste wichtige Gesetz, das Meinardus aufstellt, lautet daher: „Einer hohen (niedrigen) Temperatur des Golf- stroms an der norwegischen Küste im Vorwinter (November-Januar) folgt gewöhnlich eine hohe (niedrige) Temperatur in Mitteleuropa im Nach- winter (Februar-März) und Vorfrühling (März- des Winters April). IE a er der Sehnee- KA EL RV lichen Ergeb- decke, das sul SI niss suchte erste Aufblü- N nun Meinar- hen der Pflan- dus auch an- zen, den Be- dere Factoren ginn der Land- in die Betrach- a Er W. ft M Rn Erbil. zum egen- 7 ühren. Er bil- stand einer e dete zunächst Sn nn in a reichen Pro- ruckdifferen- gnose zu ma- zen zwischen chen im Stan- Thorshavn auf de sei; es ist den Faröer- dabei freilich Inseln und zu beachten, Stykkisholm dass die Prog- auf Westis- nose sich nicht land für den auf absolu- Zeitraum Sep- te Werthbe- tember - De- stimmungen, cember der d. h. auf die Jahre 1867 bis Abweichungen Be Ed hie von der nor- glich die jähr- malen Tem- Fig. 1. lichenSchwan- peratur er- kungen der strecken kann, sondern nur auf relative, d. h. auf die Abweichungen von der entsprechenden Temperatur des Vorjahres. Meinardus hat nun dies interessante Resultat in sehr bedeutsamer Weise erweitert, wenngleich auch er nur die gleichsinnigen Aenderungen der Temperaturkurven berücksichtigen kann, ohne über die absoluten Beträge der Schwankungen Angaben zu machen. Schon Anfang 1897 hatte er in einer Voruntersuchung *) die Pettersson’schen Resultate auch für Centraleuropa zu verwerthen gesucht. Da die Beobachtungen der Wasser- temperaturen an der norwegischen Küste aber nur bis zum Jahre 1874 zurückreichten, zog er statt deren die Lufttemperaturen von Christiansund zum Vergleich heran, deren Gang — abgesehen von der viel grösseren Ampli- tude — nahezu mit dem der Wassertemperaturen über- einstimmt, und die schon seit 1861 regelmässig beobachtet werden. Das Resultat der Nachforschung war, dass der Temperaturcharakter zu Beginn des Winters (November, December und Januar) in Christiansund auf Grund von *) Dr. W. Meinardus: „Ueber eine neue Methode der Voraus- bestimmung des allgemeinen Witterungscharakters längerer Zeit- räume.“ „Naturw. Rundsch.“ XII S.105 und „Wetter“ XIV S. 32. gefundenen Werthe mit denen der Temperatur Mittel- europas in den darauf folgenden Monaten Februar-März. Mit einer einzigen Ausnahme verliefen die Schwankungen stets in gleichem Sinne. Da jedoch die Luftdruckbeobachtungen in Thorshavn nur bis 1867 zurückreiehten, Meinardus aber eine längere Reihe von Jahren zu überblicken wünschte, so wählte er für die eingehendere Bearbeitung die zwei Stationen Kopenhagen und Stykkisholm, bildete deren Luftdruck- differenzen für die Monate September bis Januar (wobei die Mittel der 5 Monate jedesmal zu einem einzigen zu- sammengezogen wurden) und verglich deren jährliche Sehwankungen in der Zeit 1846—1892 (47 Jahre) mit dem Gange der März- und April-Temperatur an mehreren mitteleuropäischen Stationen in dem gleichen Zeitraume., Das Ergebniss war ein überaus günstiges: nur in dem Zeitraum von 1857—1864 zeigten sich häufigere Ab- weichungen, während die sonstige Uebereinstimmung im Gange beider Faetoren an mehreren Orten eine absolute *) Die Combinationen der Monate sind überall solche, die nach einigen Zusammenstellungen und Rechnungen die günstigsten Resultate lieferten. RTTTE NIE ZUF Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 245 war. Die folgende Tabelle giebt in Prozenten ein Bild der Uebereinstimmung für verschiedene Orte, wobei die erste Kolumne sich auf den ganzen Zeitraum 1846 — 1892 bezieht, während die zweite die Jahre 1857 -1864 ausschliesst : 18 \50 1855 48 \60 13165 481% 1875 48180 4885 48,90 IS mm IOnmm N YI. L? ep h | je a iR II I LS RN In la ww N } \ nr ‚ 1 N N ı ! H v Y D \ ‚N! Y „0 \ ya = 1 a y vn „N [Wl 0° \ 18150 1I55 1Bl0o lbs NET 175 1880 ABS 18190 Fig. 2. I. Wassertemperatur im December (Norwegische Küste). — II. Lufttemperatur November—December (Christiansund). — IH. Luft- temperatur Februar—März (Berlin). — IV. Lufttemperatur März—April (Berlin). — V. Lufttemperatur November— Januar (Christian- sund). — VI. Luftdruckdifferenz September—December (Thorshavn-Stykkisholm). — VII. Luftdruckdifferenz September— Januar (Kopenhagen—Stykkisholm) — VIII. Lufttemperatur März—April (Kopenhagen) 246 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Kopenhagen . . 94 100 St. Petersburg 82 92 IKielahr aan :940. 1100 Wien ea 82 Berimeee 3595100, Aachen . . . SO 89 Bremen . ...8 97 Fatisem. Breslau. al 97 Moskau ses! Siuieant 5) 95 Genie Tees Deipziesn 73285 95 München . . 77 81 Königsberg . . 85 95 Ne © 0 oo (eh 95 Fig. 1 giebt eine klare Darstellung, wie gross die auf den ganzen Zeitraum sich beziehende Ueberein- stimmung ist und wie sie sich geographisch vertheilt. Dies überaus bemerkenswerthe Ergebniss präeisirt Meinardus zu folgendem Gesetz: „Je grösser die Luft- druckdifferenz zwischen Dänemark und Island im Zeitraum September (oder November) bis Januar ist, um so höher ist die Temperatur des Golfstroms und der norwegischen Küste in demselben Zeit- raum (November bis Januar), um so höher ist ferner die Lufttemperatur in Mitteleuropa in dem darauf folgenden Zeitraum Februar bis April.“ Fig. 2 zeigt in graphischer Darstellung welche über- raschende Aehnlichkeit die verschiedenen, genannten Fak- toren in ihrem Gange aufweisen. Die Thatsache, dass in dem Zeitraum 1857—1864 sich mehrere Ausnahmen von der sonst fast immer be- stätigten Regel finden, sucht Meinardus durch den Hin- weis darauf zu erklären, dass die genannte Zeitepoche nach Brückner eine sogenannte Trockenperiode ist, in weleher — wie schon Brückner hervorhebt — der Zutritt oceanischer Luft zum europäischen Festland stark ge- hemmt wird. Da nun — ebenfalls nach Brückner — der Eintritt derartiger Trockenperioden sich etwa alle 35 Jahre wiederholt, so würden die letztvergangenen Jahre wieder eine ähnliche Stellung einnehmen müssen wie die Zeit von 1857—1864. Und thatsächlich scheint diese Vermuthung be- stätigt zu sein, denn während von 1867— 1890 die Luftdruck- differenz Thorshavn-Stykkisholm in ihren Schwankungen stets übereinstimmte mit denen der Februar- und März- Temperatur in Berlin, war der Gang seit 1891 schon in vier Fällen ein entgegengesetzter. Darnach würden wir uns gegenwärtig wieder am Ende einer Trockenperiode befinden*), und so dürften gerade für die nächsten Jahr- zehnte wieder vortreffliche Bestätigungen der Meinardus- schen Theorie zu erwarten sein. Im laufenden Jahre 1597/98 ist, worauf Herr Dr. Meinardus den Ref. nach- träglich hinzuweisen bat, die Uebereinstimmung wieder eine in jeder Beziehung ausgezeichnete. Meinardus versucht auch eine Erklärung der Er- scheinung zu geben, doch soll hier nicht darauf einge- gangen werden, da sie im Wesentlichen nur für den Fach- meteorologen Interesse hat und ausserdem nur als pro- visorisch angesehen werden kann. Der praktische Werth dieser neuen Methode lässt sich einstweilen noch nicht mit voller Sicherheit ermessen. Zweifellos bahnt die Meinardus’sche Theorie ganz neue Wege für die Meteorologie; auch wird sie sich wohl noch in mannigfacher Weise variiren und verbessern lassen. Jedenfalls scheint damit die erste sichere Methode zur Bestimmung des Witterungscharakters für längere Zeit im voraus gewonnen zu sein, und man darf sich der Hoffnung hingeben, dass dies neue For- schungsergebniss in den nächsten Jahren seine Feuerprobe gut bestehen wird. H. Stykkisholmnur 56 60 *) Thatsächlich haben sich seit 1892 die Perioden lange an- dauernder, grosser Trockenheit in Mitteleuropa auffallend gehäuft: die bedeutendsten derartigen Perioden fanden statt im März und April 1893, März und April 1894, August und September 1895 und October 1897 bis Januar 1898, H. ATI: “Nr!'24. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Professor Dr, A. Bantlin zum Professor für Eisenbahnmaschinenbau und Kinomatik an der technischen Hochschule in Braunschweig; der ausserordentliche Professor der physiologischen Chemie in Neapel Dr. P. Malerla zum ordent- lichen Professor; Dr. H. M. Fernando zum Director des neuen Bacteriologen-Instituts in Colombo; Professor H. C. Bumpus zum Director des Laboratoriums der Unit. States Fish Comm. Station in Wood’Hall; Jenvresse zum Professor der technischen und Agrikultur-Chemie in Besangon; Dubois zum ausserordentlichen Professor der Chemie in Clermont; Matignon zum Docenten der mineralogischen Chemie in Lille; Dr. H. W. M. Tims zum Pro- fessor der Zoologie am Bedford College; Dr. Charles R. Barnes zum Professor der Pflanzenphysiologiv in Chicago; Harold Heath zum ausserordentlichen Professor der Zoologie an der Stanford University; Surgeon-Major David Prain zum Director des König- lichen Botanischen Gartens in Caleutta. Berufen wurden: Dr. Olt als Docent für pathologische Anatomie an die thierärztliche Hochschule in Hannover; Dr. Krügel in Grünberg in Schlesien als Assistent an das chemische Laboratorium nach Breslau; Assistent Dr. Tretzel an der land- wirthschaftlichen Versuchsanstalt in Karlsruhe als Assistent I. Ord- nung an die königliche Untersuchungsanstalt für Nahrungs- und Genussmittel in Würzburg; Dr. A. L. Bolk als Professor der Anatomie nach Amsterdam; Professor H. L. Callendar in Mon- treal als Quain-Professor der Physik ans University College in London; Dr. Blaxland Benham in Oxford als Professor der Biologie nach Otago auf Neu-Sceeland. Es habilitirten sich: Der bisherige ordentliche Professor der Philosophie in Königsberg Dr. Günther Thiele für Philosophie in Berlin; Dr. Diekmann aus Hamburg für Chemie in München. Niedergelegt hat sein Amt der Direetor des Königlichen Botanischen Gartens in Caleutta Sir George King. Es starben: Der ausserordentliche Professor der Chirurgie in Jena Dr. Ludwig Schillbach; der Berliner Nervenarzt Dr. Georg Rosenbaum; der Zoologe Jose d’Anchietä in Caconda; der Professor der Biologie und Geologie vom Agri- eultural College in Ontario J. Hoyes Panton; der Botaniker Professor Kirk in Neuseeland; der Professor der Physik und Astronomie an der Colby University W. A. Rogers in Water- ville Me; der Geologe und Mineraloge James J’Anson; der bekannte Geologe Jules Mareou in Cambridge, Massachusetts; der Geologe Dr. John Sharson Hyland, F. G. S. in Elmina (West-Afrika). Litteratur. Dr. Adolf Stöhr, Letzte Lebenseinheiten und ihr Verband in einem Keimplasma. Vom philosophischen Standpunkte be- sprochen. Leipzig und Wien. Franz Deuticke, 1897; 208 S. — M. 5. In dieser Arbeit werden die wichtigsten vorhandenen Hypo- thesen über die kleinsten Einheiten der lebenden Materie vom formalen Standpunkte auf ihre logische Zulässigkeit beziehungs- weise Unentbehrlichkeit geprüft und Vortheile sowie Nachtheile der einzelnen Hypothesen hervorgehoben. Die Einleitung ist der logischen Untersuchung der philo- sophischen Berechtigung der Hypothesen auf dem Gebiete der Biologie gewidmet. Der erste Haupttheil des Buches beschäftigt sieh mit der Frage der letzten Lebenseinheiten als solcher noch ohne Rück- sicht auf einen Verband derselben in einem Keimplasma. Die letzten Lebenseinheiten werden vom unterzeichneten Verfasser in anatomisch-letzte und in physiologisch-letzte unterschieden. Die anatomisch-letzten Einheiten sind Bau-Einheiten der Materie, welche auf die Baueinheit des Moleeüles folgen, sowie die Bau- einheit des Moleeüls auf die Baueinheit des Atomes. Physio- logisch-letzte Lebenseinheiten (eigentliche Lebenseinheiten) hin- gegen sind diejenigen Theilchen, welche in der absteigenden Richtung vom Organismus zum Atome zum letzten Male, in der emporsteigenden Richtung vom Atome zum Organismus zum ersten Male die Eigenschaften der Assimilation, des Wachsthums und der Selbsttheilung zeigen. Diese Eigenschaft und nieht die Baustufe wird zum begriffsbildenden Merkmal der physiologisch- letzten Lebenseinheit gewählt. Anatomisch-letzte und physio- logisch-letzte Lebenseinheiten decken sich niemals begrifflich und wahrscheinlich mitunter auch nicht sachlich. Unter Festhaltung dieser Unterscheidung werden insbesondere folgende Con- structionen untersucht: C. Nägeli’s Micellarhypothese, Spencer's physiologische Einheiten, Darwin’s Gemmulahypothese, die Pan- gene de Vries’, Weismann’s Biophoren, Galton’s stirps, Nägeli’s Idioplasma, Haackes Gemmarienlehre, Haeckels Plastidüle, Altmann’s Bioblasten und Wiesner’s Plasomenlehre. Der Verfasser acceptirt den Plasomenbegriff, weil dieser lediglich XIII. Nr. 21. durch die Lebenseigenschaften als begriffsbildendes Merkmal ge- halten wird und bezüglich der Baustufe keine bindenden Vor- aussetzungen macht. Wo immer zwischen der Einheit des Atomes und der Einheit des Organismus an einer Einheit zum ersten, beziehungsweise zum letzten Male die Eigenschaften der Assi- milation, des Wachsthums und der Selbsttheilung angetroffen werden mögen (und irgendwo muss dies sein) ebendort werden die ersten (beziehungsweise letzten) Lebenseinheiten sein. Die Stelle in der Hierarchie der Baustufen ist Nebensache. Zum Schlusse des ersten Haupttheiles bringt der Verfasser seine eigenen Auschauungen über die Möglichkeit, Assimilation, Wachsthum und Selbsttheilung an den letzten Lebenseinheiten als einen identischen Process vorzustellen, der nicht im gewöhnlichen Wortsinne chemisch genannt werden kann, sondern dem vor- bereitenden Theile nach einem Mittelgebiete zwischen Moleeular- physik und Chemie angehören würde. Die ehemische Affinität zwischen zwei Atomen heterogener Molecüle solle nämlich noch ausreichen, diese Moleceüle in bestimmter Orientirung einander zu nähern und festzuhalten, wobei die Molecüle mit denjenigen Atomen einander zugekehrt sind, welchen das Maximum chemi- scher Affinität zukommt. Eine eigentliche chemische Action selbst finde dabei noch nicht statt. Der Vorgang sei nur analog der Krystallbildung, bei welcher die bestimmt gerichtete Anziehung zwischen homogenen Molecülen stattfindet. Komme aber ein drittes, viertes, .. . ntes Moleeül zu diesem Paare hinzu, so kann mit dem Eintritte des... nten bestimmt gerichteten Molecüles die Bedingung erfüllt sein, unter welcher eine echte chemische Action eintritt Das Problem selbst wird an dem Beispiele der Granulose uud des Traubenzuckers durch hypothetische Con- stitutionsformeln und Lagenverhältnisse veranschaulicht. Im zweiten Haupttheile wird die Frage nach den logischen Vortheilen der Annahme eines festen Verbandes von letzten Lebenseinheiten in einem Keimplasma erörtert. Hier steht im Vordergrunde der Besprechung Weismann'’s Id-Lehre. Der Ver- fasser unterscheidet das Wesentliche des Grundgedankens eines festen Verbandes von dem Nebensächlichen der exemplifieirenden Ausführungen und entscheidet sich nach eingehenderer Abwägung der Gründe für die Annahme eines festen Verbandes. Allerdings hält er es für nicht unbedingt nothwendig, dass ein fester Verband der für eine ganze Ontogenese hinreichenden Anlage angenommen werde; es genüge auch der feste Verband für einen Anlagentheil; für ein soge- nanntes Protomorph. Mehrere freibewegliche und gleiehwerthige Protomorphe können sich am Beginne einer Ontogenese durch polare Moleeülanziehung zu einer Anlage für einen ganzen Or- ganismus aneinanderreihen und dadurch zu fixirten Anlage- segmenten werden, deren weitere Differeneirung von epigeneti- schen Faetoren abhängen würde. Soweit die Frage des festen Verbandes mit dem Probleme der Vererbung, der Stabilität, Variation und Mutation der speeifischen Organisation untrennbar verbunden ist, werden auch diese Probleme in die Untersuchung einbezogen. Dr. Adolf Stöhr. Bernhard Nordahl, Wir Framleute. Lieutenant Hjalmar Johansen, Nansen und ich auf 86° 14‘, Mit 86 Abbildungen und 4 Chromotafeln. Autorisirte Ausgabe. F. A. Brockhaus in Leipzig 1898. Der dicke Band wird als „Supplement“ zu Nansen’s Werk „In Nacht und Eis“ (vergl. „Naturw. Wochensehr.* 1897 S. 202 bis 203) ausgegeben, sodass das Gesammtwerk nunmehr 3 um- fangreiche Bände umfasst. Der von Nordahl verfasste Theil „Wir Framleute“ bringt insofern eine wesentliche Ergänzung als in demselben von einem der Theilnehmer an der ganzen Fahrt der Fram, nachdem Nansen dieselbe mit seinem Begleiter Jo- hansen zu seinem kühnen Eis-Marsch in Richtung des Nordpols verlassen hatte, die Schicksale der Fram eingehend schildert. Der zweite, von Johansen gebotene Theil ist der umfangreichere (S. 197— 512), obwohl durch Nansen’s Bericht in den beiden vor- ausgehenden Bänden gerade die Wanderung übers Eis schon aus- führliche Darstellung gefunden hat. Diesem muthigen Wagniss gebührt aber auch eine Beleuchtung nach allen Seiten hin, die gefehlt hätte, wenn nicht der einzige, treue Begleiter Nansen’s ebenfalls seine Eindrücke und Auffassungen der durch die Natur bedingten bis zu einem gewissen Grade eintönigen und dabei doch dadurch, dass es fühlende Menschen betrifft, dauernd in- teressanter und mannigfacher Erlebnisse ebenfalls persönlich ge- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 247 Schlieht, einfach und naturwarm berichten die beiden Verfasser über ihr Leben und Treiben und dasjenige ihrer Gefährten, ohne jede theatralisch und phantastisch aufgeputzte Weise, zu der Er- zähler eigenartiger und ungewöhnlicher Erlebnisse sonst so leicht verführt werden, sodass die Wahrhaftigkeit des Gebotenen offen und ohne weiteres dem Leser entgegenblickt. Da das Wesentliche der epochemachenden Reise allgemein bekannt geworden ist, wollen wir uns mit dieser kurzen Anzeige des vorliegenden Bandes begnügen, der sicherlich ebenfalls all- seitig das grösste Interesse finden wird. W. Marshall, Im Wechsel der Tage. Monatliche Thierbelusti- gungen. 2. Vierteljahr. Verlag von A. Twietmeyer in Leipzig (ohne Jahreszahl) 1898. — Preis 2 M. Der vorliegende Theil (April, Mai und Juni) umfasst die Seiten 141-304. Er bietet eine leichte und zu Beobachtungen in der freien Natur anregende und belehrende Leetüre, die dem Naturfreund genehm sein wird. Die flotte Schreibweise Marshall’s, die namentlich aus seinen prächtigen „Spaziergängen eines Natur- forschers“ her — und zwar hoffentlich Vielen — bekannt ist, dürfte das vorliegende Schriftehen besonders geeignet machen, auch solehe für eine eingehendere Beschäftigung mit der freien Natur zu gewinnen, die in demselben mehr aus Neugierde an dem Einzelnen lesen als aus Streben nach zusammenhängendem Wissen. Auf jeden Fall erwerben sich gute und gut geschriebene, populäre Schriften ein grosses Verdienst durch bequeme Ein- führung in die Naturwissenschaften. Dr. E, Vogel, Praktisches Taschenbuch der Photographie. Ein kurzer Leitfaden für die Ausübung aller gebräuchlichen photo- graphischen Verfahren für Fachmänner und Liebhaber, 5. ver- mehrte und verbesserte Auflage. Mit vielen Abbildungen und einem ausführlichen Sachregister. Berlin 1898. Robert Oppen- heim (Gustav Schmidt). Die vorliegende neue Auflage dieses photographischen Vademeeums, dessen allgemeiner Vorzug eine instructive Berück- sichtigung der bei den verschiedenen Processen obwaltenden Ur- sachen und Wirkungen bildet, enthält alle seit der letzten Aus- gabe auf dem immer weiter sich ausdehnenden Gebiete der Licht- bildkunst bekannt gewordenen Neuerungen, wie solche namentlich das bei aller gebotenen Kürze ebenso belehrend wie verständlich behandelte Kapitel über „Objeetive“ aufführt. Eine weitere, für den strebsamen Dilettanten sehr-sehätzbare Bereicherung des Inhaltes sind die Angaben über Anfertigung von „Diapositiven“, diesem für den Anschauungsunterricht bereits unentbehrlich gewordenen Hilfsmittel, sowie über die ver- schiedensten Druckverfahren und die Selbstherstellung der dazu nöthigen Papiere. Die Anzahl der Textillustrationen hat dem vermehrten Inhalt entsprechend ebenfalls eine angenehme Be- reicherung erfahren. W. Pütz. Friedrich, Gust., Am stillen Ocean. Erlebnisse in Honduras, Kalifornien und Alaska. Berlin. — 2 M. Heim, Prof. Oberstabsarzt ä l. s. Dr. Ludw., Lehrbuch der Bacteriologie mit besonderer Berücksichtigung der baeteriolo- gischen Untersuchung und Diagnostik. Stuttgart. — 16 M. Krafft-Ebing, Prof. Dr. R. v., Psychopathia sexualis mit be- sonderer Berücksichtigung der conträren Sexualempfindung. Eine klinisch-forens. Studie. Stuttgart. — 9 M. Briefkasten. Dr. H. — Genaue, internationale Vorschriften über die Ein- richtung meteorologischer Stationen I. Ordnung existiren nicht; vielmehr weichen die einzelnen Staaten in ihren Anschauungen darüber, welche Instrumente für eine Station I. Ordnung noth- wendig sind, nieht unwesentlich ab. Unbedingtes Erforderniss ist jedenfalls das Vorhandensein eines Thermographen und Baro- graphen ausser den üblichen, andren Instrumenten. Internationale Verhandlungen über den Gegenstand finden Sie in den Berichten der internationalen Meteorologen-Congresse in Wien (1873) und Rom (1879). Um sich über das Wesen der norddeutschen Stationen l. Ordnung zu orientiren, nehmen Sie am besten die Veröffent- lichungen soleher Stationen (z. B. Hamburg, Potsdam, Bremen, schildert hätte. Wir erhalten so ein volles, lebensprühendes Bild Aachen, Magdeburg) selbst zur Hand. — In den betreffenden einer so eigenartigen Reise, wie diejenige ist, die Nansen’s be- | Jahrgängen von „Himmel und Erde“ ist der vermuthete Aufsatz wundernswerthe Energie zu Wege gebracht hat. nicht enthalten. H. Inhait: Johannes Walther: Ueber die Formen der asiatischen Wüste. — Bin Beitrag zur Fauna der Binnengewässer der Canarischen Inseln. — Ueberwinterung der Schmetterlinge. — Bestimmt geriehtete Umbildung der Kalkkörper iin Hautskelett der Holothurien. — Die Möglichkeit einer Witterungsprognose für längere Zeit im voraus. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. Adolf Stöhr, Letzte Lebenseinheiten und ihr Verband in einem Keimplasma. — Bernhard Nordahl, Wir Framleute. Lieutenant Hjalmar Johansen, Nansen und ich auf 86° 14. — W. Marshall, In Wechsel der Tage. — Dr. E. Vogel, Praktisches Taschenbuch der Photographie. — Liste. — Briefkasten. 248 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. RL Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Photozrarkische Stativ- und Hand- un Gameras. Gediegene Ausstattung. 5” Sämmtliche Bedarfsartikel. =% Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Victoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges). Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! r 1 Neues Princip für Massenbetheiligun Grosse Vortheile! an industriellen Unternehmungen. . u ——— = Neuheiten - Vertrieb. — Neu aufgenommen; Durchführung des Buttenstedt- schen Flugprineips B (von zwanzig namhaften Gelehrten unterstützt) und Errichtung einer Versuchs- station für Flugzwecke. Internationaler Verein zur rationellen Verwerthung von Erfindungs-Patenten. Eingetragene Genossenschaft mit be- "BERLIN. 5.0.26, * schränkter Haftpflicht. Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jeles Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, partieipirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabrieirten Artikel. Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. PIIIIIITIITITITITTIIIT Gans & Goldschmidt, Berlin N., Auguststr. 26. Elektrotechnische Anstalt und mechanische Gebrauchte Gasmotoren DAMPF: und DYNAMO- Werkstätten. Spezialität: Elektr. Messinstrumente, MAS CH INE N z } Normal-Elemente, Normal- und Praeci- = i de sionswiderstände, nach den Modellen der garantirt betriebsfähig Physikal. Techn. Reichsanstalt. — Normal- Volt- und Amperemcter, Spiegelgalvano- in. allen Grössen :sotort: lieierbar: meter, Physikalische Lehrmittelapparate Elektromotor, c.. b.H. Einrichtung von Laboratorien. Schilibauerdamm 21 Berlin NW. [PTYYIYIYTIIIITIIIIITT Dünnschliff-Sammlungen für praktische mikroskopische Uebungen. Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller wichtigen Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. Rosenbusch „Mikroskopische Physiographie der massiven Gesteine“ Stutt- gart 1896. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste gedruckte Beschreibung, derart, dass der Lernende die einzelnen Gemengtheile der Gesteine makroskopisch und mikroskopisch erkennen und bestimmen kann. Sammlungen von je 120, 180 und 250 Dünnschliffen in elegantem Etui je Mk. 150, Mk. 225, bez. Mk. 325. Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen Handstücken. (Format 8, >< 11 em.) je Mk. 250, Mk. 390, bez. Mk. 575. Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer genauen mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate und für die richtige Auswahl von charakteristischem Material garantirt werden kann. Dr. F. Krantz, Rheinisches Mineralien - Contor. Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel, Geschäftsgründung 1833. Bonn a./Rh. Geschäftsgründung 1833. CIYYXNILEIIIIIITZIIIIIIIZIIIIIIIIIIIYYY] von Poncet Glashütten-Werke 54, Köpnickerstr. BERLIN SO,, Köpnickerstr. 54. Fabrik und Lager ı aller Gefässe und Utensilien für chem., pharm., physical., electro- u. a. techn. Zwecke. KETITTI KT IT IT TI IT T Gläser für den Versand und zur Ausstellung naturwissenschaftlicher Präparate, Preisverzeichniss gratis und [ranco. KATIIT III TI TT III II III TY I XIII. Nr. 21. KITIITETTTTIII III TTITIITT) Das optische Institut \2 von Paul Wächter Berlin - Friedenau empfiehlt als Spezia- litäten seine Mikroskope nhotogr Ojektiv u Preislisten gratis und franko. RIEF CET FE SER RT Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Über geographische Ortsbestimmungen olıne astronomische Instrumente. Von Prof. Dr. P. Harzer, Director der Herzoglichen Sternwarte zu Gotha. Mit einer Tafel. (Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik.) Hempel’s Klassiker -Ausgaben. RÄT TTTTTTTTTI bester und bewährter PATENTBUREAU Ulrich R. Maerz 53 Seiten Lex. 8. — Preis 1.20 M Jnh: c. Schmidtlein Ingenieur Berlin NW., Luisenstr. 22. Gegründet. 1878. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. ‚Patent- Marken -u. Musterschutz Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandl. EESESTSTSPSESPSTS Cari Zeiss, — Optische Werkstaette — Jena. Mikroskope mit Zubehör. Mikrophotographische Apparate. Photographische Objective. Mechanische und optische Messapparate für physikalische und chemische Zwecke. Neue Doppelfernrohre für Handgebrauch. Astronomische Objective und astro- optische Instrumente. &) Cataloge gratis und franco. IT Verantwortlicher Redaeteur: Dr. Henry Potoni6, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ERIL Rn = un SS Redaktion: aft Forschung »ufgiebt an weltum« fassenden Ideen und an locken- den Gebil ten der Phantasie, wırd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke.t, der ihre Schöpfungeu schmückt, Schwend Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Bringegeld bei der Post 15 „9, extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. aut m m Sonntag, den 29. Mai 1898. Der Vierteljahrspreis ist AM 4.— T | Nr. >22. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Weitere Beiträge zur Kenntniss der Thierfährten in dem Rothliegenden Thüringens. Von Dr. Wilh. Pabst, Custos am Herzoglichen Museum in Gotha. *) Il Theoretisehes. — Trockenrisse der Fährten- platten. Seit dem Erscheinen meiner letzten Veröffentlichung in dieser Zeitschrift (Bd. XII, No. 27) über die „Thierfährten in dem Rothliegenden von Tambach, Friedrichroda und Kabarz in Thüringen“, sind theils von mir an der bekannten Fund- stätte in dem Oberrothliegenden von Tambach, theils von Herrn O0. Scheller-Eisenach in dem mittleren Rothliegenden von Kabarz und Friedrichroda so zahlreiche neue Fährtenfunde gemacht worden, dass mir heute ein reiches Material der ver- schiedenartigsten Fährten aus dem Rothliegenden Thürin- gens zur Untersuchung zur Ver- fügung steht, da auch Herr Scheller mir die wissenschaft- liche Bearbeitung seiner in- zwischen in den Besitz des Herzoglichen Museums in Gotlıa übergegangenen Fährtenfunde Thierfährten und bringe dabei die in No. 8, Bd. XII dieser Zeitschrift veröffentlichte „Terminologie“ zur An- wendung. Gleichzeitig wird mir dadurch Gelegenheit gegeben, ausser den in No. 48, Bd. XI dieser Zeitschrift veröffentlichten Fährtenplatten, eine weitere Anzahl mit Ichnium sphaerodactylum aus dem reichen Schatz der Tam- bacher Fährtenfunde zu ver- öffentlichen. Dabei möchte ich auch an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass das Herzogliche Mu- seum in Gotha seine Doubletten der „Tambacher“ Fährtenplatten durch Vermittelung der Mine- ralien-Niederlage der Kgl.Sächs. Bergakademie zu Freiberg i. S. zu Originalpreisen abgiebt. Beabsichtigt ist mit dem Ver- kauf nur zur Deekung der nicht unerheblichen Kosten beizu- tragen, welche die stete Auf- sicht der Fundstätte in Tam- bach und die wissenschaftliche Bearbeitung der dortigen Funde verursachen und die überzäh- ligen Fährtenfunde den inter- essirten Kreisen zu „angemes- in liebenswürdiger Weise ge- Bu nt senen“ Preisen zugänglich zu stattet) hat. Es ist.beabsichtigt, _ IChninin spbasrodastyium, Tambach, Kinzeltährtereief eines: machen. Das: Herzogliche. Mu- in einer Reihe von Aufsätzen die Ergebnisse dieser Unter- suchungen in kürzeren Originalmittheilungen zu veröffent- lichen. — Heute beginne ich einleitungsweise mit einigen theoretischen Beiträgen zur Untersuchung „fossiler“ *) Vergleiche diese Zeitschrift: Bd. XI, No. 48. Bd. XII, No. 8 und No. 27. seum hat es nämlich seit der Entdeckung der Tambacher Fährten als seine Aufgabe aufgefasst, ihre Fundstätte systematisch auszubeuten und sämmtliche Funde einer wissenschaftlichen Controle zu unterziehen, um ein möglichst vollständiges Bild von dem Vorkommen dieser interessanten Thierfäbrten zu gewinnen. Dem Verfasser ist daher die Aufsicht der Fundstätte behördlicherseits übertragen und Naturwissenschaftliche Wochenschrift. ZT. "Nr. 22, Te a 0 ee ihr Pächter eontraetlich verpflichtet worden,' Fährtenplatten nur an das Herzogliche Museum in Gotha abzugeben, weshalb solche auch nur von ihm durch Vermittelung der Mineralien-Niederlage in Freiberg zu erhalten sind. — So gelangten bis heute „Tambacher Fährtenplatten“, ausser ins Ausland, nach Berlin (Universität), Darmstadt (Museum), Dresden (Museum: 3 Platten mit Fährten des I. u. II. Typus), Eisenach (Forstlehranstalt), Frankfurt a. M. (Senkenberg. Museum), Graz (Johanneum), Groningen (Universität), Halle (Universität: 5 Platten mit Fährten des I. u. I. Typus), Helmstedt (Landwirthschaftsschule), Hildesheim (Römer Mu- seum), Leipzig (Univer- sität: 3 Platten mit beiden Fährtentypen), Magdeburg, (Museum: 3 Platten mit desgel.) Rostock (Universität), Stuttgart (Museum) und Wien (Museum: 2 Platten mit beiden Fährten- typen). — Theoretisches. Bei der Untersuchung „fos- siler* Thierfährten, die erfahrungsgemäss bei weitem am häufigsten und deutlichsten als „Reliefs“ auf den Fähr- tenplatten ausgebildet sind, muss man sich zu- nächst darüber völlig klar sein, dass die Ein- zelfährtenreliefs dem Beschauer den Abdruck der Fusssohlen der Fährtenthiere zukehren. Unschwer ergiebt sich dies aus der Entstehung der fossilen Fährtenre- liefs. In einem Boden, der aus bildungsfähiger, schlammiger Gesteins- masse bestand, haben die Fährtenthiere mit ihren Gliedmaassen Ein- drücke hervorgerufen: die „eigentliche Fährte“ hinterlassen, die man füglich als die der Zeit nach erste Bildung einer fossilen Fährte als „po- sitiv“ bezeichnen könnte. Hat alsdann über die ursprüng- liche Oberfläche ein Erguss weicher, später erhärtender Gesteinsmasse stattgefunden, so werden Theile von ihr auch die Einzelfährteneindrücke ausgefüllt und somit „Reliefs“ dieser gebildet haben, die man als der Zeit nach zweite Bildung als „negativ“ zu bezeichnen hätte. Diese Reliefs müssen aber naturgemäss die Abdrücke der Fusssohlen der Fährtenthiere sein. — Aus dieser Thatsache ergiebt sich dann ohne Weiteres die für das Verständniss der Einzelfährtenreliefs sehr wichtige Folgerung, dass bei den Reliefs einer vor- wärtsschreitenden Einzelfährte die erste Zehe einer rechten Einzelfährte rechts, die einer linken links vom Beschauer liegen muss, bei dem Relief einer auf den Beschauer zuschreitenden Einzelfährte dagegen bei einer rechten Einzelfährte links, bei einer linken rechts von ihm. Leicht kann man sich mit Hilfe der rechts links gehörigen „eigentlichen Fährte“. Fig. 2. Zeichnung der Tambacher Fährtenplatte Nr. 1351 und Skizze der zu ihren Fährtenreliefs (Vergleiche diese Zeitschrift Band XI, Nr. 48, Figur 2.) der heutigen Arbeit beigegebenen Abbildungen darüber Klarheit verschaffen, oder wenn man sieh die Innenflächen der eigenen Hände zukehrt! Welche Zehe eines Einzel- fährtenreliefs aber die erste Zehe ist, dies zu entscheiden ist jedoch nur möglich, wenn es in einer zusammen- hängenden Fährte zu untersuchen ist! An einem auf einer Fährtenplatte befindlichen einzelnen Einzelfährten- relief ist diese Feststellung wegen der Unkenntniss mit dem Bau der Fährtenthiere unmöglich! Denn bei dem Fig. 1 abgebildeten Einzelfährtenrelief von Ichnium sphaerodaetylum könnte sowohl die, vom Beschauer aus gerechnet, äusserste rechte wie linke Zehe als die erste Zehe angesprochen werden, wenn nicht der Ver- gleich mit den Einzel- fährten. der Fährten- platte Fig. 2 den allein möglichen Anhalt gäbe! Ist aber einmal auf diese Weise die erste Zehe bestimmt, dann ergiebt sich das Relief Fig. 1 als der Abdruck einer linken Einzelfährte, weil die erste Zehe links vom Beschauer liegt! Betreffs der Deutung der als Reliefs ausge- bildeten „zusammen- hängenden“ Fährten ist Folgendes zu berück- sichtigen: Bei ihnen liegen natürlich die ersten Zehen stets innen und bei von Vierfüssern hinterlassenen Fährten von den rechten und linken Einzelfährten ein- ander zugekehrt (ver- gleiche Fig. 2 u. s. w.) undbeieiner vorwärts- schreitenden, die rechtsseitigen Ein- zelfährten links, die linksseitigen rechts vom Beschauer, bei einer auf den Beschauer zu- schreitenden dagegen die rechten rechts und die linken links. Auch dies kann man sich leicht mit Hilfe der Figuren und seiner Hände vergegenwärtigen, wenn man zur Erläuterung des ersten Falles die mit den Innenflächen sich zugekehrten Hände kreuzt, zur Erläu- terung des zweiten dagegen mit den Fingerspitzen nach sich zukehrt. — Wie aber bereits in einer meiner früheren Veröffentlichungen (No. 27, Bd. XII dieser Zeitschrift) hervorgehoben wurde, ist zur richtigen Deutung einer als Relief erhaltenen, zusammenhängenden Fährte die Con- struetion der zugehörigen „eigentlichen Fährte“ beinahe un- erlässlich. Ich gab a. a. O. ein Verfahren an, wie sie auf die leichteste und richtigste Weise construirt werden könnte. Die hier veröffentlichten Zeichnungen der Fährtenplatten sind von mir nach ihm angefertigt worden. Sie können neben anderem, worauf ich weiter unten eingehen werde, vorzüglich zur Erläuterung des oben Gesagten dienen und zeigen deutlich, dass bei den XIII. Nr. 22 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 251 „eigentlichen“ Einzel- wie zusammenhängenden Fährten gerade die entgegengesetzten Verhältnisse als bei ihren Reliefs stattfin- den. — Zur leieh- teren Deutung zu- sammenhängender gehört dann endlich noch Fährten eine einheit- liche Bezeich- nung der sie zu- sammensetzenden Einzelfährten in ihnen auf sämmt- lichen Fährten- platten. Ich habe daher bei mei- nen Fährtenunter- suchungen (vergl. die früheren Ver- öffentlicehungen in dieser Zeitschrift) die Bezeichnung jener durch Num- mern angewandt und die auf Platte No. 1551 *) befind- liche zusammen- hängende Fährte für diesen Zweck als „typisch“ an- genommen. (Nach dieser ist auch Fig. 1 in No. 8, Bd. XII. dieser Zeitschrift con- struirt worden.) Wie die Zeich- nung Fig. 2 ohne weiteres ergiebt, vereinigen sich *) In Rücksicht auf eine wesent- liche Vereinfachung in der Ausdrucks- weise empfiehlt es sich, die zu be- sprechenden Fähr- tenplatten mit der Nummer des Ein- gangsjournales der geologisch-palaeon- tologischen Samm- lung des Herzog- liehen Museums in Gotha zu bezeich- nen, So ist Fig. 1 die Einzelfährte auf Platte No. 1369, und Fig. 2 die Zeichnung der gros- sen „Fährtenplatte No. 1351“. Beide Platten sind bereits in No. 48, Bd. XI dieser Zeitschrift als Fig. 1 u. Fig. 2 veröftentlicht wor- den, Platte No. 1369, zugleich mit 4 an- deren, durch (e- mentguss in einem Holzrahmen ver- einigt. 2 * "Jinks. N Fig. 3. Tambacher Fährtenplatte (Ichnium sphaerodactylum) Nr. 1395 (*°/,. em), nebst ihrer Zeichnung die Einzelfährten und der Skizze der zu ihren Fährtenreliefs gehörigen „eigentlichen Fährte‘. (Die Platte befindet sich jetzt in Praetoria.) Fig. 4. Tambacher Fährtenplatte (Ichnium sphaerodaetylum) Nr. 1748 (”/,, cm), nebst ihrer Zeichnung und der Skizze der zu ihren Fährtenreliefs gehörigen „eigentlichen Fährte*, Zahlen bezeichnet sind. (Verkäuflich.) auf der Platte No. 1351 zu acht ein- seitigen Einzelfährtenpaaren, vier rechten: (1/1*%); (3/3*%), (5/5°), und (7/7%) und vier linken: (2/2*) ’ (4/4*), (6/6*) und (8/8*%); da die beiden noch auf der Platte vorhandenen Re- liefs die Spuren eines linken Vor- der- und rechten Hinterfusses, ohne zugehörige Spuren des Hinter- und Vorderfusses sind. Bei Bezeichnung der vorliegenden Fährte liess ich sie ausser Acht, da ihre Berück- sichtigung das Bild der zusammen- hängenden Fährte unklar gemacht hätte. Entspre- chend dem Befund der Platte No. 1351 erhielt also das rechte, einseitige Einzelfährtenpaar, mit dem die zu- sammenhängende Fährte auf der Platte beginnt, als „erstes“ auf ihr, die Bezeichnung: (1/1%) und folgerichtig, weil die l’ährte „fortschreitet*, das als „zweites“ einseitiges Einzelfährtenpaar vorhandene linke: die Bezeichnung (2/2%), das folgende rechte (3/3*) u. Ss. w., so dass die rechten, einseitigen Einzelfährtenpaare fort- laufend mit den ungeraden, die linken mit den geraden Bei der Bezeichnung der zu- sammenhängenden Fährten anderer Fährtenplatten muss daher, um sie einheitlich durchzuführen, die auf ihr be- findliche „erste“ Einzelfährte mit derjenigen Num- mer versehen werden, die sie bekommen wür- de, wenn sie der typischen ZU- sammenhängen- den Fährte der Platte No. 1351 angehörte! Leicht kann man sich hiervoneineklare Anschauung ver- schaffen, wenn man mittelst eines Blattes Papieres in der Figur 2, von unten be- ginnend, nach und nach die Ein- zelfährten ver- deckt. Ausser- dem werden einige Beispiele 252 das Entwickelte sofort deutlich machen. So müssen die einseitigen Einzelfährtenpaare, mit denen auf den Platten No. 1395 und 1745 (Fig. 3 und 4) die zusammenhängen- den Fährten beginnen, weil es linke einseitige Einzel- fährtenpaare sind, mit (2/2*%) bezeichnet werden, obwohl sie die „ersten“ auf den Platten sind, und ebenso muss die erste Einzelfährte auf Platte No. 1749 (Fig 5) als Spur eines linken Vor- derfusses mit (2) numerirt Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XHOI, Nr. 22. bacher Fährtenplatten aber über die Natur jener Wülste keinen Zweifel mehr zulässt. Ferner haben sie nicht selten die Erhaltung der Einzel- wie zusammenhängenden Fährten wesentlich beeinträchtigt und erschweren da- durch ihre Deutung, sodass die Kenntniss ihrer Natur und Einwirkung auf den Erhaltungszustand der Fährten bei Untersuchungen dieser unerlässlich ist! AufderTam- bacher Fähr- 4° 2 tenplatte No. Beoler- 1393. (Fig. 6) werden. Gera- können die de die zusam- „Irocken- menhängende risse“ in aus- Fährte dieser gezeichneter Platte zeigt Weise _ beob- das Zweck- achtet und m mässige einer ihren Wirkun- einheitli- TEChES: links. gen erkannt chen Bezeich- ne werden! Es nung „Janet Tambacher Fährtenplatte (Ichnium sphaerodaetylum) Nr. 1749 (“/,, em), nebst ihrer Zeiehnung und der Skizze der befindet sich auf sämmt- zu ihren Fährtenreliefs gehörigen „eigentlichen Fährte“. (Verkäuflich.) nämlich auf lichen Platten, ihr neben 10 da wenn die Einzelfährten- Einzelfährte (2) als erste auf der Platte mit (1) bezeichnet worden wäre, die zusammenhängende Fährte der Platte nieht mit denen anderer verglichen werden könnte. — Die Zeiehnung Fig. 2 dient aber endlich noch zur Erläuterung der bereits früher (diese Zeitschrift Bd. XI No. 8) angegebenen „cha- rakteristischen“ Fährten- maasse. So ist die Ent- fernung (7/x) die „zurück- gelegte Strecke“, um welche sich das Fährten- thier durch den Schritt (6/7) nach vorwärts be- wegt hat. Diese aber ist die Kathete des recht- winkeligen Dreiecks (6., 7., x.,) das gebildet wird durch die „Schrittlänge* (6/7) als Hypotenuse und die „Spurbreite“ (6/x) als der anderen Kathete und mithin aus der unmittelbar messbaren Sehrittlänge und Spur- breite zu berechnen, da A) — VOTy—(S); auf. Blatteweno. 1351 Trockenrisse der Fährtenplatten. Auf fast sämmtlichen Tambacher Fährtenplat- ten befinden sieh ausser den Fährtenreliefs eigenthümliche „Wulste“, die sich nicht selten zu einem scheinbaren Netz- werk verstricken. Diese vielfach für pflanzliche Gebilde (!) gehaltenen Wulste, die auch auf den bekannten Hessberger Fährtenplatten beobachtet werden können, sind die Aus- füllungen von Rissen, die vermuthlich in Folge „Ein- trocknens“ des ursprünglich schlammig-weichen Bodens entstanden sind, „nachdem“ die „eigentliche“ Fährte in ihm hinterlassen wurde. Ich erwähne diese „Wulste“, die ich in der Folge stets kurz als „Trockenrisse“ be- zeichnen werde, hier besonders, weil ihre Deutung immer noch unsicher war, der Befund der meisten unserer Tam- Fig. 6. Tambacher Fährtenplatte (Ichnium sphaerodactylum) Nr. 1393 (°°/,, cm), nebst ihrer Zeichnung und der Skizze der zu ihren Fährtenreliefs gehörigen „eigentlichen Fährte.* reliefs von Ichnium sphaerodactylum, die sich zu einer zu- sammenhängenden Fährte vereinigen, ein breiter Wulst, von dem aus ein breiterer und drei schmälere ausgehen: die Ausfüllungen von in der ursprünglich „einheitlichen“ Ober- fläche entstandenen Rissen, durch welehe die Einzel- fährten (1/1%) (3/3%) (4) und (5/5%), nachdem sie im Boden hinterlassen waren, nachträglich ge- spalten und mehr oder weniger zerstört worden sind, wie dies nament- lich der Erhaltungszu- stand von (3/3%) und (5/5%) deutlich beweist. So ist von der Einzel- fährte (3%) die fünfte Zehe ganz von den übrigen getrennt worden, während bei (3) die Kuppe der zweiten und dritten Zehe rechts vom Riss liegt und die erste ganz durch ihn zerstört wurde. In ähn- licher Weise wurden die Einzelfährten (5/5%) durch den Hauptriss ge- spalten, bei (4) die erste Zehe und ein T'heil des Ballens von dem übrigen Ballen und der zweiten bis fünften Zehe getrennt und die Einzelfährten (1/1X) in ihrem Erhaltungszustand arg beeinträchtigt. Der Befund der Tambacher Fährtenplatte No. 1393 beweist mithin zweifellos, dass, als das Thier seine „eigentliche“ Fährte im Boden hinterliess, seine Oberfläche ein „zu- sammenhängendes“ Ganze bildete, und erst später in ihr Risse und Spalten entstanden, die auch die Fährten- eindrücke in ihm theilweise zerstörten. Als dann durch sich auflagerndes Gestein die Fährteneindrücke ausgefüllt wurden, geschah das Gleiche mit den Rissen, so dass sie auf der Unterseite dieser Gesteinsmassen gleich den Fährten- reliefs als reliefartige Wulste erscheinen müssen. Wenn daher über die Natur der auf den Fährtenplatten XII. Nr. 22. vorhandenen Wulste als Ausfüllungen von Spalten und Rissen in der ursprünglich einheitlichen Oberfläche des Bodens noch Zeifel vorhanden gewesen sind, so werden sie durch die Beschaffenheit der; Tambacher Fährtenplatte No. 1393 völlig beseitigt. Dadurch erhalten aber die „Tambacher Fährtenplatten“ Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 253 ee ] Interesse, da sie dazu beigetragen haben, die Natur der wulstartigen Erhebungen, die sich sowohl auf den ver- schiedensten Fährtenplatten auch anderer Formationen, als auch auf anderen Gesteinsschiehten finden, zu deuten. Die Tambaeher Fährtenplatte No. 1393 kann aber in dieser noch ein weitergehendes | Beziehung als „elassisches Beispiel“ angeschen werden! — Resultate aus den Mars-Beobachtungen an der Manora-Sternwarte. Von Leo Brenner. (Mit einer Karte.) *) Die königl. preussische Akademie der Wissenschaften | nnd eine dritte solche der Douglass’schen Objeete. Dann hat vor 2 Monaten im Anhang zu ihren Abhandlungen 1897 einen Bericht über meine Mars-Beobachtung 1396 bis 1897 gebracht.**) Zur Ergänzung dieses Berichts will ich nachstehend erörtern, welche Schlüsse sich aus meinen Beobachtungen mit Nothwendiskeit aufdrängen. Als wichtigstes Ergebniss meiner Beobachtungen be- trachte ich den Nachweis, dass die Lowell’sche (richtiger Piekering’sche) Hypothese unhaltbar ist, sodass es in Bezug auf die Canäle und deren Verdoppelungen gar nichts Räthselhaftes oder Unerklärliches giebt, wie ich sofort beweisen werde. a) Unmöglichkeit der Pickering-Lowell’schen Hypothese. Vor 6 Jahren sprach sieh Prof. William Pickering dahin aus, dass, entgegen der allgemeinen Ansicht, die dunklen Flecke auf der Mars-Oberfläche keine Mcere, sondern Vegetationsflächen seien. Diese Hypothese wurde von seinem Schüler Lowell erfasst" und weiter aus- gebildet. Dem Umstande, dass Piekering Herrn Lowell in die Astronomie und namentlich in die Kunst des praktischen Beobachtens einführte, ist es wohl zuzu- schreiben, dass Letzterer seine Beobachtungen bereits mit vorgefassten Meinungen begann und beständig unter deren Bann stand. Es geht dies klar aus dem Artikel hervor, den Herr Lowell am 26. Mai 1894 in der Bostoner „Commonwealth“ veröffentlichte (der dann von Prof. Holden in No. 36 der „Publications of the Astronomical Soeiety of the Pacific“ so scharf kritisirt wurde), worin er seine Ansichten entwickelte und die Eröffnung seiner Sternwarte mit der Mittheilung ankündigte, dass alle Ur- sachen vorhanden seien zu glauben, dass die Fragen be- züglich der physischen Beschaffenheit unserer Nachbar- planeten Mars und Venus, sowie ihres Bewohntseins nun- mehr bald entschieden sein werden, und dass wir an der Schwelle der wichtigsten Entdeckungen ständen. Die Ergebnisse der Beobachtungen in Flagstaff theilte dann Herr Lowell vor 2 Jahren in seinem Buche „Mars“ mit, das auch seine Karte enthält. Letztere leidet aber an einem grossen Uebelstande: in ihr ist nämlich vereint, was alle drei Beobachter (Picekering, Lowell, Douglass) sahen, während eorreeterweise 3 Karten hätten veröffentlicht werden sollen: eine lediglich jene Objecte enthaltend, welche Lowell sah, eine ebensolche der Pickering’schen *) Diese Karte ist durch Güte des Herrn Ed. H. Mayer in Leipzig meinem dort erschienenen Buche „Spaziergänge durch das Himmelszelt“ entnommen und enthält Alles, was ich 1894 bis 1897 auf dem Mars zu sehen vermochte, also auch manche Ob- jeete, welehe auf meiner grossen, akademischen Karte fehlen, da letztere sich nur auf die Beobachtungen von 1896—1897 bezieht. **) Als Separatabdruck (32 Seiten 4°, mit 2 chromolitho- raphirten und einer photographirten Doppeltafel) auch bei eorg Reimer in Berlin zu haben. (Preis 3 M.) wäre die Controle und Beurtheilung leichter geworden. Denn aus dem Texte sowohl, wie aus den Tafeln geht hervor, dass die drei Beobachter verschieden sahen, (was immer das sicherste Anzeiehen dafür ist, dass die Definition keine scharfe ist) und z. B. gerade Lowell’s Hauptargument, die Canäle in den Meeren, lediglich von Douglass „entdeckt“ und gesehen worden, (der. bekannt- lich auch auf den Jupiter-Satelliten Canäle entdeckte!). In Kürze behauptet die Pickering-Lowell’sche Hypo- these Folgendes: Auf dem Mars sehen wir in den dunklen Flecken mit Vegetation bedeckte Gegenden, in den hellen Sahara-artige Wüsten, welche Oasen und Bewässerungscanäle enthalten. Oasen sind nämlich die vermeintlichen Seen, während wir in den Canälen nieht die Wasserläufe selbst, sondern nur die Vegetation. längs derselben sehen. Im Winter liegen die Canäle trocken und sind deshalb unsichtbar. Wenn jedoch die : Süd- Calotte schmilzt, ergiesst sich das Wasser in die Canäle und macht dieselben dureh die entstehende Vegetation sichtbar. Auf den ersten Bliek erscheint diese Hypothese sehr annehmbar, und ich selbst neigte mich ihr zu, obgleich ich schon damals manche Behauptungen Lowell’s im Widerspruche mit meinen eigenen Beobachtungen fand. Aber da Lowell seine Beobachtungen damals zwei Monate vor den meinigen begonnen hatte und seine Karte mir imponirte, wollte ich meinen eigenen Beobachtungen kein zu grosses Gewicht beilegen. Immerhin beschloss ich, bei der nächsten Opposition so früh als nur möglich. zu beginnen, um zu sehen, ob die von Lowell ins Feld ge- führten Gründe ihre Richtigkeit hätten oder nicht. Und da kam ich nun zu folgenden Resultaten: Lowell beginnt mit der Behauptung (S. 114), dass mit der Sehneeschmelze die ohnehin dunklen *) Meere von dunkleren Streifen durehzogen werden, die er am 31. Mai bereits vorfand. Auch sei die zusammenschrumpfende Sehnee-Calotte stets von einem dunklen Saum umgeben gewesen. Lowell hatte seine Beobachtungen am 31. Mai 1894 be- gonnen, also 7 Wochen nach der Frühlings-Nachtgleiche der Mars-Südkugel. Das würde meinen Beobachtungen vom Anfang April 1896 entsprechen, Damals sah ich wohl Sehneezone, Meere und Länder scharf begrenzt, aber weder konnte ich den Saum um die Schnee-Calotte**) noch dunkle Linien im Meere sehen. Das würde aber, als negativer Beweis, noch nichts bedeuten. Lowell *) Lowell nennt sie „blau“ oder, blaugrün“, während ich sie in unserem, die Farben sonst sehr gut darstellenden Fernrohre, nie anders als grau, graubraun oder bräunlich, manchmal mit Stichen ins Stahlgraue oder Röthliche sah — ganz so wie alle anderen Astronomen, die bei uns Mars beobachteten. ##) Je sah ihn allerdings im August und September 1894, als der Fleck schon klein war. 254 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 22, behauptet jedoch des Weiteren, dass einen Monat später (30. Juni) alle Inseln und Halbinseln zwischen 280° und 130° unsichtbar gewesen wären und mit dem Meere gleiche Farbe gehabt hätten. Demgegenüber kann ich feststellen, dass ich am 5. Mai (was dem 22. Juni der Lowell’schen Beobachtungen entsprechen würde), Deucalionis, Noachis, Hellas und Nord-Ausonia (mit Japygia Nova und Terra- nova zu einer Insel verschmolzen) sah. Was die Halb- inseln zwischen 110° und 260° betrifft, so ist es richtig, dass sie im April von den Meeren nicht zu unterscheiden gewesen waren, aber am 10. Mai sah ich sie doch schon mit Deutlichkeit. Hierauf führt Lowell speziell Hesperia als Haupt- beweis ins Feld, indem er behauptet, sie wäre erst im August sichtbar geworden und vorher bestimmt nicht vor- handen gewesen. Ich hätte sie also folgerichtig auch erst im Juli sehen können. Thatsächlich sah ich sie aber am 14. Juni mit voller Deutlichkeit, nachdem ich sie schon am 10. Mai verschwommen am Rande gesehen zu haben glaubte.*) Ferner behauptet Lowell, Atlantis sei bis 1. Oetober unsichtbar gewesen. In dieser Beziehung irrt er sich gründlich, denn ich selbst sah diese Halbinsel damals bereits am 20. September mit voller Deutlichkeit, nach- dem ich sie schon am 10. August, 13. und 15. September verschwommen gesehen hatte. Auch diesmal sah ich sie vom 25. Juli ab stets mit grosser Deutlichkeit, also einen Monat früher, als nach der Lowell’schen Hypothese zu- lässig wäre. Lowell stellt dann die Behauptung auf, dass die beiden Thyle und Argyre im October gelb geworden wären, nachdem sie seit Juni blaugrün wie die Meere (also unsichtbar) gewesen waren. Auch das ist ein Iır- thum; ich sah die beiden Thyle bereits zu Beginn meiner Beobachtungen (7. und 10. August 1894) sehr deutlich und gelblich, Argyre Il. am 19. und namentlich 22. August 1894 als glänzenden Fleck. Und diesmal sah ich Thyle II bereits am 14. Juni (also dem Anfang August 1894 ent- sprechend) als gelbliche Insel. Auf Seite 120 bespricht Lowell die bekannte Be- wölkungserscheinung vom October 1894, deren Beginn sich sehr genau feststellen lässt, weil Flammarion und Anto- niadi zwei Stunden nach meiner Beobachtung, d. h. 10. October 9—10", die Gegend links an der Kleinen Syrte durch Wolken- oder Nebelschleier verdeckt fanden, welche ieh zwei Stunden vorher noch deutlich gesehen hatte. Von diesem Beginne merkte jedoch Lowell nichts; er sah erst den weiteren Verlauf Ende October; deshalb kam er auch zu dem Fehlschlusse, dass es sich nicht um Unsichtbarmachung der betreffenden Gegenden in Folge einer Wolken- oder Nebelbildung handle (wie alle euro- päischen Beobachter annahmen), sondern dass das Heller- werden der betreffenden Meere eine natürliche Folge des — Verwelkens der Vegetation im Herbste sei! Aller- dings passte das hübsch in seine Hypothese, allein, nach- dem ein ähnliches Phänomen weder vorher noch nachher zur Mars-Herbstzeit beobachtet worden ist, liegt seine Unhaltbarkeit auf der Hand. Lowell bespricht nun die Canäle, wobei er auf Seite 132 behauptet, alle Canäle seien in ihrer ganzen Länge überall gleich breit. Dass dies ein Irrthum ist, beweisen einige meiner Zeichnungen, wo Canäle mitunter plötzlich breiter werden. Auf Seite 155ff. behauptet er, die Ca- näle würden zeitweilig unsichtbar, nicht weil wir sie wegen grösserer Entfernung nicht sehen, sondern weil sie thatsächlich unsichtbar seien. *) Ebenso irrig ist Lowell’s Folgerung, Hesperia sei im Oc- tober 1894 schwächer sichtbar und verschwommen geworden: ich sah sie gerade damals sehr scharf und deutlich! Was die zeitweilige Unsichtbarkeit der Canäle be- trifft, so hat Lowell Recht; aber sein Schluss ist doch falsch. Denn nach seiner Hypothese dürften die Canäle nur dann sichtbar werden, wenn der Schnee geschmolzen, das Wasser in die Canäle geflossen ist und die Vegetation längs derselben sich entwickelt hat. Das müsste also ziemlich spät nach der Frühlings-Nachtgleiche sein. Thatsächlich sah ich aber mit Fauth schon am 24. April einen Canal, der einem Meeresarme glich, und den wir deshalb für die am Rande stehende Syrtis Magna hielten, bis ich bei Berechnung fand, dass es entweder Titan oder Brontes oder Chiron (oder vielleicht alle zusammen) gewesen. sein musste. Am 18. Mai sah ich dann die Canäle. Phasis und Pyriphlegethon, am 20. Mai Iris, Ganges, Phasis und dann später immer mehr und mehr Canäle, je näher uns der Planet kam. Es ist somit klar, dass die Canäle stets vorhanden sind und dass es haupt- sächlich die Grösse der Scheibe ist, von der die Sicht- barkeit der Canäle im Allgemeinen abhängt. Wenn es aber diesbezüglich noch eines Beweises bedürfte, so wäre er durch die Schiaparelli’schen Beobachtungen von 1888 erbracht. Damals befand sich die Mars-Südkugel tief im Winter; nach der Lowell’schen Hypothese hätten somit dort weder Meere noch Canäle sichtbar sein dürfen. Statt dessen finden wir auf Schiaparelli’s wundervollen Zeichnungen (S. 423 und 424 von Flammarien’s „Planete Mars“) nicht nur alle Meere der Südkugel, sondern auch alle Canäle vollzählig und verdoppelt! Im Bemühen, für seine Hypothese Beweise zu er- bringen, behauptet Lowell auch, dass zuerst (im August und September 1894) die Canäle von 'Thaumasia auf- fällig, die nördlichen jedoch fast unsichtbar gewesen seien, während im November auch die nördlichen Canäle dunkel wurden; er will daraus beweisen, dass die Vege- tation folgerichtig langsam von Süd gegen Nord fort- schreite, wie es seine Hypothese erheischt. Auch das ist nicht richtig! 1894 sah ich die nördlichen Canäle früher als die südlichen und diesmal ebenfalls. Zu- dem fand ich die nördlicheren Canäle meistens dunkler und breiter als die südlicheren. Es findet somit das gerade Gegentheil von dem statt, was Lowell auf Seite 162—164 seines Buches behauptet. So sagt er u. A. auch, kein Canal werde plötzlich dunkel, sondern immer nur allmählich. Bei Durchsicht meiner Beobachtungen finde ich aber verschiedene Fälle, wo Canäle binnen wenigen Tagen von blassen Linien zu tiefschwarzen ge- worden waren oder umgekehrt. So z. B. war die Süd- hälfte des Cerberus am 9. December 1896. breit und dunkel, zwei Tage später schmal und blass, während die Nordhälfte breit und sehwarz geblieben war. Am 12. November war der Jason tiefschwarz, während er etliche Tage vorher und nachher unsichtbar war, u. S. w. Ferner behauptet Lowell, mau sähe die Canäle zuerst als breite, schwache, verschwommene Streifen und erst bei guter Definition als schmale Linien. Ohne zu leugnen, dass die Canäle am Rande und bei minderer Luft breit und verschwommen aussehen, muss ich ‚doch bemerken, dass ich oft genug bei der besten Luft neben schmalen Linien auch sehr breite sah, also diese Breite reell ge- wesen sein muss. Weiter behauptet Lowell, dass sich das den Meeren nahe Ende der Canäle zuerst zeige und der Rest viel später erst. Auch das steht aber mit meinen Erfahrungen in Widerspruch und stimmt auch nicht mit Schiaparelli’s Beobachtungen aus jenen Oppositionen, in welchen uns die Nordhalbkugel des Mars zugekehrt war. Ebensowenig hat Lowell mit seiner Behauptung Recht, dass die Canäle nieht breiter, sondern dunkler werden. Sie werden häufig beides. XI. Nr. 22. Auf. Seite 171 endlieh führt Lowell die Canäle in den Meeren ins Feld, welche sein Assistent Douglass ent- deckt haben will. Wenn man aber des Letzteren detail- arme und mitunter handgreiflich wnriehtige Zeichnungen mit jenen Schiaparelli’s vergleicht, so ‘drängt sich dem Unbefangenen die Ueberzeugung auf, dass jene Canäle nur auf Täuschung beruhen können und sich wahr- scheinlich auf gewisse, dunklere Stellen der Meere be- ziehen; denn, wenn Douglass so ungemein scharfe Augen hat, derartiges Detail aufzufassen, weshalb sieht er dann nicht das unzweifelhaft vorhandene gröbere Detail? Und wenn jene Canäle wirklich existiren sollten, weshalb hätte sie Schiaparelli nicht gesehen, der doch so viel feines Detail sah, welches Herr Douglass zu sehen nicht im Stande war? Und weshalb wurden jene Canäle nicht auch von den beiden anderen Flagstaff-Beobachtern wahr- genommen, welche (nebenbei erwähnt) bessere Zeich- nungen lieferten als Herr Douglass? ..... . Von den Seen spre- chend (die er „Oasen“ nennt), be- hauptet Lo- well die- selben Er- scheinungen, welche er als den Canälen eigen ange- führt hat; aber mit ebensowenig Glück. So versichert er Ze Bseder Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 255 zeit dunkel erscheinen? Und weshalb soll die Vegetation überhaupt nur auf die Umgebung des Südpols und die Hälfte der südlichen Halbkugel beschränkt sein, die nörd- liche hingegen nur wenige solche Stellen enthalten? Und warum sollten die vielen Inseln und Halbinseln so wüst inmitten des Vegetationsgebietes stehen? Wie oben erwähnt, waren anfangs Phxetontis, Eleetris und Eridania unsichtbar, d. h. sie unterschieden sich nicht von den umgebenden Meeren. Nach der Lowell’schen Hypothese müssten jene Gegenden mithin ebenfalls Vege- tationsflächen gewesen sein — im Winter! Auch die von mir beobachteten Färbungen des Meeres sprechen gegen jene Hypothese, nach welcher man er- warten sollte, dass die Meere zuerst blass gewesen wären, und nach Maassgabe des Fortschreitens der Schnee- schmelze immer dunkler hätten werden sollen. Statt dessen waren die Meere im April am dunkelsten, im Mai und Juni heller, im Juli wieder dunkel, im August etwas heller und später wieder dunk- ler. Den Nord- polarsehnee zieht Lowell ferner gar nieht in Be- tracht, und doch hat der- selbe eine ebenso gros- se Ausdeh- nung wie derSüdpolar- schnee, und auch er A A Lacus Phe- nieis sei im schmilzt im Sommer. Als August auf- fällig gewe- sen, der La- eus Cerauni- us nicht und die Cyane Fons kaum erkennbar. Im November hingegen hätten Phönix-See und Ceraunius ihre Intensivität vertauscht und Cyane wäre so dunkel geworden wie früher Ce- raunius. Dem gegenüber kann ich feststellen, dass ich das mit Lowell’s Ceraunius unter gleicher Breite liegende Trivium Charontis bereits am 22. Juli 1896 dunkel sah und die mit Cyane gleich hohe Propontis am 1. September (früher war es wegen der Neigung des Planeten unmög- lich gewesen), während ich den Laeus Phonieis erst am 11. December mit Sicherheit zu sehen vermochte. Bezüglich der Doppelkanäle endlich weiss auch Lowell keine Erklärung durch seine Hypothese. Schon aus dem Vorstehenden ist die Unhaltbarkeit der Piekering-Lowell’schen Hypothese zur Genüge erwiesen worden, denn keine einzige der von Lowell als Beweismittel aufgestellten Behauptungen hat die Prüfung auf ihre Rich- tigkeit ausgehalten. Es lassen sich aber noch weitere Ein- wände gegen jene Theorie erheben. Zunächst wäre es doch sehr sonderbar, wenn auf dem Mars Vegetation und Wüste so scharf von einander geschieden wären, wie die Karte zeigt, auf der die Configuration und die Begrenzung solche sind, wie man von wirklichen Küstenlinien er- warten kann, Ferner, wenn die Meere Vegetationsflächen sind, wie erklärt sich die Thatsache, dass sie selbst zur Winters- Karte der Mars-Oberfläche nach den Beobachtungen an der Manora-Sternwarte von 1894--97. ich im Oecto- ber und No- vember Gele- genheit hat- te, die Umge- bung des Nordpols zu sehen, war dort tiefer Winter. Nach Lowell hatte es also dort keine Vegetationsflächen geben können. Statt dessen zeichneten sich die dortigen Meere, Seen und Canäle gerade durch besondere Dunkelheit aus! b. Natürliche Erklärung der Mars-Phänomene. Wenn also die Piekering-Lowell’sche Hypothese sich vollständig im Widerstreite mit den Beobachtungen er- weist, so kann man fragen, ob es eine bessere Erklärung für die sich auf der Mars-Oberfläche zeigenden Phänomene giebt? Ich glaube ja! Bevor ich den Versuch mache, die „Räthsel“ des Mars zu erklären, müssen wir uns vergegenwärtigen, was wir von seiner Oberflächenbeschaffenheit mit Sicherheit wissen. Wir wissen, dass Mars eine sehr dünne Atmosphäre hat, in der sich Wasserdampf befindet, und dass seine Pole im Winter von weit ausgedehnten Calotten umgeben sind, die im Sommer theils ganz, theils bis_auf einen kleinen Fleek verschwinden, welche also sicher unseren Sehneezonen entsprechen. Die Karte seiner Oberfläche zeigt uns eine Scheidegrenze zwischen hellen und dunklen Flecken, welche ganz den Formationen unserer Küsten- linien entsprechen, also wohl auch Küsten sind. Statt 256 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 22. der Flüsse schen wir ein Netz von schnurgeraden, nur selten gebogenen Linien, welche die Festländer nach allen Richtungen durchziehen. Ein blosser Blick. auf dieses Netz genügt zum Erkennen, dass dieses Netz nieht von der Natur gemacht sein kann, sondern ein Kunstproduct sein muss. Die nächstliegende Idee verweist uns auf Canäle; denn in der That, wenn vernünftige Wesen die Absicht gehabt hätten, eine compacte Festlandsmasse durch‘ Anlage von künstlichen Wasserstrassen für Be- wässerung und Schiffahrt zugänglich zu machen, so hätten sie dieselben nicht zwecekmässiger anlegen können: sie ermöglichen in der That eine Verbindung mit allen Theilen der Mars-Welt und nehmen stets den kürzesten Weg. Nun entstehen aber zwei gewichtige Fragen: erstens, wie kommt es, dass keine Gebirge die Canäle behindern ? und zweitens: weshalb haben die Marsbewohner Canäle von 50—300 km Breite angelegt, bezw. wie war solche Kraftleistung möglich? Die erste Frage ist leicht zu beantworten: nachdem Mars hunderte von Millionen Jahren älter sein dürfte als unsere Erde und obendrein der Abkühlungsprocess sich bei ihm, als der kleineren Kugel, bedeutend schneller vollziehen musste, so ist es klar, dass er sich in einem Entwickelungsstadium befinden muss, wie es unsere Erde erst nach hunderten von Jahrmillionen erreichen wird. Nachdem aber die Berge bekanntlich durch Verwitterung immer kleiner und die Thäler gleichzeitig durch die Ver- witterungsproduete immer mehr ausgefüllt werden, so liegt es auf der Hand, dass dieser Process mit der Zeit zur vollständigen Verflachung der Erdoberfläche führen muss. Dieser Zeitpunkt ist für Mars bereits eingetreten, und deshalb ist er schon ganz flach, sodass den geradlinigen Canälen kein Hinderniss entgegensteht. Die zweite Frage beantworten zu können ist mir durch eine Anregung ermöglicht, welche ich einem Laien, dem kgl. preussischen Major z. D. Herrn Holtzhey in Erfurt, verdanke, der mich auf die holländischen Deiche aufmerksam machte; und in der That glaube ich in ihnen das Ei des Columbus gefunden zu haben. Meine Hypo- these stellt sich also folgendermaassen: In Folge der Verflachung der Marsoberfläche sind die Marsfestländer den Ueberfluthungen des Meeres ausgesetzt gewesen und die Marsbewohner haben sich gegen diese in gleicher Weise geschützt wie die Holländer: durch Anlage von Deichen. Sie haben also zunächst ihre Küsten durch solehe Dämme geschützt und dann darauf gesehen, den anprallenden Wogen eine weitere Ableitung durch Anlage von Canälen zu geben. Diese Canäle hatten dreifachen Zweck: sie sollten nicht nur das an- prallende Meerwasser ableiten, sondern auch die Schiffahrt nach allen Richtungen ermöglichen und den wasserarmen Planeten bewässern.*) Wir sehen also bei der beträcht- lichen Entfernung, in welcher Mars von uns bleibt, immer nur die Hauptkanäle; die Millionen von kleinen Nebenkanälen und kleinsten Bewässerungskanälen, welche das Wasser überall hin leiten bezw. die Schiffahrt überall hin ermöglichen, können wir ob ihrer Sehmalheit nicht sehen. i Alle Kanäle sind zu beiden Seiten von Dämmen ein- gefasst, die gar nieht hoch zu sein brauchen: einige Meter für die grösseren und noch weniger für die kleineren könnten vielleicht genügen. Dabei ist die Arbeit ganz dieselbe, ob die Dämme 5 Meter oder 360 km weit ab- *) Erstens ist es durchaus nicht nothwendig, dass das Wasser der Mars-Meere salzig ist, zweitens, selbst wenn dem so wäre, so ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass den dortigen or- ganischen Lebewesen gerade das Salzwasser ebenso Lebens- bedingung ist wie unseren organischen Lebewesen der Oceane. stehen. ‘ Die Breite*) der Canäle ist ‚folglich auf die natürlichste Weise erklärt und ihre Herstellung kein Kunst- stück. Denn abgesehen davon, dass die Schwerkraft auf Mars nur 0,376: der Erde beträgt, also mit demselben Kraftaufwand nahezu dreimal mehr geleistet werden kann, darf man nicht vergessen, dass die Canäle nicht ein Pro- duct von Jahrtausenden, sondern von Jahrmillionen sind, und dass wir überdies auch nicht im Entferntesten ahnen können, über was für technische Hilfsmittel die. Mars- bewohner verfügten. Denn wer vermag zu sagen, wie weit es z. B. der menschliche Geist im. Entdecken und Erfinden noch in den nächsten Jahrmillionen bringen wird? Die Herstellung des Canalnetzes, so wie wir es jetzt auf Mars sehen, schliesst also unter obigen Voraus- setzungen nichts Unmögliches oder Unwahrscheinliches in sich. Was nun die vermeintlichen Verdoppelungen der Canäle betrifft, so bin ich zur Ueberzeugung gelangt, dass es mit denselben auch auf ganz natürlichem Wege zu- geht. Die Verdoppelungen bilden sich nämlich nicht zeitweilig, sondern sie sind immer vorhanden! Das heisst, es giebt eine Menge sich naheliegender, parallel laufender Canäle, welehe manchmal zusammen den Ein- druck eines einzigen breiten Canals hervorrufen (was namentlich bei mir das Gewöhnliehe ist), manchmal aber getrennt gesehen werden. Oft auch ist nur einer der Zwillingseanäle sichtbar; — warum? — aus denselben Gründen, aus welchen wir niemals alle Canäle auf: ein- mal sehen, sondern bald die einen, bald die anderen. (Dass die Ursache davon in irgend welchen, uns un- bekannten Eigenschaften der Marsatmosphäre zu suchen sei, habe ich schon an einer früheren Stelle bemerkt.) Meine Karte enthält ein Dutzend Paare von parallel laufenden Zwillingseanälen, und doch habe ich nur zwei davon einmal gleichzeitig zu sehen geglaubt. Dass aber auch die anderen trotzdem so existiren, wie ich sie zeichnete, dafür sprechen nicht nur meine eigenen Beob- achtungen, sondern theilweise auch jene Schiaparelli’s und Lowell’s. Ganges z. B. ist ein Doppelcanal, den ich selbst 1594 als solchen sah; diesmal sah ieh ihn immer nur „so breit, wie er auf der Karte erscheint (beide Arme zusammen machten mir also den Eindruck eines einzigen Canals); und doch sah ich ihn so schon am 20. Mai, also viele Monate vor der Zeit, zu welcher nach der bisherigen An- nahme die Verdoppelungen beginnen sollten! Es unter- liegt also keinem Zweifel, dass die sogenannten „ver- doppelten“ Canäle beständig vorhandene, nahe Parallel- canäle sind, von denen wir nur nicht immer beide Arme gleichzeitig sehen.**) Bei Annahme meiner Deich-Hypothese erklären sich auch andere Dinge: Wiederholt wurde bemerkt, dass ein- zelne Gegenden (z. B. Libya, Hesperia, Eleetris) zeit- weilig ganz oder theilweise verdunkelt erschienen. Da liegt die Annahme nahe, dass Deichbrüche stattfanden, durch welche gewisse Landstrecken überschwemmt wurden, wie dies ja auch in Holland manchmal der Fall war. Die Inseln und Halbinseln der Maria Australe und Erythraeum zeigen selten so scharfe Küstenlinien wie Festländer; das liesse sich dadurch erklären, dass diese Gebiete durch Deiche nieht zu schützen waren und deshalb beständig *) Die Vermuthung liegt nahe, man habe die Haupteanäle gerade deshalb so riesig breit gemacht, um sie seicht zu erhalten, da schmale Canäle zur Ableitung des Meerwaassers nieht genügt hätten.‘ Und zudem haben ja die breiten Canäle auch so viele kleinere zu versorgen. **) Die von drei Beobachtern ausgesprochene Vermuthung, die Verdoppelung sei auf schlechte Focussirung des Fern- rohrs zurückzuführen, ist nicht ernst zu nehmen, denn es ist ge- radezu eine Ungeheuerliehkeit anzunehmen, ein Beobachter wie Schiaparelli verstünde nieht sein Fernrohr einzustellen! j XII. Nr. 22 Ueberfluthungen ausgesetzt sind, die bald grössere, bald kleinere Streckeii jener Länder verheeren. Auch der Umstand, dass manche Canäle manchmal breiten Meeres- armen gleichen, kann auf Deichbrüche zurückgeführt werden, ‘dureh welche die angrenzenden Gebiete über- schwemmt wurden. Die Binnenseen mögen ebenso ‘ent- standen sein, wie die Zuyder-Zee in Holland: durch grosse Deichbruchkatastrophen, nach welchen es unmög- lich'war, die ausgetretenen Gewässer wieder einzudätimen, so dass sieh die Bewohner begnügen mussten, durch Auf- führung von Dämmen ringsum dem weiteren Vordringen der’ Wassermassen Halt zu gebieten. Für eine solche Annahme spricht auch der Unistand, dass dass Trivium und die Propontis gewöhnlich eine genau viereckige (parallelogrammische) Gestalt aufweisen. Diesmal aller- dings erschien das Trivium rund, aber dafür auch so ausgedehnt, dass man annehmen kahn, es habe dort ein grosser Deichbruch stattgefunden, in Folge dessen das Wasser austrat und die Umgebung überschwemmte. Was ‘die kleineren Seen an den Kreuzungspunkten der Canäle betrifft, so dürften sie hingegen beabsichtigte Canalerweiterungen (grosse Reservoirs) sein. Die ver- meintlichen Verdoppelungen einzelner Seen liessen sich Naturwissenschaftliche' Wochenschrift. 257 durch die Annahme erklären, dass bei niederen Wasser- stande die höher gelegenen Theile des Seebodens (vielleicht künstliche. Dämme) aus dem Wasser hervorragen, das Aussehen von Brücken annehmen und dadurch den An- schein einer Verdoppelung des Sees erregen. Endlich liesse sich auch der Intensitätswechsel der Canäle durch die Deich-Hypothese erklären; wird aus einem grossen Canale das Wasser in die Nebencanäle geleitet, so muss er selbst seichter werden, also helleı und möglicherweise so hell,. dass er für uns unsiehtbar wird. 'Sichthar wird er dann wieder, ‘wenn die Neben- eanäle abgesperrt werden und im Hauptcanal sich das Wasser wieder sammelt, oder wenn er neuen Zufluss aus dem Meere erhält. Ich übergebe hier meine Hypothese — so abgeneigt ich sonst Hypothesen im Allvemeinen bin — der Oeffent- lichkeit, weil sie die sonst räthselhaft und unbegreiflich erscheinenden Phänomene ‘der Mars-Oberfläche auf ganz natürliche und ungezwüungene Weise zu erklären vermag. Sie steht weder mit den Beobachtungen im Widerstreite, noch basirt sie auf unmöglichen Voraus- setzungen. Und mehr kann man von einer Hypothese nicht verlangen. Ueber das bei vielen Säugethieren vorkommende Tentorium osseum bringt Prof. Dr. Franz Bayer in Prag ‚eine Abhandlung in den „Rozprawy“ der Kaiser Franz Joseph-Akademie der Wissenschaften; einen Auszug davon giebt er in der „Jenaischen 7 Zeitschrift für Natur. wissenschaft“ 1597, S. 100. — Das Tentorium osseum ist eine quere Knochenspange im Innern, des, Schädels, zwischen. den’ Hemisphären und dem 'Hinterhirn;'es findet sich als eonstantes Merkmal des Schädels bei den Felidae, Hyaenidae, Canidae, Viverridae, Mustelidae,, Ursidae, Pinnipedia, Equidae, Cetacea, Marsupialia, bei, einigen Edentata und ‚bei einem einzigen Nager, dem Hydrochoerus capybara Erxl. Ueber den Ursprung des Knochenstückes giebt die einschlägige Litteratur (Bronn, Süssdorf, Ellen- berger und Baum, Owen, :Wiedersheim) ‚an, dass ‚es aus dem Tentorium cerebelli. entstehe,; indem dasselbe ver- knöchert. Beyer hat eine grosse Reihe von embryologi- schen Untersuchungen vorgenommen und ist dabei zu folgenden Resultaten gelangt. Das Tentorium osseum entsteht unabhängig vom echten Tent. eerebelli, das’in keinem Falle ossifieirt, an der inneren Schädelwand, ent- weder vor dem Interparietale (wie z. B. bei dem Hunde) oder an der hinteren Cireumferenz des Parietale (z. B. bei der' Katze), ist- aber später immer nur mit dem’ Parietale verwachsen. An seiner vorderen Fläche. liegt dann das, durch die wachsenden Hemisphären heruntergedrängte Tentorium. eerebelli mit seinem: constanten Blutgefässe. — Für das Vorkommen dieses Tentoriums liess sich bisher kein, stichhaltiger physiologischer oder phylogenetischer Grund feststellen. Es ist nur soviel gewiss, dass es durch eine. sehr lebhafte, vor Allem: durch. zahlreiche, die Knochenlamellen umgebende Osteoblasten bedingte Proli- feration der Knochensubstanz an bestimmter Stelle. der inneren Schädelwand entsteht. S. Sch. Ueber den Specht als Forstschädling theilt E. Faber in der „Fauna“ (Luxemburg) von 1896 eine, sehr in- teressante, Beobachtung mit. Von .B. Altum war schon wiederholt darauf. hingewiesen ‚worden, dass’ der Specht sich bei der Suche nach infieirten Bäumen von deren Aussehen leiten lässt, wie ja gewöhnlich die vom Inseeten- frass mitgenommenen Bäume sofort erkennbar sind. Dabei macht der Specht aber keinen Unterschied zwischen dureh Krankheit unterschiedenen und sölehen, die durch andere Farbe, anderen Wuchs n. s. w. auffallen, "also anderen Arten u. s. w., auch wenn sie vesund sind. So beriehtet F. von einer 30 em starken Linde, die mitten in einem jungen Buchenwald stand, und die, obgleich völlig 'inseetenfrei, schon seit #iJahren unausg uch von Speehten angchackt wird und‘ mit zum Theil bis ins Cambium dringenden Löchern förmlich bedeckt ist. Reh. Ueber 'Garten-Naektsechnecken (Limaciden) berichtet R. 8. 'Wishart | in‘'der‘ Trans. nat. 'Hist.'Soc. Glasgow Vol. 5 Pt. .1’ einige‘ hübsche‘ Beobachtungen. Sie „arbeiten“ fast! nur‘ nach’ Sonnenuntergang, bei üben Wetter "auch" am Tage. ' Nach''ihren Kriechspuren zu 'ur- theilen;' scheinen 'sie Morgens und’Abends denselben Weg zu’wählen. Ebenso ’seheinen sie’ sich zu bestimmter'Zeit an eine bestimmte Pflanzezu halten. Goldlack, Asterund Blumen- kohl scheinen’ sie sehr‘ gerne zw mögen, am liebsten aber Chrysanthemuminodorum plenissimum.‘ ‘Es scheint nicht; ‚als ob’sie aufs‘ Gerathewohl 'herumkrieehen, "bis sie eine zusagende Pflanze finden, sondern als ob ihre Bewegungen von bestimmten Absichten geleitet wurden. “Bringt man sie aus ‘ihrer Riehtung heraus, so gerathen sie für kurze Zeit in Verwirrung, um bald’ aber wieder zu ihrer alten Richtung zurückzukehren. Ihr leitender Sinn ‚scheint der Geruchssinn zu sein, und sie riechen die Pflanzen auf für ihre Grösse und Geschwindigkeit recht beträchtliche Ent- fernungen.‘ Die Erfalrungeh der: einen’ Naeht' scheinen manchmal'ihre Bewegungen ‘in der‘'nächsten zu beein- flussen. Reh. Die Transpiration der Halophyten' hat eine. Arbeit von’ O0. Rosenberg aus Stockholm "zum “Gegenstand (Meddelanden frän’ Stockholms' Högskola No. 168. Öfver- sigt af K.' Svenska Vet. Akad. Förhandlingar 1897 No. 9). Bekanntlich hat‘Schimper ‘uns Aufklärung‘ darüber verschafft, weshalb’ Pflanzen, die’wie' die Mangroven- der tropischen 'Küstenstriche: halb im Schlamm und: Wasser wachsen, wie trockene Gegenden bewohnende’ Gewächse besonders in ihrem Inneren gebaut 'sind, also ’Xerophyten- Charakter tragen. Sie wollen nämlich vermeiden, dass zu viel Salz des Meereswassers in’ ihr Inneres gelange; 258 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. sie. suchen deshalb nach Möglichkeit die Transpiration herabzusetzen. Stahl hatte mit Hilfe einer neuen Methode sich davon überzeugen wollen, dass diese Halophyten wirklich nur geringe Mengen von Wasserdämpfen aus- hauchen. Er legte auf die Blätter trockenes, mit Kobalt- chlorür gefärbtes, also blaues Papier auf, und fand zu seiner Verwunderung, dass dieses sich fortdauernd röthete, ein Beweis dafür, dass die Stomata weit geöffnet sein mussten. Er kam auf Grund seiner Versuche zu der Ueberzeugung, dass die Halophyten die werthvolle Fähig- keit, ihre Spaltöffnungen zu schliessen, verloren hätten. Rosenberg suchte diesen Widerspruch durch neue Versuche zu klären. Er operirte am Meeresstrande der Ostsee und der Westküste von Schweden mit dort wild- wachsenden Exemplaren von echten Salzpflanzen, wie Alsine peploides, Aster Tripolium, Crambe maritima ete. Frisch abgetrennte und mit trockenem Kobaltpapier belegte Blätter rötheten in der That dasselbe bald, also ein Beweis, dass die Stomata offen standen. Nach einiger Zeit aber, wenn die Blätter einen Theil ihres Wassers durch Verdunstung verloren hatten, etwa nach 10 Minuten, blieb ferner aufgelegtes Papier blau. Die Spaltöffnungen hatten sich also, wie auch der mikroskopische Befund lehrte, geschlossen. Er erklärt sich diese Abweichung von den Resultaten Stahls dadurch, dass dieser in Töpfen erzugene Pflanzen im Laboratorium untersuchte. Wurden am Meeresstrande sorgfältig eingesammelte Halo- phyten in der Botanisirtrommel nach Hause gebracht, so waren sie zum Versuche auch nicht mehr recht geeignet. R. K. Finca einzig in seiner Art im Pflanzenreich da- stehenden Fall von Embryobildung theilt Prof. Treub mit in den Annales du jardin Botanique de Buitenzorg. Bd 15, p. 1—25, 1898: L’organe femelle et l’apogamie du Balanophora elongata Bl. Wie bekannt, finden im Embryosack vor der Be- fruchtung Theilungen statt, welche im Thierreich der Bildung von Richtungskörperchen entsprechen. Von den 8 Kernen, welche aus dem ursprünglichen Kern des Embryosackes entstehen, wird in der Regel einer zum Ei. Bei Balanophora haben wir nun den eigenthümlichen Fall, dass zwar durch die gleichen Theilungen das Ei gebildet wird, aber aus diesem geht nie der Embryo hervor. Es ist der secundäre Kern des Embryosackes, aus dem der junge Keimling hervorgeht. In der Zoologie ist ein ana- loger Fall nicht bekannt, weil niemals beobachtet wurde, dass ein Richtungskörperchen sich zum Embryo ent- wickelt hätte. Zugleich haben wir also auch ein neues Beispiel für Parthenogenese, nur dass nicht wie bei Chara crinita das eigentliche Ei es ist, welches den jungen Keimling bildet. R. K: Ungewöhnlich starke Anomalien des Erdmagne- tismus im centralen Russland sind, wie neuerdings die französische Zeitschrift „La Nature“ mittheilt*), durch den Direetor des magnetischen Observatoriums im Park Saint- Maur, Moureaux, im Mai und Juni 1896 festgestellt worden. Das fragliche Gebiet findet sich im südlichen Gouvernement Kursk zwischen den Orten Obojanne und Bielgorod. 25 Kilometer südöstlich von Obojanne, bei Kotschetowka, zeigte sich auf einem Gebiete von nur wenigen Quadratkilometern Umfang ein Schwanken der Deklination von — 34° bis + 96°, während die In- klination zwischen 48 und 79 Grad variirte. Die Hori- zontaleomponente der Intensität des Erdmagnetismus er- *) Annce 28, 155—156. XIM. Nr. 22: reicht daselbst einen Maximalwerth von 0,59 und über- trifft damit den höchsten, bekannten Werth von 0,4 (im Sunda-Archipel) um die Hälfte. Die Vertikalintensität, welche am magnetischen Pol selbst nur etwa 0,86 be- tragen würde, erreicht bei Kotschetowka ein Maximum von 0,97, während die Totalintensität einen Höchstbetrag von 1,02 daselbst aufweist. Ein zweiter Ort, bei welchem sehr starke Anomalien vorkommen, liegt 14 Kilometer südlicher, bei Pokroskoje, ein dritter weitere 13 km südöstlich von Pokroskoje, bei Nepkhaewo im Distriet Bielgorod, wo z. B. an nur 400 m von einander entfernten Orten Differenzen der Inklination von 12°, der Deklination von 74° beobachtet wurden. Ausser diesen drei grössten Störungseentren finden sich noch eine Anzahl kleinere. Der Boden besteht in der ganzen Gegend aus Schwarzerde von geringer Mächtigkeit, welche ihrerseits auf kretaeeischen Schichten aufliegt. Es besteht die Vermuthung, dass grosse Lager von Eisenerzen die Ursache der Störungen sind. Aus diesem Grunde sind von den Provinzialbehörden bereits be- deutendere Geldmittel zur Vornahme von Bohrungen an bestimmten Punkten bewilligt worden. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurde: Dr. Robert Gans zum etatsmässigen Chemiker bei der Geologischen Landesanstalt und Bergakademie in Berlin. Berufen wurden: Der ausserordentliche Professor für Land- wirthschaft in Königsberg Dr. Georg Rörig als Vorsteher der neuen biologischen Abtheilung für Land- und Forstwissenschaft ans kaiserliche Gesundheitsamt nach Berlin; der Privatdocent für Thierphysiologie in Tübingen Dr. Rudolph Disselhorst als ausserordentlicher Professor nach Halle. Es habilitirten sich: Dr. Haussner für Mathematik in Giessen; Dr. Mayer aus Wien für Chemie an der deutschen Universität Prag; Dr. Formanek für angewandte medizinische Chemie an der technischen Universität Prag. Es starben: Der ausserordentliche Professor der Mathematik in Heidelberg Dr. Hermann Schapira; der Privatdocent der Chirurgie in Leipzig Dr. Johannes Alexander Garten; der ehemalige ordentliche Professor der Chirurgie in Charkow Dr. Wilhelm Grube; der deutsche Zoologe Dr. A dolf Böcking in Comford (Keudall County, Texas), (durch Selbstmord); der Heraus- geber des Journal of Microscopy and Natural Science Alfred U. Allen in Bath; der Zoologe B. B. Griffin; der Chief In- specetor of Explosives, Col. Sir. Vivian D. Majendie; der Prä- sident der irischen Royal Academy of Mediene Dr. Samuel Gordon in Dublin; der Professor der Zoologie an der Ohio- University Professor D. S. Kellicott. - Litteratur. Paul Ascherson und Paul Graebner, Synopsis der Mittel- europäischen Flora. 6. Lieferung. Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann, 1898. — Preis 2 Mark. Wie der Mitherausgeber Dr. Graebner und die Verlags- handlung mittheilen, hat sich die Ausgabe der vorliegenden Lie- ferung verzögert, da Herr Prof. Dr. P. Ascherson etwa 10 Wochen an Gelenkrheumatismus gelitten hat. Auch jetzt ist Herr Prof. Ascherson noch nicht wieder ganz hergestellt; es wurde deshalb beschlossen, diesmal von der Ausgabe einer Doppellieferung ab- zusehen, trotzdem bereits der grösste Theil der nächsten Lieferung gedruckt vorliegt. Die Abonnenten werden aber erfreut sein, dass nun wenigstens durch die Lieferung 6 der I. Band des Ge- sammt-Werkes abgeschlossen wird: er enthält die zoidiogamen Embryophyten und von den siphonogamen E. die Pandanales und Helobiae. Im Speeiellen bringt die Lieferung 6 den Schluss der Hydrocharitaceen, Vorrede und Register zum I. Bande und 64 Seiten vom Anfang des II. Bandes, nämlich den Beginn der Gramina. Der I. Band enthält inel. Register XI und 415 Seiten: ein handliches Format, das bei einem vielgebrauchten Nachschlage- werk wie das vorliegende wichtig genug ist, um von Verlag und Autoren besondere Berücksichtigung zu verdienen; wird doch eine solehe Flora von Floristen und Botaniphilen dauernd benutzt, wie etwa der Fachjurist das neue bürgerliche Gesetzbuch immer- während wird benutzen müssen. XII. Nr. 22. John Tyndall, Die Gletscher der Alpen. Autorisirte deutsche ‚Ausgabe. Mit einem Vorwort von Gustav Wiedemann. Mit Abbildungen und einer farbigen Speetraltafel. Friedrich Vieweg und Sohn. Braunschweig 1898. — Preis 10 Mark. Das berühmte Werk gehört so recht in den Rahmen der trefflichen Verlagsartikel der um die Veröffentlichung gediegen- naturwissenschaftlicher Werke ersten Ranges verdienten Verlags- handlung; es sei nur an die Namen Helmholtz, Huxley, Thomson, G. Wiedemann, Wallace erinnert, denen sich der Name Tyndall ebenbürtig anreiht, und die alle durch hervorragende Werke bei der Firma vertreten sind. Das vorliegende Buch ist den Fachleuten längst bekannt (es ist in englischer Sprache 1860 erschienen): den Physikern, Geographen und Glacialgeologen. Aber es sei besonders betont, dass der blosse Alpenwanderer, der rein zu seiner Erholung und zum Sport in den Alpen Reisende und Wandernde, sofern er dabei auch über die Naturgeschichte der Alpen Belehrung wünseht, in der hierbei ihn unterstützenden Litteratur das auch für den Laien gut lesbare Buch Tyndall’s über die Gletscher der Alpen unbedingt und an erster Stelle aufzunehmen hat. Bei dem weiteren Interessenten- Kreise, der für das Werk Tyndall's vorhanden ist, wird die vor- liegende, inhaltlich unveränderte, den Originaltext gewissenhaft übertragende Uebersetzung ins Deutsche allseitig mit Freuden begrüsst werden. William Ramsay, Les Gaz de l’atmosphere, histoire de leur decouverte traduit de l’anglais, par G. Charpy. 1 volume in-8° carır& de 194 pages avee 6 figures. Georges Carrd et C. Naud, editeurs. Paris 1898. — Cartonne & l’anglaise. Prix: 5 fr. Die vorliegende historische Darstellung unserer Kenntnisse über ,die chemische Zusammensetzung der Luft, der Eigenschaften dieser und der sie zusammensetzenden Gase aus so bewährter und berühmter Feder wird die weiteste Berücksichtigung finden müssen. ‘Der vorliegende Gegenstand hat überdies das all- gemeinste Interesse für sich: der Chemiker, Physiker, Meteorologe u. s. w. Biologe, sie alle müssen über die Zusammensetzung der Luft genauer orientirt sein, und diese Orientirung zu gewinnen ist eine historische Entwickelung besonders zweck mässig und instructiv. Es sei an die Namen Boyle, Mayow, Hales, Black, Daniel Ruther- ford, Priestley, Scheele und Lavoisier erinnert, von denen die meisten jedem Naturforscher mehr als eben blosse Namen sein sollten. Dass, die Kapitel V, VI und VII ausschliesslich der durch Ramsay und Rayleigh gemachten Entdeckung des Argon ge- widmet sind, ist begreiflich ünd eine so breite Berücksichtigung um so mehr zu erwarten, als der Leser von vornherein in einem Werke vorliegender Art aus der Feder Ramsay’s nach einer aus- führlichen Darstellung dieses Gases suchen wird. Die bequeme Zusammenstellung alles dessen, was wir nunmehr über das Argon wissen, kommt einem Bedürfniss entgegen, das vielfach gespürt worden sein wird. G. Köhler, Königl. Oberbergrath und Prof. für Bergbau und Aufbereitungskunde, Director der vereinigten Bergakademie und Bergschule in Klausthal. Katechismus der Bergbau- kunde. Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage. Mit 224 in den Text gedruckten Abbildungen. Verlag von J. J. Weber in Leipzig. — In Originalleinenband 4 Mark. Diese gute, gedrängte Darstellung des Wichtigsten aus dem Gebiet der Bergbaukunde wendet sich nach kurzer Einleitung über die Lagerstätten dem Aufsuchen der letzteren, den Schürf- und Bohrarbeiten zu. Nach Erörterung der Häuer- oder Ge- winnungsarbeiten gelangt der Abbau der Lagerstätten zur Dar- stellung mit dem ihm vorausgehenden Abteufen von Schächten und Treiben von Strecken und Stollen. Die weiteren Abschnitte haben es mit der Förderung unter und über Tage, der Fahrung ohne und mit Maschinenkraft, dem Grubenausbau, der Wasser- haltung und der Wetterlehre zu thun. Die Fragen der 1. Aufl. sind in der vorliegenden 2. Aufl. (und das ist uns durchaus sympathisch) in einfache Ueber- schriften umgeändert worden. Im Uebrigen schliesst sich der „Katechismus“ eng an das bewährte Lehrbuch der Bergbaukunde des Verfassers an, ist also eigentlich ein bequemer, kurzer Aus- zug aus demselben; er enthält jedoch natürlich alles Neue und in der Praxis Bewährte, das seit Erscheinen der letzten Auflage des Lehrbuches hinzugekommen ist. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 259 Dr. A. Korn, Eine Theorie der Gravitation und der elektrischen Erscheinungen auf Grundlage der Hydrodynamik. 2. Aufl. Berlin 1898, Ferd. Dümmlers Verlag. — Preis 6 Mark. Die erste Auflage dieser interessanten Studie (1892—1894 erschienen) haben wir im neunten Jahrgang (S. 519) unter näherer Bezugnahme auf die der Korn’schen Theorie zu Grunde liegende Hypothese in einer Flüssigkeit pulsirender Kugeln besprochen. Der Verfasser, der sich inzwischen an der Universität München als Privatdocent habilitirt hat, bietet uns in der vorliegenden, zweiten Auflage die Ergebnisse seiner Arbeit in einer wesentlich vollendeteren Gestalt und in mannigfacher Weise ergänzt dar. Nach einer allgemein orientirenden, recht klar geschriebenen Ein- leitung werden im ersten Haupttheil des Buches die Grundlagen der Hydrodynamik, vom d’Alembert'schen Prinzip ausgehend, be- handelt, und im Anschluss daran wird die sich aus der Annalıme pulsirender Kugeln in einer wirbellosen Flüssigkeit verhältniss- mässig leicht ergebende Theorie der Gravitation vorgetragen. Der zweite, die elektrischen Erscheinungen behandelnde Haupt- theil gliedert sich in zwei Abschnitte, in denen einerseits die ponderomotorischen und andererseits die elektromovtorischen Wir- kungen ihre Erledigung finden. Selbstverständlich sind diese Entwieklungen durchaus mathematisch und setzen daher beim Leser die Kenntniss der Infinitesimalrechnung voraus. — Neu hinzugekommen ist sodann noch ein interessanter Anhang über die Theorie Maxwell’s und ihre Einwirkung auf neuere Theorien- bildungen. Der Unterschied der Korn’schen Theorie gegenüber derjenigen von Maxwell besteht nämlich darin, dass die Funetionen, welche die elektrische und magnetische Verschiebung im Dielek- trikum darstellen, bei Maxwell keinerlei mechanische Bedeutung haben, während sie in der hydrodynamischen Theorie den Ampli- tuden von Schwingungen proportional sind, die noch viel schneller als die Liehtschwingungen erfolgen. Mit Recht erblickt Verf. hierin einen bedeutsamen Vorzug seiner Auffassung, und es ist gewiss nur zu billigen, wenn er anhangsweise ganz allgemein das Bestreben, befriedigende, mechanische Theorien des Natur- geschehens zu finden, begeistert in Schutz nimmt gegenüber einer Art moderner Mystik, die in neuester Zeit hier und da wieder kühn ihr Haupt erhebt, indem sie sich hinter die Maxwell’sche Theorie verschanzt. Verf. bekämpft hiermit diejenigen neueren „Energetiker“, welche selbständige, mechanisch nicht weiter erklär- bare, elektrische und magnetische Energie als gleichberechtigt mit der mechanischen Energie einführen wollen und eine Zurück- führung der ersteren auf letztere für völlig unnöthig P. Kbr. Zeitschrift für Naturwissenschaften. Organ des natur- wissenschaftlichen Vereins für Sachsen und Thüringen, unter Mit- wirkung von Geh.-Rath Prof. Dr. von Fritsch, Prof. Dr. Garcke, Geh. Rath Prof. Dr. E. Schmidt und Prof. Dr. Zopf heraus- gegeben von Dr. G. Brandes, Privatdocent der Zoologie an der Universität in Halle. Mit 4 Doppeltafeln und 3 Figuren im Text. 70. Band. Leipzig, C. E. M. Pfeffer, 1898. Borekert, Dr. Paul, Das Diluvium der Provinz Sachsen in Bezug auf Bodenbau, Pflanzen-, Thierverbreitung und Boden- nutzung. Dathe, Albert, Das Weltersche Gesetz. Holdefleis, Priv.-Doe. Dr. Paul, Ueber den Gehalt der reifen Stroh- und Spreuarten an nicht eiweissartigen, stickstoffhaltigen Stoffen. Fritsch, Prof. Dr. K. v., Pflanzenreste aus Thüringer Culm- Dachschiefer. Mit 3 Doppeltafeln. Kantorowiez, Dr. R., Ueber Bau und Entwieklung des Spiraldarms der Selachier. Mit 1 Doppel- tafel und 3 Figuren im Text. Lippmann, Dr. E. v., Robert Mayer und das Gesetz von der Erhaltung der Kraft. Devselbe, Bacon von Verulam. Merkel, ©. und Fritsch, K. v., Der unteroligocäne Meeressand in Klüften des Bernburger Muschel- kalkes. Schönichen, Walther, Ueber den Bau des Assel- darmes. Spangenberg, Dr. G., Neue Saurier aus Lias und Trias im Stuttgarter Museum. Reiseerinnerung. Volhard, Prof. Dr. J., Zur Geschichte der Metalle. Zawodny, Dr. J., Plumula und Radieula von Brassica oleracea acephala. Derselbe, Beitrag zur Kenntniss der Wurzel von Sorghum saceharatum. Derselbe, Ueber den Gehalt an verschiedenen Mineralsubstanzen in normal entwickelten und verkümmerten Glaskohlrabipflanzen. Marshall, W., Im Wechsel der Tage. Monatliche Thierbelusti- gungen. Leipzig — 2M. zz Inhalt: Wilh. Pabst: Weitere Beiträge zur Kenntniss der Thierfährten in dem Rothliegenden Thüringens. — Leo Brenner: Resultate aus den Mars-Beobachtungen an der Manora-Sternwarte. — Ueber das bei vielen Säugethieren vorkommende Tentorium osseum. — Der Specht als Forstschädling. — Garten-Nacktschneeken. — Die Transpiration der Halophyten. — Ein einzig in seiner Art im Pflanzenreich dastehender Fall von Embryobildung. — Ungewöhnlich starke Anomalien des Erdmagnetismus im eentralen Russland. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Paul Ascherson und Paul Graebner, Synopsis der Mitteleuropäischen Flora. — John Tyndall, Die Gletscher der Alpen. — William Ramsay, Les Gaz de l’atmosphere. — G. Köhler, Königl. Oberbergrath und Prof. für Bergbau und Aufbereitungskunde, Direetor der vereinigten Bergakademie und Bergschule in Klausthal. Katechismus der Bergbaukunde. — Dr. A. Korn, Eine Theorie der Gravitation und der elektrischen Erscheinungen auf Grundlage der Hydrodynamik. — Zeitschrift für Naturwissenschaften. — Liste. 260 Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! Grosse Vortheile! RE ARTE Neues Princip für Massenbetheiligung an industriellen Unternehmungen. = Neuheiten - Vertrieb. — Neu aufgenommen: Durchführung des Buttenstedt- schen Flugprineips ws (von zwanzig namhaften Gelehrten unterstützt) und Errichtung einer Versuehs- station für Flugzwecke. Internationaler Verein zur rationellen Verwerthung von Erfindungs-Patenten. Eingetragene Genossenschaft mit be- schränkter Haftpflicht. Berlin S®. 26, Cottbuserstrasse 1. \ Paul I LIN. 5.0.26, J des Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, partieipirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabrieirten Artikel. VO PHOHHOHHHHO HH HH HH HH HH HH HH HH OS Dr. Robert Muencke Luisenstr. 58. BERLIN NW. _Luisenstr. 58. % Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ® und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. ® “ “ 52 % “ s , 52 2 ® 5? . Naturwissensehaftliche » Woehensehrift: XIM.. Nr. 22. d Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amät.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Photo raphische Stativ- und Hand- „ Gameras. Gediegene Ausstattung. is6” Sämmtliche Bedarfsartikel. Spee.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) | Die practischste und zuverlässigste Hand-Cameras. Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. ‚ An jede ‚Camera ‚anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges‘). Gans & Goldschmidt, Berlin N., Auguststr. 26. Elektrotechnische Anstalt und mechanische Werkstätten. Spezialität: Elektr. Messinstrumente, Hempel’s Klassiker Ausgaben, Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Fe d. Dümmlers Verlagsbuchh. - Gebrauchte . Gasmotoren Die Insekten-Börse Internationales Wochenblatt der Entomologie Normal-Elemente, Normal- und Praeci- sionswiderstände, nach den Modellen der Physikal. Techn. Reichsanstalt. — Normal- Volt- und Amperemeter, Spiegelgalvano- meter, Physikalische Lehrmittelapparate Einrichtung von Laboratorien. -DAMPF-undDYNAMO- MASCHINEN. garantirt betriebsfähig in. allen "Grössen- sofort‘ lielerbar. ekten -Börse. Entomplogisches Organ “> für Angebot. Nachfrage und Tausch.x Elektrömotor;s:n.v.». Schitbauerdamm 21 Berlin NW. Paul Wächter Berlin - Friedenau empfiehlt als Spezia- litäten seine Mikroskope und photogr. Objektive, Preislisten gratis und franko. durch die Post. gratis und franco, — hervorragendste Blatt, welches wegen der be- lehrenden Artikel, sowie seiner internationalen und grossen Verbreitung betreffs Ankauf, Ver- kauf und Unitausch aller Objeete die weit- gehendsten Erwartungen erfüllt, wie ein Probe-Abonnomentlehren dürfte. Zu beziehen Abonnements - Preis pro Quartal Mark 1,50, für das Ausland per Kreuzband durch die Verlags- Buchhandlung Frankenstein & Wagner, Leipzig, Salomon- strasse 14, pro Quartal Mark 2.20 = 2 Shilling 2 Pence — 2 Fı. 75 Cent. — Probenummern 4gespaltene Borgiszeile Mark —.10. bewährter “Gonstrüction. Insertionspreis pro Willensfreiheit und sittliche Verantwortlichkeit. Eine socialpsychologische Untersuchung Dr. Friedrich Wilhelm Foerster. 54 Seiten gross Octav. Preis 1 Mark. Die Charakteristik. der Tonarten. Historisch, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. 136 Seiten Oetav. — Preis 2,40 Mark. Verantwortlicher Redaeteur: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Ferd. Dimmlers Derlagsbunmhhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerfr. 94. Smaunjerem Verlage erihien joeben: Der Menfchheitslehrer. Ein Kebensbild des Weifen von Nazareth. Don Beorge Paul Sylvelter Cabanis. 300 Seiten Dftav,., Preis geh. 3 4, elegant geb. 4 ML. Eine dramatifche Schilderung des Lebens Seju, die fomohl durch, ihre edle, form- vollendete Sprade we Lie hohe Auffaffung, der Geitalt und Lehre des MWeijen von Nazareth ji als eine hervorragende Eriheinung bekundet und auf jeden Lejer eine große Wirfung ausüben wird. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Was die naturwissenschaftliche Forschung »ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- den Gebilsen der Phantasie, wırd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke.t, der ihre Schöpfungen schmückt. Schwendener. BERDE F = f »- „<“” Redaktion: Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. | Sonntag, den 5. Juni 1898. Nr. 23. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist MH 4.— in sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme | bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. en bei der Post 15 „ extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. _ Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Einige Bemerkungen über die Blindmäuse und ihre geographische Verbreitung. Von Prof. Dr. A. Nehring in Berlin. Mit 4 Abbildungen. Zu den merkwürdigsten Nagern der Jetztwelt gehören | förmigen Gestalt an den der Maulwürfe, aber der Kopf die Blindmäuse, Gattung Spalax. Keine andere Säuge- | ist von einem Maulwurfskopfe sehr verschieden; an dem thier-Gattung zeigt eine derartige Reduction der Augen, | Spalaxkopfe fällt die breite, von oben nach unten abge- wie .es- bei flachte Form den Blindmäu- ins Auge, so- senderFallist; EN N \W £ = //f, wie jederseits ihre Augen NUM eine mit borsti- sind 5ä nzli er 5 \ rn be verkümmer setzte Leiste und von der N N W welche offen- dieht behaar- bar beim Wüh- ten Kopf- len! Zins der. haut überzo- Erde eine gen. Von wichtige Rolle einer Augen- spielt. Die Na- spalte ist sezähne sind relativ kräf- tig entwickelt nichts zu be merken. Nur bei sorgsa- und fallen mer Präpara- stark ins Au- tion findet IS ge. Die Zahl man die Aug- = der Backen- Zn ao AN = - > = zähne beträgt me > —= —= De. in jeder Kie- E BG, re = > =— zus” ferhälfte drei. ei, KL, > — ; / — Ohrmu- scheln sind äpfel einer Blindmaus un- ter der die Au- genhöhle be- kleidenden,be- Fig. 1 : haarten Kopf- { z 1 en RISEHUE nicht vorhan- haut, und Blindmaus (Spalax typhlus) nach DR ano: [einenleben (Bibliographisches Institut in Leipzig). den. zwar als klei- Die Beine er- ne, schwärz- scheinen kurz liche Körperchen von der ungefähren Grösse eines sehr | und die Füsse tragen ziemlich schwache Krallen, im Ver- kleinen Hagelkorns. Sie nehmen nur einen ganz geringen | gleich mit dem Maulwurf und manchen anderen wühlenden Theil der Augenhöhle ein und sind völlig funetionslos | Säugethieren. Der Schwanz ist gänzlich verkümmert. geworden. Die Behaarung ist weich, dieht und. von mässiger Der Körper der Blindmäuse erinnert in seiner walzen- | Länge, indem sie etwas an die der Maulwürfe erinnert. 262 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 23. An diese erinnert vor allem die unterirdische Lebensweise. Die Blindmäuse hausen in unterirdischen Gängen und Höhlen, welche sie sich selbst herstellen. Die über- flüssige Erde werfen sie nach Art der Maulwürfe haufen- weise heraus, doch sind die von ihnen hergestellten Erdhaufen grösser und relativ flacher, als die der Maulwürfe. Die Nahrung der Blindmäuse ist von derjenigen der Maulwürfe völlig verschieden; letztere nähren sich von animalischer Kost, be- sonders von Regenwürmern, Enger- lingen, Erdraupen, erstere dagegen sind reine Vegetarianer, sie fressen Wurzeln, Knollen, Zwiebeln ver- schiedener Pflanzen. Die Blindmäuse sind charak- teristische Bewohner fruchtbarer Steppengegenden, welche einen zur Herstellung von Gängen und Höhlen geeigneten Boden dar- bieten; sie kommen einerseits in Niederungssteppen, sofern die- selben frei von Ueberschwemmun- gen sind, andrerseits auch in Hoch- steppen vor. Ihr Verbreitungs- gebiet umfasst das südöstliche Europa, das westliche Asien und Antheil an derselben; sie bilden hauptsächlich nur die Crista sagittalis. Eine zweite Art ist Sp. mierophthalmus Gülden- städt. Sie wohnt in den Steppen zu beiden Seiten des Don und seines Nebenflusses Choper, kommt auch noch in der Gegend von Sarepta (an der untern Wolga) vor. Dieses ist die älteste, wissenschaftlich be- schriebene Art. Man hat sie aber bis vor Kurzem (d.h. bis zu meinen Untersuchungen) als synonym mit Sp. typhlus Pall. betrachtet, was nicht der Fall ist; dagegen fällt sie mit Sp. Pallasii Nordm. zu- sammen, soweit letztere Art be- gründet ist. In der Grösse steht sie an zweiter Stelle; sie erreicht ungefähr eine Körperlänge von 250—265 mm. Der zugehörige Schädel ist durch Fig. 3 dar- gestellt. Den Namen Sp. typhlus Pall. habe ich vorläufig für eine dritte, kleinere Art bestehen lassen, welche, wie es scheint, im süd- lichen Russland (mit Ausschluss des Südostens, wo Sp. mierophthal- mus lebt) bis zur mittleren Wolga einen kleinen Theil von Afrika E4 5 verbreitet ist. Von dieser Art, die (Unterägypten). Schädel des Spalax giganteus Nhrg., von oben gesehen. ich leider bisher nicht aus Russ- Bis vor Kurzem wurde nur Nat. Grösse. Eigenthum der Königl. Landwirthschaft- land näher untersuchen konnte, eine Spalax-Art allgemein aner- lichen Trochnehuli DEE gezeichnet von habe ich den ungarischen Spalax kannt und mit dem Pallas’schen Namen: „Spalax typhlus“ belegt. Nachdem ich mich seit Herbst 1897 ziemlich eingehend mit den Blindmäusen befasst habe, bin ich zu der An- sicht gekommen, dass man nicht eine, sondern eine grössere Anzahl von Spalax-Arten zu unter- scheiden hat, welche sich theils durch gewisse Eigenthümlichkeiten der Schä- del- und Gebissbildung, theils durch die Beschaffenheit des Haarkleides, theils durch die Grösse unterscheiden. *) Jede dieser Arten scheint ein eigenes Gebiet zu bewohnen. Die grösste Art, welche ich Spalax giganteus benannt habe, lebt in der Umgegend von Petrowsk, einer Stadt, die am Westufer des Kaspischen Meeres gelegen ist; wenigstens stammt das mir vorliegende Original - Exemplar dieser Art, welches eine Länge von 350 mm zeigt, aus der Umgegend von Petrowsk. Wahrscheinlich kommt Sp. giganteus auch im Gebiete des Teerek-Flusses vor, da Pallas dort Blindmäuse von 11!/s als Spalax typhlus hungarieus ab- gezweigt*), eine Varietät, von der mir ein grosses Material vorliegt. Sie kommt haupt- sächlich im östlichen und südöstlichen Ungarn vor. Die Körperlänge beträgt etwa 175—215 mm. — Auch die Blindmaus der Dobrudscha und Ostbulgariens scheint hierher zu gehören. Eine vierte Art, welche ich Spalax monticola genannt habe**), lebt auf den 1200—1500 Meter über dem Meere gelegenen Hochflächen von Bosnien und der Herzegowina. Diese Art beruht vorläufig nur auf zwei Schädeln, welche Herr O. Reiser, Custos am bosnisch- herzegowinischen Landesmuseum zu Serajewo, mir zur Untersuchung über- sandt hat. Eine fünfte Art habe ich kürzlich als Spalax graecus unterschieden *"*); ‚sie kommt in Griechenland vor. Ich kenne sie aber vorläufig nur nach einem ausgestopften und einem skelettirten Exemplar des zoologischen Museums in München. Näheres über ihre Ver- Zoll Länge beobachtet hat. Der Schädel Fig. i breitung muss erst noch festgestellt dieser Art zeigt sehr kräftige Formen. Schädel des Spalax mierophthalmus Güld. werden. Die Körperlänge beträgt ea. Siehe Figur 2. Besonders merkwürdig Natürliche Grösse. 250 mm. erscheint in vergleichend anatomischer Hinsicht die schmale, reducierte Gestalt der Scheitelbeine (pa). Während am menschlichen Schädel die Scheitelbeine den grössten Theil der Schädelkapsel bilden, haben sie hier (bei Sp. giganteus) fast gar keinen *) Siehe meinen Artikel im Sitzungsb. d. Berl. Ges. naturf. Freunde, v. 21. Dee. 1897, S. 163—183, mit 6 Abbildungen, und vom 18. Januar 1898, S. 1—8. Siehe auch „Zoolog. Anzeiger“, 1898, Nr. 555, S. 228—230. Auch in Asien existiren verschiedene Arten der Gattung Spalax, welche bisher mit den europäischen unter dem Namen Sp. typhlus Pall. zusammengefasst wurden. Sehr zierlich ist diejenige Art, welche ich als Spalax kirgisorum bezeichnet habe und zwar auf Grund eines Skeletts, das ich einst durch Wilh. Schlüter (Halle a. S.) aus der Kirgisensteppe erhielt. Der *) Siehe Sitzgsb. d. Berl. Ges. naturf. Fr., 1897, S. 173. #*) Siehe Sitzungsb. d. Berl. Ges. naturf. Fr., 1898, S. 6 f. #*) Zoolog. Anzeiger, 1898, No. 555, S. 228 ff. XI. Nr. 23. zugehörige Schädel ist durch Fig. 4 dargestellt. Ein Ver- gleich mit der Abbildung des Schädels von Sp. giganteus (Fig. 2) wird auch den Laien zu der Ueberzeugung bringen, dass hier zwei sehr verschiedene Arten vor- liegen. — Nach Pallas soll die Gattung Spalax jenseits der Wolga nicht vorkommen; aber diese Ansicht ist un- richtig, wie Sp. kirgisorum beweist. Eine relativ kräftige Spalax-Art, welche in der Grösse und in mancher anderen Beziehung an Sp. mi- erophthalmus Güld. erinnert, hat K. Satunin in Tiflis kürzlich als Spalax Nehringi unterschieden, und zwar auf Grund einiger Exemplare, die Eug. König 1896 auf dem Nordabhange des Grenzgebirges Kasicoporan an der russisch-türkischen Grenze in Armenien für das kaukasische Museum in Tiflis gesammelt hatte. Eine vorläufige Beschreibung dieser Art ist in einer der letzten Nummern des „Zoolo- | gischen Anzeigers“ veröffentlicht worden. Sehr zierlich ist eine Spalax-Art, welche m mir in zahlreichen Exemplaren aus der Um- gegend von Jaffa in Palaestina vorgelegen hat. Ich habe sie Spalax Ehrenbergi 1% genannt. Ihre Körperlänge beträgt nur ca. IM £ 150 mm. Am zierlichsten erscheint ein fr Exemplar dieser Art aus der Gegend von Jerusalem, Eigenthum des hiesigen Museums für Naturkunde, dessen Schädel mir mit Be- willigung des Herrn Geh -Raths Möbius durch Herrn Custos P. Matschie zur Untersuchung anvertraut wurde. Die Totallänge dieses Schädels beträgt nur 33,5 mm, seine Joch- bogenbreite nur 21 mm; doch bedarf es noch fernerer Untersuchungen, um festzustellen, ob es sich hier um einzelnes, zwerghaftes Exemplar oder um eine besondere kleine Varietät handelt. Auch ist zu be- rücksichtigen, dass der vorliegende Schädel einem noch nicht ausgewachsenen Exemplare angehört. Immerhin ist er kleiner als gleichalterige Schädel von Jaffa; auch sind die Baekenzähne auffallend zierlich. Eine andere grössere Art*) habe ich aus Nordsyrien unter dem Namen Spalax intermedius beschrieben, indem ich zugleich die Vermuthung aussprach, dass diese Art auch in einem grösseren Theile Kleinasiens ver- breitet sei. Besonders merkwürdig erscheint endlich das Vor- kommen einer Spalax-Art in Unter-Aegypten, westlich von den Nilmündungen, in der Umgegend von Alexandria. Ich habe sie Spalax aegyptiacus genannt und nach *) Die Körperlänge des betreffenden weiblichen Exemplars, welches meiner bezüglichen Untersuchung zu Grunde lag, beträgt 106 mm; dasselbe ist Eigenthum des hiesigen Museums für Natur- kunde und von H. Rolle aus Nordsyrien mitgebracht worden. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. } überhaupt Fig. Schädel des Spalax kirgi- sorum Nhreg. Eıgenthum des Verfassers. Gez. von Dr. P. Schiemenz. 263 einem ausgewachsenen, aber sehr zierlichen Exemplar des hiesigen Museums für Naturkunde, im Einverständniss mit den Herren Geh. Rath Möbius und ÜÖustos P. Matschie, beschrieben. Die Körperlänge beträgt nur 130 mm. Schon vor einigen Jahren hatte der englische Zoologe Anderson in den Proceedings der Zoological Society of London einen sehr interessanten Aufsatz über das Vor- kommen von Blindmäusen bei Alexandria veröffentlicht, ohne sie aber speeifisch zu unterscheiden. Nach unseren bisherigen Kenntnissen bildet Sp. ae- gyptiacus den am weitesten nach Süden vorgeschobenen Vorposten der Gattung Spalax. Zum Schluss möchte ich noch die Frage aufwerfen: Können die Blindmäuse über grössere Flüsse hinüberschwimmen? Gehen sie freiwillig ins Wasser? Brehm nimmt dieses nach Analogie des Zokors (Siphneus aspalax) ohne Weiteres an, indem er in seinem Illustrirten 'Thierleben, 2. Aufl. Bd. II, S. 400 Folgendes sagt: „So ungeschiekt und täppisch, wie man gewöhn- lich angiebt, sind die Bewegungen der Blind- ww maus nicht. Ein Zokor, welchen ich laufen sah, huschte mit der Schnelligkeit einer Ratte über den Boden dahin, eilte einem Bache zu, stürzte sich kopfüber ins Wasser, schwamm rasch ein Stück in ihm fort und verschwand eilfertig in einem bier ausmündenden Loche. Dass wenigstens diese Art ein trefflicher Läufer und Schwimmer ist, versicherten ein- stimmig alle von mir befragten Kirgisen, und dasselbe wird man wohl auch von der Blind- maus sagen können.“ Letztere Bemerkung Brehm’s halte ich vorläufig für sehr problematisch! Der Zokor ist nicht blind, wie die Spalax-Arten, und seine Verwandtschaft mit der Gattung Spalax ist keineswegs so nahe, wie Brehm annimmt. Ich bezweifle vorläufig, dass die Blindmäuse „treffliche Läufer und Schwimmer“ sind. Vielleicht weiss einer der Leser dieser Zeitschrift hierüber aus eigenen Beobachtungen etwas mitzutheilen; ich würde demselben für eine solche Mittheilung dankbar sein. Offenbar ist es in zoogeo- graphischer Hinsicht nicht unwichtig zu wissen, ob die Blindmäuse im Stande sind, über grössere Ströme hinüber zu schwimmen und auf diese Weise ihr Verbreitungsgebiet auszudehnen. Bei ihrer völligen Blindheit und der Zart- heit ihrer Behaarung erscheint es a priori wenig wahr- scheinlich, dass sie freiwillig ins Wasser gehen, um von einem Ufer eines Stromes nach dem anderen hinüber- zusetzen. Dagegen scheinen Gebirge, falls sie nicht allzu hoch, steil und felsig sind, für ihre Ausbreitung keine un- übersteigbare Schranke zu bilden. Natürl. Gr. Der Schelch des Nibelungenliedes. Eine Studie von Dr. Paul Dahms in Danzig. Mit Beginn der historischen Zeit bedeckten dichte Urwälder den Boden Deutschlands. Diese geheimniss- vollen Forsten musste nach der allgemeinen Ansicht auch eine eigenthümliche Fauna bevölkern, gewaltig, gross und kraftvoll wie die sie umgebende Natur. Weniger durch Sehen als auf Grund von Gerüchten suchte man sich ein Bild von diesem Waldriesen zu machen; daher kommt es, dass sich von den frühesten Zeiten an Fabeln über Fabeln in die Geschichte der damaligen Thierwelt eingeschlichen haben, und dass Irrthümer dieselbe bis heute noch ver- folgen. — Als später die Cultur im Westen die Wälder lichtete, waren im Osten noch grosse Forsten vorhanden. So galt denn noch bis ins 16., sogar bis ins 17. Jahr- hundert Preussen für ein an seltenen Thieren reiches Land, und vielfach versuchten Fürsten und Herren, einige Vertreter derselben für ihre Thiergärten zu gewinnen. Unter den Jagdthieren, welche im Nibelungenliede der Held Siegfried erlegt, wird der „grimme Schelch“ erwähnt, ein Lebewesen, welches verschiedentlich In- teresse erregt und zu den eigenartigsten Deutungen Ver- 264 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIH. Nr. 23. anlassung gegeben hat. Die betreffende Stelle aus der Jagdschilderung, welche — wie aus dem Liede selbst deutlich hervorgeht — auf dem rechten Rheinufer, dem Werder, stattfand, lautet: „Darnach seluoe er schiere einen wisent und einen elch. Starker oure viere und einen grimmen schelch.“ *) Während Schönhut den „grimmen Schelch* für einen Steinbock **) ansieht, halten Scheller, v. d. Hagen, Büsching und Zeune ihn für einen Bockshirsch mit Bart und Zotteln am Halse, der mit dem Elch verwandt und vielleicht der noch heute in Böhmen häufige Brandhirsch sei. Die erste Vermuthung ist von vorn herein hinfällig, da der Steinbock ein Thier des Hochgebirges ist, während Elch, Wisent und Ur vorzugsweise auf Niederungen an- gewiesen sind. Die zweite Annahme ist ebenfalls zurück- zuweisen, da der Brandhirsch kein Schaufelhirsch, sondern nur eine Varietät unseres Edelhirsches ist. Dagegen wollen Weawer und Hilbert, sowie Nees von Esenbeck den grimmen Schelch mit dem Riesenhirsch identifieiren. Obgleich Owen, Bujack und Peters***) sich gegen diese Deutung aussprachen, brachte letzterer durch deren Erwähnung die Litteratur zu derselben. Ein wohlver- dienter Germanist wurde durch diese verführt, als Er- rungenschaft der Wissenschaft zu verkündigen, der Schelch sei der Riesenhirsch. Diese Meinung hat sich seitdem bis auf den heutigen Tag vielfach erhalten. Während Hahn?) selbst in dem Schelch ein Wildpferd sieht, er- wähnt er, dass v. Frantzius auf Grund einer Glosse und der Etymologie zu der Ansicht gekommen sei, in dem fraglichen Thiere einen Wisent zu sehen, denn der Wisent könne wegen seines schielenden Blickes sehr gut als Scheleh bezeichnet werden; in der späteren mittelalter- lichen Nachdichtung seien dann aus einem Thiere und der Glosse daneben zwei Thiere geworden. NehringT) erwähnt, dass Edmund Veckenstedt im Schelch ein Ochsen- kalb, Franz v. Etzel dagegen einen alten, besonders ge- fährlichen Urstier vermuthe. Schliesslich sei noch er- wähnt, dass man den Schelch auch als Rennthier zu deuten versucht hat, jedenfalls wegen der reichlichen Reste, die von diesem Thiere in Deutschland aufgefunden sind. Auch diese Erklärung ist zu verwerfen, da das Renn mit der Eiszeit aus Deutschland verschwand}j7), und andererseits sein Charakter kaum die Bezeichnung „grimm“ zulässt. Abgesehen von denjenigen Thieren, welche sogleich bei ihrer Aufzählung zurückgewiesen wurden, und von den Vertretern der Unterfamilie der Bovinae, welche jedenfalls nicht als besondere Lebewesen hervorgehoben sein dürften, mögen in Folgendem die verschiedenen Thiere besprochen werden, welche auf die Bezeichnung „grimmer Schelch“ Anspruch erheben könnten. Das Auftreten des Riesenhirsches, Megaceros hiber- nieus Owen, fällt in die Eiszeit und die Zeit ihres Rück- zuges. Die Reste desselben werden deshalb am häufigsten in den unteren Schichten von Torflagern gefunden, die *) Der Nibelungen Liet. Ein Rittergedieht aus dem XIII. oder XIV. Jahrhundert. Zum ersten Male aus der Handschrift ganz abgedruckt. Berlin 1782. S. 47, Vers 3504, 3505. ##) Vergl. Bujack, J. G.: Der grimme Scheleh der Nibelungen ist weder ein preussisches Thier, noch der Riesenhirsch der Vor- welt, und dieser nicht unser Elen. Preuss. Prov.-Bl. Bd. XVII. Königsberg 1837, S. 100f. #**) Peters, Karl: Ein Vortrag über den irischen Riesenhirsch, Cervus megaceros Hart. Jahrbuch der Kais. Königl. Geol. Reichs- anstalt. Wien. VI. Jahrg. 1855, S. 318f. +) Hahn, Ed.: Ueber den Schelch des Nibelungenliedes. Ver- handlungen der Berliner Ges. für Anthropologie ete. Berlin 1892. Sitzung vom 20. Febr. 1892, S. 121 ff. +r) Ebenda S. 125f. tr) Nehring, Alfred: Lebten zu Caesars Zeiten Rennthiere = hen Walde? Globus. Braunschweig 1878. Band 34, 76,30% sich zwischen und unter diluvialen Lehmschichten bildeten, wie z. B. in Irland. In Deutschland trifft man sie be- sonders in der Kiesbank an der Basis der interglacialen Sande an, die durch zahlreiche Gruben in der Umgebung Berlins ausgebeutet werden. In ein und derselben Bank dieser Sande sind dort die Reste dieses Thieres zusammen mit denen von Mammuth, Rhinoceros, Büffeln, Moschus- ochs, Pferden und Rennthieren eingebettet. Der Umstand, dass diese Reste stets zusammen angetroffen werden, lässt darauf schliessen, dass die dem Eise der gewaltigen Gletscher südwärts vorgelagerten Gebiete von den oben erwähnten Thieren bewohnt wurden. Die Flüsse, die aus den nach Norden zurückweichenden Eismassen hervor- brachen und die Grundmoränen mit Kies und Sand über- schütteten, spülten die verwesenden Thierleichen in den Kiesbänken der Umgebung von Berlin zusammen. Diese Fauna beschränkte sich jedoch nicht nur auf das Gebiet, welches dem schmelzenden Gletscher unmittelbar benach- bart war, sondern folgte mit Vorliebe den Flussthälern bis tief ins Innere des Landes hinein.*) Als dann im Laufe der Jahrtausende das Klima milder und feuchter wurde, drang von den Flussthälern und anderen günstigen Orten der Baumwuchs vor, und die Steppe verwandelte sich in Waldland. In der fruchtbaren Steppe, wie sie Norddeutschland nach dem Rückzuge der Gletscher be- deekte, in einem wasserreichen und mit Büschen über- säeten Revier konnte das Thier wohl gedeihen, der dichte Wald musste ihm jedoch zum Verderben gereichen. Da das Geweih unter Umständen bis 4 m klafterte und mit dem Schädel zusammen über 50 kg wiegen konnte, so stellten sich dem Riesenhirsche beim Durchschreiten des immer diehter werdenden Waldes viele Hemmnisse in den Weg. Nach Ansicht der Paläontologen hätte das Thier aus diesem Grunde allein, auch ohne Eingreifen des Menschen, seinem Untergange entgegengehen müssen. Die letzten lebenden Vertreter dieser gewaltigen Hirschart besass jedenfalls Irland, welches immer reich an diesen Thieren gewesen war, jedenfalls weil es zum grössten Theil aus einer welligen Tiefebene besteht, welche zahl- reiche Seen, Sümpfe und Hochmoore besitzt. Hier fand der Riesenhirsch in genügender Menge Nahrung und war auch weniger als auf dem Continente den Nachstellungen grösserer Raubthiere ausgesetzt. Nach Angabe der Iren hätten ihre Vorfahren den Riesenhirsch gejagt; sie berufen sich dabei auf alte Sagen, - die von einem gewaltigen Hirsche, dem Seg, handeln, welchen die ersten Ansiedler auf der Insel ausgerottet haben sollen. Wie man ferner erzählt, sollen Wirbel dieses Thieres, in denen noch steinerne Pfeilspitzen hafteten, und in einem Moore bei Cork sogar eine vollständig er- haltene Haut gefunden sein.**) Der Frage, ob dieses Thier noch in historischer Zeit gelebt hat, tritt Owen skeptisch gegenüber. Er weist nach, dass kein Rest desselben mit Sicherheit allu- vialen Ursprunges sei, und ficht auch die Richtigkeit eines Beweisstückes an, welches man früher als Beleg für das Zusammenleben von Mensch und Riesenhirsch an- zuführen pflegte: Es ist dieses eine Rippe, welche be- ginnende Callusbildung zeigt. Im Gegensatze zu der Er- klärung, dass das Loch durch einen Pfeilschuss hervor- gerufen sei, hebt er hervor, dass es auch im Zweikampfe mit anderen Riesenhirschen gestossen, und die Heilung nach Vernarbung der Wunde eingetreten sein könne.***) *) Koken, Ernst: Die Vorwelt und ihre Entwickelungs- geschichte. Leipzig. T. O. Weigel Nachfolger. 1893, S. 587, 596. **) Vergl. Sterne, Carus: Die vorweltlichen Riesenhirsche. Prometheus. VII. Jahrg. 1896, S. 338ft. ***) Schulz, Paul: Ueber die in historischer Zeit ausgestorbenen Thiere. 1892, S. 14. XII. Nr. 23. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 265 Während Peters diese letztere Deutung noch weiter zu bewahrheiten sucht*), theilt Koken**) mit, dass dieser Hirsch mit Sicherheit vom diluvialen Menschen gejagt worden sei, da von ihm Geweihstangen mit roher Bear- beitung vorlägen. Zum Beweise, dass man in ihm den „grimmen Scheleh“ des Nibelungenliedes zu sehen hätte, ging man vielfach auf die Kosmographie von Sebastian Münster***) zurück. Dieser spricht jedoch nur vom Dam- hirsch, und die beigegebenen Abbildungen lassen auch keine andere Deutung zu. Auch die Versuche, den Riesen- hirsch mit dem Ceryus palmatus der Römer zu identi- fieiren, dessen Geweihe am Eingange der Ambrosianischen Burg die Bewunderung erregten, sind erfolglos gewesen. Da alle Reste des Riesenhirsches, die in Deutsch- land auf primärer Lagerstätte gefunden sind, dem Di- luvium angehören, so ist dieser Hirsch auch von den Thieren abzusondern, welche auf die Bezeichnung „Scheleh“ Anspruch erheben könnten. Der Umstand, dass der Riesenhirsch als eingegangenes Lebewesen hier im Gedichte auftauchen könnte, lässt sich vielleicht da- durch erklären, dass sich durch Sagen und Ueber- lieferungen oder aufgefundene Reste in der Phantasie das Bild von einem gewaltigen, geweihtragenden und sehr bösartigen Hirsche bildete. Die Erklärung findet viel- leicht eine Unterstützung darin, dass der Dichter auch einen „ungefügen Löwen“7) in dem Jagdbilde auftreten lässt, jedenfalls um die Kraft und Gewandtheit seines Helden in dem hellsten Lichte hervortreten zu lassen. Was die Pferde anbetrifft, so lässt sich deren Vor- kommen in Europa, und zwar besonders in Mitteleuropa, für die ganze Zeit von Beginn der Diluvialperiode bis auf den heutigen Tag eontinuirlich nachweisen. 77) Aus der Verbreitung der fossilen Reste ergiebt sich keineswegs, dass Asien allein die Heimath des Pferdes sei. Wenn viele Autoren an dieser Ansicht festhalten, so ist das darauf zurückzuführen, dass man einzig in Asien den Ur- sprung des Menschen zu sehen meint, und dass die Haus- thiere ebenfalls aus diesem Welttheile stammen müssten. Ein zweiter Grund, an der alten Meinung festzuhalten, ist der, dass alle wilden Pferdearten der Jetztzeit Steppen- thiere sind.und auch die domesticirten Pferde auf offenem, freien Gefilde am besten gedeihen. Man nimmt nun aber gewöhnlich an, dass Deutschland resp. Mitteleuropa, im Gegensatze zu Asien, in der Vorzeit stets mit gewaltigen Urwäldern bedeckt gewesen sei. Das T'bier passte in die Urwälder nicht hinein, deshalb wurde seine Heimath nach Asien verlegt. Als die diluvialen Steppenbezirke Mitteleuropas immer mehr und mehr durch den vorrückenden Wald verdrängt wurden und mit der zurückweichenden Steppen-Flora auch die Steppen-Fauna nach dem Osten zurückging, hielten sich einige wilde Pferde auch während der prä- historischen Waldperiode auf den Lichtungen, Wiesen, Haideflächen und Niederungen. Dieser kleinen, zurück- bleibenden Schaar waren freilich das damalige Klima *) Peters, Carl; Loe, eit. S. 322. **) Koken, Ernst: Loc. eit. S. 592. — Nehring, Alfred: Ueber die letzten Ausgrabungen bei Thiede, namentlich über einen ver- wundeten und verheilten Knochen vom Riesenhirsch. Verhandl. der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Ur- geschichte. Berlin 1882, S. 177, 178. ##*) Cosmographiae universalis Lib VI. Basileae 1559. Autore Sebast. Munstero. S. 784. r) Der Nibelungen Liet. S. 47, Vers 2499 ff. rr) Nehring, Alfred: Ueber neue bei Westeregeln gemachte Fossilfunde, sowie über die Vorgeschichte des Pferdes in Europa. Sitzungs-Ber. der Ges. Naturf. Freunde zu Berlin. Jahrg. 1883, S. 56fl. — Nehring, Alfred: Fossile Pferde aus deutschen Diluvial- Ablagerungen und ihre Beziehungen zu den lebenden Pferden. Ein Beitrag zur Geschichte des Hauspferdes. Landwirthsehafuiche Jahrbücher. Berlin 1884, Band 13, S. 149. und die anderen Existenzbedingungen — wie die Knochen- reste zeigen — keineswegs förderlich. Die meisten Pferde dieser Periode, deren Reste man in den norddeutschen Mooren, einigen Pfahlbauten und anderen Orten findet, waren klein und dünnknochig, so dass man sie im Ver- gleiche mit den diluvialen Steppenpferden als schwach und degenerirt bezeichnen kann. Nach dem vorliegenden Material lässt sich in Bezug auf die Grösse und Stärke der Pferde von der Diluvial- zeit bis in die Zeit des germanischen Urwaldes hinein eine langsam vorwärtsschreitende Verkümmerung nach- weisen. Als Grund für diese Erscheinung ist ausser dem ungünstigen,. feuchten Waldklima und der weiteren Ein- engung der Weidedistrikte besonders die Einwirkung der Domestikation anzuführen. Die Anfänge derselben führen stets eine Verkümmerung der Thiere mit sich. Dieselben werden in ihrer Freiheit beschränkt, ihre Kräfte werden möglichst ausgenutzt, die Jungen werden in Hinsicht der Menge der Muttermilch. beeinträchtigt und zu früh ent- wöhnt; dazu komnt noch die lange dauernde Inzucht. 3ei dieser Behandlung müssen das Aeussere und die Knochentheile der Thiere verkümmern. Dagegen versucht der in der Cultur vorgeschrittene Mensch seinen Haus- genossen möglichst Alles zu bieten, was. ihrer Natur. ent- spricht, während jene sich: gleichzeitig in vieler Hinsicht an die veränderte Lebensweise gewöhnen. Dabei werden die Körper wieder grösser und stärker, können über das Durchschnittsmaass ihrer wilden Vorfahren hinausgehen und zeigen auch eigenthümliche Veränderung in Färbung, Behaarung, äusseren Formen und Skeletbildung. Früher als in Europa sind jedenfalls in Asien Pferde gezähmt worden, die später mit. den wandernden Völkern in prähistorischer Zeit nach Europa gelangten. Waren die Rassen des Diluvialpferdes zuerst Lokalrassen, so ent- standen später unter dem Einfluss der Domestikation und der klimatischen Veränderungen«distinkte-Rassen.=-Schen- «= an den Fundstätten der neolithisehen und der Bronzezeit findet man — die asiatischen Pferde waren schon hinzu- gekommen — Pferdereste sehr mannigfacher Form und Grösse, Die wilden Pferde wurden mehr und mehr deeimirt, ihr Jagdgebiet wurde mehr und mehr. eingeschränkt. Nachrichten über „wilde Pferde“ reichen für Deutschland bis in das Mittelalter, ja bis. in die Neuzeit hinein. Preussen hat man besonders als Heimath der verschieden- artigsten, wilden Thiere angesehen, sodass in manchen Briefen an den Markgrafen Albrecht von auswärtigen Fürsten ausdrücklich um wilde Pferde gebeten wird. Eine reichliche Menge von Notizen ist von Töppen*) für ein derartiges wildes Vorkommen zusammengetragen worden; das erste derselben ist auf das Jahr 1132, das letzte auf 1644 datirt worden. Bereits in der Diluvialzeit war für das Pferd der Mensch der schlimmste Feind, der es verfolgte, und in der späteren historischen Zeit ist dasselbe ebenfalls viel- fach als Jagdthier angesehen worden. Die Missionare hatten die grösste Mühe, den Genuss des Fleisches wilder Pferde zu unterdrücken, und Bonifacius wurde von päpst- licher Seite aufgefordert, den bekehrten Deutschen den Genuss dieser Speise zu verbieten. Wahrscheinlich waren diese Thiere aber nicht wild, sondern nur verwildert.**) Wilde Pferde giebt es heute nirgend mehr; auch die *) Töppen, M.: Wilde Pferde in Preussen und Polen. Preus. Prov.-Bl. Königsberg 1847. Band IV, S. 455, 454. **) Bujack, J. G.: Zoologische Beiträge zur vaterländischen Fauna. Preuss. Prov.-Bl. Königsberg 1839. Bd. 21, S. 558ff. — Bujack, J. G.: Geschichte des Preussischen Jagdwesens von der Ankunft des Deutschen Ordens in Preussen bis zum Schlusse des siebzehnten Jahrhunderts ete, Preuss. Prov.-Bl. Königsberg 1839. Bd. 22, S. 496, Anm. 27 und S. 523, 524. Neue 266 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 23. Schaaren, welche heute die Ebenen Osteuropas und Süd- amerikas durchstreifen, sind nur verwildert. In einer Verschreibungsurkunde über das Dorf Lyck vom Jahre 1425 wird der Preis der Pferdehäute bestimmt, welche von den Beutnern*) an die Ordenshäuser abzu- liefern waren. Erasmus Stella, ein Zittauer Arzt und Bürgermeister des 16. Jahrhunderts, theilt von den wilden Pferden, da er selbst niemals in Preussen war, allerlei Fabelhaftes aus dem Volksmunde mit. Bei aller sonstigen Aehnlichkeit mit dem Pferde sollen sie unzähmbar sein, ferner einen weichen Rücken besitzen und deshalb ausser Stande sein, einen Sattel zu tragen. Ihr Fleisch sollte keinen unangenehmen Geschmack haben und von den Landesbewohnern gegessen worden sein. Bujack führt ferner zwei Verfügungen aus den Jagdfolianten A. S. 24 und 27 aus dem Königlichen geheimen Archiv in Königs- berg auf, deren erste „Am Hauptmann zur Liek d. 30 Junii Ao. 1545“ auf den Bericht des obersten Wildmeisters George von Diebes Bezug nimmt, nach welchem einige Unterthanen dieses und des Stradeunischen Amtes ein Wildpferd geschossen hatten, und deren zweite „Am Ambtmann zu Taplacken d. 19. Januarii Ao. 1546* die Schonung etwaiger Wildpferde, die sich in diesem Ge- biete niederlassen sollten, anempfiehlt. Der Verfasser der Lebensgeschichte des Kardinals Kommendon (Paris 1695) will im Park des Herzogs Albrecht von Preussen wilde Pferde gesehen haben, die man in den „weitläufigen“ Preussischen und Samojitischen Waldungen eingefangen habe. Er schildert dieselben als klein und unschön ge- formt, sehr scheu und von schwachen Schenkeln; auch sollen sie keine Sättel geduldet haben. Nach Kanzow lebten kleine, jedoch dauerhafte wilde Pferde haufenweise noch im 16. Jahrhundert in der Ukermärker Haide. Noch 1727 wurde ein verwildertes Pferd zahmer Abkunft in den preussischen Wäldern gefangen. Nach diesen Angaben muss jeder Zweifel an dem Vorhandensein wilder Rosse in früherer Zeit schwinden, und es liegt die Vermuthung nahe, dass im 15. Jahr- hundert diese Thiere in Preussen nicht allzu selten ge- wesen sind. Hieraus lässt sich ferner die bereits er- wähnte, öfters von auswärtigen Fürsten, besonders dem Pfalzgrafen vom Rhein, ausgesprochene Bitte um wilde Pferde leicht erklären. Nach Hahn**) kommt bei einem vollständigen Glossator eine Glosse vor, die „Scelo* als Onager erklärt. Gleich- zeitig wird bei Erwähnung dieser Meinung aber auch Kellers Meinung darüber mitgetheilt: „an Wildesel in den germanischen Urwäldern zu denken, wäre lächerlich.“ — Hahn führt ferner eine lippische Küchenreehnung vom Jahre 1537 an, in welcher es heisst: „vor einen hinxt LXVI gld. de quam up de sende vor einen scelen ton wilden perden“. Er meint deshalb, dass ein Hengst des interessanten Wildgestütes auf der Senne noch 1537 als Schelch bezeichnet worden sei. Venantius Fortunatus”®**) — so fährt Hahn fort — ein lateinischer Dichter am australischen Hofe, sagt in einem Gedichte an einen germanischen Grossen des Hofes: „Ardenna an Vogasus cervi caprae helieis uri Caede sagittifera silva fragore tonat ? Seu validi bufali ferit inter cornua campum Nee mortem differt ursus onager aper.“ Während bubalus den Wisent im Latein jener Zeit *) In früherer Zeit betrieb man Bienenwirthschaft im Walde und legte hierzu Klotzbauten in lebenden Bäumen, namentlich in Kiefern an. Hahn, Edm.: Loe. eit. S. 123#. Venanti Honore Clementiani Fortunati Presbyteri Italiei Opera Poetica. Berolini. Apud Weidmannos. 1881. Carminum Lib. VII, IV, Vers 19—22, S. 156, und jener Länder bedeutet, zählt der Dichter diejenigen Thiere, die im Nibelungenliede genannt werden, auf, nur fügt er noch eapra, das Reh, resp. die Hirschkuh hinzu, den Eber und den Onager, „das Wildpferd, den Scheleh.“ An anderer Stelle*) führt derselbe Verfasser an, dass ihn nicht nur der Gleichklang der Worte bewogen habe, den Scheleh als wilden Hengst zu deuten. Der Scelo des älteren Hochdeutschen, sowie der Onager der älteren Glossen und die equi silvestres des Bonifaeius bezögen sich alle auf die Wildpferde, die „nur bei feier- lichen Gelegenheiten, wie bei der Jagd im Nibelungen- liede“, gejagt worden wären. In diesem Liede seien alle Thiere der Hochjagd aufgezählt, nur „eins der vor- nehmsten Jagdthiere der alten Germanen“, das Wildpferd, fehle, wenn man es nicht im Schelech zu sehen hätte. Der Riesenhirsch sei nicht für historische Zeit nachge- wiesen, dagegen kämen Pferde sehr oft vor. Wäre auch nur ein einziger Knochen bekannt, der historischen Zeiten angehörte und nicht auf ein bekanntes Thier zu beziehen sei, so wäre damit der Schelch des Nibelungenliedes ge- funden. Davon könne aber nicht die Rede sein. Diese zuletzt aufgestellte Behauptung könnte uns nach einigen Betrachtungen und Erörterungen direkt zum Ziele führen. Es sei hier jedoch noch erst eines anderen Thieres gedacht, das lange Zeit als Bewohner Deutsch- lands in älteren Werken über Naturgeschi.hte angeführt ist: Es ist das der Esel. In der Lindenthaler Hyänenhöhle, deren Fauna .auf die asiatischen Steppen hinweist**), sind 2 untere Backen- zähne und eine rechte Phalanx gefunden worden; sie stammen wohl von einem Thiere her, welches jedenfalls recht alt war. Es liegt nahe, derartige fossile Reste auf eine der fossilen Wildeselarten zurückzuführen: jedentalls aber nicht auf unseren Hausesel (Equus asinus L.) mit seiner wilden Stammart. Zur diluvialen Steppenfauna gehören die wilden Pferde und Esel, und diese Thiere wurden von den damaligen Bewohnern Mitteleuropas wohl nur als Jagdthiere ver- wendet. Als später das Steppenland sich mit Wäldern bedeckte, wichen auch die Esel als echte Steppenthiere weit nach Osten zurück, wo ihre Nachkommen noch jetzt die asiatischen Steppen durchstreifen. Erst in geschıcht- lieher Zeit führte der Mensch den Hausesel von Südeuropa aus ein. Derselbe stammt höchst wahrscheinlich aus Nordost-Afrika und zwar vom afrikanischen Steppenesel, asinus taeniopus Heugl.,, ab. Der Hausesel gedeiht freilich in unserem feuchten Klima nicht, er ist gegen Kälte sehr empfindlich, „was sein quaternärer Vorgänger, dessen einziges Weidegebiet häufig von wandernden Lemmingen und Rennthieren betreten wurde, nicht gewesen zu sein scheint.“ d Die Mehrzahl der fossilen Eselreste ***), welche von verschiedenen diluvialen Fundorten stammen, lassen sich auf das Dschiggetai, asinus hemionus Pall., zurückführen. Jedenfalls ist dieses Thier im postglacialen Diluvium vor- gekommen; es wäre geradezu auffallend gewesen, wenn es in der nachgewiesenen Steppenfauna gefehlt hätte. Der Esel freilich, weleher bis vor ungefäht 200 Jahren in den zoologischen Lehrbüchern aufgeführt wurde, unter- scheidet sich von den Equiden durch die Zweizahl der Zehen: Es ist das Elen. Diese Verwechselung ist in ge- wisser Hinsicht zu erklären, wenn man diese beiden ver- *) Hahn, Edmund: Die Hausthiere und ihre Beziehungen zur Wirthschaft des Mensehen. Eine geographische Studie. Leipzig. Verl. v. Duncker und Humblot. 1896, S. 556. *#) Nehring, Alfred: Fossilreste eines Wildesels aus der Lindenthaler Hyänenhöhle bei Gera. Zeitschrift für Ethnologie. Band 11. Berlin 1879, S. 138#f. ##*) Nehring, Alfred; Fossile Pferde ete. S. 131, 156 ff. XII. uNTI\23: Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 267 UN sehiedenartigen Thiere mit einander vergleicht. Der Kopf des Elchs besonders zeigt eine eigenthümliche Ausbildung durch die höchst sonderbare Form*) der pferdeähnlichen Schnauze und die langen, schlotternden Ohren, welche sich wegen der Schmalheit des Hinterkopfes einander nähern. Wigand**) sagt deshalb auch in seiner Beschreibung des Elen, es habe den Kopf und den Körperbau eines Maul- thieres und sei wie ein Esel gefärbt; als er es zum ersten Male angeblickt habe, habe er die Gestalt eines Esels oder besser eines Maulesels, besonders aber Kopf und Farbe desselben zu erkennen gemeint. Wegen dieser allgemeinen Achnlichkeit haben viele Naturhistoriker früherer Jahrhunderte es für einen Esel gehalten und als Onager bezeichnet.***) Der Bischof von Upsala, Olaus Magnus, welcher um die Mitte des 16. Jahr- hunderts lebte, verwendete wie erwähnt wird — zuerst für diese Hirschart die Bezeichnung Onager. Erasmus Stella verwirft freilich diesen Namen und begründet das damit, indem er sagt: im Lande Preussen kämen Elche vor. Dieselben gehörten aber nicht zu den wilden Eseln, denn jene würden nur in Afrika und Asien angetroffen. Der Elch stände gleichsam zwischen Pferd und Hirsch und schaare sich wegen seiner Furchtsamkeit mit seines- gleichen zusammen. Jenen Namen (d. h. Onager) hätte auch Cardanus angenommen, vielleicht auch Galenus, Aetius, Alexander Trallianus, Avicenna und Serapio, denn disse geben an, dass man mit gebranntem Eselhuf die Fallsucht heilen könne, während doch als Specifikum gegen diese Krankheit „gebrannte Elendsklau* galt. Wenn nun die Hufe des Esels als Mittel gegen die Epilepsie angegeben würden, so sei zu bezweifeln, ob die Autoren das Thier überhaupt gekannt und ob sie thatsächlieh den Esel gemeint hätteny),. Auch das Thierbuch von Amman und Bocksperger stellt den Elch gesondert von den Hirschen auf und zwar am Ende der Abbildungs-Serie, welche Pferd, Ackergaul, Esel und Maulesel darstellt; 7). Freilich liegt der Anordnung dieses Buches kein wissenschaftliches System zu Grunde, doch lässt sich leicht erkennen, dass eine Zusammenstellung nach ge- wissen Gesichtspunkten stattgefunden hat. Dass zur Zeit der Herausgabe dieses Bilderwerkes die Natur des Esels noch wenig erkannt war, ergiebt sich aus der Abbildung, welche ein geweihtragendes, männliches Exemplar dieses Thieres darstellt. Es muss bei der ersten Betrachtung der Zeichnung befremden, dass ein hierher gestelltes Thier ein Geweih trägt, doch lässt sich auch gleichzeitig aus der eigenartigen Darstellung der Schaufeln ersehen, dass von den Zeichnern nicht allzuviel Mühe beim Ent- wurf derselben aufgewendet ist. Die von Georg Schallern von München beigegebene poetische Erklärung des Bildes lautet in folgende wunderbare Verse aus: „Hirschen hörner das Männlein hat, Auch hat es einen Hirschen pfadt. Wie ein Löw hat Brust und Schwantz, An statt der Zän der Mundt ist gantz, Rund von Beyn, gespalten Klauwen, Wie Du es hier magst anschauwen.“ *) Oken: Allgemeine Naturgeschichte für alle Stände. Stutt- ee Verlagsbuchhandlung. 1838. Bd. VII, Abth. 2, ##) Wigand, Johann: Vera historia de sueeino borussico, de alce borussiea ete. Jenae. 1590, S. 3Sft. ###) Rzaezynski, P. Gabriel: Auctarium historiae naturalis- euriosae regni Poloniae, magniducatus Lituaniae annexarumque provineiarum ete. Gedani. 1736. Punetum VIII. cap. II, S. 304. +) Aldrovandus, Ulysses: Quadrupedum omnium bisuleorum historia. Bononiae. 1621, S. 867. +7) Thierbuch. Sehr künstliche und wohl gerissene Figuren, von allerley Thieren, durch die weitberühmten Jost Amman und Hans Bocksperger, sampt einer beschreibung ihrer Art, Natur und Eigenschaft ete. Franckfurt am Mayn. 1579. Die Möglichkeit einer solehen Verwechselung zwischen einem nicht geweihtragenden, weiblichen Elch und einem Esel bei unbefangenen Gemüthern in jener Zeit ist um so mehr zu entschuldigen, als auch heute noch derartige Irrthümer nicht zu den Seltenheiten gehören. Nach Bolle wurde ein ostpreussisches Elen des Berliner Zoologischen Gartens, welches kein Geweih trug, wegen der Langsam- keit seiner Bewegungen und der Länge seiner Ohren von den gebildeten Beschauern als ein „fremder Esel“ bezeichnet *). Bujack hat bereits nachzuweisen versucht, dass Elch und Scheleh nicht verschiedenartige Thiere sind, sondern dasselbe Thier bezeichnen. Für diese Annahme sprechen drei Urkunden aus dem 10. und 11. Jahrhundert**). Otto der Grosse bestimmt nämlich in einer Urkunde vom Jahre 943, welche der Bischof von Utrecht von ihm erwirkte: Niemand soll sich ohne Erlaubniss des Bischofs Baldrich herausnehmen, in der Drenter Forst***) Hirsche, Bären, Rehe und Schweine und vorzüglich die Thiere zu jagen, welche im Deutschen -Elo oder Schelo genannt wurden — „nemo bestias insuper, quae teutonica lingua Elo vel Schelo appellantur, venari praesumat.*“ Dieselbe Bestäti- gung dieses Jagdrechtes erfolgte von Kaiser Heinrich I. für den Bischof Arnfried von Utrecht im Jahre 1006 und von Kaiser Konrad II. im Jahre 1025 für den Bischof Adelbold. Die Stelle „Elo vel Schelo“ hat nun freilich ver- schiedene Deutung erfahren. Hahn?) sieht in diesen Ur- kunden wohl eine Bestätigung dafür, dass der Schelch kein mystisches Thier sei, will aber nicht zugeben, dass das Wörtehen „vel“ auf eine Identität der beiden Thiere hindeute. Er weist darauf hin, dass „aut“ wie so oft im Mönchslatein statt „et“ gesetzt sein könne, und dass eine schlechtere Ausgabe thatsächlich diese beiden Bezeich- nungen Elo und Schelo durch „et“ verbinde. Struck fr) spricht freilich auch seine Zweifel darüber aus, dass der Riesenhirsch noch im 10. Jahrhundert existirt habe, sieht daneben aber in dem Wortlaut der Urkunden nur ein Beleg dafür, dass der Riesenhirsch mit dem Eleh vielfach verwechselt worden sei. Sterne}}r) hebt seinerseits hervor, dass man aus dieser Wortverbindung nicht folgern dürfe, dass Elch und Scheleh dasselbe bedeuten, wohl aber, dass beide Thiere derselben Klasse angehörten; das würde dann aber wieder für den Riesenhirsch sprechen. Dabei weist er darauf hin, dass in der bayerischen Volkssprache unter „schelehen“ noch jetzt „schief und unbeholfen dahin- schreiten“ verstanden würde. Dieser Vergleich würde uns ein Bild vor Augen führen, wie dieses gewaltige Thier sein Geweih, auch in einem nur wenig dichten Walde, bald nach dieser, bald nach jener Seite hinüberwerfen müsste, um sich vorwärts bewegen zu können. Da nun Merian gezeigt hat, dass der Ausgangspunkt für die Annahme einer Identität zwischen Scheleh und Riesenhirsch, die Kosmographie Sebastian Münsters, gänzlich werthlos ist, und auch die Geologie einer der- artigen Deutung nicht beizustimmen vermag, so ist von einer Erklärung des „grimmen Schelch“ in diesem Sinne abzusehen. Gehen wir noch einmal auf die Deutung Hahns *) Brehm, A. E.: Illustrirtes Thierleben. Hildburghausen. Verl. des Bibliograph. Institutes. 1865. Bd. II, S. 429. “#) Bujack, J. G.: Der grimme Schelch ete. $. 98, 99. *) Zwischen Vechte und Ems. +) Hahn, Edm.: Ueber den Scheleh des Nibelungenliedes. S. 123, 124. +) Struck, Carl: Die Säugethiere Mecklenburgs mit Berück- siehtigung ausgestorbener Arten. Archiv. d. Ver. der Freunde d. Da aupezeh: in Mecklenburg. 30. Jahrg. 1376. Neubrandenburg. . 88. +rr) Sterne, Carus: Loe. eit. S. 339. 268 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 23. zurück! — Der blosse Gleiehklang der Worte giebt noch kein sicheres Gewähr, dass ein Hengst des interessanten Gestütes auf der Senne thatsächlich als Schelch bezeichnet worden sei; hier würde „sceelo“ wohl besser als „Be- schäler“ zu deuten sein. Die zweite zum Beweis heran- gezogene Stelle aus dem Gedichte des Venantius Fortu- natus, wo neben Bär und Eber auch der Onager in dem letzten eitirten Verse erwähnt wird, kann man zur Be- gründung, dass wilde Pferde die Ardennen und Vogesen als Jagdthiere durchschwärmt hätten, nicht anführen. Deshalb kann ich dem schnellen Sehluss nicht beistimmen, dass unter Onager das Wildpferd, der Schelch, zu sehen sei. Der Onager ist hier der Wildesel in dem Verständ- nisse jener Zeit, das langsame, langohrige und geweihlose Weibchen des Elchs. In den alten Jagdurkunden ist durch das verknüpfende „vel“ eine Identität zwischen Eleh und Seheleh ausge- sprochen, die freilich durch das Epitheton „grimm* im Nibelungenliede wieder eine gewisse Einschränkung er- fährt. Es liegt deshalb recht nahe, daran zu denken, dass unter den beiden verschiedenen Benennungen die verschiedenen Geschlechter des Elches zu suchen seien. Unter Elch hätte man dann das Weibchen und die Jüngeren Männchen zu verstehen, unter Schelch die älteren Männchen, die wegen ihrer Reizbarkeit, namentlich zur Brunstzeit, zu fürchten sind. Diese Ansicht, dass der Dichter die beiden Geschlechter des Elchs neben einander aufgeführt hat, wird fast zur Thatsache, wenn man liest, dass es Siegfried auch die schnellfüssigen Hirsche, „hirze oder hinde“*), zu erjagen gelang. Nicht ganz ohne In- teresse scheint mir an dieser Stelle die Conjunetion „oder“ an Stelle des „vel“ in jenen alten Urkunden. Betrachten wir noch einmal die Jagdthiere, welche Venantius Fortunatus in seinem Gedichte anführt, so haben wir ähnliche Verhältnisse wie im Nibelungenliede. Es werden aufgezäblt der Elehhirsch als helix und das weib- liche Elen oder auch der minderjährige, geweihlose oder nur wenig Stirnschmuck tragende Hirsch als Onager, als Wildesel mit je 2 Hufen an jedem Fusse. Will man unter der Bezeichnung „capra“ — die betreffende Stelle lautet: „..... cervi caprae helieis uri caede .. .* — die Hirschkuh, die Hindin, verstehen, so sind auch hier die beiden Geschlechter des Hirsches mit verschiedenen Namen genannt. In einer interessanten Publikation Herberstains aus dem Jahre 1558 ist unter anderen lateinischen Gedichten auch ein solches mit der Ueberschrift „De Uro et Bisonte“; es ist 1552 von Caspar Betius in lateinischen Distichen abgefasst**). In demselben heisst es, dass die Germanen unter dem römischen Einfluss die alte Barbarei ablegten, die Wälder für sich in Anspruch nahmen und dadurch, dass sie viele Städte und Dörfer anlegten, die Schaaren der wilden Thiere vertrieben. Dieselben wanderten fliehend nach Nordosten, und hier fände man noch wilde Esel, wilde Pferde, wilde Rinder, sowie Elche und flüchtige Onagri. Abgesehen von dem ersten Theile des Inhaltes zeigt die Aufzählung uns die interessante Thatsache, dass einer- seits wilde Esel, andererseits flüchtige Onagri angeführt werden. Hier haben wir den sicheren Beweis dafür, dass unter Onager nur das geweihlose Elen zu verstehen ist. Hier sind auch beide Geschlechter neben einander ge- nannt und neben einander gestellt, vielleicht weil der Dichter eine gewisse nähere Verwandtschaft zwischen beiden 'Thieren vermuthete, derselben aber nicht ohne weiteres Ausdruck geben wollte. Der Nibelungen Liet. S. 47, Vers 3507. ==) Nehring, A.: Ein Gedicht über Ur und Bison aus dem Jahre 1552. Globus. Bd. 71, No. 15. 1897. S. 242, 243. | Sandomiriae 1721. Aus den beiden Gedichten ergiebt sich, dass das Elen für heide Geschlechter verschiedene Namen gehabt hat; der Grund dafür ist in dem eigenartigen Bau des weiblichen Thieres zu sehen. ‘Eine entsprechend ver- schiedenartige Bezeichnung liegt unzweifelhaft in der Jagdscene des Nibelungenliedes vor. Unter Eleh wäre hier ein Weibchen oder ein männlicher Elch ohne oder mit verhältnissmässig wenig entwickelten Schaufeln, unter Schelch dagegen ein 'ausgewachsener Hirsch, der sich vielleicht in der Brunst befand, zu verstehen. Ob in früheren Zeiten unser Elch überall mit dem- selben Namen bezeichnet worden ist, wäre also zu be- zweifeln. Eine interessante andere Bezeichnung, die sich wohl nur auf ihn beziehen kann, findet sich an einer anderen Stelle. Das Marienburger Tresslerbuch der Jahre 1399 bis 1409, welches im Jahre 1896 herausgegeben ist, bietet über den Thiergarten zu Stuhm vielfach Anhalts- punkte; dieselben sind von A. Treichel*) zusammengefasst und zum einem Gesammtbilde vereinigt worden. Es interessiren uns in demselben vorzugsweise die Thiere, welche als Meerochsen und Meerkühe (meerkwu, meerkuw; meerkü, meerqwü) bezeichnet werden. An die Thiere, welche die Wissenschaft als Seekühe bezeichnet, ist dabei nicht zu denken, da die Familie der Sirenen Repräsentanten umfasst, welche unmöglich in jener Zeit für den Garten beschafft werden konnten. Die Vertreter der Gattung Manatus Cuv. leben an den Mündungen des ÖOrinoeo: und Amazonenstromes, diejenigen der Gattung Halicore Ill. im indischen Ocean und im rothen Meere, während das gegen Ende des vorigen Jahrhunderts aus- gestorbene Borkenthier, Rhytina Stelleri Cuv., in Kamt- schatka heimisch war. Ebenso wenig ist es möglich, sich an die Bezeichnung „Meerkalb“* für die gemeine Robbe zu erinnern und an die Ordnung der Flossenfüsser zu denken. Alle Existenzbedingungen hätten für diese Thiere in Stuhm gefehlt, besonders das salzige Wasser. Es ist auch nicht zu ersehen, zu welchem Zwecke man die Thiere im Binnenlande hätte halten wollen, besonders in der Gesellschaft von Hirschen, wie ausdrücklich betont wird. In zweiter Linie wäre an die Wildstiere der da- maligen Zeit zu denken. Doch auch dabei treten uns Bedenken entgegeu. Der Wisent wird im Tresslerbuche ebenso mit einem besonderen Namen (weszent, wezant, wesent) bezeichnet wie der Ur (euwir, uwer). Es ist des- halb recht wohl anzunehmen, dass mit der Bezeichnung Meerkuh und Meerochse der Eleh gemeint sei, besonders da jene Thiere mit Hirschen zusammen gehalten wurden. Treichel denkt bei dieser Bezeichnung nicht an ein Thier im Meere, sondern an ein solches „vom oder am Meere“. Es ist zu erwähnen, dass die ältere Litteratur als wichtigste Aufenthaltsorte für den Elch mit geringen Ausnahmen (Polen, Klein-Russland und Pokutien) solehe Lokalitäten angiebt, die sich um das Ostsee-Becken herum gruppiren: Südschweden (die Wälder, welche Samogitien gegenüber liegen), Lappland, Kurland, Litauen, Preussen **). Jedenfalls war es dem jagdliebenden Hochmeister von Wichtigkeit, solche Thiere aus seinen Landen am Meere in seinem Wildgarten zu hegen und seinen Jagdgenossen zu zeigen, vielleicht auch zu jagen. Vielleicht bedienten sich die aus den Binnenländern nach Norden kommenden Ritter, denen der Elch als völlig unbekanntes Thier ent- gegentrat, dieses Namens; derselbe war dann zum Schluss kurzer Hand im Gange und wurde von dem, sich um die #) Treichel, A.: Der Thiergarten zu Stuhm nach dem D. O. Tresslerbuche. Zeitschr. des Histor. Vereins für den ' Regbz. Marienwerder. 1897. Heft 35. ®"®) Rzaezynski, Paul Gabriel: Historia naturalis-curiosa regni. Poloniae, magniducatus Lituaniae annexarumque provineiarum., Traet. VIII, sect. I, cap. IH, S. 213. XIII. Nr. 23: Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 269 etwa schon bekannte Bezeichnung „Eleh“ nicht kümmern- | aus Stendsitz, das zweite aus Seefeld; beide Orte liegen den Schreiber eingetragen. In Folgendem mag versucht werden, ob Körpergrösse und Wildheit beim Elch in so hohem Maasse. vorhanden sind, dass er einerseits vielleicht den noch so oft zur Deutung des Schelch herangezogenen Riesenhirsch zu er- setzen vermag, und andererseits für ihn die Bezeichnung rimmer Schelch“ für gewisse Fälle gerechtfertigt ist. v. Wangenheim*) kennt aus Litauen keine Elch- geweihe von mehr als 28 Enden und 18 kg (36 Pfund) Gewicht, während er als Gewicht des ausgewachsenen Hirsches ca. 331 kg (661°/, Pfd.) angiebt. Die meisten Angaben der anderen Autoren für das Körpergewicht schwanken zwischen 7 bis 9 Centnern, doch sind wohl 300 bis 400 kg als Durchschnittsgewicht anzusehen; sehr alte Thiere sollen sogar 10 Centner (500 kg) schwer werden. Ferner wird in dem Jagdverzeichnisse des Markgrafen Johann Sigismund **) für das Jahr 1618 an- gegeben: „Der hogste Elendt (betrug) an Gewicht 10 Otr. 60 Pfd.“, d. h. 530 kg. Oken***) schreibt sogar, dass es Thiere gebe, welche 12 Ctr. (600 kg) wiegen, während eine einzige Schaufel bei 2'/; Schuh Länge (ca. 0,77 m) und 1 Schuh Breite (0,31 m) Y, Ctr. (25 kg) an Gewicht betrüge. v. Cuviery) giebt schliesslich sogar an, dass das Geweih im Alter bis auf 60 Pfd. (30 kg) wachsen könne. Jedenfalls erreichte der Elch in früheren Jahr- hunderten, als er sich noch unter Verhältnissen befand, die seiner Lebensweise mehr entsprachen, ein grösseres Gewieht als in der letzten Zeit seines Auftretens in Deutschland. v. Baerfr) bezweifelte seiner Zeit, ob ein 1821 aus 8 Fuss tiefem Torf beim Kloster Oliva ausgegrabenes, sehr grosses Geweih einem Elche angehört habe. Er äussert sich darüber derart, dass es mit einem Elehgeweih verglichen werden könne, sich aber handgreiflich vom Geweih des Riesenhirsches unterscheide. In der Form liege kein genügendes Merkzeichen vor, das zur Auf- stellung einer neuen Species Veranlassung geben könnte. Die Elehe Russlands und Amerikas hätten freilich einen grösseren Geweihschmuck als die gegenwärtig in Preussen lebenden, doch wäre zu bezweifeln, dass die Elche des Mittelalters viel grössere Geweihe besessen hätten als zu seiner Zeit. Neuerdings haben Messungen an fossilen und subfossilen Elehschädeln +7) ergeben, dass die Maasse ungefähr dieselben sind, wie bei den noch lebenden Ver- tretern dieser Hirschart in Norwegen, während diejenigen der russischen Verwandten dagegen sogar noch zurück- treten. Wir dürfen wohl vermuthen, dass die grösseren Köpfe jener Thiere des Mittelalters auch mit gewichtigerem Schmuck ausgerüstet gewesen sind. Jedenfalls liegen im or no Westpreussischen Provinzial-Museum zu Danzig zwei Elch-. geweihe vor, welche mit dem von v. Baer erwähnten nicht nur gleiche Dimensionen habeu, sondern dieselben vielleicht — die Schaufeln sind alle etwas lädirt — sogar übertreffen. Beide stammen aus Mergellagern, das erste ) v. Wangenheim, Friedr. Adam Julius: Naturgeschichte des Preuss.-Litthauenschen Elch, Elen oder Elend-Thieres.. Neue Schrift. der Ges. Naturf. Freunde zu Berlin. 1795. S. 35, 42. #*) Bujack, J, G.: Was Johann Sigismund, Markgraf von Brandenburg ete., von 1612—1619 an allerlei Wildpret geschlagen und gefangen ete. Preuss. Proy.-Bl. Königsberg 1839. Bd. 21, S. 241. =) Oken: Loc. eit. S. 1311. +) v. Cuvier: Das Thierreich, geordnet nach seiner Orga- nisation, Uebersetzt und mit Zusätzen versehen von F. S. Voigt. Leipzig. F. A. Brockhaus. 1831. Band I, S. 297. ++) v. Baer, Carl Ernst: De fossilibus mammalium reliquiis in u adjacentibusque regionibus repertis. Regiomonti. 1823. . 22, 23. +++) Nehring, A.: Ueber Unterschiede in der Schädel,„grösse“ der Elehe. Deutsche Jäger-Zeitung. Bd. 24. No. 40. 1895. 8.595. im Kreise Karthaus. Wennschon der schwankende Tritt und das ganze Aussehen des Elehs ein gewisses Phlegma anzudeuten scheint, so sind doch beide Geschlechter ungemein reizbar, wenn sie sich in der Brunst befinden oder zur Ver- theidigung getrieben werden, sei es in Folge einer Schuss-, wunde oder nach dem Raube des Kalbes*), Unter solchen Umständen nimmt der Elch sowohl Mensch wie Hund ohne Weiteres an und versetzt ihnen mit seinen Läufen so heftige Schläge, dass sogar der Tod eintreten kann. Wird er erwachsen in einem engen Raum eingepfercht, so geräth er in solehen Zorn, dass er alles um sich zer- schlägt; auch reissende Thiere, die sich mit ihm in Fang- gruben gefangen haben, werden bei einem solehen Wuth- ausbruch zermalmt. Das Geweib wird in solchen Fällen als tüchtige Waffe verwendet; das Elen bedient sich der- selben auch bei vielen anderen Gelegenheiten, die sich nicht allein auf die Kämpfe mit Nebenbuhlern beschränken, und zwar mit grosser Gewandtheit und Kraft. Ueber den Sehulterblättern bis auf die Mitte des Oberhalses trägt der Elch eine Mähne aus etwa 22 cm langen Haaren.**) Diese und die Behaarung an dem kegelförmig zugespitzten, zwischen den Unterkiefern ansitzenden Beutel sträubt der Hirsch beim Brunsten, sowie im Kampfe und im Zorne und erhält dadurch ein grimmiges, wildes Aus- sehen. ***) Brehm}+) schildert einen Wuthausbruch des Elches wie folgt: Anfangs September 1867 tritt aus der Ibenhorster Forst ein starker Elehhirsch hervor und läuft direkt auf die etwa 800 Schritt entfernte Kuhheerde los. Der Heerden- stier bemerkt ihn, stürmt auf ihn los und greift ihn an. Der durch die gerade stattfindende Brunst aufs Höchste erregte Elehhirsch nimmt den Kampf an, erringt bald den Sieg und wirft den Bullen zu Boden. Ohne auf das Ge- schrei des herbeieilenden Hirten zu achten, stösst er dem geschlagenen Feinde so unbarmherzig in die Rippen, dass dieser nicht auf die Beine kommen kann. Auch die durch den Hirten vom nächsten Gehöft herbeigeholten Menschen, welehe gemeinschaftlich schreien und lärmen, können den Eleh nieht dazu bringen, vom 'Stiere abzu- lassen. Erst als jener wahrnimmt, dass sein unvorsichtiger Angreifer wehrlos am Boden liegt, kehrt er siegesstolz und ruhig in den Wald zurück. v. Wangenheim+r) schildert uns, wie Bär, Wolf, Luchs und Hund sich‘ zu dieser Hirschart stellen. Er kommt dabei ungefähr zu dem Resultate, dass der Bär einem Elchstande keinen sehr beträchtliehen Schaden zufügen - könne, dass der Wolf allein aus Furcht vor den Schlägen der Läufe nicht wage, einen Hirch oder ein Thier anzu- greifen, dagegen fiele er — ebenso wie der Luchs — junge abgekommene Kälber an. Vor einem Hunde stelle sich der Eleh, vor mehreren fliehe er. Früher wurden auch besonders starke Schaufler ein- gefangen und an den damaligen Hetzgarten in Königs- berg abgeliefert. Daselbst wurden grosse, vaterländische Thiere, Auer, Wisent, Bären, Elche, Edelhirsche, Wölfe ete., aufbewahrt und zu Thierkämpfen aufgehoben, die be- *) Bock, Samuel Friedrich: Versuch einer wirthschaftlichen Naturgeschichte von dem Königreich Ost- und Westpreussen. Dessau. Band IV. 1784. S. 109. — Bujack, J. G.: II. Natur- geschichte des Elchwildes oder Elens ete. (Fortsetzung und Be- schluss). Preuss. Prov.-Bl. Königsberg 1837. Bd. 18, S. 145, 146. #**) y. Riesenthal: Jagdlexikon. Leipzig. Bibliograph. Institut. 1882. S. 104. ##*) y, Wangenheim: Loe. eit. S. 18. +) Brehm, Alfred E.: Thierleben. Die Säugethiere. gänzlich neubearbeitete Auflage von Pechuel-Loesche. und Wien. Bibliograph. Institut. 1891, Bd. II]. S. 444. ++) Loc. it. 8. Adff. Dritte Leipzig 270 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. sonders bei Anwesenheit des Landesherrn oder anderen feierlichen Gelegenheiten stattfanden. Nach Obigem scheint der Eleh sowohl die Grösse als auch die Kraft und — zu gewissen Zeiten und unter gewissen Umständen — die nöthige Wuth besessen zu haben, um die Bezeichnung „grimmer Schelch“ führen zu können. Der Umstand, dass an einigen Stellen in der Litteratur unter Elch nur das Männchen, unter Onager das Weibehen des Elchs zu verstehen ist, dass man früher in den beiden Geschlechtern vielleicht ähnliche, aber nicht XI. Nr. 23. übereinstimmende Thiere zu sehen vermochte, giebt uns eine gewisse Berechtigung, auch ähnliche Beziehungen zwischen den Benennungen „Elch“ und „Scheleh“ zu ver- muthen. ‘Eine gewisse Stütze für diese Annahme liegt Jedenfalls in der Verbindung zwischen Elo und Schelo durch „vel“ und zwischen hirze und binde durch „oder“. *) Bujack, J. G.: Geschichte des Preussischen Jagdwesens ete. S. 5l4. — v. Hippel, Karl: Die früheren und die heutigen ‚Wild- bestände der Provinz ÖOstpreussen. Neudamm, J. Neumann. 1897. 39. 32. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Unser Mitarbeiter Dr. FriedrichRoemer aus Jena zum Assistenten an der zoologischen Sammlung des Königlichen Museums für Naturkunde in Berlin; die technischen Hülfsarbeiter an der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt zu Charlottenburg Dr. Gumlich und Dr. Holborn zu Professoren und Mitgliedern der Reichsanstalt; Assistent Dr. Göpel daselbst zum Hülfsarbeiter; der Privatdocent in der medizinischen Fakultät der Universität Bonn Dr. Rudolph Rieder zum ausserordent- lichen Professor; Frau Dr. Lydia Rabinowitsch in Phila- delphia zum ordentlichen Professor der Bacteriologie daselbst. Berufen wurden: Der Priyatdocent der Chemie in Göttingen Dr. Wilhelm Kerp in die neue biologische Abtheilung für Forst- und Landwirthschaft beim kaiserlichen Gesundheitsamt; L. Küspert in Wunsiedel als Assistent für Chemie und Minera- logie in die chemisch-technische Abtheilung der königlichen In dustrieschule in München. Es habilitirten sich: In Breslau Dr. Henke in der medi- zinischen Fakultät; in Wien Dr. Hajek für Laryngologie und Rhinologie und Dr. Strasser für innere Medizin; der Adjunkt am chemischen Laboratorium der deutschen Universität Prag Dr. Mayer an der dortigen Universität für Chemie. Ein‘ Heringsmuseum soll auf Anregung Professor ‚0. Petterssons in Gothenburg errichtet werden und ‚in ‚Verbindung mit ihm eine Sammlung von Plankton aus allen Meeresgebieten, zu welchem Zwecke drei Expeditionen nach den verschiedenen Meeren ausgerüstet werden sollen. Die zur Errichtung des Museums erforderlichen Mittel sind bereits, nach der „Gothenburger Handelszeitung“, zum Theil durch private Beiträge sichergestellt. Adam. Die schwedische Akademie der Wissenschaften be- schloss, eine. Expedition zur Gradmessung auf Spitz- bergen auszurüsten und hat die russische Regierung zur Theilnahme aufgefordert. Diese hat eine vorbereitende Kommission eingesetzt, welcher der Direetor des Obser- vatoriums in Pulkowa Staatsrath Backlund, der Chef der russischen geologischen Untersuchungen Karpinsky und der Chef des russischen Generalstabes General Stubendorff angehören. Von schwedischer Seite wird in diesem Sommer eine Expedition zur Vornahme von Vorarbeiten nach Spitzbergen geschickt unter Leitung von Leector Jäderin und Dr. V. Carlheim-Gyllensköld; letzterer gehört zu denen, welche bei der internationalen Polar- expedition 1882/83 auf Kap Thhordsen am Isfjord auf Spitz- bergen überwinterten. Adam. Litteratur. Karl Müllenhoff, Die Natur im Volksmunde. mann’sche Buchhandlung 1898. — Preis 1,60 M. Die Arbeiten auf dem Gebiete der Volkskunde nehmen einen immer grösseren Umfang an, und es besteht zur Zeit eine grosse Vorliebe für diesen Gegenstand. Um so mehr liegt hier die Ge- fahr nahe, dass durch unkritischen Dilettantismus unsicheres und werthloses Material aufgehäuft wird. Die vorliegende Arbeit zeichnet sich nun gerade dadurch aus, dass alle Angaben quellen- mässig belegt und dass nur gute Quellen benutzt werden. Eine Berlin, Weid- "aus weitere Eigenart derselben besteht in der Disposition; die Fülle des Stoffes ist gegliedert und methodisch aufgebaut. Die Samm- lung beginnt mit den irrthümlichen Beobachtungen, die u. a, zu unriechtigen Namen geführt haben, wie es z. B. Tausendfuss, Neun- auge, Ziegenmelker ete. sind. Alsdann behandelt sie im 2. Ab- sehnitt eine Reihe von phantastischen und willkürlichen Er- klärungen, wo Riesen, Hexen, Teufel und Zwerge an. die Stelle der Naturkräfte gesetzt worden sind. Der dritte Abschnitt ist der interessanteste; er bringt die allbekannten Lebensregeln und Moralvorschriften des gemeinen Mannes, kurz eine praktische Ethik des Volkes. Der Verfasser versteht es hier ganz vor- trefflich, die natürlichen Gründe für die Entstehung der Sprüch- wörter und Mahnworte aufzufinden, sie herzuleiten aus der Thätig- keit, dem Gedankengang und den Gewohnheiten der schlichten Menschen, z. B. die Aufforderungen zur Sauberkeit, Vorsicht, Be- scheidenheit, Mildthätigkeit, Redlichkeit, Fleiss ete. Der- grösste Theil dieser Volksweisheit knüpft an die beiden gebräuchliehsten Gegenstände des täglichen Lebens, an Brot und Salz an und tritt oft in einer schalkhaften und humoristischen Anwendung auf, deren Sinn der Verfasser geschickt zu deuten versteht. Der vierte Abschnitt beschäftigt sich mit der volksthümlichen Form, in welcher viele Beobachtungen dargeboten werden. Hierher ge- hören z. B. einige poetische Pflanzennamen, wie Sonnenthau und Marienschuh, ferner die Personifikationen von Naturkräften und vor Allem die Auslegung der Stimmen und Gesänge mehrerer einheimischer Vögel. Die beiden letzten Abschnitte endlich stehen im Gegensatz zu den beiden ersten, da in ihnen solche Beispiele aufgeführt werden, wo die ‚Volksbeobaehtung, ‚nieht. bloss ‚durch- korrekt war, sondern, wo die Volkserklärung der wissen- schaftlichen Erkenntniss sogar vorausgeeilt war. In den einzelnen Abschnitten ist die Verknüpfung der Nummern geschickt hergestellt und die Darstellung stk und formell vollendet so dass die Lektüre niemals ermüdet und jeder das Büchlein mit Spannung zu Ende lesen wird. Auch die äussere Einrichtung muss hervorgehoben werden. Es findet sich zu Anfang eine kurze Uebersicht des Inhaltes und zum Schluss ein Litteraturnachweis für die einzelnen Nummern, sowie ein genaues Register. Zache. Dr. Eduard Zache, Öberlehrer. Tafel der Geologischen Wand im Humboldthain zu Berlin in den Farben der Gesteine. Verlag von P. Stankiewiez in Berlin. Die Wand selber und die dazu gehörige Broschüre haben wir schon Bd. XI, S. 411 besprochen. Im Bd. XII, S. 241 befindet sich ein Aufsatz, welcher sich mit der Bildungsgeschiehte der Erdrinde beschäftigt, wie sie sich an der Wand erläutern lässt. An der ersten Stelle ist auch darauf hingewiesen worden, dass eine colorirte Tafel für die Schulen von Nutzen sein würde. Diese Tafel ist nun in guter Ausführung von der Verlagsbuch- handlung hergestellt worden. Es sind mit Bedacht die natürlichen Farben gewählt worden, damit den Schülern bei dem Vorzeigen von Handstücken das Vergleichen erleichtert werde. Alsdann gewinnt das Bild ungemein an Natürlichkeit durch die Harmonie der Farben, und trotzdem die scharfen Gegensätze der wissen- schaftlichen Profile, z. B. die rothe Farbe des Basaltes fehlen, treten die tektonischen Linien, wie Verwerfungen, Horste, Sättel, Mulden, Gänge ete. doch sehr gut hervor, so dass sie in der Klasse überall deutlich erkannt werden können. Zur schnellen Orientirung sind über und unter dem farbigen Bilde in Druck an den betreffenden Stellen die wichtigsten An- haltspunkte gegeben, z. B. am oberen Rande jene schon er- wähnten Bezeichnungen aus der tektonischen Geologie und am unteren Rande der Gesteinscharakter und die Heimath der Schichten. Wir können die Tafel zur Anschaffung für Schulen ‘warm empfehlen, da die Grundzüge der Geologie sowohl in der Chemie als auch in der Erdkunde zum Verständniss vieler Thatsachen unbedingt nöthig sind. (x) XII. Nr. 23 Dr. Karl Fischer, Das Sommerhochwasser vom Juli bis August 1897 im Oderstromgebiet. Im Bureau des Wasserausschusses bearbeitet. Berlin, Wilhelm Ernst und Sohn, 1898. 62 S. in 8% und 2 Karten. — Preis 1,20 M. Aus dem Inhalt dieser Abhandlung, welche neben dem aus- führlich behandelten Oderstromgebiet auch das Weichsel- und Elb- stromgebiet wenigstens durch eine Reihe beilüufiger ‘Angaben be- rücksichtigt, sei Folgendes hervorgehoben: Zuerst wird die Witterungslage behandelt, welche die Ueberschwemmungen be- geleitete, und gezeigt, dass die Luftdruckvertheilung wieder die nämliche war, wie sie schon seit einiger Zeit als bedrohlich für die genannten Stromgebiete bekannt ist. "Unter Beigabe zweier diesbezüglicher Kärtchen für die Provinz Schlesien wird sodann der zum Theil wolkenbruchartige Regenfall während der letzten Julitage besprochen. Der darauf folgende Haupttheil der Arbeit giebt eine Uebersicht über die Wasserbewegung in den einzelnen Flussläufen, sowie über die dadurch hervorgerufenen Fluthwellen im Hauptstrom und deren Verlauf. Hierbei ist besonderes Ge- wicht darauf gelegt, die Art und Weise erkennen zu lassen, wie das ganze Gewässernetz des Oderstromgehietes bei der Abführung des Hochwassers zusammenwirkte. Mit Genugthuung wird so- dann der von der Oderstrombauverwaltung herausgegebenen Vorhersagungen des Wasserstandes’gedacht, welche nur .da er- heblichere Abweichungen ergaben, wo örtliche Veränderungen im Strombett eine genauere Vorausberechnung der Fluthhöhe_ un- möglich machten. Es folgt dann noch eine Vergleichung zwischen den Niederschlagsmengen und den: wahrscheinlich zum Abfluss gelangten Wassermengen, soweit es überhaupt möglich war, letztere abzuschätzen, sowie ein summarischer Ueberblick über die durch das Hochwasser angerichteten Verheerungen. Zum Schluss wird darauf hingewiesen, dass die Hochfluth, obwohl sie beim Bober und bei der Lausitzer Neisse. für mindestens sechs Jahrzehnte beispiellos dasteht, döch sowohl in den einzelnen Ge- wässern, wie in dem ganzen Gewässernetz des Oderstromgebietes denjenigen Verlauf nahm, den ‚das vom Bureau des Wasser- ausschusses herausgegebene Oderstromwerk als typisch hinstellt. Prof. Dr. L. Graetz, Die Elektricität und ihre Anwendungen. Ein Lehr- und Lesebuch. Mit 490 Abbildungen. 7. vermehrte Auflage. J. Engelhorn in Stuttgart, 1898. — Preis 7 M. Auch die vorliegende neue Auflage des zweckdienlichen und zeitgemässen Buches ist wieder erweitert worden, ‚die Ab- bildungen z. B. sind von 443 auf 490 gebracht worden (vergleiche Besprechung der 6. Auflage in Band XII, 1897, Seite 167). In Wissenschaft und Praxis, ‚durch gegenseitige Beeinflussungen beider, ist auf dem Gebiete der Elektrieitätslehre ein schnelles „Vorwärts“ die Parole, so dass in der That jede neue Auflage eines Buches, wie des vorliegenden, wesentliche Veränderungen zeigen muss. Graetz versteht es, sein beliebt gewordenes Werk — eines der empfehlenswerthesten seines Genres — vollkommen auf der Höhe zu erhalten; so werden im ersten Abschnitt „Die Erscheinungsweisen und Wirkungen der Elektrieität* die thermo- elektrischen Pyrometer neu aufgenommen, ebenso die verbesserten Inductionsapparate mit dem jetzt vielbenutzten Motorunterbrecher, der Cohärer, die Fortschritte in der Construction der Röntgen- röhren.- Auch der zweite Abschnitt „Die Anwendungen der Elektrieität* musste vielfach ergänzt werden; hier wurden u: a. neu aufgenommen eine Darstellung der Anwendung der Elektrieität zum Heizen und Kochen. i Die neue Auflage ist, wie die früheren, geeignet geblieben, auch den Laien ohne mathematische Vorkenntnisse tiefer in das Gebiet einzuführen. Dr. Carl Kaiserling, Assistent am Königl. pathologischen Institut zu Berlin, Praktikum der wissenschaftlichen Photographie. 26 Bogen in Gross-Oktav mit 193 Abbildungen und 4 Tafeln. Verlag von Gustav Schmidt (vorm. Rob. Oppenheim) in Berlin 1898. — Preis 8 M. Die Photographie zu wissenschaftlichen Zweeken entbehrte bis jetzt einer zusammenhängenden, kurzgefassten Darstellung. Vielmehr musste sich der Anfänger an der Hand von Speeial- werken das für seine Zwecke Brauchbare zusammensuchen und durch zeitraubende Versuche die einzelnen Methoden durch- probiren. Diesem allgemein empfundenen Mangel will das vor- liegende Buch nun abhelfen. |; . Durch die photographischen Kurse, die der Verfasser seit , einer Reihe von Jahren für Aerzte und Naturforscher abhält, hat Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 271 er; die. Bedürfnisse und Wünsche ‘kennen gelernt, die der an- gehende und fortgeschrittene: Amateur für seine wissenschaftliche Thätigkeit. in der Photographie empfindet. Das Buch ist somit aus praktischer Erfahrung hervorgegangen. Die Darstellung ist eine nach Möglichkeit knappe und so einfache, dass jeder ge- bildete Amateur-Photograph, ohne Fachmann zu sein, das Dar- gebotene zu verstehen und praktisch anzuwenden vermag. Von den theoretischen Grundlagen der Photographie ist in dem Buche nur das. gebracht, was unumgänglich zum Verständniss nöthig, und von den technischen Methoden das, was vom Ver- fasser in eigener, langjähriger Praxis vielfach erprobt wurde. Die Kapitel-Ueberschriften lauten: 1. Das Licht und seine Wirkungen. 2. Der Aufnahmeapparat. 3. Die Aufnahme. 4. Das Negativverfahren. 5, Das Positivverfahren. 6. Die Vergrösserung und die Mikröphotographie. 7. Die Stereoskopie. 8. Die Ver- wendung der Röntgenstrahlen. 9. Die Photographie in natürlichen Farben und die Reproductionsverfahren. ! \ Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Frei- burg i. B. In Verbindung mit Dr. Dr. F. Hildebrand, F. Him- stedt, J. Lüroth, J. v. Kries, G. Steinmaun, A. Weismann, R. Wiedersheim, Professoren an der Universität Freiburg. Her- ausgegeben von Dr. August Gruber, Professor der Zoologie an der Universität Freiburg. ‘Zehnter Band. Mit 30 Abbildungen: im Text und 1 Kartenskizze. Freiburg i. B. Leipzig und Tübingen, Verlag von J. €. B. Mohr (Paul Siebeck); 1898: — Preis 12 Mark. Ueber die Entstehung der Röntgen-Strahlen. Von F. Him- stedt. — Ueber zweı isomere Jodisochinoline, deren Constitution. und Jodfestigkeit. Von Dr. Albert Edinger.— Ueber eine neue Form der Geschlechtszellensonderung. ‘Von Professor Dr. V. Häcker. — Zur Anatomie der Brustflosse des Periophthalmus ' Koelreuteri. Von L. Hämmerle. Mit 5 Textfiguren. — Beiträge ’ zur vergleichenden Anatomie der Glandula thyreoidea und thymus / der Säugethiere. Nebst Bemerkungen über. die: Kehlsicke von Lemur varius und Troglodytes niger. Von Dr. M. Otto. “Mit 8 Textfiguren. — Zur Kenntniss der ‘Schenkelmammae. "Von, Albert Eckert. Mit1 Textfigur. — LettenkohlengruppeundLunzer Sehiehten. Von E. W. Benecke. Mit L‘Tabelle. — Die Gold-;; Silber- und Kupfer-Erzlagerstätten in Chile und ihre Abhängigkeit von Eruptiv-Gesteinen. Von W. Möricke..Mit 7 Textfiguren., — Gesteine vom Vulean Osorno in’Süd-Chile. , Von ‘W.'Bruhns. Mit 1 Abbildung. — Geologische Beobachtungen in den Alpen: ' I. Das Alter der Bündner Schiefer. » (Fortsetzung und, Schluss.) Bis Von G. Steinmann. Mit 6 Profilen im, Text und 1 Karten-: skizze. — Eine neue Methode, die Inklination und die Hörizontal- intensität des Erdmagnetismus zu messen, Von G. Mayer: Mit 2 Abbildungen. — Zur Entwicklungsgeschichte des, Eidechsen- schädels. (Vorläufige Mittheilung.) Von-E. Gaupp, — Versuche mit Kreuzungen von verschiedenen Rassen der Hausmaus. Von Georg v.Guaita aus Frankfurta. M. — Bemerkungen über das Versehen und die Telegonie. Von Dr. Otto vom Rath. oe Meyer, Dr. Fritz, Zur Kenntniss des Hunsrücks., Stuttgart. — 4 M. sr Müller, G. und P. Kempf, Untersuchungen über die Absorption des Sternenlichts in der Erdatmosphäre, angestellt auf dem Actna und in Catania. Leipzig. — 4 M. Müller, Prof. Dr. N. J. C., Neue Methoden der Bacterienforschung,- Stuttgart. — 30 M. } j Sachs, Jul., Physiologische Notizen. Marburg. — 4,30 M. Stein, Oberl. Jos... Die Regenverhältnisse von Marburg auf Grund 30 jähriger Beobachtungen an der meteorologischen Station dar selbst. Marburg. — 2,80 M. Strausz, Adf., Die Bulgaren. — I11M. Scheel, Dr. Karl, Ueber Fernthermometer Halle. — IM. i Tyndall, John, Die Gletscher der Alpen. Braunschweig. — 10 M. Velenovsky, J., Flora bulgarica. Deseriptio et enumeratio systematica plantarum vascularium in prineipatu Bulgariae sponte nascentium. Prag. — 16 M. . Ethnographische 'Studien. Leipzig. Briefkasten. | Hr. A. M. in L. Wiesenhobel ist ein Apparat zum Ebenen der Maulwurfshaufen und überhaupt zum Planiren der Wiesen. L. Wittmack. Ueber den anderen Terminus können wir vorläufig noch keine Auskunft geben. er ee Er SER ei Re EREE nere ae 12 ha 5 EN SEEE Fe T Bei ae Inhalt: A. Nehring: Einige Bemerkungen über die Blindmäuse und ihre geographische Verbreitung. — Paul Dahms: Der Scheleh der Nibelungenliedes. — Heringsmuseum. — Expedition zur Gradmessung auf Spitzbergen. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Karl Müllenhoff, Die Natur im Volksmunde. — Dr. Eduard Zache,., Tafel ‚der Geologischen Wand im Humboldthain zu Berlin in den Farben der Gesteine. — Dr. Karl Fischer, Das Sommerhochwasser vom ‚Juli. bis August, 1897 im Oderstromgebiet. — Prof. Dr. L. Graetz, Die Elektrieität und ihre Anwendungen. — Dr. Carl Kaiserling, Praktikum der ‘ wissenschaftlichen Photographie, — Berichte der Naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg i. B. — Liste. — Briefkasten. 2712 Naturwissenschaftliche' Wochenschrift. XII. Nr. 23. Rs meht kein FahlTal |“ "sresse vormener“ v2: nen == Neuheiten - Vertrieb. — ! das auf Grund D j . Neu aufgenommen: seiner Qualität und seiner gleichzeitigen = Durchführung des Buttenstedt- Ei Ahuften: In) schen Flugprineips igenschaäften: 2 (von zwanzig ct Gelehrten . .. FR} . . unterstützt) un Leichtester Lauf x Grösste Zuverlässigkeit Errichtung einer Versuchs- N 1 j 5 station für Flugzwecke. Schönheit der Formen in Internationaler Verein zur rationellen e Verwerthung von Erfindungs-Patenten. Eingetragene Genossenschaft mit be- sich solcher allgemeinen Anerkennung erfreut schränkter Haftpflicht. Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. YA [4 Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, partieipirt am Reingewinn und D) d eT Aa erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabrieirten Artikel. wıe las „ der | Ferd. Dimmlers Derlagsbumnhandlung in Berlin SW. 12, Jimmerfr. 94. Adler Fahrradwerke vorm. Heinrich Kleyer, Frankfurt a. M. v [ "Spezial-Fabrik für Fahrräder mit über 1300 Arbeitern, trans aa + Jahres-Production über 35000 Fahrräder. Roman aus dem füdafritanifchen Leben der Begenwart Filialen gleicher Firma: Berlin, Hamburg, Köln, Hannover, Kopenhagen. yon Gregor Sanıaroiw, Vertreter im In- und Auslande. 2 Bände. Geheftet 2 Marf, in einem Band gebunden 8 Mlarf. Ferd. Dimmlers Derlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerkr. 94. || 3 Soeben erjchien: T-PATENTBUREAU + u L} D e H | | H “Ulrich R. Maerz Div Volksunterhaltung. || ab range N n nen lin NW;, Luisenstr. 22. Vorträge und Berichte Bechn Gegründet. 1878. aus dem Erften Konareh für Dolksunterhaltung zu Berlin. Patent- Marken -u. Musterschutz Bon $. 5. Archenhold, Albert Dresdner, R. von Erdberg, Otto Ernft, P. Seliich, M ne von Korfter, Ad. Gerjtmann, Georg Herzfeld, Adolph Kahn, Ferd. Dünlers Verlagebartfiantlun) Raphael Kömwenfeld, Fritz Mauthner, E R. Müller, Marg. Pöhlmann, | . .. Mor " F x Otto Ploeder-Edhardt, Hans von Schöning, Ernft Schulte, Carl Siemon. Einführung in die Blütenbiologie Kudwig Sittenfeld, Sri; Telmann, Joh. Tews, Alfred van der Selde u. a. auf historischer Grundlage, Sm Auftrage herausgegeben von ” yon Ninphael Lömenfeld. i Profeandr au KÜHNE Re EEE 136 Seiten 8°. Breis gebunden 1,50 M. 444 Seiten gr.8. Preis6M., geb.7M. Y un ie > atı ebrauchte $ Die Charakteristik der Tonarten. ee D hi ' Historisch, kritisch und statistisch untersucht Gasmotoren ) SR Ü vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von I P DAMPF: und DYNAMO- Richard Hennig. : 136 Seiten Octav. — Preis 2,40 Mark. MASCHINEN PUTTYTITIITIIIIYIYITYTT gärantirt ' ‘betriebsfähig = A Hempel’s Klassiker -Ausgaben. in allen Grössen solort lielerbar. Dünnschliff- Sammlungen kann ea Elektromotor, <.n.v.#. für praktische mikroskopische Uebungen. | Ferd. Dümmiers Verlagsbuchhandl. | [mmpyEReS Le 0099000090 00000994 Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller. wichtigen Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. Rosenbusch #/ Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. „Mikroskopische Physiographie der massiven Gesteine“ Stutt- Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. gart 1896. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste gedruckte Beschreibung, derart, gran der Lernende die ER Max Steckelmann, Gemengtheile der Gesteine makroskopisch und mikroskopise - Be und bestimmen kann. 5 R Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Sammlungen von je 120, 180 und 250 Dünnschliffen in Be ae elegantem Etui je Mk. 150, Mk. 225, bez. Mk, 325. Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen Handstücken. (Format 8/,>x 11 em.) je Mk. 250, Mk. 390, bez. Mk. 575. Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer genauen mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate und für die richtige Auswahl von charakteristischem Material garantirt werden kann. Dr. F. Krantz, Rheinisches Mineralien-Contor. Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. Geschäftsgründung 1833. Bonn a./Rh. Geschäftsgründung 1833. Photozrrhische Stativ- und Hand- a GAMETAS. Gediegene Ausstattung. | 35” Sämmtliche Bedarfsartikel. Spec.: Steekelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D. R. P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechseloassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). Hierzu einen Prospeet der Verlagsbuchhandlung M. Wilckens in Eisenach, betreffend: „Dr. R. Tümpel, Die Geradflügler Mitteleuropas“ welchen wir hiermit besonderer Beachtung empfehlen. zer rt essen Verantwortlicher Redaeteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. die naturw aftliche Forschung -ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- R den Gebil'en der Phantasıe, wırd ihr reichlich ersetzt durch den 4 Zauber der Wirklichke t, derihre Schöpfungen schmückt, Schwendener. ERIE FE "Redaktion: Dr.H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XIII. Band. Sonntag, den 12. Juni 1898. Nr. 24. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- Y Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- Anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist # 4.— e* sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Ü bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Sur bei der Post 15 „9 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Von dem Fange und der Verbreitung der Seehunde. Von Clemens König in Dresden. Die Flossenfüsser bilden innerhalb der Säugethiere eine | sechzig, ja achtzig Centimeter lang. werden, leicht zu gutumschriebene und ziemlich einheitlich gestalteteÖrdnung. | erkennen. Es sieht aus, als wenn von der diekgeschwollenen Alle Formen, die ‚hierher gehören, haben einen mehr oder | Oberlippe, aus dem breiten, schwarzen Gesichte jederseits weniger gestreckten Rumpf, einen starken, deutlich ab- | die Enden eines mächtigen, schneeweissen Schnauzbartes gesetzten Hals, einen verhältnissmässig kleinen Kopf mit | herabhingen. Zwischen den Hauern bewegt sich der stark- einem Gebiss, das alle drei Zahnarten aufweist, und zwei | zusammengedrückte Unterkiefer. Die Haut ist diek und Paar kurze Gliedmaassen, von denen die vorderen seitlich | fast so kahl und nackt wie bei den Walfischen, der Leib abstehen, die hinteren dagegen horizontal in der Richtung | dagegen diek, gerundet uud kaum länger als der Rumpf der Hauptaxe liegen. Weil alle fünf Zehen der vier Füsse | eines Rosses. Der Name Walross ist somit ar nicht übel durch eine dieke, bis über das Nagelglied reichende | gewählt. In der Wissenschaft führt es den Namen Schwimmhaut verbunden sind, erhalten dieselben das | Triehechus rosmarus von den strohhalmdicken Barthaaren, eharakteristische Gepräge eines schaufelartigen Flossen- | die büschelweise an der Lippe stehen; denn 3oi&, zoıyos oder Schwimmfusses, und danach hat die Wissenschaft | heisst im Griechischen das Barthaar und &yw, ich habe. die T'hiere benannt, Flossenfüsser, Pinnipedien. Rosmarus ist der latinisirte Name, mit dem der Norweger Wie viel lebende Arten gehören zu dieser Ordnung? | noch heute das T'hier bezeichnet (,, rosmar*). Die Lappen In der von Prof. Ludwig neubearbeiteten Auflage von | und die russischen Pomaren, die am Weissen Meere und Leunis Synopsis der Zoologie wird von fünfzig Arten | auf den Inseln im Eismeere wohnen, nennen es „morsh, gesprochen. Ist das zu wenig oder zu viel oder gerade | morsha oder morsk.“ richtig? Liegen die Verbreitungscentren dieser Thiere Wie plötzlich und unerwartet im offenen Wasser und die Mittelpunkte ihrer Bevölkerungsdichten im | zwischen den weiten Eisfeldern der Arktik diese Thiere arktischen oder im antarktischen Meere oder in beiden | bald einzeln, nur von einem Jungen begleitet, bald in zugleich? Giebt es Flossenfüsser, die unter niederen | mehr oder minder grossen Gesellschaften auftauchen, wie sie Breiten, sogar unter dem Aequator leben? Und in welcher -| harmlos neben einander auf dem Eise liegen und schlafen, Zahl sind die Thiere vorhanden? Wieviel werden all- | wie sie mit einander spielen und dann mit ihren kleinen Jährlich gefangen? Welche Art ist die wichtigste? Lässt | rothen Augen den Menschen anglotzen wie jeden fremden sich die jährliche Ausbeute nach Millionen von Mark be- Gegenstand, der ihre Aufmerksamkeit erweckt, wie sie in messen ? ihrer Wuth "sehnauben und brüllen und vor nichts zurück- Auf diese und ähnliche Fragen zu antworten, das ist | schrecken, das sich ihnen in den Weg stellt, wie sie sich die Aufgabe, die der vorliegenden Arbeit zugewiesen wurde. | krachend einen Weg durch das Eis bahnen und mit ihren Wir sprechen vom Fange und von der Verbreitung | Hauern das Boot zertrümmern, das sie angreifen: das der london fünser und halten uns dabei zunächst an die | sind Bilder, die uns noch aus F. Nansen’s Tagebuch drei Familien, die unterschieden werden, an die Walrosse, | „In Nacht und Eis“ lebhaft vor der Seele stehen. an die Ohrenrobben und an die Seehunde. Von Walrossfleisch und Bärensehinken lebte Nansen Die Walrosse sind an den zwei grossen, aus dem | mit seinem Begleiter, als er die Winterhütte auf Franz- Oberkiefer weit herabhängenden Eekzähnen, die zuweilen | Josephs-Land bezogen hatte, 274 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 24. 'Die Walfischfänger, die alljährlich in diese hohen Breiten vordringen, fangen und nehmen, was sie bekommen können. Fehlen die Walfische, so werden Walrosse, See- hunde, Eisbären, Rennthiere, Füchse, Wölfe und Vögel gejagt und Daunen gesammelt. Walrosse liefern Leder, Fleisch, Speck zu T'hran und vor allem schöne, weisse Zähne, die tleuer bezahlt werden; denn ihre Masse ist härter als Elfenbein und eignet sich vortrefflich zur An- fertigung von künstlichen Zähnen. Walrosse sind somit ein gutes Jagdobjeect und zwar seit alten Zeiten. Die ältesten Berichte, die wir kennen, reichen bis zum Jahre S71 zurück; aber der Fang selbst ist noch älter; er reicht bis weit in die praehistorische Zeit hinein. Und was ist die Folge davon? Die Thiere sind seltener geworden und in ihrer Ausbreitung nicht bloss aufgehalten, sondern sogar vielfach zurückgedrängt worden. An der Küste Schottlands sind sie ganz verschwunden; ebenso fehlen sie heute an der Küste Norwegens südlich der Lofoten, an den Far-Öer, selbst am Nordrande von Irland. In Finmarken und Lappland sind die Walrosse schon lange eine so seltene Erscheinung, dass man sich die Jahre merkt, wann sie zu sehen waren. Aus dem Weissen Meere sind sie vollständig vertrieben. Aehnlich liegen die Verhältnisse an der amerikanischen Küste. In der Lorenzo-Bay, wo sie am Ende des 18. Jahrhunderts noch ziemlich häufig vorkamen, wurde im Jahre 1341 das letzte Exemplar erlegt. Ein verirrtes Exemplar kam 1881 in die Nähe von Neufundland. Gegenwärtig dürfte hier der Polarkreis die Südgrenze ihres Verbreitungsbezirkes bilden, und so ist es auch zwischen Asien und Amerika. Als Staduchin 1648 im nördlichen Stillen Ocean die Walrosse entdeckte, waren sie ausserordentlich zahl- reich, sowohl an der Ostküste von Kamtschatka, als auch am Westrande von Alaska, als auch am Nord- uud Süd- saume der Aleuten. Im Jahre 1860 wurde hier die Jagd auf diese Thiere in grossem Maassstabe eröffnet. Nicht weniger als 100000 Thiere wurden hier in den Jahren von 1870 bis 1880 erlegt. Dürfen wir uns daher wundern, dass die Walrosse im Beringsmeere so gut wie ganz aus- gerottet sind? Und wie liegen die Verhältnisse in höheren Breiten ? Auch hier wird ihnen mächtig, aber nicht immer mit Er- folg nachgestell. Von den neun Dampfern, die im Jahre 1896 aus den schottischen Häfen zur Jagd ins Polar- meer ausliefen, wurden summa summarum nur 43 Wal- rosse heimgebracht, die fast zu gleichen Theilen von zwei Schiffen in der Melville-Bay und in der nördlichen Davis Strait erbeutet worden waren. Glücklicher jagten in diesem Jahre die norwegischen Fahrzeuge, längs der Eis- kante, die sich von Jan Mayen nach Spitzbergen und von hier nach Nowaja Semlja erstreckte. Es waren 26 Fahr- zeuge, 22 aus Hammerfest und 4 aus Vardö. Ihre Beute zählte nebenbei 462 Walrosse. Das ist viel und beweist, dass die Thiere auch hier keine Herden bilden, die „nach Tausenden“ zählen. Aber nicht bloss die Menge, auch die Grösse der Thiere scheint abgenommen zu haben. Berichtet doch M’Clure, dass er wiederholt Walrosse geschossen habe, die 3500 Pfund schwer waren, die so schwer waren, dass das Eis, als es von dieser Last befreit wurde, so- gleich um 2 Fuss emporstieg, und jetzt gelten Thiere, die 20 bis 25 Centner wiegen, für Kolosse, die der Schütze als etwas Seltenes rühmt. So lange die Arktik für unsere Jäger in so hohem Grade schwer zugänglich bleibt, wie sie es heute noch ist, so lange werden die Walrosse darin noch Stätten finden, wo sie sich ungestört weiter entwickeln und so vermehren können, dass alljährlich reiche Geschwader zur Auswanderung gezwungen werden. Von solehen wan- dernden Schaaren erzählt Nossilow. Er beobachtete einen solchen Zug, der fast zwei Wochen dauerte an der Strasse, die zwischen den Inseln von Nowaja Semlja hindurch führt, und das war im Jahre 1890. Die Glieder eines solchen Zuges trennen sich in der Nähe der Küste und werden aufgerieben. Einzelne davon verirren sich vorher vielleicht weit nach Süden, und diese Thiere haben zu der Vermuthung Anlass gegeben, dass die Walrosse, von einer unbegrenzten Wanderlust getrieben, die Weiten der Arktik heimathlos durchzögen. In Wirklichkeit sind diese Thiere innerhalb des Polarmeeres an gewissen Plätzen sesshaft; hier sind sie geboren; hierher kehren sie zu Paarung wieder zurück. So besitzt jede Herde ihre eigenen, von Alters her ihnen zugehörigen Stammgebiete. Dafür sprechen auch die kleinen Merkmale, durch welche sich die Thiere der verschiedenen Herden von einander unterscheiden; diese kleinen Merkmale sind gross genug, um die Thiere im äussersten Osten und im äussersten Westen als zwei gute Localformen, als eine atlantische und eine paecifische, aufstellen und von der arktischen Stammform abzweigen zu können; aber sie sind nicht gross genug, um von drei Arten sprechen zu dürfen. Wir zählen vielmehr innerhalb dieser Familie nur eine Gattung und nur eine Art, d. h. wir bezeichnen die Familie als monotyp und sprechen damit aus, dass ihr ein verhältniss- mässig hohes, phylogenetisches Alter zuerkannt werdenmuss. Dafür zeugt weiter der grosse Unterschied zwischen dem Milch- und Dauergebiss dieser Thiere. Während die Zahn- 1 SAT) 0 Pan heisst, besitzen die jungen Thiere i 0 Dj undm formel bei den ausgewachsenen Thieren i und darin besitzen wir ein elassisches Document, das uns in der Stammes- und Entwickelungsgeschichte der Walrosse bis zu ihrer Abzweigung von den Raubthieren zurück- führt. Schreiten wir weiter zu der zweiten Familie, zu den Ohrenrobben oder Seelöwen, Otariiden (von ovg, oros, griech. das Ohr, die Ohrmuschel). Hierher stellen wir alle diejenigen Flossenfüsser, die Öbrmuscheln haben. Da das Wasserleben es mit sich bringt — denken wir nur an den Biber und die Fischotter — dass die Ohrmuschel, im Wasser ein lästiges Anhängsel, sich im Laufe der Jahrhunderte zurückbildet und endlich ganz verschwindet, so scheinen wir in dieser Familie den Jüngsten Spross am Stamme der Flossenfüsser vor uns zu haben. Dafür spricht auch die Entwickelung ihres Ge- bisses. Die Zahl der Schneidezähne vermindert sich, wie die nachstehenden Formeln beweisen, in sehr geringem Maasse, während die Zahl der Backzähne die Tendenz ; ; al es hat zu wachsen. Milchgebiss: Iisepmz oder re: E NR KOREA) Dauergebiss: i zepig oder 6 Inwiefern die Systematik und die geographische Ver- breitung zu demselben Ergebnisse hinfükren, wird aus der Betraehtung der einzelnen Arten hervorgehen, zu der wir uns nun wenden wollen. Beginnen wir mit der Mähnenrobbe, dem süd- lichen Seelöwen, Otaria jubata [von juba, lat. die Mähne]. Derselbe hat seinen Namen von dem einfarbigen, gelblichgrauen oder bräunlichgelben Kleide und von der langen, struppigen Mähne, die den Hals der Männchen schmückt. Die Mähnenrobbe lebt an den Küsten der südlichen Halbkugel, aber nicht überall. Ihr Verbreitungs- bezirk beschränkt sich auf den amerikanischen Theil des Südmeeres. Hier wohnt sie von der Mündung des La Plata XII. Nr. 24 (35° s. Br.) südwärts über die Falklands-Inseln bis zum Cap Horn und darüber hinaus bis zu den Süd-Orkney- und Süd-Shetlands-Inseln und vom Graham Land nord- wärts an der Küste von Chile bis zum 20. Grade südlicher Breite, bis Arica in Peru. Die silberweissen, hellgefleckten Exemplare, die hier zuweilen vorkommen, hat schon Tsehudi beschrieben. Noch mehr interessirt uns die Angabe, dass diese Thiere, die sehr oft als antarktisch bezeiehnet werden, sogar unter dem Aequator, an den Galapagos-Inseln, eine alte Heimstätte haben. In Folge dessen dürfen wir ihre Urheimath in Südamerika suchen, und hier sind auch die ältesten Reste, die wir zur Zeit von den Flossenfüssern kennen, in oligocänen Schichten gefunden worden. Leider sind die geologischen Funde noch nicht ausreichend, um scharfe, entwicklungsgeschicht- liche Riehtlinien ziehen zu können, was wir um so mehr beklagen müssen, weil die nächstverwandte Art, der Steller’sche Seelöwe, Otaria Stelleri, ein weit ab- gelegenes Verbreitungsgebiet besitzt, das, wie schon der Name verräth, sich über den Norden des Stillen Oceans ausbreiten muss. Ist die Art doch zu Ehren jenes Forschers benannt, der im Jahre 1742 als Schiffbrüchiger zehn lange Monate auf einer der Berings-Inseln auf Er- rettung wartete. Der Steller’sche Seelöwe ist der Riese unter allen Öhrrobben; er wird fast so gross wie ein Walross; die Männchen messen oft fünf Meter und mehr. Sein Ver- breitungsbezirk erstreckt sich von der Beringsstrasse an der asiatischen Küste südwärts bis Japan und an der amerikanischen Küste südwärts über die Aleuten hinaus bis Californien. Ueberall, wo ihm der Mensch begegnet, wird er verfolgt. Nur am Eingang zur Bucht von San Franeisco, auf den Farrollones-Felsen, hat man ihm ein Schonrevier errichtet, und das war um so nothwendiger, weil er hier gewerbsmässig verfolgt wird, um seinen Speck und sein Leder zu gewinnen. Aus dem Fette wird Thran gekocht, und aus dem abgestreiften Balge wird — Leim gesotten. Beide Ohrenrobben, der südliche und der nördliche Seelöwe, haben einen Pelz, der nicht viel werth ist, weil demselben die dichte Unterwolle fehlt. Gerade in dem Vorhandensein der dichten Unterwolle ist der hohe Werth begründet, den der Pelz der dritten Art besitzt, es ist der Seebär, Otaria ursina (von ursus, lat. der Bär) oder Callorhinus ursinus (von #@44oc, griech., die Schönheit und von öövoc, griech., die Haut, der Pelz). Wie hoch der weiche, leichte, seidenglänzende Pelz dieser Robbe geschätzt wird (er ist in allen Nüancen vom hellen Dunkelbraun bis zum tiefen Braunschwarz zu haben) sagt am besten der Preis, der dafür gezahlt wird. Ein ein- ziges Fell kostet gegenwärtig im Durchschnitt 150 M. und eine ganz einfache, daraus angefertigte Damen- jacke, wie in der New-Yorker Staatszeitung zu lesen ist, drei bis sechshundert Dollars, also 1200—2500 Mark. Selbstverständlich ist ein Thier, das einen so köst- lichen Pelz spendet, allen Völkern seines Reviers wohl- bekannt. Die Japaner nennen es „umino-nego“, die Ainos „targa“, die übrigen Bewohner der Kurilen „osmep“, die Kamtschadalen „tatlaetsch“, die Korjaken „talatscha“; bei den Russen heisst es „morskoi-kot“ (d. i. Seekater), und bei den Engländern und Nordamerikanern „fur-seal“ (d. i. Pelzrobbe). Aus dieser kurzen Aufzählung lernen wir schon das Verbreitungsgebiet der Thiere etwas kennen. Es beginnt etwa unter dem 36° nördl. Br. in Japan und Korea, zieht sich dann an der Küste und den vorgelagerten Insel- guirlanden bis hinauf zur Beringsstrasse und von hier an der Küste Amerikas über Alaska und die Aleuten süd- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 275 tere... ll ll 111] — — — "= wärts bis zu den St. Barbara-Inseln und endigt am Cap Conception unter 34° 35’ n. Br. Dieses weite Gebiet ist aber nicht jahraus jahrein gleichmässig bevölkert, denn die Seebären wandern mit der Jahreszeit. Den Winter verbringen sie im Süden, und mit dem Frühlinge wandern sie nordwärts, um die altangestammten Paarungsplätze aufzusuchen. Die alten, starken Männchen schwimmen voraus; dann folgen die jungen Männchen, und den Schluss bilden die Weibchen und Jungfern. Auf diesen Plätzen feiert ihre Liebe die Triumphe; hier halten die Mütter ihr Wochenbett; hier wachsen die Jungen heraus, bis sie seetüchtig sind. Diese Plätze sind den Robbenjägern sehr wohl bekannt und werden von ihnen sorgsam bewacht, damit nicht Unberufene darüber herfallen. Der südliehste Brutplatz liegt gegenüber der Süd- spitze von Sachalin auf dem asiatischen Festlande. An- dere befinden sich auf dieser Insel, ferner auf den Schantar- Inseln, auf den Kurilen und anderen Stellen innerhalb der Ochotsker See. Auch an der amerikanischen Küste, auf den Vancouver Inseln, bei Sitka, auf Alaska und den Aleuten sollen sie nicht vollständig fehlen. Alle die ge- nannten Plätze waren früher viel besser besucht als heute. Gegenwärtig haben wir die stärksten Reviere im Berings- meer zu suchen, auf den Pribyloff-Inseln St. George und St. Paul, hier vornehmlich an der Nordwestspitze und an der Südwestbucht, ferner auf St. Matthäus, auf Bering, das drei grosse Plätze an der Nordküste besitzt, und end- lich auf Meduyi, das am Südwestrande sogar neun Re- viere aufweisen kann. Und wem gehören diese Gebiete? Vier Mächte theilen sich hierein, nämlich Japan, dessen Herrschaft sich auch über die Kurilen erstreckt, Russland, das den Löwen- antheil erhalten hat, England, das als repräsentirende Macht von Britisch-Amerika bis zur paeifischen Küste reicht, und die Vereinigten Staaten von Nordamerika, denen es gelungen ist, seiner Zeit die Pribyloff-Inseln im Berings- meer zu erwerben. Diese Mächte haben das Recht, innerhalb ihrer Gebietssphäre die jagdrechtlichen Ver- hältnisse zu ordnen, wie es ihnen am vortheilhaftesten erscheint. Allein das will nicht viel besagen; denn die Seebären leben nieht bloss auf dem Lande, sondern zum grössten Theil im Meere, im offenen Meere, und das ist international. Zwischen Land- und Seejagd ist ein grosser Unter- schied. Bei der Landjagd kann sich der Jäger soweit an die Seebären heranschleichen, dass er die Thiere nach Grösse, Alter, Geschlecht, Pelz unterscheiden und beurtheilen und diejenigen sich heraussuchen kann, die er abschiessen darf, ohne den Bestand in seiner Existenz zu gefährden. An dieses Prineip halten sich die Russen und Amerikaner, indem sie es für geboten erachten, dass die alten Thiere zur Erhaltung der Herden jahrelang geschont werden. Bei der Seejagd ist es aber dem besten und zuverlässigsten Schützen nieht möglich, diese Bedingungen zu erfüllen. Will er eine Beute haben, so muss er los schiessen, so- bald das Thier vor seinen Augen auftaucht; denn sehon im nächsten Augenblick ist es vielleicht für immer ver- schwunden. Werden die nach einem Seetreiben zur Strecke gebrachten Seebären gemustert, so ergiebt sich, dass darunter die Weibehen vorherrschen, dass sogar eine grosse Zahl tragende und säugende Mütter darunter liegen, und damit werden, wie wir gleich andeuten wollen, ebenso viele junge Thiere dem Tode preisgegeben. Diese Verhältnisse lassen sich erst annähernd beur- theilen, wenn wir wissen, um welche Mengen es sich hier- bei handelt. Die Zahlen sind gross. Die Amerikaner haben die Landjagd auf St. Paul [So] I {er} Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 24. und St. George an eine Jagdgesellschaft unter der Be- dingung verpachtet, dass dieselbe Jährlich nicht mehr als 100000 Seebären abschiesst. Daraus erzielte die Re- gierung, wie die New-Yorker Staatszeitung vom 26. Sept. 1897 mittheilte, in den letzten zwanzig Jahren (von 1870 bis 1890), die erhobenen Eingangszölle für zubereitete Seebärenfelle mitgerechnet, eine Einnahme von über 8\/, Millionen Dollars (= 55,7 Mill. Mk.). Ebensogross, wenn nicht noch grösser ist der Gewinn, den Russland aus dieser Jagd zieht, obgleich es sich mit dem Zehnten vom Werthe des erbeuteten Pelzwerkes begnügt. Und was trägt England davon? Der Fischereiberieht vom Jahre 1896, den das canadische Ministerium für Schiff- fahrt und Fischerei herausgegeben hat, besagt, dass die canadischen Schiffe allein im Jahre 1894 sage 70739 Stück Seebärenfelle erbeuteten und daraus einen Erlös von drei Millionen Mark erzielten. Das folgende Jahr lieferte weniger Felle, aber dafür war der Preis höher. Man erbeutete immer noch, und das ist sehr viel, 55 677 Stück, wovon 26350 Stück, nämlich 10815 Männchen und 15515 Weibehen dem Beringsmeere entstammten. Wenn wir erwägen, dass Professor Ludwig in Leunis-Synopsis der Zoologie, auf den Fang an den Pribyloff-Inseln be- zugnehmend, im Jahre 1883 noch schreiben konnte: „Man schätzt, dass jetzt jährlich 150000 Stück getödtet werden,“ wenn wir damit die obigen Zahlen vergleichen und dabei die Klage der amerikanischen Jäger nicht überhören, dass sie jetzt kaum die Hälfte (statt 100 000 nur 55000) der im Contract ihnen zugesicherten T'hiere zusammenbringen konnten, so müssen wir eine Abnahme der Seebären zu- geben; sie ist so gross, dass jetzt im gesammten Ver- breitungsgebiete nicht mehr soviel Thiere erlegt werden, wie früher an den beiden Pribyloff-Inseln allem. Nach dem canadischen Fischereibericht belief sich die Ge- sammtausbeute im ganzen Nordbecken des paeifischen Öceans für das Jahr 1894 auf 126 S41 Stück und im Jahre 1895 auf 119210 Stück. Die Ursache hierfür sucht und findet man einzig und allein in dem rücksichtslosen, nur auf schnellem Geld- erwerb gerichteten Betriebe der pelagischen Jagd, eine Thatsache, die die englischen Grosshändler, die hier mit ganz enormen Kapitalien arbeiten, nicht zugeben wollen, und so verschleppt sich der Schutz und die Schonung, die man den Thieren zur Erhaltung ihrer Existenz ge- währen möchte. Freuen wir uns, dass General l’oster, der frühere Staatssekretär der Vereinigten Staaten von Nordamerika, der deshalb mit Petersburg, London und Tokio verhandelte, die Frage festhält. Zweierlei hat er bereits erreicht, nämlich dass die Jagden im Beringsmeer beaufsichtigt und die zoologischen Verhältnisse wissen- schaftlich untersucht werden. Die Vereinigten Staaten haben seit 1895 alljährlich fünf, einmal sogar sechs Kutter zu diesem Zwecke aus- gesandt, während England regelmässig zwei oder drei Kanonenboote stellte. Die Folge davon war, dass die Zahl der Fahrzeuge, die der pelagischen Jagd oblagen, kleiner wurde. Früher mag sich dieselbe auf 100 und mehr belaufen haben; vor einigen Jahren wurden noch etliche sechzig gezählt und jetzt — dreissig. Die wissenschaftliche Kommission der Amerikaner — sie bestand aus den drei Herren Dr. David Starr Jordan, George A. Clark und F. W. Lucas — hat ihre Aufgabe gelöst und nach einer vorläufigen Mit- theilung, die am 235. August 1897 in der New Yorker Tribüne veröffentlicht wurde, wie zu erwarten war, ge- funden, dass der Seebärenbestand innerhalb eines Jahres auf den Nistplätzen um 15 Procent und im übrigen Gebiet um 33 Procent zurückgegangen war. Die Schuld daran fällt weniger auf den neuentdeckten, parasitischen Wurm, der auf manchen Brutplätzen haust und manches junge Thier zu Tode quält, als vielmehr auf die pelagische Jagd, bei der soviele säugende Mütter erschossen werden, was zur Folge hat, dass auch die Jungen derselben ver- kommen und hinsterben. Die Zahl derselben wurde für das Jahr 1395 auf zwanzig tausend Stück angegeben, und dazu wurde bemerkt, dass jetzt kaum der dritte Theil der Jungen Aussicht habe, ein Alter von drei Jahren zu er- reichen. Mit Fug nnd Recht wurde deshalb am 26. No- vember 1897 auf dem Üongresse zu Washington der Wunsch laut, dass man die pelagische Jagd ganz auf- geben möchte. Was die Sachverständigen Englands, Prof. Thomson und Mr. Macoun, wenn sie ihre Untersuchungen ab- schliessen werden, auch finden und sagen mögen, die im kommenden October von den vier betheiligten Mächten einzuberufende Conferenz wird den herrschenden Uebel- ständen entgegentreten und die Schonung der Seebären, wie es ihre Lebensgeschichte erheischt, zur allgemeinen Anerkennung bringen. Es müssen geschont werden alle fortpflanzungsfähigen Männchen und Weibehen in der Zeit, da sie die Paarungsplätze besuchen. Für die säugenden Mütter muss die Schonzeit so lange andauern, bis sich die Jungen selbst forthelfen können. Um den Bestand zu wahren und zu kräftigen, darf nur auf dem Land eine den örtlichen Verhältnissen entsprechende Zahl nach Alter und Geschlecht bezeichneter Thiere abge- schossen werden. Dann werden die Herden, die jetzt im Durchschnitt nur zehn bis fünfzehn Weibehen zählen, wieder stärker werden, wenn auch nicht so stark wie früher, da man in einer Herde oft siebzig und mehr Mutterthiere zählte. Dann werden die Jungen, die ein ganz eigenartiges Woll- kleid tragen und das Wasser zunächst gänzlich meiden (gewiss ein deutlicher Hinweis auf ihre entwiekelungs- geschichtliche Abstammung von echten Landraubthieren, die mit den Stammvätern unserer Marder und Bären mehr oder weniger verwandt waren), das Säuglings- stadium gut überstehen, zumal sie mit grosser Liebe an ihren Müttern hängen und nur von ihnen die dargereichte Nahrung annehmen. Auf diese Weise meint man, dem Aussterben der Seebären erfolgreich vorzubeugen. Obgleich die Robbenjäger behaupten, von jedem vor- gelegten Felle mit Sicherheit angeben zu können, von welcher Insel oder von welchem Brutplatze es stamme, so ist es der Wissenschaft doch nicht möglich gewesen, innerhalb dieser Art besondere Varietäten und Local- formen aufzufinden. Das ist ihr nur bei dem südlichen Seebär, Aretocephalus australis gelungen. Wäh- rend dessen Stammform von Juan Fernandez und Chile einerseits und von der Mündung des La Plata anderer- seits südwärts bis in die Antarktik hinein sich ausbreitet, bewohnt die eine Unterart (einereus) den australischen Theil der Südsee und die zweite (antaretieus) geht noch weiter westwärts bis in den afrikanischen Theil der Südsee und der Südatlantik; sie findet sich sogar noch in der Lüderitz-Bai. Ebenso interessant sind die Verbreitungsverhältnisse zweier Seelöwen, die wir Otaria Gilliespii und Otaria Jobata nennen wollen. Sicherlich stehen beide einander systematisch sehr nahe, vielleicht so nahe, dass sie zu einer Gattung vereinigt werden dürfen, aber räumlich wohnen sie weit auseinander. Lobata verbreitet sich aus dem australischen Südmeere, wenn auch spärlich, entlang der Westküste Australiens bis zur Melville-Insel und bis Port Essington und entlang der Ostküste bis Port Denison (20° s. Br.) und in Polynesien von Neuseeland aus über die Cooks-Insen (20° s. Br.) bis in den Marquesas- Archipel (10° s. Br.). Dagegen treffen wir Gilliespii im XIU. Nr. 24. Nord-Paeifik, sowohl an der asiatischen als auch an der amerikanischen Küste, aber nicht in dem Verbindungs- stück, das die Halbinsel Alaska mit den Aleuten. her- gestellt. Obgleich wir keine direeten Belege haben, so vermuthen wir doch, dass diese Lücke zwischen den beiden discontinuirliehen Bezirken früher nicht bestand. Denn früher reichte der amerikanische Flügel viel weiter südwärts als heute, über die St. Barbara- und Cedros-Inseln bis zu den Tres Marias-Inseln und bis zum Cap Corientes (20° s. Br.), wo sie seit dem Jahre 1686 fehlen. Ueberschauen wir die mitgetheilten Angaben über die Verbreitung der Obrenrobben, so erscheinen uns die obwaltenden Verhältnisse viel günstiger und durehsichtiger, als viele meinen. Zunächst steht fest, dass diese ganze Familie im arktischen, im nordatlantischen, ferner, wenn wir von der Lüderitz-Bai absehen dürfen, im südatlanti- schen und endlich sogar im Indischen Oceane längs der Küsten und Inseln von Ostafrika und Südasien vollständig fehlen. Ihr Hauptgebiet liegt zur Zeit im australischen Theile des Südmeeres, früher dagegen ohne Zweifel an den südlichen Küsten von Südamerika, wo heute noch mit Einschluss des zugehörigen Theiles des Südmeeres sieben Arten (im austr. Theile 4 Arten und 2 Unterarten) vorkommen. Auch die geologischen Funde, wie schon gesagt, weisen uns hierher. Von hier verbreiteten sich, das ist meine Ueberzeugung, vielleicht schon in der späteren Tertiärzeit die Arten und Geschlechter theils nordwärts, der amerikanischen Küste folgend, bis zur Beringstrasse und an den Aleuten und Kurilen entlang an der asiatischen Küste bis Japan und Korea, theils süd- und westwärts, wie es die Küsten und Inseln des Südmeeres mit sich bringen, bis nach Australien und Süd- Afrika. Das Verbreitungsgebiet der Ohrenrobben war somit ehemals ebenso einheitlich und geschlossen, wie es das Gebiet der Walrosse noch heute ist. Die Walrosse er- weisen sich als eine Familie, die ihre Heimath im Norden, die Ohrenrobben dagegen als eine Familie, die ihren Ursitz im Süden hat. Und wie liegen diese Verhältnisse bei der letzten Familie, bei den Seehunden? Die Seehunde oder Phociden bilden, wenn wir uns an die Unterschiede halten, die in der Formung des Gebisses zum Ausdruck kommen, drei verschieden grosse Sippen, die Blau- oder Blasenrobben mit vier Schneide- zähnen im Ober- und zwei Schneidezähnen im Unterkiefer 1 vier Schneidezähne tragen (i (i 7) die Seeleoparden, die im Ober- und Unterkiefer je 2; und die Seehunde, die noeh mehr Schneidezähne besitzen, nämlich oben sechs und unten vier bei den Arten aller drei Sippen in Bezug auf das numerische Verhältniss die grösste Uebereinstimmung; es 31m 3 aaT und m 3 d. h. ist nur durch die Zahl der Backenzähne von > 2 > . : i i- >). Das Milchgebiss dagegen zeigt setzt sich zusammen aus i es den Milch- gebissen der Walrosse (2) und der Ohrenrobben E oder = verschieden, und diese auffällige kleine Zahl (m 5) = {9} lässt uns den Stammvater der Phociden entwickelungs- geschichtlich in der Nähe des Katzengeschlechtes suchen. Auf ihre Abstammung von ehemals auf dem Lande lebenden Ahnen, die vom Raube lebten, deuten noch ver- schiedene, andere Merkmale und Lebensgewohnheiten hin. Die Robben paaren sich zum Beispiel noch heute auf dem Lande, werfen hier ihre Jungen und säugen sie hier. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 277 Ferner meiden die Jungen zunächst das Wasser. Endlich tragen sie ein ganz eigenartiges Wollkleid, das weich wie ein Flaum ist und etwa einen Monat nach der Geburt abgeworfen wird. Damit wollen wir das spekulative Gebiet verlassen und uns den thatsächlichen Verhältnissen der Verbreitung zuwenden. Beginnen wir mit den Blaurobben. Zu ihnen ge- hören drei Arten, die gemeine Blasenrobbe, die West- indische Blasenrobbe und der Seeelefant. Der Seeelephant oder die Rüsselrobbe, Maero- rhinus proboseideus (aus u«xooc, griech., lang, ofe, öıvös, griech., die Nase und aus proboseis, lat., der Rüssel gebildet) ist, wie schon der Name verräth, ein Koloss wie der Elephant, oft sieben bis acht Meter lang und dem entsprechend schwer. Liefern doch manche Exemplare vierzehn bis sechzehn Centner Speck. Eine weitere Aehnliehkeit mit dem Elephanten besteht in der schmalen, rüsselartig verlängerten Nase, die meist 30 oder 40 Centimeter misst. Der Seeelephant ist ein werthvolles Jagdobjeet, das Unmassen von Speck spendet. Das Fell wird gegerbt, das Fleisch eingesalzen, Herz und Leber werden frisch zubereitet und genossen. Die eingelegten Zungen gelten für einen Leckerbissen der besten Art. Früher waren die Thiere ausserordentlich häufig. Um zwölf Uhr Mittags, so lässt Brehms Thierleben seinen Gewährsmann Coreal erzählen, ging ich mit vierzig Mann ans Land; wir umringelten die daliegende Herde, und in einer halben Stunde hatten wir vierhundert Seeelephanten erschlagen. An einer anderen Stelle lesen wir: Mortimers Leute tödteten binnen acht Tagen an zwölfhundert Seeelephanten und hätten einige Tausend erhalten können, wenn sie die Schlächterei hätten fort- setzen wollen. Ganz riehtig: die Schlächterei, die rohe, unver- nünftige Schlächterei, die sich noch einbildet, etwas Gutes gethan zu haben. Da sich solche Scenen wiederholt und an verschiedenen Plätzen abspielten, musste die Menge der Thiere abnehmen. An der Südspitze Amerikas, an den Küsten der Süd-Sandwich-, der Süd-Shetland- und der Süd-Orkney-Inseln und in der Bassstrasse zwischen Australien und Tasmanien, wo die Seeelephanten früher so massig vorkamen, erscheinen sie jetzt nur noch in kleinen Herden. Etwas besser liegen für sie die Ver- hältnisse an den Auckland- und Campbell-Inseln und am Süd-Vietoria-Land. Am diehtesten bevölkern sie zur Zeit die entlegenen Küsten der Moritz von Nassau-Inseln und von Neu-Süd-Georgien. Seit 1870 fehlen sie auf den Maedonald- und Crosette-Inseln. Afrika und Südasien haben sie nie bewohnt, ebensowenig die Marianen- und Tonga-Inseln. Seit 1570 ist kein Seeelephant mehr an der Westküste Südamerikas und bei Juan Fernandez ge- sehen worden. Sie fehlen ferner an den Galapagos- Inseln und weiter im Norden an der Küste von Mexiko und Kalifornien. Hier, zwischen dem 24. und 38. Grade nördlicher Breite, wo sie früher so zahlreich waren, sind sie jetzt eine grosse Rarität, die man am Point Reyes (38° n. Br.) und am Cap Lazaro (25° n. Br.) durch allerlei Schutzmaassregeln zu erhalten versucht. Gerade dieses Vorkommniss ist von besonderer Wichtigkeit, weil es klar und deutlich beweist, dass wir es hier nicht mit einer streng antarktischen Art zu thun haben. Dazu wird der Seeelephant erst gemacht und zwar durch die Macht der Verhältnisse, d. h. durch den rücksichtslosen Betrieb roher, gewinnsüchtiger Jäger. Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse bei der Blau- robbe oder Klappmütze. Sie s:heint eine arktische Form zu sein. [SG 1 jo o) Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Weil die Männchen .auf der Stirn einen bläulich- schimmernden, mützenartigen, in der Mitte längsgekielten Hautsack tragen, der von der Nase her aufgeblasen werden kann, desshalb heissen die Thiere auch Blasen- robbe, Cystophora ceristata. Der wissenschaftliche Name ist gebildet aus vorn, griech., die Blase, aus yEow, griech., ich trage und aus crista, lat., der Kamm. Ihr Verbreitungsbezirk reicht von Nowaja Semlja und dem Weissen Meer bis nach Grönland und südwärts an der europäischen Küste bis in die Nordsee und über Grossbritannien und Irland bis an die französische Küste. Einzelne und verirrte Thiere sind sogar an der Insel Oleron, in der Nähe der Gironde gefangen worden. Im Westen, an der amerikanischen Seite, besuchen die Thiere nur den südlichen Theil der Davis Strait; sie leben an der Küste von Neufundland, von Neuschottland und Long Island und gehen südwärts bis Maryland. Da diese Robbe in den südlichen Theilen ihres Be- zirkes selbstverständlich stärker verfolgt wird als in den nördlichen Revieren, so erscheinen letztere dichter be- völkert, und sie werden deshalb, aber irrthümlieher Weise, für die Urheimath der Thiere ausgegeben. Wo wir die- selbe zu suchen haben, das zeigt uns die dritte Art, die Westindische Robbe, Cystophora Antillarum, welche die Gewässer Westindiens und die Antillen-See bewohnt. Vielleicht liegt bier der Ausgangspunkt ihrer Verbreitung, vielleicht in dem nahen Südamerika. Und was sagt die zweite Sippe hierzu? Zu ihr gehört der Seeleopard, Stenorhynchus leopardinus, dessen kurzhaariges, wollenes Kleid auf dem Rücken graubraun, am Bauche gelblich und an den Seiten, wie der Name zum Ausdruck bringt, leoparden- artig gefleckt ist. Weiter deutet sein wissenschaftlicher Name an, der von oz&vos, griech., schmal und von ovvxös, griech., die Schnauze abzuleiten ist, dass sein gestreckter Schädel eine verhältnissmässig lange Schnauze besitzt. Sein Verbreitungsbezirk liegt im Südmeer. Derselbe erstreckt sich bis zu den Kerguelen, die noch jenseits des afrikanischen Theiles gelegen sind. Von hier reicht es ostwärts über Südaustralien, Tasmanien und Neuseeland und über fast alle Inseln, die zwischen dem 40. und 60. Grade südlicher Breite sich befinden, bis nach Süd- amerika und den Falklands-Inseln. Dass der Seeleopard die Küste Patagoniens bewohnt und nicht selten in den Flüssen mehr oder weniger weit aufwärts schwimmt, ist mehr als ein blosser Hinweis auf seine Wanderlust; es ist zugleich ein Hinweis auf seine Urheimath, die gewiss in Südamerika zu suchen ist. Dahin führt uns auch die verwandte rhynehus ecareinopbagus (von xdexıvos, griech., der Krebs und geyeiv, griech., essen), die für die Falklands- Inseln sicher nachgewiesen ist. Ansserdem hat man diese Robben südwärts davon auf den Süd-Shetland- und Süd- Orkney-Inseln angetroffen. Hier scheint auch noch die dritte Art, Stenor hynchus Rossi vorzukommen. Trotz- dem möchten wir die Urheimath dieser Thiere nicht in das unbekannte antarktische Gebiet verlegen, weil die beiden übrigen Arten, die noch in Betrachtung zu ziehen sind, nördlich vom Aequator leben. Der Seemönch oder die Mönchsrobbe, Steno- rhynchus monachus oder Monachus mediterraneus ist eine gut bekannte Art, die ihren Namen Monachus oder Mönch davon erhalten hat, dass sie zumeist einzel lebend sich herumtreibt. Das Thier sieht auf dem Rücken braun aus. Der Bauch ist hell, blassgelb und gefleckt, Aristoteles nennt es Phoke und s sagt, dass es durch Lungen athmet, Fische frisst und sich auf dem Lande fortpflanzt. Er wusste, dass das Thier ein oder zwei Art Steno- XI. Nr. 24. Junge wirft, dass es dieselben säugt, dann füttert und endlich ins Wasser führt, wo sie viel schneller gross wachsen als die jungen Raubthiere auf dem Lande. Der Seemönch ist von Alters her eine sagenumrankte Gestalt. Sein Fell, das im Zimmer liegt, so weiss Plinius zu erzählen, sträubt sich zu den Stunden, wenn die Ebbe eintritt. Der rechte Flossenfuss, so fährt er fort, besitzt die Wunderkraft, jedem, der sein Haupt zum Schlate darauf legt, Ruhe und Erquickung zu spenden. Und um noch ein Beispiel anzuführen, der Aberglaube weiss, dass sein Fell Alle vor dem Blitze schützt, die darunter sich verbergen. Daran glaubte auch der Kaiser Augustus, von dem Suetonius berichtet, dass er stets ein Seehundsfell in seiner Nähe hatte, um während des Ge- witters sich an eimem sicheren Orte darunter setzen zu können. Der Seemönch hat kein grosses Verbreitungsgebiet. Er lebt im Schwarzen und Asowschen Meere; zwischen Griechenland und Kleinasien und an der dalmatischen Küste, kurz überall, wo man ihm verhältnissmässig wenig nachstellt, bildet er noch heute oft vielköpfige Herden. Auch Sardinien und Corsica gewähren ihm Verstecke. Durch die Strasse von Gibraltar reicht sein Bezirk bis zu den Canarien und Azoren. An der portugiesischen Küste ist er selten, und noch seltener wird einmal ein Exemplar bis an die deutsche Nordseeküste verschlagen. Etwa zehn Breitengrade südlicher und gleichfalls im atlantischen Gebiete, aber an der amerikanischen Küste, in den Strassen und Buchten der westindischen See wohnt der Antillenmönch, Monachus tropicalis, von dem Columbus im Jahre 1494 die erste Kunde nach Europa brachte. In der Zeit von 1875 bis 1378 wurden in der Florida-Strasse, an der Salt-Kay-Bank nördlich von Cuba, an den Pinos-Inseln, die südlich davon liegen, und in der Nähe von Jamaica einzelne Exemplare erlegt. Seit 1883 ist kein weiteres Exemplar nach Nordamerika ge- bracht worden. Die Thiere scheinen somit sehr selten geworden, vielleicht sogar ausgestorben zu sein. Früher waren sie häufiger; man begegnete ihnen in der Campeche- Bai, an der Mosquitos-Küste und im Caraibischen Meer. Damit sind wir wiederum in Südamerika angekommen. Hierher weisen uns also nicht bloss die Blau- oder Blasen- robben, sondern auch die Seeleoparden und Seemönche. Und was lernen wir aus der geographischen Ver- breitung der Seehunde? Das ist die letzte Frage, die uns zu beschäftigen hat. Wir wollen dabei von den weitverbreitetsten Arten ausgehen. Der Gemeine Seehund, Phoca vitulina, bewohnt die Küsten aller Continente, die das Nördliche Eismeer einschliessen. Den Beinamen Vitulus, Meerkalb, hat er erhalten, weil er, wie die alten Schriftsteller berichten, wie ein Oehse brüllt. Im nördlichen Theile des pacifischen ÖOceanes hat er sich im Westen bis Japan (40° n. Br.), im Osten bis zu den St. Barbara-Inseln (35° n. Br.) aus- gebreitet. Noch weiter herab senkt sich sein Ver- breitungsbezirk an der atlantischen Seite Amerikas. Er erstreckt sich über Halifax, Boston und New York nicht nur bis Virginien und Nordcarolina. sondern sogar bis in den Golf von Mexico und in das Caraibische Meer. Carl Greve, der seine Untersuchungen in den Nova Acta der Kais. Leopoldinisch- Carolinischen Deutschen Akademie der Naturforscher (Halle 1896) niedergelegt hat, will das nicht gelten lassen; denn er schreibt: „Wenn "diese Art zuweilen bis in den Meerbusen von Mexico und sogar an die Nordküste Süd-Amerikas gelangen soll, so wird das wohl auf einem Irrthume beruhen, oder aber, man hatte es mit Irrlingen zu thun“. Verirrte, verschlagene und lustig weiter wandernde Exemplare "sind auch in Europa & gefangen worden, nicht nur in der Strasse von XII. Nr. 24. Gibraltar und vielleicht auch im Mittelmeer, sondern auch landeinwärts innerhalb der Flüsse, in der Elbe bei- spielsweise sogar einmal bei Kötzschenbroda und bei Pirna und vor Kurzem in der Mulde bei Dessau. Cireumpolar wie das Wohngebiet des Gemeinen See- hundes ist auch der Verbreitungsbezirk der Ringel- robbe, Phoca annellata, aus dessen dunklem Rücken- kleide helle, unregelmässige Augenflecke, sogenannte Ringel (lat. annellus), hervorleuchten. Sie ist etwas kleiner und scheint zwischen Baffıns-Land und der Beringsstrasse, also in dem Inselgebiet der nordwestlichen Durchfahrt ganz und gar zu fehlen. Diese Lücke ist kein Ergebniss der rohen, rücksichtslosen Jagd, sondern ein Jungfräuliches Gebiet, das die Thiere in ihrer Ausbreitung von Osten und Westen her nicht erobern konnten. Im Osten zieht sich das Verbreitungsgebiet an der asiatischen Küste südwärts bis Japan (40° n. Br.) und läuft dann an den Aleuten und der Halbinsel Alaska im Beringsmeer nordwärts. Im Westen erhebt es sich in der Davis-Strasse an der grönländischen Küste bis über den 70. Grad hinauf, dagegen an den Küsten von Baffinsland kaum bis zum Polarkreis. Diese Thatsache ist von hoher Wichtigkeit; denn sie verbietet uns, die Heimath unserer Thiere nach Amerika zu verlegen. Und dasselbe Verbot hören wir noch zweimal; die Verbreitung des Bärtigen und die Verbreitung des Grönländischen Seehundes wieder- holen dieses Verbot mit gleicher Strenge. Der Bärtige Seehund, Phoca barbata, der mit einem borstigen Barte seine Schnauze schmückt, folgt in Naturwissenschaftliche Wochensehnitt. 219 seiner Ausbreitung zunächst der Nord- und Nordostküste Asiens bis zum 40. Breitengrad in Japan. Er meidet hier die amerikanische Küste, sogar im Beringsmeere. Dann verbreitet er sich von Nord-Europa her in dem Atlantischen Ocean bis in die Nordsee, ohne jedoch den deutschen Strand zu erreichen, und von Irland und Schottland aus über die Far-Oer und über Island bis nach Grönland und durch den Inselarchipel der Nordwestlichen Durehfahrt bis Banks Land (120° westl. v. Gr.). Der Grönländische Sechund, Phoca groen- landica, der die Gebiete in höheren Breiten bevorzugt, hat seine Herrschaft nicht so weit ausdehnen können, wie die vorausgenannten Arten. Die Süd-Grenze seines Reiches verläuft im Atlantischen Ocean durch die Nordsee, wo man ihn bei Norderney (54° n. Br.) gefangen hat, und an Amerikas Küste bis New-York, im Stillen Ocean dagegen bis zur Südspitze von Kamtschatka. Die Ost- grenze bildet der Meridian, der durch die Beringstrasse geht, die Westgrenze hingegen der Meridian, der das Baffins-Land und den Fox-Canal (80° westl. v. Gr.) sehneidet, d. h. Nordamerika, soweit es westlich von dieser Linie sich ausbreitet, ist nie vom Grönländischen Seehund bewohnt gewesen. Alle vier Arten, Vitulina, Annellata, Barbata und Groenlandica bezeugen somit durch ihre geographische Verbreitung, dass ihre Urheimath aller Wahrscheinlichkeit nach im Norden der Alten Welt zu suchen ist. Vielleicht führen uns die folgenden Arten noch etwas näher zum Ziele. (Schluss folgt.) Den zusammengesetzen Magen der Schlankaffen (Semnopitheus) beschreiben A. Pilliet und R. Boulart in den C. R. Soe. Biol. Paris vom 25. fevr. 1898. Der Magen erinnert zuerst an den der Wiederkäuer. Nach einem Pansen kommt ein umfangreicher Cardia-Theil, eine grosse, mit Wulsten versehene, sackartige Tasche, die mit der Speiseröhre durch einen Kanal in Verbindung steht. Zuletzt kommt der längliche, eylindrische Pylorus- Theil, der ebenfalls Wulste und 2 fibröse Bänder enthält. Die mikroskopische Prüfung ergab Folgendes: Die erste Tasche ist nur eine Ausstülpung der Speiseröhre und ent- hält wie diese Papillen mit geschichtetem Pflasterepithel. Sie besteht aus je einer Lage glatter Muskelfasern vom Magen und vom Bauchfell aus. Sie stellt also einen Pansen dar. Mit ihm sind weit verbunden die beiden anderen Taschen. Die Speiseröhre mündet zugleich in alle drei Taschen; sie sind nur durch Buchten, unter denen die mucöse Muskulatur einen leichten Wulst bildet, getrennt. In der zweiten Tasche ist die Muskulatur so schwach, dass die Wände nur einhalb so diek sind. Die Schleimhaut enthält kleine, enge, röhrige Drüsen, die aber keine Zotten bilden. Diese Tasche, die grösste, ist ein echter Magen. — Eine Rinne führt vom Oesophagus zum Pylorus und theilt so die letzte Tasche anatomisch in zwei Theile. Der obere, dem Oesophagus zugewandte Theil ist wie dieser und der Pansen mit Pflasterepithel bekleidet, der untere enthält dieselben Röhrendrüsen wie der eigentliche Magen. Es verlängert sich also die Speiseröhre nach zwei Seiten hin. (Aehnliche Verhält- nisse bieten nur die Magen des Kängurus und des Faul- thieres dar.) Diese dritte Tasche geht bis zum Pylorus. Nur nahe diesem finden sich eigentliche Pylorusdrüsen, wie beim Erdferkel und Biber, in zwei Haufen von der Grösse je eines Zwei-Markstückes vereint. — Der Magen der Schlankaffen besteht also aus der sich in die drei Theile öffnenden Speiseröhre, einem Pansen, einem echten Magen und einer Mischung von Speiseröhre und echtem Magen, die eine Passage für die Flüssigkeiten bildet. Ein echter Pylorustheil ist nicht ausgebildet. Der Magen ist der eines Frucht- und Blätterfressers und bildet eine Annäherung zu dem der Wiederkäuer. Unter den Affen ist es der einzig bekannte Fall eines zusammengesetzten Magens. Reh. Einige Anpassungen der Schwanzflosse von Fischen und Seesäugethieren bespricht O. Thilo in dem Correspon- denzbl. Nat.-Ver. Riga Nr. 40 (1898). Anknüpfend an die bekannten Arbeiten Ahlborns über die Form der Fisch- schwänze zeigt er, wie die Störe mit dem Kopfe nach unten schwimmen, weil die obere Spitze der Schwanz- flosse länger jst als die untere; er ist also ein Grundfisch. Der fliegende Fisch wird dureh die umgekehrte Form seiner Schwanzflosse befähigt, mit grosser Gewalt aus dem Wasser herauszuschiessen. Die Schwanzflosse der Makrelen ist gegabelt. Klappen sie die obere Flosse um, so können sie leicht nach oben, klappen sie die untere um, nach unten schwimmen. Bei dem Delphin ist die Schwanzflosse quer; sie ermöglicht es ihm, so zu schwimmen, dass Hals und Kopf aus dem Wasser empor- ragen, aus dem Wasser in die Höhe zu springen und über die Wasserfläche in schnell aufeinander folgenden Sprüngen dahin zu hüpfen. Reh. Ueber die Aufspaltung des Sylvans zum Aldehyd der Lävulinsäure, Pentanol, hat ©. Harries in den Ber. Deutsch. Chem. Ges. 31. 37 Mittheilungen gemacht. — Aus dem leicht flüchtigen Antheil der T'heeröle von Pinus silvestris hat Atterberg vor längerer Zeit das Methylfuran-„Sylvan“ der Formal C;,H,O isolirt. Nach E. Fischer und Laycock sind des Ferneren Dimethylfuran 250 Naturwissenschaftliehe Wochensehrift. XII. Nr. 24, und höher methylirte Furane im Verlauf des Holztheers enthalten; Harries hat nun gefunden, dass das «-Methyl- furan, das Atterberg höchst wahrscheinlich unter den Händen gehabt hat, auch aus dem zwischen 60 —70° siedenden Bestandtheil des Buchentheerkreosots gewonnen werden kann. Ö cu | He? —IcH Zur Isolirung der Substanz schlägt Harries folgendes Verfahren vor: Der bis 70° siedende Vorlauf des Buchen- theeröles wird zur Entfernung der Aldehyde und Ketone erschöpfend mit Natriumbisulfit behandelt, der übrig bleibende Antheil zur Bindung der Säure mit einer hin- reichenden Menge 10 procentiger Natronlauge geschüttelt, der Rückstand über Kaliumearbonat getrocknet und mittels eines 15-kugeligen Le Bel’schen Colonnenapparates fraetionirt. Die zwischen 60—70° siedenden Oele ent- halten das Sylvan, sind aber, wıe schon Atterberg con- statirt hat, durch fraetionirte Destillation nicht zu trennen. Ausser dem Sylvan enthält die Fraction Säureester und Acetylenderivate; zur Reinigung kocht Harries das Ge- sammtgemisch der zwischen” 60--70° siedenden Bestand- theile mit einem Ueberschuss an Natrium am Rückfluss- kühler auf dem Wasserbade; allmählich findet lebhafte Reaction und Abscheidung beträchtlicher Mengen Natracet- essigester, Natracetylene ete. statt. Destillirt man dann das unangegriffene Oel ab und wiederholt diese Behand- lungsweise mehrfach, so gelangt man schliesslich zu einem Gr enzpunkt, an dem das Natrium vollständig blank bleibt. Unterwirft man das Oel jetzt abermals der fraetionirten Destillation im Colonnenapparat, so geht die bei Weitem grösste Menge unter 759 mm Druck constant bei 65° über. Das Sylvan ist eine leicht bewegliche, farblose Flüssigkeit von angenehm ätherischem Geruch, deren specifisches Gewicht bei 18° s—= 0,82 P. beträgt. Rauchende Salzsäure und starke Natronlauge scheiden braune, harzartige Producte ab; ein. mit Concentrirter Salzsäure befeuchteter Fichtenspahn wird beim Eintauchen in Sylvan smaragdgrün gefärbt. CH,.- C «-Methylfuran, & Analyse des Sylvans durch Aufspaltung mittels verdünnter wässriger Salzsäure. Nach Paal und Dietrich wird symmetrisches Dime- thylfuran beim Erhitzen mit stark verdünnter, wässriger Salzsäure im Rohr auf 170° zu Acetonylaceton aufge- spalten. Bei analoger Behandlung muss das Methylfuran deswegen einen Körper liefern, der die Eigenschaften eines Ketoaldehy ds besitzt. s 0) CH; -C. a | | HC! en + H,0 = CH; CO. CH, - CH, - CO: CH. 0) CH, - 7° CH HC. —!CH + H,0 = CH, - CO: CH, - CH, - CHO. Zur Aufspaltung des Sylvans wurden 10 gr des Körpers mit 30 gr mit Salzsäure angesäuertem Wasser im Einschlussrohr in dem von E. Fischer construirten Schüttelofen 12 Stunden auf 120° erhitzt. Nach Ablauf dieser Zeit war das Sylvan vollständig verändert, etwas mehr als die Hälfte war in Lösung gegangen, der übrige Theil war in ein schweres, hellbraunes, in Wasser zu Boden sinkendes Oel verwandelt. Sowohl die gelösten als auch die unlöslichen Anutheile besitzen die Eigen- schaften der Aldehyde und zeigen die bekannte Pyrrol- reaction, ein Beweis, dass in den Aufspaltungsprodueten die Gruppe 0.C0.C.C intakt geblieben ist. Bei näherer Untersuchung ergab sich indessen, dass sowohl der gelöste, wie der von Wasser nicht aufge- nommene Antheil fast ausschliesslich aus Condensations- producten des Pentanols besteht, das nur in kleiner Menge vorhanden war und besser nach der folgenden Methode isolirt werden kann. Aufspaltung des Sylvans mit absolut methylalkoholischer - CHO Salzsäure. Lävulinmethylal, i , OCH;, C;H,s0; = CH; : CO. CH, - CH, - CHX NOCH; Viel leichter als durch Erhitzen mit angesäuertem Wasser wird das Sylvan beim längeren Kochen mit absolut methylalkoholischer Salzsäure am Rückflusskühler auf dem Wasserbade aufgespalten; man erhält hierbei nicht den freien Aldehyd, sondern sein Methylalderivat. Der Vorgang lässt sich wie folgt formuliren: 0) CH; - C; ale + H,O(HC) — CH, - CO - CH, - CH, - CHO . CO : CH, - CH, : CHO + 20H - CH,(HCI) — CH, - CO: CH, - CH, - CH(OCH,), + H,0 Das Lävulinmethylal ist eine wasserklare, stark licht- breehende, leicht bewegliche Flüssigkeit von eigenthümlich brenzliehem Geruch, die unter 17 mm Druck bei 37—88° siedet. Es ist leicht in Wasser, Alkohol und Aether löslich und leicht mit Wasserdämpfen flüchtig. Mit essig- saurem Phenylhydrazin giebt es ein öliges Hydrazon, das bei mehrtägigem Stehen krystallisirt, aber dabei in das weiter unten beschriebene Phenylmethyldihydropyridazin vom Schmelzpunkt 197° übergeht. Lävulinacetal, CH, - CO - CH, - CH, - CH(OC,H,)3. Entsteht, wenngleich nicht so glatt, beim Kochen des Sylvans mit absolut äthylalkoholischer Salzsäure. Stark lichtbrechende, farblose Flüssigkeit von angenehmem Ge- ruch, die bei 11—12 mm Druck bei 92—93° siedet. Lävulinaldehyd, Pentanol, C,H,;0, = CH, : CO. CH, - CH, - CHO. Durch kurzes Kochen des Methylals mit stark ver- dünnter wässriger Salzsäure tritt Verseifung und Bildung des Pentanols nach folgender Gleichung ein: CH; - CO . CH; - CH, - CH(OCH;), + H,0(HC]) — CH, : CO - CH, - CH, - CHO + 20H - CH.. Zur Gewinnung des Pentanols werden 10 gr Methylal in 60 ecem Wasser heiss gelöst, dazu 3 gr einer 40 pro- CH, XIII. Nr. 24. centigen Salzsäure gegeben und die Lösung 10 Minuten am Rückflusskühler stark gekocht; man kühlt schnell ab, filtrirt von kleinen Mengen ungelöster Oele ab und neu- tralisirt vorsichtig mit Natriumbicarbonat. Ueberschichtet man die Flüssigkeit jetzt mit absolutem Aether und schüttelt den nach jedesmaligem Zusatz von Kaliumcarbonat frei werdenden Aldehyd damit aus, so erhält man nach dem Abdestilliren des Aethers 4,5 gr eines Oeles, das im Vakuum unter 12 mm Druck constant bei 709 siedet. Das Pentanol ist ein leicht bewegliches, farbloses, lichtbrechendes Liquidum von nicht unangenehm aldehyd- artigem, etwas stechenden Geruch; sein specifisches Ge- wicht beträgt bei 16° s— 1,0156. Der Lävulin- aldehyd ist in jedem Verhältniss mit Wasser, Alkohol und Aether mischbar und mit Wasserdämpfen flüchtig; er redueirt Fehling’sche Lösung und ammoniakalische Silber- lösung schon in der Kälte, greift die Haut stark an und ätzt sie dunkelroth; in reinem Zustande ist er durchaus beständig und hält sich Wochen lang unverändert. Durch Oxydation des Pentanols mit Silberoxyd re- sultirt das Silbersalz der Lävulinsäure, das leicht identi- fieirt werden konnte. Verhalten des Pentanols gegen Ammoniak. Leitet man unter Kühlen in eine ätherische Lösung des Aldehyds Ammoniakgas ein, so scheidet sich ein weisser, krystallinischer Niederschlag, wahrscheinlich das Aldehyd-Ammoniakaditionsprodukt, ab, das an sich Pyrrol- reaction nicht zeigt. Beim Kochen desselben in wässriger Lösung mit Essigsäure oder bei der trockenen Destillation erhält man ein Oel, das bei 147° siedet, einen mit verdünnter Schwefelsäure befeuchteten Fichtenspahn kirschroth färbt und identisch mit «-Methylpyrrol ist. Der Vorgang lässt sich nach folgender Gleiehung formuliren: IE CH, - CO. CH, - CH,» CHO + NH, ‚OH — CH, : 60 : CH,CH,CH IN “NR, HM. H NH CH;-C: OH; N : /cH N OH Hell CHH NH CHL.-.07 CH 4 | + 2H,0 || HCl —IcH Phenylmethyldihydropyridazin CC HC/ \N-CH; C ,H,:N; = H,0\ /N CH Versetzt man die wässrige Lösung des Pentanols mit essigsaurem -Phenyhydrazin, so tritt Ringbildung ein und man erhält das Phenylmethyldihydropyridazin als gelbes Oel, das bei einigem Stehen fest wird; durch Zusatz einiger Tropfen sehr verdünnter Schwefelsäure lässt sich das Reactionsprodukt sofort in den krystallinischen Zu- stand überführen; es kıystallisirtt aus Alkohol in feinen Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 281 Nadeln, die bei 197° schmelzen, und in Wasser und Alkohol ganz unlöslich sind. Das Dioxim des Pentanols entsteht durch Einwirkung von Hydroxylaminchlorhydrat auf den Aldehyd und Be- handeln des Reactionsproductes mit einer starken Pott- aschelösung zunächst als Oel, das im Vacuumexsiecator in weissen, sternförmig angeordneten Prismen krystallisirt. Es schmilzt bei 67—68°, ist leicht löslich in Benzol, unlöslich dagegen in Ligroin und Petroläther und besitzt die Formel: C,H,0N30; = CH, - C(:N - OH). CH, - CH, - CH:N- OH. Die Natriumbisulfitverbindung des Lävulinaldehyds, die beim Schütteln desselben mit Natriumbisulfitlösung erhalten wird, krystallisirt aus 60procentigem Alkohol in schönen, eisblumartigen Gebilden. Harries gedenkt die Reaction zu verallgemeinern und insbesondere auf das Furan, das hierbei den längst gesuchten Dialdehyd der Bernsteinsäure ergiebt, CH 6H-F40H. CH, = CH, — CHX SE - | NOCH, CH—CH | + 1,0 | „OCH, CH, — CH/ Noch, und weiterhin auf das 3-Methylfuran, Cumaron und Cu- marin zu übertragen. Dr. A. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Die Assistenten am Koch’schen Institut für Infektionskrankheiten in Berlin Dr. Kosselu. Dr. Wassermann zu Professoren; die Privat-Docenten in der medizinischen Fakultät zu Bonn Dr. Albert Peters, Dr. Adolf Schmidt und Dı. Leonhard Jores zu Professoren; Dr. Gans zum etatsmässigen Chemiker bei der geologischen Landesanstalt und Bergakademie zu Berlin; Georg von Elsner zum Assistenten am königlichen Meteorologischen Institut in Berlin; der Docent der Mathematik und Director des Mathematischen Seminars und Instituts an der Universität Christiania Professor Dr. Lie zum ordentlichen Pro- fessor an der dortigen Universität. Berufen wurden: Der Director der landwirthschaftlichen Schule in Dahme Gisevius als ausserordentlicher Professor der Landwirthschaft nach Königsberg; der ordentliche Professor an der technischen Hochschule in Braunschweig Mente als Gewerbe- inspeetor nach Köln. Es habilitirte sich: in Bonn. Es starben: Der ordentliche Professor der Zoologie und vergl. Anatomie in Tübingen Dr. Theodor Eimer; der Priyat- Docent in der medizinischen Fakultät in Leipzig Dr. Garten; der Director der Königlichen Gärtner-Lehranstalt in Sanssouei Hofgartendireector Hermann Walter. Dr. August Hagenbach für Physik Thallophyten- und Bryophyten-Flora (Kryptogamen- Flora) der Provinz Brandenburg. — Der botanische Verein der Provinz Brandenburg hat das nachfolgende Cireular erlassen: Nachdem die Kenntniss der Phanerogamen-Flora der Provinz Brandenburg in den hauptsächlichsten Zügen als abgeschlossen be- trachtet werden kann, hat es sich der Botanische Verein der Provinz Brandenburg nunmehr zur Aufgabe gemacht, eine umfassende Zu- sammenstellung und Bearbeitung aller niederen, blüthenlosen Ge- wächse seines Forschungsgebietes in die Wege zu leiten. Als Endziel schwebt ihm vor, eine Kryptogamen-Flora zu schaffen, welche sich der Phanerogamen-Flora Aschersons, des Ehrenvorsitzenden des Vereins, würdig anreihen und dieser in der Bedeutung, welche sie für die gesammte Systematik gewonnen hat, nicht nachstehen soll. Ein gründliches Studium der heimathlichen, niederen Pflanzen ist nicht nur für die Botanik als Fachwissenschaft, für die Systematik und Pflanzengeographie von hohem Werthe, es ver- spricht auch Erfolge nach Seiten hin, die in innigster Berührung mit der Praxis und den -Lebensinteressen weiter Volkskreise stehen Um hier nur einiges herauszugreifen, sei auf die wirth- schaftliche Bedeutung der Pilze hingewiesen. Die hauptsächlichsten Speise- und Giftpilze sollte jeder Gebildete kennen, ebenso wie jedem die Möglichkeit geboten werden sollte, sich über die Formen 232 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XUOL Nr. 24. zu belehren, welche durch Zersetzung der pflanzlichen und thierischen Abfallstoffe für Land- und Forstwirthschaft von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit sind. Wem wäre andererseits nicht der Schaden bekannt, den die Pilze als Erreger von Pflanzen- krankheiten dem Volkswohlstande verursachen. Die durch sie herbeigeführten Verluste beziffern sich in ungünstigen Jahren auf viele Millionen von Mark, sie können aber durch ein planmässiges Studium der Entwickelung des Schädlings in manchen Fällen sehr reduzirt werden. Für den Fischzüchter ist die Kenntniss der Planktonalgen von Werth, da diese in gewissen Jahreszeiten fast die einzige Nahrung für die Fische abgeben. Moose, Flechten und Algen sind bei der Torf- und Heidebildung in hervorragen- dem Maasse betheiligt; erschöpfende Untersuchungen über das Wie besitzen wir indessen noch nicht. Eine Kryptogamen-Flora der Mark Brandenburg herauszu- geben, kann nicht das Werk eines Einzelnen sein. Zahlreiche Mitarbeiter sind nöthig, um zunächst das Material herbeizuschaffen, das als Grundlage für eine spätere Bearbeitung zu dienen hat. Solehe Mitarbeiter zu werben, ist der Zweck dieses Schreibens. Es wendet sich an alle naturwissenschaftlich vorgebildeten Lehrer der höheren und niederen Schulen der Provinz, an Landwirthe, Gärtner und Förster, deren Kulturen von pflanzlichen Schädlingen zu leiden haben, nicht zum wenigsten auch an die provinziellen Behörden, an die Landrathsämter, Kreisausschüsse, Schul-Inspec- tionen u. s. w. Es fordert einerseits zu einer Sammelthätigkeit auf, die alle niederen Pflanzen der Mark Brandenburg, deren Pilze, Flechten, Algen und Moose zu umfassen hat, und es ersucht andererseits darum, die pekuniären Mittel beizusteuern, deren das geplante Werk zu seiner Vollendung bedarf. Alle diejenigen, welche sich als Sammler in den Dienst des wissenschaftlichen und gemeinnützigen Unternehmens stellen wollen, werden gebeten, ihr gesammtes getrocknetes oder sonst- wie konservirtes Pflanzenmaterial oder doch Dubletten davon, auch Standortsverzeichnisse und etwaige Notizen biologischen Inhalts an die Kryptogamen-Commission des Botanischen Vereins der Provinz Brandenburg zu Händen ihres Vorsitzenden Herrn Dr. G. Lindau, Assistent am Botanischen Garten und Museum zu Berlin, Grunewaldstr. 6/7, gelangen zu lassen. Eine Reihe her- vorragender botanischer Fachgenossen, die die Commission zu- sammensetzen, hat es übernommen, alle eingesandten Pilze, Flechten, Algen und Moose wissenschaftlich zu untersuchen, zu bestimmen, Listen darüber zu führen, kurz die Vorbereitungen zu treffen, die für eine Kryptogamen-Flora der Mark nöthig sind. Besonderen Werth legt die Kommission auf Mittheilungen über verheerend auftretende, von pflanzlichen Parasiten herrührende Krankheiten unserer landwirthschaftlichen, gärtnerischen und forst- lichen Kulturgewächse, sobald dieselben von Musterproben be- gleitet sind, die eine wissenschaftliche Feststellung des vorliegenden Krankheitserregers gestatten. Die Kommission wird nicht ver- fehlen, nach erfolgter Untersuchung als Gegenleistung bereitwilligst Auskunft über die Mittel zu ertheilen, welche eine wirksame Be- kämpfung des Schädlings in Aussicht stellen. Denjenigen, welchen ihr Beruf oder ihre Vorbildung ein Sammeln von Pflanzen nicht erlaubt, die aber doch ein Interesse an der Förderung der oben gekennzeichneten Bestrebungen haben, ist die Möglichkeit gegeben, dieses Interesse dadurch zu be- thätigen, dass sie entweder direet der genannten Kryptogamen-Com- mission pekuniäre Mittel zuwenden, oder dass sie dem Botanischen Verein der Provinz Brandenburg als Mitglieder beitreten. Der Verein, der seit dem Jahre 1858 besteht, bietet für einen jährlichen Beitrag von 6 Mark einen Band werthvoller Verhandlungen. in denen neben allgemein botanischen, die Flora der Provinz an- gehenden Arbeiten auch fortdauernd Berichte über die einge- gangenen Kryptogamen-Sammlungen enthalten sind. Die Unterzeichneten sind zu jeder weiteren Auskunft bereit. Anweisungen, Sammeln niederer Pflanzen betreffend, können durch Herrn Dr. G. Lindau kostenfrei bezogen werden. Berlin, im April 1898. Der Vorstand des Botanischen Vereins der Provinz Brandenburg zu Berlin. Ascherson. Volkens. Schumann. Köhne. Beyer. Weisse. Loesener. Retzdorff. Die Kommission zur Vorbereitung einer Kryptogamen- Flora der Provinz Brandenburg. Hennings. Hieronymus. Kolkwitz. Ludwig. A. Möller. OÖ. Müller. Sorauer. Warnstorf. Lindau. Litteratur. Prince Nicolas D. Ghika, Cing mois au pays des Somalis. Suivi de la faune Somalie et d’une liste des Plantes deerites par G. Schweinfurth et G. Volkens. Aveec I carte et 27 illustrations d’apres les photographies de l’auteur. Bale et Geneve. Georg & Co, Libraires-Editeurs, 1898. — Prix 12 marks, | Bei der Hervorkehrung der Jagdabenteuer wird das Buch Jagdliebhabern ein besonderes Interesse gewähren. Die Reise des Prinzen Nicolas D. Ghika und seines Vaters wurde überhaupt von vornherein in der ausgesprochenen Absicht unternommen, der Jagd zu huldigen, und so will denn auch das gut ausgestattete Buch weiter nichts sein als ein einfacher und exaeter Bericht der Abenteuer zweier Jäger in Afrika. Zwei Capitel des Buches beschäftigen sich jedoch mit den Einwohnern, den Somalis, und der Fauna des Landes. Den Beschluss bildet eine Aufzählung und Beschreibung der Pflanzen, die die beiden Jäger auf ihrer Reise zu sammeln Gelegenheit gefunden haben. Die guten Tafel- Illustrationen — vorwiegend Darstellungen von Jagdbeuten — sind Photographien des Prinzen Demetre Ghika, des Vaters vom Ver- fasser. Das Buch ist wohl geeignet, einen Einblick in die Ver- hältnisse des Somali-Landes zu gewähren. Julius Sachs, Physiologische Notizen. Als Sonderabdruck aus der Zeitschrift: „Flora* 1892—1896 herausgegeben und beyor- wortet von RK. Goebel. Mit einem Bild von Julius Sachs. N. G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung in Marburg 1898. — Preis 4,50 M. Die Sonder-Ausgabe vorliegender Abhandlungen von Julius Sachs wird allseitig freudig begrüsst werden: auch ausserhalb der Botaniker. Sie bildet eine wichtige Ergänzung zu Sachs’ „Ge- sammelten Abhandlungen über Pflanzen-Physiologie“ Leipzig 1892 und 1593. Das Buch bringt die bekannten Abhandlungen 1. Bei- träge zur Zellentheorie (in denen der wichtige Begriff der Enerzide eingeführt wird), 2. Wurzelstudien, 3. Ueber latente Reizbarkeiten, 4. Ueber einige Beziehungen zwischen der specifischen Grösse der Pflanzen zu ihrer Organisation, 5. Ueber Wachsthums- perioden und Bildungsreize, 6. Mechanomorphosen und Phylogenie, 7. Weitere Betrachtungen über Energiden und Zellen, 8. Phylo- genetische Aphorismen und über innere Gestaltungsursachen oder ie (vergl. „Naturw. Wochenschr.“ Bd. XI (1896), . 418). Prof. Dr. Oscar Hertwig, Die Zelle und die Gewebe. Grundzüge der allgemeinen Anatomie und Physiologie. 2. Buch. All- emeine Anatomie und Physiologie der Gewebe Mit 89 Text-Abbildungen. Gustav Fischer in Jena. 1898. — Preis 7M. Das 1. Buch des Werkes wurde Bd. 8 (1893), S. 427 be- sprochen; es handelte von den anatomischen und physiologischen Eigenschaften der Zelle, wie das vorliegende von den anato- mischen und physiologischen Eigenschaften der Gewebe. — Die ersten Capitel beschäftigen sich eingehend mit den allgemeinen Beziehungen, welche durch die Zusammenordnung der Zellen zu Theilen eines höheren Ganzen geschaffen werden, ferner „mit der Lehre von den verschiedenen organischen Individualitätsstufen, mit den Mitteln, durch welche die Zellen in den höheren Einheiten zu- sammengehalten und in Abhängigkeit von einander gebracht werden, mit den äusseren und inneren Faetoren der organischen Entwickelung, mit dem Gesetz der Arbeitstheilung und Differen- zirang, mit den Gesetzen und Erscheinungen des Wachsthums und der Formbildung, mit dem Problem der Vererbbarkeit erworbener Charaktere.“ Sodann bringt Verf. eine Theorie der organischen Entwickelung, die er als die der Biogenesis bezeichnet, um end- lich die specielle Gewebelehre und das System der Gewebe vor- zunehmen. Verf. handelt hier von den zahlreichen Gewebearten, die sich nach dem Gesetz der Arbeitstheilung und Differenzirung im Körper der vielzelligen Organismen in Anpassung an die ver- schiedensten Lebenszwecke gebildet haben: es werden Anatomie, Entwickelungsgeschiehte und Physiologie der Gewebe vorge- nommen, Thomas H. Huxley, Ueber unsere Kenntniss von den Ur- sachen der Erscheinungen in der organischen Natur. 6 Vorlesungen für Laien. Uebersetzt von Carl Vogt. 2. Aufl. bearbeitet von Fritz Braem, Privatdocent der Zoologie. Mit Holzstichen. Friedrich Vieweg & Sohn. Braunschweig 1896. — Preis 2 M. Die trefflichen Huxley’schen Vorträge erschienen in englischer Sprache zuerst 1863. — Braem hat den Text der vorliegenden deutschen Neu-Auflage an der Hand der letzten englischen Aus- gabe von 1893 revidirt und vielfach geändert. Zusätze, die der Genannte für nöthig befand, wurden durch eckige Klammern kenntlich gemacht. Eduard Strasburger, Fritz Noll, Heinrich Schenk und A. F. W.Schimper, Lehrbuch der Botanik für Hochschulen. 3. ver- besserte Auflage. Mit 617 zum Theil farbigen Abbildungen. Gustav Fischer in Jena 1898. — Preis 7,50 M. Schon ‘wieder eine Neu-Auflage des umfangreichen Werkes, das in seiner 2. Auflage erst Bd. XI (1896) S. 206 besprochen D) wurde! Was dort gesagt wurde, gilt auch für die 3. Auflage, XII. Nr. 24. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 233 nur dass diesmal die fossilen Pflanzengruppen ganz fortgeblieben sind. Hinzugekommen sind Litteraturnachweise am Schluss der Abschnitte, auf diese Nachweise wird durch eingeklammerte Zahlen im Text hingewiesen. Die Zahl der farbigen Abbildungen wurde weit mehr als verdoppelt, sodass jetzt nicht nur die Giftpflanzen, sondern auch die wichtigsten offieinellen Gewächse farbig wieder- gegeben sind. Jacques Boyer, La photographie et l’etude des nuages. — Un vol. in-12, illustr@ de 21 planches hors texte, en simili-gravure. Charles Mendel, &diteur, Paris. — Prix 2 franes. Die verschiedenen Observatorien, die vom internationalen Meteorologen-Congress beauftragt worden sind Wolkenbilder zu schaffen, haben ihre Arbeit 1897 beendigt. Die kleine vorliegende Sehriftkommt daher zu gelegener Zeit. Es wendet sich an den Physiker und Meteorologen, aber auch an den Photographen. Diese können aus dem Heft die Maassregeln kennen lernen, die zu nehmen sind, um in ihren Landschaftsbildern einen schönen Himmel zu erhalten und jene können bequem kurz Kenntniss nehmen von den Vor- theilen, die die Wissenschaft aus Untersuchungen, wie den zur Darstellung gebrachten, nehmen kann. Prof. Dr. C. W.C. Fuchs, Anleitung zum Bestimmen der Mine- ralien. 4. Aufl. nexı bearbeitet von Prof. Dr. Reinhold Brauns. a hetkkie Verlagsbuchhandlung. Giessen 1898. — Preis l . Das zuerst 1868 erschienene Buch hat sieh trefflieh bewährt und in seinen Neu-Auflagen (3. Aufl. 1890 bearbeitet von A. Streng) den guten Ruf behalten. In der 4. vorliegenden Auflage wurden die alten, nicht mehr gebräuchlichen Formeln durch neue ersetzt. Neu hinzugekommen sind einige Reactionen und die vergleichende Uebersicht über einige häufige Löthrohrreaetionen. Die „Tafeln zur Bestimmung der Mineralien durch Krystallform, physikalische Kennzeichen und einfache Reactionen“ haben eine vollständige Umarbeitung erfahren, indem jetzt hier rein praktische Gesichts- punkte zur Erreichung einer möglichst bequemen Bestimmung Platz gegriffen haben. Zeitschrift der XLIXN. Band (1597). Buchhandlung). A. „Aufsätze“: 1. A.Rothpletz, Ueber den geologischen Bau des Glärnisch. 2. Cl. Schlüter, Ueber einige exoeyelische Echiniden der baltischen Kreide und deren Bett Mit Taf. L. u. II. 3. A. Stelzner, Die Silber-Zinnerzlagerstätten Bolivias. Bei- trag zur Naturgeschichte des Zinnerzes. Mit Taf. III. 4. B. Doss, Ueber sandhaltige Gypskrystalle vom Bogdo-Berge in der Astra- ehanschen Steppe. 5. A. Wichmann, Der Ausbruch des Vulkans „Tolo“ auf Halmahera. 6. G. Böhm, Beitrag zur Gliederung der Kreide in den Venetianer Alpen. Mit Taf. IV—VI. 7.J. Felix, Untersuchungen über den Versteinerungsprocess und Erhaltungs- zustand pflanzlicher Membranen. 8. J. Walther, Ueber die Lebensweise fossiler Meeresth'ere. 9. E. Kayser, Beiträge zur Kenntniss einiger paläozoischer Faunen Nord-Amerikas. Mit Taf. VII—XI. 10. E. Philippi, Geologie der Umgegend von Leeco und des Resegone-Massivs in der Lombardei. Mit Tafel XII und XIV. 11. W. Weissermel, Die Gattung Roemeria M. E. u. H. und die Beziehungen zwischen Favosites und Syrin- gopora. Mit Taf. XV. 12. F. Toula, Eine geologische Reise in das südliche Randgebirge (Jaila Dagh) der taurischen Halbinsel. 13. B. Stürtz, Ueber das Tertiär in der Umgebung von Bonn. 14. E. Philippi, Revision,der unterliasischen Lamellibranchiaten- Fauna vom Kanonenberge bei Halberstadt. Mit Taf. XVI. 15. A. Tornquist, Die Gattung Euchondria im deutschen Culm. 16. L. v. Ammon, Das Gipfelgestein des Elbrus nebst Be- merkungen über einige andere kaukasische Vorkommnisse. 17. E. Fraas, Reste von Zaneloden aus dem oberen Keuper vom Langenberge bei Wolfenbüttel. 18. C. Schlüter, Zur Heimathfrage jurassischer Geschiebe im westgermanischen Tief- lande. 19. Fr. Leyh, Beiträge zur Kenntniss des Paläozoiecum Deutschen geologischen Gesellschaft Berlin 1898. Bei Wilhelm Hertz (Besser'sche der Umgegend von Hof a. Saale Mit Taf. XVII u. XVII. 20. G. de Lorenzo, Der Vesuv in der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts. 21. G. Futterer, Beiträge zur Kenntniss des Jura in Ost-Afrika. IV. Der Jura von Schoa (Süd-Abessynien). Mit Taf. XIX bis XXIL 22. H. Vater, Das Alter der Phosphoritlager der Helmstedter Mulde. 23. J. F. Pom- Imhalt: pecekj, Bemerkungen über einige Ammoniten aus dem unteren Lias von Portugal. Mit Taf. XXIIL 24.R. Beck und C. A. Weber, Ueber ein Torflager im älteren Diluvium des sächsischen Erz- gebirges. 25. C. Sapper, Ueber die räumliche Anordnung der mittelamerikanischen Vuleane. Mit Taf. XXIV. 26. W. Pabst, Die Thierfährten in dem ÖOber-Rothliegenden von Tambach in Thüringen. Mit Taf. XXV—XXVII 27. J. F. Pompeckj, Paläontologische und stratigraphische Notizen aus Anatolien. Mit Taf. XXIX—XXXI. 28. OÖ. Vorwerg, Beiträge zur Diluvial- forschung im Riesengebirge. 29. W. Weissermel, Die Gattung Columnaria und Beiträge zur Stammesgeschichte der Cyatho- phylliden und Zaphrentiden. 30. C. Schlüter, Ueber einige baltische Kreide-Eehiniden. Mit Taf. XXXII, XXXIII. B. „Briefliche Mittheilungen“: 1. W. Volz, Elephas antiquus Fale. und Elephas trogontherii Pohl. 2. C. Sapper, Ueber Erderschütterungen in der Republik Guatemala in den Jahren 1895 und 189. 3. P. Oppenheim, Neue Fossilfunde auf der Insel Capri. 4. A. Weiss, Ueber die Conchylienfauna der interglacialen Travertine (Kalktuffe) von Burgtonna und Gräfentonna in Thüringen. Eine revidirte Liste der bis jetzt dort nachgewiesenen Conchylien. 5. H. Becker, Leeco und die Grigna. 6. C. Ochsenius, Die Silber - Zinnerz - Lagerstätten Bolivias 7. G. Böhm, Geologische Bemerkungen aus Trans- caspien. & K. Keilhack, Ueber Hydrocharis. 9. C. Sapper, Ueber die Infiernillos von Chinameea. 10. Philippi, Erwiderung auf Herrn H. Beeker's briefliche Mittheilung: Lecco und die Grigna. 11. W. Wolterstorff, Ueber mitteloligoeäne Geschiebe von Hohenwarthe. 12. P. Oppenheim, Zur Altersfrage der Braun- kohlen-Formation am Niederrhein. 13. M. Schlosser, Ueber einen neuen Fundplatz von Hallstätter Kalk in den bayrischen Alpen. C. „Protokolle“ (mit Weglassung derjenigen Vorträge, bei denen nur die Titel angegeben sind): 1. Keilhack, Ueber die Drumlinlandschaft Norddeutschlands. 2. Wahnschaffe, Ueber Aufsehlüsse im Diluvium bei Halbe an der Berlin-Görlitzer Eisen- bahn. 3. Keilhack, Ueber 2 Instrumente zur Höhenmessung. 4. Koch, Ueberblick über die neueren Ergebnisse der geo- logischen Forschung im Unterharz. 5. Wolterstorff, Vorlage von Gesteinproben der Culmgrauwacke von Magdeburg. 6. Denck- mann, Ueber Oxynoticeras affıne Seeb. bei Dörnten. 7. Keilhack, Ueber neuere Tiefbohrungen auf dem Fläming. 8. Müller, Ueber Furchensteine aus Masuren. 9. Ebert, Das Vorkommen von Prestwichia Scheeleana in Oberschlesien. 10. Philippi, Ueber die Muschelkalkfauna von Schwieberdingen in Württemberg. li. Zimmermann, Ueber drei Arten kugeliger Gebilde von dolomitischem Kalkstein aus dem Zechstein Ost-Thüringens. 12. Ebert, Ueber eine Tiefbohrung auf West-Gaste bei Norden (Ost-Friesland). 13. Potoni6, Ueber den paläontologischen An- schluss der Farne und höheren Pflanzen überhaupt an.die Algen. 14. Jaekel, Ueber einige paläozoische Gattungen von Crinoiden. 15. E. Philippi, Ueber Austern aus den Solenhofener Kalk- schiefern. 16. ©. Jaekel, Ueber Stegocephalen von Autun. 17. Keilhack, Ueber eigenthümliche Quellungserscheinungen des Septarienthones am linken Steilufer der Oder unterhalb Stettins. 18. Keilhack, Ueber ein neues Vorkommen von ausser- ordentlich versteinerungsreichem Mittel-Oligocän. Berlese, A. N., Icones fungorum ad usum sylloges Saceardianae accomodatae. Fase. 1. Berlin. — 40 M. Graetz, Prof. Dr. L., Die Elektrieität und ihre Anwendungen. Stuttgart. — 8. M. Kiepert, Prof. Dr. Ludw., Grundriss der Differential- und Inte- gral-Reehnung. Hannover. — 12 M. Klug, Doc. Dr. Leop., Die Configuration des Pascal’schen Sechs- eckes im Allgemeinen und in 4 speeiellen Fällen. Wien. — 3 M. Koenen, A. v., Ueber Fossilien der unteren Kreide am Ufer des Mungo in Kamerun. Berlin. — 5 M. y Koken, E., Die Gastropoden der Trias um Hallstatt. Wien. — 48 M. Krieger, Joh. Nep., Mond-Atlas, entworfen nach den Beob- achtungen an der Pia-Sternwarte in Triest. Leipzig. — 12 M. Lee, A. B., und Paul Mayer, Grundzüge der mikroskopischen Technik für Zoologen und Anatomen. Berlin. — 16 M. x Ostwald, Dir. Prof. Dr. W., Das physikalisch-chemische Institut der Universität Leipzig und die Feier seiner Eröffnung am 3. Januar 1898. Leipzig. -— 2,40 M. Tigerstedt, Prof. Dr. Rob., Lehrbuch der Physiologie des Menschen. 2. (Schluss )Band. Leipzig. — 14 M. Clemens König: Von dem Fange und der Verbreitung der Seehunde. — Zusammengesetzter Magen der Schlankaffen (Semnopitheceus). — Anpassungen der Schwanzflosse von Fischen und Seesäugethieren. — Ueber die Aufspaltung des Sylvans zum Aldehyd der Lävulinsäure, Pentanol. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Prince Nicolas D. Ghika, Cinq moisjau pays des Somalis. — Julius Sachs, Physiologische Notizen. — Prof. Dr. Oscar Hertwig, Die Zelle und die Gewebe. — Thomas H. Huxley, Ueber unsere Kenntniss von den Ursachen der Erscheinungen in der organischen Natur. — Eduard Stras- burger, Fritz Noll, Heinrich Schenk und A. F. W. Schimper, Lehrbuch der Botanik für Hochschulen. — Jacques Boyer, La photographie et l’&tude des nuages. — Prof. Dr. C. W. C. Fuchs, Anleitung zum Bestimmen der Mineralien. — Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft. — Liste. 234 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 24. Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! Grosse Vortheile! Neues Princip für Massenbetheiligung an industriellen Unternehmungen. = Neuheiten - Vertrieb. — Neu aufgenommen: NurchZiNEUng‘ des Buttenstedt- schen Flugprincips (von zwanzig namhaften Gelehrten unterstützt) und Erriehtung einer Versuchs- =) ® station für Flugzwecke. in Ale Infernationdler Koeln zur rationellen \ - erwerthung von Erfindungs-Patenten. -i BERLIN. .0.26. Eelaeehl a neaBen mit be- schränkter Haftpflicht. Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, participirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabricirten Artikel. Ferd. Diümmlers Berlagsbunhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerft. 94. Sn unjerem Verlage erichien joeben: Der Menfcheitslehrer, Ein Kebensbild des Weifen von Nazareth. Don George Paul Sylvelter Cabanis. 300 Seiten Dftav. Preis geh. 3 AL, elegant geb, 4 HM. Eine dramatifche Schilderung bes Lebens Seju, die jowohl durd) ihre edle, forn- vollendete Sprache we Lie hohe Auffaflung der Geftalt und Lehre des MWeifen bon Nazareth fih ald eine hervorragende Erfheinung bekundet und auf jeden Lejer eine große Wirfung ausüben wird. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. Gans & Goldschmidt, Berlin N., Auguststr. 26. Elektrotechnische Anstalt und mechanische Werkstätten. Spezialität: Elektr. Messinstrumente, Normal-Elemente, Normal- und Praeei- sionswiderstände, nach den Modellen der Physikal. Techn. Reichsanstalt.— Normal- Volt- und Amperemeter, Spiegelgalvano- meter, Physikalische Lehrmittelapparate Einrichtung von Laboratorien. Berlin - Friedenau empfiehlt als Spezia- litäten seine Mikroskope und photogr, Objektive, uue Preislisten gratis und franko. BEER EEN DABEI TER NBENS TEE OHHHHHHHHHHPHdHHHS Hempel’s Klassiker -Ausgaben. Die Insekten-Börse Internationales Wochenblatt der Entomologie Finsekren-Börse. 2 Entomgalogısches Organ Eaan EEE e Br N ist für Entomologen und Naturfreunde das hervorragendste Blatt, welches wegen der be- lehrenden Artikel, sowie seiner internationalen und grossen Verbreitung betreffs Ankauf, Ver- j kauf und Umtausch aller Objecte die weit- gehendsten Erwartungen erfüllt, wie ein Probe-Abonnementlehren dürfte. Zubeziehen durch die Post. Abonnements -Preis pro Quartal Mark 1.50, für das Ausland per Kreuzband durch die Verlags- Buchhandlung Frankenstein & Wagner, Leipzig, Salomon- strasse 14, pro Quartal Mark 2.20 = 2 Shilling 2 Pence = 2 Fr. 75 Cent. — Probenummern gratis und franco, — Insertionspreis pro 4gespaltene Borgiszeile Mark —.10. | LRREREERLTERBIRTTTTRR In Ferd. Dümmlers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 12 erschien: Elementare Rechnungen aus der mathematischen Geographie für Freunde der Astronomie in ausgewählten Kapitolu gomeinverstäudlich begründe und vorgeführt von ©. Weidefeld, Oberrossarzt a.D, Mit einer Figurentafel. 64 Seiten gr. 8%. Preis 2 Mark. SFIFIEIDDBTSTIDSTTTT Gebrauchte Gasmotoren DAMPF- und DYNAMO- MASCHINEN garantirt :betriebsfähig in allen Grössen: solort-lieierbar. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandl. OHHHHHPCHYHHOH HH Elektromotor;s.n..n. Schibauerdamm 21 Berlin NW: Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Ba Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Photo:rarhische Stativ- und Hand- | Gameras. Gediegene Ausstattung. | FE” Sämmtliche Bedarfsartikel. 4 Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare | Spiegel-Camera „Victoria“ (D.R.P.) | Die practischste und zuverlässigste Hand-Camers. | Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). Zerd. Dimmlers Derlagsbudhhandtung in Berlin SW. 12, Zimmerft. 94 Soeben erichien: Dir Volksunterhallung, Vorträge und Berichte aus dem Erfen Konareh für Dolksunterhaltung zu Berlin. Don $. 5. Archenhold, Albert Dresdner, R. von Erdberg, Otto Ernit, P. Selifch, Helene von Korfter, Ad. Gerftmann, Georg Herzfeld, Adolph Köhr, Raphael Kömwenfeld, $riz Mauthner, € R. Müller, Marg. Pöhlmann, Otto Ploeder-Eehardt, Hans von Schöning, Ernft Schulte, Carl Stemon, Kudwig Sittenfeld, Fri Telmann, Joh. Tews, Alfred van der Felde u. a Am Anfteage Herausgegeben von Naphael Lömenfeld. 136 Seiten 8%. Preis gebumden 1,50 M. OO HHO HH HH HH HH OH HH HH OHLHH HAHN L ) o : Dr. Robert Muencke : ® 2 2 o Luisenstr. 585. BERLIN NW. Luisenstr. 58. % Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate & ® und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. 8 COOH HH HH HOP H HH HH HIHI HS Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. LER Nr Redaktion: Was die naturwissenschuftliche Forschung -ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- den Gebil'en der Phantasıe, wırd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, der ihre Schöpfungew schmüext, Sch Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist # 4.— Bringegeld bei der Post 15 ., extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Sonntag, den 19. Juni 1898. Nr. 25 . Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Auftrüge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Die Kieslagerstätten von Bodenmais im Böhmer Walde. Von Dr. P. Wagner in Dresden. Der Name Bodenmais hat einen guten Klang. Sein alter. Bergbau hat uns mit einer Menge seltener Mine- ralien bekannt gemacht, und zugleich werden wir dort in eins jener merkwürdigen archäisehen Gebiete ein- geführt, deren Bildungsgeschiechte noch immer zu den un- gelösten Räthseln der Geologie gehört. Wenn wir im Folgenden an das Berg- werk aus eigener Anschau- ung einige geognostische und mineralogische Studien knüpfen wollen, so wird es angezeigt sein, vorher einen Blick auf die allge- meinen Verhältnisse der Um- gebung zu werfen. Die Arbergneissgruppe des Böhmerwaldes, in der Bodenmais liegt, gehört in das Gebiet des hereynischen Gneisses. Und gerade diese Gruppe ist hervorragend ge- eignet, die weitere Gliede- rung des Gneisses, wie sie v. Gümbel eingeführt hat, zu.erkennen. Das Streichen ist i. a. von SO. nach NW., das Einfallen nach NO, so dass wir also bei einer Wanderung von SW. nach NO. allmählich aus den liegenden Schiehten ins Hangende, in den Glimmerschiefer des Osser gelangen. v. Gümbel unterscheidet drei Gneissvarietäten: Im Liegenden streicht der Cordieritgneiss aus, mit kleinen Einlagerungen von Granulit, Hornblendegesteinen, Graphitgneiss. Bei Boden- mais ist gleichsinnig eingelagert ein Granitzug mit grossen Orthoklasausscheidungen, ein Gestein, das an den Krystall- granit des Plöckensteins erinnert, das v. Gümbel aber zu Profil am Silberberg bei Bodenmais. den Lagergraniten stellt.*) In diese Gruppe gehören auch die Einlagerungen von Schwefelmetallen, die als flache Linsen im gleichen Streichen und Fallen von Bodenmais bis Untersried und Drachselsried verlaufen. Das bei Boden- mais abgebaute Lager streicht bis zum „Rothen Kot“ bei Zwiesel. Als zweite Varietät folgt der quarzige Körnel- gneiss mit Uebergängen so- wohl ins Liegende, als auch ins “Hangende. Charak- teristisch für ihn sind zahl- reiche Linsen und flasrige Lagen von Quarz, die auf dem Querbruche bisweilen Maserzeichnungen entstehen lassen. Ein Dünnschliff dieses Gesteins von der Arber- kuppe zeigt im Quarz diehte Schwärme von Sillimanitna- deln, ausserdem Plagioklas, Biotitmit Zirkoneinschlüssen, anscheinend nur seceundären Muskovit, Apatit und chlori- tische Zersetzungssubstanz. Im Hangenden endlich folgt der Schuppen- oder Fibrolithgneiss, der durch den reichlichen Biotitgehalt eine gute Parallelstructur erhält, dabei aber auch leicht mürbe, weich und fettig wird und stark verwittert: Als aceessorische Gemengtheile birgt er Eisenglimmer, Graphit, Nigrin, Titaneisen, Eisencarbonat, Hornblende, Chlorit, Epidot, Granat, Turmalin. An der Glimmerschiefergrenze enthält er ein Kiesfahlband, ähnlich dem von Bodenmais. v. Gümbel, *) Geogn. ‘ Beschreib. d. ostbayr. Grenzgeb. Gotha 1868. S. 547. ; ; 2836 Ausserdem ist das Gebiet durchsehwärmt von zahlreichen Pegmatitgängen in gigantischer Entwickelung, wie das berühmte, genugsam beschriebene Vorkommen am Hühner- kobel beweist. Alle drei Abtheilungen machen sich auch topographisch deutlich geltend. Der Cordieritgneiss bildet viele, rund- liche Bergkuppen, wie das Frather Hörnl und den Silber- berg bei Bodenmais. An den Abhängen liegen grosse, wollsackähnliche Blöcke, so dass der Cordieritgneiss mit seiner grobkörnigen Structur ganz dieselbe Verwitterungs- form bietet wie der Granit. Der Körnelgneiss mit seinem Quarzreichthum ist am widerstandsfähigsten und bildet das eigentliche Hochgebirge, den Zug der Keitersberge, den grossen und kleinen Arber. Mit dem Arber bricht der eigentliche Gebirgsrücken ab, zum Theil in mächtigen Verwerfungen, wie sie die Arberseewand mit ihren wohl- erhaltenen Harnischen trefflich studiren lässt. Der Schuppengneiss bildet eine stark eingetiefte Wanne, den „Lamer Winkel“, der jenseits wieder zum festeren, quar- zitischen Glimmerschiefer des Osser aufsteigt. Wenden wir uns nun den speciellen Lagerungs- verhältnissen am Silberberge bei Bodenmais zu, die durch vorstehende Skizze erläutert werden: Der Fuss des Berges wird gebildet durch einen dunklen, gleichmässig körnigen, grauen bis blauen Granit, wie er auch gegenüber am Kronberge ansteht. Das grössere Vorwalten dieses Granits auch an der Basis des Berges ist erst in neuester Zeit durch Arbeiten im Unter- baustollen erwiesen worden. *) Darauf liegt der helle Granit mit porphyrartig ein- gesprengten, grossen Orthoklasen, der sich vom Silber- berg bis nach Rabenstein verfolgen lässt. Gümbels An- sieht, ihn zu den Lagergraniten zu zählen, ist angefochten worden durch Lehmann.**) Nach dessen Beobachtungen besteht durchaus keine scharfe Grenze nach dem Gneisse hin, sondern es finden gegenseitige Verflechtungen statt. „Der Uebergang ist so allmählich, dass wir eine Ueber- gangszone von mehreren Metern Mächtigkeit konstatiren können. Die mittelkörnige Varietät nimmt hin und wieder ein streifiges Gefüge an, enthält hier und da Granaten und geht durch Aufnahme von viel Biotit in Biotitgneiss über. . Breite Flasern des Granits wechsellagern auch noch mit dem Gneiss. — Das Eingreifen des Granits und die petrographische Beschaffenheit sprechen für seine Erup- tivität.“ Lehmann schliesst ferner aus dem Biotitreichthum und den flammigen Streifungen des darüberliegenden Gneisses auf eine Contaetmetamorphose und nimmt an, dass das Granitmagma selbst oder doch die letzten granitischen Sekrete den in Metamorphose befindlichen Gneiss durchdrungen haben. Zugleich versucht er eine Erklärung der Hohlräume mit ihrem Erzgehalt: „Eine Stauchung des in der Verfestigung begriffenen Gneisses auf der erstarrenden Granitunterlage würde leicht die räumlichen Beziehungen der Erzvorkommnisse erklären, welehe im Streichen ausgedehnter, als im Fallen sind und in der That Räume ausfüllen, wie sie durch Stauchung entstehen würden und in der unregelmässigen Faltung des Gneisses angedeutet zu sein scheinen.“ Das unmittelbare Liegende der Erze ist nun der bereits mehrfach erwähnte Gneiss, der an der Sohle mit- unter ein sehr hartes, graues, fast quarzitisches Gestein bildet. Der Cordieritgneiss zeigt im Gebiete des Berg- werks eine doppelte Ausbildung. Das Liegende bildet eine granatreiche Varietät, der sogenannte Kinzigit. ***) *) Nach freundlicher Mittheilung des Herın K, B. Hütten- verwalter Gruber. #*) Untersuchungen über die Entstehung altkrystallinischer Schiefergesteine. Bonn 1884, S. 175 u. 177. ###) v. Gümbel, Geologie von Bayern. 1894, S. 424. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. X. Nr.25, Der Granat ist in ausserordentlich zahlreichen, grossen Körnern eingestreut, die von unregelmässigen Sprüngen durchzogen sind. In den Hohlräumen längs der Sprünge sind kleine Eisenoxydtheilchen eingelagert. Ein Schliff, der von Lehmann abgebildet worden ist, zeigt die ge- lappte Umgrenzung mancher Granatkörner und das Ab- getrenntsein einzelner Partikelehen. Lehmann beobachtete ferner eigenthümliche, intermittirende Wachsthumserschei- nungen der Granaten, sowie den Ansatz von Biotit an den Rändern. Auch der Cordierit zeigt längst der Risse feinste Eisenabsätze, wodurch er sich mehr als durch den nur in dickeren Lamellen sichtbaren Pleochroismus und den blauen Schimmer, vom Quarze unterscheiden lässt. Muskovit tritt in kleinen Fetzen und Schuppen auf; Biotit ist ziemlich reichlich, oft in Nestern angehäuft. Der Feldspath ist theils Plagioklas, theils Mikroklin. Die grünen, grossen Ausscheidungen desselben werden uns später noch etwas näher beschäftigen. Unter den accesso- rischen Gemengtheilen treten am häufigsten Zirkone auf, die innerhalb der Cordierite mit gelben, pleochroitischen Höfen umgeben sind. Auch Apatit, Magnetit, Pyrit (bis- weilen mit einer Hülle von Plagioklas) sind vorhanden. Die undulirende Auslöschung vieler Feldspathe weist dar- auf hin, welchen gewaltsamen Störungen das Gebiet be- reits ausgesetzt war. Lehmann schliesst aus einer beob- achteten Fluktuationserscheinung, dass das Gestein in Bewegung gewesen sein müsse. Im Hangenden der Erzlager tritt der Granat sehr zurück, und wir haben den typischen Cordieritgneiss vor uns, von grobkörniger, nur wenig Parallelität zeigender Structur. Ein Charakteristikum ist das massenhafte Auf- treten von 'Sillimanitnadeln, verbunden durch eine Kitt- masse, die sich durch die Höfe der Zirkone meist als Cordierit erweist. Doch fehlen auch die eigentlichen Faserkiesel nicht. Lehmann fasst dieses Vorkommen als Beweis von Druckerscheinungen auf. Lasaulx führt ihre Entstehung auf den Cordierit als primäres Mineral zurück ; doch ist diese Meinung mehrfach angefochten worden. Grosse, grüne Spinelle treten oft recht zahlreich auf, theils in schönen Oktaederformen, theils mit unregelmässigen Umrissen. Rosenbusch beschreibt sogar Krystalle von 0 und O.mOm. Der Quarz gehört wegen seines eigen- artigen Glanzes meist zum „Fettquarz.“ Biotit bildet bis- weilen grosse Tafeln und häuft sich stellenweise zu umfangreichen Nestern an. Auf dem Gipfel des Silberberges liegende Gmneiss- blöcke zeigen starke Faltung und äusserste Zertrümme- rung. Zahlreiche Linsen und Lamellen von Quarz, zu- weilen mit deutlichen Verwerfungen, ragen als Rippen aus dem Gestein hervor. Ein Block, der wohl aus der ersten Zeit des Bergbaues stammt, zeigt zwischen den Quarzen lauter rundliehe Löcher, etwa wie ein schmutziger, angeschmolzener Schnee. Die beiden Gneissvarietäten zeichnen sich ausser durch die Einschaltung der Fahlbänder noch durch den Reich- thum an Mineralausscheidungen aus. Die wichtigste ist der grüne Feldspath, der als „Gangmineral“ zur Orien- tirung beim Bergbau eine hervorragende Rolle besitzt. Nach v. Gümbel müssen wir zwei Arten auseinanderhalten, zunächst eine spangrüne, wohl durch Kupfer gefärbte Abart, die stets mit Orthoklas verbunden ist. Die zweite, lauchgrüne Varietät ist oft in Krystallen ausgebildet, die auf P und M mit parallelen Streifen versehen sind. Sand- berger giebt den Winkel P:M mit 86° an. Vom Rath fand an ihm folgende Flächen ausgebildet: oP, «P®, &P, &P,, Ba, Bo, .2,P,o, mE Pb co: einem Handstücke des Verfassers konnte ebenfalls ein Krystall mit folgenden Flächen bestimmt werden: M(»P» ), XIII. Nr. 25. Naturwissensehaftliche Wochenschrift. 257 T(o,P,, f(oP'3), P(oP), o(P), x(Po), y(2Po). Die Basis zeigte schöne Streifung. Die äussere Seite dieser Krystalle ist mit einer schwärzlichgrünen, fettglänzenden, chloritischen Substanz umrindet und sieht daher wie lackirt aus. Die lauchgrüne Farbe verschwindet nach v. Gümbel beim Erhitzen und macht einer dunkeln Färbung mit einem Stich ins Röthliehgraue Platz. Die chemische Analyse bestätigt, dass dieser trikline, lauchgrüne Feld- spath ein ziemlich normal zusammengesetzter Oligoklas ist. Von weiteren Ausscheidungen wurden gefunden schöne Cordieritkrystalle und Pseudomorphosen von Pinit nach Cordierit. Der Cordierit bildet ein sechsseitiges Prisma aus “P-»P&.oP; doch sind die Kanten stark abgerundet. Ein ebenfalls im Besitze des Verfassers befind- der Entstehungsweise soll hier nicht versucht werden, wenn man auch beim Anblicke sofort geneigt ist, eine seeundäre Hohlraumausfüllung anzunehmen. Ein merk- würdiges Aussehen zeigen die — für die Erklärung der Genesis vielleicht wichtigen — Funde aus dem Philipps- stollen. Hier besteht das Gestein aus ziemlich grossen, rings gerundeten Quarzen und Cordieriten, die genau den Eindruck von Rollkieseln machen und rings mit einer Kruste von Magnetkies umgeben sind. Wir haben also gewissermaassen ein sehr festes Conglomerat von Quarz mit Erzbindemittel. Beigegebene Skizze soll den gegenwärtigen Stand des Bergbaues zeigen und zwar in der Weise, dass fünf der amtlichen Profile in eine Ebene projizirt zu denken licher Kreit- sind.*) Es tonit(Kobell), Ä lassen sich ein sammet- Atersergn Se am Silber- schwarzer berge zwei Eisenzinkspi- bezw. drei nell zeigt Hauptlager- die Form stätten un- 0.@0. Aus- terscheiden: serdem führt Liegendtrum, v. Gümbel Haupttrum folgende Mi- undHangend- neralien an: oder Weit- Disthen, Si- zechtrum. Je- derit, Vivia- de Lager- nit, Stilpnosi- stätte zeigt derit, Thrau- abwechseln- lit, Jollyit, re de Einschnü- Pissophan, Wabrch Later 7 rungen und Stilbit, Har- BEREITETE ee Erweiterun- mothom. gen, so dass Gehen der Abbau wir nun auf lauter einzel- die Erzvor- ne Höhlen- kom mnisse Eee RL SOm u Eimgung räume er- selbst über. REN zeugt. Das Wir finden Mm) „27 290 Liegendtrum in der Haupt- =] ‚350 befindet sich sache Mag- GER j za direkt über netkies von bag i dem Granit; ziemlich hell- Mapstut 7:7000 derJohannes- gelber, dem Pyrit biswei- lennahekom- mender Far- be. Die Analyse von Habermehl hat ergeben, dass das Mine- ral homogen und von konstanter Mischung ist. Die wahr- Combinirtes Profil der Erzlagerstätten von Bodenmais. schacht steht bereits in demselben. Das unterste Liegendtrum wird gegenwärtig nur vermittelst des Barbara-, Wolfgang- und Gottesgabtiefsten abgebaut. In allen diesen scheinlichste Zusammensetzung ist Fe,S; oder 60,49 Fe ! tieferen Lagen überwiegt der Pyrit; Magnetkies ist spär- 39,51 8. In geringeren Mengen stellt sich auch Pyrit ein, der wiederum eine ziemlich dunkelgelbe Farbe zeigt, so dass eine Verwechslung mit dem Magnetkies leicht möglich ist. Auch an Kupferkies fehlt es nicht; ferner tritt silberreicher Bleiglanz und Zinkblende auf. Eigen- thümlich ist eine Einlagerung von Magneteisen, die als schmale Zone an der Flanke des Berges ausstreicht. Als Zersetzungsproducte der Kiese finden wir im Aus- gehenden der Erzvorkommen gewöhnlich einen sogenannten Eisenhut; ausserdem ist auch ein !/, Zoll mächtiges, selbst- ständiges Brauneisenflötzchen ceonstatirt worden. Das Auftreten der Erze ist durchaus lagerartig. Die Grenze gegen das Nebengestein wird in der Regel durch gangartig eingeschalteten Bleiglanz und Zinkblende ge- bildet. Die Abhängigkeit der Erzführung von den tekto- nischen Störungslinien innerhalb des Berges beweist das Jüngere Alter der Trume gegenüber den begleitenden licher vorhanden. In den Schwefelkiesen finden sich oft grosse, mit schwarzem Mulm ausgekleidete Hohlräume, in denen Krystalle von Gyps und Zeolith sitzen, so dass es scheint, als „sei hier der Magnetkies durch Wasserinfil- tration ausgewaschen und fortgeführt worden.“ (Gruber.) Im grossen Barbaraverhau tritt das Liegendtrum eng an das Haupttrum heran und scheint mit ihm zu. ver- wachsen. Das mittlere Haupttrum ist am meisten auf- geschlossen. Hier liegt die Barbaragrube, deren Stollen- mundloch den Haupteingang in das Bergwerk bildet und die früher der Fundpunkt für Mineralien war. Merk- würdig sind nach v. Gümbel die Ein- und Ausbiegungen des Lagers, vor denen gewöhnlich das Lager seine grösste Mächtigkeit erreicht. Hierher gehört ferner Giesshübel, Wolfgang, Gottesgab und Philippsstollen. In allen diesen *) Die Originalprofile wurden dem Verf. vom Hüttenamt Gneissschichten. Eine vollständig befriedigende Erklärung | Bodenmais freundlichst zur Verfügung gestellt. 285 Naturwissenschaftliche Wochensehritt. Gruben treten Schwefel- und Magnetkiese in kompaktem, festen Anbruch auf. Das Hangendtrum besteht aus dem Weitzechtrum und dem Neustollen und steht zur Zeit nirgends im Bau. Diese Bemerkungen mögen genügen, um als neuere Darstellung der ausführlichen: Beschreibung v. Gümbels*) zu dienen. Es werden gegenwärtig jährlich ea. 1900. bis 2000 t Erze gewonnen. Dieselben werden unmittelbar auf den Halden bei schwachem Feuer geröstet, wobei sich die Kiese mürbe brennen und von der Gangart scheiden. Zugleich entweicht ein grosser Theil des Schwefels als schweflige Säure. Die derart 'aufbereiteten Erze werden nun zu 300 bis 400 t in ‚Haufen gestürzt und. dort unter dem Einflusse der Atmosphärilien der Selbstzersetzung überlassen. Es entwickelt sich dabei im Innern eine bedeutende Wärme, vielleicht sogar Glühhitze, und die Erze nehmen nach und nach etwa 30°/, ihres Gewichtes #) v. Gümbel, Ostbayr. Grenzgeb. S. 552—559. XII. Nr. 25. an Sauerstoff und Wasser auf, Ist nach drei, vier oder mehr Jahren ein solcher Haufen gar, d. h. kalt und ruhig geworden, so besteht derselbe gewöhnlich aus einem Mantel von gelbem, pulverigen Eisenoxydhydrat („Rand- erz“), einer mehr oder minder mächtigen Deeke eines Gemenges von Vitriolen und Eisenoxyd („Salzerz“) und aus einem fest zusammengewachsenen, dunkelbraunen Erz- stock, der gewöhnlich mit Pulver gesprengt werden muss. („Stockerz.*) Aus den Salzerzen werden die Vitriole mit heissem Wasser ausgelaugt und dann die Lauge auf Eisenvitriol und kupferhaltige Vitriole versotten. Die Rand- und Stockerze werden befeuchtet, dann im Flammen- ofen todtgeröstet. Das fein vertheilte Eisenoxyd wird aus- geschlämmt, nochmals gebrannt und als Potee in den Handel gebracht. Dasselbe giebt eine rothe Farbe, dient aber meist als „Glasschleiferroth* (Polierpulver) in den zahlreichen Spiegelglasfabriken des Böhmerwaldes. Im Jahre 1595 ergaben 93,5 t Salzerz 63 t Vitriol und 1590 t Rösterz 616 t Potee im Gesammtwerthe von 134000 Mark. Von dem Fange und der Verbreitung der Seehunde. Von Clemens König in Dresden. (Sehluss.) Der gestreifte Seehund, Phoca fasciata, und der gefleckte Seehund, Phoca maculata, der zwar nur eine Unterart vom Gemeinen Seehund zu sein scheint, bewohnen beide die ostasiatische Küste, sofern sie sich zwischen Japan (40° n. Br.) und der Bering-Strasse hin- zieht. Der gestreifte Seehund hat sich noch etwas weiter ausgebreitet; er ist den Aleuten gefolgt und hat zu beiden Seiten der Halbinsel Alaska fast gleich grosse Strecken von der amerikanischen Küste in Besitz ge- nommen. Die Seehunde, die im Ladoga- und im Onega-See leben, sind, wie wir ausdrücklich hervorheben wollen, keine besonderen Arten und Formen, sondern sind Ab- kömmlinge vom gemeinen Seehunde, die sich hier seit der Zeit erhalten haben, da der Finnische Meerbusen noch mit dem Weissen Meere durch eine Meeresstrasse ver- bunden war. Auch die Baikalrobbe, Phoca baicalensis, soll sieh nur sehr wenig vom gemeinen Seehund unter- scheiden. Andere Forscher finden die Unterschiede gross genug, um eine selbstständige Art daraus zu machen. Auf jeden Fall, gleichviel welche von beiden Ansichten die richtige sein mag, geht daraus hervor, dass der Baikalsee, das Südende eines uralten Fjordes, früber vom Meere abgeschnitten wurde als die finnischen und russi- schen Seen. Noch älter sind die Arten, von denen wir leider keine genauen Beschreibungen besitzen, die den Oron- Sce und den Kuku-noor bevölkern. Der Oron-See liegt unweit vom Witim, eines Flusses, der seine Wasser in die Lena ergiesst. Dagegen befindet sich der Kuku-noor noch südwärts von der Wüste Gobi. Als vierte Form reiht sich daran der kaspische Seehund, Phoca caspica, der nicht, wie oft irrthüm- lieh angegeben wird, im Schwarzen und Asowschen Meere vorkommt. Sein Verbreitungsbezirk beschränkt sich viel- mehr auf den kaspischen See. Hier bewohnt er, mit Aus- nahme des flachen Nordufers, wo er im Laufe der Zeiten ausgerottet ist, alle Küstenstrecken, mit Vorliebe jedoch die Westküste, die Insel Sary bei Lenkoran und die Insel Kulaly am Ostrande unter dem 45. Breitengrade. Fassen wir diese geographischen Thatsachen zu- sammen, so geht daraus hervor, dass wir die Urheimath der Seehunde nicht an dem jetzigen, sondern an dem früheren, an dem tertiären Nordrande Asiens suchen und finden dürfen, und zwar, wie die Verbreitung des grauen Seehundes, des Urzels, bestätigt, möglichst nahe der ehemaligen Meeresarme, die vom Weissen und Obischen Meer her das heutige Russland durchsehnitten. In der Wissenschaft heisst diese Robbe Haliehoerus srypus. Dieser Name, der aus @Ac, griech. das Meer, aus xo7oos, griech. das Schwein und aus yovrzos, griech. krummnasig, gebildet ist, sagt uns, dass wir eine grosse Form vor uns haben, die durch ihre Gesichtsbildung typisch charakterisirt ist. Der Urzel, der in der Länge oft zwei Meter und darüber misst, wird hin und wieder an der deutschen Küste gefangen und erregt dabei stets die Aufmerksamkeit der betheiligten Kreise, die dann ge- wöhnlich die sensationelle Kunde verbreiten: „Ein See- bär wurde gefangen.“ In der Ostsee streift der Urzel bis in den Bottnischen Meerbusen hinauf. Im Jahre 1860 wurde ein Exemplar in Mecklenburg gefangen, das durch die Peene bis in den Cammerower See vorgedrungen war. In der Nordsee schweift er bis in den Canal und erreicht zuweilen sogar die Küste der Normandie. An den Küsten Irlands erscheint er etwas häufiger. Sein Verbreitungs- bezirk reicht über Island und Grönland bis in die Davis- Strasse und im Osten bis zum Weissen Meer und bis an die Westküste von Nowaja Semlja. Ueberschauen wir die Einzelergebnisse, die wir aus unserer Betrachtung gewonnen haben, so scheinen die- selben einander insofern zu widersprechen, als die gegen- wärtigen Verbreitungsverhältnisse der Walrosse und der- jenigen Robben, die die Unterfamilie der Seehunde bilden, den Ausgangspunkt, die Urheimath dieser Arten, an die tertiären Nordküsten zwischen Europa und Asien ver- legen, während die gegenwärtigen Verbreitungsbezirke der Ohrenrobben, der Blaurobben und der Seeleoparden mit Ent- schiedenheit für eine südamerikanische Urheimath plädiren. Dieser Widerspruch lässt sich in verschiedener Weise lösen. Nur auf zwei Möglichkeiten wollen wir hier hinweisen. Kann die Ordnung der Seehunde oder Flossenfüsser XI. Nr; 25. nieht Arten ganz verschiedener Abstammung zusammen- fassen? Ihre einheitliche Gestaltung ist doch in erster Linie ein Produet der Anpassung an das Leben im Meere. Die Flossenfüsser würden hiernach ebenso heterogene Geschöpfe zu einer Gruppe vereinigen, wie es von der Ordnung der Fischsäugethiere bereits nachgewiesen ist. Dafür scheint auch der Unterschied in der Ausbildung der seeundären Geschlechtsmerkmale zu sprechen. Bei dem Gemeinen Seehund, bei der Ringelrobbe und dem Grönländischen Seehund werden die Hündinnen auffallend grösser als die Hunde; dagegen erreichen die Weibchen beim Seebär (Ursina) und beim Nordischen Seelöwen (Stelleri) kaum die Hälfte von der Körpergrösse der Männchen. So ist es auch bei den Blau- und Rüssel- robben. Ob dieses Merkmal wirklich dieselbe Isolirungs- linie innerhalb der Flossenfüsser um alle Arten zieht, die zur Unterfamilie der Seehunde gehören, das wird die Forsehung noch entscheiden. Den zweiten Weg zur Lösung-schlagen wir ein, wenn wir die Frage stellen: Sind die beiden Urheimathen, die südamerikanische und die. nordwestasiatische, wirklich eoordinirte Begriffe? Ist es nicht möglich, an dem Ge- danken festzuhalten, dass Südamerika der primäre und Nordwestasien nur ein secundärer Ausgangspunkt der allgemeinen Verbreitung dieser Thiere gewesen sei? Auch diese Frage lässt sich zur Zeit nicht entscheiden, weil es an dem nöthigen palaeontologischen Materiale fehlt. Damit schliessen wir das Kapitel von der geo- graphischen Verbreitung und wenden uns zur Betrachtung desjenigen Factors innerhalb der Familie der Seehunde, der der geographischen Ausbreitung entgegen wirkt; es ist der Fang. » Warum werden Seehunde gefangen? Aus sehr ver- schiedenen Gründen. An unserer deutschen Küste, um mit dem räumlich nächsten auzufangen, werden sie als “nimmersatte Fischräuber ünd schlimme Netzverwüster arg gehasst und verfolgt. Gegen die Menge der Thiere, die diesem Schieksal anheimfallen, verschwindet die Zahl der- jenigen, die von Jägern und Sportsmen waidgerecht er- legt werden. Und die Fischer haben nicht Unrecht. Verlangt doch in der Gefangenschaft ein kleiner Seehund täglich zehn bis fünfzehn, und ein grosser dreissig bis vierzig Pfund ‚Fischkost. In der Freiheit, wo sie sich nach Herzenslust herumtummeln und hungrig schwimmen, verlangen sie vielmehr, und dazu fressen sie gerade die Fische, die auch die Fischer hochschätzen. Wie oft kommt es vor, dass an den heraufgezogenen Lachs- und Dorsehangeln neben ein paar Fischen eine grosse Menge werthloser Fischköpfe an den Haken hängen. Wie oft sind die aufgehobenen Dorschreusen leer und an der Seite durch ein Loch unbrauchbar gemacht, das so gross ist, dass ein Mann hindurchkriechen kann. Wie oft müssen die Fischer ‘die eingezogenen Stör- und Lachs- netze mit nach Hause nehmen, um die Löcher zu flieken, die irgend ein Bösewicht hineingerissen und gebissen hat, und dieser Bösewicht und Schadenanstifter ist der See- hund. Der Seehund, so lautet daher die Fischerparole, muss verfolgt, muss ausgerottet werden. Nirgends wird dieser Kampf vielleicht so energisch betrieben, wie in der Nord- und Ostsee. Bei den Finnen und Russen ist die Seehundsjagd von jeher ein weitverbreitetes Gewerbe, das auch die Schweden betreiben. Um die Thiere auszurotten, hat der schwedische Beichstag für das laufende Jahr 50 000 Kronen unter der | Redingung zu Prämien für im eigenen Küstengebiete er- legte Seehunde ausgeworfen unter der Bedingung, dass für ein Thier nicht mehr als drei Kronen gezahlt werde und dass der betreffende Lanthing und die Königliche Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 289 Haushaltungsgesellsechaft entweder jede für sich oder in Gemeinschaft miteinander ebensoviel zahle. Dänemark betreibt in seinen Küstengewässern den Kampf auf Ausrottung seit dem Jahre 1890 planmässig. Es zahlt jährlich für aus seinem Küstenbereich eingelieferte Seehundsschwänze 4000 bis 5000 Kronen. Um den Kampf mit gutem Erfolge fortzusetzen, hat das dänische Kriegs- ministerium feblerfreie Gewehre älteren Modelles zu billigen Preisen in gewünschter Menge an die Fischereigesell- schaften abgegeben, und die Zahl der erbeuteten Thiere wuchs; denn in den Jahren von 1890 bis 1395 wurden für 998, 1123, 1215, 1287, 1359 und 1435, also für 7417 Seehunde 22251 Kronen Schussprämien ausgezahlt. In dem letzen Jahre (1895) wurde die grösste Anzahl im Amte Hjörring (nördl. von Aalborg auf Jütland), näm- lich 270 Stück und im Amte Maribo (auf Laaland und Falster), nämlich 233 Stück erlegt. Von Bornholm wurden nur 28 Belegstücke eingesandt. An der deutschen Ostseeküste werden die Thiere ebenso arg verfolgt. Im Sommer, wie der rege Schiffs- verkehr und der rege Fischereibetrieb es mit sich bringen, sind hier die Seehunde ziemlich selten; im Herbst und Winter dagegen rücken sie bis in die Buchten herein. Die lautesten Klagen erschallen in dieser Zeit aus dem Greifs- walder Bodden. Nach der allerniedrigsten Schätzung soll hier der jährliche Werth für die von den Seehunden ge- fressenen Fische 30 000 M. betragen, und dazu kommt noch der Verlust und Schaden an Netzen, Angeln und Reusen. Im Greifswalder Bodden werden deshalb in den Winter- monaten Seehundreusen ausgelegt, die ziemlich gross sind. Fing man doch am 15. Februar 1896 in einer Reuse auf einmal fünf Seehunde. An der Halbinsel Hela bedient man sich zum Fange besonders starker Netze, die eine Maschenweite von 35 em haben. Ende Februar verschwinden die Seehunde von der deutschen Küste; man weiss nicht, wohin sie gehen, und im November kehren sie wieder zurück. Wünschen wir den Fischern, dass sie bald gar nicht mehr wieder- kehren! An der deutschen Nordsee ist von einer Abnahme noch nichts zu verspüren. Hier werden durchschnittlich im Jahre tausend Stück erlegt, und darunter befinden sich leider, wenn wir so sagen dürfen, allerhöchstens 20 Procent alte Thiere. Ein Lieblingsaufenthalt derselben sind die Sandbänke bei Amrum und Hooge, wo man nicht selten Herden beobachten kann, die hundert und mehr Stück zählen. Die Thiere sind so scheu und umsichtig, dass es auch dem schlauesten Schützen zuweilen nicht gelingt, bis auf Schussweite sich heranzuschleichen. Glücklicher sind die Fischer, die ihre starken Pümpelnetze in die Priele und Wattströme auswerfen. Sobald sie aus der Ferne bemerken, dass die Pümpel untertauchen, sind sie rasch zur Stelle, um den Hund lebendig heraufzuziehen; denn lebende Waare steht im Preise viel höher als todte. In dem nördlichen Gebiet der deutschen Nordsee- küste, das von Sylt bis Cuxhaven reicht, werden selbst- verständlich die meisten Hunde erlegt. Dann folgt das westliche Gebiet, das die Inseln Wangeroog und Borkum begrenzen. An letzter Stelle steht das mittlere Stück, zu dem die Jade- und Wesermündung und das Wurster- watt gehören. Die Erklärung hierzu liegt in der geo- graphischen Lage derselben und in dem Umstande, dass Thiere vom Norden her immer neuen Zuzug erhalten. Dieses Bild gewinnt durch die nachstehenden Zahlen erst seine volle Klarheit und Schärfe. Nach den amtlichen Berichten wurden in den drei Jahren vom 1. April 1893 bis zum 1. April 1896 290 Stück im nördlichen Gebiete 700 679 123 „ mittleren " 120 110 50 „ westlichen n 23 250 230 in allen drei Gebieten 1120 1039 1053 Seehunde erlegt bezw. gefangen. Die Gesammtsummen erhöhen sich noch etwa um je 30 Stück, die anderwärts in der Nordsee auf deutschem Gebiete von deutschen Fischern gefangen werden. Aus den Zahlen dürfte hervorgehen, dass in dem mittleren Gebiete denn doch von einer Abnahme der Seehunde ge- sprochen werden kann. Wie die Verhältnisse in dem liegen, mögen folgende Zahlen zeigen. auf die beiden letzten Jahre. nördlichen Gebiete Sie beziehen sich Es wurden in der Gegend Stück VORRSYÜGE ae a 2 Te MER Ent AANEHT HEBEN NE) 60 „ Süderwesthörn (an der Küste v. Schleswig) 3 2 Hl WaykzauftBöhri’. wuustea wıl, SH a2 10 Amrum . AuEOLT 57 205 196 Hooger A. ; Eutin „Untlne. yharden 100 130 „ı Bellwormlund Süderoos#.ur. WIzıT DE T0 s0 KaHusum Be UN ERBEN EZ 14 „ Ording und Westerhever, nördlich. v. d. Kidermündung) MW sa a) Ha Tt, ala 4d 36 Büsum und Olversum‘.ı. ....2..07729 35 » _Friedrichskoog oder Dieksand . . . . 4 40 in der Gegend der Elbmündung von Finken- wärder Fischern . 110 120 Ga 23 erlegt. Hierzu sei bemerkt, dass die Beute, die von den Finkenwärder Fischern heimgeführt wird, zumeist in Stör- oder Pümpelnetzen gefangen ist. Der Hauptgrund, warum an der Deutschen Küste der Seehund verfolgt wird, nämlich weil er als ein häss- licher Faktor störend in den Fischereibetrieb eingreift, liegt somit zeitlich und ursächlich weit von den primären Gründen ab, die noch heute bei den Naturvölkern be- sonders im hohen Norden allgemein weiter wirken. Hier werden die Seehunde gejagt und ausgenützt, um das eigene Leben zu fristen und angenehmer auszugestalten. See- hundsfleisch und Seehundsspeck ist die tagtägliche Speise vieler Eskimos. Der Thran, das bekannte Lieblingsgetränk, erhellt während der langen Winternacht ihre Hütten. Aus den Sehnen drehen sie Zwirn; aus den Knochen schlagen sie Nadeln und Pfriemen; aus den Eingeweiden fertigen sie Säcke und Beutel, aus den Fellen Kleider, aus dem Leder Decken und Belege für Zelte und Wiegen, für Schlitten und Böte; kein Stück, kein Theil bleibt ungenutzt. Die Seehundsjagd ist das wichtigste Gewerbe, das der Grönländer kennt. Frühzeitig nimmt der Knabe daran Theil. Bei ruhiger See ist die Jagd ein Vergnügen, wie es nicht schöner gedacht werden kann, bei Sturm und Unwetter dagegen der schwerste Beruf, den es giebt. Sobald der Knabe denselben mit Erfolg zu betreiben versteht, wird er zum Manne erklärt und darf freien. Die grössten Meister in der Seehundsjagd sind ihre Götter. Unter ihrer Führung ziehen ihre Brüder und Väter, die durch die Pforte des Todes zum Himmel eingingen, hin- aus auf die See zur lustigen Jagd. In ihrer Phantasie ziehen sie sogar den Seehund heran, um den Lauf des Mondes und seiner Phasen zu erklären; denn sie sagen: Der Mond hat sich in seine Schwester, die Sonne, verliebt und eilt ihr, der Fliehenden, nach, um sie zu erhaschen, leider vergebens; daher zehren Harm und Kummer an seinem Leibe, und er würde ganz vergehen, wenn er nicht hinaus aufs Meer zur Seehundsjagd führe. Hier Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XIII. Nr. 25. findet er Erholung, Muth und Stärke; von hier kehrt er zum Himmel zurück, wo er immer mehr zunimmt, dass er bald wieder in seiner vollen, fettglänzenden Schönheit von neuem um die Schwester werben kann. Diese hohe Werthschätzung der Seehunde nimmt mit der geographischen Breite ab. Bei uns hat er seinen Werth zunächst als Schauobject. In den zoologischen Gärten versammelt sich vor ihnen Gross und Klein, um ihnen zuzusehen, wie sie die Hinterbeine heranziehen, einen Buckel machen und dann, die Vorderbeine hebend, vorwärts schnellen. Sie laufen nicht auf dem Lande, sondern sie spannen und springen zugleich. Im Cireus amüsiren sie durch allerlei Kunststücke, die sie gelernt haben, die schaulustige Menge. Wichtiger ist die Rolle, die sie im Handel spielen, indem sie Unmengen von Thran und Leder auf den Weltmarkt schicken, beide Producte finden vielfache Verwendung. Und wo bliebe unsere ganze Cultur, wenn es keine Seehunde gäbe! Seehundsfell ist das wichtigste Stück am Schulranzen der ABC-Schützen, und ohne Schulranzen kann man sich die ABC-Schützen nicht denken, die doch für die hoffnungs- vollen Träger unserer ganzen Kultur gelten müssen. Um diese Bedürfnisse des Weltmarktes zu befriedigen, das ist der dritte Grund, den wir hervorzuheben haben, senden die Seemächte ihre Schiffe aus, um Seehunde und Wale u. dergl. zu fangen. Früher war der Fang, der im Mai um Jan Mayen, im August um Spitzbergen und Franz-Josephs-Land seinen Höhepunkt erreicht, viel bedeutender als gegenwärtig. Früher sandte Amerika allein mehr Fahrzeuge zum Fange aus als heute alle Staaten zusammen. Mehr als tausend Schiffe, so heisst es, liefen aus, und jedes brachte wenigstens zwei tausend Felle heim, und heute? In Europa wird hauptsächlich von Norwegen und Schottland aus der Fang betrieben. Im Jahre 1896 schickte Vardö vier Fahrzeuge mit einem Gehalte von 300 Tonnen und einer Besatzung von 23 Mann "und Hammerfest zweiundzwanzig Fahrzeuge aus, die 778 Tonnen Tragfähigkeit und 221 Mann Besatzung hatten, und diese brachten zusammen von der Eiskante zwischen Jan Mayen, Spitzbergen und Nowaja Semlja 462 Walrosse, 12 971 Seehunde, 105 Eisbären, 2 Weisswale, 51 Rennthiere und 111 kg Daunen, d. h. für Hammerfest eine Ausbeute im Werthe von 132718 und für Vardö eine Ausbeute im Werthe von 7000 Kronen heim, wovon die Besatzung den dritten Theil erhielt. Die Dampfer befassen sich in erster Linie mit dem Walfischfange. Im Jahre 1896 liefen von Norwegen dreizehn Dampfer mit 3152 Tonnen Tragfähigkeit aus. Unter der 619 Mann starken Besatzung befanden sich 93 Sehützen, und diese waren so glücklich, 58 Blauwale, 733 Finwale, 106 Dorsch- oder Zwergfinwale, 174 Buckel- wale und 2 Pottwale, in Summa rund 1100 Fische im Werthe von 1035800 Kronen zu erbeuten. Gothenburg stellte zwei Dampfer, die Vega mit 51 und die Capella mit 55 Mann Besatzung. Schottland be- theiligte sich mit neun Dampfern, von denen einer aus Peterhead und acht aus Dundee waren. Einer von diesen neunen, die Balaena, kehrte ohne Resultat zurück; ein anderer, die Diana, hatte nichts weiter als 39 Eisbären und einige Seehunde erbeutet, und die beiden glück- lichsten, die Eelipse und der Esquimaux, brachten aus der Davis Strait und der Melville-Bai 1 Wal, 7 Narwale, 42 Walrosse, 49 Eisbären und 154 Seehunde heim. Die reichste Beute war der Brigg Alert zugefallen; sie hatte im Cumberland-Golf drei starke Wale und 3590 Seehunde erlegt. Dichter als die Baien und Strassen zwischen den Inseln der nordwestlichen Durchfahrt sind die Küsten XII. Nr. 25. zwischen Grönland und Europa von Seehunden bewohnt; hier, an der Küste von Jan Mayen wurden in der Zeit von 1850 bis 1860 alljährlich noch 200 000 Seehunde er- beutet; jetzt ist die Jahresstrecke kaum halb so gross, und darunter befinden sieh mindestens 10 Prozent junge Thiere, ein Umstand, der uns beweist, dass die alten Thiere vor dem Menschen immer mehr zurückweichen. Erfolge, wie sie im Jahre 1892 siebzehn skandinavische Jäger aufweisen konnten, die hier eine Strecke von 63350 Stück zusammengebracht hatten, sind äusserst selten; sie sind nur möglich, wenn aus dem Innern der Arktik ganze Gesellschaften von Heerden auswandern. Von einem solehen Zuge erzählt Nassonow; derselbe kam aus der Karischen See, zog durch Matotschkin Prolin und dauerte zwei volle Wochen. Es war im Jahre 1892. Das dritte grosse Jagdrevier ist das Nordbecken des Stillen Oceans. Hier endigt die Frühjahrsjagd mit dem ersten Mai. DieSchon- zeit für die Seehunde dauert bis zum ersten Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 291 theilung sowohl in Bezug auf Artenzahl als auch in Bezug auf Individuenmenge wesentlich, beeinflusst. Der Norden, so lehren die mitgetheilten Zahlen, ist viel reicher an Individuen als der Süden, der durch seine kleinen, mehr oder weniger weit auseinander gelegten Inselgruppen vornehmlich die Artenbildung begünstigt. Damit stehen wir am Schlusse unserer Betrachtung. Die Flossenfüsser beschränken sich also nicht auf die höheren Breiten; sie finden sich auch in den wärmeren Gebieten, sogar unter dem Acquator. Ferner giebt. es auch nicht fünfzig lebendige Arten, sondern kaum halb so viel. Carl Greve zählte in seiner bereits genannten Arbeit in der Familie der Seehunde . . 16 sichere, 4 unsichere Arten, 1 Unterart, n. Waltosse .. 1... .,0 ” ) ER: „ Ohrenrobben 6 „ ,6 = Sr a: also nur 23 gute Arten. Wenn wir jene 4 Seehundarten, von denen die eine im Südmeer, die zweite im Oron See, ern September. Dann | u die dritte im Ku- beginnt die Herbst- | | ku-noor und die vierte jagd, die aber nie in den Landseen von so viel Beute liefert, Rn 1] Neufundland lebt, wie die Frühjahrs- klar, 17 ferner wenn wir von Jagd. Während im a. | m. jenen sechs Ohren- nordatlantischen Mee- robben die vier Arten re hauptsächlich der mit in Reehnung ans Seehund, setzen, von denen der _grönländische wir die. Fangplätze Spehund und | HE kennen, und Be ingelrobbe gejag wenr wir noch die werden, so werden drei Unterarten als hier der bärtige, der selbständige Spe- gefleckte und der ge- = streifte Seehund in = vorherrsehender Men- = ge erlegt. Im Jahre — 1894 belief sieh die Gesammtzahl noch auf 11803 Stück, im folgenden Jahre nur noch auf 6600 Stück. Die Abnahme schreitet also im Die Vertheilung der Flossenfüsser. cies hinzuzählen, so steigt doch die Ge- sammtzahl der Arten nur auf 34, und diese vertheilen sich in der Weise über die Meere und Meerestheile, wie die beigefügte Karte zeigt. Der nördliche Po- larkreis, der 30. Grad Riesenschritten weiter. Am weitesten ist sie im vierten | nördlicher und südlicher Breite, scheiden die Arktik von dem grossen Jagdrevier, in dem Südmeer, vorgeschritten. Die Dampfer und Fangschoner, die hierher gehen, haben an Zahl ganz bedeutend abgenommen, ein Beweis, wie gering der Gewinn sein muss, den eine solche Ausrüstung ab- wirft. Dafür kann ich auch noch folgenden Beleg bringen. Von einem Schoner, der in der Gegend von Feuerland und den Falklands-Inseln 620 Robbenfelle an Bord ge- nommen hatte, sagt der Bericht, dass ihn das Glück in seltner Weise begünstigt habe. Besässen wir eine genaue Statistik, die uns sagte, wie viele Schiffe sich im Norden und Süden mit dem Robbenfange hefassen, wie viel Thiere in den einzelnen Meerestheilen alljährlich erbeutet werden, und zu welchen Arten und Unterarten dieselben gehören, so würden wir in klaren, scharfen Zügen erkennen, was aus den mitge- theilten Zahlen mit grösster Wahrscheinlichkeit hervor- geht, nämlich das Zweifache: Durch den extensiven und intensiven Betrieb der heutigen Jagd werden die Robben in ihrer Ausbreitung nicht nur aufgehalten, eingeschränkt und auf manchen Plätzen vollständig ausgerottet, wodurch die ursprünglichen Verbreitungsverhältnisse noch mehr verschoben werden, als es im Laufe der Zeiten schoen geschehen ist, sondern auch in ihrer numerischen Ver- nördlichen Theile des Atlantischen und Grossen Oceanes und das Südmeer von dem südlichen Theile des Atlantischen und Grossen Oceanes, und diese Meere haben ihre Be- zirke, die dureh bestimmte Meridiane abgegrenzt werden. Der 110. Grad westl. und 120. Grad östl. Länge von Ferro bilden die Grenzen zwischen dem atlantischen (la) und dem pacifischen Bezirke (Ib) des nördlichen Eismeeres. Hier wohnen fünf, da sieben Arten. Die Nord-Atlantik zerschneidet der Meridian von Flores (10° w. L. v. F.) in den amerikanischen Bezirk (IIb) mit sieben Arten und in den europäischen Bezirk (Ila) mit acht Arten. Der Mittel- meerbezirk (IId), zu dem auch das Schwarze und Asow’sche Meer gehören, besitzt eine Art und der mediterrane Vor- bezirk (Ile) zwei Arten. Den Meridian von Flores bildet ferner die Grenze zwischen dem afrikanischen (IVa) und dem amerikanischen Bezirke (IVb) der Südatlantik, wo eine bezw. zwei Arten leben. Der Meridian, der durch die Beringstrasse läuft (150° w. L.), sondert den amerikanischen (IIIb) von dem asiatischen Bezirke (IIIa) des nordpacifischen Meeres, Hier zählen wir acht, bezw. neun Arten. Das Indiseh-polynesische Meer. zerfällt in vier Ab- 292 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. RENONN.I2B: schnitte. Der afrikanische Bezirk (Va), der bis zum Meri- dian der Maskarena (80° ö. L.) reicht, besitzt keine einzige Robbenart. Der indische Bezirk (Vb), den eine Linie von Süd-China durch Neu-Guinea nach dem Cap York in Australien einschliesst, besitzt eine, der polynesische Bezirk (Ve) zwei und der amerikanische Bezirk (V.d) sogar fünf Robbenarten. Die Grenze desselben liegt westlich der Galapagos (80° w. L.). Endlich zerlegen der S0.° ö. und w. L. das Südmeer in den afrikanischen Bezirk (Vla) mit fünf, den amerika- nischen (VIe) mit acht und in den australischen Bezirk (VIb) mit elf Arten. Fünf Arten endlich leben in Binnenseen, eine in Nordamerika, vier dagegen, wenn wir den Kaspi-See dahin rechnen dürfen, in''Asien. Die Zahlen, die den einzelnen Meeresbezirken gegen- wärtig zukommen, erklären sich nieht aus sich selbst; sie deuten vielmehr auf eine frühere und ursprüngliche Vertheilung hin, die zwei Centren hatte, wovon das eine im Norden, an der tertiären Nordküste Westasiens, das andere im Süden, im südlichen Küstengebiete von Süd- amerika zu suchen ist. Es sollte mich freuen, wenn die Wissenschaft durch weitere Forschungen das gefundene Ergebniss recht bald bestätigen und vertiefen wollte. Eine kurze Zusammenstellung über die G@rössen- Unterschiede von Männchen und Weibchen im Thier- reiche bringt O0. Thilo in dem Correspondenzbl. Nat.- Ver. Riga Nr. 40 (1898). Bei den Spinnen sind die Weibehen meist grösser als die Männchen, und letztere wagen sich nur dann in die Nähe ersterer, von denen sie oft aufgefressen werden, wenn diese sich anderweitig ge- sättigt haben. Auch bei den Inseeten sind die Weib- ehen meistens die grösseren, häufig schon als Larven; so werden die Raupen der Seidenspinner durch Wägen in Geschlechter getrennt. Bei den Hirschkäfern sind die Männchen die grösseren, in Folge der Kämpfe, die sie mit einander führen. Einige männliche Bienen tragen häufig die Weibehen auf dem Rücken und sind so grösser. Bei den Fischen ist fast immer das Weibchen das grössere, bis zu doppelt so gross. Doch beim Lachse, dessen Männchen wegen der Weibchen mit einander kämpfen, sind jene die grösseren. Auch Fischweibehen sollen öfters (Stiehling) die Männchen auffressen. Bei den Kriechthieren sind die Verhältnisse wechselnd; ebenso bei den Vögeln. Die Säugethiere sind in beiden Ge- schlechtern gleich gross oder das Männchen ist das grössere, bei den Seebären z. B. 6mal so gross. Auch hier kämpfen die Männchen mit einander. So sind fast überall da, wo die Männchen mit einander kämpfen, diese die grösseren; Weibehen können grösser werden in Folge der ungeheuren. Mengen von Eiern, die manche Arten hervorbringen. Reh. Ueber die nächste bei uns einheimische Ver- wandte der in neuester Zeit so viel genannten San Jose- Schildlaus, über die sogenannte austerförmige Schild- laus, Diaspis, richtiger Aspidiotus ostraeiformis Curtis, hat in neuester Zeit R. Goethe eingehende Unter- suchungen angestellt (Ber. Lehranst. Obst-, Wein-, Garten- bau Geisenheim a. Rh. 1896/97). Ihren Namen hat sie von der runden, geschiehteten, übrigens mehr einer Patella als einer Auster ähnlichen Form ihres Schildes. Sie be- fällt vorzugsweise schlecht genährte Birnbäume, kommt aber auch an Apfel-, Zwetschgen- und Pflaumen-Bäumen vor. Abgesehen von dem Schaden, den sie direct durch das Saugen thut, macht sie die Rinde hart und spröde, wobei diese nach und nach aufspringt und Risse be- kommt. Allmählich vertrocknet sie, die Zweige sterben ab, und nach und nach geht der Baum zu Grunde. An Apfelbäumen verursacht sie scharf vorspringende, leisten- artige Anschwellungen, Vertiefungen und Wülste, die an Blutlausbeschädigungen erinnern. - Ihre Lebensgeschichte ist folgende. Anfangs Mai findet man unter den Schildern der vorjährigen Weibchen die jungen Weibchen oder die Nymphen der Männchen. Erstere liegen unter den runden Schilden und sind weissgelb mit honiggelbem After. Letztere liegen unter den ovalen Schildern und sind selbst mehr länglich. Während die Weibehen sich häuten und erwachsen, wobei das Schild durch Anlegen von neuen Ringen vergrössert wird, schlüpfen die kaum 1 mm grossen Männchen aus. Diese sind honiggelb mit 2 seitlichen und 2 ventralen schwarzrothen Augen, langen, behaarten Fühlern, weissen, sehr breiten Flügeln und einer dunklen Querbinde unterhalb ihrer Wurzeln. Am Leibesende be- sitzen sie einen langen, hornartigen Schwanzstachel. Nach der Begattung schwellen die Weibehen beträchtlich an. Die Ablage der 530—40 Eier scheint Mitte Juni zu beginnen und dauert bis Mitte September; sie sind hell- weingelb, körnig weiss bereif. Schon nach wenigen Tagen kriechen die Larven aus und suchen sich sogleich eine Stelle, an der sie den Saugrüssel in die Rinde ein- bohren. Bald bekommen sie einen Ueberzug von wolligem Flaume, der ihnen das Aussehen von weissen Halb- kügelehen giebt. Allmählich verwandelt sich dieser Ueberzug in ein schwarzgrünes Schild mit fast immer seitlich stehendem, weisslichen Mittelpunkte, der von einigen dunkleren Ringen umgeben ist. — Trotzdem diese Schildlaus bei uns recht häufig ist, hat sie doch noch keinen nennenswertben Schaden gestiftet, Abgesehen davon, dass sie besonders schwache oder kranke Bäume befällt, und durch gute Düngung, besonders mit minerali- schen Stoffen, und wiederholtes Giessen ihre Wirkung bedeutend abgeschwächt werden kann, hat sie schlimme natürliche Feinde in kleinen Schlupfwespen, denen nach G. mehr als die Hälfte (nach des Ref. Erfahrung fast ®/,,) der Läuse zum Opfer fällt. Die angestochenen Sehilde sind, wenn die Wespe schon ausgekrochen ist, leicht an dem Loche, durch das sie das Freie gewonnen hat, zu erkennen. — Die Vertilgung dieser Läuse ist nicht so sehr leicht. Die Schilde schützen sie, besonders wo sie in mehreren Lagen über einander gelagert sind, vor den Einwirkungen flüssiger Stoffe. Die Kleinheit der Läuse, 1—!/, mm, ihre mattgraue Rindenfarbe, lassen sie leicht übersehen. Auch wandern die Larven bis an die untersten Theile der diesjährigen Triebe. Am wirk- samsten wurde von G. die Krüger’sche Emulsion (4,5 1 Wasser, !/, kg schwarze Seife, 9 1 Petroleum) gefunden, von Anderen tüchtiges Abkratzen der Rinde und nachheriges Kalken. Von der San Jos&-Schildlaus unterscheidet sich die austerförmige durch beträchtlichere Grösse und die Form des Hinterrandes (s. diese Zeitschrift, 1898, No. 17). Indess scheint diese nach des Ref. Erfahrung nicht ganz constant zu sein, oder wir haben in Deutsch- land 2 Varietäten oder Arten. Reh. Mittheilungen „Ueber die Eigenschaften des flüssi- sen Fluors“ haben Moissan und Dewar in den Pro- ceedings Chem. Soe. 1896/97 No. 183, 175—86 gemacht. XII. Nr. 25. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 293 nn Lk ——— Die Gewinnung des Fluors geschah durch Elektrolyse einer Lösung von Fluorkalium in wasserfreiem Fluor- wasserstoff; durch Leiten des entwickelten Gases durch eine Platinröhre, die durch ein Gemisch von fester Kohlen- säure mit Alkohol gekühlt wurde, und durch Führen über trockenes Fluornatrium wurde das Fluor von mitgerissenen Dämpfen der Flusssäure befreit und dann die Verflüssi- gung mittels eines besonderen Apparates vollzogen. Bei — 183°, der Temperatur des siedenden Sauerstoffs, ver- flüssigte sich das Fluor noch nicht, büsste aber seine Fähigkeit, Glas zu ätzen ein; die Verflüssigung trat erst ein, als Sauerstoff unter einem Druck von 437 mm oder als Luft bei gewöhnlichem Druck verdampft wurden. Das flüssige Fluor besass eine hellgelbe Farbe, zeigte bei — 210° keine Neigung zu erstarren, und liess sich in jedem beliebigen Verhältniss mit flüssiger Luft oder flüssigem Sauerstoff mischen, sein Siedepunkt wurde zu — 187° be- stimmt; seine Dichte, die nach der Schwebemethode durch feste Körper ermittelt wurde, war 1,14. Ein Absorptions- spectrum zeigt das flüssige Fluor nicht, auch ist es nicht magnetisch, seine capillare Steighöhe ist !/, so gross als die des Wassers und '/,, so gross, als die des verflüssigten Sauerstoffs, es reagirt bei — 190° nicht mehr mit trocknem Sauerstoff, Wasser und Quecksilber, verbindet sich in- dessen noch mit Wasserstoff und Terpentinöl unter Ent- flammung. Bemerkenswerth ist der hohe Brechungsindex des flüssigen Fluors, seine Refraction ist fast ebenso gross wie die des Bernsteins, nämlich eirca 1,55, was um so interessanter ist, als die Atomrefraetion des Fluors in seinen Verbindungen den kleinsten Werth von allen Ele- menten hat. Dr. A. Sp. William Ramsay und Morris W. Travers haben „Ueber die Homogenität des Heliums“ Untersuchungen - angestellt, deren Resultat kurz folgendes ist: (Proc. Royal Soc. London 62, 316—24 [20/1]. Während es Ramsay gemeinschaftlich mit Collie bei früheren Forschungen (Proe. Royal Soc. London 60, 206; C. 96 I. 738) nicht gelungen war, das Argon durch Diffusion in Bestandtheile von verschiedenem specifischen Gewicht zu zerlegen, war es ihnen geglückt, aus dem Helium zwei Theile von ver- schiedener Dichte zu gewinnen. Verfasser haben diese Arbeit wieder aufgenommen, wobei sie sich eines neuen Diffusionsapparates bedienten, der eine äusserst häufige Wiederholung der Fractionirung durch Diffusion ermög- liehte; so gelang es mit Leichtigkeit, die Luft bereits nach 24 Diffusionen in zwei Fraetionen mit 17,37 und 22,03°/, Sauerstoff zu zerlegen. Reiner, aus Ammoniumnitrat dargestellter Stickstoff wurde gleichfalls der Prüfung unterworfen; selbst bei vielfach wiederholten Versuchen glückte es nicht, den Stickstoff in Fraetionen von verschiedener Dichte zu zer- legen, wodurch erwiesen wird, dass der Stickstoff aus gleich schweren Molekülen besteht. Aus*Samarskit und Cleveit bereitetes Helium liess sich mittels häufiger fraetionirter Diffusion in zwei Gase zerlegen, von denen der speeifisch leichtere Bestandtheil seine Dichte durch weiter wiederholte Diffusion nicht mehr änderte. Er bestand folglich aus reinem Helium, das, auf Wasserstoff — 1 bezogen, die Dichte 1,98 hatte und das Brechungsvermögen 0,1238, auf Luft = 1 be- zogen, besass. Die andere Fraction, die deutlich die Helium- und schwach daneben die Argonlinien zeigte, vermochte trotz eifriger Bemühung nicht auf constantes, specifisches Gewicht gebracht zu werden, sie zeigte schliesslich eine Gasdichte 2,275 und eine Brechung 0,1327; neben dem Helium enthielt das Gas 1—1,5 °/, Argon, das sich fast immer als Begleiter des Heliums in den betreffenden Mineralien vorfindet. Neue, bisher un- en nn nn bekannte Elemente sind in den aus den Mineralien ent- wickelten Gasen nicht enthalten. Runge und Paschen glaubten aus der Natur des Heliumspectrums eine In- homogenität des Gases folgern zu müssen, doch sind diese Schlüsse unzuverlässig und später durch dieselben Autoren widerlegt worden, denn sie fanden, dass auch dass Sauer- stoffspeetrum in zwei Complexe zerlegt werden kann, deren jeder aus drei Gruppen von Linien besteht. Nach den bis jetzt gewonnenen Resultaten muss man annehmen, dass es nur ein Helium giebt, es scheint indessen nicht ausgeschlossen, dass das Helium aus zwei Elementen von annähernd gleichem Atomgewicht, wie beispielsweise Kobalt und Nickel besteht. Verfasser sind der Ansicht, dass es vielleicht gelingen wird, ein neues, inactives Gas mit dem Atomgewicht 22 aufzufinden, wofür der Umstand spricht, dass in den meisten Triaden zusammengehöriger Elemente, von denen das erste und letzte im Atomgewicht um circa 36 variiren, als Mittelglied ein Element seinen Platz hat, das mittleres Atomgewicht besitzt. Dr. A. Sp. Wetter-Monatsübersicht (Mai). — Wenn auch der diesjährige Mai mit ein paar sehr schönen, durchaus sommerlichen Tagen in Deutschland einzog, so kehrte der trübe und ungewöhnlich nasse Witterungscharakter, der bereits allen vorangegangenen Monaten seit der zweiten Hälfte des Winters seinen Stempel aufgedrückt hatte, doch bald zu dauernderer Herrschaft wieder zurück. Die hohen Nachmittagstemperaturen, welche am 2. Mai, der beistehen- den Zeichnung zu Folge, an den nordwestdeutschen Stationen Temperafuren im SF%ai 1898. — Tägliches Maximum, bez. Minimum, —— 8 Uhr Morgens, 1898. eu 8 Uhr Morgens, normal. 26. durchschnittlich 22%, an den süddeutschen sogar 25° C. erreichten, stellten sich im weiteren Verlaufe des Monats nicht zum zweiten Male ein. Nur in einigen Gegenden von Ost- und Süddeutschland war es auch um den 21. sehr warm, an welehem Tage zu Königsberg und Breslau das Temperaturmaximum 29° C. verzeichnet wurde. In der Zwischenzeit sowie in den letzten Tagen des Monats lagen die Temperaturen meistens unter ihren normalen Werthen, hinter denen sie daher auch im Monatsmittel 294 im» Nordwesten und Süden um ungefähr 1!/,; Grade zurückblieben, während von der Elbe an ostwärts das normale, Maimittel: gerade erreicht wurde. Gegen Mitte und Ende des Monats kamen, namentlich in Süddeutschland, mehrere sehr kühle Nächte vor, in denen das 'Thermometer am 14. zu Friedrichshafen und München, am 28. zu Kaiserslautern bis beinahe auf den Gefrierpunkt herab- ging, doch blieb die deutsche Niederung von verderblichen Maifrösten in diesem Jahre gänzlich verschont. Die bemerkenswertheste Eigenschaft des vergangenen Monats war sein ausserordentlicher Reichthum an Nieder- schlägen, welcher denjenigen aller bisherigen Maimonate unseres Jahrzehnts bei weitem übertraf; sogar im gleich- falls sehr nassen, vorjährigen Mai wurde, wie die bei- stehende Darstellung ersehen lässt, im Durchschnitt der deutschen Stationen eine um 13!/, Millimeter geringere Regenmenge gemessen. Nachdem vom 2. bis 4. Mai dieses Jahres sich in ganz Deutschland Gewitter entladen hatten, fanden während der nächsten Tage im westlichen Binnen- lande zahlreiche Wolkenbrüche statt, dabei betrug die Niederschlagshöhe vom 6. zum 7. beispielsweise in Kassel 72, in Uslar im Solling 60 und in dem zwei Stunden im Mai A898. Mittlerer Werth für Deutschland. Monatssummen im Mai 1898. 97. 96. 95. 9 9, 100 = Ttiederschlagshöhen 9. Friedrichshafen mberg ünchen Bamberg. M -] Helgoland. Sylt. Hambur | Kiel. Swinemünde Neufahrwasser. Memel. Kassel. | Hannover. Magdeburg Chemnitz Berlin, Breslau, Kaiserslauter\ Wiesbaden. Karlsruhe, davon gelegenen Neuhaus nicht weniger als 95 Millimeter. In Folge des plötzlichen Zustroms so gewaltiger Wasser- massen traten die meisten Flüsse im Gebiete der Fulda, Weser und Ruhr aus ihren Ufern und richteten in den Thälern grosse Verheerungen an. Gegen Mitte des Monats nahmen die Niederschläge im norddeutschen Binnenlande etwas ab, vermehrten sich aber an der Küste und in Süddeutschland. In der Um- gegend von Wiesbaden wurden am Nachmittag des 15. nach einem zweistündigen, heftigen Gewitter, während dessen 29 Millimeter Regen und Hagel herniedergingen, viele Dörfer überschwemmt, die Saaten in weitem Um- kreise zerstört und auch in den Taunuswaldungen be- trächtliche Schäden verursacht. Erst nach dem 20. Mai wurden die Regenmengen in der westlichen Hälfte Deutsch- lands sehr gering, blieben jedoch im Ostseegebiete und in Bayern ziemlich bedeutend. Auch ein Theil der Kreise Ratibor und Gleiwitz wurde am 24. von einem verheeren- den Hagelwetter heimgesucht und dort in vielen Ort- schaften die Ernte vernichtet. Im Allgemeinen aber war trotz des unaufhörlichen Regens und trotz mangelnden Sonnenscheins, dessen Gesammtdauer im Mai wie im April hinter derjenigen der meisten gleichnamigen Monate seit 1890 weit zurückblieb — in Berlin z. B. wurden im Naturwissenschaftliche Wochenschrift. . Paul Mayer XII. Nr. 25. letzten Mai 199 Stunden mit Sonnenschein verzeichnet, dagegen 286 Stunden im Mai 1895 —, der Saatenstand nach den statistischen Zusammenstellungen von Mitte Mai erheblich besser als um die gleiche Zeit im vorigen Jahre und kam für Winterweizen, Sommerweizen, Hafer und Klee dem günstigsten der letzten fünf’ Jahre mindestens gleich. Ds Aeusserst wechselvoll gestalteten sich die allgemeinen Luftdruckverhältnisse im vergangenen Mai, doch nahmen die Unterschiede zwischen dem höchsten und niedrigsten Barometerstande in Europa im Laufe des Monats beträcht- lich ab, wie es vor Beginn des Sommers meistens zu ge- schehen pflegt. In den ersten Tagen befanden sich bei den britischen Inseln noch sehr tiefe Minima, welche langsam nordwärts zogen und nur einzelne Ausläufer nach dem Continent entsandten. Als aber am 6. auf dem Ocean ein Hochdruckgebiet erschien, drang ein Minimum in Begleitung starker, westlicher Winde in Nordwest- deutschland ein, wo es die wolkenbruchartigen Regenfälle herbeiführte. Während dann in den nächsten Tagen der höchste Luftdruck sich weiter nach Süden zurückzog, schritt eine Anzahl mehr oder weniger tiefer Depressionen, von Westen kommend, über Schottland und die nördliche Nordsee nach der’ seandinavischen Halbinsel fort, wobei zwischen dem 10. und 12. in Deutschland und Dänemark heftige Weststürme, auftraten. Um Mitte des Monats begab sich ein neues Barometer- maximum vom atlantischen Ocean nach Scandinavien, und gleichzeitig erschien auf dem mittelländischen Meere eine flache Depression, welche langsam nach Norden vorrückte. Für Deutschland wurde dadurch eine mässige Nordost: strömung bedingt, welche jedoch nur wenige Tage ohne Unterbreehungen anhielt. Denn seit dem 21. Mai folgten bier die Theilminima einer bei England gelegenen De- pression in grösserer Zahl auf einander, und die Witterung nahm daher bei uns einen sehr veränderlichen Charakter an und behielt denselben auch bei, als in den letzten Tagen des Monats die Minima auf .etwas nördlicheren Strassen weiterzogen. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Der 3. internationale Congress für angewandte Chemie versammelt sich vom 28. Juli bis 2. August in Wien. Litteratur. Wilhelm Behrens, Tabellen zum Gebrauch bei mikroskopischen Arbeiten. 3., neu bearbeitete Aufl. Harald Bruhn in Braun- schweig 1898. — Preis 6 M: Die fleissigen und zweckdienlichen Tabellen treten uns wiederum in Neubearbeitung entgegen. Behrens hat nur die Sache im Auge gehabt und ein Buch geschaffen, das in der That das Beste bietet, was geboten werden kann, und zwar hat er das dadurch erreicht, dass er für die Neubearbeitung der einzelnen Tabellen die Ansicht solcher Forscher einholte, die in dem speciellen Gebiet, den die betreffende Tabelle behandelt, besonders bewandert sind. So haben mitgearbeitet: St. Apäthy, K. Bürkner, in Neapel (zoolog. Station), P. Schiefferdecker, E. Schoebel, P. G. Unna. Auch Solger, G. C. van Walsen, Hensel in Pirna (Fabrik äther. Oele), S. Czapski, P. Riedel, J. Amann, E. Czaplewski, Alfred Koch (Oppenheim), A. Wich- ae R. Neuhauss haben dem Verfasser werthvolle Beiträge ge- iefert. Tannery et Molk, El&ements de la th&orie des fonctions ellip- tiques. Tome III. - VIII und 267 S. gr. 8°. Gauthier-Villars et Fils. Paris 1898. — Preis 7,50 Fres. Das verdienstliche Werk, dessen erste beiden Bände in dieser Zeitschrift von anderen Seiten ausführlich besprochen worden sind, tritt mit dem vorliegenden dritten Bande in die als „caleul integral“ von den Verfassern bezeichneten "Gebiete der Theorie der elliptischen Functionen ein. Der Inhalt gruppirt sich unter die beiden Ueberschriften: „Allgemeine Theoreme* und „Um- kehrung“. In dem ersten dieser Theile, die ihrerseits wieder in Kapite XII. Nr. 25. geliedert sind, wird mittelst des Cauchy’schen Integralsatzes die- Zerlegung der doppeltperiodischen Functionen in einfache Elemente gelehrt, die dauernd mit dem Namen Hermite verbunden ist. Von dieser Zerlegung werden dann Anwendungen auf die -Weier- strassischen und Jacobischen Funetionen gemacht. Daran schliessen sich Untersuchungen über das Additions- und Multiplieations- theorem für diese Funetionen, die Entwiekelung in trigono- inetrische Reihen und die Untersuchung der Integrale der doppelt- ‚periodischen ‚Funetionen. Der als „Umkehrung“ bezeichnete Theil: behandelt in dem ersten Capitel die Aufgabe, das Periodenyerhältniss ‘bezw. die Perioden bei gegebenem Modul oder gegebenen Invarianten zu er- mitteln, während das zweite und letzte Capitel sich mit der Um- kehrung der doppeltperiodischen Funetionen zweiter Ordnung, ins- besondere der Function sn beschäftigt. Da der vierte Band die unter der Bezeichnung „Caleul inte- gral“ von den Verfassern zusammengefassten Untersuchungen fortsetzen wird, lässt sich noch nieht mit Sicherheit übersehen, ob alle wesentlichen Punkte der Theorie der doppeltperiodischen Funetionen angemessene Berücksichtigung gefunden haben. Wir können uns der von anderer Seite bei Besprechung des zweiten Bandes ausgesprochenen Meinung nur anschliessen, dass das Werk von Tannery und Molk ein treffliches Lehrbuch der Theorie der doppeltperiodischen Funetionen darstellt, vor allem aber sich zu einem Nachschlagebuch für diejenigen eignet, die mit elliptischen Funetionen zu rechnen haben. Hierin liegt sein Hauptwerth. Die Ausstattung ist von der Güte, die wir an den Werken der berühmten Offiein, deren verdienter Chef kürzlich verstorben ist, seit langem gewöhnt sind. G. Emanuel Czuber, Vorlesungen über Differential- und Integral- rechnung. Erster. Band. Mit 112 Figuren im Text. XIII. und 526 S. gr, 8°. Verlag von B. G. Teubner, Leipzig 1898. — Preis 12,00 M. Lange Zeit waren wir in Deutschland auf die französischen . Lehrbücher der Differential- und Integralrechnung angewiesen, die sich in hervorragendem Maasse durch eine klare, leicht- verständliche und doch elegante Darstellung auszeichnen, und wer die — übrigens sehr geringen — sprachlichen Schwierigkeiten scheute, nahm eine Uebersetzung zur Hand. In dieser Beziehung ist seit einigen Jahren ein. bedeutender Umschwung eingetreten, insofern wir nunmehr auch eine Reihe deutscher Lehrbücher be- sitzen, welche sich in Bezug auf Leichtverständlichkeit und hin- sichtlich der. Daxstellung, sowie in Betreff der Strenge der Be- griffsbildung- jenen an die Seite stellen. Es braucht nur an das ausserordentlich verbreitete Lehrbuch von Kiepert, das seiner Lesbarkeit und. der zahlreichen - ausgeführten Beispiele wegen hochgeschätzt wird, und an das Nernst-Schönfliess’sche Werk, „welches sich insbesondere an die Naturwissenschaftler und nament- lich an die Chemiker wendet, erinnert zu werden, ohne anderer trefflicher Lehrbücher über den genannten Gegenstand zu ge- et welche das Hauptgewicht auf die Strenge der Begründung egen. - Zu -diesen gesellen sich die vorliegenden Vorlesungen des Prof. Czuber vom Wiener Polytechnicum, und der erste -Band, welcher die Differentialrechnung behandelt, berechtigt zu der Er- wartung, dass das Werk nach seiner Vollendung zu den besten Lehrbüchern der Differential- und Integralrechnung gehören wird. In erster Linie für Studirende der technischen Hoch- schulen bestimmt, ist die Czuber’sche Differentialrechnung auch unbedingt den Studirenden der Mathematik zu empfehlen. Die Darstellung fusst auf der modernen, strengen Begriffsbildung, welche aus den tiefgehenden Forschungen über den Zahlbegriff (Irrationalzahl) und aus den functionentheoretischen Unter- suchungen erwachsen ist; zudem ist sie sehr klar gehalten und lässt überall das Wesentliche hervortreten, so dass der Leser den Faden nicht verliert. Die gewonnenen theoretischen Sätze werden an zahlreichen Beispielen erläutert, und zwar werden diese letzteren, theils mit Rücksicht auf die Bedürfnisse .der Techniker, theils aus gewichtigen, didaetischen Gründen, vornehmlich der Geometrie entlehnt, wie auch die geometrische Interpretation der analytischen Sätze aus denselben Gesichtspunkten benutzt worden ist. Wo man auch das Buch aufschlägt, überalllässt die Darstellung den erfahrenen Lehrer erkennen. Was den behandelten Stoff betrifft, so ist dessen Begrenzung und Anordnung nahezu traditionell geworden und auch durch die Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 295 höheren Theilen ‚der. wissenschaftlichen Technik und der Mathe- matik ziemlich genau bestimmt; aber: dennoch hat der Verfasser | manche Betrachtungen in seine Vorlesungen aufgenommen, die man sonst nicht in den Lehrbüchern der Differentialrechnung findet. Es sei hier nur an die Transformation der Ebene bezw. des Raumes in sich erinnert, wobei besonders die projeetive Transformation in ihren wesentlichen Merkmalen betrachtet wird. Sehr ausführlich ist der Abschnitt über die Anwendung der Differentialrechnung auf die Untersuchung von Curven und Flächen ausgefallen; er umfasst nahezu die Hälfte des Bandes. Vielfach werden darin, wie auch in anderen Lehrbüchern der Differential- rechnung, Gegenstände behandelt, die — an den Universitäten wenigstens — in besonderen Vorlesungen vorgetragen und weiter ausgebaut werden, da zu einer eingehenderen Behandlung der- selben mehr Vorkenntnisse erforderlich sind, als in der Differential- rechnung geboten werden. Inwiefern sich das Czuber’'sche Buch für deutsche technische Hochschulen eignet, müssen wir dahingestellt sein lassen. Denn bekanntlich sind die Lehrpläne der verschiedenen Hochschulen nicht einheitlich geordnet, und die Techniker greifen mit Rück- sicht auf ihre Specialvorlesungen in den systematischen Lehrgang der Mathematik viefach ein. Am besten passt sich das Czuber’sche Buch unseres Wissens den deutschen Universitätsvorlesungen über Differentialrechnung an; auf der Hochschule zu Braunschweig z. B. wird nämlich bereits im ersten Semester noch die Integral- rechnung soweit vorgetragen, dass der Student im zweiten Semester den Vorlesungen über technische Mechanik zu folgen vermag, das Czuber’sche Buch ist dagegen auf der Trennung der Differential- und Integralrechnung basirt. Indessen lässt sich hierüber wohl erst nach Vollendung des Werkes ein Urtheil ge- winnen. Es ist natürlich, dass einzelne Punkte von anderen Lehrern je nach Geschmack anders dargestellt werden würden; es ist das wirklich nahezu eine blosse Geschmacks- oder Gewohnheitssache. So z. B. vermag Referent einen besonderen Vortheil. in der schliesslich nur vorübergehenden Sipführung des Begriffes des vorwärts bezw. rückwärts genommenen und des vollständigen oder eigentlichen Differentialquotienten nicht zu erblieken; man kann dasselbe durch Betrachtuug -der Stetigkeit bezw. . Unstetig- keit der Ableitung erreichen, ohne erst neue Termini einzuführen. Ferner scheint es uns einfacher, das geometrische Bild der in- versen Function durch Spiegelung gegen die. Halbirungslinie des ersten und dritten Quadranten zu gewinnen, als durch Umklappung und Drehung der Ebene (S. 52); es giebt das unseres Erachtens eine viel lebendigere Anschauung, worauf es hierbei ja eigentlich nur ankommt. Im Uebrigen sei noch bemerkt, das der Verfasser einige Male auch Determinanten (allerdings nur solche zweiter und dritter Ordnung) benutzt, deren Kenntniss nach dem heutigen Stande unserer Mittelschulbildung nicht allgemein vorausgesetzt werden kann. Dem Werke ist ein ausführliches Inhaltsverzeichniss voran- gestellt; ein besonderes Sachregister fehlt. Ein kleines Litteratur- verzeichnis — vielleicht zu klein: es fehlt z. B. das Harnack’sche Buch! — befindet sich auf den beiden letzten Seiten, Sehr anzuerkennen ist die gute Ausstattung des Werkes be- züglich des Papiers, des Drucks und der Zeichnungen und nicht minder hinsichtlich des Einbandes. Wir sehen dem folgenden Bande mit hohem Interesse entgegen, G, Jahreshefte des naturwissenschaftlichen Vereins für das Fürstenthum Lüneburg. XIV. 1896—1898. Lüneburg 1898. — Inhalt: Zum Gedächtniss des verstorbenen Vorsitzenden des- Vereins, Reetors a. D. Dr. F. Kohlrausch, Prof. Dr. Gleue. — Zur Klärung der Irrlichter-Legende, Neue Beiträge. H. Stein- vorth-Hannover. — Ein verschollenes Säugethier Deutschlands, Direetor Dr. Schäff-Hannover (handelt über den Nörz). — Fremdländische Pflanzen bei Hannover, F. Alpers-Hannover. — Meteorologische Uebersicht der Jahre 1895, 1896, 1897, Pro- fessor Dr. Eichhorn. Briefkasten. Hr. F, — Herr Custos H. J. Kolbe vom Königl. Museum für Naturkunde zu Berlin theilt uns mit, dass die fragliche Raupe zu Ocnera dispar gehört. „Aehnliche Raupen — sagt er — sind die von Leucoma salieis, Porthesia similis, auriflua, chrysorrhaea. Letztere ist die häufigste augenblicklich und der Dispar-Raupe Rücksicht auf die Anwendungen der Infinitesimalrechnung in den | am ähnlichsten.“ er Bere nenn rn re a Be a a 7 aa 1 Pre Te Inhalt: P. Wagner: Die.Kieslagerstätten von Bodenmais i. b. W. — Clemens König; Von dem Fange und der Verbreitung der Seehunde. — Grössen-Unterschiede von Männchen und Weibehen im Thierreich, — Austerförmige Schildlaus Diaspis, Aspidiotus ostraeiformis Curtis. — Ueber die Eigenschaften des flüssigen Fluors. — Ueber die Homogenität des Heliums. — Wetter-Monatsübersicht. -— ‚Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur:. Wilhelm Behrens, Tabellen zum Gebrauch bei mikroskopischen Arbeiten. — Tannery et Molk, Elements de la theorie des fonctions elliptiques. — Emanuel Ozuber, Vor- lesungen über Differential- und Integralreehnung. — Jahreshefte des naturwissenschaftlichen Vereins für däs Fürstenthum Lüneburg. — Briefkasten. 296 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 25. Rs giebt kein Fahrta das auf Grund P / _ seiner Qualität und seiner gleichzeitigen ZEN a e = 5 Eigenschaften: Leichtester Lauf x Grösste Zuverlässigkeit Schönheit der Formen sieh solcher allgemeinen Anerkennung erfreut wie das „Adler“ Rad... Adler Fahrradwerke vorm. Heinrich Kleyer, Frankfurt a. M. Spezial-Fabrik für Fahrräder mit über 1300 Arbeitern. Jahres-Production über 35000 Fahrräder. Filialen gleicher Firma: Berlin, Hamburg, Köln, Hannover, Kopenhagen. Vertreter im In- und Auslande. Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, | Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Photo raphische Stativ- und Hand- A Gameras. Gediegene Ausstattung. | 35 Sämmtliche Bedarfsartikel. ®@G | | Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.)| I} | | Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechseloassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). In Ferd. Dümmilers Verlagsbuch- handlung in Berlın SW. 12 erschien: Über geographische Ortsbestimmungen ohne astronomische Instrumente. Gebrauchte Gasmotoren DAMPF- ind DYNAMO- Von Prof. Dr. P. Harzer, Director der Herzoglichen Sternwarte zu Gotha. Mit einer Tafel. Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik.) . MASCHINEN. ‚garantirt betriebsfähi 3 | in allen’ Grössen. sotort. lieserbar. | Elektromotor, s.n.v.n. Schilfbauerdamm 21 ‚Berlin NW. - - 53 Seiten Lex. 8. — Preis 1.20 M 1550900000 49000000.00000000000000000000006 von Poncet Glashütten-Werke 54, Köpnickerstr. BERLIN SO., Köpnickerstr. 54. Fabrik und Lager ı aller Gefässe und Utensilien für / chem., pharm., physical., electro- u. a. techn. Zwecke. ® Gläser für den Versand und zur ") Ausstellung naturwissenschaftlicher — Präparate, Preisterzeichniss gratis und franco. | EOIKEIIXITIIIIIEIIIIIITKIIIIIIIIIIIIIT | KUXIXIZIXITIITITITIIIT IT TI ANY TI LT IT III IITIITITTTTT Verantwortlicher Redaeteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! Grosse Vortheile! Neues Princip für Massenbetheiligung an industriellen Unternehmungen. =—— Neuheiten - Vertrieb. — ! —) Neu aufgenommen: =) DureRtiNEnng: des Buttenstedt- Ir schen Flugprineips 01 (von zwanzig namhaften Gelehrten - N unterstützt) und - Errichtung einer Versuchs- & : 2 station für Flugzwecke. ® (} e Internationaler Verein zur rationellen Verwerthung von Erfindungs-Patenten. Eingetragene Genossenschaft mit be- schränkter Haftpflicht. Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, partieipirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabricirten Artikel. Otto Toepfer Werkstatt für wisssenschaft- liche Instrumente. Potsdam. + Gegr. 1873. # Specialgebiet: „Astrophysik“ (Astrophotometrie, Astrospeetroskopie, Astrophotographie). Fernrohre bis 5* fr. BERLIN. 5.0.26. K PATENTBUREAU Ulrich R. Maerz Jnh:C.Schmidtlein Ingenieur Berlin NW., Luisenstr. 22. Gegründet 1878. Patent- Marken -u. Musterschutz Oeffn. azimuthal u. parallaktisch mon- tirt. (Mit und ohne Uhrwerk.) — Ocu- lar-, Nebel-, Stern-, Protuberanz-Spec- troskope. — Spec- tralapparate und Spectrometer für wissenschaftliche, technische u. Schul- zwecke. — Stern- spectrographen nach Prof. H. C. Vogel. — Heliographen ver- schiedener Art. — Spectroheliogra- phen nach Hale. — Heliostate bewähr- ter Construction. — Keilphotometer mit Registrireinrich- tung. — Astropho- tometer nach Zöll- ner. — Spectralpho- tometer div. Ba struction.e. — He- lioskop-Oculare. — Astronom. Hülfsin- strumente jeder Art. — Schraubenmikro- meterwerke. — 0Ocu- lare, Lupen, Pris- men. — Optische Bänke. — Photogr. Apparate zur Re- propuction astron. Objecte. — Neutral- | bester und bewährter : gläser mit und ohne Fassung. — Sensito- meter und Iconometer für photogr. Be- darf. — Lupenapparate und kleine Mi- kroskope_ für botanische und entomolo- gische Studien. — Projectionsapparate. SIIEIIEIIIEN Carl Zeiss, — Optische Werkstaette. Jena Mikroskope mit Zubehör. Mikrophotographische Apparate. ? Photographische Objective. & Mechanische und optische Messapparate für physikalische und chemische Zwecke. Neue Doppelfernrohre für Handgebrauch. Astronomische Objective und astro- optische Instrumente. Cataloge gratis und franco. & $ Inseratentheil: Berlin SW. 12. ER n° Sr e Redaktion: der Wirklichke t, derihre Schöpfungen schmückt, Schwendener Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XIII. Band. Sonntag, den 26. Juni 1898. Nr. 26. anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist MH 4.— Bringegeld bei der Post 15 3 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- o Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 &. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Ye Kaffee-, Zucker-, Tabak- und Thee-Cultur auf Java. Von Dr. E. Fürst. Adriaan van Ommen, Commandeur von Malabar, sandte im Jahre 1696 die ersten Kaffeepflanzen nach Java; 1706 schickte der Generalgouverneur van Hoorn die erste Kaffeeprobe nach Holland, und im Jahre 1712 wurden zum ersten Mal 112.000 Pfund..Java-Kaffee in Holland zu Markte gebracht. Einen grösseren Aufschwung nahm der Kaffeebau unter der Herrschaft des energischen General- gouverneurs Daendels, und eine verpflichtete Kultur auf Rechnung der Regierung wurde geregelt durch den Ge- neralgouverneur van den Bosch. An der Meeresküste wächst auf Java wohl Kaffee, doch ist ihm das Klima zu heiss, so dass die Bäume nicht alt genug werden, um die Mühe zu lohnen, welche ihre Cultur verursacht; erst die zweite Pflanzenzone, welehe sieh von 2000 —4500 Fuss Höhe erstreekt, kann man mit Recht ‚die Zone der Kaffeekultur nennen, denn in ihr hat der Kaffeestrauch sozusagen ein neues Vaterland gefunden. Wie ein Gürtel, der sich überall auf gleicher Höhe fort- setzt, und hier durch den herabsteigenden Wald unter- brochen wird, um sich dort als schmaler Streifen wieder höher zu erheben, umschlingen die Kaffeegärten das Ge- birge. Bei Kaffeeanpflanzungen muss eine sehr scharfe Grenze gezogen werden, zwischen denen der Regierung und solchen von Privatleuten. Wenden wir uns zunächst zu den Ersteren. Die Arbeit in den Regierungs-Kaffeegärten bildet eine Art Steuer, welche dem inländischen Volke auferlegt ist, Es ist eine gezwungene Arbeit, und die Vortheile, welche diese in grossem Maassstabe betriebene Kultur dem Mutterlande bietet, sind derartig, dass, wenn man sie plötzlich aufgeben würde, der ganze Staatshaushalt einen Schlag bekäme, von welchem er sich vielleicht nicht wieder erholen würde. Ohne die Regierungs-Kaffeekultur zu vertheidigen, muss man eingestehen, dass der Zeit- punkt noch nicht gekommen ist, in welehem ein Staats- mann es wagen könnte, die indischen Finanzen sowohl als die des Mutterlandes dieser Stütze zu berauben, doch muss danach getrachtet werden, dieses Ziel zu erreichen; die Ausnutzung eines Volkes zum Vortheil eines anderen lässt sich mit unseren Begriffen von Recht und Mensch- lichkeit nicht vereinen, auch sind Handelsvortheile viel zu unbeständig, um als Basis für das Budget eines Staates zu dienen. Wie gefährlich es ist, auch nur einen kleinen Theil der staatlichen Ausgaben auf solehen Vor- theilen beruhen zu lassen, wird Jeder leicht einsehen, der bedenkt, dass nur die hohen Kaffeepreise der letzten Jahre Schuld daran sind, dass der Staat einen nennens- werthen Gewinn erzielte, und dass ein Pfennig Unter- schied im Preise, welchen das Pfund auf den Ver- steigerungen erreicht, einen ungefähren Unterschied von 1 000 000 Gulden für die Staatskasse ausmacht. Wenn man die Kaffeekultur mit Hinsicht auf den Vortheil der Javanen betrachtet, so kann man nicht leugnen, dass die ihr anhaftenden Nachtheile erst dann verschwinden werden, wenn es glückt, sie ihm so vor- theilhaft und angenehm zu gestalten, dass er sich ihr ohne Zwang, aus eigenem Antriebe übergiebt, mit anderen Worten, dass sie eine Volkskultur wird. Ob die Be- zahlung, welche die Bevölkerung dafür erhält, der Re- gierung gestattet, beim Verkauf des Productes noch einen grossen Gewinn zu erzielen, ist eine Sache, welche, meiner Ansicht nach, die Bevölkerung nichts angeht, wenn sie Ursache hat zufrieden zu sein mit dem empfangenen Arbeits- lohn, und wenn ihr die Arbeit so leicht wie möglich ge- macht wird. Sicherlich wäre es für den Javanen vor- theilhafter, seinen Kaffee bei den gegenwärtigen hohen Marktpreisen selbst zu verkaufen; doch darf man nicht den Umstand aus dem Auge verlieren, dass, wenn die Regierung den aus der Kaffeekultur erzielten Gewinn entbehren müsste, der Javane andere Steuern aufzu- bringen hätte, welche ihm viel schwerer fallen würden, als der Verlust eines Gewinnes, den er nicht fühlt. Ob die gegenwärtige Kultureinrichtung, im Gegensatz zu der früheren, allen. billigen Anforderungen entspricht, wage ich nicht zu bejahen, doch besteht sicherlich ein Streben 298 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 26. nach Verbesserung, welches die Bevölkerung mit der Kaffeekultur versöhnt und sie, trotz gezwungener Lieferung des Produetes zu einem, im Vergleich zum Marktpreise geringen Geldbetrag, ermuthigt, die Kultur aus eigenem Antriebe auszubreiten. Dass- die Regierung dabei nicht zu kurz kommt, be- weist der Umstand, dass sie für 100 Pfund Kaffee 21.50 Mark bezahlt und diese Quantität nach Abzug aller Un- kosten in Holland für 102 Mark verkauft. Die Re- gierungs-Kaffeeanpflanzungen zerfallen in Garten-Kaffee, Wald-Kaffee und Dorf-Kaffee. In den Gärten ist der Kaffeestrauch regelmässig angepflanzt, im Schatten von Dadap-Bäumen (Erythrina) oder von anderen Schatten- spendern, die rasch wachsen und viele Blätter erzeugen. Zum Anpflanzen von Wald-Kaffee werden die kleinen Sträucher im Walde niedergehauen und entfernt, so, dass die grossen Bäume dem Kaffee den nöthigen Schatten spenden. Die dritte Kaffeeart, deren Anpflanzung in den letzten Jahren sehr ausgebreitet wurde, weil sie mit viel weniger Mühe und Zeitopfer von der Bevölkerung besorgt werden kann, wird unter dem Schatten von Ba- nanenbäumen in den Dörfern selbst angepflanzt und dient meistens als Hecke zur Abgrenzung der einzelnen Grund- parzellen. In jedem Distriet, in welchem die Kaffee- kultur unter einer der oben angegebenen Formen besteht, wird der Bevölkerung durch europäische Beamte auf- getragen, den Boden zu bearbeiten, die Kaffeebäume zu pflanzen und für deren Unterhalt zu sorgen, die Früchte zu pflücken, die Bohnen von ihrer fleischigen Hülle zu befreien und das Product in den Regierungspackhäusern abzuliefern; da empfängt die Bevölkerung ihre Bezahlung, welche nur von der Menge des abgelieferten Productes abhängt, so dass sie das Risiko einer Missernte zu er- tragen hat. Da die Arbeit zur Erzielung einer gewissen Quantität Kaffee in verschiedenen Gegenden sehr ver- schieden ist, so ist der Lohn in manchen Fällen der Mühe ganz angemessen, in anderen aber wieder sehr karg, wenn man bedenkt, dass der Arbeiter oft meilen- weit laufen muss, um nur zu seinem Arbeitsplatze zu kommen, denn die Gärten liegen oft sehr weit ab von Dörfern, deren Bewohner sie zu versorgen haben, und dass er durch den Hin- und Heimweg eine Menge Zeit verliert, welche er viel besser zu seinem eigenen Vortheil anwenden könnte. Im Gegensatz zu der durch die Regierung ausge- übten Kaffeekultur, erfreut sich die private Kaffeeindustrie eines riesigen Aufschwunges. Um diese Kulturart ganz verständlich zu machen, ist es wohl am vortheilhaftesten, das Werden einer Kaffeeplantage von Anfang an zu ver- folgen. Trotz der grossen Entwickelung, deren sich Java erfreut, giebt es auf dieser Insel, besonders in ihrem östlichen Theil, noch sehr ausgebreitete Urwälder. Solch ein Urwaldboden ist für die Kaffeekultur meistens sehr geeignet, denn, wo grosse Bäume üppig wachsen, da kommt auch der Kaffeestrauch gut fort. Der Pflanzer sucht sich also eine Gegend aus mit üppiger Vegetation, untersucht die Bodenbeschaffenheit, achtet auf die Wind- richtung und auf den durehschnittlichen Regenfall, sieht, ob das Land genügend mit fliessendem Wasser versehen ist, oder ob er solches eventuell in genügender Menge aus einem in der Nähe fliessenden Bache mittels einer Wasserleitung dahin bringen kann und fängt die Arbeit damit an, dass er um den von ihm gewünschten Land- strich. einen Fusspfad zur Abgrenzung zieht. Diese Arbeit ist sehr mühevoll, denn Schritt für Schritt muss man sich dureh oft undurchdringliches Gesträuch mit Beil und Hack- messer einen Weg bahnen. Von Seiten der Wald- bewohner ist man dabei manchen Gefahren ausgesetzt, und die im Walde in freier Luft zugebrachten Nächte sind der Gesundheit wenig zuträglich. Ist diese Arbeit abgelaufen, so reicht er bei der Regierung ein Gesuch ein, zur Ueberlassung des abgegrenzten Landstriches in sogenannter Erbpacht auf 99 Jahre. Die Regierung sehiekt dann einen Beamten ab, welcher mit dem Pflanzer die Grenze der künftigen Plantage besichtigt. Ist ein Dorf in derselben enthalten, so müssen die Bewohner aus- gekauft werden; auch wird denselben Vergütung gewährt für den Verlust von jedem productiven Waldbaum, z.B. Zuckerpalme oder Gummibaum, welchen sie in regel- mässiger Behandlung haben, zum Verdienen ihrer täg- lichen Nahrung. Ist dies geordnet, so wird an jede Ecke der Plantage ein Grenzstein gesetzt und der Geo- meter misst den Inhalt der Parzelle ab. Während der ersten sieben Jahre wird kein Pachtgeld bezahlt, von da ab bezahlt man jährlich etwa 4 Mark für je 7000 Quadrat- meter. Nach Ablauf der 99 Jahre kann der Contract mit der Regierung erneuert werden, sonst, oder falls das Land früher verlassen wird, ergreift die Regierung Besitz von demselben mit allen darauf stehenden Gebäuden und Anpflanzungen. Eine wichtige Frage ist die der Ueber- lassung des Wassergebrauches; dabei achtet die Re- gierung stets darauf, dass man aus einem Bache nicht zu viel Wasser abzapft, und dass nichtverbrauchtes Wasser stets in den Bach zurückgeführt wird, damit die tiefer gelegenen Dörfer, welche aus dem Bache ihr Wasser be- ziehen, nicht plötzlich an Wassermangel leiden. Ist mit der Regierung Alles geordnet, was oft ziemlich lange dauert, so kann mit der Urbarmachung angefangen werden. Das Urbarmachen eines Stückes Urwald ist eine äusserst anstrengende und langwierige Sache, man hat dazu vor Allem die erforderliche Anzahl Kulis (Arbeiter) nöthig. Da im Urwald natürlich nichts käuflich zu er- halten ist, muss man auch für ihre Ernährung und für ihre Wohnung sorgen, denn, wollte man sie jede Nacht, bei jeglicher Witterung, unter freiem Himmel schlafen lassen, oder liesse man sie hungern, so würde man binnen einigen Tagen sicherlich allein auf der künftigen Plantage stehen. Man baut also zunächst für die Leute eine sehr geräumige Bambushütte, sorgt dafür, dass die nöthige Nahrung regelmässig angebracht wird, und schliesslich lässt der Pflanzer für sich selbst auch eine Bambushütte herstellen, denn es ist unbedingt nothwendig, dass er, so lange er keine europäischen Inspeetoren hat, selbst auf dem Lande wohne und den ganzen Tag die Arbeit con- trollire, damit diese auch nur einigermaassen von Statten gehe. Natürlich wird nicht die ganze Parzelle gleich im ersten Jahre urbar gemacht; in den meisten Fällen würde dieses bei der Ausbreitung des Grundstücks eine un- möglich zu bewältigende Arbeit sein. Ein Land von mittlerer Grösse umfasst immerhin etwa 9—10 Millionen Quadrat-Meter; im ersten Jahre bepflanzt man eine Million fünthunderttausend Quadrat-Meter, in jedem der folgenden 4 Jahre etwa fünfhunderttausend, den Rest des Bodens lässt man als Urwald ruhen; in späteren Jahren wird man ihn als Wechselgrund schon nöthig haben; ist nämlich ein Kaffeebaum 15—20 Jahre alt, so trägt er nicht mehr genug, um die dureh seinen Unterhalt bedingten Un- kosten nebst normalem Gewinn zu erzielen. Einen aus solehen Bäumen bestehenden Garten schreibt man ab, d. h. man rottet die Kaffeebäume aus, lässt nur die Schattenbäume stehen und kümmert sich um diesen Grund nieht weiter; in sehr kurzer Zeit wird er wieder zu einem Miniatur-Urwald, und dann muss man ihn etwa 10 Jahre brach lassen, bevor man ihn wieder mit Kaffee bepflanzen kann. Um den normalen Bestand der Plantage an Kaffee- bäumen aufrecht zu erhalten, wird dann ein Theil des XIII. Nr. 26. Wechselgrundes urbar gemacht, und, wenn dieser ganz verbraucht ist, hat sich der früher einmal angepflanzte Boden soweit erholt, dass man ihn als zweiten Wechsel- grund gebrauchen kann. Doch kehren wir zu unserer Plantagen-Anlage zurück. Der ganze im ersten Jahr anzupflanzende Theil wird durch Traces in Stücke von etwa achttausend Quadrat-Meter Oberfläche eingetheilt. Jetzt handelt es sich darum, sämmtliche Bäume und Sträucher umzuhauen, das Holz zu entfernen und kleinere Baumwurzeln auszug waben. Die einzelnen Grundstücke trachtet man, zur Säuberung, zu einem vereinbarten Preise inländischen Arbeitern in Accord auszugeben; diejenigen, für welche man keine Liebhaber findet, müssen durch Tagelöhner gesäubert werden, was jedoch sehr theuer zu stehen kommt und sehr viele und theuere Aufsicht er- heischt, da die Haupteigenschaften der Javanen, mit sehr wenig rühmlichen Ausnahmen, in unbeschreiblicher Faul- heit und Nachlässigkeit gipfen. Das Bäume-Fällen dauert gewöhnlich ziemlich lang, da der Javane meistens nur mit seinen, von den Vätern ererbten, äusserst primi- tiven Geräthen arbeiten will. Zur Illustration sei es mir gestattet, eine kleine Episode zu erwähnen, welche sich vor etwa 15 Jahren beim Ausbau des Bataviaschen Hafens zutrug; es waren dabei grössere Erdtransporte nöthig, die sehr langsam von Statten gingen, weil die Arbeiter die Erde in kleinen Körbehen, die sie auf dem Kopf trugen, transportirten. Um die Sache zu be- schleunigen, bestellte die Regierung in Holland eine grosse Anzahl von Schubkarren; die Kulis weigerten sich” zwar - nicht, diese ihnen die Arbeit sehr erleichternden Geräthe zu probiren, thaten es aber auf eine ganz eigene Weise: sie füllten ihren Schubkarren mit Erde, nahmen ihn auf den Kopf und trugen ihn weg. Um keinen Preis wollten sie ihn anders gebrauchen, und da ihnen im Vergleich zu ihrem Körbehen das Tragen eines ganzen Schub- karrens voll Erde zu schwer wurde, liessen sie einfach die Arbeit liegen und verschwanden; auf diese Weise erzwangen sie sich die Erlaubniss, weiter in ihrer alther- gebrachten Weise zu arbeiten. Ein Hinderniss, welches sich dem Pflanzer öfters in den Weg stellt, darf nicht unerwähnt bleiben. Beim Fällen der Bäume weigern sich oft die Kulis, irgend einen Baum, meistens eine Ficus indieca, umzuhauen, in- dem sie- behaupten, dass in diesem Baum ein Geist seinen Wohnsitz aufgeschlagen hat, welcher es sehr verübeln würde, wenn man ihn daraus vertriebe und sich eventuell dafür nicht nur an den Arbeitern, sondern selbst am Pflanzer rächen könnte. Solchen inländischen Prophe- zeihungen durch Nichtachtung derselben entgegenzutreten, ist eine äusserst gefährliche Sache; wenn auch der an- gebliche Geist sich friedlich verhält, so befolgt der Ja- vane dieses gute Beispiel nicht; seine Prophezeihung muss unter allen Umständen erfüllt werden, da sonst er mit sammt seinem Geiste in den Augen der übrigen Be- völkerung blamirt wäre; thut also der Geist nichts, so handelt er selbst, und es giebt auf Java genug Pflanzen- gifte, die dem Europäer unbekannt sind, und die sich mit den dort vorhandenen Hilfsmitteln nicht nachweisen lassen. Der Klügere giebt den Leuten einfach nach und setzt sich mit irgend einem einflussreichen, alten Manne aus einer in der Nähe liegenden Ortschaft in Verbindung; auf dessen Rath wird unter den Baum eine Reismahlzeit nebst etwas Geld als Viaticum für den Geist gelegt; die Ar- beiter werden um den Baum versammelt, der betreffende Greis erscheint in seiner besten Kleidung und mit würdiger Amtsmiene, beschwört den Geist, befiehlt ihm den Ort zu verlassen, läuft dreimal um den Baum herum, spuckt ihn dreimal an, isst -den Reis, steckt das Geld ein und führt den ersten Axthieb gegen den Baum; dann ist Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 299 dieser entzaubert, und die Arbeiter getrauen sich ihn um- zuhauen, was dem Pflanzer immerhin zum Vortheil ge- reicht, denn die Ficus indica hat oft ganz gewaltige Dimensionen und nimmt den Platz für eine ganze Anzahl Katfeebäume weg. Der hocheivilisirtte Europäer wird natürlich über diese Anschauung des abergläubischen Ja- vanen lächeln; ich möchte nur die Frage stellen: Steht denn unsere Landbevölkerung, ja selbst der minder ent- wickelte Theil unserer Stadtbevölkerung eigentlich auf einer höheren Stufe? Sind die Bäume gefällt, so handelt es sich darum, die Oberfläche des Grundes zu säubern; es wäre ja ein sehr einträgliches Geschäft, dieses gefällte Holz zu ver- kaufen, doch ist das einfach unmöglich, denn erstens sind keine Abfuhrwege vorhanden und zweitens keine Trans- portmittel; die meisten Bäume haben nur den Werth von Brennholz, würden also die Unkosten eines grösseren Transportes kaum einbringen, und, wollte man sie an Ort und Stelle verkaufen, so dürfte sich wobl aus oben ver- meldeten Ursachen kein einziger Käufer einfinden. Das wenige Nutzholz wird, wenn möglich, in der Umgegend verkauft, und wilde Obstbäume mit essbaren Früchten lässt man stehen. Die gefällten Bäume werden zunächst in Stücke zerlegt, und man verfertigt daraus grössere oder kleine Scheiterhaufen, die man, sobald sie einiger- maassen trocken sind, so lange immer wieder anzündet, bis alles Holz möglichst verbrannt ist. Die Asche wird über den Grund zerstreut und erhöht dessen Nährkratft. Kleinere Baumwurzeln werden ausgegraben, grosse lässt man stehen. Nun kommt die Eintheilung des gesäuberten Grundes in sogenannte Gärten, deren jeder von einem Wege um- geben ist. Zur rationellen Ausnutzung des vorhandenen Platzes ist äusserste Regelmässigkeit in der Anpflanzung nothwendig. Man bestimmt also mit einem Stäbchen die Stelle für einen jeden einzelnen Kaffeebaum; sowohl die Längs- als die Querreihen müssen schnurgerade und unter- einander vollständig parallel sein, die durchschnittlich 20 000 Quadratmeter umfassenden Gärten bilden Parallelo- gramme und enthalten 2500 Kaffeebänme und zwar 100 in der Länge, 25 in der Breite des Parallelogramms. Mitten durch die künftige Anpflanzung wird ein breiter Fahrweg angelegt, welcher, falls noch keine Verbindung vorhanden ist, zur Abfuhr des späteren Productes, bis zur nächstliegenden Ortschaft durchgezogen wird. Nun werden Pepinieren angelegt. Der Samenkaffee, der noch in seiner Hornschale sitzt, frisch gepflückt sein muss, auch nicht von zu jungen Bäumen herstammen darf, wird von einer möglichst blühenden Plantage herbezogen. Man weicht ihn erst 24 Stunden lang in Wasser ein, welches mit Holzasche versetzt ist, dann kann man ihn auspflanzen. Die Pepiniere wird in I m breite, lange Beete eingetheilt. welche, zum Abfliessen des Wassers, von kleinen “Gräben umringt sind. Diese Beete werden sehr tief umgearbeitet und gegen die Mittagshitze mit einem auf Bambus-Säulen ruhenden Blätterdach überdeckt; die ganze Pepiniere wird gegen das Eindringen von Affen oder Wildschweinen mit einer dichten und festen, aus Bambuslatten bestehenden Hecke umringt. Dann werden die Kaffeebohnen auf Ab- ständen von etwa 10 Centimeter ausgelegt; sobald sie anfangen sich über den Grund zu erheben, wird das Dach durch Herausnehmen eines Theiles der Blätter aus- sedünnt, so dass, wenn die Pflänzchen etwa 10 Centimeter hoch sind, sie kein Dach mehr zu ihrem Schutz haben; dann aber muss man sie bis zum Einfallen der Regenzeit alle 2 bis 3 Tage tüchtig begiessen; auch müssen in- zwischen die .Beete öfters gegätet und umgearbeitet werden. In den angelegten Gärten fängt nun eine neue Ar- 300 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 26. beit an; an der Stelle, an welcher ein Kaffeebaum ge- pflanzt werden soll, wird ein 40 Centimeter breites und 70 Centimeter tiefes Loch gegraben, und die ausgehobene Erde wird um dasselbe hin zerstreut; nachdem diese Löcher 5—6 Wochen offen gelegen haben, werden sie wieder gefüllt, wobei sehr darauf zu achten ist, dass nur wieder Erde hineinkommt, und keine Steine oder Holz- stücke. Die Füllung geschieht so, dass nur an Stelle des Loches ein kleiner Hügel entsteht. Jetzt muss das Einfallen des Regens abgewattet werden; die dazwischen liegende Zeit verwendet man dazu, die angelegten Wege zu verbessern, bequeme Niederlassungen für die Arbeiter zu errichten und wohn- liche Häuser für den Pflanzer selbst und für sein euro- päisches Personal zu bauen. Die Arbeiterwohnungen bestehen aus 4 geflochtenen Bambus-Wänden mit einem dichten Schilfdach; jedes Haus hat eine Thüre; Fenster sind unnöthig denn tagsüber wird jegliche Arbeit, selbst das Kochen, im Freien verrichtet, und durch das lose Bambusgeflecht ist genügend für Ventilation im Hause gesorgt. Zu jedem Hause gehört ein kleines Gärtchen, in welchem die Hausbewohner Gemüse und sonstige Zu- speisen zum Reis anpflanzen können. Jeder Familie wird soleh ein Haus mit Garten unentgeltlich zur Verfügung gestellt, mit der Verpflichtung, dass jeder Bewohner täg- lich gegen einen festen Lohn auf der Plantage zu ar- beiten hat. Für unverheirathete, männliche Arbeiter werden oft grössere, kasernenartige Bambusgebäude er- richtet, welehe aus einem mittleren Gang bestehen, an den sich beiderseitig kleine Zimmerchen anreihen. Auch sorgt man dafür, dass ein umzäunter Platz vorhanden sei, mit kleinen Baracken, auf welchen ein- oder zweimal wöchentlich ein Passar (Markt) abgehalten werden kann. Je bequemer solch ein Marktplatz eingerichtet ist, desto eher wird sich die Bevölkerung etwaiger in der Nähe liegender Dörfer daran gewöhnen, den Markt zu besuchen, um dort zu verkaufen resp. einzukaufen. Die Wohnungen für Europäer sind so ziemlich nach einem Muster gebaut; sie bestehen hauptsächlich aus einer vorderen und aus einer hinteren Veranda, die mit einem Gange verbunden sind, an dessen beiden Seiten sich die Zimmer anschliessen; Küche, Badezimmer, Speisekammer und sonstige Nebenräume bilden ein besonderes kleineres Gebäude, welches mit dem Hauptgebäude durch einen überdeckten Gang verbunden ist. Zu jeder Europäer- Wohnung gehört ein grösserer Gemüsegarten, eine Wagen- remise und ein Pferde- und Viehstall. Die auf der Plan- tage arbeitende Bevölkerung erhält, wenn sie krank ist, gratis Medieinen, deshalb ist auf jeder Plantage eine kleine Handapotheke vorhanden, und die Medieinen werden von den Europäern ausgetheilt. In schwereren Fällen werden die Kranken in das Distrietshospital eva- euirt. Die Javanen sind perfecte Simulanten; da es sehr oft vorkommt, dass sich ein Arbeiter des Morgens krank meldet, ohne es wirklich zu sein, um nicht zur Arbeit herangezogen zu werden, sorgt man dafür, dass man in der Apotheke stets einige furchtbar schlecht schmeckende, möglichst unschädliche Mittel vorhanden habe. Finen solehen Simulanten, der des Morgens als krank ge- meldet wird, bestellt der Pflanzer sofort zu sich, bedauert ihn sehr ob seiner gefährlichen Krankheit und giebt ihm als Mittel eine tüchtige Dosis einer Mischung von Rieinusöl mit Chininpulver; sobald der angebliche Kranke auf diese Weise regalirt wurde, trachtet er sich mit einer tiefen Verbeugung stillschweigend zu entfernen; erfahrene Pflanzer lassen das nicht zu, sondern sie fordern ihn auf, erst einmal tüchtig zu pfeifen, zum Zeichen, dass er seine Mediein auch wirklich geschluckt hat; wird der Mann un- willig, so giebt man ihm handgreiflich zu verstehen, dass, falls er auf der Plantage bleiben will, er auf jeden Fall den Anordnungen seiner Vorgesetzten Folge zu leisten hat. Es kommt sehr selten vor, dass ein Kuli sich zum zweiten Mal einer solchen Kur unterzieht: entweder zieht er betrübt von der Plantage weg, oder er kommt zur Einsicht, dass der Europäer doch noch schlauer war, als er selbst. Natürlich muss dafür gesorgt werden, dass stets ge- nügendes, am besten fliessendes Wasser vorhanden sei, denn der Javane hat die Gewohnheit, täglich nach der Arbeit ein Bad zu nehmen, und falls er das vermissen müsste, würde er einfach fortziehen; auch in den Gärten muss dafür gesorgt werden, dass der Kuli stets zu trinken habe. Beim Einfallen der Regenzeit bietet die Plantage wieder ein sehr lebendiges Bild; erst werden die für den Kaffee nothwendigen Schattenbäume gepflanzt, wozu man meistens Stecklinge von Erythrina gebraucht; man rechnet auf 16 Kaffeebäume einen Schattenspender; dann müssen die Kaffeepflänzchen aus den Pepinieren in die Gärten übergepflanzt werden, dieses kann auf zweierlei Arten geschehen: Entweder werden die Pflänzehen mit einer Erdscholle ausgegraben und so übergepflanzt, das ist eine ziemlich sichere, aber, wegen der Transportkosten der schweren Erdschollen, auch eine ziemlich theuere Pflanz- weise; oder die Pflänzchen werden in der Pepiniere aus- gezogen, in Bündeln von 25 Stück zusammengebunden, jedes Bündel wird in frische Blätter eingewickelt, damit die Wurzeln nicht austrocknen, und 50 solehe Bündel werden in einem bedeckten Korbe den Pflanzkulis zu- gebracht. Die zweite Weise ist billiger, als die erste, aber lange nicht so sicher, denn es geht viel längere Zeit darüber hin, bis die Pflänzchen sich erholen und zu wachsen anfangen. Das Pflanzen geschieht in der Weise, dass zwölf Männer unter Aufsicht eines Mandoors (java- nischer Aufseher), die früher erwähnten, kleinen Pflanz- hügel wieder ebenen und mit eimem dicken Setz- holz ein Pflanzloch hineinstossen. Diesen Männern folgen ebensoviele, wieder unter besonderer Aufsicht stehende Frauen, welche die Pflänzchen in die Löcher einpflanzen. Ist das ganze Terrain angepflanzt, so wird jedes einzelne Pflänzchen wieder controlirt, und diejenigen, welche nach Ablauf von etwa 10 Tagen noch nicht ganz frisch stehen, werden ausgezogen und durch andere ersetzt; letztere Ar- beit heisst Sulam und wird so oft wiederholt, als der Pflänzchenvorrath in der Pepiniere ausreicht. Eine solche Pflanzweise unterscheidet sich dadurch von der brasiliani- schen, dass auf Java nur ein Pflänzchen in ein Loch kommt, während in Brasilien mehrere dicht nebeneinander gepflanzt werden. In Brasilien lässt man nämlich den Kaffee als Strauch wachsen, während er auf Java zu einem Baum gezogen wird; abgesehen davon, dass ein gut unterhaltener Baum sicherlich ebensoviel tragen wird, als 5 oder 6 mittelmässig gepflegte Sträucher, ist der Anblick einer javanischen Kaffeeplantage ein viel schönerer, als der einer brasilianischen, welche immerhin einen urwaldartigen Eindruck macht. Eine solche Pflanz- weise ist auf Java möglich, weil dort stets genügende und billige Arbeitskräfte vorhanden sind, was in Brasilien nicht der Fall ist. Nun werden sämmtliche Gärten ganz und gar um- gearbeitet, dann nach einiger Zeit gegätet, was bei der üppigen tropischen Vegetation sehr bald nöthig wird, und das Unkraut wird in den Gärten zwischen den Kaffee- reihen eingegraben. Dieses Reinhalten der Anpflanzung muss von nun ab immer geschehen, denn der Kaffeebaum ist eine sehr empfindliche Pflanze, und schon wenig Un- kraut schadet ihm in sehr hohem Maasse. Auf diese Weise läuft das erste Pflanzjahr (von Anfang März bis XII. Nr. 26. Ende Februar) ab. Die Arbeit des zweiten Jahres wird leichter. In den allermeisten Fällen hat man noch auf absolut kein Product zu rechnen, es handelt sich also nur darum, die bestehende Anpflanzung gut zu unterhalten und dureh eine neue, kleinere, auszubreiten. Wohnungen und Wege werden in dieser Zeit verbessert, und es wird ein zweites Dorf in einiger Entfernung vom ersten an- gelegt, damit die Arbeiter von ihrer Wohnung zum Ar- beitsplatz nicht zu weit zu gehen haben. Auch fängt man an, Holz und Steine anzusammeln, zum Bau einer Fabrik, in welcher der Kaffee für den europäischen Markt behandelt werden kann. Die Steine werden, wo Lehm- boden vorhanden ist, auf der Plantage selbst gebrannt. Das Bauholz wird von chinesischen Zimmerleuten bear- beitet; da man natürlich keine Architeeten zur Hand hat, so muss der Pflanzer nicht nur als Baumeister, sondern auch als Zimmermeister und Ziegelbrenner fun- giren können, da er die Arbeit angeben und controliren muss. Die Steine lässt man von Javanen formen und brennen, ihr Lohn wird nach tausend Steinen berechnet. Die Geschicklichkeit der chinesischen Zimmerleute kann ich niebt genug rühmen; auch sie arbeiten mit ihren heimathlichen, sehr primitiven Werkzeugen und sind jeder Neuerung abhold, aber sie sind sehr fleissig, haben ein ausgezeichnetes Augenmaass und liefern gute Arbeit. Während der Regenzeit des zweiten Jahres wird das neue, vorbereitete Terrain bepflanzt und so kommt man zum dritten Jahre, welches wieder Arbeit in Hülle und Fülle mit sich bringt. Da müssen die beiden vorhergehenden Anpflanzungen gut unterhalten werden, eine dritte An- pflanzung, welche, wie die zweite, eine Oberfläche von etwa 500000 Quadratmeter besitzt, muss zuStande kommen, und ausserdem muss die Fabrik fertig gestellt werden, da man schon in diesem Jahre auf einiges Product der ersten Anpflanzung rechnen kann. Solch eine Fabrik, die stets in unmittelbarer Nähe der Wohnung des Pflanzers angelegt wird, muss mit fliessendem Wasser im Ueberfluss versehen werden, sie besteht aus der eigentlichen Fabrik, den Trockenhorden, der Darre, einem Raum zum Be- freien der Kaffeebohne aus ihrer Hornhülle und einem Packhaus. Im Mai etwa fängt die erste Anpflanzung an zu blühen. Einen schöneren Anblick als den eines blühenden Kaffeegartens wird man nicht leicht wieder finden. Die dunkelgrün - blättrigen Bäume sind ganz übersäet mit weissen Blüthen, die einen herrlichen, vanilleartigen Ge- ruch verbreiten, welcher oft so stark ist, dass man es nicht lange in einem solchen Garten aushalten kann. Während der Blüthezeit, welche nur einige Tage dauert, darf in den Gärten nieht gearbeitet werden, da, durch Anstreifen an die Bäume, die Blüthen abgeschüttelt werden könnten. Nach Ablauf der Befruchtung fällt die Blüthe ab, und nun müssen sämmtliche Gärten energisch von jeg- lichem Unkraut befreit werden. An Stelle der Blüthe entsteht ein kleines, grünes Knöpfehen, welches zu einer mittelgrossen, grünen Kirsche heranwächst, die, nachdem sie ihre normale Grösse erreicht hat, nach und nach dunkelroth wird. Dann ist sie reif und zum Pflücken geeignet. — Solch eine reife Kaffeekirsche besteht aus einer dieken, fleischigen, mit zuekersüssem Saft durch- tränkten Hülle; in der Kirsche befinden sieh zwei, mit ihrer flachen Seite aneinanderliegende Bohnen, welche erst von einem dünnen sogenannten Silberhäutehen und darüber von einer festen Hornschale umgeben sind. Das Pflücken geschieht durch Frauen; diese Arbeit muss nämlich mit grosser Sorgfalt und unter steter, strenger Aufsicht geschehen, denn nur die Kaffeekirsche darf abgepflückt werden, ihr kurzer, dicker Stiel muss am Baume sitzen bleiben; auch dürfen, mit Rücksicht Naturwissenschaftliche Wochensehritt. 301 auf die spätere Qualität des Productes, nur ganz reife Kirschen abgenommen werden. Jede Kirsche muss also auf ihren Reifegrad beurtheilt und einzeln abgenommen werden, und zu solcher Arbeit sind männliche Arbeiter durchaus ungeeignet; wenn sie sich zu wirklichem Pflücken bequemen, so machen sie keinen Unterschied zwischen ganz- und halbreifen Kirschen, und reissen bei letzteren meistens die Stiele mit ab, gewöhnlich aber streifen sie ganze Aeste in untergehaltenen Körben ab, so dass nicht nur Kirschen und Stiele, sondern auch die Blätter mit abgerissen werden; letztere werden dann von ihnen wieder herausgesucht, und wenn man einem Arbeiter oder einer Arbeiterin eine solche Unregelmässigkeit nachweisen kann, so hat man ja wohl das Recht, ihn ohne Bezahlung wegzu- jagen, aber der auf diese rohe Weise behandelte Ast bleibt mindestens ein Jahr lang unfruchtbar. Ueberhaupt möchte ich hier beifügen, dass man keinen javanischen Arbeiter, selbst nicht dem besten, auch nur einen Augenblick trauen darf. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend ist es sein einziges Streben, seinen Tag in einem süssen far niente zu verbringen; seine Bedürfnisse sind gering, die gewöhnlichen Lebensmittel kosten fast nichts, er hat also keine Sorge um seinen Lebensunterhalt, da er weder Hunger noch Kälte kennt, und er treibt einen förmlichen Sport damit, seinen Brotherrn zu betrügen, wo er nur kann. Die grössten Wohlthaten würden ihn von diesem, in seinen Augen so verdienstlichen Streben nicht zurück- halten, denn Dankbarkeit ist ihm ein unbekanntes Ge- fühl, ja in seiner überreichen Sprache besitzt er nicht mal ein Wort für diesen Begriff. Er theilt die Mensch- heit ein in schlaue Leute, vor welchen er Angst hat, und in dumme, die ihn fürchten. Wer ihm aus Humanität wohl tbut, gehört, seiner Ansicht nach, zu den letzteren. Liebe und Freude zur Arbeit gehen ihm ganz ab; er ar- beitet eben, weil man ihn dazu zwingt, trachtet seine Arbeit so bequem und flüchtix wie nur möglich za ver- richten und betrachtet seinen Arbeitgeber als seinen na- türlichen Feind, dem gegenüber jeglicher Kniff nicht nur erlaubt, sondern sogar verdienstlich ist. Der Javane ist eben ein grosses Kind, dem jegliche Ueberlegung fehlt, dem sogar die Sorge für den nächsten Tag für sich und die Seinen ganz abgeht. In seinen Augen ist es Allah’s Sache dafür zu sorgen; thut dieser es nicht, dann nimmt er es ihm weiter nicht übel und denkt, dass ihm vorher bestimmt war, an diesem Tage in weniger üppigen Umständen zu leben. In früheren Jahren war das besser; liess ein Kuli sich etwas zu Schulden kommen, so schickte man ihn mit einem Briefehen zum nächsten europäischen Distriktsbeamten, welcher ihm, mittels des spanischen Rohres, begreif lich machen liess, dass er sich bessern müsse. An eine solche Behandlung waren die Javanen von Alters her gewöhnt, sie regten sich darüber nicht im mindesten auf, und da sie den Vorzug einer grossen Deutlichkeit hatte, so wirkten 25 Hiebe immer viel besser, als stundenlange Vorwürfe: nur musste man sich davor hüten, sie un- schuldiger Weise bestrafen zu lassen, denn dann erwachte ihr Rachegefühl, welchem sie unter allen Umständen Be- friedigung verschafften. Verkehrte, humanitäre Bestrebungen in Holland, von Leuten, die nie in den Colonien waren, also vom Charakter des Inländers keine Ahnung hatten, brachten es so weit, dass die Prügelstrafe abgeschafft wurde; der Einfluss dieser Maassregel machte sich sehr bald bemerkbar; ihr System von Angst haben und Angst einflössen, brachte die Javanen dazu, den Europäer in die Kategorie der Leute einzureihen, welche Angst vor ihnen haben, und seit dieser Zeit gehört sehr viel Takt und Energie dazu, mit ihnen auszukommen. Das einzige geringere Vergehen. welches jetzt noch sehr streng be- straft wird, ist das Stehlen von Kaffee, aber wohl nur 302 deswegen, weil die Regierung selbst Pflanzer ist und ihr Product vor fremden Eingriffen beschützen will. Der abgepflückte Kaffee wird von den Pflückfrauen zur Fabrik gebracht und dort nach dem Gewicht oder nach dem räumlichen Maasse bezahlt. Die Fabrik ist ein aus vier übereinanderliegenden Terrassen bestehendes Gebäude. Auf der obersten Terrasse befindet sich ein grosser Trog zur Aufnahme der frisch gepflückten Kaffeekirschen, welche aus diesem Trog entweder durch eine Rinne, oder mittels einer Jakobsleiter in einen auf der zweiten Terrasse stehenden Pulper (Mühle) geleitet werden, wo die Fleischhüllen entfernt werden. Aus dem Pulper gerathen wiederum durch Rinnen die noch von der Hornschale umhüllten Kaffeebohnen in die auf der dritten Terrasse stehenden Fermentirtröge, und von da in den sich auf der vierten, der niedrigsten Terrasse befindlichen Waschtrog. Der Kaffee kann auf zweierlei Weise abgearbeitet werden: ostindisch und westindisch. Die ostindische Art ist sehr einfach: die frisch gepflückten Kaffeekirschen werden auf Trockenhorden gelegt und in der Sonne getrocknet. Auf diese Weise erzielt man jedoch nicht die auf dem europäischen Markte gewünschte gleichmässige, blau- grüne Farbe der Bohnen; diesen Zweck erreicht man nur mittels der westindischen Bearbeitungsart, welche auf folgende Weise stattfindet: Die frischen Kirschen werden im Pulper zwischen zwei Gummiwalzen sanft gequetscht, so dass die Bohnen von der fleischigen Hülle befreit werden. Die Bohnen, welche immer noch im Silber- häutehen und in der Hornschale eingeschlossen sind, und ausserdem noch eine sich um letztere _befindende, schleimige Hülle besitzen, werden in den Gährtrögen auf- gehäuft und mit Schilfmatten zugedeckt. So lässt man sie ein bis zwei Tage liegen, denn die sich auf diese Weise entwiekelnde Wärme bewirkt, dass sie leichter vom Sehleim befreit werden können, auch hat sie Einfluss auf die spätere Farbe des Productes. Nach 24 bis 48 Stunden kommen die Bohnen in den Waschtrog und werden da tüchtig gewaschen, so dass jede Spur von Schleim von ihnen entfernt wird; dann bringt man sie auf die Trocken- horden, das sind zwanzig Meter lange und zwei Meter breite, auf Pfählen ruhende Bambushorden, welche mit einem beweglichen Dache versehen sind, das man bei Sonnenschein öffnen, bei Regenwetter und Nachts schliessen kann. Der darauf !/, Fuss diek liegende Kaffee muss alle zwei Stunden mit hölzernen Schaufeln umgearbeitet werden, damit auch die unteren Schichten tüchtig mit der Luft in Berührung kommen; so bleibt er liegen, bis er lufttroeken ist, d. h. bis an seiner Aussenseite keine Spur von Feuchtigkeit mehr zu entdecken ist. Dann kommt er in die Darre, ein mit Luftheizung versehenes Gebäude, in welchem der Kaffee in einer oder mehreren Etagen auf einem aus durchlöcherten Zinkplatten be- stehenden Boden liest und unter fortwährendem, mechani- schen Umarbeiten trocknet, bis er glashart ist. Der richtige Grad von Trockenheit wird dadurch geprüft, dass man an verschiedenen Stellen Bohnen herausnimmt und mit einem Hammer darauf schlägt, dann müssen sie wie Glas auseinanderspringen. Die Temperatur in der Darre darf 60° nicht übersteigen, da sonst der Kaffee leicht geröstet würde. Von der Darre kommt der Kaffee in einen Schuppen, in welehem sich die nöthigen Maschinen zur vollständigen Abarbeitung befinden. In Obigem besteht die sogenannte westindische Bearbeitung des Kaffees; sie ist viel mühe- voller und kostspieliger als die ostindische, doch be- weisen die mit ihrer Hilfe erzielten Preise, dass sie auch viel lohnender ist, denn auf dem europäischen Markt be- urtheilt man den Kaffee hauptsächlich nach ‚seiner gleich-. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 26. mässigen Farbe, und wenn man keine künstlichen Färbe- mittel anwenden will, was leider nur zu oft geschieht, so kann dieser Zweck nur mittels der westindischen Bear- beitung erreicht werden. Nun handelt es sich darum, den Kaffee für den Markt abzuarbeiten. Zu diesem Zweck kommt er in einen Huller, eine Mühle, in der wieder durch sanfte Quetschung die Hüllen gebrochen und weggeblasen werden, während die Bohnen in die sogenannten Siebtrommeln fallen, das sind lange, rotirende, horizontale Cylinder von Eisenblech, mit immer grösser werdenden Löchern ver- sehen. Zunächst fallen die zerbrochenen Bohnenstückehen heraus, in eine zweite Abtheilung die kleinen Bohnen, in eine dritte die Bohnen von gewöhnlicher Grösse, in eine vierte der Perlkaffee und in die letzte die Elephanten- bohnen. Die gebrochenen Stückehen haben wenig Markt- werth und werden theilweise an die Bevölkerung ver- kauft. Die kleinen Bohnen stehen schon höher im Preis und werden, wie die übrigen Sorten, nach Europa exportirt, wo sie unter dem Namen von „kleinbohnigem Mokka-Kaffee“ schon manchem Gastronomen zur Freude gereichten. Die beste Sorte besteht aus den gewöhnlichen, mittel- grossen Bohnen; der Perlkaffee, welcher dadurch ent- steht, dass sich, durch irgendwelche Einwirkung, eine Bohne in der Kirsche entwickelt und eine runde Form annimmt, während die andere in ihrer Entwickelung zurückbleibt, steht zwar in Europa höher im Preise als der gewöhnliche Kaffee, ist jedoch abnormal; der Ele- phantenkaffee entsteht wahrscheinlich dadurch, dass die zwei Bohnen in der Kirsche innig mit einander ver- schmelzen, bildet also auch eine Abnormität. Nun bleibt noch übrig, die Bohnen nach der Farbe zu sortiren: dieses geschieht mit der Hand durch Frauen, welche oft in dieser Arbeit eine erstaunliche Geschicklich- keit und Fertigkeit besitzen. Schliesslich wird der Kaffee in Säcke von 125 Pfund verpackt, auf die Säcke werden die Bereitungsart, der Name der Plantage, die Sorte des Kaffees und seine Farbe gedruckt, dann wird er mittels Büffelkarren zur nächsten Bahnstation befördert, wozu stets ein von der Regierung ausgestellter Pass nöthig ist, zum Beweise der. legitimen Herkunft des Productes, und an einen Gross- händler, welcher als Banquier für die Plantage fungirt, in einer Hafenstadt, befördert, der ihn nach Europa ex- portirt und dort verkauft. Im vierten und fünften Jahre wird noch für Aus- breitung der Anpflanzung gesorgt, ausserdem werden die alten Anpflanzungen sorgfältig unterhalten, und das sich immer mehrende Product wird bearbeitet. Sämmtlichen Bäumen, welche eine Höhe von 6!/,; Fuss überschritten haben, wird die Spitze abgeschnitten, und sie werden auf dieser Höhe gehalten, da sie dann mehr in die Breite wachsen und das Produet durch Menschen von gewöhnlicher Körpergrösse leicht abgepflückt werden kann, ohne dass es nöthig wäre, die Krone des Baumes zu biegen, wodurch er in der Erde gelockert werden könnte, und ohne dass man Leitern zu Hilfe nehmen müsste, gegen welche die javanischen Pflückerinnen eine gewaltige Abneigung hegen. Eine Art Kaffee möchte ich nieht unerwähnt lassen, welche auf Java sich einer besonderen Beliebtheit er- freut. Es giebt unter den Viverriden eine Art, Para- doxurus musanga, welche sich als Kaffeepflücker einer besonderen Berühmtheit erfreut; dieses Thierchen, welches. die Javanen Luwak_ heissen, ist in jeder Plantage ein gern gesehener Gast; es sucht sich die reifsten und schönsten Kaffeekirsehen aus, frisst sie, verdaut jedoch nur die fleischige Hülle, und da es mit einer sehr schnellen Verdauung. begabt ist, deponirt es die, noch mit . XII. Nr. 26 ihrer Hornschale versehenen Bohnen wieder ehrlich in der Plantage, wo sie aufgesucht werden; solcher Kaffee bildet eine besondere Delikatesse, wird mit mehreren 100 Mark per Centner bezahlt und bildet ein immer höchst willkommenes Geschenk. Die ganze Fabrikanlage wird, gegen Diebstahl von Seiten der Inländer, mit den komplizirtesten, diehtesten Heeken umgeben und über Nacht sorgfältig bewacht. Da nun der Javane ausserordentlich schläfriger Natur ist, würde soleh eine Wache in gewöhnliehen Umständen nicht viel bedeuten, man muss sie also mehrmals während der Nacht selbst eontrolliren und durch das europäische Personal der Plantage controlliren lassen. Ferner ge- braucht man die bekannten Controlluhren, und schliesslich ist ein Mann vom Wachepersonal dazu verpflichtet, die ganze Nacht hindurch um die Fabrik herumzulaufen und fortwährend auf eine Bambustrommel zu schlagen, zum Zeichen, dass er wacht; wird Kaffee gestohlen, so wird die Wache dem europäischen Distrietsbeamten zuge- schiekt, welcher für eine ganz gehörige Bestrafung sorgt. Vom sechsten Jahre ab beginnt endlich für den Pflanzer ein gemüthlicheres Leben. Zum Anlegen einer Plantage von mittlerer Grösse, wie ich sie oben be- schrieben habe, benöthigt man je nach Umständen ein Kapital von 4 bis 5malhunderttausend Mark; geht alles gut, so hat man nach 8 oder 9 Jahren das Kapital wieder zurückverdient; dann ist die Plantage „frei“, und der künftige Gewinn übersteigt, wenn keine Missernten ein- treten, was allerdings alle drei bis vier Jahre der Fall ist, weit die für die Exploitation nöthigen Ausgaben. Aus all diesem ist ersichtlich, dass das Leben eines Pflanzers nicht so bequem ist, als sich wohl Mancher denkt. Ausser seinem Berufe muss er noch die ver- schiedensten Handwerke kennen, er muss Baumeister sein, er muss Maschinen behandeln können, denn wo nicht ge- nügende Wasserkraft für ein Mühlenrad oder eine Turbine vorhanden ist, wird die Fabrik durch eine Locomobile getrieben, er arbeitet von Morgens früh bis Abends spät, ohne Sonn- und Feiertage, und führt durch seine Ab- geschlossenheit von der eivilisirten Welt ein wahres Pflanzenleben. Seine einzige Zerstreuung ist die Jagd, von welcher er einen ergiebigen Gebrauch macht. In den Gärten hat er stets die Büchse auf der Schulter, und, wenn die Arbeit einige Tage stillsteht, z. B. kurz vor der Ernte, werden mehrtägige Jagdzüge unternommen. Mit einem erfahrenen Jäger und einigen Kulis zum Tragen von Proviant und zum Bahnen von Fusspfaden, zieht er in den Urwald und schiesst alles Geniessbare, was er er- reichen kann. Von hochgelegenen Plantagen aus werden 8- ja l4tägige Jagdzüge auf wilde Büffel unternommen, und die Aufregungen einer solchen Jagd überflügeln bei Weitem jeden anderen Sport; vom Tagesgrauen bis zur Dunkelheit wird bei jeder Witterung, ja, in der glühendsten Sonnenhitze, auf dem ungünstigsten Terrain marschirt und gejagt; abends ist der Jäger so müde, dass er nur noch sein Gewehr reinigt, die nöthige Nahrung zu sich nimmt und dann fest schläft, bis er am anderen Morgen wieder zur Fortsetzung seiner Expedition geweckt wird. Kampirt wird unter freiem Himmel, und die ganze Nacht hindurch brennt ein Lagerfeuer zur Abwehr von Moskitos und von wilden Thieren. In den ersten Tagen lebt er von den mitgenommenen Conserven, diese sind jedoch bald auf- gezehrt, und dann giebt es nur noch Reis mit Salz und das geschossene Wild, von welchem man die besten Stücke herausschneidet und den Rest liegen lässt. Wildes Geflügel wird auf eine Weise gebraten, welche sich die Anerkennung eines jeden Feinschmeckers erwerben würde; es wird ausgeweidet, innen mit Salz eingerieben und dann ungerupft in einen Lehmklumpen gewickelt, Naturwissenschaftliche Wochensehrift. 303 welcher einfach ins Feuer geworfen wird; ist der Lehm gebrannt, so ist der Braten gar; dann wird der Klumpen aufgeschlagen, wobei die Federn im gebrannten Lehm hängen bleiben und der Braten wird mit Reis genossen. — Nach Ablauf einer solchen Expedition kehrt man er- frischt und mit neuem Muth erfüllt zur eintönigen, all- täglichen Arbeit zurück. Zum Schluss sei es mir noch vergönnt, zu beschreiben, welche die beste Art ist, den Kaffee zu bereiten. Es ist nämlich ein ganz verkehrtes Vorurtheil, dass Kaffee mit warmem Wasser angesetzt werden muss, und wenn auch die Türken, die ja als grosse Kaffeeliebhaber bekannt sind, ihn so fabrieiren, so beweist das höchstens, dass sie es leider nicht besser verstehen. Wer einmal auf indische Weise zubereiteten Kaffee getrunken hat, wird den herrlichen Geschmack dieses Getränkes nie mehr ver- gessen. Der Kaffee wird geröstet, bis er eine dunkel- blonde Farbe erhält, ja nicht mehr, da sonst seine äusserste Schieht verkoblt. Ein Rösten mit Zucker ist natürlich ganz zu verwerfen, ebenso das Brennen grösserer Quantitäten im Voraus. Dann wird er äusserst fein ge- mahlen und eine gehörige Quantität, natürlich ohne Zu- satz von jeglichem Surrogat, wie Kaffeegewürz, Mandel- kaffee und wie die guten Dinge alle heissen, im oberen Theil einer Porzellankaffeemaschine, nach Art der Karls- bader, ganz fest angestampft und kaltes Wasser sehr langsam darüber gegossen, bis die Maschine voll ist. Das Wasser soll den Kaffee auslaugen, und das Kaflee- pulver muss so fest angestampft sein, dass das Wasser mindestens 12 Stunden gebraucht, um durchzusickern. Ist das ganze Wasser im unteren Theil der Maschine an- gelangt, so wird es wieder über den Satz gegossen, läuft aber dann viel schneller durch; diese Prozedur wieder- holt man noch einige Male und erhält auf diese Weise inner- halb 24 Stunden einen brauchbaren Kaffee-Extract, welcher 4 bis 5 Tage lang gut bleibt, so dass man sich nicht jeden Tag die Mühe zu nehmen braucht, ihn frisch zu bereiten. Will man ihn schwarz trinken, so wird siedendes Wasser hinzugefüllt, auf Java trinkt man ihn mit warmer Milch und Zucker vermischt. Zwei verkäufliche Kaffeearten möchte ich noch er- wähnen, über deren Herkunft ich schon vielfach irrigen Anschauungen begegnet bin. Die erste ist der sogenannte Cafe argente. Das Silberhäutchen, welches sich um die Bohne befindet, hat nämlieh für den Wohlgeschmack des Kaffees gar keinen Werth und wird gewöhnlich, falls kein besonderer Wunsch vorliegt, durch den Huller mit der Hornschale entfernt. Obige Kaffeeart ist nun weiter nichts, als gewöhnlicher Kaffee, welcher noch im Silber- häutchen steckt. Die zweite Art ist der sogenannte gelbe Preanger- Kaffee; das ist gewöhnlicher Kaffee, welcher einige Jahre hindurch im Paekhaus liegen blieb. Wie der Wein, wird nämlich der Kaffee, bis zu einer gewissen Grenze, besser, je älter er wird, natürlich unter der Voraussetzung, dass man ihn trocken und möglichst luftdieht aufbewahrt. Jede Kaffeeart erhält dureh Lagern die oben erwähnte, gelbe Farbe und wohl der wenigste Preanger Kaffos wird wirklich aus dieser Provinz herstammen. Mit 3rosser Vor- liebe trinken die Javanen einen Thee, welchen sıe aus Kaffeeblättern verfertigen, doch erfreut sich dieses heih- schmeckende, allerdings sehr erfrischende Gerrant zieht der Sympathie der europäischen Bevölkerung. _ Ausser dem Indigo, dessen Kultur bergits in einem früheren Aufsatz beschrieben wurde, £ight es nuch zwei Pflanzen, deren Anbau vom Inländer %g kleinein, vom Euro- päer in grösserem Maassstab b>rieben wird, es sind dies der Zucker und der Tabak. EI beiden Producte werden als zweite GESrEEREO TE Sawahs angepflanzt. Das A # ö ed . ‘wird. — Yerfahren gewonnen. 304 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 26. Centrum einer Zuckerexploitation bildet die Zuckerfabrik, zu welcher auch die Wohnungen der verschiedenen Be- diensteten gehören; Wohnungen für das Arbeitsvolk sind unnöthig, denn permanente Zuckerplantagen giebt es nicht. Zur Kultur werden Sawahs von der Bevölkerung ge- miethet und, für die Bearbeitung der Felder, Contracte mit ihr geschlossen; eine Zuckerfabrik wird also immer da angelegt, wo sich bereits kultivirtes Land und ge- nügendes Arbeitsvolk befindet. Ueber die Pflanzweise des Zuckerrohres ist nichts Besonderes mitzutheilen; nach vorhergehender tüchtiger Umarbeitung des Bodens werden Stecklnge ausgesetzt, die Felder werden gut rein ge- halten, und, wenn das Rohr reif ist, so wird es geschnitten und auf Büffelkarren zur Fabrik transportirt. Da wird es zunächst zerkleinert und in Walzenpressen zerquetscht; der Saft aus diesem Brei wird entweder durch Pressen (Pressverfahren) oder durch Auslaugen mit Wasser und nachheriges Centrifugiren (Macerationsverfahren) abge- schieden. Der gewonnene Saft enthält neben Zucker noch viele Unreinigkeiten. Um diese Körper, welche auf die Zuekerlösung zersetzend einzuwirken im Stande sind, zu entfernen, setzt man dem Saft, unter Erwärmen auf etwa 80°, Kalkmileh zu und erhitzt kurze Zeit zum Sieden. Nun lässt man absetzen, zieht den klaren, geläuterten Saft ab und leitet Kohlensäure hinein. Hierdurch wird das gebildete, im Wasser gelöste Caleiumsaccharat zer- setzt, und es fällt Caleiumearbonat aus, während der Zucker in Lösung bleibt. Diese dünne Zuckerlösung wird, zur nochmaligen Reinigung, dureh Filter von Thierkohle geleitet. Der so erhaltene Dünnsaft wird nun in grossen Vacuum- apparaten rasch bis zu einer gewissen Concentration ein- gedampft und nun als Dicksaft nochmals der Filtration dureh Thierkohle unterworfen und dann wieder in Vacuum- pfannen eoncentrirt, bis er zu krystallisiren beginnt. Er scheidet sich nun in einen kıystallisirenden Theil, die Moscowade, und in einen nicht krystallisirenden, braunen Syrup, die Melasse. Die Moscowade wird durch noch- maliges Auflösen und Entfärben gereinigt und kommt dann entweder als Hutzueker, Würfelzucker oder Farin in den Handel. Zur Gewinnung von Hutzucker bringt man die con- eentrirte, halb erkaltete Zuekerlösung in die bekannten, eonischen Zuckerformen, welche mit der Spitze, an weleher sie ein kleines Loch haben, nach unten aufgestellt sind. Durch Umrühren verhindert man die Bildung grösserer Krystalle. Der Hutzucker wird hierauf, um ihm die letzten Antheile von Melasse zu entziehen und ihm ein feineres Korn, d. h. grössere Dichte zu geben, „gedeckt“, d. h. man giesst so oft eoncentrirte, reine Zuckerlösung auf, bis sie unten ungefärbt wieder abfliesst. Schliesslich giebt man dem Zuckerhut durch einen blauen Farbstoff (Ultra- marin) einen bläulichen Ton, dreht ihm eine Spitze an und lässt ihn bei 25°, zuletzt bei 50° trocknen. Der durch Umkrystallisiren gereinigte Zucker heisst „Raffinade“, der in einer Operation gewonnene „Melis“. Unter „Candis“ versteht man Zucker in besonders grossen Krystallen. Die Melasse enthält noch bedeutende Mengen krystalli- sirbaren Zuekers, welcher jedoch durch die in ihr ent- haltenen Kaliumverbindungen am Krystallisiren verhindert Dieser Melassezucker wird durch das Elutions- Die Melasse wird in erwärmtem zustande mit puiverförmigem, gebrannten Kalk versetzt; es en/steht eime truckene, pulverige Masse, welche Zucker ı "Korn von in Alkohol unlöslichem, basischen Kalksaeeharat mthält. Durch Ausziehen desselben mit heissem Alkohol werden die störenden Verunreinigungen entfernt. Durch Auflo Re Kalksaecharates in heissem Wasser und Behandeln mit Kohlensäure erhält man dann kıystallisirbaren Zucker. Neben den colossalen Zuckerrohranpflanzungen für den europäischen Markt bestehen noch kleinere An- pflanzungen zum eigenen Gebrauche in den Gärten der Bevölkerung. Dieses Gewächs wird von Alters her in China und in Indien angepflanzt, und man findet es im ganzen indischen Archipel. Wie sämmtliche andere Völker des malayischen Stammes, fabrieirt der Javane den Zucker zum eigenen Gebrauch aus dem Saft der Arengpalme; das Zuckerrohr pflanzt er an, um es in rohem Zustande als Leckerei zu essen; oder er geniesst die Jungen Sprossen geröstet oder gekocht beim Reis. Der Saft der oben erwähnten Arengpalme (Arenga saecharifera) wird gewonnen, indem man ein Stück vom herabhängenden Stiel der Frucht abschneidet und die heraustropfende Flüssigkeit in Bambusgefässen auffängt. Diesen Saft kann man gären lassen, um ihn als Palmen- wein zu trinken, doch ist dies auf Java wenig gebräuch- lich, und man wendet ibn lieber an, um Zucker daraus zu fabrieiren; durch Kochen wird er zu einem dieken Brei eingedampft und in Formen gegossen, in welchen ihm durch Verdampfung bei geringer Hitze noch so viel Wasser entzogen wird, dass eine feste Masse daraus ent- steht. Dieser Zucker ist von brauner Farbe und besitzt einen eigenthümlichen Geschmack. Die Beschreibung der Tabakskultur. ist noch ein- facher als die des Zuckerbaus. Der Tabak wird auf überdeekten Beeten ausgesäet, welche ebenso behandelt werden, wie die Beete in den Kaffeepepinieren, dann wird er, als zweites Gewächs, wie das Zuekerrohr, auf Sawahs ausgepflanzt, wenn er reif ist, geerntet, in grossen Bambusscheuern getrocknet und zur weiteren Bearbeitung nach Europa verschickt. Eingeführt wurde er wahrschein- lich von den Arabern, doch giebt es gegenwärtig keine grösseren Tabaksanpflanzungen mehr auf Java; alle Tabakpflanzer wenden sich nach Sumatra: und Borneo, wo sich ein viel besseres und mehr preiswerthes Product erzielen lässt. Fein gesehnitten, als Cigarettentabak, ist der Java-Tabak sehr rauchbar, auch ist er wegen seines langen, geschmeidigen Blattes sehr geeignet zu Deck- blättern für Cigarren, als Einlage jedoch taugt er nichts. Die Javanen rauchen ihn als Cigaretten, wobei sie, an- statt Papier, getrocknete Maisblätter gebrauchen, sie fabrieiren auch aus ihm Cigarren, in der bekannten Form der Manilaeigarren, mit welchem sie Neulinge anzuführen trachten: für ein nur einigermaassen geübtes Auge, und bei der eharakteristischen Aderung des Manillablattes ist jedoch solch eine Täuschung undenkbar. Sonstige Producte für den europäischen Markt, wie Kautschuk, Cacao, Vanille, Pfeffer u. s. w. werden eigentlich bis jetzt nur probeweise gepflanzt; einen grösseren Aufschwung hat die Theekultur genommen. In den letzten Decennien wurden die Kaffeeplantagen arg mitgenommen durch einen Pilz, die Hemileia vasta- trix, der schon früher auf Ceylon auftauchte und dort grosse Verwüstungen anrichtete. Die von ihm befallenen Bäume verlieren ihre Blätter und sterben ab. Anstatt des Kaffees pflanzte mar, besonders in West-Java, Thee an; diese Kultur liefert bis jetzt gute Resultate; das Produet schmeckt zwar etwas herber als der chinesische Thee, dafür hat man aber den Vortheil, dass der T'hee nicht schon einmal dureh andere angebrüht wurde, und dass er frei von jeglichen Surrogaten ist. An das Herbe dieses Getränkes gewöhnt man sich schnell und zieht den Javathee dem chinesischen dann unter allen Um- ständen vor. XII. Nr. 26. Ueber das „Reiten“ der Frösche macht H. Fischer- Sigwart in einer Arbeit „Biologische Beobachtungen an unseren Amphibien“ (Vierteljahrsschr. d. Naturf. Ges. in Zürich (42. Jahrg. 1897, erschienen 1898) die folgenden Mittheilungen. Während der Laichzeit sind die Taufroschmännchen (Rana fusca) sehr vom Geschlechtstriebe beherrscht, und diejenigen, die nicht Gelegenheit finden, sich mit einem Weibehen zu verbinden, gerathen häufig auf Irrwege, in- dem sie sich an Alles anklammern, was sich bewegt, selbst an den hingehaltenen Finger. Man hat dieses An- klammern an andere Thiere, das auch bei der Kröte vor- kommt, aber nieht in dem Maasse, wie beim Taufrosch, „das Reiten“ genannt, und weil es oft vorkommt, dass sich solche liebebrünstige Männchen an Fische, besonders an Karpfen anklammern, so werden sie „Karpfen- reiter“ genannt, Hiebei ist es häufig, dass der Frosch sich mit seinen Vorderfüssen in die Augen des Fisches einhackt, da sie an den glatten Thieren keinen andern Haltpunkt finden, und da dies sehr kräftig geschieht, so werden solchen Fischen oft die Augen eingedrückt. Immerhin kommt dieses Fischreiten nicht so häufig vor, dass es, wie es häufig geschieht, dem Taufrosch als grosse Fischfeindliehkeit angerechnet werden kann, und bei den Meldungen in Zeitungen über solche Vorkomm- nisse macht sich oft blühender Unsinn breit, und wird dabei viel gefabelt darüber, „warum wohl die Frösche den Fischen so feindlich gesinnt seien, die ihnen ja nichts zu leide thun und sich meistens von Pflanzenstoffen, also schwerlich von Froschlaich ernähren“ ete. ete. Da die Brunstzeit des Taufrosches etwa 20 Tage im Jahr dauert und das Fischreiten auch in dieser Zeit nur ausnahms- weise vorkommt, so ist dem „Fischreiten* keine grosse Bedeutung beizumessen. Im Terrarium sowohl, als auch im Freien konnte ich über das „Reiten“ eine Menge Beobachtungen machen. Es kommt namentlich im Anfange der Laichzeit vor, wenn noch keine oder nur wenige Weibchen vorhanden sind, und wenn noch kein Laich produeirt ist, an dem die überzähligen Männehen sich ihrer Samenflüssigkeit ent- ledigen können. Dann stürzen sie sich auf Alles, was sich bewegt, um es zu umklammern. Im Freien kommt es naturgemäss am meisten vor, dass Kröten in ihre Gewalt fallen, die dann so gefasst werden, wie es sich gerade schiekt, also oft verkehrt, während bei der Kopulation mit einem Weibchen der eigenen Gattung nur die richtige Stellung vorkommt. Aber auch, wenn ein Krötenweibchen von einem Tau- froschmännchen richtig gefasst wird, ist an eine Bastar- dirung nicht zu denken. Es kam nie unter den zahlreich beobachteten Fällen zu einer Begattung. Mit dem grünen Wasserfrosch kamen die Taufrösche im Terrarium oft zusammen während der Brunstzeit, und auch er wurde von den Taufroschmännchen überfallen. Hiebei war es eigenthümlich, dass wenn ein Männchen vom Wasserfrosch in seine Gewalt fiel, es bald wieder losgelassen wurde, während ein Weibchen, wenn es in der richtigen Stellung gepackt worden war, so lange fest- gehalten wurde, bis es todt war, wenn es nicht mit Ge- walt losgelöst wurde. Als beide Arten im Terrarium nebeneinander gehalten wurden, mussten während der Brunstzeit des Taufrosches tagtäglich solche Paare ge- trennt werden. Liess man sie gewähren, so war der Tod des Wasserfroschweibehens regelmässig das Ende der Mesalliance. Dieser trat nach etwa 3 Tagen ein und es kann also auch zwischen diesen zwei Lurcharten auf natürlichem Wege keine Bastardirung stattfinden. Auf künstlichem Wege eine Bastardirung herbeizuführen, wäre eher möglich. Herr Dr. Heuscher theilte mir im Sommer Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 305 1894 mit, dass ihm beim Taufrosch die künstliche Be- fruchtung des Laiches schon mehrmals gelungen sei, in- dem er den einem frisch getödteten Weibchen ent- nommenen, mit der „Milch“ eines ebenfalls frisch ge- tödteten Männchens zusammenbrachte. Es wäre nun möglich, dass, wenn ein Taufroschmännchen isolirt und in künstlich niederer Temperatur gehalten würde, es so lange zeugungsfähigen Samen behalten würde, bis ein Wasserfroschweibehen, dessen Brunstzeit 11/);—2 Monate später beginnt, brünstig würde, oder umgekehrt, wenn ein Taufroschweibehen eine solche Behandlung erführe, bis ein Wasserfroschmännehen brünstig würde, dann die künstliche Bastardirung gelänge. Neben den genannten Thieren vergriffen sich die Taufroschmännchen gerne an kranken, verletzten oder selbst todten T'hieren der eigenen Art oder der schon erwähnten Thiere. Es kam zum Bei- spiel im Terrarium öfter vor, dass infolge allzu mastiger Nahrung den Fröschen der Mastdarm austrat, und an solehen wehrlosen Thieren vergriffen sich die liebe- brünstigen Frösche. Ein Taufroschweibchen, das ge- treten worden und infolgedessen am ganzen Hinterleibe gelähmt war, wurde ebenfalls von einem Männchen um- klammert, und dieses liess auch dann nicht los, als jenem mit einer Scheere der Oberkopf und damit das Gehirn quer durchsehnitten worden war. Es blieb noch vier Tage mit dem todten Thiere verbunden. Noch an andern, weit entfernter stehenden Thieren wurden von in Geschlechtsverirrung begriffenen Tau- froschmännehen Attentate verübt. Ein Erdsalamander- weibehen wurde im März 1582 von einem solchen über- fallen, umarmt und mit Gewalt ins Wasser geschleppt, und dies wurde mehrmals wiederholt, nachdem der Sala- mander befreit worden war, was gar nicht leicht war. Sobald er in der Nähe des liebeswüthigen Frosches niedergesetzt wurde, stürzte sich dieser wieder auf ihn. Am 23. März 1887 fand ich auch einen Laubfrosch so von einem kleineren Taufrosch umklammert, dessen Befreiung gar nicht leicht war. Das Auffallendste und zugleich Lächerlichste in dieser Beziehung geschah aber im März 1883. Als ich eines Tages die grünen Eidechsen im Terrarium mit Mehlwürmern fütterte, stürzte sich plötzlich ein liebe- brünstiger Taufrosch unter sie und wollte sich einer be- mächtigen. Sie nahmen alle vor dem plötzlich er- scheinenden Kobold Reissaus, von diesem noch eine Strecke weit mit langen Sprüngen verfolgt. Er gelangte nicht zum gewünschten Resultate, nämlich zu einer leib- lichen Verbindung mit einer so hoch über ihm stehenden, schlanken Lazerte. Nochmals der „grimme Scheleh“. — Obgleich über den „Schelch“ des Nibelungenliedes im Verhältniss zur Bedeutung der Sache schon mehr als genug geschrieben worden ist, so hat man sich doch, wie auch aus der fleissigen und eingehenden Arbeit von Dr. Dahms in Nummer 23 dieser Wochenschrift hervorgeht, noch immer nicht dai- über einigen können, welches Thier mit obiger Bezeich- nung gemeint ist. Gegen das Endergebniss genannter Abhandlung, dass „eleh“ das weibliche, „schelch* das männliche Thier (Alces jubata) sei, spricht vor allem die bekannte Stelle im 16. Abenteuer des Nibelungenliedes selbst, denn „eleh“ ist dort ein unzweifelhaftes maseulinum, während sonst in der deutschen Sprache alle Bezeich- nungen für weibliche Thiere, wie Kuh, Stute, Hinde, Bache, Geiss, Rieke, Henne u. dergl., selbstverständlich feminina sind; auch wäre es, wenngleich kurz nachher hirz oder hinden steht, in diesem Zusammenhange auf- 306 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 26. fallend, wenn neben dem Wisent und Ur gerade der Elch allein in beiden Geschlechtern angeführt wäre. Die Verhältnisse, wie sie uns im grössten deutschen Heldenliede geschildert werden, sind bekanntlich älter als die Zeit der Abfassung und entsprechen ungefähr den ersten Jahrhunderten nach der Völkerwanderung. Ueber diese Zeit hat uns der im 6. Jahrhundert unter den Franken lebende römische Dichter Fortunatus Venan- tius kulturgeschichtlich sehr werthvolle Nachrichten überliefert; er schildert unter anderem auch die Jagd, wie sie damals von den fränkischen Herren in den Ar- dennen- und im Wasgenwald betrieben wurde und führt dabei folgende Jagdthiere an: Hirsch, Reh (caprae), Elch, Ur, Wisent (bufali), Bär, Wildschwein und endlich eine wilde Pferdeart (onager). Vergleichen wir damit das im Nibelungenlied genannte Wild, so zeigt sich eine auffallende Uebereinstimmung. Mit Ausnahme des Löwen, der auch das Beiwort „grimm“ führt und jedenfalls, wie auch Dahms ganz richtig bemerkt, auf Rechnung des späteren Umdichters zu schreiben ist, „um die Kraft und Gewandtheit seines Helden im hellsten Lichte hervortreten zu lassen“, werden im deutschen Liede genau die gleichen Thiere genannt; nur die offenbar kaum zur Hochjagd gerechneten Rehe sind weggelassen, dafür aber zwei un- bekannte Thiere aufgezählt, das zuerst gefällte „halbful“ und der „grimme scheleh“. Es ist einleuchtend, dass damit Thiere gemeint sein müssen, die einst in den germanischen Wäldern gelebt haben und von unseren Vorfahren gejagt wurden. Ist es eine zu gewagte Vermuthung, wenn wir unter beiden Ausdrücken das jagdbare Wildpferd, den „onager“ des Fortunatus Venantius, die „equisilvestres“ im Briefe des Papstes an Bonifaeius, und zwar als halbwüchsiges Füllen und als ausgewachsenen Hengst verstehen? Wild- pferde wurden ja, wie zweifellos feststeht und auch von Dahms mit Belegen angeführt wird, bis weit ins Mittel- alter hinein in Deutschland und Preussen gejagt. Ueber ihr Aussehen wissen wir nichts Bestimmtes; wahrscheinlich waren sie mittelgross, mit diekem Kopf und stehender Mähne. Die Pferde, die den alten Deutschen zu Wirthschafts- und Kriegszweeken dienten, waren sicher durch lange Zucht veredelte Abkömmlinge des europäi- schen Wildpferdes. Wenn sie trotzdem Cäsar nicht ganz geeignet fand (minus idonei B. G. VII 65), so lag dies wohl daran, dass er seine germanischen Reiter, eine Kerntruppe, auf die er sehr viel hielt, und deren An- sturm auch die gerühmte gallische Reiterei nicht stand- zuhalten vermochte, mit den besten Pferden ausstatten wollte, die ihm überhaupt zu Gebote standen (a tribunis militum reliquisque equitibus Romanis atque evocatis equos sumit Germanisque distribuit). Wenn wir zu dem bedenken, dass scelo ein althochdeutsches Wort (scheleh muss als eine Erweiterung des Stamms aufgefasst werden) ist, das durch „onager“ übersetzt wurde und noch heute in „beschälen“ und „Beschäler“ fortlebt, so können wir kaum daran zweifeln, dass Hahn (Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie 1892) das richtige getroffen, wenn er den „grimmen Scheleh“ als „wilden Hengst“ erklärt. In dem mittelalterlichen Latein einer von Otto dem Grossen über die Jagdrechte im Drenter Forst ausgestellten Urkunde beweist das vel in der Stelle bestias insuper, quae teutonica lingua Elo vel Schelo appellantur, die zu dem in einer Handsehrift Elo et Schelo lautet, nicht die Gleichbedeutung beider Ausdrücke. Dass der längst ausgestorbene Riesenhirsch (Cervus megaceros) nicht gemeint sein kann, liegt auf der Hand.. Ebenso wenig kann an das Rennthier gedacht werden; Cäsar hat zwar zweifellos das letztere beschrieben (B-G. VI 26. Est bos cervi figura ,... . Eadem est feminae marisque natura, eadem forma magnitudoque cornuum), jedenfalls aber nur nach Hörensagen, denn aus dem südlichen Deutschland hatte sich dies kälteliebende Thier damals schon längst zurückgezogen. Dr. Ludwig Wilser. Den Einfluss der X-Strahlen auf die Keimung der Samen hat eine in der Revue generale de Botanique Bd. 10, 1398 erschienene Arbeit von Maldiney und Thouvenin zum Gegenstand. Wir wissen bereits aus einer Arbeit von Lopriore, dass die X-Strahlen die Plasmaströmung beschleunigen, die Keimung der Pollen- körner aber hemmen. M. und Th. konnten feststellen, dass die Keimung der Samen von Convolvulus arvensis, Lepidium sativum und Panieum mi- liaceum durch das Röntgen- licht beschleunigt wird. Die Art ihrer Versuchs- anstellung seht aus der hier bei- gefügten Figur \ deutlich hervor. | Die Samen | wurden jeden Tag‘ 1 oder 2 Stunden be- strahlt. In allen Fällen ergab sich eine Beschleuni- gung der Kei- mung um mehrere Tage. Die Un- tersuchungen sol- len fortgesetzt werden. Wir werden deshalb später auf diesen P.Pb Grt Gre L.AL Gegenstand zu- Gr. e = von den Röntgenstrahlen getroffener Same. — riüeckkommen. Gr.t = Kontrollsame. — P.Pb = Bleiplatte zum Ab- Y halten der X-Strahlen, durch ft mit dem Boden in Ver- Z Im Anschluss bindung gesetzt. — L. Al. = dünne Aluminiumhülle. hieran verdient Der Abstand der Kathode von den Samen betrug 8 em. eine Arbeit ähn- lichen Inhalts besprochen zu werden: Rudolph Seldis: Die Ein- wirkung der Elektrieität auf die Keimfähigkeit der Samen und ihre Behandlung. Handelsblatt für den deutschen Gartenbau. XIII. Jahrgang, 9. Jan. 1898. Verf. konnte einen förderlichen Einfluss der strömenden Elektrieität auf das Wachsthum der Pflanzen und den Keimungsprocess feststellen. Als Versuchsobjecete dienten unter anderen Samen von Phaseolus, Pisum sativum, Scabiosa, Aster, Secale cereale und Kulturen von Raä- phanus sativus, Daucus Carota, Asparagus offieinalis. Die aufgeweichten Samen wurden in eine Glasröhre ge- bracht, diese an den Enden mit Kupferplatten bedeckt und nun der Strom eines Inductionsapparates 3—5 Minuten lang durchgeleitet. (Ref. möchte’ bemerken, dass je nach den Widerständen bei dieser Versuchsanordnung Gleich- strom oder Wechselstrom wirken kann.) Als Resultat er- gab sich, dass die Samen statt in 4 Tagen in etwa 2 bereits keimten. Bei den Kulturen in Beeten wurden im Abstand von 2 m an einem Ende eine Zink-, am anderen eine Kupfer- platte versenkt. Die Grösse derselben betrug ca. '/, bis /, qm; ihr Abstand von der Erdoberfläche 5—10 cm. Beide Platten waren oberirdisch durch isolirten Kupfer- draht verbunden. Dieses andauernd wirkende galvanische XI. Nr. 26. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 307 Element wirkte sehr förderlich auf Rettig (133 mm dick, 450 mm lang), Spargel (500 mm lang, 2,4 kg schwer) und Mohrrübe (3 kg). Der Wohlgeschmack und über- haupt die Qualität hatten nicht im geringsten darunter gelitten. Eine nachträgliche Untersuchung der Beeterde ergab, dass der Gehalt an löslichen Stoffen um das Doppelte zugenommen hatte. In einer alten, aber recht gründlichen und lesens- werthen Arbeit von L. H. Palm: Ueber das Winden der Pflanzen (Stuttgart 1827) wird auf Grund von Versuchen die Thatsache mitgetheilt (S. 65/66), dass Winden (Con- volvulus) und Bohnen (Phaseolus) unter dem Einfluss eines elektrischen Stromes schneller wachsen, nutiren und geotropische Krümmungen vollführen. Als Element (de la Rive) dienten 2 Platten von Zink und Kupfer von 4 Zoll Breite und 6 Zoll Länge, welche in angesäuertes Wasser eintauchten. R. K. Die Ausscheidung von Wassertropfen in den Blättern hat A. Nestler neuerdings bei Malvaceen und anderen Pflanzen untersucht (s. Sitzgsbr. Kais. Ak. Wiss. Wien, math.-naturwiss. Cl., Bd. 106, 1897, 20 S., 1 Taf.) Von der genannten Familie wurde eine ganze Anzahl Arten untersucht. Wahrscheinlich bei allen Malvaceen kommt eine Ausscheidung flüssigen Wassers vor, die nicht nur an ganzen Pflanzen, sondern auch unter günstigen Bedingungen an abgeschnittenen Sprossen, je an einzelnen Blättern beobachtet werden kann. Hier tritt das Wasser zuerst auf der Blattunterseite in Form kleiner Tröpfehen aus, später auch in geringerer Menge auf der Blattober- seite. Ueber den Ort der Ausscheidung, d. h. die Hyda- thoden, fand Nestler folgendes. Es fehlen Gefässbündel- endenausbreitungen, Epithemgewebe und Wasserspalten völlig; nur in zwei Fällen treten bei jungen Pflanzen an den Enden der Blattzähne Tropfen aus. Sonst erscheinen sie auf der ganzen Blattfläche. Die ausgeschiedenen Tropfen reagirten alkalischh mit Ausnahme der beiden soeben erwähnten Fälle, in denen die Reaction neutral war. — Bei der Bohne Phaseolus multiflorus besorgen vielleicht die Drüsen- oder Keulenhaare die Wasseraus- scheidung. — Die Kapuzinerkresse, Tropaeolum majus, scheidet unter Umständen nicht nur an den Blatträndern, sondern auch am Stengel, und zwar durch Spaltöffnungen, die typischen Wasserspalten ähnlich sehen, flüssiges Wasser aus. C. Mft. Die bösartige Rotzkrankheit der Pferde (Malleus humidus) wird bekanntlich durch einen Baeillus hervor- gerufen, weleher in der Form mit dem Tuberkelbaeillus grosse Aehnlichkeit besitzt, nur dass er etwas dicker ist. Leicht kenntlich sind die Rotzbacillen an ihrem charak- teristischen Wachsthum auf Kartoffeln; hier bilden sie nämlich einen dünnen, bernsteingelben bis chocolade- braunen Belag. Der Professor Nocard von der Eeole Veterinaire zu Alfort bei Paris giebt nun in der thier- ärztlichen Zeitschrift „Recueil“ ein Mittel an, die gefähr- liche Krankheit schon in den Anfangsstadien zu erkennen. Er impft die verdächtigen Pferde mit Mallein, einem Präparat, das aus dem Erreger der Krankheit gewonnen wird; während ein gesundes Pferd auf diese Impfung gar nicht reagiert, stellen sich bei dem rotzkranken Thiere bald deutliche Anzeigen des Malleus ein. Die bisher als Anfangssymptome angesehenen Krankheitserscheinungen bezeichnet Nocard als schon weit vorgeschrittene Fälle, bei denen eine Heilung so gut wie ausgeschlossen ist, Band die Krankheit in den Anfangsstadien noch heil- ar ist. In Deutschland bestehen bekanntlich sehr strenge Be- stimmungen in Bezug auf die Rotzkrankheit. Nach dem Viehseuchengesetz vom 23. Juni 1880 werden die als rotz- krank erkannten Pferde sofort getödtet und mit °/, ihres Werthes ersetzt. Da ferner die Rotzkrankheit ausser dem Pferde auch Schafe, Ziegen, Kaninchen und andere Thiere befällt, auch den Menschen, bei dem sie stets tödtlich verläuft, so wären neue Untersuchungen nach der angedeuteten Richtung hin von unschätzbarem Werthe. Wenn wir uns recht entsinnen, haben allerdings schon früher deutsche Viehärzte constatirt, dass bei künstlicher Impfung mittelst des Contagiums die Krankheit schon nach Verlauf weniger Tage zu erkennen war. S. Sch. Die Verflüssigung des Wasserstoffs und des Heliums, dieses letzte und höchste Ziel aller jener Ar- beiten, welche die Ueberführung der gewöhnlich gas- förmigen Körper in den flüssigen Aggregatzustand an- strebten, ist am 10. Mai d. J. durch James Dewar mit den ungewöhnlich reichen Mitteln der Royal Institution erreicht und damit ein neuer, gewaltiger Fortschritt der physikalischen Chemie erzielt worden, dessen Folgen noch nieht übersehbar sind. Ueber Dewars Entdeckung be- richtet die „Nature“ vom 19. Mai 1898 (Nr. 1490, S. 55—57). Wasserstoff wurde unter einem Druck von 180 Atmo- sphären auf eine Temperatur von —205° abgekühlt und mit einer Geschwindigkeit von 10—15 Cubikfuss pro Minute aus einer Schlangenröhre in ein bestimmt construirtes, ver- silbertes Vacuum-Doppelgefäss geleitet, das sich in einer Temperatar von weniger als —200° befand. Durch die Ausdehnung, welche der Wasserstoff hierbei erfuhr, gelang es nun thatsächlich, das Gas zu verflüssigen. Der flüssige Wasserstoff, von dem in 5 Minuten 20 cem gesammelt wurden, ist klar und farblos und besitzt kein Absorptions- specetrum. Hierauf wurde eine Kugel, welche eine Probe von Helium enthielt, in den flüssigen Wasserstoff gebracht, und man sah sofort, dass auch das Helium sich zu einer Flüssigkeit verdichtete.. Entgegen der Vermuthung ÖOlszewski’s und entsprechend der früheren Annahme Dewars würde daraus folgen, dass die Siedepunkte des Wasserstofts und des Heliums nahezu die gleichen sein müssen. Welches die genauen Siedepunkte beider Gase sind, war bisher noch. nieht festzustellen, doch dürfte er nur noch 20 bis 30 Grad vom absoluten Nullpunkt entfernt sein. H. Ein lokaler magnetischer Pol, d. h. ein Punkt, an welchem die Magnetnadel genau senkrecht steht, befindet sich, wie Mascart nach einer Mittheilung Venukows in den Comptes rendus vom 9. Mai 1898 berichtet, im russischen Gouvernement Kursk bei dem Orte Kotsche- towka, also in jener Gegend, über deren seltsame magne- tische Eigenthümliehkeiten wir erst kürzlich (s. Nr. 22 vom 29. Mai) berichteten. Der „Pol“ ist von Leyst aufgefunden worden und lokal sehr eng begrenzt: schon in 20 m Entfer- nung von dem fraglichen Orte beträgt die Inklination nur noch 89°. Die Deklination erleidet an der betreffenden Stelle keinerlei Abweichungen. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Privatdocent der physikalischen Chemie in Göttingen Dr. Riehard Abegg zum Professor; der Observator am Astrophysikalischen Observatorium zu Potsdam Dr. Oswald Lohse zum Professor; der wissenschaftliche Hilfs- arbeiter am Königl. Meteorologischen Institut zu Berlin Dr. Karl 308 Naturwissenschaftliehe Wochensehrift. XIII. Nr. 26. Kassner zum ständigen Mitarbeiter; Assistent Otto Baschin daselbst zum wissenschaftlichen Hilfsarbeiter; eand. Marten zum Assistenten am Meteorologischen Magnetischen Observatorium in Potsdam; der Privatdocent der Botanik in Berlin Prof. Dr. Volkens zum 3. Custos beim dortigen botanischen Garten; der Privatdocent der Zoologie in Graz Dr. Böhmig zum ausser- ordentlichen Professor; Prof. Kalkowsky an der technischen Hochschule in Dresden zum Director des mineral-geologischen und prähistorischen Museums daselbst; Alfred J. Me. Clatchie zum Professor der Landwirthschaft an der Universität Arizona; an der Haward University S. J. Bailey zum ausserordentlichen Professor der Astronomie und Dr. W. T. Porter zum ausser- ordentlichen Professor der Physiologie; der ausserordentliche Professor der Pharmakologie und Assistent am pharmazeutischen Institut in Leipzig Dr. Heffter zum Kaiserlichen Reg.-Rath und Mitglied des Kaiserlichen Gesundheitsamtes. Berufen wurden: Der Prosektor an der Universität Tübingen Dr. Disselhorst als ausserordentlicher Professor der Thier- physiologie nach Halle; der Assistent an der landwirthschaftlichen Versuchsstation in Bonn Dr. Hartleb als 1. Assistent ans thier- chemische Institut in Breslau. Es habilitirte sich: Dr. Strassburg. Sein Amt hat niedergelegt: Der Astronom am Lick-Observa- torium Prof. J. M. Schaeberle. Es starben: Der ehemalige Docent an der landwirthschaft- lichen Akademie zu Poppelsdorf Dr. Pollmann in Bonn; der Chemiker Sir Lyon Playfair; der Professor der Astronomie in Lille Souillart; der Zoologe und Biologe Dr. C. Herbert Hurst in Dublin; der Geologe W. C. Lucy, F. G. S. in Brook- thorpe; der Astronom und Mathematiker Henry Perigal; der Mathematiker Rev. Dr. Pereival Frost in Cambridge; der In- genieur Sir Robert Rawlinson, K. C. B.; der Vorsitzende der zoologischen Gesellschaft in Dublin Dr. Samuel Gordon; der Geologe Melville Atwood zu Berkeley, Cal. Wellstein für Mathematik in { Der 10. Congress Russischer Naturforscher und Aerzte findet unter Vorsitz des Prof. J. Rachmaninow vom 21. bis 30. August in Kiew statt. Der internationale Physiologen-Congress wird in der mit dem 23. August beginnenden Woche in Cambridge (England) ab- gehalten werden., Der 4, internationale zoologische Congress wird am 23. August in Cambridge abgehalten werden. Präsident: Sir John Lubbock. Anmeldungen oder Anfragen sind an die Secretäre des Congresses, Cambridge Nr. 3, Hanfover Square, zu richten. Eine „Urania“ in Wien. — Wir erhalten von dem Syndieat Urania in Wien (Cjarl Joseph Hetzer, Präsident; Hof- und Gerichts-Advokat Dr Ludwig Koessler, Schriftführer; Dr. Aristides Brezina, Direetor) die folgende Mittheilung: Die diesjährige Jubiläums- Ausstellung bietet Gelegenheit, eine Einrichtung vorzuführen, welche sich mehr und mehr als ein unabweisbares Bedürfniss : des Bildungstriebes grosser Volks- schichten herausgestellt hat. Der Sinn der Bevölkerung ist ernster geworden, und wir sehen sie immer wieder Schaustellungen zuströmen, in welchen in erster Linie Belehrung, wenngleich in unterhaltender Form, ge- boten wird. Dieser stark zu Tage tretende Bildungstrieb hat insbesondere in Wien eine hohe Vollendung der Vortragstechnik im weiteren Sinne gezeitigt; die hervorragendsten Fachmänner aller realistischen Diseiplinen, der wissenschaftlichen so gut wie der technischen Fächer, sind seit nahezu einem halben Jahrhundert damit be- schäftigt, die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung den weitesten Kreisen zugänglich zu machen; es hat sich dabei gezeigt, dass keine Frage so schwierig oder so trocken wäre, dass sie nicht durch Aufwendung reicher Demonstrationsmittel und einer volks- thümlichen Vortragsweise dem Verständnisse auch solcher Menschen erschlossen werden könnte, welche kaum die Resultate der Volks- schulbildung mehr besitzen. Um nun eine Centralstelle für solche Vorträge und Aus- stellungen zu schaffen — eine Art Volkshochschule — muss zu- nächst auch das Interesse der wohlhabenden Kreise geweckt werden; es muss gezeigt werden, dass eine genügend grosse Zahl von Besuchern bereit ist, Eintrittspreise zu zahlen, und dass das Institut nicht auf wohlthätige Beiträge angewiesen ist, sondern sich mit Leichtigkeit selbst’erhalten, ja sogar eine mässige Verzinsung des aufzunehmenden Capitals ergeben kann, Dazu soll die Ausstellungs-Urania, — die Vorläuferin eines bleibenden solehen Institutes — dienen. Am Ende der Süd-Avenue der Jubiläums-Ausstellung ist auf einer Bodenfläche von über 13 000 Quadratmeter in einem eigenen Park ein Institut erbaut worden, das ein wissenschaftliches Theater von 800 Personen Fassungsraum enthält, in welehem neben den. zugkräftigsten Stücken der „Berliner Urania“, wie „Der Kampf um den Nordpol“ und „Die Reise durch den Gotthard“, neue und eigenartige specifisch österreichische Stücke gebracht werden, zunächst „Das Eisen“, das die Rolle dieses wichtigsten aller Culturträger im menschlichen Leben behandelt, von den Uran- fängen der menschliehen Cultur in grauer Vorzeit bis zu den modernen eisernen Riesenwerken, dabei unsere heimische Eisen- industrie am steirischen Erzberg, mit seinen herrlichen Natur- schönheiten und seinem schier unerschöpflichen Reichthum an köstlichem, reinen, zu Tage liegenden Erz. — Ein anderes Stück, „Quer durch Oesterreich“ führt den innigen Zusammenhang der in grösster Mannigfaltigkeit vorhandenen ethnographischen Typen mit der Bodenbeschaffenheit vor Augen. Nicht minder fesselnd werden die wissenschaftlichen Vorträge sein, welche im kleinen, 180 Personen fassenden Hörsaal von den hervorragendsten Fachmännern aller Diseiplinen mit Zuhilfenahme einesreichen Demonstrationsmateriales abgehalten werden; einzelne darunter, wie Bacteriologie, Hygiene und Nahrungsmittelkunde, werden geschlossene Cyelen von 10 bis 20 Vorträgen bringen und sie ausserdem durch reichhaltige Ausstellungen dem Gedächtnisse einprägen. Etwas ganz Eigenartiges sind die Experimentir-Säle, die ins- besondere von den Physikern und Elektrotechnikern eingerichtet wurden; hier wird jedem Besucher Gelegenheit geboten, einen vollständigen Lehrgang an der Hand ausführlicher Anweisungen selbst durchzuexperimentiren und sich auf diese Weise in der an- genehmsten Form Kenntnisse zu erwerben, welche keine Schule in soleher Reichhaltigkeit und Unmittelbarkeit vermittelt. Die Chemiker veranstalten sorgfältig vorbereitete Experimen- talvorträge über die interessantesten Fragen dieser tief in das tägliche Leben einschneidenden Diseiplin und führen in ihrer Ausstellung die schönsten und farbenprächtigsten Producte, die Farbstoffe, die Salze, die kostbaren Metalle, das Gold, Platin und Silber u. a. vor. 1 Einen ganzen Park von Instrumenten, vom Achtzöller bis zu den kleinen Vierzöllern und den Brachyten, stellen die Astro- nomen zur beständigen Benützung des Publieums aus; ein grosser Kuppelraum, ein Passagezinmer und eine grosse Terrasse werden so reich ausgestattet sein, dass selbst bei starkem Menschenan- drange niemand leer ausgehen wird. Die Zoologen führen originelle Zusammenstellungen vor; einen Stammbaum mit grossen Thierbildern, die wichtigsten biolo- gischen Vergesellschaftungen, Zuchten von Schmetterlingen und deren Metamorphosen, Aquarien und dergleichen bieten reiche Anregung. J n der Gruppe „Berg- und Hüttenwesen* gewährt die grosse Salzexposition dem Publicum einen Einblick in die Verhältnisse dieses für den Haushalt des Staates wie des Individuums gleich wichtigen Stoffes; sämmtliche österreichische Salinen, sowie die sich mit Salz befassenden Fabrikationszweige haben ein ungemein lebensvolles Bild des Vorkommens, der Production und Verwen- dung dieses Minerals geliefert. Originell ist auch der Park der Urania gestaltet worden; die botanische Seetion hat hier neben grossen Zusammenstellungen aller wichtigen Gemüse und Cerealien instructive Gruppirungen der bekanntesten einheimischen Zierpflanzen nach ihren Heimaths- ländern, sowie endlich eine Pflanzenuhr geliefert, deren Beete zu verschiedenen Stunden aufblühen und zu bestimmten Stunden die Blüthen geschlossen zeigen, so dass daran die Tagesstunde abgelesen werden kann. So ist dieser Park nicht nur durch seine zahlreichen Ruheplätze ein sehr angenehmer, sondern auch ein höchst lehrreicher Aufenthaltsort. Nimmt man hinzu, dass zwei grosse Lesesäle den Besuchern ein paar Hundert in- und ausländische wissenschaftliche und technische Zeit- und Gesellschaftsschriften bieten, deren laufender Jahrgang von den betreffenden Redaetionen unentgeltlich ein- gesendet wurde, und dass eine automatische Restauration mit äusserst niedrigen Preisen den Urania-Besuchern den Aufenthalt behaglich gestaltet, so begreift man, dass die Austellungs-Urania der vornehmste Attractionspunkt der Jubiläums-Ausstellung ist. Hoffentlich wird es durch das Interesse der Bevölkerung gelingen, nach Schluss der Ausstellung an die Errichtung der definitiven Urania zu schreiten; dazu aber bedarf es grosser Geldmittel und das Syndieat Urania, welches mit 100 fl.-Antheil- scheinen bisher ein Vermögen von 30000 fl. zusammengebracht hat, vieler neuer Mitglieder! “ XIII. /Nr.\26. Litteratur. Dr. Otto Schmeil, Lehrbuch der Zoologie für höhere Lehr- anstalten und die Hand des Lehrers. Von biologischen Gesichts- punkten bearbeitet. Heft I Säugethiere. Mit vielen zum Theil farbigen Abbildungen. Erwin Nägele. Stuttgart und Leipzig 1898. — Preis 1,25 Mark. Das Heft ist, geschiekt von dem Gesichtspunkt der Be- ziehungen der Thiere zu ihrer Umgebung (Biologie im engeren Sinne) bearbeitet, also mit Hervorkehrung dessen, was für die Sehule bei Gestaltung eines anregenden Unterrichts besonders werthvoll erscheint. So finden wir z. B. auf den Maulwurf — und das ist für die Schule viel besser als langweilige Aufzählungen, bei denen sich der Schüler nicht viel denken kann — nicht weniger als 4 Seiten verwendet, unter den Ueberschriften: A. Wie ist der Körper für das Leben in der Erde eingerichtet? B. Körperbau und Nahrung; C. Von seinen Bauwerken; D. Seine Stellung im Haushalte der Natur und zum Menschen; E. Heimath. Prof. Dr. K. Goebel, Organographie der Pflanzen, insbesondere der Archegoniaten und Samenpflanzen. .I. Theil. Allgemeine ÖOrganographie. Mit 130 Abbildungen. Gustav Fischer in Jena. 1898. — Preis 6 M. In dem vorliegenden Buch handelt es sich um eine wirklich wissenschaftliche Organographie im Gegensatz zu den ÖOrgano- graphien aus der 1. Hälfte unseres Jahrhunderts. Man vermochte damals nur zusammenhangslos, beziehungslos zu beschreiben und nur die Form-Aehnlichkeiten systematisch zusammenzustellen. Eine wissenschaftliehe Organographie nun liegt in dem Werk Goebel’s insofern vor, also eine Organographie in höherem Sinne, als er bemüht ist, die Beziehungen der Organ-Gestaltungen zu den inneren und äusseren Verhältnissen aufzusuchen; er will die Frage beantworten, „inwieweit die Organbildung eine Anpassung an äussere Verhältnisse darstellt und von diesen oder von inneren Beziehungen abhängig ist“. Oder noch mit anderen Worten: es handelt sich um die Frage nach der Organbildung der Pflanzen, nach den Ursachen ihrer Entstehung. Referent stimmt durchaus mit dem Herrn Verf. darin überein, dass die Morphologie*) von der Funetion der Organe nicht abstrahiren kann, da die Organ-Entstehung ihre Gründe in der im Laufe der Generationen eintretenden Arbeitstheilung findet **), infolgedessen wechseln denn auch die rein formalen Beziehungen. „Diesen Wechsel, d. h. die Veränderungen, die sich in der Organ- bildung einer natürlichen Gruppe vollzogen haben und vollziehen, festzustellen, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Organographie“ (Goebel S. 9). Nicht genügend beachtet wird nun meines Er- achtens hierbei von G. und überhaupt von den Morphologen die wichtige, grundlegende Thatsache, dass die Umbildung eines ÖOrganes ain ein Organ 5b um so mehr inneren, d. h. im Organismus liegenden Hindernissen begegnet, je weiter phylogenetisch die Zeit zurückliegt, in der diese beiden Organe sich functionell (d. h. gleichzeitig formal) von einander differeneirten. Ein Beispiel wird leicht zeigen, was gemeint ist. Wenn Pflanzen, deren ge- sammte Blätter ausschliesslich Trophosporophylle***) (Assimi- *) Ich würde — um den historischen Anschluss nicht zu ver- lieren — definiren: Organographie als die Wissenschaft der Gestal- tungsverhältnisse der Organismen in allen ihren Beziehungen und Morphologie als diejenige Unterdiseiplin der Organographie, die sich speciell mit der Metamorphose der Organe in dem unten angedeuteten Sinne beschäftigt. — Vergl. meinen Vortrag „Die Metamorphose der Pflanzen im Lichte palaeontologischer That- sachen.“ Berlin 1898. S. 5—7. **) Vergl. 1. ec. S. 8 oder „Naturw. Wochenschr.“ S. 609, Spalte 1. *#3*) Diesen Terminus habe ich in einer Besprechung des eitirten Vortrages über die Metamorphose der Pflanzen in den Sitzungs- berichten der Gesellschaft naturforschender Freunde 1897, S. 187 vorgeschlagen. Eine zweckmässige Terminologie für die morpho- logischen Stticke, aus denen die Blätter entstanden sind und für die wichtigsten der letzteren scheint mir: Beispiele | Trophosporosome (auch Tropho- Fucaceen | some u. Sporosome) Polypodium- Wedel Trophosporophylle Onoclea Struthiopteris Trophophylle Sporophylile Naturwissenschaftliche Wochensehrift. ‚Klarheit gewinnen. 309 lations-Sporophylle) sind, eine Arbeitstheilung dadurch einleiten, dass die Blätter bei den Nachkommen entweder nur noch der Assimi- lation oder nur noch der Fortpflanzung dienen, sodass wir dann eine Trennung in l. Trophophylle (Assimilationsblätter) und 2. Sporo- phylie erhalten, wie bei Önoclea Struthiopteris, so ist die Möglich- keit durch geschiekte Eingriffe aus Anlagen, die normaler Weise Sporophylle erzeugthätten, nunmehr reine Trophophyllezu erhalten, grösser — und Goebel ist dies bekanntlich experimentell in der That gelungen — als etwa solche Anlagen zu zwingen etwa Wurzeln oder Stengel-Organe zu werden und zwar eben aus dem Grunde, weil die Sonderung in Wurzel resp. Stengel einerseits und Blatt andererseits viel, viel weiter zurückliegt. Obwohl nun von der Sachs-Goebel’schen Schule die Vererbungs- tendenzen Ikeineswegs verkannt und einfach ganz bei Seite ge- lassen werden, so ist ihnen doch bei Beurtheilung organographisch- morphologischer Fragen von dieser Schule meines Erachtens nicht der genügende Spielraum gewährt geblieben, was sich zum Theil wohl dadurch erklärt, dass freilich vielfach ungebührlich mit „Atavismus“ und anderen der Descendenz-Theorie angehörenden Begriffen umgesprungen worden ist, wo genügende Anhaltspunkte zu Deutungen auf der Basis dieser Theorie bei weitem nicht vor- handen waren. Ich kann es in Anknüpfung an diese Be- merkung, obwohl das die Sachs-Goebel’sche Schule nicht trifft, nicht unterlassen, darauf aufmerksam zu machen, dass hier und da sogar das Kind ganz mit dem Bade ausgeschüttet worden ist. So sagt K. Schumann*), er habe vorläufig noch nicht die Einsicht gewonnen, dass aus der Phylogenie für die ‚morphologischen Studien ein erheblicher Gewinn zu erwarten sei, und er sehe desshalb in der eitirten Arbeit von phylogenetischen Betrachtungen ab. Er ventilirt dann u. a. heissbestrittene Probleme wie die Axen- oder Blatt-Natur gewisser Staubgefässe, und des ‚unterständigen Fruchtknotens, also Fragen nach Homologien, die überhaupt erst durch die Annahme der Descendenz-Theorie volle Er beantwortet seine Fragen mit voller Sicherheit bezüglich der Staubgefässe, dass sie am besten alle als „Blätter“ zu betrachten seien, bezüglich des unterständigen Frucht- knotens, dass er als seriale Verwachsung der Cyklenglieder unter sich zu deuten sei. Und doch spricht er den riehtigen Gedanken aus, dass Blatt und Axe, „beide Kategorien durch die reine sinn- liche Wahrnehmung nieht immer scharf von einander geschieden werden können.“ Das sind unzweifelhafte Widersprüche, die auch Schumann gefühlt haben muss, und er kommt daher zu dem Schluss, dass überhaupt nur praktische Rücksichten die Unter- bringung der Organe in die Kategorien leiten könnten. So we- nigstens muss wohl seine eigentliche Meinung gedeutet werden. Er sagt: „Das System der Morphologie ist ein subjeetives; seinen Thesen kommt eine überzeugende Beweiskraft nicht zu, weil die aus den Beobachtungen gewonnenen Abstraetionen Werthbegriffe von subjeetiver Geltung sind“. Ja aber dann giebt es keine morphologische Wissenschaft mehr, dann sind die Aufregungen über die Erklärung, über den „Werth“ der Organe etwa als Blätter und Axen (und darum kümmert sich Sch. eingehend in seiner Arbeit) absolut unnütz, dann handelt es sich in der Morphologie nur noch um rein terminologische Fragen, die nach reinen Zweck- mässigkeitsgründen zu entscheiden sind, die an sich ebenso be- deutungslos sind, wie die Frage, wo hört das Kind auf, und wo fängt der Mann an? : Das ist nun eben meine Meinung nieht. Die Descendenz- Theorie, die sich als Nothwendigkeit aus den eigenthümlichen Bauverhältnissen der Organismen ergeben hat, hat nun ihrerseits die Aufgabe, diejenigen Erscheinungen im Aufbau verständlich zu machen, d. h. ihre phylogenetischen Beziehungen zu anderen Or- ganen aufzudecken, bei denen eine solche ig vorläufig noch unklar oder noch nicht gelungen ist. Die aus einer Unzahl Einzelthatsachen erschlossene Phylogenesis ist also gerade die Hauptgrundlage der Morphologie, in genau demselben Sinne, wie die Gesetze der Mechanik die Grundlage für die Deutung auch derjenigen Bewegungs-Erscheinungen bilden, die auf die Auf- stellung der Gesetze keinen Einfluss übten, und zwar solange, bis sich Widersprüche finden. Morphologische Thatsachen, die der Descendenz-Theorie widersprächen, sind aber bislang nicht nach- gewiesen. Die uns an einem bestimmten organischen Individuum der Jetztzeit entgegentretenden Ausgestaltungen sind abhängig 1. von den inneren Verhältnissen des Organismus, die wesentlich von der Herkunft des Individuums, also eben von Vererbungstendenzen mächtig beeinflusst sind, 2. von den Einflüssen der Aussenwelt. Goebel’s Werk ist schon jetzt eine Fundgrube, und wird durch den vervollständigenden 2. Theil ein ausführliches, grundlegendes, wichtiges Compendium der in zweiter Linie genannten Lehre von den Beziehungen der Aussenwelt zur Formbildung des Pflanzen- körpers werden. Aber — wie gesagt — erst die durch die Grund- lage der Descendenz-Theorie vertiefbare Lehre von der Abhängig- *) Beiträge zur vergleichenden Blüthenmorphologie. Prings- heim’s Jahrbücher XVIIl. Berlin 1837, S. 134—135. 310 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 26. ÖL] € €] € ääää—meTTnnnnnLLLL—L—.—[1[1[2[__—— keit der Formen von den inneren Verhältnissen der Individuen kann das Gesammtbild einer Gestaltenlehre der Organismen bringen. Eine eingehendere Begründung der Ansicht, dass das Gros der organographisch-morphologischen Erscheinungen bis auf Weiteres nur auf der Basis dieser Theorie möglich ist, muss ich mir leider vorläufig aus Zeitmangel versagen: die Thatsache, dass die Descendenz-Theorie auf dem Gebiet der Morphologie schier unglaubliche Obertlächlichkeiten im Gefolge gehabt hat, hat bei mir die schon ausgesprochene Ansicht nicht zu erschüttern vermocht. Die Organismen sind den äusseren Einflüssen gegenüber bis zu einer bestimmten Grenze plastisch, und diese Grenze ist ge- geben durch die Macht der Vererbungstendenzen. Wir haben dieselbe Erscheinung vor uns wie bei jedem nicht organisirten Körper, nur dass wir uns hier anderer Worte bedienen. Jeder be- liebige in Bewegung befindliche Körper passt sich ebenfalls den äusseren Verhältnissen an: die Bewegungen einer Billardkugel auf dem Billard ist abhängig von dem ihr gegebenen Stoss, den Reibungs- Widerständen, den Stössen gegen die Banden, aber auch von den „inneren“ Verhältnissen der Kugel, nämlich ihrer Bewegungsträg- heit (Vererbungstendenzen), Elastieität, Festigkeit u. s. w. Aus der prävalirenden Berücksichtigung dieser im Innern gegebenen Eigenthümlichkeiten der Organismen mit ungebührlicher Vernach- lässigung der äusseren Einflüsse ist die alte Goethe-Braun’sche Morphologie entstanden. Trotzdem sie die Descendenz-Theorie noch nicht bewusst zu Grunde legte, ist dennoch bei den auf- fallenden, durch die Vererbung gegebenen Thatsachen die Ausbildung einer, freilich durch die Nicht-Erkenntniss des Prinzips derselben unklaren Metamorphosen-Lehre entstanden. Der Metamorphosen-Begriff der Goethe-Braun’schen Schule ist durchaus ein deseendenz-theoretischer*); Goebel’s Begriff der Metamorphose ist ein anderer; er sagt (S. 8): „Unser Metamor- phoseubegriff ist zunächst ein ontogenetischer und darum ein experimentell fassbarer und beweisbarer.“ Wenn er fortfährt: „Phylogenetische Betrachtungen können hinzutreten, aber dass es nicht berechtigt ist, lediglich in phylogenetischem Sinne von einer Metamorphose zu sprechen, zeigt schon die einfache Thatsache, dass die Metamorphosenlehre älter ist, als die Deseendenztheorie, und sie würde auch bestehen bleiben, wenn die letztere auf- gegeben würde“, so schiebt er den historisch-botanischen Begriff der Metamorphosenlehre aus seinem ursprünglichen Geleise. Denn, ich wiederhole: die auf Vererbungstendenzen beruhenden, wich- tigen Thatsachen waren bei ihrer grossen Auffälligkeit den alten Metamorphoslern doch längst bekannt, nur dass sie von den letzteren idealistisch (man könnte sagen bildlich) gedeutet wurden, während heute gemäss unserer Fortschritte die Neigung besteht, sie real zu deuten. Die Metamorphosenlehre Goethe-Braun’s sucht die Beziehungen der Pflanzen-Gestaltung zu den „inneren“, die Metamorphosenlehre Goebel's hingegen wesentlich die Beziehungen zu den „äusseren“ Verhältnissen auf. Dass innere sowohl wie äussere Verhältnisse die Formen und Form-Aenderungen bedingen, ist klar, und wurde schon angedeutet; dass es sich also in beiden Fällen — wenn wir das Wort nicht historisch nehmen, sondern einfach übersetzen — um „Metamorphosen“; handelt, ist allerdings richtig, daraus aber ergiebt sich (sofern man auf der historisch gewordenen Basis verbleiben will) nicht die Berechtigung zu dem oben angeführten Ausspruche Goebel’s. Ich übersehe dabei ganz und gar nicht — dies sei nochmals betont — dass er die phylo- genetischen Betrachtungen durchaus als auf wissenschaftlicher Basis beruhend anerkennt, jedoch weist er ihnen entschieden nicht die ihnen gebührende Stellung ein. — Das Buch Goebel’s hat Referent mit der grössten Freude begrüsst: es ist zu hoffen, dass es eine neue Aera der botanischen Morphologie einleiten hilft. Das Bedürfniss, diese Disciplin zeitgemäss zu gestalten, ist mächtig, wie sich in den Erscheinungen der Litteratur kundgiebt: handelt doch auch J. Sachs’ letztes (nachgelassenes) Werk, auf das die gesammte botanische Welt gespannt sein müss, über die „Prineipien der vegetabilischen Gestaltung“. H. Potonie. Adolf Engler, Syllabus der Pflanzenfamilien. Eine Uebersicht über das gesammte Pflanzensystem mit Berücksichtigung der Medieinal- und Nutzpflanzen zum Gebrauch bei Vorlesungen und Studien über specielle und medieinisch-pharmaceutische Botanik. Zweite umgearbeitete Ausgabe. Gebr. Borntraeger. Berlin 1898. Die erste Auflage des Engler’schen Syllabus erschien 1892, zu einer Zeit als das imposante Sammelwerk „Die Natürlichen Pflanzen- familien“ erst zu einem Theile vollendet vorlag. Gerade in jener Zeit, sei es durch die gemeinsame Arbeit hervorragender Systematiker an den „Pflanzenfamilien“, sei es durch das überaus rüstige Fort- schreiten der botanischen Wissenschaft im Allgemeinen, waren die Ansichten über die systematische Stellung vieler Pflanzen- familien, über die Bewerthung zahlreicher, systematischer Gruppen *) Vergl. meine Auseinandersetzung in dem eitirten Vortrag S. 6/7. \ starken Schwankungen unterworfen. ‚Familie zu erkennen. j { D 'Zweckmässigkeit konstatiren; er hat in seiner Studienzeit un- Jetzt, nach 6 Jahren, wo die Pflanzenfamilien nahezu vollendet sind, dürfte in den Haupt- punkten eine gewisse Stabilität eingetreten sein, und es ist deshalb mit Freude zu begrüssen, dass Verfasser sich entschlossen hat, den Syllabus in neuer, umgearbeiteter Auflage erscheinen zu lassen. — Referent glaubt, die erste Auflage des Syllabus wie vielleicht wenige benutzt zu haben und dadurch ein Urtheil über ‚die Zweckmässigkeit der Einrichtungen des Buches zu haben. — ‘ Zunächst hebt Verf. mit Recht hervor, dass die niederen Pflanzen in den bisher vorliegenden, ähnlichen Büchern verhältnissmässig ‘zu wenig berücksichtigt sind, und dass sie, ihrer Wichtigkeit für den Haushalt der Natur entsprechend ebenso beachtet und gekannt ‘zu werden verdienen wie die höheren Pflanzen. Zugleich soll die ‚knappe Uebersicht über die Reihen und Familien den Wissens- 'durstigen, besonders den Studirenden in den Stand setzen, sich ‚schnell und sicher über die Beziehungen der Familien und grösseren ‚Gruppen untereinander zu orientiren und es ihm ermöglichen, die Zugehörigkeit eines ihm vorliegenden Objectes zu einer bestimmten Ref. kann hier aus eigener Erfahrung die zählige Male Gelegenheit gehabt, auf den Exeursionen oder im Garten aufgelesene, kryptogamische, Gewächse ohne fremde Hilfe bestimmen zu müssen, und. da hat er stets, besonders im Anfange, zur ÖOrientirang den Syllabus mit Erfolg benutzt, statt. eine Kryptogamen-Flora vorzunehmen, wo die klare Uebersicht durch die oft hunderte von Seiten umfassende Darstellung der einzelnen Formen verschleiert wird. Durch die häufigere Benutzung eines solehen Buches erhält das ganze System des Pflanzenreichs von den niedersten Formen aufsteigend zu den höchsten Blüthenpflanzen feste Gestalt im Gedächtniss des Benutzers, es bleibt keine un- übersichtliche Summe einzelner Thatsachen. Erleiehtert wird die Benutzung der neuen Auflage durch ‚das Vorhandensein eines umfassenden Registers, welches alle Gattungen der lebenden Pflanzen enthält. Das Buch wird also einem Lehrer und Apotheker besonders in kleineren Orten, wo es ihm an einer grösseren Handbibliothek fehlt, ein werthvoller Rathgeber sein. Paul Graebner. Franz Thonner, Vergleichende Gegenüberstellung der Pflanzen- familien, welche in den Handbüchern von Bentham-Hooker und Engler-Prantl unterschieden sind. R. Friedländer & Sohn. Berlin 1898. — Preis 0,60 Mark. Das Heft von 35 Seiten enthält 2 Tabellen. Die erste geht von, den Familien (Ordines). Bentham-Hooker’s aus und giebt die ihnen entsprechenden Familien von Engler’s System nebst deren Unterscheidungsmerkmalen an, zugleich als Ergänzung zu dem Buch des Verfassers „Anleitung zum Bestimmen der Familien der Phanerogamen“ (vergl. „Naturw. Wochenschr.“ VI (1891, S. 461)‘. Die zweite Tabelle geht von den Familien Engler’s aus und giebt die ihnen ganz oder zum Theil entsprechenden Familien B.-H.'s an. Gymnasialprofessor Dr. Th. Bokorny, Lehrbuch der Botanik für Realschulen und Gymnasien. Im Hinblick auf ministerielle Vorschriften bearbeitet. Mit 170 Figuren. Wilhelm Engelmann in Leipzig 1898. — Preis 2,40 Mark. : Im ersten Theil werden ausführliche Beschreibungen einzelner Pflanzenarten geboten nach ihren äusseren Merkmalen und Eigen- thümlichkeiten, um zunächst einmal die Objeete, um die es sich handelt, etwas kennen zu lernen. Am Schluss findet sich ein Schlüssel zum Bestimmen einer Auswahl von Pflanzen für die Schule; er soll eine besondere Flora in der Schule entbehrlich machen. Sonst finden sich noch besondere, gute Abschnitte über den äusseren, den inneren Bau (Anatomie) der Pflanzen, eine systema- tische Uebersicht des Pflanzenreichs, Physiologie, Biologie (im engeren Sinne) und Pflanzengeographie. Moritz Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik. Dritter (Schluss-)Band. Vom Jahre 1668 bis zum Jahre 1758. 3. Abtheilung: Die Zeit von 1727—1758. Mit 70 Figuren. B. G. Teubner. Leipzig 1898. b Von dem trefflichen Werk liegt nun endlich der Schlusstheil vor. Der 1. Theil trat schon 1880 in die Oeffentlichkeit. Im Vor- wort zu der vorliegenden Abtheilung bringt Verf. Seite V—XII Verbesserungen zu den früheren Abtheilungen; die gegenwärtige Abtheilung umfasst die Seiten 476—893 inel. eines ausführlichen Registers (von Seite 878—895). Aus dem Inhalte sei darauf hin- gewiesen, dass sie natürlich u. a. die Grossthaten Euler’s vorführt. Bis zum letzten Wort bleibt sich das interessante Werk treu: durch Zuverlässigkeit und edelste Sachlichkeit. Historische Be- trachtungen haben auch in der Naturwissenschaft den allergrössten ı Werth: eine Vertiefung in die Geschichte einer Wissenschaft ist geeignet vorzuführen und ins Gedächtniss zu bringen, wie sehr wir alle von den gegebenen Fundamenten bei Beginn unseres Studiums abhängig sind, und die Erkenntniss zu fördern, dass es eine „absolute“ Wissenschaft nicht giebt. XII. Nr. 26. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 311 en en Bulletin de la soci&t& imperiale des naturalistes de Moscou. Publie sous la redaction du Prof. Dr. M. Menzbier et du Dr. N. Iwanzow. Anne 1897. Nouvelle serie. Tome XI. Avee 9 planches. Moscou 1398. — Abgesehen von den in russischer Sprache abgefassten Abhandlungen bringt der Band: P. Alexatt: Ueber die Krystallform des Strontiumformiates. — Th. Buchholtz: Uebersicht aller bis jetzt angetroffenen und beschriebenen Pilzarten des Moskauer Gouvernements. — Th. Buchholtz: Verzeichniss im Sommer 1896 in Michailowskoje (Gouv. Moskau) gesammelter Pilze. — J. J. Gerassimoff: Ueber die Copulation der zweikernigen Zellen bei Spirogyra. -- A. Jaezewski: IV Serie de materiaux pour la flore Mycologique du Gouvernement Smolensk. — Dr. N. Iwanzoff: Ueber die physiologische Bedeutung des Processes der Eireifung. (Taf. VIII). — E. Leyst: Meteorologische Beobachtungen in Moskau im Jahre 1896. — N. Maliseheff: Einige Bemerkungen über die Nerven- endigungen im Oesophagus und Magen der Vögel. — P. Matile: Contribution ä& la faune des Copepodes des environs de Moskou. (Pl. IL.) — V. Pissarschewsky: Aufzählung der bisher in Russland aufgefundenen Flechten nach den bis zum Jahre 1897 im Druck erschienenen Angaben. —M. Sabaschnikoff: Beiträge zur Kenntniss der Chromatinreduetion in der Ovogenese von Ascaris megalocephala bivalens (Taf. I). — J. Samoiloff: Beresowite. un nouveau mineral de Beresowsk, en ÖOural. — Andr. Semenow: De Aphodio seutieolli m. (nigrivitti Rttr.) ejusque cognatis. — C. Sokolowa: Ueber das Wachsthum der Wurzelhaare und Rhizoiden. (Taf. IHI—V). — J. Stolzmann: Oiseaux de la Ferghana. — S. A. Ussow: Die Entwiekelung der Cyeloid-Schuppeder Teleostier (Taf. VI, VI). — Dr. J. Walther: Geologische Studien in Transcaspien. Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich. Unter Mitwirkung der Herrn Prof. Dr. A. Heim und Prof. Dr. A. Lang herausgegeben von Dr. F. Rudio, Professor am Eidgenössischen Polytechnikum. Zweiundvierzigster Jahrgang 1897. Mit drei Tafeln. Zürich, in Kommission bei Fäsi & Beer in Zürich, sowie (für Deutschland und Oesterreich) bei J. F. Leh- mann, medizinische Buchhandlung in München. 1897. — E. Bam- berger und E. Kraus: Ueber Naphtalen-2, 1-Diazooxyd. — F. Becker, Linth-Ingenieur Heinrich Legler (1823—18397). — H. Fischer-Sigwart: Biologische Beobachtungen an unseren Amphibien. Mit einer Tafel. — A. Fliegner: Der Einfluss der Sehienenstösse auf die gaukelnden Bewegungen der Locomotiven. — A. Fliegner: Beitrag zur Theorie des Ausströmens der elastischen Flüssigkeiten. — J. Früh: Ueber Moorausbrüche. — U. Grubenmann: Gustav Adolf Kenngott. — A. Heim, Geo- logische Nachlese, Nr. 7: Quellerträge in Schächten und deren Bestimmung. — K. Hescheler: Weilsse Beobachtungen über Regeneration und Selbstamputation bei Regenwürmern.— E. Kraus: Notiz über die von Böhmer dargestellten Dibromphenylendiazo- oxyde. — L. Lang: Arnold Meyer. — G. Lunge: Nachruf auf Vietor Meyer. Mit dem Bildnisse Meyer’s. — C. Mayer-Eymar: Revision der Formenreihe des Clypeaster altus. — A. Meyer: Zur Theorie der zerlegbaren Formen, insbesondere der kubischen (herausgegeben von F. Rudio). — G. A. Miller: The non-regular transitive substitution groups whose order is the product of three unequal prime numbers. — A. Wolfer: Astronomische Mit- theilungen, gegründet von Dr. Rudolf Wolf, No. LXXXVII. Bade, Dr. E, Das Süsswasser-Aquarium. 2. Ausg. m. e. Anh,, Das Sumpf-Aquarium und Terra-Aquarium, Berlin. — 10 M. Bambus, W., Palästina, Land und Leute. Reiseschilderungen, Berlin. — 3 M. Bokorny, Gymn.-Prof. Dr. Th., Lelirbuch der Botanik für Real- schulen und Gymnasien. Leipzig. — 3 M. Böhm, Prosekt. A. A., und vorm. Assist. M. v. Davidoff, Lehr- buch der Histologie des Menschen einschliesslich der mikros- kopischen Technik. 2. Aufl. Wiesbaden. — 7M. Drobisch, Mor. Wilh., Empirische Psychologie nach naturwissen- schaftlicher Methode. 2, Aufl. Hamburg. — 6 M. nz Die Erneuerung des Abonnements wird den geehrten Abnehmern dieser Wochenschrift hierdurch in geneigte Erinnerung gebracht. Fuhrmann, Prof. Dr. Arwed, Anwendungen des Infinitesimal- rechnung in den Naturwissenschaften, im Hochbau und in der Technik. 1. Hälfte. Berlin. — 5,50 M. Hertwig, Prof. Dir. Dr. Osc., Die Zelle und die Gewebe. 2. Buch. Allgemeine Anatomie und Physiologie der Gewebe. Jena, — 7M Johansen, Lieut. Hjalmar, Nansen und ich auf 86° 14‘. Leipzig. — 0,50 M. Leisering’s Atlas der Anatomie des Pferdes und der übrigen Hausthiere. 1. Lfg. Leipzig. — 6 M. Marchesetti, Dr. Carlo, Flora di Trieste e de’ suoj dintorni. Triest. — 12 M. Marshall, Prof. Dr. William, Bilder-Atlas zur Zoologie der Vögel. Leipzig. — 2,50 M. ; Nernst, W., und A. Schönflies, Proff., Einführung in die mathe- mathische Behandlung der Naturwissenschaften. München. — 10,50 M. Nordahl, Bernh.. Wir Framleute, Leipzig. — 0,50 M. Roscoe-Schorlemmer’s ausführliches ‘Lehrbuch der Chemie von Prof. Jul. Wilh. Brühl. Braunschweig. — 15 M. Schenk, Prof. Dr. Leop., Einfluss auf das Geschleehtsverhältniss, Magdeburg. — 3 M, Steiner, Prof. Dr. J,, Grundriss der Physiologie des Menschen. Leipzig. — 10. M. Strasburger, Ed, Fritz Noll, Heinr. Schenck, A. F. W. Schimper, Proff. DD., Lehrbuch der Botanik für Hochschulen. ‘Jena. — 8,50 M. Thomae, Prof J., Elementare Theorie der analytischen Funetionen einer complexen Veränderlichen, Halle. — 9 M, Briefkasten. Hr. H, Ihre Frage zu dem in No. 17. S. 198 besprochenen Buch: Johannes Unbehaun, Versuch einer philosophi- schen Seleetionstheorie (Gustav Fischer in Jena 1896), dürfte sich durch folgende Erwägung über den fraglichen Punkt erledigen. U. behandelt ohne Weiteres und als selbstverständlich den Gegensatz des Unzweckmässigen und Zweckmässigen als an sich in der Natur vorhanden und übersieht die Relativität dieser beiden, ja rein anthropormophistischen Begriffe. Vielmehr ist die Frage nach der „Unzweckmässigkeit“ der Lebewesen oder der Welt ebensowenig ein Problem wie diejenige nach ihrer „Zweck- mässigkeit“, wenn diese Fragen in gleicher Weise ohne Beziehung gestellt werden, wie in dem folgenden Satz des Verf. der Begriff „Vervollkommnung“ Verwendung findet: „Wie kann Vervoll- kommnung erreicht werden durch Auslese oder Selektion, welche von den entstehenden Formen nur die existenzfähigen und zweck- mässigen erhält, die übrigen aber vernichtet?“ Nichts ist an sich zweckmässig oder unzweckmässig resp. vollkommen oder unyollkom- men. Weiterhin (S. 82) wird denn auch der Begriff ER ee gleichbedeutend gesetzt mit „existenzfähig“, womit wir uns durch- aus einverstanden erklären können, aber wie man sieht, liegt darin ein Widerspruch mit dem oben angeführten Satz. Nun würden wir gar kein Gewicht auf gelegentliche Widersprüche legen, falls sich aus dem Geist des Ganzen ergiebt, dass dies nur versehentlich geschieht; wir bemerken aber, dass so etwas doch keinesfalls in den (vom Verf. ganz fett hervorgehobenen) Hauptsätzen vorkommen darf. 1 Hr. Dr. F. — Dr. Reinecke hat thatsächlich eine Flora von Samoa verfasst und davon bereits den 1. Theil, umfassend sämmtliche Cryptogamen, veröffentlicht s. t.: „Die Flora der Samoa-Inseln“ in Englers Botanischen Jahrbüchern XXIL, S. 237 bis 368 (1896/97). Von den Phanerogamen wird nächstens der Schluss des Manuskriptes fertig gestellt, und es beginnt der Druck vermuthlich noch in diesem Jahre; jedenfalls wird im nächsten die Publieation erscheinen. Ob Verf. auch die Volksnamen mit- theilt, lässt sich an den Cryptogamen nicht ersehen, ich glaube aber, er wird es thun. Diels. = Die Verlagsbuchhandlung. Inhalt: E. Fürst: Kaffee-, Zucker-, Tabak- und Thee-Cultur auf Java. — Ueber das „Reiten“ der Frösche. — Nochmals der „grimme Scheleh“. — Der Einfluss der X Strahlen auf die Keimung der Samen. — Ausscheidung von Wassertropfen in den Blättern bei Malvaeeen und anderen Pflanzen. Verflüssigung des Wasserstoffs und des Heliums. — — Die bösartige Rotzkrankheit der Pferde (Malleus humidus). Ein lokaler magnetischer Pol. — — Die, Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. Otto Schmeil, Lehrbuch der Zoologie. — Prof. Dr. K. Goebel, Organographie der Pflanzen. — Adolf Engler, Syllabus der Pflanzenfamilien. — Franz Thonner, Vergleichende Gegenüberstellung der Pflanzenfamilien. — Gymnasialprofessor Dr. Th. Bokorny, Lehrbuch der Botanik. — Moritz Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik. — Bulletin de la soeiet€ imperiale des naturalistes de Moscou. — Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich. — Liste, — Briefkasten. 312 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. .26. Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! Grosse Vortheile! Neues Princip für Massenbetheiligung an industriellen Unternehmungen. == Neuheiten - Vertrieb. — Neu aufgenommen: Durchführung des Buttenstedt- schen Flugprineips (von zwanzig namhaften Gelehrten unterstützt) und Errichtung einer Versuchs- station für Flugzwecke. fr { en Inlernatlodele Nee gas rationellen \ ga — erwerthung von Erfindungs-Patenten. °-! ii BERLIN. 5.0.26. insel ee Ber schränkter Haftpflicht. Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, participirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabricirten Artikel. Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Die Insekten-Börse Internationales Wochenblatt der Entomologie logisches Organ 7 tür Angebot, Nachfrage ) und ha \ hervorragendste Blatt, welches wegen der be- lehrenden Artikel, sowie seiner internationalen und grossen Verbreitung betreffs Ankauf, Ver- kauf und Umtausch aller Objecte die weit- gehendsten Erwartungen erfüllt, wie ein | Probe-Abonnementlehren dürfte. Zubeziehen durch die Post. Abonnements - Preis pro Quartal Mark 1.50, für das Ausland per Kreuzband durch die Verlags- Buchhandlung Frankenstein & Wagner, Leipzig, Salomon- strasse 14, pro Quartal Mark 2.20 = 2 Shilling 2 Pence = 2 Fr. 75 Cent. — Probenummern gratis und franco, — Insertionspreis pro 4gespaltene Borgiszeile Mark —.10. Dünnschliff- Sammlungen für praktische mikroskopische Uebungen. Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller wichtigen Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. Rosenbusch „Mikroskopische Physiographie der massiven Gesteine“ Stutt- gart 1896. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste gedruckte Beschreibung, derart, dass der Lernende die einzelnen Gemengtheile der Gesteine makroskopisch und mikroskopisch erkennen und bestimmen kann. Sammlungen von je 120, 180 und 250 Dünnschliffen in elegantem Etui je Mk. 150, Mk. 225, bez. Mk.»325. Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen Handstücken. (Format 8/. x 11 em.) je Mk. 250, Mk. 390, bez. Mk. 575. Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer genauen mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate und für die richtige Auswahl von charakteristischem Material garantirt werden kann. Dr. F. Krantz, Rheinisches Mineralien- Contor. Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel, Geschäftsgründung 1833. Bonn a./Rh. Geschäftsgründung 1333. Verantwortlicher Redaeteur: zroso00000000000000000000000000 00000000000 . Dr. Robert Muencke Luisenstr. 585. BERLIN NW. Luisenstr. 58. R % Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate & und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. ® OO HOP HH HH H HH HH HH HH In Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW 12 erschien und ist durch jede Buchhandlung zu beziehen: Über Herberstain und Hirsfogel. 54 54 54 5 ... Beiträge zur Kenntnis ihres Lebens und ihrer Werke. Mit 10 Abbildungen im Text. Von Prof. Dr. Alfred Nehring 108 Seiten gross Octav. Ladenpreis 3 Mark. ERIPLERETRLETTILTTIRRG handlung in Berlın = 12 erschien: “Über geographische Ortsbestimmungen ohne astronomische Instrumente. Paul Wächter Berlin - Friedenau empfiehlt als Spezia- litäten seine Mikroskope > photopr.Ojetir, MW Preislisten gratis } Von Prof. Dr. P. Harzer, Director der Herzoglichen Sternwarte zu Gotha. Mit einer Tafel. Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik.) 53 Seiten Lex. 8. — Preis 1.20 M uneiran ig Elementare Rechnungen aus der mathematischen Geographie ‚Gebrauchte Gasmotoren für Freunde der Astronomie in ausgewählten Kapiteln gomoinvorständlich begründet und vorgeführt von ©. Weidefeld, Oberrossarzt a.D Mit einer Figurentafel. 64 Seiten gr. 80. Preis 2 Mark. EITTTITTTIITIITTITTTT] DAMPF-und DYNAMO- MASCHINEN‘ garantirt‘: betriebsfähig inallen Grössen sötort lieierbar. Elektromotor, s:n.v:H. Schi’bauerdamn 21 Berlin NW. | ‘ S Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. R Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Photo::?rhische Stativ- und Hand- | Gameras. Gediegene Ausstattung. SMS” Sämmtliche Bedarfsartikel, 3% Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare ' Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässisste Hand-Camera. Für 12 Platten. | Wechselcassette „Columbus“. An jede Camera anzubringen. Ohne Beutel! Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ER N Redaktion: ichlich ersetzt durch den | der Wirkliehke.t, derihre WW Schöpfungen schmückt. Schwendener. Dr.H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XIII. Band. | Sonntag, den Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Bringegeld bei der Post 15 „9, extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. 3. Juli 1898. Der Vierteljahrspreis ist HM 4.— [0:0) Nr. 27. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Tektonische Thäler und Erosionsthäler in der Mark. Mit einer Kartenskizze von Eduard Zache. Im Gebiete der Norddeutschen Tiefebene ist es schwie- rig, tektonische Linien festzustellen, weil das Diluvium sich gleichmässig ausbreitet. Trotzdem sind an einigen Stellen, z. B. auf Rügen, Bewegungen im Erdboden bis in die Interglacialzeit verfolgt worden, und es ist sogar nieht ausgeschlos- sen, dass solche bis in das Allu- vium hineinreichen und die Diluvial- massen mitbetrof- fen haben. Herr Deeke*) geht in dem Aufsatz: „Ein welcher den Blick auf sieh lenkt. Da über den Bau des tieferen Untergrundes in diesem Thalzuge niehts bekannt ist, so lässt sieh bis jetzt auch mit Sicherheit ein Urtheil nieht fällen. Es mögen trotzdem einige Punkte angeführt werden, welche darauf hindeuten, dass hier ein Senkungs- gebiet, ein Graben, vorliegt. In einer Grube im Diluvial- thon, dieht neben dem Rande auf dem Plateau bei Landsberg a. W., habe ich *) Störun- gen beobachtet, allerdings sind es hier nur gering- fügige, aber deut- Versuch der Er- = klärung der Oder- 7 bucht“ soweit, —, Be : „das Streichen der —— ss BERUN. Wolliner Bachrisse als lokale Ver- rutschungen im Diluvium aufzu- fassen, deren Ur- sachen im Bau des Untergrundes zu suchen sind.“ Die Aufgabe der folgenden Zei- len soll es sein, zu versuchen, ob sich nieht auch in der Mark tektonische Linien auffinden lassen. Es ist hier der Thalzug des Netze-Warthe-Oderbruches, *) Zeitschrift der deutschen Geolog. Gesellschaft, XLV. Bd., 571. Seite. lich ausgeprägte Verwerfungen, in deren Nähe sich keine dureh Glet- scherdruck hervor- gerufenen Faltun- gen und Stauchun- gen haben auf- - finden lassen. — re Auch die ober- irdische Ausbil- dung des Bruch- bodens dürfte eine weitere Stütze gewähren. Die Thal- sohle des Oderbruches beherbergt an einigen Stellen Findlinge; so habe ich solehe gefunden in dem Strich zwischen Alt-Lewin und der Zuckerfabrik Thöringswerder *) Zeitschrift für Naturwissenschäften, Halle, ‚64. Bd. 201. S, 314 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 27. südlieh von der Chaussee Cüstrin-Wriezen; sie liegen in geringer Tiefe und werden von der Pflugschaar getroffen. An einer anderen Stelle, auf der Feldmark von Alt- Wustrow, liegt unter einer dünnen Schlickdecke ein scharfer Sand mit zahlreichen, grösseren Geröllen, sodass der Acker nach einer Rigolarbeit ganz den Eindruck von Oberem Sand mit Steinbestreuung macht. Jene Geschiebe und diese Gerölle sind, wie ich glaube, die Ueberreste des Oberen Geschiebelehmes. Hätte hier wirklich eine so tiefe Auswaschung stattgefunden, dass das gesammte Diluvium und ein grosser Theil des Tertiärs weggespült worden wären, so hätten jene wohl auch nicht zurück- bleiben können. Am deutlichsten aber tritt der Unter- schied in der Entstehungsweise beider Thäler hervor, wenn man den fruchtbaren Schliekboden des Oderbruchs mit dem unfruchtbaren Thalsand der Spreerinne ver- gleicht. Ich. möchte den fruchtbaren Schliekboden des Oderbruchs für den Thon des Oberen Geschiebelehmes halten, der hier in dem aufgestauten Schmelzwasser suspendirt war und sich mit dem Sand desselben ab- setzte, wobei es natürlich zu einer Sonderung beider kommen musste, da die einfallenden Gletscherbäche der benachbarten Höhen und auch der Abfluss nach Norden für eine schwache Strömung sorgten. Nach diesen, allerdings nicht sehr zahlreichen und bedeutsamen geologischen Thatsachen sollen nun die oro- graphischen in Betracht gezogen werden.. Ein Blick auf das Kärtchen lehrt, welcher Unterschied besteht zwischen der Höhenlage der Thalsohlen, wenn man das Oderbruch mit den westlich gelegenen Thälern- vergleicht. Während die Sohle des Niederoderbruches bis auf 4 m Meeres- höhe hinabgeht, haben das Spreethal und die grossen Brüche des Havellandes eine Meereshöhe von 32 m. Und wenn daher die benachbarten Plateaus die Sohle des Spreethals um 30—40 m überragen, so steigt der Rand neben dem Oderbruch bei Freienwalde bis zu 152 m und bei Buckow bis 130 m Meereshöhe. Am schärfsten aus- geprägt ist der Absturz zum Oderbruch auf der Neuen- hagener Insel, obwohl die Differenz hier nur 80 m beträgt. Neben der Höhenlage ihrer Sohlen muss man auch die Breite der Thäler in Betracht ziehen. Das Spreethal behält auf seiner ganzen Erstreekung ungefähr die gleiche Breite bei, das Oderbruch zieht sich dagegen bei Freien- walde plötzlich eng zusammen. Oberhalb dieser Stadt hatte es noch 18 km Breite und zwischen Freienwalde und Schiffmühle nur noch 21/;, km. Es verhält sich da- her das Oderthal bei Freienwalde genau wie das Rhein- thal bei Mainz. Dazu kommt weiter der geschlossene Verlauf des ganzen Thalzuges mit über 300 km Länge von Nakel bis Freienwalde, während das Spreethal von Süden her zahlreiche, weite Nebenthäler aufnimmt. Diese scharfe Begrenzung des gesammten Thalzuges ist am deutlichsten ausgeprägt in der Ecke neben der Reit- weiner Spitze, welche eine directe Fortsetzung des süd- lichen Thalrandes des Warthebruches ist. Ebenso scharf ist der Winkel neben der Neuenhagener Insel. So ist das Oderbruch seiner äusseren Gestalt nach ein echter Graben, ebenso wird es sich auch mit dem Warthe- und Netzebruch verhalten. Endlich darf man vielleicht in der Buckower Spalte mit dem Schermützel-See und dem Rothen Luch eine Fort- setzung des Netze-Warthe-Einbruches nach SW erkennen. Herr Wahnschaffe*) spricht sich zwar dagegen aus, in- dem er die Thalbildung allein auf die Schmelzwässererosion zurückführt. Aber nirgends kenne ich im Gebiet der nord- deutschen Vereisung eine Stelle, wo ein ähnlicher Con- *) Lagerungsverhältnisse des Tertiär-Quartärs der Gegend von Buckow. Jahrbuch der Geolog. Landesanstalt für 18%. trast in der Höhenlage zwischen der Thalsohle und dem benachbarten Plateaurande hervortritt. Das Niveau des nördlich angelagerten Plateaus hat eine Meereshöhe von 90 m, und einige Bergkuppen erreichen sogar über 100 m. Der Spiegel des Schermützel-Sees besitzt eine Meereshöhe von 26 m, und dazu !kommt an einer Stelle noch eine Tiefe von über 30 m. Die alten Geologen bis auf Lossen hegten gar keinen Zweifel darüber, dass diese grossen und noch einige an- dere unbedeutendere Rinnen auf Bewegungen des ‚Unter- grundes zurückgeführt werden könnten. Mit dem Empor- kommen der Inlandeistheorie ist man dagegen hiervon gänzlich zurückgekommen. Man führt die Störungen im Tertiär nach Herrn Berendt’s Vorgang auf die Schub- kraft des anrückenden Gletschereises zurück und die Unterschiede im Niveau der heutigen Oberfläche auf die erodirende Thätigkeit der Schmelzwässer. Es lässt sich nicht leugnen, dass diese beiden Factoren eine grosse Rolle gespielt haben werden, aber ich glaube, es ist eine zu einseitige Betonung einer einzelnen Ursache. Die gebirgsbildende Thätigkeit ruht niemals und wird sieh auch in unserer Gegend bis in die jüngste Zeit hinein geltend gemacht haben. Die Schwierigkeit besteht hier nur darin, die Grenze zu finden zwischen den beiden Kräften und den Umfang jeder derselben festzustellen. Da das wohl mit Sicherheit nicht möglich sein wird, mag hier nur gesagt werden, dass im Spreethalgebiet nur die Erosion und im Warthe-Oderbruchgebiet Senkung und Erosion thätig gewesen sind. Eine neue Frage, welche sich hier anschliesst, richtet sich auf die Entscheidung über die Zeit des Einbruches. Die Mehrzahl der Forscher verlegt, wieder in Anlehnung an Herrn Berendt, die Entstehung der Störungen in die Zeit des Vordringens des Inlandeises. Aber es ist doch auffallend, allerdings deshalb noch nicht unmöglich, dass der Eingriff des vorrückenden Inlandeises ein so ver- schiedener in seiner Wirkung gewesen sein soll, als der ist, welcher sich ergiebt, wenn man die grossartigen Störungen im Tertiärgebirge mit denschwachen Stauchungen und Faltungen über den Schichtköpfen des Rüdersdorfer Muschelkalkes oder in den verschiedenen Diluvial-Thon- gruben miteinander vergleicht. Ich möchte deshalb die Entstehung des grossen Grabenzuges an den Schluss der Eiszeit verlegen und möchte den Beginn der Abschmelzperiode von diesem Moment abhängig machen. Während vor der Senkung die östliche Mark ein fast horizontales Eisfeld war, wie das heutige Grönland, auf dem die Schmelzwässer sich annähernd gleichmässig verteilten, wurde durch die Störung der Anstoss zu grösseren Schmelzwasserstrassen gegeben. ' Weitab aber von den Einbruchszügen, gleichsam im Mittel- punkte der Horste und Schollen hielt sich das Eis und verschwand nur sehr allmählich, hauptsächlich durch Ver- dunstung. Während daher auf den Abhängen und in den Rinnen das strömende Wasser die Moräne zerstörte, blieb sie im Mittelpunkte der Schollen mehr oder weniger gut erhalten. Diese Ueberreste sind die sogenannten End- moränenzüge. Mit ihrer Lage hängt daher aufs innigste auch die Vertheilung der Rinnen auf den Plateaus zusammen. Ich möchte endlich die Grabenzone des Oder-, Warthe- und Netzebruches zum Störungsgebiet der Ostsee rechnen und in Erweiterung der Untersuchung des Herrn Deeke das Oderbruch als einen Graben im Sinne des hereynischen Systems und das Netze-Warthebruch als einen solchen des erzgebirgischen ansprechen. Die Parallelität des Grabenzuges mit der Pommersehen Küste ist überraschend gross, sie erstreckt sich bis auf die geringsten Ab- weichungen. So z. B. entspricht die Abbiegung des Netzebruches von der Hauptrichtung zwischen Czarnikau XI. Nr. 27. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 315 und Schneidemühl genau dem Stück der Ostseeküste bei Rügenwalde. Die Parallelität mit den Störungen an der Oder- mündung lässt sich noch einen Schritt weiter verfolgen. Auch der dritte Störungstypus, der smäländische, wie ihn Herr Deeke nennt, ist hier anzutreffen. Wie das untere Oderthal zwischen Schwedt und Stettin diesem folgt, so thut dies oberhalb das Thalstück zwischen Frankfurt und Reitwein. Das beweist auch hier wieder das Breiten- verhältniss. In dem Abschnitt Frankfurt-Reitwein ist das Thal 6 km breit und in dem oberhalb sich anschliessen- den Stück zwischen Brieskow und Frankfurt nur 2!/, km. Und ausserdem gehen beide Abschnitte nicht allmählich in einander über, sondern die Erweiterung erfolgt viel- mehr ganz plötzlich. Der Engpass der Oder zwischen Brieskow und Frank- furt ist durch die Erosion hergestellt worden. Den An- fang dazu machten die Schmelzwässer des Sternberger Plateaus, welche ehemals in den Betten der heutigen Eilang und Pleiske abflossen. Als sie endlich das Trennungsstück bis zum Niveau des Uroderbettes zwischen Fürstenberg und Brieskow abgewaschen hatten, warf sich jene in diesen Eugpass und erweiterte ihn allmählich, ein Pro- cess, welcher bis zum heutigen Tage noch nicht beendet ist. Da die Terrasse zwischen Brieskow und Fürstenberg 40 m Meereshöhe und das Oderthal zwischen Frankfurt und Reitwein 20 m Meereshöhe besitzt, so muss hier der Strom bei seinem ersten Durchbruch mit starkem Gefälle hinabgeflossen sein. Noch heutigen Tages ist die Diffe- renz*) nicht völlig ausgeglichen. Für den Abschnitt von der Bobermündung bis zur Neissemündung sind 0,27 %go Gefälle vorhanden, für das Stück zwischen der Neisse- mündung und Frankfurt 0,282 °/,, und für die Strecke zwischen Frankfurt und der Warthemündung 0,266 %/go- Die allmähliche Austiefung des Oderbettes zwischen Neu- Zelle und Frankfurt bis auf 25 m wurde nur durch den Niveauunterschied in beiden Stromabschnitten möglich gemacht. *) Der Oder-Strom u. s. w. Berlin 1896, Bd. III, S. 204. Der Amöboismus der Nervenzellen. Die über den Bau der nervösen Elemente früher herrschende Ansicht, dass das Nervensystem aus zwei gänzlich verschiedenen Elementen bestehe, kann heute als völlig abgethan be- trachtet werden. Dank den Arbeiten Golgis, Ramon y Cajals, Köllickers u. a. weiss man jetzt, dass eine prinzipielle Trennung zwischen Ganglienzelle und Nerven- faser, sowie die Annahme eines direkt zusammenhängenden Netzwerkes der grauen Substanz den anatomischen That- sachen nicht entspricht. Vielmehr bildet die Ganglienzelle mit dem zugehörigen Axeneylinder eine nervöse Einheit, Neuron genannt, welche derart eng zusammenhängt, dass die Entartung des einen Theiles auch den Untergang des anderen zur Folge hat. Der Axeneylinder entsteht durch Hervorwachsen aus seimer Ganglienzelle, und seine Ver- bindung mit der nächsten Ganglienzelle wird durch Be- rührung seiner baumartig verästelten Endfasern mit den dem Körper dieser Zelle entstammenden, protoplasmatischen Fortsätzen hergestellt. Die Leitung erfolgt in jeder Nervenfaser nur in einer Richtung, vom Zellkörper zum Axenceylinder und Endbäumchen, also in cellulifuger kiehtung, in den feinen, protoplasmatischen Fortsätzen des Zellkörpers dagegen in der Richtung des letzteren, also eellulipetal. Wenn aber die Endverzweigungen der cellulifugen Verlängerung der Ganglienzelle, also des Axeneylinders, sich in unmittelbarer Nähe der Endverästelungen der cellulipetalen Protoplasmafortsätze des folgenden Neurons verzweigen, die Elemente also nicht in unmittelbarem Zusammmenhange, sondern nur in Contiguitätsverbindung stehen, so ist die Frage berechtigt, ob nicht in Folge vorhandener Contracetionsfähigkeit des Protoplasmas die in unmittelbarer gegenseitiger Nachbarschaft befindlichen protoplasmatischen Endverzweigungen sich von einander entfernen bezw. sich einander nähern können. In dieser Frage ist im Wesentlichen die Hypothese des „Amöbois- mus“ der Nervenzellen enthalten. Man kann von ihr be- haupten, dass sie seit längerer Zeit gewissermaassen in der Luft schwebte. Ja, sogar schon zu jener Zeit, als noch die Lehre von dem zusammenhängenden Netze der Ganglienzellen galt, hat man schon die Frage aufge- worfen, ob nicht die Möglichkeit gelegentlichen Zer- reissens der Fäden dieses Netzes und neu entstehender „Verlöthungen“ derselben vorhanden sei. Selbst der Ausdruck „amöboide Bewegungen“ der protoplasmatischen Fortsätze wurde gelegentlich gebraucht. — Den ersten gerechtfertigt, dass der natürliche auf die heutigen Kenntnisse von dem Bau der Neurone Rücksicht nehmenden Erklärungsversuch der hier in Frage stehenden Vorgänge verdanken wir dem Italiener Tanzi (1593). Indem er die Vorgänge, welche durch Gewohn- heit und Erziehung immer leichter und schliesslich fast automatisch in den Neuronen sich abwickeln, berück- sichtigte, warf er die Frage auf, ob nicht in Folge gesteigerter Ermährung der durchströmten Theile der Ganglienzellen und ihrer Fortsätze eine Volumzunahme entstehen könne, welche sich höchst wahrscheinlich in einer Verlängerung der protoplasmatischen Verästelungen bemerkbar machen würde, derart, dass die functionelle Uebung allmählich die Abnahme der Entfernung zwischen den einzelnen sich gegenseitig berührenden Neuronen zur Folge haben müsste. Die letzteren werden das Bestreben entwickeln, sich einander mehr und mehr zu näbern und die Contiguität ihrer protoplasmatischen Verästelungen immer inniger herzustellen; mit anderen Worten, in dem- selben Grade, wie die Uebung dazu beitrage, die Ent- fernung zwischen den Neuronen zu verkürzen, werde sie die Leitungsfähigkeit der Neurone und somit ihre functionelle Thätigkeit vergrössern. — Ein Jahr nach Tanzi (1894) stellte der Franzose Lepine, anlässlich eines besonderen Falles von Hysterie, eingehendere Betrachtungen über die Möglichkeit der Veränderung der gegenseitigen Beziehungen der Neurone auf. Aus der Contiguität der- selben folgerte er, dass aus dem ungenügenden Zusammen- hange zwischen den Fortsätzen der Zellen dem Nerven- strome ein Hinderniss erwachsen müsse; dass ferner unter der Einwirkung eines psychischen Einflusses eine geringe Verlagerung der Fortsätze die Contiguität aufhebe und ‘dass sich letztere nach Aufhören der störenden Ursache in Folge einer gewissen auf Contactschluss gerichteten Ver- ‚erbung der Zellen wiederherstelle. Wenn diese Hypothese der Wirklichkeit entspreche, sei die Annahme nicht un- Schlaf durch das Zurückziehen der Fortsätze der sensoriellen Zellen ent- stehe, indem auf die angeführte Weise eine Isolirung der ‚letzteren hervorgerufen werde. Man kann sich vorstellen, dass die angenommene Bewegungsfähigkeit unter gewissen Umständen Modi- fieationen zugänglich ist, die sich beispielsweise unter dem Einflusse gewisser Reizmittel, wie Thee, Kaffee, Alkohol ete. bemerkbar machen würden. Unter diesem Gesichtspunkte würde man verstehen können, dass z. B. die Phantasie, das Gedächtniss, die Ideenassociation nach 516 dem Genusse der genannten Getränke schneller und leichter arbeiten, indem die psycho-physiologische Wirkung dieser Reizmittel darin bestehen würde, den Amöboismus der Nervenzellen zur Entfaltung anzuregen. Diese Aut- fassung, welche die Vorgänge der höchsten psychischen Thätigkeiten auf histologische Vorgänge zurückführt, die den an den Amöben und den weissen Blutkörperchen beobachteten durchaus ähnlich sind, würde auch, um dies besonders hervorzuheben, auf die Erklärung der Er- scheinung des Schlafes und des Erwachens anzuwenden sein, jene Erscheinungen also, deren tieferes Verständniss uns trotz mannigfachen Bemühens bis jetzt noch ver- schlossen ist, und uns mit der Zeit vielleicht den Aufbau einer „histologischen Theorie des Schlafes“ ermöglichen. Gerade das Studium des Schlafes und des Erwachens führt unter Anwendung der Hypothese des nervösen Amöboismus zu interessanten Betrachtungen. Im Schlafe sind die Reflexe nicht aufgehoben; es besteht also keine Unterbrechung des Ueberganges zwischen den beiden Neuronen, welche den Reflexbogen bilden. Die Unter- brechung findet weiter centralwärts statt, wo das sensible Neuron mit dem nächst höheren oder dieses in der Hirn- rinde mit den rein psychischen Neuronen in Verbindung tritt. Dass überhaupt und besonders in der Rinde selbst während des Schlafes nicht immer eine völlige Aufhebung der Contiguität stattfindet, beweist das Vorhandensein der Träume in ihren verschiedenen Arten. Wenn der äussere Reiz das eine Mal das Erwachen, das andere Mal Träume zur Folge haben kann, so erklärt sich dies daraus, dass bei gleich starken Reizen die Entfernung zwischen den Nervenfortsätzen in jedem Falle verschieden gross ist, ohne das Ueberspringen der nervösen Erregung von einem Neuron auf das andere gänzlich zu verhindern. Fragt man sich, auf welche Weise diese Isolirung der Neurone durch Zurückziehung der Zellfortsätze zu Stande kommt, so ist zunächst auf die Ermüdung und Erschöpfung der nervösen Elemente hinzuweisen, wie sich weiter unten aus den an völlig erschöpften Thieren angestellten Unter- suchungen ergeben wird. Eine Vergleichung der nervösen Zelle mit der Drüsenzelle ergiebt, dass beide nach längerer Arbeit ihre Substanzverluste ersetzen müssen, was allem Anscheine nach nur durch den Zustand der Ruhe, also das Aufhören ihrer Thätigkeit, geschehen kann. Indessen können beide Zellarten durch übermässig starke und an- dauernde Reize zu verlängerter und vergrösserter Arbeits- leistung gezwungen werden. So können auch die Ganglien- zellen des Gehirmes trotz vorhandener Ruhebedürftigkeit bis zu einem gewissen Grade, namentlich durch den Ge- nuss stimulirender Mittel wie Thee, Kaffee, Alkohol ete., zu excessiver Thätigkeit angestachelt werden, bis schliesslich in Folge allzustarker Anhäufung der Er- müdungsstoffe das Ruhebedürfniss und schliesslich der Schlaf sich unbezwingbar einstellt, indem die Neurone auseinanderfallen. — Anders gestaltet sich das Erwachen. Ist dasselbe in Folge heftiger Erregung irgend eines Sinnesgebietes ein plötzliches, so werden die Verbindungen der Neurone zunächst auf diesem Gebiete hergestellt und darauf in schneller Folge diejenigen der übrigen, so dass der Zustand des Wachens in kürzester Zeit ein voll- kommener sein wird. Beim freiwilligen Erwachen nach genügender Ruhe geschieht die Herstellung einer ge- nügenden Contiguität langsamer, gleichsam zaudernd, so dass einige Neurone schon in Thätigkeit getreten sind, während andere ihre Fortsätze noch nicht ausgestreckt haben. Die einzelnen Zellen erwachen jede für sich, wie die Bewohner eines Hauses, einer Stadt, zu verschiedenen Zeiten, bis endlich auch die letzten Langschläfer sich an der allgemeinen Arbeit betheiligen. Bei ungenügender Ruhe ist das Erwachen schwieriger, die Nachzügler sind Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 27. zahlreicher und nur mit Mühe aus ihrer „Zurückgezogenheit“ hervorzuziehen. — Sollte sich die Hypothese des Amöbois- mus der nervösen Zellen bestätigen, so würde dieselbe endlich vielleicht auch für das zur Erklärung der Ideen- association sowie der Uebung bisher angenommene „Aus- schleifen“ der Bahnen eine physiologische Erklärung geben. Um indessen den Boden fester Thatsachen wieder- zugewinnen, sei die Frage gestellt, auf welche Weise man sich die Aufhebung der Berührung vorzustellen hat. Da es sich um die Annahme handelt, dass die in engster Nachbarschaft befindlichen Fortsätze zweier Neurone sich um gewisse Strecken von einander entfernen, kann man sich a priori diesen Vorgang auf doppelte Weise voll- zogen denken, entweder dadurch, dass sich jeder Fortsatz in der Richtung seines Zellkörpers zurückzieht, oder da- durch, dass die Fortsätze eine geringe seitliche Bewegung ausführen. Die experimentellen Untersuchungen lehren, dass die zuerst genannte Annahme den thatsächlichen Vorgängen entspricht. Wenden wir uns den durch die Beobachtung er- wiesenen Bewegungserscheinungen des Nervenproto- plasmas zu, so finden wir zunächst in dem Schlund- ganglion einer kleinen, durchsichtigen Krustacee Be- wegungen und Veränderungen des Protoplasmas der Nervenzelle. In diesem Falle vollziehen sich indessen die amöboiden Protoplasmabewegungen im Zellkörper selbst und nicht in den Fortsätzen desselben. Amöboide Be- wegungen der letzteren findet man in den Zellen der Netzhaut, welche den nervösen Zellen des Gehirns auf das Engste verwandt sind. Nimmt man einerseits die Retina von Fischen, die mehrere Tage in völligem Dunkel gehalten und getödtet wurden, und andererseits diejenige von solchen Fischen derselben Art, welche unter heller Beleuchtung gelebt hatten, und vergleicht die einzelnen Netzhautschichten derselben mit einander, so ergiebt sich Folgendes: In der Dunkelheit sind die Pigmentzellen zurückgezogen, die zarten Fortsätze, welche sie an die Stäbehen und Zapfen senden, sind kurz und wenig pig- mentirt. Unter dem Einflusse des Lichtes sind diese zarten Fortsätze länger, steigen tiefer in die Nachbar- schicht hinab und sind stark mit Pigment versehen. Ausserdem hat sich der protoplasmatische Theil der Zapfen unter dem Einflusse des Lichtes zusammengezogen, und zwar kann diese Verkürzung 6 bis 40 Tausendstel Millimeter betragen. Nun ist aber, wie erwähnt, festgestellt, dass die Netz- haut ihrer Entstehung nach dem eigentlichen Gehirne an- gehört. Die amöboide Bewegung der Nervenzellen der- selben beweist also die Möglichkeit des Vorhandenseins dieser Bewegungen auch bei den eigentlichen nervösen Zellen des Centralnervensystems. Dies gilt auch für das Auftreten amöboider Contractionen bei den Riechzellen. Diese sind bipolare Zellen, welche den bipolaren Zellen des Rückenmarkes durchaus entsprechen. Ihre peripherie- wärts gerichteten Fortsätze stellen Protoplasmaver- längerungen des Zellkörpers, ihre centralen Fortsätze die entsprechenden Axencylinder dar. Nun hat man an den peripheren Verzweigungen die besprochenen Bewegungs- erscheinungen beobachtet und also auch hiermit eine direkte Stütze für die Annahme des Amöboismus der ner- vösen Elemente gewonnen. Im Gegensatze zu der stets in demselben Sinne erfolgenden Bewegung des gewöhn- lichen Flimmerepithels vollzieht sich die Bewegung dieser tiefer gelegenen Zellen in verschiedenen Richtungen und langsamer, so dass die einzelnen l’ortsätze sich gegenein- ander neigen oder von einander entfernen. Die Function dieser peripheren Fortsätze dürfte darin bestehen, die riechenden Bestandtheile durch ihre gegen einander ge- richteten Bewegungen zu erfassen und den äusseren Reiz in XIII. Nr. 27 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 317 TE nenn — — — — — den physiologischen Reiz zu verwandeln. In ähnlicher Weise könnte man sich die Uebertragung der Reize von einem Neuron auf das andere vorstellen, indem man annimmt, dass die Fortsätze sich den überstrahlenden Reizen ent- gegenstrecken bezw. sich ihnen durch Entfernung entziehen. Bei den Untersuchungen, welche sich auf die eigent- liehen eentralen Neurone und unter diesen an erster Stelle auf die Pyramidenzellen beziehen, war das leitende Prinzip, diese Elemente in jedem einzelnen Falle bei den- selben, jedoch unter verschiedenen Bedingungen gehaltenen Versuchsthieren zu vergleichen, und zwar dieselben Neu- rone einerseits im Zustande der Ruhe, andererseits im Zustande der Thätigkeit zu untersuchen, nachdem die dem getödteten Thiere entnommenen Hirntheile derselben mikroskopisch-teehnischen Behandlung unterzogen worden waren. Während die protoplasmatischen Verästelungen der Zellen normaler Thiere mit regelmässig vertheilten, kleinen Unebenheiten versehen sind, haben die Zellfort- sätze eines durch Morphium getödteten Thieres ein anderes Aussehen angenommen. Die dornenförmigen Anhänge haben sich in den sie tragenden Stiel zurückgezogen, dieser selbst ist dieker geworden als im normalen Zu- stande und hat ein perlenschnurförmiges Aussehen ange- nommen. Ausserdem sind die protoplasmatischen Fort- sätze selbst kürzer geworden. Bei Anwendung schwächerer Gaben von Morphium wurden dieselben Erscheinungen, jedoch in geringerem Grade, beobachtet, so dass nur die zartesten Verästelungen den besprochenen Anblick dar- bieten. Auch bei Anwendung anderer Betäubungsmittel, wie Chloralbydrat und Chloroform, zeigten sich dieselben Erscheinungen. Diejenigen Zellen, welche nach 36stündiger Erholungspause des Thieres untersucht wurden, hatten ihr normales Aussehen wieder angenommen, während endlich die elektrische Reizung des Gehirnes trepanirter T'hiere mit den besprochenen Beobachtungen im Wesentlichen übereinstimmende Resultate ergab. Aus dem Gesagten folgt, dass nicht nur, wie schon aus anderen Untersuchungen bekannt ist, der Zellkörper selbst in Folge der Einwirkung von Giften einer Ver- änderung unterworfen ist, sondern dass auch die End- bäumchen bezw. die protoplasmatischen Fortsätze des Zellkörpers sich unter dem Einflusse von Reizen ver- ändern. Diese Thatsache der Reizbarkeit oder Reactions- fähigkeit der Nervenzellen kann nach den heutigen Kenntnissen als feststehend gelten. Dass aber diese Be- wegungsfähigkeit auf den Contact der Neurone und folglich auf die durch letztere bedingte Hirnthätigkeit von Einfluss sein muss, ist höchst wahrscheinlich. Der durch Betäubungsmittel entstandenen Bewausstlosigkeit würde der natürliche Schlaf im der Weise entsprechen, dass in diesem an Stelle der ersteren die während der Arbeit in genügender Concentration gebildeten Ermü- dungsstoffe treten, so dass also auf diese die amöboide Zu- sammenziehung der Zellfortsätze zurückzuführen sein würde. Wenn man den zuletzt erwähnten Untersuchungs- ergebnissen vielleicht entgegenhalten könnte, dass sie den natürlichen Bedingungen, unter denen sich der Schlaf, die Association ete. vollziehen, nieht entsprechen, da die zugehörigen physiologischen Vorgänge auf künstliche und zum Theil heftige Eingriffe zurückzuführen sind, so dürfte dieser Einwand für die folgenden Untersuchungen nicht aufrecht zu halten sein, da bei diesen der Schlaf der Versuchsthiere durch völlige Ermüdung herbeigeführt und somit normale Verhältnisse geschaffen wurden. Die Nervenzellen der durch unaufhörliche Beunruhigung er- schöpften und zuletzt trotz heftiger Reize schlafenden Thiere wurden mit denjenigen solcher Thiere verglichen, die im Zustande der Ruhe gewesen waren. Die Unter- suchung bestätigte völlig die oben beschriebenen An- gaben, und zwar erstreckten sich die geschilderten Er- scheinungen nicht nur auf die Verästelungen der End- bäumehen, sondern auch auf die Protoplasmafortsätze, die den seitlichen Theilen der Pyramidenbasis entsprechen. Häufig war sogar der Zellkörper selbst verändert, indem derselbe eine kugel- oder eiförmige Gestalt angenommen hatte, so dass die Pyramidenzelle nur mit Mühe erkannt werden konnte. — Endlich ergab die Untersuchung der Riechkolbenzellen ermüdeter T’hiere auf das Klarste, dass die verkürzten Endbäumehen dieser Zellen sich in ähn- licher Weise von einander entfernt hatten, wie die Finger der gefalteten und dann etwas auseinandergezogenen Hände sich von einander entfernen. Eine unparteiische Kritik der entwickelten Hypothese kann sich dem Eindrucke nicht entziehen, dass dieselbe der experimentellen Begründung nicht entbehrt. Es er- hebt sich nur noch die Frage, auf welche Weise die protoplasmatischen Verzweigungen zum Ausstreeken und Zurückziehen angeregt werden. Vielleicht sind die in der Retina und dem Riechkolben neuerdings gefundenen Vorrichtungen geeignet, die fraglichen Vorgänge in einem neuen Lichte erscheinen zu lassen. Bekanntlich kommen nicht alle Optieusfasern aus Ganglienzellen der Retina; eine gewisse Anzahl derselben haben ihren Ursprung in den grauen centralen Massen der vorderen Vierhügel, des äusseren Kniehöckers und des Sehhügels und endigen in freien Endbäumehen in den tieferen Schichten der Netz- haut, der inneren Körnerschicht, den Spongioblasten Ramon y Cajals. Nach der Ansicht des letzteren besteht die Function dieser centrifugalen Fasern in der Leitung centraler Reize auf die Fortsätze der Spongioblasten der Netzhaut, welche die Reize auf die zwischen den proto- plasmatischen Verzweigungen der Ganglienzellen und den absteigenden Büscheln der bipolaren Zellen bestehenden Verbindungen übertragen.*) Nach dieser Auffassung könnte man den Zustand der Aufmerksamkeit m der Weise erklären, dass in Folge eines von der Hirn- rinde kommenden Reizes vermittelst amöboider Be- wegungen der Zellfortsätze der betreffenden Netzhaut- elemente der Contact derselben, dem Grade der Auf- merksamkeit entsprechend, mehr oder weniger innig wird; eine Hypothese, welche für die Psychophysik von höchster Bedeutung sein muss. — Ganz ähnliche Ver- hältnisse endlich finden sich im Riechkolben; durch Ver- mittelung centrifugaler Fasern dürften auch hier die Hirn- zellen die protoplasmatischen Fortsätze der peripheren nervösen Zellen zum Contaete anregen, so dass also auch in diesem Falle gwissermaassen der Tonus der Proto- plasmasubstanz eine Aenderung erfahren würde. Unter den Forschern, die sich um die Untersuchung der besprochenen Hypothese verdient gemacht haben, sind ausser den genannten besonders Rabl-Rückhardt, Pupin, Deyber, Azoulay, Manouelian, Demoor und Odier anzu- führen. Ein wesentliches Verdienst um dieselbe hat sich Mathias-Duval nicht nur durch seine, das Thema be- treffenden Arbeiten sowie den theoretischen Ausbau der- selben, sondern auch dureh eine den vorstehenden Aus- führungen zu Grunde liegende historisch-kritische Ueber- sicht der bis jetzt vorliegenden Untersuchungen erworben, die Interessenten warm empfohlen sei.**) We. *) Ausser diesen gewöhnlichen Spongioblasten sind nach Ramon y Cajal noch sog. Associations-Spongioblasten vorhanden, welche der Uebertragung des vom Gehirn kommenden Reizes auf die weit auseinander liegenden Spongioblasten dienen. Vergl. R. Greeff, S. Ramon y Cajals neuere Beiträge zur Histologie der Retina. Zeitschr. für Psych. und Phys. der Sinnesorgane, Bd. XVI. 1898, S. 161 ff. **) M. Mathias-Duval, L’amoeboisme des cellules ner- veuses. La theorie histologique du sommeil; les nervi-nervorum, Reyue scientifique. Tome IX. No. 11, 1898. 318 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 27. In den Mittheilungen, die O. Nordgaard im „Bergens Museums Aarbog for 1897“ (Jahrbuch des Bergener Mu- seums) über seine Untersuchnngen im Puddefjord ete. bei Bergen gemacht hat, berichtet er u. a. über einige Planktonformen, die er im Bergensfjord bei Bergen gefunden hat. In einer Fangprobe aus dem Jahre 1896 fiel ein kleines Krebsthier, das sich als Copepode erwies, durch seine grüne Farbe auf und zeigte mannigfache Verschiedenheiten von den bisher dort beobachteten. Prof. Sars erklärte das Thier für eine monstrilla (Thau- maleus) typica Kröyer. Kröyer, dessen Exemplar im Jahre 1859 im Trondhjemsfjord gefangen worden, be- schreibt die Farbe von Thaumaleus typicus als zwiebel- grün, während Füsse und Antennen zinnoberroth sind, dies stimmte mit dem aus dem Bergenfjord überein; in der Grösse jedoch differirten sie bedeutend, indem Kröyer die Länge auf 2Y/, Linie (etwa 4,6 mm) angiebt, während das Nordgaardschen Exemplar nur5,25mm mass. Besonders unterscheidet sich das letztere von dem Kröyer’schen durch die geringe Gliederung der Antennen. Vornehmlich auf Grund der Verschiedenheiten in den Antennen möchte Nordgaard, trotz mancher Umstände, die für die Wahr- scheinlichkeit der Identität geltend zu machen sind, das von ihm gefundene Exemplar nicht als monstrilla typica ansprechen, eine monstrilla überhaupt dürfte es allerdings mit Sicherheit sein. Ausser der Kröyer’schen Art ist nach Nordgaard eine monstrilla oder Thaumaleus aus Norwegen noch nicht erwähnt worden. Aus anderen Gewässern hat Giesbrecht folgende Formen beschrieben: monstrilla gra- eilicauda, diese zeigt im Bau der vier ersten Paar Schwimmfüsse grosse Aehnlichkeit mit dem Pudde- fjordexemplar, hat jedoch 6 Schwanzbürsten, während jenes nur 5 bat — und monstrilla longiremis. - Ueber das Vorkommen von Metridiaarten an der norwegischen Küste berichtet Nordgaard: Im Jahre 1364 beschrieb A. Boeck zwei neue Metridien, metridia armata und m. lucens; die erstere erkläre. Giesbrecht als synonym der m. longa Lubbock. Nordgaard selbst fand im Jahre 1897 im By- fjord bei Bergen bei einem Planktonwurf auf 0—300 m mehrere Exemplare von m. longa männlichen wie weib- lichen Geschlechts. Boeck gab die Länge seiner m. ar- mata 2 auf 4 mm an, damit stimmten die im Byfjord sefangenen etwa überein, sie maassen 3,5 und 3,9 mm, die Männchen gegen 3 mm. Weitere an Orten der nor- wegischen Küste zwischen dem 68. und 69. Breitengrade in Tiefen von 0—200 und 0-—250 gefangene Exemplare hatten Längen von: 4,0, 4,16, 4,16 und 4,29 (@) und 3,9 mm (d). In verschiedenen Planktonproben von der norwegischen Küste fand Nordgaard nur zwei Arten von metridia, eine grössere, m. longa, und eine kleinere, die er als m. hibernica, Brady und Rob. ansprechen möchte, G. Adam. Ueber den jüngst durch A. Krämer und A. Collin wieder berühmt gewordenen Palolo-Wurm Samoas bringt B. Friedländer im Biol. Centralblatt vom 15. Mai 1895 viele interessante und neue T'hatsachen. Vor Allem ge- lang es ihm, und gleichzeitig und unabhängig auch Dr. Thilenius, den ganzen Wurm mit dem Kopf zu finden. Er lebt, entgegen der seitherigen Annahme, in ganz flachem Wasser, in Löchern alter Korallenblöcke. Der Kopf hat einen unpaaren medianen und 2 Paar paariger Tentakel, das auf ihn folgende Segment noch 2 Cirri tentaculares.. Demnach dürfte der Wurm nicht, wie Collin glaubt, eine Lysidice, sondern eine Eunice sein. Der eigentliche Wurm verlässt wohl nie seine Löcher; doch schnürt er von seinem Hinterende eine Anzahl zu Fortpflanzungsorganen umgewandelter Segmente ‘sehr selten bleibt der Palolo zur bestimmten Zeit aus. ‚als man bis jetzt annimmt. aufhebt, die Stunde genau innegehalten wird. ‘also an irgend einen räthselhaften, kosmischen Einfluss des ab, den eigentlichen Palolo. Dieser erscheint thatsächlich nur einmal im Jahre zu ganz bestimmter Zeit, in den Tagen des letzten Mondviertels im October oder No- vember, am zahlreichsten am Tage ‚vor dem Viertel. Auch die Stunde ist ganz bestimmt. Bei Tutuila, der östliehsten der Samoa-Inseln, kommt er genau um Mitter- nacht an die Oberfläche, bei Savas’i, der westlichsten Insel, später, in der Dämmerung. Merkwürdig ist, dass selbst in Eimern, in denen man Korallenblöcke mit dem Palolo Man muss Mondes denken. Auch andere Würmer erscheinen, wenn auch mehr vereinzelt, zugleich mit dem Palolo an der ' Oberfläche; und die meisten Landkrabben Samoas gehen zu bestimmten Mondzeiten ins Meer, um ihre Eier ab- zulegen. Auch einige Fische erscheinen derart bei Samoa. Das Merkwürdigste aber ist, dass die Samoaner, die nur nach dem Monde rechnen, daher allen diesen Erschei- nungen besondere Aufmerksamkeit zuwenden, behaupten, dass auch die Menschen immer zur Zeit der beginnenden Fluth geboren würden, eine Ansicht, die Fr. nicht durch- aus ins Reich des Aberglaubens weisen möchte. — Nur In der Zwischenzeit tritt er nieht auf. Seine locale Verbrei- tung ist eng begrenzt, wenn er auch häufiger vorkommt, Reh, Eine neue Süsswasser-Qualle wird von Edward Potts im American Naturalist, Vol. 31, S. 1032, bekannt gemacht. Am 10. Juni 15350 wurde im Vietoria regia- Becken des Regent’s Parkes zu London die erste Meduse des süssen Wassers entdeckt; sie erhielt den Namen Limnocodium sowerbii Allm. et Lank. Wahrscheinlich war eine ihrer Entwickelungsstufen mit den Wurzelfasern oder Blättern einer Pontederia aus Brasilien oder aus Westindien verschleppt. Im November 1834 beschrieb A.G. Bourne einen kleinen Polypen, deran den Wurzelfasern : von Pontederia sass, und der als die zu Limnocodium ‘ gehörige ungeschlechtliche Form angesehen wurde. ‘sie Limnoenida tanganjicae (Böhm). ' beider Formen äusserte sich Günther dahin, dass Limno- In der That beobachtete 1890 Fowler die Loslösung der Quallen. Im Regent’s Park fand sich Limnocodium bis 1891 vor. Wenige Jahre später entdeckte sie E. Ray Lankester auch in dem Vietoria-Behälter des botanischen Gartens zu Sheffield. Sodann machte v. Martens 1883 einen Brief von R. Böhm bekannt, der im Tanganikasee eine craspedote Meduse beobachtet hatte. Zehn Jahre später beschäftigte sich R. T. Günther mit ihrem Bau genauer und nannte Ueber die Stellung enida mit Rücksicht auf die Entwickelung der Gonaden an der Manubriumwand und auf die Stellung. der Sinnes- '‘organe am Rande der Umbrella eine Narcomeduse sei, dass sie aber hohle Tentakeln habe und auch im Bau der Sinnesorgane abweiche. Habe sie ein Hydroidstadium, so sei sie ein Nachkomme der Anthomedusen, wie Limno- codium eine Leptomeduse sei mit dem Bau der Sinnes- organe der Trachomedusen. Eine dritte Süsswasserqualle beschrieb J. v. Kennel 1890 unter dem Namen Halmomises lacustris. Sie stammte von der Ostküste Trinidads und war südlich vom Mayaro Point in einer kleinen Süsswasserlagune einer Coecos- pflanzung entdeckt worden. Die Form steht Thaumantias nahe, hat aber keine Mundlappen. Sodann wurden 1893 zwei weitere Formen, die eine von Selater aus dem Urumiah- See, die andere von I. de Guerne aus dem Niger, wo sie von Tautain bei Bamaku beobachtet worden war, gemeldet. RIIENTZT. Naturwissenschaftliche Wochensehrift. 319 Kurz nach der Entdeckung Bournes, nämlich im Ja- nuar 1855, fand Potts in dem rasch fliessenden Tacony Creek, einem Nebenfluss des Delaware, bei Philadelphia in Pennsylvanien Mierohydra ryderi, einen Polypen, der sich durch den Mangel an Tentakeln auszeichnete. Er lebt daher in steter Tischgenossenschaft mit den Colonieen der Moosthiere Urnatella gracilis Leidy und Pottsiella erecta (Kräp.), deren Strudelbewegungen auch ihm die Nahrung zuführen. Anfang August beobachtete nun Potts, dass in den Gefässen, die Microhydra enthielten, Quallen vorhanden waren. Da sie noch nicht herangewachsen waren, konnte ihre systematische Stellung noch nicht be- stimmt, noch ihnen ein Name gegeben werden. Wir kennen demnach gegenwärtig sechs Formen von Süsswasserquallen. Wenn man bedenkt, dass unsere Öhrenqualle gern in brackiges Wasser geht, dass in der Tejo-Mündung Crambessa Tegi vorkommt, und dass neben Halmomises marine Polychäten, neben Limnoenida marine Mollusken wie Tiphobia und Neothamnia vorkommen, so wird man die Ableitung dieser Formen von der viel- gestaltigen Fauna der Seequallen nieht abweisen können. C. Mff. Ende August 1595 wurden, wie James A. Grieg im diesjährigen Märzheft von „Naturen“ berichtet, zwei Exemplare des an den skandinavischen Küsten sehr seltenen Spitz-(Sowerby-)Wal (mesoplodon bidens) an der Westseite der Karmö gefangen, welehe beide vom Bergener Museum erworben wurden. Von dem einen war Jedoch nur das Skelett zu erhalten, während das zweite Thier, ein 3,70 m langes Männchen, unversehrt war, so dass einige Gipsabgüsse davon angefertigt werden konnten. Die Wale waren zuerst am 25. August 1395 von der Bevölkerung der Insel Fäö westlich von Haugesund beob- achtet worden, und zwar in der Bucht zwischen Kvalö und Ulvö, wohin sie wahrscheinlich von Norden her ge- kommen waren. Besonders auffällig erschien an diesen Thieren, welche auch sonst viele Unterschiede von anderen Walen zeigten, dass sie, wenn sie, um zu athmen, an die Oberfläche kamen, ihren Schnabel weit herausstreckten, sodass fast der ganze Kopf sichtbar wurde; beim Unter- tauchen überschlugen sie sich gleichsam, sodass die ganze Schwanzflosse über dem Wasser erschien, bevor die Thiere verschwanden. Der eine von ihnen verirrte sich alsbald in seichtes Wasser und verwickelte sich in den grossen Tangmassen, was ihm einen Angstruf entlockte, er „stöhnte“, berichteten die Fischer, und als es geschossen war, liess es im Todeskampfe Laute vernehmen ähnlich denen eines Kalbes. Das noch lebende Exemplar hielt sich noch einige Zeit in der Nähe auf, es schien seinen Kameraden zu suchen, dann verschwand es aus dem Kvalösund und tauchte am 27. August bei Viksnäsland auf, wo es durch einige Flintenschüsse verscheucht wurde, und am 29. fand man es todt in einer kleinen Bucht bei Landenäsvaag. Die erste Beschreibung eines Spitzwales wurde von dem englischen Forscher Sowerby gegeben, dem ein ea. 5 m langes, männliches Exemplar vorlag, das im Jahre 1500 bei Elginshire in Irland gestrandet war. Zwei weitere Exemplare wurden im Jahre 1825 an der französi- schen Küste gefunden, das vierte strandete im Jahre 1835 in der Nähe von Ostende, und schliesslich wurde noch im Jahre 1864 eins an der irischen Küste gefunden. Im Ganzen sind nur 21 Exemplare bekannt, die mit Sicher- heit zu dieser Art gezählt werden können, sie sind alle im nördlichen Theile des Atlantischen Oceans an den nordamerikanischen und europäischen Küsten gefunden worden, die meisten an der britischen; auf die skandi- navischen Gewässer entfallen nur sieben Exemplare, und für die norwegische Fauna ist der Spitz-Wal als neu zu betrachten, da noch keine sichere Nachrieht bekannt ist, dass er früher an der norwegischen Küste gefunden wurde, allerdings befindet sich im Bergener Museum der Unterkiefer eines Spitz-Wales, der wahrscheinlich von der Südküste Norwegens stammt; im Jahre 1869 fanden schliesslich einige schwedische Bankfischer einen Spitz- Wal 15 bis 20 Meilen nordwestlich von der norwegischen Insel Utsire im Meere todt umhertreiben. Aus den antarktischen Gewässern bei Australien und Patagonien sind mehrere nahe verwandte Arten bekannt, von denen sich vielleicht einige bei näherer Untersuehung als identisch mit dem Spitz-Wal erweisen möchten. Das- selbe dürfte der Fall sein mit einem kleinen Wal, den Dr. L. Stemeger in der Behringstrasse fand. Erweist sich diese Vermuthung als richtig, dann hat der Spitz-Wal eine sehr ausgedehnte geographische Verbreitung. Seine älteste Spur in der Vorzeit wurde in der Cragformation gefunden, sodass man also dies Geschlecht bis zum Ende der Tertiärperiode zurückverfolgen kann. Der Spitz-Wal gehört derselben Familie an wie der Kaskelet und der Schnabel-Wal, an den er in der Form erinnert, doch kann er leicht von ihm unterschieden werden durch seinen verhältnissmässig längeren Schnabel und seine niedrigere, schräger gestellte Stirnpartie; er erreicht eine Länge von etwa 6 m, während der Schnabel- Wal ea. 10 m lang werden kann. Auch in anatomischer Hinsicht sind diese beiden Walarten verschieden. Wäh- rend bei dem Schnabel-Wal alle Halswirbel zusammen- gewachsen sind, sind bei dem Spitz-Wal mehr oder weniger von diesen Wirbeln frei. Beide Arten haben nur zwei grosse Zähne im Unterkiefer; beim Schnabel- Wal sitzen diese ganz vorn an der Spitze des Unter- kiefers, bei letzterem dagegen etwas weiter zurück. Diese zugespitzten, flachgedrückten Zähne sind für das Thier ganz werthlos, oft findet man sie ganz im Zahn- fleisch verborgen, was auch bei den beiden erwähnten Individuen der Fall war. Wegen dieser beiden Zähne nannte Sowerby den Wal bidens. Das ist nicht ganz korrekt, denn hinter ihnen befindet sich lose im Zahn- fleisch eine Reihe kleiner Zähne, denen der Delphine gleich, welche nur einige wenige Millimeter lang werden und ebensowenig Bedeutung haben wie die grossen. Auch im Öberkiefer wurden zuweilen ähnliche Zähne beobachtet. Derartige funetionslose, kleine Zähne besitzt auch der Schnabel-Wal. Das Vorhandensein dieser kleinen Zähne im Ober- und Unterkiefer dieser Arten beweist, dass sowohl der Spitz- wie der Schnabel-Wal und andere nahestehende Arten von Delphinähnlichen Arten abstammen müssen, deren Zahnbau in beiden Kiefern normal ent- wickelt war. In frischem Zustande war die Farbe des unbe- schädigt erhaltenen Individuums von den vom Bergener Museum erworbenen auf dem Rücken nahezu blaugrau, von den Seiten abwärts nach dem Bauche zu wurde die Farbe immer heller, jedoch nirgends ganz weiss, sondern eher schwach röthlich, besonders an den vorderen Theilen. Im Ganzen wies die Farbe bei diesem Exemplar zahl- reiche Nuancen auf von völligem Schwarz bis Bleigrau auf dem Rücken bis zur weisslichen Färbung der Unter- seite. Die dunkel gefärbten Stellen zeigen oft zahlreiche, helle Striche und Punkte. Ueber die Ernährung dieses Fisches ist äusserst wenig bekannt, wahrscheinlich besteht seine Nahrung wie bei seinen Verwandten vornehmlich aus Tintenfischen. Der Schnabel-Wal hält sich während des Sommers im Polar- meer ganz dieht an der Eisgrenze; von den Shetlands- inseln sieht man ihn im März in grossen Schaaren nord- 320 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 27. wärts ziehen. Während des Herbstes, im October zieht er dann wieder südwärts in sein Winterquartier, es ist je- doch nicht bekannt, wo sich dieses befindet. Vermuthlich unternimmt der Spitz-Wal ähnliche Wanderungen, wenn er auch nieht soweit nach Norden vordringt. Die That- sache, dass die meisten an europäischen Küsten beob- achteten Spitz-Wale während der warmen Jahreszeit, im Sommer und Herbst gefunden wurden, scheint für diese Vermuthung zu sprechen. Da bisher so wenige Exem- plare gefangen worden sind, so darf man daraus wohl den Schluss ziehen, dass die eigentliche Heimath dieser Wale das offene Meer ist, und dass sie sich nur ge- legentlich bis zu den Küsten verirren. G. Adam. Die physiologische Bedeutung der Lufträume bei den Vögeln. — Ganz besonders eigenthümlich ist für die Vogellunge, dass sie an ihrer Oberfläche durch Seitenäste der in sie eintretenden Bronchien mit häutigen, lufthalti- gen, oft sehr grossen Säcken, den Luftsäcken, in Ver- bindung steht, welche ihrerseits wiederum mit den Luft- räumen in den pneumatischen Knochen des Rumpfes und der Extremitäten zusammenhängen. Nach ihrer Lage im Körper unterscheidet man gewöhnlich zwei Halssäcke (eellae ceervicales), einen zwischen den Schenkeln des Gabelbeines gelegenen Interelavieularsack (cella inter- elavieularis), einen vorderen (cella thoraciea anterior) und zwei seitliche (cellae thoracieae laterales) Brustsäcke, ausserdem zwei durch ihre Grösse die übrigen übertreffen- den Bauchsäcke (cellae abdominales). Diese Anhänge der Athmungsorgane sind bei den verschiedenen Arten in verschiedener Weise ausgebildet. Man kann wohl sagen, dass sie bei guten und ausdauern- den Fliegern hoch entwickelt und geräumig sind, bei schlechten Fliegern dagegen nur einen geringeren Grad der Ausbildung erreichen; beim Apteryx z. B. ist ihre Entwiekelung am geringsten. Dies führt zu der Annahme, dass sie mit der Flugbewegung in irgend einem direkten oder indirekten Zusammenhange stehen. Die Luftsäcke können einen dreifachen Zweck haben. über den bereits vielfach gestritten worden ist: 1. sie können ausschliesslich als accessorische Athmungs - Organe oder Athem - Hilfsapparate wirken; 2. sie können ausschliesslich mechanische Bewe- gungs- (Gleichgewichtserhaltungs- und das spe- eifische Gewicht regulirende) Organe sein; 3. sie können beide Funktionen verrichten. Nach Parrots Untersuchungen haben gute und kräf- tige Flieger ein relativ schwereres Herz als andere Vögel und bedürfen jedenfalls auch besonders leistungsfähigerer Athmungsorgane, die ihnen in den hochentwickelten Luft- säcken beschieden sind. Nach von Lendenfelds Ansicht können indess diese Apparate als Athmungsorgane nicht wirken, weil ihnen jegliche Einriehtung zur Vergrösserung ihrer Oberfläche (Falten, Waben u. dergl.) fehlt und ferner, weil die Haut, welche sie umgiebt, arm an Blut- gefässen ist. Nur an der Innenfläche der pneumatischen Knochen befinden sich zahlreichere Kapillaren, und an diesen Stellen hat Baer auch wirklich Kohlensäure-Aus- scheidung experimentell nachgewiesen. Weil aber die Luft in diesen starren, blindsackartigen Räumen fast ganz stagniren muss, kann die Athmung auch hier immerhin nur unbedeutend sein. Nach Saggeys Untersuchungen kommt bei der Respiration der Vögel die Ventilation wesentlich dureh Erweiterung und Verengerung der Luft- säcke zu Stande und wird in der Hauptsache von den mittleren Luftsäcken besorgt. Der Forscher vergleicht diese deshalb treffend mit einer Saugpumpe und die | Lungen mit einem vaseularisirten Schwamm, der in die Bahn des Luftstromes eingeschoben ist, durch den die Luft also hin und hergeblasen wird. Neuere Unter- suchungen haben aber gezeigt, dass der Luftdruck nicht nur in den mittleren Luttsäcken, sondern in allen gleich- zeitig steigt und sinkt, die Luft also vom Munde aus in alle diese Hohlräume gleichzeitig eintritt. Wiewohl nun die Luftsäcke durch weite Röhren mit den Bronchien in Verbindung stehen, soll nach Baer trotzdem die zwischen dem Munde und den Luftsäcken hin und herströmende Luft, namentlich bei der Exspiration, die feinen Kanäle der Lunge passiren. Dieser Ansicht Baers widerspricht von Leendenfeld unter Hinweis auf die anatomischen Ver- hältnisse. Sollte Baers Annahme stimmen, so müssten jedenfalls Einrichtungen vorhanden sein, die bewirkten, dass die ganze eingeathmete Luft oder doch der weitaus grösste Theil derselben die Luftsäcke passiren könnte, und diese Einrichtungen feblen. Dem gegenüber führt Baer aus, dass die Luftsäcke den mechanischen Theil der Athmung, d. h, die Venti- lation des äusserst blutreichen, an sich aber kaum einer Volumsveränderung fähigen Lungengewebes besorgen und zwar in ausgezeichneter Weise, indem sie sowohl bei der Ein- als auch bei der Ausathmung grosse Mengen ver- hältnissmässig sauerstoffreicher Luft an den Lungen- kapillaren vorbeijagen. Und gerade die im Verhältniss zu den Lungen ausserordentliche Grösse der Luftsäcke ist es, welehe bedingt, dass auch bei der Ausathmung grosse, sauerstoffreiche Luftmengen die Lungen passiren. Bei der exspiratorischen Verengerung der Luftsäcke werden grosse Luftquantitäten zunächst in den Haupt- bronchius eingepresst, der seinerseits wieder von den zahl- reichen, weiten Bronehialabzweigungen der Lungen sieb- artig durchlöchert ist. In diese muss die Luft eindringen, was ihr um so leiehter wird, als die Alveolarräume und Lungenpfeifen der benachbarten Lungenteile in Verbin- dung stehen, so dass sie überall ungehindert frei durch- strömen kann. Die „Einriehtungen“, wie sie v. Lenden- feld dann vorauszusetzen glaubt, sind vollständig über- flüssig, umsomehr, als nicht sämmtlicher Sauerstoff der eingeathmeten Luft aufgebraucht wird, sondern nur !/, desselben. Die neuesten Versuche, die Ernst Siefert über das Athmen der Vögel anstellte und deren Resultate er im „Archiv f. d. ges. Physiologie“ veröffentlichte, ergaben, dass Tauben auch nach Zerstörung sämmtlicher erreich- barer Luftsäcke und des Zwerchfells zu athmen im Stande sind, woraus sich nach ihm ergiebt, dass die Lufträume nicht unbedingt nothwendig seien, um den Luftwechsel in den Lungen zu unterhalten. Baer ist experimentell zu derselben Ueberzeugung gekommen und kann noch hinzu- fügen, dass auch das Flugvermögen der Versuchsthiere nicht im Geringsten beeinflusst wurde. Trotzdem aber behauptet er, dass die Zerstörung der erreichbaren Luft- säcke hochgradige Athemnoth, selbst Erstickungsgefahr mit sich bringe. Die Oeffnung eines Luftsackes schon verursache zahlreichere und tiefere Athemzüge, welche sofort normal werden, wenn man die Oeffnung künstlich schliesst. Und gerade durch diesen Versuch glaubt sich Baer berechtigt, Schlüsse auf die Unentbehrlichkeit der Luftsäcke für die. normale Athmung zu ziehen; sie er- scheinen ihm für den Athemmechanismus während des Fluges unentbehrlich, können aber auch noch von ander- weitiger Bedeutung für den Vogel sein. Im weiteren handelt es sich um die Frage, in welcher Weise die Flugfähigkeit des Vogels durch die Luftsäcke unterstützt wird. Nach v. Lendenfeld haben die Luft- säcke einen nur minimalen Antheil an der Athmungs- thätigkeit. Ihr Hauptzweck ist ein mechanischer, nämlich XII. Nr. 27. der, das speeifische Gewicht (des ganzen Thieres herab zu setzen und weiterhin der, das specifische Gewicht und die Grösse der Theile des Körpers, sowie die Lage seines Scehwerpunktes zu reguliren, und da die in den Luft- räumen der warmblütigen Vögel enthaltene Luft eine höhere Temperatur als die Aussenluft hat, so wirken die Luftsäcke hebend; sie sind eine Art Luftballon. Die ausserhalb der Knochen liegenden Lufträume sind leicht zusammenziehbar und ausdehnbar. Und sicher scheint es, dass die Vögel den Füllungsgrad derselben sehr rasch durch willkürliche Kontraktion der Körpermuskeln ver- ändern können und dadurch in die Lage versetzt sind, die Stellung ihres eigenen Schwerpunktes zu verrücken und das spezifische Gewicht ihrer Körpertheile, sowie die Grösse derselben abzuändern. Es fragt sich nun, um den ausserordentlich hohen Grad der Ausbildung dieser Hohl- räume bei guten Fliegern zu erklären, wie diese Ver- änderungen für den Flug von einem so grossen Nutzen sein können. Da die zumeist schwebenden Vögel (grosse Raubvögel und Pelikane) gut entwickelte Lufträume haben, so liegt nahe, dass diese gerade bei dieser Art der Flugbewegung zur Verwendung kommen und da das Schweben nur geringe, athmungsintensitätserhöhende Muskelarbeit erfordert, so spricht ihre hohe Ausbildung bei Schwebevögeln gegen die Annahme, dass die Luft- säcke Athmungs-Hilfsorgane seien. Um die mechanische Funktion der Lufträume beim Schweben festzustellen, muss hier einiges über das Schweben selbst gesagt werden. Erwiesenermaassen be- ruht dieses (wie das Kreisen) auf einer Ueberwindung der Schwerkraft mit Hilfe und unter Ausnützung der dem Winde innewohnenden Kraft. Wie dieses geschieht, er- scheint einigermaassen zweifelhaft. Falls die Wind- geschwindigkeit mit zunehmender Höhe hinreichend rasch zunimmt, kann der Vogel, das Inkrement der Windkraft ausnützend kreisend ohne Flügelschlag ansteigen (Lord Rayleigh). Auch soll der Wind sehr unregelmässig sein, an jedem gegebenen Punkte mit rasch wechselnder Kraft und mit rasch wechselnder Richtung wehen. Durch Aus- nützung der Differenzen der Kraft und Richtung des Windes kann sich der Vogel ebenfalls schwebend erhalten und rasch ansteigen (Langley). Endlich kann der Vogel dureh das Kreisen, ebenso wie ein rasch rotirender Kreisel, eine gewisse inhärente Stabilität erlangen, welche ähnlich wie die Schnur eines Drachens wirkend, ihn in den Stand setzt, bei stetigem und durchaus gleichstarkem Luftstrome, wie ein Drachen zu schweben und zu steigen (Lendenfeld). Wie dem nun sei, jedenfalls beruht das Schweben auf einer trefflichen Ausnützung der Windkraft, die nur dadurch erzielt werden kann, dass der Vogel stets seine Segelfläche, die Gesammtunterseite (Müllenhoff) ganz genau in den richtigen Winkel gegen die Horizontale und gegen die Windrichtung einstellt. Und diese Einstellung ınuss sehr schwierig sein. Es ist schwer vorstellbar, wie ein frei schwebender Vogel, welcher dem Winde eine grosse Segelfläche darbietet, mitten in heftigen Luft- strömungen und in stets wechselnder Lage, ohne jeglichen fixen Anhaltspunkt, sein Gleichgewicht behaupten und die Neigung der Segelfläche, die er bildet, leicht und sicher, zweckentsprechend reguliren kann. Die Lage der Segelfläche kann, da der Vogel frei schwebt, eigentlich nur durch Aenderungen in der Lage des Schwerpunktes in Bezug auf die Segelfläche, sowie dureh Aenderungen der Luftwiderstand empfindenden Theile erzielt werden. Solche Lageveränderungen des Schwerpunktes und Aenderungen der Widerstandsflächen können aber durch Aenderungen des Füllungsgrades der verschiedenen Luftsäcke herbeigeführt werden, indem Naturwissenschaftliche Wochenschrift. durch ihre Blähung Körpertheile vergrössert und von dem Körpermittelpunkte abgedrängt werden. Allerdings sind diese Aenderungen nur gering, trotzdem werden sie hinreichen, einen bedeutenden und genügenden Ausschlag zu geben. Gegen diese Lendenfeld’sche Annahme über die Unterstützung der Gleiehgewichtserhaltung wendet sich Baer, indem nach jenen Ausführungen angenommen werden musste, dass während des Fluges eigentliche Athembewe- gungen garnicht ausgeführt werden, sondern der Brust- korb inspiratorisch festgestellt bleibt. Denn da eine regel- mässige Athmung, wie wir sie am ruhenden Vogel beob- achten, ohne fortwährende Verengerung und Erweiterung der Luftsäcke unmöglich ist, müsste nach Lendenfeld der Vogel bei jedem Atemzuge seine Stellung ändern. Ausserdem ist es nach Baer höchst unwahrscheinlich, dass der schwebende oder fliegende Vogel im Stande ist durch Contraetion seiner Körpermuskeln die Luftsäcke einzeln zusammen zu ziehen oder auszudehnen. Wohl vermag er alle Luftsäcke gleichzeitig zu weiten und zu verengern, aber er hat es nicht in seiner Gewalt, die Luft aus einem Luft- sack in einen andern zu pressen, also jenen zu verkleinern um diesen aufzublähen. Eine Verschiebung der Luft aus den Luftsäcken der rechten Körperhälfte in die der linken ist geradezu undenkbar. Ausserdem würde diese willkürliche Zusammenziehung der Körpermuskulatur nur mit unverhältnismässig hohem Kraftaufwande erreicht, wobei der Effect immer ein äusserst minimaler bliebe. Die geringste Aenderung der Kopf-, bez. Hals- und Schwanzhaltung oder der Flügel- stellung — und die gleiche Wirkung ist leichter hervor- gebracht, besonders wenn es sich um richtige Ausnutzung der Windkraft handelt. Die das spezifische Gewicht herabsetzende Wirkung der Luftsäcke ist eine längst abgethane Sache. Es wird allgemein anerkannt, dass durch die Anwesenheit der Luftsäcke im Vogelkörper dessen äussere Oberfläche eine Vergrösserung erfährt ohne entsprechend an Gewicht zuzunehmen; auch ist — wie schon erwähnt — der Inhalt der Luftsäcke höher temperirt und folglich leichter als die Aussenluft. Aber diese Gewichtsverminderung ist eine geringe und die Flugfähigkeit ist davon sicherlich un- abhängig. Denn wie sollte man sich — um bei einem alten Beispiele zu bleiben — diese Wirkung der Luft- säcke vorstellen, bei einem Sperling, der sich den Kropf mit Körnern gefüllt hat oder gar bei einem Adler, der ein Lamm in die Lüfte emporträgt, das schwerer ist als er selbst ? Ein nebensächlieher Nutzen der subeutanen Luftsäcke besteht im Sträuben der Federn und damit verbundener Vergrösserung der Körperoberfläche. Das Aufblähen vieler Vögel im Zorn ist bekannt; man denke an den fauchenden Uhu oder an eine brütende Ente, Auch die Stimme wird beeinflusst werden, nicht nur durch Resonanz der die Luftröhre umgebenden Säcke, sondern auch durch die grossen Luftsäcke selbst, die der anhaltend trillernden und dabei fliegenden Lerche gewiss als Reservoir von Nutzen sein werden. C, Schenkling. Ein Beutelthier mit einer Placenta. — Eine Auf- sehen erregende Entdeckung hat nach „Science“ Prof. James Peter Hill in Sydney gemacht; er fand, dass bei der zu den Beuteldachsen gehörenden Gattung Perameles ein völlig ausgebildeter Mutterkuchen vor- handen ist, während man bisher noch kein Beutelthier mit einer Placenta kannte. Durch diese Entdeekung wird die Frage über die Abstammung der Placentalia und Aplacentalia wieder in Fluss gebracht. Nach Huxley 322 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 27. TS stammen die Plaeentalen von den Beutelthieren und diese von den Monotremen ab; lHill veremigte die Placentalen und die Beutelthiere zu einer Gruppe unter dem Namen Eutheria, und Osborne unterschied dieselben 1893 wieder in zwei Gruppen, die er aber parallel neben einander stellte und von denselben Ahnen ableitete. Semon lässt 1596 die Placentalia wieder von einem Beutlertypus ab- stammen und kommt so auf die Ansicht von Huxley zurück. Hill dagegen hat sich nach dem Auffinden einer Placenta bei Perameles der Ansicht Osborne’s ange- schlossen. Die Placentalen und die Beutelthiere sind nach ihm Abkömmlinge von demselben Stamme der Proto- plaeentalia. Die Beutler dürfen also nicht als eine Thiergruppe angesehen werden, welche die Placenta noch nicht erworben hat, sondern als eine solche, bei der sie früher existirt hat und bei Gelegenheit noch existirt. S. Sch. Die Verbreitung des Chitins in der Pilamembran ist von van Wisselingh: Mikrochemische Untersuchungen über die Zellwände der Fungi. (Pringsheims Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik, Bd. 31, 1898) eingehend untersucht worden. Gilson entdeckte 1894 das Chitin in der Zellhaut des Champignons, Fliegenpilzes, Pfefferlings, des Stein- pilzes, Mutterkorns u. s. w. Es gelang W., eine mikrochemische Methode zu er- mitteln, sodass die Lokalisation des Chitins an mikroskopi- schen Bildern studirt werden konnte. Fast alle höheren Pilze (z. B. die Marktpilze) haben keine Cellulose, sondern ihre Körpersubstanz, soweit sie Membran ist, besteht aus Chitin. Bei den Sporen mancher Pilze (Eurotium, Uro- myces, Puceinia, Tilletia) ist das Chitin auf bestimmte Stellen beschränkt. Man weist es dadurch nach, dass man die Schnitte in eoneentrirter Kalilauge bis 160° er- hitzt, die Lauge mit Alkohol auswäscht und dann Jod- jodkaliumlösung mit etwas Schwefelsäure zusetzt. Es tritt dann an den chitinösen Stellen eine schön kirsch- rothe Färbung auf. In der Arbeit wird nicht von der Möglichkeit gesprochen, dass es sich um einen mit Chitin isomeren Körper handeln könnte. 13a 18 Die Cultur des Kaffeebaumes im Congostaate empfahl E. Laurent in einem kürzlich in der Belgisehen Ackerbaugesellschaft gehaltenen Vortrage über den Acker- bau am Congo. Der Vortragende hat die Congoländer selbst bereist und constatirt, dass wenigsten drei ver- schiedene Coffea-Arten in den Congowäldern wild wachsen; an den Ufern des Lualaba, eines Quellflusses des Congo, fand Laurent Kaffeebäume von 10 Meter Höhe und einem Stammesdurehmesser von über 20 Centimetern. Die klima- tologischen und physiologischen Verhältnisse des Landes sind für den Kaffeebaum wie geschaffen; auch erfordert die Cultur des Baumes wie die Gewinnung und Ver- arbeitung seiner Früchte weder eine besonders geschickte Hand noch beträchtliche Anlagekapitalien. Im kleinen Maassstabe wird im Congostaate auch schon Kaffee ge- baut; Ende 1897 waren gegen 1000 Hectar mit Kaffee- bäumen bepflanzt, die Resultate waren sehr zufrieden- stellend. Laurent selbst pflückte 1896 von einem Baum 28,5 Kilogramm Früchte ab, die mehr als 5 Kilogramm Kaffeebohnen ergaben; ein solcher Ertrag ist allerdings nur eine Ausnahme (in den holländischen Regierungs- pflanzungen auf Java rechnet man auf einem Baume nur 0,25 Kilogramm Bohnen). Die Species, welche in der Aequatorialzone am besten gedeiht, ist Coffea liberiea Hiern., die übrigens am Congo wild vorkommt. Man pflanzt 900—1000 Bäume auf 1 Hectar und kann, wenn die Pflanzen sechs Jahre alt geworden sind, von jedem Baume durehschnittlieh 1,5 Kilogramm Bohnen ernten. Wie in andern heissen Gegenden ist es auch hier nöthig, zwischen die Kaffeebäume Sträucher oder Bäume mit diehten Laub- kronen zu pflanzen, um erstere vor den direeten Sonnen- strahlen zu schützen. Laurent meint, dass die Congoländer im 20. Jahrhundert für die Kaffeeeultur dieselbe Bedeutung haben werden wie Brasilien in der Jetztzeit. S. Sch. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Privatdocent der Botanik in Kiel Dr. Georg Karsten zum Professor; der Privatdocent der Chirurgie in Tübingen Dr. Hofmeister zum ausserordentlichen Professor; in Wien der ausserordentliche Professor der gericht- lichen Mediein Dr. Kolisko zum ausserordentlichen Professor und der Privatdocent der Zahnheilkunde Dr. Scheff zum ausser- ordentlichen Professor; der Privatdocent der Hygiene in Bonn Dr. Walter Kruse zum ausserordentlichen Professor; der Privat- docent der Philosophie in Kiel Dr. E. Adiekes zum ausser- ordentlichen Professor; Assistent Dr. Timmermans zum Lektor für Hautkrankheiten und Frauenkrankheiten an der Universität Utreeht; Observator Dr. Nyland an der Sternwarte zu Utrecht zum Professor der Astronomie- und Wahrscheinlichkeitsrechnung an der dortigen Universität; der Professor für Bergrechte an der Bergakademie in Freiberg in Sachsen Dr. Kretschmar zum Director des königlichen Bergamts daselbst; Professor E. P. Childs zum Professor der Physik und Chemie in Albuquerque (Neu- Mexico); Professor John Weinzierl zum ausserordentlichen Professor der Biologie daselbst; der Docent der Elektrochemie an der technischen Hochschule in Charlottenburg Professor Dr. G. von Knorre zum ordentlichen Professor; der Docent der Elektrochemie an der technischen Hochschule zu Hannover Professor Dr. Heim zum ordentlichen Professor; Professor Edwin Brant Frost zum Professor der Astronomie am Yerkes- Observatorium; Professor E. F. Nichols zum Professor der Physik am Dartmouth College; der Lehrer der Elektrotechnik an der technischen Hochschule zu Darmstadt A. Sengel zum Pro- fessor; der ordentliche Professor der Hygiene an der technischen Hochschule in Dresden Dr. F. Renk zum Geheimen Medieinal- Rath; der Professor der Landwirthschaft an der thierärztlichen Hochschule zu Dresden Dr. von Langsdorff zum Geheimen Oekonomie-Rath; der Privatdocent der Pflanzenmorphologie in Lemberg J. Szyszylowiez zum Landesinspeetor der Ackerbau- schulen; der Privatdocent der Botanik in Budapest V. Borbäs zum ausserordentlichen Professor; der Privatdocent der Chirurgie in Königsberg Dr. OÖ. Samter zum leitenden Chirurgen des dortigen städtischen Krankenhauses. Berufen wurden: Der ausserordentliche Professor der Zoo- logie in Jena Dr. Wilhelm Kükenthal als ordentlicher Pro- fessor nach Breslau; der ordentliche Professor in Krakau Dr. Adametz als ordentlicher Professor der Thierzucht und Morpho- logie der Hausthiere an die Hochschule für Bodencultur in Wien; der ausserordentliche Professor der Anatomie in Königsberg Dr.C. Nauwerk als Prosektor ans Stadtkrankenhaus in Chemnitz; der Privatdocent der Chemie in Göttingen Dr. W. Kerp an die neue biologische Abtheilung für Forst- und Landwirthschaft beim kaiserlichen Gesundheitsamt. Es habilitirten sich: In Würzburg Dr. Reitzenstein für Chemie; in Göttingen Dr. Simon für Physik; in München Dr. Salzer aus Worms für Augenheilkunde und Dr. Hecker für Kinderheilkunde; in Giessen Dr. R. Haussner, bisher in Würz- burg, für Mathematik; in Jena Dr. E. Hertel in der medieinischen Fakultät; an der technischen Hochschule in München Assistent Dr. Hohenner für Geodäsie; an der böhmischen Universität Prag Gymnasial - Professor F. Krejei für Philosophie und A. Suchardo für höhere Geometrie; an der deutschen Univer- sität Prag Adjunkt C. Meyer für Chemie. Es starben: Der ordentliche Professor der Gynäkologie in Graz Dr. Karl Frhr. von Rokitansky; der ordentliche Pro- fessor der Geologie in München Dr. Wilhelm v. Gümbel; der ehemalige Bibliothekar an der königlichen Bibliothek zu Berliu Dr. Julius Schrader; der Entomologe W. M. Maskel in Neu- Seeland; der Geologe und Curator des Bristol-Museums Edward Wilson; der ausserordentliche Professor der Chirurgie in Jena D. ©. Schillbach; der Assistent am physikalischen Institut zu Tübingen Dr. H. Lehmann (durch Selbstmord); der Professor der mathematischen Physik in Innsbruck F. Peche; der ehe- ınalige Professor der Chirurgie in Charkow W. Grube; der ordent- liche Professor der Botanik in Breslau Geheimer Rath Professor Dr. Ferdinand Cohn; der ordentliche Professor der Botanik in Wien Dr. Anton Kerner v. Marilaun. XIII. Nr. 27. Btteratur. Die natürlichen Pflanzenfamilien, fortgesetzt von A. Engler Lief. 173 und 174. Wilhelm Engelmann in Leipzig 1898. — Preis A Lief. 1,50 M. (einzeln 3 M.) Das Erscheinen von Lieferung 173 bedeutet einen wesent- lichen Fortschritt des Gesammtwerkes, da es die erste Lieferung ist, welches die Pteridophyten beginnt; sie werden von R. Sade- beek behandelt mit Ergänzungen von H. Potoni& bezüglich der fossilen Pteridophyten. Wer Sadebeek’s Arbeiten kennt, wird begreiflich finden, dass in der Bearbeitung die Entwickelungs- geschichte (die Ontogenese) besondere Berücksichtigung gefunden hat: es ist die Arbeit in dieser Beziehung eine vorzügliche und zuverlässige Quelle. Dass S., wo von Blüthen die Rede ist, sich nicht hat entschliessen können, die alte Bezeiehnungsweise auf- zugeben, ist bedauerlich. Wo zum ersten Male hierzu Gelegenheit gewesen wäre, spricht er von fertilen, zu einer Aehre angeordneten Blättern: nun, das ist eben kürzer ausgedrückt eine Blüthe. Es ist entschieden in der Wissenschaft nicht angebracht, für organo- graphisch und physiologisch gleiche Organe verschiedene Namen anzuwenden, wenn solche durch ursprünglich mangelhafte Er- kenntniss entstanden sind oder ihren Ursprung in derselben Er- scheinung finden wie die Jägersprache, die die Zoologie mit Recht nicht acceptirt hat, Es wäre in der That verfehlt in einem wissenschaftlichen Buch beim Hasen von „Löffeln“ zu sprechen, während dieselben Organe bei den anderen Thieren Ohren heissen. Eine exacte, gleichmässig durehgebildete Terminologie hat nieht nur für den Anfänger, den Lernenden die höchste Wichtigkeit, ist also pädagogisch durchaus anzustreben, sondern es sei auch ge- trost den Herren Gelehrten gesagt, dass ihnen manche die Wissen- schaft unheilvoll beeinflussende Confusion erspart bliebe, wenn sie überall auf eine exaete Terminologie Gewicht legen würden, Als Anmerkung hat S. bei der ersten Stelle, wo das Wort Blüthe im Text hätte gebraucht werden sollen, die Worte hinzugefügt: „kann auch als Prototyp einer Blüthe aufgefasst werden.“ Hier- dureh wird wenigstens der Leser aufmerksam, wenn er sich auch nicht wird klar machen können, in wiefern die Pteridophyten- Blüthen nur die „Prototype“ von Blüthen sein sollen. Die Proto- typen der Blüthen sind in Wirklichkeit die zu Gruppen zusammen- stehenden Trophosporophylle (Assimilations-Sporophylle) der Farn wie bei Aspidium u. s. w. Vergleiche zu dem Gegenstand meinen Artikel „Der Begriff der Blüthe“ in der „Naturwissen- schaftl. Wochenschr.“ VIII, 1893, Nr. 47, S. 517 ff. Lieferung 174 bringt die Fortsetzung der Hymonomycetinae bearbeitet von P. Hennings). B Prof. Dr. Leopold Dippel, Das Mikroskop und seine Anwendung. 2. umgearbeitete Aufl. 2. Theil: Anwendung des Mikroskopes auf die Histologie der Gewächse. 2. Abtheilung (Schluss des Werkes). Mit 132 Holzstichen. Friedrich Vieweg & Sohn. Braunschweig 1898. — Preis 10 M. Was wir bei Gelegenheit der Anzeige der I. Abtheilung des 2. Theiles in der „Naturw. Wochenschr.“ XI (1896) Nr. 20, S. 242 sagten, gilt auch für den Schluss des Werkes. Prof. W. Nernst und Prof. A. Schönflies, Einführung in die mathematische Behandlung der Naturwissenschaften. Kurz- gefasstes Lehrbuch der Differential- und Integralreehnung mit besonderer Berücksichtigung der Chemie. Mit 68 Text- figuren. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Verlag von Dr. E. Wolff in München und Leipzig 1898. — Preis 9 M. Dass ein solches Buch, wie das vorliegende, in der That viel- fach Bedürfniss war — wie wir das in der Besprechung der 1. Aufl. in der „Naturw. Wochenschr.* XI (1896) Nr. 19, S. 231 angedeutet hatten — beweist das verhältniesmässig schnelle Er- scheinen einer 2. Auflage. Zu dem am angeführten Ort Gesagten fügen wir hinzu, dass sich die Aenderungen, die die 2. Auflage gegen die l. bringt, auf eine gründliche Durchsicht und eine Anzahl Zusätze beschränken. Fabry, Ch., Professeur adjoint & la Facult& des Sciences de Mar- seille,. Lecons &elementaires d’Acoustique et d’Optique, A l’usage des candidats au certificat d’etudes physikes, chimiques Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Ueber den Grund, warum Verf. Akustik und Optik zusammen- bringt, werden den Leser am schnellsten die folgenden Worte aus dem Vorwort des Buches orientiren. Fabry sagt hier: „Sans meconnaitre les profondes differences qui les separent, il m’a semble qu'il y avait avantage & reunir l’&tude de ces deux sciences, en la faisant pr&öceder de l’expos& des notions gen£rales applicables & tous les mouvements periodiques, L’Acoustique offre une premiere application, relativement facile, de ces gene- ralites, et prepare en quelque sorte le leeteur & l’&tude plus diffieille de l’Optique“ Da es sich um eine Darstellung des Prineipiellen handelt, hat Verf. weniger ausführlich Beschrei- bungen von Einzelthatsachen und von Apparaten bevorzugt als vielmehr die Verkettung der Thatsachen und ihren Zusammen- hang. Es sind nur minimale mathematische Kenntnisse erforderlich, um das Buch zu verstehen, das sehr als Einführung in den Gegen- stand geeignet ist. Bei der angedeuteten Tendenz des Buches ist es begreiflich, dass das 1. Kapitel sich ausschliesslich mit dem Studium der Wellenbewegungen befasst; das 2. Kapitel behandelt dann die Akustik, das 3. die Optik. Ostwald’s Klassiker der exacten Wissenschaften. Nr. 95, 94, 95, 9%. Wilhelm Engelmann in Leipzig 1898. — Preis 1,20 (93), 1 (94), 1,40 (95) und 2,40 (96). Nr. 93 bringt 3 Abhandlungen über Kartenprojeetionen Leonhard Euler’s von 1777 herausgegeben von A. Wangerin, der von 8. 65—77.die Abhandlungen durch Bemerkungen begleitet, die die Arbeiten Euler’s ins richtige Licht rücken. Nr. 94 bringt Eilhard Mitscherlichs Abhandlungen von 1821: Ueber das Verhältniss zu der chemischen Zusanmmensetzung und der Krystallform arseniksaurer und phosphorsaurer Salze. Herausgegeben wird das Heft von P. Groth. - Nr. 95 ist Ernst von Brücke gewidmet und zwar dessen Arbeiten I. Bluthen des Rebstockes, Il. Bewegungen der Mimosa pudica, III. Elementarorganismen und IV. Brennhaare vor Urtica. Diese pflanzenphysiologischen Abhandlungen stammen aus den Jahren 1844—1862 und sind von A. Fischer in Leipzig heraus- gegeben. Nr. 96 enthält Isaac Newton’s „Optik oder Abhandlung über Spiegelungen, Brechungen, Bewegungen und Farben des Lichts“ von 1704, übersetzt und herausgegeben von William Abend- roth. Es handelt sich um das I. Buch der Optik; es ist mit dein Bildniss Newton’s in seinem 84. Lebensjahre geziert. Behrens, Wilh., Tabellen zum Gebrauch bei mikroskopischen Arbeiten. Braunschweig. — 6 M. H Cantor, Mor., Vorlesungen über Geschichte der Mathematik. 3. (Schluss-)Band. Leipzig. — 12 M. Fischer, Kuno, Geschichte der neuern Philosophie. 8.,Bd., 1 Lfg. Hegels Leben, Werke und Lehre. 1. Lfg. gr. 8°. “Heidelberg. — 3,60 M. Gerassimoff, J. J., Ueber die Copulation der zweikernigen Zelle bei Spirogyra. Moskau. — IM. Goebel, Karl, Ueber Studium und Auffassung der Anpassungs- erscheinungen bei Pflanzen. München. — 0,80 .M. { Müllenhoff, Karl, Die Natur im Volksmunde, - Berlin, — 1,60 M. Neumann, Geh. Hof. Prof. Dr. Karl, Die elektrischen Kräfte. 2. (Sehluss-)Band. Leipzig. — 14 M. Paulsen, Prof. Frdr., Einleitung in die Philosophie. 6M. Roscoe-Schorlemmer’s kurzes Lehrbuch der Chemie nach den neuesten Ansichten der Wissenschaft von Prof. em. Sir Henry Berlin. — E. Roscoe und Geh. Reg.-Rath Prof. Dr Alex Classen. Braun- schweig. — 7,50 M. : Salmon, George, Analytische Geometrie des Raumes. 1. Theil. 4. Aufl. Leipzig. — 8 M. ‘ 2 Schneidemühl, Prof. Priv.-Doc. Dr. Geo., Die Protozoen als Krankheitserreger des Menschen und der Hausthiere. Leipzig. — 6M. Schubert, Gymn.-Prof. Dr. Herm., Mathematische Mussestunden. Leipzig. — 5 M. su Tümpel, Dr. R., Die Geradflügler Mitteleuropas. 1. Lfg. Eisenach. — 2M. : ö j Verhandlungen der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte. 69. Versammlung zu Braunschweig 20—25, IX, 1897. 1. Naturwissenschaftliche Abtheilungen. (XII, 252 S.) Leipzig. et naturelles. Un volume in-S avec 205 figures. Librairie Gau- — 5M. 2. Medieinische Abtheilungen. (XVI, 360 S.) Leipzig: thier — Villars et fils & Paris. 1898. Prix 7 fr. 50 ce. — 8M. - Inhalt: Eduard Zache: Tektonische Thäler und Erosionsthäler in der Mark. — Der Amöboismus der Nervenzellen. — Plankton- formen im Bergensfjord. — Palolo-Wurm Samoas. — Eine neue Süsswasser-Qualle. — Spitz-Wal. — Die physiologische Be- deutung der Lufträume bei den Vögeln. — Ein Beutelthier mit einer Placenta. — Die Verbreitung des Chitins in der Pilz- membran. — Die Cultur des Kaffeebaumes im Congostaate. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Die natürlichen Pflanzenfamilien. — Prof. Dr. Leop. Dippel, Das Mikroskop und seine Anwendung. — Prof. W. Nernst und Prof. A. Schönflies, Einführung in die mathematische Behandlung der Naturwissenschaften. — Fabry, Ch., Legons &l&mentaires d’Acoustique et d’Optique. — Ostwald’s Klassiker der exacten Wissenschaften. — Liste, 324 Naturwissenschaftliche : Wochenschrift. XIH. Nr. 27. n Ferd. Dümmlers Verlagsbuch- RETTEN ee R 3 liche Instrumente. geographische: OtSbestilmmungen en Potsdam. seiner Qualität und seiner gleichzeitigen | ohne astronomische Instrumente. s Gegr. 1873. =» Eigenschaften: ee LEE 0 Specialgebiet: „Astrophysik“ Leichtester Lauf %* Grösste Zuverlässigkeit | vircctor dcr Herzostichen'steruwarte zu Gotha. | (Astrophotometrie, Astrospeetroskopie, Mit einer Tafel Astrophotographie). Schönheit der Formen 3 Fernrohre bis 5* fr. Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Oeffn. azimuthal u. Vereinigung von Freunden der Astronomie und parallaktisch mon- kosmischen Physik.) tirt. (Mit und ohne - das auf Grund sich soleher allgemeinen Anerkennung erfreut wie das „Adler“ Rad... Be Adler Fahrradwerke vorm. Heinrich Kleyer, Frankfurt a. M. Spezial-Fabrik für Fahrräder mit über 1300 Arbeitern. Jahres-Production über 35 000 Fahrräder. Filialen gleieher Firma: Berlin, Hamburg, Köln, Hannover, Kopenhagen. Vertreter im In- und Auslande. 53 Seiten Lex. 8°. — Preis 1.20 M Elementare Rechnungen mathematischen Geographie für Freunde der Astronomie in ansgewällten Kapiteln gemoinvorständlich hogründet und vorgeführt von ©. Weidefeld, Oberrossarzt a. D. Mit einer Figurentafel. 64 Seiten gr. 8%. Preis 2 Mark. Uhrwerk.) — Ocu- lar-, Nebel-, Stern-, Protuberanz-Spec- troskope. — Spec- tralapparate und Spectrometer für wissenschaftliche, technische u. Schul- zwecke. — Stern- spectrographen nach Prof. H. C. Vogel. — Heliographen ver- schiedener Art, — Spectroheliogra- phen nach Hale. — Heliostate bewähr- ter Construction, — PATENTBUREAU - Ulrich R. Maerz Jnh:C.Schmidtlein;Jngenieur Berlin NW., Luisenstr.22. Gegründet 1878. Patent-. Marken -u: Musterschutz Die Insekten-Börse Internationales Wochenblatt der Entomologie Finsekten Börse. I 2 Entom logisches Organ {7 tür Angebot, Nachfrage und Tausch:a rs“ YES HN. aa one, A SEE ist für Entomologen und Naturfreunde das hervorragendste Blatt, welches wegen der be- lehrenden Artikel, sowie seiner internationalen e und grossen Verbreitung betreffs Ankauf, Ver- kauf und Umtausch aller Objecte die weit- gehendsten Erwartungen erfüllt, wie ein Probe-Abonnementlehren dürfte. Zu beziehen durch die Post. Abonnements - Preis pro Quartal Mark 1.50, für das Ausland per Kreuzband durch die Verlags- Buchhandlung Frankenstein & Wagner, Leipzig, Salomon- strasse 14, pro Quartal Mark 2.20 = 2 Shilling 2 Pence = 2 Fr. 75 Cent. — Probenummern gratis und franco, — Insertionspreis pro 4gespaltene Borgiszeile Mark —.10. Keilphotometer mit Registrireinrich- tung. — Astropho- tometer nach Zöll- ner. — Spectralpho- tometer div.. Gon- struction. — He- lioskop-Oculare. — Astronom. Hülfsin- strumeute jeder Art. — Schraubenmikro- meterwerke. — Ocu- lare, Lupen, Pris- men. — Optische Bänke. — Photogr. Apparate zur Re- propuction astron. Objecte. — Neutral- gläser mit und ohne Fassung. — Sensito- meter und Iconometer für photogr. Be- darf. — Lupenapparate und kleine Mi- kroskope für botanische und entomolo- gische Studien. — Projectionsapparate. Er x : Gebrauchte ER: Gasmoetoren DAMPF-und DYNAMO- . MASCHINEN. „garantirt. betriebsfähi: in allen Grössen sofort lieierbar: Schinbauerdamm 21 Berlin. NW; ‚Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung. . ‚Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. | en a) Max Steckelmann, E. Loew, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. N Silberne Medaille; 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. ‚Professor amkgl. Realgymn. in Berlin. } FE we 444 Seiten gr.8. Pr.6M., geb.7M. Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! Photoz73rkische Stativ- und Hand- Grosse Vortheile! Neues Princip für Massenbetheiligung „ Cameras. Gediegene Ausstattung. [Fa an gan ae 2] pn an industriellen Unternehmungen. < & a N av 5” Sämmtliche Bedarfsartikel. 4 Neu aufgenommen: Durchführung des Buttenstedt- “- SORenLKINEnFneIHE Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare om 2 H al . . - 2 ersetzen || Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Errichtung einer Versuchs- } 4 - = station für Flugzwecke. Die practischste und zuverlässisste Hand-Camera. © u Internationaler Verein zur rationellen “ ! er BERLIN. 5.0.26. Norwerthung vonjErtindüngs-Hatenton, Wechselcassette „Columbus“, Ohne Beutel! schränkter Haftpflicht. Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. { | Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, partieipirt am Reingewinn und Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). 4 erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabricirten Artikel. Ba rn Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. durch Zauber der Wirkliclike t, Schöpfungeu schmückt. Schwendener. ERIE ur frn- „<“ Redaktion: ? Dr.H. Potonie. Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XIII. Band. | Sonntag, den 10. Juli 1898. Nr. 28. Abonnement: Man abennirt bei allen Buchhandlungen un Post- Y Inserate Die viergespaltene Petitzeile 40 4. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— folo sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 9 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Ü bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Künstliche Diamanten. Von J. Friedlaender.*) Seitdem man weiss, dass sich der Diamant bei | abenteuerlicher Weise ausgesponnen worden. Moissan hoher Temperatur unter Ausschluss von Sauerstoff zu | hat wahrscheinlich die Versuche von Luzi*) nicht gekannt. Graphit verwandelt, hat Luzi hat nämlich nachge- man vielfach die Meinung wiesen, dass Diamanten durch das Muttergestein vom Kap bei genügend hoher Temperatur gelöst werden. Dadureh wird bewiesen, dass die Dia- manten unmöglich wo anders als in dem erstar- renden Muttergestein selbst sich gebildet haben können; denn das olivinreiche Mut- tergestein hat bei seinem Entstehen mindestens eine ebenso hohe Temperatur gehabt, wie sie Luzi in seinem Schmelzofen er- reichte (1770°% und ent- hielt deshalb, so lange es flüssig war, den Kohlen- stoff in gelöster Form. Durch die Versuche, die ich im Folgenden mit- theilen will, habe ich nun den Nachweis erbracht, ausgesprochen, dass der natürliche Diamant sich nicht bei hoher Temperatur gebildet haben könnte. Diese Ansicht ist aber widerlegt worden durch die Versuche von Moissan, **) der bereits 1894 gezeigt hat, dass der Kohlenstoff, welcher aus Eisen für gewöhnlich in Form von Graphit auskrystallisirt, bei genügend hohem Druck, wenigstens zum Theil, sich als Diamant ausscheidet. Seit diesen Versuchen Moissan’s glaubt man, dass auch der natürliche Dia- mant sich unter hohem Druck gebildete haben müsse, und Moissan selbst hat zuerst in bescheidener Form die Hypothese aus- gesprochen, dass die Dia- dass auch. ohne Anwen- manten des Kapgesteins dung äusseren Druckes dem flüssigen Eisenkern Figur 1. durch Lösung von Kohlen- der Erde & entstammen Dünnschliff von einem ÖOlivinschmelzfluss; der äussere Rand, oben und rechts, stoff im Olivin sich Dia- könnten. Diese Hypothese zeigt’ Schwärzung durch Kohlenstoffaufnahme. Vergr. 7!/,. manten bilden. Ob ein ist später von Anderen in hoher‘ Molekulardruck bei —— der Erstarrung in. Frage f Were an Ben über eben Gene im Kebruar kommt, kann allerdings zweifelhaft bleiben; dies ist’ eine dıeses Jahres einen ortrag ım Hl zur »Tor h & des e- ea or ühar in 12 ilar Jynıfo 1 1Q werbfleisses, welcher in Ben Vökhandikmekn ade Vereins ähbedkhcht Frage, über die wir leider vorläufig niehts wissen. wurde. tr **) Comptes Rendus 1894. t. C XIII. S. 320. *) Chem. Ber. 25. 1892 S. 2170. 326 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIl. Nr. 28. Zunächst will ich die Versuche genau beschreiben: Um künstliche Olivin-Krystalle herzustellen, kann man entweder natürliche Olivine*) einschmelzen und von Neuem krystallisiren lassen, oder auch die chemischen Bestand- theile zusammenschmelzen. Es lässt sich der Olivin so leicht wie kaum ein anderes natürliches Mineral künstlich herstellen. Zum Schmelzen braucht man eine ziemlich hohe Temperatur, und zwar bei den eisenarmen Olivinen höhere Hitzegrade als zum Schmelzen des Platins. Die- jenigen Schmelzmethoden und Oefenarten, in denen ein Tiegel von aussen erhitzt wird, eignen sich für Expe- rimente mit so hohen Temperaturen schlecht, weil flüssige Silikate die in Betracht kommenden Tiegelmaterialien mehr oder minder angreifen, wenn nicht gar gänzlich lösen. zur Anwendung kommt, besteht darin, die Olivinkörner, wenn sie rothglühend, aber noch nicht geschmolzen sind, mit einem Stück kıystallisirten Zuekers zu bedecken. Der Zucker geräth in Brand und hinterlässt eine Koblenkruste, welche die einzelnen Olivinkörner umgiebt und bei darauf folgender, stärkerer Erwärmung zum Theil verbrennt, zum Theil aber von dem Olivin gelöst wird. Es ist nur eine sehr kurze Abkühlungszeit nöthig, um den gesammten Schmelzfluss krystallin erstarren zu lassen. Der Olivin verhält sich darin anders, wie die meisten andern Silikate. Ebenso fehlt dem Olivin der zähflüssige Uebergangszustand zwischen der Dünnflüssigkeit und der Starrheit; es ist unmöglich, aus Olivin Fäden zu ziehen, wie man dies mit Leichtigkeit mit Glas sowie beinahe mit allen natürlichen Es empfiehlt sich deshalb in erster Linie ein elektrischer | Silikaten machen kann.*) Dieses Fehlen des zähflüssigen Ofen, wie ihn Moissan be- nutzt hat, aber auch ein- fachere, rohere Bauarten des elektrischen Ofens ge- nügen vollständig. Wenn man keinen elektrischen Strom zur Verfügung hat, so kann man genügende Hitzegrade auch mittelst des Knallgasgebläses er- reichen. Man muss dann die Substanz direkt mit der Flamme erhitzen, und es ist vortheilhaft, um die Wärmeausstrahlung etwas zu vermeiden, die Substanz in eine Höhlung von Kohle zu legen. Gewöhnliche Holzkohle ist selbstver- ständlich nicht zu ge- brauchen, da sie zu rasch verbrennen würde. Da- gegen empfiehlt sich ganz besonders die Bogenlicht- kohle, die verhältnissmässig sehr langsam verbrennt und weniger Verunreini- gungen als Holzkohle ent- hält.**) Ich habe für KEN; meine Sehmelzversuche in Diamanten in demselben Dünnschliff. Vergr. ca, 1400. der Regel Stücke von 40mm Bogenlichtkoble mit einem etwa 10 mm weiten und 20 bis 30 mm tiefen Bohr- loche versehen und ausserdem seitlich mit einem engeren Bohrloch, welches die weite Höhlung nahe an ihrem Boden erreicht. Durch dieses letztere, kleinere Loch führte ich die Gebläseflamme ein, die dann aus der weiten Oeffnung hervorschlug. Durch überschüssigen Sauerstoff konnte ich eine noch bedeutend höhere Tem- peratur erreichen, da dann die Bogenlichtkohle im Innern selbst bei höchster Weissgluth brannte. Um nun den Olivin, den ich meistens bei diesen Versuchen in kleinen Stückchen in den Kohlentiegel schüttete (da pulverförmiges Material zu leicht dureh die Flamme fortgeblasen wird,) mit Kohlenstoff zu sättigen, habe ich verschiedene Methoden angewandt. Zunächst habe ich dünne Kohlenstäbechen (und zwar gleichfalls Bogenlichtkohle, 2 mm, wie sie zu den 1 Ampere-Lampen verwandt wird) von aussen in den dünnflüssigen Olivin eingeführt und längere Zeit umgerührt. Ein anderes Ver- *) Meist wurde Rohmaterial von der Eifel sowie aus dem eampanischen Tuff zwischen Neapel und Salerno benutzt. *+) A. Kohle von Gebrüder Siemens in Charlottenburg. Uebergangszustandes kann man sehr deutlich dann bemerken, wenn man eine grössere, etwa l cm im Durchmesser messende Kugel des Schmelzflusses nur von oben zur Dünn- flüssigkeit erhitzt. Man kann dann mit dem ein- geführten Kohlenstäbchen sehr deutlich die Ober- fläche des unteren, starren Theiles fühlen und durch Umrühren erreichen, dass nur die eine Hälfte des Schmelzflusses mit Kohle gesättigt wird. Die Untersuchung der nach diesen beiden Metho- den hergestellten Schmelz- flüsse im Dünnschliff zeigt nun, dass fast die ganze Masse aus Olivinkryställ- chen besteht, die in zier- lichster Weise aus La- mellen nach dem Doma k = (021) 2 Po, sowie nach dem seitlichen Pina- kid T = (00) Po» aufgebaut sind. Zwischen diesen Lamellen, sowie zwischen den einzelnen Krystallen befindet sich noch etwas amorphes Glas. Die Olivine selbst sind dort, wo sie mit Kohlenstoff gesättigt sind, erfüllt von winzigen krystallinen Einschlüssen. Bei denjenigen Schmelzflüssen, die nur theilweise mit Kohlenstoff gesättigt wurden, war der Unterschied in der Färbung äusserst deutlich, Die kohlenstoffgesättigte Hälfte zeigte durch die vielen kleinen Einschlüsse eine braune Farbe, während die kohlenstofffreie Hälfte die gewöhnliche helle Olivinfarbe behalten hatte. Die Einschlüsse selbst mussten bei starker Vergrösserung (etwa 500facher) untersucht werden, da sonst die meisten ihre Form noch nicht erkennen liessen. Die Anwendung eines Oelimmersionssystems war zwar nicht unbedingt nöthig, aber durchaus wünschenswerth. Ein Theil der Einschlüsse zeigte die wohlbekannten Krystall- und Skelettformen des Magneteisens bei völliger Undurch- sichtigkeit, und ich trage kein Bedenken, diese für Magnet- *) Zur Herstellung von Torsionsfäden für Galvanometer ete. wird seit längerer Zeit meist Quarz verwandt; ich habe dazu auch Augitfäden benutzt, deren Herstellung bequemer und deren Haltbarkeit ausserordentlich gross ist. Sie sind frei von elastischer Nachwirkung. XIN. Nr. 28. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 327 eisen anzusprechen. Eine grosse Menge anderer Ein- schlüsse zeigte gleiehfalls reguläre Formen, dabei aber verhältnissmässig selten Skelettbildungen. Im Einzelnen wurden folgende Formen beobachtet: Oktaöder, theils scharf, theils mit gerundeten Kanten; Tetraöder; Durchkreuzungszwillinge von Tetraödern; viel- flächige Formen zum Theil von deutlich hemiedrischem Habitus, zum Theil von holoedrischem. Schon die hemiedrischen Formen sprechen dagegen, dieses Mineral gleichfalls für Magneteisen zu halten. Dazu kommt, dass es bei genügend heller Beleuchtung mit brauner Farbe durchscheinend wird. Durch sein hohes Relief verräth dieses Mineral seinen hohen Brechungs- exponenten, sodass bei der Uebereinstimmung der Krystall- formen, wobei besonders auch auf die eier sehen | Formen Gewicht zu legen ist, sowie bei der Höhe des Brechungsexponenten, die Vermuthung, dass die kleinen Kryställchen Dia- manten sind, nahe lag. Diese Vermuthung wurde durch die weiteren Experi- mente zur Gewissheit. Zunächst behandelte ich die Schmelzflüsse durch Kochen in einem Gemisch von Flusssäure und Salz- säure, dampfte bis beinahe zur Trockenheit ein, über- sehen, wie die frei schwebenden Kryställchen sehr lang- sam im Gesichtsfelde aufstiegen, sich also thatsächlich senkten. Diese Langsamkeit der Bewegung beweist, dass der Unterschied des specifischen Gewichtes äusserst ge- ring ist, dass die Kryställchen aber schwerer als die um- gebende Flüssigkeit sind. Das specifische Gewicht des Diamanten ist bekanntlich 3,5. Auch die Grösse des Brechungsexponenten machte sich bei den im Methylen- Jodid schwebenden Kryställehen sehr deutlich bemerkbar. Methylenjodid hat einen Brechungsexponenten von 1,74. Der Brechungsexponent des Diamanten beträgt 2,42. Bei den geringen Mengen und bei der winzigen Kleinheit der Kryställchen, deren grosse Mehrzahl unter Yo, mm Durch- messer hatte, während die grösseren einige Tausendstel mm und ausnahmsweise !/;,, mm maassen, habe ich als völlig aussichtslos es nicht unter- nommen, die Kohlensäure, welche sich durch Ver- brennung der Diamanten bildet, chemisch nachzu- weisen. Dagegen habe ich das Verschwinden der regulären Kryställchen beim Glühen im Sauerstoff durch eine Reihe von Ex- perimenten festgestellt. Zunächst musste eine Vor- richtung geschaffen wer- den, welche das Weg- blasen der feinen Stäub- goss dann mit Schwefel- chen durch den Sauerstoff- säure und dampfte aber- strom des Verbrennungs- mals bis zur völligen apparates völlig aus- Trockenheit ein; nach b schliesst. Ich schlug in schwachem Glühen über- ein Platinblech eine halb- ‚goss ‚ich. den : Rest mit kugelförmige Vertiefung Salzsäure, wobei beinahe ein, brachte den diamant- die ganze Masse in Lösung haltigen Rückstand feucht ging. Der geringe Rück- in die Höhlung und bog stand wurde von der Salz- dann das Platinblech der- lösung nicht durch Abfil- artig briefeouvertähnlich triren, sondern durch Ab- Fig. 3. um, dass die Höhlung saugen der Flüssigkeit Isolirte Diamanten; a ist ein Durchkreuzungszwilling zweier Tetraeder. Einige völlig staubsicher einge- nach längerem Stehen- Glassplitter (bb) rühren von den bei der Präparation benutzten Röhrchen her. schlossen war. Dieses lassen mittelst unten um- gebogener Capillarröhren getrennt. Dieser Rück- stand wurde nun noch mehrfach, in der Regel 4 oder 5 Mal, in gleicher Weise mit Flusssäure und Schwefelsäure be- handelt und zum Schluss mit reinem Wasser ausgewaschen, wobei ich jedoch wiederum kein Filter benutzte. Bei der mikroskopischen Untersuchung des Rückstandes waren die braunen, regulären Kryställehen in jedem Präparat in grosser Menge vorhanden. Daneben zeigte sich noch ein- anderer Körper, der bei vielen Schmelzflüssen dem Volumen nach die Hauptmenge des Rückstandes bildete und über den wir später noch einiges mittheilen wollen. Die regu- lären Kryställchen, deren Unlöslichkeit in Flusssäure und Schwefelsäure schon durch diese Art des Isolirens nach- gewiesen war, wurden nun noch mit Salpetersäure, mit Königswasser, mit einer Lösung von chlorsaurem Kali in eoncentrirter Salpetersäure und anderen Reagenzien behandelt. Sie waren auch durch diese unangreifbar, wie dies dem Diamanten zukommt. Die Bestimmung des spezifischen Gewichtes gelang dadurch, dass ich die kleinen Kryställchen in eine Kammer von !/,, mm Dicke in Methylenjodid vom speeci- fischen Gewicht 3,316 einlegte. Unter dem Mikroskop konnte man bei geneigtem Objecttisch nun sehr deutlich Vergr. ca. an: Platinschiffehen wurde nun in die gleichfalls aus Platin bestehende Röhre des Verbrennungsapparates gebracht und zu heller Rothgluth während des Durchströmens des Sauerstoffs erhitzt. Ehe nach Beendigung des Versuches das Platinschiffchen wieder auseinander gebogen wurde, wurde ein kleiner Tropfen destillirtes Wasser an den Rand desselben ge- bracht, sodass der im Platinschiffehen vorhandene Rück- stand beim Aufbiegen nicht verstäuben und dadurch ver- loren gehen konnte. W:nn ich das Platinschiffehen dann geöffnet hatte, so fügte ieh etwas mehr destillirtes Wasser hinzu, kratzte den Boden mit einem feinen Stäbchen aus Platin oder Glas kräftig ab und brachte die gesammte Flüssigkeit mit allem in dem Platinschiffehen noch vor- handenen Staub auf einen Objectträger, dann dampfte ich das Wasser ab und bedeckte mit Canadabalsam und einem dünnen Deckgläschen. Es zeigte sich nun, dass der bereits oben erwähnte amorphe Körper in kleineren und grösseren Splittern vorhanden war, während die regu- lären Kryställchen verschwunden waren. Es waren regel- mässig Controlpräparate aus demselben diamanthaltigen Rückstande ausgeführt worden, und wenn die regulären Kryställchen nicht verbrannt wären, hätte man, wie dies die Controlpräparate bewiesen, in jedem einzelnen Prä- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 28. parate nach dem Glühen noch Hunderte von ihnen finden müssen. Was mich nun zunächst überraschte, war, dass bei senauerer Durchsuchung der nach der Verbrennung her- gestellten Präparate sich trotz alledem hier und da noch ein einzelnes Kryställchen vorfand. Zunächst wiederholte ich den Versuch mit längerer Andauer des Glühens und liess den Verbrennungsapparat mehrere Stunden in Thätig- keit. Aber auch dabei zeigte sich kein anderes Resultat, als wenn der Apparat nur etwa , Stunde benutzt worden war. Bei der Durchmusterung der vielen Prä- parate, die ich in dieser Weise herstellte, beobachtete ich aber, dass der amorphe Körper sehr häufig die regulären Kryställchen als Fremdkörper einschliesst, und dass er nach längerem Glühen leicht zerspringt. Ausserdem fanden sich mehrere Splitter des amorphen Körpers vor, welche an ihrem äusseren Rande ein einzelnes Ok- taöderchen hervorragen liessen, das nur noch zum kleinsten Theile in dem amorphen Körper einge- bettet war. Es war da- durch klar, dass bei meiner Art des Präparirens durch das Ausreiben des Platin- schiffehens sowie vielleicht auch später beim An- drücken des Deckgläs- chens die Stücke des amorphen Körpers zer- splittern und dabei die Kryställchen freigeben konnten, die während des Glühens durch den unver- brennbaren amorphen Kör- per vor der Verbrennung geschützt geblieben waren. Mehrere Versuche, bei denen fein geschlemmter Rückstand benutzt wurde, welcher neben dem regu- lären Kryställchen nur noch feine Splitter des amorphen Körpers von derselben Grössen-Ordnung enthielt, die keine Diamanten ein- schliessen konnten, zeigten nach dem Glühen in Sauer- stoff auch nicht ein einziges reguläres Kryställchen. Um nun sicher zu sein, dass die regulären Kryställchen nieht etwa bloss durch die hohe Temperatur zerstört werden konnten, sondern dass wirklich eine Verbrennung statt- fand, stellte ich den Versuch genau in derselben Weise wie bei der Verbrennung an, nur, dass ich anstatt eines Sauerstoffstromes einen bedeutend kräftigeren Kohlen- säurestrom hindurchgehen liess. Dabei blieben die Kryställ- chen, wie zu erwarten war, unversehrt. *) Ich glaube, dass durch die angeführten Experimente der Nachweis völlig einwandfrei erbracht ist, das diese mikroskopischen Kryställehen thatsächlich Diamanten sind. Dafür spricht: 1. dass die Krystalle sich in dem Theil des Olivins, der während der Dünnflüssigkeit mit Kohle in Be- rührung gekommen ist, vorfinden, während der andere Theil desselben Schmelzflusses frei davon bleibt; *) Es ist sehr wohl möglich Diamanten in Kohlensäure zu verbrennen; jedoch ist dazu eine erheblich höhere Temperatur nötig, um die Kohlensäure in CO und O zu spalten. Fig. 4. Der amorphe Körper in zelliger und in kompakter Ausbildung. a ist ein fast völlig herausgebrochener Diamantkrystall (Octaeder) Verg. ca. 700 2. die Unlöslichkeit in heisser Flusssäure und heisser Schwefelsäure sowie den andern Reagenzien, selbst bei tagelanger Einwirkung; 3. die regulären und namentlich die regulär hemiedri- schen Krystallformen ; 4. der hohe Brechungsexponent; 5. das speeifische Gewicht, das wenig höher als das des Methylenjodids ist; 6. die Verbrennbarkeit im Sauerstoff und die Be- ständigkeit bei Rothgluth im Kohlensäurestrom. Die Härte, welche sonst als bequemstes Zeichen zur Erkennung des Diamanten gebraucht wird, liess sich in meinem Falle ja nicht bequem nachweisen. Es gelang mir nicht, mit dem isolirten Kryställchen irgendwie er- folgreiche Ritzversuche anzustellen. Es war dagegen mit dem mit Kohlenstoff imprägnirten Schmelzflusse bei wiederholtem Bestreichen ein und derselben Topas- oder Rubinfläche möglich, feine Schrammen hervor- zurufen; aber dies beweist nur, dass in dem Schmelz- fluss feine Körper vor- handen sind, welche Mine- ralien von der Härte 8 a und 9 ritzen, nicht aber, dass dies gerade die feinen regulären Kıyställchen sind. Diese Ritzversuche sind um so weniger hier als Beweis anzuführen, als der mehrfach erwähnte, unbekannte, amorphe Kör- per gleichfalls eine Härte von 9 hat. Ich habe nun in,. verschiedener, Weise. versucht, die Natur dieses amorphen Körpers zu er- gründen. Abgesehen da- von, dass er wegen seiner grossen Härte, seines hohen über 4,1 betragenden spe- eifischen Gewichtes”) und seiner Unangreitbarkeit durch Flusssäure und Schwefelsäure mit keinem der bekannten Körper idertifieirt werden kann, ist er noch deshalb besonders interessant, weil er auch ein Lösungsmittel für Kohlen- stoff darstellt und den Kohlenstoff in Form von Dia- manten auskrystallisiren lässt, wie dies die eingeschlos- senen Diamantoktaöderehen beweisen. Aber alle meine Versuche sind bisher an der völligen Unangreif barkeit des Körpers durch die angewendeten Reagenzien ge- scheitert. Nicht nur Flusssäure und Schwefelsäure, sondern auch die übrigen starken Säuren, sowie die kohlensauren und die reinen Alkalien griffen ihn nicht an, auch Kali-Salpeter, chlorsaures Kali und eine Mischung von chlorsaurem Kali und Salpetersäure wurden ver- geblich probirt. Eines der grössten erhaltenen Körnchen dieses Körpers, das etwas über !/;, mm im Durchmesser maass, wurde 4 Stunden lang der Flamme des Knallgas- gebläses an einer Stelle ausgesetzt, wo Platin beinahe schmolz. Es blieb bis auf eine leichte Entfärbung und Zersplitterung der äussersten Oberfläche vollkommen un- verändert. Auch ein Versuch, durch wochenlanges Kochen mit Flusssäure eine Lösung zu erreichen, schlug in der- *) Er sinkt in geschmolzenen Silbernitrat unter. XII. Nr. 28 selben Weise fehl. Nur ein Versuch gelang, nämlich der Nachweis des Eisengehaltes durch einen starken Elektromagneten. Nach all diesen Versuchen möchte ich die Ver- muthung aussprechen, dass der unbekannte Körper ein eisenhaltiges Carbid ist. Kıystalle dieses Körpers wurden nicht beobachtet und in den mit brauner Farbe durch- sichtigen, dünnen Splitterchen bleibt er völlig unwirksam auf polarisirtes Licht. Dafür sah man aber häufig Schlierenbildung und öfters auch eine feine, zellige Structur, welche beide beweisen, dass der Körper that- sächlich amorph ist und nicht etwa bloss optisch-homogen. An Einschlüssen enthielt er ausser den Diamantkıyställchen seltener auch Nadeln von einem hellen Körper mit ge- ringen Brechungsexponenten. Als Bestandtheile dieses Körpers können nicht etwa in den angewandten natür- lichen Olivinen, die theils den Eifelgesteinen, theils dem campanischen Tuff am Golf von Salerno entstammten, vorhandene Verunreinigungen angenommen werden, da sich dieser Körper auch in derselben Weise in künstlichen, aus chemisch reinem Material hergestellten Olivinen vor- fand. Es kommen also nur die Elemente Eisen, Kohlen- stoff, Silieium und Magnesium ausser den in der Luft und den Flammengasen enthaltenen Elementen Stickstoff, Argon, Sauerstoff und Wasserstoff in Betracht. Aus diesen Versuchen scheint mir mit Sicherheit hervorzugehen, dass die Diamanten des Kapgesteins an Ort und Stelle gebildet sind und entweder den kohlen- haltigen, von den vulkanischen Gesteinen durchbrochenen Sedimenten oder dem etwa von Anfang an in dem Eruptiv- gestein enthaltenen Kohlenstoff ihren Ursprung verdanken. Dieses wissenschaftliche Resultat halte ich für den wesentlichen Erfolg meiner Untersuchungen. Eine prak- tische Verwendbarkeit dieses neuen Verfahrens, im Labo- ratorium Diamanten herzustellen, halte ich jedoch für völlig aussichtslos, nachdem reh- selbst bei”Anweitlung” von bedeutend grösseren Mengen Materials und längerer Abkühlungszeit keine grösseren künstlichen Diamanten er- halten habe. Bei diesen Versuchen mit grösseren Mengen konnte ich nicht mit dem Sauerstoffgebläse arbeiten, | sondern benutzte einen elektrischen Ofen von etwa 200 Ampere. Die grösste auf einmal geschmolzene Sub- stanzmenge betrug etwa 1 kg. Für Laboratoriums-Ex- perimente mit dem elektrischen Ofen muss man die von Moissan angegebenen Vorsichtsmaassregeln anwenden und sich vor allen Dingen vor der Einwirkung des Bogen- lichtes auf die Augen in Acht nehmen, da leicht sehr Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 329 schmerzhafte Augenentzündungen selbst nach ganz kurzer Beliehtung der Augen eintreten. Für Versuche in kleinerem Maassstabe ist die oben beschriebene Anwendung des Knallgasgebläses ungleich bequemer, und wenn auch mit dem Knallgasgebläse nicht ebenso hohe Temperaturen erreicht werden können, so genügt die Hitze doch zur Herstellung der künstlichen Diamanten im Olivin voll- ständig. Mittelst der im Handel erhältlichen Bomben von verdichtetem Sauerstoff kann man jede Glasbläserlampe für solehe Schmelzversuche einriehten. Ehe ich schliesse, möchte ich noch auf einen Punkt ganz besonders hinweisen: bei der Schwierigkeit, so kleine Diamanten, wie ich sie hergestellt habe, als solche zu erkennen und sicher nachzuweisen, ist es in hohen: Grade wahrscheinlich, dass solche mikrolithischen Diaman- ten in der Natur reichlich vorkommen, aber bisher für Mag- netit, Perowskit, Pikotit u. s. w. gehalten worden sind. Es ist durchaus nicht abzusehen, warum die basischen Eruptivgesteine unserer heutigen Vulkane nieht auch im Stande sein sollen, Kohlenstoff zu lösen und zum Theil zu Diamant erstarren zu lassen. Um dies nachzuweisen, habe ich verschiedene junge Basaltlaven in grösseren Quantitäten aufgeschlossen und der oben genau beschrie- benen Behandlung unterworfen. Das Resultat ist, dass stets ein sehr geringer Rückstand bleibt, der sich sogar der Wägung entzieht, selbst wenn 100 Gramm Gestein gelöst wurden. Dieser Rückstand enthält in den bisher untersuchten Fällenden auch künstlich dargestellten, braunen Körper, ein fast opakes, anscheinend hexagonal krystalli- sirendes, dunkelgrünes, metallglänzendes Mineral, sowie stark lichtbrechende Oktaöderchen, die opak sind oder mit brauner, gelber, blaugrüner Farbe durchscheinen. In einer Lavaprobe wurde auch deutlicher Graphit nachgewiesen; das betreffende Stück stammte von einer Lavakruste, die sich um einen Baumstamm gebildet hatte. Das Vorkommen von Graphit, Diamant und von Carbiden in solchen Fällen, wo die dünnflüssige Lava Gelegenheit hatte, organischen oder anderen Kohlenstoff aufzunehmen, ist nach dem Ergebniss der Labatoriumsexperimente bei- nahe selbstverständlich. Dagegen bleibt zu untersuchen, ob nicht überhaupt der Kohlenstoff ein normaler Bestandtheil vieler Eruptiv- gesteine ist. Bei den üblichen petrographischen und chemischen Untersuchungsmethoden würde man ihn bisher mit Sicherheit übersehen haben, selbst wo er so reich- lich etwa vorhanden gewesen wäre, wie in meinen künst- lichen Olivinen. Die Flora von China. Von L. Diels. Nun scheint die Zeit gekommen, die dem Abendlande endgiltig den fernsten Osten öffnen soll. Manche Gene- ration vor uns hat heiss um das Ziel gestritten, und wir, denen seine Erfüllung zu erleben beschieden, sind gewiss geworden, dass auch dort keine mühelosen Gewinne zu holen sind. Aber etwas von seinem alten Zauber hat das Reich der Mitte behalten bis auf diesen Tag. Reiche Erträge hoffen Alle, hoffen auch die Wissenschaften von ihrer Arbeit. Und der Naturforschung winkt mit am loekendsten der Lohn. Ihr Feld findet sie dort noch dürftig bestellt, und der Botanik vor allen dehnt es sich fast unab- sehbar. Geben wir uns an einem Rückbliek des bisher Erreichten davon Rechenschaft, welche Aufgaben ihrer noch harren, was sie dort zu gewinnen erwarten darf. Der Anfang wissenschaftlicher Betrachtung der Flora Chinas liest entsprechend der übrigen Erschliessung des Landes noch nicht weit in der Vergangenheit. Einige Sammlungen zwar reichen zurück bis ins vorige Jahr- hundert. Unter den Jesuiten-Missionären, denen andere Zweige der Erdkunde so unvergängliche Verdienste um die Kenntniss des himmlischen Reiches danken, fehlt es nicht ganz an Liebhabern der Pflanzenwelt. Incarville vor Allen, der um 1750 in Peking wirkte, hat den Gartenbau Europas um mehrere der decorativsten Zierden bereichert. Einiges, was im Weichbild der Hauptstadt wuchs, die Umgebung weniger Hafenorte wurde durch ihre Bemühung allmählich bekannt. Doch dabei blieb es auch lange Zeit: für sämmtliche Binnenplätze, die 330 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 28. unsere Kartenskizze verzeichnet, haben erst die letzen zwanzig Jahre einen oberflächlichen Blick auf die Vege- tation geöffnet. Vordem also waren es nur die östlichsten Landschaften, die von der Küste her zunächst in den Bereich der Forschung traten: die weiten, so undenklich lange eulti- virten Niederungen und Hügeldistriete, deren Urvegetation aus dürftigen Resten nur noch geahnt werden kann; kaum mag man zu entscheiden wagen, was ihr eigen sei, was der Mensch mit seiner Cultur hinzugebracht. Parkbestände bei den Städten, stille Haine um die Tempel sind noch die zuverlässigsten Zeugen des Vergangenen. Und im Norden die Wälder, die den Bergkranz westlich der Residenz so reizvoll schmücken. Da mengen sich den vertrauten Laubholz- und Coniferen-Gattungen unserer Heimath die stolzeren Gestalten einer Paulownia, Catalpa, Gleditschia bei, die als an- muthenden und doch fremdartigen Schmuck unserer Gärten wohl Jeder schon bewundert hat. Es folgen längs der Küste nach Süden die Mündungsgebiete der beiden Riesenströme Ostasieus mit ihren weiten Alluvien und ihrer beispiellosen Cultur. Dann von Neuem wird es bergiger. Soweit einzelne balbspontane Er- scheinungen leiten, mehren sich bald tropische Anklänge: es naht im Kampherbaum ein vornehmer Repräsentant der Lorbeer-Familie, die Palmen stellen sich ein in arten Skizze ii ion u! ne wächsen, und manche davon erscheinen so eigenartig, dass der Systematiker verlegen nach ihrer Verwandt- schaft umschaut (Trochodendraceae, Davidia ete.). Im Ganzen fühlt man sich vielfältig an Japan und die temperirten Regionen des Himalaya erinnert. Wie dort giebt es Sapindaceen, Flacourtiaceen, Rubiaceen, Gesneraceen, an denen die borealgemässigte Zone sonst so arm, in stattlicher Menge und, was bedeutungsvoller, in eigenartig geprägten, sonst unbekannten Typen. Mit ihnen seltsam innig gemischt grüssen uns wohlbekannte Gestalten, Esche, Pappel, Carpinus, Buche, wenn auch in leicht abgewandelten Formen. Dann Eichen und Ahorn in Fülle, und aus der ganzen Schar einheimischer Strauch- und Stauden-Gattungen merkwürdig gebildete Vertreter, vereint neben japanischen oder indischen Genossen (Ranun- eulaceen, Corydalis, Loni- cera, Viburnum, Asarum und viele andere). — Im Herzen des Reiches zu Hause, hätte diese Flora vielleicht Anspruch, recht eigentlich „chinesisch“ genannt zu werden. Aber noch ist es unbekannt, wie weit sie in ty- pischer Form sich ausdehnt, noch kann Niemand vermuthen, welche Reichthümer sie birgt. Denn es scheint, dass sie auch an dem gewaltigen Bergrand emporsteigt, der den Westen Chinas erfüllt, dass sie seine Thäler besetzt hält und an ihren Hängen in endloser Mannigfaltigkeit über- leitet zu. der Hochgebirgs-Flora der hochwipfligen Zrachycar- seiner schneegekrönten Ketten. pus excelsa, schon artenreich Diese Gebirge West-Chinas erscheinen Araliaceen auf dem ERRTN gehören der umfangreiehsten und Plan. Aber nirgends hat die in ihrer Gesammtheit mächtigsten Axt den Wald verschont; wo Karten-Skizze von China *), Schwellung der Erde an. Sie einmal eine Stelle vom Landbau zur Illustration des Standes der floristischen Kenntnisse. — bilden nur das letzte Viertel des verlassen liegt, hat sich des NE: Ras Sammlungen liegen gegenwärtig nur riesigen Alpenlandes, das im öst- BD D D N erst von den namentlich eingetragenen Orten vor. — Einiges . . ı 1 einstigen Waldbodens niederes über die Flora wurde auch längst der .. aufgezeichneten lichen Tibet seinen Mittelpunkt Buschwerk bemächtigt, ein Routen von Przewalskij, Potanin, Prinz Orleans, besitzt. Von allen noch zu Diekicht, das den Reisenden an die Macchien der Mittelmeer- Gestade erinnert. Nur physiogno- misch freilich, denn systematisch lassen schwer sich grössere Ge- gensätze denken. Vorherrschend im Bestande walten die Abkömmlinge von Familien, welche in den hinterindischen Tropen sich recht eigent- lich entfalten: an erster Stelle darunter die Theaceen, von denen ein Dutzend Camellien und mehrere Eurya- Arten das südchinesische Gebüsch mit leuchtenden Blumen beleben. All die Pracht jedoch entbehrt rechter Ursprünglich- keit. Lange Fahrten erst tief hinein in das riesige Land dringen zu den Stätten, wo zum Theil noch unberührt liegen die eigensten Schöpfungen der Natur. Und alles was dort bisher der Wissenschaft sich offenbarte, darf von ihr als schätzbarer Gewinn bewerthet werden, jedes einzelne in seiner Art. Ein Blick auf unser Kärtehen lehrt, wie unendlich wenig noch von diesen Gebieten des Innern botanisch auch nur gestreift worden ist. Aber die einzige um- fassendere Sammlung, in der näheren und weiteren Um- gebung von Itschang (Prov. Hupe) von Dr. Henry zu- sammengebracht, lässt auf eine sehr merkwürdige Vege- tation dieses meist wenig über 1500 m erhobenen Mittel- berglands schliessen. Sie ist überreich an holzigen Ge- zu lesen. Graf Szechenyi erkundet, doch sind diese Colleetionen sehr lückenhaft. *) In der Karte ist Amdo (statt Arno), Tatsienlu (statt Tatsientü), Tamsui {statt Tansui) und Taiwan (statt Tainan) erschliessenden Gegenden der Erde birgt dies grossartige Ge- birgs-Labyrinth die wichtigsten Probleme; für nahezu sämmtliche Zweige der Länderkunde, und nicht zum wenigsten ihren natur- wissenschaftlichen verheisst es wohl die folgenschwersten Aufschlüsse. Der Pflanzengeographie ist zur Ueberzeugung ge- worden, was ihr theoretisch ein so mannigfaltiges Berg- land von geologisch ehrwürdigem Alter versprach. Sie verdankt das dem Eifer vornehmlich einiger französischer Missionäre, deren Arbeiten den chinesischen (also östlichen) Antheil des Gebietes betreffen. Hier war es, wo in dem unzugänglichen Hochthal von Moping A. David seine in zoologischen Kreisen Aufsehen erregenden Sammlungen gewann. Und weiter im Süden, an den Hängen der letzten gegen die Tropen vorgeschobenen Schneegipfel Yünnans widmete sich Delavay (unlängst verstorben) neben seinem geistlichen Berufe einer botanischen Sammel- thätigkeit*), die zu den erfolggekröntesten neuerer Zeiten zählt. Er hat dem Pariser Museum nach und nach 4000 Arten gesandt; 3000 waren aus China vor ihm unbekannt, *) Specielleres wolle man vergl. in meinem Aufsatz: „Die von 1890—1896 erschienene Litteratur über die Flora Ostasiens und ihre wichtigeren Ergebnisse“. In Englers Botan. Jahr- büchern, XXIV (ise7) 82 Hr. XII. Nr. 28. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 331 fast die Hälfte gelten als neue Species: das alles in einem Forschungs-Revier (bei Tali und Likiang), das kaum die Hälfte eines preussischen Regierungsbezirkes erreicht. Ein echter Sohn Savoyens, wandte er seine Interessen und Mühen ganz besonders der alpinen Vegetation der in Yünnan bis 4000 m sich erhebenden Ketten zu, und so konnte er bereits in der ersten kleinen Collection (1885) nieht weniger wie 16 neue Primel-Species nach Paris schieken. Die folgenden Jahre verdoppelten ihre Menge. In gleicher Fülle trafen Rhododendren ein, prachtvolle Schwesterarten unserer Alpenrosen, 30—40 neue Formen von verschiedenstem Blüthenbau und in wunderbarem Farbenspie. Die Sammlungen brachten ferner Gentiana und Pediecularis in unerschöpflich scheinender Vielgestaltigkeit und reich an merkwürdigen Bildungen, je 50 Arten: neben vielen minder staunens- werth entwickelten Typen beredte Zeugnisse dafür, wie der Grundstock jener fernen Höhen-Flora der des Himalaya und unserer Alpen entspricht, welch ausserordentlich reichere Entfaltung ihm aber dort gelungen ist. Und nicht in den Bergen von Yünnan allein. Denn was man von den nördlich angrenzenden waldigen Hoch- gebirgen kennt es ist allerdings noch unendlich spärlich — zeigt deutlich, wie aus dem vorher besprochenen chinesischen Elemente in den oberen Regionen langsam sich der gleiche Charakter herausschält, wie im hohen Yünnan: auch hier sind es jene allgemein borealen Gruppen, wie Lilium, Polygonatum, Delphinium, Epimedium, Berberis, Saxifraga, Rhododendron, Primula, Gentiana, Pedieularis, Senecio, welche auf der Höhe eines ungewöhnlichen endemischen Poly- morphismus stehen. Meist in geschlossenen Formen- kreisen, oft auch in mehr vereinsamten Typen, deren nächste Verwandte zu finden wir bis Japan wandern müssen, oder zum Himalaya, mitunter gar weiter nach Europa-und selbst über den Ocean in die Wälder Nord- amerikas. Dieser Reichtum der in China erhaltenen Urvegetation steht zum Theil offenkundig mit seinem Klima in Zu- sammenhang. Breiter als irgendwo sonst auf derErde können sich mit den Produeten höherer Breiten hier die Schätze der Tropen berühren. Ihr Daseins-Element, die hohe Feuchtigkeit, wird vom Monsun getragen bis an die innersten Grenzen des Reiches. Nicht wie der Himalaya legen sich die Hochgebirge als ein Querriegel vor die lebenspendenden Luftströme; nieht ein schmaler Saum der Hänge, wie dort, erfreut sich allein der Bedingungen üppigen Gedeihens, sondern durch zahllose Thore und Pforten ergiesst sich der milde Hauch des Meeres in die nach Süden geöffneten Thäler. Weit hinein bespült er das Gebirge. Eine unendlich feine Abtönung des Klimas vereint sich mit der tausendfältigen Gliederung des Ge- ländes, der Menge des Niederschlags, dem Wechsel der Bodenarten. Seltene Conjuneturen führen zu einer Durehdringung tropischer Vegetation mit der „gemässigt“ genannten und lassen sie so innig wie selten sich ge- stalten. Auf den Bergen von Moping sah David die Hänge noeh über 3000 m, wo der Wald schon zurückbleibt, von Bambusen gedeckt und in ihrem Schatten Primelarten von graciöser Schönheit. In Yünnan trifft sich echt tropi- sches Buschwerk bei 2200 m mit weisschimmernden Gra- phalien, die mit Mühe von unserem Edelweiss sich trennen lassen. Und der Norden und Westen werden einst Kunde geben vom umgekehrten Wandel: wie die seltene Lebens- fülle der in fast ewigen Nebel gehüllten Thäler des Südostens langsam doch stetig hinabsinkt zu einer Armuth und Gedrängtheit, die erst in der Arktis ihresgleichen findet. Die Forschungen Przewalskij’s in Kansu, einige vom Prinzen Orl&ans in Ost-Tibet aufgenommene Proben lassen vermuthen, was hier bevorsteht. Für soleh allgemeine Fragen der Pflanzengeographie und Biologie wird auch in anderer Weise noch die Kenntniss der Chinaflora von Bedeutung werden. Bislang pflegen wir die meisten Erkenntnisse über Formenwand- lung u. ä aus dem monographischen Studium des in der Heimath erreichbaren Materiales abzuleiten, und es wird noch lange so bleiben. Da kann denn die neue und vielseitige Beleuchtung nicht hoch genug angeschlagen werden, in die fast alle borealen Gattungen durch die Entdeckung ihrer ostasiatischen Repräsentanten gerückt sind, eine Beleuchtung, die ihr Studium erst zu einem wirklich umfassenden macht und auf zuverlässige Grund- lagen stellt. Für die Entwiekelungs-Geschichte der Formen und Floren werden sich Daten gewinnen lassen, die manche liebgewordene Ansicht stürzen können. Aber sie werden der Wahrheit näher führen. Der Zusammenhang der Florenprovinzen Ostasiens und ihre Beziehungen, der Wandel ihrer Grenzen während einer schicksalsvollen Vergangenheit, nicht zum geringsten die Berührungspunkte ihrer Vegetation mit den uns fossil bewahrten Zeugen der untergegangenen Tertiärflora, in all dies noch so dichte Dunkel werden lichte Strahlen fallen. Ob viel oder wenig, die Rückwirkung auf die historische Betrachtung der Vegetation der Erde kann nicht ausbleiben. Wieder etwas vorwärts werden wir dringen in die Geheimnisse auch unserer heimathlichen Pflanzenwelt. Und das bleibt doch immer die Hauptsache und für die Prägung unserer allgemeinsten Anschauungen am bedeutungsvollsten, Als Erzeuger des Herbsterythems, einer flecken- artigen Entzündung der Haut, die namentlich im August und September auftritt („aoütät* der Franzosen), jedoch bald von selbst wieder verschwindet, salı man früher eine Milbe, Leptus autumnalis, an; später stellte es sich heraus, dass der Parasit die sechsfüssige Larve einer Milbe der Gattung Trombidium F. war. Nun hat nach einer Mit- theilung der „Revue scientifique“ vom 11. Dezember 1897 Brucker als Art Tromb. gymnopterorum festgestellt. Der Parasit findet sich sowohl auf dem Menschen als auf Thieren, wie Ratten und Amseln, ferner fand ihn Brucker auf verschiedenen Pflanzen, so z. B. auf Bohnenstauden, wo er im Zustande völliger Freiheit lebt; ausser den Larven sammelte der Autor auch zahlreiche Imagines der- selben Art. Da Brucker annimmt, dass in verschiedenen Gegenden der Mensch von verschiedenen Milbenarten an- gegriffen wird, ist es wichtig, den Ort anzugeben, wo er den Parasiten sammelte; es ist die Gegend von Semur- en-Auxois (Cöte d’Or), wo das Herbsterythem regelmässig im August und September stark auftritt. Prof. P. Megnin bemerkt dazu, dass er schon seit langer Zeit die Entwickelung der Trombidium-Larven verfolgt; er besitzt etwa ein Dutzend dieser Larven, kennt aber bisher nur genauer den vollständigen Entwickelungs- gang von Tromb. fugilinosum und sericeum. Er hat wie Bruckner dieselben Larven auf den verschiedensten Thieren gesammelt, auf Hunden, Hasen, Kaninchen, Wald- und Feldmäusen und auch auf dem Menschen. Auch S. Jourdain beriehtet bei dieser Gelegenheit | über seine diesbezüglichen Untersuchungen. Er hat bei 332 der Entwickelung von Tromb. holosericeum folgende vier Phasen festgestellt: 1. Embryonallarve oder Deutovum, sie entwickelt sich im Innern der Eischale und ist ohne Bewegung, 2. die eigentliche sechsfüssige, parasitisch lebende Larve, 3. die Puppe, 4. das achtfüssige Ge- schleehtsthier. S. Seh. Die Tiefenverbreitung der Mollusken an den Küsten des Atlantischen Ocean und Mittelmeeres hält sich in sehr engen Grenzen. Man kann drei deutlich getrennte Zonen unterscheiden: 1. Die littorale Zone, die des Ufers; 2. die Pflanzenzone, die der unterseeischen Wiesen von Zostera, Laminaria u. s. w., die bis etwa 27—28ın Tiefe geht; 3. die Zone der Corallinen und Nulliporen mit den Krusten-Algen, bis 72—75 m. Jede dieser 3 Zonen ent- hält ihre bestimmten Arten von Mollusken. Durch die Untersuchungen der Travailleur und Talisman ist nun auch eine Mollusken-Fauna in grösseren Tiefen auf- gefunden worden, die A. Locard in den €. R. Acad. S. Paris vom 17. Januar 1898 (T. 126, Nr. 3) behandelt. Diese gleicherweise in dem Atlantischen Ocean wie in dem Mittelmeere vorhandene Fauna erhält von L. den Namen polybathische. Sie umfasst eine grosse Anzahl verschiedener Weichthiere, die ungestraft in Tiefen, die um mehr als 2000 m variiren, leben können, von dem Ufer bis zu den grössten erforschten Tiefen. — Unter den 332 von den Expeditionen der beiden genannten Schiffe gesammelten Mollusken sind etwa 40 littorale und pela- gische Arten und 201, die die polybathische Fauna aus- machen. Alle Klassen der Mollusken sind darunter ver- treten, und zwar in interessanten Verhältnissen. Von den 519 gesammelten Gasteropoden sind nur 45 Arten poly- bathbisch; von den 54 Skaphopoden dagegen 17 und von den 259 Muscheln noch 45; die beiden letzteren sind also in weit grösseren Verhältnissen vorhanden. Es rührt das daher, dass sie viel robuster sind, viel widerstandsfähiger, da sie am wenigsten weit in ihrer Entwickelung fort- geschritten und speeialisirt sind; sie sind also noch leichter geeignet, sich verschiedenen Verhältnissen anzupassen. — Die obere Grenze der polybathischen Fauna ist sehr ver- änderlich. Manche Arten, besonders Muscheln, die ge- wöhnlich im Littoral leben, können bis zu 3000 und selbst 3500 m Tiefe hinabsteigen; die polybathischen Gastero- poden treten dagegen erst in der Corallinen-Zone auf. Jenseits 4000—4800 m beginnt die geologisch sehr alte abyssale Fauna, die selten in obere Regionen steigt. — Zwischen den kosmopolitischen und den polybathischen Mollusken besteht ein interessantes Verhältniss, indem alle weit an der Oberfläche verbreiteten Arten sich auch leicht den verschiedenen Verhältnissen in den verschie- denen bathymetischen Regionen anpassen können. Reh. Ueber Tiefseeforschungen im Vaagsfjord und Ulvesund, die er in den Jahren 1896 und 1897 anstellte, beriehtet James A. Grieg in „Bergens Museums Aarbog for 1897* (Jahrbuch des Bergener Museums). Im All- gemeinen bietet die übrigens recht reiche Fauna von Eehinodermen, Ascidien, Anneliden, Crustaceen u. 8. W. wenig Neues, von besonderem Interesse jedoch ist das Thierleben, das sich an den steilen Felswänden, die sich in die Tiefe des Fjordes senken, entwickelt. Die Schwämme z. B. erreichen hier eine ausserordentliche Grösse und vor allen zeichnet sich geodia aus. Von seltneren Exemplaren, die Griegs Untersuchungen auf dem zum Theil terrassenförmigen Meeresboden zu Tage förderten, seien folgende hervorgehoben: Von Gastro- poden fand Grieg in einer Tiefe von 40—60 Faden ein Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 28. Exemplar der an der Westküste von Norwegen sehr seltenen Hanleya (chiton) abyssorum, M. Sars. Der Fund- ort dieses sowie eines von Dr. Appellöf im Jahre 1896 in einer Tiefe von 40—50 Faden gefangenen, ist bemerkens- werth, da man diese Art früher nur in mindestens SO bis 100 Faden Tiefe beobachtet hat. Verschiedene Autoren wie Jeffreys und Tıyon halten diese hanleya für eine Varietät von H. Hanleyi, Verfasser meint jedoch mit Sparre Schneider, dass sie nur eine voll entwickelte Form der letzteren sei, denn die Form des Mantelrandes variirt mit der Grösse des Thieres. Ferner scalaria trevelyana, Leach, als deren nördliche Grenze die Ge- wässer bei Kristiansund angegeben werden, und sc. groen- landica, bekannt aus den arktischen Fjorden, Lofoten, Tromsö und Finmarken, von der jedoch auch im Christi- aniafjord zwei pygmäische Exemplare von M. Sars ge- funden worden sind; nach se. coaretata, Jeffr., se. obtu- sicostata, Sars, se. varicosa, Sars, die zuerst aus der englischen Cragformation bekannt von G. O. Sars bei Moldö gefangen wurde, suchte Grieg vergebens. Auch ein Exem- plar der äusserst seltenen pleurobranchus plumula, Mont., wurde bei Matrog gefunden, in einer Tiefe von 60 Faden; es maass 13 mm in der Länge und 9 in der Breite; die Farbe war weiss mit schwach gelblichem Schimmer, der Körper war durchsichtig, so dass die Eingeweide zu erkennen waren. Von früheren Funden erwähnt G. O. Sars in seinem „Mollusca regionis areticae Norvegiae“ einen solchen von pl. plumula von der Westküste Norwegens in einer Tiefe von 100 bis 150 Faden; der schwedische Zoologe Loven beschreibt diese Art, die er an der: Küste von Bohuslän gefunden hat, als pleurobranchus sideralis; sonst ist pl. plumula bekannt von den britischen Küsten, dem Kanal, den Küsten des Atlantischen Oceans und von Madeira. Die Eehinodermen-Fauna, welche Grieg in diesen Ge- wässern fand, bietet nichts besonders Bemerkenswerthes. G. Adam. Eine ungewöhnliche Form der Erdlöcher bei der Larve von Cieindela hybrida L. beschreibt P. Lesne in dem Bull. Soc. entom. France 1897, Nr. 17, Während die anderen Cieindelen-Larven einfache, senkrechte Löcher in die Erde graben, beobachtete L. in den kegelförmigen Geröll-Böschungen eines Steinbruches des französischen Jura eine abweichende Form. Die Löcher gingen schief in die Erde. Die Oeffnung war nicht einfach rund, wie sonst, sondern sinnreich ausgebaut. Ueber ihr war die Erde so aufgehäuft, dass sie wie eine Art Halskrause mit unregelmässigen Rändern aussah, die Oeffoung nach oben deckte und oben einen kleinen Canal mit der Böschung bildete. Dadurch wurde die Oeffnung gegen das ab- laufende Regenwasser geschützt. Unter ihr war der Boden zu einer Art Becher ausgegraben, den die im Loche steckende Larve beherrschte. Kamen nun Insekten die - Böschung heraufgeklettert, so wurden sie in dem Becher aufgehalten und so eine leichte Beute der Larve. Reh. Ueber Wirthswechsel bei Pflanzengallwespen be- richtet eine Arbeit von Beyerinck. Archives Neerlan- daises T. XXX S. 357—444 mit 3 Taf. Durch eine Gallwespe Cynips Calieis wird an unseren Eichen (Quercus pedunculata, Quereus sessiliflora) eine Wuceherung zwischen Eichel und Kupula erzeugt, Knoppern genannt. In diesen wohnt die parthenogenetische Gene- ration. Die Geschleehtsgeneration dagegen wohnt nur in den männlichen Blüthen von Quereus Cerris und wird dort als Andrieus Cerri bezeichnet. R. K. XIM. Nr. 28. Die Flora der trockenen Ebenen Mexicos bespricht L. G. Seurat in der Februarnummer der „Revue gene- rale de Botanique“ 1898. Die dortigen Pflanzen haben sich dem trockenen Boden sehr gut angepasst, besonders diejenigen Arten, welche auf der Basaltlava wachsen, deren Ströme in der Umgebung der Stadt Mexico, wo während sieben Monaten des Jahres kein Tropfen Regen fällt, recht häufig sind. Von Cacteen wachsen auf der mexi- kanischen Hochebene zwei Opuntia, eine Mammillaria und ein Cereus. Diese Pflanzen vermögen der Trockenheit zu widerstehen, indem sie das Wasser, welches sie während der nassen Jahreszeit aufnehmen, sehr sparsam verbrauchen. Die Cutieula wie die zahlreichen Dornen halten die in den Geweben aufgespeicherte Flüssigkeit zurück; bei den Mammillarien ist der fleischige Stamm fast ganz im Boden verborgen. Alle Cacteen zeichnen sich ausserdem durch den Besitz sehr langer Wurzeln aus, welche lang auf dem Boden hinlaufen und stellenweise Verzweigungen in den Boden senden, um aus der Tiefe desselben das bis dahin durchgesickerte Wasser aufzusaugen. Die Agave americana L., in ihrer Heimath Maguey genannt (vergl. ‘darüber „Naturw. Wochenschr.“ 1896, S. 434), ist gleichfalls dureh eine dieke Cutieula geschützt, von der die Eingeborenen einen praktischen Gebrauch machen, indem sie dieselbe getrocknet als Pergament verwenden, um darauf zu schreiben oder zu malen. Der peruanische Pfefferbaum, Schinus molle L., hat Blätter mit einer Cuticula, die wie lackirt erscheint; seine Wurzeln sind lang und laufen auf dem Boden hin wie die der Cacteen. Diese Wurzeln wachsen so üppig, dass man die Pflanze nicht im Garten ziehen kann, da die Wurzel daselbst bald das ganze Terrain einnimmt zum Nachtheil der andern Gewächse. Von den Compositen ist zu erwähnen ein riesiges Kreuzkraut, Senecio praecox, welches einen senkrechten Stamm von 1!/, Meter Höhe besitzt; derselbe verzweigt sich mehrere Male, und am Ende jeder Verzweigung sitzen die Blüthenköpfehen. Die Pflanze blüht lange vorher, bevor sie nur ein einziges Blatt trägt, und treibt die Blätter erst, nachdem die Frucht begonnen hat sich zu bilden; so braucht die Pflanze immer nur einen der ge- nannten Theile zu ernähren. Die Blätter wie auch der Stengel sind mit einer dicken, lederartigen Cutieula be- deckt, das Mark bleibt deshalb fast immer wasserreich. Die lange Wurzel dringt tief in die Risse der Lava, in denen sich etwas Erde angesammelt hat. Wenn die nasse Jahreszeit beginnt, entwickelt sich schnell eine ganz andere Flora, welche in fünf Monaten ihre Samen gereift hat und dann verschwindet, um in den übrigen sieben trockenen Monaten wieder den Pflanzen das Feld zu überlassen, die sich durch besondere Ein- richtungen den ungünstigen Vegetationsverhältnissen an- gepasst haben. S. Sch. Ueber die Farbstoffe des indischen Farbstoffs Delphinium zalil haben A. G. Perkin und J. A. Pilgrim in den Proceedings Chem. Soc. 1897/1598 No. 190, 55—56 berichtet. Als Farbstoff für alaungebeizte Stoffe kommen in Indien unter der Bezeichnung „Asbarg“ Blüthen und Blüthenstengel von Delphinium zalil, einer in Afghanistan reichlich verbreiteten Pflanze, in den Handel. Während das Färbungsvermögen der Stengel ein ausserordentlich geringes ist, besitzen die Blüthen selbst hohe Färbkraft. Verfasser haben in den Blüthen drei verschiedene Farb- stoffe in Form von Glucosiden constatirt. Der erste wasser- lösliche Farbstoff, von der Formel C,,H,50-, besteht aus gelben, glänzenden Nadeln und löst sich in Alkalien mit schön gelber Farbe; er lässt sich durch Alkalien in Ploro- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 333 gluein und Protocatechusäure und durch Jodwasserstoff in 1 Mol. Methyljodid und Quercetin überführen; durch Ein- wirkung von Methyljodid entsteht der Quercetintetrametly]- äther, und durch Acetylchlorid ein Tetraacetylderivat, das die Formel C,;H30-(C;H,O), besitzt, aus farblosen Nadeln besteht und den Schmelzpunkt 195—196° hat. Hieraus ergiebt sich, dass der Farbstoff mit dem ebenfalls in Cheiranthus Cheiri vorkommenden Quercetinmonomethyl- äther identisch und nichts anderes als Isorhamnetin ist. Aus seinem Uebergang bei der Oxydation in alkalischer Lösung in Vanillinsäure scheint folgende Formel zu folgen: 0) ÖOCH, 5 Pr HO/ N/ > lvo. REEL NoH | Nun, Ba, ka SWAP HO CO Der Farbstoff färbt zuvor mit Thonerde gebeizte Stoffe intensiver gelb als Quercetin. Die ausser dem Isorhamnetin vorhandenen Farbstoffe sind sehr leieht in Wasser löslich, sie bestehen der Hauptmenge nach aus Quercetin, einem Farbstoff, der der Quereitronrinde eigen ist, und in geringer Menge aus einer Substanz, die ähn- liche procentische Zusammensetzung wie Quercetin zeigt, auch ähnliche Zersetzungsproducte liefert, sich von diesem aber in zwei Punkten unterscheidet, denn sie liefert ein Acetylderivat von anderem Schmelzpunkt und reagirt mit alkoholischem Kaliumacetat nicht. Die von den Blüthenstengeln befreite Droge enthält 3,47%, freien Farbstoff. Asbarg zeigt ähnliche Färbungs- verhältnisse wie Quereitronrinde, besitzt aber nur 35 %/, von deren Färbekraft. A. Sp. „Ueber die chemischen Vorgänge bei der explo- siven Zersetzung von mit Sauerstoffspendern ver- mischten Nitroverbindungen“ hat Christian Göttig in den Ber. Deutsch. Chem. Ges. 31, 25 eine Arbeit publieirt. Die Resultate, die in der chemischen Fachlitteratur, über die chemische Art der Zersetzung der Nitroverbindungen mit- getheilt sind, variiren derartig von einander, dass weitere Angaben zur Klärung der Frage erwünscht erscheinen. So geben zum Beispiel die folgenden Forscher für die gasförmigen Spaltungsproducte einer im Vakuum zur Verpuffung gebrachten Schiessbaumwolle nachstehende Werthe an: co CH, H,0-Dampf Schmidt und Hecker 37.91 4.63 24.76 Vol Teschenmacher und Porret 19.02 0.00 47.66 |. ae Karolyi 98.50, 11-172, 21.981 00000 In ähnlicher Weise weichen auch die Resultate von Sarrau, Vieille und Berthelot von einander ab; es lässt sich deshalb nieht voraussehen, wie die Zersetzung ver- läuft, wenn Schiessbaumwolle beziehungsweise andere Nitroverbindungen mit Nitraten oder sonstigen oxydirend wirkenden Stoffen vermischt werden. Verfasser unterzog die Producte, die bei der Explosion eines aus der Güttler’schen Fabrik in Reichenstein ent- stammenden Pulvers nachfolgender Zusammensetzung: Baryumnitrat 9.83 Procent Nitrites Toluol 22.22 # Nitrocellulosen 67.96 ä 100.01 Procent entstanden, einer eingehenden Untersuchung. 334 Das zu diesem Pulver verwandte nitrirte Toluol war keine homogene Substanz sondern bestand aus festem (1:2:4:6)-Trinitrotoluol, neben einer ölartigen Flüssig- keit, die wahrscheinlich aus Orthonitrotoluol bestand. — Die Nitrocellulose war partiell in alkoholischem Schwefel- äther löslich und hatte im Durchschnitt 12.33 Procent Stiekstoffgehalt. I. Untersuchung des festen Zersetzungs- rückstandes. Der qualitative Befund ergab einen in Säuren unlös- lichen, weissen Rückstand, hauptsächlich des Weiteren Baryumearbonat und Kohle neben wenig Alkalicarbonat, Eisen etc. Quantitativ wurden folgende Daten ermittelt: Organische Substanz (Kohle) . 9.51 Procent Baryumearbonat 64.44 In Säuren unlöslicher Rückstand neben Alkalicarbonaten, Eisen u. s. w. Ver- bindungen 26.05 a 100.00 Procent I. Untersuchung der gasförmigen Zersetzungs- producte. Zur Bestimmung der Pulvergase wurde eine gewisse Menge des Pulvers in einen Verbrennungsraum gebracht und die Explosion mittels eines durch einen elektrischen Strom glühend gemachten Platindrahts bewirkt. Die ent- standenen Gase wurden in ein Eudiometerrohr übergeführt und wie folgt untersucht: 1. Stiekoxyd und Kohlensäure wurden durch Ab- sorption bestimmt, 2. Kohlenoxyd dureh Absorption mittels ammoniaka- lischer Kupferchlorürlösung und durch Verbrennungsanalyse, 3. Methan und Wasserstoff durch Verbrennungsanalyse, 4. der Wassergehalt theils aus der Volumenver- mehrung, die bei der Erhitzung der Verbrennungsgase durch siedende Wasserdämpfe eintrat, theils gewichts- analytisch, 5. Stickstoff aus dem Volumen, das sich nach Ab- sorption von Stiekoxyd und Kohlensäure etc. ergiebt. In 100 Volumentheilen der wasserfrei berechneten Pulvergase wurden folgende Werthe ermittelt: Stickstoffoxyd 10.75 Procent Kohlensäure . ZULASSEN Kohlenoxyd 30. O2 Methan 9.01 > Wasserstoff 1.94 = Stickstoff . 14.80 Aus der Menge des gefundenen Methans und Wasser- stoffs berechnet sich die Menge des entstehenden Wassers zu 8.64 Procent, aus dem Baryumgehalt des Pulvers und dem des Verbrennungsrückstandes die Menge des letzteren zu 12.23 Procent. Unter Berücksichtigung dieser Werthe ergiebt sich für die Zersetzungsproducte auf 100 berechnet folgende Zusammensetzung: Stickstoffoxyd 8.22 Gewichtsprocent Kohlensäure 30.89 n Kohlenoxyd 25.71 ” Methan . 3.69 e Wasserstoff 0.10 a Stickstoff 10.55 & Wasserdampf. 6 8.64 Verbrennungsrückstand 12.20 N woraus sich nachstehendes Moleceularverhältniss der Be- standtheile aufstellen lässt: Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 28, 11 Mol. C,H, 4(NO; -0),0, = 11x594=6534 Gewichtstheile 10 „ CsH,(NO,),-CH,;, = 10x227=2270 5 4 „ Ba(N0,), = 4x261=1044 5 9848 Gewichtstheile Am Schlusse seiner Arbeit formulirt Verfasser den Vorgang der Zersetzung nach folgender Gleichung: 11 C/sH,,(NO,),0, + 10 C,H,(NO,),CH, + 4 Ba(NO,), =4 BaCO, + 495,0 +9C +93 CO + 7200, + 23NO +10H+24CH, + 76N. Dr. A. Sp. Litteratur. Maurice Levy. Lecons sur la theorie des marees, professees au college de France. Premiere partie. Theories @lömentaires. Formules pratiques de prevision des mardes. XII und 298 S. 4°. Gauthier-Villars es Fils, Paris 1898. — Preis 14 Fres. Bekanntlich verdanken wir die theoretische Untersuchung der Gezeiten wesentlich englischen und französischen Forschern; es sind in erster Linie die Namen Newton und Laplace zu nennen. Aber wie das Beobachtungsmaterial in diesem Jahrhundert immer vollständiger geworden ist, so sind auch die theoretischen Be- trachtungen immer mehr vertieft worden, und namentlich sind in England, insbesondere durch Darwin, überaus wichtige Arbeiten iiber diesen Gegenstand veröffentlicht worden. Angesichts der grossen Bedeutung, welche der Erscheinung von Ebbe und Fluth nicht nur für die Wissenschaft, sondern in höchstem Maasse für die Schiffahrt und für Ingenieure, welche Gezeiten- beobachtungen benutzen müssen, beizumessen ist, muss es als ein sehr verdienstliches Unternehmen bezeichnet werden, dass eine zusammenfassende Darstellung der Untersuchungen über die Gezeiten aus berufener Feder veröffentlicht wird. Der Verfasser, Mitglied der Pariser Akademie, hat über den genannten Gegenstand 1893--1894 am College de France Vorlesungen gehalten, die nun in dem vorliegenden Werke zur Veröffentlichung gelangen. Bis jetzt ist von den beiden Bänden, auf welche das Werk berechnet ist, der erste erschienen. Derselbe behandelt in dem ersten Theile in sechs Capiteln die statische Theorie und die Vorhersage der Gezeiten; die Capitel 7-10, welche den zweiten Theil des Bandes bilden, beschäftigen sich mit der dynamischen Theorie der Ge- zeiten in Meerengen und Flüssen. . Es ist natürlich ganz ausgeschlossen, dass wir näher auf die Gliederung des Stoffes und auf die mathematischen Entwicke- lungen eingehen, denn zum Verständniss wäre eine gründliche Kenntniss des Gebietes erforderlich, und dem Fachmanne wäre mit einer kurzen Inhaltsübersicht, wie sie an dieser Stelle natur- gemäss nur gegeben werden könnte, nicht gedient. Wir müssen also Interessenten, und zu diesen gehören Mathematiker, Astro- nomen, Physiker, Ingenieure u. s. f., auf das Werk verweisen und sind sicher, dass sie darin eine überaus reiche Fülle von Unter- suchungen in übersichtlicher Darstellung finden, die ihnen die gewünschte Belehrung nicht schuldig bleiben und sie vielleicht sogar zu neuen Untersuchungen anregen werden. Der Verfasser erwirbt sich mit der Herausgabe seiner Vorlesungen unstreitig ein grosses Verdienst, und wir schen dem zweiten Bande mit lebhaftem Interesse entgegen. Die Ausstattung ist mustergültig. G. Eduard Maiss, Aufgaben über Wärme einschliesslich der mecha- nischen Wärmetheorie und der kinetischen Theorie der Gase. Für Studirende an Mittel- und Gewerbeschulen, zum Selbst- studium für angehende Techniker, Physiker u. a. Mit 29 Fig. im Text. 8°. 118 S. Verlag von A. Pichler’s Wittwe & Sohn, Wien 1898. — Preis 2,40 M. Diese Sammlung von Aufgaben verbreitet sich ziemlich gleichmässig über alle Capitel der Wärmelehre; sie enthält eine Stufenleiter von Aufgaben einfachster Art bis zu schwierigeren und berücksichtigt auch technische Anwendungen der Wärmelehre. Die verwandten Aufgaben sind zusammengefasst in folgenden Gruppen : I. Temperaturscalen, mittlere Temperaturen; II. Volums- änderungen fester Stoffe; III. Volumsänderungen flüssiger Stoffe; IV. Volums- und Spannkraftsänderungen der Gase, Luftther- mometer; V. Speeifisches Gewicht der Körper bei verschiedenen Temperaturen; VI. Wärmeaustausch verschieden temperirter Körper, speeifische Wärme fester und flüssiger Stoffe; VII Speei- fische Wärmen und Compressionswärme der Gase; VIIl. Schmelzen und Erstarren; IX. Verdampfen und Condensiren; X. Verbrennen, Thermochemie ; XI. Wärmeleitung und Strahlung; XII. Aequivalenz von Wärme und Arbeit; XIII. Dampfmasehinen; XIV. Hygro- metrie; XV. Kinetische Gastheorie. Hieran schliessen sich drei Seiten Tabellen. Die Auflösungen dieser Aufgaben nehmen etwa °/;.des Buches XIII. Nr. 28. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 335 ein; bei den einfacheren Aufgaben geben dieselben im wesent- lichen nur die Lösung, bei sehwierigeren Aufgaben ist die Auf- lösung weiter ausgeführt. Als Ergänzung zu den Lehrbüchern über die Wärme dürfte die vorliegende Aufgabensammlung recht willkommen sein, sowohl dem Lehrer als auch dem angehenden Techniker und Physiker; über das Niveau unserer Gymnasien gehen die Aufgaben natur- gemäss mehrfach hinaus. ( Prof. Dr. A. Richter, Arithmetische Aufgaben mit besonderer Berücksichtigung der Anwendungen; Trigonometrische Auf- gaben mit besonderer Berücksichtigung der Anwendungen; Resultate zu den arithmetischen Aufgaben; Resultate zu den trigonometrischen Auigaben. 8°. Verlag vonB.G. Teubner, Leipzig 1898. R ! Die vorliegenden Aufgabensammlungen suchen der Resolu- tion gerecht zu werden, welche der Verein zur Förderung des Unterriehts in der Mathematik und in den Naturwissenschaften in seiner Jahresversammlung zu Wiesbaden 1394 angenommen hat: „Es ist dringend zu wünschen, dass in den zur Binübung und Befestigung des mathematischen Systems bestimmten Auf- gabensammlungen die Anwendungen auf die Verhältnisse des wirklichen Lebens und der thatsächlichen Naturvorgänge eine weit grössere Berücksichtigung finden, als das zur Zeit fast überall der Fall ist.“ a : - Der Verfasser-scheint uns in der Auswahl der Beispiele recht geschickt vorgegangen zu sein, insofern er nämlich die rein arith- metischen bezw. trigonometrischen Beispiele nicht ausgeschlossen hat; er ist also nieht in das Extrem verfallen, nur Aufgaben aus den Anwendungen zu bringen. In der That können: die letzteren erst dann .die gewimschten Früchte bringen, wenn die Lehrsätze und die mathematische Technik in den geistigen Besitz der Schüler übergegangen sind, was durch Einüben an einfachen, d. h. keine fremden Vorstellungen 'erheischenden Beispielen ohne Zweifel am sichersten erreicht wird. Dies ist die nothwendige Grundlage für das höhere Ziel, die Schüler durch Anwendung des Erlernuten auf Beispiele aus. dem Leben und aus anderen Wissen- schaften dahin zu’ führen, in den sich ihnen im Leben und in anderen Wissenszweigen darbietenden Erscheinungen das Quanti- tative, das Mathematische zu erkennen. In der Trigonometrie hat der Verfasser besonders dem Gebiet der Nautik zahlreiche Aufgaben abgewonnen. z Wir glauben nach allem, dass die Richter'schen Aufgaben- sammlungen, die aus langjähriger Schulpraxis’ des Verfässers hervorgewachsen sind, sich auch in den Händen änderer Lehrer als ein nützliches Hülfsmittel erweisen werden. G. Briefkasten. Brief an die Redaction. Hamburg, 18. Juni 1898. Sehr geehrter Herr Doktor! In dem so sehr viel Interessantes enthaltenden (vor Allem den vortreffliehen Vortrag von Joh. Walter) Maiheft Ihrer Wochen- sehrift, finde ich auf Seite 221—22 eine Besprechung, zu der ich einige Bedenken äussern möchte, — so weit man dies ohne Kennt- niss des Werkes thun darf. Ich glaube, Herr „H“ thut Dr. Ruths Unrecht, wenn er dessen Auffassung „absolut unhaltbar“ und „ungeheuer geschmacklos“ nennt, nach der die griechischen Götter- sagen auf „Phantome“ zurückzuführen sind. Geht nicht alle wahre Po&sie mit solchen Phantomen Hand: in Hand und hat sie nicht eben daher ihre Anschaulichkeit, die absichtlich konstruirten Bildern von Nieht-Diehtern fehlt? Vergleichen Sie, was Gustav Falke von sich selbst sagt (Wolgast: G. Falke in „Nord und Süd“, Bd. 82. S. 192). Und z. B. den Brief, den die Redaction der Jugend in deren letzten No. unter „Ew. Hochwohlgeboren“ bringt: „Ja, haben Sie denn noch keinen Centauren gesehen ?*“ Und Aehn- liches haben mir Dichter persöhnlich gesagt. In schwächerem Grade ist die Erscheinung wohl sehr all- gemein. An mir selbst beobachte ich sie, kurioser Weise, erst seit einigen Jahren. ‘Es handelt sich nicht um echte Träume, im Schlaf, sondern ich erzähle sie während ihres Erscheinens an meine Umgebung. Aber freilich muss ich. die Augen dazu geschlossen _ und auch sonst Sinneseindrücke fern halten. Das Auftreten der Bilder ist spontan, scheinbar ganz unmotivirt; ebenso ihr Wechsel; bewusste Absicht ist nicht dabei. Jedes intensivere bewusste Denken verscheucht sie auch sofort, resp. ersetzt sie durch seine Objekte. Natürlich ist das Material-zu jenen spontanen Bildern aus der Erinnerung genommen, wo sollte es sonst herkommen, und daher können auch übernommene Vorstellungen, z. B. Mythen und Märchen, darin eine grosse Rolle spielen. Bei mir als Natur- forscher kommen solche allerdings kaum vor, dazu sind sie zu schwach gewurzelt bei mir. Vielleicht haben Sie einen Dichter in Ihrer Bekanntschaft, der diese hochinteressante Frage der Psychologie einmal den Lesern Ihrer Wochenschrift auseinandersetzt? Von den einfachsten Schallphantomen und Traumbildern bis zu den Extasen giebt es eine ununterbrochene Kette von Uebergängen, wie mir scheint. Hochachtungsvoll Dr. W. Köppen. Zu den vorstehenden Bemerkungen des Herrn Professor Dr. Köppen möchte ich, als Recensent des Ruths’schen Werkes, mir noch einige rechtfertigende Aeusserungen gestatten. Es ist mir wohlbekannt, dass Gesichts-Phantome aller Art — von den leich- testen Traumerscheinungen und Illusionen des Halbschlafs an bis zu den komplizirtesten Hallueinationen — ungleich viel häufiger auftreten, als man im allgemeinen anzunehmen geneigt ist. Ob grade Dichter besonders dazu disponirt sind, weiss ich nicht, doch kommt dies meines Erachtens auch wenig in Betracht. Was ich nach wie vor mit aller Entschiedenheit bestreite, ist nur, dass die Phantome von bedeutendem oder gar bestimmendem Einfluss auf die dichterische Produktion irgend weleher Art sind, womit ich für vereinzelte Fälle ihre Wirksamkeit durchaus nicht leugnen will; ich erinnere selbst an den wohl grossartigsten und natur- wissenschaftlich bedeutungsvollsten Fall dieser Art: die Auffindung der Kekul@’schen Benzolformel in Folge eines Gesichtsphantoms. Für „geschmacklos“ halte ich es allerdings nach wie vor, wenn Ruths — schroff ausgedrückt — alle dichterische Phantasie auf Phantome oder gar nur auf Musikphantome zurückführen will und die „freischaffende Phantasie“ völlig zu leugnen scheint (vgl. z. B. S. 446 des Ruths’schen Buches). Ein Schiller, der die Schweiz nie gesehen und sie doch in herxlichster Naturwahrheit vor das Auge des Lesers zaubert, ein Freiligrath, der farbenglühende Wüstenbilder, ein Heine, der die Zaubergärten Indiens nur nach seiner Phantasie in unübertrefflich anschaulicher Verklärung be- schreibt, bedarf nicht erst der Phantome, um das Land seiner Sehnsucht im Geiste zu schauen. Für „absolut unhaltbar“ halte ich ferner nach wie vor aus psychologischen Gründen die Ruths’sche Idee, dass Volkssägen aus Gesichtsphantomen hervorgehen können. Der bewundernswerth tiefe Gedanke, der fast immer den Kern der Volkssage bildet, weist schon zur Genüge darauf hin, dass man es hierbei stets mit bewussten und überlegten Schöpfungen vieler grosser Geister zu thun hat, welche die einzelnen Bestand- theile der Sage im Laufe der Jahrhunderte zusammenfügten zu jenen gedanklichen wie diehterisehen Wunderwerken, als welche sie der Nachwelt schriftlich erhalten geblieben sind. Ich bestreite die Möglichkeit, dass Gesichtsphantome, welehe durch Musik her- vorgerufen wurden, jemals von „der Naivetät der Laien und des Alterthums als veritable Wahrnehmungen“ aufgefasst werden konnten, wie es Ruths ohne Beweis annimmt (S. 255), und be- haupte, dass auch der naivste Mensch, wenn er geistig gesund ist, sich über die Irrealität der im wachen Zustand wahrgenommenen Phantome nieht lange täuschen kann, zumal wenn seine Beob- achtungen von anderen Personen bestritten und vielleicht verlacht werden. Andernfalls müsste man unbedingt folgern, dass auch alle Traumerscheinungen von der „Naivetät des Alterthums“ als veritable Wahrnehmungen aufgefasst wurden, was doch wohl auch Ruths nicht wird behaupten wollen — trotz der grossen Bedeutung, welche die Träume für die Entwiekelung religiöser Vorstellungen zweifellos besassen. Abgesehen davon kann ich mir keine Vor- stellung davon machen, wie die Aussagen eines Einzelnen über seine Phantome Anlass zu einer Volkssage geben könnten. Im übrigen bin ich vollkommen der Ansicht, dass die Er- scheinung der Phantome und ihre Bedeutung noch viel weniger erforscht ist, als das ungemein Interessante und Sympathische des Gegenstandes es wünschenswerth erscheinen lässt, und ich schliesse mich dem Wunsch des Herrn Prof. Köppen an, dass das Thema in dieser Zeitschrift noch eingehender behandelt und diseutirt werden ınöge. Berlin, 98: Juni 1898. Dr. Richard Hennig. Inhalt: J. Friedländer: Künstliche Diamanten. — L. Diels:: Die Flora von China. — Der Erzeuger des Herbsterythems. — Die Tiefenverbreitung der Mollusken. — Tiefseeforschungen im Vaagsfjord und Ulvesund. — Eine ungewöhnliche Form der Erdlöcher bei der Larve von Cieindela hybrida L. — Ueber‘ Wirthswechsel bei Pflanzengallwespen. — Die Flora der trockenen Ebenen Mexicos. — Ueber die Farbstoffe des indischen Farbstoffs Delphinium zalil. — Ueber die chemischen Vorgänge bei der explosiven Zersetzung von mit Sauerstoffspendern vermischten Nitroverbindungen. — Litteratur: Maurice Levy, Legons sur la th6orie des marees, professdes au collöge de France. — Eduard Maiss, Aufgaben über Wärme. — Prof. Dr. A. Richter, Arith- metische Aufgaben. inetrischen Aufgaben. — Briefkasten. Trigönometrische Aufgaben. ” Resultate zu den arithmetischen Aufgaben. Resultate zu den trigono- 336 Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! a 1 Neues Princip für Massenbetheiligun „Grosse Vortheilei an industriellen UniernnknNRaen . = Neuheiten - Vertrieb. — Neu aufgenommen: ee des Buttenstedt- schen Flugprineips (von zwanzig namhaften Gelehrten unterstützt) und Errichtung einer Versuchs- station fir Flugzwecke. Internationaler Verein zur rationellen Verwerthung von Erfindungs-Patenten. Eingetragene Genossenschaft mit be- schränkter Haftpflicht. Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, partieipirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabrieirten Artikel. ! ko Ss om Mein R =” BERLIN. 5.0.26. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 28. ss giebt kein Fahrrad das auf Grund seiner Qualität und seiner gleichzeitigen Eigenschaften: Leichtester Lauf % Grösste Zuverlässigkeit Schönheit der Formen sich solcher allgemeinen Anerkennung erfreut | “Rad AI TI IT IT TS TTS TS I SS IT I TS TS ST TS ST I 7 7 TS 0 7 77 7 00 wi & das h) ‚Adl eT A der “ s ? Dr. Robert Muencke ! $ Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. ; & Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ® und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. 3 DIT IT I I I I I I TS I I I U I N N I U N TTS I 2 22 Ferd. Dümmlers Derlagsbunhandlung in Berlin SW. 12, Fimmerfr, I4.| —__— Das optische Institut | Über Herberstain und Hirsfogel. Beiträge zur Kenntnis ihres Lebens und ihrer Werke. Mit 10 Abbildungen im Text. Von Prof. Dr. Alfred Nehring 108 Seiten gross Octav. Ladenpreis 3 Mark. Der Menfchheitslehrer, Ein Kebensbild des Weifen von Nazareth. Don George Paul Sylvelter Cabanis. 300 Seiten Oftav. Preis geh. 3 A, elegant geb. 4 A. Die Charakteristik der Tonarten. Historisch, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. 136 Seiten Oetav. — Preis 2,40 Mark. Zu beziehen durch jede Buchhandlung, Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Rh Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. | | Photozr3rhische Stativ- und Hand- „ Gameras. Gediegene Ausstattung. Mb” Sämmtliche Bedarfsartikel. =% Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässisste Hand-Camera. ' Wechseloassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen, Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). Adler Fahrradwerke vorm. Heinrich Kleyer, Frankfurt a. M. Spezial-Fabrik für Fahrräder mit über 1300 Arbeitern. Jahres-Production über 35 000 Fahrräder. Filialen gleicher Firma: Berlin, Hamburg, Köln, Hannover, Kopenhagen. Vertreter im In- und Auslande. Senianhchte Gasmöotoren DAMPF: und DYNAMO- MASCHINEN garantirt betriebsfähig Paul Wächter Berlin- Friedenau empfiehlt ala Spezia- litäten seine 2 Mikroskope _ photogr. Ohjektive, BE Preislisten gratis KT, und franko. Ferd. Dümmlers Derlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12, 3immerfr. 94. Bor Kurzem erfchienen: Der geninle Mlenfdy. Bon Hermann Türd. Dritte ftark vermehrte Auflage. Snbalt: I. Künftlerifched Genießen und Schaffen des genialen Menfchen. II. Bhilo- fophifches Streben. III. Praktiiches Verhalten. Gott und Welt. IV. Shatfefpenres Hamlet. V. Goethes Fauft- VI. Byrond Manfred. VII. Schopenhauer und in allen Grössen sofort. lielerbar. Elektromotor,s.n.v.1 Schitbauerdamm 21 Berlin NW. Spingza.. VIM. Chriftus und Buddha. IX. Mlerander, Cäfar, Napoleon. a und Lombrofo. XI. Stirner, Nießiche und Sbjen. XI. Echluß- etrachtung. 390 Seiten gr. 8%. Preis geb. 4,50 M, eleg. geb. 5,60 AL. ‚Don der Kritik ift dad Bud außerordentlich gerühmt worben. Das „Lite- rariiche Gentralblatt“ hat 3. B. die Eijays des Verfaffers über Shafeipeare und Goethe als zum Beiten gehörend bezeichnet, was über dieje geichrieben worden ift. Brüder und Schiweitern Moman von Eugen Beichel. Geheitet 4 Marl, geb. 5 Marl. Der Zlorulunterricht der Binder, Bon Felix Adler. ; Autorifierte Überfegung herausgegeben von Georg von Giäyki. 176 Zeiten gr. 8. Preis 2 Mack, geb. 2,50 Mark. Zu beziehen durd jede Buchhandlung. Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. 'Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. | nn mon nn m om nr VER Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Liehterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. — a RT x BERN Redaktion: Dr.H. Potonie. naturwissenschaftliche Forschung -ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- den Gebil 'en der Phantasıe, wırd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, der ihre Schöpfungeu schmückt, Schwendener. gene I a Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. Sonntag, den 17. Juli 1898. Abonnement: Man abannirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, ‘wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist HM 4.— Bringegeld bei der Post 15 „ extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. eo ] Inserate n Nr. 2% He Die viergespaltene Petitzeile 40 94. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Weitere Beiträge zur Kenntniss der Thierfährten in dem Rothliegenden Thüringens. Von Dr. Wilh. Pabst, Custos am Herzogliehen Museum in Gotha. II Ichnium acrodactylum „Typus“ und Ichnium acrodaetylum „Varietas 1“ in dem liegenden von Tambach. An einer früheren Stelle (siehe diese - Zeitschrift Bd. XI, Nr. 48) versuchte ich nachzuweisen, dass die in dem Oberrothliegenden von Tambach bisher auf- gefundenen Thierfährten drei Fährtentypen an- gehören, die ich als „Klump- zehfährte“ Ichnium sphae- rodactylum, „Spitzzehfährte“ Ichnium acrodaetylum und „Kleinzehfährte* Ichnium miecrodactylum von einander unterschied. — Im Besitz des Herzogl. Museums in Gotha befinden sich aber noch eine Anzahl durch mich an der bekannten Tambacher Fundstätte auf- gefundener Fährtenplatten, deren Fährten sich zwar unschwer einem der drei Tambacher Fährtentypen unterordnen lassen, die aber in ihren Merkmalen manche Besonderheiten aufweisen, so dass ich sie als „Varie- täten“ von den drei eigent- lichen Fährtentypen trenne. Hierbei möchte ich ganz ausdrücklich hervorheben, dass mit diesen „Varietäten“ gemäss "meines bei Bear- beitung der fossilen Fährten Ichnium acrodactylum „Typus“. Oberroth- Fig. 1. Einzelfährtenrelief eines linken Hinter- fusses. (Nat. Grösse.) Oberrothliegendes Tambach. eingenommenen, wissenschaftlichen Standpunktes und ent- sprechend meiner für jene eingeführten Benennung, (siehe diese Zeitschrift Bd. XI, Nr. 48, Bd. XII, Nr. 8) nur Fährtenvarietäten gemeint sind. Es soll durch ihre Aufstellung keineswegs ge- sagt werden, dass sie eiwa von Varietäten der zu den Fährtentypen gehörigen Fährtenthiere hinterlassen wurden. Ueber die mög- lichen zugehörigen Fährten- thiere, oder die Ursachen der Entstehung verschie- dener Fährten, enthalte ich mich durch Aufstellung der Fährtenvarietäten jeder Deu- tung und beabsichtige nur eine „Fährtenbeschrei- bung“ zu liefern. Die Merk- male der fraglichen „Fähr- ten als soleher“ sind aber so charakteristisch, dass sie durch ihren Besitz von den Fährtentypen abweichen, von ibnen unterschieden werden müssen und an ihren Merkmalen wohl er- kannt werden können. Sie als „neue Fährtentypen* oder „Fährtenarten* zu be- schreiben, erschien mir je- doch unzweckmässig. Wenn ich somit heute die Beschreibung einer von mir als: Ichnium acrodac- tylum „Varietas 1% be- zeichneten Fährte aus dem Oberrothliegenden von Tam- bach "veröffentliche, muss 338 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 29. - Fig. 2. Fig. 3. Ichnium acrodaetylum „Typus“. Einzelfährtenrelief eines rechten Hinter- Ichnium acrodaetylum „Typus“. Einzelfährtenrelief eines linken Hinter- fusses (5x auf Platte Nr. 1762, nat. Grösse). Oberrothliegendes Tambach. fusses (6x auf Platte Nr. 1762, nat. Grösse). Oberrothliegendes Tambach. Tinkks rechts dinks Fig. 4. Zeichnung der Fährtenplatte Nr. 1762 und Skizze der zu ihren Reliefs gehörigen „eigentlichen Fährte‘. XI. Nr. 29. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 339 die Fährte Ichnium acrodaetylum „Typus“ vorerst hier | „Typus“ als typisch anzusehen. Sie wurde von mir als genauer besprochen werden, als dies an früherer Stelle ge- | erste ihrer Art im Sommer 1895 gefunden und gab somit schehen ist. (Bd. XI, Nr. 48.) Der zweite Tambacher | Veranlassung zur Entdeckung mehrerer Fährtentypen in Fährtentypus, die „Spitzzehfährte“*, Ichnium | dem Ober-Rothliegenden Tambachs. Sie ist ausgezeichnet acrodactylum „Typus“, ist durch folgende Merkmale | erhalten. Ihre zehn Einzelfährtenreliefs (Fig. 4) sind in ausgezeichnet: Die „Spitzzeheinzelfährte“ (vergl. Fig. 1, | ganz vorzüglicher Weise ausgebildet. Sie bilden eine 2 u. 3) besitzt einen lang gebauten, schmalen Ballen, der ! zusammenhängende Fährte, die sich aus vier einseitigen sich scharf in den Mittel- fuss und die Fusswurzel mit deutlich entwickelter, „abgesetzter“ Ferse glie- dert. Die in der Zahl fünf vorhandenen Zehen sind äusserst lang gestreckt (Fig. 1), spitzendigend und mit einem Nagel oder einer Hornplatte bewehrt ge- wesen, soweit fast immer vorhandene Spuren eine Deutung zulassen (Fig. 2 und 3). Die fünften Zehen sind weit abgespreizt, die ersten enger mit den ver- wachsenen mittleren ver- bunden; die vierte Zehe ist die längste, die zweite und dritte sind nahezu gleichlang, ebenso die erste und fünfte. Die Einzel- fährten selbst besitzen ein charakteristisches, langes Aussehen, da ihre Längen ihre Spannenweiten um 2 bis 3 em übertreffen. Die „zusammenhängende Fähr- te* von Ichnium acrodac- tylum „Typus“ (s. Fig. 4) ist dadurch ausgezeichnet, dass in ihr die Spuren der Hinterfüsse den Spuren der Vorderfüsse in den einseitigen Einzelfährten- paaren nicht unmittelbar folgen und die rechten und linken einseitigen Einzelfährtenpaare nicht miteinander alterniren, sondern z. B. der linke Vorderfuss in „gleicher Höhe“ mit dem rechten Hinterfuss seine Spur im Boden hinterlassen hat. Somit unterscheidet sich der zweite Tam- bacher Fährtentypus Ichni- um acrodaetylum „Typus“ wesentlich vom ersten: Ichnium sphaerodactylum „Typus“ durch die spitz- endigen Zehen seiner Ein- Einzelfährtenpaaren, zwei linken: (4/4x) und (6/6x), und zwei rechten: (3/3x) und (5/dx), zusammensetzt, wogegen die Einzelfährten: (2) und (7x) unpaar, und die Spuren eines linken Vorderfusses (2) und rech- ten Hinterfusses (7x) sind. Durch diese Deutung der zusammenhängenden Fähr- te auf der Platte Nr. 1762 trete ich in Widerspruch zu meiner Auffassung, die ich in dieser Zeitschrift (Bd. XI, Nr. 48, S. 576) früher veröffentlicht habe. Eingehendste erneute Un- tersuchungen, über die ich mich in der Zeitschrift der deutschen geologischen Ge- sellschaft 1897, S. 701 ff. ausführlicher geäussert habe, veranlassen mich je- doch die hier kurz wieder- gegebene als die richti- gere anzusehen. — Auf den beiden Fig. 5 und Fig. 7 abgebildeten Tambacher Fährtenplatten Nr. 1329 und 1766 befinden sich nun neben anderen zusammenhängenden Fähr- ten je eine, die ich nach ihren Merkmalen als eine „Varietät* der oben be- schriebenen „typischen Spitzzehfährte* ansehe. Diese Fährte: Ichnium acrodactylum „Varietas 1* ist bisher nur auf diesen beiden Platten von mir beobachtet worden, welche im Sommer 1895 (Nr. 1766) und 1897 (Nr. 1825) an der Tambacher Fundstätte gefunden wurden. Die zusammenhängen- de !Fährte Ichnium aero- Bas. 5. dactylum „Varietas 1* der Grosse Fährtenplatte Nr. 1823. (*%/,,, em.) Oberrothliegendes Tambach. Platte 1823 (siehe Fig. 5) (Im Herzogl. Museum zu Gotha.) befindet sich auf ihrer lin- ken Hälfte. Sie setzt sich zelfährten, den Besitz einer Ferse, die grösseren Längen | (vergl. Fig. 6; der leichteren Herstellung wegen habe ich der Einzelfährten im Verhältniss zu ihren Spannweiten | in Fig. 6 u. 8 die Einzelfährten nur durch Kreise ange- und die in der zusammenhängenden Fährte zum Ausdruck | deutet) aus vierzehn Einzelfährten zusammen, die sich zu kommende Gangart des zugehörigen Fährtenthieres. (Ver- | vier linken einseitigen Einzelfährtenpaaren: (2/2x), (4/Ax), gleiche diese Zeitschrift. Bd. XI, 48, XII, S. 86 und Fig. 1 | (6/6x) und (8/8x) und drei rechten: (1/lx), (3/3x) und in Bd. XII, 22.) (5/5x) vereinigen. Das zur „eigentlichen“ Fährte gehörige Die bereits schon früher besprochene und abgebildete | rechte einseitige Einzelfährtenpaar (7/7x) ist auf der Platte Fährtenplatte Nr. 1762 (siehe diese Zeitschrift Bd. XI, 48 | nicht erhalten. Die gleichfalls fünfzehigen Einzelfährten Fig. 4 u. 5 sowie $. 576) ist für Ichnium acrodaetylum | haben „spitzendigende“ Zehen, sind also „Spitzzehfährten“, 340 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 29. wie dies namentlich bei 2x, 4x, 5x, 6x u. 8x gut zu er- kennnen ist, doch unterscheiden sie sich von Ichnium acrodaetylum „Typus“ dadurch, dass ihre Zehen nicht jene eigen- thümliche Krümmung nach aus- wärts zeigen (vergl. Fig. 3), die fünfte Zehe weniger abgespreizt ist, die Zehen untereinander paralleler gerichtet sind, und ihre spitze Endigung anders gebaut erscheint, da die Zehen schwach keulenförmig anschwellen und dann unvermittelt in die spitze Endigung übergehen. Das Vor- handensein eines Nagels bei den Tambacher „Spitzzehfährten“ er- scheint durch diesen Befund so- mit zweifellos. Ein weiterer Un- terschied zwischen den Spitzzeh- einzelfährten „Typus“ und „Va- rietas 1“ wird ferner dadurch be- dingt, dass bei diesen nur selten der Ballen im Relief ausgeprägt erscheint, die Zehen im Gegen- satz hierzu aber in der Regel erhalten sind. Es scheint dies keine zufällige Erschemung zu sein, da bei den Einzelfährten- reliefs anderer Art, die sich noch auf der Platte Nr. 1823 vor- finden, der Ballen stets ausge- bildet erscheint und auch auf Platte Nr. 1766 die gleiche Beob- achtung gemacht werden konnte. Soweit jedoch Spuren des Ballens vorhanden sind, hat, er auch eine Ferse besessen (z. B. 4x). Die Einzelfährten der Vorder- füsse sind durchschnittlich kleiner als die der Hinterfüsse, deren Länge 7 cm und deren Spannweite 5,5 em beträgt, im Gegensatz zu 6 und 5 em bei den Vorderfüssen. Es übertrifft also auch hier, wie bei den Spitz- zeheinzelfährten „Typus“, die Länge die Spannweite. Von den Zehen endlich ist wiederum die vierte die längste, die zweite und dritte, erste und fünfte sind von nahezu gleicher Länge. Der Hauptunterschied zwischen den beiden Fährten Ichnium acrodactylum „Lypus“ und Ichnium acrodactylum „Va- rietas 1* besteht aber darin, dass in der zusammenhbängenden Fährte dieser die ein- seitigen Einzelfährtenpaare mit einander in ausgesprochenem Maasse alterniren und in den einseitigen Einzelfährtenpaaren ein un- mittelbares Folgen der Spuren von Hinter- und Vorderfuss stattfindet, so dass stellen- weise ein Berühren ihrer Spuren eintritt. Hierdurch erhält die besprochene „Fährte als solehe* ein so verschiedenes Aussehen von der „typischen“ zusammenhängenden Spitzzehfährte, dass die Bezeichnung als ihre „Fährtenvarietät“ gerechtfertigt er- scheint, zumal die gleichen Eigenthümlich- keiter bei der zusammenhängenden Fährte der Platte Nr. 1766 zu beobachten sind, und bei keiner der noch im Herzoglichen Museum vor- dieses der einseitigen Einzelfährtenpaare, wie das unmittelbare handenen Spitzzehfährtenvarietäten En x x) rechts Fig 6. Zeichnung der Fährtenplatte Nr. 1766 und Skizze der zu ihren Reliefs gehörigen „eigentlichen Fährte*. Fig. 7. Fährtenplatte Nr. 1766. (*”/,, cm.) Oberrothliegendes Tambach; be- findet sich jetzt im K.K, Museum zu Wien. Alternieren Folgen der Spuren von Vorder- und Hinterfuss stattfindet. — Mit der hierdurch bewiesenen abweichenden Gangart der zugehörigen Fährtenthiere von der in der zusammenhängen- den typischen Spitzzehfährte be- obachteten, scheint der wenig ausgeprägte Erhaltungszustand der Ballen der Einzelfährten als Folge eines andersartigen, viel- leicht „leichteren“ Niedersetzens der Extremitäten der Fährten- thiere in einem gewissen Zu- sammenhang zu stehen. — Zu bemerken ist noch, dass die Ein- zelfährten der Platte Nr. 1823 vielfach durch Trockenrisse in charakteristischer Weise gespal- ten wurden, und die charak- teristischen Maasse der zusam- menhängenden Spitzzehfährte „Varietas 1* Fährtenmaass 1:gqem 2:25 cm (Differenz 16 em; cha- rakteristisch für Ichnium aero- daetylum „Varietas 1“) Sehritt- länge: 22 cm, einseitige Schritt- länge: 31 cm und Spurbreite 15—15 cm betragen. Die noch auf der Platte vorhandenen Fähr- ten sind, zum Theil wenigstens, gleichfalls von der typischen Spitz- zehfährte abweichende Spitzzeh- fährten; ihre Beschreibung zu- gleich mit einer Anzahl gleicher ist einer weiteren Veröffentlichung vorbehalten. Die zusammenhängende Fährte Ichnium acrodaetylum „Varietas 1“ auf der Platte Nr. 1766 (Fährte II im Fig. 8) die Platte wurde im Frühjahr an das Wiener Hofmuseum abgegeben — setzt sich aus sieben Einzelfährten zusammen, die in der Zeichnung der Platte (Fig. 8) mit „durch- kreuzten“ Kreisen und „nicht“ eingeklammer- ten Zahlen bezeichnet sind, um sie von den Einzelfährten der noch auf der Platte vor- handenen, zusammenhängenden Fährten zu unterscheiden. Die sieben Einzelfährten ver- einigen sich leicht zu drei rechten einseitigen Einzelfährtenpaaren: 1/lx, 3/3x u. 5/Ax, während von den linken nur die Spur eines Hinterfusses 4x erhalten ist, da die Spur des zugehörigen Vorderfusses 4 durch den Trockenriss auf der Platte ganz zerstört wurde, die übrigen zur „Fährte“ gehörigen auf der Platte aber garnicht erhalten sind. Die Einzelfährten sind für Ichnium acrodac- tylum „Varietas 1“ charakteristisch ent- wickelt und zeigen deutlich die schwach- keulenförmige Anschwellung der Zehen und ihre Bewehrung durch einen Nagel. Das für Ichnium acrodactylum „Varietas 1° oben als besonderes Merkmal hervorgehobene wenig scharfe Ausgeprägtsein der Einzel- fährten ist hier noch auffallender ausge- bildet, als bei der Fährte auf Platte Nr. 1823. So ist der Ballen nur bei 3x schwach ausgeprägt und sind die Zehen bei 3x und 4x, wenn auch sämmtlich vorhanden, doch theilweise nur spurenhaft ausgebildet und ist 5x endlich nur in ihren XII. Nr. 29. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 341 3—5 Zehen erhalten, bei ihm wurde der Ballen durch den Trockenriss gänzlich zerstört. Es würde also der Befund von Platte Nr. 1766 bestätigen, worauf schon weiter oben hingedeutet wurde, dass das zugehörige Fährtenthier wohl einen „leichteren Gang“ besessen haben mag, als das zu Ichnium acrodactylum „Typus“ gehörige. In der zusammenhängenden Fährte alterniren auf der Platte Nr. 1766 wiederum die einseitigen Einzelfährtenpaare 3/3x, 4/4x und 55x (das zur „eigentlichen Fährte* gehörige linke, einseitige Einzelfährten- paar 2/2x ist auf der Platte nieht mehr erhalten) und die acrodaetylum „Typus“ (Fig. 8, Fährte I u. II), die hier zum Schluss, der Vollständigkeit wegen, kurz besprochen werden mögen. Ihnen gehören zwölf Einzelfährtenreliefs der Platte an — auf ihr befinden sich im ganzen nicht weniger denn neunzehn! — die zwei „auf den Beschauer zusehreitende“ zusammenhängende Fährten bilden. Die zusammenhängende Fährte I Fig. 8 (die Zahlen der zugehörigen Einzelfährten- reliefs sind in | ] eingeschlos- sen, die Kreise schraffirt), setzt sich auf der Platte zusammen aus einer Einzelfährte eines linken Vorderfusses [2], einem linken einseitigen Einzelfährten- Spuren von Vorderfuss und us paar [4/4x], einer Einzelfährte Hinterfuss folgen einander in 3@ eines linken Hinterfusses [6x] den einseitigen Einzelfährten- und einem rechten einseitigen paaren. Die charakteristischen (07) Einzelfährtenpaar [3/3x], von Fährtenmaasse endlich sind dem jedoch [3] ganz durch den hier, nahezu übereinstimmend (07%) Trockenriss zerstört worden ist. mit denen der Fährte auf Platte Von den Einzelfährten sind die Nr. 1823, Fährtenmaass 1: qem, 6o meisten nur undeutlich erhalten, 2:24 cm, Schrittlänge: 25 cm, doch lassen [4] und [4x] immer- einseitige Schrittlänge: 30 cm, 7) hin die Typusmerkmale er- Spurbreite: 15 cm. kennen. Beide sind ausserdem Wir haben es somit in den 05 in charakteristischer Weise durch beiden beschriebenen Tam- Trockenrisse gespalten. bacher Fährten auf den zu ganz o;5* Die zusammenhängende verschiedenen Zeiten, allerdings 4@ Fährte II Fig. 8 (die Zahlen an gleicher Fundstätte, gefun- der zugehörigen Einzelfährten- denen Platten Nr. 1766 und reliefs sind in ( ) eingeschlossen; 1823 mit zwei unter sich völlig 4x® die Kreise nicht schraffirt), wird übereinstimmenden, aber von auf der Platte gebildet von zwei der weiter oben beschriebenen 03 rechten einseitigen Einzelfährten- Spitzzehfährte in so charak- paare (l/lx) und (3/3x) und teristischer Weise abweichenden @3* einer Einzelfährte eines rechten Fährten zu thun, dass sie als 2© Hinterfusses (5x) und einem eine Fährtenvarietät von ihr linken einseitigen Einzelfährten- anzusehen sind. — Ob zu dieser paar (2/2x). Von diesen ist (3x) Fährtenvarietät von Ichnium © sehr charakteristisch ausgebildet eerodaetylum „Typus“ eine 01 und zeigt sämmtliche Typus- Fährtentbier varietät oder merkmale. Die übrigen Einzel- neue Art von Fährtenthieren ge- O1 fährten sind weniger gut er- hört oder ob sie von dem zur Sr = ok halten und theilweise, so aiehen a zehn gehöri- nd Baer [aS5; nechts. Bereich A) ach (1x) Anne gen Fährtenthiere in einem Fig. 8. rockenrisse in ihrem Erhal- anderen Entwicklungszustand Zeichnung der Fährte Ichnium acrodactylum Varietas 1 aur tungszustand stark beeinträch- oder anderem Alter dieses a fuein geböBesn. u rtist,s Non den ;charakteristisehen hinterlassen wurde, soll durch die vorliegende Untersuchung und Aufstellung von Fährtenvarietäten nicht ent- schieden werden. Es genügt vollkommen, die an sich höchst bemerkenswerthe und interessante Thatsache fest- zustellen, dass die im Oberrothliegenden Tambachs bisher aufgefundenen Fährten eine so überaus mannigfaltige Ausbildung zeigen. Für die besprochene Fährtenvarietät schlage ich aber in Anbetracht ihres sie hauptsächlich von ihrem Typus trennenden Merkmales: der „alterniren- den“ Gangart, die Bezeichnung Ichnium acrodactylum var. alternans vor. Auf der Platte Nr. 1766 befinden sich ferner noch zwei typische zusammenhängende Spitzzehfährten: Ichnium Fährtenmaassen“ misst die ein- seitige Schrittlänge und Spur- breite bei Fährte I: 35 und 23 em; die Schrittlänge, einseitige Schrittlänge und Spurbreite bei Fährte Il: 23, 26 und 21 em. Seitens des Herzogliehen Museums in Gotha wurden fernerhin „Tambacher Fährtenplatten* abgegeben (vgl. diese Zeitschrift Bd. XII, Nr. 22) nach Amhevst Amerika (Universität), Berlin (Landwirthschaftliche Hochschule und geologische Landesanstalt), Breslau (Universität: 2 Platten), London (British Museum), München (technische Hoch- schule), Paris (2 Platten), Pavia (Universität) Praetoria (Afrika. Museum) und Wien (Museum eine 3te Platte!); im Ganzen bis heute vierzig Platten. — Das Tyrosin, ein Mittel gegen das Schlangengift. — Wie Dr. Cesaire Phisalix, dem wir schon viele Untersuchungen über das Schlangengift und seine Gegen- mittel verdanken (vergl. „Naturwiss. Wochenschr.* 1396, S. 480; 1897, S. 523; 1898, S. 110), in den „Comptes rendus hebd. de l’Acad. des Sciences“ 1898, 1. Hälfte, S. 431 mittheilt, hat er in dem T'yrosin ein neues Mittel gegen die Wirkung des Schlangengiftes gefunden. Das 342 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 29. Tyrosin kommt in grosser Menge in den Knollen der Dahlia und in einem Hutpilze, Russula nigrieans Bull., vor und wurde aus diesen Pflanzen von G. Bertrand im Zustande vollkommener Reinheit gewonnen. Thiere, denen eine Emulsion von Tyrosin in Wasser eingeimpft ist, können nach 24—48 Stunden eine Giftdosis erhalten, die nicht geimpfte Thiere in 5—6 Stunden tödtet; bei den Versuchsthieren sind die Allgemeinerscheinungen einer Vergiftung durchaus nicht wahrzunehmen, die Temperatur sinkt nieht, und nur in seltenen Fällen treten schwache Localerscheinungen auf. Es genügen schon 5 Milligramm Tyrosin, um ein Meerschweinchen zu immunisiren, bei 10—20Milligramm dauert die Immunisation bis zu 25 Tagen, mitunter ist sie jedoch schon nach 15 Tagen erloschen. Wird das Tyrosin zu gleicher Zeit mit dem Schlangengift injieirt, so wird dadurch der Tod um einige Stunden auf- gehalten, er kann aber nicht gehindert werden. Zur Immunisirung genügt auch schon der Saft der Dahlien- knolle; werden einem Meerschweinchen davon 2 Kubik- eentimeter eingeimpft, so ist das Thier gegen eine sonst tödtliche Dosis Viperngift immunisirt. Wie oben gesagt wurde, sind zur Immunisirung eines Meerschweinchens 5 Milligramm reines Tyrosin nothwendig; nach Bertrand’s Untersuchungen ist aber nun in 1 Liter des Saftes der Dahlienknolle nur Y, Gramm Tyrosin enthalten, darnach müssten zur Immunisation 10 Kubikcentimeter des Dahlien- saftes nöthig sein. Daraus geht hervor, dass in dem Safte der Dahlienknollen auch noch andere antitoxische Substanzen enthalten sein müssen. S. Sch. Die Symphilie ist Brutparasitismus! Selten wird eine nur 33 Seiten starke Abhandlung ein so allgemeines Interesse erregen, als es dem Dr. Karl Escherich’schen Beitrag zur Kenntniss der Myrmekophilie beschieden sein dürfte, der unter dem Titel: „Zur Anatomie und Biologie von Paussus tureieus“ in den Zoologischen Jahrbüchern (XIL., 1898) niedergelegt ist. Der Verfasser hat im März 1597 eine Fxeursion nach Kleinasien unternommen, eigens zu dem Zwecke, die Ameisengäste lebend zu beobachten und hat mehrere diesbezügliche Veröffentliehungen in der Wiener Entomologischen Zeitung gebracht; heute liegt das Hauptergebniss der Reise vor. Escherich giebt eine so eingehende Darstellung des äusseren und inneren Baues des Paussus tureieus, dass man seine Fertigkeit in der Handhabung des Skalpells bewundert, wenn man schliesslich erfährt, dass ihm nur zwei Exemplare des Thieres zur Sektion zur Verfügung standen; er beschreibt namentlich das Intesument, das Abdomen, die Copulationsapparate, Genitalsystem, Nahrungskanal, Nervensystem, den Bom- bardirapparat und den Vorgang der Sekretion und Ex- plosion, immer im Vergleich zu den Carabieiden, und löst die Frage nach der systematischen Stellung der Paussiden dahin: Die Paussiden gehören in die Familien- gruppe der Caraboidea und stellen einen (allerdings aberranten) Zweig der Carabieiden dar. Hervorzuheben aus der Fülle der Resultate der anatomischen Unter- suchungen sind: der Bau der queren Oeffuung auf der Stirn (Stirnpore), der von Raffray falsch gedeutet, von Wasmann richtig vermuthet worden war (die Pore dient als gemeinsame Ausführungsöffnung für eine grosse Anzahl Drüsen); die Feststellung eines beiden Geschlechtern eigenen Tonapparates auf der ersten Bauchplatte und den Hinterschenkeln in der üblichen Anlage; endlich die Construction des Bombardirapparates, der am Ende des Abdomen jederseits selbstständig nach aussen mündet, also ohne Communikation mit dem Reetum ist, und jederseits aus einer luftgefüllten Blase (Gasreceptor), einer zweiten sekretgefüllten Blase und einem langen Sehlauch besteht, durch den ein, in einem geweihartig verzweisten Drüsenbüschel (das demnächst erst noch näher beschrieben werden soll) ausgeschiedenes Sekret gasförmiger und flüssiger Natur in die Blasen gelangt; die flüssigen und festen Bestandtheile des Sekrets ver- bleiben in der zweiten Blase, das Gas wird in die erste gepresst; durch irgend welchen Reiz entspannt sich die Gasblase, das Gas entweicht explosivartig und reisst die in der andern Blase enthaltenen flüssigen Sekretstoffe mit sich. — Der zweite Theil der Arbeit ist der Biologie des Käfers gewidmet, nachdem eine Uebersicht über die bisherige darauf bezügliche Litteratur vorausgegangen ist. Kurzzusammengefasst giebt Escherich etwa folgendes Bild von dem Verhältnisse zwischen Paussus und Ameise: Obwohl der Paussus den Ameisen bedeutenden Schaden zufügt, weil er sich von ihren Eiern und Larven nährt, wird er doch von ihnen gepflegt und ist von ihnen so „verwöhnt“ worden, dass er energielos, unbeholfen und Feinschmecker geworden ist; er sitzt träge im Neste, um und auf ihm stets eine Anzahl Ameisen, die ihn am ganzen Körper belecken, ohne jedoch einzelne Stellen zu be- vorzugen, oder ihn am Fühler im Neste herumführen, mit ihm spielen. Eine Ausscheidung, die den Ameisen angenehm ist, besitzt er gewiss; ebenso aber leckten die Ameisen, Escherichs Beobachtung nach, ein im Neste be- findliches Ameisenweibehen und ebenso putzen sie sich selbst. Wenn also auch das Sekret eine Rolle spielt, ist das Belecken doch in der Hauptsache auf den Reini- gungstrieb der Ameisen zurückzuführen. — Das Spiel an und für sich hat nach Karl Groos allgemein eine biologische Bedeutung, insofern als es eine instinctive Vor- und Einübung für spätere ermstere Fälle erzielt; so hat das Herumzerren der Käfer durch die Gänge des Nestes den Zweck, ihn an das Insicherheitbringen zu ge- wöhnen, falls dem Neste einmal Gefahr droht. Dieses Spiel ist also eine Bethätigung desjenigen Zweiges des allgemeinen Pfleginstinctes, der auf den Schutz der an- vertrauten Wesen gerichtet ist. Beim Belecken, wie beim Spiele haben wir es somit mit Ausübung des Pflegeinstinetes zu thun, welch’ letzteren die „Gäste“ sich zu Nutze machen, um ein bequemes, an- genehmes Leben auf Kosten ihrer Wirthe zu führen. Die Symphilie (Wasmann) ist demnach nur eine specielle Form des im Thierreiche so überaus mannigfaltig auf- tretenden Parasitismus, die mit dem Brutparasitismus des Kuckucks analog, ja übereinstimmend ist. Schaufuss. Zwei merkwürdige Nester der Mauerbiene (Osmia rufa) schildert A. Bellevoye in dem Bull. Soc. entom. France 1897, Nr. 18. Im ersten Falle hatte eine Biene ihre Zellen in die vier Eeken eines Holzkastens, in dem die Spule eines elektrischen Läutewerkes war, angelegt, etwa 25 zusammen. Die Vibrationen des Apparates hatten weder die mütterliche Biene abgeschreckt, noch der Ent- wickelung der Jungen irgendwie geschadet. Im anderen Falle hatte sich eine Biene das Brillen-Futteral eines Pfarrers ausersehen, das er in seinem auf den Garten gehenden Arbeitszimmer neben sich auf den Tisch gelegt hatte, 3 Tage lang trug sie von morgens früh, wenn das Fenster geöffnet wurde, bis abends spät, wenn es ge- schlossen wurde, unverdrossen Material zum Nestbau herbei. Am 4. Tage wurde das Fenster nicht geöffnet, und am Tage darauf erschien die Biene nicht mehr. Indess war auch das Futteral völlig mit Zellen Bulk eh. XIII. Nr. 29. In No. 26 bat durch Herrn Dr. Ludwig Wilser unter der Marke: Nochmals der „grimme Scheleh“ mein in No. 23 abgedruckter Aufsatz eine Erweiterung erfahren, auf welehe ich mit wenigen Worten antworten muss. Mir scheint gegen eine Annahme, dass „elch“ das weibliche, „scheleh“ das männliche Elen sei, nichts vor- zuliegen, wenn man sich in die Auffassung hineinfindet, dass der Dichter unter „eleh“ den Waldesel „mit zwei Klauen“ gemeint hat. Dieses Geschöpf konnte dann natürlich recht gut mit dem Artikel „der* in Verbindung gebracht werden, ohne dass eine willkürliche Ausnahme von einer althergebrachten Regel gemacht werden brauchte. Da die Geschlechter meiner Ansicht nach mit verschiedenen Namen bezeichnet und für verschiedene Thierarten ge- halten wurden, so stand auch einer doppelten Aufzählung wohl nichts im Wege. Das erwähnte „halbful“ als halb erwachsenes Füllen aufzufassen, ist nicht mit Schwierig- keiten verknüpft, es fragt sich nur von welchem Thiere, ob vom Pferde, vom Esel oder gar vom Waldesel, dem (weiblichen) Eleh. Dass wilde Pferde sich lange Zeit auf den Weideplätzen Deutschlands getummelt haben, ist wohl bekannt; ob aber alle Daten, welche uns über sie Auf- schluss geben oder Aufschluss geben sollten, ohne weiteres verwendbar sind, ist eine andere Frage. Wie oft werden sie als Thiere beschrieben, welche einen weichen Rücken besitzen und unfähig sind, irgend welche Last zu tragen! Die Auslegung von „scelo“ als Beschäler, d. h. als wilden Hengst, möchte ich freilich ohne weiteres von der Hand weisen, besonders da bei der schliesslichen Auf- zählung der zur Strecke gebrachten Thiere mit einer ge- wissen Steigerung kräftige, gewaltige Lebewesen genannt werden; der darauf geschilderte, erbärmliche Tod Sieg- frieds bietet dazu einen erassen Gegensatz. — Das Pferd, und sei es noch so wild, wird stets den Menschen fliehen. Nur in der äussersten Noth, z. B. in die Enge getrieben, wird es sich zur Wehr setzen. Die Wildheit ist hier aber nieht von einer bestimmten Veranlassung her abzuleiten, denn sonst würde sie in ihrer Entstehung und Entwickelung wohl ebenso geschildert worden sein, wie das Abenteuer mit dem Bären, sondern sie ist mit dem Wesen des „Seheleh“ eng verknüpft. Wie wild der männliche Elch ist, habe ich bereits geschildert und kann jetzt noch einen mir kürzlich bekannt gewordenen Fall hinzufügen, bei dem ein Elchhirsch einem sich vor ihm scheuenden Reitpferde den Weg versperrte (Altum, B.: Forstzoologie. Berlin 1876. S. 300). Und soll trotz alledem der Elch mit dem Schelch nichts zu thun haben, so würde ich eher dem ausgestorbenen Riesenhirsch als dem „Beschäler“ das Wort reden. In der bayrischen Volkssprache versteht man unter „schelchen“ langsam und unbeholfen vorwärts- schreiten; der Riesenhirsch, der sich mühsam wegen seines gewaltigen Geweihes durch den Wald hindurchfindet, wird auf die Bezeichnung „Scheleh“ dem Sinne nach eher Anspruch erheben dürfen als ein ungeberdiger Hengst. Dass das Rennthier ausser Betracht kommt, habe ich bereits selbst erwähnt. Der Umstand endlich, dass in einer Urkunde zwischen elo und schelo statt „aut“ das Wörtchen „et“ gesetzt ist, kann durch eine mit Zeit und Ort erfolgte Trennung der Geschlechter in zwei Thierarten erklärt werden. Dr. Paul Dahms. Ueber den Einfluss des Phosphorsäuregehalts des Bodens auf die Knochenbildung des Viehes bringt Carl Fred. Kolderup im Jahrbuch des Bergener Museum („Bergens Museums Aarbog for 1597“) einige recht be- merkenswerthe Ausführungen. Er wurde darauf aufmerk- sam, dass in dem Bezirk von Ekersund-Soggendal im südlichen Norwegen eine Krankheit des Viehes auftritt, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. als in dem Gebiet von Rekefjord und Sogndal, I tritt 343 in Sprödigkeit der Knochen bestehend, deren Verbreitung genau mit derjenigen gewisser Gesteinsarten übereinstimmt. So zeigt sich z. B. bei Haeskestad die Knochensprödigkeit nur auf der Nordseite des Thales, welche aus Labrador- gestein und Urgebirgsgneis besteht, während die Südseite, deren Gesteinsarten der Verfasser als Monzonite bezeichnet, völlig frei davon ist; ebenso ist auch im Sogndal eine scharfe Grenze zu beobachten. Demnach drängte sich die Annahme auf, dass der Boden in den Krankheitsge- bieten nicht genügend knochenbildende Substanzen ent- halte; an Kalk fehlte es nicht, denn der Feldspath der betreffenden Gesteine bestand vornehmlich aus Kalknatron- feldspath, das bestimmende Moment musste also im Phos- phorsäuregehalt zu suchen sein. Die Erscheinungen der Krankheit werden in No. 17 der Zeitschrift „Landmanden“ vom Jahre 1896 folgender- maassen geschildert: Zwnächst fällt en Zurückgehen im Gedeihen des Viehes auf, das Fell wird trocken und glanzlos, die Haut hart und straff, das Thier frisst wenig und leckt an allem, was es findet, Steinen, Knochen, Lumpen u. s. w.; die Milch ist fett, das Fleisch dunkel, im Allgemeinen aber wird das Thier mager. In weiteren Stadien wird die Beweglichkeit erschwert, häufig treten Knochenbrüche ein, die "Abmagerung nimmt zu, und die Milehproduction verringert sich. Die Knochen des ge- schlachteten Thieres zeigen sich äusserst spröde und ent- balten reichlich stark fetthaltiges Mark. Die Gesteinsarten des in Frage kommenden Gebietes sind hauptsächlich Labradorgesteine, vornehmlich aus La- bradorfeldspath bestehend, z. Th. auch mit einem Hypersthen und Erzenvermischt. Nur an einzelnen Stellen ist das kahle, weissliche Steinmeer von grünen Streifen durchzogen; diese mit Vegetation bedeckten Partien sind theils Diabas-, theils mächtigere Noritgänge, welche das Labradorgestein durchsetzen. Ein ähnlicher Unterschied fällt am Rekefjord auf, wo die aus Labradorfels bestehende Westseite öde und kahl ist, während die von Noriten gebildete Ostseite eine verhältnissmässig reiche Vegetation trägt. Die Mine- ralien, welche den Norit bilden, sowohl in den Gängen sind ungefähr dieselben, die in den Labradorgesteinen auftreten: Schiefer, Feldspath, wesentlich Labrador und Andesin, Hypersthen, Augit, Biotit und Titaneisen; das Verhältniss ist jedoch ein anderes, denn während die Labradorgesteine 75—100°/, Feldspath enthalten, sind es bei jenen nach den Analysen des Verfassers nur ungefähr 60°%,. Was den für unsere Frage bedeutsamen Phosphorsäuregehalt betrifft, so liegen die Verhältnisse derartig, dass in reinem Labradorgestein so gut wie gar keine P,O, zu finden ist, und auch Prof. Vogt giebt einen P,O, gehalt von nur 0,002°/, an. Die an dunkleren Mineralien (Hypersthen und Biotit) reicheren Labradorgesteine, die sich also in- sofern den Noriten nähern, weisen ein spärliches Vor- kommen von Apatit auf, und dieser Phosphorsäuregehalt, so gering er auch ist, genügt, die Knochensprödigkeit zu verhindern. Die Norite und Monzonite hingegen besitzen einen ziemlich reichlichen Phosphorsäuregehalt. Prof. Vogts Analysen ergaben für die Noritgänge 2—2,2°), P,O,, während der Verfasser 1,3%, gefunden hat: einen ähnlichen Phosphorsäuregehalt von 2—2,2°,, zeigen auch die nicht unbedeutenden Diabasgänge, geringer ist er im Adamellit und Banatit, durchschnittlich etwa "0,3%. Aus zahlreichen einzelnen Beispielen und Beobach- tungen in Ekersund, Helland, Sogndal, Hitterö u. s. w. erweist Kolderup denZusammenhang zwischen mangelndem Phosphorsäuregehalt und der Knochensprödigkeit der Thiere. Bemerkenswerth ist, dass auch die Leute dieser Gegend über „schlechte“ Füsse klagten. Die Knochensprödigkeit überall auf, wo reiner Labradorfels die Unterlage 344 bildet, während man sie nicht trifft, wo das Labrador- gestein durch veränderte Mineralzusammensetzung sich den Noriten nähert, ebenso wenig, wo die Gehöfte im Norit, Monzonit, Banatit und Adamellit liegen. Auch die Anlage menschlieher Ansiedelungen richtet sich nach dem Phosphorsäuregehalt des Bodens; so befinden sich auf dem St. Olafsgang, einer 13,8 km langen Niederung, die auf diabasischem Verwitterungsboden reiche Vegetation trägt, zahlreiche Gehöfte, während ausserhalb dieses Ganges nur einzelne zerstreute Ansiedelungen liegen. Es lässt sich behaupten, dass auf Noritboden etwa die vier- fache Anzahl von Gehöften zu finden ist, als auf Labrador- gestein. G. Adam. Die Naturgeschichte und Bekämpfung der Spargel- fliege, Trypeta (Ortalis) fulminans Mg., beschreibt H. v. Schilling im Prakt. Rathgeber f. Obst- u. Gartenbau 1897 No. 13. Die Fliege ist 5—6 mm lang, glänzend dunkelröthlich-braun, mit 6 hellen Binden am Hinterleibe und einem dunkelbraunen Ziekzackband über den Flügeln. Die Legeröhre des Weibchens ist gelblich. Ende April und Mai werden die Bier abgelegt, mit Vorliebe einzeln hinter die Schuppen der eben hervorbrechenden Spargel- köpfe. Nach 10—14 Tagen kommen die gelblichen, bis 9 mm langen Larven aus. Diese fressen, oft ein ganzes Dutzend an einem Stengel, langsam nach abwärts, das Mark verzehrend und so die Stengel zur Verkrüppelung bringend. Sie gelangen bis zum Wurzelstock, ohne aber in diesen überzugehen. Die Verpuppung findet langsam, nach und nach, bis Ende Juli oder August statt, wenig (bis 6 cm) unter der Erde, zumeist noch seicht im oder am Stengel. Die 8 mm lange, zuerst rothgelbe, später bräunlichrothe Puppe überwintert, um erst im nächsten April oder Mai auszuschlüpfen. Warmes, trockenes Wetter beschleunigt die Entwickelung, kühles, nasses verzögert sie. Zu er- kennen sind die befallenen Stengel anihrer Verkrüppelung und Verbiegung oder Verkrümmung. Die Bekämpfung richtet sich nach dem Alter und der Art der Spargelan- lagen. Bei jungen schneidet man aus weissem Holz kurze Spargelkopf-ähnliche Stäbchen, die man die zwischen Spar- seln in die Erde steckt, so dass nur ein 21/,—3 em langes Stück, das man mit Raupenleim bestreicht, aus der Erde hervorsieht, auf die sieh die Fliegen gerne setzen; daneben sind alle befallenen Spargel nahe über der Wurzelkrone abzuschneiden und zu verbrennen. Bei im Ertrag stehenden Spargel sind alle Pfeifen, ohne Ausnahme, mindestens während der ersten 8 Wochen rücksichtslos zu schneiden oder zu brechen. Alle alten, morschen Stümpfe sind im Frühjahr, bezw. Herbst zu entfernen und zu verbrennen. Reh. Höhenmessungen auf den Färöern werden seit dem Jahre 1895 von der topographischen Abtheilung des dänischen Generalstabes vorgenommen. Ueber die bis- herigen Ergebnisse berichtet die Kopenhagener „Berlingske Tidende“ nach dem in Thorshavn erscheinenden färöischen Blatte „Dimmalaetting“ Folgendes: Der höchste Punkt der Inseln ist Slaettaratind auf der Insel Oesterö mit einer Höhe von 2800 Fuss über dem Meeresspiegel; alsdann folgt Villingedalsfjeld auf der Insel Vidirö mit 2 700 Fuss Höhe, während Kunö Nakke auf der Insel Kunö 2 660 Fuss misst. Zahlreiche weitere Gebirgsspitzen sind über 2000 Fuss hoch; von diesen sind zu erwähnen: Odnafjeld und Malenstinde auf der Insel Vaagö, Skaellingsfjeld, Oervesfjeld und Kopende auf der Insel Strömö, Rayda- fjeld und Sandfjeld auf der Insel Oesterö, Blankeskaale- fjeld und Naestinde auf der Insel Kalsö, Kunö Gavl auf Kunö und die Spitze. Lokke auf Bordö. G. Adam. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 29. Wetter - Monatsübersicht. (Juni.) — Im vergan- genen Juni war das Wetter im Allgemeinen in Deutsch- land ziemlich gleichartig, ermangelte jedoch eines scharf ausgesprochenen Charakters. ‘Während des grössten Theiles des Monats war es, wie beistehende Temperatur- darstellung erkennen lässt, verhältnissmässig kühl, an der Ostseeküste und besonders in Süddeutschland ging das Thermometer in den ersten Nächten noch vielfach unter 4° C. herab. Ganz wie im Mai dieses Jahres lagen auch im Juni die Mitteltemperaturen in den nordwest- ‘ Temperafuren im uni 1898. | —— Tägliches Maximum, bex Minimum. 8 Uhr Morgens, 1898. —— 8Uhr Morgens, normal. Süddeutschland. AmdEnde BENDERE ER, ES / Bay lichen und südlichen Landestheilen ungefähr 1Y/,; Grade unter ihren langjährigen Durchschnittswerthen, während diese in Nordostdeutsehland nahezu erreicht wurden. Die an Wasserdämpfen reiche nordwestliche Luftströmung, welehe überall vorherrschte, wurde nur in den Tagen vom 5. bis. ungefähr zum 11. und wiederum um den 22. Juni dureh sehr warme und trockene Südostwinde ersetzt. In dieser Zeit stiegen bei hellem, sonnigen Wetter die Temperaturen zwar bedeutend an, doch kam es nicht zu übermässiger Hitze, und im ganzen Monat erhob sich das Thermometer an keiner der berichtenden Stationen in Deutschland bis 30° €. Auch die Niederschläge, sowie die Dauer der Sonnen- strahlung wiehen nicht allzu erheblich von ihren mittleren Verhältnissen ab. Beispielsweise hatte Berlin im Laufe des diesjährigen Juni 263 Stunden mit Sonnenschein, während im Juni der beiden letzten Jahre und des Jahres 1893 jedesmal etwas über 300, dagegen 1894 nur 200 solcher Stunden vorgekommen waren. Der mittlere Be- trag der Niederschläge, weleher sich für den Juni 1898 zu 79,7 Millimetern ergab, war der umstehenden Zeichnung zu Folge ungefähr doppelt so gross wie im Juni 1893 und 1897, aber etwas kleiner als derjenige für den Juni 1894 sowie die ihm fast gleichen Beträge für 1891 und 1892. In den ersten Tagen des Monats fanden in ganz Deutschland zahlreiche Regenfälle statt, welche im öst- lichen Binnenlande nur gering, dagegen in der östlichen Hälfte des Ostseegebietes und in Süddeutschland sehr er- giebig. waren; so wurden am 4. zu Memel 41, am 8. zu Karlsruhe 31 Millimeter Regen gemessen. Gegen Mitte Juni liessen dieselben merklich nach und blieben, abgesehen von einem vereinzelten Gewitterregen, der am XII. Nr. 29. 13. in Breslau 33 Millimeter lieferte, nur noch in Bayern und Württemberg bedeutend. Seit dem 20. trat wiederum eine Vermehrung der Regenmengen ein, welehe sich über die verschiedenen Gebiete Deutschlands jetzt gleiehmässiger als zuvor vertheilten. Doch fielen dieselben an den meisten Orten innerhalb sehr kurzer Zeiten, grossentheils in Begleitung von Gewittern und bisweilen, z. B. am 22. zu Berlin, mit Hagelschlossen. Ueberhaupt war der vergangene Monat keineswegs arm an heftigen Unwettern, welche namentlich das Gebiet des Ober- und Mittelrheins wiederholentlich heimsuchten. Dort m Juni 1898.* »Wiederschlagshöhen S E a VEITE IR: SUR -E - es® . 2 Mittlerer Werth für © 22, 323.833532552]| Deutschland. RS Ey25$ 3897 325 | Monatsummen im Juni = SS SSELSES=S | 1898.97. 96. 95. 94 9, erregte daher die schon seit Mai anhaltende, übergrosse Nässe, besonders für das Gedeihen des Sommergetreides Besorgnisse, während dasselbe nach dem amtlichen Saaten- standsberichte von Mitte Juni in grösseren Gebieten des Ostens gleichzeitig unter Dürre zu leiden hatte und nur in den Provinzen Ost- und Westpreussen die Witterung den Feldfrüchten im Allgemeinen förderlich war. Zu Beginn des Monats verursachte ein tiefes baro- metrisches Minimum, das sich mitten über der Nordsee befand, starke Südweststürme an der deutschen und dänischen Küste. Während dasselbe langsam nordwärts fortzog, breitete sich ein Barometermaximum von Frankreich über Mitteleuropa aus, vereinigte sich aber schon nach wenigen Tagen mit einem zweiten in Nordeuropa, welches vom nördlichen Eismeere dort hingekommen war. In der ganzen nördlichen Hälfte Europas herrschte sodann ungefähr eine Woche lang hoher Luftdruck mit freund- lichem, trockenen Wetter, wogegen der Süden von flachen Depressionen durchzogen wurde, welche in manchen Gegenden, besonders in Ungarn und Rumänien schwere Wolkenbrüche um sich verbreiteten. Ein etwas tieferes Minimum erschien am 15. Juni in Oberitalien und brachte dem südlichen Alpengebiete unter Nordoststürmen ausserordentlich heftige Regengüsse, wobei die am 16. gemessenen Niederschlagshöhen z. B. in Laibach 59, in Görz 46, in Klagenfurt 43, in Lugano 36 Millimeter betrugen. Auf den Bergen und in hochgelegenen Thälern, bis Gastein herab, fiel reichlich Sehnee und bewirkte ein starkes Anschwellen der Gebirgswässer, das durch die Regenmengen weiter unten sehr gesteigert wurde und Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 345 in vielen Gegenden, namentlich in Tirol und Unter- steiermark, zu Ueberschwemmungen führte. Inzwischen war das barometrische Maximum west- wärts nach dem norwegischen Meere gerückt, von wo es sich allmählich weiter und weiter nach Süden begab. Bei Schottland aber traten seit dem 18. Juni, vom atlan- tischen Ocean kommend, verschiedene Depressionen auf, welche ihren Weg theils über die Ostsee in das Innere Russlands, theils nach Nordscandinavien nahmen. Während der zweiten Hälfte des Monats herrschte in Folge dessen auch in Ost- und Nordeuropa sehr häufig Regenwetter, wobei am 28. zu Oxö an der Südspitze Norwegens eine Regenhöhe von 76 Millimetern gemessen wurde. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ordentliche Professor der Gynäkologie in Jena Geheimer Hofrath Dr. Schultze zum Geheimen Rath; der ordentliche Professor der Physik in Jena Dr. Winkelmann zum Geheimen Hofrath; die Professoren in der medizinischen Fakultät in Jena Hofrath Dr. Gärtner und Hofrath Dr. Für- bringer zu Geheimen Hofräthen, Dr. von Bardeleben zum Hofrath; der Hilfsbibliothekar an der königlichen Bibliothek zu Berlin Dr. Johannes Kemke zum Bibliothekar; der Hilfsbiblio- thekar an der königlichen Bibliothek zu Berlin Dr. Ernst Weber zum Bibliothekar an der königlichen Universitäts-Bibliothek zu Kiel; der ausserordentliche Professor für innere Medizin in Erlangen Dr. Richard Fleischer zum ordentlichen Professor der medizi- nisch-propädeutischen Fächer und Geschichte der Medizin; der Biblio- thekar an der Universitäts-Bibliothek in Erlangen mit dem Titel Oberbibliothekar Dr. Zueker zum Oberbibliothekar; der ausser- ordentliche Professor für Physik und Mathematik am Lyceum in Bamberg Dr. Hess zum ordentlichen Professor; Adjunkt Dr. Kriechbaumer an der zoologischen Staatssammlung in München zum 2. Konservator; Dr. Phillipp E. Browning zum ausser- ordentlichen Professor der Chemie an der Yale-University. Berufen wurden: Der ordentliche Professor der Mineralogie an der deutschen Universität Prag Dr. Becke nach Wien; der ordentliche Professor Dr. Adametz in Krakau an die Wiener Hochschule für Bodeneultur. Es habilitirten sieh: In Berlin Dr. Friedrich Kopsch, Assistent am 1. anatomischen Institut, für Anatomie, Dr. Edmund Meyer für Halz- und Nasenkrankheiten, Dr. Max Michaelis für innere Medizin, Dr. Wilhelm Zinn für innere Medizin; in Würzburg Dr. Reitzenstein für Chemie. Es starben: Der Professor an der thierärztlichen Hoch- schule in Berlin Dr. Wilhelm Eber (dureh Selbstmord); der Augenarzt Geheimer Rath Professor Dr. Hugo Gerold in Halle; der Professor der Osteologie und Paläontologie in Chicago Dr. Georg Baur in München; der Leiter der Nervenklinik in der Salpetriere zu Paris Auguste Voisin; der Techniker C. E.Emery in Brooklyn. Der 3. internationale Congress für angewandte Chemie tagt vom 28. Juli bis 2. August d. J. in Wien. Die 81. Jahresversammlunz der Schweizerischen natur- forschenden Gesellschaft findet vom 1.—3. Aug. d. J. in Bern statt Die 29. allgemeine Versammlung der Deutschen anthropo- logischen Gesellschaft wird vom 4.—6. August d. J. in Braun- schweig abgehalten werden. Der Localgeschäftsführer ist Pro- fessor Dr. W. Blasius in Braunschweig, Generalsekretär Pro- fessor Dr. J. Ranke in München. Litteratur. Dr. G. Panzer, Der weibliche Körper. Anschauliche Darstellung seiner sämmtlichen Organe mit erläuterndem Text. 2. Auflage. Verlag von G. Löwensohn in Fürth (ohne Jahreszahl). — Preis 2 Mark. Das aus mehreren buntbedruckten, klappbar übereinander- liegenden, grossen und kleinen Kartonstücken bestehende Modell des Rumpfes und Kopfes des weiblichen Körpers ist sehr ge- schiekt gemacht und wohl geeignet über die Lage und die Er- scheinung der wichtigeren Organe Auskunft zu geben, namentlich mit Zuhülfenahme des klargesehriebenen Textes. Die einzelnen Organe und Theile derselben sind mit Zahlen versehen, die in einem beigegebenen Verzeichniss mit Angabe der Namen der Or- gane aufgeführt eine schnelle Orientirung ermöglichen. 346 Dr. Alfred Hettner, Die Entwickelung der Geographie im 19. Jahrhundert. Rede, gehalten beim Antritt der geographischen Professur an der Universität Tübingen am 28. April 1898. (Sonder-Abdruck aus dem IV. Jahrgang der Geographischen Zeitschrift.) Verlag von G. B. Teubner. Leipzig 1898. — Preis 0.50 Mark. Lebenskräftig ist nur eine Fassung der Wissenschaft, die aus ihrer geschichtlichen Entwiekelung erwachsen ist und den Be- dürfnissen der Arbeitstheilung Rechnung trägt. Die Geographie ist ‚nieht, wie oft gesagt wird, eine neue, sondern eine uralte Wissenschaft; sie reicht, nicht etwa nur als ein Wissen, sondern als eine ausgebildete Wissenschaft, tief ins klassische Alterthum zurück. Die Neubegründung einer wissenschaftlichen Geographie am Anfange unseres Jahrhunderts tritt nicht, wie man oft gemeint hat, unvermittelt in die Welt, sondern knüpft an die voran- gegangene Entwickelung an und ist nur die Entfaltung der in ihr enthaltenen Keime. Man hat das Verdienst daran lange Karl Ritter allein zugeschrieben, aber mit Unreeht. Ritter hat aller- dings der modernen Geographie ihre speeifische wissenschaftliche Form gegeben, er ist der Begründer der geographischen Methodik; aber der Fortschritt der wissenschaftlichen Forschung, welcher die Reform der Methodik überhaupt erst möglich gemacht hat, die Eröffnung ganz neuer wissenschaftlicher Betrachtungsweisen ist nicht sein Verdienst, sondern das Verdienst der grossen Natur- forscher der Zeit, vor Allem Alexander von Humboldt’s, den wir in diesem Sinne neben und vor Ritter als den Begründer der modernen Geographie anzusehen haben, obwohl die Form der Wissenschaft, die Humboldt vorschwebte, nicht die Geographie im heutigen Sinne war, obwohl auch diejenigen seiner Arbeiten, in denen am meisten von geographischer Methode steckt, weit in andere Gebiete übergreifen, wie die mustergiltige Beschreibung Mexicos in das der Staatenkunde und der Kosmos in das der Geologie und Astronomie. Die Geographie der nächsten Jahr- zehnte steht ganz unter dem Einflusse Ritter’s, während Humboldt’s Einwirkungen in ihr nur mittelbar und in geringem Maasse zur Geltung kommen; sie wird daher mit Recht als die Ritter'sche Schule bezeichnnt. Wenn man sie mit der vorritterschen Geo- graphie vergleicht, so stellt sie zweifellos einen grossen Fortschritt dar; denn es sind aus ihr mehrere geistvolle Werke über den Zusammenhang des Menschen mit der Natur und eine Anzahl tüchtiger, wenn auch nicht gerade hervorragender länderkundlicher Darstellungen hervorgegangen; und auch in dem geographischen Sehulunterricht weht ein freierer Geist, der tote Namenswust erscheint etwas zurückgedrängt, Naturbeschreibung und Zusammen- hang von Land und Leuten werden berücksichtigt. Aber die Ritter’sche Schule krankt doch von vornherein an der Einseitig- keit, die sie vom Meister übernommen und nicht recht zu über- winden vermocht hat, an dem Mangel tieferer Naturauffassung und an der einseitigen Zuspitzung der Darstellung auf den Menschen. Dadurch verliert die Geographie ihr inneres Gleich- gewicht und ihre selbständige Bedeutung und sinkt zu einer Hülfs- wissenschaft der Geschichte herab. Selbst bei der Betrachtung der Beziehungen des Menschen zur Erdnatur bleibt sie oft genug bei allgemeinen Redensarten und unbewiesenen Behauptungen stehen, weil auf dem von Ritter gewiesenen Wege teleologischer Betrachtung, den auch die meisten seiner Schüler und Nachfolger, wenn auch theilweise unbewusst, einhalten, ein tieferes wissen- schaftliches Eindringen unmöglich ist. Von gründlicher wissen- schaftlicher Detailforschung finden wir kaum eine Spur. Die Geographie der Ritter’schen Schule hatte sich in einer Sackgasse verrannt, der wissenschaftliche Geist starb ab, die lediglich für den praktischen Gebrauch berechneten Handbücher gewannen wieder die Oberhand, der geographische Unterricht verknöcherte, der Zutritt zu den Universitäten blieb ihr, nicht ohne Grund, ver- sagt. Es wurden dann, theils durch die naturwissenschaftlichen Speeianldisceiplinen, theils durch die naturwissenschaftlichen Rei- senden, reiche Schätze geographischer Erkenntniss angehäuft, die aber in der damaligen Buch- und Schulgeographie nur wenig ver werthet wurden. Erst allmählich bahnte sich ein Umschwung an. Er wurde hauptsächlich durch die grossen Entdeckungen hervor- gerufen, die seit der Mitte der 40er Jahre im Innern der Erdtheile gemacht wurden. Das geographische Interesse wurde in jener Zeit aufs Höchste gesteigert, zahlreiche geographische Gesell- schaften wurden gegründet, eine Anzahl grosser geographischer Zeitschriften, wie Petermann's Mittheilungen, entstanden oder er- hielten geographisches Gepräge. Es konnte keinem Zweifel unterliegen, dass es die Aufgabe der geographischen Wissenschaft sei, das in immer grösserer Fülle zuströmende Material zu ver- arbeiten; aber je mehr es sich dabei um unhistorische Länder ohne geordnete Staaten handelte, um so weniger wusste die ein- seitig auf die Geschichte zugespitzte Geographie der Ritter’schen Schule mit ihnen anzufangen, um so mehr stellte sich die Noth- wendigkeit heraus, die Betrachtung der Natur in den Vordergrund zu rücken. Etwa zwei Jahrzehnte lang blieb man bei der Samm- lung und Registrirung des gewaltigen neuen Materials stehen; erst in der zweiten Hälfte der 60er Jahre brach sich das Be Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 29. Un- und Peschel’s dürfniss nach tieferer wissenschaftlicher Aneignung Bahn. gefähr gleichzeitig erschienen Reclus’ La Terre Neue Probleme der vergleichenden Erdkunde Sie waren der Ausfluss und Ausdruck der Stimmung ihrer Zeit. Jetzt befinden wir uns in einer Periode der Einschränkung und Sammlung. Die Bewegung hat noch zu keinem bestimmten Ergebniss geführt, die Meinungen über ihren Sinn gehen noch auseinander. Jede Beurtheilung dieser Periode ist daher bis zu einem gewissen Grade subjeetiv, sie wird unwillkürlich von der eigenen Ansicht be- einflusst. Der grösste Erwerb der neuen Auffassung der Geographie ist die tiefere, nicht bei der Beschreibung stehen bleibende, sondern in die Ursachen eindringende Behandlung der, festen Erdoberfläche. Auf sie bezogen sich ja Peschel’s Neue Probleme, und auch F. v. Richthofen, der frühere Geolog, stellte sie in den Vordergrund des geographischen Studiums und gab zugleich, gegenüber der etwas oberflächlichen Behandlungsweise Peschel's, die Methoden streng wissenschaftlicher Untersuchung an. A. Turner, Das Problem der Krystallisation. (564 Einzelfiguren). 8%. Theodor Thomas. Preis 8 Mark. Die Erforschung der Krystallstruetur ist ein schwieriges Gebiet. Eine Arbeit, welche das Problem der Krystallisation be- handelt, wird man deshalb mit besonderem Interesse begrüssen, namentlich auch wenn sie den Anspruch erhebt, jenes Problem endgiltig gelöst zu haben. Neben dem Text will uns Verf. ferner auf einer Reihe von Tafeln die aus ihren Elementen entwickelten Krystallkörper vorstellen, die allein für sich die Konstructions- verhältnisse der Krystallsysteme vollständig klarstellen, sowohl in Bezug auf die bekannten Krystallformen, als auch hinsichtlich neuer, von ihm aufgedeckter Speeialsysteme. Im ersten Theil des Buches wird erst die Theorie der Atom- verbindungen kurz behandelt, über die Verf. in einem anderen seiner Werke ausführlicher berichtet. Sie findet im „Gesetz der Compensation“ ihren, für die Relationen der Materie gültigen Ausdruck. Dann schliessen sich daran, als Consequenz jener An- schauung, Erörterungen über die Verfassung der Moleeüle. Der zweite Theil handelt von der Theorie der Molecülver- bindungen. Mit ihrem Unterschied gegenüber den Atomverbin- dungen hängt die Art ihrer Gruppirung zusammen. Der Krystalli- sationsprocess ist ein Ausdruck dieser Gruppirung. Die Verthei- lungsart der Relationsorte auf der Oberfläche des Moleeüls und seine damit verbundene wechselnde Gestalt und Form bedingt den Formen- reichthum der Moleeülverbindungen, den wir bei den natürlichen Krystallen wahrnehmen. Bei bestimmter Vertheilung der Elemente in den (Grund-)Moleeülen können diese bereits Krystallkörper primitivster Form, Krystallembryos darstellen; als solche nennt Verf. Tetraeder mit vier, Oetaeder mit sechs, Hexaeder mit acht Elementen. Sie bilden unabhängige Hauptsysteme, die keine Uebergänge in einander gestatten. Im anderen Falle treten erst mehrere Molecüle zu einem solehen Kern zusammen. Die Lehre der Krystallographie, dass Tetraeder aus dem Octaeder auf Grund der Fortwachsung abwechselnder Flächen, das Cubooetaeder als Hemieder aus dem ÖOctaeder (wer sagt so etwas? D. Ref.), das Pentagondodecaeder aus dem Pyramidenwürfel hervorgehe, sei falsch. Letzteres z. B. sei vielmehr auf Combination des Te- traeders (!) bezw. der halben fünfseitigen Pyramide zurückzuführen, welche den Ecken des Icosaeders entspreche. Das Achsensystem der Krystalle habe keinen Werth und auch die optischen Eigen- schaften hätten mit ihm nichts zu thun. Ein Absehnitt gilt der Anatomie der Krystalle und den allgemeinen Gesetzen der Krystallisation. Hier lernen wir kennen, in welch verschiedener Weise sich die Moleeüle zu Hexaedern, Tetraedern, Octaedern gruppiren können, wie viel Moleeüle in bestimmten Stadien dabei verwendet sind, in welchen Phasen solche Formen Uebergänge in einander zeigen und in welchen nieht. Das Pentagondodeeaeder, das Icosaeder und das Cubo- octaeder (Cuboeder) finden entsprechende Behandlung; letzteres kann sich auch als „selbständiges“ Krystallsystem entwickeln, nicht nur Uebergangsphase zwischen Hexader und Octaeder sein. Quadratoctaeder werden genetisch erläutert, dann die Domen. Formen, welche in der Kıystallographie als Kombination von Säule und Doma bezeichnet werden, stellen sich nach Verf. als ganz unabhängige Kıystallformen dar, bei denen zwei Oectaeder- embryos sich verbunden haben. Endlich werden auch die Spalt- barkeit, Lichtbrechung und Härte der Krystalle in Beziehung zur Struetur der letzteren gebracht. Es ist nicht möglich, in kurzen Worten den schwierigen Inhalt des Buches hier wiederzugeben, noch weniger möglich er- scheint es, eine ausführliche Kritik der Ausführungen und An- schauungen hier folgen zu lassen. Sie lohnt sich vielleicht nicht mal. Es sollen aber gewisse Punkte hervorgehoben werden, aus denen genügend zu erkennen ist, dass dem Verf. die Lösung des Problems der Kıystallisation nicht gelungen ist. Seine Aus- führungen stehen mit fundamentalen Thatsachen der Kıystallo- Mit 26 Tafeln Leipzig 1897. — XII. Nr. 29. graphie — nach seiner Meinung der „offieiellen Krystallographie“ — in Widerspruch; er verkennt solche Thatsachen anscheinend völlig: Unsere Krystallographie beruht bekanntlich sehr wesentlich auf dem Gesetz von der Rationalität der Kantenschnitte (Haüy) bezw. dem Zonengesetz (Weiss). Es wird von allen natürlichen Kıystallformen erfüllt, die sich ihrerseits untereinander durch den verschiedenen Grad ihrer Symmetrie unterscheiden und in 3 Kıystallklassen zerfallen; nicht mehr oder weniger. Führt man behufs Bezeichnung der Flächen durch Parameter Achsen ein (— und dies ist der wesentliche Zweck der Achsen —), so lassen sich die Krystallklassen zu je mehreren zu einem Krystallsystem mit übereinstimmenden Achsen vereinigen. Soleher Systeme er- geben sich dann sechs. . Jenem Grundgesetz von der Rationalität der Kantenschnitte widerspricht aber das Pentagondodecaeder, das Verf. an Stelle des P. der Krystallographie als allein richtig setzt und das von zwölf gleichseitigen Fünfecken begrenzt wird (vgl. die Tafeln). Auch eine regelmässige fünfseitige Pyramide kann es als Krystallkörper nicht geben, ebensowenig ein Icosaeder; sie besitzen irrationale Kantenschnitte. Wenn also des Verf. Theorie auf solche krystallographisch unmöglich und unbekannte Körper führt, so ist sie eben verfehlt und vom krystallographischen Standpunkt aus abzulehnen. Weniger mag ins Gewicht fallen, dass Verf. der „offieiellen Krystallographie“ manches vorwirft, was diese garnicht lehrt. Die sogenannten Hemieder z. B. halten auch die Krystallographen für ebenso selbständige Körper, wie die Holoeder; ihre Ableitung aus den Holoedern ist nur didaktische Anschauungsmethode, keine Erklärung ihrer Entstehung. Die Anmerkung auf S. 53 ist völlig verfeblt, ebenso die Bemerkung über das Cuboeder und die Achsensysteme der Krystalle; sie treffen nicht das richtige. Die grundlegende Anschauung, dass die Verschiedenheit der Kıystallformen obenerwähnter 32 Ab- theilungen auf irgend welcher Verschiedenheit ihrer Structur be- ruht und mit dieser die für jede Abtheilung charakteristischen Eigenschaften zusammenhängen, findet gar keine Berücksichtigung. Im Gegentheil werden Formen verschiedener Krystallsysteme, un- bekümmert um ihre verschiedenen Symmetrieeigenschaften, die doch nicht bloss rein äusserlicher geometrischer Natur sind, aus- einander abgeleitet. Die Krystallform z. B., welche wir im rhom- bischen System als Combination eines Quer- und Längsdoma zu bezeiehnen pflegen, wegen der paarweisen Verschiedenheit ihrer Flächen, wird als eine ganz unabhängige Krystallisationsform hin- gestellt, bei der im ersten Entwickelungsstadium zwei Oetaeder- embryonen sich verbunden haben oder eine bezw. je zwei entgegen- gesetzte Seiten einer Pyramide weiterwachsen (!). Die Structur- figuren dieser Form (Taf. XIII) zeigen auch völlig die Struetur eines regulären Octaeders mit gleichartigen Flächen, nur nach der Breite mit mehr Molecülen, als in der Tiefe und Höhe abgelagert sind. Wir betrachten solche Formen mit Recht, als sog. verzerrte Octaeder, die sich ja eben wegen ihrer Strucetur und physikalischen Symmetrie als Oetaeder ausweisen. Darauf beruht ja gerade der Unterschied zwischen verzerrten Formen, z. B. des Octaeders, von äusserlich ebenso aussehenden Formen anderer Systeme, z. B. obiger Domencombination, dass eben letztere andere Symmetrie und Struetur, und damit nicht acht gleiche Flächen von der Art des Octaeders haben. Auch die optischen Eigenschaften der Krystallkörper entsprechen sicherlich nicht den vom Verf. an- gegebenen Konstructionsverhältnissen. Wir hören von verschiedenen Hexaeder-, Tetraeder-, Octa- eder-, Cuboeder- u. a. Systemen, vermissen aber die Controlle an den natürlichen Vorkommen, ob alle und welche wirklich vor- kommen. Darin liegt unseres Erachtens ein weiterer Hauptmangel der Darstellung, dass sie nicht von den realen Thatsachen aus- geht, sondern von hypothetischen Vorstellungen über die Ver- bindung der Atome und Molecüle und dass sie daraus Structuren ableitet, unbekümmert darum, ob solche bei den Krystallen existiren können oder nicht. Es kann demnach nicht Wunder nehmen, dass die „officielle Krystallographie“, wie Verf. tadelnd bemerkt, sich bisher ab- lehnend gegenüber solehen Entwickelungen verhielt, die zuletzt nur eine Reihe von Behauptungen darstellen und den elementarsten Thatsachen widersprechen. Die Berechnung der Zahl der Mole- eüle, die in bestimmten Stadien der Entwickelung am Bau der Körper theilnehmen, kann dabei nichts helfen. Wir wissen weder, wie so ein Molecül aussieht, wie gross es ist, noch in welchem Wachsthumsstadium sich ein für uns sichtbarer Krystall befindet, werden also nie die absolute Moleeülzahl erfahren. Wenn nicht die grundlegenden Thatsachen der Kıystallographie zum Aus- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 347 gangspunkt gemacht und mit ihnen die Anschauung über die Structur in Einklang gebracht werden, wird sich die Kıystallo- graphie auch fernerhin ähnlichen Erzeugnissen gegenüber, wie sie das besprochene Werk bietet, ablehnend verhalten. Hoffentlich kommt Niemand auf den unglücklichen Gedanken, sich aus letzterem über Krystallstructur orientiren zu wollen. Scheibe. Ein Bildniss des ganz kürzlich verstorbenen Professor von Gümbel, Geh.-Rath und Oberberg-Direetor in München, das soeben erschienen ist, geben wir den Freunden wie Bekannten, deren sich Gümbel zu erfreuen hatte, hiermit bekannt. Das sehr gute Portrait hat Kupferstecher J. Neumann in München auf Wunsch der Familie von Gümbel nach dem Bilde des Prof. Kraus trefflieh radirt. Das Bild wird allen Freunden und Be- kannten in den Fachkreisen eine liebe Erinnerung an den durch seine geistigen wie gesellschaftlichen Eigenschaften hervorragenden Geologen sein. Die Radirung ist im Selbstverlage des Herrn J. Neumann erschienen und zum Preise von 6 Mark‘ erhältlich. Arnold, Prof. Dr. Carl, Kurze Anleitung zur qualitativen che- mischen Analyse anorganischer und organischer Körper, sowie zur toxikologisch-chemischen und medieinisch-chemischen Ana- lyse. Hannover. — 5 M. Aschoff, Priv.-Doc. Dr. L., Kurze Uebersichtstabellen zur Ge- schichte der Medizin. Wiesbaden. — IM. Bastian, Adf., Lose Blätter aus Indien. III. Berlin. — 6 M. Bauer, Fr, Die Ichthyosaurier des oberen weissen Jura. Stutt- gart. — 10 M. Berge’s Fr.. Schmetterlingsbuch. 1. Lfg. Stuttgart. — IM. Bley, Fritz, Die Flora des Brockens gemalt und beschrieben. 2. Aufl. Berlin. — 5M. Eöhm Edler v. Böhmersheim, Priv.-Doc. Dr. Aug.. Recht und Wahrheit in der Nomenclatur der oberen alpinischen Trias. Wien. — 1,20 M. Böttger, Dr. Rich., Das Grundproblem der Schopenlhauer’schen Philosophie. Greifswald. — 0,90 M. Diesterwegs populäre Himmelskunde und mathematische Geo- graphie. Hamburg. — 8 M. Dippel, Prof, a D. Dr. Leop., Das Mikroskop und seine An- wendung. 2. (Schluss-)Abtheilung. Braunschweig. — 10 M. Endriss, Dr. Karl, Die Steinsalzformation im mittleren Muschel- kalk Württembergs. Stuttgart. — 5 M. Engler, Prof. Dir. Dr. Adf., Syllabus der Pllanzenfamilien. Berlin. — 4,50 M. Fresenius, Heinr., Zur Erinnerung an R. Fresenius. 1,20 M. Heincke, Dir. Prof. Dr. Frdr., Naturgeschichte des Herings. Berlin. — 35 M. Herding, J. F, und 0. Hahn, Elemente der Experimentalchemie. Hamburg. — IM. Kant’s allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels, oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprunge des ganzen Weltgebäudes nach Newtonischen Grundsätzen ab- gehandelt. Leipzig. — 3,40 M. Müller, Dr. Jos., System der Philosophie. Mainz. — 6 M. Neuberger, Gymn.-Prof. J., Flora von Freiburg im Breisgau. Freiburg i./B. — 2,75 M. Ost. Prof. Dr. H., Lehrbuch der technischen Chemie. Hannover. — 14 M. Pax, Prof. Dir. Dr. F, Grundzüge der Pflanzenverbreitung in den Karpathen. Leipzig. — 12,50 M. Richthofen, v., Deutschland in Ostasien. Spezialkarte, geologische, des Königreichs Sachsen. 150. Bobennenkirchen-Gattendorf. Leipzig. — 3 M. Thonner, Frz, Vergleichende Gegenüberstellung der Pflanzen- familien, welehe in den Handbüchern von Bentham-Hooker und Engler-Prantl unterschieden sind. Berlin. — 0,60 M. Tyndall, John, Fragmente aus den Naturwissenschaften. Braun- schweig. — 8M. Weisstein, Dr. Jos., Die rationelle Mechanik. 1. — Dynamik des Punktes. Wien. — 10 M. Wiedemann, Gust., Die Lehre von der Elektrieität. Braunschweig. — 34 M. Zache, Oberl. Dr. Ed, Tafel der geologischen Wand im Humboldt- bain zu Berlin in den Farben der Gesteine. Berlin. — 10 M. Wiesbaden. Berlin. — 1,50 M. 1: 25 000. Bd, Statik. 4. Band. mm 1111LLLL[[[ÜÜÜÜÜÜIÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜLLLÜÜUDIIIIIIIIIDIL Inhalt: Wilh. Pabst: Weitere Beiträge zur Kenntniss der Thierfährten in dem Rothliegenden Thüringens. — Das Tyrosin, ein Mittel gegen das Schlangengift. — Die Symphilie ist Brutparasitismus! — Zwei merkwürdige Nester der Mauerbiene (Osmia rufa). — Nochmals der „grimme Seheleh“. — Einfluss des Phosphorsäuregehalts des Bodens auf die Knochenbildung des Viehes. — Die Naturgeschichte und Bekämpfung der Spargelfliege, Trypeta (Ortalis) fulminans Me. — Höhenmessungen auf den Färöern. — Illustrirte Wetter-Monatsübersieht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. G. Panzer, Der weibliche Körper. — Dr. Alfred Hettner, Die Entwiekelung der Geographie im 19. Jahrhundert. — A. Turner, Das Problem der Krystalli- sation. — Bildniss des Professor v. Gümbel. — Liste. 348 Naturwissenschaftli Herder’fhe Berlagshandlung, Freiburg im Breisgau. Sueben find erjchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Sofeph Plaßmann, : R Berfuc einer methodifchen Einführum Simmelskunde HE Smwtehren der Atranomie e in die Hanptlchren der Njtrononie, Mit einem @itelbild in Farbendrurk, 216 Alufirationen und 3 Karten, 81. 5. (XVIL.u. 628 ©.) 4.13; in Orig.-Einb.: Leim. mit reicher Dedenprefjung 7 15. (Gehört zu unjerer „Sluftrirten Bibliothek der Länder und Völkerkunde".) Der Verfaffer Voritandsmitglien der Vereinigung von Freunden der Ajtronomie und Mitredacteur der „Mittheilungen” diejer Geiellihaft, tritt, nachdem er jich Durch eigene Forihungen und eine Reihe von aftronomiihen Speeialichriften weitern Kreifen ichon beitens befannt gemacht hat, nunmehr mit einer populärwifienichaftlichen Dar- itellung der gefannmten © seunde wor e Das Merk it auf folider, willenichaftliher Grundlage aufgebaut und Dabei an- 1 feifelud, jedem Gebildeten leichtverjtändlic) geichrieben. Beiondere Sorg- der Slluftrirung gewidmet. Cine große Zabl ber Abbildungen ift nad) rapbien bergeitellt worden, worunter jene der vatitaniiden die ibren reichen photoaraphiihen Bilderihaß zum eriten Male für ein zur Verfügung geitellt hat, in eriter Lini> genannt zu werben verdienen. Himmelsfunde vor die Deffentlichkeit. regend falt wurde Driginal-Bhoton Sternwarte, | dejeriptined Wert Wüller, A., S.J., Nikolaus Eopernicns, der Altmeifter der nenern Aftronomie. Ein Lebend- und Gulturbild. gr. 8°. (VIII u. 160 ©.) M. 2. Bildet zugleich das 72. Ergänzungsheit zu den „Stimmen aus Maria-Laach".) che Wochenschrift. XIII. Nr. 29. Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! Grosse Vortheile! Neues Princip für Massenbetheiligung an industriellen Unternehmungen. == Neuheiten - Vertrieb. — Neu aufgenommen: ee des Buttenstedt- schen Flugprinecips (von zwanzig namhaften Gelehrten unterstützt) und Errichtung einer Versuchs- station für Flugzwecke. Internationaler Verein zur rationellen Verwerthung von Erfindungs-Patenten. Eingetragene Genossenschaft mit be- schränkter Haftpflicht. Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, partieipirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabricirten Artikel. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. In unserem Verlage erschien: Die Charakteristik der Tonarten. Historiseb, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. 136 Seiten Octav. — Preis 2,40 Mark. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. = BERLIN. 5.0.26. Mein Risiko! — er Bi: PATENTBUREAU > Ulrich. R. Maerz Jnh:C.Schmidtlein,Jngenieur’ 1 Berlin NW., Luisenstr.22. Gegründet 1878. Patent-, Marken -u. Musterschutz , 52 chem., \ eläs moto DAMPF: ind DYNAMO- Gas Preisverzeichniss 54 54 52 54 s % ® “ nd ® BZ nd “ 54 64 54 o EXIXXIIIIIIIIIXIIIIIIIIIIIIIIITITTIIIT) | von Poncet Glashütten-Werke 54, Köpnickerstr. BERLIN SO,., Köpnickerstr. 54. aller Gefässe und Utensilien für | » Ausstellung naturwissenschaftlicher ———————— — __ _ _ ___________ CHIXIIIZIIIIIIIIIIITTIIITT TTS TG EXZIIITI Fabrik und Lager pharm., physical., electro- u. a. techn. Zwecke. er für den Versand und zur Präparate. gratis und franco. LNYIXITYIITIITTIITTITT “ ‚MASCHINEN . garantirt , betrie in ‚allen. Grössen. sofort. Elektromotor; Schilipauerdamm; SRIBSRERIRTRTRTRTRTR Hempel’s Klassiker -Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandl. PITTTITTTITITTTITIZZ ne. Carl Zeiss, — Optische Werkstaette. Jena. Mikroskope mit Zubehör. Mikrophotographische Apparate. 2 Photographische Objective. A Mechanische und optische Messapparate &) für physikalische und chemische Zwecke. % Neue Doppelfernrohre für Handgebrauch. Astronomische Objective und astro- optische Instrumente. Cataloge gratis und franco. WESTESTTTETTETTESEHETTEHTDTETTTTHTTTN x Verantwortlicher Redaeteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse \ Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Perd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung. Elementare Rechnungen aus der mathematischen Geographie für Freunde der Astronomie piteln gomeinvorständlich begründet und vorgeführt von ©. Weidefeld, Oberrossarzt a. D. Mit einer Figurentafel. 64 Seiten gr. 8°. Preis 2 Mark. in ausgewählten Ka, JLLPREISLISTEN NUR 'AN WIEDERVERKÄUFER uINST) Silberne "Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Rh Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 33|. Photo:7?rhische Stativ- und Hand- Li Gameras. Gediegene Ausstattung. 5” Sämmtliche Bedarfsartikel. 1 Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.B.,B3) | Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera. Wechseloassette „Columbus“. Ohne Beutel! | Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). 35, für den Inseratentheil: Berlin SW. 12. Sm ae IR Redaktion: Yas die naturwissenschaftliche Forschung -ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- den Gebil en der Phantasıe, w.rd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, der ihre Schöpfungeu schmüekt, Schwendener. EEE Dr.H. Potonie. Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. | Abonnement: Man ab mnirt bei allen Buchhandlungen und Post- “r Der Vierteljahrspreis ist M 4.— folo anstalten, wie bei der Expedition. Bringegeld bei der Post 15 „ extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Sonntag, den 24. Juli 1898. Nt.30, Inserate. Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Die Lichtverhältnisse des Wassers speeiell mit Rücksicht auf deren biologische Bedeutung. Von Dr. L. Linsbauer in Wien. (Vortrag gehalten in der „Seetion für Planktonkunde“ der k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien am 4. März 1898.) Der vorliegende Gegenstand bietet der Forschung ein mehrfaches Interesse dar. Zunächst hat sich der Physiker mit ihm zu befassen und von seinem Standpunkte aus Fragen zu stellen und zu beantworten. Er studirt die betreffenden Verhältnisse aus rein theoretischem Interesse. Dann kommt der Zoologe und der Botaniker, welchen die Frage nach der Art und der Stärke des Lichtes insoferne interessirt, als das Licht einer der Faetoren ist, von denen das Leben der Organismen mittelbar oder un- mittelbar abhängt. Die Liehtverhältnisse des Wassers zu kennen, ist ihm nur Mittel zum Zwecke, die biologischen Eigenthümlichkeiten und die Thatsachen der verticalen Verbreitung der Wasserorganismen zu verstehen. Da die physikalische Erforschung aber eine befriedigende, sichere und alle wichtigeren Verhältnisse berührende Antwort noch nieht ergeben hat, so hat sich der Biologe auf seinem eigenen Gebiete umgesehen und indirect Schlüsse auf die Farbe, Stärke und Tiefe des eindringenden Lichtes zu ziehen versucht, denen allerdings beweisende Kraft nicht zukommt. Die Thatsachen und Gesichtspunkte, die sich dabei herausgestellt haben, sollen im Folgenden in grossen Zügen dargestellt werden, ohne dass dabei detaillirte Vollständigkeit irgendwie angestrebt worden wäre. Die Lichtverhältnisse im Wasser sind durchaus niebt einfacher Natur. Das Zusammenwirken zahlreicher Factoren, die man zum Theile erst in jüngster Zeit kennen und nach ihrer Grösse abzuschätzen gelernt hat, erschwert eine umfassende Einsicht in die betreffenden Verhältnisse. Neben dem verschiedenartigen oder verschieden grossen Einflusse, den diverse Umstände auszuüben im Stande sind, kommt noch die Thatsache in Betracht, dass manche derjenigen Faetoren, welche auf die Lichtverhältnisse modifieirend einwirken, je nach Umständen in dem Grade ihrer Wirksamkeit Schwankungen ausgesetzt sind, oder dass eine wechselnde Zahl soleher Factoren zusammen- wirkt; Verhältnisse, welche ein sehr komplieirtes Inein- andergreifen wirksamer Ursachen zur Folge haben. Es ist daher beim Studium unseres Themas und bei der übersichtlichen Darstellung der bisher gewonnenen Resultate und der Gesichtspunkte, welehe auf Berück- sichtigung Anspruch machen können, unerlässlich, das grosse Material einzelner Thatsachen respective der daraus sich ergebenden Anschauungen nach zwei Hanptgesichts- punkten anzuordnen. j Bei allen natürlichen Lichterscheinungen sind von physikalischem Standpunkte aus zwei Dinge zu beachten: die Farbe und die Stärke, die Qualität und die Inten- sität des herrschenden, wirksamen Lichtes. Wir betrachten zunächst die Farbe. Das Sonnenlicht, durch unsere Erdatmosphäre gewisser Strahlen beraubt, gelangt an die Oberfläche unseres Pla- neten als direetes Sonnenlicht oder als zerstreutes, diffuses Tageslicht und wird von unserem Auge als weisses Lieht wahrgenommen. Dringt nun solches Lieht in Wasser ein, so behält es seine frühere Zusammensetzung nicht mehr bei. Abgesehen von der Schwächung, die es erfährt, tritt auch eine Veränderung der Farbe ein. Nehmen wir beispielshalber an, eine bestimmte Strahlen- gattung, etwa das rothe Licht, erleide von allen Farben die stärkste Absorption durch eine Wasserschichte von bestimmter Dieke, während die übrigen Strahlen: orange, gelb, grün, blau und violett viel weniger geschwächt diese Wassersehichte passiren. Es ist leicht einzusehen, dass dann in einer gewissen Tiefe die rothen Strahlen bereits Naturwissenschaftliche Wochensehrift. XII. Nr. 30. vollständig vernichtet sein können, während alle anderen Speetralbezirke noch vorhanden sind. Das ursprünglich weisse Licht ist somit um einen Bestandtheil vermindert worden, die sich ergebende Mischfarbe ist jetzt nicht mehr weiss, sondern wird von unserem Auge anders empfunden werden. Sind aber während des Eindringens bis zu dieser Stelle auch noch eine oder mehrere andere Farben mehr oder minder geschwächt worden, so kommt nun bei weiterem Eindringen in das Wasser an diese Farben die Reihe, zum grössten Theile oder gänzlich zu verschwinden. Somit ändert sich die Zusammensetzung des Lichtes mit der Tiefe seines Eindringens in das Wasser. Nun hängt aber der Umstand, welche Componenten des Gesammtlichtes in einer gewissen Tiefe noch durch- gelassen, geschwächt oder total absorbirt werden, nicht bloss von der Absorptionsfähigkeit des Wassers als eines flüssigen Körpers von bestimmter chemischer Zusammen- setzung ab, es wirken noch mancherlei Factoren mit. Die Fähigkeit einer Wasserschichte von bestimmter Dicke, gewisse Schwingungszahlen zu vernichten, wird veränderlich sein je nach der Menge und der Natur der darin aufge- lösten und der in derselben suspendirten Theilchen; sie wird ferner variiren können, wenn die Temperatur dieser Wasserschichte eine andere wird; eventuell können auch die Druckverhältnisse, trotz der geringen Compressibilität des Wassers, eine gewisse Rolle spielen. Es handelt sich somit beim Studium der Lichtver= hältnisse im Wasser zunächst darum, die Zusammensetzung des in einer gewissen Tiefe vorhandenen Gesammtlichtes zu untersuchen und zu erforschen, welche Strahlengattung die vorherrschende ist. Die Kenntniss hiervon ist nicht nur von physikalischem Standpunkte interessant, sondern auch für die Beurtheilung der Lebensverhältnisse der wasserbewohnenden Organismen pflanzlicher und thierischer Natur von grösster Wichtigkeit. Die Farbenfrage ist denn auch schon frühzeitig auf- geworfen worden und man hat sie auf verschiedene Weise zu lösen versucht. Die allerersten diesbezüglichen Unter- suchungen wurden nach der sogenannten „Senkscheiben- methode“ angestellt. Die ersten bekannten Versuche dieser Art wurden im Jahre 1817 von O. von Kotzebue im pacifischen Oceane in allerdings sehr primitiver Form ausgeführt. Von späteren Beobachtern seien hervorge- hoben P. Seeehi, Capitän Aschenborn, der eine der längsten und sehr detaillirte Versuchsreihe publieirt hat, und die österreichischen Forscher Wolf und Luksch. Die Methode wurde durch die Genannten bedeutend ver vollkommnet. Sie besteht darin, dass eine weisse oder eine mit einer Farbe versehene Scheibe von bestimmten, nicht zu kleinen Dimensionen versenkt wird. Man hat nun die Tiefe zu beobachten, in der die Scheibe dem Auge gerade entschwindet und die verschiedenen Farben zu notiren, in denen sie dem Beobachter beim allmählichen Versenken erscheint. Betrug beispielsweise in einem Falle die durehsehnittliche Tiefe, in der die weisse Scheibe dem Blicke entschwand, 10 Meter, so verschwanden eine rothe und eine gelbe Scheibe schon bei 8, beziehungsweise 9 Metern. Man schloss daraus, dass auf dem Wege vom Wasserspiegel bis zu 8 Metern Tiefe und zurück bis zum Auge des Beobachters alle rothen Strahlen infolge Ab- sorption durch die 15 Meter dicke Wasserschichte ausge- löscht worden seien, dass demnach in einer Wassertiefe von 18 Metern die rothe Componente des Gesammtlichtes bereits vollständig fehle. Dass jedoch dieser Schluss nicht vollständig richtig ist, weil die Unempfindlichkeit des menschlichen Auges gegenüber kleinen Helligkeitsunter- schieden in Betracht kommt, hat Boas gezeigt. Ueber- haupt hat die genannte Methode vielfache Kritik erfahren und ist durch eine zweite, direete Methode ersetzt worden. In der That ist keine direete genauere Methode denk- bar, als die speetroskopische Prüfung des durch eine gewisse Wassermasse durchfiltrirten Lichtes, wobei man ohneweiters an dem Auftreten von Absorptionsbändern ersieht, welche Strahlengattungen geschwächt oder ganz ausgelöscht worden sind. Bei ihrer praktischen Anwendung ist man allerdings auf nur geringfügige Tiefen beschränkt, sowohl bei den Versuchen in der Natur als auch nament- lich bei den Laboratoriumsexperimenten. . Bekannt und vielfach eitirt ist Vogels spectro- skopische Prüfung des Lichtes der blauen Grotte auf Capri. Bei derselben ergab sich ein Absorptionsstreif zwischen den Frauenhofer’schen Linien E und b, also im gelbgrünen Bezirke des Spectrums. Das Spectrum des Wassers ist dann mehrfach studirt worden; es seien hier nur die Untersuchungen von Aitken, Soret und Sarasin hervor- gehoben. Letztere haben dabei eine Absorption in Gelb bemerkt, welche sich bei grösserer Mächtigkeit der Wasser- säule auch gegen das Roth zu ausbreiten kann. Hingegen konnten sie das von Vogel gesehene Band zwischen E und b nicht finden, weshalb man angenommen hat, dass dasselbe wahrscheinlich nur im Meerwasser auftritt. Nach den bisher besprochenen Beobachtungen, die man mittelst der Senkscheibenmethode und bei der spee- troskopischen Untersuchung gemacht hat, scheint es dem- nach, als würden die schwächer breehbaren Strahlen am frühesten zurückgehalten, die Strahlen mit kürzerer Wellen- länge hingegen am tiefsten eindringen können; in grösseren Tiefen wären also die blauen und violetten Strahlen die vorherrschenden. Ja, man könnte versucht sein, anzunehmen, dass vielleicht den ultravioletten Strahlen die weiteste Verbreitung zukäme. Doch widersprechen dem wohl die Augaben, welche Schönn hierüber gemacht hat. Nach ihm soll nämlich eine Wasserschichte von nur 10 Centimeter die äussersten altravioletten Strahlen sehon bedeutend schwächen In einem weiteren Berichte spricht Soret die Be- hauptung aus, dass die Absorption des Wassers als solchen sich hauptsächlich auf Roth und Orange erstrecke; hingegen erfolge durch die Wirksamkeit der im Wasser suspendirten Theilchen eine Schwächung der brechbareren Speetralhälfte. Nach dieser Anschauung wären es wieder die mittleren Strahlen des Speetrums, welche die meiste Aussicht für ein möglichst tiefes Eindringen in das Wasser besitzen würden, eine Meinung, gegen welche von mancher Seite zum Theile Bedenken und Einwände erhoben wurden. Um alle Möglichkeiten zu erschöpfen, hat es auch nicht an Forschern gefehlt, welehe dem Wasser eine aus- wählende Absorption absprachen wie Moseley und Olt- manns es gethan haben. Letzterer stimmt insoferne mit schon früher geäusserten Anschauungen überein, als er ebenfalls annimmt, dass zuerst das Roth verschwinde. Sehr bald würden aber auch die anderen Theile des Speetrums geschwächt und das Licht beim Passiren der folgenden Wasserschichten durch dieses Medium einfach wie durch einen Sehirm in seinen einzelnen Componenten gleichmässig abgedämpft. Endlich sei noch als Ouriosum die Meinung Agassiz’ angeführt, der sich zu dem Schlusse berechtigt glaubte, in den Tiefen des Meeres herrsche ein gelbrothes Dämmerlicht! Um die Farbenfrage zu beantworten für Tiefen, welche wenigstens für gewisse Organismen, insbesondere solche pflanzlicher Natur, in Betracht kommen, und welche die nach den beiden vorhergehenden Methoden unter- suchten Tiefen um ein Bedeutendes übertreffen, könnte die von manchen Beobachtern ausgeübte photographische Methode mit einigen von mir vorgeschlagenen Aenderungen verwendet werden (Linsbauer 1895). Im Prineipe be- steht sie darin, dass in einem lichtdiehten Apparate XIll. Nr. 30. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. sol photographisch empfindliche Präparate dem Einflusse des- jenigen Lichtes ausgesetzt werden, das in der jeweilig vom Apparate erreichten Tiefe herrscht. Die Expositions- dauer kann vom Wasserspiegel aus auf elektrischem Wege beliebig variirt werden. Da die in der Photographie ge- bräuchlichen liehtempfindlichen Präparate vorwiegend nur für die stärker brechbaren Strahlen empfindlich sind, so ist es nöthig, mit Hilfe gewisser Farbstoffe die Sensibilität der angewendeten Präparate für bestimmte Farben zu erhöhen; und um nur einzelne, scharf abgegrenzte Spec- traltheile einwirken zu lassen, werden vor den genannten Präparaten Lichtfilter angebracht, deren absorbirende Wirkung genau bekannt ist. Auf diese Weise kann man z. B. dureh Exposition von grünempfindlich gemachten photographischen Platten hinter einem Lichtfilter, welches nur grün durchlässt, die Anwesenheit oder das Fehlen (und die Intensität) der grünen Strahlen in einer gewissen Tiefe eonstatiren. Indessen hat man versucht, der Lösung der Farbenfrage auf anderem und zwar höchst indireetem Wege näher zu kommen, indem man nämlich aus der Färbung und der verticalen (unter gewissen Umständen auch horizontalen) Verbreitung der Algen und insbesondere der Tiefseethiere Anhaltspunkte zur Beurtheilung der am Aufenthaltsorte der betreffenden Organismen herrschenden Liehtverhältnisse zu gewinnen suchte. Für unsere Frage kommen von allen Pflanzen, welche das Wasser, speciell das Meer bevölkern, nur die submersen in Betracht, das sind diejenigen, welche sich zeitlebens unter der Oberfläche des Wassers befinden. Die ganz oder grossentheils über die Oberfläche emportauchenden Gewächse der Küste brauchen nicht berücksichtigt zu werden. Die genannten Gewächse aus der grossen Reihe der Algen lassen sich in biologischer Hinsicht in vier grosse Gruppen bringen je nach dem Farbstoffe, der ihre Chromatophoren tingirt. Die „Grünalgen“ enthalten, wie bekannt, in ihren Farbstoffträgern das Chlorophyll, das auch in den grünen Organen der Landpflanzen eine physiologisch höchst wichtige Rolle spielt, indem es die Assimilation des Kohlendioxyds ermöglicht. Bei einer zweiten Gruppe von Algen, den „Blaualgen“, ist das Chlorophyll noch von einem zweiten Farbstoffe begleitet, dem sogenannten Phycoeyanin von mehr oder weniger blaugrüner Farbe. Den Tangen oder Phaeophyceen kommt ausser dem Chlorophyll noch das braune Phyeophaein zu, und die Rothalgen endlich enthalten neben dem grünen Farbstoffe noch einen rothen, das Phyeoerythrin. Chlorophyll, Phyeocyan, Phyeophaein und Phyeoery- thrin besitzen ein jedes charakteristische Absorptions- speetren. Engelmann untersuchte die Grösse der Assimilations- thätigkeit der genannten Algen in verschiedentarbigem Lichte. Die Pflanzenphysiologie giebt ja Mittel an die Hand, eine Pflanze einer bestimmten, genau angebbaren Lichtfarbe auszusetzen und die Assimilationsenergie zu bestimmen. Obiger Forscher hat nun die Stärke des Processes der Kohlensäureassimilation speeiell im spec- tralen „Roth“ und im „Blau“ des Sonnenspectrums be- züglich mit 4, und 4A, bezeichnet und folgende inter- essante Ergebnisse erhalten. Bei den Grünalgen wirken nach seinen Beobachtungen (kurz ausgedrückt) die rothe und die blaue Hälfte des Spectrums auf die Stärke der Kohlensäureassimilation annähernd gleich stark ein, so A 5 = Ä dass man bekommt —" — Hingegen ist bei den Blau- A IF algen das Roth von günstigerem Einflusse als das Blau; die Phyeochromaceen assimiliren in der weniger brech- baren Hälfte des Speetrums ungefähr doppelt soviel, als in der stärker breehbaren Partie desselben, der Quotient ind A, 1 2 1, oe zeigen die Braun- und die Rothalgen. Bei diesen beiden Algengruppen tritt die Wirkung der blauen Strahlen immermehr in den Vordergrund. Bei den Phaeophyeeen übertrifft die Assimilationsenergie im Blau diejenige in Roth allerdings nur wenig, aber bei den Rhodophyceen ist sie etwa zwei und einhalb mal so gross als letztere, was sich für die beiden Algentypen durch die Ausdrücke Ar 1 Re N 1 ia Er Ohne auf die Theorie der Assimilation näher eingehen zu wollen, sehen wir einmal zu, was wir für unsere Frage daraus schliessen können. Wo die stärkste Assimilation stattfindet, werden die betreffenden Algen im Allgemeinen auch am besten gedeihen können, und dort werden sie sich natürlich am ausgiebigsten vermehren und in grösster Menge vorkommen. An Stellen hingegen, wo die für die Assimilation geeignetste Lichtfarbe gegenüber anderen Strahlengattungen zurücktritt, wird die cine Algengruppe immer mehr und mehr in ihrer Entwiekelung und Aus- breitung binter anderen, deren Assimilation dem neuen Liehte besser oder ausschliesslich angepasst ist, zurück- bleiben. Nun nimmt die Assimilation im blauvioletten Bezirke des Specetrums in der Reihenfolge: Grünalgen, Braunalgen, Rotalgen immer mehr und mehr zu, wie die Gerade das entgegengesetzte Verhalten darstellen lässt. ; = A 3 bezüglichen Quotienten —” zeigen. Wenn man demnach 4, die Chlorophyceen, Phaeophyceen und Rhodophyceen in der eben gegebenen Aufeinanderfolge auch im Wasser (Meere) nach der Tiefe zu aufeinanderfolgen sieht, so wird also, hat man gesagt, mit zunehmender (verticaler) Entfernung vom Wasserspiegel auch das Roth allmählich verschwinden und die blauen Strahlen werden vorherrschen. Thatsächlich stimmt die verticale Verbreitung der Algen in grossen Zügen mit der früheren Voraussetzung überein, so dass auch der Schluss vieles für sich hat. So hat Kjellmann auf Grund eingehender Studien nach der Tiefenvertheilung der Meeresalgen drei Zonen unterschieden. Die eine derselben, nämlich die oberste, welche er Litonalzone nennt, liegt zwischen zwei aufein- anderfolgenden Flutmarken. Ihr gehören besonders Grün- algen an; ausserdem treten auch noch Braunalgen und einige Florideen auf. In der darauffolgenden sublitoralen Zone, welche bis vierzig Meter hinabreicht, sind die Chlorophyceen schon im Verschwinden begriffen; je näher der unteren Grenze, desto mehr nehmen die Rothalgen zu, bis endlich in der dritten, bis vierhundert Meter reichenden elitoralen Zone nur mehr Rhodophyceen an- zutreffen sind. Dazu kommen noch einige andere Beobachtungen, welche den oben gezogenen Schluss nieht unberechtigt erscheinen lassen. Sehr überzeugend ist die von Falkenberg aufge- fundene Thatsache, dass die horizontale Verbreitung der Algen in manchen dunklen Grotten mit der verticalen im freien Meere unter gewissen Umständen ganz genau übereinstimmt. Es handelt sich dabei nämlich um solche Höhlenbildungen, in welche das Meerwasser und das Licht durch eine unterhalb des Wasserspiegels gelegene Oeffnung eindringt. Diejenigen Punkte innerhalb der Grotte, welche sich in der Nähe des Eingangs befinden, werden von Lichtstrahlen getroffen, welche einen kürzeren Weg im Wasser zurückzulegen hatten, als weiter von der Mündung entfernte Stellen. Die grösste Wasserschichte haben die- jenigen Strahlen zu passiren, welche den Hintergrund der Grotte zu beleuchten haben. An Oertlichkeiten, welche sich immer ferner von der Oeffnung befinden, werden 352 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 30. daher im Allgemeinen dieselben Lichtverhältnisse herrschen, wie in solchen Wassertiefen, bis zu welchen das Licht dieselbe Wegstrecke zu durchlaufen hatte; es werden also auch die Lichtfarben dieselben sein. Dass dies wirklich der Fall ist, hat Falkenberg constatirt. Er fand, dass in der Nähe der Lichtöffnung sich vorwiegend die grünen Algen angesiedelt hatten, während weiter gegen die Hinterwand zu die braungefärbten Algen ihren Platz ein- nahmen und an den äussersten, d. h. vom Eingange ent- ferntesten Standorten die Algen mit rothem Farbstoffe vorherrschend oder ausschliesslich anzutreffen waren. Das sind also genau dieselben Verbreitungsverhältnisse, wie sie bei der Tiefenerstreekung der genannten Pflanzen zu finden sind. Wiederum dieselbe Erscheinung, aber infolge be- sonderer Umstände nur in relativ geringen Tiefen sich äussernd, tritt zu Tage, wenn man das Vorkommen von gewissen Meeresthieren betrachtet, mit welchen kleine, algenartige Organismen in symbiotischer Vereinigung leben. Letztere erhalten durch verschieden nüaneirte Farbstoffe ein gelbgrünes, braunes oder rothes Aussehen. Die gelb- grün gefärbten „Zooxanthellen,“ wie sie genannt werden, leben in Radiolarien, Siphonophoren und anderen Thieren, welche sich — und das ist für uns das Wichtige -— an der Oberfläche des Meeres aufhalten. Hingegen sind gewisse Aktinien, welche sich etwas tiefer im Wasser vor- finden, mit braunen Zooxanthellen ausgestattet; und, in schöner Uebereinstimmung mit früher Vorgebrachtem, noch tiefer, etwa dreizehn bis fünfzehn Meter unter dem Wasser- spiegel vorkommende Spongien, gehen mit rothgefärbten Zooxanthellen eine Symbiose ein. (Brandt.) Das sind gewiss sprechende Thatsachen. Wie sich aber auch die Verhältnisse in Wirklichkeit verhalten mögen, soviel zeigt sich schon jetzt, dass man aus den vorge- brachten Daten die Farbe des Lichtes höchstens für einige hundert Meter Tiefe erschliessen könnte. Wie es aber in den stellenweise ungeheuren Abgründen der Oceane aussieht, das zu erforschen musste man sich nach anderen Mitteln umsehen und glaubte in der oft prachtvollen Fär- bung der eigenthümlichen, ganz fremdartig anmuthenden Tiefseefauna den Schlüssel hierzu gefunden zu haben. Um aber in der Farbe der Bewohner der Tiefsee einen Anhaltspunkt zur Beurtheilung der fraglichen Ver- hältnisse zu haben, muss man gewisse Voraussetzungen machen. Die auftretenden Färbungen bleiben für unsere Untersuchung ganz belanglos, wenn man sie, wie es ge- schehen ist, als blosse Zufälligkeiten auffasst — wogegen eine gewisse Regelmässigkeit und Gesetzmässigkeit des Farbencharakters spricht. Ebenso gewähren sie uns keinen Aufschluss, sobald man annimmt, dass sie ursprüng- lich an den im Seichtwasser lebenden Vorfahren der jetzigen Tiefseethiere, also in nur geringen Tiefen ent- standen sind. Nach dieser Anschauung hätten sich diese Thiere in Gestalt und Lebensweise allmählich an den Aufenthalt in der Tiefsee angepasst und in diese Tiefen infolge Vererbung ihr früheres Farbenkleid mitgebracht. Letzteres könnte demnach ursprünglich vielleicht unter dem Einflusse und im Zusammenhange mit den in den oberen Schichten herrschenden Lichtverhältnissen entstan- den sein. Gegenwärtig ständen ihre Farben dann aber in gar keiner Beziehung zum Lichte, und man könne darum aus ihnen nichts über die Lichtfarbe in grösseren Meerestiefen entnehmen. Es bleibt aber auch die Annahme möglich, und sie ist vielleicht die nächstliegende, dass man es bier mit einer Schutzfärbung zu thun habe, und von diesem Gesichts- punkte aus betrachtet gewinnen diese Farbenerscheinungen neues Interesse und Bedeutung. Der Farbencharakter ist, wie schon erwähnt, mit einer deutlichen Gesetzmässigkeit und Regelmässigkeit ausgebildet: er ist ein sehr einheit- licher, indem meist einfache, kräftige Farben auftreten, wobei man ein Ueberwiegen der schwächer brechbaren bemerken kann. Wäre die Färbung eine zufällige, so müssten auch die Farben der stärker brechbaren Spectral- hälfte viel häufiger auftreten, während doch thatsächlich grün- und namentlich blaugefärbte Tiefseethiere selten sind. Vorherrschend sind roth in verschiedenen Nuancen, wie scharlachroth, purpurroth und -violett und sattes Orange. Man hat sich gesagt: Wird ein Körper, etwa von rother Farbe, auf dunklem Untergrunde von der comple- mentären Farbe beschienen, so wird er nicht gesehen werden können, da er diese Farbe nicht reflecetiren kann. Wenn nun, was wahrscheilich ist, die Färbung der Tief- seeorganismen als Schutzfärbung fungirt, so muss, damit sie wirksam sei, in diesen Tiefen ein grünblaues und blaues Licht das Wasser erleuchten. Thiere der allergrössten Tiefen zeigen häufig die Erscheinung der Phosphorescenz. Es ist das Verdienst Moseley’s dieses von den Thieren ausgestrahlte Phos- phorescenzlieht speetroskopisch untersucht zu haben. Er fand, dass dasselbe bei Thieren, welche aus zwölfhundert bis fünftausend Meter Tiefe stammen, hauptsächlich grüne Strahlen aussendet, aber auch gelbe und rothe, dass jedoch erstere am wenigsten absorbirt werden und sich am weitesten fortpflanzen können. Purpur- und scharlach- rothe Thiere, wie sie in den untersten Regionen des Meeres anzutreffen sind, werden also von einem selbst- erzeugten, grünen Lichte getroffen und heben sich in Folge ihrer complementären Leibesfarbe von dem dunklen Unter- grunde nieht ab. So würde sich aus der Farbe der Tief- seeorganismen eine grünliche bis bläuliche Lichtfarbe für jene Gebiete erschliessen lassen. Jedoch muss bemerkt werden, dass dabei verschiedene Annahmen gemacht wurden, gegen die mancherlei Bedenken erhoben werden können. Es sei nur auf Folgendes aufmerksam gemacht. Zunächst würden, alles andere zugegeben, die betreffenden Thiere in grünem Meereslichte nur dann unsichtbar bleiben, wenn ihre Körperfarbe eine reine Speetralfarbe wäre, was thatsächlich gewiss nicht der Fall ist. Sie ist bloss eine Oberflächenfarbe, die allerdings für unser Auge etwa roth aussieht, während ihr in Wirklichkeit ganz wohl noch andere Strahlen beigemengt sein können und werden. Und vorausgesetzt selbst, die Thiere würden z. B. von speetralrother Farbe sein, so wäre es noch immer denk- bar, dass man sie schen könnte, trotz der grünen Be- leuchtung. Denn das Reflexionsvermögen ihres Körpers wird gewiss ein anderes sein, als das der Umgebung, so dass sie mindestens als hellere oder dunklere Flecken sieh vom Untergrunde abheben würden, Die Verhältnisse liegen also durchaus nicht so einfach, dass man die supponirte Schutzfärbung ohneweiters zur Deutung der in der Tiefsee herrschenden Farbenverhältnisse heran- ziehen könnte. Und wie erst, wenn man es vielleicht überhaupt nicht mit einer Schutzfärbung zu thun hätte, sondern der chromatische Charakter der Tiefseebewohner vielleicht unter dem Gesichtspunkte einer Schreckfärbung zu betrachten oder noch anderer, uns derzeitig unbekannter Erklärungen fähig wäre? Es erübrigt noch, die Oberflächenfarbe grösserer Wassermengen kurz zu betrachten. In kleinen Mengen völlig farblos, erscheint selbst ganz gereinigtes Wasser in grösseren Quantitäten stets blau, sodass dies wohl die Eigenfarbe des Wassers ist. Von anderer Seite wurde für diese Blaufärbung allerdings das Vorkommen kleinster, schwebender Theilchen verantwortlich gemacht. Die Oberflächenfarbe ist aber nicht unter allen Um- ständen blau, sondern kann zeitlich und örtlich oft be- | deutend variiren. In ersterer Hinsicht ist vor allem die XIII. Nr. 30 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 353 Bewölkung von Einfluss, was nicht näher erläutert werden braucht. Dass an verschiedenen Localitäten die Farbe des (Meer-) Wassers verschieden ist, das ist ebenfalls seit lange und allgemein bekannt und hat seinen Grund zum Theile in der Trübung, welehe das Wasser durch mitge- führte Schlammtheilehen erfährt. Namentlich ist dies vor der Mündung grosser Ströme der Fall. So ist das gelbe Meer zu seinem Namen durch die ungeheuren, vom Hoang-ho mitgeführten, gelben Schlammassen gekommen. Der Amazonenstrom hinwiederum färbt bei seinem Ein- flusse in das Meer letzteres auf grosse Strecken hin kaffeebraun und vor dem Nildelta hat das blaue Mittelmeer einen schmutzig gelblichgrünen Farbenton angenommen. Untiefen verrathen sich dadurch, dass sich das Licht, welehes von dem Boden refleetirt wird, mit der sonst vor- handenen Farbe zu einem neuen Farbentone vereinigt. In der Regel hat das Wasser an solehen seichten Stellen eine mehr oder weniger grünliche Färbung. Einen wei- teren, zu verschiedenen Zeitpunkten und an verschiedenen Stellen ungleich grossen und verschiedenartigen Einfluss können noch diverse Organismen, Pflanzen und Thiere, nehmen. So wird beispielsweise das Olivgrün nordischer Meere durch das Vorhandensein ungezählter Scharen von Diatomaceen verursacht. Das ist der Fall bei Grönland. Einige Meerestheile haben das Beiwort roth erhalten, weil sie infolge der Gegenwart von derlei Organismen diese Farbe zeigen. Das rothe Meer verdankt dieselbe zum Theile einer kleinen Alge, dem Twichodesmium erythraeum; das Purpurmeer Kaliforniens, auch mar vermejo genannt, beherbergt massenhaft rothgefärbte, kleine Krebse und Krabben. Das persische Meer ist zu Zeiten streckenweise grün gefärbt und wird darum auch öfters grünes Meer genannt; die Erscheinung wird ebenfalls gewissen Orga- nismen zugeschrieben. Dass das schwarze Meer nur in übertragenem Sinne und nicht mit Rücksieht auf seine Färbung so heisst, sei nebenbei bemerkt. Die vorwiegend blaue Farbe grösserer Wassermengen hat auch eine Anpassung gewisser (Meeres-) Thiere zur Folge gehabt, indem dieselben ebenfalls eine blaue Färbung des Körpers annahmen, wodurch sie der Be- achtung sehr leicht entgehen können. Mehrere Gattungen von Quallen, so die Segelquallen (Velella), gewisse Scheiben- quallen (Himanthostoma loriferum), die Veilchenschnecke und diverse Krebse sind hiehergehörige Beispiele. (Uebrigens kommt noch eine andere Form der Anpassung an das Leben an der Oberfläche vor, die darin besteht, dass die betreffenden Thiere vollständig hyalin, glashell und durch- sichtig werden.) Wenn von den Lichtverhältnissen des Wassers die Rede ist, muss nothwendigerweise auch des vielbesprochenen „Meeresleuchtens* gedacht werden, einer Erscheinung, welehe ursprünglich dem Wasser als solchen zugeschrieben, später als eine Lebensäusserung von meerbewohnenden Organismen hauptsächlich oder ausschliesslich thierischer Natur erkannt wurde. Dasselbe Phänomen des Phospho- rescenzlichtes kehrt wieder, wenn wir vom Meeresspiegel hinabtauchen in die Regionen der Tiefsee. Wie dieses Phosphoreseiren zur Erschliessung der Farbenverhältnisse in den grossen Meerestiefen herangezogen wurde, ist schon oben erwähnt worden. Wir wenden uns nunmehr zum zweiten Hauptpunkte unseres Gegenstandes und betrachten die Stärke des im Wasser vorhandenen Lichtes. Vor Allem werden wir beim Studium der Liechtinten- sität unsere Untersuchung etwas beschränken müssen. Es giebt derzeit keine praktische Methode zur direeten Messung der Intensität des Lichtes im Allgemeinen. Unsere gewöhnlich verwendeten Photometer z. B. geben uns nur ein Mittel an die Hand, die Stärke der Strahlen, welehe unsere Augen am meisten affieiren, angenähert in Zahlen auszudrücken, während doch im weissen Lichte auch noch andere Strahlenarten vorhanden sind, für die unser Auge nicht in gleichem Maasse empfindlich ist. Ein anderes Photometer, das für Roth oder für Blau be- sonders abgestimmt wäre, würde im Allgemeinen andere Intensitätswerthe ergeben. Stets aber würden einige oder mehrere Strahlengattungen entweder gar nicht oder nur schwächer zur Geltung kommen können, sodass die Inten- sitätsbestimmung eines zusammengesetzten Lichtes keine absolute, das heisst alle Strahlen gleichmässig messende wäre. Demnach wird man sich darauf beschränken, bei der Lichtstärkebestimmung nur eine einzige Farbe ins Auge zu fassen. Es handelt sich also zunächst um eine für jede einzelne Strahlengattung getrennte Intensitätsbestim- mung; eine Untersuchungsweise, welche von den bisher praktisch ausgeübten Methoden nieht befolgt wurde. Wir setzen also vorderhand monochromatisches Licht voraus. Bezeichnen wir die Stärke des auf die oberste Wasserschichte auffallenden Lichtes mit i, und werde letzteres durch eine Wasserschiehte von bestimmter Dieke auf den »ten Theil seiner ursprünglichen Intensität ab- geschwächt, nachdem es diese Wasserschichte passirt hat, h Ä H i so herrscht nunmehr nur noch eine Lichtstärke ı, = rn Nach dem Passiren einer zweiten, gleich mächtigen, in ihren Eigenschaften sieh ebenso verhaltenden Wasser- schichte wird auch diese Lichtstärke i, wiederum auf den nten Theil abgesehwächt worden sein, das heisst, es ist 2 Fk En. Ä D id = —; oder, wie leicht ersichtlich, i, — zip USW. Dar- n 2 aus folgt die allgemeine Formel für die in einer beliebigen Tiefe m herrschende Liehtintensität i„, wenn das mit der Intensität ö auffallende Licht durch die Schichteneinheit auf äi der ursprünglichen Stärke abgeschwächt wird. Es i —, in Worten: n ist nämlich i,, = Wenn die passirten Wasserschiehten in arithmetischer Progression zunehmen, so nimmt die Intensität des jeweilig herrschenden Lichtes in geometrischer Progression ab. Daraus folgt sofort der theoretisch vollkommen richtige Schluss, dass i„ — 0 wird, wenn m — » ist, anders aus- gedrückt, dass die im Wasser vorhandene Lichtstärke erst nach dem Passiren unendlich vieler Sehiehten gleich Null wird; das heisst, selbst in den allergrössten Meeres- tiefen ist noch eine gewisse, wenn auch minimale Lieht- stärke vorhanden, das Licht — und das gilt für jede einzelne Farbe — dringt bis zum tiefsten Grunde in das Wasser ein. Ob diese in der Theorie richtige Folgerung sich auch mit der Wirklichkeit deckt, ist allerdings eine andere Frage. Wir haben bis jetzt kein Mittel, sie zu entscheiden und können nur Thatsachen dafür und dagegen anführen. Von physikalischen Faeten, welche mindestens dafür sprechen würden, dass sich das Licht viel weiter ausbreitet, als man derzeitig nach einigen positiven Daten annehmen kann, ist einmal das analoge Verhalten der Wärmestrahlen hervorzuheben. Wenn Wärmestrahlen in einen Körper eindringen, so werden sie in ihrer Intensität ebenso wie Lichtstrahlen durch die Absorption in den einzelnen Sehiehten des Körpers geschwächt. Die Absorption erfolgt aber meist schon in den ersten Schichten und wächst mit der Dieke der durchlaufenen Schichten. Das geht aber nur bis zu einer gewissen Grenze. Eine noch grössere Sehiehtendieke hat keinen weiteren schwächenden Einfluss auf die Menge der durchgehenden Strahlen. Wenn also 354 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 30. einmal die eigentlichen absorbirenden Schichten des Kör- pers durchdrungen sind, die Strahlen die „Wärmefarbe* des Körpers angenommen haben, dann pflanzen sie sich ohne weiteren Verlust fort. Dasselbe Verhältniss könnte möglicherweise bei den Lichtstrahlen zutreffen, die sich ja bekanntlich von den Wärmestrahlen wesentlich nicht unterscheiden. Ueber ein zweites Faetum, das man hier heranziehen könnte, ist von Soret berichtet worden. Es wurde eine in einem wasserdicht schliessenden Kasten untergebraehte Lichtquelle unter Wasser versenkt, Sie blieb bis zu einer gewissen Tiefe sichtbar, dann verschwand der leuchtende Punkt plötzlich. Trotzdem blieb aber das Wasser und die darin befindlichen Gegenstände noch sichtbar, auch wenn die Lichtquelle noch bedeutend tiefer hinabgelassen wurde. Daraus geht hervor, dass sich das diffuse Licht im Wasser ungefähr doppelt so weit aus- breitet, als das direete Licht. Und möglicherweise ist es das erstere, ‚das bis in grosse, uns unbekannte Meeres- tiefen eindringen kann. Neuerdings kommen einige aller- dings noch zweifelhafte, der Bestätigung bedürftige Or- gsanismenfunde hinzu, sodass wir jetzt weniger denn je wissen, ob es und wo es im Meere eine völlig lichtlose, vom Tageslichte nieht mehr erreichte, „aphotische“ Region giebt oder nicht, deren Dunkel nach der Ansicht Mancher durch das Phosphorescenzlieht der Tiefseebewohner erhellt würde. Mit Rücksicht auf die Lichtstärke im Wasser, immer monochromatisches Licht vorausgesetzt, hat man zwei Fragen zu beantworten, von denen die zweite in biolo- gischer Hinsicht die bei weitem wichtigere ist. Die eine Frage lautet: Wie weit dringt das Licht überhaupt in das Wasser ein? Diese Frage hat man auch als erste in Angriff genommen, man wollte die untere Grenze für das Eindringen des Liehtes in (Meer-) Wasser eruiren (wobei die angewendeten Methoden freilich nicht ganz geeignet waren, der Forderung zu genügen, nur eine bestimmte Farbe zu untersuchen). Die älteste und daher auch primitivste Methode war die mit den Senkscheiben. Als Photometer dient dabei unmittelbar das menschliche Auge. Man bekam als durch- sehnittliche grösste Sichttiefe die Zahl von 40—45 Metern. Wesentlich erweitert wurde die untere Lichtgrenze bei Anwendung der für einen anderen Speetralbezirk empfind- lichen photographischen Methode. Das Prineip derselben beruht darauf, dass ein photographisches Papier oder eine liehtempfindliche Platte unter Wasser versenkt und dem in der betreffenden Tiefe herrschenden Lichte ausgesetzt wird. Man entwickelt dann die wieder heraufgeholte Platte und bekommt dabei eime bestimmte Schwärzung, deren Intensität in gewisser Beziehung zur Lichtstärke steht. Wiederholt man das Experiment solange, bis keine sichtbare Schwärzung mehr eintritt, so wäre die erreichte Tiefe die unterste Grenze des eingedrungenen Lichtes, aber nur unter zwei Voraussetzungen. Einmal müsste das Licht au der gemessenen Stelle nur aus einer einzigen oder einigen wenigen Strahlenarten bestehen, nämlich bloss aus den chemisch wirksamen, die photographische Platte beeinflussenden blauen und violetten Strablen, während doch auch noch andere Farben vorhanden sein können, welche auf das photographische Präparat gar nicht oder nur wenig einwirken. Diese andere Strahlen könnten ja eventuell noch tiefer eindringen. Zweitens müsste die Reaction der Platte auf das Licht erst in dem Momente aufhören, wo auch die Intensität der wirksamen Strahlen gleich Null wird. Das stimmt aber mit der Wirkliehkeit nicht überein. Die Platte, resp. die licht- empfindliche Silberschiehte wird ein gewisses minimales Maass von Empfindliehkeit nieht unterschreiten, das heisst die Platte wird schon früher zu reagiren aufhören, bevor noch alle Spuren von Licht verschwunden sind. Es wird eine gewisse kleinste Lichtstärke geben, welche von der Platte ni,ht mehr angezeigt wird. Die angeblich unterste Grenze des Lichtes (einer bestimmten Brechbarkeit) ist nur die unterste Grenze der Empfindlichkeit der Platten für die in der betreffenden Tiefe vorhandenen Strahlen, besonders für die stärker brechbaren Blau und Violett. Die so ermittelten „Reactionstiefen“ sind also geringer, als die eventuell vorhandene untere Lichtgrenze. Dies vor Augen wollen wir einige der bekanntesten Daten betrachten. Forel hat im Jahre 1833 im Genfer See Chlorsilberpapier zur Untersuchung verwendet. Er fand die „Reactionstiefe* im Frühjahre bei fünfundvierzig Metern, im Winter bei hundert Metern. Weitere Versuche hat dann Asper im Züricher- und Wallensteiner-See aus- geführt, insbesondere aber Fol und Sarasin zunächst im Genfer-See. Sie operirten mit den viel empfindlicheren Bromsilberplatten. Dadureh rückte die Reactionstiefe auf ungefähr das Doppelte des früher gefundenen Wertes hinab. Sie fanden Sehwärzung der Platten bis rund zwei- hundert Meter Tiefe (genauer 170 m) eintreten. Noch erheblich grössere Zahlen ergaben die Beobachtungen, welehe hierauf im Mittelmeer an Bord des „Albatross“ bei Villafranca angestellt wurden, nämlich vierhundert Meter. Daran angereiht seien die Untersuchungen von Petersen und namentlich die von Wolf und Luksch. Nach den Ergebnissen, zu welchen letztere zwei Forscher gelangt sind, ist mit fünfhundert Metern die Reactionstiefe für die von ihnen verwendeten Platten noch nicht erreicht. Sie wird selbstverständlich bei Anwendung noch empfind- licherer Präparate noch weiter hinausgerückt werden können. Viel ist bei derlei Untersuchungen nicht zu ge- winnen. Von ungleich grösserer Wichtigkeit für die Biologie und die verticale Verbreitung der Wasserorganismen ist die Bestimmung der Intensität einer gewissen Lichtfarbe in einer bestimmten Tiefe. Betrachten wir nur die Pflanzen, bei denen ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Lichtstärke zu constatiren ist. Zahlreiche Lebens- processe der dureh Chlorophyll oder noch einen anderen Farbstoff tingirten Pflanzen hängen von einem gewissen Grade der Lichtwirkung ab. Der Zusammenhang ist je- doch meist kein ganz einfacher, etwa so, als ob Licht- intensität und Energie des betreffenden Vorganges stets einander gerade proportionirt wären. Man beobachtet zum Beispiele, dass der untersuchte Process nicht bei jeder beliebigen Lichtstärke seinen Anfang nimmt; sondern es gehört ein gewisses, Null übersteigendes Lichtminimum dazu. Mit steigender Lichtstärke nimmt nun allerdings auch die Stärke des ablaufenden Processes zu, aber nur bis zu einer gewissen Grenze. Wächst die Lichtintensität noch mehr, so kann, in dem vorgeführten Falle, der Process an Energie wieder verlieren und letztere sogar wieder auf Null herabsinken, das heisst, der Process kann aufhören. Bei einem derartigen Verlaufe bezeichnen also ein bestimmtes Liehtminimum, respective -maximum An- fang nnd Ende, ein gewisses Lichtoptimum aber den Höhepunkt eines solchen Processes, ganz in Analogie zu den von der Wärme, dem Temperaturgrade abhängigen Wachsthumsvorgängen. Derlei Liehtoptima, beziehungsweise der maximale und der minimale Cardinalpunkt der Lichtstärke werden im Allgemeinen je nach der Pflanzenart verschieden gross sein. Wenn in der Pflanze auch nur ein einziger für das Leben derselben wichtiger Process den eben geschilderten Verlauf nimmt, so folgt daraus schon, dass das Pflanzen- leben bereits vor dem Beginne völliger Finsternis ein Ende nehmen muss und dass dasselbe je nach der Pflanzen- art in verschiedener Tiefe eintreten wird. XII. Nr. 30. Naturwisseuschaftliche Wochenschrift. 355 Es ist speciell die Kohlensäureassimilation der (grünen) Pflanzen ein Vorgang, der nach dem gegebenen Schema bei jeder Pflanzenart im Allgemeinen ein anderes, speeci- fisches Assimilationsoptimum, respective -minimum und -maximum haben wird. Bei zu wenig Licht gehen die Wasserpflanzen zu Grunde, ebenso wie sie bei zu intensiver Beleuchtung krankhafte Veränderungen erleiden; in ge- wissem Sinne analog zu dem Verhalten der Landpflanzen, bei denen Wiesner darauf hingewiesen hat, dass der maximalen Beleuchtungsstärke nicht die grösste Menge an produeirter Substanz entsprechen muss, sondern unter solehen Verhältnissen die Pflanze sich kümmerlicher ent- wiekelt oder ganz zu Grunde geht. Würden wir das Liehtbedürfniss der einzelnen Wasser- pflanzen kennen, so könnten wir aus den Angaben über ihre untere Verbreitungsgrenze, soferne diese vom Lichte abhängig ist, schon indireet über die Lichtstärke an diesen Standorten etwas erfahren. Wie ausserordentlich die einzelnen Arten bezüglich der Tiefe, in die sie sich im Wasser ausbreiten können, variiren, davon geben folgende Daten eine Vorstellung. Die unteren Grenzen der Vegetation hat Magnin in den Juraseen zunächst hauptsächlich für die Phanerogamen festgestellt. Die Küstenflora zerfällt nach ihm in zwei Zonen, von denen die erste bis eirca sechs Meter hinab- geht; die darin am tiefsten vorkommenden Pflanzen sind zumeist Potamogetonarten. In der zweiten Zone, welche bis etwa dreizehn Meter Tiefe reicht, wird die unterste Stufe von Arten der Gattungen Hypnum, Fontinalis, Chara und XNitella eingenommen. Dann beginnt die Tiefenflora der Mikrophyten. Einige höhere Gewächse gehen aller- dings vereinzelt unter dreizehn Meter hinab. Das tiefste Eindringen hat Forel im Genfer-See bei dem Moose Thamnium Alopecurus beobachtet, das bis sechzig Meter hinabsteigt. Nunmehr beginnt das eigentliche Gebiet der Algen. Dieselben werden nach Thomson schon bei ein- hundert Metern spärlich, gehen aber noch zum Theile weiter fort, manche verirrte Formen allerdings unter Ver- änderung des Habitus. Endlich bei vierhundert Metern Tiefe kann man das Ende der meisten pflanzlichen Orga- nismen des Wassers annehmen. Diese untere Verbreitungs- grenze von vierhundert Metern unter dem Wasserspiegel werden wir später als die sogenannte „Zweihundert-Faden- Linie“ eine besondere Rolle spielen sehen. In neuerer Zeit hat man Pflanzenfunde gemacht, die, wenn sie sich als zuverlässig erweisen sollten, für ein bedeutend tieferes Eindringen der Pflanzen und daher auch entsprechend intensiven Lichtes Zeugnis geben würden. Vorerst seien einige Beobachtungen des be- kannten Bacillariaceenforschers Castracane angeführt. Bei der Analyse des Darminhaltes von Echinodermen und Holothurien, welche aus zweitausend, beziehungsweise rund dreitausend bis fünftausend Metern stanımten, fanden sich verschluckte Diatomaceen-Schalen, zum Theile noch mit Protoplasmaresten, ja sogar mit Endochromplatten vor. Der genannte Forscher hält, wegen der Langsamkeit der erwähnten -Thiere, dafür, dass dieselben ihre Beute nicht aus höheren Schichten geholt, sondern an Ort und Stelle, also mehrere tausend Meter tief verschluckt haben. Um die Existenz dieser Diatomaceen in solehen colossalen Tiefen zu erklären, nimmt er an, dass bis dorthin Licht von allerdings minimaler Intensität gelange und diese Algen eben eine ausserordentliche Empfindlichkeit dafür besässen. Letzeres wäre nicht ganz unmöglich, da wir Beispiele haben, wonach manche Pflanzen fabelhaft empfindlich für Spuren von Licht sind. Bekannt ist, dass Kjellmann in der Mosselbay bei einer Wasser-Temperatur von —1° C. und bei einem Lichte, welches die Polarnacht nicht einmal soweit erhellte, um in unmittelbarster Nähe Schrift lesen zu können, zahlreiche Algen in voller Vegetation, ja über- dies fructifieiren sah. Ausserordentlich feines Unterschei- dungsvermögen für geringe Lichtmengen besitzen auch im Dunklen eultivirte, also etiolirte Wiekenkeimlinge, von denen Wiesner gezeigt hat, dass sie noch Hellig- keitsdifferenzen deutlich wahrzunehmen vermögen, welehe das menschliche Auge schon längst nicht mehr unter- scheiden kann, Intensitäten, welche nur nach millionstel Bunseneinheiten der Lichtstärke gemessen werden können. Gegen die Möglichkeit pflanzlichen Vorkommens in so enormen Tiefen liegt demnach ein unwiderleglicher Ein- wand nicht vor, und es ist merkwürdig, dass ein anderer Pflanzenfund gemacht wurde, der eine weitere, thatsäch- liche Stütze wäre, wenn er uns eben nicht mit Rücksicht auf unsere dermaligen Kenntnisse als mindestens sehr zweifelhaft gelten müsste. Es ist das Auffinden einer grünen Alge, der Halosphaera viridis zwischen ein- und zweitausend Metern. Das erste Mal fand man sie auf der Planktonexpedition im Jahre 1889 im Atlantischen Ocean, das zweite Mal wurde sie durch die „Pola“ im Mittel- meere (1890) heraufgeholt. Zugegeben jedoch die Mög- lichkeit und Thatsächlichkeit derartiger Pflanzenvorkomm- nisse in Folge eines ganz enormen Empfindungs- und Reactionsvermögens gegenüber Spuren von Licht, so taucht sofort eine neue Frage auf: Wie ist denn die Farbe dieses Lichtes? Wenn wirklich die rothen und gelben Strahlen zuerst ausgelöst werden, wie können denn diese Algen assimiliren, da man hierfür doch die weniger brechbaren Strahlen verantwortlich macht? Und wenn sie dennoch existiren, und, wie es scheint, auch selbständig Kohlensäure zu assimiliren vermögen, müsste man da nicht annehmen, dass sie im Stande sind, dies in der blauvioletten Hälfte des Spektrums zu thun? Die Anwesenheit pflanzlicher Organismen in grösserer Meerestiefe scheint übrigens geradezu nothwendig zu sein; denn den Consumenten des Wassers, als welche die Thiere zu betrachten sind, müssen ja auch Nahrung erzeugende Producenten, das heisst Pflanzen gegenüber stehen, welche in letzter Linie die Nahrung für alle thierischen Organis- men direet oder indirect abgeben. Freilich hat man in sogar grossen Meerestiefen pflanzliche Nahrung gefunden, welche aus dem seichten Wasser oder auch von Land- pflanzen herstammte. So brachte der „Challenger“ aus vierhundert Faden einmal einen Sceigel herauf, dessen Darmkanal mit Zostera vollgestopft war. Zwischen Austra- lien und den neuen Hebriden fanden sich in mehr als eintausenddreihundert Faden Tiefe Palmenfrüchte, deren Inhalt zum Theile noch frisch aussah und im Karaibischen Meere in achtzehnhundert bis zweitausendsiebenhundert Metern Orangen und Zuckerrohr! Ob allerdings solche Pflanzenreste als Nahrung für die Tiefseethiere ausreichen, scheint wohl noch sehr zweifelhaft. Man könnte eventuell noch zu der Hypothese greifen, dass alle pflanzen- fressenden Tiefseethiere nach aufwärts gerichtete Wan- derungen unternehmen, um Nahrung zu bekommen, um, zurückgekehrt, von den fleischfressenden als Beutethiere verwendet zu werden, was wohl mehr als unwahrscheinlich ist, so lange wir keine strieten Beweise dafür haben. Dass nun thatsächlich viele Pflanzen- und auch Thier- gesellschaften derart an bestimmte Lichtstärken gebunden sind, dass sie, sobald diese Intensität geringer wird, sich nicht weiter in die Tiefe verbreiten, das scheint aus dem Auftreten gewisser Tiefenverbreitungsgrenzen hervorzu- gehen. Bei seinen eingehenden und umfassenden Studien im Golfe von Quarnero hat vor lärgerer Zeit Lorenz eine „24—30-Fadenlinie* als untere Grenze gewisser T'hier- und Pflanzenformen bezeichnet. Fuchs hat später eine „»0-Fadenlinie* aufgestellt, die er in richtiger Erkenntniss der Verhältnisse nieht als absolute Liehtgrenze (wir wissen 356 aus den späteren Untersuchungen, dass dieselbe, wenn überhaupt vorhanden, viel tiefer liegen müsste), sondern bloss als die untere Grenze einer bestimmten Inten- sität angesehen wissen wollte. Eine grosse Ausdehnung und Wichtigkeit kommt ferner noch der „200-Fadenlinie“ zu, die sich im Atlantischen Ocean und überhaupt in sehr vielen Meeren findet. Hier erreichen die meisten Pflanzen gleichzeitig ihre äusserste Verbreitungsgrenze nach unten zu, während auch die Küstenfauna aufhört und die Ver- treter der Tiefseefauna zu erscheinen beginnen. Daraus geht die in biologischer Beziehung und mindestens mit Rücksicht auf die verticale Verbreitung der Pflanzenwelt im Wasser (mit der auch das thierische Leben in einem gewissen Zusammenhange steht) grosse Wichtigkeit von Intensitätsbestimmungen in den einzelnen Wasserschiehten hervor. Dabei ist ferner zu beachten, dass nach dem früher Gesagten dem diffusen Liebte ein weiteres Eindringen als dem direeten (Sonnen-) Lichte ermöglicht zu sein scheint; ein hochinteressantes Factum, da, wie Wiesner für die Landpflanzen gezeigt hat, ersterem Lichte im Pflanzenleben eine viel wichtigere Rolle als letzterem zugetheilt ist. Bisher hat man jedoch diese Liehtstärken nur mehr oder minder genau, das heisst ungenau abgeschätzt und sich mit meist vagen Ausdrücken oder nur ganz ange- näherten Vergleichen begnügen müssen. Die schon ge- nannten Schweizer Forscher Fol und Sarasin vermuthe- ten, gestützt auf die Schwärzung, welche dem Nachthimmel exponirte photographische Platten annahmen, für den Genfer See in einhundertzwanzig Metern Tiefe noch starkes Lieht; bei einhundertsiebenzig Metern soll die Beleuchtung ungefähr dieselbe sein, wie wir sie in klaren, aber mond- losen Nächten wahrnehmen. Berthold schloss aus patho- logischen Veränderungen (Ausbleichen) gewisser Algen, wie sie sonst durch direete Sonnenbeleuchtung hervorgerufen werden, dass im Meere von Capri in siebenzig bis achtzig Metern Tiefe ebenso affieirte Algen einer noch sehr inten- siven Lichtwirkung ausgesetzt sein müssen. Ziemlich willkürlich, wohl ohne thatsächliche Stütze, ist die Annahme Verill’s, dass in Tiefen von etwa dreitausendfünfhundert bis fünftausendfünfhundert Metern ein grünliches Licht von der Stärke unserer Vollmondnächte herrsche. Die Intensität des Liehtes an einer bestimmten Stelle im Wasser bleibt nieht immer die gleiche. Sie wird dureh verschiedene Umstände beeinflusst. Der Zusammen- hang zwischen Lichtstärke und Durchsichtigkeit ist in die Augen springend. Alle Veränderungen durch welche die Transparenz herabgesetzt wird, haben auch eine Ver- minderung der Lichtstärke im Gefolge. Erhöhung der Temperatur bewirkt eine Zunahme der Durchsichtigkeit, und in der That besitzen die Tropenmeere die grösste Transparenz. Von grosser Wichtigkeit ist die Thatsache, dass ein grösserer Salzgehalt dem Wasser eine grössere Durehsiehtigkeit verleiht. Das hängt damit zusammen, dass in salzhaltigem Wasser eine raschere Ausscheidung der suspendirten festen Theilchen erfolgt, welehe dem Durehgange des Liehtes ein grosses Hinderniss bereiten. Die Wirkung solcher schwebenden Partikelehen ist unter Umständen schr beträchtlich und zeigt sich namentlich in Häfen, welehe durch Verunreinigungen aller Art, ins- besondere auch durch den in Folge des Dampfsebiffver- kehrs aufgewühlten Schlamm sehr getrübtes Wasser be- sitzen. Der fortwährenden Zerkleinerung und Zerreibung der Küsten ist es zuzuschreiben, dass an solehen Orten die Durchsiehtigkeit viel geringer als im freien Meere ist. Sie ist im Mittelmeer nach Aschenborn etwa dreimal so gross als in der Ostsee. Zu derlei örtlich oder zeitlieh verschiedenen Factoren gehört das oft massenhafte Auf- treten diverser, meist mikroskopischer Organismen. Ihren Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 30. Einfluss auf die Durchsichtigkeit hat man erst in neuester Zeit erkannt und auch gemessen. Zacharias, dem ver- dienstvollen Gründer und Leiter der biologischen Station zu Plön, verdanken wir folgende Daten. Das Gesammt- volumen der an einem gewissen Tage des Monats Mai in einer bestimmten Wassermenge vorhandenen Organismen betrug einhundertzweiunddreissig Cubikeentimeter, wovon sechsundachtzig Pereent in den obersten Schichten ange- sammelt waren. Die gleichzeitig nach der Senkscheibenme- thode ermittelte Siehttiefe war drei Meter. Im September entfielen bei annähernd gleich grossem Gesammtvolumen, nämlich von einhundertundfünfzehn Cubikcentimetern, nur siebzehn Percent auf die obersten Wasserschichten, und die Sichttiefe hatte sich auf mehr als das Doppelte, nämlich auf acht Meter erhöht. Durch solche Ansamm- lungen von Organismenmassen in den obersten Partieen erleidet also die Durchsiehtigkeit und damit die Intensität des Lichtes im Wasser unter Umständen ganz bedeutende Veränderungen. Im allgemeinen hängt die Lichtstärke im Wasser von derjenigen des auffallenden Lichtes ab, und der jährliche und tägliche Gang der letzteren wird sich im Grossen und Ganzen im Wasser wiederholen. Durch das Auf- und Absteigen der Lichtintensität werden natürlich auch lichtempfindliche Organismen zu Reac- tionen veranlasst. Den täglichen Schwankungen derselben entsprechend giebt es Lebewesen, welche zum Beispiele erst während der Dänmerung zur Oberfläche emporsteigen, um bei grösserer Intensität wieder in tiefere Schichten zurück zu wandern. Es wäre vielleicht analog zu deuten und als Anpassung an den jährlichen Gang der Intensität aufzufassen, wenn nach Chun gewisse Meeresthiere, welche in den früheren Monaten des Jahres an der Oberfläche zu finden sind, im Sommer in grössere Tiefen hinabsteigen. Ueberblieken wir zum Schlusse noch einmal kurz die Liehtverhältnisse des Wassers und suchen wir uns über den gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse hiervon klar zu werden! Wir haben uns gefragt, wie weit dringt Licht einer bestimmten Farbe in das Wasser ein? Die Antwort darauf ist: Theoretisch bis in die grössten Tiefen. Manche Thatsachen sprechen auch dafür, dass das Licht mindestens viel weiter eindringt, als man bisher annahm. Ausser physikalischen Analogien kommt da noch das Auffinden von gewissen Pflanzen und das Vorkommen von Tiefsee- thieren mit mächtiger Augenentwiekelung (man vergleiche damit die Augenbildung unserer dem Dämmerlichte ange- passten Nachtvögel) in Betracht. Diese Umstände machen die Gegenwart, wenn auch nur von Spuren von Licht in jenen Regionen wahrscheinlich. Dieses Lieht muss aber nieht Phosphorescenzlicht sein, es könnten ja auch Reste des Tagesliehtes soweit eindringen, da ja das Phosphor- eseiren nicht speeifisch für die Bewohner der Tiefsee ist, sondern auch an der Oberfläche auftritt. Auf diese Weise gibt es vielleicht gar keine völlig lichtlose Region im Meere. Die thatsächliche, direete Bestimmung, wie weit das Licht in das Wasser eindringt, hat diese untere Grenze mit fortschreitender Verfeinerung der Methode immer weiter hinausgerückt, sodass man sagen kann, die- selbe liegt (immer eine bestimmte Strahlengattung voraus- gesetzt) unterhalb fünfhundert Metern Tiefe. Die zweite, wichtigere Frage, die wir aufgeworfen haben, lautet: Wie gross ist die Lichtintensität an einer bestimmten Stelle? Auch hierüber giebt es nur rohe und angenäherte Angaben. In eirca achtzig Metern Tiefe herrscht noch starkes Lieht, bei einhundertsiebenzig ist dasselbe ungefähr gleich der Stärke des Sternenlichtes in einer klaren, mondlosen Nacht. Dem gegenüber steht die Behauptung, bei viertausend Metern sei die Beleuchtung so stark, wie in unseren Vollmondnächten. Die Wich- tigkeit der Beantwortung dieser Frage zunächst für das XI. Nr. 30. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 357 Verständniss der verticalen Verbreitung der Wasserpflanzen liegt auf der Hand. Die dritte Frage ist die nach der Farbe des Lichtes an einer bestimmten Stelle. Die Antworten darauf geben uns keinen sicheren Aufschluss hierüber. Wenn auch wohl zuerst die rothen Strahlen absorbirt werden und die blauvioletten am tiefsten eindringen mögen, so gilt dies zunächst nur für die obersten Schichten. Wenn es sich um grosse Tiefen handelt, gehen die Meinungen weit auseinander. Das Hauptergebniss ist also, dass wir von den Licht- verhältnissen des Wassers nur sehr wenig Sicheres wissen, obwohl wir viele einzelne Thatsachen kennen. Unsere Kenntniss erstreckt sich allerhöchstens auf die obersten Wasserschichten, lassen uns aber da, wo es sich um die Tiefsee handelt, sehr bald im Stiche. Auf den ersten Bliek scheinen die Verhältnisse sehr einfach, eomplieiren sich aber bei näherem Zusehen immer mehr; was von dem einen Standpunkte aus klar und einleuchtend ist, wird sofort zweifelhaft, wenn man die Untersuchung von einem anderen Gesichtspunkte aus anfasst. Bei diesen Studien werden auch eine Menge interessanter biologischer Probleme aufgerollt, wie denn überhaupt der Gegenstand für die biologische Betrachtung und speciell das Verständniss der verticalen Verbreitung der Wasserorganismen von aller- grösster Bedeutung ist. Aber wie geistreich und scharf- sinnig auch viele der aufgestellten Hypothesen sind, wie zahlreich die Masse der vorliegenden Einzelbeobachtungen ist, die Menge des Positiven, des unumstösslich Allgemein- giltigen ist nicht gross. Das Gefundene muss vor allem erst kritisch gesichtet werden und wieviel auch durch unermüdlichen Forscherfleiss geleistet worden ist, so bleibt noch ungleich mehr zu thun übrig, bevor wir die Licht- verhältnisse des Wassers, diesen Hauptfactor wenigstens des pflanzlichen Lebens, ebensogut kennen werden, wie die Temperaturverhältnisse desselben, bis wir einmal im Stande sein werden, das mannigfache und complieirte Thier- und Pflanzenleben des Meeres nicht nur zu beobachten, sondern auch zu verstehen. Litteraturverzeichniss. Es ist nieht beabsichtigt worden, demselben irgend welche Vollständigkeit zu geben, da wegen des grossen Umfanges der einschlägigen Litteratur dasselbe sehr umfangreich ausfallen müsste und ohnehin bei anderer Gelegenheit vom Verfasser publieirt werden soll. Daher erscheinen nur die wichtigsten Arbeiten, auf die sich der Text stützt, und solche, welche selbst wieder grössere Litteraturnachweise bringen, im Folgenden angeführt. Berthold, Ueber die Vertheilung der Algen im Golf von Neapel. (Mittheilungen der zoologischen Station in Neapel, III., 1832.) Boas, Beiträge zur Erkenntniss der Farbe des Wassers (Kiel, 1881). Boguslawski, Handbuch der Oceanographie (3. Bd. der Biblio- thek geographischer Handbücher) 1884, vol. I., cap. 5. Castracane, Quale sia l’estensione della vita vegetale nella profonditä del mare. (Atti del Congresso Nazionale dei Botaniei erittogam. in Parma. — Varese 1837.) Chun, Die pelagische Thierwelt grösserer Meerestiefen und ihre Beziehungen zur Oberflächenfauna. (Kassel, 1837.) Falkenberg, Die Meeresalgen im Golf von Neapel (Mittheilungen der zoologischen Station in Neapel, 1.). Fol und Sarasin, mehrere Arbeiten, speciell: Sur la pen6tration de la lumiere du jour dans la profondeur du lae de Gen£ve. (Auszug aus Archives des Seiences physiques et naturelles, 1884, 3. per., t. XII; p. 599, der Societe de physique et d’histoire naturelle de Geneve mitgetheilt in der Sitzung vom 2. Oktober 1894.) — Sur la profondeur & laquelle la lumitre du jour penetre dans les eaux de la mer. (Comptes rendus des seances de l’a- eade&mie des sciences, Paris, t. C., S. 991.) Forel, unter Anderem in Revue Suisse 1889. — Moraine sous-lacustre de la barre d’Yvoire (Comptes r., Paris 1886.) Fuchs, Die pelagische Flora und Fauna (Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien 1882). — Was haben wir unter der „Tiefseefauna“ zu verstehen und durch welche physikalische Momente wird das Auftreten derselben bedingt? (l. c.) — Beitrag zur Lehre über den Einfluss des Lichtes auf die ba- thymetrische Vertheilung der Meeresorganismen (l. ce. 1833). Handbuch der Oceanographie (herausgegeben vom k. k. Reichs- kriegsministerium, Wien 1883). Bd. I, Abschnitt VI. Luksch, Die physikalischen Ver- hältnisse des Meeres. —, R IX. Köttsdorfer, Das Meeres. Hüfner, Die Farbe des Wassers. (Du Bois-Reymond’'s Archiv für Physiologie 1891). Kayser, Physik des Meeres. (Paderborn 1375). Kjellmann, Vegetation hivernale des Algues & Mosselbay, observ. pendant l’exped-sued. (Comptes r., Paris 1875, t. 80). Krümmel, Bemerkungen über die Durchsichtigkeit des Meer- wassers. (Annalen der Hydrographie und maritimen Mete- orologie. Berlin, 1889, Bd. XVII, S. 62—78). Linsbauer, Vorschlag einer verbesserten Methode zur Bestimmung der Lichtverhältnisse im Wasser. (Verhandlungen der k.k. zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien, 1895). Lorenz, Physikalische Verhältnisse und Vertheilung der Orga- nismen im quarnerischen Golfe. (Wien, 1865). Magnin, Recherches sur la vegetation des lacs du Jura. (Revue gen. de botanique, 1893). Oltmanns, Ueber die Kultur und Lebensbedingungen der Meeres- algen. (Pringsheim’s Jahrbücher für wissenschaftliche Bo- tanik, XXIII). Schönn in „Naturforscher“ 1880, Jahresbericht für Chemie 1880, Soret, Rapport sur les experiences pr@liminaires de la commission pour l’ötude de la transparence du lac. (Presente A la Societe de physique et d’histoire naturelle de Geneve. 1884. — Archives des Sciences physiques et naturelles 1884, t. XII). Soret und Sarasin, Sur le speetre d’absorption de l’eau. (Comptes r. 10. III. 1884). Thomson, The depths of the sea. (London, 1873). Verill, Report of United States Fisheries Commission for 1882. (Washington 1884). Vogel, Speetroskopische Untersuchung des Lichtes der blauen Grotte auf Capri. (Poggendorfs Annalen der Physik und Chemie, 6. Reihe, 6. Bd., 1875). Wiesner, Untersuchungen über den Lichtgenuss der Pflanzen. (Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien, 1395). Zacharias, Quantitative Untersuchungen über das Limnoplankton. (Forschungsberichte aus der biologischen Station zu Plön, 1896.) au lae Leman. Leben des Weihwasser in den katholischen Kirchen, in welches bisweilen eine grosse Zahl von Menschen ihre unsauberen Finger tauchen, kann unter Umständen eine sehr wichtige Rolle spielen bei der Verbreitung von In- feetionskrankheiten. Professor L. Vincenzi in Sassari hat das Weihwasser einer der dortigen besuchtesten Kirchen bacteriologisch untersucht und eine Menge Bacterien darin feststellen können. Es befanden sich darunter Staphylocoecen, Streptocoecen, der Mierococeus Tetragenus, der Baeillus coli und Diphtherie-Bacillen. Von letzteren hat Vincenzi reine, durchaus charakteristische Culturen erhalten. Er konnte sich auch durch das Thier- experiment von der starken Virulenz derselben überzeugen. Grosse Meerschweinchen erlagen nach Inoeulation kleinster Mengen der fraglichen Cultur und zeigten bei der Autopsie die für die Diphtherie charakteristischen Symptome. Da manche Leute die Gewohnheit haben, die in das Weih- wasser getauchten Finger auch an die Lippen zu bringen, so kann dasselbe sehr wohl zur Verbreitung der Diphtherie beitragen. Auch in der Zeit, als Vincenzi die Unter- suchungen anstellte, wurden in Sassari vier Fälle von Diphtherie angemeldet, von welchen einer tödtlich verlief. (Semaine medicale 13. 4. 98.) Mz. 358 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 30. Das Vorkommen von Centrosomen bei pflanz- lichen Zellkernen ist in neuerer Zeit bei Zellkryptogamen, besonders bei Schlauch- pilzen (Ascomyceten), von Strasburger und seinen Schülern wiederholt beob- achtet worden. Bei höheren Pflanzen dagegen scheinen sie entweder weniger ver- breitet oder schwieriger nachweisbar zu sein. Die Beobachtungen von Hirase und Webber machen das Vorhandensein von Centrosomen bei Cycadeen und Ginkgo wahrscheinlich. Nach neueren Untersuchun- gen von Guignard finden sich Centrosomen auch in den Pollenmutterzellen von Nymphaea alba, Nuphar Iu- teum, Limodorum abortivum (Orchidee). Als Fixirungs- flüssigkeit diente Flemming- sche Lösung. — (Comptes Rendus de l’Academie, Band 125, 1897.) — Soeben er- schien in den Berichten der deutschen botanischen Ge- sellschaft eine Arbeit von Mottier, in welcher der Nachweis geführt wird, dass Centrosomen in den Sporenmutterzellen von Dietyota, einer braunen Meeresalge, vorkommen. Kolkwitz. Generative Zelle, aus dem Pollen- schlauch von Zamia integrifolia (Cycadee) , centrosomenähnliche Körper mit strahligen Fäden und Kinoplasma zeigend. 450 mal ver- grössert. Nach Webber. Botanical Gazette 1897. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ausserordentliche Professor der Augen- heilkunde in Berlin Dr. Greeff zum leitenden Arzt der Abtheilung für Augenkranke und der neuen Poliklinik für Augenkranke in der Charite; der Privat-Docent der Augenheilkunde in Leipzig Dr. Otto Schwartz zum Professor; der ordentliche Professor der chemischen Technologie an der technischen Hochschule zu Berlin-Charlottenburg Dr. OÖ. Witt, z. Z. Rector dieser Hochschule, zum Geheimen Regierungs-Rath; der ausserordentliche Professor der Zoologie in Leipzig Dr. V. Carus zum Dr. jur. h. e. der Universität Edinburgh; der ordentliche Professor der Philosophie in München Dr. G. Frhr. v. Hertling, M.d. R., zum Dr. jur. hı. e. der Universität Loewen; der Privat-Docent für Pathologie und Anatomie an der technischen Hochschule in Lemberg M. J. Grabowski zum ausserordentlichen Professor; in Wien die ausserordentlichen Professoren der Pädagogik bezw. gerichtlichen Mediein Dr. Th. Vogt und Dr. A. Kolisko zu ordentlichen Professoren, der Privat-Docent der Zahnheilkunde Dr. J. Scheff zum ausserordentlichen Professor, die Privat-Docenten der inneren Mediein Dr. M. Heitler und Dr. R. Ritter von Limbeck zu Professoren, die Privat-Docenten der Gynäkologie bezw. Derma- tologie, Kinderheilkunde und Neuropathologie Dr. A.Felsenreich, Dr. M. von Zeisl, Dr. F.Frühwald und Dr. L. Frankl Ritter von Hochwart zu Professoren; an der landwirthschaftlichen Akademie in Altenburg (Ungarn) J. Ujhelyi zum ordentlichen Professor; der Privat-Docent der Dermatologie in Budapest A. Havas zum Abtheilungs-Vorstand des Stefansspitals daselbst. Berufen wurde: Der ehemalige Privat-Docent der Philosophie in Halle Dr. Eugen Dreher, jetzt in Berlin, als Professor der Philosophie an die deutsch-amerikanische Universität in Chicago. Es habilitirten sich: In Jena Dr. E. Hertel für Ophthalmo- logie und Dr. F. Schulz für physiologische Chemie; in Budapest Gymnasial-Professor A. Richter für Pflanzenanatomie. Es starben: Der Botaniker Nikolaus Alboff in La Plata (Argentinien); der Professor an der medieinischen Klinik in Sala- manca Dr. J. L. Alonso; der Geologe Oberstlieutenant a. D. Charles Cooper-King in Camberley (Currey); der Geologe Dr. Delmas in Castries (Aveyron); der Mathematiker Real- gymnasial- Director a. D. Wilhelm Fischer in Bernburg; der Lichenologe Gymnasial-Lehrer Dr. K. B. Jacob Forssell zu Karlstadt in Schweden; der Herausgeber des Catalogus plantarum in agro Calatohieronensi eolleectarum Bischof Saverio Gerbius in Caltagirone; der Professor der vergleichenden Anatomie in Madrid Mariano de la Paz Graells; der Zoologe Rev. Walter Gregor in Pitsligo (Schottland); der Professor der Geburtshilfe und Gynäkologie in Utrecht Dr. T. Halbertsma; der Geograph Seminarlehrer August Hummel in Delitzsch; der als Geograph verdiente französische Consul in Canton Camille Imbault-Huart; der portugiesische Afrikaforscher Roberto Ivens in Lissabon; der Bacteriologe und Brauereichemiker Edward Kokosinski in Lille; der Botaniker Lehrer E. J. S. Linnarson in Sköfde (Schweden); der Professor der Physiologie am Atlanta Medical College in Philadelphia Dr. A. Love; der Anthropologe General E. Henry Man in Surbiton; der ehemalige Professor der Geographie in Agram Dr. Peter Matkovi&ß in Wien; der Kriegschirurg Generalstabsarzt Dr. Neudörfer in Abbazia; der Professor der Biologie und Geologie an der Ontario School of Agrieulture in Guelph J. Hoyes Panton in Ontario (Canada); der ehemalige Professor der Geburtshilfe und Gynäko- logie am Jefferson Medical College in Philadelphia Dr. Theophil Parvin; der Leibarzt Napoleons III Prosper De Pietra Santa; der um die Bienenzucht sehr verdiente ehemalige Docent an der landwirthschaftlichen Akademie in Poppelsdorf Dr. August Pollmann in Bonn; der Professor der Physik und Astronomie an der Colby University und Director der Sternwarte in Water- ville W. A. Rogers; der Coleopterologe John William Shipp in Oxford; der Reiseschriftsteller Johann Sima in Görz; L Geologe Thomas James Slatter in Evesham (England); der Professor der Botanik und Direetor des botanischen Gartens in Catania Ab. Francesco Tornabene; der dänische Kliniker Friedrich Jacob Trier in Kopenhagen; der Professor der Physiologie und pathologischen Anatomie in Rio de Janeiro Dr. Uttinguassu; der Conservator der paläontologischen Sammlung des Museums Teyler in Haarlem Dr. T. C. Winkler; der ehe- malige Professor in der physikalisch-mathematischen Facultät in Warschau Jwan A. Wostokow; der Ingenieur Sir James Nicholas Douglass, F. R. S. in London; der Professor für Dermatologie und Syphiligraphie in Modena Dr. A. Marianelli. Mit Ablauf des Jahrganges 1897 wird die Schriftleitung von „Just-Koehne’s botanischem Jahresbericht“ an Herrn Prof. Dr. Karl Schumann, Custos am botanischen Museum in Berlin, übergehen. Indem wir diese Veränderung mittheilen, fügen wir hinzu, dass der „Jahresbericht“ nach Form und Inhalt wesentlich in der alten Weise fortgeführt werden soll. Nur insofern wird eine Verbesserung angestrebt werden, als das Erscheinen desselben beschleunigt wird. Der Druck eines jeden Jahrganges soll spätestens im folgenden Jahre beendet sein. Durch diesen Um- stand werden die Referate als Anzeigen der betreffenden Werke mehr als bisher zu betrachten sein und aus diesem Grund richten wir an die Botaniker aller Länder die Bitte, Sonderabdrücke ihrer Arbeiten an den unterzeichneten Herausgeber zu senden.*) Gebrüder Borntraeger Prof. Dr. K. Schumann Berlin SW. 46, Berlin W. 30, Schönebergerstr. 17a. Botanisches Museum. Ueber den Stand der Herausgabe von Gauss’ Werken. — Bekanntlich hat die Gesellschaft der Wissen- schaften zu Göttingen seit langer Zeit die pietätvolle Auf- gabe übernommen, die Werke ihres grossen Mitgliedes, des als Fürsten der Mathematiker gefeierten Carl Friedrich Gauss herauszugeben und seinen reichen wissenschaftlichen Nachlass bearbeiten zu lassen. Die ersten sechs Bände, deren letzter vor mehr als zwanzig Jahren erschienen ist, wurden von Schering herausgegeben und fanden schnell die weiteste Verbreitung. Durch eine Verkettung von Umständen wurde dann die Fortführung und Vollendung der Herausgabe von Gauss’ Werken gehemmt, und es war die Befürchtung nicht zu unterdrücken, dass das Unternehmen niemals zum Abschluss kommen würde. Aus einer Reihe von historisch-kritischen Untersuchungen, unter denen hier die über die Theorie der Parallellinien von Prof. Stäckel genannt werden mögen, ging andererseits hervor, dass noch mancher Schatz in dem wissenschaft- lichen Nachlass von Gauss enthalten sein musste, der den ®) Separate und Schriften pflanzenpalaeontologischen Inhaltes erbittet H. Potonie, Gr. Lichterfelde (P.B.) bei Berlin, Potsdamer- Strasse 35, der das Referat über Pflanzenpalaeontologie über- nommen hat. XIH. Nr. 30 unerschöpfliehen Gedankenreichthum und die Vielseitigkeit dieses Genies von neuem offenbart und den Schlüssel zu manchen seiner Arbeiten bildet. Nach dem im November v. J. erfolgten Hinscheiden Schering’s ist nun ein Umschwung eingetreten, und es wird überall Befriedigung und höchstes Interesse erregen, dass jetzt die Bearbeitung und Herausgabe des Gauss’- schen handschriftlichen Nachlasses in einer Weise in die Wege geleitet worden ist, die in absehbarer Zeit zum Abschluss führen wird. Ueber den Stand dieser Ange- legenheit hat Geheimrath Felix Klein in Göttingen, welcher die Fortführung der von Schering begonnenen Unternehmung mit grossem Nachdruck betrieben hat, in dem ersten Hefte der Göttinger Nachrichten dieses Jahres Mittheilungen gemacht, auf die wir die allgemeine Auf- merksamkeit zu lenken wünschen. Ganz naturgemäss ist für die Bearbeitung des noch nicht veröffeutlichten Materials die Arbeitstheilung gewählt worden. Den bisherigen sechs Bänden werden voraus- sichtlich noch drei weitere folgen; der siebeite Band wird von Prof. Brendel in Göttingen herausgegeben werden und die astronomischen Untersuchungen von Gauss ent- halten, die noch übrig sind. Es kommen hierbei in Be- tracht: der endgültige Abdruck von Gauss’ T'heoria motus und aus dem Nachlass Beiträge zur Störungsrechnung. Im achten Bande werden Nachträge zu den früheren Bänden veröffentlicht werden, und zwar seien hier nach den Mittheilungen von Geheimrath F. Klein folgende Punkte besonders hervorgehoben: Aus der Zahlentheorie und Analysis, deren Bearbeitung Prof. Frieke übernommen hat, ziemlich weitgehende Untersuchungen über eubische Reste, sowie interessante Einzelheiten zur Theorie der elliptischen Functionen; aus den nachgelassenen Notizen geht z. B. hervor, dass Gauss schon lange vor Riemann und späteren Forschern die volle Kreisbogenfigur der elliptischen Modulfunctionen gekannt hat. Hieran werden sich die Untersuchungen über Geometrie schliessen, für die Prof. Stäckel gewonnen ist. Aus diesem Gebiete sind Aufschlüsse über die Spekulationen von Gauss über die Grundlageu der Geometrie, über Entstehung der be- rühmten Abhandlung über Flächentheorie (Disquisitiones eirea superficies eurvas) und neue Einzelheiten über die Geometrie der Kugel zu erwarten. Ferner finden sich im Nachlass noch geodätische Untersuchungen, mit deren Be- arbeitung Prof. Börsch und Prof. Krüger beschäftigt sind. Es schliessen sich hieran die Untersuchungen über mathe- matische Physik, die Prof. Wiechert bearbeitet. Auf diese Bände folgt der neunte Band, in welchem das bio- graphische Material Aufnahme finden soll, und der auch Mittheilungen aus dem Gauss’schen Briefwechsel enthalten wird. Ausführliche Register werden einen Supplement- band bilden. Wie aus diesen kurzen Mittheilungen hervorgeht, handelt es sich also um ein umfangreiches und ungemein wichtiges Unternehmen, das etwa in drei Jahren zur Vollendung kommen dürfte. Die Göttinger Gelehrte Ge- sellschaft, vor allem Geheimrath Klein und die genannten Mitarbeiter, erwerben sich durch ihre Hingabe an die pietätvolle Aufgabe den Dank der Mit- und Nachwelt. Damit nun diese Aufgabe in erreichbarer Vollstän- digkeit gelöst werden kann, muss vor allem das in Frage kommende Material vollständig beisammen sein, und des- halb richtet Geheimrath Klein an alle diejenigen, Private und Gesellschaften, die im Besitze irgend- Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 359 welcher auf Gauss zurückgehender oder für seine Thätigkeit wichtiger Manuscripte oder Briefe sind, die Bitte, die Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften hiervon zu benachrichtigen und ihr die Kenntnissnahme der Belege zu ermög- lichen. Indem wir diese Bitte wiederholen, wünschen wir, dass dieselbe reichen Erfolg haben möge! EG Ertteratur Prof. Dr. Friedrich Harms, Naturphilosophie. Aus dem hand- schriftlichen Nachlass des Verfassers herausgeg. von Dr. Hein- rich Wiese. Th. Grieben’s Verlag (L. Fernau). Leipzig 1895. Der Herausgeber hat aus der von Harms vorhandenen Ver- öffentlichung „Philosophische Einleitung in die Encyelopädie der Physik“ in dem von Karsten herausgegebenen grossen Werk „Allgemeine Encyelopädie der Physik“ und aus dem umfang- reichen handschriftlichen Nachlass gewissenhaft und mit Ge- schicklichkeit ein systematisches Ganze zusammengestellt: die vorliegende Naturphilosophie. Mag man in der Grundlage, auf der H. seine Naturphilosophie aufbaut, ınit diesem einverstanden sein können oder nicht: zweiffellos ist das Buch anregend uni fördernd. Wilhelm Wundt, Vorlesungen über die Menschen- und Thier- seele. 3. umgearb. Aufl. Leopold Voss in Hamburg und Leipzig 1597. — Preis 12 Mark. Das Buch ist seiner Tendenz und seinem Inhalte nach den Interessenten so bekannt, dass es hier wesentlich nur darauf an- kommen kann, das Erscheinen einer Neu-Auflage anzuzeigen mit der Angabe der Unterschiede derselben gegen die längst vergriffene, 1892 erschienene 2. Auflage. Nun, die 3. Auflage ist in Anordnung und Einklang unverändert geblieben; sie ist aber gewissenhaft durehgesehen, ergänzt und verbessert worden. Die bedeutendsten dieser Ergänzungen betreffen die Abschnitte über die Gefühle, Atteete und Willensvorgänge, sowie die Lehre von den Zeitvor- stellungen und dem zeitlichen Verlauf der Bewusstseinsvorgänge. Dr. Joh. Georg Meyer, Hermann Credner’s Elemente der Geo- logie Vom philosophischen und pädagogischen Gesichtspunkte besprochen. J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel). Strassburg i. E., 1897. — Preis 60 Pf. Das Heft beschäftigt sich vorwiegend mit den 5 ersten Ab- schnitten von Credner’s Geologie, welche die allgemeine G. be- handeln. Trotz les grossen Lobes, das Verf. dem bewährten Buche Credner’s entgegenbringt, macht er auf verbesserungsbedürftige Stellen des wichtigen Werkes aufmerksam. Aurel Anderssohn, Physikalische Princeipien der Naturlehre. G. Schwetschke’scher Verlag in Halle (Saale) 1894. — Preis 1,60 Mark. Das Heft ist jedem, den das Streben nach Zusammenfassung, Vereinheitlichung der gegebenen Einzelheiten beseelt, zu em- pfehlen. Es giebt einen geschickten, in der erwähnten Richtung vorgehenden Ueberblick, über die Mechanik der kosmischen und der terrestrischen Erscheinungen. Verf. führt alle Erscheinungen der physischen Welt auf den von Ewigkeit her und in alle Ewigkeit wirkenden mechanischen Druck zurück: die Gravitation. z. B. findet ihre Ursache in den durch den Aether gegebenen Druckverhält- nissen. Jahrbuch der Photographie und Reproductionstechnik für das Jahr 1898. Unter Mitwirkung hervorragender Fachmänner her- ausgeg. von Regierungsrath Dr. Josef Maria Eder. 12. Jahrg. Mit 111 Abbild. und 30 artistischen Tafeln. Wilhelm Knapp in Halle a. S. 1898. — Preis 8 Mark. Das Jahrbuch enthält wieder eine grosse Zahl von Original- Beiträgen und durch diese und den Jahresbericht über die Fort- schritte der Photographie und Reproduetionstechnik, die Angabe der Patente, Aufzählung der Litteratur, eine solche Fülle von Material, dass auch der vorliegende Jahrgang eine wichtige Fund- grube für den Fachphotographen bildet und auch dem Amateur sehr wichtige Dienste leisten kann. Te a ER FE FRE EEE | FE |EREF ee EP FEE Inhalt: L. Linsbauer: Die Liehtverhältnisse des Wassers. — Weihwasser in den katholischen Kirchen. — Das Vorkommen von Centrosomen bei pflanzlichen Zellkernen. — Ueber den Stand der Herausgabe von Gauss’ Werken. — Aus dem wissen- schaftlichen Leben. — Litteratur: Prof. Dr. Friedrich Harms, Naturphilosophie. — Wilhelm Wundt, Vorlesungen über die Menschen- und Thierseele. — Dr. Joh. Georg Meyer, Hermann Credner's Elemente der Geologie. — Aurel Anderssohn, Physi- kalische Prineipien der Naturlehre. — Jahrbuch der Photographie und Reproductionstechnik für das Jahr 1898. 360 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! Grosse Vortheile! ıe Zu DS A? 272 > BERLI Berlin SO. 26, Kein Risiko! . 5.0.26, Neues Princip für Massenbetheiligung an industriellen Unternehmungen. = Neuheiten - Vertrieb. — Neu aufgenommen: Durchführung des Buttenstedt- schen Flugprineips (von zwanzig namhaften Gelehrten unterstützt) und Errichtung einer Versuchs- station für Flugzwecke. Internationaler Verein zur rationellen Verwerthung von Erfindungs-Patenten. Eingetragene Genossenschaft mit be- schränkter Haftpflicht. Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, participirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabricirten Artikel. Berlin - Friedenau empfiehlt als Spezia- litäten seine Mikroskope ° nlotogr Ohektive, Preislisten gratis und franko. BESFETFTFFFFFFFFFFTTT Hempel’s Klassiker -Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandl. FITTTTTITITTTELZTLTTZ Gebrauchte :Gasmotoren DAMPF- und DYNAMO- ‚MASCHINEN _ "garantiri betriebsfähig ‚in allen "Grössen 'sofort,lieierbar. Elektromotor, s.m.v.n. Schi Nbauerdamm 21 "Berlin NW. | Otto Toepfer Werkstatt für wisssenschaft- liche Instrumente. Potsdam. = Gegr. 1873. Speeialgebiet: „Astrophysik“ (Astrophotometrie, Astrospeetroskopie, Astrophotographie). Fernrohre bis 5* fr. Oeffn. azimuthal u. parallaktisch mon- tirt. (Mit und ohne Uhrwerk.) — Ocu- lar-, Nebel-, Stern-, Protuberanz-Spec- troskope. — Spec- tralapparate und Spectrometer für wissenschaftliche, technische u. Schul- zwecke, — Stern- spectrographen nach Prof. H. ©. Vogel. — Heliographen ver- schiedener Art. Speetroheliogra- phen nach Hale. — Heliostate bewähr- ter Construction. — Keilphotometer mit Registrireinrich- tung. — Astropho- tometer nach Zöll- ner. — Speetralpho- tometer div. ÜUon- struction. He- lioskop-Oculare,. — Astronom. Hülfsin- strumente jeder Art. — Schraubenmikro- meterwerke. — Ocu- lare, Lupen, Pris- men. — Optische Bänke. — Photogr. Apparate zur Re- propuction astron. Objecte. — Neutral- läser mit und ohne assung. — Sensito- meter und Iconometer für photogr. Be- darf. — Lupenapparate und kleine Mi- kroskope für botanische und entomolo- gische Studien. — Projectionsapparate. d Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Mh Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. | Max Steckelmann, | Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 33l. Gameras. | Photo 5” Sämmtliche Bedarfsartikel. ME | Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässirste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“, Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). raphische Stativ- und Hand- Gediegene Ausstattung. | Ohne Beutel! XIll. Nr. 30. OH PO OH HH HH OO HH HH Dr. Robert Muencke Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. II IT I I I I I N ST I I 1 I SI 5 75 ® + 52 “ “ ® 52 .., ® s 52 2 s ® 52 52 6 , % Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Zend. Dimmlers Derlagsbuchhandtung in Berlin SW. 12, Zimmerfr. 94. Vor Kurzem erjchienen: Der geniale WMenfd. Seemtun: Türd. Dritte ftarf vermehrte Auflage. Subalt: I. Künftleriiches Geniegen und Schaffen des genialen Menfchen. IL Bhilo- jophiiches Streben. III. Braftiiches Verhalten. Gott und Welt. IV. Shatejpeares Hamlet. V. Goethes Fauft- VI. Byrons Manfred. VII. Schopenhauer und Spinoza. VII. Ghriftus und Buddha. IX. Alerander, Gäjar, Napoleon. 2 al und 2ombrojo. XI. Stivner, Nießihe ud Sbjen. XI. Schluß- betrachtung. 390 Seiten gr. 8°. Preis geb. 4,50 ML, eleg. geb. 5,60 A. Der Menfchheitsichrer. Ein Kebensbild des Weifen von Nazareth. Bon George Paul Sylveiter Cabani2. 300 Seiten Oftav. Preis geh. 3 AL, elegant geb, 4 HM, Ernte Antworten anf Finderfragen. Ausgewählte Kapitel aus einer praßfifhen Pädagogik fürs Haus von Dr. phil. Nudolph Penzig, Dozent an der Humboldt - Afademie in Berlin. 248 ©. groß Dltav. Preis geh. 2,80 M, geb. 3,60 M. Dünnschliff-Sammlungen für praktische mikroskopische Uebungen. Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller wichtigen Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. Rosenbusch „Mikroskopische Physiographie der massiven Gesteine“ Stutt- gart 1896. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste gedruckte Beschreibung, derart, dass der Lernende die einzelnen Gemengtheile der Gesteine makroskopisch und mikroskopisch erkennen und bestimmen kann. } t Sammlungen von je 120, 180 und 250 Dünnschliffen in elegantem Etui je Mk. 150, Mk. 225, bez. Mk. 325. n Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen Handstücken. (Format 8, >< 11 em.) je Mk. 250, Mk. 390, bez. Mk. 575. Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer genauen mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate und für die richtige Auswahl von charakteristischem Material garantirt werden kann. Dr. F. Krantz, Rheinisches Mineralien- Contor. Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. Geschäftsgründung 1833. Bonn qa./Rh. Geschäftsgründung 1533. nl le — nn Verantwortlicher Redaeteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, .Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ER Dan » = Redaktion: — as die naturwissenschaftliche Forschung -ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- den Gebilsen der Phantasıe, wırd M" ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, derihre Schöpfungen schmückt. Schwendener. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, "Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. Y 2} L XII. Band. Sonntag, den 31. Juli 1598. Nr. 31. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- ] Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 &. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist # 4— co sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme ch bei der Post 15 ,„& extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Stammbaum der arischen Völker, auf Grund des Verbreitungscentrums der nordeuropäischen Menschenrasse (Homo europaeus dolichocephalus flavus) entworfen von Dr. Ludwig Wilser. Einer freundliehen Aufforderung der Redaktion, den ı Versuche, einen Stammbaum der arischen Völker zu ent- in meinem Vortrag über „Menschenrassen und Welt- geschichte“ (XIII. 1) nur mit Worten angedeuteten Stamm- baum der Arier*) in die Karte unseres Welttheils ein- zuzeichnen, weiter auszuführen und zu erläutern, komme ich um so lieber nach, als gerade die geographischen Verhältnisse, da sie die Richtung der Wanderzüge be- stimmt haben, für das Verständnis der Völkerbewegungen und verwandtschaftlichen Beziehungen von der grössten Bedeutung sind. So lange man die Urheimath unseres Volkes und seiner Stammverwandten im fernen Osten suchte, war eine Anlehnung an die Gestaltung unseres heimischen Welttheils mit seinen Gebirgszügen, Flüssen, Meeres- armen, Landengen und Halbinseln ganz undenkbar; die Durehwanderung so ungeheuerer Strecken musste jeden nachbarlichen Zusammenhang gelöst, jedes Verwandt- schaftsband gesprengt haben. Wirr und wahllos durch- einander gewürfelt, abgeschliffen und vermischt wie das Gerölle eines von seinem Urquell im Gebirge weit ent- fernten Stromes müssten die einzelnen arischen Wander- horden in ihren jetzigen Wohnsitzen eingetroffen sein. Jeder Versuch, eine Verbindung zwischen Ursprungsland und neuer Heimath herzustellen, musste misslingen; allzu gross waren die trennenden Zeiträume und Entfernungen. Das Land, das unser Stammvolk hervorgebracht, ihm den Stempel seiner Eigenart aufgedrückt haben sollte, zeigte eine völlig verschiedene, an Leib und Seele, Sprache und Sitte anders geartete Bevölkerung. Ein Baum ohne Wurzel ist ein Unding. Daher mussten auch alle früheren *) Kürze halber nennen wir so die auch als Indogermanen, Indokelten, Indoeuropäer, Teutarier bezeichneten Völker gleichen Sprachstammes. werfen, daran scheitern, dass man die Verzweigungen und Verästelungen des Volks- und Sprachstammes nicht auf ein bestimmtes, räumlich beschränktes Gebiet zurück- führen konnte, dass man von der unbewiesenen und un- beweisbaren Voraussetzung ausging, des Stammbaums Wurzel müsse irgendwo „im hohen Mittelasien*, wo ja nach alter biblischer Anschauung das Paradies, die „Wiege der Menschheit,“ lag, gesucht werden. — Einfach logische Folgerungen aus dieser Voraussetzung waren die von Schleicher*) aufgestellten Sätze: 1) Je westlicher eine Sprache (oder Volk) ihren Sitz hat, desto früher riss sie sich von der Ursprache (dem Urvolke) los. 2) Je östlicher ein indogermanisches Volk wohnt, desto mehr Altes hat seine Sprache erhalten, je west- licher, desto weniger Altes und desto mehr Neubildungen enthält sie. Nicht minder logisch war die Forderung Pietet's,**) dass man bei Sprachvergleichungen immer vom Sanskrit ausgehen müsse (partir toujours du mot sanserit); denn diese Sprache hatte nicht nur die ältesten schriftlichen Denkmäler, sondern war auch die östlichste unter ihren indogermanischen Schwestern. Da aber die Thatsachen mit diesen einwandfreien Schlussfolgerungen nirgends stimmen, so muss — tertium non datur — die Voraus- setzung falsch sein. Als zuverlässigere Führerin hat sich die Natur- wissenschaft erwiesen, wie sie überhaupt die Grundlage *) Die ersten Spaltungen des indogermanischen Urvolkes. Kieler Allgem. Monatsschrift für Wissenschaft und Litteratur 1853. ‘#) Les origines Indo-europeennes on les Aryas primitifs, essai de paldontologie linguistique (hier zum ersten Mal gebrauchter Ausdruck). Paris 1859—63. 362 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. AI. Nat E—————— m nl ll aller menschlichen Erkenntniss bildet. Seit wir eine Ent- wickelungslehre haben, hat die Rassenkunde, einschliess- lich der menschlichen, ungeahnte Fortschritte gemacht. Wie vor Darwin Zoologie und Botanik nur beschreibende, nicht erklärende Wissenschaften waren, so ist auch erst durch die Anwendung der Entwickelungsgesetze auf den Menschen eine wahre wissenschaftliche Anthropologie möglich geworden. Da die Menschenrassen nach den gleichen unveränderlichen Gesetzen, die die Entwickelung die anderen zur Ausgestaltung, Ausschmüekung und Ein- richtung berufen sind. Die Verbreitungscentren der Rassen, ihre Ver- theilung und Mischung in den Völkern — die Ver- wechselung beider Begriffe hat sehon viel Unheil und Verwirrung angerichtet — lassen sich dureh naturwissen- schaftliche Untersuchungsweise genau feststellen. Es giebt Völker reiner Rasse, bei denen sich die beiden Be- griffe noch decken; die meisten aber sind aus der Ver- _ NS EUROPA, Erklarun 9: = - - Weststrom (keiten)| IV boten: —Minelstram (bermanen ngävonen. Jstavonen Schwaben Hader Rundköpfe. © Verdreitungs centrum.. 7:2#.000.000 — Keen \ St a Uhrake | Getae des Thier- und Pflanzenreichs beherrsehen, sich gebildet, getrennt, verbreitet, verdrängt und vermischt haben, so kann eine solche, auf sicherem, wissenschaftlichen Grunde fussende Rassenlehre selbstverständlich über den Ursprung und die Wanderungen der Völker ganz anderen Auf- schluss geben, als die aus naheliegenden Gründen höchst unsichere Sprachvergleichung. Es liegt mir ferne, bei der Erforschung der Vorzeit die Mitwirkung anderer Wissenschaften, wie Alterthumskunde, Geschichte und Sprachforschung, ganz abzuweisen: richtig angewendet können sie alle Bedeutendes leisten. Die Naturwissen- schaft errichtet, wenn hier ein Vergleich mit der Bau- kunst statthaft ist, gewissermaassen den Rohbau, während mischung von zwei, drei oder mehr Rassen hervorgegangen. Oft ist die Mischung eine vollständige, manchmal ent- halten die oberen Gesellschaftssechiehten mehr Blut der edleren, daher herrschenden Rasse. Durch ungleiche Vermehrung, verschiedene Widerstandsfähigkeit im Kampf ums Dasein und ähnliche Ursachen können einzelne Rassen aus der ein Volk bildenden Mischung im Lauf der Ge- schichte ganz oder nahezu wieder verschwinden. Oft sind nur noch Namen, Sprachen, Ansprüche der ursprüng- lich staatenbildenden Rasse geblieben, während Blut und Thatkraft derselben ausgestorben sind. Da es noch heute, trotz der seit Jahrtausenden sich vollziehenden Rassenmischung, arisch redende Völker von XII. Nr. 31. reiner Rasse oder doch nur verschwindend geringer Bei- mengung fremder Bestandtheile giebt, so ist meine zuerst im Jahre 1881 gezogene Schlussfolgerung, dass aus dieser Rasse alle Indogermanen hervorgegangen, dass in ihrem Verbreitungseentrum die Wurzeln des arischen Stamm- baumes zu suchen seien, unabweisbar. Diese Rasse aber ist die nordeuropäische (Homo europaeus dolichocephalus flavus), und ihr Ausstrahlungsmittelpunkt kaun nach dem Naturgesetz nur da liegen, wo sie sich am reinsten er- halten hat, das ist auf der skandinavischen Halbinsel. Sie ist die höchststehende unter allen Menschenrassen, und dass sie als solehe auch die höchstentwickelte Sprache geschaffen, ist selbstverständlich, ebenso dass sie bei ihrer Ausbreitung über mehrere Welttheile leichter ihre Rassereinheit als die durch ihren Kulturwerth mächtige Sprache einbüssen konnte. Alle Völker, die eine arische Sprache reden, lassen mehr oder weniger noch die Spuren der Stammrasse erkennen, die, wie Schädelfunde, Abbildungen und Schilderungen von Augenzeugen lehren, in früheren Jahrhunderten die vorherrschende war. Heute sind ihre bekannten Merkmale, Langkopf, blaue Augen, helles Haar, weisse Haut, hoher Wuchs, vereinigt und über alle Volksscehichten verbreitet, fast nur noch bei Sehweden und Norwegern zu finden. Alle einzelnen Wellen des Völkerstroms in dem in die Karte von Europa eingezeichneten Stammbaum kenntlich zu machen, ist unmöglich; es genüge, hervorzuheben, dass der mittlere der drei Hauptströme, der germanische, zu- gleich der jüngste ist, und dass die der Wurzel nächsten Theile des Stammbaumes die zuletzt vom gemeinsamen Grundstamm abgetrennten Völker enthalten. Im Uebrigen mag die Zeichnung für sich selbst sprechen. Der West- strom, in dessen Bett die verschiedenen Wellen der Italer, Umbrer, Kelten, Gallier, Belgen geflossen, hat, da ihm das Weltmeer unübersteigliche Schranken entgegen- setzte, keine weitere Theilung erfahren. Dagegen hat der die weiten Landstrecken von Osteuropa und West- asien überfluthende Oststrom sich in drei Arme gespalten, 1. den wendisch-slavisch-indischen, 2. den litauisch-thra- kisch - tyrsenisch - hellenischen und 3. den sarmatisch- skythisch-persisch-medischen. Völkernamen, deren Aehn- lichkeit auf gemeinsamen Ursprung hinweist, sind durch gleiche Buchstaben gekennzeichnet. *) Dieser auf rein naturwissenschaftlicher Grundlage beruhende Stammbaum — er stellt die Ausstrahlungen einer bestimmten Menschenrasse dar — stimmt doch voll- ständig mit dem überein, was die geschichtlichen Ur- kunden von Völkerwanderungen überliefert haben, was die Sprachvergleichung über Verwandtschaft benachbarter Sprachen und Mundarten ermitteln kann und was die Alterthumskunde von vorgeschichtlichen und geschicht- lichen Kulturströmungen erkennen lässt. Obwohl ich darüber andern Orts wiederholt und ausführlich Auskunft gegeben, so sei doch hier zur Be- quemlichkeit des Lesers auf die naheliegende Frage Ant- wort gegeben, wie die während der Eiszeit unter einer ungeheuren Decke von Inlandeis begrabene skandinavi- sche Halbinsel zum Entwickelungsherd und Ausstrahlungs- mittelpunkt der edelsten Menschenrasse geworden ist. Die heute unsern Welttheil belebenden, an ein ge- gemässigtes Klima angepassten Thiere und Pflanzen haben diese Anpassung nicht in ihren jetzigen Wohnsitzen erworben, sondern unter nördlieheren Breiten, in der jetzt theilweise von Meeresfluthen bedeckten Arctogaea oder Polaris. Mit der von den Polen aus fortschreitenden Ab- kühlung verschoben sich auch die Floren- und Faunen- *) Auf der Karte sollte auch der Name Wandale mit einem d vorhanden sein. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 363 gürtel langsam nach Süden, so dass, was einst bei uns gedieh, jetzt sein Fortkommen nur noch in Nordafrika findet. Den Pflanzen folgten die Thiere, und mit ihnen kam auch der Mensch aus dem Norden nach Westeuropa. In diese allmähliche Verschiebung, diesen langsamen Wechsel brachte die Eiszeit eine gewaltsame Störung. Nordeuropa wurde für lange Zeit unbewohnbar. Als aber die Eismassen geschmolzen waren, blieben die frei- gewordenen Landstreeken selbstverständlieh nicht ohne Leben, sondern wurden vom Süden her wieder mit kälte- liebenden Pflanzen und Thieren besiedelt. Was auch den Menschen wieder nordwärts zog, war vermuthlich das Renthier, auf das er zu seinem Lebensunterhalt angewiesen war. Gerade dieser nördlichste Zweig der Ureuropäer aber erreichte in Folge des harten Daseinskampfes die höchste Stufe menschlicher Entwickelung. Sein beschränk- tes Wohngebiet machte bei starker Vermehrung wieder- holte Auswanderungen zur Nothwendigkeit, und diese Wanderschaaren haben von den ältesten Zeiten bis auf den heutigen Tag nordisches Blut, arische Sprache und Sitte über den Erdkreis verbreitet. Es sei noch beigefügt, dass ich den ersten Versuch eines solchen Stammbaums,. doch ohne geographischen Umriss, im Jahre 1892 in meiner Abhandlung über „Die Vererbung der geistigen Eigenschaften“ veröffentlicht habe.*) Die germanische Stammeskunde, deren richtige Auffassung mit der Voraussetzung östlichen Ursprungs unvereinbar war, habe ich eingehend in einer besonderen Sehrift**) behandelt. Versucht man, von dieser auf einwandfreiem Wege gefundenen Wurzel aus den arischen Stammbaum zu ent- werfen, so ist man überrascht, wie mit einem Schlage alle Schwierigkeiten, an denen so viele frühere Versuche scheitern mussten, schwinden, wie sich der Zusammen- hang fast von selbst ergiebt, wie naturwissenschaftliche, geschichtliche, sprachliche, archäologische Thatsachen ohne Widersprüche übereinstimmen. Mit vielem freilich, was bisher von zahlreichen Lehrstühlen als hohe Weisheit verkündet wurde, steht diese Lehre von unserer nordischen Herkunft in schroffem Widerspruch und hat daher als höchst unbequeme „Ketzerei“ die heftigsten Angriffe er- fahren. Trotzdem ist in dem langen Zeitraum von fast 17 Jahren kein einziger stichhaltiger Gegengrund vor- gebracht worden. Auch die unablässige Forscherarbeit, die überraschenden Entdeckungen der letzten Jahrzehnte haben nichts zu Tage gefördert, was damit unvereinbar wäre. An Vorläufern, wie Schulz 1826, Omalius d’Halloy 1839, Henne 1840, Wilhelm und Ludwig Lindenschmit 1842, Latham 1851, Ecker 1865, Benfay 1868, Geiger 1871, Cuno 1571, Fr. Müller 1872, Peschel 1874, Poesche 1378, die unseres Volkes, der Indogermanen oder der weissen Rasse Urheimath in Europa suchten, hat es nicht gefehlt; alle aber haben theils nieht scharf genug zwischen Rasse und Volk unter- schieden, theils die Verbreitung der Rassen und ihre Ver- theilung auf die Völker nieht gekannt oder berücksichtigt, sodass sie zu dem, worauf es ankam, dem Verbreitungs- centrum der blonden Rasse, nieht gelangen konnten. Seit- dem dies aber durch die anthropologischen Untersuchungen festgestellt worden, ist der Streit gegenstandslos, die Frage endgiltig beantwortet. Wie wir jetzt die Entstehung dieser edelsten aller Menschenrassen und ihrer leiblichen und geistigen Merk- Illenauer Festschrift. Heidelberg bei ©. Winter. #*) Stammbaum und Ausbreitung der Germanen. Bonn 1895. P. Hanstein. Um die Linien der Karte nicht zu sehr zu verwirren, sind die Wanderwege der grösstentheils untergegangenen und für unser Volksthum kaum noch in Betracht kommenden Ostgermanen, Burgunden, Wandalen und Goten, nieht weiter verfolgt. 364 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 31. male und Vorzüge auf natürliche, dem Ursprungsland entsprechende Ursachen zurückführen können, so fällt auch auf die Art ihrer Verbreitung, seit wir die „Werk- statt der Völker“ wieder an richtiger Stelle suchen, ein ganz neues Licht. Nicht ein räthselhaft „unhemmbarer Trieb“, wie die Sprachforscher der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts meinten, hat die Völker in Bewegung ge- setzt, sondern die gleichen Ursachen, die auch heute noch zur Auswanderung und Besiedelung fremder Länder zwingen, starke Vermehrung und Nahrungsmangel, haben von je- her die Rassen zur Ausbreitung gedrängt, wobei die Stärkeren im Kampf ums Dasein selbstverständlich Sieger blieben und die Schwächeren vertrieben oder unterjochten. Das Urvolk, die Stammrasse selbst, hat niemals aufgehört zu bestehen, ist in der alten Heimath sesshaft geblieben und langsam, aber stetig in der begonnenen Entwickelung fortgeschritten. Nur der jeweilige Ueberschuss der Be- völkerung ist ausgewandert und hat mit dem edlen Blut der Rasse die angestammte Sprache und Sitte in ferne Lande getragen. Es ist daher ‚ein vergebliches Unter- fangen, den Kulturzustand oder die „Ursprache“ des Stammvolkes ermitteln zu wollen. Diese sind in jedem Jahrhundert andere gewesen. Was sich annähernd er- schliessen lässt, das ist die Entwickelungsstufe, auf welcher die einzelnen Aeste vom Grundstamm sich abgezweigt haben. Aber auch hierbei ist Vorsicht nötig, denn im Bett der Völkerströme sind oft hinter einander verschie- dene Wellen von sehr ungleicher Entwickelungshöhe ge- flossen. Wenn man beispielsweise darüber streitet, ob und wie nahe die Kelten mit den Germanen verwandt seien, so ist vor allem klarzustellen, welche Welle man meint; denn die Abkömmlinge der keltischen Eroberer, die in vorgeschichtlicher Zeit Spanien, Südfrankreich und Italien besiedelt hatten, waren zu Cäsar’s Zeit durch Rassenmischung und Sonderentwickelung den Belgen, die sich zuletzt vom gemeinsamen Stamme getrennt hatten und den Germanen noch zum Verwechseln glichen, recht unähnlich geworden. Auf soleh unsicherer Grundlage beruhten die ersten Versuche, die Spaltung der Völker und Sprachen in Gestalt „eines sich verästelnden Baumes“ darzustellen *), während der Ausdruck „Stammbaum“ erst ein Jahrzehnt später, offen- bar unter dem Eindruck der inzwischen erschienenen „Ent- stehung der Arten“, in Schleicher’s Schrift „Die Dar- winsche Theorie und die Sprachwissenschaft“ (1863) ge- braucht wird. Schon die ersten Stammbäume zeigten aber die Unvereinbarkeit der Thatsachen mit der Voraussetzung. Während Schleicher in seinem ersten Versuche vom Jahr 1853 die Kelten als erste indogermanische Einwanderer *) Angegebenen Orts und in dem Werke „Die deutsche Sprache“ 1860—61. weit ab von den „Gräko-Italern“ gestellt hatte, sah er sich 1861 durch die unleugbare nahe Verwandtschaft der Sprachen gezwungen, dies vielumstrittene Volk in engste nachbarliche Berührung mit den Italern zu bringen. Ein gleiches Schicksal hatten alle später von verschiedenen Forschern, wie Lottner, Fick, Fr. Müller, Pictet aufgestellten Stammbäume. Keiner stimmte mit dem an- deren, keiner völlig mit den Thatsachen überein, so dass schliesslich J. Schmidt den nutzlosen Versuch, einen mit der geographischen Verbreitung und sprachlichen Ver- wandtschaft der Völker sich genau deckenden Stamm- baum zu entwerfen, ganz aufgab und dafür seine „Wellen- theorie“ ersann, wonach in der Sprache des noch unge- trennten Urvolkes sich da und dort einzelne Unterschiede gebildet und „wellenförmig“ nach verschiedenen Rich- tungen verbreitet haben sollen. Wie man sieht, ist hier- bei aber die Ausbreitung des Volkes selbst durch Wander- züge gar nicht berücksichtigt. Wer wird sich nach dem Angeführten darüber wundern, dass bei so vielen Widersprüchen sogar ein- zelne Sprachforscher über die Ergebnisse ihrer eigenen Wissenschaft sich sehr zweifelhaft und wenig zuversicht- lich aussprechen? So giebt z. B. Delbrück den Histo- rikern den Rath*), dass sie bis auf weiteres „gut thun werden, von der Verwerthung solcher Sprach- und Volks- gruppen, wie die gräkoitalische, die slavodeutsche u. s. w. abzusehen.“ Es wäre recht gut gewesen, wenn die Ge- schichtsehreiber, statt sich durch die zuversichtlichen Be- hauptungen anderer Sprachvergleicher blenden zu lassen, solch nüchterne Rathschläge beachtet hätten. Wie viel unnöthige Arbeit, wie manchen Irrweg hätten sie sich ersparen können! In der neuesten Zeit ist die Werth- schätzung der „linguistischen Paläontologie“, im Kreise der Sprachforscher selbst, noch tiefer gesunken. Es giebt in der Geschichte der Wissenschaft, die ja zugleich auch eine Geschichte menschlichen. Irrthums ist, kaum: einen grösseren Zusammenbruch, als ihn die einst so stolze Vergleichende Sprachforschung erlitten hat. „Das ganze Gebäude der linguistischen Paläontologie stürzt zusammen,“ klagt Hirt**); man solle doch endlich aufhören, mahnt Kretschmar***), „aus blossen Wortvergleichungen Kultur- geschichte herausdestilliren zu wollen.“ Nachdem man fast das ganze Jahrhundert hindurch geglaubt hatte, die Sprachvergleichung könne die sichere Richtschnur im vor- geschichtlichen Dunkel abgeben, hat sich gezeigt, dass dieser Faden nicht wie der wahre Ariadnefaden aus dem Labyrinth heraus, sondern erst recht tief hineingeführt hat. *) Einleitung in das Sprachstudium. Leipzig 1880. **) Nekrolog für P. v. Bradke. Beilage zur Allgem. Ztg. Nr. 71, 1897. **%*) Einleitung in: die Geschichte der griechischen Sprache. Göttingen 1896. Schädigung der Landwirthschaft durch Thierfrass. Zusammengestellt von Dr. L. Reh, Hamburg. Eine ökonomische Zoologie existirt in Deutschland sogut wie nicht. Die wenigen Zoologen, die an Land- wirthschafts-Schulen, Forst-Akademien, u. s. w. angestellt sind, stehen dem ungeheuren Gebiete machtlos gegenüber, zumal sie durch ihre Berufspflichten zu sehr in Anspruch genommen Sind. Dass dennoch ein verhältnissmässig guter Ueberwachungsdienst in Deutschland besteht, dürfte den meisten Zoologen, unbekannt sein. Wird er. doch auch nicht von ihren Fachgenossen, sondern meist von Botanikern, speciell Phytopathologen ausgeübt. An der Spitze desselben stehen die rühmlichtst bekannten Proff. Drr. Frank und Sorauer in Berlin. Organisirt wird er von der Deutschen Landwirthschafts-Gesellschaft, die unter dem Protektorate des Kaisers steht. Ganz Deutschland wird in 12 Gaue eingetheilt: Ost- und Westpreussen; Schlesien und Posen; Brandenburg und Pommern; Mecklen- burg, Schleswig-Holstein, Hamburg und Lübeck; Hannover, Oldenburg und Bremen; Provinz Sachsen; Hessen-Nassau und die mitteldeutschen Staaten; Westfalen und Rhein- provinz; Sachsen; Bayern; Württemberg; Baden und Elsass- XII. Nr. 31 Lothringen. Jeder Gau enthält mehrere Auskunftsstellen mit Sachverständigen an der Spitze, z. Th. staatliche Institute. Hier werden alle Notizen gesammelt und ver- arbeitet. Der„Jahresbericht des Sonderausschusses für Pflanzenschutz“ stellt die einzelnen Berichte dann zusammen, sodass schliesslich ein übersichtliches und leid- ‚lich vollständiges Bild entsteht. Dem vorliegenden Jahres- bericht für 1897, Heft 29 der „Arbeiten der Deutschen Landwirthschafts - Gesellsehaft 1898,* sind die nachfolgenden Daten entnommen. Naturgemäss ist der botanische Theil des Berichtes ungleich vollkommener. Aber auch der hier nur berücksichtigte zoologische Theil bietet, ausser dem directen praktischen Interesse, manches wissenschaftlich, besonders in zoogeographischer und öko- logischer Hinsicht Werthvolle, das aus den Tabellen des Berichtes schwer zu ersehen ist, sodass eine besondere Zusammenstellung sich wohl rechtfertigen lassen wird. Zu vergessen ist nie, um dies nochmals hervorzuheben, die theilweise recht grosse Lückenhaftigkeit der Angaben. Hasenfrass wird nur aus Geisenhein a. Rh. berichtet, wo die Kohlgewächse in ganzen Reihen abgefressen wurden. Als ein wirksames Abhaltungsmittel erwies sich das Um- streuen von Blutmehl. Der Hamster hat auf seiner Aus- breitungs- Wanderung durch Deutschland die Provinzen Sachsen und Sachsen-Altenburg erreicht, wo er früher ganz unbekannt war, seit 1896 aber massenhaft auftritt. Dagegen wird seine Verminderung in Folge von Fang- Prämien, Eingiessen von Wasser und Jauche in seinen Bau u. s. w. aus Unter-Elsass berichtet. Schaden scheint er nur im Getreide angerichtet zu haben. Bei den Mäusen wird leider kein Unterschied zwischen den Gattungen Arvicola und Verwandten und der Gattung Mus gemacht. Am meisten Schaden wird aus Nordost-Deutschland, zum Theil auch aus Mittel-Deutschland berichtet, wo das Getreide bis zu 50°/,, der Klee bis zu 75°/, litten. Grossen Sehaden’hat besonders an Letzterem die Scheermaus; Arvie:; terrestris, im Münsterthal i. E. angerichtet. Zu erwähnen ist, dass bei Grimmen (Reg.-Bez. Stralsund) kein Mittel gegen die Mäuse half, dass sie aber im Herbste durch rasches T'hauwetter mit nachfolgendem Froste gänzlich verschwanden. Von Vögeln werden als schädlich nur Sperling und Saatkrähe erwähnt. Ersterer brachte den Weizen- feldern bei Köln einen Schaden von 30—40 °/, bei, letztere schadete bei Oldesloe in Schleswig dem Weizen 25°/,, dem Hafer .und der Gerste je 15°%,, während der Getreide- Schaden (Roggen und Weizen) bei Münster i. W. auf nur 4°/, geschätzt wird. Bei Ramuthen in Westpreussen wurde vielfach der Mais von den Krähen aufgefressen. Weit vollständiger sind die Insekten aufgeführt, von „denen etwa 100 Arten genannt sind. Es dürfte ge- nügen, wenn hier nur das Wichtigste herausgegriffen wird. Von Schmetterlingen trat besonders die Erdraupe (Agrotis segetum) schädlich auf. In Ostpreussen frassen die Raupen in früh gesäetem Roggen, namentlich an Hängen, eine Reihe kleinerer und grösserer Stellen leer, indem sie die jungen Pflänzchen dicht an der Erde ab- bissen und in die Erde hinabzogen. Auch im Unter- Elsass schadeten sie am Getreide und bier und in der Provinz Sachsen an den Rüben. Bei Genthin frassen sie an den Kartoffeln, und bei Rhade in Westpreussen schä- digten sie den Raps um 25°%,. Der weisse Kornwurm, Tinea granella, trat m Breslau, Chemnitz und im Ober-Elsass sehr schädlich auf Malz- bezw. Getreideböden auf. Die Kohleule, Mamestra brassicae, erschien bei Wellmitz schon sehr früh, gegen Ende Mai, und so massenhaft, dass in den noch gar nicht geschlossenen Kohlköpfen manchmal je 4—5 Stück zu finden waren. Alle Kohlsorten wurden befallen, doch wird nicht eigentlich Naturwissenschaftliehe Wochensehrift. 365 über den direeten Frass geklagt, sondern darüber, dass die Raupen die Kohlköpfe dureh ihre Exkremente derart beschmutzten, dass sie unverkäuflich wurden. Als Ur- sache des massenhaften Auftretens wird angegeben, dass vorjährige Kohlfelder in der Nachbarschaft im Winter nicht umgeackert worden sind, sondern die Strünke ein- fach liegen gelassen wurden. Der Kohlweissling, Pieris brassieae, zeigte sich, nach seinem starken Auf- treten 1895, sehr mässig; selbst wo er häufiger war, ver- ursachte er wenig Schaden; nur bei Neu-Ruppin war bis zum 31. Juli schon der vierte T’heil der Kohlrüben fast ganz abgefressen; bis 6. August kam der Frass zum Stillstande. Ausser dem Ablesen durch Kinder erwies sich das Ausstreuen von Thomasmehl als sehr wirksam. — Die Obstbäume litten natürlich wie gewöhnlich sehr unter Raupenfrass. Vom Frostspanner, Cheimatobia brumata, wird Anfangs Juni starker, zum Teil sehr starker Frass berichtet aus der Mark und dem Rheingau. Aus Oberhessen, Würzburg und Elsass-Lothringen wird seine Deeimirung durch Leimringe gemeldet.. Bei Greiz flogen am 1. November Abends die Männchen in Un- mengen. Der Ringelspinner, Gastropacha neustria, war sehr häufig in der Mark, in Rheinhessen und dem Elsass, vereinzelt in Oberhessen. Der Goldafterspinner, Porthesia ehrysorrhoea, frass bei Würzburg grosse Apfelbäume fast kahl und war auch in Elsass-Lothringen sehr verbreitet. Am meisten Schaden verursachten die Ge- spinnstmotten, Hyponomeuta spp., die überall massen- haft auftraten, in Kern- und Steinobst. In Münsterthal i. E. wurde nicht nur durch sie die ganze Obsternte vernichtet, sondern auch in Folge der Schwächung der Bäume der Ertrag für die folgenden Jahre in Frage gestellt. In Rhein- hessen, wo das Kernobst nicht besonders mitgenommen wurde, erlitten Pflaumen, Zwetschen, Mirabellen und Reine- elauden bis 50 °/, Schaden. Nächst dem Abschneiden und Verbrennen der Nester wirkten-Bespritzen mit Kupfer- vitriol, Kalkbrühe und Schmierseifenlösung am besten gegen die Raupen. Auch die Obstmade, Carpocapsa pomonana, war vielerorts sehr häufig; doch wurde der von ihr verursachte Schaden zum Theil dureh die hohen Preise des Fallobstes vermindert. Die Obstmadefallen aus Holzwolle erwiesen sich als sehr praktisch, haben aber den Nachtheil, dass in ihnen eine Unmenge der so nützlichen Spinnen verbrannt wird. Der Weidenbohrer, Cossus ligniperda, wird besonders aus Süddeutsch- land gemeldet. Apfel-, Birn-, Pflaumen-, Eschen-, Ul- men-, Erlen- und Pappelbäume fielen ihm zum Opfer. Der Heu- und Sauerwurm, Tortrix ambiguella, trat in Folge des nasskalten Sommers ungewöhnlich stark auf an der Mosel, wo sich der Schaden nach Millionen beziffert, im Rheingau, wo 1/,—!/,- stellenweise noch mehr der Ernte vernichtet wurde, in Rheinhessen, der Hardt, Württemberg, Baden und Elsass. Als einziges wirksames Gegenmittel kennt man bis jetzt das Absammeln der an- gestochenen Trauben, das natürlich nur in kleinen Grenzen hilft. Von den Käfern war, wie immer, der Engerling der schlimmste. Besonders Norddeutschland: Ostpreussen, Posen, Pommern, Schleswig-Holstein, Hannover, Mecklen- burg-Schwerin, dann aber auch Königreieh und Provinz Sachsen wurden von ihm heimgesucht. Am meisten Schaden scheint er den Zuekerrüben gethan zu haben, wo überall 10, 20, 40, 60, 80°%,, zum Theil sogar die ganze Ernte verniehtet ist. Danach kommt das Getreide, von dem besonders die Gerste (10, 15, selbst 60 °%,) ge- litten hat, dann der Hafer mit 15,10, 20%, u. s. w., der Roggen (d—20°),), am wenigsten der Weizen. Kartoffeln sind bis zu 80°/, zerstört, Erbsen, Bohnen und Wicken zu 30, 70 und 75°%,. Bei Oppeln wurden Versuchsfelder 366 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 31. mit Kopfsalat und Sellerie bis zu 95°/, zerstört. Maikäfer- frass wird nur aus Süddeutschland, besonders von Kirsch- bäumen gemeldet, wo übrigens die Fngerlinge auch Zwergobst-Bäumehen vernichteten. Nächst dem Engerling kommt unbedingt der Drahtwurm, die Larve verschie- dener Schnellkäfer, Elater, Agrotis, Lacon u. s. w. Sein Auftreten lief zum Theil parallel mit dem des Engerlinges. Besonders der Hafer litt unter ihm, aber auch Weizen (bei Göttingen 50%,). Auch aus Rheinhessen wird sein Auftreten gemeldet und in der Pfalz wurden die Hafer-, Gerste- und Tabakfelder so zerfressen, dass sie umge- pflügt und neu bestellt werden mussten. Zuckerrüben wurden in Norddeutschland zu 5—30°%, zerstört, Kar- toffeln zu 5—12°/,, Lupinen in Westpreussen und der Neumark mehr als zur Hälfte. Bei Eddelak in Holstein wurden sämmtliche ausgelegte Bohnen und fast alle Gur- kenkerne ausgefressen oder durchbohrt, so dass von ersteren nichts, von letzteren fast nichts aufging. Der Getreidelaufkäfer, Zabrus gibbus, schadete in Schle- sien an Weizen, in der Mark, wo er die Körner an den Halmen der Gerste abfrass, und in der Neumark an den Zuckerrüben. Von dem schwarzen Kornkäfer, Ca- landra granaria, wird ein bemerkenswerther Fall von Versehleppung berichtet, indem er sich am 5. September in Züsedom in der Uckermark in gekaufter Kleie vorfand. Der Schildkäfer, Cassida nebulosa, verursachte in Norddeutschland, Rheinpreussen und -Hessen und der Pfalz an Zucker- und Runkelrüben bis zu 50°, Schaden. Die nasse Witterung, ebenso wie verschiedene Bekämpfungs- mittel verminderten ihn nicht, dagegen haben in der Alt- mark Staar und Krähe tüchtig unter ihm aufgeräumt. Erdflöhe, Haltieca u. s. w., frassen bei Alzey die Gartenerbsen vollständig ab, und vernichteten in Mittel- deutschland Raps, Steekrüben, Kobl, Kraut u. s. w., zum Theil vollständig, Phytonomus meles zerstörte in Westpreussen die Wieken zu 20—40°%,. Der Glanzkäfer, Meligethes aöneus, richtete an Raps in Ostpreussen und Sachsen Schaden von 8—30°/, an. Bei Schippen- beil in Ostpreussen wurden mit der von Pferden gezogenen Fang-Maschine, 2 im Winkel von 80—90° zusammenge- fügten und auf einem zweirädrigen Gestelle ruhenden Brettern, von denen die Vorderwand des senkrechten und die Oberseite der wagerechten mit Theer bestrichen sind, 501 dieses nur 3 mm grossen Käferchen gefangen. Chry- somela vitellinae zerstörte in der Rör- und Wurm- Niederung in der Rheinprovinz die Korbweiden-Anlagen (1200 ha, mit einem jährlichen Ertrage von 560 000 M.) derart, dass ihre Kultur überhaupt in Frage gestellt ist. Die Spargelhähnehen, Crioceris spp., traten bei Liegnitz, in Hannover, Rheinhessen, Mittelfranken und bei Schwetzingen zum Theil massenhaft auf; nur im Unter- Elsass verminderten sie sich, wie angenommen wird, in Folge von Bespritzungen mit Kupfervitriol. — Die Obst- baumkäfer standen mit ihrem Schaden, den Obstbaum- Schmetterlingen nieht viel nach. Die Blüthenstecher, Anthonomus pomorum und piri waren sehr häufig, zum Theil mit sehr grossem Schaden im Rheingau, in Öberhessen und Elsass-Lothringen, nur stellenweise in Württemberg, und im Unter-Elsass „lange nicht so häufig als in Norddeutschland.“ Der Birnblüthenstecher befiel im Unter-Elsass fast nur die Spalierbäume. Die ver- schiedenen Rhynchites-Arten machten sich sehr bemerk- bar, R. alliariae bei Friedberg in Oberhessen, wo die Larven von der Hauptrippe der Blätter aus im Parenchym weiter frassen, ohne dass das Blatt abfiel, R. eonicus und betuleti im Unter-Elsass. Letzterer, der Rebstichler, befiel besonders Birnbäumchen, die zwischen Reben standen, so dass er also die Birntriebe den Rebschösslingen vor- gezogen zu haben scheint. Die Reben hatten überhaupt in diesem Jahre von Käfern weniger zu leiden. Die Grünrüssler, Phyllobius, richteten besonders in Ober- Elsass an Birnbäumen u. s. w. ganz bedeutenden Schaden an. Die Splint- und Borkenkäfer, Eceoptogaster und Bostrychus waren ebenfalls im Ober-Elsass oft beäng- stigend zahlreich verbreitet und haben sehr geschadet. Von den Hautflüglern traten eigentlich nur die Blattwespen in grösserem Maasse schädlich auf. Die Getreidehalmwespe, Cephuspygmaeus, verursachte in Norddeutschland, besonders an Weizen (bis 50°/,) und Roggen (bis 20°/,) Schaden. Eine ungewöhnliche Art ihres Angriffes wird aus Ostpreussen gemeldet, „indem der obere Theil der Aehre, manchmal der grösste Theil der- selben, nicht weissfederig, sondern unter voller Ausge- staltung der Spelzen und Blüthentheile weiss wurde, wie beim gewöhnlichen Angriffe die ganze Pflanze. An der Grenze des weissen und grünen Theiles zeigte die Aehren- spindel eine deutliche Wundstelle mit inneren Durch- wühlungen und Callus-artigem Zellwachsthum, aber ohne abgelegtes Ei.“ Auf einem anderen ostpreussischen Gute befiel diese Wespe auch die Wiesengräser, besonders Rain- u. Timotheegras und Wiesenschwängel, während Wiesenfuchs- schwanz vollständig verschont wurde. „Etwa 20 Morgen sahen wie abgefroren aus. Schade bis 50°/, des ersten Schnittes.* Die Obst-Blattwespen thaten, mit Ausnahme eines Gutes in der Mark, wo die Stachel- und Johannis- beersträucher kahl gefressen wurden, keinen besonderen Schaden. Nur die Pflaumensägewespe, Selandria fulvicornis, befällt und sticht seit Jahren die Reine- elaudenfrüchte eines Gutes in der Neumark an, so dass schon Jahre lang keine Früchte mehr erzielt worden sind. Von den Fliegen dürfte die Fritfliege, Oseinis frit, die schädlichste sein. Sie trat besonders in Nord- deutschland, zum Theil auch in Schlesien auf. Am meisten litt der Hafer, dann Roggen, Weizen, wo Schaden nur von 2 Stellen gemeldet wird, an einer mit 331), %o, und zuletzt Gerste (bei Oppeln 10°,). Von Roggen wurden auf einem Gute in Ostpreussen 10 Morgen ver- nichtet, an Hafer ebendaselbst 80 Morgen, ebenso 20 Mor- gen Hafer auf einem hannöverischen Gute. Von 100 Körnern eines ‚minderwerthigen‘ Hafers aus Seesen a. Harz waren nur 20 normal, 22 mässig entwickelt, 58 stark ausgefressen, von ebensoviel des ‚besten‘ 23 normal, 46 ausgefressen. Auch die Halmfliege, Chloropus taeniopus, verur- sachte besonders in Norddeutschland und Schlesien viel Schaden, an Weizen und Gerste 5—10°/,. In Tirol stieg sie mit dem Weizen und der Gerste bis zu deren oberen Grenzen 1065, bezw. 1377 m hoch. Schnaken- (Ti- pula-) Larven richteten bei Marienburg in Westpreussen im Sommergetreide, besonders an Gerste, durch Abfressen der Wurzeln grossen Schaden an. Die Runkelfliege, Anthomyia conformis, trat namentlich in Schleswig massenhaft auf, wo sie öfters 20 °/, Schaden anrichtete. In Hannover, Lüneburg und Rheinhessen kam sie nur vereinzelt vor. Starkes Auftreten, zum Theil in mehreren Generationen, aber ohne merkliche Schädigung wird aus mehreren Orten Sachsens gemeldet; nur in Dobeneck bei Oelsnitz wurden etwa 40°, der Rübenblätter von ihr befallen. Nachtfröste und nasskaltes Wetter machten sie verschwinden. Die Larve der Lupinenfliege, Antho- myia funesta, zerstörte auf einem Gute in der Neumark von 60 Morgen Lupinen den dritten Theil. Die Spargel- fliege, Trypeta fulminans, zeigte sich in Rheinhessen nur vereinzelt, im Schwetzinger Bezirk in Württemberg dagegen sehr zahlreich. Die Made der Kirschfliege, Spilographa cerasi, war in Oberhessen und im Rhein- gau, besonders in spätreifenden Sorten, massenhaft, während sie im Unter-Elsass weniger stark auftrat, als in früheren Jahren. XII. Nr. 31 Die Halbflügler enthalten in der Gruppe der Pflanzenläuse die für unseren Obstbau schädlichsten Insekten. Der Birnsauger, Psylla piri, richtet bei uns selten grösseren Schaden an. Im Öberelsass kam er an Strassenbirnbäumen so massenhaft vor, dass er am Fusse der Bäume Ameisenhaufen-ähnlich gesellig besammensass. Blattläuse werden zwar in grossen Mengen, aber nur vereinzelt mit grösserm Schaden, gemeldet an Zuckerrüben (Aphis papaveris; Mark, Provinz Schlesien), Hopfen (A. rumieis; Bayern und Württemberg) und Obstbäumen, an denen sie eigentlich nur in Elsass-Lothringen an Apfel-, Pflaumen- und Pfirsichbäumen nachtheilig auftraten. Da- gegen hatten sehr unter ihnen die Hülsenfrüchte, Erbsen und Bohnen, namentlich Pferdebohnen, zu leiden. An letzteren bewirkten sie bei Stettin 20°/, Verlust, bei Emden 50—60 °/,, bei Genthin 15 %,; auch in Rheinhessen und Oberfranken schadeten sie sehr. Natürlich finden sich auch überall Angaben über die Wirksamkeit der zahlreichen Bekämpfungsmittel. Am meisten scheint sich noch 1/,°/,ige Schmierseifenlösung bewährt zu haben, dann allabendliches Bespritzen mit kaltem Wasser. Krüger’s Emulsion wird vou den einen begeistert gelobt, während Andere gar keinen Erfolg damit erreichten. Die Blut- laus, Schizoneura lanigera wird nur aus Hamburg, Wiesbaden, Rhein- und Oberhessen, Würzburg, Sachsen und dem Elsass gemeldet. Beträchtlichen Schaden scheint sie indess nirgends veranlasst zu haben; nur aus dem Elsass heisst es: „erschreekend verbreitet“. Von allen Bekämpfungsmitteln hat sich überall am besten das Nessler’sche Mittel bewährt. Die Reblaus, Phylloxera vastatrix, breitet sich immer mehr aus. Neue Heerde wurden gefunden in und bei Hannover, Lorch, Rhein- provinz, Oberwesel, Kreuznach, Sachsen, Hardt, Württem- berg, Elsass-Lothringen. Bei Metz nimmt die Ausbreitung „einen erschreckend bedrohlichen Charakter an“. Auch auf und in nächster Nähe von Weinbergen, die im ver- gangenen Jahre der Reblaus wegen vernichtet wurden, zeigten sich von neuem, bezw. neue Heerde. Unter- Elsass ist z. Z. noch verschont. Die Rebschildlaus, Coceus vitis, ist ebenfalls ziemlich verbreitet, doch scheint ihr Schaden nicht beträchtlich zu sein. Ein Wein- stock in Georgenfelde in Ostpreussen „hat die Schmarotzer schon mehrere Jahre, treibt aber dabei gut und trägt auch immer reiche Frucht“. Dagegen ist der Schaden bei Mezingen-Nürtingen in Württemberg „ziemlich aus- gedehnt“. In Elsass-Lothringen wurde das Uebergehen der Pfirsich-Schildlaus, Leeanium persicae, von Akazien-Pflanzungen in die Weinberge wiederholt fest- gestellt. Die gleiche Schildlaus verursachte Erkrankung der Pfirsichbäume bei Greiz. Diekommaförmige Schild- laus, Mytilaspis conchaeformis, befiel besonders Birn- bäume. Bei Frankenstein i. Schl. wurden nicht nur alte, sondern auch junge, kräftige Bäume, und nicht nur alte Zweige, sondern auch die diesjährigen Triebe ergriffen, wo die Läuse durch das Periderm in das Rindengewebe eindrangen. Bei Stassfurt-Leopoldshall gingen sie sogar in grosser Zahl auf die Früchte über. Sie „sassen vorzugs- weise am unteren Theile der Frucht in der Nähe der Kelehhöhle und verursachten eine grubige, holperige Be- schaffenheit der Oberfläche. An jeder Stelle nämlich, wo eine Schildlaus sass, war die Fruchtschale heller und die Saugstelle selbst vertieft; hier war das Gewebe in der Schwellung gegenüber der gesunden Umgebung zurück- geblieben.“ In Oberhessen überzog die Komma-Schildlaus einige schlecht wachsende Hochstämmehen vollständig. In Elsass-Lothringen waren alle Arten der Obst-Schild- läuse sehr verbreitet. Von den Geradflüglern ist bei uns der schlimmste Schädling die Maulwurfsgrille oder Werre, Gryllo- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 367 talpa vulgaris. In Rheinhessen befiel sie solehe Gersten- und Weizen-Aecker, die vordem Kartoffeln trugen. Bei Regensburg in der Oberpfalz verursachte sie bei Weizen 30 %/,, bei Gerste 50—100 °/, Schaden. In Versuchs- Culturen mit Kartoffeln im Botanischen Garten zu Berlin wurden beim Austreiben die jungen Stengel fast ganz durchbissen; später, an älteren Stauden, waren die Stengel nur mit einer einseitigen Flachwunde von mehr als 1 em Länge angenagt. In den Weingärten bei Ammerschweier im Elsass trat die Werre reichlich auf. Es heisst da ganz merkwürdig: „Obgleich das Insekt sich nur von T'hieren in der Erde nährt (22), wird es doch entschieden schädlich dadurch, dass es beim Wühlen in der Erde nicht nur die Wurzeln lockert, sondern sie da, wo sie seinen Gängen im Wege sind, auch abbeisst und verdirbt.“ — Vom Ohr- wurm, Forfieula aurieularia, wurde in Mittelfranken beobachtet, dass er Löcher in die Hopfenblätter frass. Als einziger Vertreter der Pseudoneuropteren wird der Getreideblasenfuss, Thrips cerealium, erwähnt. In Ostpreussen that er an Getreide 33 °/, Schaden, bei Annahof bei Oppeln an Roggen 30°,. Ebenfalls am Roggen trat er schädigend auf bei Berlin und in Rhein- hessen, am Weizen bei Gudensberg, Provinz Hessen, an der Gerste bei Freiberg i. S. Tausendfüsse (wohl meistens Julus) frassen bei Alte-Föhre auf Rügen die gesäeten Rübenkerne so stark an, dass nur 20— 25%, durchkamen. Bei der Neubestellung wurden Kartoffelscheiben als Köder ausgelegt, mit solchem Erfolge, dass sich oft 30—40, in einzelnen Fällen sogar 80—90 Tausendfüsse an einer Scheibe fanden. Wie zu erwarten, litten auch die dortigen Kartoffel-Pflanzungen, indem manche Saatknollen zu !/, bis !/, ausgefressen wurden. Die zu den Milben gehörige sogen. rothe Spinne, Tetranycehus telarius, schadete in Rheinhessen durch Frass an Gurken, stark an Zwetschen und fand sich auch verderblich in einem Weinberg. In Mittelfranken war sie manchmal häufiger, meist aber vereinzelt am Hopfen, bei Hamburg befiel sie Apfel-, Birn- und Kirschbäume in Gärten. Die Birn- und Apfelmilben, Phytoptus piri u. s. w., verursachten manchen Schaden an einzelnen Stellen in Posen, Schlesien, bei Wandsbeck, Steckenheim, Würzburg und in Württemberg. Die Weinmilbe, Phy- toptus vitis, war in diesem Jahre ziemlich häufig, ohne im Allgemeinen jedoch beträchtlicheren Schaden anzurichten, bei Berlin, Aachen, Dahlhausen a. d. Ruhr, in Rheinhessen, Unterfranken, Elsass-Lothringen, Baden; in Münster i. E. scheint sie von Jahr zu Jahr zuzunehmen. Sehr selten hört man bei uns von grösserem Auftreten der Mehlmilbe (Acarus farinae). In Wilhelmseichen bei Netzthal wurde am 6. August ein Posten Weizenschale auf einem ‘Speicher in der Oberschichte von einer Unmenge dieser Thierchen befallen. Die gefrässigen Ackerschnecken, Limax agrestis, richteten in ganz Deutschland am Getreide Verwüstungen an. Völlige Vernichtung der ersten Saat, theilweise der zweiten waren nichts Seltenes. Ihre Menge war an manchen Stellen so gross, dass selbst das Streuen von Kalk, Asche u. s. w., das sich im Allgemeinen gut bewährt, keinen Erfolg hatte. An Kartoffeln richteten sie bei Gesserts- hausen in Schwaben „ausnahmsweise bei grosser Nässe“ 4°/, Schaden an. Dagegen wurden wieder Klee und Wicken vollständig zerstört bei Lamspringe in Hannover und Hallertau in Bayern, und zum Theil zerfressen in den Versuchsbeeten des botanischen Museums in Hamburg; nur stellenweise machten sie sich im Herbst-Klee bemerkbar in Württemberg. An Kohl- und Salatpflanzen, Raps und Gemüse, Erdbeerfrüchten schadeten sie sehr im Rheingau, in Württemberg und im Unter-Elsass; sogar am Tabak 368 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 31. frassen sie in Baden. In einem Falle war das Umgeben der bedrohten Pflanzen mit Gerstegrannen von guter Wirkung. Sehliesslich wird noch über manchen beträchtlichen Schaden durch Rundwürmer berichtet. Die Rüben- nematode, Heterodera Schachtii, zeigte sich bei Eutin und Ziebingen a. O. im Hafer, im letzterem Orte auf 10 Morgen die Hälfte der Ernte zerstörend. „Seit Mitte Mai, nach Ausbildung des ersten Blattes, wurden zuerst die Spitzen des Hafers rothbraun und schliesslich die ganze Pflanze; bis zum 5. Juni war ein Drittel der kranken Pflanzen schon ganz eingegangen; der Rest er- holte sich, besonders da, wo mit 1 tr. Superphosphat und 0,50 Otr. Chilisalpeter nachgeholfen wurde.“ Die Wurzeln waren sehr reich mit Nematoden besetzt. „Die Krankheit zeigt sich da, wo der Untergrund Kies hat, oder torfig ist“. An Rüben werden grössere Schädigungen gemeldet aus Posen (40°,,), Mannheim (10°/,) und Provinz Sachsen (10, 15°,), während im Rheinhessen, trotz theil- weiser Verseuchung des Bodens, der Schaden sehr gering war. Das Wurzelälchen, Heterodera radicicola, wurde in diesem Jahre zum ersten Male an kranken und gesunden Kartoffeln bei Berlin gefunden, aber ohne be- merkbar schädlichen Einfluss. Dagegen war bei Sehwie- bedawe bei Breslau der Lein so befallen, dass bis Mitte Juni 25°/, vernichtet waren, 50°/, mangelhaft standen und nur 25°/, als durehschnittsgemäss gelten konnten. Das Stockälehen, Tylenchus devastatrix, trat bei Nauen, Bez. Liegnitz, auf einem seit 1339 verseuchten Schlage, trotz seitherigen Auslassens der Halmfrüchte und Anbau von Hackfrüchten und Flachs, beim ersten Anbau von Weizen wieder auf. Aus Westfalen werden 6 Erkrankungen des Roggens berichtet, die wohl auf diese Parasiten zurückgeführt werden müssen. In Luppa bei Bautzen wurde etwa ein Drittel des Roggenbestandes vernichtet. Auch in Kirchhellen in der Rheinprovinz zeigte sich die charakteristische Erkrankung. Es ist leicht ersichtlich, dass vorstehende Zusammen- stellungen, bezw. die Angaben, auf denen sie beruhen, noch recht unvollständig sind, wie es ja auch gar nicht anders möglich ist. Der Beobachtungs-Stationen, an denen diese Angaben gesammelt werden, sind es noch gar zu wenige, und, zumal die Sammlung der Angaben nur nebenbei geschieht, kommt selbst in ihren Gebieten nur ein Bruchtheil der Schädigungen zur Feststellung. Immer- hin dürfte aus der Zusammenstellung hervorgehen, welch ungeheure Summe unserer Landwirthschaft jedes Jahr durch thierische Schädlinge verloren geht. Während andere Staaten, insbesondere Nord-Amerika, in richtiger Würdigung dieser Thatsache, staatliche Institute ins Leben gerufen haben, an denen ein ganzes Heer von berufenen wissenschaftlichen Kräften praktische Studien zur Ver- tilgung und Abhaltung der Schädlinge betreibt,- wobei mögliehst für jedes Spezialfach auch eigene Spezialisten angestellt sind, deren Zusammenarbeiten eine gründliche Behandlung aller Theile bedingt, begnügt man sich bei uns noch mit den wenigen landwirthschaftlichen Lehr- Anstalten höheren und geringeren Grades, wo ein Mann oft die Verwaltungs-Geschäfte und sämmtliche oder fast sämmtliche Arbeiten aus dem ungeheuern Gebiete der Naturwissenschaft :n erledigen muss.*) Was dabei heraus- kommt, liegt auf der Hand. Es soll nicht verkannt werden, dass trotzdem die Leistungen recht beträchtliche sind und ein rühmendes Zeugniss für deutschen Fleiss, deutsche Gründlichkeit und deutsche Wissenschaft ablegen. Aber sie müssen nothgedrungen in verhältnissmässig engen Grenzen bleiben. Und so lange Deutschland nieht dem Beispiele anderer Staaten, wie ins Besondere der skan- dinavischen und angelsächsichen folgt, und staatliche land- wirthschaftliche Untersuchungs-Anstalten, mit einem tüch- tigen Stabe praktisch und wissenschaftlich geschulter Spezialisten, ins Leben ruft, von denen aus zugleich auch die gründliche, allseitige und allgemeine Bekämpfung der Schädlinge organisirt wird, werden alle Summen zur Unterstützung der „nothleidenden Landwirthschaft“ insofern zum Fenster hinausgeworfen sein, als noch grössere Summen alljährlich verloren gehen durch die Verwüstung, die pflanzliche und namentlich thierische Schädlinge in unseren Feldern anrichten. *) Ein bedeutender Sehritt vorwärts ist auf diesem Gebiete durch die Gründang der mit der landwirthschaftlichen Hochschule in Berlin in Verbindung stehenden biologischen Anstalt gethan worden. Auch die Gründung der Station für Pflanzenschutz in Hamburg gehört hierher. Möchten ihnen noch recht viele ähnliche folgen! Die Algen der heissen Quellen bespricht in einer längeren Arbeit Josephine E. Tilden in dem Februar- hefte von „Botanical Gazette“. (Vergl. hierzu auch das Referat über die Arbeit von Br. M. Davis in „Natur- wissenschaftliche Wochenschrift“ 1897, S. 512.) Die Ver- fasserin sammelte und beobachtete an den Quellen des Yellowstoneparkes, des grossen Salzsees und an den warmen Quellen von Banff und Oregon. In lauwarmem Wasser wurden gefunden: Oedogonium cerenulato-costatum, Hor- miseia flaceida, Rivularia haematites, Oseillatoria tenuis und Phormidium tenue. Conferva major kommt im Yellow- stonepark in zwei Formen vor: Conf. major ferruginea, mit Eisen inerustirt, bei 74°, und Conf. major gypsophila, mit Gyps überzogen, bei 66°. Mierospora amoena ther- malis daselbst bei 38—41°; Mierosp. Wiedii, bei 49°, bildet eine glänzend grüne Gallertmasse an den Wänden der Wohngewässer. Rhizoclonium hieroglyphieum, bei 24—38°, entwickelt sich am schönsten in sehr langsam fliessendem Wasser. Protococeus botryoides, bei 38°, am Grunde der Quellen. Calothrix thermalis kommt noch fort bei einer Temperatur von 34—54°, scheint aber bei nie- drigeren Wärmegraden besser zu gedeihen (diese Alge kommt bekanntlich auch in den Karlsbader heissen Quellen vor). Hapalosiphon major verlangt eine höhere Tempe- ratur, bis 61°, unter 51° gedeiht sie nicht mehr, sie ist deshalb in den Abflussbächen der heissen Quellen nur bis ca. 10—12 Meter weit von der Quelle entfernt zu finden. Phormidium laminosum ist die häufigste Alge der heissen Gewässer; sie wächst bei einer Temperatur zwischen 30 und 75,5°, ihre äussere Erscheinung wechselt je nach dem Grade der Wasserwärme, so dass es mit- unter recht schwer ist, die Pflanze zu bestimmen. Oseilla- toria prineeps zwischen 20 und 60°, Ose. geminata bei 47,5°, Spirulina major bei 40—55°, und Chrooceoceus varius bei 49°, S. Sch. Ueber die Rohrzuckerbildung aus Dextrose in der Zelle hat J. Grüss in der Z. Ver. Rübenzuck.-Ind. 1595, 333—43 publieirt. Mikrochemisch hatte Verfasser eonstatirt, dass Embryonen aus eingeweichter Gerste, drei Tage in Dextroselösung gehalten, in ihren Schildehen Rohrzucker und Stärke bilden, während bei gleichartigen Embryonen, unter analogen Versuchsbedingungen in Wasser gehalten, in den Schildehen weder Stärke noch Rohrzucker nachgewiesen werden konnten. Diese Vorgänge unter- XIII. Nr. 31. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 369 suchte Grüss eingehend in quantitativer Richtung; er zog zu diesem Zweck 3000 Embryonen drei Tage in Wasser, 2000 drei Tage in 4%/,iger Dextroselösung und 2000 vier bis fünf Tage ebenfalls in 4%/,iger Dextroselösung. In voller Uebereinstimmung mit den mikrochemischen Resultaten ergab sich bei den Untersuchungen, dass der Embryo aus der Culturlösung Dextrose aufnimmt und sie in Rohrzucker überführt. Wie aus mitgetheilten Zahlen- werthen ersichtlich, verliert der im Wasser befindliche Embryo etwa 11°, Rohrzucker, die zur Athmung, zum Wachsthum, zu Eiweissumsetzungen und zur Stärkebildung verbraucht werden. Die Stärke, die schon nach 25 Stunden reichlich im Gewebe angehäuft ist, entsteht in der Knospen- scheide, in der Wurzelscheide, Calyptra und dem Gewebe am Wurzelgrund; sehr bald erreicht ihre Menge ein Maximum, es beginnt eine Abnahme in dem Verhältniss, als das Wachsthum seinen Fortschritt nimmt. Schon am dritten Tage hat die Stärke sichtlich abgenommen, im Schildehen und den Wurzelhauben ist sie meist nicht mehr aufzufinden. Für die in Dextroselösung gezogenen Embryonen dagegen ergiebt sich dagegen eine solche Abnahme der Stärke nicht, die Schildehen sind vielmehr am dritten Tage mit Stärke dicht vollgepfropft. Für die Rohrzuckerbildung aus Dextrose findet Ver- fasser folgende Erklärung: Plasmatische Elemente nehmen die Dextrose auf und binden sie; diese Bindung wird durch die Aldehyd-Gruppe vermittelt, sie ist von einer Umlagerung der Atom-Gruppen unter Abspaltung von Wasser begleitet. Das plasmatische Element könnte, da zwei Dextrosemolecüle gebunden werden, zwei vertretbare Wasserstoffatome enthalten: X CH,OH H N amon 2CHOR X CHoH P£ CHOH CHOH **H»= \cH 0X cHoH +20 CHOH CHOH CH COH CH,OH CH,OH Dureh die hydrolytische Einwirkung eines Eneyms könnte dann Rohrzucker abgespalten und der ursprüng- liche plasmatische Körper regenerirt werden: x IR EZ 2 CH CH;,0H CH CH;0H [cHon Nee nn ” HOH _/CHOH CHOH „/CHOH BEN an HN SCH CHOR} CHOH \CH CHOH \CH CH,OH CH,OH CH,OH CH,O Dr..A.Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Dr. P. Kuckuck zum Custos für Botanik an der königl. biologischen Anstalt auf Helgoland; der Inspector der Lachsfischerei in Schottland Walter E. Archer zum Öber- Fischerei-Inspeetor der schottischen Handelsgesellschaft an Stelle des zurückgetretenen A. D. Berrington. Die 70. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte findet in Düsseldorf in den Tagen vom 19.—24. September d. J. statt. In den allgemeinen Sitzungen werden nachfolgende Vor- träge gehalten: 1. Geheimer Regierungsrath Professor Dr. Klein, Göttingen: „Universität und technische Hochschule“. 2. Medieinal- rath Professor Dr. Tillmanns, Leipzig: „Hundert Jahre Chirurgie“. 3. Geheimer Regierungs- und Baurath Professor Dr. Intze, Aachen: | „Ueber den Zweck, die erforderlichen Vorarbeiten und die Bau- Ausführung von Thalsperren im Gebirge, sowie über deren Kongress. der alkoholfeindlichen, Aerzte und eine Ausstellung | | | ) Bedeutung im wirthschaftlichen Leben der Gebirgsbewohner“ 4. Professor Dr. Martins, Rostock: „Krankheitsursachen und Krankheitsanlagen“. 5. Professor Dr. van t'’Hoff, Berlin: „Die zu- nehmende Eden; der anorganischen Chemie“. 6. Privat- Docent Dr. Martin Mendelsohn, Berlin: „Die Bedeutung der Krankenpflege für die wissenschaftliche Therapie“. 7. Eventuell Geheimrath Professor Dr. Rudolf Virchow, Berlin: Thema vorbehalten. — Ausser diesen Vorträgen sind für die Abtheilungs- sitzungen über 400 Redner angemeldet. Zum ersten Male werden als neugebildete Abtheilungen die für angewandte Mathematik und Naturwissenschaften (Ingenieurwissenschaften) sowie diejenige für die Geschichte der Mediein in Thätigkeit treten. Mit der Versammlung werden nicht weniger als 4 Ausstellungen ver- bunden sein, nämlich 1. eine historische Ausstellung; 2. eine photographische Ausstellung (die Photographie im Dienste der Wissenschaft); 3. eine Neuheiten-Ausstellung naturwissenschaft- licher und medieinisch-chirurgischer Gegenstände und Apparate sowie chemisch-pharmaceutischer Präparate und hygienischer Gegenstände; 4. eine physikalische und chemische Lehrmittel- Sammlung. Für diese Ausstellungen sind hervorragende Objecte in grosser Menge angemeldet worden. Der Verein der Aerzte und der Naturwissenschaftliche Verein in Düsseldorf haben sich bereit erklärt, ein Preisgericht zu wählen und sollen hervorragende Leistungen der Aussteller durch ein Anerkennungs-Diplom aus- gezeichnet werden. Endlich wird mit der Versammlung ein alkoholfreier Getränke verbunden sein. — An Vergnügungen wird es, wie sich das am frohen Rheine von selbst versteht, nach des Tages Last und Hitze nicht fehlen. Ausser dem üblichen Festessen, einem Balle und einem Kommers wird es eine Theater- Vorstellung, einen fröhlichen Abend im „Malkasten“ und Aus- flüge zur Hungetener Riesenbrücke, in das Siebengebirge, nach Duisburg u. s. w. geben. Ein Sonder-Ausschuss liebenswürdigster Damen hat sich gebildet, um die fremden Genossinnen mit den Schätzen der Natur und Kunst, wie sie Düsseldorf in so reichem Maasse bietet, bekannt zu machen, selbst ein Radlerinnen-Aus- schuss ist vorhanden. Zur diesjährigen Allgemeinen Versammlung der Deutschen geologischen Gesellschaft werden die Mitglieder zu der mit der Feier des 50jährigen Bestehens der Gesellschaft verbundenen Ver- sammlung nach Berlin eingeladen. Der Geschäftsführer, Ge- heimer Ober-Bergrath Hauchecorne, schlägt folgendes Pro- gramm vor: A. Excursionen vor der Versammlung in den Harz und dessen nördliches Vorland. Mittwoch, den 21. September. Abends Zusammentreffen der Theilnehmer, die gebeten werden, sich bis zum 11. September bei Landesgeologen Dr. Koch (Berlin N., Invalidenstr. 44) an- zumelden, in Wernigerode a. Harz, Hötel zum Lindenberg. — Donnerstag, den 22. September. Nach dem Hartenberg und Büchenberg bei Elbingerode; Abends über das Tännicher Eisen- steins-Revier nach Elbingerode (Hötel Waldhof). — Mitteldevon, Oberdevon, Culm. — Die Führung übernimmt Herr Koch. — Freitag, den 23. September. Von Elbingerode nach Rübeland; Besuch der Hermannshöhle. — Stringocephalenkalk, Iberger Kalk. Nachmittags mit der Zahnradbahn nach dem Braunen Sumpf, von da zu Fuss über den Ziegenkopf nach Blankenburg. — Wissen- bacher Schiefer mit Diabas und Keratophyr, Crednerien-Quader. Abends mit der Bahn nach Halberstadt. — Die Führung im alten Gebirge hat Herr Koch, im Vorlande Bezirksgeologe G. Müller. — Sonnabend, den 24. September. Eisenbahnfahrt von Halber- stadt nach Dittfurth, von dort zu Fuss nach Quedlinburg und Thale. — Obere und Untere Kreide, Trias, Zechstein. — Die Führung übernimmt Herr Müller. — Sonntag, den 25. September. Fahrt von Thale nach Berlin. Abends von 8 Uhr an gesellige Vorversammlung daselbst im Bavaria-Haus (Ecke Friedrich- und Mohrenstrasse, II. Etage; Eingang Mohrenstrasse 51). B. Allgemeine Versammlung in Berlin. Montag, den 26. September, Dienstag, den 27. September und Mittwoch, den 28. September, Vormittags 10 Uhr Sitzung in der Aula der Königlichen geologischen Landesanstalt und Berg- akademie, Invalidenstr. 44. Die vorherige Anmeldung von Vor- trägen für die Sitzungen beim Geschäftsführer ist erwünscht. Während der Sitzungstage befindet sich ein Bureau in Zimmer Nr. 6 des Erdgeschosses der geologischen Landesanstalt. Am Dienstag, den 27. September, Nachmittags findet ein gemeinsames Festmahl statt. Mittwoch, den 28. September, Nachmittags werden die Professoren Jaeckel und Wahnschaffe die Theilnehmer nach Rüdersdorf zur Besichtigung der dortigen Triasbildungen und Glaeial-Erseheinungen führen. Jeden Abend von 8 Uhr an zwang- lose Vereinigung im Bavaria-Haus, Ecke Friedrich- und Mohrenstr. C. Excursionen nach der Versammlung in das Norddeutsche Flachland. | Donnerstag, den 29. September. Von Berlin, Lehrter Bahn- hof (6 Uhr 35 Vorm.) nach Lauenburg a. d. Elbe unter Führung 370 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 31. der Doctoren Keilhack und Gottsche. Abends Rückkehr nach Berlin — Interglaciale Bildungen. — Freitag, den 50. September. Von Berlin. Stettiner Bahnhof (9 Uhr 20 Vorm.) nach Chorin unter Führung des Landesgeologen Dr. ‚Schröder. Abends Fahrt nach Stettin. — Endwmoränen-Landschaft, Oderthal-Terrassen. — Sonnabend, den 1. October. Von Stettin (8 Uhr 30 Vorm.) ins Haffgebiet nach Messenthin unter Führung des Landesgeologen Keilhack. Abends zurück nach Stettin. — Tertiär und diluviale Terrassen-Landschaft. — Sonntag, den 2. October. Von Stettin (9 Uhr 22 Vorm.) nach Finkenwalde unter Führung des Herrn Wahnschaffe. Abends nach Stargard. — Kreide, Tertiär, Glaciale Schiehtenstörungen und Schluchtenbildung, — Montag, 3. October. Von Stargard (6 Uhr 46 Vorm.) in die Moränen- landschaft des Hinterpommerschen Höhenrückens unter Führung des Herrn Keilhack. Abends zurück nach Stargard. — Drumlins, Asar, Grundmoränenlandschaft, Endmoränen, Sandr. — Dienstag, den 4. October. Von Stargard (6 Uhr 46 Vorm.) nach Falkenberg und Freienwalde i. d. Mark, woselbst Nachtquartier. Führer Geh. Bergrath Berendt. — Glaeiale Thalbildung, Oligocän, Miocän, Diluvium. — Mittwoch, den 5. October. Vormittags: Von Freien- walde (7 Uhr 41 Vorm.) nach Wriezen, Führer Herr Berendt. — Interglaciale Süsswasserbildungen. — Mittags von Wriezen (ll Uhr 26 Vorm.) nach Buckow. Führer Herr Wahnschaffe, — Diluviale Störungen im Tertiär, Glaciale Erosionslandschaft, Seebildung- Abends 10 Uhr 25 Ankunft in Berlin (Bahnhof Friedrichstrasse). Der Plan für die nach der Versammlung stattfindenden Exeur- sionen ins Norddeutsche Flachland ist so aufgestellt, dass die Herren Theilnehmer die Reise am Abend jeden Tages abbrechen und dann Berlin noch erreichen können. Die vorher einzuzahlen- den Kosten der Excursionen (Fahrgeld, Logis und Verpflegung exel. Getränke betragen für die Tage vom 29. September bis inel. 3. Oetober 65 Mark, für den 4. und 5. October zusammen 15 Mark. Anmeldungen für die Excursionen ins Norddeutsche Flachland erbittet Herr Professor Wahnschafte (Berlin N., Inyalidenstr. 44) bis zum 21. September. Wer die Exceursionen vor dem 3. October verlässt, erhält den entsprechenden Theilbetrag des eingezalilten Geldes nach Abzug der allgemeinen Unkosten vergütet. Die Theilnehmer an den Excursionen erhalten Orientirungskarten und gedruckte Führer in Wernigerode bezw. Berlin ausgehändigt. Für den ersten Theil der Harz-Excursion dient der im Jahrbuch der Preuss. geologischen Landesanstalt für 1395, S. 131 abgedruckte Aufsatz M. Koch’s: „Gliederung und Bau der Culm- und Devon- Ablagerungen des Hartenberg-Büchenberger Sattels nördlich von Elbingerode im Harz“ als Führer. ' Feriencursus für Lehrer höherer Schulen im Auftrage des Königlichen Unterrichts-Ministeriums veranstaltet vom Physi- kalischen Verein zu Frankfurt a. M. — Der Cursus findet statt in der Zeit vom Montag, den 3. October bis Samstag, den 15. October im Institut des Physikalischen Vereins, Stiftsstr. 32. — I. Vorlesungen. 1. Physikalische: A. Professor Dr. W. König, Neuere physikalische Demonstrationen; a) die Wiedergabe der natürlichen Farben mit Hülfe der Photographie: Die eigentliche Photographie in natürlichen Farben. — Die Anwendung der Gesetze der Farbenmischung zur Wiedergabe der Farben: Ver- fahren von. Joly, Chromoskop von Ives, Verfahren von Selle, Dreifarbendruck. (4 Stunden); b) Langsame und schnelle elek- trische Schwingungen. Die. Methode ihrer Erzeugung und Unter- suchung; ihre Anwendung in der Funkentelegraphie. (4—6 Stunden) ; e) Geschichte der Luftpumpen: Gueriekes Pumpe und ihre Ver- besserungen; Hahn- und Ventilpumpen. — Quecksilberluftpumpen nach Geissler und Sprengel. — Selbstthätige Pumpen. (2 Stunden); d) Vorführung neuerer Modelle und Schulversuche. (2 Stunden); B. Ingenieur Hartmann, Die Entwiekelung, der Galvanometer- Construetion mit Demonstrationen. (4. Stunden.) 2. Elektro- technische Vorlesungen: A. Docent Dr. Deguisne, Elemente der Gleiehstromtechnik; Stromstärke, Stromrichtung,. Potential, Spannungsdifferenz, Widerstand; Ohm’sches und Kirchhoff’sches Gesetz. — Hintereinander- und Parallel-Schaltung. Elektrische Energie-Effeet. Gleichstrom-Generator und Motor. — Accumula- toren. (4><2 Stunden); B. Oberingenieur Professor Dr. J. Epstein, Elemente der Wechselstromtechnik: Magnetisches Feld, Kraft- linien, magnetische 'Einheiten. - Magnetische Eigenschaften des Eisens (Magnetisirung, Hysteresis) Induetion. Lenz’sche Regel. Wechselstrommaschine. Arbeitsleistung bei Induction. Arbeits- verlust durch Hysteresis. Momentan- und Effeetivwerthe im Wechselstromgebiete. Phasenverschiebung. Scheinbare und wirk- liche Leistung. Selbstinduetion. Transformator und sein Verhalten im Betrieb. Drehstrommaschine. Drehfeld. Synehroner und asynehroner Drehstrommotor. Wechselstrommotor. (4><2 Stun- den.) 3. Chemische Vorlesungen: A. Professor Dr. Le Blanc, Einige Erläuterungen zum Gesetz der chemischen Massenwirkung. (2 Stunden); B. Professor Dr. M. Freund, a) Ueber Arrhenius’ Theorie der elektrolytischen Dissoeiation und die osmotische Theorie. des Stromes der Volta’'schen Ketten. (3>x<2 Stunden); b) Ueber die Verflüssigung der atmosphärischen Luft. Ueber die den, | Anwendung der Elektrieität zur Erzielung hoher Temperaturen. (2 Stunden); e) Besprechung der Exeursionen. — II: Uebungen. 1. Eleetroteehnisehes Praktieum*). Professor J. Epstein und Dr. Deguisne, 'Aichung von technischen Messinstrumenten (Galvanometer, Amperemeter, Voltmeter,: Wattmeter, Elektrieitäts- zähler. Widerstandsmessungen. Aufnahme von Wechselstrom- eurven. Versuche über Selbstinduetion. Bremsversuche an Gleich- strom-, Wechselstrom- und Drehströmmotoren. 2. Uebungen im Anschluss an die Vorlesung b des Professor Freund. — III. Exeur- sionen. Es sind in Aussicht genommen die Besiehtigungen der Gold- und. Silber- Scheideanstalt, Platinschmelze in Hanau, Chemische Fabrik in Griesheim, Höchster Farbwerke, Litho- graphische Anstalt von Werner & Winter, Adler Fahrradwerke vorm. H. Kleyer, Elektrotechnische Fabrik von Hartmann & Braun, Werke der Elektrieitäts-Actiengesellschaft vorm. W. Lahmeyer &Co., Städtisches Elektrieitäts-Werk, Sammlungen der Senekenbergisehen Naturforschenden Gesellsehaft. — IV. Es werden 2 Stunden frei bleiben für Mittheilungen und Demonstrationen der Theilnehmer, — Zu weiterer Auskunft ist der vom Königlichen Provinzial-Schul- kollegium zu Cassel ernannte Leiter des Cursus Realschuldireetor Dr. P. Bode zu Frankfurt a. M. jeder Zeit bereit. Litteratur. Prof. Dr. Karl Kraepelin, Direktor des naturhistorischen Museums zu Hamburg, Leitfaden für den botanischen Unterricht an mittleren und höheren Schulen. Mit 212 Figuren in Holz- schnitt. Fünfte verbesserte Auflage. (V u.123 8.) gr. 8. — Preis gebunden 1,20 Mark. Der Leitfaden in der Hand des Schülers soll nach Ansicht des Verfassers nur die allgemeinen Resultate des Unterrichts, und zwar in knapper Darstellung, wiedergeben, um dem Lehrer die Freiheit zu wahren, je nach seiner Individualität und nach den Umständen die konkreten Daten des Unterrichtsstoffes verwerthen zu können. Die so beliebt gewordenen Einzelbeschreibungen von Pflanzen fehlen daher in diesem Leitfaden grundsätzlich. Derselbe beginnt vielmehr mit einer die Funktion in den Vordergrund stellenden Besprechung der einzelnen Organe. Es folgt die Cha- rakterisirung der wichtigeren Pflanzenfamilien, der innere Bau der Pflanze, Bau und Systematik der Kryptogamen und endlich ein fünfter Abschnitt, der die Beziehungen der Pflanze zu ihrer Um- gebung schildert. Dr. Eduard Richter, Ssestudien. Erläuterungen zur zweiten Lieferung des Atlas der Österreichischen Alpenseen. Mit 3. Tafeln und 7 Textfiguren (Geographische Abhandlungen herausgegeben von Dr. Albrecht Penck in Wien. Band VI Heft 2.) Wien, Verlag von Ed. Hölzel. 8°. 72 Seiten. 1897. — Preis fl. 2,40. . Das Heft besehäftigt sich mit Lothungen und Temperatur- beobachtungen. Der. Atlas, zu welcher die Schrift zugleich die Erläuterungen bietet, bringt 10 Karten von Seen und 32 Profile, deren Gegenstand Seen von Kärnten und Krain und der öster- reichische Anteil des Gardasees sind. Karl Geisler, Der erste Chemieunterricht. Ein methodisches Schulbuch mit geordneten Denkübungen. Walter Möschke in Leipzig 1898. — Preis 1,20 Mark. Jeder Abschnitt des Heftes bietet einige zusammengehörige Versuche, an die sich unmittelbare Schlussfolgerungen knüpfen und es folgen dann stets Uebungsfragen. Vorausgesandt wird. eine Aufzählung der nöthigen Versuchsgegenstände. Unter Leitung des Lehrers ist das Buch zum Repetiren des im Unterricht Gelernten wohl geeignet. Dr. Th. Gross, Robert Mayer und Hermann v. Helmholtz. Eine kritische Studie. Fischer’s technologischer Verlag, (M.‘ Krayn). Berlin 1898. — Preis 4,50 Mark. a 133 Verf. macht darauf aufmerksam, dass die Grundgesetze der Energetik „noch der Aufhellung und Entwickelung bedürfen“; vorliegende Schrift soll ein Beitrag zu ihrer Lösung sein. Es wird in derselben Robert Mayer’s Auffassung des Prinzips der Energieerhaltung und diejenige von Helmholtz in Bezug auf alle Gebiete der eigentlichen Physik ausführlich erörtert, um festzu- stellen, welche von beiden für den ‘Aufbau der Energetik die bessere Grundlage giebt. Dementsprechend gliedert sich das Buch in eine eingehende Betrachtung: 1. über die Verwandlungen der *) Für Herren, die an einem früheren Prakticum des Vereins theilgenommen haben, wird zu anderen Versuchen Gelegenheit geboten. (Justirübungen an automatischen Schaltapparaten, Photo- metrische Messungen, Compensationsapparat, Dynamomaschinen, Transformatoren.) : XI. Nr. 31. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 371 Kraft nach. Robert Mayer und 2. über die Erhaltung der Kraft nach Helmholtz. _ Unserem Urtheil nach sind diese Abschnitte sehr gut geeignet einen genauen Einbliek in die beiderseitigen Ansichten zu gewinnen. Freilich wird Verf. bei seinen Angriffen gegen Helmholtz zweifellos seinerseits angegriffen werden; in seinem Schlusskapitel: „Das Verhalten von Hermann von Helmholtz gegen Robert Mayer“ geht er gegen ersteren recht scharf vor. Prof. Dr. Richard Heger, Die Erhaltung der Arbeit. Hannover, Helwingsche Verlagsbuchhandlung. 1896. — Preis S Mark. Das Buch will die hohe Bedeutung des Arbeitsgesetzes von Julius Robert Mayer und Helmholtz weiteren Kreisen zugänglich machen, es sucht dementsprechend gemeinverständliche Darstellung mit wissenschaftlicher Strenge so weit als möglich zu vereinigen. Verf. sagt: „Wer mit den landläufigen physikalischen Anschauungen und den allereinfachsten mathemat. Kenntnissen einigermaassen vertraut ist, wird dem hier dargebotenen Gedankengange ohne wesentliche Schwierigkeiten folgen können, und dadurch in den Stand: gesetzt werden, die Naturerscheinungen vom Standpunkte der Erhaltung der Arbeit aus wissenschaftlich zu erfassen“. Wir müssen sagen, dass Verf. sein Ziel geschickt erreicht hat. Prof. Silvanus P. Thompson, Ueber sichtbares und unsicht- bares Licht. Eine Reihe von Vorlesungen gehalten an der Royal Institution von Gross-Britannien. Deutsche Ausgabe von Prof. Dr. Otto Lummer. Mit ea. 150 Abb. und 10 Tafeln. Wilhelm Knapp in Halle a.'S. 1898. — Preis 9 Mark. Das Buch führt in trefflicher Weise in die Optik ein und zwar so, dass auch der Laie in die neusten Ansichten über die Natur des Lichtes bequem einen Einblick erhält, ohne dass der- jenige, der tiefer eindringen will, zu kurz kommt. So hat Verf. für die letzteren der ersten Vorlesung „Licht und Schatten“ einen Anhang angefügt, in welehem die neueren Ideen etwas ausführ- licher entwickelt werden. Hieraus hat jedoch Lummer das ge- strichen, „was populär doch nicht recht verständlich gemacht werden kann“. Die 5 übrigen Vorlesungen sind überschrieben: 2. Das sichtbare Speetrum und das Auge, 3. Polarisation des Lichtes, 4. Das unsichtbare Speetrum (ultravioletter Theil), 5. Das unsichtbare Speetrum (ultrarother Theil) und 6. Röntgenstrahlen. Müller-Pouillet’s Lehrbuch der Physik und Meteorologie. 9. umgearb. und vermehrte Auflage von Prof. Dr. Leop. Pfaundler unter Mitwirkung des Prof. Dr. Otto Lummer. II. Bd. 2, Abth. (Schluss des II. Bd.). Mit 366 Figuren. Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig 1898. — Preis 10 M.ark. Band III ist schon früher erschienen, sodass mit dem vor- liegenden starken Bande von XIV und 760 Seiten das schöne Gesammtwerk abgeschlossen vorliegt. Beigegeben ist ein alphab. Register zum 2. Bd. VI 1. Abth. (Optik). = BDie- vorliegende Abth: umfasst die Wärmelehre. Nach den Angaben in der Vorrede wurde vom Neu-Herausgeber die Abthei- lung mit wesentlicher Beibehaltung der bisherigen Anordnung fast in allen Theilen neu bearbeitet und nach dem heutigen Stande der Wissenschaft ergänzt. Die umfangreicheren dieser Ergänzungen betreffen insbesondere folgende Materien: Gastheorie von Van der Waals, Gasthermometer, Volumänderung beim Sehmelzen, Gefrier- Bu eieune und Molekulargewicht, Verflüssigung der Gase, Temperaturfläche von Rittner, Phasenregel von Gibbs, Dampf- ‚ ealorimeter Stromcalorimeter, specifische Wärme des Wassers, direete Bestimmung der specifischen Wärme der Gase von Joly, "tlhermochemische Bezeichnungen, mechanisches Wärmeäquivalent, Ableitung des Gesetzes von Poisson, umkehrbare und nicht um- kehrbare Processe, Gefrierpunktsänderung durch Druck, Wärme- leitung, Wärmestrahlung, Bolometer, Radiophon, Temperatur der Meere und Seen, barometrische Höhenmessung, Windmesser, Aspirationshypsometer, Luftfeuchtigkeit in sanitärer Beziehung. Dr. Karl Bobek, Einleitung in die projektivische Geometrie der Ebene. Ein Lehrbuch für höhere Lehranstalten und für den Selbstunterricht. Nach Vorträgen des Herın C. Küpper bearbeitet. Mit 96 Textfig. 2., wohlfeile Ausgabe. B. G. Teubner in Leipzig 1897. — Preis 2 Mark. Der Text ist concis aber dabei klar und leicht verständlich, sodass das billige Buch Interessenten empfohlen werden muss. Es behandelt auch die Poldreiecke eines Kegelschnittes und anderes nieht ohne Weiteres zu den Elementen des Gegenstandes Gehöriges, sodass’ auch demjenigen, der intensiver eindringen will, genügend Material geboten wird, ohne denjenigen zu schaden, der nur das Nothwendigste braucht; denn der genannte Paragraph und alle auf die metrischen Eigenschaften der Kegelschnitte Bezug habenden Paragraphen können ohne Nachtheil für das Folgende weggelassen werden. a BEZ, Hans Schmidt, Das Fernobjektiv im Porträt-, Architektur- und Landschaftsfache. Auf Grund eigener praktischer Erfahrun- gen ausgearbeitet. Mit 10 Tafeln und 52 Figuren im Text. Robert Oppenheim (Gustav Sehmidt), Verlagsbuchhandlung, Berlin. Verf. bemüht sich nicht nur die praktische Ausführung der Fernphotographie daızulegen, sondern giebt auch eine kurze Ein- führung in die Optik, da die neusten Constructionen des Fern- objeetivs eine Kenntniss der Wirkungsweise der Linsen und Linsen- systeme verlangen. J. Gaedicke, Der Gummidruck (direkter Pigmentdruck). Eine “ Anleitung für Amateure und Fachphotographen. Mit 12 Figuren im Text und. 2 Tafeln. Verlag von Gustav Schmidt (vorm. Robert Oppenheim), Berlin 1898. — Preis 2,25 Mark. Verf. ist durch eigene Versuche zu besonderen Ergeb- nissen gekommen und zeigt, dass der Gummidruck ein viel- seitiges, dem Charakter und dem Format einer Aufnahme beliebig anzupassendes Verfahren ist, welehes nicht nur für den Amateur, sondern auch für den Fachphotographen eine grosse Bedeutung haben dürfte. Die in Faesimile-Lichtdruck-Reproduktion vorge- führten beiden Gummidrucke zeigen die künstlerische Wirkung des Verfahrens in der Porträtphotographie. G. lässt in dem Buche alle Theorie beiseite, giebt vielmehr eine leichtverständliche, zu- verlässige Anleitung, die es jedem ermöglicht, das Verfahren mit Erfolg anzuwenden. Dr. med. R.Neuhauss, Die Farbenphotographie nach Lippmann’s Verfahren. Neue Untersuchungen und Ergebnisse. Encyelo- pädie der Photographie. Heft 33. Mit 3 Textbildern und 1 Tafel in Lichtdruck. Wilhelm Knapp in Halle a. S. 1898. — Preis 3 Mark. Lippmann’s Verfahren ist dasjenige, das in erster Linie den Namen Farbenphotographie verdient, während diesbezüglich die Methoden, bei denen auf dem Umwege des Dreifarbendrucks das farbige Bild erlangt wird, das Endresultat doch von dem Willen des Photographen, der die übereinander zu druckenden Farben frei wählt, abhängig ist. Verf. hat sich lange mit dem Lippmann’schen Verfahren beschäftigt und legt seine Resultate in vorliegender Schrift nieder. Es gelang ihm, im Bilde die dünnen Zenker’schen Blättehen, auf denen der Theorie nach das Zustandekommen der (Interferenz-) Farben beruht, direkt nachzuweisen. Gross, Ingen. Dr. G., Die mechanische Wärmetheorie (Thermo- dynamik) unter besonderer Berücksichtigung der Molekular- theorie und der sich daraus ergebenden Erweiterung des An- wendungsgebietes der Thermodynamik; nebst Anwendungen auf Wärmemotoren, Kältemaschinen- und andere technische Ein- richtungen. 1. Bd. Jena. — 8M. Grosse, Dr. W., Der Aether und die Fernkräfte. 2,25 M. Loewinson-Lessing, Prof. Dr. F., Petrographisches Lexikon. Suppl. Berlin. — 3 M. Potonie, H., Pflanzenpaläontologie, Lief. 3. Berlin. — 2 M. Schilling, Dr. Frdr., Geometrisch-analytische Theorie der symme- trischen S-Funetionen m. e. einfachen Nebenpunkt. Halle. — TM. Leipzig. — ‚, Schubert, Gymn.-Prof. Dr. Herm., Vierstellige Tafeln und Gegen- tafeln für logarithmisches und trigonometrisches Rechnen. Leipzig. — 0,80 M. F ; Thompson, Prof. Dr. Silvanus P., Ueber sichtbares und unsicht- bares Licht. Halle — 9 M. Unzel, Dr. Heinr., Studien über die Entwicklung der apterygoten Inseeten. Königgrätz. — 16 M. Zeller, Dr. Ed., Grundriss der Geschichte der griechischen Philo- sophie. 5. Aufl, Leipzig. — 5,60 M. \ Inhalt: Ludwig Wilser: Stammbaum der arischen Völker. — L. Reh: Sehädigung der. Landwirthschaft durch Thierfrass. — Die Algen der heissen Quellen. — Ueber die Rohrzuckerbildung aus Dextrose in der Zelle. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Prof. Dr. Karl Kraepelin, Leitfaden für den botanischen Unterricht an mittleren und höheren Schulen. — Dr. Eduard Riehter, Seestudien. Erläuterungen zur zweiten Lieferung des Atlas der österreichischen Alpenseen. — Karl Geisler, Der erste Chemieunterricht. — Dr. Th. Gross, Robert Mayer und Hermann v. Helmholtz. — Prof. Dr. Richard Heger, Die Erhaltung der Arbeit. — Prof. Silvanus P. Thompson, Ueber sichtbares und unsiehtbares Lieht. — Müller-Pouillet’s Lehrbuch der Physik und Meteorologie. — Dr. Karl Bobek, Einleitung in die projektivische Geometrie der Ebene. — Hans Schmidt, Das Fernobjektiv im Portrait-, Architektur- und Landschaftsfache. — J. Gaedicke, Der Gummidruck (direkter Pigmentdruck). Dr. med. R. Neuhäuss, Die Farbenphotographie nach Lippmann’s Verfahren, — Liste, 312 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 31. ET A TE EEE TREE Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! Verlag von Ferdinand Enke in Hfuft 5 ile! Neues Princip für Massenbetheiligun Serlog von Sieräinand Enke in Srullgazh „Grosse Vortheile! an industriellen Unternehmungen. 2 = Neuheiten - Vertrieb. — ‚ So eben eric) ten: >) Neu aufgenommen: 5 Durchführung des ‚Buttenstedt- Dr. h | h d h + u sc en usprincips mi Tchmann, x, Aberglaube und Ianberei|z a TT — — - Errichtung einer Versuchs- von den älteften Zeiten an bis in die Gegenwart.|E U Me Deutjche autorifirte Ausgabe von Dr. Peterfen, Mit 75 in den 2 KPR BERLIN 5.0.26, Yerwerthung von Erfindungs-Patenten. Tert gedrudten Abbildungen. gr. 8.. 1898. Geh. M 12.—; in 2 ae De Caktor Happfichz Man Leinwand geb. M. 13.— Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, participirt am Reingewinn und EEE EEE | erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabrieirten Artikel | 2000000 55050500 0000000000000 000 SS Ft. Diimmlers Derlagsbh., Berlin. | von Poncet Glashütten-Werke 54, Köpnickerstr. BERLIN SO., Köpnickerstr. 54. Fabrik und Lager aller Gefässe und Utensilien für chem., pharm., physical., electro- u. a. techn. Zwecke. PATENTBUREAU Ulrich R. Maerz Sn unjerm Verlage erfchtenen: Ins Hu delus. Die Urevangelien. Neu durchge fehen, neu überfeßt, geordnet und aus den Ilrfpraden erflärt von Wolfgang Birdibad. Dftav- Ausgabe 184 ©. 1,50 M., eleg. geb. 2,25 M. Bolfd- Ausgabe 156 © gebunden 70 Pfennig. Was lehrte Iefus? Zwei lUrevangelien. Bon Molf- % en en ar En « 256 Geiten Df- | INKIIIIXITIIIIIZIITIIISKIIIIIIIZIIIIITT rer ke An u Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. L “ % | % Jnh:C.Schmidtlein,JIngenieur ‘Berlin NW., Luisenstr. 22. Gegründet 1878. —— Patent-, Marken -u..Musterschutz Errrtrrrrrrrrerrr er Hempel’s Klassiker - Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandl. \ Gläser für den Versand und zur Mann In um bean Ausstellung naturwissenschaftlicher Präparate, Preisverzeichniss gratis und franco. nd 54 54 “ , nd 54 54 54 n 4 nd ® “ 54 5.4 5 KATI IKT IT TI II III IITTTTT Über U geographische Ortsbestimmungen Tundr en un ad S t ep p en ohne astronomische Instrumente. Von der Jetzt- und Vorzeit Dictelor her Karanptichen tehawersoAlldheiR. mit besonderer Berücksichtigung ihrer Fauna. Mit eincr Tafel. . Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Von Dr. Alfred Nehring, Vereinigung ET und Professor der Zoologie und Vorsteher der zoologischen Sammlungen an der 53 Seiten Lex. 8. — Preis 1.20 M Königlichen landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin. Mit ı Abbildung im Text und 1 Karte der Fundorte. 266 S. gr. 8°. Preis 6 Mark. besterund pe | Gasmotoren Gebrauchte bewährter - ’ 4 1atı DAMPF- und DYNAMO- Die Charakteristik der Tonarten. aan | Historisch, kritisch und statistisch untersucht HRnEE er | vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. garantirt betriebsfähig | Von in allen Grössen 'solort lieierbar. | Richard Hennig. Elektromotor, s.n.v.. 136 Seiten Oetav. — Preis 2,40 Mark. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. Zerd. Dümmlers Derlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12, Fimmerfr. 94. | Schitibäuerdamm 21 Berlin-NW. vi Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. | Photo::?Phische Stativ- und Hand- — CAMEeras. Gediegene Ausstattung. | 35” Sämmtliche Bedarfsartikel, = | Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare | Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässisrste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“ Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). Vor Kurzem erfchien: Die Volksunterhathumg, Vorträge und Beridte aus dem Erfen Kongreh für Dolksunterhaltung zu Berlin. Bon $. 5. Archenhold, Albert Dresdner, R. von Erdberg, Otto Ernft, P. Selifch, Helene von Korfter, Ad. Gerftmann, Georg Hersfeld, Adolph Köhr, Raphael Kömwenfeld, Sri Manthner, E R. Müller, Marg. Pohlmann, Otto Ploecer-Eckhardt, Hans von Schöning, Ernft Schule, Carl Siemon. £udwig Sittenfeld, Sri Telmann, Joh. Tews, Alfred van der Kelde u. a. ya Anftrage herausgegeben von Yaphael Lömenfeld, 136 Seiten 8°. Preis gebunden 1,50 M. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ER " Redaktion: a" SS x Da SER: Was die naturwissenschaftliche Forschung ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- N den Gebil en der Phantasıe, w.rd ihr reichlich ersetzt durch den | Zauber der Wirklıchke t, derihre g Schöpfungen schmückt, Schwendener. RN Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. | Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Bringegeld bei der Post 15 3 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Sonntag, den 7. August 1898. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— D | NE 32. Inserate: Die viergespultene Petitzeile 40 4. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Der achte naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen, abgehalten in Berlin vom Mittwoch, den 13. April bis Sonnabend, den 23. April 1898. Bericht auf Grund eingegangener Beiträge durch Prof. Dr. B. Schwalbe.*) Nachdem im Jahre 1597 der naturwissenschaftliche Ferieneursus auf die Zeit vom 29. September bis 9. Oetober verlegt worden war, ist vom Jahre 1395 an wieder die alte Ordnung eingeführt, in der Weise, dass die Curse in Berlin und Göttingen Ostern, der Cursus in Frankfurt a./M. aber Michaelis stattfindet. Die letzten Curse, die für den ganzen preussischen Staat eingerichtet sind, berücksichtigen hauptsächlich die Elektrotechnik; neben den betreffenden Vorlesungen ist ein elektrotechnisches Praktikum einge- richtet; auch finden mannigfaltige, interessante, technische Exeursionen statt. Der nächste Cursus wird vom 3. October bis Sonnabend, den 15. October abgehalten. (ef. Plan im Anhang.) Die Leitung des Berliner Ferieneursus war den Herren Dir. Schwalbe und Vogel übertragen; durch letzteren war zugleich mit Unterstützung des Herrn Oberl. Röseler eine Ausstellung naturkundlicher und geographischer Lehrmittel in den Räumen des Dorotheenst. Realgymnasiums veran- staltet. — Da eine Einrichtung nur dann dauernd lebensfähig ist, wenn sie sich stets den Bedürfnissen der jeweiligen Ent- wicklung anpasst und den hieraus entspringenden Forde- rungen gerecht wird, so hatte auch der Plan des diesjährigen Ferieneursus dem Bedürfniss den naturwissenschaftlichen Unterricht mit der Technik in Berührung und Beziehung zu bringen neben den ursprünglichen Zwecken Rechnung getragen, und es wurde dies in dem einleitenden Vor- trage des Dir. Schwalbe, dem diesmal die Eröffnung des Ferieneursus oblag, an der Hand des Programms ein- *) Betreff der früheren Curse vergleiche man „Naturw. Wochenschr.“ 1894 Nr. 18, 1895 Nr. 24, 1896 Nr. 24, 1897 Nr. 49. — Eine ausführliche Darlegung über die Einrichtung der natur- wissenschaftliehen Ferieneurse ist erschienen unter dem Titel „Ueber naturwissenschaftliche Ferieneurse* von Prof. Dr. B. Schwalbe im Centralorgan für Realschulwesen 1894, XX, 593—622. | gehender dargelegt. Die Eröffnung fand statt in Gegen- wart des Geh. Ober-Reg.-Rath Gruhl in der Aula des Dorotheenstädtischen Realgymnasiums. (ef. unter D.) Folgendes Programm kam zur Durchführung: I. Vorlesungen. A. Physikalische, chemische, physiologische. 1. Prof. Dr. König: Neuere Forschungen auf dem Gebiete der physiologischen Optik. 2. Prof. Dr. Warburg in V. von Herrn Dr. Behn: Ueber flüssige Luft. 3. Dr. Kaufmann: Ueber die Emissionstheorie der Kathoden- strahlen. 4. Dir. Dr. Spies: Neue elektrische Versuche. B. Geographische, geologische, astronomische und biologische Vorlesungen. 1. Dir. Dr. Müllenhoff: Die neueren Untersuchungen über den Vogelflug mit Demonstrationen. 2. Prof. Dr. v. Riehthofen: Ueber Ostasien. 3 Prof. Dr. Foerster: Ueber neue Forschungen auf dem Gebiete der Astronomie. 4. Prof. Jäckel: Ueber den gegenwärtigen Stand der De- scendenzlehre verbunden mit paläontologischen Demonstra- tionen. 5. Prof. Dr. Plate: Neuere Forschungen über Befruchtung und Vererbung und über Entwieklungsmechanik. 6. Prof. Dr. Wahnschaffe: Ueber das Stassfurter Stein- salzlager (cf. II. 5). C. Technologische Vorlesungen. 1. Prof. Dr. Pufahl: Das Eisen und seine Gewinnung, mit besonderer Berücksichtigung der neueren Fortschritte und Methoden. Dr. Täuber: Ueber Theerfarbstoffe. Prof. Dr. Saare: Chemische Technologie der Gährungs- gewerbe und Stärkefabrikation. Prof. Dr. Lindner: Bakteriologie der Gährungsgewerbe. Prof. Dr. Böttger: Ueber Verarbeitung der Stassfurter Ralisalze. mp ww 374 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 82. D. Methodische Vorlesungen resp. Vorträge. 1. Prof. Dr. Schwalbe: Ueber Berücksichtigung der Technik bei den Ferieneursen. Vorführung einer Reihe von Schul- experimenten, Thermoskopische Versuche. 2, Sal VEREMES: 3. Prof. Dr. Looser: II. Besichtigungen. 1. Der Ausstellung naturhistorischer und geographischer Lehr- mittel, unter Führung des Herrn Direetor Vogel. 2. Der metallurgischen Sammlungen der Bergakademie unter Leitung des Herrn Professor Pufahl. 3. Des paläontologischen Instituts unter Leitung des Herrn Professor Jaekel. 4: Der Versuchsbrauerei, Brauerei-Malzerei unter Leitung des Herrn Professor Saare u. Lindner. 5. Des Herzogl. Anhaltischen Salzbergwerks Leopoldshall unter Führung des Herrn Professor Dr. Wahnschaffe. Der Urania. Der Einrichtungen der Sternwarte unter Führung des Herrn Professor Foerster. Sun An dem Cursus nahmen Theil die Herren: Provinz Ostpreussen: 1. Oberl. Dr. Luks vom Gym- nasium in Tilsit. — 2. Oberl. Dr. Fritsch vom Gymnasium in Osterode. O./Pr. — 3. Oberl. Dr. Gassner vom Altstädtischen Gym- nasium in Königsberg i./P. — Provinz Westpreussen: 4. Prof. Paszotta vom Gymnasium in Konitz. — 5. Oberl. Frech vom Gymnasium in Dt. Krone. — 6. Oberl. Dr. Hohenfeldt vom Gymnasium in Marienwerder. -—Provinz Brandenburg: 7. Oberl. Dr. Zeitschel vom Gymnasium in Guben. — 8. Hülfsl. Dr. Lietzmann vom Gymnasium in Prenzlau. — 9. Prof. Beyer vom Andreas Gymnasium hierselbst. — 10. Oberl. Dr. Müller vom Realgymnasium in Potsdam. — 11. Oberl. Köhler von der I. Realschule hier. — 12. Dr. Paul Krüger von der I. Real- schule hier. — 13. Oberl. Dr. Schulz von der II. Realschule hier. — 14. Oberl. Lehmann von der II. Realschule hier. — 15. Oberl. Ferdin. Hoffmann von der V. Realschule hier. — 16. Oberl. Gustav Matthaesius von der VIII. Realschule hier. — 17. Oberl. Löckel von der X. Realschule hier. — 18. Ober!. Fritz Günther von der Realschule zu Schöneberg. — Provinz Pommern: 19. Oberl. Dr. Rosenfeldt v. Gymnasium in Belgard. — 20. Oberl. Knape v. Gymnasium in Gartz a./0. — 21. Oberl. Dr. Danker v. Gymnasium in Stargard i.,/P. — 22. Oberl. Dr. Kind v. König Wilhelm-Gymnasium in Stettin. — 23. Professor Sauer v. Friedrich Wilhelm Realgymnasium in Stettin. — Pro- vinz Posen: 24. Prof. Selting vom Marien-Gymnasium in Posen. — 25. Oberl. Groeger vom Gymnasium in Ostrowo. — 26. Oberl. Dr. Mendelsohn vom Berger Realgymnasium in Posen. — Provinz Schlesien: 27. Oberl. Schmolling vom evang. Gymnasium in Glogau. — 28. Oberl. Kelbel vom Gymnasium in Königshütte. — 29. Oberl. Kokott vom Gymnasium zu Gr. Strelitz. — 30. Oberl. Herold vom Gymnasium zu Neustadt. — 31. Oberl. Brieke vom Realgymnasium zu Grünberg. — 32. Oberl. Bugge vom Realgymnasium zu Landshut. — Provinz Sachsen: 33. Oberl. Otto vom Gymnasium zu Eisleben. — 34. Oberl. Dr. Dörge von der Realschule in Quedlinburg. — 35. Wissenschaft- licher Hülfslehrer Schmidt vom Realprogymnasium in Delitzsch. Ausserdem betheiligte sich an dem Ferieneursus noch eine grosse Anzahl von Lehrern höherer Lehranstalten aus Berlin und Umgegend, sowie einige Herren, welche besonderes Interesse für einzelne Vorlesungen und die Ein- richtung der Ferieneurse überhaupt hatten. — Es mögen nun einzelne Berichte folgen, die von den Herren Docenten zum grössten Theile selbst gegeben sind. Prof. Dr. A. König: Neuere Forschungen auf dem Gebiete der physiologischen Optik. Der Vortragende wies in seiner Einleitungsvorlesung zunächst auf die grossen Schwierigkeiten hin, welche eine Besprechung der neueren Entwickelung der Theorie des Farbensehens biete. Denn es berühren sich hier drei Gebiete, Anatomie, Physiologie, Psychologie, deren For- schungs- und Darstellungsmethoden ganz verschieden- artig sind und deren Resultate doch unter einheitlichen Gesichtspunkten verwerthet werden müssen. Besonders aber liegt die Schwierigkeit darin, dass nicht einmal das Beobachtungsmaterial sicher gegründet ist. Der Vor- tragende betonte in dieser Hinsicht ausdrücklich, dass er kaum einen einzigen Satz während der drei Vortrags- stunden werde aussprechen können, dessen Richtigkeit nicht von irgend einem angesehenen Forscher bezweifelt würde. Jeder, der sich eingehend mit der Farbentheorie beschäftigt habe, besitze seine eigene Ansicht, die zum grössten Theile von derjenigen seiner Speecialeollegen ab- weiche. Es bleibe ihm daher bei der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nichts anderes übrig als, ab- gesehen von einem Bericht üher die historische Entwicke- lung der Frage, seine eigene Auffassung der von ilim ge- machten Beobachtungen vorzutragen. Zuerst wurden dann die anatomischen Verhältniss des Auges, speciell der Netzlıaut, besprochen und in dem letzteren Punkte besonders der Fortschritte Erwähnung gethan, die man Golgi und Ramon y Cajal verdankt. Der Vortragende schilderte darauf den Stand der Kenntnisse auf dem Gebiete des normalen und anömalen Farbensehens, wie er sich etwa bis zum Jahre 1860 ent- wickelt hatte, und zeigte, dass fir die damals bekännten Thatsachen die ältere Form der Young-Helmholtz’schen Farbentheorie eine völlig zureichende Erklärung gab. Neue Beobachtungen veranlassten dann in der Mitte der siebziger Jahre E. Hering zur Aufstellung seiner Theorie der Gegenfarben, welche bald eine grosse Anerkennung gewann. In der letzten Hälfte der achtziger Jahre wurden dann von dem Vortragenden selbst und seinen Mitarbeitern, ©. Dieteriei, E. Brodhun und E. Toun quantitative Ver- suche angestellt, deren Ergebnisse der Hering’schen Theorie widersprachen und wiederum zur Young-Helm- holtz’schen Theorie, freilich mit gewissen eingreifenden Umgestaltungen zurückführten. Die neueste.und letzte Phase wurde schliesslich her- beigeführt durch Beobachtungen an Totalfarbenblinden, durch Beobachtungen bei sehr geringer absoluter Inten- sität und durch Messung der Absorptionseurve des Seh- purpurs, woran sich Vertreter aller Richtungen betheiligt haben, ohne jedoch zu übereinstimmenden Ergebnissen und Auslegungen zu kommen. Aus diesen Beobachtungen sind dann die Farbentheorien von J. von Kries und von dem Vortragenden hervorgegangen. Die Ausführungen wurden durch anatomische Tafeln und Curvenzeiehnungen unterstützt. In der letzten Vor- lesung demonstrirte der Vortragende die Zersetzung einer Sehpurpurlösung durch das Lieht, indem er ein kleines, mit einer solehen Lösung gefülltes Gefäss projieirte, wobei das Licht der Projeetionslampe selbst bald die Zersetzung bewirkte. König. Dr. U. Behn: Ueber tropfbar flüssige Luft. Die Erfolge auf dem Gebiet der Verflüssigung der früher sogenannten „permanenten“ Gase beginnen mit dem Expansionsversuch von Cailletet aus dem Jahre 1377, der zuerst Sauerstoff für einen Bruchtheil einer Sekunde zum Nebel eondensirte. 1883 gelang Wroblewski und Olszewski die Verflüssigung einer grösseren Quantität Sauerstoff (mehrere em?) auf statischem Wege. Sie umgaben das Rohr des Cailletet’schen Apparats mit Aethylen, das sie unter stark vermindertem Druck sieden liessen und konnten nun den unter seine kritische Temperatur gekühlten Sauerstoff verflüssigen. Heute giebt es mehrere Verfahren, die gestatten, flüssigen Sauerstoff, Luft, Stickstoff literweise herzustellen. Besonders sinnreich und einfach ist das Verfahren von Linde (1895), das durch Ausnutzung des geringen thermischen Effekts, den die bekannten Versuche von Thomson und Joule ergaben, ohne Anwendung irgend welcher besonderen Kühlmittel, die Luft bis zur Ver- flüssigungstemperatur zu bringen gestattet. Es geschieht XIII. Nr. 32. dies beim Ausströmen derselben von höherem auf niederen Druck in Folge von Leistung innerer Arbeit. Eine auf diesem Prineip beruhende Linde’sche Maschine*) ist im Institut aufgestellt und hat den dem Vortragenden für die Experimente zur Verfügung stehenden Vorrath von über 1 Liter flüssiger Luft geliefert. Ohne besondere Vorsichtsmaassregeln verdampft die flüssige Luft bei der etwa 200° höheren Zimmer- temperatur natürlich sehr schnell; jedoch kann man sie in doppelwandigen Glasgefässen (Fig. 1), wie sie Dewar angegeben hat, recht lange aufheben. Der Zwischenraum zwischen den Wänden ist gut evakuirt und das Glas ver- silbert**), wodurch die Wärmezufuhr durch Leitung und Strahlung sehr vermindert ist. Mit Hülfe des vorhandenen Luftvorraths wurden zunächst die wichtigsten Eigen- schaften der flüssigen Luft selbst durch Experimente erläutert. 1. Die Farbe derselben ist ein milchiges Himmelblau; die in der Flüssigkeit suspendirten, weissen Theilechen (CO,) lassen sich durch Filtriren entfernen; auch ballen sie sich bei längerem Sieden wie andre Niederschläge zusammen und fallen zu Boden. Das Blau rührt von dem in dem Gemisch vorhandenen Sauerstoff her. 2. Der Farbe entspricht das Spectrum: (Absorptions- speetrum des Sauerstofls.) Die stärkste Absorptionsbande befindet sich im Gelb, A= 0,577 u. Ferner bemerkt man eine im Roth, 0,628 und eine im Blau, 0,480; auch eine schwächere im Grün ist bei der Projeetion deutlich sichtbar. 3. Die Temperatur der frei kochenden Luft nimmt von —189° etwa bis —184° langsam zu. Reiner Stick- stoff siedet nämlich unter Atmosphärendruck bei —194°, Sauerstoff bei —182,3%°. Die der Linde’schen Maschine entnommene Luft ist von vornherein schon reicher an dem sich leichter eondensirenden Sauerstoff. Ferner aber verdampft der Stickstoff des Gemisches seines tieferen Siedepunkts wegen fortwährend in grösseren Mengen, als der Zusammensetzung der Flüssigkeit entspricht, wodurch dann der Sauerstoffgehalt der letzteren stetig zunimmt. Mit Hülfe von einem Eisen-Constantan-Thermoelement und Vorlesungsgalvanometer wird die Temperatur mit der der festen Kohlensäure unter Atmosphärendruck ***) verglichen und — annähernd wenigstens — bestimmt. Aether und Alkohol von 96°/,, mittels flüssiger Luft im Reagenzglas gekühlt, erstarren schnell. 4. Giesst man in einen Kolben von Jenaer Geräthe- glas etwas flüssige Luft, so kann man dieselbe in ein- facher Weise zum Betrieb einer Gebläselampe benutzen. Die weisslichblaue Farbe der Stichflamme zeigt den Sauerstoffreichthum der verdampfenden Luft. 5. Die Diehte des unter Atmosphärendruck siedenden Sauerstoffs ist 1,124, die des Stickstoffs unter gleichen Bedingungen 0,885. Dass die Dichte der flüssigen Luft etwa die des Wassers bei Zimmertemperatur ist und bei längerem Kochen letztere merklich übertrifft, sieht man, wenn man flüssige Luft auf Wasser giesst. Die Luft ge- räth in heftiges Sieden, jedoch gefriert das darunter be- findliche Wasser seiner Beweglichkeit wegen und in Folge des Eintretens des Leidenfrost'schen Phänomens nicht. Nach einiger Zeit schnüren sich dann grosse Tropfen flüssiger Luft ab, die im Wasser versinken, wenn sie auch Fig. 1. *) C. Linde, Wied. Ann. 57, S. 328, 1896. ##) Der Quecksilberspiegel, den ein im Vacuum belassener Quecksilbertropfen erzeugt, leistet durchaus nicht dasselbe. *##*) Die Temperatur der festen Kohlensäure oder eines Gemisches derselben mit Aether oder wasserfreiem Alkohol ist nach Ver- suchen von Holborn und Wien gleich — 79,9". Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 375 in Folge erhöhter Dampfbildung wieder in die Höhe ge- rissen werden. 6. Flüssiger Sauerstoff ist stark paramagnetisch. Dies lässt sich schon an dem vorhandenen Gemisch zeigen. Ein von oben der Flüssigkeit auf etwa 1 em genäherter Elektromagnet hebt, kräftig erregt, dieselbe in einem Kegel zu sich herauf, wie in dem vergrösserten Projectionsbilde sichtbar. Auch einige interessante Eigenschaften der Körper bei tiefen Temperaturen werden experimentell demonstrirt. 7. Weiche Körper werden hart und spröde, ein Um- stand, der z. B. die Abdichtung von Ventilen ete. bei tiefen Temperaturen technisch erschwert. Ein Schlauch aus Patentgummi, in flüssiger Luft gekühlt, zersplittert unter dem Hammerschlage. 8. Physikalisch von grosser Wichtigkeit ist die Aen- derung des elektrischen Widerstandes aller reinen Metalle mit der Temperatur: Die fast geradlinigen Widerstands- eurven convergiren in Richtung auf den absoluten Null- punkt. Demonstrirt wurde die starke Abnahme des Widerstandes an einer Nickelspirale. In einem Strom- kreise sind hintereinander geschaltet der Nickelwiderstand, ein dünner Platindraht und einige Aceumulatoren. Hat die Niekelspirale Zimmertemperatur, so wird der Platin- draht nur mässig durch den Strom erwärmt, kommt je- doch zum Glühen, wenn erstere auf die Temperatur der flüssigen Luft abgekühlt wird. 9. Eigenthümlich ist ferner die Eigenschaft von vielen organischen Stoffen, bei tiefen Temperaturen kräftig zu phosphoreseiren. Besonders schön ist z.B. die Phospho- vescenz von weissen Eierschalen (blau) und weissem Wachs (grün). 10. Die technischen Anwendungen, die der Linde- sche Apparat bis jetzt gefunden hat, beruhen sämmtlich auf der Leichtigkeit, mit der man sich durch denselben sauerstoffreiche Luft herstellen kann. So z. B. die Ver- wendung in der Chlorfabrikation. Bemerkenswerth ist auch ein von Linde vorgeschlagener Sprengstoff, ein Brei aus Kohlenpulver und flüssiger Luft. Bei Atmosphären- druck verbrennt diese Mischung, wie gezeigt wird, leb- haft mit weisser Flamme. Behn. Dr. W. Kaufmann: Die Emissionstheorie der Kathodenstrahlen. Nachdem etwa drei Jahrzehnte hindurch die Ansichten der Physiker über die Natur der sogenannten „Kathoden- strahlen“ sehr weit von einander abweichen, ist im Laufe der letzten beiden Jahre eine Klärung insoweit einge- treten, als jetzt die Emissions-Hypothese, d. h. die An- nahme, dass die Kathoden-Strahlen negativ geladene Par- tikel seien, fast allgemein als richtig angesehen wird. Um festzustellen, ob sich die Kathoden-Strahlen in einem elektrischen oder magnetischen Felde thatsächlich so bewegen, wie negativ geladene Partikel, muss man vor allen Dingen die Gestalt des in der Entladungsröhre vorhandenen elektrischen Feldes kennen. Vortragender demonstrirt deshalb zuerst eine gewöhnliche Geissler’sche Röhre von eylindrischer Form und zeigt mittels eines an dieselbe angelegten Thermoelementes, dass die Wärme- entwickelung in der Nähe der Kathode vielmals grösser ist, als in allen übrigen Theilen der Röhre; es rührt dies davon her, dass, wie durch vielfache Messungen festge- stellt worden ist, an der Kathode das grösste Potential- gefälle herrscht. Bei den zur Erzeugung von Kathoden- Strahlen nöthigen Verdünnungen des Gases ist dies in noch viel höherem Maasse der Fall, so dass man in allen von der Kathode entfernteren Punkten das Potentialgefälle 376 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 32. gleich Null setzen kann; es wird deshalb die Richtung eines von der Kathode abgeschleuderten Theilchens nur von der Form der Kraftlinien in der Nähe der Kathode abhängen, d. b. das Theilchen wird nahezu senkrecht zur Kathodenoberfläche fortgeschleudert werden, und, wenn keine weiteren magnetischen oder elektrischen Kräfte vor- handen sind, sich geradlinig fortbewegen. Zur Demonstration der geradlinigen Fortpflanzung diente zuerst eine rechtwinklig geknieckte Röhre, an welcher dann auch die von der Theorie verlangte Ab- lenkung durch den Magneten, sowie die beim Auftreffen auf die Glaswand stattfindende Wärmeentwickelung de- monstrirt wurde. Es folgte sodann eine Besprechung und Demonstration des quantitativen Zusammenhanges zwischen der magne- tischen Ablenkbarkeit und dem Entladungspotential; aus dem gefundenen Gesetze folgt mit Nothwendigkeit, dass das Verhältniss zwischen Ladung [e] und Masse [m] eines Theilchens eine constante Grösse sein muss, dass sich also die Theilechen nicht etwa durch Contact an der Kathode laden können. Die Theilehen können aber auch nicht Jonen sein, denn für die Jonen ergiebt sich aus den elektrolytischen Messungen e/m = 10? C. G.S.E. pro Gramm, während man für die Kathoden-Strahlen aus der magnetischen Ablenkbarkeit etwa 1,5 bis 2 x 107 erhält. Wir müssen also annehmen, dass wir es hier mit einer besonderen, bis jetzt unbekannten Form der Materie zu thun haben. Die Emissionshypothese verlangt ferner eine elektro- statische Ablenkung der Strahlen; während eine solche früher nicht hervorgebracht werden konnte, ist es neuer- dings gelungen, dieselben nachzuweisen und auch den Grund der früheren Misserfolge darzulegen. Ebenso liess sich zeigen, dass die sogenannte „Deflexion“ der Kathoden- Strahlen weiter niehts ist, als eine elektrostatische Ab- lenkung [Demonstration der Deflexion.] Aus dem oben angeführten Werthe von e/m lässt sich die Geschwindigkeit der Strahlen berechnen; neuer- dings ist es gelungen, dieselben auch direet zu messen, wobei sieh eine gute Uebereinstimmung mit der Berech- nung ergab. Dass die Kathoden-Strahlen auch thatsächlich nega- tive Elektrieität längs ihrer Bahn transportiren, wurde ge- zeigt, indem eine von den Strahlen getroffene Metall- platte durch ein Galvanometer zur Erde abgeleitet wurde ; letzteres zeigte einen negativen Strom an, der verschwand, wenn man die Kathoden-Strahlen durch einen Magneten ablenkte. Im Anschluss hieran wurden auch die soge- nannten Kanal-Strahlen demonstrirt, welche positive Elek- trieität mit sich führen und sich nach neueren Unter- suchungen auch sonst wie bewegte positiv geladene Theilchen verhalten. Endlich folgte noch eine Demonstration der Lenard- schen Anordnung; dass die in freier Luft sich fortpflan- zenden Strahlen ihre elektrischen Eigenschaften beibe- halten haben, wurde dadurch gezeigt, dass sie einen po- sitiv geladenen, fluoreseirenden Schirm zu hellerem Leuchten erregten als einen negativ geladenen. Kaufmann. Dr. P. Spies: Einige Demonstrationen über Wechselstrom und Drehstrom. Die im Folgenden kurz skizzirten Experimente sind in dem Ferieneurse Ostern 1898 vorgeführt worden; ein Theil derselben ist meines Wissens in dieser Form noch nieht veröffentlicht worden. Ich habe mir erlaubt, einige Versuche, welehe aus Mangel an Zeit nicht ausgeführt werden konnten, hier mit zu erwähnen. 1. Maschinen. Zwei rechteckige Bügel, von denen der eine mit zwei Halbringen, der andere mit zwei Ringen versehen ist, mögen in einem Magnetfelde gedreht werden; einfachste Gleich- bezw. Wechselstrommaschine. Während man sagen kann, dass die in der Praxis gebrauchten Gleichstrommaschinen (mit Trommelanker) sich an jenen einfachen Fall nahe anschliessen, ist dies bei den Wechsel- strommaschinen weniger der Fall. Die hauptsächliehen Typen der letzteren lassen sich mit Hülfe einiger Draht- rollen und eines Galvanometers in folgender Weise ver- anschaulichen: a) Zwei feste Rollen mit Eisenkernen stehen einander so gegenüber, dass die Windungen parallel und die Ströme gleichgeriehtet sind. Zwischen beiden wird eine dritte Drabtrolle mit ebenfalls parallelen Windungen verschoben (ältere Siemensmaschine). b) Die indueirenden Elektromagnete stehen neben einander, die eine mit dem Nordpol, die andere mit dem Südpol nach oben; die indueirten Rollen (in der Regel mit Eisenkern versehen) gleiten über diese Pole hinweg. Häufiger noch die umgekehrte Anordnung, also ruhende indueirte Rollen, drehbarer Kranz von Elektromagneten (Heliosmaschine). ce) Beide Rollensysteme fest. Ein beweglicher Eisen- kern vermittelt Aenderungen des Kraftlinienverlaufs, und zwar: «. ein An- und Abschwellen, ß. einen Kraftlinienschluss zwischen der inducirten Rolle und abwechselnd einem Nord- und Südpol. d) Drehstrommaschinen kann man sich aus jedem der Fälle a, b, e dadurch entstanden denken, dass auf dem Raume, auf welchem eine indueirte Drahtrolle stand, drei Rollen Platz finden, welehe zunächst selbständig, bezw. nur mit homologen Rollen verbunden sein mögen. 2. Mittlere und effeetive Stromstärke. Eine Maschine mit Doppel T-Anker und Kommutator speist eine Glühlampe; die mittlere Stromstärke wird an einem Gal- vanometer mit permanenter Magnetnadel gemessen. Wenn man nunmehr Akkumulatorenstrom anwendet, so erhält man bei gleicher gemessener Stromstärke ein viel schwä- cheres Licht. Um die gleiche Lichtstärke zu erzielen, muss man einen Gleichstrom anwenden, welcher beiläufig 10 °/, stärker ist, nämlich sich zu dem Strom der Ma- schine verhält wie v- : a ZuSIE unmittelbar die effeetiven Werthe. 3. Transformation. Eine Wechselstromquelle von 100 Volt Spg. steht mit einem entfernten Punkte des Saales durch eine dünne Leitung in Verbindung. Ein Ver- such, daselbst S parallel geschaltete Glühlampen zum Leuchten zu bringen, misslingt; die Lampen leuchten schwach, während der Draht glüht. Wird der Strom auf 800 Volt transformirt und die Lampen in Serie ge- schaltet, so ist eine ökonomische Energieübertragung möglich. Mit Hülfe zweier Induktorien lassen sich Trans- formationen auf hohe und niedere Spannung ebenfalls demonstriren. — Versuche mit einem Strom von 20 000 Volt 0,5 Amp., Demonstration des Flammenbogens. 4. Zusammensetzung von Strömen oder Span- nungen. Von einer kleinen Drehstrommaschine der unter c8 bezeichneten Art (Union E. G.) werden zwei selbst- ständige, um 1/3 Periode gegen einander versetzte Ströme entnommen und zur Speisung der primären Wicklung je eines Transformators benutzt. Die seeundären Spannungen (800 Volt) werden an einem Braun’schen Elektrometer gemessen. Es werden dann beide seeundäre Windungen hintereinander geschaltet. Dem Diagramm entsprechend (kleinere Diagonale eines Rhombus mit dem Winkel 120°) Hitzdrahtinstrumente messen XIII. Nr. 32 ergiebt sich dieselbe Spannung; kommutirt man den einen Strom, so ergeben sich 800 Y3 Volt (grössere Dia- gonale). Unter Benutzung von allen drei Stromsystemen, also mit Hülfe von 6 Leitungen, werden drei Glühlampen ge- speist. Die drei blanken Rückleitungen werden nun mittelst einer Zange zu einer einzigen zusammengefasst, entsprechend etwa der gemeinsamen Erdrückleitung meh- rerer Telegraphenlinien. Im vorliegenden Falle ist jedoch dem Diagramm entsprechend diese Rückleitung stromlos, kann folglich zerschnitten werden (Sternschaltung). 5. Kraftlinien, Ein stabförmiger Elektromagnet (90 em lang, 10 em Durchmesser) mit getheiltem Eisen- kern wird mit Wechselstrom gespeist. Ein Telephon mit Schalltriehter ist mit einer kleinen Drahtrolle verbunden; diese letztere gestattet ein Absuchen des Magnetfeldes, z. B. durch die Stärke des Tons ein Urtheil über die Dichte der Kraftlnien. Wenn das Telephon schweigt, stimmt die Kraftlinienrichtung mit der Windungsebene überein. Durch einen angenäherten, in sich geschlossenen Leiter kann man wieder Kraftlinien in die Prüfrolle hinein- drängen; umgekehrt kann man auch mit Hülfe einer Kupferplatte Kraftlinien abschirmen (Analogie zu ent- sprechenden Hertz’schen Versuchen). 6. Selbstinducetion. Langsames Ansteigen des Strommessers beim Einschalten eines grösseren Elektro- magneten. Umgekehrt wird mit Hülfe einer Wippe der Elektromagnet als Stromquelle für eine Glühlampe be- nutzt. Bei einem empfindlicheren Reagens (Galvanometer) giebt der Elektromagnet noch Strom mehr als 10 See. nach Trennung von der Stromquelle. Beim Wechselstrom schwächt die Selbstinduction den Strom. Nauhweis mit einer Drahtrolle, deren Strom zuvor einige Glühlampen durchtliesst. Dieselben leuchten mehr oder weniger hell, je nach der Lage eines Eisendraht- bündels in der Rolle. In entsprechender Weise wird durch Annäherung und allmäbliche Belastung einer secun- dären Rolle die Verringerung der Selbstinduetion durch Rückwirkung Seitens des inducirten Stromes gezeigt (Energievertheilung mittelst Transformatoren). 7. Elektroinductive Anziehung und Abstossung (Thomson). Ein Gleichstrommagnet stösst beim Strom- schluss eine über ihm an einem Waagebalken hängende Kupferplatte ab; beim Unterbrechen des Stromes erfolgt Anziehung. Bei Anwendung von Wechselstrom bleibt eine Abstossung übrig. Bei Benutzung des sub 5 er- wähnten Elektromagneten wird ein Kupferring sehr ener- gisch abgeschleudert. Ein aus Kupferrohr hergestellter Kupferring wird durch ein Ansatzrohr mit Wasser ge- füllt; dasselbe kommt in wenigen Secunden zum Kochen, so dass der das Ansatzrohr verschliessende Kork abge- schleudert wird. Schliesst man eine Drahtrolle, welehe oberhalb des Elektromagneten hängt, nicht kurz, sondern durch einen Widerstand, so ist die Abstossung entsprechend schwächer. Besteht der Widerstand aus einem Material, welches bei stärkerem Strome besser leitet (Glühlampen), so treten pendelnde Schwingungen der Drahtrolle ein; dabei leuchten selbstverständlich die Lampen heller, wenn die Rolle nahe am Elektromagneten steht. Der Vorgang er- klärt sich dadurch, dass in diesem Augenblicke eine Temperaturerhöhung eintritt, welehe nicht sofort wieder verschwindet. Sobald also aus irgend einem Grunde kleine Pendelschwingungen vorhanden sind, entstehen Temperaturschwankungen, die aber in der Phase hinter jenen Pendelungen zurückbleiben, Man erkennt leicht, dass die abstossenden Kräfte immer während der Periode des Zurückpendelns am stärksten sind, so dass also die Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 377 einmal begonnene schwache Pendelung immer stärker wird. Schliesst man die Drahtrolle nicht durch einen Leiter, sondern dureh Capaeität, so erfolgt Anziehung. Wendet man endlich gleichzeitig Capaeität und Leitung an, so lässt sich eine Compensation erreichen der Art, dass weder Anziehung noch Abstossung erfolgt. Spies. Prof. Karl Müllenhoff: Die neueren Unter- suchungen über den Vogelflug. Zahlreiche alte Sagen und Märchen geben uns Nach- richt, wie die Völker des Alterthums das Problem des Fluges aufgefasst haben; diese Erzählungen enthalten nur selten eine für den Naturforscher verwendbare, gute Be- obachtung; fast immer sind sie auf ein blosses Spielen mit recht willkürlichen Phantasien zurück zu führen. Die eigentlichen Versuche, die Gesetze des Fluges zu erforschen, gehören durchaus der Neuzeit an. Leonardo da Vinei, der grosse Künstler der Renais- sance, war der erste, der eine wissenschaftliche Unter- suchung über den Vogelflug unternahm. Er hat sich eine lange Zeit hindurch sehr eifrig mit dem Flugproblem be- schäftigt. Unter seinen hinterlassenen Papieren finden sich mehr als 100 Zeichnungen, die sich auf den Vogelflug und die Konstruction von Flugmaschinen beziehen, und die Mehrzahl derselben ist so klar durchgeführt, dass sich die Idee Leonardos ohne Weiteres daraus ergiebt. Leonardo da Vinei begann seine Studien über die Flugmaschinen in ganz rationeller Weise mit einer gründ- lichen, auf Beobachtungen und Experimenten basirten Untersuchung des Vogelfluges; er stellte eine Theorie der Flugbewegungen auf; er ging sodann an die Nachahmung dessen, was ihm als das Hauptsächlichste an den Bewe- sungen des Vogels erschien. Schritt für Schritt wurde er dabei durch seine Erfahrungen immer wieder zu neuen Konstructionen geführt, und es finden sich fast alle Vor- schläge, die bezüglich der rein mechanischen Fortbewegung in der Luft gemacht worden sind, in den Leonardoschen Skizzen angedeutet.*) Zweihundert Jahre nach Leonardo, um das Jahr 1680 veröffentlichte der italienische Physiolog Borelli seine eingehenden Untersuchungen über den Vogelflug. Das Borelli’'sche Werk „De motu animalium“ enthielt vor allem über die Mechanik der Muskeleontractionen neue und für alle späteren Bearbeiter dieser Frage sehr wichtige Ent- deekungen. In den 200 Jahren zwischen 1680 und 1880 sind unsere Kenntnisse über den Vogelflug nur ziemlich wenig gefördert. Trotz der grossen Fortschritte, die die Mathe- matik und Physik machten, trotzdem durch die Entwicke- lung der Mechanik die theoretischen Grundlagen zu einer rationellen Behandlung des Flugproblems gegeben wurden wollte es noeh immer nicht gelingen, die Flugbewegungen einer gründlichen Analyse zu unterziehen. Die Ursache dieses immer wieder von Neuem erfol- genden Misslingens ist hauptsächlich darin begründet, dass die Feststellung des Thatsächlichen bei den Flugbewe- gungen ganz besondere Schwierigkeiten hat Vermittelst der direeten Beobachtung können wir nicht einmal eine Einzelheit der Bewegungen eines fliegenden Thieres gut verfolgen. Wir sind zweitens, was die Auf- fassung der Bewegung aufs Höchste erschwert, nicht im Stande, zahlreiche Bewegungsvorgänge, welche sich neben- einander abspielen, zu gleicher Zeit zu beachten. *) Siehe Müllenhoff, Leonardos Flugversuche. Zeitschrift für Luftschiffahrt 1894. Man kann fliegende Vögel stundenlang beobachten, ohne zu einem nennenswerthen Erfolge zu gelangen; man muss sich nothwendigerweise darauf beschränken, irgend einen bestimmten Umstand der Bewegung feststellen zu wollen; man muss abwarten, bis das Thier sich an einer für die Beobachtung besonders günstigen Stelle und in günstiger Richtung darbietet, und alle in weniger günstigen Verhältnissen gewonnenen Bilder vergessen und unter- drücken. Ja man muss bei den blitzschnell ablaufenden Flügelschlägen sich auf eine einzige Phase der Bewegungen eoncentriren und die wiederkehrenden Eindrücke sich sum- miren lassen. Die Fähigkeit, solche flüchtigen und rasch sich folgenden Eindrücke deutlich aufzufassen, ist indivi- duell sehr verschieden; sie hängt nicht nur von der methodischen Uebung, sondern auch von der natürlichen Anlage beim Beobachter ab.*) Diese Missstände sind mit der Beobachtung mit blossem Auge unzertrennlich verbunden. Es ergiebt sich hieraus, wie unzuverlässig die in der älteren Litteratur euthaltenen Angaben über die Form der Flügelbewegungen sind. Es ergiebt sich ausserdem aber auch hieraus, wie verfehlt alle früheren Versuche sein mussten, auf Grund der unvollständigen und direct fehler- haften Beobachtungen sich eine mathematische Theorie des Vogelfluges zu construiren. Eine jede mathematische Be- rechnung muss auf sicheren Daten aufgebaut sein, oder sie wird zu Irrthümern führen. Nur allzulange hat man diesen für die schwierigen physiologischen Probleme gerade ganz besonders be- herzigenswerthen Grundsatz nicht beachtet; anstatt Zurück- haltung zu üben, wo die Beobachtungsdaten noch nicht hinreichend fest standen, haben Mathematiker vielfach sich bemüht die Gesetze des Fluges (deductiv) aus allgemeinen Gesetzen der Mechanik abzuleiten; sie versuchten auf rein theoretische Weise die Bahnen zu finden, welche die ein- zelnen Theile des Flügels durchlaufen „müssten“. Doch blieb diese Speeulation stets mehr oder weniger willkürlich, und vielfach wurden dabei dem Vogel Bewegungen zuge- schrieben, die er nicht ausführt, ja nach seinem anato- mischen Bau nicht ausführen kann.**) Erst in den letzten zwanzig Jahren ist es gelungen sichere Methoden der Beobachtung aufzufinden; Methoden, welche die Möglichkeit gewähren, dasjenige, was man mit blossem Auge nicht aufzufassen im Stande ist, genau und zuverlässig festzustellen. Es sind zumal zwei solcher Methoden, und beide sind in erster Linie von dem fran- zösischen Physiologen Marey ausgebildet und angewandt worden. Beide können als graphische Methoden bezeichnet werden, und man benutzt sie ausser zu der Beobachtung des Vogelfluges, auch zur genauen Feststellung mancher anderer Bewegungen, die sich der direeten Wahrnehmung entziehen. Die erstere derselben, die chronographische Me- thode Mareys, ist begründet auf der Anwendung eines Registrirapparates. Derselbe besteht aus einem rotirenden Cylinder, auf dem die Richtung und die Zeitdauer der einzelnen Bewegungen in Form von Kurven aufgetragen wird. Aus der Zahl und der Gestalt der Kurven, die während einer Umdrehung des Cylinders erhalten werden, erkennt man bei einem fliegenden Vogel erstens die Zahl der Flügelschläge, zweitens den Rhythmus der Zusammen- ziehungen und Streckungen der Muskeln. Es lässt sich drittens vermittelst dieses Apparates die Höhe und Weite der Bewegung an der Flügelspitze messen. Es wird viertens ermöglicht, die Riehtung festzustellen, in der sich *) Siehe Müllenhoff über Strasser Flug der Vögel. Zeitschrift für Luftschiffahrt 1886. **) Siehe Müllenhoff, Die Flugversuche der Menschen. Die Natur. Halle. _ 1896. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 32. ein einzelner Punkt der Oberfläche des Thieres verschiebt gegen die Verticale (d. h. nach oben und unten) gegen die horizontale vorwärtsgerichtete Achse des Thieres (d.h. nach vorn und hinten) und gegen die auf diesen beiden Linien senkrechte Querrichtung (d. h. nach rechts und links). Ausserordentlich werthvoll ist diese von dem geist- reichen französischen Forscher und seinen Schüler für zahl- reiche Versuche angewandte Methode. Sie liefert für jeden Punkt der Oberfläche des fliegenden Vogels die Bahn, und zwar in durchaus zuverlässiger Darstellung. Dennoch ist diese Methode allein kaum geeignet ein klares Bild von dem jeweiligen Zustande des Thieres zu liefern; sie giebt eber die Darstellung dieser Oberfläche nur allzu unvoll- ständig, nämlich nur punktweise, und es wäre daher, um ein vollständiges Bild von der ganzen Oberfläche zu ge- winnen, die gleichzeitige Feststellung der in jedem Momente der Bewegung bestehenden Verteilung von Tausenden von Punkten an der Oberfläche des Thieres erforderlich. Für das, was durch die ehronographische Methode nur schwer erreichbar scheint, für die Fixirung der Ge- sammtform des bewegten Thieres in jedem Augenblick der Bewegung, kommt uns nun die zweite graphische Methode zu Hilfe: die photographische.*) Ursprünglich beanspruchte, wie allgemein bekannt, die Herstellung einer Photographie so viel Zeit, dass die Aufnahme bewegter Körper unmöglich schien. Erst durch die Anwendung der Trockenplatten gelang es, die Zeit- dauer der Exposition mehr und mehr abzukürzen, und jetzt photographirt man das Pferd im Sprunge, den Vogel im Fluge, ja selbst die vorübersausende Granate und das mit so ungeheurer Geschwindigkeit vorüberflitzende Geschoss des kleinkalibrigen Gewehrs. Das photographische Ver- fahren hat die Unvollkommenheiten unseres Auges aus- geglichen. Wie das Mikroskop und das Fernrohr die Grenzen der sichtbaren Welt räumlich erweiterten, so hat der photographische Apparat die Schranken überwunden, die unserem Auge durch die Zeit gezogen waren. Durch die photographische Platte wird das thatsächlich Ge- schehene erstens vollständig wiedergegeben und frei von allen aus der subjeetiven Auffassung des Beobachters ent- springenden Hinzufügungen, es wird zweitens das einmal aufgenommene Bild fixirt und die Verdrängung des einen Sinneseindruckes durch den andern verhindert. Die pho- tographische Platte ist somit eine Netzhaut, welche die Eindrücke vollständig und rein aufnimmt und die einmal aufgenommenen Eindrücke nicht wieder vergisst. Speziell für die Bewegung der Thiere, zumal der Flugthiere, ist dieses Verfahren der Beobachtung nament- lich durch vier Experimentatoren ausgebildet worden. Es sind dieses Muybridge, Lugardon, Marey und Anschütz. Die erste Publikation von Darstellungen rasch be- weeter Thiere erfolgte von Seiten des in San Francisco lebenden Photographen Muybridge. Seine Bilder waren allerdings noch ziemlich unvollkommen. Die Thiere traten in den Aufnahmen von Muybridge nicht plastisch hervor, sondern waren blosse schwarze Silhouetten auf weissem Grunde. Was seine Arbeiten besonders werthvoll machte, war, dass er den Hergang der Bewegung darstellte, indem er in mehreren kurz aufeinander folgenden Intervallen die verschiedenen Phasen eines Sprunges, eines Flügelschlages, eines Schrittes darstellte. Uebertroffen wurde Muybridge hinsichtlich der Model- lirung der einzelnen Formen des Körpers durch den Genfer Maler Lugardon. Doch gaben die Aufnahmen *) Siehe Müllenhoff, Ueber die Momentphotographie. schrift für Luftschiffahrt 1885. Zeit- XIN. Nr. 32. Lugardon’s nur einen Moment der Bewegung wieder und sind daher für das wissenschaftliche Studium der Bewe- gung unzulänglich. Da publieirte nun beinahe gleich- zeitig mit Lugardon Marey Bilder, die die Lugardon’schen zu ergänzen geeignet waren. Der französische Physiolog, der durch die Anwendung des Chronographen bereits so werthvolle Beiträge für die Lehre von den Bewegungs- erscheinungen geliefert hatte, publieirte jetzt Aufnahmen, die er mit seiner photographischen Flinte hergestellt hatte. Dieser Apparat liefert in Intervalleu, die in gleichen Ab- ständen kurz aufeinander folgen, zahlreiche Aufnahmen von ein und demselben T'hiere, und gestattet also die Weiten des in jedem Zeitabschnitte zurückgelegten Weges zu messen. Doch sind die Bilder, die von Marey mit seiner photographischen Flinte erhalten wurden, in Bezug auf die Güte der Darstellung nur denen von Muybridge, durchaus nicht denen von Lugardon ebenbürtig. Das was in den bisher besprochenen Arbeiten im einzelnen erreicht wurde, vereinigte sich auf das Voll- kommenste in den Darstellungen von Ottomar Anschütz. Ihm gelang es, Serienaufnahmen herzustellen, bei denen jedes Bild jede Einzelheit in vollständiger Klarheit er- kennen lässt. Die reichen Mittel, welehe dem französischen Physio- logen Marey in seinem Institute zur Verfügung stehen, er- mögliehten es ihm, die Anschütz’schen Arbeiten selbst- ständig zu wiederholen. Er stellte Bilder her, bei denen auf ein und derselben Platte in kurzen, genau gemessenen Zeitintervallen zahlreiche Bilder eines fliegenden Vogels erzeugt wurden; die störenden Verdeckungen des einen Bildes durch das andere wusste er geschiekt zu umgehen und erhielt Bilderreihen, die an Klarheit und Vollständig- keit seine früheren Darstellungen bei weitem übertrafen, wenn sie auch nicht die ganze Schönheit erreichen, welche den Anschütz’schen Bildern eigen ist. Wie genau diese Darstellungen das Wirkliche wiedergeben, ersieht man besonders deutlich durch die Vereinigung der Bilder vermittelst eines Schnellsehers. Mit Hülfe dieses Apparates lässt sich die Gesammtheit der Bewegungen des Vogels für den Beschauer genau reprodueiren, so dass man das Thier nach Belieben schnell oder langsam an sich vorüberfliegen sehen kann. Nur eine Unvollkommenheit, allerdings eine Unvoll- kommenheit, die jedem auf photographischem Wege her- gestellten Bilde eigen war, zeigten auch diese Reihen- aufnahmen fliegender Thiere. Die Darstellungen gaben nicht die eigentliche Körperform und ihre Bewegung, sondern nur ihre Projeetion auf eine Ebene wieder. Es entstanden somit Verkürzungen mannigfaltiger Art, und diese mussten bei falscher Beurtheilung zu Irrthümern führen. Auch diese Fehlerquelle wusste Marey unschädlich zu machen, indem er die gleichzeitige Aufnahme eines fliegenden Vogels von drei verschiedenen aufeinander senkrechten Richtungen bewerkstelligte. So wurden z. B. Möwen und Tauben sowohl von der Seite wie von vorn und von oben photographirt, und zwar geschahen alle drei Aufnahmen zu gleicher Zeit und in Serien. Indem Marey sodann die den gleichen Momenten entsprechenden Bilderreihen zu synoptischen Tableaus vereinigte, ermög- lichte er es jedem Beschauer, sich für jeden Zeitabschnitt den ganzen Körper des Flugthieres zu construiren und den Fortschritt der Bewegung von einer Phase zur anderen zu verfolgen. *) Um die Auffassungen der Körperformen und ihrer *) S. Marey „Vol des oiseaux“. Paris, Masson, 1390. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 379 Bewegungen zu erleichtern, liess Marey sodann aus Wachs und später aus Bronze Figuren herstellen, die genau nach den Momentphotographien gearbeitet waren. Diese plasti- schen Darstellungen gestatten die genaue Beobachtung jeder Einzelheit beim Fluge. Sie können durch einen dem Anschütz’schen Schnellseher ähnlichen Apparat zu einem einheitlichen Bilde vereinigt werden. Unser hiesiges zoologisches Museum enthält eine solche von Marey geschaffene Serie; durch dieselbe ist der Flug der Möwe dargestellt. Marey photographirte in seinem physiologischen Laboratorium zu Boulogne bei Paris in Zeitintervallen von !/;,„ Seeunden eine Möwe zehnmal während eines Flügelschlages, und zwar geschahen diese Aufnahmen zu gleicher Zeit von drei verschiedenen Rich- tungen aus, von vorn, von der Seite und von oben. Aus den hierbei innerhalb Y/, Seeunde aufgenommenen dreissig Einzelbildern wurde sodann die Form des fliegenden Thieres für die zehn Momente der Bewegung auf das genaueste construirt, und es wurden schliesslich nach diesen Constructionen plastische Darstellungen des flie- genden Thieres in Wachs modellirt. Die auf diese Art erhaltenen Wachsmodelle geben in den entsprechenden Abständen hinter einander aufgestellt, das vollkommene Bild der gesammten Bewegungen eines Jeden einzelnen Punktes der Oberfläche des Thieres; sie lassen die Weite und Richtung der Flügelschläge, die Veränderungen in der Form der Flügel, sowie die He- bungen und Senkungen des Rumpfes aufs Klarste er- kennen. Diese Darstellungen sind daher ausserordentlich geeignet, zur genauen Beobachtung aller beim Fluge statt- findenden Bewegungserscheinungen. Wir haben daher alle Ursache dem französischen Forscher Marey dankbar zu sein, der dieses vorzügliche Studienmaterial in jahrelanger, mühseliger Arbeit geschaffen hat, und der dann in hochherziger Weise auch unserem zoologischen Museum eine Serie seiner Modelle über- wiesen hat. Nachdem durch die Chronographie und durch die Momentaufnahme eine wirklich zuverlässige Beschreibung der beim Fluge thatsächlich stattfindenden Bewegungen erreicht worden war, wurde die Untersuchung über die Mechanik des Fluges energisch wieder aufgenommen, und es wurde zugleich die praktisch wichtige Frage ins Auge gefasst, ob dasjenige, was von den Vögeln mit geringem Gewichte im Kleinen ausgeführt wird, von Menschen mit Flugapparaten im Grossen nachgeahmt werden könnte. Es handelt sich dabei hauptsächlich um zwei für die Praxis in erster Linie wichtige Punkte. Es galt nämlich erstens festzustellen, wie gross bei einem Flugapparate, der im Stande sein sollte, das Gewicht des Menschen und noch mehr zu tragen, die Grösse der Flugflächen sein müsse, und wie gross die beim Fluge zu verrichtende Arbeit sei. Die Messung der Grösse der Flugflächen ergab zu- nächst, dass Thiere von gleichem Gewichte vielfach unter einander in Bezug auf die Grösse der Flugflächen sehr verschieden sind. Eine nähere Vergleichung der Thiere zeigte dabei, dass bei Thieren von gleichem Gewichte je nach der Grösse der Flugflächen auch die Flugmethoden der einzelnen Thieıe wesentliche Unterschiede erkennen lassen. Als eine interessante und bei den früheren Unter- suchungen nieht genügend gewürdigte Gesetzmässigkeit wurde dabei erkannt, dass vielfach grosse und kleine Flugthiere, die ein ähnliches Verhalten beim Fluge zeigen, zugleich auch geometrisch ähnlich gebaut sind, d.h. also: wenn ein solches Thier die doppelte Länge hat, wie ein zweites, so hat es eine viermal so grosse Flugfläche und einen achtmal so grosses Gewicht. Dementsprechend muss also ein Thier, das zehnmal so lang ist, wie ein 350 anderes, hundertmal so grosse Flügel und das tausend- fache Gewicht haben.*) Es gleichen also die fliegenden Thiere in Bezug auf ihre Bauart durchaus den Schiffen. Auch bei ähnlich ge- bauten Schiffen wächst, wenn die Länge sich verdoppelt, die Segelfläche auf das Vierfache, das Gewicht des ganzen Fahrzeuges, das Deplacement oder die Wasser- verdrängung: wie man neuerdings in der Sprache der Schiffseonstrueteure sich ausdrückt, auf das Achtfache. Nun ist bekaunt, dass nicht alle Schiffe von gleicher Grösse gleiche Segelllächen tragen und ebenso wenig gleich gut segeln. Die Panzerschiffe mit den kleinsten Segelflächen segeln am schlechtesten, die für Wettfahrten gebauten, mit grossem Segelareal ausgestatteten Yachten am besten, und bei den in Bezug auf die Grösse der Segelflächen die Mitte haltenden Schiffsklassen bemerkt man, dass die Fähigkeit zu segeln steigt und fällt, ent- sprechend einer Vergrösserung oder Verkleinerung der Segel. Von vornherein wird man geneigt sein anzunehmen, dass auch für die Vögel sich ähnliche Beziehungen werden nachweisen lassen; und thatsächlich ist dieses der Fall; man erhält durch die Vergleichung der Körpergewichte und der beim Kreisen, Segeln und Gleiten der Vögel verwendeten gesammten Unterflächen eine Anzahl von Flustypen, deren jedes grosse und kleine Thiere von geometrisch ähnlichem Bau und durchaus analogem Ver- halten beim Fluge umfasst. Bezeichnet P das Körpergewicht eines Vogels, p das Gewicht der Brustmuskeln, f die Grösse der Flügelflächen und F die gesammte Unterfläche des Thieres, die ja beim passiven Fluge, d. h. beim Gleiten, Schweben und Kreisen als Tragfläche zur Geltung kommt, so giebt der Werth oe— I!/y: Pl, ein einfaches Mittel die Thiere nach ihrem Segelvermögen zu celassifieiren, und es kann daher der Ausdruck o kurz als die Segelgrösse genannt werden. Die Reihe beginnen die Thiere mit den (relativ) kleinsten Flügeln: die Stubenfliege und diejenigen Käfer, welche nur kurze Zeit fliegen, wie Dytieus, Hydrophilus. Dazu kommen die schlecht fliegenden Wasservögel (Fuli- gula, Harelda, Gallinula) und diejenigen Hühner, welche keine grossen Schmuckfedern haben (Bonosa, Lagopus, Perdix). Bei allen diesen Thieren ist das Segelvermögen so klein, dass an ein Schweben oder Segeln nicht zu denken ist. Diese Thiere fallen daher sehr schnell, selbst heftig, zu Boden, sobald die Flügelschläge aufhören. — Diese Thiere mit flatterndem Fluge («—=3) kann man kurz als den Wachteltypus bezeichnen. Ihnen schliessen sich solche Thiere an, welche ebenso kleine Flügelflächen haben, wie die vorigen, aber doch ein etwas grösseres Segelareal (—4). Hierzu gehören die Hühnervögel mit grossen Schmuckfedern (Fasan, Auerhahn, Pfau) und Inseceten mit grossen Geschlechts- zierraten (Hirschkäfer). Diese T'hiere vom Fasanentypus könuen zwar ebenso wenig wie die vorigen längere Zeit fliegen, sie brauchen aber doch nicht beim Senken des Körpers so ängstlich zu flattern, wie die Thiere vom Wachteltypus. Geradezu ein Hinderniss für die rasche Fortbewegung wird die Steigerung des Segelareales beim Pfau; trotz verhältnissmässig grosser und zumal langer Flügel und kräftiger Flügelmuskulatur fliegt derselbe nur sehr langsam. Dem Fasanentypus gleich stehen in Bezug auf die Segelgrösse die Sperlinge und Staare, Drosseln und Schnepfen (o—=4). Auch sie, die T'hiere vom Sperlings- typus, fliegen ebenso wie die vom Wachteltypus mit *) Müllenhoff, Die Grösse der Flugflächen. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bonn 1884. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 32. raschen Flügelschlägen, können aber, wenn sie sich von der Höhe herabsenken, die Flügel längere Zeit ruhig halten; sie köınen also, wenn auch nicht segeln, so doch gleiten; sie können es um so mehr, je grösser o ist. Den Vögeln vom Sperlingstypus schliessen sich durch gleiche Segelgrösse die Thiere vom Schwalbentypus an (c—4) eine kleine Auzahl äusserst langflügeliger Thiere (Cypselus, Hirundo, Caprimulgus), bei denen die Länge der Flügel und die riesige Entwiekelung der Brustmusku- latur bewirkt, dass ein einziger Schlag ihrem Körper eine sehr bedeutende Bewegungsgrösse verleiht. Wenn die relative Grösse des Segelareales den Werth o—5 erreicht, so beginnt der Flug einen wesentlich anderen Charakter anzunehmen. Die Dauer der passiven Flugtouren, die schon früher länger und länger wurde, steigert sich successive bei den grossen Krähen (Nebel- krähe und Rabe), dem Kiebitz und dem Zwergreiher, den Falken und Geiern, Eulen und Pelikanen, sowie den Störchen zum kreisenden Fluge. Bei allen diesen Thieren ist die Segelgrösse so bedeutend (a — 5—6), dass es nur einer geringeu Windstärke bedarf, um die Thiere selbst ohne Flügelschlag in der Luft zu erhalten, und zwar ist die zum Kreisen erforderliche Windstärke um so kleiner, je grösser die Segelgrösse ist. So sieht man, dass die Krähen, der Sperber und der Hühnerhabicht nur bei frischer Brise kreisen können, während die Bussarde und der Milan, die Störche und grossen Geier auch bei schwacher Luftbewegung diese bequemste von allen Be- wegungsarten anwenden können. Am schönsten beobachtet man den kreisenden Flug bei den Geiern. Es lassen sich daher die Thiere, welchen diese Flugart eigen ist, passend als Geiertypus bezeichnen. Den Geiern gleichen in Bezug auf ihre Segelgrösse die Thiere vom Möwentypus, die Sturmvögel und Möwen. In Grösse und Form der Flügel verhalten sie sich ähnlich zu den Geiern, wie die Schwalben zu den Sper- lingen, d. h. ihre Flügel sind ebenso gross wie die Geier- flügel, aber dabei bedeutend schmäler, und die Möwen bewegen sich daher in einer von der Art des Geierfluges recht abweichenden Weise. Indessen sind die Verschiedenheiten, welehe zwischen dem Möwenfluge und Geierfluge bestehen, keineswegs, wie man wohl erwarten sollte, dieselben wie die zwischen dem Schwalbenfluge und Sperlingsfluge. Bei den schmalen Flügeln der Schwalbe bewirkt der Umstand, dass die Druckmittelpunkte der langen Flügel von den Drehungs- punkten weit entfernt sind, dass der Vogel sich einen sehr viel kräftigeren Luftstrom erzeugt, als es den kurz- flügeligen Thieren bei gleichem Flügelareale möglich ist; die gerade bei den Schwalben ganz ausserordentlich kräftige Brustmuskulatur (p: P) setzt diese Thiere in den Stand, einen solehen Luftstrom anhaltend und besonders stark zu erzeugen. Auch bei den Möwen liegen die Druckmittelpunkte der Flügel weit von den Drehungs- punkten entfernt, aber es fehlt ihnen die kräftige Brust- muskulatur der Schwalbe, ja die Möwen haben sogar von allen fliegenden Thieren, die schwächste Flugmusku- latur (p: P). Die Möwen können daher ihre Flügel nieht lange Zeit anhaltend und mit grosser Kraft bewegen; sie können sieh nicht selbst den Luftstrom erzeugen, der sie tragen soll. Dagegen ist kein Thier so geschickt, vor- handene Luftbewegung, sie sei nun stark oder schwach, gut auszunutzen, wie die Möwe. Die Verlängerung der Flügel, die weite Hinauslegung der Druckmittelpunkte der beiden Flügel vom Körper, gewährt ihnen die Mittel zu dieser wirksamen Ausnutzung jedes Windes. Die Flügel- länge ist es, die ihnen so ungeheuer weite Flüge gestattet. Sie übertreffen ja selbst die Schwalben und Falken durch die Weite ihrer Wanderzüge, XII. ‚Nr. 32. Ebenso wie die Thiere vom Geiertypus benutzen auch die Möwen vorhandene Luftbewegung, aber sie sind auf die Verwendung einer ganz bestimmten Windrichtung beschränkt. Sie kreuzen gegen den Wind. Ihre langen und dabei rasch und in mannigfaltiger Weise verstell- baren Unterarme wirken dabei wie riesige, leicht verstell- bare Raen. Je nach Bedürfniss wird die Segelfläche bald hier bald dort in Bezug auf ihre Grösse und in Bezug auf die Richtung verändert. Es muss daher zweifellos, ebenso wie der Schwalbenflug als die vollen- detste Form der Fortbewegung mit Propellern anzusehen ist, der Möwenflug als die vollendetste Form der Fort- bewegung mit Segeln betrachtet werden. Gerade bei den Möwen sieht man daher am leichtesten, wie die Regu- gulirung der Grösse der Segelfläche je nach der Stärke des Windes erfolgt. Beobachtet man z. B. eine Schaar Möwen, die bei heftigem Winde am Strande der Nord- see über dem Deiche kreist. Jedes Mal, wenn ein Thier über den Teich wegschiesst, wird es von dem kräftigen, von der schrägen Böschung des Deiches abprallenden Luftstrome plötzlich von unten getroffen; jedes Mal be- wirkt aber auch dieser das Thier so plötzlich treffende Luftstrom eine ebenso plötzliche Verkleinerung des Segel- areales. In schwächerem Winde vergrössert die Möwe ihr Segelareal mehr und mehr. Beide Manöver, die Ver- grösserung wie die Verkleinerung des Segelareales ge- schehen dabei so schnell und zugleich mit einer solchen Sicherheit in der Abmessung der für jede Windstärke erforderlichen Segelgrösse, dass man deutlich erkennt, dass die Regulirung durchaus automatisch ist, d. h. durch den Wind selbst bewirkt wird. Bei der Untersuchung über die Grösse der Flug- arbeit”) handelte es sich darum, festzustellen, wie gross für ein einzelnes Thier der Betrag der für den Flug auf- zuwendenden Leistung ist, sodann aber galt es zu ent- scheiden, .ob.. ein. grosses Thier, verglichen mit. einem kleinen, einen verhältnissmässig grösseren Kraftaufwand nöthig "hat oder nicht. Diese Frage ist von entschei- dender Bedeutung für die Nachahmung des Vogelfluges, und sie ist daher bereits häufig aufgestellt und lebhaft discutirt worden. So lange man dabei auf die unsicheren Schätzungen und die direeten Beobachtungen mit blossem Auge beschränkt blieb, fielen die Ergebnisse der Berech- nungen bald günstig bald ungünstig aus, sie verdienten *) S. Müllenhoff, Die Grösse der Flugarbeit. Pfllüger’s Archiv für Physiologie. Bonn 1885. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 331 aber in beiden Fällen gleich wenig Vertrauen, da die den Bereehnungen zu Grunde liegenden Annahmen alle mehr oder weniger unsicher und willkürlich waren. Erst in den letzten Jahren ist durch die exakten Beobachtungen Ma- rey’s und anderer Forscher eine feste Grundlage für die Rechnungen gewonnen, und es stellte sich dabei ein Er- gebniss heraus, das von den früheren in mehrfachen Be- ziehungen abweicht, Grosse und kleine Thiere brauchen, das zeigten die Beobachtungen sowohl wie auch die Rech- nungen, im Ganzen für gleiche Gewichte einen gleichen Kraftaufwand: im einzelnen zeigen sich aber Unter- schiede. Je grösser nämlich ein Thier ist, desto weniger Arbeit hat es für den Vorwärtsflug, einen desto grösseren Theil der Arbeit hat es dagegen für die Erhebung in die Höhe und die Erhaltung in derselben zu verrichten. Genaue Experimental - Untersuchungen über die Leistungsfähigkeit der Vogelmuskeln und eine Ver- gleichung mit denen anderer Thiere liessen erkennen, dass erstens die Muskulatur grosser und kleiner Thiere von gleicher Beschaffenheit ist, und dass ausserdem die Vögel in Bezug auf die Leistungsfähigkeit ihrer Muskeln die anderen Thiere durchaus nicht übertreffen. Durch alle diese Ergebnisse wurde unser Wissen über den Vogelflug sehr bedeutend erweitert. Die Anatomie und die vergleichende Messung hatten gezeigt, dass im Gegensatz zu früheren irrigen Vorstellungen grosse und kleine Thiere im Ganzen ähnlich gebaut sind; dass zumal bezüglich der Grösse der Flügelflächen dieselben Verhält- nisse bei Fliegern aller Grössen vorkommen. Durch die Chronographie und die Momentphotographie waren die Bewegungen des Vogels während des Fluges der Beobach- tung zugänglich geworden. Physiologische Experimental- Untersuchungen hatten über den Rhythmus der Flugbe- wegungen, sowie über die Grösse der Flugarbeit bei kleinen und grossen Thieren Aufschlüsse gebracht. Und die Resultate aller dieser so äusserst mannig- fachen Forschungen ermuthigen sämmtlich zu der Hoff- nung, das Problem, den Vogelflug im Ganzen nachzu- ahmen, sei lösbar. Es haben daher die Versuche, Flugmaschinen zu eonstruiren, jetzt mit mehr Aussicht als früher in Angriff genommen werden können. Bekannt sind die vielfachen, schliesslich ja unglücklich endigenden Versuche Lilienthals und Maxims. Namentlich in Amerika ıst jetzt eine grössere Anzahl tüchtiger Experimentatoren an der Arbeit, und Langley, Chanute, Herring haben die von Lilienthal be- gonnenen Versuche erfolgreich weitergeführt. Müllenhoff. Der Einfluss der Regenwürmer auf die Acker- krume ist nach Untersuchungen von Prof. Wollny (Königsberg, land- und fortstwirthsch. Zeitg. 1597) ein grösserer, als man gewöhnlich annimmt. Er machte zu- erst Versuche mit Pflanzen und fand, dass die in wurm- haltiger Erde ein üppigeres Wachsthum und eine beträcht- lieh grössere Fruchtbarkeit besassen als die in wurmarmer. So ergaben von Ersteren ein mehr Procent an Korn an Stroh Erbsen aserkeeuAan: 25,2 34,6 Ackerbohnen 69,1 46,9 Roggen 93,9 47,8 Bapsparsacn) er 920 156,5 Kartoffeln . . 135,9 Knollen. Beschädigungen der Pflanzen dureh die Würmer fanden keine statt. — In einer zweiten Versuchsreihe untersuchte W. die direete Einwirkung der Regenwürmer auf die Erde. Zwei ceylindrische Zinkblechgefässe wurden mit feingesiebter, humöser Ackererde gefüllt, und in eines der- selben wurden 5 Regenwürmer gebracht. Nach 6 Wochen ergab sich in Letzterem eine Volumenzunahme der Erde um 27,5%. Die physikalische Einwirkung der Regen- würmer auf die Erde besteht darin, dass sie sie mit Bohr- löchern durchziehen, Erde schlucken und in Form abge- rundeter Exkremente wieder von sich geben, wodurch der feinerdige Boden in eine krümelige Masse umgewandelt und gelockert wird. Dadurch wird die Wasser-Kapaeität des Bodens vermindert, die für Luft erhöht, die Durch- dringlichkeit für beide und für die Pflanzenwurzeln ver- mehrt. Unter dem Einfluss der Verdauungs-Säfte wird die Erde auch chemisch verändert. Die organischen Stoffe derselben werden für leichtere Zersetzbarkeit vor- bereitet und wasserlösliche Stiekstoffverbindungen und Mineralstoffe erzeugt. Reh. 382 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 32. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurde: Der Docent der Philosophie in Freiburg Dr. Arthur Drews zum Professor. Es habilitirten sich: Unser Kolkwitz in Berlin für Botanik; Anatomie; Dr. Holde an der Charlottenburg für Chemie. Es starb: Der Mineraloge C. W. A. Herrmann in New-York. Mitarbeiter Dr. Richard Dr. Klepsch daselbst für technischen Hochschule zu Die Jahresversammlung der British Association for the Advancement of Science findet unter dem Vorsitz von Sir William Crookes während der mit dem 7. September be- ginnenden Woche in Bristol statt. Der 5. internationale Congress für Hydrologie, Climato- logie und Geologie tagt vom 25. September bis 1. October in Lüttich. Die Association francaise pour l’avancement des sciences hält ihre diesjährigen Sitzungen in Nantes vom 4—11. August ab Station für Pflanzenschutz zu Hamburg. — Der Hambur- gische Staat hat im Freihafen eine Station für Pflanzenschutz geschaffen. Die Leitung derselben ist Herrn Dr. ©. Brick vom Botanischen Museum zu Hamburg übertragen, als Zoologe ist Herr Dr. L. Reh berufen worden. Anlass zur Einriehtung der Station gab die Untersuchung des über Hamburg eingeführten, amerikanischen Obstes auf San Jose-Schildlaus (Aspidiotus pernieiosus Comst.); ausserdem soll die Station auch die Sendungen lebender Pflanzen aus dem Auslande hinsiehtlich der Einschleppung von Reblaus, San Jose- Schildlaus ete. überwachen. Ihr fallen als weitere Aufgaben zu, die Bekämpfung auftretender Pflanzenkrankheiten, die Revision der Rebsehulen und der mit Reben bepflanzten Gebäude, die Ueber- wachung der mit Obstbäumen bestandenen Culturflächen im Hamburgischen Gebiete sowie die Beschäftigung mit den ein- schlägigen Fragen. Litteratur. Dr. E. Wintzer, Denis Papin’s Erlebnisse in Marburg. Mit Benutzung neuer Quellen. Mit dem Portrait Papin’s. N. G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung. Marburg 1898. — Preis 1,50 Mark. Die sorgfältig zusammengestellte Marburger Lebensperiode Papin’s liest sich gut und gewährt einen interessanten Einblick in die Universitäts-Verhältnisse zu Ende des 17. Jahrhunderts. Das Heft zerfällt in mehrere Theile: Das 1. Capitel berichtet von Papin’s Uebersiedelung von London nach Hessen und Mar- burg bis zu seiner Vermählung und der Erfindung der Dampf- maschine (1687—1691), das 2. von Papin’s Ernennung zum Kirchen- ältesten der französischen Gemeinde in Marburg bis zu seiner Ausschliessung aus derselben (Juni 1691 bis Mai 1693), das 3. über Papin im Kirchenbann (Mai 1693 bis August 1694). Im Schluss- eapitel wird Papin’s Weggang aus Marburg geschildert, und es werden Rückblicke und Ergänzungen gegeben. In einer Beilage finden sich einige ungedruckte Briefe und Schriftstücke Papin's. Dr. Ludwig Cohn, Die willkürliche Bestimmung des Geschlechts. 2. vermehrte Auflage. Würzburg. A. Stuber’s Verlag (C. Ka- bitzsch). 1898. — Preis 0,75 Mark. Verf. stellt dasjenige zusammen, was man aus bisherigen Forschungen für und wider die Möglichkeit einer Beeinflussung des Geschlechtes der Geburt weiss, um so die Frage genauer zu präeisiren, sie in ihrem ganzen Umfange zu zeigen und die Wahr- scheinlichkeit einer Lösung zu discutiren. Düsing’s Resultat, dass jedes Individuum zur Zeit seiner grössten geschlechtlichen Leistungsfähigkeit ceteris paribas sein eigenes Geschlecht der Frucht am wenigsten überträgt, ist auf dem Gebiet das wichtigste Positive, was erreicht wurde. Verf. erinnert daran, dass bei vielen niederen Thieren das Geschlecht entweder im Ei präformirt oder ausschliesslich durch die Befruchtung resp. die Larvenernährung bestimmt wird, wir also bei diesen die Geschlechtsbestimmung dureh Modifizirung eines einzigen ausschlaggebenden Faktors nach Wunsch treffen können. Für die Wirbelthiere aber, speziell für die Säugethiere und den Menschen, ist es der strengen Kritik des gesammelten Thatsachenmaterials nur möglich, einem einzigen Faktor — dem relativen Alter der Erzeuger — die Wahrschein- lichkeit einer Geschlechtsbeeinflussung zuzuerkennen, auch hier aber wohlgemerkt nur die Wahrscheinlichkeit und nur der Be- einflussung, nicht etwa der alleinigen Bestimmung. Schenk’s neue, auf die Ernährungs-Verhältnisse der Frau gegründete Ansicht lehnt C. ab. — Ueber den Gegenstand haben wir schon einmal in der „Naturw. Wochenschr.“, und zwar bei Gelegenheit der Besprechung des guten Buches von Janke über „Die willkürliche Hervorbringung des Geschlechtes bei Mensch und Hausthieren“ Band VI (1891), Nr. 7, S. 71—72 ausführlich berichtet. Dr. Heinrich Kohlwey, Arten- und Rassenbildung. Kine Ein- führung in das Gebiet der Thierzucht. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. G. H. Th. Eimer in Tübingen. Mit 5 Fig. Wilhelm Engelmann in Leipzig 1897. — Preis 1,60 M. Das Studium des beachtenswerthen, gehaltvollen Heftes ist jedem zu empfehlen, der aus der momentanen Krisis über die Frage nach der Wichtigkeit der Selection für die Artenbildung hinauszukommen strebt. Die geringe Beachtung der Erfahrungen der Tlıierzüchter, sagt Eimer im Vorwort, hat manchen „merkwürdigen Einfall“ zu längerem Leben verholfen, als ihm bei seiner Geburt hätte zu- getraut werden mögen. „So wird jeder Thierzüchter auf Grund seiner Versuche das Leugnen der Vererbung erworbener Eigen- schaften dahin beantworten, dass es ohne diese Vererbung über- haupt keine praktische Thierzucht gäbe.“ Kohlwey erinnert an einige schlagende Thatsachen, die die Richtigkeit der Annahme der Vererbung erworbener Eigenschaften demonstriren. — Die Uebung, der Gebrauch der Organe ist nach Ansicht K.s die wichtigste Ursache der Umbildung der Lebewesen. — Als funda- mentales, namentlich für den Züchter wichtiges Gesetz stellt K. den Satz auf: „Das Spermatozoid hat das Bestreben, das Zeugungs- produet die Stammformen und die Form des Vaters, das Ki hat das Bestreben, dasselbe die Stammformen und die Form der Mutter durchlaufeu zu lassen“. Kürzer: „Jede Keimzelle will ihre Stamm- formen wiederholen“. Das Treffende dieses Gesetzes ergiebt sich aus den Erläuterungen, die Verfasser nach dem ihm zur Verfügung stehenden Thatsachen-Material, giebt. Hier sei nur angedeutet, dass sich mit Zugrundelegung dieses Gesetzes leicht die zum Theil eigenartigen Resultate bei Kreuzungen erklären. Edward John Routh, Die Dynamik der Systeme sterrer Körper. Autorisirte deutsche Ausgabe von Adolf Schepp. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Felix Klein in Göttingen. Erster Band: Die Elemente. Mit 57 Figuren im Text. X. und 472 S. gr. 8°. Verlag von B. G. Teubner in Leipzig, 1898. — Preis gebunden 10 M. Ä Das Werk, dessen erster Band in guter Uebersetzung und trefflicher Ausstattung vorliegt, ist in den Ländern englischer Zunge ausserordentlich verbreitet: es ist daselbst das allgemeine, normale Lehrbuch der Mechanik. Vermöge der weitgehenden Trennung, die sich auf mathematischem Gebiete zwischen der englischen Litteratur und der der übrigen europäischen Völker seit ziemlich langer Zeit immer stärker ausgebildet hat, ist das mit Recht geschätzte Routh’sche Lehrbuch der Dynamik, jedenfalls in Deutsch- land, so gut wie unbekannt geblieben. Die genannte Trennung ist angesichts des sich fortgesetzt steigernden Gedankenaustausches der Forscher eine ganz ausserordentlich auffallende Erscheinung, und sie ist allmählich bis zu dem Punkte gediehen, dass das gegen- seitige Verständniss erschwert ist. Der Wunsch, diese Kluft zu schliessen, ist beiderseits in neuester Zeit immer mehr rege ge- worden; so sehen wir einerseits, wie englische Mathematiker, z. B. Forsyth in Cambridge, die analytischen Methoden der con- tinentalen Mathematiker ihren Landsleuten näher zu bringen sucht, und andererseits legt die vorliegende deutsche Ausgabe eines der trefflichsten englischen Lehrbücher Zeugniss davon ab, dass die deutschen Mathematiker der vernachlässigten englischen Litteratur näher treten wollen. Es ist von vornherein klar, dass dies zur wissenschaftlichen Befruchtung führen wird, denn zahl- reiche Anregungen sind während der Trennungszeit naturgemäss beiden Theilen entgangen. Dass diese Berücksichtigung der englischen Litteratur bei uns unter der Führung eines der leitenden Mathematiker erfolgt, wird der damit beginnenden Entwiekelung in hohem Grade förder- lich sein. Was nun die Vorzüge und die Eigenart des vorliegenden Werkes betrifft, so liegen diese ganz in dem englischen Unterrichts- verfahren begründet; der grösste Nachdruck wird auf die Durch- arbeitung der einzelnen Anwendungen gelegt. Das Schwergewicht liegt in der Anwendung der allgemeinen Prineipien auf concerete Probleme, während bei uns bekanntlich vor allem der systematische Aufbau, der allgemeine Ueberblick und die Anregung zur selbst- ständigen Ideenbildung angestrebt wird. Unser akademischer Unterricht hat eine — man möchte sagen: philosophische — Rich- tung auf das Ganze, der englische Universitätsunterricht sucht vor allem zur Lösung von Einzelproblemen zu befähigen. Während also unsere mathematischen Studenten z. B. über die allgemeinen Sätze und Prineipien der Mechanik in der Regel gut unterrichtet XII. Nr. 32 sind, sehen sie sich einem eonereten mechanischen Problem häufig hülflos gegenüber. Es wird daher nur zu wünschen sein, dass unsere Unterrichtsmethode durch die englische eine Ergänzung erfährt. In diesem Sinne stimmen wir den Gesichtspunkten durch- aus zu, von denen aus Geheimrath F. Klein in seinem Vorwort dem deutschen Publieum das vorliegende Lehrbuch der Dynamik empfiehlt. Die ceorreete Uebersetzung des Herın Schepp ist von Ge- heimrath Klein und von Dr. Liebmann durchgesehen worden, und es ist dem vorliegenden Bande ein Anhang beigefügt worden, der eine Zusammenstellung wichtiger Arbeiten der nieht-englischen Litteratur enthält und eine dankenswerthe Beigabe bildet. Ein Namenregister und ein alphabetisches Verzeichniss der definirten Ausdrücke finden sich am Schluss des Bandes. Nach den obigen allgemeinen Darlegungen noch in das Detail des Inhaltes einzu- treten, erscheint im vorliegenden Falle nicht erforderlich. Wir wünschen dem Routh’schen Buche grosse Verbreitung und sehen dem zweiten Bande mit Interesse entgegen. Aug. Föppl, Vorlesungen über technische Mechanik. Dritter Band: Festigkeitslehre. Mit 70 Fıguren im Text. XVI und 472 S. 8°. Verlag von B. G. Teubner in Leipzig, 1897. — Preis geb. 12 Mark. Professor Föppl von der Technischen Hochschule in München beabsichtigt, seine Vorlesungen über technische Mechanik in einem Werke von vier Bänden zu veröffentlichen, und hat zunächst aus besonderen Gründen den dritten Band, der von der Festigkeits- lehre handelt, im Druck erscheinen lassen; die übrigen drei Bände sollen in möglichst kurzen Zwischenräumen folgen. An- gesichts der ganz hervorragenden Schätzung, welcher sich die Vorlesungen des Verfassers bei seinen Schülern und seine wissen- schaftlichen Arbeiten bei den Fachgenossen erfreuen, wird das geplante Unternehmen allseitig die wärmste Aufnahme finden. Sehriften einer so berufenen Feder bedürfen keiner Empfehlung. Das ganze Werk wird in der Weise gegliedert sein, dass der erste Band eine Einführung in die Mechanik bildet, der zweite die Statik, der dritte die Festigkeitslehre und der vierte die Dynamik behandelt. Es wird also in diesen Vorlesungen alles geboten, was der Techniker von der Mechanik zu wissen nöthig hat. Dieses ganze Gebiet wird in München während des zweiten, dritten und vierten Studiensemesters erledigt, so dass der Besuch einer besonderen Vorlesung über analytische Mechanik danach für die überwiegende Mehrzahl der Studirenden der Technik nicht erforderlich erscheint. Aber nicht nur für den Techniker sind diese Vorlesungen von Werth, sondern sie erregen auch in ganz erheblichem Grade das Interesse der Mathematiker. In der That ist das Studium der Mechanik bei dem Techniker und bei dem Mathematiker ganz wesentlich verschieden; der letztere kann Probleme, bei deren Lösung er auf unüberwindliche Schwierigkeiten stösst, bei Seite legen, der Techniker dagegen ist durch die Forderungen der Praxis gezwungen, vor einem solchen Problem nicht zurück- zuweichen, sondern eine praktisch brauchbare Lösung zu finden. So ist in der Mechanik des Technikers eine Reihe vou Ansätzen vorhanden, die dem Mathematiker im Allgemeinen unbekannt ge- blieben sind. Man wird also nur wünschen können, dass die Mathematik sich mehr als bisher derartigen Problemen zuwende, die dureh die Technik gestellt werden; sind doch aus der Be- schäftigung mit Aufgaben, die von der Natur oder der Technik gestellt werden, schon zahlreiche Bereicherungen der reinen Mathematik erwachsen. Wir glauben also, dass nicht nur der Techniker, sondern auch der Mathematiker die Föppl’schen Vorlesungen, die sich vielfach durch eine eigenartige Darstellung auszeichnen, studiren solle. Dann wird mehr und mehr die viel beklagte Spaltung zwischen den Tendenzen und Zielen der Technik und der Mathematik schwinden, zum Vortheil beider und zum Nutzen der Wissenschaft. George Salmon, Analytische Geometrie des Raumes. Deutsch bearbeitet von Wilhelm Fiedler. I. Theil. Die Elemente und die Theorie der Flächen zweiten Grades. Vierte ver- besserte Auflage. XXIV und 448 S. 8%. Verlag von B. G. Teubner in Leipzig, 1898. — Preis 8 Mark. Gegen die dritte, vor nahezu 20 Jahren erschienene Auflage des ersten Theils der ihrer eigenartigen Vorzüge wegen sehr geschätzten und verbreiteten analytischen Geometrie des Raumes von Salmon-Fiedler weist die neue Auflage äusserlich eine Naturwissenschaftliche Woechensehnrift. 385 Umfangsvermehrung von 362 auf 448 Seiten und innerlich mancher- lei Aenderungen und Verbesserungen auf, Mit Rücksicht auf die Verbreitung dieses Werkes, das heute in keiner mathematischen Bibliothek fehlen dürfte, wird es genügen, auf das Erscheinen der neuen Auflage hinzuweisen und die wesentlichen Aende- rungen kurz anzugeben, die in derselben Platz gefunden haben, Die ersten beiden Capitel der dritten Auflage, die den Punkt betrafen, sind zu einem einzigen vereinigt worden, während das 3. Capitel, welches die Ebene und die gerade Linie behandelte, in zwei Capitel zerspalten worden ist. Neu eingeschaltet ist dann das vierte Capitel, in welchem den homogenen projeetivischen Coordinaten eine besondere, eingehende Behandlung zu theil wird. Einzelne Veränderungen finden sich auch in den Capiteln V, VI, VII, doch würde deren Aufzählung zu weit führen. Capitel VIII dagegen ist neu ausgearbeitet und enthält eine aus- führliche Untersuchung der Lehre von den Collineationen und Reeiproeitäten, sowie deren Zusammenhang mit der Theorie der Flächen zweiten Grades, ein Gegenstand, der bisher nur auf wenigen Seiten angedeutet worden war. Diese Aenderung hat des ferneren bewirkt, dass auch das Capitel über die Methoden der abgekürzten Bezeichnung einer Umarbeitung unterzogen worden ist. Unter den Veränderungen, welche das Capitel über Focalpunkte und confocale Flächen erkennen lässt, muss die Ein- führung der Theorie der gebrochenen Focaldistanzen im confocalen Flächensystem genannt werden, durch die es vor Kurzem Prof. Staude in Rostock ermöglicht worden ist, die lange gesuchten Eigenschaften der Flächen zweiten Grades aufzufinden, die den Brennpunktseigenschaften entsprechen. Mancherlei Bereicherungen hat ferner das Capitel von den Invarianten und Covarianten der Systeme zweiten Grades gewonnen, unter denen als wesentlichste die Lehre von den Parallelen in der elliptischen Geometrie ge- nannt werden muss. Schliesslich sei erwähnt, dass die Litteratur- nachweisungen ebenfalls eine Bereicherung erfahren haben, indem eine grössere Zahl neuerer Arbeiten von Bedeutung darin berück- sichtigt worden ist. Durch alle die zahlreichen Verbesserungen, von denen hier nur die wichtigsten angedeutet werden konnten, hat Prof. Fiedler seine Bearbeitung up to date gebracht; die neue Auflage stellt wieder das vollständigste Lehrbuch der analytischen Geometrie des Raumes dar, und sie wird ohne Zweifel ihren Weg in alle mathematischen Bibliotheken finden. F Bulletin of the Geological Institution of the University of Upsala. Edited by Hj, Sjögren: Vol. III. Upsala 1898. — 1. Wiman, Carl. Ueber Dietyonema cavernosum n. sp. (Plate T.) — 2.Kjellmark, Knut: Une trouvaille arch&ologique, fait dans une tourbiere au nore de la Ne£rieie. — 3. Munthe, Henr.: Studien über ältere Quartärablagerungen im südbaltischen Gebiete. — 4. Andersson, Frithjof: Ueber die quartäre Lagerserie des Ristinge Klint auf Langeland. Eine biologisch-stratigraphische Studie. — 5. Holmquist, P. J.: Synthetische Studien über die Perowskit- und Pyrochlormineralien. (Plate II—IV.) — 6. Wiman, Carl: Kambrisch-silurische Faciesbildungen in Jemtland. (Plate V—VIL) — 7. Wiman, Carl: Ueber silurische Korallenriffe in Gotland. (Plate VIII—X.) — 8. Sernander, Rutger: Zur Kenntniss der quartären Säugethier-Fauna Schwedens. — 9. Nor- denskjöld, Otto: Ueber einige Erzlagerstätten der Atacama- wüste. — 10. Wiman, Carl: Ueber den Bau einiger gotlän- dischen Graptoliten. — 11. Munthe, Henr.: On the interglacial submergence of Great Britain. — 12. Holmquist, P. J.: Ueber mechanische Störungen und chemische Umsetzungen in dem Bänderthon Schwedens. (Plate XV—XVII.) — 13. Högbom, A. G.: Ueber einige Mineralverwachsungen. Messtischblätter des preussischen Staates. 1: 25,000. 1725. Laar. — 1728. Meppen. — 1950. Wiedensahl. — 1954. Hannover. — 1955. Lehrte. — 2020. Springe. — 2223. Pyrmont. — 2371. Höxter. Berlin. — A 1 M. Briefkasten. Hrn. Oberförster R. — Wir empfehlen ihnen sehr Büsgen’s „Bau und Leben unserer Waldbäume“ (Gustav Fischer in Jena 1897). — Ueber die charakteristische Ausbildung des Wurzel- werkes bei Bäumen, die in Mooren wachsen, wie bei den soge- nannten Moorkiefern (vergl. „Naturw. Wochenschr.*“ XI, 1896, S. 307) ist jedoch leider im Buche nichts zu finden. Eine Be- sprechung desselben wurde in der „Naturw. Wochenschr.“ XII, 1898, S. 43 gegeben. i ee ER ei nase Se naar er re EN ED Ein EV EHEN LIE N GBEB HE Tue $ Wa A FE Inhalt: B. Schwalbe: Der achte naturwissenschaftliche Ferieneursus für Lehrer an höheren Schulen. — Der Einfluss der Regen- würmer auf die Ackerkrume. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. E. Wintzer, Denis Papin’s Erlebnisse in Marburg. — Dr. Ludwig Cohn: Die willkürliche Bestimmung des Geschlechts. — Dr. Heinrich Kohlwey, Arten und Rassen- bildung. — Edward John Routh, Die Dynamik der Systeme starrer Körper. — Aug. Föppl, Vorlesungen über teehnische Mechanik. — George Salmon, Analytische Geometrie des Raumes. — Bulletin of the Geological Institution of the University of Upsala. — Liste. — Briefkasten. 354 Gewinnbetheiligung bei Erfindungen! G o e Vor hei e! Neues Princip für Massenbetheiligun roSS t le! an industriellen Unter nom ug LE 2 EEE ZERE AREEWEEDIE ENTE = Neuheiten - Vertrieb. Neu aufgenommen: Durchführung des Buttenstedt- schen Fugprincips (von zwanzig namhaften Gelehrten unterstützt) und Errichtung einer Versuchs- station für Flugzwecke. Internationaler Verein zur rationellen Trade Mark Verwerthung von Erfindungs-Patenten. Eingetragene Genossenschaft mit be- 7) schränkter Haftpflicht, Berlin SO. 26, Cottbuserstrasse 1. Jedes Mitglied kann bis 500 Antheile übernehmen, partieipirt am Reingewinn und erhält bedeutenden Rabatt auf die von der Genossenschaft selbst fabricirten Artike). Kein Risiko! Ferd. Dümmlers Werlngsbndhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerftraße 9. Soeben erichien: Im Reicdje des Zaren. Büften und Bilder aus Rufland von Enaen Zabel. Preis 3 Mark, elegant gebunden 4 Mark. Ssuhalt: Die franfo-rujfiihe Allianz. Nitichewo. — Wobedonoszew. — Bidnard in Wetersburg. — Graf Walırjew. — Das heilige Rußland. — Auf dem Chodinfa- felve und bei Leo Zolitoi. — Nikolai Nekraffow. Swan Keylom. RW. Garichin. — Katharina TI. ald pramatiiche Schriftitellerin. — Der Bildhauer Antofolsfy. —- Rubinftein und Tichaitomwsty. — Niihny-Nowgorop. — Aut der Wolga. — Kijew. Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. gend. Dimmlers Derlagsbucmhhandlung. in Berlin SW. 12 ‚ Zimmerft. %. Der geniale Menfd). Hermann Türd. Dritte ftarf vermehrte Auflage. Snbalt: I. Künftleriiches Geniegen und Schaffen deö genialen Menfchen. IT. Bhilo- jophiiches Streben. III. Braftiihes Verhalten. Gott und Welt. IV. Shateipeares Hamlet. V. Goethes Fauft- VI. Byrond Manfred. VII. Schopenhauer und Spinpza. VII Chriitus und Buddha. IX. Alerander, Gäjar, Napoleon. = an und 2ombrojo. XI. Stirner, Nießihe und Shien. XI. Echluß- etrachtung. 390 Seiten gr. 8°. Preis geb. 4,50 A, eleg. geb. 5,60 A. Dünnschliff- Sammlungen für praktische mikroskopische Uebungen. Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller wichtigen Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. Rosenbusch „Mikroskopische Physiographie der massiven Gesteine“ Stutt- gart 1896. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste gedruckte Beschreibung, derart, dass der Lernende die einzelnen Göinenptköile der Gesteine makroskopisch und mikroskopisch erkennen und bestimmen kann. Sammlungen von je 120, 180 und 260 Dünnschlifen in elegantem Etui je Mk. 150, Mk. 225, bez. Mk. 325. Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen MIEINE EEE (Format 8V/,><11 em.) je Mk. 250, Mk. 390, bez. Mk. Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer it mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate und für die richtige Auswahl von charakteristischem Material garantirt werden kann. Dr. F. Krantz, Rheinisches Mineralien - Contor. Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. Geschäftsgründung 1833. Bonn a./Rh. Geschäftsgründung 1833. Verantwortlicher Redaeteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Die Kailerzufammenkunft Auguft 1897. Bom ruifiihen Hof. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. XI. Nr. 32. VO HH HH HOP HH HH OH HH Dr. Robert Muencke Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. % Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ! und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. DH 00090 900 den, Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. SEE Herberstain und Hirsfogel. Beiträge zur Kenntnis ihres Lebens und ihrer Werke. Mit 10 Abbildungen im Text. Von Prof. Dr. Alfred Nehring 108 Seiten gross Octav. in Berlin. Ladenpreis 3 Mark. ® “ ® : “ , Der Menfcheitslehrer. Ein Kebensbild des Weifen von Hazareth. George Paul Syivefter Gabanis. 300 Seiten Dftav. Preis geh. 3 A, elegant geb, 4 AM. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. an optische usa Paul Wächter Berlin - Friedenau empfiehlt als Spezia- litäten seine Mikroskope In Ferd. Dümmlers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 12 erschien: Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am kgl. Realgymn. in Berlin. 444 Seiten gr. 8. Pr. 6M., geb.7M. Gebrauchte und 7 WWaNn | Gasmotoren Beats und franko DAMPF- una DYNAMO- betriebsfähig in allen "Grössen sofort lielerbar. Elektromötor,s.n...x. Schinbauerdanım 21 Berlin NW. ERRER EERERRRRER BERRRR garantirt Hempel’s Klassiker - Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers !Verlagsbh SBerlin. EIIIIIIIIIILIIIIIIIITZ Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Rh Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Photo®szneras. Stativ- und Hand- Gameras. Gediegene Ausstattung. NT Zu Sämmtliche Bedarfsartikel. Bene Stecekelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässisste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: „ON je Nr FErn- "Redaktion: Was die naturwissens ft e Forschung -ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- den Gebil ‘en der Phuntasıe, w.rd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirkliclike t, der ihre Schöpfungen schmückt. Schwendaner. Dr.H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. Sonntag, XIM. Band. | den 14. August 1898. Nr. 33. Abonnement: anstalten, wie bei der Expedition, Beer bei der Post 15 „, extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- Der Vierteljahrspreis ist M# 4.— ek Inserate. Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Der achte naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen, abgehalten in Berlin vom Mittwoch, den 13. April bis Sonnabend, den 23. April 1898. Bericht auf Grund eingegangener Beiträge durch Prof. Dr. B. Schwalbe. (Fortsetzung.) Professor Ferd. Frhr. v. Richthofen: Geogra- phiseher Beherbliek von Ostasien. Einleitung: Wahl des Gegenstandes wegen der Bedeutung Ostasiens für europäische Interessen in der Gegenwart. Länderkundliche Betrachtung soll sich von der Chorographie zur Chorologie, d. h. zur ursächlichen Verkettung der an die Erdoberfläche gebundenen Er- scheinungen erheben. Sie kann dann Manches aufnehmen, was der geographischen Forschung ferner liegt, insbe- sondere nach den wirthschaftlichen und politischen Seiten. Methodisch ist das fest gegebene Substrat von Lithosphäre, Hydrosphäre ‘und Atmosphäre der höchst veränderlichen Grösse: Mensch gegenüberzustellen. 1. Festland und Ocean. Gestalt von Ostasien und seiner untermeerischen Fortsetzung in Horizontale und Verticale. — Die Küste als Resultante von Boden- gestalt und Meeresstand. — Aeussere Kontinentalküste und innere Festlandsküste getrennt durch Randmeere. Tiefe derselben und Bedeutung der 200 Meter-Linie. — Aeussere Inselberge als Wiederholung eines Typus der Anordnung, der den Gebirgsbau in einem grossen Theil von Asien und Europa beherrscht. — Zusammenhang mit Amerika und Australien. 2. Klima. Verbreitung der Wärme, der Luftströmun- gen und der Niederschläge in Ostasien nach Jahres- zeiten. Contrast von Monsunklima und Mediterranklima. — Ursachen der thatsächlichen Erscheinungen. — Einfluss des Klimas auf Periodieität der Flüsse, Gletscherbildung, Verbreitung der Vegetation, spontane Wiederbewaldung, Regelung des Feldbaues, Schiffahrt, Verkehr. Günstige Verhältnisse der Monsunländer. 3. Morphologie. a) Allgemeine Anordnung und Gliederung der Gebirge Ostasiens vom Pamir bis zur Küste und den Inseln. Höhenverhältnisse. — b) Contrast der peripberischen und centralen Gebiete in Bodenform, Bewässerung, Pflanzendecke, Lebensbedingungen für Pflanzen und Thiere, Siedlung und Verkehr, Bev ölker ungs- | diehtigkeit und Lebensgewolmheiten. Eiufiuss- des Klimas auf Bodenformen und "Bodenart. Bedeutung des Föhn- charakters der Luftströmungen. Gestaltende Agentien in peripherischen Ländern. Thalbildung, Alluvialbildung. — ce) Die grossen Strombecken Ostasiens, Lage der Schwemmebenen. Formen der Küsten. 4. Gesehiehte der Kenntniss von Ostasien, von Ptolemaeus bis zur Gegenwart. Berührung der Völker des Westens und des Ostens. Anbahnung eimes wirthschaftlichen Verkehrs. 5. Bewohner. Bevölkerungsdichtigkeit der einzelnen Länder. — Eintheilung der Bewohner nach Rassen und Stämmen. — Cultursitze. Alter und Selbstständigkeit der Chinesischen Cultur. 6. China, Japan, Korea im Besonderen. Poli- tische und culturelle Stellung von China. Religion. Heranbildung der heutigen Zustände. Produetion. Haupt- züge des wirthschaftlichen Verkehrs. Hohe Summe der latenten menschlichen Arbeitskraft. Stellung von Kiau- tschou zur Küste und zum Inneren. 7. Rückblick. v, Riehthofen. Professor Dr. W. Foerster: Ueber Zeitbestim- mungen, mit nachheriger Vorführung der Ein- richtungen der hiesigen Königlichen Sternwarte für die Zeitmessung und für den öffentlichen Zeitdienst. Der Vortrag begann mit einer Darlegung über die erkenntnisstheoretische Bedeutung der Zeitmessung. Ge- rade weil das Gedächtniss der Menschenseele von so ausserordentlicher Fülle und Dauerhaftigkeit ist, sodass sich unmittelbar oder mittelbar erworbene Vorstellungen 336 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. IT. 2 NT 33; von Vorgängen aus den verschiedensten Zeiten nach inneren Verwandtschaftsgesetzen verbinden und dabei die Zeitdifferenzen ihrer Datirung unter Umständen durch die Stärke und Unmittelbarkeit der Assoeiationen ihres Inhalts aus der Bewusstseinsordnung entrücken können, gerade deshalb wird es mit steigender Geistescultur immer unentbehrlicher, dass die Datirungen der von aussen kom- menden Vorgänge, deren Bilder jene Vorstellungen sind, sofort beim Eindringen in das Innenleben mit bestimmten, durch Maass und Zahl festzuhaltenden und aufzuzeichnen- den Phasen von äusseren sogenannten Zeitphänomenen verbunden werden. Als Zeitphänomene dienen solehe natürliche oder künstliche Bewegungserscheinungen in der Aussenwelt, deren Folgeordnung mit grosser Einfachheit und Sicher- heit in Maass und Zahl, sowohl an sich als auch in ihrer Verbindung mit den zu datirenden Wahrnehmungen, un- abhängig von den Schicksalen der bezüglichen Vor- stellungsbilder des Innenlebens, in der Aussenwelt selber durch graphische Technik oder dergleichen festgehalten werden kann. Nur durch die Anknüpfung an solche fest- geordnete und draussen relativ beständig aufgezeichnete Systeme von äusseren Vorgängen wird cs unserem an sich von der äusseren Folgeordnung losgelösten Bewusstsein ermöglicht, Gesetze der Folgeordnung in der Aussenwelt durch blosse Vorstellungsverbindungen der Innenwelt zu erkennen. Als die eigentliche Grundlage dieses exacten Er- kenntnissverfahrens dient uns das grosse natürliche Zeit- phänomen der Drehung der Erde oder des durch dieselbe hervorgerufenen Anscheins der täglichen Drehung des Fixsternhimmels. Als künstliche Zeitphänomene, mit deren Hilfe die Eintheilung dieses grossen natürlichen Zeit- maasses in kleinere und kleinste Theile bewirkt wird, dienen die von uns mit Hilfe der Naturkräfte hervorge- rufenen und unterhaltenen Schwingungsbewegungen, z. B. diejenige des unter der Wirkung der Schwerkraft schwin- genden Pendels und der unter der Wirkung der Elastieität schwingenden Spiralfeder. Es wurden die Störungen kurz erörtert, denen die Regelmässigkeit dieser künstlichen Zeitphänomene unter- worfen ist, sowie die Mittel und Wege zur Einschränkung dieser Störungen. Es wurde ferner darauf hingewiesen, dass auch das grosse Schwingungsphänomen der Erd- Drehung von solehen Störungen nicht absolut und für alle Dauer als unabhängig gelten kann. In aller Kürze wurde das Wesen solcher Störungen und die allmähliche Erkennung und Berücksichtigung der- selben, im Verlaufe sehr grosser Zeiträume, dargelegt. Sodann wurde auf die Bedeutung der Zeitmessung für die Technik und für das Zusammenleben, besonders für die Verkehrsanstalten eingegangen und der gegen- wärtige Stand der bezüglichen Einrichtungen in Preussen erörtert. Eine Ergänzung fanden die letzteren Dar- legungen in den oben erwähnten Vorführungen der bezüg- liehen Sternwarteneinriehtung am 16. April. Foerster. Dr. W. Foerster: Ueber Ortsbestim- mungen am 15. April 1898. Die Bestimmung des objeetiven räumlichen Ver- laufes der Erscheinungen in der Aussenwelt, welche den Ausgangspunkt für die Entstehung der bezüglichen Vor- stellungen des wahrnehmenden Subjeetes bilden, verlangt auch die Kenntniss und Maassbestimmung des jeweiligen Ortes und der Ortsveränderungen des beobachtenden Sub- jeetes selber auf Grund einer mathematisch vertiefenden Diskussion des gesammten Anscheines der Ortsverän- derungen in der Aussenwelt. Professor Es handelt sich zunächst für alle diese Ortsbestim- mungen um die Wahl und Feststellung geeigneter Ruhe- punkte und durch sie gelegter fester Richtungen. Für die irdische Erscheinungswelt ist der gegebene Ruhepunkt der Schwerpunkt und zugleich Umdrehungs- Mittelpuukt des Erdkörpers selber, und als feste Richtung gilt die Riehtung der durch den Mittelpunkt der Erde gelegten Drehungsachse. In den Durchschnittspunkten dieser Achse mit der Erdoberfläche fällt der durch die ungestörte Lotrichtung am Himmel markirte Scheitelpunkt mit dem Ruhepunkte oder Pol der scheinbaren täglichen Drehung des Himmelsgewölbes genau zusammen. Ausserdem bedarf es noch eines festen Punktes auf der Erdoberfläche, durch dessen Scheitelpunkt an der kugelförmig gedachten Himmelsfläche derjenige durch den Ruhepunkt der täglichen Drehung des Fixstern- himmels gezogene grösste Kreis bestimmt wird, welcher als der sogenannte erste Meridian für die Zählung der geographischen Längen gilt. Es wurde sodann etwas eingehender dargelegt, in welcher Weise mit Hülfe dieser Festsetzungen die Lage eines Beobaehtungsortes auf der Erdoberfläche, in Ver- bindung mit der Ausmessung der Erdgestalt, lediglich dadurch bestimmt werden kann, dass man am Himmels- gewölbe die jeweilige Lage des Scheitelpunktes des Ortes gegen einen der beiden Ruhepunkte der Drehung und gegen den Scheitelpunkt des vorerwähnten als maass- gebend für den ersten Meridian festgesetzten Ortes er- mittelt. Das Wesen der nautischen und geographischen Orts- bestimmung wird hiernach in einfacher Weise charak- terisirt. Es folgt sodann ein kurzer Ausblick auf weiter- greifende Ortsbestimmungen im Himmelsraume, für welche zunächst der Sonnen-Mittelpunkt bezw. der gemeinsame Schwerpunkt des Planetensystems als relativer Ruhepunkt dient, während es für die Bestimmungen eines Ortes in den Sternräumen zunächst noch an irgend einem Ruhe- punkte fehlt, sodass alle Ortsbestimmungen in jenen Räumen zunächst nur ganz relative, nämlich auf den selber veränderlichen Ort des Sonnensystems in Raume bezogene sein können. j Der Vortrag schloss mit einer etwas näheren Dar- legung des gegenwärtigen Standes der Genauigkeit der Ortsbestimmung der Schiffe auf hoher See und der Auf- gaben und Probleme, welche in dieser Beziehung in der nächsten Zukunft noch zu lösen sein werden. Foerster. Professor Dr. W. Foerster: Ueber den gegen- wärtigen Stand einiger der wichtigsten astrono- mischen Forschungsergebnisse. Der Vortragende begann mit einer Schilderung der neueren Messungsergebnisse über die Erscheinungen in den fernsten Himmelsräumen. Es wurde zunächst die unschätzbare Bedeutung erörtert, welehe die speetral- analytischen Messungen der Geschwindigkeiten in der Richtung der Gesichtslinien, d. h. der Veränderungen des Abstandes zwischen dem beobachtenden Subjeet und einem wahrgenommenen Objeet, in der Astronomie und der gesammten Welterkenntniss gewonnen haben, mit einem Ausblick auf die hohen Verdienste des König- lichen Observatoriums in Potsdam um diesen Forschungs- zweig. Hierauf folgte eine Darlegung der höchst fruchtbaren Verbindung, in welehe derartige Messungsergebnisse mit den Beobachtungen der periodischen Lichtveränderungen von sehr weit entfernten Fixsternen gebracht worden sind. XII. Nr. 33 Man kann es nunmehr als eine sichere Errungenschaft bezeichnen, dass jedenfalls viele dieser gesetzmässigen Lichtveränderungeu durch partielle Bedeekungen hervor- gerufen werden, welche die selbstleuchtenden, für uns in kleine Lichtpunkte zusammentfliessenden Scheiben zweier fernen Sonnen in ähnlicher Weise erfahren, wie die Licht- wirkung unserer Sonne durch das Dazwischentreten des Mondes in den partiellen Sonnenfinsternissen vorüber- gehend verändert wird. In jenen fernen Sonnensystemen muss es allerdings ganz anders hergehen als bei den Sonnenfinsternissen, bei denen der kleine Abstand des Mondes von uns es ermög- licht, dass ein so kleiner Weltkörper einen so grossen Theil der Sonnenscheibe, ja sogar die ganze Sonnen- scheibe für uns verdecken kann. Dort in der Ferne können es nur Systeme von zwei oder mehreren Sonnen von nicht zu verschiedener Grösse sein, welche merkliche Verdeckungen der Liehtwirkungen hervorbringen können. Und dadurch wird es bedingt, dass der verdeckte und der verdeckende Weltkörper beide ziemlich starke Bewegungen erfahren müssen, deren Periode mit der Periode der Lichtveränderungen identisch sein muss. Die Realität dieser Erklärung ist nun eben durch die speetralanalytische Messung solcher periodischen Be- wegungen fernster Sonnen um den gemeinsamen Schwer- punkt, obwohl die einzelnen Weltkörper für uns in eimen leuchtenden Punkt zusammenfliessen, thatsächlich erwiesen worden. Der Vortrag behandelte hierauf die speetrale Er- forschung der Nebelfleecke und die Entdeckung sehr grosser Geschwindigkeiten von Sternbewegungen im Himmelsraume, welche bei tieferer Erwägung ein ganz neues Licht auf eigenthümliche, noch ganz räthselhafte Energiequellen in jenen Räumen werfen. Allmählieh zn unserem Planetensystem übergehend, wurden die neuesten Ergebnisse in Betreff der Beschaffen- heit der Saturm-Ringe, ferner des Jupiter-Systems, des Planeten Mars, der Venus und des Mereur erörtert und ein Blick auf die Schwierigkeiten und Probleme ge- worfen, welche zur Zeit noch die Erklärung der Er- scheinungen in der Umgebung der Sonne für uns dar- bieten. Dabei wurden die merkwürdigen Messungsergebnisse, betreffend die verschiedenen Winkelgeschwindigkeiten der Rotation in gewissen Zonen und Schichten der Sonnenum- gebung erwähnt, sowie die hypothetischen Beziehungen, welche zwischen elektrischen von der Sonne ausgehenden Wirkungen und den Kometen-Erscheinungen, sowie den elektrisch-magnetischen Erscheinungen auf der Erdober- fläche und in der Erdatmosphäre obzuwalten scheinen. Der Vortrag schloss mit einer kurzen Schilderung des Standes der topographischen Forschungen auf dem Monde. Foerster. Professor O. Jaekel: Ueber den gegenwärtigen Stand der Descendenzlehre. Der Vortragende machte zunächst auf den wesent- lichen Unterschied der Begriffe Descendenztheorie und Darwinismus oder Selectionstheorie aufmerksam. Während die erstere eine Veränderung und einheitliche Entstehung der Organismen lehrt und im Einzelnen begründet, giebt Darwin in seiner Selectionstheorie eine bestimmte Er- klärung für die Ursache der Umwandlung der Formen. In der Anerkennung der Descendenz sind alle betheiligten Kreise der Wissenschaft gegenwärtig einer Meinung, über die Ursache der Umbildungsprocesse, also auch über die Selectionstheorie sehr getheilter Ansicht. Redner Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 337 wies dann auf Grund palaeontologischen Materials die Veränderungen in verschiedenen Abtheilungen des Thier- reiches nach und suchte an der Hand von Beispielen die wichtigsten Arten von Umwandlungsprocessen zu erläutern. Da sich die Erscheinungen dieser Art auch ohne Zuhilfe- nahme des Selectionsprineipes erklären liessen, scheint dem letzteren nun eine negative Bedeutung im Sinne einer stärkeren Vernichtung des Mangelhaften, aber nicht einer positiven Auslese des Tüchtigsten zuzukommen. Eine Führung und entsprechende Demonstration in der Schausammlung der geologisch-palaeontologischen Samm- lung des Kgl. Museums für Naturkunde beschlossen diese Ausführungen. Jaekel. Professor Plate: Ueber Befruchtung, Vererbung und Entwicklungsmechanik. Die Disposition der 4 Vorträge ergiebt sich aus Folgendem: 1. Die directe und indireete Kerntheilung. Bedeutung des Kerns für das Zelleben. Verschiedene Formen des thierischen Eis und Spermas. 2. Bildung der Richtungskörper. Die Reduction der Chromosomen bei der Reifung der männlichen und weib- lichen Keimzelle und die Bedeutung dieser Vorgänge als einer Einrichtung zur Verhütung der Summirung der Erb- masse. Die Befruchtung der Eizelle. 3. Befruchtungserscheinungen bei Protozoen. Theorien über die Bedeutung der Befruchtung. Die Hertwig- Strasburgersche Vererbungstheorie. 4. Die Weismann’sche Vererbungstheorie. Entwick- lungsmechanisches über die Rolle, welche die Centrosomen bei der Kerntheilung spielen, und über das Verhalten isolirter Furchungszellen. Theorien über die Organisation der Eizelle. Plate. Professor Dr. O. Pufahl: Das Eisen und seine Ge- winnung mit besonderer Berücksichtigung der neueren Fortschritte und Methoden. Die Disposition der Vorträge war die folgende: Einleitung: a) Bedeutung des Eisen-Gewerbes, Höhe der Produetion und Antheil der wichtigsten eisenproduzirenden Länder an derselben. b) Geschichtliches. Entwickelung der Eisen- Darstellung von den ältesten Zeiten an. Vorkommen des Eisens in der Natur: Meteorisches und tellurisches Eisen. Eisen-Erze: Magneteisenerz. Rotheisenerz (Eisenglanz, rother Glaskopf, Rotheisenstein). Titaneisenerz. — Braun- eisenerz (Glaskopf, gemeiner Brauneisenstein, Mi- nette, Gelbeisenerz). — Spatheisenstein. T'hon- eisenstein und Sphärosiderit. Kohleneisenstein. Eisenreiche Zuschläge: Kies- Abbrände, Puddelschlacken, schlacken. Brennstoffe: Gewinnung der Holzkohle durch Verkohlung in Meilern und Retorten. Koke-Darstellung aus Stein- Schweissofen- kohlen in älteren und neueren Apparaten. Ge- winnung der Neben-Produete. — Eintheilung der Steinkohlen. — Rost-Feuerungen. Generatoren und Regeneratoren. Feuerfeste Producte. Chemie des Eisens. a) Einfluss von Kohlenstoff, Silicium, Phosphor, Schwefel, Mangan, Kupfer und Nickel auf die Eigenschaften des Eisens. 383 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 33. b) Chemische und physikalische Prüfungs-Methoden — Analytische Methoden. Zerreiss-Proben. Unter- suchung des Kleingefüges nach den neuesten Methoden. Festigkeit und Dehnung. Elastizitäts- Grenze. Scehweissbarkeit. Härten und Anlassen. I. Das Roheisen und seine Darstellung. Eigen- schaften des Roheisens. a) Vorbereitung der Erze. Zerkleinerung. Aushalten sehädlieher Erze. Rösten in Haufen, Stadeln und Röstöfen. Waschen thoniger, kalkiger und sandiger Erze. b) Gangart und Zuschläge. e) Die Möllerung. Einfluss derselben. Schlacken- Bildung und Beschaffenheit der Schlacken. d) Darstellung des Roheisens im Eisenhochofen. 1. Historisches. 2. Form und Bau des Hochofens. Ofen-Profile. Aufbau des Ofens. „Formen“ für Wind und Schlacken. Roheisen- Stich- Wasser- Kühlungen. Die Giehtgase, ihre Fortleitung, Reinigung und Verwendung. 9: Gebläse-Wind und Wind-Erhitzer. 4. Gicht-Aufzüge. 5. Der Hochofenprozess. 6. Der Hochofenbetrieb und die Roheisen-Sorten. 7. Die Nebenproducte des Hochofens. II. Das schmiedbare Eisen und seine Darstellung. Eintheilung und Eigenschaften des schmiedbaren Eisens. Eisen und Stahl. a) Das Schweisseisen: Darstellung durch die Renn- arbeit, den Siemens-Prozess, das Herdfrischen und das Puddeln. b) Das Flusseisen: Siemens-Martin-Prozess, Thomas-Prozess. e) Der schmiedbare Guss und das Temper-Eisen. d) Der Cement-Stahl. Pufahl. der der Tiegelgussstahl-Darstellung, der Bessemer- und Dr. E. Täuber: Ueber Theerfarbstoffe. Einleitend wurde die Gewinnung des Steinkohlentheers, der in der Fabrikation der Theerfarbstoffe das wichtigste Rohmaterial bildet, kurz besprochen. Es wurde damit eine flüchtige Betrachtung der Steinkohlengasindustrie selbst verbunden und gezeigt, dass die Gefahren, welche dieser Industrie von Seiten des elektrischen Lichtes und des Acetylens drohen, nicht auch gleichzeitig Gefahren für die Theerfarbenindustrie sind; denn wenn auch das Steinkohlengas als Leuchtmaterial mehr und mehr an Be- deutung einbüssen sollte, so wird es doch ebenso wie die Koks, die bei der trocknen Destillation der Steinkohle das Hauptproduct bilden, als Heizmaterial seinen Platz be- haupten. Man wird daher, solange Steinkohlen in ge- nügender Menge vorhanden sind, den Theer zu billigem Preise herstellen können. Es wurde sodann auf die Zusammensetzung des Theers eingegangen, seine für die Farbenfabrikation wichtigsten, in relativ sehr geringer Menge darin enthaltenen Bestand- theile aufgeführt, und die allgemeinen chemischen Methoden kurz besprochen, die von diesen, zumeist farblosen Ver- bindungen zu den farbenprächtigen Endproducten der Theerfarbenindustrie führen. Hieran anschliessend wurde die Entwicklung der Theerfarbenindustrie historisch verfolgt, und bei dieser Gelegenheit die Chemie und Technik der hervorragendsten Farbstoffklassen und Repräsentanten, durch Versuche er- läutert und besprochen. Eine möglichst eingehende, von Versuchen begleitete Erörterung über die Verwendung der Theerfarbstoffe bildete den Schluss der Betrachtungen. Täuber. Professor Dr. Saare: Chemische Technologie der Gährungsgewerbe und Stärkefabrikation. Die Gährungsgewerbe und die Stärkefabrikation sind landwirthschaftliche Gewerbe und ihr Rohproduct stärke- haltige landwirthschaftliche Erzeugnisse. Man kann sie eintheilen in: 1. Stärke unverändert abscheidende: Stärkefabri- kation. 2. Stärkeumwandelnde: Spiritusbrennerei, ‚Press- hefefabrikation und Brauerei. 3. Produete jener verarbeitende: Stärke-Syrup und -Zuckerfabrikation, Dextrinfabrikation und Essig- fabrikation. Bei der Stärkefabrikation unterscheidet man die fast rein mechanisch betriebene Kartoffelstärkefabrikation und die Getreidestärkefabrikation. Zur letzteren ge- hören: Die Weizenstärkefabrikation, welche entweder Gährungsvorgänge zur Abtrennung der Stärke von den Kleberbestandtheilen des Weizens zu Hilfe nimmt, (Sauer- verfahren) oder auch mit fast rein mechanischen Mitteln die Trennung von Stärke und Kleber bewirkt (süsses Verfahren aus Weizen und aus Weizenmehl). Letztere gewinnen als Nebenproduct: Kleber (Nahrungsmittel, Schusterpapp u. A. m.); die Mais- und Reisstärkefabrikation, welche sich zur Trennung der Stärke von den eiweiss- artigen Stoffen ehemischer Mittel bedienen, jene vor- nehmlich der schwefligen Säure, diese der Natron- lauge. Die Producte aller dienen zur Appretur, zur Färberei, Papierfabrikation, als Nahrungsmittel und Gebrauchsmittel in vielerlei Gestalt. Die stärkeumwandelnden Gewerbe gründen sich zunächst auf die Erzeugung von Zucker oder Dextrin aus Stärke. Entweder sind diese dann das Endproduet der Fabrikation oder das Zwischenproduet-zur Erzeugung-von Alkohol und Hefe. Die käufliche, reine Stärke enthält ausser dem Stärke- stoff noch Wasser, Asche, Eiweissreste, Fett, ätherische Oele u. A. m. Der Stärkestoff ist ebenfalls ein Gemisch bisher noch nieht mit Sicherheit bekannter Kohlehydrate, nach Nägeli: Stärkecellulose und Granulose, nach Arthur Meyer: Amylodextrin, «-Amylose und ß-Amylose (letztere bei 138° bezw. 100° C. mit Wasser sich verflüssigend). Durch Einwirkung von bestimmten Agentien wird die Stärke hydrolisirt, d. b. unter Wasseraufnahme das ein hohes Vielfaches von C°H!O5 darstellende Stärkemolekül abge- baut, nachdem eine Verkleisterung vorangegangen ist. Die Mittel hierzu sind Einwirkung von Säuren oder von Enzymen. Die Mineralsäuren bilden als Endglied Dextrose, die Enzyme (Diastase) Maltose; ehe diese erreicht werden, entsteht eine Reihe von Zwischenproducten: Lösliche Stärke, Amylodextrin, Erythrodextrin, Aechroodextrin und Maltodextrin. Die Verzuckerung mit Diastase hört auf, wenn eine gewisse Menge Maltose gebildet ist, und wird erst zu Ende geführt, wenn die gebildete Maltose zum Theil z. B. durch Gährung fortgenommen wird. Die Wirkung der Diastase wird geschwächt durch zu hohe Temperatur (> 75° C.) und Säuregegenwart. Den Abbau der Stärke dureh Säuren benutzen: Die Dextrinfabrikation, welche bei Temperaturen von 100 bis 250° C. die Stärke mit etwa Yıooo Ihres Gewichtes an Salpetersäure oder Salzsäure zu Dextrin verwandelt, das als Appreturmittel, zur Färberei, als Klebstoff u. A. m. Verwendung findet, und die Stärke - Zucker- und Syrupfabrikation, welche einen mehr oder weniger Dextrin (Syrup ca. 40°/,, Zucker 5—15°/,) enthaltenden Dextrosezucker durch Kochen von Stärke mit Wasser und 1 bezw. 2°/, Mineral-Säure herstellt, welcher als Nahrungs- XIM. Nr. 33 und Genussmittel zu Conserven, Bonbons, Gelees und auch in der Appretur Verwendung findet. Den Abbau der Stärke durch Diastase benutzen: Zur Alkoholgewinnung: Die Spiritusbrennerei, „ Hefegewinnung: Die Presshefefabrikation, „ Gewinnung eines Getränkes: Die Bierbrauerei. Die Diastase wird durch den Mälzereivorgang in dem Getreidekorn, vorwiegend der Gerste, erzeugt. Das Wachs- thum des gequellten Getreidekorns wird durch geeignete Temperatur, Feuchthalten und Luftzufuhr in bestimmter Weise geregelt. Dabei findet zunächst eine Auflösung der Zellwände des Kornes statt, ferner eine Umwandlung der Eiweissstoffe und eine Wanderung dieser in Form von Zucker bezw. Amiden nach dem Keimling. Gleichzeitig wird Diastase in mehr oder weniger hohen Maasse ge- bildet. Diejenigen Gewerbe, welche viel Diastase, d. h. weitgehende Verzuckerung gebrauchen, (Brennerei) be- nutzen das Malz in Form von Grünmalz, diejenigen da- gegen, welche eine bestimmte nicht zu weitgehende Ver- zuckerung nöthig haben (Brauerei), in Form von Darrmalz, d. h. bei höherer Temperatur getrocknet. Der Zuekerbildung dient bei allen diesen Gewerben der Maischvorgang, bei welchem durch Einhalten be- stimmter und wechselnder Temperaturen die Menge des gebildeten Zuckers je nach Wunsch und ebenso die weitere Wirkungsfähigkeit der Diastase, oder ibre Schwächung bezw. Abtödtung begünstigt werden kann. Diese Gewerbe bleiben aber nicht bei der Zucker- bildung stehen, sondern erzeugen mit Hilfe der Thätigkeit der Hefe aus dem Zucker Alkohol und bilden so die Gährungsgewerbe. Das Studium der Gährungserscheinungen und Gährungsführung ist daher für dieselben von hoher Wichtigkeit. Bestimmte Temperaturen, bestimmte Nährstofi- verhältnisse uud Gährdauer beeinflussen den Verlauf der Hefebildung und Alkoholgährung je nach den Zwecken ‚des -Gährungsgewerbes. Die Erkenntniss des Bestehens verschiedener Heferassen mit sehr verschiedenen Fähig- keiten hinsichtlich der Vermehrung, der Alkoholbildungs- fähigkeit, der Widerstandsfähigkeit gegen Temperaturen und andere die Thätigkeit der Hefe beeinflussende Momente (Säuren, Alkohol u. A. m.) mit verschiedener Fähigkeit die verschiedenen Abbauproducte der Stärke angreifen zu können u. A. m, hat zu der Hefereinzucht geführt, welche einmal durch Erzeugung von Hefe aus einer einzigen Zelle (nach Hansen) andererseits durch natürliche Reinzucht (Delbrück), d.h. Einhaltung aller für eine bestimmte Hefe- rasse günstigen Lebensbedingungen die einem bestimmten Gährungsgewerbe zweckdienlichste Heferasse diesem zu- zuführen und dauernd zu erhalten sucht. Dadurch wird auch der allen Gährungsgewerben nothwendige Kampf gegen die, dieselben schädigende Thätigkeit anderer Organismen (fremde Hefen, Spaltpilze) erleichtert. In manchen Fällen wird allerdings auch eine bestimmte Spaltpilzgährung in den Gährungsgewerben begünstigt, entweder um dadurch die Entwicklung anderer schädlicher Bakteriengährungen abzuhalten, (Säuerung des Hefegutes in der Brennerei) oder um eine Säurebildung zu erzeugen, z. B. bei der Weissbierbrauerei des Geschmackes halber, oder bei der Essigfabrikation zur Erzeugung eines Genussmittels im Grossen. \ Von den besonderen Gährungsgewerben erstrebt die Kartoffelbrennerei und die Kornbrennerei be- sonders eine hohe Alkoholausbeute, sie müssen daher die Diastasebildung und Diastaseerhaltung besonders be- günstigen. Sie werden dementsprechend diastasereiches Malz (Langmalz) erzeugen müssen, durch Dämpfen des Rohmaterials die Stärke verkleistern, die Zuekerbildung durch günstige Temperaturen befördern, eine viel Alkohol bildende und ertragende Hefe wählen, Gährtemperaturen, > Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 389 welche die Alkoholbildung begünstigen (16—22° R.), ein- halten und Säuerungen vermeiden müssen. Die Kornbrennerei hat dabei noch wegen bestimmter Geschmacksgestaltung des Produetes besondere Verhältnisse einzuhalten. Die Presshefefabrikation, welche neben Alkohol vornehmlich Hefe erzeugen will, muss neben guter Zucker- bildung auf Zuführung kräftiger Hefeernährungsmittel (stickstoffreiche Nahrung und Salze) und die Vermehrung der Hefe begünstigende Vorgänge (Lüften, dünne Maischen) ihr Augenmerk richten. Sie gewinnt die Hefe entweder nach altem Verfahren in treberhaltigen Maischen durch Abschöpfen des Schaumes oder aus klaren Würzen durch Absetzen (Lufthefeverfahren). Die Bierbrauerei endlich, welehe ein alkoholhaltiges, aber auch an Kohlehydraten und stickstoffhaltigen Stoffen reiches und wohlschmeckendes Getränk erzeugen will, muss die Alkoholbildung einschränken, je nach der Erzeugung bestimmter Bierarten mehr oder weniger. Sie erreicht das durch Zerstören eines Theiles der Diastase beim Darren des Malzes, durch eimen geeigneten Maischprocess und nachheriges Aufkochen der Würze und durch Gährführung bei niedriger Temperatur (4—7° R.). Sie soll auch fremde Gährungen fernhalten. Es dient ihr dazu der Hopfenzusatz und die niedrige Gährtemperatur, neben peinlichster Reinlichkeit. Durch das Darren wird der Charakter des künftigen Bieres ganz besonders beeinflusst. Niedrig abgedarrte Malze geben weinige, helle Biere (Pilsener ete.), hoch abgedarrte, vollmundige, dunklere Biere (Münchener u. A.). Der Hopfen conservirt das Bier und giebt ihm eine angenehme Bitterkeit oder ein gutes Hopfenaroma. Durch die Nachgährung des Bieres im Lagerkeller bei 1—1'/,° R. wird dasselbe geklärt, entbittert (Ausstoss), feiner im Geschmack und mit Kohlensäure angereichert, welche ihm das Erfrischende und eine grössere Haltbarkeit giebt, es wird „reif“ „feurig* und ;sehneidig“, ein wahres Genussmittel. An die Vorträge schlossen sich Besichtigungen der Versuchs-Stärkefabrik und -Brennerei, sowie der Versuchs- und Lehrbrauerei und ein Abschiedstrunk in dem Er- zeugniss der letzteren, dem Hochschulbräu und dem Bundesbräu. Saare. Lindner: Die Bakteriologie der Gährungsgewerbe. Professor Die in den Gährungsgewerben vorkommenden Mikroben stammen aus der freien Natur; man wird sie hier haupt- sächlich zu suchen haben an den Stellen, wo zuckerhaltige Säfte vorhanden und der Luft zugänglich gemacht sind. An den Wundstellen unserer Obstsorten und anderer süssen Früchte, insbesondere auch der im Boden herangereiften Knollen, Rüben u. s. w. siedeln sie sich massenhaft an. Der von den Blatt- und Schildläusen ausgespritzte, zuckerhaltige Saft ist ebenfalls ein günstiger Nährboden für sie. Durch Inseeten, welche diese Stellen aufsuchen, sowie durch den Wind finden die Keime dann eine weitere Verbreitung. Vortragender erläuterte an der Hand einer grösseren Zeichnung speeciell die Beziehungen, welche zwischen einer von ihm entdeckten Hefe und einer Schildlaus bestehen. Der Saccharomyces apieulatus parasiticus lebt in einer solehen (Aspidiotus Nerii), die auf den meisten Lorbeer- bäumen, Myrthensträuchern und Oleandern anzutreffen ist. Ausserhalb der Schildlaus kann sie nicht in Cultur ge- nommen werden. Sie impft ihre jungen, auf nadelähn- lichen, spitzen Fortsätzen entstehenden Zellen in die Eier der Schildlaus, und so kommt es, dass bisher alle aus- kriechenden Individuen mit der Hefe behaftet gefunden 390 = Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 33. wurden. Diese Hefe ist auch in der Nonnenraupe von Hartig gefunden worden und glaubt letzterer Forscher, dass sie eine verderbliche Krankheit im Gefolge hat. Sie würde sich also eventuell als ein Kampfmittel gegen die Nonnenraupen verwerthen lassen. Das Rohmaterial, welches die Gährungsgewerbe ver- arbeiten, ist mit lebenden Keimen reichlich besetzt. Ein einzelnes Gerstenkorn kann viele Millionen davon seiner Oberfläche tragen. Beim Einweichen und nach- herigen Keimenlassen auf der Malztenne sind es in erster Linie die Schimmelpilze, welche sich in der Entwiekelung hervorthun. Wir beobachten die verschiedensten Mucor- Arten, vor allen den Mucor stolonifer, der durch sein un- heimlich schnelles Wachsthum grossen Schaden anrichten kann, dann verschiedene Pinselsehimmel (Penieillium-, Aspergillus- und Citromyces-Arten), welche zumeist die Körner, namentlich an den verletzten Stellen mit grünen oder bräunlichen oder weissen Sporenmassen überziehen. Das Fusisporium moschatum spinnt die Körner in ein roth gefärbtes Mycel ein. In Getreideinfusen entwickelt es einen intensiven Moschusgeruch. — Das Oidium laetis er- zeugt weisse Gespinnste um die Körner, die Alternaria bräunliche. Die chemische Wirkung der verschiedenen Schim- melpilze ist sehr unterschiedlich; gemeinsam ist ihnen der energische Stoffwechsel und die Verathmung grosser Mengen Nährmaterials, insbesondere des Zuckers und der Stärke. Einzelne von ihnen erzeugen grosse Mengen diastatischer Enzyme, so dass sie mit dem Keimling in dieser Beziehung concurriren können. Aspergillus Orzae und Amylomyces Rouxii übernehmen geradezu die Rolle, die bisher der Keimling spielte; sie werden bereits technisch im Gährungsgewerbe verwerthet. Der letztere Pilz verzuckert nicht nur die Stärke, er vergährt auch noch den Zucker, ersetzt also auch noch die Hefe. Der Weinbouquetschimmel (Sachsia suaveolens) erzeugt beim Wachsthum ein überaus angenehmes Aroma; im Allge- meinen wird jedoch das Getreide dureh die Pilze schlecht riechend, muffig gemacht. Auch Hefen kommen auf Malzkörnern leieht zur Ent- wickelung; so wächst auf den Spelzen in Form blendend- weisser Häufehen Saccharomyces anomolus. Schüttet man sogenanntes Grünmalz in eine geräumige Flasche und korkt lose zu, dann nimmt man alsbald einen intensiven Fruchtäthergeruch wahr. Bakterien kommen bei zu grosser Feuchtigkeit im Malz leicht zur Action; sie können den ganzen Inhalt des Korns in eine übelriechende, schmierige Masse verwandeln. Interessant ist es zu verfolgen, wie die verschiedenen Temperaturen die eine oder andere der vorhandenen Bakterien in der Entwickelung begünstigt und bei genügend langer Einwirkung zur Alleinherrschaft kommen lassen. Teigt man z. B. Malzschrot mit der vierfachen Menge Wassers ein und vertheilt es auf verschiedene Flaschen bei verschiedenen Temperaturen, dann beobachten wir etwa Folgendes: Bei gewöhnlicher Temperatur — Auftreten der verschiedensten Formen; bei 33° R. (die Praxis rechnet immer noch mit R.) Auftreten von Buttersäurebakterien, bei 40° R. Auftreten von Milchsäurebakterien (Baeillus Delbrücki); beim Stehenlassen der Maischen nach kurzem Aufkochen ist der Heubacillus (Baeillus subtilis) da. Manchmal kann allerdings auch bei 33° R. eine Milch- säuregährung Platz greifen, dann ist es aber nieht der Baecillus Delbrücki, sondern der Pedioeoceus acidi lactici, welcher die Buttersäurebakterien aus dem Feld geschlagen hat. Die Milchsäurebakterien spielen in der Brennerei und Presshefenfabrikation eine bedeutende Rolle bei der Herstellung des sauren Hefengutes; auch in der Malton- weinbereitung. In der Brauerei sind sie im Berliner auf Weissbier und in einigen anderen obergährigen Bieren ständige Mitarbeiter. Im untergährigen Bier kommen sie selten vor und sind da ungebetene Gäste. Die Hauptarbeit in den Gährungsgewerben haben die Culturbefen zu leisten; ihnen fällt die Zertrümmerung der Zuckermoleküle zu. Durch die von Hansen in Kopenhagen ausgebildete Reineultur der Hefen haben wir aber auch noch andere Hefen als den S. cerevisiae genauer kennen gelernt. Wir wissen jetzt auch, dass es sogar verschiedene Cultaurhefen giebt, die sich u. a. den einzelnen. Zucker- arten gegenüber verschieden verhalten. Die mehr beiläufig in den Gährungsbetrieben vorkom- menden Hefearten bezeichnen wir als wilde Hefen, und unter ihnen giebt es wieder solche, welche im Bier ge- radezu Krankheiten oder eine fehlerhafte Beschaffenheit verursachen können. So kann durch gewisse Arten das Bier trübe werden, oder kratzig und bitter schmeckend; die Kahmhefen können es, wenn Luft genügend einwirken kann, leicht schaal machen. Die wilden Hefen sind An- gehörige des S. ellipsoideus oder S. Pastorianus oder S. exiguus oder der Torulahefen oder der Mycoderma- arten u. a. mehr. Schwierig war es früher, ehe man die guten Hefe- rassen reinzuzüchten verstand, die Gährungen ohne Fehler zu Ende zu führen. Heut sind diese Schwierigkeiten gehoben, zumal man in der Praxis daneben die Sterili- sation und die Antisepsis anzuwenden gelernt hat. In der Brennerei, die in kurzer Zeit ihre Gährungen zu Ende führt, ist durch Einführung reiner, energischer kassen die Arbeit eine besonders sichere geworden. Interessant ist, dass auch andere Rassen, als die bei uns in Deutschland gebräuchlichen, bevorzugt werden, so hat die Erfahrung gelehrt, dass in den Tropen gele- gene Brennereien, z. B, in Argentinien, bei Weitem die grössten Erfolge erzielen mit einer vom Vortragenden aus afrikanischem Hirsebier (Pombe) isolirten Hefe, dem Schizosaccharomyces Pombe. Diese Hefe arbeitet bei den höheren Temperaturen besser als unsere Rassen. In ihr haben wir gleichzeitig einen neuen Hefentypus kennen gelernt, eine Spalthefe, die fast wie ein Baeillus sich ver- mehrt, ohne zu sprossen. Von solchen Spalthefen haben sich bis jetzt schon mehrere Arten finden lassen: Schizosaceh. octosporus, S. asporus, S. mellacei. Auf die Hauptgährung folgt eine Nachgährung. Diese zieht sich bei der Bierbereitung oft monatelang hin. Hier haben sich nun wieder andere Organismen diesen Ver- hältnissen angepasst; sie lösen die Culturhefe in der Arbeit ab. Es sind von Hefen besonders die Ellipsoideus- und Pastorianus-Arten, von Bakterien besonders die Biersar- einen und Essigsäurebakterien. Die Biersareinen sind weniger wegen ihrer chemischen Wirkungsweise, als viel- mehr durch die Trübung, welche sie erzeugen, gefürchtet; bei den Essigsäurebakterien ist es wieder die chemische Thätigkeit, die das Bier schädigt. Eine grosse Anzahl mikrophotographischer Aufnahmen, die mittelst eines Seioptikons an die Tafel projieirt wurden, diente zur Erläuterung des in dem Vortrage Gesagten. Schliesslich wurden auch noch erwähnt die bak- teriologischen Untersuchungsmethoden, die für die spe- ciellen Zwecke der Gährungsgewerbe geschaffen worden sind und die Methode des mikroskopisch - biologischen Unterrichts an der Brauerschule. Der Vortragende zeigte, in wie einfacher und dabei doch so instructiver Weise sich der Keimgehalt der Luft oder des Wassers ermitteln lasse, und wie durch solehe Untersuchungen, die auch der Laie leicht ausführen könne, das Verständniss für hygie- nische Fragen geweckt werde. Er wies ferner darauf hin, wie es ihm gelungen sei, XII. Nr. 33 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 391 durch eine besondere Form der Anwendung der Methode des hängenden Tropfens den Schüler dauernd an das Mikroskop zu fesseln, und wie gerade dıese Methode be- rufen sei, in die Geheimnisse der Entwiekelung der kleinsten Lebewesen einzuführen. Obwohl die Brauer- schule Leute von den verschiedensten Bildungsgraden aufnehme, müsse doch selbst der weniger Vorgebildete der schliesslich im Stande sein, mit Hülfe sogenannten „Lröpfeheneultur* sowohl Reinenlturen von Heften uud Schimmelpilzen anzufertigen als auch eine biologische Eine mechanische Erklärung für die Struktur von Bacterienkolonien verdanken wir den Untersuchungen von Jegunow, Centralbl. für Baecteriologie, Bd. 3, S. 467, 1897 und Bd. 4, S. 97, 1898. Der Autor fand schwefelwasserstoffliebende Schlamm- bacterien vorwiegend in der Nähe des Schwarzen Meeres. Diese Bacterien sind physiologisch im höchsten Grade interessant. T’hut man eine mit ihnen durebsetzte Schlamm- menge in den Boden eines Standglases und schüttet Wasser darüber, so steigen die Bacterien, nachdem sie sich reichlich vermehrt haben, in Form einer Platte empor, weil der Schwefelwasserstoff im Schlamm zu reich- lich vorhanden ist. Ungefähr in der Mitte der Wasser- schicht macht diese Platte Halt, weil sie auch einen zu grossen Ueberschuss von Sauerstoff zu vermeiden sucht. Diese Vorgänge sind mit blossem Auge zu verfolgen. Jetzt hat sich auch die Platte ein wenig gelockert, weil die Bacterien sieh nicht mehr so dicht zusammenzudrängen brauchen, um dem zu reichlich vorhandenen Schwefel- wasserstoff den Zutritt zu verwehren. In dieser Stellung ist die Bacterienkolonie im höchsten Grade empfindlich gegen Lieht- und Temperaturschwan- kungen. Führt man einen Glasstab in das Gefäss ein, und durchbohrt man damit die Mitte der Platte, so gehen hier grosse Veränderungen vor sich, weil mit dem Glas- stab auch reichlich Sauerstoff hinabgestossen ist. Zunächst bemühen sich die Bacterien, sich an den Rändern des neu entstandenen Loches zu sammeln, um sich gegen den vorgedrungenen Sauerstoff zu schützen. Das dielite Zusammenballen bedingt ein Herabsinken der Bacterien in Regionen, die weniger Sauerstoff ent- halten, also normaleren Bedingungen entsprechen. Unter solchen Verhältnissen lösen sich dann die Kugeln wieder auf, um zu einer neuen Platte zu verschmelzen. Von den angeführten Thatsachen ausgehend, werden eine grössere, im Wesentlichen dem geschilderten ähnliche Reihe von Thatsachen an diesen eigenthümlichen Bacterien erklärt. R.oR% Die Schuppen (Elytra) der Aphroditiden, der sogenannten Seeraupen oder Seemäuse, einer Familie der Polychaeten, hat G. Darboux fils neuerdings unter- sucht; er berichtet darüber in den „Uomptes rendus de l’Acad. des Se.“ 1898, I. Hälfte, S. 1226. Bisher sah man diese Rückenschuppen, nach dem Vorgange von De Blainville, als homolog xe Organe zu den Dorsal- eirren an, indem sie durch Verwachsung der Cirren ent- standen sein sollten. Darboux kam bei seinen Unter- suchungen zu einem andern Resultat. Bei allen Aphroditiden findet sich ein dem Elytrophor entsprechendes Organ in einer dorsalen Hervorragung auf denjenigen Körper- segmenten, welche keine Elytren tragen. Wäre das Elytron nun dem Cirrus homolog, so müsste letzterer auf diesem dorsalen Höcker stehen, seine Einfügung ist aber deutlich parapodial. Die Gattung Aphrodite L. trägt Analyse des Bieres auf Gegenwart von Bakterien und wilden Hefen auszuführen. Als Leetüre zur Orientirung rungsforschung empfahl der der Gährkunde und die Maltonweine. Hamburg 1898, über die moderne Gäh- Vortragende: Neue Wege Von Sehiller-Tietz. Verlagsanstalt und Druckerei A.-G. (vor- mals J. F. Richter) und bezüglich der Methodik sein Lehrbuch: che Betriebseontrolle. Berlin 1898. Aufl. Verlag Paul Parey. Lindner. (Sehluss folgt.) auf dieser dorsalen Hervorragung ein rudimentäres Organ, welches dem Elytron sehr ähnlich ist, aber auf den Ringen, welehe keine Elytren tragen, fehlt. In einigen teratologischen Fällen endlich fand Dar boux bei Acholve astericola Clap. auf ein und demselben Segmente ein Elytron und einen Dorsaleirrus. — Aus den angeführten Gründen glaubt Darboux die Elytren nicht als homologe Organe zu den Rückeneirren betrachten zu können. S. Sch. Die Bildungsweise und das Wachsthum der pflanz- lichen Zellhäute ist zur Zeit eine ebenso vielfach dis- eutirte Frage, wie die Veränderungen und Gestaltungen des Zellkerns. Ebenso fehlt es auch auf diesem Gebiet nicht an zahlreichen Hypothesen und stets wechselnden Meinungen. Ein wesentlicher Fortschritt besteht aber in der zunehmenden Bereicherung des Thatsachenbestandes. In einer neueren Arbeit nimmt Strasburger Stellung zu einer Anzahl der hauptsächlich interessirenden Fragen. (Eduard Strasburger: Die pflanzlichen Zellhäute. Pringsheims Jahrbücher, Bd. 31, S. 511—599. 1898.) Bezüglich der Frage des Flächen wachsthums der Membraneng giebt eran, S.590 „dass beim Flächenwachsthum der Exine (des Pollenkorns von Althaea rosea) Substanz- einlagerung erfolgt; an einer Flächenzunahme der Membran durch Dehnung ist in anderen Fällen, so dem Schichten- wachsthum der Algen nicht zu zweifeln.“ Bei der Zell- theilung erfolgt die Anlage der Zellplatte durch eine äquatoriale Anschwellung der Verbindungsfäden. Die Bestandtheile zur Wandbildung liefert der fibrilläre Be- standtheil des Protoplasmas, während der wabige nur ernährungsphysiologische Funktionen besitzen. Seite 528 heisst es: „Aus den Beobachtungen geht wohl sicher hervor, dass die Anwesenheit jener organisirten Plasma- schicht, die wir allein nur noch als Hautsehieht be- zeichnen, zur Zellhautbildung nieht nothwendig ist; es kann die Zellhautbildung vielmehr auch an Plasmamassen erfolgen, die nur durch Hyaloplasma abgegrenzt sind. Damit wäre auch für den in Betracht kommenden Fall entschieden, dass es nicht die Hautschicht sein könne, die sich in Zellhautlamellen verwandelt.“ Bezüglich der Frage, ob verholzte Zellen sieh noch theilen können, giebt St. an, dass dies für die Markzellen von Clematis Vitalba der Fall sei. Rue Einige interessante cetologische Mittheilungen bringt James A. Grieg im „Bergens Museums Aarbog“ (Jahr- buch für 1897). Er behandelt zunächst die Entwiekelung und Tragzeit von Phocaena communis. Nach seinen früheren Studien hatte er die Paarung auf Juni bis October angenommen, die Geburt nach einer Tragzeit von 9 bis 10 Monaten auf März bis Juli, die Länge des neugeborenen Thieres auf 700—860 mm. Griegs Verzeichniss wurde durch 10 Messungen von Prof. G. A. Guldberg ergänzt, 392 welcher in seinem Werke „On the Development and Structure of the Whale. Part. I. On the Development of the Delphin“, angab, dass „in den nördlichen Theilen des atlantischen und im arktischen Ocean die Tragzeit des Phocaena communis 10 Monate oder vielleicht noch länger beträgt. Der voll entwickelte Foetus hat eine durehsehnittliche Länge von SOO mm und die Geburt findet wahrschemlich im Monat Juni, vor Mittsommer oder wälı- rend desselben statt.“ Dem bisherigen Verzeichnisse fügt Grieg nun die Messungen von 15 in der Umgegend von Beigen gesammelten Foetus hinzu. Die kleinsten von ihnen (bis 140 mm) sind wegen der starken foetalen Krümmung vom Scheitel bis zur Schwanzspitze gemessen, die übrigen dagegen von der Maulspitze bis zur Schwanz- spitze. Die Masse der in den verschiedenen Monaten ge- fangenen Exemplare sind folgende: 16. September 1895 Totallänge 30 mm 2 22. 5 1893 n 18 24, a 1596 ” AO 26. n 1893 x Sr, 28. - 1594 a 56 „ 6. October 1894 h 0 10. n 1894 a 104 „ 24. A 1396 3 107 2, Ball “ 1895 n 140 „ 5. November 1894 ; 40°, 18. # 1593 a 184, 5. Januar 1894 & Slarr, 19. März 1594 n Aloe 7. April 1895 . 5 5 San, 1897 ei DM „ It N 1891 5 Dat 2, Der 40 mm lange Foetus batte eine ungewöhnlich starke foetale Krümmung, so dass das Maass nur ein an- näherndes ist. Schliesslich erhielt das Museum am 8. August 1597 ein 91O mm langes Junge; es war ausser- ordentlich mager und schwach und wurde lebend gefangen. Nach seiner Unbehilflichkeit zu urtheilen, war es sehr wahrscheinlich erst ganz vor kurzem geboren worden. Die Durchschnittslänge des Foetus in den einzelnen Monaten stellt sich nach der nunmehr vorliegenden Beob- achtungsreihe wie folgt: August mit 2 Messungen 24 mm (7— 41 mm) September „ 7 2 EI. al tl) October O) 116 „ (86-140 ,„) November „ 6 " 139 „ (40—200 „) December „ 2 E 224,5 „ (159—290 „) Januar ) . 327 „ (310-354 „) Februar Sr 7 493 „ (405—630 „) März En ) 5 535 „ (442-618 „) April „14 u 650,5 „ (530—840 „) Mai ei) h 133 „ (655860. ,) Juni En) = 825 (792 —850 „) Nach diesen Zahlen ist anzunehmen, dass bei Pho- caena communis die Geburt im Mai und Juni, ja zuweilen auch noch im Juli stattfindet; denn die Differenzen in der Grösse der Foetus innerhalb der einzelnen Monate sind so beträchtlich, dass diese nicht allein individuellen Grössenunterschieden zuzuschreiben sein können, dass man vielmehr auf eine verschiedene Zeit der Paarung und der Geburt schliessen muss. Dass die Tragzeit bereits im Mai beendet sein kann, dafür spricht das am 23. April 1578 von Sparre Schneider gemessene Exemplar von 340 mm und das vom 10. Mai 1359 mit 860 mm Länge, ferner auch die Thatsache, dass im Gegensatz zum April im Mai Foetus äusserst schwierig zu erhalten sind. Dass dagegen auch erst im Juli die Geburt stattfinden kann, Naturwissensehaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 33. beweist das am 14. Juli 1569 von Malm gefundene Exemplar von 700 mm; ebenso dürfte auch das oben erwähnte Junge von 910 mm erst im Juli geboren sein, .denn es konnte, als es gefangen wurde, kaum älter sein als 1 Monat. In gleieher Weise erstreckt sich demnach auch die Paarungszeit auf einen längeren Zeitraum, denn die Differenz der Grösse im S.ptember beträgt 70 mm und im November sogar 160 mm, sodass die Paarung noch im September muss stattfinden können. Diese ist also auf die Monate Juli, August, September, ‘die der Geburt auf die Monate Mai, Juni und Juli anzunehmen. Für Globiocephalus melas, Traill., wovon Grieg ein Junges von 3500 mm Länge uud einen vollausge- tragenen Foetus von 2020 mın beschreibt, liegen bezüglich dieser Verhältnisse noch keine genügenden Beobachtungen vor, doch ist anzunehmen, dass Paarungs- und Geburtszeit bei diesem Wal sich über das ganze Jahr ausdehnen mögen. Schliesslich giebt Grieg noch zehn von ihm vor- genommene neuere Messungen an Foetus von Balae- noptera rostrata, Fabr.*) Die Masse der in den ver- schiedenen Monaten gefundenen Exemplare waren folgende: 12. Mai 1897 Totalläuge 130 mm eh, le a 140 „ Ba le n 2227, 21396 » Ba 30ER 1894 N SloaEH 11. Juni 1895 1 aloe Ale) H 455 „ 2001505 E Dale SU. 72.1896 A Ja; 6. Juli 1894 a SODEe Es liegen nunmehr 62 Messungen vor. (Auch hier wurden die drei kleinsten wegen der starken foetalen Krümmung vom Scheitel, die übrigen wieder von der Maulspitze bis zur Schwanzspitze gemessen.) Die Durch- schnittsmasse für die einzelnen Monate betragen demnach: für April mit 12 Messungen 204 mm „ Mai lm 4 22m „ Juni le > BI nlı | = BE) 5 „ August As, Ä 1085 „ „september url 5 1624 „ »* November 023 n 2230 Die neuen Beobachtungen bekräftigen die Annahme Guldbergs und Eschrichts, dass Balaenoptera rostrata sich früh im Frühjahr paaren und spät im Herbst oder im Winter gebären muss. Die Paarungszeit muss sich auf einen längeren Zeitraum erstrecken, dafür sprechen die von den anderen weit abweichenden Exemplare von 31 mm (vom 2. Mai 1383, das kleinste, welches beobachtet wurde) und 58 mm Länge im Mai und das 37 mm lange im Juni. Abgesehen aber von diesen exceptionell kleinen Individuen, so schliesst Grieg, wird man bei den übrigen trotz aller Abweichungen doch eine gewisse Regelmässigkeit finden, die beweist, dass die Paarungszeit der meisten Balaenopt. rostr. ungefähr gleichzeitig. ist. G. Adam. Wetter-Monatsübersicht. (Juli.) — Ein überaus un- freundlicher, kühler und nasser Julimonat liegt hinter uns. Die meisten Gegenden Norddeutschlands erfreuten sich kaum eines Tages mit anhaltendem Sonnenschein; in Berlin wie in Potsdam zeigte sich die Sonne an ungefähr *) Frühere Angaben s. Guldberg, „Zur Biologie der nord- atlantischen Finwalarten“ in Zool. Jahrbücher, Bd. II, S. 127. XIII. Nr. 35. einem Drittel aller Tage nur höchstens 2 Stunden lang und während des ganzen Monats nicht mehr als 162 bezw. 165 Stunden, während sonst im Juli die Dauer des Sonnen- scheins 200 Stunden erheblich zu überschreiten - pflegt. Dagegen kam in Süd- und Mitteldeutschland seit Mitte des Monats eine Reihe sehr heiterer Tage vor. Die Temperatur blieb, wie die beistehende Zeich- nung erkennen lässt, fast immer beträchtlieh unter ihrer Juli 1898. ___ _ & Uhr Morgens, normal. » Temperafuren im — Tägliches Maximum,ter. Minimum. 8 Uhr Morgens, 1898. 4duli. el dmeen: Nordwestdeutschland. normalen Höhe; ja, nicht selten erreichte das Thermometer nieht einmal in den Mittagsstunden den Stand, welchen es sonst im Juli bereits um 8 Uhr Morgens einzunehmen pflegt. Der einzige heisse Tag, an welchem in vielen Gegenden, namentlich im Osten, 25° C. überschritten wurden, war für Norddeutschland der 23. Juli. Süd- deutschland hatte zwar in der zweiten Hälfte des Monats eine grössere Anzahl solcher Tage, doch war es auch dort wie überall in den Nächten oft sehr kühl. Die T’em- peratur sank in der Nacht zum 5. und zum 6. in Kaisers- lautern bis 4° C., beinahe ebenso tief auf grösserem Gebiete um den 15. und 21. Juli, so dass in letzterer Nacht von mehreren Gemüsegärten zu Bobersberg sogar Frostschäden zu vermelden waren. So niedrig, wie es seit vielen Jahren nicht mehr vor- gekommen ist, waren auch die Mitteltemperaturen des ver- gangenen Juli, welche in Nordwestdeutschland um reichlich 31/s Grade, im Nordosten und Süden um 3 Grade von ihren normalen Werthen abwichen. Beispielsweise be- rechnete sich das diesjährige Julimittel für Berlin zu 15,2° C., während hier das kleinste innerhalb der letzten 50 Jahre, im Juli 1888, immer noch 16,3° betragen hatte. Dabei gab es im Jahre 1838 ebenso wie 1856 einzelne Julitage, die im Mittel nicht mehr als 10° hatten, wogegen im diesjährigen Juli kein Tag unter 121/,° vorkam; trat also damals die kühle Witterung bisweilen noch empfind- licher wie gegenwärtig auf, so bestand dieselbe doch nicht während des ganzen Monats fort. Leider ist auch die Aussicht nicht sehr günstig, welche sich uns aus dem grossen Wärmemangel des Juli für die Fortsetzung des Sommers eröffnet. Denn nach statistischen Untersuchungen hat man nach einem kühlen Juli fast doppelt so oft einen ebenfalls kühlen als einen warmen Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 393 August zu erwarten; so blieben auch nach dem Juli 1838 nicht allein der August, sondern auch die beiden folgenden Monate in ihren Temperaturen um 1 bis 2 Grade hinter dem normalen Werthe zurück, welcher erst im November wieder erreicht wurde. In geringerem Grade wie die Temperaturen wichen im vergangenen Juli die Niederschläge, welche unsere zweite Zeichnung zur Darstellung bringt, von ihren ge- «. [2iede höhen im Qufi 1898. e5 rschlags „SE &.,58 Mittlerer Werth für Er RREr Enger Deutschland. E 3 Ez2 SSB3Eca PscH5 M . Zet,säegssern 328 onalssummen ım Juli E= eos EEeSnEeNannern SALFSESESEISSASHSSESE 1: wöhnlichen Verhältnissen ab. Trotz der grossen Zahl der Regentage und eines sehr bedeutenden procentischen Feuchtigkeitsgehaltes der Luft war die gesammte Nieder- schlagshöhe des Monats, die sich für den Durchschnitt der Stationen auf 87,9 Millimeter belief, sogar etwas kleiner als in der Mehrzahl der Julimonate dieses Jahrzehntes. Bei den tiefen T'hermometerständen fielen die Niederschläge nämlich mehr als Landregen von mässiger Dichtigkeit, und nur an wenigen Tagen kamen wolkenbruchartige Regenfälle vor, wie sie heisse Trockenperioden zu unter- brechen pflegen. So erklärt es sich auch wohl, dass die letzten Saatenstandsberichte für das Königreich Preussen nieht so ungünstig lauteten, wie man nach dem schlechten Wetter erwartete, und dass die vielen Niederschläge dem Sommergetreide, zumal in den östlichen Provinzen, sogar mehr genützt als geschadet haben. Die ergiebigsten Regenfälle traten zu Beginn des Monats in Ostpreussen, in ganz Norddeutschland am 10. und 11. und wiederum gegen Ende des Juli auf. Bei- spielsweise wurden am 10. zu Neufahrwasser 48, Rügenwaldermünde 36, Swinemünde 31 Millimeter, am 11. zu Magdeburg 38, Kassel 34, Halle 29 und auf dem Brocken 130 Millimeter Regen gemessen. Bei Goslar wie im ganzen nordwestlichen Harz fanden hef- tige Wolkenbrüche statt, durch welche das Okerthal bis über Braunschweig hinaus überschwemmt und der Eisenbahnverkehr zwei Tage lang unterbrochen wurde. Um die gleiche Zeit hatte auch die Provinz Ostpreussen, namentlich in der Gegend von Gumbinnen und Insterburg, ebenso der Spreewald vielfache Hochwasserschäden zu erleiden. — Im Laufe des Monats zeigte sich in ganz Deutschland eine allmähliche Abnahme in der Zahl und der Ergiebigkeit der Niederschläge. Dieselbe trat an der Küste gleich nach dem 10., im Binnenlande während der zweiten Hälfte des Juli mit Entschiedenheit hervor, und erst kurz vor Schluss desselben erfolgten abermals stär- 394 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 33. kere Regengüsse, die z. B. in Breslau 54 Millimeter innerhalb 24 Stunden ergaben. Dem gleichmässigen Witterungscharakter des ver- gangenen Monats entsprach eine grosse Beständigkeit der Luftdruekverhältnisse in Europa. In der südwestlichen Hälfte des Erdtheils lag fast andauernd ein umfangreiches Gebiet hohen Luftdruckes, dessen Kern hauptsächlich nur zwischen Frankreich und England hin und her schwankte. Mehr oder weniger tiefe Depressionen zogen vom nor- wegischen Meere nach der mittleren Ostsee und, nachdem sie sich daselbst bisweilen etwas länger aufgehalten hatten, weiter ostwärts oder südostwärts in das Innere Russlands. In Deutschland herrschten demgemäss an den meisten Tagen westliche und nordwestliche Winde bei weitem vor, welche uns von allen Winden die feuchteste und im Sommer die kühlste Luft zuführen, und die sich um so fühlbarer machten, da sie oft in einer für die Jahreszeit bedeutenden Stärke wehten. Zwischen dem 10. und 15., besonders aber am 24. und 25. traten sogar heftige W est- stürme auf, welche vielfache Schiffsunfälle zur Folge hatten. Der Weg der barometrischen Minima wurde durch sehr ergiebige Regenfälle auf der scandinavischen Halb- insel, in Finnland und Russland, namentlich Polen be- zeichnet, wogegen in Grossbritannien, Frankreich und Belgien grösstentheils Trockenheit herrschte. Andere Minima traten an einzelnen Tagen, besonders am 5. und 14., in der Umgebung des adriatischen Meeres auf und verursachten ausserordentliche Regenfälle in Öberitalien, Oesterreich und dem ganzen Alpengebiete. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Eırnannt wurden: Der Privatdocent der Zahnheilkunde in Wien Professor Dr. Julius Scheff zum ausserordentlichen Pro- fessor; der ausserordentliche Professor der Ohrenheilkunde in Bonn Dr. Heinrich Walb zum ordentlichen Professor; der Direetor des Landeskrankenhauses in Graz Dr. Vietor Fossel zum ausserordentlichen Professor der Geschichte der Mediein an der Universität daselbst; der Professor an der Bergakademie in Freiberg Bergamtsrath Dr Kretsehmar zum Bergamtsdirecetor; der Hilfsbibliothekar an der Königlichen Bibliothek zu Berlin Dr. Kemke zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: Der ausserordentliche Professor der Chemie in Tübingen Dr. Buchner als ordentlicher Professor an die Landwirthschaftliche Hochschule in Berlin; der ordentliche Pro- fessor der Mineralogie an der deutschen Universität Prag Dr. Friedrich Becke nach Wien. Es habilitirten sich: In Wien Dr. Franz Eduard Suess für Geologie, Dr. Karl Camillo Schneider für Zoologie und Dr. Rudolf Gruber für Augenheilkunde; in Berlin Dr. Edmund Vietor Meyer für Hals- und Nasenkrankheiten; in Leipzig Dr. Martin Ficker für Hygiene. Es starben: Der Kliniker Konferenzrath Professor Dr. Karl Eduard With in Kopenhagen; der Mathematiker und Geograph Dr. Adolf Dironke, Director des Realgymnasiums in Trier; der Balneologe Geheimer Sanitätsrath Dr. Johann Kopf; der königliche Bibliothekar a. D. Dr. Julius Schrader in Berlin. Litteratur. 0. Flügel, Das Seelenleben der Thiere. 3. vermehrte Auflage. Hermann Beyer u. Söhne in Langensalza 1897. — Preis 240 M. Das in dem Buch gebotene und zusammengetragene Material ist für eine künftige Thierpsychologie brauchbar. Verf. betrachtet zunächst die Sinne und disponirt dann weiter: 2. Das Gemein- gefühl, 3. Association und Reproduction, 4. Schönheitssinn, 5. Ge- müth, 6. Verstand, 7. Instinet, bringt 8. einen Abschnitt, der sieh in Beziehung zu dem Gegenstande mit dem Darwinismus be- schäftist, bespricht 9. die Teleologie und schliesst mit einem 10. Capitel: „Beseelung“. : Schulte vom Brühl, Der Goldfisch und seine Pflege. Eine Epistel zur Verhütung einer gedankenlosen Thierquälerei. Mit Federzeichnungen. G. Wartmann, Wiesbaden. — 0,25 Mark. Das Loos des Golfisches zu verbessern, ist die Aufgabe des kleinen Heftehens. Der Verf. giebt hier in Form eines Plauder- Briefes an eine Freundin alles zum Besten, was jeder Goldfisch- besitzer über das Fischehen und seinen Unterhalt wissen sollte. | Dr. K. G. Lutz, Kurze Anleitung zum Sammeln und Bestimmen der Pflanzen, sowie zur Einrichtung eines Herbariums. Otto Maier in Ravensburg. — Preis 0,50 M. Der beginnende Pflanzen-Sammler wird die Winke, d’e er durch das vorliegende Heft erhält, gut benutzen können. Referent bedauert,fidass Verf. neben der Botanisir-Trommel nicht auch die Botanisir-Mappe empfiehlt (vergl. unseren Artikel „Praktische Make ri das Pflanzensammeln“ in „Naturw. Wochenschr.“ IJ, . 52— 54). Pastor Fr. Lindner, Die preussische Wüste einst und jetzt. Bilder von der Kurischen Nehrung. Mit 2 Karten und vielen Textillustrationen. Anhang: Vollständiges Verzeichniss aller bis zum Frühjahr 1898 auf der Nehrung beobachteten Vogel- arten. A. W. Zickfeldt in Osterwiek am Harz 1898. — Preis 1,80 Mark. Vorliegende Schrift bietet eine populär- wissenschaftliche Schilderung der Kurischen Nehrung, die Verf. namentlich in ornithologischer Hinsicht durchforscht hat; in dem ormnitholo- gischen Anhang zählt er 232 gute Arten auf. Im Uebrigen steht aber die Ornithologie der Kurischen Nehrung, dem „Ornithologen- paradies“, in der Schrift keineswegs im Vordergrunde, sondern Verf. hat vor Allem diejenigen Verhältnisse berücksichtigt, die auf ein allgemeines Interesse rechnen können. Das gut illustrirte Heft ist wohl geeignet, bequem und zuverlässig über das inter- essante Gebiet zu orientiren. Die Ferien-Besucher der Nehrung, etwa des Bades Cranz oder dergl. werden gut thun, die Schrift mitzunehmen. Prof. Henry E. Roscoe und Geh.-Rath Prof. Alexander Classen, Roscoe-Schorlemmer’s kurzes Lehrbuch der Chemie nach den neuesten Ansiehten der Wissenschaft. Mit 73 Abb. und einer farbigen Speetraltafel. 11. verm. Aufl. Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig 1898. — Preis 7,50 M. Die 10. Aufl. erschien 1895. Dass wir in einem Zeitalter der Naturwissenschaften leben, zeigen die wichtigen Veräuderungen, welche naturwissenschaftliche Lehrbücher in ihren Neu-Auflagen aufweisen; musste doch in der vorliegenden Neu-Auflage des be- währten Lehrbuches, das übrigens jetzt, trotzdem es ein „kurzes“ ist, nicht. weniger als 554 Seiten umfasst, Argon und Helium neu auf- genommen werden. Im organischen Theile haben jetzt die wich- tigsten Arzneimittel besondere Berücksichtigung gefunden, so dass Aussicht vorhanden ist, dass das Buch einen noch weiteren Freundeskreis gewinnen wird, als es ohnedies hat. Mach’s Grundriss der Physik für die höheren Schulen des Deutschen Reiches bearbeitet von Dr. Ferd. Harbordt und Max Fischer. I. Theil: Vorbereitender Lehrgang. Ausgabe für das Gymnasium. Mit 323 Abb. 2. verb. Aufl. G. Freytag in Leipzig 1897. — Preis 2 Mark. Den II. Theil des Mach’sehen Grundrisses, der einen „aus- führlicehen Lehrgang“ enthält, wurde in Bd. IX., 1894, Seite 395 der „Naturw. Wochenschr.“ besprochen. Auch für den vorliegen- den I, Theil gilt das dort über die Anpassung des Grundrisses an die Lehrpläne für die höheren Schulen des Deutschen Reiches. Der Gesammtgrundriss bietet also den Gegenstand in doppelter Behandlung, einmal in einem vorbereitenden (I. Theil), dann in einem ausführlichen Lehrgang (II. Theil). Der Grundriss gehört zu den besten der Physik, die empfohlen werden können. Dr. Carl Koppe, Professor an der herzoglichen technischen Hoch- schule zu Braunschweig, Photogrammetrie und internationale Wolkenmessung. Mit Abbildungen und fünf Tafeln. Friedrich Vieweg & Sohn. Braunschweig, 1896. — Preis 7 Mark. Der Verf. hat schon 1889 ein Lehrbuch: „Die Photogrammetrie oder Bildmesskunst“ veröffentlicht, worin er die photogramme- trische Methode warm empfiehlt. Das vorliegende Werk be- schäftigt sich nun hauptsächlich mit der Wolkenmessung auf photogrammetrischem Wege, mit Rücksicht darauf, dass es ge- schrieben wurde kurz vor Beginn des grossen, internationalen Wolkenjahres vom 1. Juli 1896 bis 30. Juni 1897, in welchem an zahlreichen Stationen der ganzen Erde systematisch alle paar Stunden genaue Wolkenbeobachtungen nach einem bestimmten Schema angestellt wurden. Verf. zeigt, dass die photogrammetrischen Methoden der Wolkenmessung bedeutend zuverlässiger ist als die Beobachtung mit den Wolkentheodoliten. Auch sonst sind aus dem gediegenen, mit gründlicher Sach- kenntniss geschriebenen Werke mancherlei werthvolle Angaben und Winke zu entnehmen. XII. Nr. 33. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 395 Josef Stein, Oberlehrer aus Dortmund. Die Regenverhältnisse von Marburg auf Grund dreissigjähriger Beobachtungen an der meteorologischen Station daselbst. Schriften der Gesellschaft zur Beförderung der gesammten Naturwissenschaften zu Mar- burg. Bd. XIII, 2. Abtheilung. Marburg, N. G. Elwert’sche Verlagsbuchhandlung, 1898. — Preis 2,30 Mark. Die vorliegende Abhandlung schliesst sich nieht dem üb- lichen Schema an, nach welchem Monographieen der Niederschlags- verhältuisse einzelner Orte sonst geschrieben werden. Freilich möchte Ref. darin durchaus keinen Vorteil erblicken; im Gegen- theil, es möchte ihm sogar scheinen, dass in Folge dessen die mühevolle Arbeit des Verfassers grossentheils ziemlich zwecklos und ohne wesentlichen Nutzen für die Meteorologie verschwendet . worden ist. Verf. betrachtet nicht die Gesammtzahl der bearbeiteten 30 Jahre (1866—1895) vom gemeinsamen Standpunkte aus, sondern er berechnet für die Pentaden jedes einzelnen (!) Jahres die Nieder- schlags-Summen und Mittel, ferner für jede einzelne Regenperiode der 30 Jahre (möge diese „Periode“ nun aus einem Tage oder aus mehreren bestehen) Summe und Tagesmittel des Niederschlages. Bine Auswerthung der Beobachtungsergebnisse nach solehen Ge- sichtspunkten ist aber thatsächlich für die Meteorologie fast ganz ohne Werth, völlig werthlos jedenfalls für die Klimatologie, welche nun einmal darauf angewiesen ist, mit langjährigen Mittelwerthen zu rechnen. Nur einige der letzten, kurzen Tabellen des Schriftchens schliessen sich dem bisher gebräuchlichen Schema an und dürften daher bedeutungsvoller sein, als die umfangreichen Zahlenangaben der beiden Haupttabellen. (Erwähnt sei hier, dass das Nieder- schlagsmittel Marburgs im dreissigjährigen Durchschnitt 652 mm beträgt.) Auch der den Tabellen vorausgehende, sehr kurze Text enthält zum überwiegenden Theil Nebensächlichkeiten, hinter denen wichtigere Gesichtspunkte zurücktreten oder ganz ver- schwinden. Warum ist Verf. seine eignen Wege gegangen und hat sich nicht der Methode angeschlossen, welche seit Hellmann ’'s mustergültiger Arbeit über die Niederschlagsverhältnisse Berlins maassgebend geworden ist? Gattermann, Prof. Dr. Ludw., Die Praxis des organischen Chemikers. Leipzig. — 6,20 M. Gradmann, Rob. Das Pflanzenleben der schwäbischen Alb mit Berücksichtigung der angrenzenden Gebiete Süddeutschlands. Tübingen. — 7,50 M. Gremli, A., Flore analytique de la Suisse. 12. dd. 5,60 M. Gross, Dr. Th., Robert Mayer und Hermann v. Helmholtz. kritische Studie. Berlin. — 4.50 M. Kohlhammer, Erich, Uebungsbeispiele und Anleitung zur quali- tativen chemischen Analyse. Berlin. — IM. Lehmann, Assist. Dr. Fritz, Compendium der anorganischen und organischen Chemie. Berlin. — 2,50 M. Meyer, A. B. and L. W. Wiglesworth, The birds of Celebes and the neighbouring islands. Berlin. — 240 M. Oppenheim, Prof. Dr. H., Lehrbuch der 2. Aufl. Berlin. — 23 M. Ritter, H., et L. Preller, Historia philosophiae graecae. Ed. VII. quam curavit Ed. Wellmann. Gotha. — 10 M. Scheffler, Dr. Herm., Die Grundlagen des Weltsystems in ge- setzlichem Zusammenhange nach ihrer physischen, mathema- tischen, logischen und philosophischen Bedeutung. Braunschweig. M Basel. — Eine Nervenkrankeiten. Schneider, Dr. Max, Leitfaden der organischen Chemie, für Hoch- schüler und den Selbstunterricht bearbeitet. 1. Theil: Das Methan und seine Derivate. Zürich. — 2,50 M. Schultz, Assist. Dr. Paul, Oestreich’s Compendium der Physiologie des Menschen. 2. Aufl. Berlin. — 6 M. Wiedersheim, Prof. Dir. Dr. Rob., Grundriss der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere. 4. Aufl. Jena. — 16 M. Briefkasten. Chiffre x. — Wir empfehlen Ihnen die Patent-Klapp- Camera mit Spiegel-Reflex „Vietoria“ der Firma Max Steckelmann in Berlin, auf die bereits Bd. XI, S. 540 bei Ge- legenheit der Besprechung der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896 aufmerksam gemacht wurde. Wir lassen eine gedrängte Be- schreibung des Apparates auf Grund einer Mittheilung der Firma folgen. Die Camera „Vietoria“* erreicht die Zusammenlegbarkeit auf eine eigenartig neue und zuverlässige Weise dureh nach hinten vor die Visirscheibe sich verschiebende Jalousie-Seitenwände, wo- durch dem ganzen Apparat eine dauernde Festigkeit (die mit Metall- bezw. Holzspreizen bei anderen Klapp-Camera’s nicht erzielt werden kann) gegeben wird. Was nun den Apparat besonders werthvoll macht neben seiner acuraten Arbeit, ist die Spiegel- Einriehtung, mittelst welcher der aufzunehmende Gegenstand oben auf einer grossen Matt- scheibe e bis zum Eintritt der Belichtungsichtbar bleibt — in den gleichen Grössen- verhältnissen des später fertigen Negativs bezw. Bildes, — was mittelst eines sogenannten „Suchers“ nicht möglich ist. Man kann demnach stets von vornherein die Grösse des ÖObjeetes auf der Platte vorher bestimmen. Zudem ist man auch durch den Spiegel- Reflex in der angenehmen Lage, genau und zuverlässig scharf einstellen zu können, was sonst nur durch die umständliche Benützung der hinteren Visirscheibe — wenn dieselbe überhaupt vorhanden ist — möglich wird, da man die Einstellung bei dieser Camera durch das Objeetiv nicht dureh daneben angebrachte kleine Linsen bewirkt. Der kleinste Apparat dieser patentirten Klapp-Camera in Grösse „9/12-Format“ ist nur 13% 15 x 6°), cm gross, bei 950 gr Gewicht, daher bequem bei sich zu führen. Die nachstehende Fig. 2 zeigt den Apparat, wie der Vordertheil mit Objectiv noch im Innern zwischen der bereits hochgeklappten (zum Theil automatisch) Decke und dem Boden ruht, um mittelst der beiden Griffe und 5 mit den angegliederten Jalousie-Seitenwänden her- vorgezogen zu werden. Die Griffe greifen dann selbst- thätig vorn fest ein, wodurch die Camera sich vollständig liehtdicht darstellt. Der Deckel e wird aufgeklappt, und erbliekt man auf der oberen Mattscheibe nun das Bild, wie man es später als Negativ erhält. Der bewegliche Spiegel im Innern des Apparates steht bei der Aufnahme im Winkel von 45° und wirft das durch das Objectiv aufgefangene Bild bei Moment-Aufnahmen nach oben gegen diese Mattscheibe, welche sich auf dem Grunde der Einstell- vorrichtung e befindet (in Fig. 2 zusammengeklappt). Bei der Exposition durch Druck auf Knopf / springt der Spiegel nach oben gegen die Mattscheibe, löst dabei den Rouleau-Verschluss /, g, h, i welcher bisher die liehtempfindliche Trockenplatte gegen vorzeitige Belichtung schützte, aus, indem der schneller oder langsamer (i Stellrad) an der Platte vorbeigleitende Schlitz des Rouleau die Beliehtung bewirkt. % ist der Knopf, mittelst dessen der Spiegel nach der Exposition wieder in die Bereitschaftsstellung zur Auf- nahme eingerückt wird. Zeitaufnahmen werden mit Hülfe der hinter dem Apparat befindlichen zweiten Mattscheibe gemacht. Die Camera wird für 9/12 und 12/16'/); em-Format angefertigt. Derselben werden drei Doppeleassetten beigegeben. Mit einer solehen Camera kann man auch so zu sagen „um die Ecke photo- graphiren“. Hält man die Camera (Fig. 1) so, dass die Oeflnung über der oberen Matte senkrecht an der Seite ist, so erbliekt man darin Gegenstände, welche nicht vor, sondern seitwärts des Apparates sich befinden. Man hat mithin ein sehr bequemes und wichtiges Mittel, unauffällig und von jedem störenden Einfluss freie Aufnahme zu erhalten. r Fig. 2. Inhait: B. Schwalbe: Der achte naturwissenschaftliche Ferieneursus für Lehrer an höheren Schulen. — Eine mechanische Er- klärung für die Structur von Bacterienkolonien. — Die Schuppen (Elytra) der Aphroditiden, — Die Bildungsweise und das Wachsthum der pflanzlichen Zellhäute. — Cetologische Mittheilungen. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: OÖ. Flügel, Das Seelenleben der Thiere. — Sehulte vom Brühl, Der Goldfisch und seine Pflege. — Dr. K. G. Lutz, Kurze Anleitung zum Sammeln und Bestimmen der Pflanzen, sowie zur Einrichtung eines Herbariums. — Pastor Fr. Lindner, Die preussische Wüste einst und jetzt. — Prof. Henry E. Roscoe und Geh.-Rath Prof. Alexander Olassen, Roscoe-Schorlemmer’s kurzes Lehrbuch der Chemie. — Mach’s Grundriss der Physik für die höheren Schulen des Deutschen Reiches. — Dr. Carl Koppe, Photogrammetrie und internationale Wolkenmessung. — Joseph Stein, Die Regenverhältnisse von Marburg. — Liste. — Briefkasten. 396 m EXTTIILIZEITIIIIITTITIEN N | : von Poncet Glashütten-Werke? 54, Köpnickerstr. BERLIN SO., Köpnickerstr. 54. Fabrik und Lager aller Gefässe und Utensilien für chem., pharm., physical., electro- | u. a. techn. Zwecke. ., Gläser für den Versand und zur Ausstellung naturwissenschaftlicher Präparate. Preisverzeichniss gratis und franco. |. EERNIIIXIIIIIITXIITIIITKIIIITITZIIIITT Gerd. Dümmlers Berlagsbuchhandung in Berlin SW. 12 Der Menfcheitslehrer. Ein Sebensbild des Weifen von Nazareth. Bon George Paul Sylvelter Gabanis. 300 Seiten Oftav,. Preis geh. 3 4, elegant geb. 4 AM. KIT TITTTITTT EXXXT KTT KIT TITK I KIT I I TI TI TI Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Su Beniehen un) jede Buchhandlung. XIII. Nr. 33. Zu besetzen zum 1. October d. J. die Assistentenstelle an der Versuchsstation für Pflanzenschutz der Landwirthschafts- kammer für die Provinz Sachsen. Anfangsgehalt 1200 M. Be- werber müssen über genügende entomologische, chemische und be- {=} sonders über mykologische Kenntnisse verfügen. Bewerbungen sind an die Versuchsstation für Pflanzenschutz, Halle (Saale) einzusenden. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Berliner ‚fistronomisches Jahrbuch für 1900 mit Angaben für die Oppositionen der Planeten für 1898. Herausgegeben von dem Königl. Astronomischen Rechen-Institut unter Leitung von J. Bauschinger., Preis 12 Mark. Die Charakteristik der Tonarten. Historisch, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. 136 Seiten Octav. — Preis 2,40 Mark. Veröffentlichungen | var Razer erschienen: I | des Königlichen Astronomischen Rechen-Instituts zu Berlin. | IS 7 ‚Gendherle Oppositions-Ephemeriden von 49 kleinen Planeten | für 1395 August bis December. | Unter Mitwirkung | mehrerer Astronomen, insbeson- | dere der Herren A. Berberich und P. Neugebauer herausgegeben von | J. Bauschinger, Director des Königl. Rechen-Instituts. 16 Seiten kl. 4°, Preis 1 Mark 20 Pf. » Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Rh Silberne l Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. | Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Photo:7?rkische Stativ- und Hand- —ummam GAMErAs. Gediegene Ausstattung. IMS” Sämmtliche Bedarfsartikel, 8% Spee.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässisste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. « Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). Verantwortlicher Redaeteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: ı Fer d. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. PATENTBUREAU Ulrich R. Maerz Mittlere Oerter von 622 Sternen au Jah: C.Schmidtlein Ingenieur Scheinbare uB Berlin NW., Luisensir. 22. Derter von 450 Sternen Gegründet: 1873. ——— Patent-. Marken -u..Musterschutz nebst Reductions-Tafeln für das Jahr 1900 und einem Anhange enthaltend Mittlere "Gebrauchte 309 südli Oerter von AN un ‚aan Sternen. | asmo toren Preis 6 Mark. Mittlere Dertar von en Stern und Mittlere Derter von 303 südlichen Sterien für das Jahr 1900. Preis 50 Pfg- DAMPF- und DYNAMO- MASCHINEN :betriebsfähig in allen: Grössen sutort lieierbar Elektromotor, G:m!b.H Schillbauerlamm.: 2i Berlin NW. garantirt Carl Zeiss, — Optische Werkstaette. — Jena. Mikroskope mit Zubehör. Mikrophotographische Apparate. Photographische Objective. Ü Mechanische und optische Messapparate 8 für physikalische und chemische Zwecke. d Neue Doppelfernrohre für Handgebrauch. Astronomische Objective und astro- optische Instrumente. Cataloge gratis und franco. Lichterfelde P. -B.) bei Berlin, Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: 6. Bernstein, Berlin SW. 12. Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: ER x — Redaktion: ee EI Was die naturwissenschaftliche Forschung »ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- den Gebilsen der Phantasıe, wırd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichkeit, der ihre Schöpfungen schmückt. Schwendener. Dr.H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XIII. Band. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Bringegeld bei der Post 15 9, extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. ‚en Sonntag, den 21. August 1898. Der Vierteljahrspreis ist AM 4.— folo NE. 4. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 &. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Der achte naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen, abgehalten in Berlin vom Mittwoch, den 13. April bis Sonnabend, den 23. April 1898. Bericht auf Grund eingegangener Beiträge durch Prof. Dr. B. Schwalbe. (Schluss.) Prof. Böttger: Ueber die Verarbeitung der Stass- furter Kalisalze. Der Vortragende gab zunächst einige historische Notizen über Stassfurt, dessen Name zuerst i. J. 806 n. Chr. gelegentlich eines Kriegszuges erwähnt wird, welchen Karl d. Grosse gegen die Wenden in der Mark Branden- burg unternahm. Die Salzgewinnung in Stassfurt ist sehr alt; sie erfolgte Jahrhunderte lang durch Versieden der dort zu Tage tretenden Sole. Der Siedebetrieb ging i. J. 1796 in den Besitz des preussischen Staates über, erwies sich jedoch als wenig lohnend, sodass er bald ein- gestellt wurde. Man nahm ihn von 1815 bis 1839 noch- mals auf, seitdem hat er vollständig aufgehört. In dem letztgenannten Jahre wurden die ersten Bohrversuche in Stassfurt begonnen, nachdem 2 Jahre früher an mehreren Orten südlich vom Harz Steinsalz erbohrt war. Nach 4 Jahren (1843) wurde bei 256 m Tiefe ein Salzlager erreicht; die in ihm erzeugte Sole enthielt jedoch nur 16°/, Chlornatrium neben 13°/, Chlormagnesium und wurde, als man tiefer ging, noch ärmer an Chlornatrium (5,61°/,) und reicher an Chlormagnesium (19,43°/,), während gleich- zeitig Magnesiumsulfat und Chlorkalium auftraten. Trotz- dem wurde 1851 und 1852 mit dem Abteufen zweier Schächte begonnen (v. d. Heydt und v. Manteuffel), welche 1856 und 1857 das Steinsalzlager erreichten, nachdem sie die darüber liegende 160 m starke Schicht der „Abraum- salze“* durchsunken hatten. Fast gleichzeitig wurde auch auf dem benachbarten anhaltinischen Gebiete in Leopolds- hall ein Schacht abgeteuft, der 100 m früher die Abraum- salze und das Steinsalz erreichte. In den beiden folgenden Jahrzehnten wurde eine grosse Zahl neuer Schächte (Achenbach, Agathe, Douglas, Ludwig II. u. a.) nieder- gebracht, auch wurde in Ludwig II das oberhalb des eigentlichen Salzlagers liegende „jüngere Steinsalz“ er- bohrt. Gegenwärtig sind einige 20 Schächte in Betrieb, und eine grosse Zahl von chemischen Fabriken ist ent- standen, welche z. Th. die Abraumsalze namentlich auf Chlorkalium, z. Th. das Steinsalz auf Soda (Ammoniak- Soda) verarbeiten. Das Stassfurter Steinsalzlager hat sich in der Zech- steinperiode abgelagert; der Buntsandstein bildet das Hangende desselben. In Folge einer späteren Faltung ist das Steinsalzlager gehoben und durch den wnw. verlaufenden Stassfurt-Egelner Roggensteinsattel in 2 Theile gespalten, sodass die Schiehten nach SSW und NNO einfallen. Der Einfallswinkel ist am grössten am wnw. Ende, wo in Westeregeln die Schichten nahezu senkrecht stehen; nach SSO nimmt er ab, sodass er in Leopoldshall bei den oberen Schichten nur noch etwa 30°, bei den unteren noch weniger beträgt. Durch einen, wie man annimmt, periodisch erfolgenden Zufluss von Wasser aus dem offenen Zechsteinmeer in die Magdeburg-Harzer Bucht und eine im Sommer und Winter mit verschiedener Stärke stattfindende Verdunstung des Meerwassers wechseln im älteren Steinsalz durchschnittlich 9 em starke Bänke von reinem Steinsalz mit durch- schnittlich 7 mm starken Schichten von Anhydrit, den sog. Anhydritschnüren. Die Mächtigkeit dieser Anhydritregion beträgt nach Bohrergebnissen, die bei Unseburg erzielt worden sind, 900 m. Nach oben hin gehen die Anhydrit- schnüre in Polyhalit über (2CaSO,, K,SO,, MgSO, + 2H,0); auf diesen folgt, ebenfalls Schiehten von wechselnder Dieke bildend, die mit Steinsalz abwechseln, der Kieserit (MgSO, + H,O); auf diesem endlich lagert der Carnallit, (KMgtCl, + 6H,0), welcher zumeist abgebaut wird. Die 398 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 34. Zusammensetzung dieser 4 Etagen ist aus nachstehender Tabelle ersichtlich: Ay: Mächtig-| Anhy- | poly- | Kie- | Stein- | Car- | Mgcı, Se ger halit. | serit. | salz. | nallit. |+6H,0. m pCt. Carnallitregion 42 2 — 16 25 | 55 2 Kieseritregion 56 2 — 17 65 | 13 3 Polyhalitregion 62 0,7 6,6 —_ 912 | — 15 Anhydritregion || 900 5 _ — 3| — _ Die genannten Abraumsalze haben sich vermuthlich primär aus dem Meerwasser abgeschieden und finden sich überall; zu ihnen gehört noch der Boracit 2 Mg,B,O,, +MsCl, nnd vielleicht der Douglasit, 2KCl, FeÜl, +2H,0. Daneben existirt noch eine grosse Zahl von seeundär entstandenen Abraumsalzen, die meist nur local auftreten, und von denen der Kainit, KCl, MgSO, + 3H;0, der Sylvin, KCl, der Tachhydrit CaMgsCl, + 12H,0, der Sehönit, K,Mg(SO,)s + 6H;0, der Reichhardtit, MgSO, + 7H;0, der Bischofit, MgCl, + 6H,0 die wich- tigsten sind. Das Steinsalzlager ist bedeckt vom Salzthon, der 6—10 m mächtig ist, und in welchem im Douglasschacht der Glauberit (Na,Ca(SO,),) gefunden ist. Darüber lagert eine an ihrer unteren Fläche glatte, an der oberen wellenförmig gebogene Anhydritdecke von 40—120 m Stärke und über dieser das weniger ausgedehnte obere Steinsalz, welehes durchsichtig, weiss und anhydritfrei ist, und in welchem man in Neu-Stassfurt den nesterförmig auftretenden, dem Polyhalit ähnlichen Krugit, 4CaSO,, K,SO,, MgSO, + 2H,0 gefunden hat. Rohcarnallit mit siedender Löselauge ausgelaugt. Rückstand mitkaltem Wasser ausgewaschen mm on nn Die Verarbeitung des Rohcarnallits (Zusammen- setzung s. obige Tabelle) mit durchschnittlich 16°/, Chlor- kalium beginnt mit dem Zerkleinern des geförderten Salzes in Steinbrechern und Mühlen, die ähnlich den Kaffee- mühlen construirt sind. In Lösekesseln von 12 ebm In- halt wird das zerkleinerte Salz mit der durch Dampf zum Sieden erhitzten Löselauge etwa 30 Minuten erhitzt. Die Löselauge entsteht während der weiteren Verarbeitung des Carnallits namentlich aus den Decklaugen und führt das beim Decken aufgelöste Chlorkalium dem Betriebe wieder zu. Sie enthält etwa 15°/, Chlormagnesium, 13°), Chlor- natrium, 5°/, Chlorkalium, 1,8%, Kaliumsulfat. Ihr Gehalt von Chlormagnesium verhindert die Auflösung des Kieserits, ihr Gehalt an Chlornatrium eine zu reichliche Auflösung von Kochsalz. Die entstehende Rohlösung wird geklärt, d. h. durch Absitzenlassen namentlich von Thonschlamm, Kieserit u. s. w. befreit und erkaltet dann in grossen, eisernen Krystallisationsgefässen von 4—8 cbm Inhalt. In diesen scheidet sich das Chlorkalium aus, zunächst als unreines Bodensalz, später als reineres Wandsalz (sog. Chlor- kalium I). Aus dem aus den Lösekesseln entfernten Rück- stand wird durch kaltes Wasser der Kieserit ausgewaschen, der dabei mit fortgewaschene Anhydrit in rotirenden Sieben vom Kieseritschlamm getrennt und dieser auf Block- kieserit verarbeitet. Der Löserückstand, (wesentlich Steinsalz und Anhydrit) gelangt in den Schacht zurück. Der beim Klären der Auflösung entstandene Klärschlamm wird in Filterpressen abgepresst, die Lösung in die Kry- stallisirgefässe geleitet, der Pressschlamm auf Dünge- mittel verarbeitet. Das Chlorkalium I wird durch Decken vom Chlornatrium befreit. Die Mutterlauge vom Chlor- Rohlösung wird heiss geklärt Löse- Kieserit- Klärschlamm wird —KRlare Lösung er- rückstand schlamm in Filterpressen N kaltet in Krystalli- abgepresst N sationsgefässen „no m——_—000 \ 2 Press- Klare Lösung Mutterlauge Chlorkalium -I schlamm N Ei wird gedeckt m _——— zum en ann zum kleineren Decklauge Gedecktes eingedampft; abei : re DO = Echedetieich Bühnene 0% Theil zur Lö Produkt wird salz aus. Die Lösung X selauge ver- getrocknet erkaltet in Krystal- / EN wendet lisatıonsgefässen. / N a Endlauge Künstlicher Car- rt nallit; wird in I Wasser gelöst, \ dann krystallisirt N en Mutterlauge Chlorkalium Il gedeckt und getrocknet N Löselauge x Y ir Löserück- Blockkie- mit verunrei- Endlauge dient Chlorkalium stand kommt serit zur nigtem Chlor- zur Herstellung in den Schacht Bittersalz- kalium ver- von Brom zurück bereitung mischt, als Düngemittel verkauft. XII. Nr. 34 kalium I dient zum geringeren Theil, vermischt mit Deck- lauge, als Löselauge für den Rohcarnallit, zum grösseren Theil wird sie unter Anwendung verminderten Druckes bis zum spez. Gewicht 1,555 eingedampft, woraus sich beim Erkalten künstlicher Carnallit ausscheidet, der dann in Wasser gelöst wird. Aus dieser Lösung scheidet sich dann das Chlorkalium II aus; dessen Mutterlauge zusammen mit der vom Chorkalium I eingedampft wird, während diejenige vom künstlichen Carnallit zur Gewinnung von Brom dient und dann als Endlauge die Fabrik verlässt. Chlorkalium II, welches an sich reiner als Chlorkalium I ist, wird event. ebenfalls gedeckt, beide Producete werden schliesslich getrocknet (in T'helenschen Pfannen) und ge- langen, in Säcke ä 100 kg verpackt, in den Handel. Böttger. Prof. B. Schwalbe: Berücksichtigung der Technik beim Unterricht und in den Feriencursen. Der Vortragende ging, nachdem er den einzelnen Behörden, die mit der Einrichtung der Ferienceurse in naher Beziehung stehen, vor allem dem Ministerium den Dank für die Förderung ausgesprochen, von dem Nach- weise der Nothwendigkeit der Ferieneurse aus und be- tonte, dass bei dem naturwissenschaftlichen Unterricht zwei Momente jetzt Berücksichtigung verlangen, die histo- rische Entwiekelung und Aufrechterhaltung des historischen Zusammenhangs und die Technik, welche mit ihren Fortschritten und Errungenschaften auch im Anfangs- unterricht berücksichtigt werden muss. Freilich sei die Gefahr, dass dieselbe zu viel Zeit und Inhalt beanspruche, sodass dadurch die Erzielung einer gleichmässigen wissen- schaftlichen Grundlage in der Physik und Chemie er- schwert werden kann, nicht zu verkennen, zumal da gerade die Technik der unmittelbaren Erfolge wegen die Schüler in hohem Grade interessire. Es wird sodann entwickelt, .wie weit technische Processe zu berücksichtigen und wie sie methodisch zu behandeln sind, indem namentlich auch die Stellung der Exeursionen dazu als Abschluss der tech- nischen Einzelbesprechung erörtert wird. Auch die all- gemeine Bewegung, die dahin geht, beim Unterricht von vornherein die Technik und die Verwerthung der Wissen- schaft zum Ausgangspunkt zu nehmen, ein Bestreben, das eine Auflösung der allgemeinen höheren Bildung in eine frühzeitige Fachbildung zur Folge haben muss, wird be- sprochen, und es wird auf die Riedler’schen Schriften und die Bestrebungen der technischen Hochschulen hingewiesen. Der zweite Theil des Vortrages erörtert die einzelnen Vorlesungen und das Programm des diesjährigen Ferien- eursus, bei dem versucht war, der Technologie neben den rein wissenschaftlichen Vorlesungen eine geeignete Berück- sichtigung zu Theil werden zu lassen. So waren abschliessende Bilder grosser Industrien in ihrer modernen Entwickelung zu geben. Die Eisenindustrie, die Theerfarbenindustrie und die Industrie der Gärungs- gewerbe sollten hierfür ein Beispiel geben. In ähnlicher Weise würden sich später andere Industrien und industri- elle Einrichtungen, Kälteindustrie, elektrische Strassen- bahnen, Entwickelung der ealorischen Maschinen ete. be- rücksichtigen lassen. Auch die übrigen Vorlesungen und Veranstaltungen wurden im Zusammenhang mit Darlegung der Ziele des Ferienceursus kurz vorgeführt und einige Wünsche, die z. Th. im Anhang dargelegt sind, hinzu- gefügt. Schwalbe. Prof. B. Schwalbe: Vorführung einer Reihe von Schulexperimenten. Dieselben bezogen sich hauptsächlich auf folgende Punkte: | Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 399 Ueber den elektrischen Anschluss (Demonstration durch besonders angefertigte Zeichnungen) und seine Ver- werthung (kleiner Moissan’scher Ofen, Dynamowage ete.), Versuche mit monochromatischem Licht. Einige Versuche aus der Molekularphysik. Geologische Versuche (Sedimentirungen, venzen). Da für den nächsten Ferieneursus eine ausgedehntere Vorführung von Schulversuchen in Aussicht genommen ist und manche derselben an anderen Orten (Poske’sche Zeitschrift für phys. Unterricht) veröffentlicht sind, ge- nügen diese Andeutungen für vorliegenden Zweck. Schwalbe. Efflores- Prof. Dr. Looser-Essen führte in seinem ersten Vortrage Versuche über strahlende Wärme vor. Zum Nachweise der Wärmewirkungen bediente sich der Vor- tragende des von ihm construirten Differentialther- moskops; (siehe Zeitschrift für phys. und chem. Unter- richt VIII, Heft 6) und eines in derselben Zeitschrift IX, Heft 6 näher beschriebenen besonderen Zusatzapparates für strahlende Wärme. Modifieirt war nur der Brenner, der neuerdings so eingerichtet ist, dass er gleichzeitig für helle und dunkle Wärmestrablen verwendet werden kann. (Dies. Zeitschr. XI, S. 116). Das Wesentliche an dem Brenner für dunkle Wärmestrahlen ist eine verticale Metallplatte, die durch einen seitlich angebrachten hori- zontalen Bunsenbrenner erwärmt wird. Durch zwei Alu- miniumschirme mit quadratischem Ausschnitte fielen die Strahlen auf die verticalen Halbkugeln des Differential- thermoskops. So konnte leicht der Unterschied in der Absorption von dunkeln und hellen Wärmestrahlen durch Glas gezeigt werden (87)*). Mit Benutzung gleicher (dunkler) Wärmequellen lieferte der Vortragende dann noch den Nachweis, dass die Strahlen durch eine Stein- salzplatte fast ungehindert durchgehen, während sie von Glas stark verschluckt werden (74). Dass sich letzteres dabei erwärmt, Steinsalz dagegen kaum merkbar, wurde im Anschluss daran gezeigt, indem die zur Absorption benutzten Platten auf die horizontalen Halbkugeln des Thermoskops gelegt wurden. In gleicher Weise wurde der starke Einfluss einer zwischengeschobenen, blanken Reflexröhre nachgewiesen, und dabei gleichzeitig gezeigt, dass eine innen berusste Röhre die Strahlen nicht reflec- tirt, sich dafür aber erwärmt (90/91). Durch Einschie- bung eines Steinsalzwürfels in dem Augenblicke, wo die Säule des Thermoskops durch Bestrahlung der berussten Halbkugel ihren höchsten Stand hatte, zeigte sich eine weitere Erwärmung durch totale Reflexion der Wärme- strahlen (77). Die durch die ungleiche Beschaffenheit der Oberfläche bedingten Verschiedenheiten der Absorption von Wärmestrahlen wird durch besondere Metallkapseln, die als Receptoren dienten, nachgewiesen (85). Der Ver- such gestaltete sich durch die vom Redner getroffene Anordnung besonders übersichtlich und wenig zeitraubend. Wurden von der (120) beschriebenen dunklen Wärme- quelle Strahlen durch eine blanke, von Steinsalzplatten verschlossene Röhre entsendet, so zeigte sich deutlich der Unterschied in der Wärmeabsorption der Gase, je nach- dem die Röhre mit Luft oder Leuchtgas gefüllt war. Nach den eben beschriebenen Versuchen zeigte der Vortragende dann noch die durch Schütteln von Quecksilber erzeugte Wärme (115), ferner die Aus- dehnung des Glases beim Erwärmen von Flüssigkeiten (121), sowie die beim Absorbiren von Gas erzeugte, beim Austreten eines Gases aus einer Flüssigkeit verbrauchte *) Die in Klammern beigefügten Ziffern beziehen sich auf die Nummer der in den oben genannten drei Abhandlungen be- schriebenen Versuche. 400 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Wärme nach der von Brandstätter angegebenen Methode (102). Die Messung der von einzelnen Stromtheilen abge- gebenen Wärme durch Eintauchen in die mit Alkohol ge- füllten Kapseln des Thermoskops ermöglicht eine voll- ständige Demonstration des Joule’schen Gesetzes. So ergab sich, dass die Wärmemengen der Länge des Widerstandes proportional sind, ferner von der Dieke und Beschaffenheit des Drahtes (Platin und Silber). Durch Stromverzweigung wurde der Nachweis geliefert, dass die Wärme dem Quadrate der Stromstärke proportional ist (106— 111). Durch besonders eonstruirte, gegeneinander verstellbare Horizontalelektroden, die in Kupfervitriol- lösung eintauchten, wurde die Richtigkeit des Joule’schen Gesetzes auch für Flüssigkeiten quantitativ genau nach- gewiesen (112). Der Vortragende zeigte dann noch, dass dureh Einschaltung einer arbeitenden Dynamomaschine in den Stromkreis, der gleichzeitig einen in die mit Alkohol gefüllte Kapsel des Thermoskops gehenden Draht ent- hielt, fast gar keine Wärme erzeugt wird, weil die Elek- trieität zum grössten Theil in Arbeit verwandelt wird. Verletzung der Maschine verhinderte die starke Zunahme der Wärme beim Stillstande der kleinen Maschine zu zeigen, indem die erzeugte Wärme statt im Gefässe des Thermoskops in den glühend gewordenen Contaetschleifen zum Vorschein kam (105). Die zweite Vorlesung diente dazu, die schon be- kannten, im Berliner Ferieneurse 1895 zum ersten Male gezeigten Schulversuche über specifische Wärme, Ver- dunstung, Lösungswärme u. s. w. denjenigen Zuhörern vorzuführen, denen sie noch unbekannt waren. Da sie in der Zeitschrift für physikalischen und ehemischen Unter- richt ausführlich beschrieben sind, so genügt es, wohl an dieser Stelle darauf hinzuweisen. Looser. Die Lehrmittelausstellung war von Herrn Direetor Dr. Vogel veranstaltet worden, deren naturhistorischen Theil Herr Dr. Röseler zusammengestellt hatte, während die Hilfsmittel für den geographischen Unterricht durch die Bemühungen des Herrn Opitz (Kgst. Rg.) von Seiten der Herrn Verleger in grosser Mannigfaltigkeit ausgestellt worden sind. Für den naturhistorischen Teil war der Ge- sichtspunkt maassgebend, die Nützlichkeit der Heran- ziehung der Schüler für den Aufbau und die Vermehrung der Schulsammlung zu zeigen. Die mannigfaltigen, auf diese Weise entstandenen Wandtafein, die in Glaskästen unter- gebrachten Analysen von Pflanzen, Schaltieren und In- sekten, die Zusammenstellungen gepresster Pflanzen zu Familientafeln geben dafür ein beredtes Zeugniss. Neben, diesen Schülerarbeiten hatten die bekannten Firmen Linnaea und W. Haferlandt & Pippow eine Aus- stellung veranstaltet, welche die auf diesem Gebiete er- zielten Fortschritte unschwer erkennen liess. Die erstere Firma dürfte unerreicht sein in ihren Zu- sammenstellungen von entwieklungsgeschichtlichen Prä- paraten seltenerer Tiere, von Mimierybeispielen, von Colo- nialerzeugnissen und von typischen Versteinerungen. Be- sonderes Interesse beansprucht die nunmehr abgeschlossene Sammlung deutscher Hölzer. W. Haberlandt & Pippow lässt in den Injektions- präparaten einen auffallenden Fortschritt erkennen; durch neue Methoden ist es gelungen, die Injektion auf das Venen- und Pfortadersytem auszudehnen. Zur Aufbe- wahrung von Spirituspräparaten verwendet diese Firma statt der bisherigen Standeylinder prismatische Glasgefässe, wodurch die oft störend auftretende Strahlenbrechung be- deutend gemindert wird. XIII. Nr. 34. gab eine Zusammenstellung von verschiedenartigen geo- graphischen und naturwissenschaftlichen Wandtafeln und Büchern. Ein vollständiges Exemplar der Hettner’schen geographischen Zeitschrift, soweit sie bis jetzt erschienen ist, hatte Teubner in Leipzig zur Ansicht übersandt. Die Ausstellung geographischer Lehrmittel ist von den Verlagsanstalten Dietrich Reimer und Carl Chun (beide in Berlin) beschiekt worden. Letztere Firma hat eine Zusammenstellung der besten und beliebtesten Stücke des Bamberg’schen Schulwandkartenwerkes gegeben, während Reimer neben einer grossen, mit Holzrahmen versehenen und zusammenlegbaren Karte von Mitteleuropa neue Erd- und Himmelsgloben ausgestellt hat. Besonderes Interesse erregte der Relief-Mond-Globus, der auf der einen Halbkugel eine Reliefdarstellung der uns zugewandten Mondoberfläche trägt, während auf der Rückseite eine die Benennungen enthaltende kartographische Darstellung an- gebracht ist. Pappenheim. Herr Prof. Dr. Wahnschaffe hielt zur Vorbereitung auf die am 23. April unter seiner Leitung unternommene Besichtigung des herzoglich-anhaltischen Salzbergwerks Leopoldshall am 22. Abends in Magdeburg einen Vortrag „über das Stassfurter Salzlager“. In der grossen, von Südost nach Nordwest streichen- den Mulde, die durch die culmische Grauwacke bei Magdeburg und die alten Gesteine des Harzes gebildet wird, sind die paläozoischen Bildungen des Rothliegenden und der Zeehsteinformation, sodann die mesozoischen und känozoischen Glieder bis zum Tertiär und Diluvium zum Absatz gelangt. Diese Bildungen sind mit Ausnahme des Tertiärs und Quartärs einem Faltungsprocess unterworfen gewesen, der dieselben in Mulden und Sättel zusammen- schob, in der Weise, dass die Mulden- und Sattellinien mit der Richtung des Streichens der soeben erwähnten grossen Mulde zusammenfallen. Das Salzlager von Stassfurt gehört der oberen Zech- steinformation an und tritt im Liegenden des sogenannten Stassfurter Rogensteinsattels auf, der hier als unterstes Glied des unteren Buntsandsteines unter dünner Bedeckung von Diluvium zu Tage tritt. Schon in alter Zeit existirte in Stassfurt ein Salinenbetrieb, der 1796 an den preussi- schen Fiskus überging. Nachdem aber im thüringenschen Becken in den dreissiger Jahren mächtige Steinsalzlager erbohrt worden waren, erschien die Verarbeitung der schwachen Sole in Stassfurt nieht mehr rentabel, sodass man den Betrieb 1839 einstellte. In diesem Jahre wurde in Stassfurt ein Bohrloch niedergebracht, das 1843 in 256 m Tiefe das Salzgebirge erreichte. Es wurde im Salz noch 325 m weiter gebohrt und die Bohrung eingestellt, ohne das Liegende zu erreichen. Statt der erwarteten Chlornatriumlösung fand man in diesem Bohrloch eine Salzlösung mit hohem Chlormagnesium- und Kaliumgehalt. Aus dieser Thatsache schlossen Dr. Karsten und Prof. Marchand, dass wahrscheinlich die oberste Parthie des Salzlagers aus leichter löslichen Magnesium- und Kali- salzen bestände und darunter erst das eigentliche Stein- salzlager folge. 1852 wurden von der preussischen Re- gierung in Stassfurt die Schächte „Manteuffel“ und „von der Heydt“ angehauen und in fünf Jahren auf 330 m bis in das Steinsalz niedergebracht. In diesen Schächten wurden von 256-280 m die Kali- und Magnesiasalze, die sogenannten Abraumsalze, angetroffen. Am 1. Juli 1858 begann die anhaltische Regierung mit der Anlage zweier Schächte, aus denen bereits 1862 die Förderung der Kalisalze in Angriff genommen werden konnte. Nach Aufhebung des Salzmonopols in Preussen wurden sodann Die Buchhandlung von Th. Fröhlich, Berlin NO, | die Bergwerke Douglashall bei Westeregeln, Salzbergwerk XI. Nr. 34. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 401 Neu-Stassfurt bei Löderburg, Salzbergwerk Ludwig II. bei Stassfurt und später das Kalisalzbergwerk Schmidt- manshall in Aschersleben angelegt. In den letzten Jahren ist das Vorkommen von Kalisalzen an verschiedenen Punkten nachgewiesen und auch der Abbau zum Theil bereits in Angriff genommen worden. Zu erwähnen sind hier Vienenburg, Roschwitz bei Bernburg, Thiede bei Wolfenbüttel, Jerxheim, Hildesheim, Jessenitz in Mecklen- burg und Rüdersdorf. Was die Bildung der Salzlager betrifft, so hat dieselbe von den ältesten Perioden unserer Erdgeschichte an stattgefunden, denn wir finden Salzlager vom Silur bis zur Tertiärzeit herab, und noch heutzutage sind sie in abflusslosen Becken in Entstehung begriffen. Wir sehen, wie heutzutage am Grunde des Eltonsees, des Grossen Salzsees und des Todten Meeres sich Kochsalz abscheidet, aber um eine so gewaltige Salzablagerung von tausend Meter Dieke, wie sie das Stassfurter "Lager besitzt, zu bilden, genügt die einfache Erklärung des Abdampfens abflussloser Meeresbecken nicht. Wenn das Mittelmeer verdampfte, so würde nur eine 27 m mächtige Salzschicht entstehen, und dieser Vorgang müsste sich vierzig Mal wiederholen, um eine Salzablagerung von der Mächtigkeit des Stassfurter Lagers zu bilden. Es ist daher von Ochsenius die Theorie aufgestellt worden, dass zur Bildung so mächtiger Steinsalzlager mit dem Welt- meere in Verbindung stehende Becken angenommen werden müssen, die durch eine Barre von demselben zeitweilig abgeschlossen waren, jedoch bei der Fluth über die Barre hinweg Zufuhr von Salzwasser erhielten. Nimmt man nun an, dass unter einem tropischen Klima die Ver- dunstung in dem abgeschlossenen Becken sich ungefähr mit dem zugeführten Quantum von Salzwasser compen- sirte, so musste eine Öoncentration der Salzlösung in dem Becken eintreten. und schliesslich dew.Absatz von Salz erfolgen. Aehnliche Vorgänge spielen sich heutzutage in der Karabugasbucht am Kaspisee ab, nur scheidet sich nach den neuen Forschungen von Lebedinzew in Folge der von dem Ozeanwasser verschiedenen Zusammensetzung des Kaspi auf dem Grunde kein Steinsalz, sondern Gips und Glaubersalz ab. Das Salzlager in Stassfurt zeigt uns aus seiner Schiehtenfolge der Salzablagerungen, dass sich nach einander zuerst die am schwersten löslichen und sodann immer leichter lösliche Salze ausgeschieden haben. Wie man in einer Bohrung bei Unseburg nordwestlich von Stassfurt festgestellt hat, wird bei 1250 m Tiefe das Liegende des Steinsalzes durch Anhydrit gebildet; dar- unter folgen schwarze Schiefer und Stinkstein, von 1280 bis 1290 m nochmals Steinsalz und darunter grauer An- hydrit, in welchem die Bohrung bei 1293,4 m aufgegeben wurde. Wie schon erwähnt, bildet das Salzlager einen Sattel, dessen südlichen Flügel das Salzbergwerk Leopolds- hall abbaut. Die unterste Salzablagerung wird gebildet durch die sogenannte Anhydritregion des Stein- salzes. In Abständen von 8—9 Centimetern ist das Steinsalz von durchschnittlich 7 Millimeter starken Anhy- dritschiehten durchsetzt, die im Profil als Schnüre hervor- treten. Da der Anhydrit sich aus der nicht vollständig gesättigten Salzlösung abschied, so muss gefolgert werden, dass periodisch eine Verdünnung der Salzlauge stattfand, und nimmt man an, dass dieselbe während der Regenzeit der Tropen geschah, so bezeiehnen die Anhydritabsätze Jahresperioden oder Jahresringe. Unter dieser Annahme würde das 900 m mächtige Steinsalzlager zu seiner Bildung einen Zeitraum von 10 000 Jahren erfordert haben. Dieser regelmässige Process muss nun dadurch unter- brochen worden sein, dass entweder die Barre, über die hinweg eine Verbindung mit dem Ozean stattfand, zuge- schwemmt wurde, oder eine Hebung des Beckens stattfand, welche dasselbe vom Ozean völlig abtrennte. Es erfolgte nun die Ablagerung der Mutterlaugensalze. Zunächst entstand die sogenannte Polyhalitregion des Steinsalzes. An die Stelle der Anhydritsechnüre traten nun Polyhalit- schnüre (K2SO!MgS0'2CaS0*2H20). Diese Schicht hat eine Mächtigkeit von 60 m. Darüber folgt die sogenante Kieseritregion, ‚weil hier das Steinsalz von Kieserit- schnüren (MeSO'H? OÖ) durehzogen ist. Die Bildung des Kieserits erfolgte durch die starke Hygroseopizität des in der Mutterlauge in grosser Menge vorhandenen Chlor- magnesiums. Durch die wasserentziehende Wirkung wurde die Krystallisation in der Form von Bittersalz (MgSO*7H2O) verhindert. Bei Zutritt von feuchter Luft verwittert der diehte, durchscheinende Kieserit sehr schnell und geht in Bittersalz über. Schon in der 56m mächtigen Kieseritregion begleitet den Kieserit häufig der Carnallit (KCIMgCP + 6H20), der nach dem Hangenden zu in immer grösserer Mächtigkeit auftritt und schliesslich in ein bauwürdiges Car nallitlager, die sogenannte Carnallit- region von 25—40 m Mächtigkeit übergeht. Dureh- sehnittlich besteht die Carnallitregion aus 55 %/, Carnallit, 26 °/, Steinsalz, 17%, Kieserit und 2%, Anhydrit mit etwas Thon. In Leopoldshall tritt der Carnallit, der sonst meist röthlich gefärbt ist, auch in sehr reiner, farbloser und thonfreier Beschaffenheit mit 90°, Carnallitgehalt auf. In den Camallit eingelagert Sl Knollen von derbem Boraeit (2(Mg?B°0%) + MgCl?), die durch Aus- lesen gewonnen werden. Das im Carnallit vorhandene Eisenoxyd ersetzte ursprünglich als Eisenchlorür einen Theil des im Carnallit vorhandenen Chlormagnesiums. Durch Zersetzung des Eisenchlorürs mit der Magnesia bei Luftabschluss und der Zerstörung des Krystallwassers kann man sich die Bildung des Wasserstofigases erklären, das in nen angehauenen Carnallitschächten oft in grosser Menge hervortrat und beim Anzünden monatelang brannte. Durch Zersetzungen des Carnallits sind secundäre Kalisalze entstanden, die am Ausgehenden der Carnallitregion sich bildeten. Hierher gehört der für die Jandwirthschaftliche Düngung so wichtige Kainit (K2SO*, MgSO+MgCl:6H:0) und Sylvinit (KCINaCl), ferner der Sehoenit (K2SO:MgS0% 6H2O), der Astrakanit (Na?SO*!MgSO*4H?O) und andere. Auf der Carnallitregion liegt eine Sm mächtige Sehicht von Salzthon, die die leicht löslichen Kali- und Magmnesiasalze vor der Auflösung durch die Tagewässer schützte. Dann folgt nach dem Hangenden zu eine 40 bis 90 m mächtige Anhydritschicht, nach oben zu in Gyps übergehend. Ueber dieser Anhydritschicht liegt bei Neu- Stassfurt und Leopoldshall ein Jüngeres Steinsalz- flötz von sehr reinem, nieht dureh Anhydritschnüre ver- unreinigten Steinsalz. Dasselbe ist 40—120 m mächtig und besitzt 97,5—98,5 %, Chlornatrium. Dieses jüngere Steinsalz-Flötz ist von Salzthon und Gyps bedeckt. Dann folgt die Buntsandsteinformation, die aus bunten Letten- sehiefern mit dünnen Kalksteinbänken und Rogenstein- schichten gebildet wird. Gerade abgeschnitten“ werden diese aufgesattelten Bildungen durch die Kiese und löss- artigen Bildungen des Diluviums. Bei dem Besuch des Salzbergwerks Leopoldshall gab der Vortragende an Ort und Stelle nähere Erklä- rungen über die Schichtenfolge, über die Bildung der Salze und den bergmännischen Abbau. Zum Schluss wurden die Mühlenwerke, auf denen der Kainit und das Steinsalz gemahlen werden, besichtigt. Wahnschaffe. Auch der diesjährige Ferieneursus könnte. zu den- selben Schlussbemerkungen Veranlassung geben, welche dem vorigen Berichte nach den damaligen Schlussworten des Dr. Schwalbe hinzugefügt wurden. (Naturw. Wochen- 402 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 34. schrift 1897, Nr. 52, S. 626.) Es bekundete sich das- selbe Interesse wie früher, sowohl den rein wissenschaft- lichen wie den technischen Vorlesungen und Exeursionen gegenüber. In Bezug auf letztere liegt sogar ein dringendes Bedürfniss nach einer systematischen Durehführung vor. Den meisten Lehrern der Naturwissenschaften ist es auf der Universität oder später bei der Vorbereitung auf den eigentlichen Beruf nicht möglich, technische Klein- und Grossbetriebe unter fachmännischer Leitung und Er- klärung zu sehen; die gewöhnlichen Lehrbücher berück- siehtigen die Anwendungen der Wissenschaft nur kurz oder gar nicht, und es fehlt so an einem Ueberblick über die Teehnik, der gewonnen werden muss, wenn in der Schule im Unterricht die Technik in angemessener Weise Berücksichtigung finden soll. Der Plan, für Berlin zunächst einen Fonds für Förderung des naturwissenschaftlichen Unterrichts mit besonderer Berücksichtigung solcher Ex- eursionen flüssig zu machen, hat sich zunächst nicht ver- wirkliehen lassen. Sollte sich in der That eine solche Einriehtung, die für die Weiterbildung des naturwissen- schaftlichen Unterrichts im höchsten Grade förderlich sein würde, nicht selbstständig herstellen lassen, so könnten vielleicht an den technischen Hochschulen ohne grosse Schwierigkeit und ohne bedeutenden Kostenaufwand Ein- riehtungen getroffen werden, welche es dem Lehrer er- möglichen nach dieser Richtung hin sich weiterzubilden. Denn wenn selbst später, wie verschiedentlich verlautet ist, den Studirenden der Naturwissenschaften das Studium an technischen Hochschulen zur Anrechnung kommt, wird es noch lange dauern, bis der Schulunterricht davon einen Vortheil haben kann. Der naturwissenschaftliche Unter- richt muss aber die stets gewaltig sich weiter entfaltende Technik berücksichtigen und es muss daher für die jetzigen Lehrer Gelegenheit geschaffen werden, sich hierin weiterzubilden. Wie solche Excursionen etwa ein- zurichten sind, davon hat der diesmalige Ausflug nach Stassfurt ein Bild geben können. Zuerst wurde die Vor- lesung über Stassfurter Producte und besondere che- mische Betriebe, dann über die geologische Beschaffenheit am Tage vorher gehalten, und nun folgt die Exeursion, die zugleich Gelegenheit bot, das Material, welches ge- legentlich für den Unterricht bei Besprechung der Stass- furter Industrie erforderlich ist, zu beschaffen; doch es ist hier nicht der Ort, den Plan für solche technische (inel. geologische) Exceursionen für Lehrer hier weiter zu entwickeln. Ob sich imnerhalb der kurzen Zeit von 10 Tagen, die für die Ferieneursus zur Verfügung stehen, praktische Curse einführen lassen, ohne dass dadurch andere Zwecke beeinträchtigt werden, ist zweifelhaft. Es wäre nur mög- lich, wenn die Curse auf enges Gebiet begrenzt würden, wie in Frankfurt a. M., und wenn denjenigen, die nicht an denselben theilnehmen, anderweitige Darbietungen ge- geben werden. Am besten würde es sein, wenn solche Curse ganz von den Ferieneursen losgelöst werden. Dass ein Bedürfniss nach solehen in hohem Grade vorhanden ist, beweist das Unternehmen, welches der Berliner Verein zur Förderung des physikalischen Unterrichts zu Michaelis 1898 hier plant. Mit dankenswerther Bereitwilligkeit hat das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal- Angelegenheiten einen Zuschuss für die Unkosten, welche dasselbe verursacht, gewährt und dadurch das Zustande- kommen gesichert. Es sollen zwei praktische Curse ein- gerichtet werden, der eine für Elektrotechnik, der andere für Vermessung (geodätischer Cursus); beides Uebungen, die von vielen gewünscht wurden. Beide Gegenstände wird der Lehrer, wenn er sie auch praktisch beherrscht, vor- trefflieh verwerthen können; ist es doch nicht ausge- schlossen, dass die Schüler selbst auch einige einfache Vermessungen in den praktischen Uebungen oder auf Ex- eursionen vornehmen, wie es an einzelnen Lehranstalten aus dem besonderen Interesse oder der besonderen Vor- bildung des Lehrers heraus auch geschehen ist. Jeder der an Cursen, die im Herbst stattfinden, theil- nehmen möchte, zahlt zur Deckung der übrigen Un- kosten 20 Mark. Es ist mit Sicherheit anzunehmen, dass die Stadt die erforderlichen Räumlichkeiten und Apparate zur Verfügung stellen wird und vielleicht, wenn der Ver- such gelingt, später die Curse übernimmt, die für die Fortbildung der Lehrer so erwünsebt sind. Auskunft über diese Curse ertheilt Oberlehrer Heyne, Berlin, Zietenstr. 3. Für besonders wünschenswerth wird es noch in den Kreisen der Lehrer der Naturwissenschaften gehalten, wenn besondere Curse für die Uebungen im Schulexperi- ment eingerichtet würden. Die praktischen Uebungen an der Universität verfolgen, abgesehen davon, dass sie nur von wenigen belegt werden, ganz andere Zwecke als die Uebungen im Schulexperiment. Der junge Lehrer muss, wenn er in das Seminar tritt, schon mit dem Experimen- tiren und der Handhabung der Apparate vertraut sein, und dies zu erlernen sollte Gelegenheit geschaffen werden. Die Curse an den Universitäten und technischen Hoch- schulen können schon deshalb nieht ausreichen, weil die für die Schule nothwendigen Experimente und einfachen Apparate dort vielfach nicht berücksichtigt werden können, auch die Leiter der Curse mit den Bedürfnissen der Schule und des Unterrichts meist nicht hinlänglich be- kannt sind. Die Einrichtung dieser Uebungen würde ein besonderes Laboratorium erfordern; im Kleinen wurden sie im Anschluss an die Seminarunterrichtsversuche und die Vorlesungen des hiesigen Lehrervereins durchgeführt, und diese Versuche haben das Bedürfniss nach diesen Uebungen und die Vortheile, welche sie gewähren, dargethan. Wenn dieser Wunsch durch die Ferieneurse nicht erfüllt werden kann, so ist es in ihnen wohl erreichbar, methodische Vor- lesungen über Verwendung des Experiments unter syste- matischer Vorführung grösserer Reihen von Schulversuchen nach bestimmten Abschnitten einzurichten, und es liegt im Plane, einen Versuch nach dieser Richtung zu machen. Dass die Ferieneurse durch das Streben des Lehrer- standes nach Vervollkommnung für den Beruf unterstützt und gehalten werden, dürfte auch daraus hervorgehen, dass im Auslande sowohl, wie in dem ausserpreussischen Deutschland (Cursus in Freiburg i. B.), wie in einzelnen Provinzen (Rheinprovinz) auf Einrichtung soleher Curse Gewicht gelegt wird und auch private Fortbildungseurse, die freilich z. Th. andere Zwecke verfolgen, entstanden sind. Schwalbe. Ueber Eiweissnahrung und Nahrungseiweiss sprach Prof. Dr. Finkler (Bonn) auf dem 9. internationalen Congress für Hygiene nnd Demographie zu Madrid im April d. J. (Dentsche medieinische Wochenschrift 28. 4. 98). Die Untersuchungen und Besprechungen der Nahrungs- hygiene, über den Kraft- und Geldwerth der Nährsub- stanzen, die Verträglichkeit, das Volumen schliessen mit der Beziehung darauf, was als beste und werthvollste Nahrung zu bezeichnen und wie diese zu beschaffen ist. Da das Nahrungsbedürfniss sich richtet nach Körperbestand und Zersetzung und diese nach den qualitativ und quan- titativ verschiedenen Leistungen des Körpers, so muss sich das Interesse der Ernährungsfrage auf alle socialen Klassen richten. Besonders werden diejenigen Klassen XIH. Nr. 34. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 405 unsere Fürsorge in Anspruch nehmen, welche in der Wahl der Nahrung nicht nach Gutdünken verfahren können, (Massenernährung), sowie diejenigen, welche mit ihren Einkünften sehr zu rechnen haben, dass sie dieselben in richtiger Weise für die Ernährung verwenden, schliesslich diejenigen, welche sich gesundheitsgemäss nähren wollen. Die Ernährungszustände bei Gesunden und Kranken, bei der ärmeren Bevölkerungsklasse wie bei der besser situirten, fand F. häufig ungenügend. Viele machten den Eindruck vorzeitigen Alters, Widerstandslosigkeit in Krank- heiten und Erschöpfung bei wirklich grosser Kraftforde- rung; der Grad der Muskelleistung war oft erstaunlich gering. Die sogenannten „blühend und wohlaussehenden“ Leute zeigen sich oft sehr muskelschwach. Bei Durch- führung einer Entfettungskur lassen sie nicht selten eine erschreekende Armuth an Muskelmasse erkennen. Es ist das zurückzuführen auf einen Mangel in der Ernährung. F. hat lange Zeit darauf verwendet, den Nachweis für diesen Mangel in der Ernährung zu liefern, die Grösse und die Art dieses Mangels festzustellen und durch ein möglichst allgemein anwendbares Mittel dem Mangel abzuhelfen. Was die Frage des Kostmaasses der Menschen an- langt, so haben die fundamentalen Arbeiten des Bonner Physiologen Pflüger ein wohlthuendes Verständniss der verwickelten Verhältnisse des Stoffwechsels ermöglicht. Jahrelang fest eingewurzelte Ansichten über Ernährung waren nieht richtig. Zwei Punkte besonders gaben zu falschen Forderungen Anlass. Der eine war, dass das Fett für die Leistung der Muskelarbeit eine wesentliche Rolle spielt. So sagt noch C. v. Voit: „Es wird bei schwerer Arbeit mehr Fett, aber nicht mehr Eiweiss zer- stört“. Daher suchte man auch bei der Massenverpflegung 2. B. der Truppen das Fett möglichst zu vermehren, während man das Eiweiss als vollkommen ausreichend geliefert ansah. Die andere falsche Auffassung war, den Begriff des Iso- dynamie der stickstoffhaltigen und stickstofffreien Nähr- substanzen soweit auszudehnen, dass diese beiden Gruppen für einander eintreten können nach Maassgabe ihrer Calorieen. Man vergass vollkommen, dass diese beiden Stoffgruppen in physiologischer Beziehung durchaus nicht als gleichwerthig angesehen werden können. Man dachte nicht daran, dass eine gewisse Menge von Eiweiss unter allen Umständen im thierischen Stoffwechsel unvertret- bar dureh Fette und Kohlehydrate bleibt. Durch Pflüger’s Untersuchungen ist an die Spitze der Ernährungsphysiologie der Satz gestellt, dass das Eiweiss der Nährstoff erster Ordnung ist, während Fette und Kohlehydrate als Stoffe zweiter Ordnung angesehen werden müssen. Das Eiweiss kann die verschiedenartigsten Leistungen vollbringen, während Fette und Kohlehydrate das Leben niemals ausschliesslich zu erhalten vermögen. „Volle Muskelarbeit bei Abwesenheit von Fett und Kohlehydraten, keine Muskelarbeit ohne Eiweisszersetzung.“ (Pflüger.) Ein nothwendiger, oft der ausschliessliche, organische Bestandtheil der lebenden, arbeitenden Zelle ist das Ei- weiss. Es wird in Zukunft nur noch die Frage zu erörtern sein, in wie weit und in welcher Funetion die Zersetzung des Eiweisses für die Arbeitsleistung unterstützt resp. disponibel gemacht werden kann durch Fette und Kohle- hydrate. Es ist somit jetzt nicht mehr zu versuchen, wie man eine Mahlzeit zusammenstellen müsse nach dem Gehalt an Calorieen, welche entweder in Gestalt von Eiweiss oder Fett oder Kohlehydrat verzehrt werden, sondern es muss in erster Linie das Kostmaass für Eiweiss bestimmt werden. Finkler versteht unter Kostmaass das normale Quantum, welches geliefert werden soll, unter Kostsatz die für bestimmte Fälle wirklich verabreichte Nahrungsmenge. F. suchte zunächst das normale Eiweisskostmaass für einen erwachsenen Menschen festzustellen, und zwar durch Bestimmung des wirklich im Körper umgesetzten Eiweisses mittelst genauer Stickstoffbestimmung nach Kjeldabl im Harn und Koth bei Gesunden und Recon- valeseenten. Diese FEiweissmenge beträgt innerhalb 24 Stunden für ein mittleres Körpergewicht von 65 kg: bei schwerer Arbeit 112,45 g „ mäsigerr „ 923208. Soviel verdauliches Eiweiss muss in der täglichen Kost des Arbeiters vorhanden sein, wenn er nicht an eigenem Muskeleiweiss bei der Arbeit einbüssen soll. Es ergab aber die Ermittelung der Menge an verdau- lichem Eiweiss in den Kostsätzen verschiedener arbeitender Klassen 1. für den schwer arbeitenden Mann pro Tag ein Eiweissmanko von 3,6 g; pro Kilo 0,06 g = 3,2%), des Eiweisses; 2. für den leicht arbeitenden Mann pro Tag Manko von 20,3 g; pro Kilo 0,5 g = 22°,, Kostmaasses. Die Verpflegung der Armeen im Kriege bleibt um 0,19 g pro 1 kg Mensch hinter dem Kostmaass für schwere Arbeit zurück; dagegen steht die Verpflegung im Frieden um 0,12 g über der bei mässiger Arbeit. Weitere Erhebungen auf Grund der eingehenden Statistik Engels über die belgischen Bevölkerungsklassen haben ergeben, dass die ärmeren socialen Klassen in be- sonders hohem Grade unter dem Mangel an Eiweiss zu leiden haben; eine Thatsache, welche ihre einfache Er- klärung darin findet, dass alle eiweissreichen Stoffe in der Nahrung zu theuer sind. Die eine Statistik bezieht sich auf das Jahr 1853, die andere auf das Jahr 1891. Für 1853 sind 3 Klassen der Bevölkerung aufgestellt, 1. eine dürftige, 2. eine auskommende, 3. eine sparfähige. Diese Klassen liessen sich in der Stadt und auf dem Lande verfolgen, und es gestaltete sich der Eiweissconsum folgendermaassen: In den Städten betrug der tägliche Eiweissverbrauch pro Kopf für 1. die dürftige 2. „ auskommende „ 3. „ sparfähige H auf dem Lande für 1. die dürftige 2 auskommendesen 69 2a 3. „ sparfähige Hui; al, Für 1894 ist die Bevölkerung je nach dem Ein- kommen in vier Klassen eingetheilt. Der Eiweissverbrauch pro Kopf und Tag war für die erste (ärmste) . ein des Klasse 46,16 Gramm 60,25 n 69 92E2r* Klasse 57,53 Gramm 67,94 Gramm zweite, sub. Male. 221: Rl9 AB al dritten a ODE vierte (begüterte) . 107,71 NE: Es ergiebt sich hieraus auch, dass mit zunehmendem Wohlstand die Eiweissmenge steigt, dass aber erst in der vierten Stufe vom Jahre 1891 das nöthige Eiweissquantum nahezu erreicht wird. Der Eiweissverbrauch von 1891 ist erfreulicherweise beträchtlich grösser als ungefähr 40 Jahre zuvor. Es weisen diese Zahlen, wie Engel richtig schliesst, ohne Zweifel auf das Walten eines be- stimmten, die Menschen bei der Auswahl ihrer Nahrung beherrsehenden Naturgesetzes hin. Sie streben instinetiv, die Nahrung zu verbessern. Es zeigt sich die Verbesse- rung in der Bereicherung an Eiweissstoffen, besonders auch in der Bevorzugung animalischer Bestandtheile zur besseren Deekung des Eiweissbedürfnisses. Der Grund für die au- gegebenen Zahlenunterschiede liegt in dem theuren Preise der meisten eiweisshaltigen Nahrungsmittel. Bei der ar- 404 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 34. beitenden Bevölkerung betragen die Ausgaben für die Ernährung noch wenigstens 60%, der Gesammtausgaben; davon entfallen auf die Eiweissnahrung nach Finkler 30%,, also die Hälfte. Abhilfe kann nur schaffen die Erschliessung neuer billiger Eiweissquellen, das war die Aufg abe, welche F. sich stellte. Vorausgesetzt, dass es einen Eiweisskörper gäbe, welcher vollkommen resorbirbar, ohne eigenen Geschmack und billiger wäre, als die natürlichen Eiweisse in den Nahrungsmitteln, so müsste es gelingen, diese Eiweisssubstanzen den Speisen in der erwünschten Quantität zuzusetzen und auf diese Weise zu erreichen, dass 1. die Gesammteiweissmenge der Nahrung ausreichend wäre, 2. ein gleicher Eiweissgehalt für jeden Tag festzu- stellen wäre, 3. der Geschmack der Speisen den Gewohnheiten der Menschen entsprechend bliebe, ohne dass eine Herabsetzung des Werthes der Speisen eintreten würde, 4. durch die Verwerthung dieser Eiweisssubstanz die Ermährung auf den billigsten Standpunkt herabgedrückt werden könnte. Es ist Finkler nach vielen Versuchen gelungen, einen Eiweisskörper auf chemischem Wege zu gewinnen, der allen genannten Anforderungen entspricht. Diesem Eiweiss legte F. den Namen Tropon bei. Die Eiweisssubstanzen haben alle Eigenschaften der Löslichkeit und Fällbarkeit, welche sich zur Trennung von anderen Substanzen verwenden lassen, sie haben aber auch die unangenehme Eigenschaft, mit vielen Substanzen, wie Fette, Farb-, Riech- und Schmeckstoffe, sowie Toxinen in so nahe Beziehung zu treten, dass es schwer ist, sie von denselben zu trennen. F. strebte danach, gerade diese Stoffe von dem Eiweiss zu entfernen und womöglich aus den verschiedenen Rohsubstanzen einen einheitlichen oder doch in den wesentlichsten Eigenschaften gleich- mässigen Eiweisskörper darzustellen. Es kann keine in allen Einzelheiten gleiche Methode geben, die aus den sehr verschiedenen Rohmaterialien das Eiweiss gewinnen lässt. Es ist etwas anderes, Ei- weiss aus pflanzlichen Geweben und Zellen herauszuholen als aus der Muskelsubstanz. Finklers Methoden zur Reinigung des Eiweisses verschiedener Herkunft gehen aber von einem einheitlichen Gesichtspunkte aus, welcher darauf gerichtet ist, die Beimengungen in löslichen und extrahirbaren Zustand zu bringen. So einfach dieses Prinzip für die Gewinnung reiner Eiweisssubstanz lautet, so schwierig ist die Ausführung. Verwendet man z. B. Muskelsubstanz als Rohmaterial, gewonnen bei Fischen oder warmblütigen Thieren, so sind die Verunreinigungen, besonders Fett- und Extractivstoffe, nicht äusserlich den kleinen Theilen anhaftend, sondern die Muskelfibrillen sind auch im Innern mit derartigen Substanzen erfüllt. Die Fettpartikel des Innern der Muskelfaser lassen sich durch Substanzen zersetzen, welche ins Innere einzu- dringen vermögen, sodass Lockerungen des Eiweisses her- vorgebraeht werden, ohne das Eiweiss selbst in Albumose oder Pepton zu verwandeln. Finkler und Lichtenfelt ist es gelungen, die Muskelfibrillen auch von der letzten Spur der anhaftenden oder in ihnen befindlichen Verunreini- sungen zu befreien, welche Ursache des störenden Geruchs und Geschmacks sind. Technisch ist das eine recht schwierig ausführbare Sache. Es gelingt zwar leicht, Fleischfasern so abzuwaschen, dass sie eine Zeit lang geruchlos bleiben. Bleibt aber im Innern auch nur eine geringe Menge von Fett zurück, so tritt mit Sicherheit nach einiger Zeit ein schlechter Geruch oder Geschmack auf, besonders in der Wärme. Alle Versuche, diesen Geruch oder Geschmack zu verdecken, sind, besonders auf die Dauer, zwecklos. Das Eiweiss muss vollkommen rein sein, wenn es längere Zeit aufbewahrt werden soll, ohne sich zu zersetzen oder den Geschmack zu verlieren. Auch bei der Gewinnung von Pflanzeneiweiss liegen die Verhältnisse schwierig, weil einerseits die mechanische Zersprengung der Zellen vorausgehen muss, und weil andererseits die pflanzlichen Eiweissstoffe unter sich sub- tile Eigenschaften besitzen in Bezug auf ihre Löslichkeit im Wasser, Alkohol und verschiedenen Salzlösungen. Besonders machen sich die Schwierigkeiten bei der Herstellung im Grossbetrieb geltend. Eine besondere Rolle spielen unter den Verunreini- gungen des Eiweisses die Farbstoffe. Dieselben aus dem Blut der Schlachtthiere zu extrahiren, sind umständ- lich und theuer. Block, einem Mitarbeiter Finklers, ist es gelungen, den Blutfarbstoff zu zersetzen, und zwar durch Behandlung des Blutes mit Wasserstoffsuperoxyd. Bei Anwendung genügender Mengen dieses Mittels gelingt es, bei Siedetemperatur das Eiweiss zu erhalten, während die Farbstoffe zerstört werden. Der Erfolg ist jedoch an bestimmte Bedingungen geknüpft. Frisches Blut zersetzt seinerseits das Wasserstoffsuperoxyd, sodass es, zwecks Entfärbung, einer Vorbereitung unterzogen werden muss, welche das Oxyhämoglobin zuerst verändert. Finkler arbeitete diese Methode noch besonders dahin aus, dass die Geschmacks- und Geruchsstoffe zerstört oder doch so verändert wurden, dass sie zu extrahiren waren und dass eine vollkommene Desinfection des Blutes stattfindet. Es lässt sich auf diese Weise reines Eiweiss aus Blut gewinnen. Auch die so häufige Verunreinigung des Eiweisses mit Leim lässt sich durch Finklers Methode vollkommen vermeiden. Das Eiweiss Tropon ist mit Salzsäure und Pepsin voll- kommen ohne Rest peptonisirbar und enthält kein Nuclein. Ob das pflanzliche Eiweiss genau denselben Nähr- werth hat, wie'das thierische, ist eine noch unentschiedene Frage, bis zu deren Lösung wohl noch einige Zeit ver- gehen wird. Um diese Schwierigkeit für ein Präparat, das bestimmt ist, Volksnahrungsmittel zu sein, auszu- schliessen, besteht dasselbe aus einem Gemisch von ani- malischem und vegetabilischem Eiweiss. Da man annimmt, dass ungefähr 35°, des in der Nahrung verbrauchten Eiweisses animalischen Ursprungs sein soll, so ist bei der Darstellung des Finkler’schen Eiweisspräparates darauf Rücksicht genommen, dass der animalische Theil im dem- selben mindestens 1), beträgt. Eingehende Versuche an Menschen bei angestrengter Muskelarbeit, ferner in einer Haushaltungsschule, bei Kranken und Reconvalescenten haben ergeben, dass Tro- pon, theils ausschliesslich, theils mit der gewöhnlichen Kost im richtigen Verhältnis gemischt gereicht, |vorzüg- lich vertragen und ausgiebig resorbirt wird. Es wurden sowohl starke Muskelleistungen ohne Verlust des Körper- gewichtes als auch, bei leichter oder fehlender Muskel- arbeit, Zunahme des Körpergewichts ermöglicht. Nach den jetzt vorliegenden Berechnungen ist das "Tropon, ver- glichen mit frischem Fleisch, um 40 bis 50 %, billiger, und da das Fleisch das theuerste Nahrungsmittel ist, würde eine so bedeutende Ersparniss gerade an diesem eine wesentliche Verbilligung der Gesammtnahrung darstellen. Auch auf der Leyden’ schen Klinik in Berlin sind eingehende Versuche mit dem Tropon angestellt, welche zu günstigen Resultaten geführt haben, über welche von Plaut berichtet wird. *) Mz. #) Plaut, „Ueber die Verwendung von Eiweisspräparaten am Krankenbett, mit besonderer Berücksichtigung des Tropons.“ Zeitschrift für diätetische und physikalische Therapie. 1. Band, S. 62 ff XIll. Nr. 34. Die Homologien der Hornbildungen bei den Un- gulaten behandelt S. H. Swayne in den Proc. Bristol Natur. Soc. N. S. Vol. 8 Pt. 2, 15897. — Das Horn des Rhinoeeros besteht nur aus Horn-Substanz, aus zusammen- gebackenen Längsfasern, die groben Borsten ähneln und auch an der Basis des Hornes sich als solche abspalten. Diese ist von Poren durchlöchert, in denen im Leben Papillen steeken. Das Gehörn der Hohlhörner besteht aus einem Knochenzapfen, einer Apophyse des Stirnbeines, die von der Haut und einer echten Hornscheide bedeckt ist; letztere ist innen und aussen längs gestreift und erinnert an Haar- Structur. Häufig finden sich an ihnen Rippen, Wülste u. s. w., die wohl Zeichen periodisch stärkeren Wachs- thumes, vergleichbar mit dem jährlichen Wachsthum des Geweihes sind. Der Name Hohlhörner ist nicht richtig, denn der Knochenzapfen und die Hornscheide sind durch eine Lage weichen, mit Blut gefüllten Gewebes verbunden. Die Hörner des Gabelbockes bestehen aus einem ein- fachen Knochenzapfen, dem eine gegabelte Horn-Kappe aufsitzt; die eine Gabel enthält also keinen Knochen. An der Basis ist der Zapfen nur mit Haaren umgeben, die auch seinen übrigen Theil unter dem Horn bedecken. Auch die Hornseheide enthält innen eine Menge Haare, die alle fest hängen, indem ihr unterer Theil durch das Horn geht und beim Abwerfen, das wie bei den Hirschen jährlich geschieht, durchgerissen wird. Es ist also das Horn nur zusammengebackenes Haar. Nach dem Ab- werfen bildet sich zuerst eine Hornkappe über der Spitze, die bald hart wird und nach unten weiter wächst, bis sie an der Basis in die Haut übergeht. Es erinnert dadurch an die Zahnbildung mit der Schmelzkappe. Die Geweihe der Hirsche bestehen aus Knochen, Fortsätzen des Stirn- beines und sind nur während des Wachsthums mit Haut und Haaren bedeckt, die keine Zeit zur Fortbildung ge- winnen. Durch die Grössenzunahme der Rose wird die Cireulation des Blutes verhindert, so dass die Weichtheile austrocknen. Sie sind aber homolog der Haut- und Horn- bedeckung der Knochenzapfen bei den Hohlhörnern. Die Hörner der Giraffe sind einfache, mit Haut bedeckte selbstständige Knochen (Epiphysen), die kein jährliches Wachsthum zeigen und also auch keine eigentliche Hörner sind. Alle die übrigen Hornbildungen sind homolog; sie bestehen aus 2 Theilen, dem Knochentheile: Zapfen u. s. w., und dem Hauttheile: Hornscheide, „Bast“, u. s. w. Die einfachste Hornbildung ist die der Hohlhörner, eine vermittelnde die des Gabelbockes, die höchst differenzirte die der Hirsche. Ihr Zweck ist der einer Waffe, bei den Hornthieren gegen Feinde, bei den Geweihthieren nur im Kampfe der Männchen um die Weibehen; denn nur jene haben ein Geweih und dies nur zur Paarungszeit. — Das Horn des Rhinoceros führt über zu den Barten der Wale, deren freies Ende wieder vergleichbar ist den steifen Borsten am Elefanten-Schwanze, den Stacheln der Stachelschweine, des Igels u. s. w. Alle diese Bildungen gehören zum Exoskelet, wie die Zapfen der Hohlhörner und die Geweihe zum Endoskelet. Reh. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden; Der ausserordentliche Professor der Bo- tanik an der Forstlehranstalt in Aschaffenburg H. Dingler zum ordentlichen Professor; der Lyceum-Professor ä. O. für Mathe- matik, Physik und Astronomie am Lyceum in Bamberg Dr. W. Hess zum ordentlichen Professor; Assistent Dr. W. Molsdorf an der Universitäts-Bibliothek in Göttingen zum Hilfsbiblio- thekar; der Professor der Mathematik an der technischen Hoch- schule in Hannover Dr. K. Runge zum Aichungs-Inspector für die Provinz Hannover; die Privatdocenten der Philosophie bezw. Forstwissenschaft an der technischen Hochschule in Karlsruhe Dr. A. Drews und Dr. H. Hausrath zu ausserordentlichen Pro- fessoren; der Privatdocent der Zoologie und Fischkunde an der Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 405 thierärztlichen Hochschule in München Dr. B. Hofer zum ausser- ordentlichen Professor; der Hülfslehrer für Ophthalmologie an der thierärztlichen Hochschule in Stuttgart Dr. Königshöfer zum Titular-Professor; der: ausserordentliche Professor der chemischen Technologie an der technischen Hochschule in Graz B. Reinitzer zum ordentlichen Professor; der ausserordentliche Professor der Philosophie in Lemberg Graf A. Dzieduszyeki zum Mitglied des galizischen Landesschulraths; der ausserordentliche Professor der Botanik an der böhmischen Universität Prag Velenowski zum ordentlichen Professor; der Privatdocent der Palaeontologie an der böhmischen Universität Prag Ph. Pocta zum ausser- ordentlichen Professor; der Privatdocent der Dermatologie in Budapest S. Rona zum Primararzt am dortigen Stephansspital; der Privatdocent der Gynäkologie G. Dirner daselbst zum Direc- tor der Hebammenanstalt; der Privatdocent der Ophthalmologie in,Leipzig Dr. O0. Sehwarz zum ausserordentlichen Professor; der ausserordentliche Professor der Hygiene in Erlangen Dr. L. Heim zum Direetor des hygienisch-bacteriologischen Instituts; der ausser- ordentliche Professor der medieinischen Propädeutik in Erlangen Dr. R. Fleischer zum ordentlichen Professor; an der Universi- täts-Bibliothek in Erlangen Bibliothekar Dr. M. Zucker zum ÖOberbibliothekar mit dem Range eines ordentlichen Professors, und Sekretair Ph. Stein zum Bibliothekar. Berufen wurden: Der ordentliche Professor der Botanik in Basel Dr. G. Klebs nach Halle; der ordentliche Professor der Philosophie in Rostock Dr. L. Busse nach Königsberg; Adjunkt H. Drexel von der thierärztlichen Hochschule in. Wien als ausserordentlicher Professor für Thierseuchenlehre und Veterinär- polizei an die deutsche Universität Prag; der städtische Thierarzt Dr. Th. Kasparek in Wien als ausserordentlicher Professor für Thierseuchenlehre und Veterinärpolizei an die böhmische Uni- versität Prag. Abgelehnt haben: Der Professor der Mathematik in Göttingen Dr. D. Hilbert einen Ruf nach Leipzig; der Professor der Pädagogik in Heidelberg Dr. G. Uhlig einen Ruf als Director der Fürstenschule in Schulpforta. Es habilitirten sieh: Dr. Holde für Chemie an der technischen Hochschule zu Berlin-Charlottenburg; Dr. W. Vaupel für theoretische Chemie an der technischen Hochschule in Darm- stadt; Dr. H. Köppe für Kinderheilkunde in Giessen; Dr. L. Waelsch für Dermatologie und Syphilis an der deutschen Universität Prag; J. Houl für Bacteriologie und A. Velich für Pathologie an der böhmischen Universität Prag; H. Schneider für Zoologie und R. Gruber für Ophthalmologie in Wien; L. Nehan für Dermatologie, J. Bäcker und H. Feleki für innere Mediein und D. Kuthy für Hydrotherapie in Budapest. Es starben: Der erste Director des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in den Preussischen Staaten Wirklicher Geheimer Ober-Finanzrath und Provinzial-Steuer-Direetor von Pommer- Esche; der Professor der Chirurgie in Krakau A. Obalinski; der ausserordentliche Professor für Physik und Meteorologie in Berlin Dr. Paul Glan. Ausgeschrieben wird eine Assistentenstelle an der Versuchs- station für Pflanzenschutz der Landwirthskammer für die Provinz Sachsen. (Vergleiche das Inserat in der vorigen Nummer.) Eine Expedition nach Sannikow-Land befürwortet im Juniheft von „Petermanns Mittheilungen“ Baron E. von Toll auf das Lebhafteste. Der Jakutsker Kaufmann Jakob Sannikow, welcher während der Jahre 1805—1811 mehrfach die Neusibirischen Inseln besuchte und sogar einmal ein ganzes Jahr daselbst zu- brachte, behauptete, an klaren Sommertagen im Norden der drei Inseln Kotelny, Fadejew und Neusibirien zwei Länder gesehen zu haben, deren Erreichung durch Hundeschlitten freilich wegen offener Stelle im Eise ausgeschlossen war. Die Existenz des „von Sannikow gesehenen Landes“ wurde aber wieder in Frage gestellt, als die 1821 und 1822 unternommene Expedition des Lieutenants Anjou nach den Neusibirischen Inseln nicht in die Lage kam, die Angaben Sannikows zu bestätigen. Spätere Be- sucher der Insel Kotelny, Mammutsbeinsammler, bestätigten jedoch mehrfach, dass im Norden dieser Insel Land vorhanden sei, ebenso im Jahre 1881 die Expedition De Longs. Endlich erblickte auch Frhr. von Toll selbst an der Mündung des Mogur, des nördlichsten Flüssehens im Nordwesten von Kotelny, unter 76° n. Br. und 139 ö. L. am 13. August 1886 in weiter Ferne die scharfen Konturen von vier stumpfkegeligen Tafelbergen, an welche sich im Osten ein niedriges Vorland anschloss; die Entfernung betrug ca. 150—200 km. Nun gelangte aber die „Fram“-Expedition Nansens in diese Gegenden und passirte die fragliche Stelle am 20. und 21. Sep- tember 1893 unter 77°40'. Nansen sagt selbst darüber: „Wir befanden uns jetzt eine gute Strecke nördlich von der Stelle, wohin Baron von Toll auf der Karte die Südküste von Sannikow- Land verlegt hat, aber auf ungefähr derselben Länge. Wahr- 406 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 34. scheinlich ist jenes Land also nur eine kleine Insel, und jedenfalls kann es sich nieht weit nach Norden ausdehnen.“ Demgegenüber bemerkt v. Toll, dass er auf seiner vorläufigen Kartenskizze vom Jahre 1887 wahrscheinlich das problematische Sannikow-Land zu weit südlich eingezeichnet hat; er schätzt jetzt die Lage des Süd- endes des Sannikow-Landes auf etwa 78°; demnach würde Nansens Fahrt nicht nördlich, sondern südlich von diesem Lande vorbei- gegangen sein. Eine endgültige Aufklärung über Existenz und Ausdehnung des Sannikow-Landes ist jedenfalls von hoher Wichtigkeit. Aber nieht nur rein geographische Interessen sind dabei im Spiele, sondern auch noch mancherlei andre, von denen hier nur die erdmagnetischen als die wichtigsten hervorgehoben seien; freilich würde sich eine Expedition nur dann lohnen, wenn die Theil- nehmer ein ganzes Jahr auf Sannikow-Land zubrächten. Die Art und Weise, wie Sannikow-Land am besten zu er- reichen wäre, unterzieht Baron von Toll einer eingehenden Er- örterung: Hundeschlitten glaubt er nach den Erfahrungen Sannikows und Anjous unbedingt als Beförderungsmittel verwerfen zu müssen, ebenso Boote, mit denen zwar im Sommer von Kotelny aus eine Erreichung des Sannikow-Landes möglich ist, die aber nieht im Stande wären, den erforderlichen Proviant für ein Jahr mitzuführen. Frhr. v. Toll befürwortet daher eine Fahrt zu Schiff von der Lena-Mündung, und da er sich erbietet die Expedition selbst zu führen in Begleitung eines Astronomen, eines Meteorologen, eines Topographen und einiger Jäger bezw. Hundeführer, so ist er auch im Stande, seine Vorschläge genauer zu präcisiren. Er würde alsdann im Sommer 1899 durch die Karasee und um das Kap Tscheljuskin zur Lena-Mündung zu fahren suchen, dann an der Westküste des Borchaja-Busens oder günstigenfalls in Jakutsk überwintern, um alsdann, nach Einnahme des nöthigen Proviants, im August 1900 nach Sannikow-Land zu fahren, Am nördlichsten Ende dieser Insel oder, falls deren Ausdehnung nach Norden nicht so gross ist, wie die des benachbarten Bennett- Landes, am Nordende dieses von De Long erforschten Archipels landet die Expedition, um nunmehr ein ganzes Jahr hindurch meteorologische und magnetische Beobachtungen sowie topo- graphische und geologische Aufnahmen anzustellen. Das Schiff tritt seinen Rückweg zur Lena-Mündung an und entsetzt alsdann im August 1901 die Expedition. — Hoffentlich gelingt es dem be- währten Forschungsreisenden, den geschilderten Vorschlag zur Ausführung zu bringen. H. Das treffliehe Herbarium meist tropischer Pflanzen des + Königl. Bibliothekars a. D. Dr. Julius Schrader (9 grosse Schränke mit rund 750 wohlgeordneten Mappen) hat dieser als Vergleiehssammlung für pflanzenpalaeontologische Studien der pflanzenpalaeontologischen Abtheilung der Königl. Preussischen geologischen Landesanstalt zu Berlin vermacht. Schrader hat sich namentlich durch Ankauf von Sammlungen botanischer Reisenden seit ea. 50 Jahren um die Vermehrung seines Herbariums verdient gemacht und hat weit über 20,000 Arten zusammen- gebracht. — Es befinden sich von gekauften exotischen Samm- lungen in dem Herbarium Schrader die folgenden: Hohenacker: Plantae zeylanicae, Plantae Indiae orientalis, Monteo Nilagiri. — Sehlagintweit: India and High Asia. — Schimper: Plantae Abyssinieae. — Lorentz, Hieronymus, Galander: Flora Argentina, Lorentz: Flora Eutreriana. — Türkheim: Flora Guatemalensis. — Kerber: Plantae Mexicanae — Beyrich: Plantae Brasilienses. — Wright: Plantae Cubenses. — Baenitz: Herbarium Americanum. — Eggert: Herbarium Americanum (S. Louis). — Bepp: Herbarium Americanum. — Curtiss: North American plants (face. 1 u. folg., besonders Florida). — Eggers: Flora Indiae oceidentalis (Centur. 1 u. folg.) — Jones: Utah, Colorado, Nevada, California, Arizona, Mexico, Texas (1884, 85). — Parish: Southern California. — E. Lee-Greene: California. — Suksdorf: Washington. — Höwell: North West America, Pacific coast plants. — Pringle: Flora of the pacifie slope Arizona 1384, Mexico 1885 (Chihuahua), Mexico 1889, 90, 91, 92, 93. — Sintenis: Portorico, Iter orientale, Pontus, Armenia 1890, Paphlagonia. — Matsumura: Japan. — Kotschy: Flora Persiae — Becker: Plantae Astrachanieae. — Karo: Plantae sibiricae 1888 (198 spec.), Plantae dahuricae (1892). — Brotherus: Plantae caucasicae. — Helons: Neu-Seeland. — Berggren: Flora Novae Zelandiae. — Neu Holland: (durch Prager), Norden 260 spee., N.-S.-Wales 200 spee. — Madagascar: (Hildebrandt) 584 spee. — Süd- africa: Plantae Schlechterianae Cent. 1. 2. 3. 4. 5. Litteratur. Dr. Friedrich Rohde, Ueber den gegenwärtigen Stand der Frage nach der Entstehung und Vererbung individueller Eigen- schaften und Krankheiten. Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Binswanger. Gustav Fischer in Jena, 1895. — Preis 5 Mark. Das Buch giebt zunächst eine klare Uebersicht über die Hypothesen und Theorien zur Erklärung der Vererbung um so- dann den Gegensatz der Vererbliehkeit, also die Variabilität zu besprechen. Erst dann (S.62), nach dieser eingehenden Vorbereitung geht Verf. zu seinem eigentlichen Gegenstand, zu der Betrachtung der Vererbung und Variation unter pathologischen Bedingungen über und zur Frage nach der Entstehung und Vererbung indivi- dueller Eigenschaften und Krankheiten. Verf. steht auf dem Boden Weismann’s. Er kommt u.a. zu dem Schluss: Erworbene Charaktere, d. h. solche, die durch äussere Einflüsse, einschliesslich Gebrauch und Nichtgebrauch von Organen, am Körper entstehen, können daher nie auf die Nachkommenschaft übertragen werden; dagegen müssen’ sie oft jene „specialisirten* Abänderungen in der Structur des Keim- plasmas verursacht haben, welche für die Entstehung von patho- logischen Keimesvariationen von allergrösster Wichtigkeit sind. „Neue idioplastische Eigenschaften können nicht von aussen kommen, wohl aber „Schädigungen“ im weitesten Sinne des Wortes“. Diese letzteren werden je nach der Intensität ihrer Wirkung einmal das Idioplasma ganz unverändert lassen, ein anderes Mal die „Architektur“ des Keimplasmas so störend beein- flussen können, dass die Geschlechtskerne zur Copulation up- tauglich werden, degeneriren oder absterben müssen; ein drittes Mal werden sie nur „partielle“, minimale Störungen im Aufbau des Keimplasmas, eine Verschiebung oder Umordnung des Bio- phorenmaterials, das die Determinanten zusammensetzt, hervor- zurufen im Stande sein und zu vererblichen Abweichungen führen. In diesem letzten Falle würde der grösste Theil der idioplastischen Eigenschaften ungeschädigt bleiben und seine determinirende Kraft in ungesehwächter Weise zur Geltung bringen können. In der zweielterlichen Fortpflanzung haben wir ein Remedium gegen die Wirkung schädlicher Variabilität zu erblieken. Vermögen auch die klinischen Erfahrungsthatsachen an Nerven- und Geistes- krankheiten einen sicheren Beweis für die Annahme, dass er- worbene pathologische Eigenschaften sich nieht vererben, zur Zeit noch nicht zu erbringen, so stehen sie einer solehen Annahme doch nicht entgegen, vielmehr liefern auch sie den Wahrschein- lichkeitsnachweis, dass alle erblichen Krankheiten und Missbil- dungen ihren Ursprung von Keimesvariationen nehmen. Dr. W. Kükenthal, Professor in Jena, Leitfaden für das zoolo- gische Practicum. 283 Seiten mit 172 Abbildungen. im Text. Jena, Verlag von Gustav Fischer, 1898. — Preis 6 Mark. In 20 Cursen giebt der Verfasser eine einfache, klare An- leitung, sich durch eigene Untersuchungen mit den wichtigsten Thatsachen der thierischen Anatomie bekannt zu machen. Die Objeete sind diesem Zweck gemäss allen Stämmen des Thier- reichs entnommen. Der speciellen Betrachtung der ausgewählten Typen geht jedesmal eine, die ganze zugehörige Gruppe be. handelnde, systematische und organologische Einleitung voraus, die dem Studenten zur allgemeinen Orientirung vor und nach den praktischen Uebungen dienen, dem allein Arbeitenden ausserdem den einführenden Vortrag des Lehrers ersetzen soll, Ueber die Beschaffung und Behandlung des einheimischen Materials giebt der Verfasser zahlreiche, werthvolle Anweisungen; was die Meeresthiere anlangt, so verweist er auf die biologischen Stationen von Helgoland, Neapel, Messina, Rovigno ete., von denen dasMaterial konservirt jederzeit bezogen werden kann. Die Methoden der Untersuchung, die in dem vorliegenden Leitfaden zur Anwendung kommen, sind so einfach, dass sie selbst dem Anfänger keine Schwierigkeiten machen: Ausser einem bescheidenen Präparir- besteck, der Stativ-Lupe und dem Mikroskop werden bei der Untersuchung nur noch zwei Wachsbecken, eine Porzellanplatte und einige der gebräuchlichsten Reagentien verwandt. Von den speciellen Untersuchungsmethoden, der Injection, Maceration, der Anfertigung von Schnittserien und Dauerpräparaten ete. ist ganz abgesehen worden. Hier wird auf das in keinem zoologischen Institut fehlende Demonstrationsmaterial gerechnet und speziell der feinere Bau an Abbildungen mikroskopischer Querschnitte (bei schwacher Vergrösserung) oder durchsichtiger Toto-Präparate erläutert. Der genannten Einfachheit der Technik entsprechend sind auch in den die makroskopische Präparation erläuternden Abbildungen die nur durch besondere Methoden darstellbaren Organisationsverhältnisse (z. B. der Blut-Kreislauf des Flusskrebses, der Schnecke ete.) nicht eingezeichnet, sondern nur im Text er- wähnt worden. Die Abbildungen geben eben nur das wieder, was bei einfacher, aber sorgfältiger Präparation sichtbar wird. In dieser Beschränkung liegt zum nicht geringen Theil der hohe didaktische Werth der zahlreichen, klar und präecis ausge- führten Originalfiguren. Möge dieser Leitfaden, der dem Unter- richtenden die übersichtliche Disposition eines Semester-Lehrplans, dem Assistenten die nöthigen Winke zu den entsprechenden Vor- bereitungen, dem Studirenden eine practische Ergänzung des vor- wiegend von theoretischen Gesichtspunkten ausgehenden Lehrbuchs bietet, sich recht viele Freunde erwerben! Für die gediegene Ausstattung des Buches bürgt der Name des Verlags. Schultze. XII. Nr. 34. Prof. Dr. med. et phil. P. Ascherson und P. Graebner, Flora des Nordostdeutschen Flachlandes (ausser Ostpreussen) — Ascherson’s Flora der Provinz Brandenburg. 2. Auflage. Lieferung 1. Gebrüder Borntraeger in Berlin, 1898. — Preis 3 Mark. Wir pflegen zwar in der „Naturwissenschaftlichen Wochen- schrift“ einzelne Lieferungen von Werken, die einen geringeren Umfang besitzen, nicht zu besprechen, jedoch können wir uns eine Anzeige in dem vorliegenden Fall nicht versagen: handelt es sich doch um eine und zwar hinsichtlich des Gebiets-Umfangs wesentlich erweiterte Neu-Auflage der classischen Flora der Provinz Brandenburg von Ascherson. Die vorliegende 1. Lieferung von 160 Seiten enthält die Pteridophyten, Gymnospermen und von den Monocotyledonen den Theil bis zum Beginn der Oyperaceen. Sollte-sich danach die Neu-Auflage, trotzdem sie auf die minutiösen Fundortsangaben der 1. Auflage verzichtet, doch wieder etwas der „Würfelform“ nähern, so würde das den Referenten und, wie er sicher denkt, jeden wirklichen Floristen wenig betrüben: wir müssen für die treffliche Gabe „in jeder Form“ dankbar sein; es könnte ein im äusserlichen Interesse der Schaffung einer Excursions- flora, wie sie unsere Schneider wünschen, eingeschränkter Text nur der Sache ganz wesentlich schaden. Wer eine Flora von Ascherson zur Hand nimmt, will in floristischer Hinsicht ganz ausführliche Auskunft haben; wir sind in dieser Hinsicht durch den Verf. derartig verwöhnt worden, dass eine Concession an unsere Rocktaschen hier sehr preeär wäre. Wir freuen uns denn auch mittheilen zu können, dass — also abgesehen von der Herabminderung der zum grossen Theil sehr gut entbehrlichen, speciellen Fundortsangaben — der Text durchaus seine Ausführ- lichkeit behalten hat. Der Verlag (übrigens ein anderer als der der 1. Auflage) hat das Menschenmögliche geleistet, um auf eine einzelne Seite so viel wie möglich zu bringen, ohne die Höhe und Breite des Buches aus dem „Exeursionsformat“ zu drängen. Dass der Freund der alten märkischen Ascherson’schen Flora in der vorliegenden Auflage auf Schritt und Tritt Aenderungen begegnet, ist selbstverständlich: was ist auf floristischem und systematischem Gebiet, Prof. Ascherson immer als Führer und stets unermüdlich Jedem helfend voran, seit 1864, dem Erscheinungsjahr der 1. Auflage, nicht Alles geschehen! Heute nur soviel wie vorstehend, um das Werk anzuzeigen; wir werden in diesem Falle nicht versäumen von jeder einzelnen Lieferung Kunde zu geben. Erich Wocke, Obergärtner am Botanischen Garten in Zürich, Die Alpenpflanzen in der Gartencultur der Tiefländer. Ein Leitfaden für Gärtner und Gartenfreunde. Mit 22 Abbildungen im Text und 4 Tafeln. Verlag von Gustav Schmidt (vorm. Robert Oppenheim) Berlin, 1898. — Preis 5 Mark. Die folgende Inhaltsübersicht giebt am besten Auskunft über das Gebotene: I. Die Alpenpflanzen in der Natur. Klima und Witterung in den Hochgebirgen. — Physiognomisches und Bio- logisches. — Die Bodenverhältnisse. — Die Verbreitung der Alpen- pflanzen über die Erde. — Il. Die Alpenpflanzen im Garten. Grundgedanken für eine erfolgreiche Garteneultur: 1. Verkürzung der Vegetationsperiode. — 2. Das Feuchthalten des Bodens und der Luft. — 3. Sonderung der Alpenpflanzen, je nach der physi- kalischen Beschaffenheit der heimathlichen Standorte, in Felsen- pflanzen, Humuspflanzen und Halbhumuspflanzen. — 4. Die Be- leuchtungsverhältnisse bei der Alpineneultur. — 5. und 6. Schutz vor fremden Eindringlingen und Winterfrost. — Die Cultur in Gefässen. — Die Pflege der Alpenpflanzen auf der Felspartie. — Die Vermehrung der Alpenpflanzen in der Garteneultur. — Das Erdmagazin. — Die Feinde der Alpinen in der Garteneultur. — Die Bezugsquellen für Alpenpflanzen und das Sammeln in der Natur. — III. Die Verwendung der Alpenpflanzen im Garten. Ueber das Aufbauen der Steingruppen. — Die Bepflanzung der Alpenpartien. — IV. Beobachtungen über das Verhalten der Alpenpflanzen in der Tieflandseultur. — V. Verzeichnis der in der Garteneultur befindlichen Alpinen und schönsten Subalpinen. — Wir haben schon früher einmal Gelegenheit gehabt den Verf. in der „Naturw. Wochenschr.“ zu nennen, und zwar bei Gelegenheit der Beschreibung der pflanzengeographischen Anlage des Königl. botanischen Gartens zu Berlin (vergl. „Naturw. Wochenschr.“, Bd. V, 1890, Nr. 26, S. 254 flf.); er ist bei der Ausführung der Anlage, namentlich des hübschen und interessanten Alpinums gärtnerischer Leiter gewesen, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 407 Dr. 0. Lehmann, Grossh. Bad. Hofrath, Professor der Physik an der technischen Hochschule in Karlsruhe. Die elektrischen Lichterscheinungen oder Entladungen bezeichnet als Glimmen, Büschel, Funken und Lichtbogen, in freier Luft und in Vacuum- röhren, unter Berücksichtigung von Entladungen ohne Licht- erscheinung und der Entstehung des Lichtes, der elektrischen Strahlen, Kathodenstrahlen, Röntgenstrahlen ete., z. Theil auf Grund eigener Experimentaluntersuchungen. Halle a.,S. 1898. Wilhelm Knapp. — Preis 20 Mark. Das ungewöhnlich schwierige, viel studirte, aber noch wenig geklärte Thema der elektrischen Entladungen in Gasen aller Art, welches neuerdings als das aktuellste und wichtigste für die ganze physikalische Forschung bezeichnet werden muss, ist von berufener Feder in seiner Gesammtheit und nach allen Richtungen hin ein- gehend bearbeitet worden. Das vorliegende Werk, welches nicht weniger als 554 Seiten Text nebst 370 Abbildungen und 10 far- bigen Tafeln umfasst, ist geradezu als ein Meisterwerk zu be- zeichnen. Klar und verständlich von Anfang bis zu Ende, mit nur sehr wenigen mathematischen Beigaben, erschöpft das Buch das gestellte Thema in einer Art und Weise, die als erstaunlich bezeichnet werden muss, und verbindet mit einer vortrefflichen und übersichtlichen Disposition eine geradezu bewunderungs- würdige Fülle von Litteraturangaben. Es dürfte keine einzige, auch nur einigermaassen bemerkenswerthe Arbeit über. alle, bis Ende 1897 erschienenen, mit dem Thema zusammenhängenden Fragen übersehen sein, und von jeder einzelnen werden in äusserst geschickter Weise die gefundenen Resultate an passender Stelle mitgetheilt. Wir glauben das vorzügliche Werk nicht besser empfehlen zu können, als mit der Bemerkung, dass für jeden Physiker das Lehmann’sche Buch bald unentbehrlich sein wird. Aber auch der Niehtphysiker, der irgendwie sich über einen Punkt des hoch- wichtigen Themas orientiren will, wird nirgends sicherer und besser belehrt werden als in dem Lehmann’schen Werk. H. Die natürlichen Pflanzenfamilien nebst ihren Gattungen und wichtigeren Arten insbesondere den Nutzpflanzen unter Mitwirkung zahlreicher hervorragender Fachgelehrten begründet von A. Engler und K. Prantl, fortgesetzt von A. Engler. Verlag von Wilhelm Engelmann. Leipzig 1898. — Subskriptions- preis a Lieferung 1,50 Mark. — Hinzelpreik 3 Mark. — Durch das Erscheinen der Doppellieferung 175 und 176 wird die erste Ah- theilung des III. Tlieiles abgeschlossen. Diese Abtheilung enthält die Araliaceen (bearbeitet von H. Harms), die Umebelliferen (0. Drude) und die Cornaceen (Harms). Der Band umfasst inel. Register 274 Seiten und bringt 461 Einzelbilder in 86 Figuren, immer in gleich schöner, mustergültiger Ausführung wie bisher. Beck v. Mannagetta, Prof. Dr. Günth. Ritter, Alpenblumen des Semmering-Gebietes. Wien. — 6 M. Geheeb, Adb., Weitere Beiträge zur Moosflora von Neu-Guinea. Stuttgart. — 18 M. Gocht, Sek.-Arzt Dr. Herm., Lehrbuch der Röntgen-Untersuchung zum Gebrauche für Medieiner. Stuttgart. — 6 M. Helmholtz, H.v., Vorlesungen über Dynamik discreter Massen- punkte. 15 M. — III. Vorlesungen über die mathematischen Prineipien der Akustik. Leipzig. — 12 M. Holtermann, Priv.-Doc. Dr. Carl, Mycologische Untersuchungen aus den Tropen. Berlin. — 25 M. Knuth, Oberrealsch.-Prof. Dr. Paul, Handbuch der Blüthenbiologie, unter Zugrundelegung von Hermann Müllers Werk „Die Be- fruchtung der Blumen durch Insecten“ bearbeitet I. Bd. u. II. Bd., 1. Theil. — I. Einleitung und Litteratur. 10 M. — II. Die bisher in Europa und im arktischen Gebiet gemachten blüthen- biologischen Beobachtungen. — I. Thl. Ranuneulaceae bis Com- positae. 21 M. Leipzig. — 53,40 M. Müller-Pouillets Lehrbuch der Physik und Meteorologie. 9. Aufl. 2. Bd., 2. Abth. Braunschweig. — 12 M. Plassmann, Jos., Himmelskunde. Freiburg i./B. — 13 M. Rosa, Prof. Dr. L. dalla, Physiologische Anatomie des Menschen. Wien. — 12,50 M. Schwalbe, Dr. Jul, Grundriss der speciellen Pathologie und Therapie mit besonderer Berücksichtigung der Diagnostik. 2. Auflage. Stuttgart. — 13 M. Wagner, Ackerbausch.-Oberl. Rich., Kenntniss des Muschelkalks bei Jena. Beitrag zur genaueren Berlin. — 4,50 M. Inhalt: B. Schwalbe: Der achte naturwissenschaftliche Ferieneursus für Lehrer an höheren Schulen. — Eiweissnahrung und Nahrungseiweiss. — Homologien der Hornbildungen bei den Ungulaten. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. Friedrich Rohde, Ueber den gegenwärtigen Stand der Frage nach der Entstehung und Vererbung individueller Eigenschaften und Krankheiten. — Dr. W. Kükenthal, Leitfaden für das zoologische Praetieum. — Prof. Dr. med. et phil. P. Ascherson und P. Graebner, Flora des Nordostdeutschen Flachlandes und der Provinz Brandenburg. — Erich Wocke, Die Alpenpflanzen in der Gartencultur der Tiefländer. — Dr. O. Lehmann, Die elektrischen Lichterscheinungen oder Entladungen. — Die natürlichen Pflanzenfamilien nebst ihren Gattungen und wichtigeren Arten insbesondere den Nutzpflanzen, — Liste, 408 Zu besetzen zum 1. October d. J. die Assistentenstelle an der Versuchsstation für Pflanzenschutz der Landwirthschafts- kammer für die Provinz Sachsen. Anfangsgehalt 1200 M. — Be- werber müssen über genügende entomologische, chemische und be- sonders über mykologische Kenntnisse verfügen. Bewerbungen sind an die Versuchsstation für Pflanzenschutz, Halle (Saale) einzusenden. ESTER TEE IT IS EN TE e Dr. Robert Muencke Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. : Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ® und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. a I I I I I I N N ST I U TS I I I I ST Lerd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. B. Eransvaal. Roman aus dem füdafrifanifchen Leben der Gegenwart von Gregor Samarow, 2 Bände. Geheftet 2 Marf, in einen Band gebunden a Mark. Otto Toepfer Werkstatt für wisssenschaft- liche Instrumente. Potsdam. * Gegr, 1873. * Specialgebiet: „Astrophysik“ (Astrophotometrie, Astrospectroskopie, Astrophotographie). Fernrohre bis 5“ fr- Oeffn, azimuthal u. parallaktisch mon- 52 % 2 “ “ “ “ 52 .. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Die Insekten-Börse XII. Nr. 34. Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Berliner Astronomisches Jahrbuch für 1900 mit Angaben für die Oppositionen der Planeten für 1898. Herausgegeben von dem Königl. Astronomischen Rechen-Institut unter Leitung von J. Bauschinger, Preis 12 Mark. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchh, Berlin. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Vor Kurzem erschien: tirt. (Mit und ohne Uhrwerk.) — Ocu- lar-, Nebel-, Stern-, schiedener Art. Spectroheliogra- phen nach Hale, — Heliostate bewähr- ter Construction. — Keilphotometer mit Registrireinrich- tung. — Astropho- tometer nach Zöll- ner. — Spectralpho- tometer div. Üon- struction. He- lioskop-Oculare. — Astronom. Hülfsin- durch die Post. strumente jeder Art. — Schraubenmikro- meterwerke. — Ocu- ist für Entomologen und Naturfreunde das Abonnements - Preis pro Quartal Mark 1,50, für das Ausland per Kreuzband durch die Verlags- Buchhandlung Frankenstein & Wagner, Leipzig, Salomon- strasse 14, pro Quartal Mark 2.20 = 2 Shilling 2 Pence — 2 Fr. 75 Cent. — Probenummern gratis und franco, — Insertionspreis pro 4gespaltene Borgiszeile Mark —.10. Internationales Wochenblatt der Entomologie Mittlere A noekten 55 Oerter von 622 Sternen omas he abet Machf q und Scheinbare Oerter von 450 Sternen nebst Reduetions-Tafeln für das Jahr 1900 Protuberanz-Spec- hervorragendste Blatt, welches wegen der be- troskope. — Spec- 8 Ich R x i KEISEDEEnIe u lehrenden Artikel, sowie seiner internationalen and einem den, enthaltend wissenschaftliche, und grossen Verbreitung betreffs Ankauf, Ver- Büikblere LEN. a kauf und Umtausch aller Objecte die weit- Oerter von 009 südlichen Sternen Ren gehendsten Erwartungen erfüllt, wie ein für 1900. Heliographen ver- Probe-Abonnementlehren dürfte. Zu beziehen Preis 6 Mark. Gebrauchte Gasmotoren DAMPF- und DYNAMO- MASCHINEN betriebsfähig Grössen sotort lieierbar. garantirt in allen lare, Lupen, Pris- men. Optische Bänke. — Photogr. Apparate zur Re- In Ferd. Dümmlers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW, 12 erschien: Einführung in die Blütenbiologie Ta npueeron tun! jecte. — Neutral- i i ee: m Nankral: auf historischer Grundlage. assung. — Sensito- Von meter und Iconometer für photogr. Be- E. Loew, darf. — Lupenapparate und kleine Mi- kroskope für botanische und entomolo- | gische Studien. — Projectionsapparate. Professor am kgl. Realgymn. in Berlin, 444 Seiten gr. 8. Pr. 6M., geb. 7M. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. j Ueber Tundren und Steppen der Jetzt- und Vorzeit mit besonderer Berücksichtigung ihrer Fauna. Von Dr. Alfred Nehring, Professor der Zoologie und Vorsteher der zoologischen Sammlungen an der Königlichen landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin. Mit ı Abbildung im Text und 1 Karte der Fundorte, 266 S. gr. 8°. Preis 6 Mark, Verantwortlicher Redacteur: Hempel’s Klassiker - Ausgaben- Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbh.'Berlin. Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. R Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. | Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Photo raphische Stativ- und Hand- „ Cameras. Gediegene Ausstattung. 3e$” Sämmtliche Bedarfsartikel. ME Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare | | Spiegel-Camera „Victoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässirste Hand-Camera. Wechseloassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). Elektromotor,c.n...n. Schilipauerdamm 21 Berlin NW. Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ftliche Forschung -ufgiebt au weltum- fassenden Ideen. und an locken- A den Gebil‘en der Phantasıe, wırd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, derihre Schöpfungeu schmückt. Schwendener. an ER x" 2. A a - m <““ Redaktion: Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. 2 Y ‘) [3 I XII. Band. Sonntag, den 28. August 1898. Nr.-o8: Abonnement: Man ab:nnirt bei allen Buchhandlungen und Post- Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 „3. Grössere Aufträge ent- /J anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist HM 4.— es sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 „ extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Ü bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Palaeophytologische Notizen. *) Von H. Potonie. y. machen, hat Molliard die Fig. 1 beigegeben, welche die Pathologische Erscheinungen mit atavistischen | Gestaltung normaler, nieht von Phytoptus befallener Wedel : kenntlich macht. ke Die Figur 2 erinnert den Palaeophytologen in auf- Die beiden Figuren 1 und 2, der „Revue generale | fälligster Weise an Wedel-Ausbildungen, wie sie viele de Botanique* (Paris) ent- Farn-Arten des Palaeozoi- lehnt **), stellen zwei Wedel- cums und zwar ganz spitzen unseres Adlerfarns, 7 normal zeigen. Die un- Pteridium aquilinum, dar. SZ, gleichmässige Ausbildung Die Figuren werden in einem sz gleichwerthiger Fiedern ist Artikel Marin Molliard’s SZ hier für manche Pecopte- betitelt: „Sur un cas de INA riden-Gattungen (wie z. B. dimorphisme parasitaire > Callipteris) geradezu ein chez le Pteris aquilina“ ge- NS Charakteristikum. Man ver- bracht.***) In demselben In 7 gleiche diesbezüglich unsere beschreibt der genannte Autor eine neue Phytoptus- Art, P. Pteridis, welche Pteridium aquilinum befällt, und die Wedel in der Weise deformirt, wie es Fig. 2 veranschaulicht. Um die Deformität durch den Ge- gensatz augenfälliger zu Figuren 3, 4 und 5, die memem „Lehrbuch der Pflanzenpalaeontologie“ ent- nommen sind, von denen die Figuren 3 und 4 Pecop- teriden sind, zu denen übri- gens Pteridium aquilinum in fossilem Zustand ge- rechnet werden müsste, und Fig. 5 eine Sphenopteride darstellt. In dem eitirten Lehrbuch sage ich in der Diagnose für Callipteris (S. 147—148) ausdrücklich: „Alle Theile mehr oder minder unregelmässig, wie z.B. deutlich gemacht wird durch die kleineren Fiedern letzter Ordnung der Fig. 143 vögstale IT. — Rev. gen. de (es ist das unsere Fig. 4) Botanique dir. p. Gaston Bonnier an der linken unteren Fieder Tı X. Paris 1898, S. 93—96. Normales Wedelstück von Pteridium aquilinum. (Nach Molliard.) vorletzter Ordnung, eınge- *) Fortsetzung von „Naturw. Wochenschr.“ XI, 1896, Seite 33—835 und 114—116. : eG ##) Die Cliches wurden mir NN AR; freundliehst von dem Redacteur FE der genannten Zeitschrift, Herrn 2 Prof. Gaston Bonnier, für den vorliegenden Zweck zur Verfügung gestellt, wofür ich meinen verbindlichsten Dank ausspreche. ##) Notes de Pathologie 410 Naturwissenschaftliche Wochensehrift. XI. Nr. 35. schaltet zwischen grösseren und durch das Vorkommen von Fiedern vorletzter Ordnung über solchen letzter Ordnung in derselben Fisur links oben.“ Die Erklärung für die unregelmässige Wedel - Ausgestaltung so vieler palaeozoischer Farn-Arten habe ich in meinem Lehrbuch der Pflanzenpalaeon- tologie und auch „Na- turw. Wochenschr.“ X, 1895, S. 453ff. ge- geben; ich leite sie von der bei den Vorfahren der Farn in An- knüpfung an dichotome Algen wahrscheinlich vorhanden gewesenen echt-diehotomen Ver- zweigung her. — Doch das nur nebenbei. Die Thatsache, dass die von Phytoptus befallenen Pteridium- Wedel die äussere Form entlegener Vor- fahren annehmen, scheint mir in Zu- sammenhang mit ähn- lichen Thatsachen zu dem Gesetz zu führen: Dureh Störungen ver- anlasste pathologische Deformitäten, oder mit anderen Worten tera- tologische Erscheinun- gen haben die Neigung, Form-Verhältnisse der Vorfahren-Reihe des betroffenen Lebewesens zu recapituliren. Man sieht ohne Wei- teres ein, dass die Defor- mität des Pteridium-Wedels durch Phytoptus nicht da- durch erklärt werden kann, dass man im Sinne von Sachs etwa annimmt, die Phytopten hätten dem Wedel gewisse Stoffe entzogen und so die Abnormität bewirkt; denn es handelt sich in diesem Falle nur um ein abnormes Gestaltungs- verhältniss ein und des- selben Organes: es findet keine „Metamorphose“ statt, nicht die Bildung eines Or- ganes b an Stelle eines Organes a, welches letztere entstanden wäre, wenn ein störender Angriff nicht er- folgt wäre. Man wird daher auch bei der Beurtheilung von Fällen wie des letzt- erwähnten nicht so :ohne Weiteres ausschliesslich die durch pathologische Vorgänge bedingten chemischen Ver- & Um N % 3 Fig. 2. Fig. 3. Callipteris affinis in */, der natürlichen Grösse. Aus dem Rothliegenden. (Nach Göppert.) änderungen als unmittelbare Ursachen für die Entstehung von Organen b, wo sonst Organe a üblich sind, in An- spruch nehmen dürfen. Die vergrünten Blüthen z. B., die ja oft die Folge störender para- sitärer Angriffe sind, würden denn auch meines Erachtens eben- falls für das oben auf- gestellte — übrigens in gleichem oder we- sentiich ähnlichem _ Sinne wohl schon hier und da ausgesprochene — Gesetz sprechen, trotzdem in Fällen wie den vergrünten Blüthen die Laubblätter, welche die Stelle der Blüthen- blätter einnehmen, den momentan der Pflanze eigenthümlichen zu gleichen pflegen, wäh- rend wenigstens die ferneren Vorfahren wohl andersgestaltige Blätter gehabt haben. Deshalb ist auch nur wie oben von einer „Neigung“ zu atavistischen Erschei- nungen in den in Rede stehenden Fällenzusprechen. . Die momentanen Laubblätter einer Pflanzenart sind jeden- falls in den überwiegenden Fällen den ursprünglichen Blättern der Vorfahren ähn- licher als die Blüthenblätter: die Laubblätter entfernen sich in ihrer Gestaltung allermeist nicht so weit von den Trophosporophyllien (= Assimilations-Sporophyl- len) — aus denen sowohl die Trophophylle (Assimila- tions-Blätter) und die Blü- thenblätter phylogenetisch herzuleiten sind — wie die Blüthenblätter.*) Eine weitere, ebenfalls der Gattung Pteris ent- nommene Thatsache, die dafür sprechen dürfte, dass durch störende Ein- griffe entstandene Miss- bildungen zu Eigen- thümliehkeiten der Vor- fahren tendiren, wird durch die Figur 6 veran- schaulicht. Es handelt sich in dieser Figur um ein Wedelstück von Pteris qua- driaurita, dessen spreitiger Theil mit einem merkwür- digen Adventivspross besetzt *) Vergl. „Naturw. Wochenschr.“ XIII, 1898, S. 309 und meinen dort eitirten Aufsatz: „Die Metamorphose der Pflanzen.“ XIII. Nr. 35. ist, der nach den Untersuchungen Giesenhagens*) in Folge der Einwirkung eines parasitischen Pilzes (der Taphrina Laurencia Gies.) entsteht. Meist stiftför- mige, oft auch geweih- artig verästelte Aus- wüchse an den Fiedern von Aspidium aristatum werden verursacht durch Taphrina Cornu cervi Gies. Die Wedel soleher Adventivsprosse sind — wie die Figur zeigt — ganz abweichend gestaltet von den normalen, und es ist doch gewiss eine im Sinn der naturwissen- schaftlichen Forschung berechtigte, sich auf- drängende Frage: in wel- chem Zusammenhange steht diese abweichende Gestaltung? Sehen wir uns die Gestaltungs-Ver- hältnisse der normalen „Adventiv-Fiedern“ bei tropischen, Fig. 7 u. 8, und palaeozoischen Farn, Fig. 9, an, so überrascht der im Prineip gleiche Bau wie an den Pilz- gallen von Pteris und As- pidium: in beiden Fällen handelt es sich um schmallaciniirte Spreiten mit vorwiegend oder ganz linealen | Auftreten von Stützblättern der einen oder anderen ....*, Theilen. Gerade dieser Typus, der Typus der Gattung Rhodea Fig. 10, ist nun aber derjenige, der zu den geologisch allerältest-bekannten Farn ge- hört und von jenen eigenthüm- lichen lineal-laciniirten Adven- tiv-Fiedern habe ich denn auch in meinem Lehrbuch der Pflan- zenpalaeontologie**) das Fol- gende gesagt: „Die aphleboiden Bildungen sind vielleicht ebenfalls als Ueberreste, Erinnerungen an die ursprünglich spreitig besetzt gewesenen Hauptspindeln der Wedel zu deuten; ihre feine Zertheilung mit gern mehr oder minder lineal gestalteten Theilen letzter Ordnung, ferner ihre zu- weilen hervortretende Neigung zu Diehotomien erinnern durch- aus an die von den ältesten und älteren Farn, z. B. von der Gattung Rhodea, beliebten Eigen- thümlichkeiten. Wie Primär- blätter von Pflanzen in ihrer Ausbildung Eigenthümlichkeiten der Hauptblätter der Vorfahren lange bewahren können, so sind vielleicht die aphleboiden Bil- dungen, die doch Primärfiedern *) Ueber Hexenbesen an tropischen Farn, Zeitschrift Flora, Ergänzungsband 1892, S. 130ff. #*) Lieferung 2. Berlin 1897. S. 119. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Fig. 4. Callipteris conferta. Aus dem Rothliegenden. Fig. 5. Ovopteris Lescuriana aus dem Rothliegenden Nordamerikas, mit auffallend grossen Basalfiedern der Spindeln zweiter Ordnung. (Nach Fontaine und White.) ' 411 sind, ebenfalls auf den Aussterbeetat gesetzte Reste, die aber nicht {bloss wie die decursiven Fiedern (so seien ganz allgemein solche F. niederer Ordnung ge- nannt, die zwischen sol- chen höherer auftreten) ihrer Stellung, sondern überdies auch ihrer Form nach an weit entlegene Bau-Verhältnisse der Vor- fahren erinnern.“ Beispiele, welche unseren Satz zu unter- stützen in der Lage sind, liessen sich noch zahl- reich beibringen. Es seien nur noch die fol- genden ausgewählt. Peyritsch, der künst- lich eine Anzahl Pflanzen mit Phytoptus infieirt hat*) und dabei mannig- fache Bildungsabweichun- gen, z. B. auch vergrünte Blüthen erzielte, erwähnt, unter seinen Abweichun- gen eine, die unsere Regel trefflich illustrirt. Er sagt nämlich: „Von Cruciferen wurden den Versuchen unterworfen SISpEeCIeRE we Die Erscheinungen, welche sich zeigten, waren das “ Das ist im Zusammenhange der vorliegenden Mittheilung betrachtet von hohem Interesse. „Die Morphologen der Goethe- Braun’schen Schule haben näm- lich die Thatsache des Fehlens der Deckblätter („Stützblätter“) in den Blüthenständen der Cru- eiferen (nur relativ wenige Gat- tungen resp. Arten haben normal Deckblätter) mit Recht als „abort“ aufgefasst**), d. h. in die Sprache der Descendenz- theorie übersetzt (in deren Rich- tung — da ja die Descendenz- theorie erst nach 1859 Gemein- gut wurde — in unklarer Weise diese Schule gewirkt hat) als bei den Vorfahren der Cruciferen durchweg vorhanden gewesen aber im Verlauf der Generationen verschwunden. Nun sehen wir, dass durch eine Phytoptus-Infee- tion bei Arten, die normal die Deckblätter entbehren, solche wieder in die Erscheinung treten: gewiss ein vorzüglicher Fall zur Unterstützung unseres Satzes. *) Ueber künstliche Erzeugung von gefüllten Blüthen und anderen Bildungsabweichungen. — Sitzungs- berichte der math.-naturw. Ol. d. k. Akad.d. Wiss. 97. Bd. I. Abth. Jahrg. 1888, Wien 1889, S. 597—605. ##) Vergl. z. B. bei einem der bedeutendsten Morphologen der letzten Zeit dieser Schule: A. W. Eichler in dessen Blüthen- diagrammen II. Theil. Leipzig 1878, S. 205—206. 412 In dieselbe Erscheinungreihe gehört nun auch, wie es scheint, die heissumstrittene Microcephalen - Frage. Karl Vogt hatte bekanntlich die Microcephalen atavis- tischeBildungen, „Affen- menschen“ genannt. Rudolf Virchow hat dann durch die Er- klärung, dass sich die Mierocephalie aus Er- krankungen des Gehirns während des embryo- nalen Lebensentwickele, einen Gegensatz auf- zustellen vermeint zwi- schen der nunmehr „pa- thologisch“ erklärten Erscheinung und der Vogt’schen Auffassung der Miecrocephalie als „Atavismus“. Die Er- kenntniss, dass es sich in der Mierocephalie um eine „pathologisch“ ver- anlasste Bildung han- delt, schliesst jedoch auch nicht im Entfern- testen aus, dass sie ata- vistische Momente ent- hält: die Microcephalie ist gerade durch die Behauptung ihrer patho- logischen Natur ein weiteres treffliches Bei- spiel für die oben auf- gestellte Regel. Pathologisch veranlasste Bildungen kommen nun aber zur Erzeugung atavistischer Momente nicht allein in Be- | bei Annahme tracht; vielmehr können wir auf Grund des vorliegenden Naturwissenschaftliche Wochenschrift. IE Fig. 6. Ein Fiederstück vorletzter Ordnung von Pteris quadriaurita mit einem „Hexenbesen” (Nach Giesenhazen.) Thatsachen-Materiales schliessen, dass auch andere Ver- hältnisse hierbei in Frage kommen können. Fig. 7. Ein Wedelstückehen von Gleichenia (Mertensia gigantea Wallich. — a — Hauptspindel (Spindel erster Ordnung) mit anomalen Fiederchen, b = Spindel zweiter Ordnung mit normalen Fiedern, (Nach W. J. Hooker.) Hier dies- Fig. 8. Basis des Wedelstiels von Hemitelia capensis mit ano- malen Fiedern. (Nach Schimper.) XIII. Nr. 55. bezüglich nur eine kurze Andeutung. So scheinen Pflanzen gern frühere Eigenthümlichkeiten anzunehmen, wenn sie in Verhältnisse zurückversetzt werden, unter denen die Vorfahren gelebt haben. Pha- nerogame Wasserpflan- zen z. B. diehotomiren ibre submersen Laub- blätter mit Vorliebe, wo- durch sie an ihre ur- sprünglichste Herkunft von Wasserpflanzen er- innern *). Ferner erzeugt schnelles Wachs- thum gern Rückerinne- rungen an Verhältnisse der Vorfahren. Die Vorstellung, dass hier- bei die Pflanze nicht die Zeit findet, das ge- wohnte letzte Stadium zu erreichen, sondern 1, entweder auf einem ontogenetisch frü- heren stehen bleibt, oder 2. durch die kür- zere, zur Verfügung stehende Zeit nur im der Lage ist, ein phy- logenetisch frühe- res, aber ontogene- tisch eventuell bei ruhiger Entwicke- lung sonst üblicher- weise bereits eliminirtes Stadium zu erzeugen, liegt des Fritz Müller-Haeckelschen „biogene- tischen Grundgesetzes“ sehr nahe. In beiden Fällen *) Vergl. meinen Artikel über die Metamorphose der Pflanzen. Fig. 9. Pecopteris dentata. Wedelstück mit Ad- ventiv-Fiedern auf der Hauptspindel. XII. Nr. 35. würde es sich um Eigenthümlichkeiten handeln, die ata- | vistische Momente enthalten. Wo z. B. geköpfte Exem- plare der Berberitze zu ihrer Lebenserhaltung schnell Stock- ausschläge erzeugen, treten an Stelle der Dornen (die als metamorphosirte Laubblätter angesehen werden) Laub- blätter auf. Die schnell und üppig wachsenden Stockaus- schläge der Silber-Pappel (Populus alba) sind nicht selten tieflappig, eine Thatsache, die an die vorwiegende Zer- theilung der Blätter palaeozoischer Pflanzen erinnert. Schnell aufwachsende Sprosse von Spiraea opulifolia zeigen die Zusammensetzung ihrer Stengel aus Perieaulom- Bildungen*) deutlicher als langsamer gewachsene Sprosse. Endlich sei auch hier noch erwähnt, dass C. von Ettingshausen und F. Krasan nachgewiesen haben, dass Bäume, deren Laub mehrere Jahre hindurch von Spätfrösten ver- nichtet wurde, in den Ersatzsprossen Blätter hervorbringen, die eine nähere Zusammengehörigkeit mit ihren fossi- len Vorfahren erkennen lassen als die Blätter der ersten Jahressprosse. Ich mache dabei ausdrücklich darauf aufmerksam, dass sich wegen der vor- gerückten Jahreszeit Ersatzsprosse ganz allgemein schneller entwickeln als die ersten, zu Grunde gegangenen Sprosse. Nach Th. Eimer wäre der Rück- schlag ganz allgemein als Stehen- bleiben auf Stufen der Entwiekelung zu deuten, welche der Embryo nach dem biogenetischen Gesetz durchlaufen muss; es würde sich also mit av- deren Worten in den atavistischen Erscheinungen um „Hemmungsbildun- gen“ handeln. Es ist zweifellos, dass man erstere sehr häufig so auffassen kann und muss, d. h. genauer als Hemmungsbildungen, die in ihrer Ent- wickelungsroute eine fertige Stufe erreichen. Fälle wie die oben er- wähnten Pilzgallen an Pteris und As- pidium lassen sich jedoch nicht bei den Hemmungsbildungen unterbrin- gen; hier handelt es sich um Neu- Bildungen, ohne allerdings begründen zu können, ob die Vorfahren an den entsprechenden Stellen Adventiv- sprosse entwickeln konnten oder nicht. War das der Fall, so würde es sich um einen wirklichen Rückschlag handeln, d. h. um die Erreichung von Theilen, die also zwar bei Vorfahren vorhanden ge- wesen, bei der heutigen Art jedoch gänzlich, d. h. auch in der embryonalen Entwickelung, verschwunden sind. VI. Lava als Einbettungsmittel von Pflanzen. Dass eruptive Gesteine Pflanzen und Pflanzenreste einbetten können, ist selbstverständlich, dass letztere als solche aber später z. B. fossil noch erkennbar bleiben, kommt begreiflicherweise in diesen Gesteinen verhältniss- mässig selten vor; am bekanntesten ist das Vorkommen von Pflanzenresten resp. ihrer Spuren in vulkanischen Aschen. Es sei diesbezüglich auf eine neuere Abhandlung A. Lacroix’ (Comtes rendus des seances de l’Academie *) Vergleiche Näheres hierüber in meinem Aufsatz über die Metamorphose der Pflanzen. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Fig. 10. Rhodea Schimperi. Aus der Flora des Devon. 413 des sciences de Paris 1896. Tome CXXIII, p. 656—659) aufmerksam gemacht, der aus einer dem oberen Pliocaen der Insel Santorin angehörenden Schicht eruptiven Ge- steins erhaltene Pflanzenreste beschreibt. Es liess sich leicht erkennen, dass sie durch Aschen-Eruption, welche sie verschüttete, in voller Vegetation überrascht worden sind. Die Reste konnten bestimmt werden als Dattelpalme (Phoenix dactylifera), Zwergpalme (Chamaerops hu- milis), Pistacie (Pistacia lentiscus), und Oelbaum (Olea europaea). Von diesen lebt Chamaerops und Phoenix jetzt nicht mehr auf der Insel, die Olive kommt nur noch unter Cultur vor. Weniger bekannt ist es, dass auch Laven bei ihrem Austritt Pflan- zen derart einbetten können, dass bleibende Spuren derselben hinter- lassen werden. Schöne, von den Herren Dr. Dr. Benediet und Immanuel Friedlaender auf Süd- See-Inseln aufgenommene, diesbezüg- liche Photographien, die mir von den genannten Herren gezeigt wurden, veranlassten mich daher um Mitthei- lung ihrer Beobachtungen und An- schauungen in der Sache zu bitten, die mir durch das Folgende bereit- willigst gewährt wurde. Herr Dr. Benediet laender schreibt mir: Die Ihnen von mir übergebene Photographie wurde auf der Insel Niuafo’ou (ca. 15° 40° südl. Br. und 175° 30° westl. L. v. G.) aufgenommen. Die ganze Insel stellt einen einzigen grossen Krater dar, der sich nach Form und Material am engsten an die grossen Krater Hawaii’s, den Kilauea-Krater und den Moeuaweoweo auf dem Gipfel des Mauna Loa an- schliesst. Die ganze Insel ist un- gefähr kreisförmig und hat einen Durchmesser von ganz ungefähr 12km. Sie steigt vom Meere sehr sanft an; weiter nach oben nimmt die Steilheit ein wenig zu, bis man den an einigen Stellen beinahe 200 m hohen Krater- rand erreicht. Nach innen stürzen die Kraterwände, wie dies bei allen Vul- kanen, besonders aber bei den basal- tischen Einbruchskıatern der Fall ist, ausserordentlich steil ab. Der Kraterboden ist ausgefüllt von einem grossen, gleichfalls beinahe kreisförmigen See, dessen Niveau mit dem des Oceans genau überein stimmt. Dieser See hat etwa 5 km Durchmesser, 100—120 m Tiefe, leicht brackisches Wasser und eine schön meerblaue Farbe. In ihm liegen drei Inseln und eine sandige Halbinsel, deren Hauptmasse erst 1836 bei einer starken Eruption entstanden ist. Der höchste der Schutthügel auf der Halbinsel heisst daher Mouga fo’ou, d. h. Neuer Berg, ähnlich wie der Monte Nuovo auf den phlegraeischen Feldern bei Neapel. Eine der Inseln sowie die Halbinsel enthält wiederum einige kleine Seen. — Die Ergüsse von Lava jedoch, die uns hier besonders interessiren, da sie die Lavabäume erzeugt haben, fanden bedeutend früher statt, und zwar nicht im Innern des Kraters, sondern auf der sanft ge- neigten Aussenseite; namentlich im SSW. des äusseren Abhanges der Insel. Es soll dort ein ganzes Dorf, wie mir berichtet wurde, von einem solchen unvermuthet her- Fried- 414 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 35. vorquellenden Lavastrome vernichtet worden sein. An derselben Stelle finden sich nun auch die Lavabäume. Es handelt sich offenbar um die auf Niuafo’ou allenthalben in besonderer Ueppigkeit wachsenden Coeospalmen (Niuafo’ou heisst soviel, wie „Neu-Cocospalmen-Land!“). In jenem südsüdwestlichen Gebiete ist das Gelände weithin, beinahe vom Kraterrande an bis zum Meere, auf mehrere Kilo- meter Länge, von schwarzer, glänzender Lava bedeckt, die am meisten an Hawaiische Lava erinnert, und der der Er- fahrene sofort ansieht, dass sie sehr dünnflüssig gewesen sein muss. Auf diesem Lavafelde steht nun eine grosse Zahl von Lavaröhren, die meisten etwa einen bis andert- halb Meter hoch. (Fig. 11.) Sie stehen auf einem schief ansteigenden Unterbau, der wahrscheinlich durch das Um- fliessen der Lava um das Wurzel- geflecht ent- standen sein dürfte. Die Gesammthöhe der Röhren mit Gestell mag etwa 2 m betragen. Die Wand- stärke betrug etwa 8—15 em, die lichte Weite 25 cm. Die Tiefe der Röhren be- stimmte ich in einigen Fällen auf etwa’ "57 m; die Hohlräume reichen also bedeutend un- die erkaltete ansetzt (wie sich dies z. B. auch bei der Bildung des merkwürdigen Walles beobachten lässt, der den Lavasee des Kilauea häufig umgiebt), so kann sich eine Röhre fester Lava bilden, die den Baum umgiebt. Natürlich werden nach kurzer Zeit die aus der Röhre hervorschauenden Theile des Baumes in Flammen auf- gehen; und der in der Röhre selbst steekende Theil des Baumes kann entweder, indem sich der Brand von oben nach unten fortpflanzt, oder aber auch nachträglich, durch Vermodern, verschwinden. — Immerhin ist es auch bei dieser Erklärung schwer abzusehen, wie jene frei stehen- den Röhren eine so bedeutende Höhe erreichen können. — Es ist auffallend, dass, so viel ich weiss, jene Gebilde bisher nur von Hawaii und von Niuafo’ou bekannt sind, während doch die Lava sehr vieler Vulkane Bäume ergrei- fen muss. Ich selbst habe dies z. B. bei der grossen Eruption des Aetna im Sommer 1892 aus nächster Nähe mit an- sehen können. Der ganze vor- rückende La- vastrom war Nachts von vielen, hellen Feuern um- geben, die nichts an- deres waren, als brennende Reben, Oliven ter das Niveau und andere der umgeben- Bäume. Zur den Lava Bildung von hinab. — Es Lavabäumen ist nieht ganz E Ks. 1 aber, wie auf leicht, sich vor- {Von Lava umflossene Cocospalme, im SSW. der Insel Niuafo’ou. (Aufnahme:von B. Friedlaender.) Hawaii oder zustellen, wie sich jene wunderlichen Dinge gebildet haben mögen. Es ist selbstverständlich, dass Bäume, wenn sie von der Lava umflossen werden, verbrennen; und da dies immer einige Zeit in Anspruch nimmt, so ist es auch klar, dass die Baumstämme Hohlräume in der Lava erzeugen können. Wie aber kommt es, dass sich frei stehende, über einen Meter hohe Röhren bilden? Es giebt zwei Möglichkeiten, an die man dabei denken könnte. Erstens könnte man nämlich vermuthen, dass das ganze Niveau der Lava, nach ihrem Erkalten, durch Zusammenbruch der vielen hohl geflossenen Stellen, sinke, bis auf die umflossenen Bäume. Dabei wäre es denn aber doch nicht verständ- lich, dass sich jene Röhren, nachträglich in der beschrie- benen Form gleichsam herausmodelliren sollten. Auch hat man gar keine Gründe, ein solches Zurücksinken des Niveaus anzunehmen. Ich glaube vielmehr, mit der folgenden Erklärung der Wahrheit näher zu kommen. Aehnlich, wie sich das Wasser eines schnell fliessenden Baches an einem hineingehaltenen Stabe erhebt, so wird dies auch die Lava thun, wenn sie auf einen Baumstamm trifft. Die Lava aber, die sich an dem Stamme staut, wird bald erkalten, besonders wegen des Wassergehalts des lebenden Holzes. Indem sich nun frische Lava an auf Niuafo’ou ist es dabei nicht gekommen. Vermuthlich ist es noth- wendig, dass die Lava sehr dünnflüssig sei. Dick- flüssige Lava wird wahrscheinlich nicht die Zeit haben, sich an Bäumen zu einer irgend wie erheblichen Höhe hinaufzuziehen, bevor der Baum verbrennt. Hierdurch erklärte sich die Beschränkung der Lavabäume auf solche Vulkane, deren Laven besonders dünnflüssig sind. Es wird dies also im Wesentlichen auf derselben Ursache beruhen, wie das ausschliessliche Vorkommen der Lavastalactitenhöhlen auf Hawaii. Auch hier ist es nur die Insel Niuafo’ou, auf der ich wenigstens eine Annäherung an jene merkwürdigen, oft beschriebenen und in meinem Aufsatze über den Kilauea abgebildeten Formen in einer sehr grossen Lavahöhle vorfand. Es war aber doch nur eine schwache Annäherung, indem die Stalactiten wohl kaum den zehnten Theil der Länge der Hawaiischen erreichten. Und auch die Lava- bäume sind auf Hawaii bedeutend höher als auf Niuafo’ou. Mein Bruder lässt in einem zweiten Schreiben Ihnen seine Ansicht über die Entstehung der Lavabäume zu- gehen. B. Friedlaender. XII. Nr. 38. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 415 Herr Immanuel Friedlaender schreibt: Im Anschluss an die Bemerkungen meines Bruders zu seiner Photographie von den Lavabäumen auf Niuafo’ou sende ich Ihnen einige eigene Aufnahmen von Kapoho im Distriet Puna auf der Insel Ha- waii. (Fig. 12.) Ich glaube, dass die Erklärung _ dieser merkwürdigen Eır- scheinung ziemlich einfach ist, wenn man die folgenden beiden Thatsachen beachtet. Zunächst ist die Bildung von solchen Lavasäulen durch Inerustation von Bäumen ausser- ordentlich selten, obwohl die Abhänge der meisten näher bekannten Vulkane entweder bewaldet oder angepflanzt sind; daraus geht mit Sicherheit her- vor, dass ganz be- sondere Umstän- de zusammentreffen müssen, um ihre Entstehung zu ermöglichen. In den meisten Fällen brennen die von einem Lavastrom erfassten Bäume ab, ehe sie bedeckt werden, oder werden in halb verbranntem Zu- Namentlich wird dies immer der Fall stand umgerissen. sein müssen, wenn der Strom aus Block- lava besteht; diese fliesst meist etwas langsamer als die dünn- flüssige Fladenlava und vermag auch in Folge ihrer Zähigkeit eher grosse Bäume umzureissen. Ich habe bei vielen Blocklava- strömen, die durch Wälder geflossen sind, unter anderm auch bei dem grossen hawaii- schen Strom von 1887 keine Spur der zer- störten Bäume ent- decken können, ausser den halbverkohlten Stämmen am Ufer des Stromes und auf kleinen, erhöhten und nicht von der Lava bedeckten Inseln. An- ders liegen die Ver- hältnisse bei den dünnflüssigeren Fladen-Lavaströmen. Aber auch bei diesen kommt es meist nicht zur Bildung Wenn die Bäume von soleh einem Strom wirklich umflossen werden, bevor sie verbrennen können, so gerät der über die Lava hinausragende Theil des Stammes in Brand, während der eingeschlossene Stumpf wenigstens in seinem unteren Theil wegen Sauer- der Lavasäulen. stoffmangel nur verkohlen kann. man dies auf dem 1881er Strom auf Hawaii sehen. grosse Zahl tiefer, senkrechter Löcher zeigt die Stellen an, wo einst hohe Bäume standen; in der Tiefe von wenigen Metern findet man auf dem Grunde noch etwas Fig. 12. Von Lava umflossene Bäume in Puna, Süd-Hawaii. Fig. 13. Abgebrochene Stücke von Lavaröhren aus Hawaii deutlich zu sehen. (Aufnahme von I. Friedlaender.) (Aus der Sammlung von I. Friedlaender.) Besonders schön kann Eine Holzkohle;derdurch das Feuer seiner Aeste beraubte Stamm liegt stark verkohlt meist noch in der Nähe des Loches auf der schwarz glänzenden Kruste der Fladen- lava. Zur Bildung der Lavasäulen ist es aber auch in diesem Falle nicht gekommen. Die zweite That- sache, welehe zur Erklärung der La- vabäume beachtet werden muss, ist die, dass die Lava- röhren im Innern stets eine Naht zeigen. (Fig. 13.) Diese Naht ist auf der beigegebenen Photographie, die nach zwei Hand- stücken aus meiner Privatsammlung hergestellt wurde, Sie beweist, dass die Lava, die von der einen Seite her gegen den Baum anfloss, wenigstens unmittelbar an der Oberfläche des Stammes bereits bis zur Zähflüssigkeit ab- gekühlt war, als sie sich an der andern Seite des Baumes schloss; andernfalls wäre eine nahtlose Verschmelzung einge- treten. Da die Ab- kühlung durch das verdampfende Wasser des Baumes nothwen- digerweise sehr be- deutend ist, so muss man annehmen, dass der übrige Strom noch in ziemlich hohem’ Grade dünnflüssig war. Wenn sich nun das Niveau des Lavastro- mes dadurch senkte, dass die dünnflüssige Lava unten rascher abfloss, als sie aus der allmählich versiegen- den Eruptionsquelle nachfliessen konnte, so mussten die zähflüssigen Umhüllungen der Stämme über den sinkenden Lavaspiegel herausragen und erstarren. Zur Bildung der Röhren musste die Lava also erstens noch dünnflüssig sein, zweitens bereits so weit abgekühlt sein, dass sie durch die Verdunstung des im Stamme ent- haltenen Wassers bis zur Zähflüssigkeit abgekühlt wurde, und drittens musste sie ihr Niveau nachträglich senken. 416 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 4 XII. Nr. 35. Dass diese drei Bedingungen selten zusammentreffen werden, ist ohne weiteres klar; immerhin habe ich auf Hawaii an mehreren Stellen solche Lavaröhren gefunden. Bei den italienischen Vulkanen, die ich fast sämmtlich besucht habe, habe ich diese Erscheinung jedoch nie beobachtet, obwohl am Aetna an der Quelle des 1865er Lavastroms auch Lavabäume existiren. Ich selbst habe diese Stelle jedoch leider nicht besucht. O. Silvestri, hat diese Aetnaeruption genau beobachtet und in seinem Buch: I fenomeni volcaniei presentati dall’ Etna nel 1863, 1864, 1865, 1866, considerati in rapporto alla grande eruzione di 1865. Studii di geologia chimiea Catania 1867, beschrieben. Dieses Werk ist für das Neue Jahrbuch für Mineralogie ete. von G. vom Rath im Auszuge übersetzt worden. Es heisst dort (Jahrgang 1870 S. 56) über die Lavabäume: Diese Lava muss mit grosser Gewalt und in einem Zustand völliger Flüssigkeit aus der Spalte hervorge- brochen sein, wie man dies aus ihrer Wirkung auf die nächststehenden mächtigen Fichten ersieht. Sie sind beiderseits bis in eine Entfernung von 30 m von der fliessenden Lava an ihrer Oberfläche verkohlt. Die der Spalte zunächst stehenden Bäume sind zum grossen Theil verbrannt umgestürzt; nur einige stehen noch aufrecht und zeigen eine bemerkenswerthe, den Beginn der Erup- tion bezeichnende Thatsache. Die dieken Stämme sind nämlich verstümmelt und an ihrer Basis mit einer festen Lavahülle, entweder ringsum oder doch auf der dem Strome zugewandten Seite bekleidet; diese Hülle zieht sich vom Boden bis zu einer Höhe von 2,6 m empor, während das Niveau der Lava im Spalt viel tiefer liegt. An den Bäumen bemerkt man höher hinauf als die Lava- bekleidung reicht, auf der Seite gegen die Spalte hin parallele Streifen, welche ungefähr dem Gehänge des Bodens folgen. Die genannten Erscheinungen lehren, dass die Lava aus dem Bodenriss mit aussergewöhnlichem Ungestüm ausbrach und bis zu jener Höhe die Bäume umfluthete. An ihnen erstarrte ein Theil derselben und bildete jene Umhüllungen, welche, wenn das Holz ver- zehrt war, gleich hohlen Cylindern zurückblieben. Die Streifen über den Umhüllungen rühren von bereits er- starrten Lavaschollen her, welehe auf dem Strom schwim- mend, die Bäume schrammten. Professor A. Heim in Zürich, dem ich von Hawaii aus meine Photographien von Lavabäumen geschickt hatte, theilte mir mit, dass er die Lavabäume am 1865 er Strom des Aetna noch im Jahre 1872 selber gesehen hat. Es ist anzunehmen, dass sie noch heute am Monte Frumento, wo der 1865er Strom ausbrach, zu finden sind. Der bekannte Geologe James D. Dana beschreibt in seinem Werk Characteristies of Voleanoes ete. New York 1891, p. 91. Lavaröhren mit noch herausragendem Baumstamm von dem 1868er Strom des Mauna Loa auf Hawaii und schliesst daraus auf die Senkung des Lava- spiegels, ohne die anderen Bedingungen des Phänomens zu erörtern. In dem Reischandbuch für Hawaii von Whitney sowie in manchen neueren Reisebeschreibungen werden die von mir photographirten Lavabäume bei Kapoho erwähnt. Sonst ist mir über ähnliche Erschei- nungen keinerlei Litteratur bekannt; ich würde mich je- doch freuen, wenn ich darauf aufmerksam gemacht würde und insbesondere für jede Zuschrift aus dem Leserkreise dieser Zeitschrift dankbar sein. Immanuel Friedlaender. Abhängigkeit des Hirngewichts von der Körper- grösse bei Säugethieren. Es ist eine schon lange be- kannte, aber nicht verständliche Thatsache, dass die Ent- wickelung des Gehirnes scheinbar nicht in Zusammenhang steht mit den geistigen Eigenschaften und der systemati- schen Stellung der Thiere. Kleinere, tiefstehende Thiere haben meist verhältnissmässig viel grössere Gehirne, als grössere, höher stehende; selbst der Mensch bleibt sowohl in seinem absoluten, wie im relativen Hirngewicht, selbst sogar in der Complizirtheit seiner Windungen, die man lange Zeit als den Ausdruck der psychischen Entwickelung des Gehirnes ansah, hinter einer Anzahl recht tief stehender Thiere zurück. Eine genauere Untersuchung der Ab- hängigkeit des Hirngewichts von der Körpergrösse bei Säugethieren nahm E. Dubois, fussend auf frühere Untersuchungen von M. Weber (s. diese Zeitschrift Bd. 12, S. 249) vor, deren deutsche Uebersetzung er in dem Arch. Anthropol. Bd. 25, Heft 1—2 veröffentlicht. Von seinem umfangreichen Zahlen-Material sei Folgendes hier mitgetheilt. Die grossen Menschen-ähnlichen Affen haben bei ungefähr gleichem Körpergewicht wie der Mensch nur !/, seines Hirngewichts, gleich schwere Hunde sogar nur Yo Das absolute Gewicht des Gehirns ist beim Ele- phanten 4mal grösser als beim Menschen, bei den grössten Walen 5mal; bei der ausgestorbenen Seekuh Rhythina Stelleri war es 1'/;mal grösser. In Bezug auf das rela- tive Gehirngewicht übertreffen den Menschen (1:45 —1: 46) die Bartfledermaus (1 : 42), der javanische Tupaja (1: 41), das Löwenäffehen (1:26), die Spitzmaus (1:23). Das absolut grösste (7000 gr), dabei aber das relativ kleinste Hirngewicht (1: 10571) hat Balaenoptera Sibboldi Gray. Bei dem Vergleiche ergeben sich einzelne allgemeine Ge- sichtspunkte, wenn man berücksichtigt, dass das Gehirn im individuellen Leben nicht so sehr wächst, wie die Körpermasse, dass z. B. das eines 9-jährigen Kindes nahezu seine endgiltige Grösse erreicht hat, während das Körpergewicht noch um das Doppelte zunimmt, und dass überhaupt die Körpermasse eines Individuums beträcht- lichen Schwankungen unterliegt. Man darf also nur aus- gewachsene, normale Thiere in guter Gesundheit mit ein- ander vergleichen. Dann ergiebt sich z. B., dass von 2 Thieren von derselben Grösse, aber verschiedenen Organisations-Stufen das höher stehende auch das höhere Hirngewicht hat. So haben die gleich grossen: Gibbon 130 gr, Mohrenaffe 70, Zibethkatze 42,1, das Schuppen- thier 14 gr Hirmmasse. Von 2 bezüglich ihrer Hirn- organisation auf gleicher Höhe stehenden, in Körpergrösse aber verschiedenen Thieren hat das grössere das schwerere Gehirn, so der Löwe ein 7 Mal schwereres als die Hauskatze, die Wanderratte ein 51/, Mal schwereres als die Hausmaus ete. Dagegen ist bei kleineren Arten das relative Hirngewicht grösser als bei grösseren, auf derselben systematischen Höhe stehenden (nach Weber); es ist beim Löwen 1:546, bei der Katze 1: 106, bei der Wanderratte 1:190, bei der Hausmaus 1:49. Die Ver- grösserung des Gehirns geschieht in der Hauptsache durch die der weissen Substanz, in der sich bei grösseren Thieren die Leitungsbahnen verlängern, nicht aber ver- mehren. Die graue Substanz nimmt an Dicke nicht zu; sie bleibt immer zwischen 2—5 mm; dagegen nimmt sie zu durch Furchung: die Grosshirnhemisphären der grösseren Thiere haben mehr Windungen, als die ihrer kleineren Verwandten. Es hat also die Körpergrösse Einfluss auf die Menge der Windungen. Nur bei einigen tief stehenden und kleinen Thieren (Fledermäusen) fällt dies Verhältniss fort, da ihr Gehirn glatt ist. Die Ver- mehrung der grauen Substanz hat ihre Ursache in der Blutzufuhr, d. h. Ernährung, die ihre Faltung bedingt. — XII. Nr. 35 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 417 Heute hat man das Gehirn im Wesentlichen zu betrachten als bestehend aus Schlussbogen zwischen sensiblen und motorischen Nerven. Von der Zahl und Complizirt- heit dieser Schlussbogen hängt nun die Masse des Gehirns ab. Erstere wächst mit der Grösse der Thiere, so die der motorischen Fasern mit dem Querschnitt der Muskeln, die der sensiblen mit der der Oberfläche. Letzteres Gesetz gilt auch für die speciellen Sinnesnerven, denn auch ihre Endigungen breiten sich in Schleimhäuten aus. Die Complizirtheit der Schlussbogen hängt ab von der Orga- nisationshöhe der Thiere. D. unterscheidet 3 Arten: primäre, die einfach sensu-motorischen; sekundäre, die der bewussten Sinnesempfindungen; tertiäre, die der Assoeciations-Centren. Es hängt also die Grösse des Ge- hirns ab von der „Cephalisation“, d. i. die Entwicke- lung des Gehirns als nervöses Central-Organ, und von der Grösse des Thieres, und zwar seiner Oberfläche. Für letzteres Verhältniss, das allein der praktischen Messung zugänglich ist, rechnet D. theoretisch einen „Relations-Exponenten“ von 0,666... aus, der zu dem Körper-Gewicht gesetzt, annähernd das Hirngewicht an- giebt. Aus jenem (r), dem Körpergewicht (s) und dem Hirngewicht (e) lässt sich nun auch annähernd der Cepha- a F e lisations-Faetor ce berechnen nach der Formel e — — Ss Reh. Ueber die Ergebnisse der Planktonforschungen im Limfjord, welche Dr. C. G. Joh. Petersen im dänischen Fischerei-Bericht für 1896/97 (Kopenhagen 1898) ver- öffentlicht, theilt die „Berlingske Tidende“ in einem Referat von cand. mag. Östenfeld u. a. folgende Einzelheiten mit: Bezüglich der Menge des Planktons stellte Petersen zu- nächst fest, dass es im Limfjord viel zahlreicher ist als in der Nordsee ausserhalb Thyborö (am westlichen Ende des Limfjords) und im Kattegat; dies trifft jedoch nur zu für den westlichen Theil des Fjordes bis Lögstör, während der schmalere östliche nur geringe Mengen Plankton auf- wies. Bei der mikroskopischen Untersuchung der Fänge, die von dem norwegischen Planktonforscher H. Gran vorgenommen wurde, zeigte sich nun die interessante Thatsache, dass das reichliche Plankton im westlichen Limfjord nieht nur von dem der Nordsee verschieden war, sondern auch von dem des Kattegat, obgleich doch eine ziemlich reissende Strömung den ganzen Fjord durch- fluthet. Diese Strömung verläuft weit häufiger von West nach Ost als umgekehrt, so dass man erwarten könnte, dasselbe Plankton wie in der Nordsee zu finden; dies zeigt sich jedoch nur im westlichen Theil von Nissum Bredning, dem breiter ausgebuchteten Westende des Fjords. Von dort ab erscheint das dem Limfjord eigen- thümliche, reiche Plankton, das bis Lögstör vorherrscht; hinter Lögstör nimmt es immer mehr ab, so dass es bei Aalborg meist fast völlig verschwunden ist. Während des ganzen Jahres liess Petersen bei Ny- kjöbing auf Mors in acht- bis vierzehntägigen Zwischen- räumen nach Plankton fischen, wodurch Material geschafft wurde, um die Zusammensetzung des Planktons in einem Jährlichen Kreislauf untersuchen zu können. In den Monaten September— October tritt das Plankton sehr reich auf, nimmt im November wieder stark ab und ist während des ganzen Winters bis zum März nur spärlich vorhanden; alsdann wächst es bis zum Juni zu grosser Menge an und erreicht nach einer abermaligen Schwankung im September seinen Höhepunkt; im Juni vollzieht sich auch eine ge- wisse Veränderung im Charakter des Planktons. Da der Salzgehalt dieses Gewässers im Laufe des Jahres keine nennenswerthen Wandlungen erfährt, so muss man, um eine Erklärung für diese Periodieität zu finden, die Tem- peraturveränderungen und die verschiedene Stärke des Lichtes während der verschiedenen Jahreszeiten zu Hülfe nehmen. Sowohl bei der niedrigen Temperatur und der Kürze der Tage im Winter, als auch, wenn auch in etwas geringerem Maasse, in der wärmsten und hellsten Zeit des Sommers können nur wenige der mikroskopischen Pflanzen gedeihen, während Frühjahr und Herbst die günstigsten Lebensbedingungen bieten. Durch diese Ergebnisse, besonders durch die Beob- achtung, dass der Limfjord trotz seiner starken Strömung doch ein eigenes Plankton besitzt, hat Petersen, so be- merkt Ostenfeld, ein Factum aufgestellt, das den schwe- dischen Forschern manche Schwierigkeit bereiten dürfte, es mit ihrer Theorie zu vereinigen, dass man das Plankton als ein sicheres Merkmal der Meeresströmungen benutzen könne. Petersen fügt seiner Abhandlung noch seine bisherigen Beobachtungen vom Juni vorigen Jahres, denen weitere folgen sollen, über die Verschiedenheit des Planktons in den oberen und unteren Wasserschiehten des Kattegats an. Diese haben ergeben, dass von diesen Schichten, die bezüglich des Salzgehalts grosse Verschiedenheiten auf- weisen, die unteren, salzigeren ein reiches Plankton be- sassen, während die oberen, weniger salzhaltigen Schichten nur geringere Mengen und theilweise todtes Plankton ent- hielten. G. Adam. Das Vorkommen von Seefischen in süssen Ge- wässern ist bereits an verschiedenen Orten und für ver- schiedene Arten beobachtet worden, so ist dies vor allem bekannt von der Flunder (pleuronectes flesus), welche in der Themse, Maas, Seine, Loire u. s. w. gefangen wurde, in Deutschland in der Elbe, wo sie bis Arneburg vor- kommt, im Rhein und seinen Nebenflüssen, wo sie bis über Mainz hinausgeht und sogar im Main bei Klingen- berg in Unterfranken gefangen worden ist. In Norwegen wurde sie, wie „Naturen“ XXII, 5 mittheilt, am Zusammen- fluss der Stensdalselv und Moelv beobachtet, wo das Wasser vollständig süss war; die hier gefangenen Flundern zeichneten sich gegenüber den Seeflundern durch einen feineren Geschmack aus, und dieselbe Erfahrung machte man auch anderwärts in Norwegen. Prof. G. O. Sars fand im Sommer 1873 die Flunder sehr allgemein im Storevand auf Stordö; auch in einer Anzahl anderer Flüsse Nor- wegens wird die Flunder gefangen, in der Namsenelv bis 20 km von der Flussmündung; in der Götaelv nach Fischereiintendant Dr. Malm bei Kongelv, 20 km ober- halb Gothenburg. Einen interessanten Fall ähnlicher Art berichtet Prof. O. M. Reuter aus Helsingfors in „Medde- landen af Societas pro Fauna et Flora Fenniea“ (vol. 20). In den finischen Sehären hat sich nämlieh der Ostsee- Häring oder Strömling so acclimatisirt, dass er dort im Süsswasser lebt; er wurde bisher in drei Gewässern bei Abo gefunden, wo er sogar auch zur Fortpflanzung ge- langen soll. Zwar bedarf letztere Behauptung noch der Bestätigung, aber so viel ist sicher, dass er dort ge- schlechtsreif wird; im naturhistorischen Museum zu Hel- singfors 'befinden sich einige Exemplare dieses Süsswasser- härings, welche gut entwickelten Rogen besitzen. Ebenso wie die im Süsswasser lebende Flunder unterscheidet sich dieser Häring von den im Seewasser lebenden durch seinen feineren Geschmack. Auch in der Form soll sich einige Verschiedenheit zeigen; das Charakteristischste dürfte sein ausserordentlicher Fettgehalt sein. Die Ge- wässer, wo diese Häringsform vorkommt, liegen sehr niedrig, nur wenige Fuss über dem Meere, und von diesem durch einen schmalen Damm getrennt. Bei Sturm und 413 Hochwasser schlagen die Meereswellen in einige dieser Binnenseen hinein; das Wasser ist deshalb nicht vollständig süss, aber der Salzgehalt ist doch so gering, dass es als Trinkwasser durchaus brauchbar ist. Neben diesem Häring findet man dort Hechte, Barsche, Zander, Quappe (lota vulgaris) u. a. Diese Gewässer haben in früheren Zeiten als Buchten mit dem Meere in Verbindung gestanden, allmählich aber hat sich das Land gehoben, und die Mündungen versandeten, so dass die Verbindung auf- gehoben wurde. Ehedem kam der Häring dort in sehr bedeutenden Mengen vor, in der letzten Zeit jedoch hat er so abgenommen, dass man die eigentliche Fischerei auf ihn aufgegeben hat. G. Adam. Im Anschlusse an seinen Bericht über die Tiefen- Verbreitung der Mollusken des Mittelmeeres der Pariser Aka- demie am 31. Januar trug A. Locard (vgl. diese Zeitschr. No. 28, 1898) über die Verbreitung der malakologischen Fauna der grossen Tiefen des nördlichen atlantischen Oceans vor (C. R. Acad. Se. Paris T. 126, Nr. 25). Sie ist viel grösser, als man seither annahm, Zugleich be- steht ein enges Verhältniss zwischen ihrer geographischen Verbreitung und ihrer bathymetrischen Ausdehnung. So sind unleugbar die Tiefseefauna von West-Afrika und die sublitorale der nördlichen Regionen des Atlantischen Oceans verwandt, was sich daraus erklären lässt, dass die im Norden in verhältnissmässig geringen Tiefen lebenden Formen auch im Süden vorkommen können, wenn ihnen hier ähnliche Bedingungen, namentlich in der Temperatur, geboten werden. Diese finden sie in grösseren Tiefen. Von vielen Arten kennt man heute ihre Verbreitung von der nördlichen Grenze (dureh G. O. Sars) bis zur südlichen (durch den Travailleur und den Talisman), und man weiss, mit welcher Leichtigkeit sich gewisse Formen ver- breiten, wenn sich die Verhältnisse nicht zu sehr ändern. Als Verbreitungs-Centrum der meisten muss man das nördliche Norwegen annehmen. Von hier aus folgten die einen mit Strömen oder anderen Ursachen der Westküste der alten Welt, entlang Norwegen, Grossbritannien, Frank- reich, der Iberischen Halbinsel, nach den Küsten Marokkos und des Senegals. Direct in die Nordsee konnten sie nicht eindringen, da sie die Schwelle zwischen den Arkaden und Bergen nicht zu überschreiten vermochten. Aber einige gelangten in den Kanal und von da nach Belgien und Holland oder wanderten an der Ostküste Gross- britanniens wieder zurück nach Norden. Auch die scharfe Nordwest-Ecke der Iberischen Halbinsel musste viele Formen aufhalten, die dazu beitrugen, die Fauna des Golfes von Biskaya zu bereichern. Die Formen, die sie überwanden, konnten an die Nordwestküste Afrikas ge- langen und von da nach den Azoren, Canaren, den Inseln les Grünen Vorgebirges, einige sogar bis nach Ascension und St. Helena. Aber an der Küste von Guinea trafen sie eine abweichende geographische Beschaffenheit, ent- gegengesetzte Strömungen u. Ss. w., also andere Be- dingungen, so dass sie nicht weiter nach Süden vor- dringen konnten. — Ein anderer Theil derselben Ur-Fauna wanderte an der Ostküste des neuen Continentes entlang. Man findet seine Spuren in Island, Süd-Grönland, an den Küsten Neu-Englands, Virginiens, von Florida; und während ein Theil sich in den grossen Antillen verlor, breitete der andere sich im Golfe von Mexiko und dem Karaibischen Meere aus, hier dieselbe Rolle spielend, wie jener Theil im Busen von Biskaya. Einige gelangten selbst bis Pernambuco, wo sie ebenfalls auf ihr weiteres Vordringen hindernde Schranken stiessen. Es besteht also in dieser geographischen Breite eine auffallende Aehnlichkeit zwischen den Tiefen-Faunen der Alten und | Naturwissenschattliche Wochenschrift. XII. Nr. 35. der Neuen Welt, zwischen den Inseln des Grünen Vor- gebirges und den übrigen afrikanischen Inseln einer- und der Sargasso-See, den Bermudas und Antillen anderer- seits. — Die ganze geographische und bathymetrische Verbreitung der nordatlantischen malakologischen Tiefen- fauna stellt also ungefähr ein Dreieck dar, dessen Spitze in geringen Tiefen der nördlichen Gegenden, etwa bei Island, an 75° n. Br. liegt, dessen Seiten sich immer mehr in die Tiefen des Oceans senkend, die Küsten der Alten und Neuen Welt bilden, und dessen Basis eine Ver- bindungslinie zwischen Afrika und Amerika, in ungefähr 15° n. Br., bildet. Zugleich liegt seine Ostseite viel tiefer als die Westseite. Die Spitze liegt in 50 m Tiefe, die afrikanische Ecke in etwa 2000, die amerikanische nur in SOO m Tiefe, Reh. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Leiter des Sanitätswesens bei den Truppen in den deutschen Schutzgebieten Oberstabsarzt Dr. Paul Kohlstoek zum Professor; der Privat-Docent für Arzneimittel- lehre und medieinische Chemie in Königsberg Dr. Rudolf Cohn zum Professor; Kreisthierarzt Bongartz in Bonn zum Docent der Thierheilkunde an der landwirthschaftlichen Academie in Poppelsdorf; Bibliotheksekretär Segner an der Universitäts- Bibliothek in Würzburg zum Bibliothekar; Dr. R. A. Harper zum Professor der Botanik an der Universität Wisconsin; der ausserordentliche Professor der Maschinenbaukunde an der tech- nischen Hochschule in München von Rosson zum ordentlichen Professor; A. Vayssiere zum Titular- Professor der landwirth- schaftlichen Zoologie in Marseille; Professor Dr. Carl J. Cori zum Leiter der zoologischen Station in Triest; Dr. William Duane zum Professor der Physik an der University of Colorado; der ausserordentliche Professor der Histologie in Innsbruck Dr. Kersehner zum ordentlichen Professor. | Berufen wurde: Der ordentliche Professor der Zoologie in Rostock Dr. Blochmann nach Tübingen als Nachfolger Pro- fessor Eimers. In den Ruhestand treten: Der Professor der Mathematik an der technischen Hochschule in Darmstadt Dr. Adam Nell; der Docent der Thierheilkunde an der landwirthsehaftlichen Academie in Poppelsdorf Schell. Es starben: Der ehemalige Professor der Anatomie in Helsingfors Dr. Bonsdorff in Eriksberg (Bezirk Ushela); der amerikanische Geologe Professor James Hall in Albany (New York); der Coleopterologe Dr. Ernest Candez in Glain bei Lüttich; der Mathematiker Paul Serret in Paris; der Direetor des botanischen Gartens in Leiden Professor Suringar; der Professor der Anatomie in Turin Dr. Carlo Giacomini; der Professor der Botanik in Christiania Axel Blytt. Litteratur. Dr. Alfred Lehmann, Director des psychophysischen Labora- toriums an der Universität Kopenhagen, Aberglaube und Zauberei von den ältesten Zeiten an bis in die Gegenwart, Deutsche autorisirte Ausgabe von Dr. Petersen. Mit 75 in den Text gedruckten Abbildungen. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart, 1898. — Preis 12 Mark. Lehmann giebt im vorliegenden Werke zunächst eine ge- schichtliche Darstellung der Hauptpunkte des Aberglaubens und der Magie und zwar von den ältesten Zeiten an. In einer für gebildete Kreise berechneten Form besprieht er, indem er die Quellen, aus denen er schöpft, stets wörtlich mit einfügt, die Er- scheinungen des Aberglaubens und der Zauberei bei den wilden Völkern, bei den Chaldäern, den Griechen and Römern, den Juden, den Nordländern und Finnen, geht sodann zum Christenthum über und führt uns das Mittelalter und die neuere Zeit mit der Ver- irrung der Hexenverfolgung vor Augen. Im 2. Abschnitt schildert er uns die gelehrte Magie, die Geheimwissenschaften, geht ausführlich auf die mystische Religionsphilosophie der Kabbala sowie auf die ägyptische Theurgie, Astrologie und Alchemie als die Grundlagen der europäischen Magie ein und zeichnet uns die Magier des Mittelalters und ihren Einfluss auf die Wissenschaft bis in die neuere Zeit hinein. — Der 3. Abschnitt bringt eine geschichtliche Darstellung der Entwiekelung des Spiritismus; der Verfasser kennzeichnet schon dadurch, dass er diesen überhaupt in die Behandlung mit hineinzieht, seine Stellung zu demselben. Der 4. Abschnitt endlich ist der interessanteste Theil des XIll. Nr. 35. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 419 Buches. Der Verfasser führt hier vom modernen wissenschaft- | Joseph Plassmann, Himmelskunde. Versuch einer methodischen lichen Standpunkte aus die bis dahin besprochenen Phänomene des Aberglaubens und der Zauberei auf psychologische Gesetze zurück. Seine Darlegungen stützt er vielfach durch eigene und neue Versuche, die er angestellt hat, so über Beobachtungsfehler, Zitterbewegungen und Tischrücken, Träume und deren Inhalt, Halluzinationen u. s. f. — Während das Buch formell durchaus gemeinverständlich geschrieben ist, baut dasselbe sich also durch- gehends auf wissenschaftlicher Grundlage auf. Bei der mächtigen Ausbreitung des Spiritismus auch in Deutschland ist eine deutsche Uebersetzung des im Dänischen sehr günstig aufgenommenen Werkes entschieden angezeigt. Das Buch findet bei seiner Gründlichkeit und fesselnd geschriebenen Form hoffentlich in weiten Kreisen Verbreitung. J. M. Harraca, Contribution a l’ötude de Pheredite et des principes de la formation des races, Felix Alcan, editeur, Paris 1898. — Prix 2 fr. Verf. steht ganz auf Darwin’schem Standpunkt; er bemüht sich in der Schrift die Grundlagen für die Thatsachen der Ver- erbung und der Variation aufzuzeigen. Neue Varietäten erhalten sich, sagt er, auch ausserhalb der Üfgehnng) welche sie bewirkt haben, oder mit anderen Worten, neue Varietäten können ihre Besonderheiten vererben, auch wenn auf die Nachkommen die Einflüsse, welche ursprünglich die Neu-Bildungen bewirkt haben, nicht mehr wirken. Das Studium dieser Einflüsse giebt uns an die Hand, Varietäten zu erzeugen und so die Möglichkeit, die Organismen zu „vervollkommnen“ H. legt also den Nachdruck Jauf die Untersuchung der Einflüsse der Umgebung auf die Organismen, die sich je nach der Verschiedenheit der ersteren verschieden ver- halten, verschieden ausbilden; er möchte u. a. die Gründung von Versuchsstätten anregen, die sich im ökonomischen Interesse aus- schliesslich mit dem Gegenstande beschäftigen. Dr. L. Fischer, Catalog der Vögel Badens. Verlag von G. Braun in Karlsruhe. 1897. — Preis 4 Mark. Während es bereits für viele Theile Deutschlands syste- matische Arbeiten über die Vögel gab, fehlten dieselben bislang u. a. für Baden, so dass der Verfasser des obigen Werkes, welches „auf Grund langjähriger, eigener Erfahrung und nach Mittheilungen nur zweifellos zuverlässiger Beobachter“ bearbeitet ist, eine Lücke in der ornithologischen Litteratur ausfüllt. Baden ist in Bezug auf seine Vogelwelt wegen der Nachbarschaft der Alpen ein inter- ressantes Gebiet und weist, wenigstens als Wintervögel, eine ganze Anzahl von Hochgebirgsformen auf, so den Alpensegler (Cypselus melba), als Seltenheit sogar die Felsenschwalbe (Clivicola rupestris), Alpendohle und Alpenkrähe, Nussheher, dreizehigen Specht (Pico- ides tridaetylus), Alpenmauerläufer (Tiekodroma muraria), süd- lieher Leinfink (Acanthis linaria rufescenz), Schneeäink (Monti- fringilla nivolis), Alpenbraunelle (Ascentor alpinus) u. a. m. Sogar der gewaltige Lämmergeier soll in Baden beobachtet worden sein — allerdings vor mehreren Dezennien, als er noch in den Alpen heimisch war, in denen er jetzt gänzlich ver- schwunden ist. Zur Mittelmeerfauna gehören der ebenfalls in Baden beobachtete Berglaubvogel (Phyllopneuste Bonelli), die Säugergrasmücke (Sylvia orphea), der Steinsperling (Pyrgita petro- nia). Andererseits sind Gäste aus dem Norden, sowie durch- ziehende Strand- und Meeresvögel zahlreich. Die Zahl der über- haupt zur Beobaehtung gekommenen Vogelarten beträgt 333, was gegenüber den von Reichenow für ganz Deutschland aufgezählten 396 Arten eine sehr hohe Zahl genannt werden muss. Brutvögel sind 186, regelmässige Zugvögel 187, unregelmässige Zugvögel 76, Wintergäste 87, Ausnahme-Erscheinungen 75 Arten. Diese Auf- zählung könnte ev. missverstanden werden, besonders das Wort „Wintergäste“, welches heissen müsste „Wintervögel“, denn Specht- meise, Baumläufer, Feldsperling und viele andere sind nicht „Gäste“, die nur im Winter erscheinen, sondern Vögel, die auch im Winter bleiben. Aufgefallen ist nur, dass die grosse Form des Gimpels, welche Deutschland im Winter zu besuchen pflegt, nicht erwähnt ist, obwohl sie sich von der Pyrrhula europaea ebenso gut unter- scheiden lässt, wie z. B. schlank- und diekschnäblige Tannen- häher. — Eine praktische Einrichtung zeigt das Bucl: in so fern, als bei jeder Art ein angemessener Platz für handschriftliche Be- merkungen frei gelassen ist, so dass nachfolgende, badische Beob achter ihre Notizen gleich an richtiger Stelle eintragen können. Dr. Ernst Schäff. Einführung in die Hauptlehren der Astronomie. Mit einem Titelbild in Farbendruck, 216 Illustrationen und 3 Karten. Herder’sche Verlagsbuchhandlung zu Freiburg im Breisgau 1898, — Preis 13 Mark. Verf. möchte elementar aber exaet diejenigen in seine Wissen- schaft einführen, — woınöglich so, dass sie durch Beobachtungen mitwirken können — die bestrebt sind, Selbsturtheile zu gewinnen. Zum vollen Verständniss der einfacheren Himmelserschei- nungen — heisst es im Prospect zu dem schönen Buch — sind, das lehrt die Erfahrung, nur mässige mathematische und plıysikalische Vorkenntnisse nothwendig. Die Hauptsache ist, dass der Freund der Wissenschaft in ansprechender, ruhig mittheilender Form belehrt wird, ohne pomphafte Vorführung schwieriger mathe- matischer Ausdrücke, aber auch ohne den schnell fertig werdenden Salonton, der jedes ernste Interesse ertödten muss Gestützt auf eine langjährige didaktische und schriftstellerische Erfahrung, hat es der Verfasser des angekündigten Werkes versucht, die Elemente der Himmelskunde nach einer in mehren Punkten neuen Methode zu behandeln. Gute und ausreichend erklärte Abbildungen sind eines der wichtigsten Lehrmittel. Es ist gelungen, für die „Himmels- kunde“ eine ganze Reihe vollständig neuer, werthvoller Illustra- tionen zu erwerben. Insbesondere hat die Vatikanische Stern- warte hier zum ersten Male ihr reiches, photographisches Material für ein beschreibendes Werk zur Verfügung gestellt. Die nach diesen Vorlagen angefertigten Vollbilder dürfen ein besonderes Interesse beanspruchen. Werthvolle Planetenzeichnungen lieferte Herr J. Rheden in Wien; es seien ferner die Photographien er- wähnt, die Professor Wolf in Heidelberg und Dr. Kostinski zu Pulkowa geliefert haben. Durch Beigabe mehrerer Sternkarten, nämlich einer grossen Hauptkärte, einer Sonderkarte der Cireum- polarsterne und einer bequemen Aufsuchungskarte, wird das wirkliche Kennenlernen des gestirnten Himmels erleichtert. Dem- selben Zwecke dient auch die in knapper, doch ausreichender Form aufgestellte Tafel der mit freiem Auge sichtbaren inter- re Constellationen, die bis zum Schlusse des Jahres 1900 reicht. Dr. Theodor Koller, Die Torfindustrie. Handbuch der Gewinnung, Verarbeitung und Verwerthung des Torfes im kleinen und grossen Betriebe, sowie Darstellung verschiedener Producte aus Torf. Mit 28 Abbildungen. A. Hartlebens Verlag in Wien, Pest und Leipzig 1898. — Preis 4 Mark. Wenn auch Bestrebungen, den Torf industriell zu verwerthen schon seit längerer Zeit vorhanden sind (man vergl. diesbezüglich z. B. den Artikel Raabs „Ueber Verwendung des Torfs“ in der „Naturw. Wochenschr.“ Bd. II, 1888, S. 140), so fängt doch eigentlich erst in diesem Jahrzehnt die rechte Entwieklung einer Torf-Industrie an. Durch die Einführung des maschinellen Be- triebes, insbesondere aber durch die wesentlichen Verbesserungen, welche die Maschinen, die hier in Frage kommen, erfahren haben, ist die Torfgewinnung eine durchaus rationelle geworden, und da der Torf im Laufe der Zeit verschiedenen neuen Verwendungen zugeführt wurde, erhöhten sich gleichmässig dessen Absatz und Production. Die Neuzeit lässt eine erfreuliche Bewegung in der Torf-Industrie erkennen, und es schien an der Zeit, der auf- blühenden Industrie ein Werk zu widmen, welches den modernen Standpunkt derselben kennzeichnet. In dem vorliegenden Werke werden alle Apparate und Maschinen, welche zur Gewinnung, Verarbeitung und Verwerthung des Torfes heute verwendet werden, besprochen und dargestellt; es wird überall ganz besonders auf die Bedürfnisse der Praxis Rücksicht genommen, und es werden genau und praktisch verwerthbar die Herstellungsarten ver- schiedener Producte aus Torf, welche im Kleinen wie im Grossen betrieben werden können, vorgeführt. Das Werk ist ein sicherer und zuverlässiger Führer durch die gesammte Torf-Industrie und den Besitzern von Mooren, sowie Industriellen überhaupt als ein Rathgeber zur gewinnbringenden Ausbeutung von Torflagern und zur Fabrikation verschiedener Produete aus Torf durchaus zu empfehlen. Beilstein, F. Anleitung zur qualitativen chemischen Analyse 8. Aufl. Leipzig. — 1,50 M. Gocht, Sek.-Arzt Dr. Herm., Lehrbuch der Röntgen-Untersuchung zum Gebrauche für Medieiner. Stuttgart. — 6 M. Ziegler, Prof. Dr. Ernst, Lehrbuch der allgemeinen u. speeiellen pathologischen Anatomie für Aerzte und Studirende. 9. Aufl. 2. Bd. Jena. — 18 M. Inhalt: H. Potonid: Palaeophytologische Notizen. — Abhängigkeit des Hirngewichts von der Körpergrösse bei Säugethieren. — Planktonforschungen im Limfjord. — Vorkommen von Seefischen in süssen Gewässern. -- Ueber die Verbreitung der malako- logischen Fauna der grossen Tiefen des nördlichen atlantischen Oceans. Dr. Alfred Lehmann, Aberglaube und Zauberei von den ältesten Zeiten an bis in die Gegenwart. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: J.M. Harraca, Contribution & l’etude de l’heredite et des prineipes de la formation des races. — Dr. L. Fischer, Catalog der Vögel Badens. — Joseph Plassmann, Himmelskunde. — Dr. Theodor Koller, Die Torfindustrie. — Liste. 420 999% | ERXTITETETIIITT] aller Gefässe und Utensilien für chem., Gläser für den Versand und zur Ausstellung naturwissenschaftlicher Preisverzeichniss gratis und franco, ARTTT IT ET TTTTTT II TIIIIIE TI T III II TTTITTTT Naturwissensehaftliehe Wochenschrift. ARXXILYZIIIIIITZTIIIITIIIIIIKZITZIIITTY | !| von Poncet Glashütten-Werke 54, Köpnickerstr. BERLIN SO,., Köpnickerstr. 54. Fabrik und Lager pharm., physical., electro- u. a. techn. Zwecke. Präparate, ANTLITT IT IIIIITTIITITTI bester und „bewährter In Ferd. Dümmlers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 12 erschien: Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am kgl. Realgymn. in Berlin. 444 Seiten gr. 8. Pr. 6M., geb. 7M. | Ferd. Dümmlers Verlagsbuchh. Berlin. Veröffentlichungen des Rechen-Instituts zu Berlin. Nr'7. Grenäherte Oppositions-Ephemeriden von 49 kleinen Planeten für 1898 August bis December. Unter Mitwirkung mehrerer Astronomen, insbeson- dere der Herren A. Berberich und P. Neugebauer herausgegeben von J. Bauschinger, Direetor des Königl. Rechen-Instituts. 16 Seiten kl. 4°, Preis 1 Mark 20 Pf. Elementare Reehnungen aus der mathematischen Geographie für Freunde der Astronomie in ausgewählten Kapiteln gomeinvorständlich hogründet und vorgeführt von ©. Weidefeld, Oberrossarzt a. D. Mit einer Figurentafel. 64 Seiten gr. 8%. Preis 2 Mark. Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung. Berlin, R Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Spee.: Für 12 Platten. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 33. | | Photo:r?rkische Stativ- und Hand- „ Gameras. Gediegene Ausstattung. 5” Sämmtliche Bedarfsartikel. “®% | Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässisste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp. & Wehner“-Platten (Act. Ges.). Ohne Beutel! Königlichen Astronomischen “= gart 1896. 3. Auflage. erkennen und bestimmen kann. eleganten Etui je Mk. garantirt werden kann. Geschäftsgründung 1833. Bonn XIll. Nr. 35. Dünnschliff-Sammlungen für praktische mikroskopische Uebungen. Diese Sammlungen enthalten .Dünnschliffe aller wichtigen Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. Rosenbusch „Mikroskopische Physiographie der massiven Gesteine“ — Beigegeben wird eine kurzgefasste gedruckte Beschreibung, derart, dass der Lernende die einzelnen Gemengtheile der Gesteine makroskopisch und mikroskopisch Stutt- Sammlungen von ie 120, 180 und 250 Dünnschliffen in 150, Mk. 225, bez. Mk. 325. Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen Inu zz (Format 8V/, > 11 em.) je Mk. 250, Mk. 390, bez. Mk. Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer ade mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate und für die richtige Auswahl von charakteristischem Material Dr. F. Krantz, Rheinisches Mineralien - Contor. Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. a./Rh. Geschäftsgründung 1833. den. Diünmlers Derlansbh., Berlin. In unjerm Verlage erichienen: Das Sud Ielus. Die Urevangelien. Neu durchge: fehen, neu überjegt, georonet und aus den Irfpraden . erklärt von Wolfgang Birdbad;. Dftav-Ausgabe 184 ©. 1,50 M., eleg. geb. 2,25 M. Bolfs- Ausgabe 156 © gebunden 70 Pfennig. Was lehrte Iefus? Zwei Irevangelien. Von WMelf- gang Rirdjbad). 256 Seiten DF- tav 5 M., 8 gebunden 6 M Über geographische Ortsbestimmungen ohne astronomische Instrumente, Von Prof. Dr. P. Harzer, Director der Herzoglichen Sternwarte zu Gotha. Mit einer Tafel. | Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik.) 53 Seiten Lex. 8. — Preis 1.20 M PATENTBUREAU Ulrich R. Maerz Jah: C:Schmidtlein Ingenieur Berlin NW.,Luisenstr. 22. Gegründet 1878. Patent- Marken -u.Musterschutz LEELEREELRELEEERPLEEBR Hempel’s Klassiker - Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dimmlers Verlagsbh. Berlin. FEIIDGGSCGCDEGSDDDIT Gebrauchte Gasmotoren DAMPF: und DYNAMO- MASCHINEN garantirt :betriebsfähig in’ allen Grössen sotort lieterbar. Elektromotor, s.m.v.u Schitl\pauerdamm 21 Berlin NW. den. Diümmlers Deringsbuchhandlung in Berlin. SW. 12, Zimmerfr. 94. 390 Seiten gr. 8°. 300 Seiten Oftav. Der Menfihheitslehrer. Ein Kebensbild des Weifen von IVazareth. Bon George Paul Sylveiter Gabanis. Preis geh. Zu beziehen durch jobe Buchhandlung. Der geniale Menfd;. Don Hermann Türe. Dritte ftarf vermehrte Auflage. Preis geb. 4,50 4, eleg. geb. 5,60 AL. 3 MH, elegant geb, 4 ML. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Fu ER Nu En - =" Redaktion: as die na Forschung » fassenden Ideen u den Gebil*en der Pi ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, der ihre Schöpfungeu schmückt. Schwendener. En ea Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XIII. Band. | Sonntag, den 4. September 1898. Nr. 36. Abonnement: Man abaonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition, Bringegeld bei der Post 15 „9 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Der Vierteljahrspreis ist AM 4— foic) Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Antony van Leeuwenhoek. (Zu seinem 175 jährigen Todestage, den 26. August.) Von Schenkling-Pre&vöt. Während in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts unser Vaterland einer blutgetränkten Arena glich, in welcher dreissig Jahre lang die Soldateska von fast ganz Europa ibr Wesen trieb, nahmen in beinahe allen übrigen Ländern des Continents Künste und Wissenschaften einen erfreulichen Aufschwung. Die durch glücklichen See- handel zu einem gewissen Wohlstande gelangten Küsten- bezw. Inselstaaten Italien, die Niederlande und England liessen es sich besonders angelegen sein, für alles Gute und Schöne eine herrliche Entwiekelungsstätte zu werden, allem voran aber die freie batavische Republik. Die zweite Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts brachte für die Geschichte jenes Landes den Zeitpunkt, in dem sein Volk die höchste Stufe von Macht und An- sehen erlangte. Der vieljährige Krieg mit dem unüber- windlich scheinenden und sich unüberwindlich dünkenden Spanien hatte einen höchst günstigen Einfluss auf den ganzen Volksgeist ausgeübt; an Körper und Seele gestählt, trat das niederländische Volk aus diesem Kriege hervor und konnte nach glorreicher Niederwerfung den machtlos gewordenen Feind zwingen, einen ruhmlosen Frieden zu schliessen. Nun stand das kleine Holland eine Zeit lang an der Spitze der Bildung. Die Unternehmungslust seiner Bürger hatte den holländischen Namen in alle Welttheile verbreitet; Handel und Industrie blühten, wie nie vorher oder nachher; Reichthum und Wohlfahrt verbreiteten ihre Wohlthaten, ohne noch jene Erschlaffung mitzuführen, die später folgte. Die ostindische Compagnie, mit ihren uner- messlich reichen Emporien zu Amsterdam, war in der Lage, den Gewalthabern dieser Welt, selbst Ludwig XIV. von Frankreich und dem scemächtigen England, erfolgreich zu trotzen. Nach Holland hatte eine kühne, unternehmende Politik den übersceischen Handel fast ausschliesslich con- centrirt. Seine Flotten bedeckten das Meer und schützten meist mit gutem Erfolge, dem abgünstigen England gegen- über, das gute Recht der Völker auf dieser allgemeinen Wasserstrasse. Im Haag war der Sammelplatz der feinen Welt und die Hochschule der diplomatischen Künste; so manche Differenz, die den Frieden zu stören suchte, wurde hier beseitigt und die holländischen Staatsmänner wurden in ganz Europa gefürchtet. Die Freiheit, die sonst überall mehr oder weniger unterdrückt, hatte dortlands ihren Sitz aufgeschlagen, und eben diese gesittete, bürgerliche Freiheit machte neben einer mit Wohlanständigkeit gepaarten Be- häbigkeit die Menschen vorurtheilsfrei und wohlwollend. Politische Flüchtlinge und alle, die ihres Glaubens willen verfolgt wurden, fanden hier einen sicheren Zufluchtsort. Den vertriebenen portugiesischen Juden mit ihrem Reiehthum und ihrer Intelligenz öffnete Amsterdam gern und freudig seine Thore, und bereitete den Flüchtlingen, sie mit allen anderen Einwohnern auf gleiche Stufe stellend, eine neue Heimath, an der sie bald mit zäherer Liebe als an der alten hängen sollten. Künste und Wissenschaften blühten und waren, wenn auch stellenweise oft nur in komischem Dilettantismus, selbst bis in die nicht gar zu dürftigen Volkschichten verbreitet. Durch den Handel wurden aus allen Ecken der Welt Kunstschätze, allerlei Naturobjeete und Raritäten zusammen gebracht. Das Interesse an diesen Dingen wuchs und mit ihm der Wunsch, diese zu besitzen. Es entstanden ganz dem kaufmännischen Sammel- sinn entsprechend jene grossartigen Privatbibliotheken und Privatmuseen, wie sie nicht leieht einmal wieder in solcher Masse auf so kleinem Raume vereint werden gefunden werden. Berühmte Universitäten, die bereits während des Krieges gestiftet worden waren, allen voran Leiden, die Metropole der Wissenschaften in damaliger Zeit, zogen von weit und breit die lernbegierige Jugend und das lehrkundige Alter an. Es war in jener Zeit, als 422 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. UN INT. 36. Männer wie Cristian Huygens, Frederik Buysch, Reinier de Graaf, Nicolaas Tulpius, Johannes Swammerdam, Nicolaas Witsen, Hermannus Boerhave u. a. lebten und wirkten, um, jeder auf seine Weise, das Gebiet der Natur- kenntniss zu erweitern, den Ruhm der vaterländischen Wissenschaft in der Nähe und Ferne zu verbreiten. Damals war es, als am 24. October 1632 im alten Delft Antony van Leeuwenhoek, der grösste Mikroskopiker aller Zeiten, geboren wurde. Schon in früher Jugend verlor der Knabe seinen Vater, und seine Mutter brachte ihn in das zu jener Zeit berühmte Knabenpensionat zu Warmond bei Leiden. Nach den Schuljahren nahm ihn sein Onkel, Advocat und Sachwalter in Benthuizen, zu sich, damit er unter seinen Auspizien die Anfangsgründe der Rechtswissenschaft sich aneigne. Es mag indessen mit dem inneren Drange des Jünglings für diesen Beruf nicht weit her gewesen sein, auch mag es ihm an der rechten Vorbildung dazu gefehlt haben, war er doch der lateinischen Sprache nicht mächtig, wie er selbst ein- gesteht, und wie von mehreren seiner gelehrten Zeit- genossen halb mitleidig bestätigt wird. Kurzum, er drehte der Themis den Rücken. Darauf gab ihn seine Mutter nach Amsterdam in ein Schnittwarengeschäft, wo der Zweiundzwanzigjährige Anstellung als Buchhalter und Kassirer fand. Aber auch diese Stelle scheint ihm wenig genehm gewesen zu sein; er gab sie auf und wandte sich wieder nach seiner Vaterstadt. Aus zwei Ehen, die er einging, hatte er nur ein einziges Kind, eine Tochter, welche bis an das Ende seines langen Lebens bei ihm blieb. In Delft scheint Leeuwenhoek längere Zeit nur als Privatmann seiner Liebhaberei für mikroskopische Untersuchungen gelebt zu haben, die er, seinem Biographen Halbertsma zu Folge, bereits in Amsterdam unter Leitung verschiedener Naturforscher begonnen hatte. Später wurde er „Kamerbewaarder der Kamer yan Heeren Schepenen“, d. i. in unser gebliebtes Deutsch übersetzt „Lhürhüter der Herren Schöffen“, welches Amt vielleicht dem eines Botenmeisters oder Registrators gleicht. Dieses Aemtchen scheint eine mit möglichst wenig Arbeit ver- bundene städtische Anstellung gewesen zu sein, die nicht allzu schlecht besoldet war, denn Leeuwenhoek, der es neunundreissig Jahre verwaltete, wurde scheinbar dadurch wenig belästigt und gestört. „Nach dieser Zeit,“ sagt der bereits erwähnte Halbertsma, „glaubte er, sich dem Gemeinwesen seiner Vaterstadt genug gewidmet zu haben, und beschloss den Rest seiner Tage bloss seinen Studien zu leben und nahm daher seine Entlassung. Hochbetagt starb er am 26. August 1723. Seine Tochter liess ihm in der St. Hippolytskapelle zu Delft ein Grabmal errichten, dessen von einem damals berühmten Dichter mit dem klangreichen Namen Poot (Pfote) verfertigte Grabschrift auf Deutsch etwa lautet: Wer Ehrfurcht noch im Herzen trägt, Für hohes Alter Achtung hegt, Bewundernd grosse Gaben, Der mach’, o Wandersmann, hier halt. Hier liegt die Wissenschaft, uralt, In Leeuwenhoek begraben. — So war der Lebensgang Leeuwenhoeks ein friedlicher; auch seine Verhältnisse scheinen nicht zu den schlechtesten gehört zu haben. In seinen zahlreichen Abhandlungen, die, in Briefform geschrieben, vier dieke Quartanten füllen, verfällt er öfter ins Plaudern und erzählt dann mancherlei von seinen Lebensumständen, aus denen hervorgeht, dass es ihm gut ging. Er hatte ein Haus mit Garten in Delft und einen grösseren Garten vor der Stadt; sein Wein- keller war wohl assortirt mit französischem Rothwein, Rhein- und alten Moselweinen. Auch seine Liebhabereien, durch die er berühmt geworden ist, müssen ihm viel Geld gekostet haben. Dass er sich ein Reitpferd hielt, ist weniger ins Gewicht fallend, denn in der damaligen Zeit war dieses auch bei bescheidenen Bürgern nichts Seltenes. Von Natur scheint er mittelgross gewesen zu sein. Sein Gesicht ist ein biederes, echt holländisches; in ihm erblickt man den Typus, wie man ihn oft auf den Gemälden jener Zeit, eines Rembrandt, van der Helst, Frans Hals u. a. antrifft. Er kann auf Schönheit keinen Anspruch machen, wenigstens nicht auf die, welche man eine aristokratische nennt. Das Antlitz ist zu rund, die Stirn zu niedrig, die Nase zu plump, der Mund zu breit, das Kinn zu viereckig. Was aber der Stirn an Höhe fehlt, gewinnt sie an Breite; in Verbindung mit dem übrigen Theile des Gesichts lesen wir aus demselben Geistes- und Willenskraf. Um den Mund mit seinen vollen Lippen spielt ein schalkhaftes, etwas untugendhaftes Lächeln. Besonders die Augen geben dem Antlitz seinen Ausdruck. Sie sind gross, weit geöffnet und blicken unter den schwarzen Augen- brauen so treuherzig und doch wieder so verständig, dass man sich hingezogen fühlt wie zu einem Manne, auf den man sich verlassen kann. Leeuwenhoeks Gesundheit war eine ausgezeichnete, so dass er sich bis in sein hohes Alter jene jugendliche Frische erhielt, wie wir sie nur bei Leuten finden, die durch ununterbrochene geistige Thätigkeit die Einwirkung der Jahre gleichsam von sich fernzuhalten wissen. Bis zuletzt blieb auch der Geist rege. Nach sechsunddreissig Stunden vor seinem Hin- scheiden murmelte er seine Meinung her, die er über ge- wisse von den Administratoren der ostindischen Compagnie zur Untersuchung auf Gold eingeschickte Sandkörner hegte. Man merkt auch seinen Briefen aus den letzten Jahren seines Lebens nicht die geringste Spur von Alters- schwäche an. Durch sie alle geht von Anfang bis zu Ende, während eines Zeitraumes von mehr als vierund- vierzig Jahren, derselbe klare Zug, dieselbe Vorurtheils- losigkeit, die sich dureh keine Autorität bestimmen lässt, sondern nur dem eigenen Sinne traut. Auf jeder Seite tritt uns bis zum letzten Briefe sein heiliger Eifer und seine Begeisterung für die Wissenschaft entgegen. Dass Leeuwenhoek so alt wurde und so gesund blieb — nur seine Füsse sollen im höheren Alter nicht mehr viel getaugt haben, was vielleicht mit den „3Y/, Pfund“ Wein zusammen hängt, die er täglich trank — geschah das trotz oder wegen seines Abscheues vor den Jüngern Aeskulaps, an die er sich in seinen Schriften so gern reibt, und die er mit allerlei kleineren und grösseren Sticheleien verfolgt? War ihm einmal nicht wohl, so kurirte er sich mit einigen Tassen Kaffee oder Thee, die er so heiss wie möglich trank. Gross und gefürchtet war er als Entlarver von allerlei Betrügereien, denn er war ein Feind allen Schwindels und aller Phantastereien, wie wir nieht nur durch seinen gelehrten Bekannten Molineux erfahren, sondern auch aus seinen Briefen er- sehen. Freilich ist Leeuwenhoek von einer gewissen Selbstüberschätzung nicht frei zu sprechen, das beruht wohl darauf, dass er ausser seiner Muttersprache keine lebende Sprache, und, wie wir hörten, auch das Lateinische nieht verstand, und demnach die Schriften seiner Zeit- genossen nicht lesen, ihre Gründe nicht würdigen und ihre Beobachtungen nicht beurtheilen konnte, also voll- kommener Autodidact war. Dabei giebt er aber in den Worten: „Ich schäme mich gewisser Irrthümer nicht und bin zuerst bereit anzuerkennen, dass ich mich in einer Sache geirrt habe, wenn ich durch andere eines Besseren belehrt oder durch spätere Untersuchungen von dem Irr- thümlichen früherer Auffassungen überzeugt worden bin“ das beste Zeugniss seines aufrichtigen Charakters. Wo er etwas erfahren und lernen konnte, war er zu finden, XII. Nr. 36. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 423 beim Landmann und Gärtner, beim Fischer und Fleisch- hauer. Und der oben eitirte Ausspruch war nicht nur eine blosse Redensart, sondern Leeuwenhoek handelte auch nach dieser Maxime. Der berühmte Anatom Renier de Graaf, selbst durch seine Entdeckungen sehon bekannt, führte seinen Freund und Stadtgenossen Leeuwenhoek dadurch in die wissen- schaftliche Welt ein, dass er einen von ihm ins Lateinische übersetzten Brief Leeuwenhoeks, der vom 28. April 1663 datirte, und in dem einige mikroskopische Wahrnehmungen beschrieben waren, der berühmten Royal Society of London einsandte. Diese gelehrte Körperschaft machte später den Mikroskopiker zu ihrem Mitgliede (1679) und der englische Gesandte am Haag’schen Hofe überbrachte ihm persönlich das Dekret. Bis zu seinem sechsundachtzigsten Jahre setzte Leeuwenhoek seine Untersuchungen be- ständig fort und berichtete darüber in einer grossen Anzahl von Briefen, welehe theils an die Royal Society, theils an verschiedene Fürsten, Staatsmänner und Gelehrte gerichtet wurden. Buffons Wort, dass der Stil der Mensch ist, passt auf keinen besser als auf den Verfasser jener Briefe, der sich sichtlich am eine hübsche Einkleidung der von ihm beschriebenen Entdeckungen auch nicht im mindesten kümmerte. Oft sind seine Ausdrücke flach, obgleich stets gut gewählt, um seine Meinung deutlich zu machen. Wenn man seine Briefe liest, hat man das Gefühl, als ob man bei ihm sitze und mit ihm plaudere, oder als ob man ihn über das erzählen höre, was er durch seine Mikro- skope gesehen hatte. Wenn aber auch seine Sprache wenig gewählt ist, wenn er auch oft von einem Gegen- stand zum andern überspringt, so dass in einem Briefe von nur wenigen Seiten oft fünf, ja sogar ganz ver- schiedene Objeete zur Sprache gebracht werden, so zeichnen sich doch diese Briefe durch etwas aus, durch Wahrheitssinn. Man kann sie nicht lesen, ohne zu der Ueberzeugung zu kommen, dass der Schreiber durch und durch die Wahrheit liebte, dass, wenn er sagte: Ich habe dieses oder jenes gesehen — er es auch wirklich so und nicht anders gesehen hatte. Allerdings scheint ihm häufiger der Vorwurf gemacht worden zu sein, er sehe theilweise mehr mit seiner Phantasie als mit seinen Augen und erblicke wohl Sachen, die er gern erblicken möchte. Wo Leeuwenhoek aber seiner Sache nicht sicher war, setzte er ein: Ich glaubte — dazu. Freilich hat er nicht selten geirrt, trotzdem er öfter die Gegenstände unter dem Mikroskop untersuchte, wie er selbst betont. Das hatte aber seinen Grund in den doch noch unvoll- kommenen Hülfsmitteln, die ihm zu Gebote standen. Mit der grössten Genauigkeit theilte er seine Beobachtungen mit, und zwar genügte ihm nicht nur eine Beschreibung dessen zu geben, was er gesehen, er theilt auch die Ur sachen mit, die zur Untersuchung Veranlassung gaben, nennt sogar die Personen, die bei der Beobachtung zu- gegen waren. So gehörte Leeuwenhoek scheinbar zu den Menschen, die gerne über sich selbst sprechen und dabei oft vergessen, dass das, was für sie interessant, nicht für andere von Interesse zu sein braucht. Er thut es aber so treuherzig, mit einer so liebenswürdigen Naivetät, dass man ihm unmöglich böse werden kann, dass man weiter- lesend den Mann, der so schrieb und sprach, lieb ge- winnen, ja ihn fast als einen gemeinschaftlichen Freund betrachten muss. Die Leeuwenhoek’schen Briefe wurden von der Royal Society in den „Philosophieal transaetions“ publieirt. Sie haben nur den grossen Uebelstand, dass die einzelnen Entdeckungen in denselben wie Goldkörner zerstreut liegen, die man nur mühsam zusammensucht. Die ge- sammelten Werke Leeuwenhoeks erschienen auch zu Leiden in den Jahren 1715—1722 bei Arnold Langerak in vier Bänden mit 1585 Seiten und vielen Kupfern unter dem Titel: Opera omnia s. Arcana naturae ope exactissi- morum microscopiorum detecta. Leeuwenhoek’s grosser Ruf aber besteht hauptsäch- lich in der Kunst, Mikroskope herzustellen und in der Fertigkeit, Gebrauch von denselben zu machen. Bekannt- lich sind Vergrösserungsgläser aus Bergkrystall uralt. Man hat solehe in den Ruinen von Niniveh gefunden, und jedenfalls bedienten sich die alten Kameenschneider ihrer ebenfalls. Zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts hatten die beiden Janssen, Vater und Sohn, zu Middelburg die ersten zusammengesetzten Mikroskope erfunden, die aber in Holland zu wissenschaftlichen Untersuehungen noch fast gar nicht gebraucht wurden. In Italien hatte sich Malpighi, in England Robert Hooke und Nehemia Grew Verdienste dadurch erworben. Und dieser letztere, wie der Italiener und der Holländer richteten fast gleichzeitig ihre Gläser auf die Pflanzenwelt, doch so, dass jeder von ihnen einer ganz bestimmten Richtung angehörte. Marcellus Malpighi (1623 —94) glänzte als Anatom, Grew (1623—1711) als Pflanzenphysiolog, Leeuwenhoek als systematischer Beobachter; und so begründeten gleichzeitig drei Zeit- genossen alle drei Richtungen auf dem Gebiete der orga- nischen Welt. Einer war darin so gross wie der andere; denn was sie gemeinschaftlich, jeder auf seine Weise, be- obachteten und mit Abbildungen belegten, war für eine sehr lange Zeit, mindestens für das ganze folgende Jahr- hundert, die sichere und fast einzige Grundlage der be- treffenden Wissenschaften. Freilich darf man nicht den heutigen Maassstab an ihre Abbildungen legen. Wer sie heute betrachtet, ohne die Zeit ihrer Entstehung zu kennen, würde sie wahrscheinlich für die Producte eines mikro- skopirenden Knaben halten; so roh und unvollständig er- scheinen ihre Umrisse, obgleich man doch nichtsdesto- weniger sogleich den denkenden Geist darin erbliekt, der seine bestimmte Auffassung durch die Bilder hindurch blicken lässt. Dieser Rohheit der Umrisse entsprach natürlich auch die Unvollkommenheit der damaligen Mikroskope. Noch gab es keine achromatischen Linsen, wie sie Frauenhofer in die Mikroskopie und Teleskopie einführte; die da- maligen Linsen waren eben keine aus Crown- und Flint- glas zusammengesetzten, sondern einfache Glaslinsen, ohne die herrliche Eigenschaft, die dunklen und das scharfe Sehen ausserordentlich hindernden Farbenringe des Ge- sichtsfeldes zu zerstreuen, wie sie die achromatischen Linsen in sich tragen. Und es ist wunderbar, wie es Männer geben konnte, die viele Jahre hindurch ihr Augen- licht an so unvollkommene Instrumente wagen konnten, an denen sich selbst später noch so mancher Mikro- skopiker ein Auge aus dem Kopfe sah. Selbst in Bezug auf Vergrösserung würden jene alten Instrumente heute nur noch Kinderspielzeug sein, wenn es sich etwa darum handelte, die Streifung von Diatomeen oder Schmetter- lingsflügeln aufzulösen. Trotzdem war und blieb damals die Anfertigung eines Mikroskopes ein Kunstück seltener Art. Wer sich, wie Leeuwenhoek, ein solches nicht selbst anfertigen, nicht selbst die Linsen mühsam aus Berg- kıystall, Halbedelsteinen oder gar aus Diamant schleifen konnte, der war von allen Forschungen solcher Art ein- fach ausgeschlossen. Bis auf Leeuwenhoeck bediente man sich der zusammengesetzten Mikroskope ohne durch- fallendes Licht, obschon Bonanni im Jahre 1699 letzteres dringend in einer eigenen Schrift über die „mierographia euriosa*“ empfohlen hatte. Sonderbarer Weise führte Leeuwenhoek diese höchst bedeutende Verbesserung ein, ohne doch die Klarheit des Bildes und in Folge dessen die Resultate seiner wissenschaftlichen Erkenntniss darauf zu schieben. Im Gegentheil schrieb er diese seinen 424 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 36. seharfen Linsen, sowie der Zartheit und sorgfältigen Aus- führung seiner Präparate zu. Leeuwenhoek’s Mikroskope bestehen aus zwei Metall- platten, die mittels Stiften dicht aneinder befestigt sind und in einer entsprechenden Vertiefung die Linse fassen. Ein auf die Hinterseite der Platte festgeschraubter Metall- streifen springt über den unteren Rand vor und ist recht- winklig nach vorn gebogen. Durch eine Schraube kann er in beliebige Entfernung zur Platte gebracht werden. Der vorspringende Theil des Streifens ist durehlocht und fasst eine Schraube, welehe den Objeettisch trägt; auch dieser ist verstellbar. Auf ihm sitzt eine um ihre Längs- achse drehbare Metallspitze, der Objeetträger. Beim Be- obachten wurde die Schraubenseite natürlich dem Auge abgehalten und durch die Schrauben, wie durch den drehbaren Objeetträger die Lage des Objects in den Di- mensionen des Raumes geregelt. Nach Abbildungen in dem für die Kulturgeschichte des nördlichen Europas äusserst wichtigen Buche „Heıren Zacharias Konrad von Uffenbach merkwürdige ‘Reisen durch Niedersachsen, Holland und Engelland“ scheinen die Leeuwenhoek’schen Instrumente später durch ihn selbst verbessert worden zu sein. Die Linsen sehliff Leeuwenhoek, wie bereits er- wähnt, selbst, und zwar mit wunderbarer Fertigkeit. Er benutzte dazu neben Glas den sogen. „Amersfoorter Dia- mant“ (Bergkıystall. Auch die Gestelle verfertigte er sich selbst, meist aus Messing, doch auch aus Silber und Gold. Als er starb, hinterliess er 247 vollständige Mikro- skope und 172 Linsen in Platten eingespannt. Von den vollständigen waren 160 von Silber, 5 von Gold. Unter den 26 Mikroskopen, welche Leeuwenhoek der Royal Soeiety zu London schenkte, vergrösserte nach Baker’s Angaben aus dem Jahre 1753 eins 40, eins 53, zwei 57, drei 66, zwei 72, acht SO, drei 89, drei 100, eins 104, eins 133 und eins 160 Mal. Die Objeete wurden entweder mit Leim auf die stachelförmigen Halter geklebt bez. zwischen die pinzetten- förmigen geklemmt oder, wenn es feuchte waren, erst auf ein Täfelehen feinen Glases befestigt. Auch sehr dünne Glasröhrehen, welehe in Spiritus die Präparate enthielten, wurden eingespannt. So sah von Uffenbach Junge Austern. Diese Methode wandte Leeuwenhoek bei Untersuchung der Gegenstände bei durchfallendem Licht an. Er stellte aber auch Mikroskope zum Be- trachten der Objecte bei auffallendem Lichte her, deren Linse im Centrum eines Hohlspiegels lag. Bei seinen Untersuchungen verfuhr Leeuwenhoek sehr einfach. Er verfertigte, wenn es sich nicht um ganze Objecte handelte, hauptsächlich Zupfpräparate; die Methode der Querschnitte, auf die die moderne mikroskopische Technik zum grössten Theil beruht, brachte er bloss bei pflanz- liehen Präparaten und bei Säugethierhaaren in Anwen- dung. Das Macerationsverfahren, d. h. durch Wasser und andere Flüssigkeiten die zu untersuchenden Gewebe zu lockern, wie es der grosse Malpighi schon that, scheint er nicht gekannt, jedenfalls nicht benutzt zu haben. Es ist erklärlich, dass Leeuwenhoek bei seinen Untersuchungen bereits das Bedürfniss nach mikroskopischen Maassbestim- mungen empfand. Er verfuhr bei seinen Grössenangaben vergleichsweise. So nahm er als Einheit ein Sandkorn von 1/3, Zoll Durchmesser an, schätzte danach den Durch- messer eines menschlichen Blutkörperchens auf !/;o, Sand- korn und erhielt also für dessen Grösse Y/;o99 Zoll, was wirk- lich dem Mittelwerth, wie er durch unsere modernen Hilfs- mittel festgestellt ist, genau entspricht. Auch die Blutkörper- chen selbst sowie den Durchmesser der Haare des Menschen (Y/soo Zoll) wendet er zur Bestimmung des Grades der Ver- grösserungen an. Rei seinen Untersuchungen hatte der alte Meister immer acht bis zehn Instrumente zur Hand. ‘Es war natürlich, dass die Zeitgenossen befürchteten, die Kunst, solche Linsen zu verfertigen, könnte mit dem betagten Leeuwenhoek binnen kurzem zu Grabe getragen werden. Darum forderte ihn Leibniz, der für seine Ent- deekungen schwärmte, auf, seine Kunst jungen Leuten zu lehren; Leeuwenhoek aber antwortete: „Ich kann nicht einsehen, dass viel dabei herauskommen würde, wenn man Jungen Leuten das Schleifen der Gläser lehrte; durch meine Entdeekungen und durch das Schleifen der Gläser sind viele Studenten nach Leiden gekommen, und dort sind drei Glasschleifer gewesen, bei denen die Studenten das Schleifen der Gläser erlernen wollten. Aber was haben sie erreicht? Nichts, soviel mir bekannt; weil die meisten Studien darauf hinauslaufen, Geld zu verdienen, sich dureh Gelegenheit Ansehen zu verschaffen. Dieses aber steckt im Glasschleifen, im Entdecken der Sachen, die vor unseren Augen verborgen sind — nicht.“ In diesem Punkte that Leeuwenhoek überhaupt recht geheimnissvoll. Molineux klagt, dass er nur die geringen Mikroskope zu schen bekomme, die besseren nicht; auch der Landgraf von Hessen-Kassel erhielt keins davon in die Hand; dass er in dieser Sache aber nicht con- sequent war, beweist seine Schenkung an die Royal Society; auch der Königin Anna von England verehrte er zwei Mikroskope, und dem Frankfurter Utfenbach gestattete er, Zeichnungen von seinen Apparaten anzufertigen. Einen grossen Theil seiner Untersuchungen verrichtete Leeuwenhoek in seinem ausserhalb der Stadt gelegenen Garten. Denken wir uns, wie er da mit grosser An- dacht sich über einen Beeren- oder Rosenstrauch bückt, um die darauf lebenden Blattläuse zu beobachten. Schon oft hat er dabei gestanden, ohne begreifen zu können, wie diese Thierchen sich so stark vermehrten, da es ihm nie gelang, Bier zu finden. Endlich hatte er das Räthsel gelöst: 1695 entdeckte er die ungeschlechtliche Fortpflan- zung der Blattläuse. Denken wir ihn uns ferner, wie er auf seinem Spaziergange dem Gärtner begegnet und mit ihm die nöthige Verabredung nimmt über den Versuch, Bäume in umgekehrter Richtung, d. h. mit dem Wurzel- ende nach oben zu pflanzen, worüber Constantin Huygens ihm einen Brief geschrieben hatte; oder wie er Inseeten sammelt und diese in dem kupfernen Döschen birgt, welches er stets mit sich führte, um solehe zu Hause näher zu untersuchen, da ihre grossen Augen und deren künstliche Zusammensetzung stets seine Bewunderung er- weckten. Er lebt gleiehsam fortwährend in Verwunde- rung und Bewunderung, in Begeisterung über alles, was er sieht. Ueberall erkennt er das Werk der „vorsich- tigen Natur“, alles ist in seinem Auge eben so voll- kommen wie zweckmässig. Indessen ist seine T'eleologie eine sehr unsehädliche, weit von der Beschränktheit ent- fernt, die wir bei späteren Schriftstellern, sogar noch zu Anfang dieses Jahrhunderts antreffen. Dass es nutzlose, überflüssige Organe giebt, weist er selbst nach. Von der Leichtgläubigkeit und dem Aberglauben vieler seiner Zeit- genossen sagt er, dass diese Leute nicht weiter sehen, als ihre Nase lang ist. Besuchen wir unsern Freund jetzt einmal in seinem Studirzimmer oder, wie er dieses zu nennen pflegte, in seinem „Comptoir“. Es ist nicht gross und hat nur ein Fenster; der Fussboden' ist mit Sand bestreut oder mit einer Matte bedeckt. Da sehen wir eine Menge Sachen, die in einem Comptoir sonst nicht gefunden werden. Zuerst den Tisch eines Glasbläsers mit einer Lampe darauf. Leeuwenhoek hatte nämlich in seiner Jugend auf dem Markte einen Kunst-Glasbläser arbeiten sehen und sich dann selbst in dem Blasen allerlei kleiner Apparate aus Gläsern zu Röhren geübt, die er zu seinen Untersuchungen sehr oft gebrauchte. Dass Leeuwen- hoek sich auch mit Chemie beschäftigte, bezeugen Re- XII. Nr; 36. torten und Kolben; und wenn er auch nicht nach dem Stein der Weisen, noch nach der Kunst Gold zu machen suchte, so versteht er doch Silber und Gold chemisch zu scheiden und das Vorhandensein von Schwefel in dem sogen. Schiefergold nachzuweisen. Auch mit der experi- mentalen Naturwissenschaft beschäftigte er sich. Ein selbst erfundenes Barometer und verschiedene Glasballons mit darin aufgehängter bleierner Kugel und im Wasser treibenden Lacktheilchen, mit denen er die Umdrehung der Erde um ihre Achse und ihre Schwungkraft nach- ahmt, beweisen dies. Dort in der Dose befindet sich ein Quadrant, mit dem er die Höhe des Thurmes, den er aus seinem Fenster sieht, auf 299 Fuss bestimmt. Eine seiner grössten und frühesten Entdeekungen (1675) ist die der Infusorien, welche er in einem Aufguss von Wasser auf Pfeffer fand. Er suchte nach der Ursache des Geschmacks dieses Gewürzes und glaubte diese in verschiedenen spitzen Krystallen verschiedener Form gefunden zu haben. Unter dem Mikroskop konnte er aber in jenem Aufguss keine Spur der erwarteten, scharfeekigen Krystalle entdecken, wohingegen er ein Gewimmel rundlicher, durchscheinender Körperchen wahrnahm, die in allerlei Richtungen durch- einander schwammen, sich gleichsam verfolgten, ihre Gestalt veränderten, Theile ausstreckten und einzogen. Konnten dies Thiere sein? Wenn je, dann sind sie viel tausendmal kleiner als eine Käsemilbe, welehe man bis dahin für das kleinste lebende Geschöpf hielt. Eine stärkere Linse zeigte ihm, dass es wirklich Tierchen sind, ja er entdeckt noch dreierlei andere, die noch be- deutend kleiner sind, „mehr denn tausendmal kleiner als das Aeuglein einer Laus.“ Am 9. Oktober 1676 machte Leeuwenhoek der Royal Society von seiner Entdeckung Mittheilung. Die Mitglieder der Gesellschaft, darunter Grew und Hooke, deren mikroskopische Untersuchungen sehr bekannt waren, empfingen die unerhörte Mittheilung mit grösstem Misstrauen, welches dadureh nicht ab- geschwächt wurde, als es ihren wiederholten Experi- menten nicht gelang, mit dem besten ihnen zur Verfügung stehenden Mikroskope die vermeintlichen Thiere wahrzu- nehmen. Erst am 15. November 1677 gelang es Hooke mittels eines neuen von ihm konstruirten Mikroskopes die Thierchen im Pfefferaufguss zu entdecken. Er zeigte solehe der Versammlung und diese hielt die Sache für so interessant, dass ihre Mitglieder das darüber aufge- nommene Protokoll sämmtlich unterzeiehneten. In der Folgezeit wurde diese Entdeckung aber doch nicht ge- würdigt, und 1695 beklagt sich Leeuwenhoek noch, dass man sie in Deutschland nicht anerkenne. Diejenigen, welche im ersten halben Jahrhundert nach Leeuwenhoeks Tode das Mikroskop zur Untersuchung dieser kleinen Ge- schöpfe benutzten (Baker en Needham in England, Jablot in Frankreich, Ledermüller von Gleichen, Schaeffer, Rösel und Eiehhorn in Deutschland) führten die fraglichen Kennt- nisse nur wenig weiter; höchstens, dass Ledermüller den Thierchen ihren seither gebräuchlichen Namen „Aufguss- thierchen“ gab. In dem Auftreten der Infusorien in den betreffenden Aufgüssen, auch aus dem Regenwasser hatte man sie bereits kennen gelernt, glaubte man einen Beweis der Urzeugung, der generatio spontanea oder aequivoca gefunden zu haben. Diese Auffassung verwirft aber Leeuwenhoek. Nach seiner Meinung ist das „EHimmels- wasser“, das durch die Sonne nach oben gezogen wird und das die Wolken bildet, vermengt mit den Keimen der Infusorien, die durch den Regen, vielleicht auch ein- fach dureh die Luft, überall hingetragen werden können. Zugleich entdeckt er auch die Fortpflanzung der Aufguss- thierchen durch Theilung. Einiger seiner zoologischen Entdeckungen sei hier noch gedacht. Er sah zuerst den Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 425 Wasserpolyp; er beobachtete als erster die Räderthierchen; an den Kiemen der Auster entdeckte er das Flimmer- epithel, und in der Rosenblattlaus findet er die Larve einer Schlupfwespe auf (Aphidus), deren Beobachtung ihm bis zur Entwickelung gelingt. Er weiss, dass die Galläpfel ihre Entstehungsursache einem Wespenstiche verdanken und kennt die Ameisenmetamorphose ganz genau. Dass die Fische bei guter Ernährung fortwährend wachsen, ist ihm nicht unbekannt und Floh, Laus, Ranken- füsser, Miesmuscheln, Austern, Kaulquappen u. s. w. geben ihm reichen Stoff zu feinsten anatomischen Unter- suchungen. Nicht weniger zahlreich sind seine Ent- deekungen auf rein anatomischem Gebiete. Die Bausteine der thierischen und pflanzlichen Organismen sind ihm wohl bekannt, er nennt sie „Globulen“, doch ist ihm die grosse Bedeutung der Zellen, welche Schwann erst 116 Jahre nach seinem Tode feststellen sollte, vollständig unbekannt. Die Spermatozoön hat er zwar nicht ent- deckt, doch hat er zahlreiche und interessante Beobach- tungen an ihnen gemacht. Von ausserordentlicher Be- deutung sind seine Untersuchungen über das Blut und den Blutkreislauf. Die Blutkörperchen waren allerdings schon 1650 von dem alten Jesuitenpater Athanasius Kircher aufgefunden, der sie allerdings als Parasiten auffasste, während sie Leeuwenhoek als Theile des rothen Saftes erkannte. Er fand auch die verschiedenen Formen der Blutkörperchen: die ovalen bei Fischen, Fröschen und Vögeln und die runden bei Säugethieren und Menschen. Er weiss, dass das Blut in den Arterien lebhafter rot ist als in den Venen. Auch die wirbellosen Thiere sind nicht, wie man glaubt, blutlos; sie haben meist weisses Blut (Krebs, Krabbe, Spinne), die grüne Heuschrecke aber hat grünes. Im Jahre 1683 entdeckte Leeuwenhoek die Kapillargefässe und die Bewegung des Blutes in den- selben. Von allen anderen Entdeekungen auf zoologischem Gebiet wollen wir hier absehen und nur noch wenige Worte über seine Seh - Theorie mittheilen. Das Wesen der Netzhaut war ihm selbstverständlich unbekannt. Nach ihm besteht der Sehnerv aus einem System von Fasern, gefüllt mit feinsten, dieht aneinander liegenden Kügelchen. Das Bild, das unser Auge empfängt, stösst zunächst auf die am weitesten nach aussen liegenden Kügelchen, diese Bewegung pflanzt sich zentripetal von Kügelchen zu Kügelehen fort und wird so der Substanz des Gehirns übermittelt. Auch seiner Entdeckungen auf botanischem Gebiete müssen wir hier gedenken: er entdeckte die Spiralgefässe, die Treppengänge und die Tüpfelgefässe der Pflanzen und beschrieb den Unterschied des Baues beim monokotyledonen und dikotyledonen Stamm. Die Delfter waren im Grossen und Ganzen zwar stolz auf ihren gelehrten Mitbürger, ehrten ihn aber mehr platonisch; dafür standen aber die besten Geister des In- und Auslandes mit ihm in Verkehr. Der einzige Swammerdam, der berühmte Renier de Graaf, der grosse Boehaave, Huygens, der grösste Physiker und Astronom seiner Zeit und der gelehrte Herausgeber seiner Werke ’s Gravesand verkehrten in Leeuwenhoek’s Haus; mit Bohemia Grew, Robert Hooke und vor Allem mit Leibniz stand er in gelehrtem Briefwechsel. Holland und Leeuwen- hoek gehörten damals zusammen wie Rom und der Papst, und die fürstlichen Gäste des Haag fanden auch Zeit, Leeuwenhoek in seinem „Comptoir“ aufzusuchen bezw. ihn nach der Residenz hin einzuladen. Der deutsche Kaiser Karl VI, dem er den 1. Band seiner gesammelten Briefe widmete, schiekte keinen geringeren als seinen Hofkämmerer, den Fürsten Lichtenstein, nach Delft, um den alten Mikroskopiker zu ersuchen, nach dem Haag zu kommen. Eine Begegnung fand indess nicht statt, da der Kaiser Holland plötzlich verlassen musste. Wohl aber 426 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 36. hatte Leeuwenhoek mit Peter dem Grossen eine Unter- redung. In seinem eigenen Hause begrüsste er die Könige Karl II. und Georg I. und die Königin Maria II. von England, den König Friedrich I. von Preussen, König August den Starken von Polen- und Kurfürst von Sachsen, den Kurfürsten von der Pfalz, den Herzog Anton Ulrich von Braunschweig, den Landgrafen von Hessen -Kassel u. A. als Gäste. Diese gekrönten Häupter wussten auch den eitlen, alten Herrn zu ehren, wie er selbstgefällig erzählt. Der Landgraf von Hessen sandte ihm einen kostbaren, silbernen Becher, und der Herzog von Braunschweig liess zwei Medaillen mit seinem Bildniss prägen, die er Leeuwenhoek, gewissermaassen als Orden, übermitteln liess. Auf Ver- anlassung der Universität Löwen wurde eine silberne Denkmünze geschlagen, die auf der Vorderseite das Portrait Leeuwenhoeks trug und auf der anderen Seite eine symbolische Darstellung und eine Fernsicht auf die Stadt Delft zeigte mit der Umschrift: „In tenui labor at tenuis non Gloria“. Als man ihm dieselbe 1716 nebst einem lateinischen Lobgedicht überreichte, sagte er zu den Professoren: „Wenn ich an das viele Lob denke, welches Sie in Ihrem Briefe und in dem Gedicht mir melden, so werde ich nicht nur schamrotb, sondern meine Augen werden nass; denn meine Arbeit, die ich viele Jahre hintereinander verrichtete, lechzte nicht nach der Anerkennung, die ich jetzt geniesse, sondern entquoll dem Durst nach Wissen, der, wie ich merke, in mir mehr wohnt, als in vielen anderen Menschen.“ Ueber die Anneliden, welche durch Expeditionen des „Talisman“ und des „Travailleur“ im vergangenen Jahre gesammelt wurden, berichtet Louis Roule, Pro- fessor der Zoologie zu Toulouse, in den „Comtes rendus de l’Acad. des Se.“ 1898, I. Hälfte, S. 1166. Es wurden im Ganzen 14 Arten gefunden; eine davon gehört zur Gattung Vermilia, also zu den festsitzenden Polychaeten, alle andern leben frei. Von den aufgefundenen Species sind 7 Arten schon bekannt und beschrieben; es sind dies Letmonice filicornis, Polynoe synophthalma, Eunice günneri, Lumbrieonereis latreillei, Hyalinecia tubieola, Tyrrhenä atlantica und Syllis setubalensis. Die übrigen 7 Arten sind neu, und zwar gehören folgende 5 in schon bekannte Gattungen: Aphrodite perarmata, Polynoe mierophthalma, Harmothoe talismani, Hyalineeia edwardsi, Vermilia fal- cigera. Für die beiden übrigen Species mussten neue Gattungen geschaffen werden. Die eine neue Gattung ist Aphroditella, nahe verwandt mit Aphrodite, doch stehen ihre Bauchborsten in Kämmen. Dem Genus Letmonice steht die neue Gattung Letmonicella nahe, der Körper ist aber bedeckt mit einem vollständigen Rückentegument. Diese beiden Gattungen stellen eine sehr natürliche Ver- bindung her zwischen Aphrodite und Letmoniee. Am häufigsten wurden gefunden Eunice günneri und Hyali- neeia tubieola. Die erstere lebt in Commensalismus mit zwei Kalkpolypen, Lophohelia prolifera und Amphihelia oeulata, die beide in grösseren Tiefen gemein sind. Hyal. tubicola bewohnt eine selbstverfertigte, an beiden Enden offene, eylindrische Röhre aus einer hornartigen Masse. Vielleicht ist die grosse Häufigkeit der beiden genannten Würmer dadurch zu erklären, dass die eine Art bei Kalk- polypen Unterschlupf sucht, während die andere sich eine feste Schutzröhre baut. — Die meisten Anneliden wurden in Tiefen zwischen 500 und 2000 Metern gedredscht; Hyal. tubieola steigt aber bis 30 Meter empor, während Hyal. edwardsi in 4255 Meter Tiefe gefunden wurde. Alle gefangenen Thiere gehören der nördlichen Hälfte des Atlantischen Oceans an, nur die beiden häufigsten Arten fanden sich aueh im Mittelländischen Meere, und Hyal. tubicola auch im Stillen Ocean. S. Seh. Ueber das Auftreten des rothen Schnees in Nor- wegen giebt „Naturen“ (XXII, 4) Folgendes an: Diese Erscheinung, die durch die einzellige Alge Chlamidococeus nivalis hervorgerufen wird, ist auf den Gletschern der Westküste häufiger beobachtet worden, besonders auf dem Folgefonnen und Justedalsgletscher, zuweilen auch auf dem Aalfot- und den umliegenden Gletschern. Während nun die Färbung des Scehnces gewöhnlich nur in einem leicht röthlichen Schein besteht, wurde von K. Bing beim Tindefjeld in Opstrin der Schnee purpurroth gefärbt ge- funden. Eine so tiefrothe Färbung ist in Norwegen äusserst selten, in den arktischen Gegenden, besonders auf Spitzbergen, ist sie hingegen recht häufig. Der rothe Schnee tritt jedoch nicht nur auf den Gletschern auf, sondern auch auf den grossen Schneedünen, die im Laufe des Sommers nicht vollständig schmelzen, dies wurde z. B. bei Normandslugen im Hardangergebirge beobachtet. G. Adam. „Ueber die neuere Entwicklung der Flammen- beleuchtung“ hat H. Bunte am 22. November 1897 einen fesselnden Vortrag vor der Deutschen chemischen Gesellschaft gehalten. Redner verwies zunächst darauf, dass seit Prometheus der Sage nach den göttlichen Funken vom Himmel entwendet, die Flamme viele Jahrhunderte hindurch mehr Gegenstand des religiösen Cultus als Be- leuchtungsmittel gewesen sei. Erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts war nach der richtigen Erkenntniss des Verbrennungsprozesses eine Basis für eine zielbewusste Verbesserung der Flammenbeleuchtung geschaffen. Murdoch, der geniale Erfinder des Steinkohlen-Leucht- gases, hatte sich mit James Watt zu gemeinsamer Arbeit verbunden und mit den verbesserten Dampfmaschinen zogen aus der Maschinenfabrik von Soho bei Birmingham die ersten Anlagen für Gasbeleuchtung in die Welt. Mitte der zwanziger Jahre hielt das Leuchtgas seinen Einzug in den deutschen Grossstädten, überall wo es er- schien, lauten Jubel verbreitend, und fast ein halbes Jahr- hundert hat das Gas und Petroleumlicht seine Herrschaft behauptet. Erst Ende der siebziger Jahre erwuchs dem che- mischen Licht ein mächtiger Rivale in dem elektrischen Licht; von da ab entspinnt sich ein erbitterter Wettkampf, dessen Zeugen wir noch heute sind. — Zu den Fortschritten, die in der Herstellung des Leuchtgases in den letzten zwanzig Jahren gemacht worden sind, gehört in erster Linie die Einführung der Gas- feuerung für die Heizung der Retortenöfen, durch welche der Uebergang von den Oefen mit horizontalen Retorten zu solehen mit geneigten Retorten vorbereitet wurde. Diese und zahlreiche andere Verbesserungen haben neben gründlicher Reinigung des Gases, vornehmlich auf die vollständige Gewinnung und Verwerthung der Neben- produete: Koke, Theer, Ammoniak und Öyan hingewirkt. So entstand in den achtziger Jahren besonders in Westfalen und Schlesien eine der Gasindustrie nahe verwandte Technik, die Kokerei mit Gewinnung der Nebenproduete, die Destillationskokerei, bei der Koke, Theer, Ammoniak und Cyan die Hauptproduete repräsen- XII. Nr. 36. tiren, während das Gas, nach Entziehung des werthvollen Benzols durch Waschen mit Oel, zum Heizen der Koke- öfen verwandt wird. Die Mengen des so gewonnenen Benzols waren so gross, dass der Preis trotz des steigenden Verbrauchs der Theerfabriken auf 25 Mark pro 100 kg. herabsank. Nichts lag näher als der Gedanke, diese reichliehe Quelle von Benzol, dem wichtigsten Liechtträger der Gasflamme, statt der theuren Zusatzkohlen „Cannel und Boghead“ zur Erhöhung der Leuchtkraft des Stein- kohlengases zu verwenden. Die Carburation oder Benzo- lirung des Leuchtgases, die schnell in Deutschland Eingang fand, ist eine l'olge dieser Erkenntniss. Wesentlich anders als in Deutschland hat sich in Amerika die Gaserzeugung während der letzten Jahrzehnte entwickelt; die Verarbeitung der Erdöle auf Brennpetro- leum lieferte dort jährlich steigende Massen leichter Oele und schwersiedender Rückstände, die direkt zur Beleuch- tung niebt Verwerthung finden können. Durch Mischen der Dämpfe dieser Oele wie ihrer Zusetzungsproducte mit nieht leuchtendem Wassergass wird in der Mehrzahl der amerikanischen Städte und in der Jüngsten Zeit auch in England, Belgien, Holland und Dänemark leuchtkräftiges „earburirtes Wassergas“ erzeugt. Nachdem Davy 1819 die Theorie der Leuchtflammen entwickelt und hieraus die bis heutigen Tags gültigen Grundgesetze hergeleitet hatte, verstrich mehr als ein halbes Jahrhundert, bevor die Flammenbeleuchtung durch Sehnitt- und Rundbrenner, die 10—12 Kerzen Leuchtkraft besassen, umgestaltet und verbessert wurde. Erst die Einführung des elektrischen Bogenlichtes durch Hefner- Alteneck schuf Ende der siebziger Jahre einen Wandel; Friedrich Siemens übertrug das Prineip der Regeneration, der Vorwärmung der Verbrennungsluft auf die Leucht- flammen und schuf in den Regenerativ- und Invertbrennen ein Flammenlicht, das erfolgreich mit den elektrischen Bogenlampen coneurriren könnte. Da trat Edison im Jahre 1881 auf der Pariser Ausstellung mit seinen elek- trischen Glühlampen in die Oeffentlichkeit. Die Möglich- keit in geschlossen Räumen eine unbegrenzte Helligkeit durch Vermehrung der Lampen zu erzielen, ohne durch die Hitze des Gasflammenlichtes, die einer Steigerung des Lichtefiektes sehr bald eine Grenze setzt, belästigt zu sein, liess Stimmen laut werden, die das Gas fortan aus- schliesslich in das Capitel der Heizung verwiesen wissen wollten. Doch gerade diese Heizkraft des Bunsenbrenners sollte der Ausgangspunkt für eine neue Epoche der Flammenbeleuchtung werden. Um die Jahreswende 1885/86 durchlief die Tages- presse die Kunde einer wichtigen Entdeckung Auer von Welsbach’s, die eine Umwälzung auf dem Gebiete des Beleuchtungswesens bedeute. Ein kegelförmiges Aschen- skelett der Edelerden Cer, Lanthan, Didym, Thor, Zirkon ete. sollte, durch die Hitze eines Bunsenbrenners zur Weissgluth erhitzt, ein intensives Licht austrahlen. Die Zukunft dieser trefflichen Erkenntniss schien indessen in argen Zweifel gestellt, denn die Beschaffung grösserer Mengen der genannten äusserst seltenen Erden, die mit Gold aufgewogen wurden, schien schon an sich ein Hinderniss für die praktische Durchführung der Auer’schen Idee zu werden. Da trat im Beginn unseres Jahrzehntes ein gänzlicher Umschwung der maassgebenden Verhält- nisse ein. Die seltenen nordischen Mineralien: Cerit, Thorit, Monazit, aus denen die Edelerden bislang nur in geringen Mengen erhalten werden konnten, wurden auf den Goldfeldern in Brasilien, Australien, in Nordamerika und am Ural in mächtigen Sandschichten aufgefunden. Tausende von Tonnen der Monazit-Sande wanderten in die Arbeitsstätten der Chemiker, es entstand die Industrie der Edelerden. Kilogrammweis und relativ zu niedrigen Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 427 Preisen kamen die Salze der Cer- und Thorgruppe in höchster Reinheit in den Handel. Alle Zweifel waren behoben, bald strahlten ungezählte Glühstrümpfe 4—5 fache Helligkeit bei geringem Gasconsum aus. Bei 100 L. Gas- verbrauch war das Auerlicht mit 50—70 Kerzen Leucht- kraft nach dem elektrischen Bogenlicht zum billigsten und hellsten Lieht geworden. Die Frage nach der Ursache des starken Leucht- vermögens der Glühstrümpfe trat bei dem Hasten nach praktischem Erfolg zunächst ganz in den Hintergrund. Man maass den seltenen Erden einfach ein grosses „Licht- emissionsvermögen“ bei relativ niedriger Temperatur bei; ebenso wenig fanden die Erklärungen von Lewes, der einen Uebergang der Strumpfbestandtheile in den kry- stallinischen Zustand annahm und die von Drossbach, der eine besondere Resonanz der Erden für Liehtwellen in Betracht zog, Anklang. Auer von Welsbach hatte schon anfänglich die Er- fahrung gemacht, dass bestimmte Mischungen der Erden „Erdlegirungen* ein besonders hohes Liecht-Emissions- vermögen besassen. Das Wesen des Glühlichtes war dadurch nicht aufgeklärt und auch der Nachweis von Contakt oder katalytischen Vorgängen an dem Glühkörper durch Killing machte die Annahme einer besonderen Liehtemission zur Erklärung der Thatsachen nöthig. Redner hat bereits gelegentlich einer kurzen Mit- theilung in der Deutschen chemischen Gesellschaft am 15. April 1396, die Ansicht ausgesprochen, dass die Ur- sache der intensiven Lichtwirkung lediglich durch eine sehr hohe Temperatur bedingt sei. Diese Anschauung hat durch die einschlägigen Untersuchungen Bestätigung gefunden. Es dürfte zunächst am Platze sein, die Entstehung eines Glühstrumpfes näher ins Auge zu fassen. Man be- dient sich dazu eines feinen, gut gereinigten Tüllgewebes, das mit einer Lösung von Nitraten der Erden getränkt und dann getrocknet wird. Jetzt steckt man den so präparirten Strumpf über ein cylindrisch geformtes Holz, reckt ihn, hängt ihn an einem eisernen Draht auf und erhitzt den oberen Theil mit einer Bunsenflamme; hierbei verglimmt das organische Gewebe, es hinterbleibt ein weisses Aschenskelett, das zuletzt in der Pressgasflamme geformt und gehärtet wird. Neben geringen Mengen unwesentlicher Bestandtheile enthalten die brauchbaren Glühkörper 98—99 pCt. Thor und 1—2 pCt Cer. Die Leuchtkraft von Strümpfen, die aus reinem Thor oder Cer bestehen, ist beträchtlich niedriger, sie stellt sich bei 100 L stündlichem Gasver- brauch für erstere nur auf 2HK und für letztere auf 6—7HK, während eine Mischung der beiden Erdmetalle in obigem Verhältniss Glühmäntel liefert, die ein Licht von 50—80 Kerzen aussenden. War der Grund dieses merkwürdigen Verhaltens in einem der Erdlegirung eigenen „Lichtemissionsvermögen“ zu suchen, dann musste sich das leicht ergeben, wenn man das Strahlungsvermögen der Legirung wie der ge- sonderten Componenten unter Ausschluss von Verbrennungs- erscheinungen mit anderen Körpern wie Kohle, Ma- gnesia ete. verglich. Versuche, die zur Aufklärung der Frage in einem elektrischen Kurzschlussofen angestellt wurden, zeigten bei Kohle, Magnesia, reinem Cer, Thor und der Auermischung nur geringe Unterschiede des Strahlungs- vermögens, so dass die Annahme eines ungewöhnlich hohen Lichtemissionsvermögens der Auer’schen Glühkörper binfällig wurde. Die katalytische oder Contaktwirkung der Edelerden ist eine der Ursachen der Leuchtintensität der Auer’schen Glühkörper; durch diese Contaktwirkung, das heisst, durch die beschleunigte Verbrennung der Gasmoleküle bei Be- . 428 rührung mit dem Glühstrumpf wird eine Steigerung der Flammentemperatur an dem Mantel des Glühkörpers er- zielt, sodass derselbe in intensives Glühen geräth. Die katalytische Wirkung, die besonders schön bei Glüh- körpern, denen eine Spur Iridium oder Platin zugesetzt ist, auftritt, lässt sich sehr leicht beobachten. Löscht man einen Auer-Brenner und öffnet den Gashahn alsbald wieder, so fängt der Strumpf durch die neu eingeleitete Verbrennung zu glühen an und entzündet seinerseits das Gas. Untersucht man nun die katalytischen Eigenschaften von Thorium und Ceroxyd, dann ergiebt sich, dass T'hor- oxyd auf die Verbrennung von Wasserstoff und Sauerstoff in Luftmischung absolut keinen Einfluss ausübt, während Ceroxyd die Entzündungstemperatur um fast 300° herab- setzt und beide Gase zwingt, sich bei 350°, wo sie unter normalen Verhältnissen unverbunden nebeneinander be- stehen würden, zu vereinigen. Hieraus folgert sich die Wirkung des Ceroxyds auf die Flammengase in einfacher Weise: Durch die schnelle und energische Vereinigung von Wasserstoff und Sauer- stoff und durch die Verbrennung der stark vorgewärmten Gase entsteht eine so hohe Temperatur, dass das Oxyd in äusserst heftiges Glühen geräth. Man sollte nun zunächst glauben, dass ein Strumpf aus reinem Ceroxyd den besten Glühkörper abgäbe, dem ist indessen nicht so. Dieser Widerspruch lässt sich am Platin, das be- kanntlich starke Contaktwirkung zeigt, am besten auf- klären; bringt man ein ‘dem Auer-Strumpf ähnlich ge- formtes Platinnetz in die Bunsenflamme, so geräth das- selbe nur in schwaches Glühen; vermöge der guten Wärmeleitung des Netzes kommen Temperaturmaxima an einzelnen Stellen der Flamme nicht zur Geltung, gleichen sich allerseits aus und ertheilen dem Netz eine mässige Mitteltemperatur. Führt man dagegen einen haarfeinen Platindraht in die Flamme ein, so wird derselbe dank seines geringen Querschnitts, der eine rasche Abführung der Wärme behindert respektive verzögert, an einzelnen Stellen zum Schmelzen gebracht, was einer Temperatur von ca. 1800% entspricht. Würde man nun katalytische Substanzen, Platin, Cer, in der Flamme auf einem schlechten Wärmeleiter feinst vertheilt isoliren, so würden wir sicherlich Temperatur- maxima und Hand in Hand damit intensive Liehtwirkung erhalten. Diese Rolle des Isolators hat bei den Auerstrümpfen das Thoroxyd übernommen; an den Certheilchen, die ge- wissermaassen auf Milliarden feinster Fäserchen von Thor- oxyd verstreut sind, entstehen Temperaturmaxima, die weit über 2000° liegen und einen blendenden Lichtglanz be- dingen. Ein Einwand, dass die geringe Cermenge der Strümpfe zu gering ist, um eine derartige Lichtwirkung zu erzeugen, lässt sich durch Betrachtung der bezüglichen Verhältnisse bei unseren gewöhnlichen Gasflammen schell widerlegen. Es lässt sich durch Rechnung leicht nachweisen, dass in der Gasflamme eines Schnittbrenners, der bekanntlich seine Leuchtkraft aus dem Gas abgeschiedenen und zur Weissgluth erhitzten Kohlepartikelehen verdankt, in jedem Augenblick nur 1, mg glühender Kohlenstoff in Er- scheinung tritt und die enorme Helligkeit von 20HK ent- wickelt. Die Menge des Cers in dem Glühmantel, die etwa 40 mal so gross ist als die glühende Kohlenstoffmenge in der leuchtenden Flamme eines Schnittbrenners, scheint demgegenüber hoch genug, die Leuchtkraft eines Auer- brenners von 70 Kerzen zu erklären. Obgleich das Thor an sich zur Leuchtkraft nicht Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 36. beiträgt, so ist doch seine Gegenwart für die Lichtent- wicklung von grösster Wichtigkeit. Würde das Thor gleichfalls eine katalytische Wirkung ausüben, dann würde sich die Verbrennung auf dem ganzen Strumpf ausbreiten und nur eine mässig hohe Temperatur, das heisst, ein mattes Erglühen herbeiführen. Eben weil das Thorskelett indifferent bleibt, keine intensive Verbrennung herbei- führende Wirkung ausübt, eoncentrirt sich dieselbe auf die Certheilehen, die schliesslich in die stärkste Weiss- gluth gerathen. Die Verbrennung im Gasglühlicht voll- zieht sich somit an einem feuerbeständigen Körper, der dauernd Licht zu emittiren vermag. Dass der Glühkörper bei längerer Benutzung an Leuchtkraft verliert, hat einer- seits seinen Grund darin, dass durch den Gasstrom all- mählich Thorfäserechen mechanisch losgelöst und mit-. gerissen werden, andererseits darin, dass die Masse mit Staubtheilehen, die aus der umgebenden Luft auffliegen, zusammen sintert, wodurch die Wärmeleitung vergrössert wird. Ob die immerhin kostspieligen Stoffe Cer und Thor durch leichter zugängliche ersetzt werden können, kann zur Zeit nicht entschieden werden. Da die Leuchtkraft des Gasglühlichts von der Inten- sität der Verbrennung an den Certheilchen des Mantels abhängt, muss vor allem für eine zur Verbrennung hin- reichende Luftmenge in der Mantelzone gesorgt werden, man erreicht das neuerdings zweckmässig dadurch, dass man den Strümpfen eine oben offene Form giebt. Dass die Erzeugung von Glüblicht nicht von Leuchtgas als Wärmequelle abhängig ist, ist genügend bekannt, ich er- innere an dieser Stelle kurz an das Petroleum- und Spiritusgasglühlicht. Dem Zusammenwirken von Elektrotechnik und Chemie verdanken Caleiumearbid und Acetylen, der jüngste, hoff- nungsvolle Spross der Flammenbeleuchtung, ihre Entstehung. Bekanntlich hat vor drei Jahren der Amerikaner Wilson begonnen, das Caleiumcarbid nach dem Vorgange Moissans im elektrischen Glühofen technisch herzustellen. Das Acetylen, das aus dem Caleiumearbid durch einfaches Uebergiessen mit Wasser gewonnen werden kann, ist ein durehaus einheitliches Gas; es gehört in die Reihe der ungesättigten Kohlenwasserstoffe dreifacher Bindung und besitzt die Formel: CH || CH ; Seine Entflammungstemperatur liegt 480° niedriger, als die aller anderen Gase, bei 700° zerfällt es unter Abscheidung von Kohlenstoff und giebt in Luft verbrannt eine Maximaltemperatur von 2420°. Diese ausserordentlich hohe Verbrennungstemperatur und die grosse Menge in der Hitze sich ausscheidenden Kohlenstoffs bedingen die Leuchtkraft des Acetylens; seine Heizkraft ist doppelt, seine Leuchkraft 14 mal so gross als die des Steinkohlen- gases. Obgleich sich die früher vermuthete, hohe Giftigkeit des Acetylens nicht bewahrheitet hat, steht doch die Ex- plosionsgefahr der Acetylengasmischungen der praktischen Verwendung hindernd im Wege. Während beim Leucht- gas nur Mischungen, die zwischen 7—30 pCt Leuchtgas enthalten, explosiv sind, erstreckt sich die Explosions- gefahr für Acetylen und Luft auf beinahe alle Mischungs- verhältnisse; nur Gemische mit weniger als 5 pCt Acetylen und weniger als 20 pCt Luft können nicht zur Explosion gebracht werden. Unter einem höheren Drucke als dem von 2 Atmosphären zeigt das Gas, das zu den endother- mischen Verbindungen gehört, auch ohne Luftbeimischung Neigung unter Wärmebindung und Explosion in Kohlen- stoff und Wasserstoff zu zerfallen. In besonders hohem XII. Nr. 36. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 429 Maasse tritt diese Eigenschaft bei dem verflüssigten Ace- tylen auf, man hat deshalb von seiner Verwendung in der Praxis wieder abgesehen und verwendet augenblicklich ausschliesslich das Carbid, das durch Zusatz von Wasser unter Freiwerden von Acetylen nach folgender Gleichung zersetzt wird: CaC, + 2H,0 = Ca0 - H,0 + C,H,. Dieser höchst einfache Vorgang ist indessen von einer starken Wärmeentwicklung begleitet, die sich mit- unter bis zur Entzündung des Acetylens steigern kann. Zahlreiche Mittel und Wege zur Beseitigung der mannig- fachen Schwierigkeit sind vorgeschlagen und zum Patent angemeldet worden, ohne dass es bis jetzt gelungen wäre, das Problem vollkommen zu lösen. Dürfte auch eine direkte Coneurrenz des Acetylens mit dem Leuchtgas fürs Erste ausgeschlossen sein, so dürfte es andererseits an Verwendung für dieses Be- leuchtungsmittel nicht fehlen; so hat es bereits für die Be- leuchtung von Eisenbahnwagen Boden gewonnen. Zu einer guten Beleuchtung eines Eisenbahnwagens mit etwa 200 Kerzen 10 Stunden lang würden für 2000 Kerzenstunden rund 15 cebm. Leuchtgas 8 ebm Fettgas (ein aus Paraffinölen erzeugtes, sogenanntes schweres Leuchtgas) und nur 1,5 cbm. Acetylengas erforderlich sein. Der grosse Vortheil, den das Acetylen in Folge seines geringen Volumens für diese Art mobiler Beleuchtung bietet, ist klar ersichtlich, doch hat man wegen der Explosionsgefahr und der leiehten Verstopfung der Brenner von der Verwendung reinen Acetylengases vorläufig ab- gesehen und verwendet augenblicklich ein Gemisch von Fettgas und Acetylen. Gelingt es aber, und daran ist wohl kaum zu zweifeln, das Problem der Acetylenentwicklung aus Caleiumearbid befriedigend zu lösen, dann dürfte auch der Acetylen- beleuchtung ein lohnender Absatz eröffnet sein, denn das Caleiumcarbid, das einen eminenten Licht-Accumulator darstellt, nimmt dort, wo wie bei der mobilen Beleuchtung das Transportgewicht wesentlich in Betracht kommt, gegenüber dem elektrischen Aceumulator eine besonders günstige Stellung ein. 1 kg Caleiumearbid liefert näm- lich Acetylen im Beleuchtungswerth von 420 Kerzenstunden, 1 kg Transportgewicht der Bleiaceumulatoren dagegen nur 14 Kerzenstunden. — Trotz der Steigerung der aus dem Gas erhältlichen Lichtmenge, trotz der Coneurrenz des elektrischen Lichtes hat der Gasconsum sich nieht vermindert, sondern ist in dem letzten Vierteljahrhundert stärker gewachsen als je zuvor; das elektrische Licht hat dem chemischen Licht nicht den Untergang gebracht, sondern eine neue glän- zende Periode des Fortschritts eingeleitet. Hoffen wir, schloss der Redner, dass der Wettstreit der verschiedenen Beleuchtungsarten nicht mit der Verdrängung der einen durch die andere enden, sondern unter der Devise „Mehr Lieht“ beitragen wird zur Hebung des Culturstandes der menschlichen Gesellschaft in geistiger und materieller Hinsicht. Dr. A. Speier. Das Muscarin, das Gift des Fliegenschwammes, Amanita muscaria L., hat nach der „Revue seientifique“ vom 30. April 1895 Le Dantee studirt. Wird der Pilz in kleine Stücke geschnitten und 12 bis 24 Stunden lang in eine Salzlösung von 30 pro Mille gelegt, dann zwischen ein leinenes Tuch gebracht und ausgedrückt, so hat er seine giftigen Bestandtheile verloren; ein Hund, dem Le Dantee derartig präparirten Fliegenpilz zu fressen gab, zeigte nicht das geringste Unwohlsein, dagegen machten sich bei Thieren, denen das Salzwasser, in welchem die Pilze gelegen hatten, injieirt wurde, deutliche Anzeichen der Vergiftung bemerkbar. Der giftige Bestandtheil des Fliegenpilzes ist nicht ein Toxalbumin, denn die Symptome der Vergiftung treten auch auf bei Injection von ab- gekochtem Salzwasser, in welchem Pilze gelegen haben. Die Vergiftungserscheinungen sind nicht bei allen Thieren dieselben, daraus erklärt sich die frühere Annahme, dass im Fliegenpilz mehrere wirksame Gifte enthalten wären. Die vollständige Reihe der Symptome der Vergiftung durch Muscarin, wie sie sich z. B. bei dem Hunde zeigt, ist folgende: Röthung der Bindehaut, Thränen der Augen, Speichelfluss, Erbrechen, Diarrhöe, Herz- und Pulsschwäche, Sinken der Körpertemperatur; bei dem Menschen tritt oft noch Delirium hinzu. Bei Meerschweinchen und Kaninchen werden Erbrechen und Diarrhöe nicht beobachtet, und bei dem Frosch beschränkt sich die Wirkung des Giftes auf die Lähmung der Herzthätigkeit. Im Allgemeinen wirkt das Muscarin bei jüngeren Tbieren und Menschen stärker als bei älteren. Reichlicher Ausfluss von zähem Speichel aus dem Munde ist bei dem Menschen das beste Er- kennungszeichen für eine Muscarinvergiftung. Tannin- lösung, Jodpräparate und Olivenöl sind als Gegenmittel völlig unwirksam; auch besitzt das Serum der Thiere, welehe man dem Muscarin gegenüber als immun ansieht, wie Schaf und Schwein, keine antitoxische Wirkung, da- gegen wirkt das Atropin immunisirend. Sind bei einem Kranken die Vergiftungserscheinungen, wie sie oben an- gegeben sind, noch nicht aufgetreten, so hilft eine sub- cutane Injection von schwefelsaurem Atropin, und zwar 1 mg für die Erwachsenen, Y/; mg für Kinder; sind die Vergiftungssymptome dagegen schon deutlich wahrzu- nehmen, so mache man ausser dieser Injeetion, die mehr- mals zu erneuern ist, wenn der Zustand sich nicht bessert, noch eine Einspritzung von 500 g einer Salzlösung 7 pro Mille in eine Vene des Armes. — Im Anschluss hieran dürfte die Mittheilung interessiren, dass Dr. A. Calmette vom Institut Pasteur zu Lille neuerdings einen sehr nahen Verwandten des Fliegenpilzes, den Knollen -Blätterpilz, Amanites phalloides Fr., untersucht hat. Es gelang ihm, Ka.inchen allmählich an das Gift des Pilzes zu gewöhnen, und das Serum dieser Thiere wirkte immunisirend auf andere Kaninchen. S. Sch. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der zweite Director der zoologischen Sammlung des Museums für Naturkunde und ausserordentliche Professor der Zoologie in Berlin Dr. von Martens zum Geheimen Regierungs-Rath; der ausserordentliche Professor der Mineralogie in Erlangen Dr. Leuk zum ordentlichen Professor; der ausser- ordentliche Professor der Zoologie in Erlangen Dr. Fleischmann zum ordentlichen Professor; Professor E. Ray Lankester zum Direetor des Natural History Museum am South Kensington; Dr. Wallace Walker zum zweiten Professor der Chemie an der M’ Gill University, Montreal; an der landwirthschaftlichen Akademie in Weihenstephan Dr. Stellway zum Professor der Agrieulturchemie, Dr. Wagner zum Professor der Landwirth- schaft, Dr. Bücheler zum Lehrer der landwirthschaftlichen Technologie, Dr. Luff zum Lehrer der chemischen Technologie der Brauerei; in Wien der ausserordentliche Professor der Botanik Dr. Fritsch zum Leiter des dortigen botanischen Museums; Zukal zum ausserordentlichen Professor der Forstwissenschaft an der dortigen Hochschule für Bodeneultur. Es habilitirten sieh: In Berlin Dr. Paul Sehultz für Physiologie; an der technischen Hochschule in Charlottenburg Dr. Klingenberg für Maschinen-Ingenieurwesen; in Bonn Dr. Schröter für Chemie; in München Dr. Rothmund für physi- kalische Chemie; in Würzburg Stabsarzt Dieudonne für Bacteriologie. Es starben: Der als Geologe verdiente chemische Lehrer am Realgymnasium in Meiningen Pröschold (durch Selbstmord); der medieinische Schriftsteller Dr. Wislicenus in Eisenach; der u der Mathematik an der Forstlehranstalt in Weisswasser I. Sluka. 430 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 36. Litteratur. P. Knuth, Handbuch der Blüthenbiologie unter Zugrunde- legung von Hermann Müllers Werk: ‚Die Befruchtung der Blumen durch Insecten.“ |]. Band: Einleitung und Litteratur. Mit Sl Abbildungen im Text und 1 Portraittafel. II. Band: Die bisher in Europa und im arktischen Ge- biet gemachten blüthenbiologischen Beobachtungen. 1. Theil: Ranunculaceae bis Compositae. Mit 210 Ab- bildungen im Text und dem Portrait Hermann Müllers. XIX, 400 u. 697 S. 8°. Verlag von W. Engelmann in Leipzig, 1898. Ein Handbuch der Blüthenbiologie ist von allen, die sich mit den Bestäubungseinrichtungen der Blüthenpflanzen eingehender bekannt machen wollen oder selbständig dieses Gebiet bearbeiten, mit Sehnsucht erwartet worden, da E. Loew’s vortreffliche „Blüthenbiologische Floristik“ nur Mittel- und Nord-Europa be- rücksichtigt, und im Uebrigen die weitschichtige, nach H. Müllers Alpenblumen erschienene Litteratur blüthenbiologischen Inhalts ungemein zerstreut und theilweise nicht leicht zugänglich ist. Das in der bekannten vorzüglichen Ausstattung des Engel- mann’schen Verlages hier vorliegende Werk, welches anfänglich nur als eine Neubearbeitung des auf dem Titel angeführten Müller'schen Buches geplant war, kommt dem unleugbar vor- handenen Bedürfniss entgegen, da es als ein umfassendes und er- schöpfendes Handbuch angelegt ist. Eine Riesenaufgabe hat sich der Verfasser damit gestellt, auch wenn er nur die vorhandenen Beobachtungen zusammenfassen will, ohne eigene hinzuzufügen *), und wenn die jetzt abgeschlossenen beiden Bände, wie Verf. mit- theilt, das Resultat einer dreijährigen Arbeit sind, so wird man dem aufgewendeten Fleisse seine rückhaltlose Anerkennung nicht versagen. Das ganze Werk ist auf drei Bände berechnet, von denen der dritte die aussereuropäischen blüthenbiologischen Beob- achtungen enthalten soll. Im ersten Bande, der mit dem Bildnisse Koelreuters geschmückt ist, wird zunächst ein kurzer geschicht- licher Ueberblick über die Entwickelung der Blüthenbiologie gegeben, sodann folgt eine ausführliche, recht übersichtlich und verständlich geschriebene Darstellung des gegenwärtigen Standes dieser Wissenschaft. Sie beginnt mit einer Uebersicht über die Arten der Bestäubung und der Geschlechtervertheilung, in dem folgenden Abschnitt über Autogamie findet sich ein Ver- zeichniss von selbststerilen und selbstfertilen Pflanzen, dann werden Geitonogamie und Xenogamie nebst den sie begünstigenden Ein- richtungen besprochen. Es folgen Abschnitte über Heterostylie, Kleistogamie und Parthenogenesis und hierauf eine ausführliche Darstellung der Blumenklassen, unter denen natürlich den Insecten- blütlern, ihren Merkmalen und ihren einzelnen Unterabtheilungen der breiteste Raum zugewiesen wird. Gleichfalls mit angemessener Ausführlichkeit werden die blumenbesuchenden Inseeten, ihre Mund- und Sammelwerkzeuge und ihr Benehmen in den Blüthen geschildert, und den Schluss dieses einleitenden Absehnittes bilden Bemerkungen über die Methode der biologischen Forschung, worin namentlich die von H. Müller angewandte Statistik besprochen und vertheidigt wird. Die am Ende dieses Bandes folgende Auf- zählung der blüthenbiologischen Litteratur umfasst 2871 Titel; sie ist aus den bekannten Verzeichnissen von W. Thompson, Mae Leod und E. Loew unter Zufügung der späteren Publieationen zusammengestellt. Register und Nachträge schliessen diesen ersten Band, der zur Orientirung auch solchen willkommen sein wird, welche nicht näher in die speeielle Blüthenbiologie eingehen wollen, der der Rest des grossen Werkes gewidmet ist. Die specielle Darstellung in der bis jetzt erschienenen ersten Hälfte des zweiten Bandes umfasst in der Reihenfolge des De Candolle’schen Systemes die Familien Ranunculaceae-Compositae und theilt deren Blütheneinriehtungen und Bestäuber mit, soweit beide in Europa (mit Einschluss des arktischen Gebietes) beob- achtet worden sind. Die Festhaltung dieses Gesichtspunktes er- weckt doch einige Bedenken. Zwar bemerkt der Verf. im Vor- wort, die in Europa angestellten Beobachtungen an aussereuro- päischen Pflanzen würden meist nur kurz angedeutet und sollten im dritten Bande ausführlich besprochen werden, aber durch dieses Verfahren werden doch unnöthige Wiederholungen herbei- geführt. Verf. scheint dazu durch die Erwägung gelangt zu sein, dass es sich in diesen Fällen eben um Blumenbesuche durch europäische Insecten handelt, und unter dieser Voraussetzung wird man sich auch die auffallende Thatsache erklären müssen, dass in dem vor- liegenden Bande Beobachtungen über europäische Blüthenpflanzen nicht erwähnt sind, wenn sie ausserhalb Europas (z. B. in Nord- amerika) angestellt worden sind. Ueberhaupt macht die ganze Darstellung im Einzelnen den Eindruck, als wenn Verf. die Schilderung des Inseetenbesuches gegenüber derjenigen der Blüthen- einrichtung etwas bevorzugte. Dass beide Seiten der Untersuchung zusammengehören, einander ergänzen und durch einander erst *) Soweit Ref. sehen konnte, sind früher noeh nicht publieirt nur einige Notizen über Insecetenbesuche, ferner 6 Abbildungen im 1, und 15 im 2, Bande, verständlich werden, unterliegt ja keinem Zweifel, aber in einem zusammenfassenden Handbuche hätte es wohl genügt, die Gruppen der besuchenden Inseeten in jedem einzelnen Falle anzugeben, ohne ausführliche Besucherlisten aufzuzählen, wenn es sich nicht um noch nicht veröffentlichte Mittheilungen handelt. Durch dieses Verfahren hätte sich ohne Beeinträchtigung des Verständnisses Raum für andere, unten noch zu erwähnende Dinge gewinnen lassen. Es wäre zu wünschen gewesen, dass die statistische Ver- arbeitung des in den Besucherlisten niedergelegten Beobachtungs- Materiales, von der der Verf. im Vorwort sagt, er wolle sie sich vorbehalten, für das vorliegende Handbuch ausgeführt und in ihm mitgetheilt worden wäre, auf die Gefahr hin, das Erscheinen des Werkes dadurch zu verzögern. Andererseits soll bezüglich der Behandlung der entomologischen Beobachtungen anerkennend hervorgehoben werden, dass vom Verf. auch aus schr zahlreichen rein entomologischen Werken die verwerthbaren Angaben über den Blumenbesuch der Inseeten aufgenommen worden sind. Die Einzeldarstellung der Blütheneinrichtungen muss dem Ermessen des Verf. überlassen bleiben; bezüglich des zu viel oder zu wenig Dargebotenen werden die Urtheile der Leser immer auseinandergehen; allein in einigen Punkten muss man bei einem Handbuche, welches bestimmt ist, voraussichtlich für längere Zeit den Stand eines ganzen Wissenszweiges zu zusammenfassender Darstellung zu bringen, bestimmte Anforderungen stellen, von denen einige doch wohl eine grössere Berücksichtigung hätte finden können. So hätte sich meines Erachtens ohne besondere Schwierigkeit ein gründlicheres und genaueres Citiren ermöglichen lassen, d. h. es hätte immer in chronologischer Reihenfolge und mit Angabe der Seitenzahlen eitirt werden sollen; auch die vor- handenen Original-Abbildungen von Blütheneinrichtungen wären anzuführen gewesen. Auf der andern Seite durfte füglich das Citiren auf diejenigen Werke und Aufsätze beschränkt werden, in denen wirklich neue Beobachtungen enthalten sind; darum ist es z. B. nicht gerechtfertigt, des Referenten Flora von Stuttgart in denjenigen Fällen als Quelle anzuführen, wo bei der betreffen- den ee von ihm nur fremde Beobachtungen wiedergegeben sind. Dafür hätten häufig des Ref. „Neue Beobachtungen“ eitirt werden müssen, was wiederum nicht geschieht. — Bei der Be- arbeitung der Litteratur hat sieh der Verf., wie schon der Titel besagt, zunächst an H. Müllers Werke angelehnt; doch hätte wohl die ältere Litteratur in vielen Fällen etwas eingehender berücksichtigt werden sollen Wenn H. Müller selbst diese bis- weilen kurz abmachte, so war er dazu berechtigt, weil er zunächst und hauptsächlich eine Darstellung seiner eigenen, überaus zahl- reichen Untersuchungen liefern wollte; in einem Handbuche müssen aber die verschiedenen Autoren zu gleichem Rechte kommen. Deshalb hätten Sprengels prächtige Schilderungen oft eine ausführlichere Wiedergabe verdient, und auch Delpino kommt entschieden zu kurz, wenn z. B. seine klassische Beschreibung der Blütheneinrichtung von Coronilla Emerus mit drei — von H. Müller übernommenen — Zeilen abgemacht wird. Ferner hätte es die historische Gerechtigkeit verlangt, z. B. Kurr’s „Untersuchungen über die Bedeutung der Nektarien in den Blumen“ zu berück- sichtigen, und auch Hansgirg’s wenn auch kurze Notizen über Oeffnen und Schliessen von Blüthen und ähnliches hätten Er- wähnung verdient. Bei genauer Durchsicht der Ranunculaceen, die Ref. als Stichprobe benutzt hat, fand sich, dass er in der Lage wäre, aus der Litteratur einige Dutzend Nachträge zu dieser Familie zu liefern, worauf hier nicht im Einzelnen eingegangen werden kann. — Die von H. Müller befolgte Methode, bei grösseren Gattungen und Familien am Schlusse der Einzeldarstellungen einen zusammenfassenden Ueberblick über die vorliegenden Beob- achtungen und allgemeinen Ergebnisse zu liefern, muthet den Ref. mehr an, als die biologischen Diagnosen, wie sie der Verf. durch- zuführen bemüht ist, denn das führt oft zu Ungenauigkeiten und Widersprüchen; so z. B. wenn die Gattung Adonis protogynisch genannt, von A. autumnalis aber gesagt wird, diese Art sei homo- und autogam; oder wenn die Gattung Trollius diagnostieirt wird: „Meist homogame Blumen mit verborgenem Honig. Die grossen, hellgelben, kugelig zusammenschliessenden Kelchblätter dienen als Schauapparat und umschliessen die kleinen, linealischen Kron- blätter, die am Grunde eine unbedeckte Nektargrabe besitzen.“ Nun haben aber Trollius asiatieus und T. Ledebourii völlig ge- öffnete Blüthen, die bei der letzteren Art von röthlichgelber Farbe sind, und bei T. palmatus fehlen (nach Prantl in Natürl. Pflanzenf., Bd. III, Abth. 2, S. 56) die Honigblätter überhaupt. — Trotz dieser Ausstellungen, die bei einem so grossen und an Einzelheiten so reichen Werke erklärlich, wenn auch nicht un- vermeidlich sind, begrüsst Ref. das Werk als eine wesentliche Erleichterung weiterer Arbeiten und wünscht ihm eine baldige glückliche Vollendung. Kirchner (Hohenheim). Carl Neumann, Die elektrischen Kräfte. Darlegung und ge- nauere Betrachtung der von hervorragenden Physikern ent- wickelten mathematischen Theorien. Zweiter Theil: Ueber die von Hermann von Helmholtz in seinen älteren und in seinen Xlll. Nr. 36. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 431 neueren Arbeiten angestellten Untersuchungen. XXXVII und 462 Seiten. 8°. Verlag von B. G. Teubner in Leipzig. 1898. — Preis 14 Mark. Bei den Helmholtz’schen Arbeiten über die Theorie der Elektrieität und des Magnetismus lassen sich bekanntlich zwei verschiedene Richtungen unterscheiden: die älteren Arbeiten (1870—75) beruhen auf dem Prineip der unvermittelten Fern- wirkungen, also auf den allgemeinen Vorstellungen der Newton- schen Gravitationstheorie; die neueren Untersuchungen (1892—94) dagegen schliessen sich den Forschungen von Faraday, Maxwell und Hertz an und sind aufgebaut auf der Vorstellung, dass die eigentlichen Ursachen der in einem Punkte vor sich gehenden Veränderungen in der unmittelbaren Nachbarschaft des letzteren zu suchen sind; die neueren Arbeiten weisen also in ihren Grund- zügen eine gewisse Aehnlichkeit mit der Fourier'schen Wärme- theorie auf. Der Herr Verfasser der vorliegenden, hochbedeutsamen Schrift stellt sich nun die wichtige Aufgabe, das Gesammtgebiet der Elektrodynamik und des Magnetismus nach den geschilderten Richtungen zu durchwandern, um den tieferen Grund des Dualis- mus in den Helmholtz’schen Arbeiten zu erforschen; es handelt sich also nicht etwa in erster Linie um eine Reproduction der letzteren. Beide Methoden, die der älteren und die der neueren Helmholtz’schen Untersuchungen, hält der Herr Verfasser, obwohl sie noch sehr unbefriedigend sind, für gleich beacltenswertb, und es handelt sich seiner Meinung nach darum, beide Wege weiter zu verfolgen, in der Hoffnung, dass es im Laufe der Zeit schliess- lieh gelingen werde, sie zu einem einzigen zu vereinigen. Als kennzeichnend für die Höhe des Standpunktes des Herrn Ver- fassers seien folgende Sätze angeführt: „Wenn man also die wahren Prineipien der elektrischen Erscheinungen zu erforschen bestrebt ist, so handelt es sich dabei in letzter Instanz um die Erforschung jener universalen Prineipien, durch welche die elektrischen Erscheinungen mit denen der Gravitation und denen der Wärme zu einem einheitlichen Ganzen sich verbinden — um die Erforschung jener universalen Principien, von denen wir ein paar schwache kümmerliche Reflexe vor uns zu haben glauben einerseits in den Prineipien der Newton’schen Gravitationstheorie und andererseits in den Prineipien der Fourier- schen Wärmetheorie. Angesichts dieser Sachlage erscheint es aber fast selbst- verständlich, dass man bei Erforschung jener universalen Prineipien sowohl von den Gedanken Newton’s, wie auch von den Gedanken Fourier's sich leiten lässt. Und dem entsprechen jene beiden Richtungen oder Methoden, die in den älteren und neueren Helmholtz’schen Arbeiten uns entgegentreten.“ Mit diesen allgemeinen Andeutungen muss sich Referent an dieser Stelle begnügen, da die mathematischen Entwickelungen eine kurze und allgemein verständliche Darstellung nicht zulassen. Es sei übrigens bemerkt, dass der Herr Verfasser in seiner Einleitung (XXX Seiten) eine vortreffliche Uebersicht über die Anordnung des Stoffes und die gedankliche Gliederung seiner Darlegungen zusammengestellt hat, die dem Leser des Buches ein willkommener Führer ist. An das vorliegende Werk, das in gleicher Weise die ein- gehendste Beachtung seitens der Mathematiker und der Physiker beansprucht, werden sich voraussichtlich weitere Untersuchungen knüpfen; handelt es sich doch um Fragen von grundlegendster Bedeutung für den weiteren Fortschritt der mathematischen Physik, die der Herr Verfasser heller Beleuchtung unterzogen hat. Aber auch die originalen mathematischen Betrachtungen, die mehrfach angestellt worden sind, erwecken an sich besonderes Interesse. Gustav Holzmüller, Ingenieur - Mathematik. II. Theil: Das Potential und seine Anwendung auf die Theorien der Gravitation, des Magnetismus, der Elektrieität, der Wärme und der Hydrodynamik. Mit 237 Figuren, zahlreichen Uebungs- beispielen und einem Anhänge über die Maasseinheiten. XVII und 410 Seiten. 8°. Verlag von B. G. Teubner in Leipzig, 1898. — Preis gebunden 6 Mark. Der von dem Verfasser seit längerer Zeit mit Erfolg unter- nommene Versuch, die Gebiete der angewandten Mathematik, der „Ingenieur-Mathematik“, soweit erreichbar, in elementarer Weise darzustellen, d. h. in einer Form, welche die Sprache der Differential- und Integralrechnung vermeidet, wird im vorliegenden Buche auf diejenigen Zweige ausgedehnt, die sich des Potential- begriffs als eines wichtigen Hilfsmittels bedienen. Für den, der nur gewöhnt ist, sich der Ausdrucksweise der höheren Analysis zu bedienen, ist es gewiss überraschend zu sehen, wie weit sich der Gegenstand auch elementar behandeln lässt, wobei selbstredend das Umendlichkleine nieht entbehrt werden kann. Aber durch Diagramme wird eine grosse Veranschaulichung und Vereinfachung der Darstellung gewonnen; freilich lässt sich auf elementarem Wege nicht alles erreichen. Es muss indessen anerkannt werden, dass der Verfasser mit glücklichem Erfolge vorgedrungen ist, Vor Allem hat sich der Verfasser durch das vorliegende Buch ein Verdienst um die pädagogische Seite der Potentialtheorie er- worben; mehr als hisher wird es nun möglich sein, den Begriff des Potentials, der Kraftlinien u. s. f. schon auf der Schule ein- zuführen, vor Allem auf den technischen Fachschulen, für die eine elementare Potentialtheorie, wie der Verfasser anführt, zur Lebens- frage geworden ist. Für praktische Ingenieure, für Lehrer der Physik und Mathematik an höheren Lehranstalten scheint uns die Holzmüller’sche Darstellung der Potentialtheorie von besonderem Interesse und Werth zu sein. Auch Studirende der ersten Semester werden den vorliegenden Band mit grossem Nutzen in die Hand nehmen, sofern sie sich von der Meinung freihalten, in den an- gewandten Diseiplinen überhaupt ohne höhere Mathematik aus- kommen zu können, — eine Gefahr, die durchaus nicht ganz gering ist. Schliesslich wird jeder Physiker und Mathematiker in dieser Schrift die ihm in anderer Sprache geläufigen Sätze in einer Form wiederfinden, die des Interesses keineswegs entbehrt; daneben wird er im Allgemeinen auch manches Neue kennen lernen, z. B. die Forchheimer’sche Theorie der Grundwasser- bewegung. Zur kurzen Uebersicht möge die der Kapiteleintheilung zu Grunde liegende Disposition angegeben werden: I. Das Newton’sche 3 E en 1 Anziehungsgesetz. — Il Die Gravitationseurve y = Fr und der Potentialbegrif. — III. Anziehung der homogenen Kugel- schale, der Vollkugel und Hohlkugel. — IV. Die einfachsten Kraftröhren und Niveauflächen; Zelleneintheilung des Raumes und physikalische Anwendungen. — V. Die Mehrpunktprobleme. — VI. Die Spannungssätze von Laplace und Poisson und ihre physi- kalischen Folgerungen. — VII. Die Methode der elektrischen Bilder, der Symmetrie und der Inversion im Raume. — VIII. Cen- trobarische Flächenbelegungen und Körper. — IX. Selbständiger Uebergang zu den zweidimensionalen Problemen und zum logarith- mischen Potential. — X. Die zweidimensionalen Mehrpunkt- und Linearprobleme. — XI. Physikalisches über galvanische Ströme und ihr Potential. — XII. Magnetismus. — XIII. Elektromagnetische und elektrodynamische Wirkungen galvanischer Ströme. — XIV. Hydrodynamische Analogien (Allgemeines, Wirbelbewegungen, Forchheimer’sche Theorie der Grundwasserbewegung in der Um- gebung von Brunnen und Sickerschlitzen). — XV. Zusätze zur Lehre von der Gravitation und der Elektrostatik, Flächen zweiten Grades betreffend. — XVI. Von den Einheiten und Dimensionen. In Bezug auf die Ausstattung bleibt nichts zu wünschen. Ch. Sturm, Lehrbuch der Analysis. (Cours d’Analyse). Ueber- setzt von Dr. Theodor Gross, Privat-Docent an der Königl. technischen Hochschule zu Charlottenburg. Fischers techuolo- gischer Verlag M. Krain. Berlin (ohne Jahreszahl). — Preis brochirt 7,50 Mark. Band I der Uebersetzung des bekannten Lehrbuches von Sturm wurde Band XII, 1897, Nr. 38, S. 455 in der „Naturw. Wochenschr.“ angezeigt. Der Uebersetzer hat den französischen Text unverkürzt wiedergegeben, was wir durchaus billigen; dass er die Aufsätze über einige Speeialfragen, die dem französischen Original beigegeben sind, weggelassen hat, ist absolut kein Schade, da das Lehrbuch eben ganz vorwiegend als Lehrbuch, als Ein- führung in die Differential- und Integral-Rechnung benutzt und angeschafft wird. Der Uebersetzer hat dem II. Bande eine kurz- gehaltene, beider Bände umfassende Formel-Sammlung beigegeben, was vielen Lernenden sehr erwünscht sein wird. Behme, Dr. Frdr., Geologischer Führer durch die Umgebung der Stadt Clausthal im Harz einschliesslich Wildemann, Grund und Osterode. Hannover. — 1.80 M. Hoffa, Prof. Dr. Alb., Lehrbuch der orthopädischen Chirurgie. 3. Aufl. Stuttgart. — 20 M. Kober, Dr. Geo., Die Grundgebilde der neueren Geometrie. 1. Thl., Die Grundgebilde der Ebene. Hannover. — 3 M. Lindner, P. Fr., Die preussische Wüste einst und jetzt. Osterwiek. — 1,80 M. Richthofen, Ferd. Frhr. v., Schantung und seine Eingangspforte Kiautschou. Berlin. — 10 M. Scherer, Dr. Karl Chrph., Das Thier in der Philosophie des Herman Samuel Reimarus. Würzburg. — 2,50 M. Inhalt: Antony van Leeuwenhoek. — Ueber die Anneliden. — Rother Schnee. — Ueber die neuere Entwicklung der Flammen- beleuchtung. — Das Muscarin. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: P. Knuth, Handbuch der Blüthenbiologie unter Zugrundelegung von Hermann Müllers Werk: „Die Befruchtung der Blumen durch Inseeten“. — Carl Neumann, Die elektrischen Kräfte. — Gustav Holzmüller, Ingenieur-Mathematik. — Ch. Sturm, Lehrbuch der Analysis. — Liste, 432 DEIN TI TS ST ST ST I ST ET IT I SS SI TTS TS TI 7 I 7 7 TI I 20 Dr. Robert Muencke Luisenstr. 58». BERLIN NW. Luisenstr. 58. % Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate & ® und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. ® VO HH H OH OH HH HH OH HH 52 “ ® 2 “ 52 “ 9% Wasserstoff Sauerstoff. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. XII. Nr. 36. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Ueber Tundren und Steppen der Jetzt- und Vorzeit mit besonderer Berücksichtigung ihrer Fauna. Von Dr. Alfred Nehring, Professor der Zoologie und Vorsteher der zoologischen Sammlungen an der Königlichen landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin. Mit ı Abbildung im Text und 1 Karte der Fundorte. 266 S. gr. 8°. Preis 6 Mark. Zend. Dünmlers Derlagsbh,, Berlin. Sn unjerm Verlage erichienen: Die Insekten-Börse Internationales Wochenblatt der Entomologie In Ferd. Dümmilers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 12 erschien: Einführung in die Blütenbiologie Das Kud delus. Die Urevangelien. Neu durchge jehen, neu überjegt, geordnet und aus den Urfpradyen erklärt von Wolfgang Bircbadı. Dftav-Ausgabe 184 ©. 1,50 M., eleg. geb. 2,25 M. Bolfs- Ausgabe auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am kgl. Realgymn. in Berlin. 444 Seiten gr. 8. Pr. 6M., geb. 7M. EELFLEFFFFLTTFFLFFFIT 156 ©. gebunden 70 Pfennig. Was lehrte Iehus? Zwei Irevangelien. Bon 3Molf- aang Rirdjbadj. 256 Ceiten DE: tav 5 M., eleg. gebunden 6 M lehrenden Artikel, sowie Über durch die Post. geographische Ortsbestimmungen ohne astronomische Instrumente. Von Prof. Dr. P. Harzer, Director der Herzoglichen Sternwarte zu Gotha. Mit einer Tafel. Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Plıysik.) 53 Seiten Lex. 8. — Preis 1.20 M ist für Entomologen und Naturfreunde das hervorragendste Blatt, welches wegen der be- und grossen Verbreitung betreffs Ankauf, Ver- kauf und Umtausch aller Objeete die weit- gehendsten Erwartungen erfüllt, wie ein Probe-Abonnementlehren dürfte. Zubeziehen Abonnements - Preis pro Quartal Mark 1.50, für das Ausland per Kreuzband durch die Verlags- Buchhandlung Frankenstein & Wagner, Leipzig, Salomon- strasse 14, pro Quartal Mark 2.20 — 2 Shilling 2 Pence = 2 Fr. 75 Cent. — Probenummern gratis und franco, — Insertionspreis pro 4gespaltene Borgiszeile Mark —.10. Hempel’s Klassiker - Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis, Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. GDEETGGBEBEBDBEBDBGDTDBBB seiner internationalen Gebrauchte Gasmötoren DAMPF- und DYNAMO- MASCHINEN garantirt’ betriebsfähig in.allen Grössen solort lieierbar. Elektromotor,s.n.v.». Schilfpauerdamm 21 Berlin NW. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Die Charakteristik der Tonarten. Historisch, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. 136 Seiten Octav. — Preis 2,40 Mark. Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Rh Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. | Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Photo:rarhische Stativ- und Hand- Gameras. Gediegene Ausstattung. am wmS5” Sämmtliche Bedarfsartikel, | Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D. R.P.) Die practischste und zuverlässirste H:.nd-Camera. Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges). Der Menfchheitslehrer. Ein Kebensbild des Weifen von Nazareth. Bon George Paul Sylvelter Gabani2. 300 Seiten DOftav. Preis geh. 3 A, elegant geb. 4 MM. Über Herberstain und Hirsfogel. Beiträge zur Kenntnis ihres Lebens und ihrer Werke. Mit 10 Abbildungen im Text. Von Prof. Dr. Alfred Nehring in Berlin. 108 Seiten gross Octav. Ladenpreis 3 Mark. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. mn RS Redaktion: Dr. H. Potonie. f A, den Gebil en er Phantasie, wirs " ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, der ihre Schöpfungen schmückt, Schwendener. Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. Sonntag, den 11. September 1898. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- Yr anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist HM 4.— e& sprechenden Rabatt. Bringegeld bei der Post 15 „& extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. J 97 Dl, Nr. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 „3. Grössere Aufträge ent- Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Der Adsehidarja bildet Sachsen überragenden Grösse, am Ostufer des Kaspischen Meeres, mit welchem er durch den 5 km langen und 100 bis 500 m breiten Karabugas (= schwarze Oeffnung), dessen Name oft auf den ganzen Meerbusen übertragen wird, in Verbindung steht. Seine Verhält- nisse sind noch sehr wenig er- forscht, weil von gebildeten Euro- päern erst wenige ihn besuchten; zuerst unternahm Karelin (1836) in ihn einzudringen, der aber wegen Verlust eines Bootes bald umkehren musste und nur den stark salzigen Geschmack des Wassers feststellen konnte; im Jahre 1847 umfuhr dann, ver- muthlich allen zum Zweck der Kartenaufnahme, Lieutenant Sherebzow den Golf auf einem kleinen Dampfschiff, maass einige Tiefen und untersuchte den Boden mit dem gewöhnlichen Bleilot; hierbei wollte er gefunden haben, dass ausser in der Nähe der Karabugas-Mündung, wo sich nur Sand und Schlamm finde, der Boden überall eine Salzkruste auf dem „kalkigen Schlamme* trage. Diese” Angabe fand ungewöhn- liche Beachtung, während die berichtigende Mittheilung (1856) des PO Ee Akade- dass das vermeintliche S aus Gips mit geringer Kochsalzbeimengung bestehe, in mikers Abich, eine 15500 qkm, also von einer diejenige des Königreichs Der Adschidarja. Von ©. Lang. Mit 2 Skizzen. Wasserfläche von Erklärung. Gelber Muschelsand $ chwarzgrauerSand Saizhoden: Kaspısches 1: I. Die Meerenge Karabugas. (Nach P. Maximowitsch, 1895. Pet. Mitth. 1897, Taf. IV.) Salz hauptsächlich _ Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. weiteren Kreisen ganz unbekannt blieb. Mit jener stellte sich auch das Er gebniss einer 1377 veröffentlichten chemi- schen Analyse von K. Schmidt (Petersburg) in Einklang, wonach das Adschidarja-Wasser das un- geheuer hohe spezifische Gewicht 1,26 besitze und mehr als 23%, an Salzen (neben nur 8,3°/, Koch- salz über 6°/, Bittersalz und fast 13°/, Magnisiumehlorid) enthalte. Auf Grund dieser Angaben spielt seitdem der Adschidarja in den Abhandlungen über Salzlager- bildung sowie in geologischen Lehrbüchern eine grosse Rolle und es lässt sich vermuthen, dass sein Name auf solchem Wege schon vielen Lesern begegnet sein wird, die nun gern etwas Näheres von diesem Meerbusen erfahren, um über vielleicht ihnen selbst schon zweifelhaft er- schienene Verhältnisse Aufklärung zu erhalten. Wunderbar wird nämlich doch wohl schon dem einen oder andern Leser die behauptete Thatsache erschienen sein, dass in dem durch die Karabugas- Meerenge stetig einfliessenden Wasser des Kaspischen Meeres, das nur 0,6—1,38°/, an Salzen führt, sich im Adschidarja (= Salz- wasser) der Salzgehalt der- maassen schnell und intensiv concentrirt, dass sogar ein Niederschlag desselben auf dem Boden stattfinde. Die gewünschte Aufklärung verdanken wir dem auch 434 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. RE. INN. 37% um die Erforschung der Verhältnisse des Schwarzen Meeres verdienten Geologen Nik. Andrussow, der einer vom russischen Ministerium ausgesandten Expedition (1594 und 1595) vorstand und nun auch in Peterm. Mittheilungen 1897 einen Bericht über seine Forschungsergebnisse er- stattet. Letztere sind allerdings noch durchaus nicht er- schöpfend und abschliessend, da auch diese Expedition durch Schiffbruch vom Eindringen in den Adschidarja abgehalten wurde, sie berichtigen aber einmal die bisher verbreiteten Angaben, und dann belehren sie überhaupt über die Verhältnisse, unter denen nicht nur Salz- lager, sondern auch Erdölliefernde Bitumenlager entstehen. Wie eben angedeutet, erweist sich die Behauptung von einer Salzablagerung auf dem Boden des Adschidarja als unrichtig ‘oder mindestens unbewiesen*). Der Salz- gehalt im Wasser dieses Meerbusens ist noch durchaus nicht soweit eontentrirt, dass sich Kochsalz ausscheiden kann (wozu eine Dichte von gegen 26° Baume verlangt wird), sondern beträgt höchstens 18,5°,, entsprechend 17° Baume*“), bei welcher Dichte Oceanwasser erst mit der Ausscheidung des Kalksulfats beginnt. Hiermit ist denn auch im Adsehidarja schon der Anfang gemacht, indem periodisch Gipskrusten auf dem Schlamm des Bodens oder auf dem sandigen Strande niedergeschlagen werden, wie dies auch Sherebzow bei seinen Lothungen gefunden hatte. Das geschieht aber nur in der Zeit andauernder Trockenheit, in weleher der Wasserspiegel allmählich um etwa 1!/, m fällt und breite Strandstreifen trocken liegen lässt. Mit ihr wechselt eine feuchte Jahreszeit ab. Vom Juli oder Ausust an bis zum Februar und März sinkt der Wasser- stand, worauf er in Folge atmosphärischer Niederschläge, und zwar nicht allein im Meerbusen selbst, sondern auch im zugehörigen, etwa 31 000 km grossen, jedoch keinen aus- haltenden Fluss speisenden Niederschlagsgebiete fallender, wieder steigt. Ein ganz entsprechendes An- und Abschwellen ist auch dem Kaspischen Meere eigen, nur dass dessen Steige- periode einerseits den März und andrerseits den Juli noch mit umfasst, und dass die Differenz zwischen Hoch- und Niederwasserstand nur 37 em beträgt. Da bei Nieder- wasser der Spiegel des Adschidarja also noch um etwa 1,1 m tiefer unter seinen eigenen Höhestand sinkt, ist es ganz natürlich, dass gerade zu dieser Zeit der ständig vom Caspischen Meere aus durch den Karabugas ihm zufliessende Wasserstrom die grösste Geschwindigkeit gewinnt. Nach den von Andrussow’s Begleiter Maximowitsch aus- geführten Messungen erreichte dieselbe am 24. Il/8. III 1595 in der Minute 63,7 m und betrug im Monatsmittel im November 1894 24,7 m December „ 20 Januar la959e556/67, Februar n 43,9 „ März h 41,8 „ #) Eine neuerdings veröffentlichte Mittheilung von Kusnetzow giebt allerdings an, dass die centralen Theile der Bucht von einem Lager reinen Glaubersalzes eingenommen werden, das im Sommer etwas mehr als 1 Fuss mächtig sei, im Winter aber noch dieker werde (trotz der für Abscheidung von Salz ungenügenden Concen- tration des Busenwassers auf angeblich 22—23 Baume!); wenn auf diese Mittheilung kein Gewicht gelegt wird, so geschieht es, weil K. vermuthlich nieht aus Autopsie berichtet, wenigstens nieht Mitglied jener Forschungs-Expedition war, deren Angaben die seinigen widersprechen, und dass es ihm besonders darauf anzukommen scheint, eine industrielle Ausbeutung jenes Glauber- salzlagers in Gang zu bringen. ®#) Die hiermit durchaus nicht zu vereinbarende Angabe der oben erwähnten ehemischen Analyse von Schmidt wird dahin ‚erklärt, dass vermuthlich der mit Beschaffung des Wassers be- auftragte Kosak die Flasche nicht mit Wasser des Meerbusens selbst, sondern eines der noch zu erwähnenden Salzseen gefüllt Iebe, in guten Glauben, es mit dem Adschidarja selber zu thun zu haben. Dieser Strom, dessen Existenz seit Alters bekannt ist und zu mancher phantastischen Hypothese, z. B. einer unterirdischen Verbindung des Adschidarja mit dem schwarzen Meere Veranlassung gegeben hat, fliesst das ganze Jahr hindurch in derselben Richtung. Nicht einmal zeitweise hat er mit einem Gegenstrome zu kämpfen. Wohl kann durch Windstau seine Geschwindigkeit beein- trächtigt werden, aber von einem etwa neben ihm vor- handenen oder ihn periodisch ablösenden Gegenstrome, dessen Vorhandensein aus verschiedenen Gründen von Interesse sein würde und dem deshalb nachgeforscht wurde, war nichts zu erkennen. Diese Strömung ist also einem Flusse zu vergleichen, etwa dem Verbindungs- Strome von zwei oberamerikanischen Seen. Während aber ein solcher, wie z. B. im Niagara-Fall zwischen Erie- und Ontario-See, eine sehr kräftige Erosion be- thätigt, verhält sich der Karabugasstrom wie ein ge- alterter Fluss und lagert Sinkstoffe ab. Eine Ver- gleichung der hier beigegebenen Lageskizze I mit der 47 Jahre zuvor von Sherebzow aufgenommenen Karte lehrt nämlich, dass er in dieser Zwischenzeit nicht nur die Strecke von „schlammigem Sande“, sondern auch das ganze aus „schwarzgrauem Sande“ bestehende Delta im Adschidatja aufgebaut hat, dessen Stelle damals nur von einem dünnen Kranze kleiner Inseln eingenommen wurde, Zugleich hat er sem Strombett nicht nur durch Windungen verlängert, sondern auch stellenweise verengert und er- höht; die Eintrittsöffnung aus dem Kaspischen Meere er- scheint auf der älteren Karte in doppelter Breite, und während damals die grössten Tiefen zu 7,2 m gemessen wurden, betragen dieselben jetzt nur noch 6 m. Dieses ganze Verhalten erscheint um so wunderbarer, als man vom Wasser des Kaspischen Meeres nicht voraus- setzen kann, dass es Sinkstoffe enthalte, von denen sich die in Binnenseeen einmündenden Flüsse bekanntlich bald befreien. Hieran scheint sieh Andrussow jedoch gar nicht erinnert, die Erscheinungen für nicht auffällig und einer Erklärung bedürftig gefunden zu haben. Der Ferner- stehende aber vermag natürlich nicht zur Befriedigung auszuhelfen und kann nur andeuten, dass die Ursache jener Verhältnisse entweder in einer andauernden Hebung der Karabugasschwelle oder in den von den Steppenwinden herbeigeführten ungeheuren Staubmassen als sich dar- bietenden Sinkstoffen zu erblicken sein wird. ö Hebungen des Bodens in für die verschiedenen Orte und Gegenden ungleichmässig hohem Betrage müssen nämlich schon für die theilweise Abschnürung des Ad- schidarja vom Kaspischen Meere als Factoren in Anspruch genommen werden, und da erscheint es denn wohl nicht als bei den Haaren herbeigezogen, wenn man die Andauer derselben zur leichteren Erklärung auffälliger Erscheinungen benutzt. Dabei gründen sich unsere Annahmen über die Entstehung der Seen der aralokaspischen Einsenkung auf das, geologisch gesprochen, sehr jugendliche Alter der jetzt trocken liegenden, die Seen trennenden Uferstriche. Von einem grossen Meerbusen, der sich aus Südosten zur mittleren Tertiärzeit (Mediterran-Stufe) bis in das Wiener Becken und nach Galizien erstreckte und mit der zu Ende gehenden Tertiärperiode allmählich aussüsste (Sarmatische und Congerienstufe), um sich dann bei seinem Rückzuge als Süsswassersee (Pontische Stufe) in die zwei Seebecken des Pontus (= Schwarzes Meer) und Aral-Kaspi-Sees zu trennen, erfuhr das letztere Becken die weitere Theilung in das Kaspische Meer und den Aral-See. Von jenem wurde nun auch wieder der Adschidarja-Busen, bis auf die Karabugas-Verbindung, abgetrennt, indem sich längs des jetzigen Ostufers des Kaspischen Meeres eine Schwelle von Kalkstein hob, der eben erst in der Periode des ver- einigten aralokaspischen Meeres aus Muschelschalen-Bruch- XII. Nr. 37. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 455 ee En EEE stücken (von Cardium trigonoides, ©. catillus, Dreissenia polymorpha), die sich zumeist bis zur Sandfeinheit ver- rieben finden, entstanden war. Dieser Kalkstein trat allmählich, zunächst wohl nicht zusammenhängend, sondern in Riffe zerrissen, an und über die Wasserfläche und bildet, wenigstens in der südlichen Karabugarischen Landzunge, wie Skizze II erkennen lässt, das festere Skelett und vermuthlich überhaupt die Unterlage der den Adschidarja abtrennenden Schranken. Ihre Ergänzung fanden die beiden den Karabugas begrenzenden Landzungen durch Auflagerungen von Sand, der oft zu Dünen, den sogenannten „Barehanen“ zusammengeweht ist. Nachdem auf solche Weise die Verbindung zwischen dem Kaspischen Meer und dem Adsehidarja beschränkt worden war, begann sich im Wasser des letzteren der Salzgehalt zu steigern, weil der Verdunstungsverlust an Wasser die Niederschlagsmenge ganz bedeutend überwiegt. Bestimmte Angaben auf Grund grösserer Beobachtungsreihen liegen bezüglich dieses Verhältnisses allerdings nicht vor, doch darf man wohl annehmen, dass die jährliche Niederschlagsmenge im Gebiete des Die letzterwähnte Thatsache ist eine Entdeckung Andrussow’s, die, obwohl an sich ganz naturgemäss, dennoch überraschte, weil man eben bisher an das Gegen- theil glaubte. Andrussow beobachtete dort zwei besondere Algenarten, von denen die eine insofern noch besonders Interesse bot, als sie in dichten Rasen von !/, bis 2 em ; Höhe Quarzsand und Kalkcarbonat verkittete und auf diese Weise felsbildend, ähnlich den Riffkorallen wirkte, und fand das Wasser zeitweise erfüllt von unzähligen Indi- viduen einer den Salzseen eigenthümlichen Artemia, einer Crustacee aus der Verwandtschaft unseres, in Lachen auftretenden Branchipus und Apus. Der Adschidarja be- herbergt demnach zweifellos Organismen, wie zahlreich aber nach Arten und Individuen dieselben sind, lässt sich jetzt bei unserer mangelhaften Kenntniss auch der übrigen Verhältnisse des Meer- busens nicht einmal abschätzen. In diesen Meerbusen hinein er- giesst sich nun Jahr aus Jahr ein ein Brackwasserstrom, dessen Wasser sich wegen seines dem geringeren Salzgehalte entsprechenden niedri- geren specifischen Gewichtes über die ganze Oberfläche zu verbreiten Adsehidarja nicht so gross ist als zu strebt. Ob ihm dies gelinge, wird Baku, wo sie 264 mm beträgt, da- einmal von der Stärke der Ver- ’ 8% gegen die Verdunstungsgrösse die- dunstung, die ihm auf seinem Wege jenige von Astrachan (735 —8S79 mm) Wasser entzieht, andererseits von noch beträchtlich übersteigt. Dieses seiner Masse abhängen. Letztere ist erhebliche Ueberwiegen der naturgemäss eine mit der Stromge- dunstung über die Wasserspeisung r schwindigkeit wechselnde Grösse und hatte ausser der Üoncentrirung des N‘ würde es zu ihrer genaueren Be- Salzgehaltes im Meerbusenwasser © stimmung ausgedehnter Beobachtungs- noch zur Folge, dass, um den N fig reihen bedürfen. Die vorhandenen Wasserverlust auszugleichen, vom Kas- I a Ve Schätzungen nennen Werthe zwischen pischen Meer her ein ständiger Zu- uns: VARSEE 4206 1,07 und 7,3 Millionen ebm in der fluss eintrat. Das hinzuströmende ee 0er 7 m Stunde. Unter Zugrundelegung des Wasser besitzt aber nun selbst einen, Fra li ] geringsten der oben angeführten wenn auch geringen Salzgehalt, der bei der Verdunstung der bereits er- reichten Salinität des Adschidarja- Wassers zu gute kommt und dieselbe andauernd steigert; auch laugen die im Ufergebiete fallenden Nieder- schläge den salzhaltigen Boden aus und führen ihren Raub dem Meer- busen zu. Die Anreicherung des Adsehidarja-Wassers mit Salz findet also von mehreren Seiten, trotzdem jedoch ganz allmählich statt und hat die bisher erzielte Steigerung der Dichte desselben auf 17° Baume schon sehr grosse Zeiträume erfordert. Zunächst stieg nämlich der Salzgehalt nur auf den Betrag, wie ihn ungefähr das Oceanwasser besitzt (3,5° B.); zu dieser Zeit siedelte sich denn auch im Adschidarja eine Fauna an, welche derjenigen unserer Meere ähnelte uud schon ganz verschieden war von der zur aralo-kaspischen Periode das Wasser bewohnenden und im Kaspischen Meere noch jetzt herrschenden. Ge- kennzeichnet war jene Fauna durch das Auftreten unsrer essbaren Herzmuschel (Cardium edule). Die ungeheuren Mengen von Schalen dieser Muschel, die sich im Strand- sande des Adschidarja finden, liefern nun, wie Andrussow hervorhebt, den Beweis, dass diese Phase in der Entwicke- lungsgeschichte des Meerbusens ziemlich lange andauerte. Erst die weiter gesteigerte Salinität erstickte das Leben dieses organischen Formenkreises und an dessen Stelle traten den Salzseen eigenthümliche Thiere und Pflanzen, (Nach Andrussow. II. Die südliche Karabugasische Landzunge. Pet. Mitth. 1897, Taf. IV.) Ste Monatsmittel für die Stromgeschwin- a0 en, . . * £} Ahern BiORaEpIeche digkeit hat jene kleinere Zahl Geltung. 7% Weleh einer bedeutenden Wassermasse 7:7000.000 jedoch schon diese entspricht, davon erhält man eine Vorstellung durch die Erwägung, dass noch nicht ein- mal den vierten Theil derselben, nämlich 0,23 Millionen cbm = 236,5 Millionen 1 = 52,1 Millionen Gallonen die Themse an Kingston vorüberführt. Da lässt sich denn wohl begreifen, dass die Differenz zwischen Niederschlagsmenge (einschliesslich eigenen zeit- weiligen Zuflüssen) und Verdunstungsverlust im Adschi- darja durch den Karabugas-Strom im Allgemeinen aus- geglichen wird. Dieser Strom bringt aber, wie gesagt, auch Salz mit, das bei der Verdunstung des an sich allerdings nur ganz schwaechsalzigen Kaspiwasserss dem Adschidarja-Wasser zugute kommt und dessen schon vorhandenen Salzreich- thum stetig vermehrt. Im Laufe der Zeiten hat sieh nieht nur, wie schon ausgeführt, dessen Salzgehalt gesteigert, sondern der Vorgang scheint folgerichtig auch zu fordern, dass das Anwachsen der Salinität andauere, und zwar nieht nur bis zur Sättigung des im Meer- busen enthaltenen Wassers mit Salzen, sondern sogar bis zur Uebersättigung und der ihr entsprechenden Ausscheidung und Ablagerung von Salz; wenn keine Störung von aussen eintritt, sollte man also die Er- füllung des Meerbusens durch ein Salzlager als unaus- welehe noch jetzt das Wasser des Adschidarja beleben. | bleiblich erwarten. 436 Naturwissensehaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 37. Dieser Gedanke verdient wohl eingehendere Er- wägung. Zur Zeit besitzt das die Oberfläche bildende Adschidarja-Wasser höchstens einen der Diehte von 17° B. entsprechenden Salzgehalt. Derselbe ist zugleich als Mindestgehalt des die Tiefen einnehmenden Wassers zu betrachten, denn falls dieses leichter wäre, würde jenes untersinken und das leichtere zur Oberfläche drängen müssen. Dagegen wissen wir nicht, ob das Tiefenwasser nicht noch viel salzreicher und schwerer ist und ob nicht während früherer, hierfür günstigerer Verhältnissen Salze auf dem Beckenboden sogar schon abgelagert worden sind; die Tiefenverhältnisse sind eben, abgesehen davon, dass Lieutenant Sherebzow schon unweit des Ufers sechs Faden lothete, noch ganz unbekannt. Nehmen wir aber der Einfachheit halber an, dass das Adschidarja-Wasser vom Grunde bis zum Spiegel 17° B. Dichte (ungefähr 1,15 spee. Gewicht) besitze. Wenn nun in Zeiten an- dauernder starker Verdunstung der Karabugasstrom mit seinem leichteren, brackischen Wasser in den Adschidarja eintritt, verbreitet sich dieses über die Oberfläche hin; einen je weiteren Weg es aber zurücklegt, desto salz- reicher wird es unter dem Einflusse der andauernden Ver- dunstung, und es entstehen in ihm in eoncentrischer An- ordnung um den Einmündungspunkt Zonen von mit der Entfernung wachsendem Salzgehalt. Uebersteigt die gleichzeitig erworbene Dichte endlich 17° B., so sinken die Wassertheilchen unter und kommt, indem leichtere dafür aus der Tiefe zur Oberfläche treten, sowie über- haupt durch den andauernden Austausch der Standpunkte verschieden schwerer Wassertheilchen, die Mehrung des Salzreichthums durch die Zuflüsse dem gesammten Adschi- darja-Wasser zugute. In dieser Weise dürfte der Salz- gehalt des Meerbusenwassers zu der schon erlangten Höhe angewachsen sein und wohl auch jetzt noch weiter zu- nehmen; ob er dies aber auch in Zukunft thun und sogar bis zur Uebersättigung steigen werde, dies hängt wesent- lich von der Stärke der Verdunstung ab, ob dieselbe ge- nüge, das zufliessende Wasser, dessen Menge als gleich- bleibend angenommen, bei seiner Verbreitung über die Meerbusenfläche hin mit Salz zu sättigen oder sogar zu übersättigen. Dass es ihr jetzt gelingt, 17° Baume zu erzielen, ist eben kein Beweis, dass sie auch auf 26° B. zu eoncentriren vermöge. Angenommen nun, es stelle sich einst heraus, dass sie zu schwach wäre, um dem Zufluss- wasser eine noch grössere Dichte zu ertheilen, als wie solche das Meerbusenwasser zu jener Zeit bereits erlangt hat, so vermag jenes nicht unterzusinken und verbleibt oben, indem es da zugleich das unterlagernde, schwerere Wasser vor Verdunstungsverlusten schützt. Nun drängt aber neu einströmendes Wasser aus dem Kaspischen Meere nach und zwar so lange, bis die Wasserspiegel beider Seebecken in demselben Niveau liegen. Ist dies erreicht, so wird die Karabugasströmung zwar wohl nicht ganz aufhören, weil die Verdunstungsgrösse im Adschidarja eine bedeutendere ist, als im Gesammtbecken des Kaspi- schen Meeres; da aber das Adschidarja-Wasser selbst nahe an seiner Oberfläche immerhin salzreicher und mit- hin schwerer ist, muss es, selbst wenn seine salzreichen Schichten nicht die volle Höhe der Karabugas-Mündung erreichen, auf diese doch einen so mächtigen Druck aus- üben, dass sich ein Gegenstrom salzreichen Adschidarja- Wassers unter oder neben dem einfliessenden Kaspi-Wasser in das Kaspische Meer durchdrängt und so dem Salzreich- thum des Adschidarja beträchtlichen Abbruch thut. Die Thatsache, dass ein solcher Gegenstrom, welcher ein weiteres Ansteigen der Salinität im Meerbusen verhindern würde, jetzt nicht existirt, kann als Beweis gelten so- wohl dafür, dass die Verdunstung zur Zeit noch im Stande ist, dem einfliessenden Karabugas-Wasser eine diejenige des Adschidarja-Wassers übersteigende Dichte zu ertheilen, als auch dass der Spiegel des Adschidarja etwas tiefer liegt als derjenige des Kaspischen Meeres. Sollte aber der Verdunstungsstärke auf die Dauer gelingen, das eingeströmte Karabugas-Wasser stärker zu eoncentriren, als das im Meerbusen vorhandene, also so- gar bis zur mit Salz gesättigten Soole, welche nur noch etwa 3 °/, des ursprünglichen Volumen einnehmen würde, und möchte, nachdem das Adschidarja-Becken bis zur Oberfläche von dieser erfüllt wäre, die Concentration des hinzukommenden Wassers noch weiter bis zur Ueber- sättigung, mithin auch zur Ausscheidung und Ablagerung von Salz tortschreiten, so könnte letzteres, wie vorher dargelegt, naturgemäss doch erst in einer Oberflächen- zone geschehen, bis zu der das einfliessende Karabugas- wasser einen weiten Weg zurückzulegen hat. Innerhalb des ganzen, zweifellos sehr gross anzunehmenden Becken- theiles zwischen dieser Zone und dem Einflusspunkte wäre, da das einfliessende Wasser das darunterliegende, gesättigte Meerbusenwasser vor Verdunstung und Ueber- sättigung schützt, und da es auch selbst noch nicht so- weit concentrirt ist, eine Ausscheidung und Ablagerung von Salz ausgeschlossen. Salzablagerungen sind also, selbst wenn man fast schon unnatürlich hohe Beträge für Verdunstungsstärke und Meerbusengrösse annimmt, nur in vom Einflusspunkte sehr entlegenen Beckentheilen, aber nicht über den ganzen Beekenboden hin möglich, falls eben ein erheblicher Zufluss wenig salzigen Wassers stetig stattfindet. Viel günstigere Verhältnisse für jene treten dagegen ein, wenn das Salzwasserbecken ganz abgesperrt oder von schwachsalzigem Wasser nur zeit- weise gespeist wird. Für Bildung eines Salzlagers auf dem Beckenboden sind also im Adschidarja die Bedingungen weder jetzt, noch, falls keine günstige Aenderung eintritt, in Zukunft gegeben. Zur Zeit ist das Wasser in den Verdunstungs- perioden erst bis zur Uebersättigung mit Kalksulfat (Gips) eoncentrirt, und des letzteren in einiger Entfernung von der Karabugasmündung abgelagerte Ueberkrustungen des Bodens erliegen längs des Strandes zumeist wieder der Zerstörung, weniger wohl in Folge chemischer Angriffe seitens des salzarmen Oberflächenwassers in feuchten Jahreszeiten, als wie durch Regen und Wind. Andrussow berichtet von einer auffälligen Eigenschaft derselben, die ihre Vernichtung erleichtert; sie sollen sich nämlich in Folge chemischer Veränderungen blasenförmig wölben. Die trocken gelegten, flachen Strandflächen bestehen nach seiner Schilderung aus schwärzlichem Sande mit vielen einzelnen Herzmuschelschalen, der von Kalksteingeröllen in dem Ufer parallelen Streifen und von Haufen ganz merkwürdig gestalteter Coneretionen bedeckt werde, welche sich bei näherer Betrachtung als aus Gips be- stehend erweisen, der reichlich Sand eingeschlossen ent- hält und oft die Wellenspuren des Strandes, auf welchem er sich niederschlug, im Abguss festgehalten hat. Die zur Salzlagerbildung günstigen Bedingungen, welehe wir im Adschidarja selbst vermissen, finden sich dagegen in einigen Salzseen verwirklicht, die vermuthlich einst alle jenem zugehört haben und auch jetzt noch mit ihm, wenigstens zeitweilig, in Verbindung stehen. Von dem 50km langen und gegen 6km breiten südlichsten dieser in Skizze II dargestellten Seebecken ist allerdings solche Verbindung nicht nachgewiesen, während deren Spuren beim mittleren, 14 km langen und bis 4,5 km breiten deutlich erkennbar waren, und das nördlichste, wiederum etwas grössere, stellt sogar in feuchten Jahreszeiten nur eine Bucht des Adschidarja dar. In allen 3 Lagunen fand Andrussow die Mitte des Beckenbodens von Koch- salzschiehten eingenommen. Von dem nördlichsten See XI. Nr. 37. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 437 zuge) giebt er folgende Beschreibung: „Wir sehen hier, ganz wie an einigen Stellen der Adschidarja-Ufer selbst, eine niedrige Sandterrasse, dann einen Saum runder Gerölle (aus aralo-kaspischem Kalkstein bestehend); weiter folgt ein breites Band dunklen Sandes. Ein Theil der Gerölle und eine Partie Sand sind von einer bedeutenden Gips- schicht bedeekt, die oft wie aufgetrieben aussieht, d. h. die Oberfläche der Gipsschicht hat unregelmässige, halb- blasenförmige Hörner, die durch die Ausdehnung des Gipses in Folge chemischer Veränderungen entstehen. Der nach abwärts liegende Theil des Sandbandes ist gipsfrei und begrenzt den Salzsee, an dessen Rändern und an dessen Boden schön krystallisirtes Kochsalz abgelagert ist.“ Vermuthlich sind an einzelnen der hier beschriebenen Erscheinungen und insbesondere an der von der Gips- kruste freien, unmittelbaren Randzone Eigenthümlichkeiten des chemischen Bestandes schuld, die gegenüber dem Oceanwasser die Salzwasser der aralo-kaspischen Niederung aufweisen; gekennzeichnet werden diese nämlich durch einen viel grösseren Reichthum an Magnesiumsalzen, sowie auch, obwohl in minderem Grade, an Schwefelsäurever- bindungen. In Folge letzteren Umstandes scheidet sich bei Winterkälte Glaubersalz, anstatt Kochsalz aus; dasselbe entsteht vielleicht da aueh durch Einwirkung von Koch- salz auf die Gipskruste, wobei nicht nur das gebildete Caleiumehlorid, sondern auch das in der Feuchtigkeit ebenfalls zerfliessliche Glaubersalz der in Folge der Ver- dunstung in das Beckentiefste zurückweichenden Soole gefolgt sind. Der grössere Reichthum des Kaspi- und Adschidarja- Wassers an Magnesium und Schwefelsäure bedingt jedoch nieht nur an sich wesentliche Abweichungen der Salz- ablagerung gegenüber derjenigen aus Oceanwasser, sondern steigert auch noch die Einflüsse, welche hierbei die wech- selnde und insbesondere die dem Gefrierpunkte angenäherte Temperatur auszuüben vermag. Während nämlich das Koch- salz in heissem Wasser nicht viel löslicher als in kaltem ist, vermag bekanntlich Wasser von 33° ©. 322 Hundert- theile Glaubersalz, solehes von 18° aber nur 48 und das- jenige von 0° sogar nur 12 Hunderttheile davon gelöst zu halten. Es erscheint deshalb bei Binnenseen wohl möglich, dass allein dureh andauernden Frost und noch vor dem Steinsalze Glaubersalz zur Ausscheidung und zum Absatze gezwungen werde aus Gewässern, welche trotzdem die doppelte Menge von Kochsalz als wie von Glaubersalz gelöst enthalten. Solehes Ereigniss gewinnt für den Ad- schidarja und die andern südrussischen Seen sehr an Wahrscheinliehkeit in Anbetracht der vom Continental- klima gebotenen kalten Winter, in denen, obwohl die be- deutenden Entwicklungen latenter Wärme, welche die Krystallausscheidungen begleiten müssen, der Abkältung entgegenwirken und sich da die Seebecken als Wärme- heerde darstellen werden, eine Erniedrigung der Wasser- temperatur in seichten Lagunen bis auf oder unter den Gefrierpunkt eintreten kann. Es wäre das also im Gegen- satze zur Salzlagerbildung aus Oceanwasser, wo wir, ab- gesehen von dem noch fraglichen „Ausfrieren“ geringer Salzmengen in polaren Regionen, nur eine Salzausscheidung durch Wasserentziehung kennen, eine solche durch Wärme- verlust. Ferner wird uns ja aber schon längst von den südrussischen Bitterseen berichtet, das bei Temperatur- erniedrigung nicht nur Bittersalz auskrystallisire, sondern in Folge von Wechselzersetzungen mit Chloriden auch Glaubersalz: also eine ebenfalls nicht durch Wasserent- ziehung bedingte Salzbildung stattfinde. Doch wird von allen diesen Gebilden angegeben, dass sie mit Eintritt der warmen Jahreszeit wieder verschwinden. Das wird natur- gemäss auch von den Ablagerungen solcher Art gelten, welche in den Randlagunen des Adschidarja und mög- licherweise sogar in dessen Hauptbeeken (wie wenigstens Kusnetzow wissen will) im Winter entstehen. Allerdings mag diese Rückbildung oder vielmehr Wiederauflösung der Krystalle sehr lange Zeit beanspruchen, weil die klimatische Erwärmung des Seewassers von der Oberfläche aus und durch Wärmeleitung nur ungemein langsam fort- schreiten kann. Deshalb muss man auch die Möglichkeit einräumen, dass sich der Boden der Lagunen noch in warmer Jahreszeit mit einer Schicht von Glaubersalz be- deckt finde, und dass sich sogar ein Theil dieses Nieder- schlags mehrere oder viele Jahre hindurch erhalte und als Basis späterer Ablagerungen diene. In solchem Falle müsste sich aber die Ausscheidung und Ablagerung des Sulfates durch eine Abnahme des Schwefelsäuregehaltes im Wasser offenbaren. Da nun aber gerade die Steigerung des letzteren im Adsehidarja-Wasser gegenüber dem Kaspi-Wasser ungemein auffällt (nach Kusnetzow sollen sich in diesem die Mengen von Kochsalz und Magnesium- sulfat wie 11:1, im Adschidarja dagegen nur wie 2:1 verhalten), so sprieht dies wohl entschieden dafür, dass dureh stellenweise Ausscheidung dem Adschidarja-W asser Chlorid dauernd entzogen werde, aber beileibe nicht Sulfat. Wie oben angedeutet, geniesst aber der Adschidarja nicht nur den Ruf als ein Schauplatz einer Salzablagerung, sondern man meint auch, dass daselbst ein Bitumenlager in der Bildung begriffen sei, welches unter günstigen Umständen Erdöl liefern könne. Bekanntlich giebt es von Theorieen der Erdöl- entstehung eine grosse und verschiedenartige Menge. Ziehen wir aber nur die Erdölvorkommen von industriellem Nutzungswerthe in Betracht, so sind. wohl alle Geologen übereinstimmend der Meinung, und zwar auf Grund der geologischen Verhältnisse, sowie der chemischen Eigen- schaften des Erdöls und der diesem verwandten bi- tuminösen Stoffe, dass das Material nicht von plutonischer oder vuleanischer Abstammung sein könne, und dass der Plutonismus nur insofern in Betracht komme, als möglicher Weise die Erdwärme, deren Zunahme mit der Tiefenstufe wir überall beobachten, bei der Erdöl-Ausbildung be- theiligt ist. Als Rohmaterial der letzteren gelten viel- mehr Anhäufungen organischer Reste, aus denen auch unsere Technik dem Petroleum ähnliche Erzeugnisse zu gewinnen versteht. So wurde schon, bevor das wohl- feilere amerikanische Oel ihnen den Markt verdarb, aus Braunkohlen des Zeitz-Teuchernschen Beckens geschweltes „Solaröl“ und aus bituminösen Schiefern Schwabens dar- gestelltes Schieferöl auf unseren Lampen gebrannt. Von den Kohlen ist ihre vegetabilische Herkunft zweifellos, da aber bislang noch für kein einziges erheb- liches Erdölvorkommen eine Verbindung mit einer Ab- lagerung von Kohlen, welche sich in diesem Fall zu Anthraeit umgewandelt vorfinden müssten, nachzuweisen war, ist diese Herkunftsmöglichkeit des Erdöls nicht thatsächlich wichtig. Dafür gewannen für dessen Ent- stehung umsomehr diejenigen Kohlenwasserstoffe an Be- deutung, welche sich in mehr oder weniger reichlichen Mengen gewissen Gesteinsablagerungen eingemengt finden und die wir unter dem Begriff „Bitumen“ zusammenfassen, Sie galten von jeher, mit Ausnahme des in Kohlenlagern enthaltenen oder denselben vergesellschafteten Bitumens, das von Pflanzenfetten (der Samen u. a.) oder Harzen ableitbar ist und in den Cännel-Kohlen von Autun und Schottlands, sowie in den australischen Kerosenschiefern von Algen geliefert zu sein scheint, als von hauptsächlich animalischer Abkunft, hervorgegangen aus thierischen Weichtheilen und zwar besonders Fetten, sodass sie also als „Zwischenproduete“ der natürlichen Erdöldarstellung aus letzteren zu betrachten sind. Diese Auffassung ge- wann grössere Sicherheit und erlangte allgemeinere 438 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 37. Geltung auf dem experimentellen Wege, indem man nicht erst aus dem Zwischenproducte, sondern gleich aus thierischen Fetten, nnd zwar unter Verwendung erheb- licher, die bei wissenschaftlichen Versuchen sonst üblichen überragender Mengen, Petroleum herstellte. Diesen ver- dienstvollen Nachweis verdanken wir dem Karlsruher Professor Dr. C. Engler, doch nehmen amerikanische Geologen die Priorität für die Herren Warren und Storer in Anspruch. Die hierauf begründeten Theorieen haben aber Ant- wort noch auf eime ganze Reihe anderer mehr oder weniger wichtiger Fragen zu geben, wovon die eine dahin lautet, wie denn die zur Bildung grosser Erdölmengen nöthigen Anhäufungen thierischer Reste entstehen. Einem jeden Thiere ist ja im Allgemeinen bestimmt, nicht nur zu sterben, sondern auch „gefressen zu werden.“ Diesem naturgemässen Loose sollen nun, verlangt die Theorie, un- zählich viele Thiere, und kann es sich nur um Wasser bewohnende handeln, in einem verhältnissmässig be- schränkten Gebiete entzogen werden. Da wurden denn sehr verschiedenartige Verhältnisse als Urheber ange- geben; so hat man, angeregt durch hin und wieder beob- achtete grosse „Fischsterben“, seine Zuflucht zum „Massen- morde* genommen, den jähe Aenderungen der Lebens- verhältnisse, sei es der Salinität des Wassers, sei es der Temperatur oder des Luftdrucks, oder das plötzliche Eindringen giftiger Substanzen, z. B. bei vulcanischen Ausbrüchen, verschulden sollen. Alle diese Erklärungs- versuche leiden jedoch an Unzulänglichkeit, indem die geforderten Ereignisse weder zur grossen Flächenaus- dehnung mehrerer Erdölvorkommen passen, noch reich- liche Erdölmengen zu liefern versprechen, denn da nach Englers Ermittelung „getrocknete“ Fische nur 10 Ge- wichtsprocente und Muschel-Sarkode sogar uur 2,5 Prozent noch stiekstoffhaltigen Oels liefern, darf man kaum von den grössten Anhäufungen noch frischer, wasserhaltiger Cadaver eine irgendwie beträchtliche Bitumenmenge zu erhalten erwarten. Mehr befriedigen werden desshalb diejenigen, welche eine in langen Zeiträumen er- folgende allmähliche Aufspeicherung thierischer Reste in verschiedenen Stadien der Zersetzung bis auf einen Rückstand von widerstandsfähigsten Theilen, zu denen die Fette ja gehören, annehmen. Eine Gelegen- heit zu derartigen Aufstapelungen bieten diejenigen Räume in Meeren und Seen, von welchen das in der Nachbar- schaft gedeihende thierische Leben ausgeschlossen ist. Ein solcher „azoischer“ Raum von erheblieher Erstreckung wurde uns zuerst im Schwarzen Meere bekannt, dessen in der Tiefe ruhenden, von keiner Strömung gestörten Wasser- schichten dermaassen reich an Schwefelwasserstoff sind, dass jedes lebende Thier, welches in sie geräth, den Tod findet, und die niedersinkenden Cadaver den Aasfressern entzogen bleiben. Andrussow, der an der Erforschung des Schwarzen Meeres betheiligt war, erklärt die Ent- stehung dieser Verhältnisse folgendermaassen. In das Schwarze Meer strömt aus dem Mittelmeere Wasser ein, das doppelt so salzig ist, wie das in jenem vorhandene. Diese Strömung bringt Organismen mit, von denen nur ein Theil die geringere Salinität des Schwarzen Meeres | vertragen kann, während der andere abstirbt und zu- sammen mit dem wegen seines grösseren Salzgehaltes schwereren Mittelmeerwasser in die grossen Tiefen des Schwarzen Meeres sinkt; dort bildet dieses eine stagnirende Wasserschicht, weleher nur spärliche Mengen von Sauer- stoff zutheil werden, und die dadurch die Fähigkeit ver- liert, thierisches Leben zu erhalten. Die in ihr abge- lagerten Cadaver verfallen, und zwar vermuthlieh unter dem Einflusse von im Schlamme vorgefundenen Bakterien, der Zersetzung, welche die stickstoffhaltigen Substanzen viel rascher zerstört als wie die Fette; hierbei wird auch Schwefelwasserstoff zum Theil direet ausgeschieden, zum Theil durch Sauerstoffentziehung aus Sulfaten entwickelt; derselbe wird im Schlamme theilweise als Schwefelmetall, theilweise aber, und zwar anscheinend auch unter Bak- terien-Hülfe, als Sulfat wiederum gebunden. Die Fett- substanzen aber, „welche mit Sedimenten bedeckt oder mit Sedimenten gemischt werden, können unter günstigen Verhältnissen in ein erdölbildendes Material verwandelt werden.“ Mag man an dieser Erklärung im Ganzen oder im Einzelnen auszusetzen finden, so bleibt doch die am Schwarzen Meere ermittelte Thatsache „lebloser“, aber mit von organischem Leben erfüllten innig verknüpfter Räume in Seen und Meeren bestehen, in denen Cadaver stetig aufgestapelt werden können; zugleich erscheint die Annahme berechtigt, dass auch noch andere Substanzen oder Umstände Meeresräume „azoisch“ zu machen oder zu „vergiften“ vermögen. Im Adschidarja nun sollen, wie Andrussow für mög- lieh oder sogar wahrscheinlich erachtet, die gerade um- gekehrten Verhältnisse, welche nach seiner Darlegung im Schwarzen Meere zur Bitumenlagerbildung veranlassen, eine solehe bedingen; während hier die Einmündung eines salinischeren Stroms in eine weniger salzige See, sei dort diejenige eines salzarmen Wasserlaufes in ein Salzwasser- becken als Ursache zu betrachten. Mit dieser Meinung steht Andrussow nicht vereinzelt, sondern hat, was er selbst zunächst nicht wusste und erst später ermittelte, einen Vorgänger in dem französischen Geologen Dieulafait, welcher sogar noch weiter geht und die gleichzeitige Bildung eines Erzlagers behaupten möchte. Auf die Entstehung einer Bitumenablagerung lenkten die Gedanken auch hier die an der Karabugas- Mündung beobachteten grossen „Fischsterben.*“ Nicht zu allen Jahreszeiten, aber im Frühlinge und mitunter auch im Sommer und Herbst, versuchen grosse Mengen von Fischen verschiedener Art in den Adschidarja einzudringen und finden in dessen salzigem Wasser schnell ihren Tod. Die turkmenischen Fischer wollen wissen, dass sie in Berührung mit dem Salzwasser zunächst erblinden; um sie vor diesem Mörder zu retten, würde ihnen aber die Erhaltung der Sehkraft wohl nicht helfen. „Ihre Cadaver schwimmen,“ nach Andrussow’s Schilderung, „so lange weiter, wie das in den Busen hineinfliessende Wasser sich fortbewegt, dann sinken sie theilweise zu Boden; theilweise werden sie von den Wellen ans Ufer ge- spült.“ Hier werden sie „theilweise von Vögeln gefressen, die in der Nähe der Meerenge in grossen Mengen leben. Welche Massen Fische im März hier am Ufer liegen, kann man daraus entnehmen, dass die Möven um diese Zeit nur die Fischaugen fressen und sieh nicht die Mühe geben, den Fisch umzukehren, um auch das andere Auge auszu- stechen. Auch der Mensch sammelt die Fische. Die turkmenischen Fischer gebrauchen den frisch ausge- worfenen Häring als Köder für den Hausen, den einzigen Fisch, der hier als Handelsartikel gefangen wird. Auch isst man diese natürlieh gesalzenen Fische. — Jedoch bleibt an wenig zugänglichen Stellen noch eine bedeutende Masse Fische liegen, und die natürlich gesalzenen Häringe, Karpfen u. a. werden im Sommer durch die brennende Sonne getrocknet und konserviren sich vorzüglich; sie liegen monatelang am Ufer, und der vom Winde herbei- getriebene Sand und die Ameisen wirken an ihrer Zer- störung mit.“ — Von den in Adschidarja zu Boden sinkenden Fischeadavern behauptete nun schon (1883) Dieulafait, dass deren Zersetzung durch die grosse Menge der im Wasser des Meerbusens gelösten Substanzen Xl1ll. Nr. 37. fast vollständig verhindert werde; deshalb würden die Geologen, welche nach Jahrtausenden hier Untersuchungen vornehmen, in den vom gegenwärtigen Adschidarja ab- gelagerten Sedimenten verhältnissmässig gut erhaltene Fischreste finden, mit Schwefelmetallen (zu denen ver- muthlich die metallischen Blutbestandtheile ihren Beitrag liefern sollen), „insbesondere mit Schwefelkupfer impräg- nirt und mit ganz besonderem, durch die Zersetzung des Fischfleisches entstandenen Bitumen vergesellschaftet.“ Dieser Gedankenverbindung pflichtet Andrussow nur mit Vorbehalt bei, indem er als auf eine dieselbe kräftigende Thatsache auf den am Karabugas herrschenden Schwefelwasserstoff-Geruch hinweist, aber vor der Ent- scheidung der Frage erst das Ergebniss der Unter- suchungen des Adschidarja-Bodens abwarten möchte. Ausserdem aber hebt er zu Gunsten der Annahme einer Ansammlung organischen Materials einen Umstand hervor, dessen Bedeutung hierfür bislang wohl nicht recht ge- würdigt wurde. Die Wichtigkeit des Fischsterbens er- scheint nämlich doch etwas zweifelhaft, da solches an- scheinend nur einmal jährlich eintritt und es überdies noch ganz unbekannt ist, wieviel Cadaver und in welcher Massenvertheilung auf dem Boden des Adschidarja abge- lagert werden. Da lenkt nun Andrussow die Aufmerk- samkeit auf anderes organisches Material, dessen all- täglich auftretende Masse zwar unscheinbar ist, dessen im Laufe langer Zeiträume stattfindende Aufstapelung aber sogar die umfangreichsten Fettberge leicht erklärt, nämlich auf die vielen und sehr verschiedenartigen, vor Wind und Strom treibenden oder „flottirenden* Organismen und Organismentheile, die wir unter dem Sammelbegriff des Plankton zusammenfassen. Nicht nur von Wasser- pflanzen, sondern auch von Muschellarven und anderen kleinsten Lebewesen soll der Karabugasstrom be- trächtliche Mengen stetig dem Adschidarja zuführen; kommen nun dieselben dort zur Ablagerung, so schützt nach Andrussow’s Meinung, welche jedoch nicht von allen Berufsgenossen getheilt werden dürfte, die Salinität des Meerbusenwassers sie vor allzurascher Zersetzung und er- hält sie der nachfolgenden Bitummisirung. Zweifelhaft erscheint ihm nur, ob sich gleichzeitig auch genügende Massen von Sedimenten ablagern, um die Fettsubstanzen „einzusargen“, denn mit deren Ablagerung ist es ja nicht allein gethan, es bedarf auch ihres Begräbnisses in gas- und wasserundurchlässige, feste oder zähe Gesteins- masse, wenn das aus dem Fette hervorgehende Bitumen fest- und zusammengehalten werden soll. Dieses Be- denken ist nun bezüglich der hinreichenden Menge anorganischen Ablagerungsmaterials vielleicht übertrieben, wenn man sich der in allen Berichten geschilderten Staubmassen erinnert, welche von den Steppenwinden weithin verfrachtet und auch dem Adsehidarja zugeweht werden, dagegen ist von dem in letzterem vorgefundenen Sediment seiner Art nach (nämlich ausser Gips Quarz- sand und Kalkkarbonat) nicht zu erwarten, dass es eine Umhüllung von nöthiger Beschaffenheit liefern werde. In Anbetracht der bedeutenden Einschrumpfung, welche die organischen Reste bei ihrer Umwandlung in Bitumen und günstigenfalls in Erdöl unterworfen sind, wird man überdies an das Einsargungs-Material noch die An- forderung gehöriger Nachgiebigkeit und Plastieität stellen Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 439 müssen, damit beim Zusammensinken oder Pressen des Gesteins unter gewaltigem Gebirgsdruck die Diehtung erhalten bleibe, eine Anforderung, welcher weder Kalk- steine noch Sande oder Sandsteine werden genügen können, und die nur durch die reichliche Gegenwartvon Thon erfüllt wird. Demnach dürften sich nur T'hone und thonige Mergel eignen, die ja aber auch aus von Winden herbei- geführten Staubmassen hervorgehen können. Eine derartige, einer Bitumenlagerbildung günstige Verknüpfung der maassgebenden Umstände lässt sich nun wohl für den Adschidarja und alle ihm gleichenden See- becken für die Zukunft annehmen, aber dass schon jetzt ein Bitumenlager dort entstehe, ist entschieden nicht glaubhaft. Andrussow scheint, indem er sich dieser Be hauptung geneigt erklärt, den Nachweis wieder ganz ver- gessen zu haben, den wir ihm selbst erst verdanken, nämlich dass der Adschidarja noch kein „azoisches“ See- becken ist, sondern noch eine eigene Fauna beherbergt; schon die Unmassen von Artemien allein, deren er ge- denkt, werden vermuthlich das durch den Karabugas zu- geführte Plankton ebenso aufzehren, wie es die vor unseren Flussmündungen lauernden Meeresthiere thun. Es muss also erst das Absterben jener Fauna, das bei weiter steigender Salinität des Busenwassers wohl nicht aus- bleiben wird, abgewartet werden. Erkennt man nun die Möglichkeit oder Wahrschein- lichkeit an, dass nach Erfüllung der vorgenannten Er- fordernisse auf dem Boden des Adschidarja-Beckens, und zwar vermuthlich am massigsten in der Nähe der Karabugas- Mündung ein Bitumenlager entstehen werde und dass unter gleichen Umiständen solche schon werden entstanden sein, so tritt die Thatsache der häufigen oder gewöhn- lichen Vergesellschaftung der Erdölvorkommen mit salini- schem Untergrundwasser in eine neue Beleuchtung. Die Erfahrung lehrt ja, dass beide Substanzen meist einander gesellt sind, aber die bislang angestellten Versuche, ein Causalitätsverhältuiss und die Nothwendigkeit dieser Ver- gesellschaftung wenigstens für die Bildung des Erdöls nachzuweisen, haben sich keine allgemeine Anerkennung zu verschaffen vermocht. Von einer Nothwendigkeit der- selben wird man wohl auch jetzt nicht reden dürfen, da die Möglichkeit, dass Bitumlager auch in durch andere Substanzen als wie Salze „vergifteten“ Meeresräumen ent- stehen können, nicht zu bestreiten sein möchte. Immerhin verliert jene Vergesellschaftung den Charakter reiner Zu- fälligkeit. Wenn wir uns aber erinnern, dass im Adschi- darja selbst, bei Erhaltung der Karabugas-Verbindung, ausser dem organischen Materiale zwar salzige Sedimente und nur in entlegeneren Theilen Salzmassen, aber keine den Meerbusen erfüllenden Salzablagerungen entstehen mögen, so befindet sich hiermit die Thatsache im Ein- klange, dass wir Erdöle nirgends aus Salzlagern selbst gewinnen. Sollten sich aber im Adschidarja, nachdem daselbst eine Masse von zu Bitumen sich umbildendem or- ganischen Material abgelagert worden, durch völlige oder zeitweilige Absperrung vom Kaspischen Meere die Be- dingungen einer grossen Salzlagerbildung erfüllen, so wäre damit gleichzeitig die Beendigung jener gegeben. Bitumen und Salz können eben wohl neben- oder über- einander, aber wegen der Verschiedenheit der Bedingungen nicht mit einander gemengt Massenlager bilden. Starker Grössenunterschied der Männchen und Weibchen bei den Blindmäusen. — Während die meisten Nager-Gattungen keine deutlich hervortretenden Unter- schiede in der Grösse der Männchen und Weibchen er- kennen lassen, treten solche in der Gattung Spalax nach meinen Beobachtungen sehr deutlich hervor. Der Berliner zoologische Garten hatte vor ca. S Wochen durch Herrn Dr. Ad. Lendl in Budapest zwei lebende Blindmäuse 440 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 37. aus der Umgegend von Mezöhegyas im mittleren Ungarn erhalten *); dieselben waren in der Grösse recht verschieden. Nachdem sie kürzlich bald nach einander gestorben sind, habe ich sie durch Herrn Dir. Dr. Heck für die mir unterstellte Sammlung erhalten und näher untersucht. Es stellte sich heraus, dass das grössere, 210 mm lange Exemplar ein Männchen, das kleinere, 170 mm lange Exemplar ein Weibchen ist. Hierdurch wird dasjenige bestätigt, was ich schon vor einiger Zeit auf Grund von Sehädeln und Bälgen für mehrere Spalax-Arten festgestellt hatte, nämlich das die Männchen wesentlich grösser sind als die Weibehen. Siehe Sitzungsber. d. Berl. Ges. naturf. Fr. v. 18. Januar 1898, S. 1ff. Für die riehtige Beurtheilung der einzelnen Spalax- Arten ist es wichtig, jene Thatsache zu kennen. Ich be- merke noch, dass bei den Weibchen ein Paar Zitzen in der Achselgegend, ein zweites Paar in der Inguinalgegend gelegen ist; man muss aber in dem dichten Pelze sehr genau darnach suchen, um sie zu finden. Prof. Dr. A. Nehring. Zur Theorie der geschiehteten Steine. — Die feste Erdrinde sollte nach Werner neptunisch gebildet sein; seine berühmten Schüler Leopold von Buch und Alexander von Humboldt, im Anfang seine extremsten Anhänger, trugen wohl am wesentlichsten dazu bei, diese einseitige Theorie zu stürzen, nachdem die beiden Forscher die Welt durchforscht und andere Lagerstätten von Gesteinen kennen gelernt hatten, als sie das Erzgebirge bot. Zuerst strich man die Granite und Basalte aus der neptunischen Reihe und erklärte diese als. Producte der feurig-füssigen Ausscheidung. Die englischen Geologen unter Hutton verwarfen die neptunische Entstehung für alle krystal- linischen Gesteine, und es ist zu Anfang unseres Jahr- hunderts ein heftiger Kampf gekämpft zwischen diesen beiden Richtungen. Werner hat sich wohl nie bekehren lassen und hat bis an sein Lebensende auch an der An- sicht festgehalten, dass Granit und Basalt als sedimentäre Gesteine aus dem Wasser abgelagert worden seien. Werner hat die grösseren Gebiete eruptiver Gesteine niemals kennen gelernt, und man hat Werner den Vorwurf gemacht, dass er ohne eingehende Kenntniss dieser Ge- steinsbildungen deren Entstehung nur rein hypothetisch erklären wollte. Dagegen war Werner ein guter Kenner der Gneisformation, die in Freiberg und im ganzen Erz- gebirge häufig vorherrscht, und es ist leicht erklärlich, dass der berühmte Geologe seine Ansichten über die Gneisbildung auf die ähnlichen Granite übertrug. Dass man Granit aber als eine vulkanische Bildung betrachten muss, ist durch die Arbeiten, welche seit 1810 bekannt geworden sind, eine nicht mehr anzutastende Thatsache. Mit dem Gneis verhält sich die Sache jedoch noch recht zweifelhaft. Bekanntlich haben Gneis und Granit dieselbe chemische Zusammensetzung und dieselben mineralischen Elemente, beide bestehen aus Quarz, Glimmer und Feldspath. Beide finden sich an denselben Lagerstellen unter denselben Entstehungsbedingungen, oft in und durch einander ge- lagert, sowie man auch im Neckarthal häufig eine Durch- lagerung von Graniten verschiedener physikalischer Be- schaffenheit beobachten kann. Es war daher durchaus folgerichtig, dass man von der Werner’schen Schule für beide Gesteine eine sedimentäre Bildung annahm, dass man aber auch von den Anhängern der vulkanischen *) Sie gehören zu der von mir aufgestellten Art: Spalax hungaricus, welche ich früher nur als Varietät des Sp. typhlus Pall. betrachtet hatte. (Siehe diese Wochenschrift, Bd. XIII, S. 262.) Theorie eine feurige Entstehung voraussetzte. Und es unterliegt auch keinem Zweifel, dass die einzelnen Ge- mengtheile beider: Gesteine auf gleiche Weise entstanden sein müssen, weil sich die Beschaffenheit der Krystalle von Feldspath und Glimmer ebenso gleich bleibt, als die bindende Masse des Quarzes und die accessorischen Ein- sprengungen fremder Mineralien, eingerechnet die Ein- sprengungen von Graphit, welche auf vulkanischem Wege entstanden sind. Wenn man auch bereits vor Werner erkannt hatte, dass die Versteinerungen aus den Resten früherer Lebe- wesen bestehen, und wusste, dass sich diese Reste aus Wasser abgesetzt hatten, und wenn man auch die Schich- tungen der Erdrinde untersucht und zu erklären versucht hatte, so datirt doch erst seit den Werner’schen Arbeiten das wissenschaftliche Forschen in diesem Gebiet. Werner studirte zuerst diese Schiehtungen genauer und stellte den Begriff der Formation dahin fest, dass er darunter die unter gleichen Bedingungen entstandene Schichtenfolge verstand. Seit diesen ersten Anfängen sind ungefähr 100 Jahre vergangen, und auch die Geologie ist be- rechtigt mit Stolz auf die vielen, wiehtigen Arbeiten und Ergebnisse dieser Zeit zurückzublicken. Man hat die Altersfolge der Erdschichten festgestellt, man hat durch Leitfossilien die zusammengehörenden Epochen der Weltgeschichte erkannt, man hat gefunden, dass in dem ganzen Werden der Erde ein aufsteigender Gang vor- handen ist, dass sich die niedersten Organismen zu allem Anfang entwickelten, dass hieraus höhere Thiere und Pflanzen entstanden sind, dass zuletzt die vollkommensten Lebewesen aus weniger vollkommenen hervorgingen, bis sich die Gegenwart uns als ein Bild der höchsten gegen- seitigen Anpassung und bedingten Vollkommenheit zeigt. Man hat aber auch die Zusammengehörigkeit der ver- schiedensten Gebiete unserer Erde durch die Leitfossilien erkannt und hat die Lücken zu erklären gesucht welche sich in heutigen, engzusammenliegenden Complexen des festen Landes finden. Dann hat man durch die mikrosko- pische Untersuchung der Gesteinsdünnschliffe die Ent- stehungsart der Gesteine näher untersucht und durch mikrochemische Reaktionen die chemische Struetur fest- gestellt. So ist man denn der Aufgabe der geologischen Forschung, das ist die Erklärung der Entstehung unserer Erdrinde, immer näher gekommen. Man sieht die Gneisbildung sehr schön in Freiberg im Erzgebirge, welches theils auf, theils in den Gmneis hineingebaut ist. Im Stadtgraben findet der Mineraloge frei anstehenden Gneis mit seltenen Krystallen von Rutil und Brokit, auch schöne Granaten und Turmaline ete. kommen vor, aber selbst in den Kellergewölben der alten Stadt ist der Gneis direet zu erkennen, da viele Keller direet in das Gebirge hineingearbeitet sind, so dass man sagen kann, die Stadt ist theilweise in den Gneis gebaut. Als besondere Eigenthümlichkeit findet man in den Quarzen dieses Gesteins kleine Einschlüsse von gasförmiger Kohlen- säure. Der Gneis gehört nun erstens zu den Urgesteinen, es fehlen ihm jegliche Reste von Versteinerungen, zweitens zeigt er eine Schieferung, in dem die Gemengtheile Lagen oder Schichtenweise über einander liegen, und er unter- scheidet sich durch diese Schiehtung vom Granit, drittens bestehen die Schichten aus auffallenden Lagen von Glimmer, während Feldspath und Quarz wiederum mehr unter ein- ander vermengt sind, und endlich enthält er die flüssigen Kohlensäure-Einschlüsse, muss daher unter starkem Druck entstanden sein. Die ganze Formation und die Form der Bestandtheile spricht für eine Entstehung aus dem feurig flüssigen Zu- XIII A NT. 37. stand, dagegen spricht die Schichtung für den neptunischen Ursprung. Gesteinsschichtungen, die die Schichtungen, die nach- weislich durch Wasser-Absatz entstanden sind (Schich- tung im engeren Sinne) durchkreuzen, und die man im Gegensatz zu der Schichtung i. e. S. als Schieferung bezeichnet, sind längst bekannt und sehr häufig. Es ist auch experimentell von A. Daubre& bereits nachgewiesen, dass letztere durch Druck senkrecht zu den Schieferungs- ebenen entsteht. Sie ist „das Resultat einer durch den faltenwerfenden und gebirgsbildenden seitlichen Druck verursachten Richtungsveränderung der kleinsten Theilchen, in Folge deren sich letztere rechtwinkelig auf die Richtung des Druckes stellten. Das Experiment bestätigt also diese Annahme. Man knetete Schüppchen von Eisenglimmer in plastischen Thon, so dass sie in demselben regellos vertheilt waren, und unterwarf diese Thonmasse einem starken einseitigen Drucke. Dieser hatte zur Folge, dass alle Glimmerlamellen sich parallel und zwar rechtwinkelig auf die Druckriehtung anordneten. Auch reiner Ziegel- thon, Stearin und Wachs nahmen bei starker Pressung feinschieferige Structur an. Die blau und weisse Bände- rung des Gletschereises, bedingt durch abwechselnd luft- freie und an Luftbläschen reiche Eislagen, welehe nicht selten die Schichtungslinien der Gletscher rechtwinkelig durchschneidet, ist eine ganz ähnliche, durch Gletscher- pressung hervorgerufene Erscheinung. Als Folge zweier Druckkräfte, die sich gleichzeitig von zwei Seiten her äussern, kann eine Art laserung oder Griffelung der Schiefermasse erzeugt werden, so z. B. bei den unter- silurischen Griffelschiefern Thüringens.“ (Credner, Elemente der Geologie.) Durch Zufall hat nun kürzlich Marpmann (Naturf. Ges. zu Leipzig, Sitzung vom 2. Januar 1898) eine Beob- achtung gemacht, welche die angeführten Experimente um ein hübsches Experiment mehren. Es war M. die Aufgabe gestellt, aus einem feinen, pulverförmigen, sehr feuchten Material durch Anwendung von sehr hohem Druck einen homogenen und festen Stein herzustellen. Die ersten Versuche wurden in der Weise angestellt, dass die Masse in Presssäcke gefüllt und unter Hebelpressen gedrückt wurde. Diese Versuche ergaben gute Resultate, jedoch erschien es, dass man durch An- wendung von stärkerem Druck ein diehteres Gefüge des Steins erhalten würde und daher wurden die Versuche mit hydraulischem Druck wiederholt. Wie vorauszuschen war, hielten jedoch die Presssäcke jetzt nicht mehr aus, sondern zerplatzten nach allen Richtungen, sobald der Druck nur wenig über die Kraft der Hebelpresse hinaus- ging. Daher machte sich eine andere Form für das Pressmaterial erforderlich, welche als eiserner Kasten gebaut wurde. Der Kasten bestand aus einem zusammen- legbaren Rahmen, in dem die obere und untere Platte eingelegt und dicht schliessend auf und ab bewegt werden konnte. Jetzt konnte ein Zerreisssn nicht mehr stattfinden und es wurde mit neuem Material der Versuch gemacht, derartige Steine bei einem Druck von 150, 180, 200 bis 250 Atmosphären zu pressen. Also bei einem Maximal- druck von 250 Kilogramm auf 1 Quadratcentimeter; es ergiebt das für die vorliegenden Probesteine einen Ge- sammtdruck von ea. 120000 Kilogramm. Als nun die Steine aus der Form genommen wurden, zeigte sich eine eigenthümliche Structur. Die Rand- schichten sind schön gleichartig und homogen, dagegen besteht der ganze Kern aus lauter blattartigen Lagen, ähnlich wie bei einem Gyps- oder Marienglaslager. Da musste natürlich ein unbekannter Faetor mitwirken, der beseitigt werden sollte — aber es war nicht leicht diesen Factor ausfindig zu machen. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 441 Alle Versuche mit stärkerem oder vermindertem Druck, mit einer Ausdehnung der Druckwirkung von einigen Minuten bis auf viele Stunden — änderten an dem Vorgang gar nichts. Die Steine blieben geschichtet, wie man sie nicht schöner in der Natur finden kann, Endlich wurde versucht, der beigeschlossenen Luft einen Ausweg zu schaffen, dadurch dass die Druckplatten durchlocht und die Masse mit grobfaserigen Stoff bedeckt wurde. Die Luft konnte durch die Stoffunterlage und durch die Löcher leicht entweichen und wurde auch dieser Prozess noch durch Rillen beschleunigt, die zwischen den Löchern eingefeilt wurden. Jetzt fielen die Press- versuche ganz anders und zu völliger Zufriedenheit aus. Die Sache ist sehr einfach. Mein geschichteter Stein ist dadurch entstanden, dass ein feinkörniges Material, welches mit viel Luft gemengt unter einen hohen Druck gebracht wurde, durch die eingeschlossene Luft eine schichtenförmige Struetur angenommen hat. In diesem Fall ist ein besonderer Werth auf das „feinkörnige* Material zu legen, weil nach Anordnung der Versuche bei Anwendung von grobkörnigen Massen, die Luft sehr viel leichter entweichen kann. Das ist ein Grund, weshalb man bei anderen Versuchen mit Steinpressen bis jetzt, soweit bekannt ist, solehe Schichten nicht erhalten oder nicht weiter beachtet hat. Lassen wir denselben Vorgang in der Natur vor sich gehen, so ist es wohl einleuchtend, dass man hier die Gesteinsmassen ebenso wohl im flüssigen, feuchten oder halb feuchten Zustand benutzen kann, als in dem ge- schmolzenen Zustande, also in dem Stadium des feurig- flüssigen oder vulkanischen Zustandes. Es müssen stets Schiehten entstehen, sobald die Massen mit Luft oder Kohlensäure oder anderen Gasen so unter Druck gehalten werden, dass diese Gase nicht entweichen können. Der Geologe wird für solche Entstehungsmomente wohl noch viele Gesteine anführen können. Jedenfalls sind auch reine, krystallisirte Mineralien, wie Glimmer, Marienglas ete. auf gleiche Entstehungsursachen zurückzuführen. Am allerwichtigsten erscheint das Experiment für die Entstehung des Gneises zu sein, den man vielleicht nach dem Versuch M’s. direet wird nachbilden können. Es ist hiermit die Mögliehkeit der Annahme gegeben, dass auch vulkanische Gesteine Schichtenbildungen annehmen, wenn sie unter hohem Druck stehen und Gase eingeschlossen enthalten, und auf die Thatsache, dass der Gneis flüssige Kohlensäure eingeschlossen enthält, wurde im Anfang dieser Mittheilung bereits hingewiesen. Es folgt also: I. Werden nicht gebundene feuchte oder flüssige Gesteinsmassen bei Anwesenheit von Gasen einem Druck ausgesetzt, so dass die Gase nicht oder nur sehr langsam entweichen können, so wird die fest werdende Gesteinsmasse schieferig oder ge- schichtet. II. In der Natur kann das geschichtete Gestein da- durch entstehen, dass entweder a) sedimentäre Schichten unter Gasdruck kommen, das sind Schiefer oder Urschiefer, b) vulkanische Gesteinsmassen im flüssigen Zu- stande unter starkem Gasdruck stehen und langsam krystallinisch erstarren, das sind Gneis, Glimmerschiefer, Amphibolit ete. III. Aus dem Versuch ergiebt sich, dass bei vulka- nischen Gesteinen eine Schichtung (speeiell Schie- ferung) vorkommen kann. 42 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Das Problem der „kalten Tage des Mai“ hat neuerdings unser Mitredacteur Dr. R. Hennig aufs neue in Angriff genommen und eine darauf bezügliche Unter- suchung im „Wetter“ (April- bis Juli-Heft) veröffentlicht. Die Meinungen über das Zustandekommen des Phänomens sind sehr getheilt: v. Bezold hatte 1882 geglaubt, die Erscheinung darauf zurückführen zu können, dass bei der ersten sommerlichen Erwärmung im Mai sich über der grossen ungarischen Tiefebene ein Gebiet tiefen Barometer- standes entwickle, welches für Centraleuropa nördliche Winde und damit einen Kälte-Rückfall bedingte. Viel Anhänger fand diese Theorie nicht, und der Ungar Hegyfoky, welcher 1886 die Witterungsverhältnisse Ungarns im Monat Mai in sehr eingehender Weise untersuchte, kam ebenfalls zu einem ablehnenden Urtheil. Seit dem Erscheinen der Hegyfoky’schen Arbeit ist die Frage der kalten Tage nicht wieder in eingehenderer Weise be- handelt worden, so dass sie nach wie vor eine offene blieb. . Hennig glaubt nun, dass das Problem nur dann ge- löst werden könne, wenn zunächst einmal das Phänomen an der Hand der vorliegenden Wetterkarten aus den letzten Jahrzehnten verfolgt würde. Er hat dies nun in systematischer Weise für jedes einzelne Jahr der Epoche 1879—1898 durchgeführt und hat dann aus seinen Be- trachtungen weitere Anhaltspunkte zu gewinnen gesucht. Als Kennzeichen für die „kalten Tage“ — im Sinne des Volksglaubens — betrachtet er das Vorhandensein einer ausgedehnten, Wind und Wetter weithin beherrschenden Antieyelone auf den nordwestlichen und westlichen Meeren Europas, deren nothwendiges Vorhandensein zur Zeit der „kalten Tage“ bisher von allen Seiten zugegeben und vorausgesetzt wurde. Unter diesen Gesichtspunkten führt die Diskussion der vorhandenen Wetterkarten zu folgenden Resultaten: Die „kalten Tage“ im Mai sind eine — mit seltenen Ausnahmen (1889 und 1898) alljährlich wiederkehrende Erscheinung, die sich aber keineswegs immer über das ganze, in Betracht kommende Gebiet Central-Europas er- streekt: der Kälterückfall des Jahres 1895 z. B., welcher in Süddeutschland in ungewöhnlich schwerer Form auftrat, machte sich in Ostdeutschland überhaupt nicht bemerkbar. Der Zeitpunkt der Erscheinung ist keineswegs so eng begrenzt, wie zumeist angenommen wird. Die „Eis- heiligen“ Mamertus, Pankratius, Servatius und Bonifacius (11.—14. Mai) waren in 25 Jahren (1874—98) nur 6 mal an dem Kälterückfall betheiligt, wohingegen z. B. der 18. Mai allein 7 mal den „kalten Tagen“ angehörte. In der Regel findet das gefürchtete Phänomen zwar in der zweiten Mai-Dekade statt, doch kommen auch die erste und dritte Dekade nicht selten in Betracht. Der früheste Zeitpunkt des Eintritts fiel im den letzten 25 Jahren bereits auf den 30, April (1886), das späteste Datum des Aufhörens erst auf den 1. Juni (1890 und 1895). Die Dauer der Erscheinung beträgt in der Mehrzahl der Fälle 3 bis 4 Tage, doch erstreckt sie sich zuweilen, besonders wenn sie erst in der letzten Maidekade eintritt, über mehr Tage (bis zu 8). Das wichtigste Resultat der Hennig’schen Unter- suchung widerspricht einer verbreiteten Vorstellung vom Wesen der „kalten Tage“: die nächtliche Ausstrahlung bei heiterem Himmel ist allein nicht im Stande die „kalten Tage“ zu bedingen. Vielmehr zeigt sich fast stets eine Zweitheilung des Phänomens, die sich im regelmässigen Verlauf folgendermaassen darstellt: „Zu- nächst wird die Temperatur durch mehr oder minder intensives Böenwetter (Nordwest-, Rück- seiten-, April-Wetter) mit Niederschlägen aller Art (Regen, Graupeln, Hagel, eventuell Schnee) sehr erheb- lich abgekühlt, erst dann und nur dann ist in klaren, ruhigen Nächten die Möglichkeit für ! XI. Nr. 37. Frostsehäden gegeben“. Wenngleich der regelmässige Verlauf des Phänomens zuweilen erheblich modifieirt wird, so zeigt sich doch, dass zur Entfaltung der Maikälte ein lebhafterer Luftaustausch zwischen dem schon erwähnten barometrischen Maximum auf den nordwestlichen und westlichen Meeren und einer Depression über dem Continent mindestens Vorbedingung ist. Nach Vorübergang dieser Epoche unruhigen Wetters und nach erfolgter Abkühlung treten dann in der Regel erst die schwersten Frestschäden bei steigendem Barometer in entschieden antieyelonalem Regime auf. Die bedeutsame Frage nach Lage und Zugrichtung der Depression, welche den Kälterückfall auslöst, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Der Luftdrucktypus, welchen v. Bezold als charakteristisch und ursächlich bezeichnet (tiefer Druck über Ungarn), ist ohne weiteres nicht im Stande, die „kalten Tage“ herbeizuführen. Zwar wird sein etwaiges Auftreten im Mai in Folge der dann noth- wendigerweise auftretenden, nördlichen Winde meist eine Temperaturerniedrigung bedingen, aber nicht eine solche, die man auf Rechnung der eigentlichen „kalten Tage“ stellen könnte. Zuweilen bringt aber die genannte Luft- druckvertheilung auch durchaus keinen Temperaturrück- gang, ja selbst eine Temperatursteigerung (14. Mai 1881; 16. Mai 1897). Somit kann auch aus diesem Grunde die v. Bezoldsche Theorie keineswegs als zutreffend be- zeichnet werden. Der regelmässige Verlauf der barometrischen Vor- gänge zur Zeit der „kalten Tage“, der freilich nicht selten mehr oder weniger erheblich modifieirt wird, ist vielmehr der folgende: Das wirkende barometrische Minimum brieht vom Norwegischen Meere her in ungefähr südöstliceher Riehtung in die Ostsee ein (van Bebbers Zugstrasse Illa oder auf einer nahezu parallelen Bahn) und biegt alsdann nach Nord- ost, in der Richtung des Weissen Meeres, um. Je stärker die Bahn anfangs nach Süden geneigt ist, um so energischer tritt der Kälterückfall im westlichen Mitteleuropa auf. In einzelnen Fällen wurden die „kalten Tage“ auch bedingt durch die Ausbildung eines sehr aus- sedehnten, flachen Tiefdruckgebietes über ganz Central- europa. Die berüchtigte Zugstrasse V b, welche sich von der Adria nach dem Finnischen Meerbusen erstreckt, war nur einmal (1574) die unmittelbare Ursache des Kälte- rückfalls, dagegen kann sie als sekundäre Ursache von grosser, verhängnissvoller Bedeutung werden: wenn nach Einleitung des regelrechten Kälterückfalls und nach schon erfolgter Abkühlung eine neue Depression auf Zugstrasse V b fortsehreitet, so werden Süddeutschland und die Alpen- länder von ausserordentlich verheerenden Schneefällen und Frostschäden betroffen (1885 und 1895). (x.) Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ausserordentliche Professor der Agri- kulturchemie in Breslau Dr. Stutzer zum ordentlichen Professor; der ausserordentliche Professor der Mathematik in Krakau Dr. Zorawski zum ordentlichen Professor; Amanuensis Dr. Eichler an der Universitäts- Bibliothek in Graz zum Skriptor; Dr. Tomaschek Edler von Stratowa zum Amanuensis an der Universitäts-Bibliothek in Wien. Berufen wurde: Der Leiter der pathologischen Anstalt in Welteoreden (Batavia) Dr. Eijkman als odentlicher Professor der Hygiene nach Amsterdam. Es habilitirten sich: In Wien Dr. A. Schattenfroh für Hygiene und Dr. M. Smoluchowski Ritter von Smolan für Physik. Es starb: Der amerikanische Geologe Professor James Hall in Albany (New York); der ausserordentliche Professor der Chirurgie und Direetor der chirurgischen Poliklinik in Berlin Dr. Dietrich Nasse (durch Absturz am Morteratsch-Gletscher). XIII. Nr. 37. Litteratur. Dr. Michael Haberlandt, Völkerkunde. Mit 56 Abbildungen. Sammlung Göschen. Nr. 73. G. J. Göschen’sche Verlagsbuch- handlung in Leipzig, 1898. — Preis geb, 0,80 Mark. Die vorliegende „Völkerkunde“ will nicht mehr geben als einen ersten raschen Ueberblick. Es kam in erster Linie darauf an, für den Gegenstand nachhaltiges Verständniss zu erwecken und dabei den Thatsachenstoff auf ein fassliches Mindestmaass zusammenzurücken. Selbst ein kurzer Abriss der Völkerkunde — sagt Verf. — kann an der anthropogeographischen Grundlage der Völkerkunde, wie sie neuerlich von Friedrieh Ratzel mit soviel Glück gepflegt wird, nieht vorübergehen (Einleitung). Die allgemein ethnologischen Ausführungen des II. Hauptabschnittes sollen den wissenschaft- lichen Hintergrund für die speciellen Schilderungen des JII. Haupt- theiles abgeben, der nach den vorliegenden Handbüchern in den knappsten Umrissen ausgearbeitet werden musste. Die benutzte Litteratur ist zum weiteren Gebrauch des angeregten Lesers zu- sammengestellt worden. Oberlehrer Wilh. Müller, Flora von Pommern. Nach leichtem Bestimmungsverfahren bearbeitet. Johs. Burmeister in Stettin, 1898. — Preis gebunden 3,50 Mark. Das Buch ist nicht nur als Schulbuch brauchbar, sondern für jeden Freund der Flora. Derjenige Florist, der z. B. ein pommersches Seebad besucht, wird gern eine neuere Flora Pommerns, wie die vorliegende, zur Hand nehmen, um so mehr als wichtigere Fundorte aufgeführt worden sind. Dass die Ausdrücke Kryptogamen und Phanerogamen in dem Buche zeitgemäss nur nebenbei genannt werden, ist sehr erfreulich; in Widerspruch damit steht freilich, dass die Pteridophyten immer noch als blüthenlose Pflanzen‘, bezeichnet sind: doch wie soll man einer Flora daraus einen Vorwurf machen, da doch selbst die meisten Lehrbücher Jahre und Jahre brauchen, ehe sie sich der Neuzeit anbequemen. Franz Bley, Botanisches Bilderbuch für Jung und Alt. 2. Theil, umfassend die Flora der 2. Jahreshälfte. 216 Pflanzenbilder in Aquarelldruck auf 24 Tafeln. Mit erläuterndem Text von H.Berdow. Gustay Schmidt (Robert Oppenheim) in Berlin, 1898. Wir könnten über den vorliegenden II. Theil nur wieder- holen, was wir in diesem Bande der „Naturw. Wochenschr.“ Nr. 4, S. 43 über den I. Theil gesagt haben, so dass wir uns mit der Anzeige des Erscheinens des Il. Theiles begnügen und auf die frühere Besprechung verweisen müssen. 3 Oberlehrer Dr. Wilhelm Robert Nessig, Geologische Excursionen in der Umgegend von Dresden. Ü. Heinrich in Dresden, 1898. Bei der Beliebtheit Dresdens und in Folge dessen vielen Fremden-Besuch, den es empfängt, wird das Vorhandensein eines geologischen Führers hier und da um so angenehmer empfunden werden, als die Umgegend der schönen . Stadt dem geologisch Interessirten mannigfache Anregung bietet. Die Arbeit war in 2 Theilen als Schul-Programm-Beilage erschienen und wurde für die vorliegende Neu-Herausgabe stellenweise umgearbeitet und erweitert. Dr. Curt Floericke, Naturgeschichte der deutschen Schwimm- vögel für Landwirthe, Jäger, Liebhaber und Naturfreunde gemeinfasslich dargestellt. Mit 45 Abbildungen auf 15 Tafeln. Creutz’sche Verlagsbuchhandlung (R. & M. Kretschmann) in Magdeburg, 1898. Das flott geschriebene Buch des guten Kenners und Beob- achters unserer Schwimmvögel wird der Liebhaber derselben und überhaupt der Naturfreund gern als Leetüre und zu seiner Orien- tirung über die Vorkommnisse im Freien zur Hand nehmen. Der “ Text muthet deshalb so frisch an und hat den Hauch der Natür- lichkeit, weil Verf. aus eigenen Erfahrungen spricht. W. Valentiner, Handwörterbuch der Astronomie. Mit 39 Abbildungen und 4 Tafeln. 1898. — Preis geheftet 21 Mark. ; Den ersten Band dieses einen Theil der grossen Eneyklopaedie der Naturwissenschaften bildenden Werkes haben wir im XII. Jahr- gang (S. 263) besprochen. Auch der zweite Band, dem nun übrigens doch noch ein dritter folgen wird, bietet ein gediegenes Il. Band Eduard Trewendt, Breslau Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 443 Material. In Bezug auf die äussere Ausstattung ist anerkennend hervorzuheben, dass den Abbildungen eine weit grössere Sorgfalt als beim ersten Bande zu Theil geworden ist. Die aus blossen Strichen bestehenden Figuren sind im Text klar ausgedruckt und die Abbildungen mit Abtönungen sind auf besonderen Tafeln ein- geheftet worden. Die umfangreichsten Artikel sind die aus der Feder von Dr. N.-Herz stammenden Abschnitte über „Kometen und Meteore“ (179 Seiten), sowie über „Mechanik des Himmels“ (340 Seiten). In dem ersteren dieser Artikel haben wir allerdings eine gebührende Würdigung der Zöllner’schen Kometentheorie sowie anderer, historisch immerhin erwähnenswerther Ansichten über die physische Beschaffenheit der Kometen (Tyndall, Zenker) vergeblich gesucht. Abgesehen von derartigen Lücken und einem gewissen Mangel an Uebersichtlichkeit hat der Verfasser aber die umfangreiche, einschlägige Litteratur recht geschickt zu einem Ganzen verarbeitet, das eine grosse Fülle von Anregung bietet. — Die in 105 Paragraphen gegliederte Himmelsmechanik geht von der Integration der allgemeinen Bewegungsgleichungen aus und behandelt sodann erst die speciellen a danach die all- gemeinen Störungen, wobei auch die epochemachenden Gylden- schen Methoden zur Bestimmung der „absoluten Bahn“ eine gute Darstellung finden. Die Behandlung des Rotationsproblems bildet den Schluss dieses Artikels. — Von den kleineren Artikeln sind diejenigen über das Heliometer (von Schur), über Interpolation und mechanische Quadratur (Valentiner, resp. Herz), Längen- bestimmung, Horizontalpendel (Valentiner) und Kosmogonie (Ger- land) beachtenswerth. F. Kbr. Prof. Dr. H. Erdmann, Lehrbuch der anorganischen Chemie, Mit 276 Abbildungen und 4 farbigen Tafeln. Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig, 1898. — : - i Das umfangreiche Buch (756 Seiten) will insbesondere die reine Wissenschaft mit der Praxis verknüpfen. Es berücksichtigt das Vorkommen der Stoffe, ihre therapeutischen und toxischen Wirkungen, die Bedeutung derselben für das tägliche Leben durch Besprechung ihrer Anwendungen, sowie durch möglichst voll- ständige statistische Angaben über Produetions- uud Preisverhält- nisse. Auch die historische Entwiekelung ist nicht unberücksichtigt geblieben. „Die Ziele des vorliegenden Buches — sagt Verf. — decken sich wesentlich mit dem, was Gorup-Besanez....in seinem „Lehrbuch der Chemie“ bereits erreicht hat. In der That ist mir Gorup-Besanez letzte Ausgabe eigener Hand ein wichtiges Hilfsmittel bei meinen Arbeiten gewesen und ich würde nicht anstehen, vorliegendes Buch als die 8, Aufl. des Gorup-Besanez- schen Werkes zu bezeichnen, wenn- nieht der’ veränderte Stand der Wissenschaft nach den seitdem verflossenen 22 Jahren ‘doch eine ganz fundamentale Umarbeitung nothwendig gemacht hätte.“ Schon das blosse- Durchblättern des Buches zeigt, z. B. an den vielen neuen und klaren Abbildungen, wie diejenigen zur Demon- stration der Darstellung von Helium aus Cleveit, die vollkommene und treffliche Anpassung desselben an den gegenwärtigen Stand der Wissenschaft. In knapper und elementarer Form hat Verf. kurz und ganz vorzüglich eine dem Bedürfniss des Chemikers entsprechende mathematische Grundlage vorausgesandt. Die beigegebenen Spectraltafeln sind ganz neu direet nach dem Speetroskop ge- zeichnet, \ Leo Brenner, Handbuch für Amateur-Astronomen. — Leicht- fassliehe und allgemein verständliche Anleitungen für Laien, “ welehe astronomische Beobachtungen machen wollen, und prak- tische Behelfe zum’ Beobachten für bereits thätige Amateure, Mit 69 Abbildungen. Eduard Heinrich Mayer (Einhorn & Jäger) in Leipzig, 1898. — Preis 10 Mark. In dem Titel des Buches ist bereits alles ‘gesagt, was es will; es ist zweifellos, dass es manchen Freund finden wird, der ein Werkchen, wie das vorliegende, vermisst hat. Verf. macht zunächst mit den Erfordernissen einer Privatsternwarte bekannt und stellt dann in ganz fasslicher Form alle jene Berechnungen zusammen, welche der Amateur-Photograph braucht und bietet eine Reihe von Tafeln, aus denen schnell und übersichtlich alle in Frage kommenden Hilfswerthe entnommen werden können. Budisavljevic, Maj. Eman. v. und Hauptmann Alfr. Mikuta, Militär-Acad.-Lehrer, Leitfaden für den Unterricht in der höheren Mathematik. I. Bd. Grundzüge der Determinanten- Theorie und der projeetiv. Geometrie. Analytische Geometrie und gründliches, durchaus für tiefer gehende Studien berechnetes von Maj. E. v. Budisavljevic. Wien — 8M. Inhait: O. Lang: Der Adschidarja. — Starker Grössenuntersehied der Männchen und Weibchen bei den Blindmäusen. — Zur Theorie der geschichteten Steine. — Das Problem der „kalten Tage des Mai“. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. Michael Haberlandt, Völkerkunde. — Oberlehrer Wilhelm Müller, Flora von Pommern. — Franz Bley, Botanisches Bilder- buch. — Oberlehrer Dr. Wilhelm Robert Nessig, Geologische Rxeursionen in der Umgegend von Dresden. — Dr. Curt Floericke, ‘ Naturgeschichte der deutschen Schwimmvögel. — W. Valentiner, Handwörterbuch für Astronomie. — Prof. Dr. H. Erdmann, Lehrbuch der anorganischen Chemie. — Leo Brenner, Handbuch für Amateur-Astronomen. — Liste. 444 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 37. ERZZIZZELIIIITLELIIIIIIIIIITEITZIITT IT] Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. RR Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. von Poncet Glashütten-Werke 54, Köpnickerstr,. BERLIN SO,., Köpnickerstr. 54. Fabrik und Lager aller Gefässe und Utensilien für 7 chem., pharm., physical., electro- u. a. techn. Zwecke. Gameras. Gläser für den Versand und zur Ausstellung naturwissenschaftlicher Präparate. Preisverzeichniss gratis und franco, Ri | ERNIIIYIITIITIIIIIIIIITEIIIIIIIIIIIITNG | RA TITTTTTITTIIIIIIIT) LIXTITITT III III IITIIY\ Für 12 Platten. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. | Photozrarhische Stativ- und Hand- 35” Sämmtliche Bedarfsartikel. 2 Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare | Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässisste Hand-Camera. Weochseloassette „Columbus“, An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). Gediegene Ausstattung. Ohne Beutel! Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Ferd. Dümmlers Derlagsbudhhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerfr. 94. Friede und Abrüstung. Von Gustaf Björklund. 95 Seiten Oktav. Preis 1,50 Mark. 390 Seiten gr. 8°. Der geninle Menfd. on Hermann Türk. Dritte ftark vermehrte Auflage. Preis geb. 4,50 M., eleg. geb. 5,60 AM. In Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12 erscheint und ist zu beziehen durch jede Buchhandlung: Lehrbuch der Pflanzenpalaeontologie mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse des Geologen. Von H. Potonie, Docent der Pflanzenpalaeontologie an der Kgl. Bergakademie zu Berlin. Mit zahlreichen Abbildungen. Vollständig in 4 Lieferungen ä 2 Mark. ME” Lieferung 1, 2 und 3 sind bereits erschienen. EZ Die Charakaristik der Tonarten. Historisch, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. 136 Seiten Oetav. — Preis 2,40 Mark. EESLLLLLLLLITTTLTITTT Hempel’s Klassiker - Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. £23777777777777777777 Dünnschliff-Sammlungen für praktische mikroskopische Uebungen. Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller wichtigen Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. Rosenbusch -PATENTBUREAU Ulrich R. Maerz Jnh: €. Schmidtlein Ingenieur Berlin NW., Luisensir. 22. Gegründet: 1878. Patent-. Marken -u. Musterschutz In Ferd. Dümmilers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 12 erschien: _ Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am kgl. Realgymn. in Berlin, 444 Seiten gr. 8. Pr. 6M., geb. 7M. Gebrauchte Gasmotoren DAMPF- und DYNAMO- MASCHINEN garantirt betriebsfähig in allen Grössen sotort lieierbar. Elektromotor,s.n.v.n. Schiltbauerdamm 21 Berlin. NW. „Mikroskopische Physiographie der massiven Gesteine“ Stutt- gart 1896. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. gedruckte Beschreibung, derart, dass der Lernende die einzelnen Gemengtheile der Gesteine makroskopisch und mikroskopisch erkennen und bestimmen kann. Sammlungen von je 120, 180 und 250 Dünnschliffen in elegantem Etui je Mk. 150, Mk.-225, bez. Mk. 325. Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen Handstücken. (Format 8), >11 cm.) je Mk. 250, Mk. 390, bez. Mk. 575. Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer genauen mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate und für die riehtige Auswahl von charakteristischem Material garantirt werden kann. Dr. F. Krantz, Rheinisches Mineralien-Contor. Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. Geschäftsgründung 1833. Bonn qa./Ah. Geschäftsgründung 1333. 266 S. gr. 8°. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henr Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ueber Tundren und Steppen der Jetzt- und Vorzeit mit besonderer Berücksichtigung ihrer Fauna. Von Dr. Alfred Nehring, Professor der Zoologie und Vorsteher der zoologischen Sammlungen an der Königlichen landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin. Mit ı Abbildung im Text und ı Karte der Fundorte. Preis 6 Mark, Zu bezielien durch alle Buchhandlungen. Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: erd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Wus die naturw haftliche Forschung -ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- N den Gebil en der Phantasıe, wırd I" ihr reichlich ersetzt durch den ) Zauber der Wirklichke t, der ihre Schöpfunges schmückt. wendener. ER x" Redaktion: ? Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XIII. Band. Sonntag, den 18. September 1898. Nr. 38. Abonnement: Man ab:nnirt bei allen Buchhandlungen und Post- Y Inserate Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist A 4.— es sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 „4 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Ä bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. G. H. Theodor Eimers Ansichten über die Entstehung der Arten *). Von Dr. C. Fiekert**). Es ist ein weit verbreiteter Irrthum, Entwieklungs- | hingewiesen, dass der Titel von Darwins berühmtem oder Descendenzlehre für gleiehbedeutend zu halten | Buche hinfällig sei, weil eben die physiologisch indiffe- mit Darwinismus. Während erstere schon so alt ist, | sexten, morpivlogischen Oharaktere die wiehtigsten und als sich überhaupt Menschen Gedanken gemacht haben | entscheidenden für den Typus der Species seien, also über die Entstehung der Erde und ihrer Bewohner***), | von einer Erklärung der Entstehung der Arten durch ein ist der Darwinismus ein Kind unserer Zeit. Er sucht die | Prineip, welches die Hauptsache ausser Acht lasse, keine Entwieklung der Organismen zu erklären auf Grund von | Rede sein könne. zwei Prineipien, der natürlichen und der geschlechtlichen Ausgehend von ähnlichen Erwägungen und namentlich Auslese. Ausgehend davon, dass im Kampf ums Dasein | davon, dass Abänderungen überhaupt erst da sein müssen, stets nur das Passendste übrig bleibe und dass bei der | ehe die Auslese sich mit ihnen beschäftigen kann, kam geschlechtlichen Fortpflanzung stets die kräftigsten und | der leider zu früh verstorbene Tübinger Zoologe Theodor sehönsten Männchen im Vortheile seien, wollte Darwin | Eimer dazu, der Darwin’schen Theorie seine Theorie hierdureh die so mannigfache Ausgestaltung der Lebewelt | vom organischen Wachsen der Lebewelt entgegen- erklären und seine Nachfolger gehen theilweise sogar | zustellen“). Seine vielfachen Untersuchungen über die soweit, dass sie Alles für „angepasst“ halten und in der | Zeichnung und andere morphologische Eigenschaften der Selection, der Auslese das einzige Mittel schen, welches | Thiere zeigten ihm, dass das Abändern der Thiere dureh- die verschiedenen Arten entstehen und sich erhalten lässt. | aus nicht, wie es von der Darwin’schen Theorie voraus- Aber schon E. v. Hartmann+) hatte mit Recht darauf | gesetzt wurde und vorausgesetzt werden musste, regellos Zn i 3 nach vielen Richtungen stattfinde, sondern dass es in ‘) Vergl. diese Zeitschrift 1896, Nr. 16. strenger Gesetzmässigkeit nur nach wenigen be- stimmten Riehtungen vor sich gehe. in Zusammenhang mit dem erst kürzlich erschienenen 2. Bande Jede durch äussere Einwirkungen auf den gegebenen seiner „Entstehung der Arten“, der unter dem Specialtitel „Ortho- | Körper oder aus constitutionellen d. h. in der inneren genesis der Schmetterlinge“ (Wilhelm Engelmann in Leipzig 1897) Organisation bedingten Ursachen erfolgende gesetzmässige, dieses Gelehrten über den so wichtigen Gegenstand dieses Werkes physiologische, nicht krankhafte und nieht zufällige Aende- gelenkt, und das um so nachdrücklicher, als die Biologen gerade | Tung m der Zusammensetzung desselben, welche bleibend jetzt eifriger bemüht sind den für die Entstehung der Arten immer | ist oder nur derart vorübergehend, dass sie eine weitere mehr angezweifelten Werth des durch Darwin eingeführten Selee- | Stufe der Veränderung vorbereitet, ist es nun, was Eimer tions-Prineipes genauer festzustellen. Der Unterzeichnete glaubte u . \ = Sa : EEE daher dem Leserkreise der „Naturw. Wochenschr.“ eine bündige als organisches Wachsen (O1 ganophysis) bezeichnet, Zusammenstellung der Lehre Eimers bieten zu sollen und freut Ihr Ausdruck ist die bestimmt gerichtete Ent- sich hierzu den besten Kenner derselben, der auch an dem ge- | wiekelung (Orthogenesis), und diese bildet die Haupt- nannten Werke Eimers eifrig mitgewirkt hat, Herrn Dr. C. Fickert, | ursache der Transmutation, der Veränderung der Arten. gewonnen zu haben. Be: z ##) Vergl. z. B. „Naturw. Wochenschr.“ Bd. I, 1888, Nr. 23 und 24. IB *) G. H. Theodor Eimer, Die Entstehung der Arten auf +) E. v. Hartmann, Wahrheit und Irrthum im Darwinismus, | Grund von Vererben erworbener Eigenschaften nach den Ge- Berlin 1875. setzen organischen Wachsens. I. Jena 1888, II. Leizig 1897. 446 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 38. Die bestimmt gerichtete Entwickelung kann nun durch | Wegen Aehnliches gebildet werden kann. Indem ver- zweierlei beeinflusst werden. Gebrauch und der Nichtgebrauch der Theile, dasjenige Mittel, welches Lamarek seiner Zeit als das wichtigste für die Umbildung der Formen ansah, welches aber jetzt von den Neudarwinisten, welche ja die Vererbung er- worbener Eigenschaften rundweg leugnen, gänzlieh ver- worfen wird. Des weiteren wirkt auf die bestimmt ge- richtete Entwickelung Darwins natürliche Auslese oder Zuchtwahl, aber ihre Wirkung ist für die Gestaltung der Lebewelt von der geringsten Bedeutung. Schon von Nägeli wurde dieser Auslese nur die Rolle des Gärtners zugetheilt, welcher die aus „inneren“ Ursaehen ent- standenen Zweige eines Baumes beschneidet, ihrer Krone die Forın giebt. Ihre Thätigkeit wird aber dadurch noch eingeschränkt, dass ihr, da die Umbildung nur nach wenigen bestimmten Richtungen stattfindet, die zu ihrer Wirksamkeit nöthige Auswahl fehlt und dadurch, dass das organische Wachsen ohne jede Rücksicht auf den Nutzen stattfindet. Ist eine durch die Orthogenesis hervorgerufene Eigenschaft nützlich, so wird sie dureh die Orthogenesis selbst ohne jede Zuhülfenahme der Aus- lese weiter gebildet, ist sie nicht nützlich, so kann sie indifferent sein und fällt dann ebenfalls nieht unter die Auslese, oder sie kann schädlich sein, wo sie allerdings der Auslese unterliegen kann, aber nur dann, wenn sie nicht etwa mit einer anderen Eigenschaft in Correlation (Wechselbezüglichkeit) steht, welche nützlicher ist, als erstere schädlich. Vor Allem fallen alle jene kleinsten, oft kaum sichtbaren Eigenschaften, welehe mit dem Nutzen in keiner Weise etwas zu thun haben, niemals unter die Auslese, welche ja überhaupt nur mit schon Vorhandenem arbeiten, selbst aber nichts Neues schaffen kann. Die Entwickelung der Lebewelt geht nun aber nicht nur nach ganz bestimmten Richtungen vor sieh, sondern sie unterliegt auch noch anderen ganz bestimmten Gesetzen, welche von Eimer zum Theil schon 1881 aufgestellt worden sind*). Das erste derselben ist das allgemeine Zeichnungsgesetz, nach welchem die ursprüngliche Längszeichnung der Thiere zuerst sich in Fleckung, dann in Querstreifung und zuletzt in Einfarbigkeit verwandelt. Jede neue Zeichnungsart tritt aber zuerst am Hinterende oder auf der Unterseite der Thiere auf und geht von dort im ersteren Falle nach vorn, im zweiten nach oben: es ist dies die postero-anteriore und die infero- superiore Entwiekelung. Indem nun aber sich am Vorderende der Thiere die alten Eigenschaften am längsten erhalten und die neuen von hinten wellenförmig sich “über den Körper nach vorn bewegen, können wir von einem Gesetz der wellenförmigen Entwickelung (Undu- lationsgesetz, Kymatogenesis) reden. In der Bildung neuer Eigenschaften gehen meist die Männchen den Weibehen voran (männliche Präponderanz), nur aus- nahmsweise (bei einigen Schmetterlingen) findet das Um- gekehrte (weibliche Präponderanz) statt. Da nun aber gewöhnlich die neuen Eigenschaften zuerst bei alten Thieren (zumeist Männchen z. B. Mauereidechse) oder im phyletischen Alter (Ammoniten) auftreten, sprechen wir von Alterspräponderanz Besonders wichtig ist das Gesetz der unabhängigen Entwiekelungsgleichheit(Homoeogenesis), welches besagt, dass bei Prersalttedänen. nieht unmittelbar bluts- verwandten Formen dieselben” Entwickelungsriehtungen wirken und zu ganz ähulicher Entwickelung führen können. Im Zusammenhange damit steht die Hete rhodogenesis, mittelst weleher mit verschiedenen Mitteln auf verschiedenen *) Th. Eimer, Untersuchungen über das Variiren der Mauer- eidechse, Berlin 1881. Erstens wirkt auf sie der | schiedene Eigenschaften in demselben Organismus in ver- schiedenem Grade und nach verschiedenen Richtungen sich entwickeln können, kommt verschiedenstufige Entwickelung, Heterepistase zu Stande. So sind z. B. die Haifische in Beziehung auf Nervensystem und Sinnesorgane sehr vorgeschritten, in Beziehung auf das Skelett u. a. auf tiefer Stufe der Entwickelung stehen geblieben. Die ganze australische Fauna und Flora steht in Folge von Beharrung, Epistase überhaupt, auf tiefer Stufe der Entwickelung. Weiter finden wir, dass in der Regel die durch ge- schlechtliehe Mischung zweier verschiedener Eltern ent- standenen Nachkommen nicht eine vollkommene Mischung: aus beiden Theilen darstellen, sondern nach der einen oder der anderen Seite überwiegen: es findet einseitige Vererbung (Amiktogenesis) statt. Zuweilen kehren die Entwickelungsrichtungen um, zum Ausgangspunkt zurück, wie das z. B. die bekannte Planorbis multiformis aus dem Süsswasserkalk von Stein- heim zeigt, welche zuerst wie unsere gewöhnlichen Plan- orbis eine tellerförmige Schale zeigt, in höheren Schiehten eine Trochus-ähnlich gewordene, welche in den höchsten, aber wieder zu der ursprünglichen tellerförmigen zurück- kehrt. Aehnliches findet sich bei Ammoniten und Fora- miniferen. Eimer bezeichnet diese Erscheinung als Ent- wickelungsumkehr (Epistrephogenesis). Auf diese Weise sehen wir in verhältnissmässig ein- facher Weise, aber streng gesetzmässig sich die Umbildung; der Organismen vollziehen und wir kommen nun zu der zweiten Frage, zu der, welche Ursachen nach Eimers Theorie die Trennung der Organismenkette in Arten bedingen. Als wichtigste Ursache für die Entstehung der Arten wird der Entwicekelungsstillstand, die Genepistase bezeichnet: einzelne Formen bleiben auf bestimmten Stufen der Entwickelung stehen, während andere fortschreiten. So kann durch blosse Beharrung (Epistase) auch ohne räumliche Trennung mitten im Verbreitungsgebiet einer Art eine neue entstehen, wenn eine grössere Anzahl von Einzelwesen fortschreitet, während andere zurück- bleiben. Je weiter vom Mittelpunkte des Verbreitungs- gebietes einer Art entfernt, um so mehr werden klimatische und Ernährungsverhältnisse in umbildendem Sinne wirken. So zeigen denn auch die Thatsachen des Abänderns um so mehr Abartungen und Abarten, je weiter vom Mittel- punkte ihres Verbreitungsgebietes wir die Glieder einer Art untersuchen, noch weiter enfernt davon werden neue Arten. Auch die verschiedenstufige Entwickelung, die Heterepistase scheint ein wichtiges Mittel zur Festigung abgeschlossener Arten zu sein und zwar um so mehr, je höher und zusammengesetzter ein Organismus ist. Einfache Organismen, bei welchen noch wenige Ent- wiekelungsrichtungen wirksam sind, werden weniger aus- gesprochene Arten bilden, wie ja hier auch die Entwicke- lungsrichtungen überhaupt umkehren könuen (z. B. bei Foraminiferen). Die Beharrung, Epistase überhaupt ist für die Entstehung der Abarten und Arten desshalb von grösster Wichtigkeit, weil einzelne Eigenschaften nach ungeheuer langer Zeit als Artmerkmale in Form von Rückschlag wieder auftreten können. So treten z. B. im Kleide der Vögel bisweilen Zeichnungsmerkmale als Kennzeichen der Gattung oder der Art auf, welehe bei gar nieht unmittelbar verwandten, weit entfernten Vorfahren Art- oder Gattungs- merkmale sind oder welehe nur im Dunenkleide solcher Vorfahren vorkommen. Es handelt sich hier dann nicht um den gewöhnlichen Rückschlag (Atavismus), welcher Tr XII. Nr. 38. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 447 eine nur zeitweise auftretende Erscheinung ist, sondern um einen ständigen Rückschlag, um einen ständigen Stammesrückscehlag. Bisweilen erscheinen solehe alte Merkmale nur bei einem Geschlecht, z. B. beim Männchen, dann haben wir ständigen männlichen Stammes- rückschlag, oder sie erscheinen nur in einem Kleide z. B. dem Prachtkleide der Enten oder im Uebergangs- kleide derselben, dann sprechen wir von metamor- phischem oder Verwandlungsrückschlag. Es ist solcher ständiger Rückschlag als Beharrung, Epistase aufzufassen, denn die betreffende Eigenschaft, die sich nach dem biogenetischen Gesetze während der individuellen Entwiekelung als Erbtheil von Ahnen her wiederholen muss, aber sich bei den unmittelbaren Vorfahren der rücksehlagenden Art nur vorübergehend wiederholte, so dass sie bei der fertigen Art nicht mehr sichtbar war, ist hier bestehen geblieben und ist ein Merkmal der fertigen Art. Damit haben wir auch eine Erklärung des persönlichen oder Einzelrückschlages. Es handelt sich auch bei diesem um das Bestehenbleiben, um das Beharren einzelner Eigenschaften, welche nach dem biogenetischen Gesetze während der Ontogenie vorüber- gehend erscheinen müssen, um alsbald anderen Platz zu machen. Eine zweite wichtige Ursache der Trennung der Organismenkette in Arten ist die sprungweise Ent- wickelung, die Halmatogenesis, durch welche plötzlich olne Vermittlung neue Eigenschaften auftreten und Formen entstehen, welche von der Stammform sehr abweichen. Wie sehr äussere Einwirkungen die Um- bildung veranlassen, das beweisen vor Allem die kalei- doskopischen Umbildungen der Zeichnung und Färbung der Schmetterlinge durch Einwirkung von Kälte und Wärme auf die Puppen, ebenso wie Erscheinungen der Jahreszeitenahartung, des Horadimorphismus. Ebenso beweisen das auch.die correlativen Veränderungen, welche bei der Umwandlung des Axolotl in Amblystoma vor sich gehen. “ Auch die räumliche Trennung, welche genepista- tische Vorgänge begünstigt, trägt zur Artbildung bei, um so mehr als sie die werdende Art von der Stammart ent- fernt hält und geschlechtliche Mischung verhindert. Aber eine unmittelbare selbständige Bedeutung kann die räum- liche Trennung nicht beanspruchen. Eine dritte Hauptursache für die Artbildung namentlich bei nieht räumlicher Trennung bildet die Befruchtungs- verhinderung, Kyesamechanie. Wenn bei einer Anzahl von Einzelwesen durch morpbologische oder physiologische Veränderung an Samen oder Ei oder an beiden oder wegen Verschiebung der Reifezeit derselben die Unmöglichkeit der Befruchtung dieser Einzelwesen mit anderen eintritt, während sie unter sich möglich ist, so ergiebt sich dadurch von selbst eine Abgrenzung der einen Gruppe von der anderen. Solche Veränderungen werden besonders correlativ durch unmittelbaren Einfluss auf die Geschlechtswerkzeuge eintreten können. Von Eimer ist schon 1874 auf die Wichtigkeit dieser Be- fruchtungsverhinderung hingewiesen worden, und 1886 wurde dann von G. J. Romanes dieselbe unter dem Namen „physiologieal seleetion“ der Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl gegenübergestellt. Endlich ist es auch noch die Thätigkeit, der fort- gesetzte Gebrauch der Organe, das Lamarck’sche Prineip, welches Ausbildung fördert und bedingt, während die Kreuzung artbildend auftreten kann, anderer- seits aber auch ausgleichend wirkt und Artbildung ver- hindert. Die natürliche Zuchtwahl dagegen kann keine Arten entstehen lassen, sie kann nur — und das ist ihre einzige Bedeutung — schon entstandene Arten er- halten. So beruht nach Eimer die ganze Umbildung der Organismen, ihr ganzes Leben auf Erwerben und Ver- erhen von Vermögen und auf dadureh bedingtem Wachsen. Hört die Fähigkeit dazu auf, so bedeutet das den Tod. Ueber das Licht der Zukunft. Von Oberlehrer L. Hermann in Oelsnitz i. V. Auf keinem Gebiete der Industrie sind wohl in den letzten beiden Jahrzehnten grössere Fortschritte zu ver- zeichnen, als auf demjenigen der Liehterzeugung. Diese grosse Bewegung wurde hervorgerufen, als die Elektrieität der Beleuchtung dienstbar gemacht worden war. Die Leuchtkraft der Oele und Gase wurde unablässig erhöht und die elektrische Kraft immer besser der Beleuchtung dienstbar gemacht. Die Erfindung der Glühkörper machte das Leuchtgas zu einem gewaltigen Concurrenten des elektrischen Lichtes, aber gleichzeitig wurde ein Gas bekannt, das wegen seines hohen Kohlenstoffgehaltes alle bisher benutzten Gase an Leuchtkraft übertraf, das einen reinen Glanz ausstrahlte, wie das Sonnenlicht: Das Acetylen. Dieses Gas wurde im Jahre 1394 plötzlich allgemein be- kannt, als der Franzose Bullier in Deutschland ein Patent auf die industrielle Herstellung von Caleiumearbid erwarb. Alles sprach jetzt von Caleiumearbid und Acetylen, und diejenigen redeten am meisten darüber, die nicht wussten, dass diese Dinge seit mehreren Jahrzehnten schon den Fachleuten bekannt waren. Schon 1336 hatte Edmond Davy bemerkt, dass einige der bei der Herstellung von Caleium entstehenden Neben- produkte eine Zersetzung des Wassers unter Bildung eines stark acetylenhaltigen Gases bewirkten. Um dieselbe Zeit berichtete Wöhler in Göttingen über die Herstellung von Caleiumearbid. Sodann veranlassten die Unter- suchungen von Wöhler und Davy Berthelot zu seinen eingehenden Arbeiten über diesen Gegenstand. Ende der dreissiger Jahre berichtete Wöhler, dass beim Erhitzen von Caleium, Zink und Holzkohle eine pulverförmige Masse entstanden sei, die bei Berührung mit Wasser ein acetylen- haltiges Gas entwickelt habe. Berthelot hat zuerst Acetylen direkt aus Kohlenstoff und Wasserstoff dargestellt. Sodann nabm Winckler in Freiberg, wie uns eine Schrift von Liebetanz, „Caleiumcarbid und Acetylen“, in dem geschichtlichen Theil mit genauen Quellenangaben berichtet, wahr, dass sich bei der Herstellung der alkalischen Erd- metalle durch die Zersetzung der kohlensauren Salze mittels Magnesiums Acetylengas entwickelte. Wie dann Maquenne 1892 Bariumearbid darstellte, giebt Liebetanz in der erwähnten Schrift ebenfalls ausführlicher an. Gleich darauf erzeugte Travers Caleiumcarbid auf andere Weise. Nach den Methoden von Maquenne und Travers war die Herstellung des Acetylens noch zu theuer, so dass man noch nicht an eine praktische Verwendung denken konnte. Indessen bemühbten sich andere Gelehrte, nach einem besseren Verfahren der Caleiumearbidbereitung zu forschen. Bereits 1585 hatte Borchers den elektrischen Ofen zur 448 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XI. Nr. 58. Erzeugung von Caleiumcarbid benutzt. Er war zu dem Resultat gekommen: „Alle Oxyde sind durch elektrisch erhitzten Kohlenstoff redueirbar.“ Sodann theilt 1892 Moissan mit, dass die aus Kalkstein bestehende Ofenmasse seiner elektrischen Oefen sich an den Kohlenelektroden in Caleiumearbid verwandelt habe. Inzwischen hatte auch Willson in Nordearolina durch Zufall Caleiumearbid im elektrischen Ofen hergestellt, als er metallisches Cal- cium erzeugen wollte. Willson gewann nach Liebetanz eine schwarze Masse, die er nicht für Caleium ansah und darum in den Bach werfen liess. Da nahm man plötzlich starke Gasmassen wahr, die, angezündet, eine hellleuchtende, aber stark russende Flamme gaben. Nun wurde der Versuch wiederholt, und die Analyse ergab, dass die gewonnene Masse reines Caleiumearbid war. Obwohl Borchers 1885 schon das Caleiumearbid im elektrischen Ofen darstellte, so schreiben Moissan und Willson sich diese Entdeckung zu. Trotz dieser Thatsache ist es dem Assistent Bulliers gelungen, in Deutschland ein Patent auf die Herstellung des Carbid zu erlangen. Als bekannt wurde, dass sich das Carbid billig herstellen lasse, hat sich rasch eine Acetylenindustrie herausgebildet. Davon gaben die Fachschriften, wie z. B. das Journal für Gas- beleuchtung, beredtes Zeugniss, und am besten sahen wir das im März dieses Jahres auf der Acetylenausstellung in Berlin und Ende Juni in Nürnberg. Welche Manuig- faltigkeit in Gaserzeugern und Brennern hat doch die junge Acetylenindustrie bereits hervorgebracht! Ungünstig beeinflusste einige Zeit die Acetylenindustrie das Bestreben von Pietet, sich mit der einfachen, gefahr- losen Entwiekelung des gasförmrigen Acetylens nicht zu begnügen, sondern dasselbe flüssig herzustellen, um es zum Handelsartikel zu machen. Das gasförmige Acetylen wurde zusammengepresst und in Stahlballons wie die flüssige Kohlensäure versendet. Da ereigneten sich eine Reihe schwerer Unglücksfälle mit dem flüssigen Acetylen durch Explosionen. Jetzt erkannten die Fachleute die Gefährlichkeit des flüssigen Acetylens, aber das Publikum bekam grosse Furcht vor dem Acetylen überhaupt, so dass erst Gelehrte und Fachleute die Gefahrlosigkeit des gas- förmigen Acetylens nachweisen mussten. Nachdem dieses in genügendem Maasse geschehen ist, bringen nun auch allenthalben die Behörden, wie wir z. B. an vielen Stellen des Journals für Gasbeleuchtung lesen können, dieser Beleuchtungsart ein grösseres Interesse entgegen und stellen nicht mehr unerfüllbare Bedingungen für die Aufstellung von Acetylengasapparaten. So ist z. B. die Bestimmung, dass die Acetylenapparate 10 m von den bewohnten Gebäuden aufgestellt werden mussten, auf- gehoben worden. Sie dürfen jetzt unmittelbar an den Häusern angebracht werden. Besonders waren es die Eisen- bahnverwaltungen, die sofort dem Acetylen ihre Auf- merksamkeit zuwendeten. So bekam der Schnellzug Metz— Paris Acetylenbeleuchtung. Dann folgten die Sehweizerische Nordbahn und die Vereinigten Schweizer- bahnen. Die dortige Direktion schrieb, dass sie mit Acetylen eine fünfmal grössere Liehtmenge erziele wie mit Oelgas und fünfzehnmal helleres Licht wie mit Stein- kohblengas. Die Probebeleuchtungen der preussischen Eisenbahnen hatten ebenfalls einen günstigen Erfolg, so dass der preussische Minister Thielen die Acetylengas- beleuchtung für die Eisenbahnen als die billigste, ein- fachste und praktischste Beleuchtung empfahl. In vielen Orten des Deutschen Reiches bewährt sich die Acetylen- beleuchtung in Fabriken, Gasthäusern und landwirthschaft- lichen Gehöften. Neuerdings hat man auch angefangen, sie mit Erfolg in Kirchen zu verwenden. Nicht nur ein- zelne Gebäude führten diese Beleuchtung ein, sondern z. B. in Ungarn ganze Ortschaften, wie wir aus den österreichischen Fachschriften für Gasbeleuchtung ersehen können. Wir nennen nur die ungarischen Städte Neutra, Weisskirchen, Lösen, Gran. Bei der vorjährigen Truppen- schau in Ungarn erziehlte man durch Acetylenbeleuchtung glänzende Effekte in Totis. Selbst in Australien laufen Eisenbahnzüge mit Acetylenbeleuchtung. Die Firma F. Butzke & Co. in Berlin S. 42 (Ritter- strasse 12), die bereits eine grosse Zahl von Acetylen- beleuchtungseinriehtungen hergestellt hat, erregte mit Acetylengas grosses Aufsehen, als sie am letzten Geburts- tag Sr. Majestät des Kaisers die Facade ihres Ge- schäftsgebäudes mit etwa 5000 Acetylenflammen be- leuchtete, und beim Königsjubiläum in Sachsen illu- minirte das Leipziger Bankhaus mit 3500 Acetylenflammen. Wie rasch und vielseitig sich die Acetylenindustrie ent- wickelt hat, ersehen wir aus den Fachblättern für Gas- beleuchtung, und statistisches Material fmden wir darüber in dem Buche von Liebetanz, „Caleiumearbid und Acetylen“ (Leipzig, Oskar Leiner, Preis 8 M.). Die Acetylen- beleuchtung kann so leicht Fortschritte machen, weil sie unabhängig von einer Centralstation ist und sich darum nach Belieben in Fabriken, Bahnhöfen, Gehöften, Gast- häusern, Kirchen u. s. w. ohne grossen Kostenaufwand anbringen lässt. Die Farbe der Acetylenflammen ist rein weiss. Darum können mikroskopische Untersuchungen gefärbter Prä- parate ohne blaue Zwischengläser damit vorgenommen werden. Photographien, die bei Acetylenlicht aufgenommen werden, unterscheiden sich nicht von den bei Tageslicht aufgenommenen. Ausführlich berichtet hierüber der „Licht- bildkünstler* von Emil Wünsche in Dresden. Die Fabrik von Wünsche in Berlin, Frankfurt a. M. u. s. w. empfiehlt das Acetylenlicht auch für das Skiopticon. Das Acetylen eignet sich sehr gut für den Motorbetrieb, weil es die doppelte Explosivkraft des Leuchtgases hat. Wenn Acetylen allerdings über 1000° C. heiss wird, so zerfällt es unter Explosion in seine Bestandtheile. Bis zu einem Druck von 2 Atmosphären ist Acetylen nicht explosibel. Man braucht also nur darauf zu sehen, dass bei der Zersetzung von Carbid genügend Kühlung vorhanden ist und dass der Druck nicht bis zu zwei Atmosphären steigt. Die Acetylenapparate sind aber fast alle auf einen Druck berechnet, der viel weniger als eine Atmosphäre beträgt, und die Tempe- ratur in den Generatoren steigt selten auf 100° C. Wenn mau die Anleitungsvorschriften beachtet, so ist keine Gefahr vorhanden. Dagegen ist vor Apparaten zu warnen, die bei einem Druck von über 1'/,; Atmosphären arbeiten oder eine Temperatur von über 150° C. erzeugen. Sobald Wasser mit Caleiumearbid (CaC,) in Be- rührung kommt, entsteht eine heftige Gasentwickelung, die so lange dauert, bis der letzte Tropfen Wasser verbraucht ist. Das entweichende Gas ist Acetylen, der Rückstand Kalkhydrat. Die Formel für die Umwandlung des Carbids in Aecetylen ist CaC, + 2H,0=Ca(ÖH), + C,H3. Bei Einführung des Acetylens war die Ansicht ver- breitet worden, dass es der Gesundheit schädlich sei, aber die Untersuchungen von Berthelot, Grahant, Frank, Bernard und Helmholtz haben ergeben, dass es weniger giftig ist als Kohlengas. Schon 1862 stellten Berthelot und Bernard fest, dass reines Acetylen nicht giftig ist. Das Acetylen des Handels ist aber verunreinigt durch Phosphorwasserstoff, Schwefelwasserstoff u. s. w., aber gleichwohl ist es weniger schädlich als Steinkohlengas, das besonders durch Kohlenoxydgas verunreinigt wird. Das Acetylen enthält 92,3 Gewichtstheile Kohlenstoff und 7,7 Gewichtstheile Wasserstoff, woraus seine grosse Lichtwirkung zu erklären ist. Durchschnittlich giebt 1 kg. Caleiumearbid 300 Liter Acetylengas. Flüssig wird Ace- “Hilfe eines billißen Appa- XIII. Nr. 38. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 449 tylengas unter einem Druck von 48 Atmosphären bei 1° C. | theilen aus den in einem gemeinschaftlichen Behälter 5 < | 5 ’ oder bei 37° C. unter 65 Atmosphärendruck. 1 cbm. Gas liefert 1,65 Liter flüssiges Acetylen. Die Apparate zur Entwickelung des Acetylengases sind nach vier verschie- denen Systemen gebaut: 1. das Wasser tropft oder fliesst von oben auf das Carbid; 2. das gesammte Carbid wird in das Wasser gesenkt; 3. das Carbid fällt portionsweise in das Wasser; 4. das Wasser steigt von unten an das Carbid heran. Wer sich über diese Apparate, sowie über alle Fragen über Caleiumearbid und Acetylen genau orientiren will, dem ist das bereits erwähnte Werk von Liebetanz sehr zu empfehlen. Wer zu Vorträgen über Acetylen einen Demonstrationsapparat verwenden will, der kann diesen von der Berliner Firma F. Butzke & Co. beziehen (Preis 45 Mark). Ich erleuchte nach Vorträgen mit einem solchen Apparat den Saal mit drei grossen Flammen. Kleine Mengen Acetylen erzeuge ich in einem Heronsball mit sehr. feiner Glasöffnung. Man wirft in den Heronsball ein Stückchen Car- bid, giesst Wasser darauf, ver- schliesst mit dem Kork und zündet das entströmende Gas sofort an. Eine Explosion, die bei der Wasserstoffentwicke- lung leicht eintritt, ist hier nicht zu befürchten. Soll dem Acetylen der Weg zur Weiterverbreitung ge- ebnet werden, so dürfen nur Apparate zur Aufstellung ge- langen, die das Gas absolut gefahrlos erzeugen und die einfach zu bedienen sind. letzt ist es’ leicht, "mit rates in seiner Wohnung Gasbeleuchtung einzu- führen und bei einem Um- zug kann man den Appa- rat mitnehmen. Wer Fett- gasbeleuchtung hat, kann diese mit dem Acetylenapparat ver- binden, so dass ein Gemisch von Ver- brennen kommt. So werden z. B. zur Zeit Berliner Stadtbahnwagen durch Verwendung eines Gemisches aus 75 Theilen Fettgas und 25 Theilen Acetylen erleuchtet, das etwa dreimal soviel Helligkeit ausstrahlt wie Fettgas und zwar bei gleichem Kostenaufwande. Mit diesem beiden zum Gasgemisch werden nun sämmtliche Eisenbahnen in Preussen beleuchtet. Bei dem Universal-Acetylenapparat der bekannten Firma Butzke & Co. in Berlin S. 42 (Ritterstr. 12) fällt selbstthätig eine bestimmte Menge Carbid ins Wasser, sobald durch den Verbrauch an Gas die Gasometerglocke bis auf ein bestimmtes Niveau fällt, und öffnet dabei den Wasserzufluss an dem Entwickler. Zugleich wird aber auch dureh das zuströmende Wasser die bei der Erzeugung des Gases entstehende Wärme gebunden, so dass sie von aussen kaum wahrnehmbar ist. Jeder Apparat ist mit zwei Entwieklern versehen, von denen der nächste sogleich in Thätigkeit tritt, wenn der vorhergehende zu wirken aufhört. Hierbei wird aus dem ersten Entwickler das in demselben vorhandene Gas durch Wasser verdrängt, und es ist stets von aussen sichtbar, in welchem Entwickler das Carbid aufgebraucht ist. Die Bedienung ist sehr einfach, denn es wird bei der Neubeschiekung mit Carbid nur der Gashahn zuge- schlossen und der Ablaufhahn geöffnet. Der Universal- Acetylenapparat besteht in seinen wesentlichen Bestand- befindliehen Entwiekler x mit Wasserabscheider ce, dem Gasauffangbehälter « a! mit Reiniger d und der Wasser- zuführung » mit Hahn »!, der mit der Wasserleitung oder einem mitgelieferten Wasserbehälter verbunden wird. Man stellt den Gasometer « a! wagerecht so auf, dass der Wasserablass w@ desselben nach vorn steht. Das rechts vom Ablass befindliche Gaszuführungsrohr g' verbindet man mit dem Wasserabscheider «, der mit dem ebenfalls wagerecht aufzustellenden Entwickler D ver- bunden ist und schraubt an das Ableitungsrohr 7' den Absperrhahn e mit Reinigungsbehälter d, dessen Gasauslass mit der Verbrauchsleitung verbunden wird. Die das Sieherheits- und zugleich Führungsrohr tragenden Rohre 3s werden am Behälterrand «a! befestigt und das Gewicht y auf den Behälter aufgelegt. Die Wasserzuführung ordnet man so an, dass deren Ausfluss in den Schwank- lauf o einmündet. Die Ver- längerung des Rohres h, das das Sicherheitsventil bildet, wird mit einer ins Freie zu führenden Sicherheitsleitung verbunden. An den Wasser- hahn »! hängt man das Gegen- gewicht ww an, so dass es den Hahn schliesst. Wo Wasser- leitung nicht vorhanden ist, wird ein der Grösse ent- sprechender Wasserbehälter neben oder oberhalb des Ent- wicklers aufgestellt. Bei der ersten Inbetrieb- setzung löst man so viele Pfund Kochsalz, als der Apparat Flammen speisen soll, in einigen Eimern Wasser auf und schliesst sodann den Haupt- hahn e, die einzelnen Entwick- lerhähne /, sowie den Condens- hahn p, schüttet das gewonnene Salzwasser m das Weasser- bassin «!, also m den Raum zwischen Entwickler « und «a! und füllt hierauf das Bassin bis zwei Finger breit an den Rand mit klarem Wasser, wodurch die Glocke « auf ihren höchsten Stand steigen wird. Hierauf merkt man diesen Stand an, um controlliren zu können, ob die Verschraubungen dicht verbunden wurden. Ist das ge- schehen, so öffnet man den Haupthahn e, nachdem sämmt- liche Brennerhähne und Condenshahn : geschlossen wurden, um in gleicher Weise die Dichtigkeit der Gesammtleitung etwa '/, Stunde zu controlliren. Hierauf lässt man die gesammte in der Glocke « be- findliche Luft durch Oeffnen der Entwicklerhähne 7 und » entweichen, worauf mit dem Füllen der Entwickler be- gonnen wird. Bei Apparaten bis Grösse 2 sind die Schwimmkästen v bis höchstens zur Hälfte mit Carbid anzufüllen, während bei den grösseren Apparaten jeweilig nur der innere der beiden Doppelkästen voll mit Carbid zu beschicken ist und ist es angebracht, in Jedem Entwickler die drei untersten Kästen geringer zu beschicken. Die Kästen setzt man in die Rahmengestelle « ein und diese in die betreffenden Entwickler, worauf man den Deckel 3 darüber deckt und dann den auf dem Dom desselben angebrachten Lufthahn » schliesst. Den Deckel 3 befestigt man durch den Sicherungswinkel = in seiner tiefsten Lage. Jetzt öffnet man den Ablasshahn q und giesst auf den Ent- wiekler so lange Wasser, bis dasselbe aus dem Ablass- = Wausserzufluss 450 hahn y abläuft, worauf man diesen schliesst und den Gashahn 7 öffnet, der hierbei zugleich die Sicherung f durch einen angebrachten Zapfen bindet, so dass dieselbe nicht herausgenommen werden kann, so lange der Gas- halın / nicht geschlossen ist. In gleicher Weise verfährt man mit jedem Entwickler. Durch langsames Anziehen an der über die Rollen m! und m zu legenden Regulirkette öffnet man den Wasser- hahn »! theilweise so lange, bis durch mässigen Wasser- zufluss die erste Entwieklung beginnt, was sich durch Steigen der Glocke bemerkbar macht und lässt sodann durch einen am Condenshahn i oder an einer anderen Stelle der Gasleitung anzubringenden Gummischlauch das gesammte entwickelte Gas, das noch Luftbeimischung enthält, ins Freie entweichen. Nachdem man in gleicher Weise eine zweite Entwicklung hervorgerufen hat, durch die man die Auffangglocke bis auf mindestens halbe Höhe steigen lässt, verbindet man die Regulirkette mit dem Regulirgewicht y oder der an der Auffangglocke anstatt dieses Gewichtes angebrachten Oese so, dass der Wasser- hahn »! Wasser abzugeben beginnt, nachdem die Auf- fangglocke bis auf etwa ein Viertel Höhe herabgesunken ist, und ist dann der Apparat betriebsfertig: die Entfernung des Luft- und Gasgemisches ist nur bei der ersten Be- triebssetzung des Apparates erforderlich. Einfacher ist die Bauart und bequemer noch die Be- dienung des neuen Central-Acetylenapparat von Butzke. An der Auffangglocke desselben ist ein elektrischer Contaet angeordnet, der durch ein angehängtes Ge- wiehtehen eine Klingel ertönen lässt, so lange die Glocke Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 38. unter der eingestellten Höhe steht. Es ist dieses das Zeichen zur neuen Carbidbeschiekung. Ganz leicht zu handhaben ist der Demonstrationsapparat für Vorträge, Schulen u. s. w. Gegebenen Falles könnte ich über diesen noch einige Winke geben. Eine Vergleichung des Acetylenlichtes mit anderen Beleuehtungsarten zeigt deutlich, wie ersteres den letzteren den Rang ablaufen wird. Es kosten bei einem Carbid- preis von 40 Pfennigen für das Kilo, das 300 Liter Ace- tylen giebt, 660 Kerzen die Stunde 40 Pfennige oder 16 Kerzen 1 Pfennig. Hingegen kosten bei Petroleumlicht 16 Kerzen 1Y/, Pfennig, 16 Kerzen Fettgas 2 Pfennige und 16 Kerzen elektrisches Glühlicht sogar 3—4 Pfennige. Dabei ist das Acetylen 18 bis 20 mal heller wie Petroleum- licht, 15 mal heller als Leuchtgas und 3-—4 mal heller als Gasglühlicht. Die genannte Firma Butzke & Co. in Berlin liefert für 300 M. einen Apparat, bei dem für 6—15 Flammen mit je 20—70 Normalkerzenstärke auf 5 Stunden Brennzeit 5 kg. Caleiumearbid erforderlich- sind. Für 10—25 Flammen kostet der Apparat 400 M., für 20—25 Flammen 600 M., für 40—90 Flammen 900 M. u. s. w. Es lässt sich voraussehen, dass zunächst überall da, wo es keine Centralen giebt für Leuchtgas und Elek- trizität, bereits in wenigen Jahren an vielen Stellen unser Lieht der Zukunft seinen prächtigen Glanz verbreiten wird, was nun um so leichter möglich ist, als nach der Juninummer der Monatsschrift „Acetylen“ das Bullierpatent für Deutschland vernichtet ist und im nächsten Jahre der Öarbidpreis bedeutend sinken wird. Ueber die Ablagerung des Pigments bei Lamelli- branchiern wurden von V. Faussek*) sehr interessante Beobachtungen angestellt, über welche N. v. Adelung in Nr. 16 des Zoologischen Centralblattes eingehend berichtet. Faussek ist experimentell der Frage näher getreten, in wie fern der Einfluss des Lichtes für die Ab- lagerung von Pigment in der Haut der Mollusken von Bedeutung sei. Er ging von der Annahme aus, dass die Leukocyten bei der Verschleppung der Farbstoffe an die Körperoberfläche betheiligt seien und versuchte in erster Linie festzustellen, ob sich für dieselben etwa eine be- sondere Liehtempfindlichkeit nachweisen liesse. Für den Fall, dass den Leukocyten heliotropische Eigenschaften in Wirklichkeit zukämen, so wäre auch die Rolle, welche das Lieht bei der Pigmentirung der Organismen im All- gemeinen zu spielen scheint, leicht erklärlich, Faussek machte seine ersten Versuche an Austern, welche er eines Theiles der rechten Schale beraubt und der Einwirkung ultravioletter Lichtstrahlen — die an heliotropischen Thieren und Pflanzen die energischsten Bewegungen hervorzurufen pflegen — ausgesetzt hatte. Die secre- torische Thätigkeit des Mantels wurde auch in den neuen Verhältnissen nie ausgesetzt, die Ablagerung der Perl- mutterschichten erfolgte indessen sehr unregelmässig ent- sprechend den mannigfachen Krümmungen und Lage- veränderungen des blossliegenden Manteltheils. Die Kalk- haltige Schichte des Mantels wurde nicht neu angelegt. Wenn eine Schalenhälfte gänzlich entfernt wurde, so kam es zu unsymmetrischen Wachsthumerscheinungen des hinteren Randes bei dem freiliegenden Mantellappen. In Bezug auf die Pigmentirung hatte die Einwirkung des Liehtes auf die entblössten Mantelstellen keinerlei Einfluss. ®) Faussek, V. Biologische Beobachtungen über Lamelli- branchiaten. I. Ucber die Ablagerung des Pigments bei Mytilus Tn: Travar. Soc. Imp. Nat. St. Petersbourg. Vol. 28. Livr 2, 1897, p. 215— 247.) Sowohl die der Schale theilweise beraubten als auch die unverstümmelten, in vollständiger Dunkelheit gehaltenen Versuchsthiere behielten ihre ursprüngliche Färbung bei. Nur bei einzelnen Austern, bei denen sich der Mantel an der ausgebrochenen Stelle über den Schalenrest ge- schlagen hatte, erfolgte eine Pigmentanlagerung auf der früher ungefärbten inneren, jetzt nach aussen gekehrten Manteloberfläche. Da indessen dieselbe Beobachtung auch an Austern gemacht wurde, die sich in dunkelen Aquarien befanden, so war als Ursache für die Pigment- ansammlung keinenfalls die Belichtung in Anspruch zu nehmen. Ausser der Pigmentbildung in den umgeschlagenen Mantellappen beobachtete Faussek eine andere anormale Erscheinung, nämlich ein Verschwinden der Pigmentirung im Allgemeinen, einen künstlichen Albinismus. Es ist anzunehmen, dass derselbe durch die allgemeine Atrophie des Mantels bei den Versuchsthieren bedingt wird. Weitere Experimente wurden mit ganz ähnlichem Srfolg an Exemplaren von Mytilus angestellt, auch hier hatte das Licht keinen Einfluss auf die Ablagerung des Pigments. Der histologische Bau der pigmentirten Theile ergab, übereinstimmend mit meinen Befunden *) im Mantel von Helix und Trochus, dass das Pigment in Form von goldgelben, verschieden grossen Körnchen am Mantelrande theils in den distalen Enden der Zellen des Cylinderepithels, theils zwischen den Epithelzellen und ferner auch im Bindegewebe unterhalb der Epidermis abgelagert ist. In den Kiemen fand Faussek Epithel- zellen und Leukocyten mit Pigment erfüllt. Da nun so- wohl die Versuche an Ostrea als auch die an Mytilus übereinstimmend ergaben, dass das Licht bei der Pigmen- tirung der Organe keine Rolle spiele, so musste ein #) Gräfin Maria von Linden: Die Entwickelung der Skulptur und der Zeichnung bei den Gehäuseschneeken des Meeres. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. LXI, Band. XIM. Nr. 38 Naturwissenschaftliehe Wochensehrift. 451 anderer Factor wirksam sein, um die Pigmentansamm- lungen an der nach aussen gekehrten Mantelfläche hervor- zurufen. Es müsste dabei in erster Linie in Frage kommen, welchen Einfluss die direkte Berührung des Wassers mit der Körperoberfläche auf die Färbung dieser letzteren ausübt. In seiner natürlichen Lage ist bei Mytilus das Vorderende des Körpers einem Gegenstand, das Hinter- ende mit weit klaffenden Schalenwänden dem Wasser zugekehrt. Die hinteren Körpertheile kommen also vor allem mit dem frischen Wasser in Berührung. Nun ist aber die Intensität der Pigmentirung an Mantel und Kiemen von hinten nach vorn progressiv abnehmend, nur der Fuss ist ausschliesslich an seinem vorderen Ende pigmentirt, weil dieses allein aus der Schale hervor- gestreckt wird. Diese normale Pigmentvertheilung an der Körperoberfläche von Mytilus legt die Annahme schon nahe, dass in der That der Contakt mit dem um- gebenden Medium der Pigmentirung dieser Organismen in maassgebender Weise beeinflusst, eine Annahme, welche dureh die Versuche Fausseks bestätigt wird. Eine An- zahl Mytilusexemplare wurden nachdem eine Schale am Vorderrand abgebrochen und das ganze Thier, um das Oeffnen der Schale zu verhindern, fest eingebunden worden war, mit dem Hinterende in einen Klumpen Wachs ge- steekt und dieser in ein Aquarium gestellt. Auf diese Weise war allein das unpigmentirte Vorderende des Thieres der Bespülung mit frischem Wasser ausgesetzt. Es ergab sich nun, dass wirklich der Mantel der Ver- suchsthiere an seinem Vorderende eine deutliche Pigment- ablagerung und bei einem Exemplar sogar eine violette Färbung zeigte. Bei einer weiteren Versuchsreihe, wobei die Thiere nicht festgesteckt, sondern einfach auf den Boden des Aquariums gelegt wurden, ergab sich ausser der anormalen Pigmentirung eine andere interessante, morphologische Veränderung am Mantelrand. Derselbe wurde nämlich, während er normal glatt ist, in diesem Falle gekräuselt, und es bildeten sich Läppchen, ganz wie dies an dem hinteren Ende der Fall ist. Die anormale Pigmentirung erstreckt sich bei Mytilus nur auf den Bereich des blossgelegten Mantels, die Kiemen und die übrige Fläche des Mantels bleiben unverändert. Die Pigmentbildung vollzieht sich ganz gleichartig, einerlei ob nun die in der angegebenen Weise behandelten Tbiere in ein helles oder dunkles Aquarium gesetzt werden. Somit ist nicht das Licht, sondern sehr wahrscheinlich der Sauerstoff, der dem einen Körpertheil reichlicher zugeführt wird als dem andern, das entscheidende Agens für die Bildung von Farbstoffen in den Geweben. Um sich diesen Vorgang zu erklären, geht Faussek von der Annahme aus, dass die im Mantelsaum verlaufenden Blut- gefässe auch-die pismentbildenden Stoffe führen. Durch den Einfluss des Sauerstoffs würde nun das Pigment aus dem Blute in den Geweben abgelagert und zwar an den- jenigen Stellen zuerst und am intensivsten, welche mit dem frischen Wasser zuerst in Berührung kommen, normal, also am Hinterende des Thieres von Mytilus. Ein weiterer Versuch ergab, dass die Pigmentablagerung im vorderen Mantelrande viel intensiver vor sich geht, wenn dieser durch einen Einschnitt von dem hinteren Mantel- theil getrennt wird, und Faussek sucht diese Erschei- nung durch Angaben zu erklären, dass sich in diesen Fällen das Blut aus den Geweben des Mantels in dem Randgefäss sammelt, hier mit dem sauerstoffreichen Wasser in Berührung kommt und die sofortige Farbstoffablagerung nach sich zieht. Die meisten Lamellibranchien sind nun am hinteren Ende, das der Bespülung durch frisches Wasser mehr ausgesetzt ist, als das vordere, intensiver gefärbt; nur Peetien Jjacobaeus macht eine Ausnahme, indem bei dieser Muschel Mantelrand und Kiemen in ihrer ganzen Ausdehnung gleichförmig pigmentirt er- scheinen. Wenn wir indessen berücksichtigen, dass Peeten jacobaeus bei ihren energischen Schwimmbewegungen die Körperoberfläche gleichmässig mit sauerstoffreichem Wasser benetzt, so lässt sich auch diese Abweichung in der sonst üblichen Vertheilung des Pigments bei Lamelli- branchien auf Grund der Ergebnisse der Faussek’schen Experimente und Beobachtungen verstehen. Viele Lamellibranchier zeigen eine intensive, von hinten nach vorn abnehmende Pigmentirung des freien Kiemenrandes und zwar besonders diejenigen Formen, deren Kiemenlamellen ventral verwachsen sind und da- selbst ein Blutgefäss enthalten, welches auf die Pigmen- tirung einwirkt. Durch die Ergebnisse der Faussek’schen Unter- suchungen ist somit ein wesentlicher Schritt gethan, um die Frage nach den Ursachen der Pigmentbildung auf der äusseren Hautoberfläche bei Mollusken zu erklären. Die Pigmentirung folgt den Blutbahnen wie schon von Simroth*) und mir selbst festgestellt worden ist, und der Contakt der Gewebe mit dem frischen, sauerstoff- reicheren Wasser stellt sich als unmittelbare Ursache für die Bildung des Farbstoffes dar. Der Umstand, dass sich die Pigmentbildung im Licht und im Dunkeln gleich- artig vollzieht, schliesst die Einwirkung des Lichtes auf die Entstehung des Farbstoffes hier vollkommen aus. Da indessen die Art und Intensität der Schalenfärbung bei Meeresschnecken in den verschiedenen Regionen grosse Unterschiede zeigt, wie aus den Beobachtungen Edw. Forbes im Aegäischen Meere hervorgeht, so dürfte es wichtig sein, experimentell festzustellen, ob etwa der Einfluss verschiedenartiger Lichtstrahlen, bei länger andauernder Einwirkung auf die Farbe des entstehenden Pigmentes von Bedeutung ist. Es ist Ja durch die Untersuchungen Hüfners**) nachgewiesen, dass die rothen und gelben Liehtstrahlen im Wasser viel früher an Intensität verlieren als die eyanblauen und ultravioletten und somit in weniger grosse Tiefen vor- dringen können als jene. Sollten nun etwa unter dem Einfluss dieser stärker brechbaren Lichtstrahlen die Ausbildung rother Farbstoffe in der Haut der Mollusken begünstigt werden und könnte darin der Grund zu suchen sein, dass in grösseren Tiefen meist rothe Farbe vor- herrscht? Vielleicht ist indessen auch hierfür der im tieferen Wasserschichten geringere Gehalt an Sauerstoff allein maassgebend. Diese Frage wird die Zukunft ent- scheiden; für den Augenblick können wir uns damit zu- frieden geben, dass es Faussek gelungen ist, uns durch das Experiment zu zeigen, wie die Färbung und Zeich- nung der Mollusken in der Constitution des herren; in seiner morphologischen Beschaffenheit — Vertheilung der Gefässe — begründet ist und wie dieselbe, indem sie durch die Einwirkung äusserer Einflüsse hervorgerufen wird, die. Forderungen der Eimer’schen Lehre von der Entstehung der Arten nach den Gesetzen organischen Wachsens auf das scliönste bestätigt. Dr. M. v. L. Neue Formaldehydverbindungen. — Seit dem eifrigen Studium und der eingehenden Kenntniss des Formaldehyds hat sich ein lebhaftes Verlangen eingestellt, die stark baktericiden Eigenschaften dieses Gases, das selbst das ®) Simroth, Versuch einer Naturgeschichte der deutschen Nacktschnecken und ihrer europäischen Verwandten. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Band XLII. ##) Hüfner & Albrecht, Ueber die Durchlässigkeit des Wassers für Licht von verschiedener Wellenlänge. Annalen für Physik und Chemie. Neue Folge. Band XLII, 1891. 452 Naturwissenschaftliche Wochensehrift. XI. IL nn nn Sublimat um das Zehnfache an Wirksamkeit übertrifft, auf andere Körper zu übertragen, d. h., neue Verbindungen herzustellen, die mehr handlich in ihrer Form, äusserlich nicht mehr an den Formaldehyd erinnern und unter dem Einfluss der lebenden Zelle unter Abspaltung des Formal- dehyds zersetzt werden. Ich erinnere an das Schleicht’sche Glutol, eine Verbindung von Formaldehyd mit Gelatine, an das Tannoform, das Condensationsproduet aus Formal- dehyd und Tannin ete. Für die meisten dieser Formaldehydverbindungen ergiebt sich chemisch, dass sie selbst unter dem Einflusse stark coneentrirter Säuren und Alkalien keine nachweis- baren Mengen von Formaldehyd abspalten; der Formal- dehyd hat fest in den Benzolkorn eingegriffen, und be- trächtlicher Aufwand an Kräften des lebenden Plasmas ist erforderlich, um den Formaldehyd freizulegen, das heisst mit anderen Worten, die erwünschte Wirkung zu erzielen. Ungleich günstiger scheinen die Verhältnisse bei den folgend beschriebenen externen Präparaten zu liegen, denn sie spalten bereits im Reagensglas unter dem Einflusse von Säure oder Alkali, Formaldehyd ab, so dass auch für den thierischen Organismus ein geringerer Kräfte- aufwand der activen Gewebezelle für die beabsichtigte Freilegung des Formaldehyds in Betracht kommen dürfte. Für die Wirkung der internen Präparate dürften ähnliche Verhältnisse wie bei den bereits bekannten Methylenverbindungen maassgebend sein. — Polyformin solubile, insolubile. Dureh Combination von Hexamethylentetramin mit Phenolen insbesondere dem Resorein (Polyformin solubile) hat Tollens eine Reihe wohl charakterisirter und gut krystallinischer Doppelverbindungen erhalten; löst man dagegen Resorein in Formaldehydlösungen und giebt ohne zu kühlen einen Ueberschuss von Ammoniak hinzu, so erhält man einen neuen, nieht wasserlöslichen Körper von hohem Formaldehyd- und von Ammoniakgehalt. Während also Tollens zur Herstellung seiner wasserlöslichen Ver- bindung das Hexamethylentetramin, (CH3),N,, als solches auf das Phenol einwirken lässt, finden für die Bereitung des Polyformin insolubile die drei Einzeleomponenten gesondert Verwendung. Bestimmend für den Verlauf der Reaction, somit für das Endproduet scheint hier die freiwerdende Wärme zu sein, die in dem ersten Falle durch die Combination des Hexamethylentetramins mit dem Resorein, in dem zweiten Falle durch Wechselwirkung von Formaldehyd und Ammoniak einerseits und auf das Resorein andererseits gegeben ist. Das Polyformin insolubile ist nach dem sorgfältigen Auswaschen des Ammoniaks mit Wasser ein hellbraunes, amorph-krystallinisches Pulver, das in allen bekannten Lösungsmitteln vollkommen unlöslich ist. Beide Präparate sind als Ersatz für Jodoform etc. in Aussicht genommen und haben sich bei Uleus, Bein- seschwüren u. s. w. bereits vorzüglich bewährt. Thymoform. Durch Einwirkung von 2 Molekülen Thymolnatrium auf 1 Molekül Methylenchlorid hat Arnold (Ann. 204, 203) eine feste, farblose Verbindung von widerwärtigem Geruch gewonnen, die den Schmelzpunkt 36° besitzt und oberhalb 360° unzersetzt siede. Des Weiteren hat Abel am Sehlusse einer Arbeit darauf hingewiesen, dass es ihm selungen sei, das Thymol mit dem Formaldehyd zu einer schön krystallinischen Verbindung zu combiniren, deren nähere Beschreibung er in Aussicht stellt. Unter bestimmten Bedingungen dagegen erhält man einen amorph-krystallinischen Körper, der aus keinem Nr. 38. Lösungsmittel krystallisirte und höchst wahrscheinlich nieht identisch mit der Abel’schen Verbindung ist. Giebt man eine gewisse Menge Thymol und Formalin in ein Becherglas, erwärmt über freier Flamme bis das Thymol geschmolzen ist und fügt viel coneentrirte Salz- säure hinzu, so tritt nach kurzer Zeit eine stürmische Reaction und die Bildung eines zähflüssigen Oeles ein, das beim Erkalten zu einer festen Masse erstarrt, die leicht im Mörser zu einem feinen Pulver zerrieben werden kann. Nach sorgfältigem Auswaschen mit Wasser und Troeknen an der Luft erhält man das T'hymoform als weisses, amorph-krystallinisches Pulver, das sich leicht im Aether, Alkohol und Chloroform löst, in Wasser und Petrol- äther dagegen vollkommen unlöslich ist. In Kalilauge löst es sieh nieht und färbt Lebbin’s Reagens selbst bei anhaltendem Kochen nur schwach roth; beim Kochen mit verdünnter Schwefelsäure tritt Zersetzung der Ver- bindung und Abspaltung von Formaldehyd ein. Dies Verhalten scheint auf eine acetalartige Bindung des Formaldehyds an das Thymol zu deuten, wofür allgemein die Eigenschaften der Acetale sprechen, die beim Kochen mit Alkali sehr schwer, leichter durch Säuren gespalten werden. Im Capillarröhrehen erhitzt, beginnt das Thymoform bei 70° zu sintern und zersetzt sich um 95° unter Gas- entwickelung. Aehnlich dem Jodoform scheint es einen hervorragenden Einfluss auf die Stoffwechselproduete der Bakterien zu besitzen, denn eiternde Wunden wurden mit überraschender Schnelligkeit geheilt. T’'hymoform ist in Aussicht genommen als Ersatz für Jodoform, Dermatol ete. Jodothymoform. Die Bereitung der neuen Jodverbindung geschieht in der Weise, dass man das Thymoform in Alkohol löst, zu der Lösung fein gepulvertes Jodkali und eine bestimmte Menge Jod hinzufügt und das Gemisch eine Stunde ge- linde am Rückflusskühler erwärmt. Nach Ablauf dieser Zeit wird die Reactionsflüssigkeit mässig gekühlt und mit Ammoniak im Ueberschuss versetzt; hierbei scheidet sich der Jodkörper als amorph-krystallinisches Produet, das aus keinem Lösungsmittel krystaliisirt erhalten werden konnte, in quantitativer Ausbeute ab: man saugt sofort auf der Saugpumpe ab und wäscht gründlich mit Wasser aus. Das Jodothymoform ist gelb gefärbt, ist unlöslich in Wasser und Glycerin, leicht löslich in Aether, löslich in Benzol, Chloroform, Oliven-Oel und Alkohol. Im Capillar- röhrchen erhitzt, zeigt es keinen Schmelzpunkt und be- ginnt oberhalb 150° unter Sintern sich in schlecht con- trollirbarer Weise zu zersetzen; daher können mit Jodo- thymoform imprägnirte Verbandstoffe leicht sterilisirt werden. : Jodothymoform dient als Ersatz für Jodoform, Aristol. Kreoform, Methylenkreosot. Erwärmt man eine Lösung von Kreosot in Formalin auf eirca 60° und giebt dann viel coneentrirte Salzsäure hinzu, so erfolgt alsbald eine heftige Reaction, das heisst ein stürmisches Aufwallen und die Abscheidung eines zäh- füssigen Oeles, das beim Erkalten zu einer leicht brüchigen, harten Masse erstarrt. Das Product wird im Mörser zu einem feinen Pulver zerrieben, zur Beseitigung von an- haftendem Formaldehyd mit Ammoniak digerirt und auf der Saugpumpe gründlich mit Wasser gewaschen. Man erhält schliesslieh nach dem Trocknen an der Luft ein gelbgraues, fast geruchloses und vollkommen geschmackloses Pulver, das in Alkohol und Aether löslich, in Wasser und Petroläther dagegen absolut unlöslich ist; in Kalilauge löslich, wird es auf Zusatz von Säuren aus dieser Lösung wieder unverändert ausgeschieden. Hieraus XII. Nr. 38. folgt, dass in dem Kreoform der typische Charakter des Kreosots, die Hydroxylgrappen erhalten sind, das Methylen hat fest in den Benzolkern eingegriffen. Was das Kreosotpräparat besonders werthvoll macht, ist seine völlige Reizlosigkeit und vor allem seine Billigkeit, so dass es sich leicht in der Krankenkassenpraxis einbürgern und die Kreosotpillen und Kapseln, die selbst den besten Magen schädigen, verdrängen dürfte. Das Geoform, Methylenguajacolat, das bereits früher von Abel erhalten worden ist, ist ebenfalls geschmack- und fast geruchlos. Es ist ein gelbes Pulver, besitzt dieselben Eigenschaften wie das Kreoform und übertrifft an Billigkeit bei Weitem sämmtliche Guajacolpräparate, so dass der medieinischen Praxis auch in dem Geoform ein Mittel an Hand gegeben ist, das bei Phtisis, Skro- phulose ete. geschätzte Guajacol in angenehmer und er- wünschter Weise zu verwenden. Sowohl Kreoform wie Geoform sind auf ihre Giftigkeit geprüft worden; Kaninchen, die in aufsteigenden und reeht erheblichen Dosen damit gefüttert wurden, zeigten nach vielwöchentlichem Gebrauch ein vorzügliches Wohlbefinden, so dass auch für den menschlichen Organismus gleich günstige Resultate zu erwarten sind. — Guacamphol, der Camphersäureester des Guajacols. 2 Moleküle Guajacol und 1 Mol. Camphersäure werden mit einer binreichenden Menge Phosphoroxychlorid oder einem anderen Condensationsmittel 1,5 Stunden auf dem Wasserbade erhitzt. Unter Rothfärbung tritt allmählich Lösung und reichliche Entwickelung von Salzsäuregas ein. Dann wird das Reactionsproduet unter Rühren im Wasser gegeben, wobei es nach kurzer Zeit krystalli- nisch erstarrt. Man behandelt zur Entfernung von un- veränderter Camphersäure und überschüssigen Guajacol mit. Kalilauge und wäscht gründlich auf der Saugpumpe mit Wasser aus. Aus Alkohol krystallisirt die Verbindung in feinen, farblosen Nadeln, die bei 124° schmelzen und die Formel: C;H,4(C0O 2 (6) In C,H, = OCH;3), haben. Guacamphol ist geschmack- und geruchlos und frei von den ätzenden Eigenschaften des Guajacols, es leistet bei Nachtschweiss und Diarrhoe der Phtisiker vorzügliche Dienste. Dr. A. Sp. Ein neuer Planet zwischen Erde und Mars. — Eine Entdeckung von hervorragendem Interesse ist dem Astronomen der Urania-Sternwarte in Berlin, Hrn. G. Witt, vor einigen Wochen geglückt. Nachdem derselbe bereits vor etwa zwei Jahren auf photographischem Wege einen Planetoiden „Berolina* entdeckt hatte, war er andauernd mit entsprechenden Nachforschungen zur weiteren Ver- vollständigung unserer Kenntnisse von den zwischen Mars und Jupiter um die Sonne kreisenden, kleinen Gestirnen beschäftigt. Als er nun im letzten Sommer ein zwar früher schon entdecktes, aber wieder verschollenes Mitglied dieser Gruppe suchte, fand er auf der zu diesem Zwecke aufgenommenen Platte ausser dem gesuchten Himmels- körper noch einen zweiten Strich, der nur von einem sich während der Expositionsdauer recht merklich bewegt habenden Wandelstern herrühren konnte. Die sofort auf- fallende Grösse der Geschwindigkeit des neuen Gestirns liess dasselbe von vornherein recht interessant erscheinen und veranlasste den Entdecker, dasselbe während der letzten Wochen, so oft das Wetter es gestattete, auch visuell eifrigst zu beobachten. Der für seinen unermüdliehen Fleiss bei der Berechnung von Planetenbahnen schon durch die Pariser Akademie ausgezeichnete Astronom am kgl: Naturwissenschaftliche Wochenschrift, 453 Recheninstitut, Herr Berberich, beeilte sich nieht minder, die schwierige, bekanntlich erst durch Gauss’ Genie gelöste Aufgabe der Bahnbestimmung eines neu entdeckten Planeten aus "wenigen, zeitlich nahe bei einander liegenden Einzel- beobachtungen auch für den vorliegenden Fall in Angriff zu nehmen. Vor wenigen Tagen sind nun diese Rechnungen so weit zum Abschluss gelangt, dass als höchst über- raschendes Ergebniss ausgesprochen werden konnte, der neue Planet sei überhaupt kein Mitglied der Planetoiden- gruppe, sondern vielmehr im ganzen Planetensystem der nächste Nachbar der Erde, der zwischen Mars und Erde seine stillen Bahnen merkwürdigerweise bis heute unent- deckt ziehen konnte, wobei er "sich uns gelegentlich bis auf etwa drei Millionen Meilen nähern und eine Helligkeit sechster Grösse erlangen kann, die ihm ünter günstigen Verhältnissen sogar dem freien Auge sichtbar machen könnte. — Sobald nähere Einzelheiten | über das sonderbare Gestirn veröffentlicht sein werden, sollen dieselben auch den Lesern dieser Zeitschrift bekannt gegeben werden. F. Kbr. Wetter-Monatsübersicht. (August.) — Im schärfsten Gegensatze zu der trüben, nasskalten Witterung des ver- EAUDELEN Juli zeichnete sich der August in ganz Deutsch- land durch grosse Trockenheit und einen ausserordentlichen Reichthum an Licht und Wärme aus. Sogleich zu Beginn des Monats fand, wie die beistehende Zeichnung ersehen lässt, eine ziemlich beträchtliche, jedoch nieht lange Temperaturen im „August 1898. — Tägliches Maximum, ber Minimum. —— 8Uhr Morgens, 1898. ageteAu gust. 6. - 8 Uhr Morgens, normal. 1 Ri ee | $- Nast deutschland. dauernde Erwärmung statt. Nachdem sodann vom 7. bis 10, die Temperaturen wieder stark gesunken waren, begann überall eine Zeit grosser Hitze, welche bis zum 23. Aug ust anhielt. Dieselbe erlitt in Norddeutschland eine obschon nur kurze Unterbrechung um den 18.; in Süddeutschland aber, wo auch die vorangegangene Abkühlung viel empfindlicher aufgetreten war — zeigte doch das Maximum- thermometer an den süddeutschen Stationen am 9. August durchschnittlich zehn Grad weniger als am 8. — stiegen die Temperaturen höher und höher, bis die Maxima am: 454 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 38. 22. August sogar im Durchschnitt 31° C. erreichten. Doch wurden an einzelnen Orten in vielen Gegenden Deutsch- lands noch beträchtlich höhere T'hermometerstände ab- gelesen; beispielsweise hatten am 7. Grünberg in Schlesien und Mülhausen im Elsass 33°, am 8. Breslau 36°, am 17. Grünberg 35, Magdeburg 34, Berlin und Halle 53° C. Während der heissen Tage herrschte in der Regel eine schwache östliche Luftströmung und ein sehr klarer, häufig gänzlich wolkenloser Himmel. Auch die Gesammt- dauer der Sonnenstrahlung war daher nicht unbeträchtlich grösser, als sie im August zu sein pflegt, z. B. wurden im letzten Monat zu Berlin 262, zu Potsdam 269 Stunden mit Sonnenschein, also trotz der rasch abnehmenden Tages- länge über die Hälfte mehr als im diesjährigen Juli ver- zeichnet. — Der letzte Theil des Monats war ziemlich kühl, und daher wurde auch im Monatsmittel die Normal- temperatur in den meisten Gegenden bloss um wenige Zehntelgrade übertroffen. Nur in Mitteldeutschland kamen erheblich grössere Abweichungen von den gewöhnlichen Mitteltemperaturen vor, so hatte Berlin 19,8°, während hier 18,1° C. für den August normal sind. Die Beträge der Niederschläge, welche sich hier- neben dargestellt finden, waren noch in keinem August- monatedieses Jahrzehntes so gering als im letztvergangenen, Riesig in August 1898. ay2 Mittlerer Werth für = Deutschland. Monatssummen im August MALE 9 %.%. 4.8. Friedrichshafen. Bamberg ünchen Breslau Karlsruhe. Chömnitz Berlin. R Wiesbaden. | ‚23.A Km Ialelaal, er 3l. ‚Augus in dem sie sich für den Durchschnitt der verwendeten Stationen auf 46,1 Millimeter bezifferten. Nahezu die Hälfte davon fiel innerhalb der vier Tage vom 7.—10., welche dem grössten Theile Deutschlands ausserordentlich starke Gussregen und, namentlich dem Nordwesten, vielfach Hochwasser brachten, von denen nur das mittlere Gebiet der Elbe und Oder ganz verschont blieb. Während der nächsten zwei Wochen herrschte allgemeine Trockenheit, welche nur hier und da bisweilen durch geringfügige Regenfälle unterbrochen wurde; ein sehr heftiges Gewitter fand allein in Breslau am 18. August statt, das 44 Millimeter Regen lieferte. Seit dem 24. wurden die Niederschläge wiederum zahlreicher und in manchen Gegenden ziemlich ergiebig, wobei die stärksten Regengüsse abermals Breslau zu erleiden hatte. Die dargestellte zeitliche Vertheilung der Nieder- schläge spiegelt vollständig die verschiedenen Formen wieder, in denen die Barometerhöhen im Laufe des Monats über Europa vertheilt waren. In der ersten Augustwoche wurde Mitteleuropa von einem Gebiete hohen Luftdruckes eingenommen und der Norden von verschiedenen, ziemlich tiefen Depressionen durchzogen, die für Deutschland leb- hafte südwestliche Winde und veränderliches, zu Gewittern und leichten Regenfällen neigendes Wetter zur Folge hatten. Die Letzteren nahmen an Zahl und Stärke sehr bedeutend zu, als am 7. August ein Barometerminimum von England nach Dänemark und unmittelbar darauf zwei neue von Frankreich nach Nordwest-Deutschland vor- rückten. Ihnen folgte aus Südwesten ein hohes Maximum, welches sich mit einem zweiten, vom weissen Meere her- gekommenen vereinigte und dann längere Zeit in West- russland oder im Ostseegebiete lag. Erst seit dem 24. August wurde dasselbe durch ein nordisches Minimum mehr nach Südosten gedrängt; ein neues Maximum er- schien in Südwest- und Mitteleuropa, nordostwärts fort- schreitende Depressionen auf dem Atlantischen Ocean, so dass sich wieder ähnliche Luftdruckverhältnisse wie zu Beginn des Monats hergestellt hatten und dieser mit heftigen Weststürmen an den deutschen und scandina- vischen Küsten abschloss. Dr. E. Less. Kritik der Falb’schen Wetterprognose für August. Im Anschluss an diese Wetter-Monatsübersicht dürfte es sich empfehlen, einmal die thatsächlich eingetretene Witterung zu vergleichen mit der von Rudolf Falb ge- stellten Prognose, da unbegreiflicherweise im grossen Publieum die Meinung besteht, diese Prognose sei auch im August glänzend bestätigt worden. Nachdem die Falb’sche Prognose für die Witterung des Juli im Grossen und Ganzen eingetroffen war, wenn- gleich auch hier die Einzelheiten keineswegs zutreffend prophezeit waren (so war weder von dem verheissenen Gewitterreichthum noch von einer Trockenheit im östlichen Deutschland etwas zu merken gewesen), wies der August einen vollkommen anderen Charakter auf, als ihn Falb vorhergesagt hatte. Falb hatte prophezeit: „Im Ganzen sind die Niederschläge dieses Monats anhaltend und ziemlich ergiebig.“ Demgegenüber war der verflossene August ein ganz ungemein trockener Monat und brachte nur an solchen Orten, wo stärkere Gewitter-Gussregen ein oder zwei Mal auftraten, etwas übernormale Niederschlags- mengen, während in den meisten Gegenden die Regen- summen auffallend niedrig waren: Berlin z. B. hatte nur 10 mm Niederschlag oder 17°, des für den August normalen Niederschlags aufzuweisen und damit den trockensten Augustmonat zu verzeichnen, der daselbst je beobachtet worden ist. Im Einzelnen verhielt sich die wirkliche Witterung zu der prophezeiten folgendermaassen: „1. bis 5. August. Zahlreiche Gewitter mit ziemlich bedeutenden Nieder- schlägen treten namentlich um den 2. ein... ... Die Temperatur geht in Folge dessen etwas zurück“ hatte Falbs Prognose für die ersten Tage gelautet. Wirklicher Verlauf: am 2. erreicht die vielwöchentliche Kälte- und Regenperiode ihr Ende. Es wird von Tag zu Tag wärmer. Fast gänzlicher Mangel an Gewittern und Niederschlägen. — Prognose: „6. bis 9. August. Die Niederschläge, welche im Allgemeinen etwas abnehmen, erreichen noch etwa am 7. in Folge von Gewittern eine ziemliche Höhe. Die Temperatur hält sich nahe am Mittel.“ Wirklicher Verlauf: Zunahme der Niederschläge; Höhepunkt derselben — der Prophezeiung entsprechend — am 7. und 8. unter Gewittererscheinungen. Temperatur bis zum 8. bezw. 9. recht hoch. — Prognose: „10. bis 14. August. Die Ge- witter nehmen ab. Dafür treten Landregen ein, welche namentlich um den 13. eine recht bedeutende Niederschlags- menge ergeben. Die Temperatur sinkt erheblich unter das Mittel, und zwar ziemlich allgemein.“ Wirklicher Verlauf: Die Niederschläge verschwinden gänzlich, die Gewitter demgemäss auch. Nachdem die Temperatur zwischen dem 9. und 11. auf den ungefähren Normalwerth zurück- gegangen ist, erfolgt abermals kräftige sommerliche Er- wärmung. — Prognose: „15. bis 18. August... Zahlreiche XIII. Nr. 38. Gewitter. .. Stellenweise sind auch die damit verbundenen Niederschläge nicht unbedeutend. Die Temperatur sinkt in den letzten Tagen empfindlich. In den Alpen tritt Schnee- fall ein.“ Wirklicher Verlauf: Gewitter und Niederschläge nur ganz vereinzelt. In den letzten Tagen allenthalben grosse Hitze, meist die grösste des ganzen Jahres. — Prognose: 19. bis 23. August. „Die Regen dauern fort. Die Temperatur hält sich beständig tief unter dem Mittel.“ Wirklicher Verlauf: Fortdauer der fast wolkenlosen Troeken- und Hitzeperiode. — Prognose: „24. bis 3l. August. Es wird bedeutend wärmer. Die Gewitter treten neuerdings auf und sind namentlich um den 27. oder 28. zahlreich.“ Wirklicher Verlauf: Grade am 24. Ende der Hitzeperiode; beträchtliche Abkühlung. Ende des Monats rauh und windig. Neigung zu geringen Niederschlägen. Gewitter nur vereinzelt.“ Die einzige Prophezeiung, die Bestätigung gefunden hat — natürlicherweise zufällig — bezog sich also auf die stärkeren Gewitterregen um den 7. und 8. August. Von den andern Prognosen Falbs traf im August fast überall das genaue Gegentheil ein. Referent hält es doch für erforderlich, dies einmal ganz ausdrücklich zu konstatiren, wenngleich er sich kaum noch mit der Hoffnung schmeichelt, bei den Falb’schen Gläubigen da- durch irgendwie das Dogma von der Unfehlbarkeit des Wetterpapstes erschüttern zu können. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Privatdocent der medieinischen Chemie in Königsberg Dr. Rudolf Cohn zum Professor; Departements- thierarzt Dr. Regenbogen zum Docent an der thierärztlichen Hochschule in Berlin. Berufen wurden: Der ausserordentliche Professor der Mathe- matik in Königsberg Dr. Hölder nach Leipzig; der ausserordent- liche Professor der Botanik in Bonn Dr. Sehimper nach Basel; der Professor der Botanik an der Akademie zu Münster Dr. Oscar Brefeld als Nachfolger Professor Ferd. Cohns nach Breslau. Es habilitirte sich: In Goettingen Dr. Koetz für Chemie. In den Ruhestand tritt: Professor J. R. Eastman vom United States Naval Observatory. Es starben: Der frühere ordentliche Professor der Philosophie ‚in Wien Dr. Robert Zimmermann in Prag; der Naturforscher J. M. Moniz in Madeira; der medieinische Schriftsteller Dr. William Pepper in Philadelphia; der Chemiker J. A. R. Newlands; der Mineraloge N. A. Pomel in Algier. Litteratur. Prof. Dr. F. Pax, Grundzüge der Pflanzenverbreitung in den Karpathen. I. Band. Mit 9 Textfiguren, 5 Heliogravüren und 1 Karte. (Die Vegetation der Erde. Sammlung pflanzen- geographischer Monographieen herausgegeben von Engler und Drude Il.) Wilhelm Engelmann in Leipzig, 18998. — Preis 11 Mark. Der vorliegende I. Band des Pax’schen Werkes liefert „gewissermaassen eine allgemeine Pflanzengeographie des Gebiets, ohne sich auf spezielle Charakteristik der einzelnen Bezirke ein- zulassen.“ Pax hat die Karpathen häufig besucht und sich ein- gehend mit ihrer Flora beschäftigt, sodass er ein competenter Beurtheiler, ja zur Zeit wohl der beste Kenner der anziehenden Karpathenflora ist. Eingangs schildert der Verfasser die Geschichte der floristi- sehen Erforschung der Karpathen und bringt auf fast 40 engbe- druckten Seiten ein Litteratur-Verzeichniss über seinen Gegenstand, das dem Weiterarbeitenden eine wichtige Quelle werden wird. Der eigentlichen Schilderung der Pflanzenformationen, Vegetations- linien, sowie der Beziehungen der Karpathenflora zu den Nachbar- gebieten und Entwickelungsgeschichte derselben seit der Tertiär- zeit geht ein Abriss der physikalischen Geographie der Karpathen voraus. Inhait: C. Fickert: Naturwissenschaftliche Wochenschrift. G. H. Theodor Eimers Ansichten über die Entstehung der Arten. — L. Hermann: 455 J. N. Krieger, Mond-Atlas, entworfen nach den Beobachtungen an der Pia-Sternwarte in Triest. I. Band. Mit 28 Tafeln und Ansicht der Sternwarte Triest, 1898. Im Selbstverlage des Ver- fassers. In Commission bei Ed. Heinr. Mayer in Leipzig. Mit dem vorliegenden, luxuriös ausgestatteten Bande über- giebt der in den Kreisen der Mondforscher rühmlichst bekannte Verfasser die ersten Ergebnisse seiner emsigen Thätigkeit der Oeffentlichkeit. Das Arbeitsgebiet Krieger's liegt in der seleno- raphischen Detailforschung mit besonderer Berücksichtigung der eineren, nur unter günstigen Bedingungen sichtbaren Rillen. Dementsprechend benutzt derselbe trotz der hervorragenden, neueren Leistungen der Mondphotographie für seine Untersuchungen ausschliesslich die visuelle Beobachtung und fixirt die in günstigen Augenblieken erfassten Wahrnehmungen des feinsten Details durch Bleistiftzeichnung. Photographische Aufnahmen wurden für die Darstellungen des vorliegenden Atlas nur zum Zweck der Ver- vollständigung und Controlle des Gesammtbildes verwendet. Gleichwohl machen die Tafeln vollständig den Eindruck von Photographieen, zumal auch die zinkographische Vervielfältigung dank eines vorzüglich geglätteten Papiers tadellos gelungen ist. Der Maassstab der Zeichnungen ist ein solcher, dass bei der Mehr- zahl 1 mm einem Kilometer der Wirklichkeit entspricht, so dass alle mit einem vortrefflichen Zehnzöller sicher wahrnehmbaren Einzelheiten wiedergegeben werden konnten. Etwa die Hälfte der Tafeln dieses Bandes ist in Gern bei München entstanden, wo der Verfasser ursprünglich sein Privatobservatorium begründet hatte. Die klimatischen Verhältnisse der bairischen Hochebene bewogen denselben jedoch im Jahre 1894, die Sternwarte nach dem sonnigen Süden zu verlegen, und so befindet sich dieselbe seitdem in Triest auf einem 93 m hohen Hügel, der in Heliogravüre wieder- gegebenen Abbildung nach an einem idyllischen Platze. Hier ge- denkt der Verfasser eifrig weiter zu arbeiten und dem vorliegenden Bande des Mond-Atlas noch etwa sieben weitere im Laufe des nächsten Dezenniums folgen zu lassen. — Dass bei der Namen- gebung für neuentdeckte Objeete neben verdienten Forschern auch die Namen hochherziger Gönner der Sternkunde, wie Lick, Yerkes, Miss Bruce u. s. w. berücksichtigt worden sind, ist bei der bedeutenden Förderung, welche gerade diese Wissenschaft durch solche Mäcene erfahren hat, nur zu billigen. — In einem späteren Bande fügt der Verfasser vielleicht eine Uebersichtskarte bei, welche auch dem auf unserem Trabanten noch nicht heimischen Neuling gestattet, die auf den einzelnen Tafeln dargestellten Land- schaften sofort mühelos auf dem Monde selbst aufzufinden. — Mit Bezug "auf die Oorrektheit der Darstellung müssen wir das Urtheil natürlich den speciellen Arbeitsgenossen des Verfassers überlassen, obgleich auch deren Stimme bei Meinungsverschieden- heiten nicht ganz sicher wird entscheiden können, handelt es sich doch hier um subjeetive Wahrnehmungen, die nur unter denselben subjeetiven und objeetiven Bedingungen in genau derselben Weise wiederholt werden könnten. Jedenfalls bietet das Arbeitsergebniss eines gewissenhaften, ohne Nebenzwecke nur der Sache dienenden Beobachters einen höchst werthvollen Beitrag zur Selenographie, in der noch gar manche Probleme erst auf Grund eines viel um- fangreicheren Beobachtungsmaterials, als bis zur Stunde vorliegt, ihre Lösung werden finden können. Erfreulich ist es, dass der Verfasser den knappen Text seines Atlas von jedem polemischen Gezänk gegen andere Mondbeobachter, wie es neuerlich in Zeit- schriften in recht unangenehmer Weise hervorgetreten ist, frei zu halten gewusst hat. F. Kbr. Jahrbuch der Chemie. Bericht über die wichtigsten Fortschritte der reinen und angewandten Chemie. Herausgegeben von Richard Meyer. Braunschweig. VII. Jahrgang. 1897. Braunschweig. Friedrich Vieweg & Sohn, 1898. Kurz und bündig giebt auch der vorliegende, 7. Jahrgang, der in seiner Disposition ganz mit den früheren Jahrgängen übereinstimmt, Auskunft über die bemerkenswerthesten Fort- schritte in der Chemie. Es zeichnet sich dureh eine wirklich sachliche, nicht von Zufällen geleitete Auswahl des Stoffes aus, sodass das Unternehmen die Wichtigkeit behält, die ihm gleich bei seinem Ercheinen zugesprochen werden musste. Der Deutsche Schulmann. — Halbmonatsschrift für die Interessen der Volksschule und der verwandten Lehranstalten. Herausgeber; Johannes Meyer in Krefeld. Verlag: G. D. Baedeker in Essen (Ruhr). — Die neue Zeitschrift sieht es als eine ihrer Aufgaben an, „den Lehrern die wichtigsten sicheren Ergebnisse der neueren wissenschaftlichen Forschungen auf den ! verschiedensten Gebieten zugänglich zu machen.“ Ueber das Lieht der Zukunft — Ueber die Ablagerung des Pigments bei Lamellibranchiern. — Neue Formaldehydverbindungen. — Ein neuer Planet zwisehen Erde und Mars. — Wetter-Monatsübersicht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Prof. Dr. F. Pax, Grundzüge der Pflanzenverbreitung in den Karpathen. — J. N. Krieger, Mond-Atlas, entworfen nach den Beobachtungen an der Pia-Sternwarte in Triest. — Jahrbuch der Chemie. — Der Deutsche Schulmann. a3 fg ee ee Dr. Robert Muencke Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. ® : SERtR E j % Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ® nd Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. OO HOHES OO HH OHIO PP IHH 9469 Sa ® : : 54 ° ® ® ® ® 2 ° nun = ze Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Über Herberstain und Hirsfogel. Beiträge zur Kenntnis ihres Lebens und ihrer Werke. Mit 10 Abbildungen im Text. Von Prof. Dr. Alfred Nehring in Berlin. 108 Seiten gross Octav. Ladenpreis 3 Mark. Ein Kebensbild des Weifen von Yazareth. Bon George Banl Sylvelter Gabanis. 300 Seiten Oltav, Preis geb. 3 «IL, elegant geb, 4 N. 5 inle Mengd er aeninle Menfd. Bon Hermann Türd. Dritte ftarf vermehrte Auflage. 390 Seiten gr. 8°. Breis geb. 4,50 L, cleg. geb. 5,60 M. Friede und Abrüstung. Von Gustaf Björklund. 95 Seiten Okiav. Preis 1,50 Mark, \ i \j N \ EN rn Carl Zeiss, — Optische Werkstaette. Jena Mikroskope mit Zubehör. Mikrophotographische Apparate. Photographische Objective. Mechanische und optische Messapparate N © ELDIIL STIER EEE REEL DER DHL er. Fre für physikalische und chemische Zwecke. eue Doppeifernrohre für Handgebrauch. Astronomische Objective und astro- optische Instrumente. \ Cataloge gratis und franco. WESITEITTTTTITITTHSITTTTTETEITTEEN Verantwortlicher Redacteur: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: > +. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XIII. Nr. 38. Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Photo Gameras. Für 12 Platten. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. raphische Stativ- und Hand- 5” Sämmtliche Bedarfsartikel, 3% Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel- Camera „Vietoria“ (D. R.P.) | Die practischste und zuverlässisste Hand-Camera. Wechselcassette „Columbus“, An jede Camera anzubringen. | Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). Gediegene Ausstattung. Ohne Beutel! Otto Toepfer Werkstatt für wisssenschaft- liche Instrumente. Potsdam. = Gegr. 1873. # Speeialgebiet: „Astrophysik“ (Astrophotometrie, Astrospectroskopie, Astrophotographie). Fernrohre bis 5* fr- Oeffn. azimuthal u. parallaktisch mon- tirt (Mit und ohne Uhrwerk.) — Ocu- lar-, Nebel-, Stern-, Protuberanz-Spec- troskope. — Spec- tralapparate und Speetrometer für wissenschaftliche, technische u. Schul- zwecke. — Stern- spectrographen nach Prof. H. C. Vogel. — Heliographen ver- schiedener Art. — Spectroheliogra- phen nach Hale. — Hcliostate bewähr- ter Construction. — Keilphotometer mit Registrireinrich- tung. — Astropho- tometer nach Zöll- ner. — Spectralpho- tometer div. Con- struction. He- lioskop-Oculare, Astronom. Hülfsin- strumente jeder Art. — Schraubenmikro- meterwerke. — Ocu- lare, Lupen, Pris- men. — Optische "Bänke. — Photogr. Apparate zur Re- production astron. Objecte. — Neutral- gläser mit und ohne Fassung. — Sensito- meter und Iconometer für photogr. Be- darf. — Lupenapparate und kleine Mi- kroskope für botanische und entomolo- gische Studien. — Projectionsapparate. gen. Dimmlers Deringshl;., Berlin. Sn unjerm Verlage erjhienen: Das Bud defus. Die Urevangelien. Neu durchge: jehen, neu überjeßt, geordnet wd aus den Uripraden erklärt von Wolfgang Birdbad. Dftav- Ausgabe 184 ©. 1,50 M., eleg. geb. 2,25 M. Bolfs- Ausgabe 156 © gebunden 70 Pfennig. Was lehrte Iefus? Zwei Irevangelien. Bon Melf- ana Birdjbady. 256 Seiten DE tap 5 M., eleg. gebunden 6 M. (rasmotoren, Dynamo- und Dampf- maschinen gebraucht, garantirt betriebs- fähig, in allen Grössen offerirt Elektromotor G. m. b. H. Berlin NW., Schiffpauerdamm 21. In Ferd. Dümmilers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 12 erschien: Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am kgl. Realgymn. in Berlin. 444 Seiten gr. 8. Pr. 6M., geb. 7M. „ Ferd, Dümmlers Verlagsbuhhandlung, „ . Su unferm Verlage erichien: felde und bei Leo Zolitoi. — RW. Garihin. — Katharina II. — Aut der Wolga. — Kijew. Berlin SW. 12, Zimmerftraße 94. Im Reiche des Baren. Büften und Bilder aus Rufjland von Eugen Zabel. Preis 3 Mark, elegant gebunden 4 Mark. . „Subalt: Die Kaiferzufannenfunft Auguft 1897. Bom ruffiihen Hof. Die franko-ruffiihe Allianz. Nitichemwo. — Lobedonoszew. — Bismard in Beteröburg. — Graf Walujew. — Das beilige Rußland. — Auf den Ehodinfa- Nikolai Nekraffom. — Swan Krylom. _ — als dramatiihe Schriftitellerin. — Der Bildhauer Antofolsfy. —. Nubinftein und Tihaitomety. — Niihuy-Nowgorop. Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. BERN Redaktion: nschaftliche “A]} Forschung -ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- R den Gebilsen der Phantasıe, wırd ihr reichlich ersetzt durch den ) Zauber der Wirklichke t, deribre Schöpfungen schmückt. S Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XIII. Band. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- 2 ] anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4— NL Bringegeld bei der Post 15 9 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Sonntag, den 25. September 1898. Nr. 39. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 „3. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Ueber das Leben der Köcherfliegen. Von Dr. Gräfin M. von Linden- Tübingen. Wen immer der Weg an einem schönen Sommer- oder Herbstabend in die Nähe eines Wasserlaufes führt, dem entgeht wicht, wie bei anbrechender Dämmerung im Schilf und Ufergebüsch reges Leben erwacht. Gelb- braune mottenartige Gestalten verlassen ihre grünen Ver- stecke, in denen sie während der Hitze des Tages träge und stumpfsinnig gesessen hatten, erheben sich zum lustigen Tanz, umschwirren in wilder Jagd sein Haupt, und ehe sich’s der Beobachter versieht, hat Jäger und Wild seine Schulter zum Ruhepunkt gewählt. Eine schnelle Bewegung und die scheuen Insecten erheben sich hastig und flattern verscheucht in kurzem Flug dem Ufer zu, um sich hier im Gefühl der Sicherheit auf einen Schilfstengel fallen zu lassen. Allein die durch das selt- same Gebahren der Inseceten entfachte Neugierde des Wanderers gönnt ihnen auch diesen Zufluchtsort nicht, er dringt in den Schlupfwinkel, in welchen die dunkeln Gestalten sich rutschend verkriechen, er folgt ihnen, wenn sie hüpfend von einer Pflanze zur andern flüchten und hinter Blättern und Zweigen Deckung suchen, er trachtet auch dann noch des scheuen Insectes habhaft zu werden, wenn es in höchstem Schrecken, scheinbar gelähmt in das Gras niederfällt, um nach wenigen Secunden für ein ungeübtes Auge nicht mehr erreichbar zu sein. Der ge- wandte Beobachter sieht indessen, wie der Flüchtling, sobald er den Boden erreicht hat, blitzschnell in das dichte Untergras kriecht und hier bewegungslos sitzen bleibt, bis ihm die Gefahr, gefangen zu werden, vorüber zu sein scheint. Gelingt es aber des mottenähnlichen Wesens habhaft zu werden, so zeigen bei näherer Betrachtung, die meist schuppenlosen, mit mehr oder weniger dicht stehenden Haaren bekleideten Flügel, die langen fadenförmigen Fühler und der fehlende Rollrüssel, dass wir es mit keinem Schmetterling, sondern mit einem Vertreter der Trichop- teren (Haarflügler), einer Gruppe der Neuropteren (Netz- flügler) zu thun haben. Die eigenthümlichen Flügelformen, die im Vergleich zu den Planiponniern (Plattflüglern), einer weiteren Gruppe der Netzflügler, bei den Trichop- teren sehr vereinfachte Flügeladerung, das vereinzelte Vorkommen von Schuppenbildungen, die Verkümmerung der häutigen Oberkiefer, lässt indessen erkennen, dass die Trichopteren keineswegs aller verwandtschaftlicher Beziehungen zu den Lepidopteren entbehren. Fritz Müller nimmt an, dass dieselben im genealogischen System der Inseeten dieselbe Stellung einnehmen, wie unter den Säugethieren die anthropomorphen Affen in Bezug auf den Menschen, dass also beide Ordnungen aus einer gemeinsamen Stammform hervorgegangen seien, von der sich die unansehnlichen Triehopteren weniger, die farbenprächtigen Schmetterlinge viel weiter entfernt haben. Die Ahnentafeln der Köcherfliegen reichen bis in den Wälderthon (Unterkreide, Neocom) hinab. Sie sind in- dessen hier, wie auch in den tertiären Süsswasserablage- rungen selten, häufiger finden wir sie im Bernstein ein- geschlossen. Seit jenen frühen Epochen haben sich diese Insecten so ziemlich über die ganze Erde verbreitet, wir treffen sie in jedem Wasserlauf, in jedem See, ja selbst am Meere an und beobachten auch einzelne Arten, welche ihr ganzes Leben auf dem Lande zubringen. Fritz Müller fand die Larven dieser Thiere in Brasilien (St. Catharina) sogar in dem Wasser, welches sich zwischen den Blättern der Bromelien auf den Wipfeln der Bäume ansammelt. Von den äquatorialen bis zu den arktischen Zonen finden wir also Trichopteren vertreten; der Schwerpunkt ihres Vorkommens fällt allerdings in unsere Breiten. Die ausgedehnte geographische Verbrei- tung brachte naturgemäss im Laufe der Zeit zahlreiche Variationen hervor, so dass heute diese Gruppe der Netz- flügler, die an Gattungen und Arten reichste der ganzen Classe darstellt. Wie bei nahezu allen Insecten mit vollkommener 45 [0 0) Verwandlung entfällt auch bei den Phryganeiden die längste Periode ihres Lebens auf das Larvenstadium, und diese Epoche emsiger Thätigkeit ist es, welche das Inter- esse des Biologen am meisten in Anspruch nimmt. Es giebt wohl keine Zeit im Jahre, wo uns nicht Gelegenheit geboten wäre, das Leben und Treiben der Larven unserer Köcherfliegen in den Wasserläufen zu beobachten. Ueber- all finden sich, wenn wir aufmerksam zusehen auf dem Grunde der Gewässer oder zwischen Pflanzen umher- krieehend die wunderbaren Gestalten, welche neugierig den mit hartem Chitin bekleideten Kopf und vorsichtig tastend die langen, dünnen Beine aus ihrem künstlich gefügten Futteral hervorstrecken und mit bewundernswerther Ge- schicklichkeit die oft recht schwerfällig erscheinende schützende Hülle nach sich ziehen. Die Lebensgewohn- heiten dieser Thiere bieten so viel Interessantes, dass sie schon frühzeitig trotz ihres der Beobachtung weniger zu- gänglichen Aufenthaltes die Aufmerksamkeit des Forschers wie des Laien auf sich gezogen haben, lange Zeit aller- dings ohne dass man wusste, wohin die merkwürdigen Larven im System zu stellen seien. Frisch (Beschrei- bung von allerlei Inseeten 1730, 13. Theil, Nr. 4, von der Hülsenraupe auf dem Grunde des Wassers) hatte das fertige Inseet noch nicht kennen gelernt und schliesst seine Ab- handlung mit den Worten: „Was für ein Inseetum daraus wird, habe ich noch nicht gewiss erfahren können.“ Im Litteraturverzeichniss von Degeers „Abhandlungen für Geschichte der Inseeten“ finden wir den originellen Titel: „Von besonderen Raupen, die an die Schalthiere grenzen“, der darauf schliessen lässt, dass sich der Verfasser über die Stellung der von ihm beobachteten höchst wunderbaren Thiere ebenfalls nicht ganz im Klaren war. Reaumur, der eingehende Beobachtungen über den Köcherbau der Phryganeiden und deren Verwandlung angestellt hat, be- spricht sie in einer Reihe mit den Motten und nennt sie, wegen ihrer grossen Aehnlichkeit mit Schmetterlingen „Mou- ches papilioneaeees“ (schmetterlingsartige Fliegen). Rösel von Rosenhof geht bei seiner Eintheilung in seinen Insectenbelustigungen (1746) von den biologischen Ver- hältnissen aus und begründet die gewählte Zusammen- stellung in folgender Weise: „Ich habe mir nämlich vor- genommen diejenigen Creaturen in eine Classe zu bringen, welche zwar als Würmer im Wasser leben, nachgehends aber in Inseeten mit durchsichtigen Flügeln verwandelt werden, welche sich ausserhalb des Wassers aufhalten, in freier Luft umherschwärmen, sich auch in selbiger paaren und so lange währen, bis sie sterben; in dem Wasser selbst aber als geflügelte Insecte ohne zu er- saufen nicht mehr bleiben können. Dergleichen Inseeten aber sind erstlich die sogenannten Libellen oder Wasser- Nymphen, hernach das Uferaas, ferner die Wasserraupen mit denen daraus kommenden Papilions, und endlich die Wasserschnaken und andere mehr.“ Die Triehopteren stehen also auch hier in bunter Gesellschaft mit Orthop- teren und Dipteren beisammen und werden wohl auch von Rösel für Schmetterlinge (Papilions) gehalten. Karl Degeer widmet in seinen Abhandlungen zur Geschichte der Inseceten den Trichopteren die siebente Abhandlung und sagt in der Einleitung, dass die Wassermotten oder Frühlingsfliegen in ihrem ganzen Bau hauptsächlich in Gestalt, Stellung und Colorit ihrer Flügel als auch in der Gestalt ihrer Fühlhörner viel Aehnliches mit den Pha- länen oder Nachtfaltern haben; „sie machen zwischen diesen und den anderen vierflüglichen Inseeten gleichsam eine besondere Stufe. Darum aber sind sie doch von den ersteren unterschieden, dass sie vorne am Kopfe keinen Saugrüssel und auf den Flügeln keine Schuppen haben.“ Sehr bemerkenswerth ist in einer Zeit, wo noch an dem Satze, dass die Art unveränderlich sei, Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. festgehalten ! XIII. Nr. 39. wurde, die folgende Aeusserung Degeers: „Durch die Wassermottenphaläne mit der gelben Streife (echte Motte) und andere dergleichen Phalänen, scheinen sich beide Geschlechter einander zu nähern, oder eigentlicher, auf eine unmerkliche Art überzugeben.“ Die wichtigsten Beiträge zu der Naturgeschichte dieser Thiergruppe haben wir durch Pictet in den vier- ziger Jahren und später durch Brauer, Fritz Müller und Me. Lachlan erhalten. Wenn wir mit der äusseren Erscheinung der in ihrem Futteral wohlgeborgenen Phryganeidenlarve näher bekannt werden wollen, so sind wir genöthigt, das widerstrebende Thier mit List aus seiner Hülle zu vertreiben. Meistens gelingt dies ohne die Larve zu verletzen, wenn wir eine Stecknadel mit dem Kopfende langsam in die hintere Oeffnung des Köchers einführen und den Körper des Thieres mehr und mehr nach vorwärts schieben. Ich sage „meistens“, denn nicht selten übertrifft die Larve den Menschen an Schlauheit und kehrt sich, noch ehe das Hinterleibsende die Hülle vollkommen verlassen hat, blitzschnell um, mit dem Kopfe voran in sein Gehäuse zurückfahrend. Haben wir indessen die Larve an diesem Vorhaben verhindert, so sehen wir ein raupenförmiges Thier vor uns, gewöhnlich mit chitinigem braungefärbten Kopf und Thorax und feinhäutigem gelblichem, röthlichem oder grünlichem Hinterleib, je nachdem das Blut der Larve gefärbt ist, vergl. Fig. 1 u. la. Die aus dieckem Chitin bestehende Cutieula reicht eben nur so weit als das Inseet aus seinem Köcher hervorzuragen pflegt, was bei den verschiedenen Gattungen und Arten ganz ver- schieden ist. Der in der Hülle steckende Theil des Körpers ist mit Ausnahme seines hinteren Endes, das ein Paar mit längeren oder kürzeren Chitinhacken versehene Nach- schieber trägt von einer sehr feinen Haut bedeckt, ähn- lich wie der Hinterleib des Einsiedlerkrebses, der im Schneckengehäuse geborgen, ebenfalls des den Thorax schützenden Panzers entbehrt. Der meist eiförmig ge- staltete Kopf der Larve ist verhältnissmässig klein, und wie auch bei den Raupen der Schmetterlinge mit einem oder mehreren Punktaugen, kurzen Fühlern, mehr oder weniger zahlreichen Borsten und kräftigen beissendeh Mundwerkzeugen ausgestattet. Die kleine dreiseitige Unterlippe endigt in drei Zacken, von welchen die mitt- lere, welehe ein feines Rohr bildet, das bei der Verferti- gung der Gehäuse von der Spinndrüse abgesonderte Sekret nach aussen führt. Die beiden seitlichen Er- höhungen stellen rudimentäre Lippentaster vor. Die Mehr- zahl der Merkmale, welche die Trichopterenlarven von denen der Lepidopteren unterscheiden, stehen in engster Beziehung zu ihrer eigenartigen Lebensweise. Besonders auffallend ist das Fehlen von Bauchfüssen und die eigenthümliche Ausbildung der drei thoracalen Beinpaare. Alle drei Beinpaare, welche länger sind als die der Lepi- dopterenraupen, zeichnen sich durch äusserst kräftigen Bau aus und sind stets mit längeren Wimpern, Borsten oder Stacheln versehen. Der Innenrand der Schienen pflegt eine Reihe kräftiger aber kürzerer Dornen zu tragen und giebt ihnen das Aussehen von Rechen, was ihrer Funetion auch vollkommen entspricht. Der Fuss selbst endigt in einen scharfen, sichelförmig gekrümmten Haken, an dessen Basis ein ebenso gestalteter kleinerer entspringt. Das erste Beinpaar ist gewöhnlich viel kürzer als die beiden anderen, es ist gedrungener gebaut, als diese, und seine Gestalt und Haltung, welche lebhaft an Mantis religiosa erinnert, verräth, dass es weniger für Locomotion als zum Ergreifen von Gegenständen gebraucht wird. Das zweite Beinpaar ist oft am längsten und in seiner ganzen Länge besonders bei jungen Larven einzelner Arten durch lange dichte Bewimperung zu einem Art XII. Nr. 39. Ruder umgebildet (Sericostoma) (Fig. la). Auf dem ersten Hinterleibsring, der immer am breitesten ist, befinden sich zu beiden Seiten, bei manchen Arten auch auf der Rücken- und Bauchfläche je ein aus- und einstülpbarer, oft recht langer kegelförmiger Fortsatz, der mit kleinen scharfen Chitinhäkchen besetzt ist und der Larve dazu dient, sich in ihrem Gehäuse festzuhalten. Bei Larven, welche ein festsitzendes Gehäuse haben wie z. B. die Rhyacophi- liden (Fig. 1) fehlen diese Ausstülpungen. Palmen nimmt an, dass die seitlichen Höcker, welche mit einer feinen Haut bekleidet sind und viele Tracheenverzwei- gungen enthalten, auch der Athmung der Larven dienen, besonders in den ersten Jugendstadien, wo sie noch keine Tracheenkiemen besitzen. Unmittelbar über und unter der Seitenlinie, die mit einer Reihe längerer Wimperhaare besetzt ist, deren rythmische Bewegung im Gehäuse fort- gesetzt einen Wasserstrom hervorruft, befinden sich die Tracheenkiemen, längere oder kürzere zu Büscheln (Fig. 1) vereinigte, oder einzeln (Fig. 1a) stehende Hautausstül- pungen, in denen Tracheenzweige verlaufen, welche die Aufgabe haben, die im Wasser enthaltenen durch die dünne Kiemenmembran hindurchtretenden Gase den Körpergeweben zuzuführen. Tracheenkiemen treffen wir bekanntermaassen bei den meisten im Wasser lebenden Insecten an, welehe ein geschlossenes Tracheensystem d. h. keine Stigmenöffnungen besitzen; daneben beobachten wir indessen auch Hautathmung und wie bei den Krebsen Athmung durch Blutkiemen. Unter den Trichopteren fehlen äussere Kiemen der Gattung: Hydroptila, Philopo- tamus, Pleetrocnemia und Enoieyla. Blutkiemen besitzen nach Fritz Müller die Hydropsycehiden, Rhyacophiliden, Hydroptiliden und Sericostoma- tiden, Formen, welehe mit Ausnahme von Hydroptila ausserdem auch noch Tracheenkiemen haben. Diese Blut- kiemen bestehen hier aus mehreren an Zahl bisweilen selbst innerhalb einer und derselben Gattung wechselnden Afterschläuchen. Dieselben können, wie Pietet zuerst beobachtet hat, willkührlich vorgestreckt und zurück- gezogen werden und bilden um den Enddarm gelagerte fingerförmige oder baumartige verästelte Blindsäcke. In diesen Aftersehläuchen verzweigen sich nur wenige Tra- cheen; im ausgestülpten Zustand sind die Schläuche mit Blut gefüllt, welches wie überall, wo echte Kiemenathmung beobachtet wird, den Sauerstoff direct aus dem die Schläuche umspülenden Wasser aufnimmt. Der Gegen- satz zu der Function der Luftröhren- oder Tracheenkiemen und der der Afterschläuche war am auffallendsten bei einer von Fritz Müller beobachteten Macronema- larve, die gesättigt grünes Blut hatte. Bei ihr er- schienen die mit Tracheenverzweigungen vollgepfropften Kiemen weiss, die vier blutgeschwellten Afterschläuche sattgrün. Die Afterschläuche treten bei Macronema nur dann in Function, wenn die Bewegung der Kiemen, welche hier den Wasserstrom unterhalten, verlangsamen. Bei jungen Larven, die noch keine Tracheenkiemen hatten, wurden sie überhaupt nie eingezogen. Tracheen- und Blutkiemen scheinen sich demnach zu ergänzen und ab- wechselnd in Thätigkeit treten zu können. Die feinhäu- tige Beschaffenheit des Hinterleibes der Trichopteren- larven, welche, wie wir sehen, für die Respiration der Wasserbewohner von grosser Bedeutung ist, hat indessen auch ihre Schattenseiten. Sie bietet dem Inseet weder genügenden Schutz gegen feindliche Angriffe, noch sichert sie dasselbe vor Unfällen anderer Art. Es ist deshalb für die Larve von Wichtigkeit, sich mit einer Hülle zu umgeben, in welcher, ohne dass der Gasaustausch zwischen Larvenkörper und Wasser gehindert wird, die weniger widerstandsfähigen Körpertheile geborgen werden können. Diesem Bedürfniss kommen die Insecten in der Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 459 verschiedensten Weise nach. Sie liefern Proben der feinsten Mosaikarbeit, Gehäuse, welche wie z. B. bei den meisten Leptoceriden ganz aus Quarz- und Kalksand zusammengesetzt sind (Fig. 2), deren Bestandtheile Korn um Korn mühsam zusammengetragen und verarbeitet werden müssen. Daneben die reinen Cyelopenbauten, wie wir sie bei Anabolia (Fig. 3) treffen, Anhäufungen von grösseren Kieseln oder Kalksteinchen, die eine Vor- stellung davon geben, wie viel Muskelkraft in dem kleinen Thier entwickelt wird, wenn es sich dieser Felsblöcke be- mächtigt und die schwerfällige Hülle auf seinen Wan- derungen mitschleppt. Besonders hübsch sind die fast ganz aus lebenden Schnecken und Muscheln bestehenden Köcher mancher Limnlophiliden, Fig. 4, (Limnophilus flavieornis). Sehr charakteristisch in der Art und Weise der Anordnung des Materials sind die Gehäuse, welche von den Vertretern der Familien der Phryganeiden, Limnophiliden und von einer Gattung der Lepto- ceriden aus vegetabilischer Substanz gebaut werden. Die einen spinnen in primitivster Weise zwei oder drei grössere Blätter zusammen (Fig. 5), zwischen denen die Larve sich aufhält z. B. Glyphotaelius pellueidus aus der Familie der Limnophiliden. Andere (Limno- philus stigma) legen Blattsticke von gleieher Grösse dachziegelförmig übereinander. Auf diese Weise erhalten die Hüllen der zwischen den Blättern der Bromelien lebenden Larven von Phylloicus Bromeliarum (Fig. 6), deren Gestalt noch dazu plattgedrückt und nicht eylin- drisch ist, das Aussehen einer Assel. Wieder andere (Limnophilus nigriceps) bedienen sich der Stengel von Wasserpflanzen und ordnen dieselben so an, dass die zur Körperlängsaxe quer gestellten Stücke den Larven- körper im Viereck umgeben (Fig. 7 u. Ta), dessen Seiten über die Eekpunkte hinaus verlängert werden und dem Köcher ein stacheliges Aussehen verleihen. Die meisten zu der Familie der Phryganeiden gehörenden Arten und eine Vertreterin der Leptoceriden, Triaenodes bieolor, ordnen die in gleichlange Stücke gebissenen Pflanzenstengel parallel zur Axe des Gehäuses in der Weise an, dass die Endpunkte der Fragmente eine Spiral- linie bilden (Fig. 8). Sehr zierlich sind die fast durch- sichtigen Hüllen der Gattung Setodes (Fig. 8a). Es sind leicht gebogene Röhren von ca. 9 mm Länge und 1 mm Breite und bestehen aus dem durch die Spinndrüsen ab- geschiedenen seidenartigen Secret, das an der Luft er- härtet und eine widerstandsfähige Hülle bildet. Zu grossem Kopfzerbreehen gaben seiner Zeit die aus kleinen Steinchen zusammengefügten schneckenhausähn- liehen Bauten der Helicopsycehe Shuttleworthi, Fig. 9, (Sericostomatidae) Anlass. Sie waren wiederholt für das Erzeugniss einer Schnecke (Valvata arenifera) gehalten worden, bis sie zuerst Shuttleworth und später Bremi als das Kunstwerk einer Köcherfliegenlarve erkannte. Zu derselben Familie gehört eine Gattung Brachycentrus, Fig. 10, welehe dadurch merkwürdig ist, dass ihre Larven scharf vierkantige Gehäuse herstellen. Die eben besprochenen Köcherformen gehören sämmt- lich solchen Arten an, die sich während ihres ganzen Larvenlebens frei bewegen und ihre Gehäuse mitschleppen. Es giebt indessen unter den Trichopteren zwei grosse Gruppen, welche sich meistens nur festsitzende Gehäuse bauen: die Hydropsychiden und Rhyacophiliden. Wenn wir bei den freilebenden Larven gewöhnlich eine geradezu Staunen erregende Kunstfertigkeit im Köcherbau bewundert haben, so werden wir bei den Larven mit fest- sitzenden Gehäusen nicht selten durch die geringe Sorg- falt überrascht, welehe sie bei ihrem Hüllenbau zeigen. Die Gehäuse bestehen in der Regel aus ungleichen Stein- stückchen, welehe an einer beliebigen Unterlage, meistens 460 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 39. einem grösseren Stein derart angeheftet werden, dass sie ein ovales Gewölbe bilden, in dessen Innern die Larve sich aufhält. Bisweilen scheint es sogar, wie Me. Lachlan berichtet, dass mehrere Larven unter einer einzigen dieser primitiven Hüllen geborgen sind. In den meisten Fällen werden indessen diese aus Steinen bestehenden Bauten erst kurz vor der Verpuppung aufgeführt und das Inseet begnügt sich während seines Larvenlebens mit in die Erde und den Schlamm gegrabenen mit Seidenfäden leicht überspannten Gängen, welche ihm kaum den allernöthigsten Schutz gewähren. Wir sehen somit, dass die Kenntniss der Larven- gehäuse für die Systematik wichtige Anhaltspunkte bietet, denn es ist wohl jetzt schon möglich, bei einer Anzahl von Formen auf Grund der Gestalt und des Baustiels ihrer Hüllen, Gattung und Art zu bestimmen, welcher sie angehören. Auch auf das zum Bau verwendete Material muss dabei Rücksicht genommen werden, obwohl sich dasselbe in erster Linie nach dem Aufenthaltsort der Larve richtet. Aber gerade deshalb ist es für viele Arten charakteristisch, die sich auf ganz bestimmte Wasserläufe z. B. schnell fliessende Bäche oder tiefe Seen beschränken. Die Larven aus der Familie der Phryga- neiden werden z. B. nie ihren Köcher aus Sandkörnern bauen, ebensowenig finden sich Leptoceriden (ausge- nommen Triaenodes bicolor) mit Pflanzengehäusen. Die ersteren leben meistens in tiefen, stehenden Gewässern, die letzteren in Bächen und Flüssen. Am veränderlichsten in Bezug auf das zum Bau verwendete Material sind die Limnophiliden und die Familie ist dementsprechend wie keine andere in allen Wasserläufen, im sumpfigen Teich wie im klaren Gebirgsbach zu finden. Im stehenden Wasser leben Arten, die ihre Köcher mit Vorliebe aus Pflanzenstengeln, verfaulendem Holz, Schneekenschalen, kurz aus allen Substanzen bauen, die geeignet sind, ihr specifisches Gewicht zu vermindern, was ihnen, da sie gewohnt sind, sich zwischen Pflanzen an der Oberfläche des Wassers aufzuhalten sehr zu statten kommt. In Bächen und Flüssen benutzen die Limnophiliden zum Köcherbau fast ausschliesslich kleinere und grössere Steine, und zwar wählen sie ihr Baumaterial um so kleiner, je reissender das Wasser ist, in dem sie sich aufhalten. Auf diese Weise schützen sie sich davor, weggeschwemmt zu werden, was leicht der Fall sein könnte, wenn sie dem Wasser eine grössere Oberfläche darbieten würden. Die Larven der Gattung Stenophylax, welehe hauptsächlich Gebirgsbäche bewohnen, befestigen ihre Gehäuse ausser- dem an grössere Steine oder sie liegen unter denselben und schützen sich in dieser Weise vor der Strömung. So viel uns bis jetzt bekannt ist, bauen von den Limnophi- liden die Gattungen Grammotaulius, Glyphotaelius, Limnophilus, Halesus und Chaetopteryx aus Pflanzenstoffen, Anabolia, Stenophylax, Mieropterna, Drusus und Enoicyla aus mineralischen Substanzen. Sämmtliche Vertreter der Sericostomatiden bauen ge- wöhnlich aus Steinen und halten sich nur in fliessendem Wasser auf. Die Leptoceriden construiren sich mit zwei Ausnahmen (Triaenodes bicolor und Setodes inter- rupta) Sandröhrchen, werden indessen, wie Me. Lachlan berichtet, sowohl in stehenden als fliessenden Gewässern angetroffen. Hydropsyehiden und Rhyacophiliden, welche ich nur im fliessenden Wasser und zwar meistens bei ziemlich starkem Gefälle mitten in der Strömung an- getroffen habe, verwenden ausschliesslich Steine zu ihren Bauten. Wenn wir in einem Fluss oder Bach Trichop- terengehäuse fischen, so werden sich stets in der ruhigeren Uferzone Köcher aus vegetabilischer Masse finden, während dieselben Arten, welche sich in einem strömungsreicheren Gebiete aufhalten, die Pflanzenstücke durch mineralische Bestandtheile ersetzen. Es ist schon öfters beobachtet worden, dass Trichopterenlarven, welche von dem Augen- blicke an, wo sie das Ei verlassen hatten, beobachtet worden waren, Anfangs nur Pflanzentheile zum Köcher- bau verwandten und diese später durch Steine vollkommen ersetzten (Limnophilus griseus). Diese Neigung in vorgerück- terem Alter aus Steinen zu bauen haben auch die Larven von Halesus auricollis und Micropterna sequax, wo der Anfang des Gehäuses vorwiegend vegetabilische, das Ende dagegen mineralische Bestandtheile aufweist, Die besprochenen Arten gehören zu den Limnophiliden, und es liegt die Vermuthung nahe, dass wir es hier mit Uebergangsformen zu thun haben, deren Baustyl von dem bei ihrer Familie typischen zu dem der Sericostoma- tiden überführt. Die Annahme der neuen Gewohnheit ist dadurch leicht zu erklären, dass die Larven beider Arten an Stellen starker Strömung leben, wo ein Pflanzen- gehäuse nur hinderlich sein könnte. Jedenfalls haben wir hier den besten Beweis für die Richtigkeit der Bimer- schen Auffassung des Instinktes als vererbte Gewohnheits- thätigkeit und ein Beispiel für die Entstehung neuer In- stinkte. Die Larve übt zuerst die der Familie, zu der sie gehört, eigene Fähigkeit, ihren Köcher aus vegeta- bilischen Substanzen zu bauen, aus, eine Fähigkeit, welche den Bedürfnissen der grösseren Anzahl, die in stehendem und langsam fliessenden Wasser leben, vollkommen ent- spricht. Die beiden genannten Arten wurden aber in Verhältnisse verpflanzt, unter welchen die der Gattung eigene Bauart keineswegs von Nutzen ist. Die Umstände zwingen sie also, vortheilhafteres Baumaterial zu wählen, sie bauen statt aus Pflanzen aus Steinen. Die von ihren Vorfahren ererbte Gewohnheitsthätigkeit, der Instinkt, ist in- dessen noch so mächtig, dass die im individuellen Leben erworbenen, wenn auch nützlicheren Gewohnheiten bei den Nachkommen noch nicht von Anfang an zum Ausdruck gelangen, erst von einem bestimmten Alter an folgen sie dem Beispiel der Eltern. Die Thatsache, dass die Larven anderer Gattungen der Familie und namentlich die der Sericostomatiden z. B. schon in ganz jugendlichem Alter aus Steinen bezw. Sand bauen, lässt es als wahr- scheinlich erscheinen, dass, je länger bei Halesus auri- collis und Mieropterna sequax die neue nützlichere Gewohnheit geübt werden wird, desto mehr eine Abkür- zung und schliesslich ein vollständiges Aufhören der ersten Periode, in welcher die Larven aus Pflanzen bauen, eintreten dürfte. Jedenfalls zeigen uns die merkwürdigen Gewohnheiten der Larven jetzt schon, dass auch in Bezug auf geistige Eigenschaften und Fähigkeiten, das biogene- tische Gesetz gilt, welches sagt, dass die Entwickelung des Individuums eine kurze Widerholung der Stammes- entwickelung sei. Bei keinem Thier prägt sich aber der Einfluss äusserer Bedingungen auf die Lebensgewohnheiten besser aus als gerade hier, wo das Gehäuse der Larve überall deren Aufenthaltsort verräth. — Unter den zahl- reichen Gattungen der Trichopteren ist nur eine einzige Art bekannt, welche ihr Larvenleben auf dem Lande ver- bringt, es sind dies die Vertreter der Gattung Enoicyla ebenfalls Angehörige der Familie der Limnophiliden. Die Larve kommt in Wäldern unter Moos, an Baum- wurzeln ete. oft weit vom Wasser entfernt vor und baut sich eine eylindrische, leicht gebogene Röhre aus Sandkörnchen und Rindenstücken. Um ihre Hüllen leichter lenkbar zu machen, befestigen viele im Wasser lebende Trichopterenlarven aus Blatt- stielen, Pflanzenstengeln ete. bestehende Steuer an die- selben, welche meistens ein grosses Stück über Kopf und Hinterleibsende hinausragen (Fig. 10). Andere versehen sich förmlich mit Schwimmgürteln (Fig. 11), indem sie z. B., wie ich wiederholt gesehen habe, Torfstücke an ERTITHNIEN. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 461 die Seiten der Röhre anbringen, Sehr interessant sind | derart befestigt, dass der Wasserstrom in den Eingang ferner die Vorrich- tungen, welche, wie von Fritz Müller beobachtet wurde, von einigen Köcher- fliegenlarven ge- troffen werden, um die Cireulation des Wassers in ihrem Gehäuse zu beför- dern. Eine zu der Gattung Rhyaco- phila gehörende Art läst z. B. zwischen den Stein- chen, aus welchen ihr Gehäuse zu- sammengesetzt ist, kleine Oeffnungen, eine andere hat in der Mitte des Ge- häuses eine vier- eckige von vier Steinen umgrenzte Lücke, eine dritte Art baut sich aus vielen kleinen Stei- nen einen regel- rechten Schornstein (Fig. 12 und 13). Fritz Müller be- schreibt ausser die- sen, das Gehäuse einer. Larye__der .. Gattung Helico- psyche, welche alle anderen in der kunstvollen Herstel- lung ihres Cireula- -tionsapparates weit übertrifft (Fig. 14). Jedes Gehäuse die- ser Larven, welche bis zu ihrer Ver- puppung auf Steinen festsitzen, hat einen Vorhof, der sich triehterförmig er- weitert und dessen Eingang bis zu” mm Höhe und doppelt so viel an Breite misst. Die Seiten- wände sind gewöhn- lich aus durchein- ander geflochtenen Pflanzenfasern her- gestellt und dienen als Deckung für ein höchst zierliches Netz von Seide, dessen viereckige Maschen gewöhn- lich 2—3 mm Weite haben. Diese Ge- häuse werden auf den als Ansatzpunkt dienenden Steinen 1. Larve von Rhyacophila. Nach der Natur 2:1. — 1a. Larve von Hydronautia verna. Nach der Natur, vergrössert. — 2. Larvenhülle von Leptoceriden aus kleinen Sandkörnern gebaut. Nach Brehm. — 3a. Larvengehäuse von Anabolia. Nat. Gr. — 3b. Puppendeckel aus Steinchen mit Luftlöcher. Nat. Gr. — 4. Larvengehäuse von Limnophilus. Nach Brehm. — 5. Blatt- gehäuse von Phylloieus major aus verschiedenen Bächen. Nach Fritz Müller. — 6a. Blattgehäuse von Larven, die auf frischen Blättern im Urwald schmarotzender Bromeliaceen leben (Phylloicus Bromeliarum). Nat. Gr. — 6b. Durchschnitt eines Gehäuses 4:1. Nach Fritz Müller. — 7 u. 7a. Larve und Larvengehäuse von Limnophilus. Nach der Natur. — 7b. Querschnitt des Gehäuses. — 8. Larvengehäuse von Phryganea. Nach Brehm. — $a. Larvengehäuse von Grumicha (Lep- toceriden). — 8b. Deckel der hinteren Oeffnung 6:1. Nach Fritz Müller. — 9. Larvengehäuse von Sericostomiden aus der Gattung Helicöpsyche. Nat. Gr. Nach Fritz Müller. — 10. Larvengehäuse einer en mit langem Steuer und der leeren Larvenhülle einer Brachycentrus. Nach der Natur. — 11. Steingehäuse einer Anabolia-Larve mit Torf, Ulmen-Samen und Schneckengehäuse als Schwimmgürtel. Nach der Natur. — 12. Freies Larvengehäuse einer Rhyacophilide. Gehäuse mit Schornstein. Nach Fritz Müller. — 13. Larvengehäuse einer Hydrophilide aus dem Briges- bach 25:1. Nach Fritz Müller. — 14. Larvengehäuse von Hydropsychiden. Nach Fritz Müller. — 15. Puppen von Hydroptilidae. Aus Sandkörnern gebaute Gehäuse. Nach Brehm. — 16. Trichop- teren Nymphe. Nach Degeer. — 17. Imago von Limnophilus deeipiens f. — 1%. Kranzförmiger Laich einer Phryganea. — 19. Incrustirte Köcherfliegengehäuse. — 20. Röhren von Phryganiden- Larven (Indusia caleulosa Scudd.) Miocaen Wyoming. (Nach Zittel.) — Sämmtliche Abbildungen bei denen keine Grössenangaben gemacht sind wurden auf °/, der natürlichen Grösse reducirt. des Triehters schla- gen muss. Gewöhn- lich machen diese Larven die Gehäuse dicht neben ein- ander in eine Reihe, die senkrecht zum Laufe des Wassers steht und in ihren Triehtern alles auf- fängt und -zurück- hält, was der Was- serstrom für sie Ge- niessbares mit sich bringt; hier dient also der Cireula- tionsapparat gleich- zeitig als Fangnetz. Ehe man den Köcherbau mit eige- nen Augen verfolgt hat, ist es kaum möglich eine rich- tige Vorstellung da- von zu bekommen, welch ungeheuere Arbeit und Mühe aufgeboten werden muss, um nur das einfachste Futteral zu erbauen und in brauchbarem Zu- stand zu erhalten. Kaum hat die Larve das Ei verlassen so sehen wir sie schon sich innerhalb des gallertigen Klum- pen, in welchem die Eier eingeschlossen sind, lebhaft. be- wegen. Sie scharren mit grosser Aus- dauer an den Wänden des Ge- fängnisses, gerade als ob sie sich ge- waltsam durch die weiche Substanz durcharbeiten woll- ten. Ganz beson- ders pflegen diese Angriffe dem nach oben gekehrten Theile des Klümp- chens zu gelten und wir sind überrascht, wenn die Larven nach einigen Stun- den ihre Geburts- stätte keineswegs an dieser Stelle durchbrechen, son- dern ganz bequem durch einen Spalt an der Basis des Klümpehens ins Freie treten. Wenn 462 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XIII. Nr. 39. wir indessen die eben ausgeschlüpften Larven näher untersuchen, so erhalten wir den Aufschluss für ihr lebhaftes Treiben innerhalb der Gallertmasse. Jedes Thierehen ist nämlich bereits mit einem aus der weichen Substanz gefertigten Köcher ausgerüstet zu dessen Con- struetion sie 12—18 Stunden gebraucht hat. Die Larven derjenigen Trichopterenarten, deren Eier unter dem Wasserspiegel an Steine und Pflanzen abgesetzt werden, bauen kein provisorisches Futteral aus Gallerte; bei einigen Limnophiliden sah ich, dass sie aus lose zu- sammengesponnenen Algenfäden ihre erste Hülle anfer- tigen. Nach einigen Tagen werden auch gröbere Stoffe zum Bau verwendet, es währt indessen ziemlich lange, ehe in der Anordnung des Materials der für die Art cha- rakteristische Baustiel zu erkennen ist. Larven derselben Art wählen in der Gefangenschaft, wo allerdings die Ver- hältnisse von denen im Freien wesentlich verschieden sind, theils Sand, theils Pflanzengewebe. Mit der Zeit erst werden die Steine wieder entfernt und die Hüllen ganz aus Pflanzen construirt. Das zum Bau verwendete Ma- terial ist in der ersten Zeit nur ganz lose verbunden, er- hebli.h später wird auch für die Festigkeit der Umhüllung grössere Sorge getragen. Stück für Stück wird dann mit einem von der Spinndrüse abgesonderten seidenähn- lichen Sekretfaden umwickelt und mit dem vorhergehenden und folgenden verbunden. Sobald diese grobe Arbeit zu Ende, der Rohbau des Köchers vollendet ist, so werden allenfalls vorhandene Lücken mit grosser Sorgfalt ausge- füllt und das Innere des Futterals mit einem dichten seidenartigen Gewebe ausgekleidet. Diese Arbeiten setzen sich fort, bis die Larve erwachsen ist, und es kommt vor, dass eine Larve genöthigt wird noch kurz vor der Ver- puppung den Köcherbau von neuem zu beginnen, wenn sie z. B. in die Hände eines räuberischen Genossen ge- fallen war; denn auch unter den Triehopterenlarven giebt es Individuen, welehe es einfacher finden, ihren Köcher auf Kosten anderer zu vergrössern, als selber Korn um Korn mühsam zusammenzuschleppen. Derartige Ueber- fälle lassen sich namentlich dann gut beobachten, wenn eine grössere Anzahl Larven auf einem beschränkten Raum, z. B. in kleinen Aquarien, in denen sich wenig zum Hüllenbau geeignete Substanzen befinden, zusammen sind. Noth und Gelegenheit macht auch die Larven der Köcherfliegen zu Dieben, und wir sehen, wie die ahnungs- losen Opfer am hinteren Ende gepackt werden und wie ihnen allmählich Stück für Stück von dem mit so viel Sorgfalt erbauten Futteral abgerissen wird. Auch die energischste Gegenwehr ist meistens nutzlos. Das Wachsthum der Larven und Hand in Hand damit der Hüllenbau geht unter geeigneten Verhältnissen sehr schnell von Statten und vollzieht sich auch während der Wintermonate. Viele Triehopterenlarven, deren Ima- gines schon im ersten Frühjahr fliegen, oder wenigstens nahezu ausgewachsen sind, verlassen erst im Herbst oder im Winter das Ei. In Halle hatte ich im November 1896 Gelegenheit, hierüber Beobachtungen anzustellen. Larven einer Limnophilide, welche, als ich sie fing, wenige Milli- meter lang waren, hatten nach 6 Wochen mindestens das 6fache ihrer Grösse erreicht und es waren kaum genug Wasserpflanzen aufzutreiben, um ihren Baueifer zu befrie- digen. Im Frühjahr schienen sie ausgewachsen zu sein. Ich glaube nicht, dass das schnelle Wachsthum dem Um- stand zuzuschreiben ist, dass meine Larven den Winter in Zimmertemperatur verbrachten, denn es wurden mir im Frühjahr Gehäuse von freilebenden Larven derselben Art gebracht, die nieht kleiner waren, als/die meinigen. Wenn Larven ihres Köchers beraubt werden, so pflegen sie, wenn sich nicht zufällig ein leeres Gehäuse vorfindet, einen ihrer Genossen aus dem seinigen zu ver- treiben, indem sie ihn von hinten eindringend zu ver- drängen suchen. Gelingt dies nicht, so unterziehen sie sich, wenn auch mit Widerwillen der Arbeit, ein neues Futteral zu bauen, das aber oft schon im Laufe eines einzigen Tages fertiggestellt ist. Darin, dass die Trichop- terenlarven, wenn sie aus ihrer Hülle vertrieben wurden, ihr eigenes, ja selbst fremde Gehäuse wieder aufsuchen, unterscheiden sie sich, wie Reaumur berichtet, wesent- lich von den ebenfalls in einem Futteral lebenden Mottenarten, welche nie in ein fertiges Gehäuse zurück- kehren. Der Eintritt des Puppenstadiums stellt die Um- sicht der Trichopterenlarven auf neue Proben. In erster Linie gilt es, einen Ort auszuwählen, an dem diese Zeit in möglichster Ruhe verbracht werden kann. Sehr viele Larven setzen sich in der Nähe des Ufers schaarenweise an Steinen oder unter Steinen wohl auch an Pflanzen und Baumwurzeln fest, andere, besonders die Rhyacophi- liden und Hydropsychiden sind nach wie vor mitten in der Strömung zu finden. Da es indessen überall und zu jeder Zeit Feinde giebt, die sich die Puppenruhe der Köcherfliegen zu Nutzen machen möchten, so pflegen die Larven Vorkehrungen zu treffen, um derartige unlautere Absichten zu vereiteln. Die beiden Oeffnungen des Ge- häuses, von denen die hintere gewöhnlich schon während des Larvenlebens verschlossen gehalten zu werden pflegt, werden sorgfältig mit Deckeln versehen. Bei vielen Arten dient als solcher ein grösserer Stein, der so angebracht wird, dass eine kleine Oeffnung übrig bleibt, die mit einem durchbrochenen häutigen Deckel versehen wird, so dass dem Wasser der freie Zutritt zur Puppe gestattet ist. Andere Arten schliessen den Köcher mit Blättern (Phryganeiden), wieder andere spinnen ein sehr wider- standsfähiges seidenartiges Gitter. Die Köcherfliegen mit festsitzenden Gehäusen (Rhya- cophiliden und Hydropsychiden) brauchen keine derartigen Vorkehrungen zu treffen, da ihr Gehäuse keine Oeff- nungen besitzt, bei ihnen fällt indessen, wie ich schon früher erwähnt habe, der Bau ihres Gehäuses meist erst in die Zeit vor der Verpuppung, auf alle Fälle bedürfen hier die Larvengehäuse, wenn solche gefertigt werden, stets einer sehr gründlichen Ausbesserung und Befesti- gung. Sind die Köcher sehr dicht gebaut, so wird stets ein Luftloch in die Köcherwand gebrochen, um den Zu- tritt frischen Wassers zu ermöglichen. Sehornsteine und Fangtrichter, welche während des Larvenlebens den Cir- eulationsapparat darstellen, werden vor Eintritt in die Periode weniger regen Stoffwechsels abgeworfen. Die zu der Familie der Rhyacophiliden gehören- den Larven unterscheiden sich, wenn sie Puppen ge- worden sind, von allen anderen, besonders aber von den ihnen im Gehäusebau sehr ähnlichen Hydropsy- chiden dadurch, dass sie sich mit einer braunen Chitin-' hülle umgeben. Allein nicht nur die Larven mit festsitzenden Ge- häusen, auch die freilebenden nehmen, ehe sie in ihr Ruhestadium treten, häufig noch bauliche Veränderungen an ihren Köchern vor. Bei sehr vielen Larven ist das Gehäuse mehr oder weniger gebogen und der hintere Theil desselben enger als der vordere, was sich durch die den jeweiligen Raumbedürfnissen der heranwachsenden Larve entsprechende Weite der Hülle erklären lässt. Diese engeren, gebogenen Hinterenden der Hüllen werden nun häufig vor der Verpuppung von der Larve selbst ab- getrennt und die nun beträchtlich kürzere Röhre mit einem grösseren Stein fest verschlossen. Merkwürdig ist auch die Gewohnheit der zu den Limnophiliden ge- hörigen Mieropterna sequax, welche ihr am Vorderende durch einen aus grösseren Steinen bestehenden Ring ver- XII. Nr. 39. längertes Gehäuse mit dem Hinterende so tief in den Schlamm hinein versenkt, dass nur die die Kopföffnung umschliessenden Steine sichtbar bleiben. Die Larve muss sich zu diesem Zweck in ihrem Gehäuse drehen, kehrt aber, sobald das Gehäuse in der gewünschten Stellung ist, in ihre vorherige Lage zurück. Auch bei Anabolia habe ich eine ähnliche Gewohnheit beobachtet mit dem Unterschiede, dass die Larve den Steinring an dem Hinterende ihrer Hülle, die Puppe ihn am Vorderende trägt. Die Larve hat hier sehr wahrscheinlich die erste Drehung schon sehr früh während des Larven- lebens ausgeführt, oder aber hat die Steine von vorn- herein am Hinterende der Hülle befestigt. Die schon wegen ihres häutigen, fast durchsichtigen Gehäuses inter- essante Setodes interrupta weicht bei der Vorbereitung zur Verpuppung von dem bei anderen allgemeiner üblichen Verfahren ab und hängt sich, gleich einer Schmetterlings- puppe, mittelst eines seidenen Fadens an einer Wasser- pflanze, aber im Gegensatz zu jener, mit dem Kopfe nach oben auf. Sehr hübsch sehen auch die Colonien von Hydroptiliden-Puppen (Fig. 15) aus, welche ihre an beiden Enden stumpf-kegelförmigen aus kleinen Steinchen zusammengesetzten Gehäuse mittelst eines häutigen Stieles an Baumwurzeln ete. befestigen und in ihrer Gestalt grosse Aehnlichkeit mit Weidenkätzchen besitzen. Die Puppenruhe dauert verschieden lang. Die einen überwintern als Puppe, andere verlassen schon nach Ver- lauf von 14 Tagen als Subimago ihre Puppenhülle. In der Nymphe (Fig. 16) sind sämmtliche Theile des fertigen Inseets schon entwickelt, aber noch von einer dünnen durehscheinenden Haut bedeckt. Die Flügel sind in den Flügelscheiden eng zusammengefaltet, die Beine, besonders das freie Beinpaar, sind lang bewimpert und bilden kräftige Ruder, mit denen die Nymphe ähnlich den Wasserwanzen im Wasser umherschiesst. Besonders cha- rakteristisch für das Subimago ist ein längerer Haar- büschel am Kopf und 2 Chitinhaken, welche wohl zum Oeffnen des Puppendeckels dienen. Zwölf Stunden treiben sich die Nymphen oft noch im Wasser herum, ehe sie einen geeigneten aus dem Wasser hervorragenden Stein oder einen Schilfstengel finden, auf dem sich die letzte Häutung vollzieht, nach welcher das Insect in seiner vollkommenen Gestalt seinen bisherigen Aufenthalt mit dem Ufergebüsch vertauscht. Die Farbe des eben aus der Nymphenbülle schlüpfenden Inseetes ist lichtgelb, dunkelt indessen an der Luft in kürzester Zeit nach, nur wenn das Insect gleich nach dem Ausschlüpfen getödtet wird, tritt keine Verfärbung mehr ein. Mit der Nymphenhaut fallen auch die letzten Attri- bute, welche das nasse Element als den Tummelplatz der Larve verrathen: die Tracheenkiemen und die langen Wimpern an den Beinen. Bei einigen Arten schrumpfen die Kiemen allerdings schon beim Uebergang vom Larven- in den Puppenzustand. Bei der Gattung Plecetroenemia (Hydropsychiden) finden wir, wie Pietet und Me. Lachlan beschrieben, die merkwürdige Erscheinung, dass die Larve der Kiemen entbehrt, während solche bei der Puppe vorhanden sind. Bei solchen Hydropsychiden werden die Kiemen auch noch von dem entwickelten Inseet über- nommen, sind indessen auch schon geschrumpft und nicht mehr functionsfähig. Das fertige Inseet athmet durch Stigmen, hat also das geschlossene mit dem offenen Tracheensystem vertauscht. Die Lage der Stigmen am Hinterleib gab Ursache zu vermuthen, dass die Stigmen- öffnungen an denjenigen Stellen entstehen, wo die Tracheen- büschel der Larve standen. Palmen hat indessen nach- gewiesen, dass dies niemals der Fall ist, dass überhaupt Stigmen und Tracheenkiemen in keiner genetischen Be- ziehung zu einander stehen. Die Stigmen sind auch Naturwissenschaftliche Wochensehrilt. 463 schon bei der Larve vorhanden, sie sind indessen ge- schlossen und werden erst bei der Metamorphose ver- mittelst zehn Paar dünner Fäden, welche die Längs- stämme des geschlossenen Tracheensystems mit der Körper- wand verbinden, geöffnet. Diese Stränge sind ursprüng- lieh rudimentäre Tracheenäste (Stigmenäste), die während des Larvenlebens nicht zu ihrer vollen Entwickelung ge- langen. Das Abwerfen der Nymphenhaut geschieht, wie ich beobachtet habe, meistens am Abend. Es ist ja über- haupt die Dämmerung, welche diese Insecten aus ihren Verstecken im Ufergebüsch erst hervorlockt. Tagsüber sitzen sie vereinzelt oder in grösseren Gesellschaften bei- sammen unbeweglich an Grashalmen, in den Achseln der Blätter oder an deren Unterseite, geschützt vor den Augen neugieriger Beobachter, eventueller Feinde und vor den Strahlen der Sonne. Wenn aber der Abend anbricht, so sehen wir sie in raschem Flug über die Wasserfläche schiessen, andere verlassen schaarenweise das Ufer und führen ihre Tänze über den Wipfeln oft weit von den Wasserläufen entfernter Bäume auf und können zu Zeiten, wie uns berichtet wird, geradezu zur Landplage werden. Hagen schreibt von einem derartig zahlreichen Auftreten von Phryganeidenschwärmen in Birmingham (Nordamerika) an den Ufern eines Flusses, dass die Einwohner ge- zwungen waren, ihre Häuser so dicht als möglich ge- schlossen zu halten. Die zudringlichen Inseeten wurden als Brachycentrus fuliginosus bestimmt und derselbe Autor berichtet, dass die europäische Art B. subnubilus ein gleiches Auftreten zeigt und in Russland oft sehr lästig wird. Ich habe zu Anfang erwähnt, dass die Gruppe der Triehopteren in verschiedener Hinsicht verwandtschaftliche Beziehungen zu den Lepidopteren besitzen, allein so ver- änderlich und meist farbenprächtig die Kleider der Schmetterlinge, besonders der Tagfalter, sind, so eintönig und scheinbar gleichförmig sind die der Köcherfliegen. Nur bei genauer Betrachtung finden wir Unterschiede heraus, welche Gattungen und Arten von einander trennen. Die Zeichnung der Flügel, welche bei den Lepidopteren gute Artmerkmale abgiebt, ist bei der Classificirung der Triehopteren bis jetzt noch wenig berücksichtigt worden ; die Unterschiede sind auclı nicht so auffallend wie bei den Scehmetterlingen, da die Farbentöne nur zwischen grau undgelb variiren (Fig 17). DieFarbstoffe sind entweder in der Flügelhaut (Limophilus) oder aber in den die Flügel- fläche bekleidenden Haaren oder Schuppen enthalten (Sericostoma ete.). Die Schuppen, welche sich bei den ö von Monocentra lepidoptera Ramb. in grosser Anzahl auf der gesammten Flügelfläche vorfinden, unterscheiden sich darin von den ächten Schuppen der Lepidopteren, dass sie nicht gerieft sind und eigentlich nach Kolbe nur aufgeblasene, d. h. verbreiterte Haare darstellen. Wichtige systematische Merkmale sind ausser der Flügel- form und meiner Ansicht nach auch der Flügelzeichnung das Flügelgeäder, noch mehr aber die Tibialsporne und Hinterleibsanhänge, da diese am wenigsten indi- viduellen Abänderungen unterworfen sind. Zur Eiablage kebren die befruchteten Weibchen stets wieder in die Nähe des Wassers zurück. Die Eier werden entweder in das Wasser selbst, oder an einem anderen passenden Ort nahe dem Ufer abgelegt. Bei Phryganea srandis und einer Stenopsyche liegen Beobachtungen vor, dass die Imagines kurz vor dem Eintreten der Abend- dämmerung zum Zweck der Eiablage zahlreich unter die Oberfläche des Wassers tauchen — ohne zu „ersaufen“ entgegen Rösels Anschauung — und im Wasser die Flügel kräftig zusammenschlagend umherschwammen. Dasselbe habe auch ich beobachtet, doch kann ich mich 464 nieht mehr erinnern, welcher Species die Imago angehörte. Ausserhalb des Wassers werden die Eier mit Vorliebe an feuchte Felswände kleinerer und grösserer Wasserfälle, an Steine, welche aus Stromschnellen hervorragen, gelegt. Fritz Müller fand an solchen Orten Eier von Chi- marrha, Macronema und einer Rhyacophilide. Auch die Blätter von Gesträuch, das sich über das Wasser legt, werden häufig von den Weibehen der Leptoceriden aufgesucht. Der Laich der meisten Trichopterenarten ist in eine gallertartige, im Wasser stark quellbare Masse eingebettet und hat verschiedene für die einzelnen Fa- milien, ja selbst für einzelne Arten charakteristische Formen. Er hat oft grosse Aehnlichkeit mit dem Laich mancher Wasserschnecken (Lymnaeus). Der Laich von Phryganea grandis ist ringförmig (Fig. 18), die Eier stehen in Kreisen, von denen jeder ungefähr aus 12 Eiern gebildet ist. Die einzelnen Kreise, deren es bei einem von mir beobachteten Exemplar 64 waren, standen um einen Millimeter auseinander. Die Embryonen hatten eine grün- liche Farbe. Der Laich von Anabolia bildet sphärische Klümpchen und enthält gelbliche oder röthliche Eier. Sämmtliche Hydropychiden kleben ihre Eier, wie Fritz Müller mittheilt, mit spärlichem, nicht gallertig aufquellendem Kitt mehr oder minder dicht gedrängt in einer einfachen Schicht den Steinen auf. Die Eier be- sitzen eine feste, lederartige, fast undurchsichtige Schale und zeichnen sich ausserdem vor anderen durch ihre längliche Gestalt aus. Es ist nicht uninteressant zu verfolgen, was aus den zurückgelassenen Hüllen der Trichopterenlarven wird, besonders da, wo dieselben in grösseren Massen zu finden sind. Die leeren Gehäuse bleiben nicht lange herrenlos. Bald füllen sich die Röhren mit Algen an, sie werden an ihrer Oberfläche von diesen überdeckt, welche, indem sie aus dem Wasser kohlensauren Kalk abscheiden, die „Versteinerung“ der Gehäuse nach und nach herbeiführen. (Fig.19). VorJahren hatte ich Gelegenheit, inmeinernächsten Umgebung diesen Process zu studiren. Die Inkrustation der Larvengehäuse beginnt stets an der Stelle, wo die- selben mit dem als Ansatzpunkt dienenden Stein ete. in Berührung stehen, da die auf ihm vegetirenden Algen von genanntem Theil zuerst Besitz ergreifen. Allmählich überzieht sich die ganze Oberfläche der Hülle mit kohlen- saurem Kalk, die einzelnen Gehäuse werden mit einander zu einem einheitlichen Ganzen verbunden und endlich auch die Röhren mit der durch die Algen abgeschiedenen Substanz ausgefüllt, sodass sich nach und nach eine com- paete Kruste bildet, deren höckerige Oberfläche auf die Art ihrer Entstehung hinweist (Fig 20). Die das Frühjahr und den Sommer über entstandenen Inkrustationen bilden im folgenden Herbst wiederum den Ansatzpunkt für eine neue Generation, der abermals die Alleinherrschaft der Algen folgt. In dieser Weise theilen sich Köcherfliegen und Algen bei Bildung der sogenannten Indusienkalke in die Arbeit. Während erstere das Material zum Bau zusammenschleppen, fällt den letzteren die Aufgabe zu, den Zusammenhang zwischen den einzelnen Hüllen herzu- stellen und die auf die geschilderte Weise entstandene Sehichte mit der Zeit in harte Felsmasse zu verwandeln. Diese recenten Indusienkalke, welche ich in dem Bett eines kleinen Flusses im Stromgebiet der oberen Donau (der Hürbe) beobachtet habe, bilden theils zusammen- hängende Kalkbänke von grösserer Ausdehnung und Mächtigkeit, theils Complexe von zahlreichen verschieden Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 39. grossen kugeligen Coneretionen. Wo diese letzteren auf- treten, macht das Flussbett den Eindruck einer schlecht gepflasterten Strasse; Kugel reiht sich an Kugel, nuss- grosse Exemplare und Colosse von 33—36 em Durch- messer sind durch zahlreiche Zwischenstufen verbunden und bilden stellenweise übereinandergelagert Schichten von 40—50 cm Höhe. Das grösste Kugelfeld, welches ich im Flussbett fand, bedeckt eine Fläche von ca. 27 m Länge und durchschnittlich 1 m Breite. Wird eine der Concretionen mit der Säge durch- schnitten, so zeigt der Durchschnitt einen vollkommen concentrischen Bau. Um einen Kern, der entweder aus gleichartiger Substanz, oder häufiger aus einem abge- rollten Stein besteht, lagern sich, den Jahresringen eines Baumes vergleichbar, kreisförmig oder elliptische Ringe — je nach der Gestalt des Kernes an. Diese nehmen mit wachsendem Radius und auf dem nach oben gekehrten Segment an Breite zu, was damit zu erklären ist, dass von Jahr zu Jahr die älteren Ansiedelungen von Trichop- terenlarven durch Verwesung der in ihnen enthaltenen organischen Substanz ihren Zusammenhang mehr und mehr verlieren und zu einer dichten, körnigen Masse zusammen- sinken. Die Gesteinsmasse ist daher in der Umgebung des Kernes dicht und körnig, in den jüngeren Schichten ver- liert sich diese Beschaffenheit mehr und mehr und macht an der Peripherie schliesslich einer deutlich röhrigen Structur Platz. Allein nicht nur heute, auch in längst vergangenen Perioden haben ähnliche Processe stattgefunden. Quen- stedt berichtet, dass in dem Mittel-Tertiärgebiet der Auvergne, den Süsswasserkalkschichten der Limagne In- dusienkalke gefunden wurden, welche Bausteine von 6’ Mächtigkeit bilden und sich über viele Quadratmeilen er- strecken, Die fossilen Röhren sind ungefähr 3 em lang und 6 mm dick, an einem Ende mit sphärischer Grenz- fläche, geschlossen. Anderwärts berichtet derselbe Autor über derartige Vorkommnisse: „sie bilden namentlich in der Nähe von Vulkanmassen ganz kleine Hügel und sind von Röhren bald parallel, bald nach allen Richtungen durchwachsen, jede einfache Röhre von einer Linie bis zum kleinsten wahrnehmbaren Durchmesser und von der Länge bis zu einigen Zollen wird durch zusammengekittete Sandkörner oder auch Muscheln mit einem sinterartigen kalkigen Cement verbunden gebildet, ist innen glatt und rund, aussen rauh und porös.“ Weitere Vorkommnisse dieser Art sind ferner aus dem Elsass (Unter-Miocän), aus der Gegend von Offenbach a. M. und anderen Orten bekannt. Die Trichopterenlarven wirken hier also geradezu gesteinsbildend und haben einen nachweisbaren Anteil an der Gestaltung der Erdoberfläche. Im Uebrigen wird ihnen theils Gutes, theils Schlechtes nachgerühmt. Ko- lenati rühmt ihr Verdienst als Gesundheitspolizei, indem sie das Wasser von faulenden thierischen und pflanz- lichen Stoffen reinigen; aus dıesem Grund und auch des- halb, weil sie die Nahrung vieler Fische bilden, hält er ihre Anwesenheit in Fischwassern für sehr nützlich. An- ders ist das Urtheil Rösels. Er hat beobachtet, wie eine Larve von Limnophilus, welche er in Gesellschaft eines Fischehens in eine Flasche gebracht hatte, diesen anfıel und mit ihren kräftigen Fresswerkzeugen bear- beitete. Er zieht daraus den Schluss, dass die Trichopteren der Fischzucht nur schädlich sein können. Die Wahrheit wird wohl auch hier in der Mitte liegen. XII. Nr. 39. Einen Bastard zwischen Löwen und Tiger, der augenblicklich in London gezeigt wird, beschreibt R. J. Poeoek, Assistent am Britischen Museum, in „Nature“ 1898, S. 200. Das Thier ist etwa 2 Jahre alt. Seine Grundfarbe ähnelt der des Löwen, sie ist mehr gelbbraun als röthlichgelb, aber die Tigerstreifen sind doch deutlich sichtbar, besonders am hinteren Theile des Körpers. Junge Löwen haben zwar immer an Kopf, Rücken, Seiten und Beinen schwarze Flecke und Querstriche, doch schwinden diese Flecke schon im ersten Jahre. Als ein weiteres Characteristieum des Tigers sind die schwarzen Mundwinkel zu erwähnen, die Lippenhaare an dieser Stelle sind beim Tiger pechschwarz, beim Löwen weiss. S. Sch. Wie uns Herr Custos P. Matschie von der zoolo- gischen Sammlung des Königlichen Museums für Natur- kunde zu Berlin mittheilt sind Bastard-Individuen zwischen Löwe und Tiger nichts Seltenes. Ueber das systematische Verhältniss beider Thiere zu einander äussert sich der genannte Säugethierkenner in „Natur und Haus“ 1897, S. 265 in der folgenden Weise: „Löwe und Tiger sind sehr nahe Verwandte, sie sind nur geographische Abarten einer und derselben Form. Gerade wie der Einhufer im Kaplande als Bergzebra, im Vaalgebiete als Quagga, in Central-Asien als Wildesel in die Erscheinung tritt, so hat sich in Afrika die grösste lebende Katzenart als Löwe, in Süd-Asien als Tiger aus- gebildet. Löwe und Tiger sind allerdings anscheinend sehr verschieden, und niemand wird an die Zusammen- gehörigkeit dieser beiden Formen glauben, solange er nicht Löwen gesehen hat, die in ihrer Erscheinung an den Tiger erinnern und Tiger, welche mit dem Löwen Aehnlichkeit‘haben. Erst-in' allerneuester Zeit haben die im Berliner Zoologischen Garten ausgestellten Turkmenen- tiger eine Bresche in die bisher herrschenden allgemeinen Ansehauungen geschlagen. Sie haben soviel von der Gestalt des Löwen, dass man wohl oder übel daran glauben muss, dass Löwe und Tiger Thierformen einer Art darstellen, welche sich in verschiedenen geographischen Gebieten ersetzen. Natürlich ist der Kaplöwe vom Sunda- tiger sehr verschieden, sehr ähnlich wird aber der Perser- löwe dem Turkmenentiger sein.“ Red. Die Athmung des Seehundes machen die Pro- fessoren Jolyet und Sellier in Bordeaux zum Gegen- stand einer Abhandlung in „Compte rendu des travaux de la Soc. zool. d’Areachon“ 1896/97. Der Seehund muss wie alle übrigen im Wasser lebenden Säuger zum Athmen an die Oberfläche kommen; gleichwohl kann er aber lange Zeit unter dem Wasser aushalten, was für ihn auch nöthig ist, wenn er seiner Beute, den Fischen und andern Wasserthieren, nachgeht. Er vermag länger unter dem Wasser zu verweilen als irgend ein Landsäugethier, und es liegt da die Frage nahe, ob der Seehund nicht vielleicht physiologische Einrichtungen besitzt, mittelst deren er mehr Sauerstoff aufspeichern kann als es die landbewohnenden Thiere vermögen. Die Untersuchungen der genannten Forscher haben denn nun ergeben, dass die Athmungsthätigkeit des Seehundes eine viel intensivere ist als die eines Landsäugethieres von derselben Grösse, z. B. eines Hundes. Ein Seehund von 15,5 kg Gewicht absorbirte an Sauerstoff pro Stunde 13,074 Liter, die durch die Lunge aufnehmbare Luftmenge betrug 0,926 Liter und die des Blutes 30,9 Cubikeentimeter. Die entsprechen- den Zahlen bei einem Hunde von 13,8 kg Gewicht waren: 9,377 Liter, 0,550 Liter und 23,6 Cubikcentimeter. Aus diesen Zahlen ist zu ersehen, dass die Athmungsthätigkeit des Seehundes eine viel grössere ist als die des Hundes. Er verbraucht viel mehr Sauerstoff, speichert aber in Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 465 seinen Lungen auch mehr auf, und auch das Blut ist fähig, mehr Sauerstoff aufzunehmen. Während er unter dem Wasser verweilt, lebt er von dieser aufgespeicherten Luft, und da er mehr bei sich behält als irgend ein land- bewohnendes Thier, so kann er auch längere Zeit unter dem Wasser zubringen. S. Sch. Der Kea, Nestor notabilis, der von einigen Forschern zu den Lori’s, von andern zu den Kakadu’s gestellt wird, und auf Neuseeland zu Hause ist, ist einer von den wenigen Vögeln, bei denen ein Wechsel in der Lebens- weise deutlich nachgewiesen werden kann. Derselbe er- nährt sich vorwiegend von Flechten und Früchten, frisst auch Insecten, seit etwa 40 Jahren hat er sich aber an- gewöhnt, auch Fleisch zu fressen. Als nämlich im Jahre 1560 auf Neuseeland Schafe eingeführt wurden, bemerkte man nach einiger Zeit, dass manche derselben tiefe Fleischwunden aufwiesen; als Attentäter wurde bald der Kea festgestellt. Zur Erklärung dieser merkwürdigen Thatsache hat man verschiedene Theorieen aufgestellt. So sollen die Kea’s sich dadurch ihr räuberisches Hand- werk angewöhnt haben, dass in den dortigen Gegenden viel Schafe geschlachtet werden und die Vögel so viel Gelegenheit haben, allerlei Abfälle zu fressen; dies soll sie dann dazu geführt haben, auch lebende Schafe anzu- fallen. Jetzt giebt F. R. Godfrey von Melbourne im „Zoologist“ eine andere Erklärung. In den gebirgigen Theilen der Insel wächst nämlich in Menge eine Flechte von grauweisser Farbe, zur Gattung Raoulia gehörig, welche der Kea häufig durchsucht, entweder nach Körnern und Früchten, die daselbst festgehalten werden, oder nach dazwischen lebenden Inseceten, Larven und Würmern. Die Flechte ähnelt in ihrer Farbe sehr der Wolle der Schafe, und der Kea könnte sich ebenso getäuscht haben, wie. sich die Reisenden oft täuschen, die eine in der Ferne befindliehe Gruppe soleher Flechten leicht für eine Schafheerde halten. Da nun der Papagei hier’noch mehr Nahrung fand als zwischen den Flechten, so ist er bei seinem Irrthum geblieben und öfters wiedergekommen. S. Sch. Ueber die Fische des Nordostsee-Kanales findet sich in Hamburger Zeitungen folgende Bemerkung: Im Autf- trage der preussischen Regierung hat der Königliche Ober- Fischmeister Hinkelmann kürzlich eine Untersuchung des Fischbestandes des Kanales unternommen und Folgen- des festgestellt: Ueberall wurde nicht nur das Vordringen zahlreicher Ostseefische, auch in die anstossenden Binnen- seen, wie die Audorfer-, Schienauer- und Flemhuder-Seen, und ihr gutes Gedeihen, sondern auch das überraschende Anpassungs-Vermögen vieler Süsswasserfische festgestellt. Letzteres gilt namentlich von Hechten, Zandern und Brassen, welche sich in dem salzigen Element äusserst wohl befanden. Besonders auffallend war das häufige Auftreten junger Hechte. Aus dem Vorkommen zahl- reicher Heringslarven neben vollwüchsigen abgelaichten Heringen lässt sich vermuthen, dass man es in diesen seeartigen Erweiterungen des früheren Bettes der Obereider mit günstigen Laichplätzen des Heringes zu thun hat, die durch den Kanal erschlossen worden sind. Zahlreich wurde in den genannten Seen der Strufbutt (Pleuronestes flesus) gefangen, und zwar wurden nicht nur vollwüchsige Exemplare von vorzüglicher marktfähiger Qualität, sondern auch junge Exemplare getroffen. Dabei ist es gar nicht unwahrscheinlich, dass Letztere im Kanale ihre Geburts- stätte gefunden haben. Besonders reich an Fischen ist der Flemhuder-See. Auch das Vorkommen der Nordsee- und Ostsee-Krabben wurde festgestellt. Letzteres ist- wichtig, da die Ostsee-Krabbe immer seltener wird. Reh. 466 Naturwissenschaftliche Wochensehritt. XIIEZNN239. Einfluss des Düngers auf Frostschaden. — In den „Landwirtbschaftl. Jahrbüchern“ (27. Band, Ergänz.- Band 2, S. 214/15), welehe vom Wirkl. Geh. Ober Reg.- Rath Ministerialdireetor Dr. Thiel im Königl. Preussischen Ministerium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten herausgegeben werden, findet sich eine merkwürdige Mittheilung über die verschiedene Wirkung von Stall- und Kunstdünger auf Frostschäden. Auf einem Versuchs- felde, bei Bremen waren im Hellweger Moor vier unmittel- bar nebeneinander liegende Kartoffelfeldstreifen angelegt, von denen das 1. und 3. mit Stalldünger, das 2. und 4. mit Kunstdünger gedüngt waren. In der Nacht zum 28. Juni d. J. trat nun ein Frost ein, welcher die Kartoffeln im 2. und 4. Streifen stark beschädigte, während auf dem 1. und 3. Streifen kein Frostschaden zu bemerken war. Eine ähnliche Beobachtung wurde auch noch auf einem anderen Felde im selben Moore (bei Gellner) ge- macht, wo der Einfluss verschieden starker Entwässerung auf das Gedeihen der Früchte im Hochwasser untersucht wurde. Am 1. Mai hatten die stärker als 75 cm tief ent- wässerten Versuchsparzellen eine Chilisalpeterdüngung in Gestalt von 1 kg Chilisalpeter pro Ar erhalten, die zwischen den Versuchsparzellen gelegenen, gleich stark entwässerten Restparzellen jedoch nicht. In der folgenden Nacht fror nun auf den Parzellen, welche nicht an jener Düngung theilgenommen hatten, der Hafer völlig bis auf den Boden ab, während die übrigen Parzellen unbeschädigt blieben. Die Wirkung des Frostes ging haarscharf soweit wie die Düngung mit Chilisalpeter reichte. Diese beiden höchst interessanten und werthvollen Beobachtungen fordern entschieden zu weiteren Versuchen in der angegebenen Richtung auf. H. Ueber den neu entdeckten Planeten (vergleiche „Naturw. Wochenschr.“, S. 453) äussert sich Herr Geheim- Rath W. Foerster in den „Mittheilungen von Freunden der Astronomie“ (Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung) wie folgt: Am 13. August d. J. hat der Astronom der Stern- warte der Urania zu Berlin, Herr G. Witt, auf dem be- kannten Wege photographischer Aufnahmen von Himmels- flächen, auf welchem auch er selbst schon früherhin mehrere kleine Planeten gefunden hat, einen Planeten entdeckt, welcher mit der Helligkeit eines Sternes 11. Grösse leuchtete. Der Astronom des Königlichen Rechen-Institutes zu Berlin, Herr A. Berberich, dem die Wissenschaft bereits so viele erfolgreiche Arbeiten auf diesem Gebiete ver- dankt, hat alsdann, sobald die weitere Verfolgung der Ortsveränderung dieses neuen Planeten am Himmel eine hinreichend sichere Berechnung seiner Bahn gestattete, die Bewegung desselben näher untersucht und folgendes wichtige Resultat gefunden: Der Planet gehört aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zu den zahlreichen kleinen Weltkörpern, deren Bahnen zwischen der Mars- und Jupiter-Bahn liegen; vielmehr scheint seine Bahn nur zum Theile jenseits der Marsbahn, zum anderen Theile jedoch innerhalb der Marsbahn derartig zu verlaufen, dass er der Erde erheblich näher kommen kann, als irgend einer der anderen Planeten. Wenn sich die bisherigen Ergebnisse auch in andern wesentlichen Einzelheiten bestätigen, würde dieser Planet von einer ausserordentlichen Bedeutung für zahlreiche und fundamentale astronomische Maassbestimmungen werden. Aber auch dann, wenn die bisherigen Rechnungs-Ergeb- nisse nicht in vollem Umfange zutreffen, wird der Planet eine ungewöhnliche Bedeutung für die Himmelsmechanik und für kosmogonische Fragen erlangen. Sehr merkwürdig ist es, dass dieser Weltkörper, weleher in seiner Erdnäbe jedenfalls viel heller als 11. Grösse werden kann, den unausgesetzten astrono- mischen Nachforschungen, denen bereits die Entdeckung von mehreren hunderten lichtschwächerer Planeten zu verdanken ist, bis jetzt entgehen konnte. Die hochbedeutsame Entdeckung des Herrn Witt giebt dem Gedanken Raum, dass auch noch andere Welt- | körper dieser Art näher der Erdbahn gefunden werden könnten. Wir wollen uns jedoch eifrig dagegen verwahren, hiermit solchen lächerlichen und gänzlich unwissenschaft: lichen Phantastereien wie den Fabeln vom zweiten und dritten Erdmonde irgend welchen Anhalt zu gewähren. Die Entdeckung eines neuen, sich zwischen der Mars- und der Erdbahn bewegenden kleinen Planeten mit ihren weiten Ausblicken auf noch reichere Erkenntniss ist wieder ein recht deutlicher Fingerzeig, wie kurzsichtig diejenigen Astronomen waren, welche das Suchen nach Planeten als etwas Unfruchtbares bekämpften. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Berufen wurde: Der Professor der Mathematik in Leipzig Dr. Lie nach Stockholm. Ks habilitirten sich: In Krenzberg Dr. Loewenherz für Chemie; in Erlangen der praktische Arzt Dr. Heinz aus Wüste- giersdorf für Pharmakologie und Toxikologie. In den Ruhestand tritt: Der Director des thierärztlichen Instituts in Leipzig Hofrath Professor Dr. Zürn. Es starb: Der chemalige Professor der Philosophie in Bern Dr. Karl Hebler. Litteratur. Dr. med. et phil. Ludwig Woltmann, System des moralischen Bewusstseins mit besonderer Darlegung des Verhältnisses der kritischen Philosophie zu Darwinismus und Socialismus. Hermann Michels Verlag in Düsseldorf. — Preis 4,50 Mark. Vorliegendes Werk ist der Entwurf zu einem System des moralischen Bewusstseins, in welchem die hervorragendsten geisti- gen Strebungen der Gegenwart: Kritieismus, Evolutionismus und ocialismus als Grundlage zur Schaffung einer einheitlichen Welt- und Lebensanschauung benutzt werden. Auf Kant, Darwin und Marx aufbauend, geht Verfasser an seine Aufgabe, die Probleme der Moralwissenschaft zu untersuchen. Der Zweck des Werkes ist, in der verwirrenden Hochfluth von Ideen und Bestrebungen im modernen soeialen Leben zu orientiren. Es sucht dem neuen Gewissen, das aus der tieferen Einsicht in die Geschichte des Menschengeschlechts und in das Wesen der gesellschaftlichen Organisation sich emporringt, einen wissenschaftlichen Ausdruck zu geben. Der erste Theil enthät eine Theorie der moralischen Er- fahrung, in welcher das Wesen des moralischen Gesetzes und seine Beziehung zum ästhetischen und religiösen Gefühl dargestellt wird. Der zweite Theil behandelt den Ursprung und die Ent- wiekelungsgeschichte des moralischen Bewusstseins, vom Thier bis zum Menschen, vom Affen bis zum — Uebermenschen. Der dritte Theil giebt eine praktische Anwendung der kritischen und genetischen Erkenntniss auf das geschichtliche, sociale und indi- viduelle Leben des Menschen nach den grossen Prineipien der Organisation, Hygiene und Erziehung. Prof. Dr. P. Fraisse, Meine Auffassung der Zellenlehre. Aka- demischer Vortrag. Verlag von Dr. Seele & Co. in Leipzig, 1898. — Preis I Mark. Verf. beschäftigt sielı zunächst mit der Auffindung von Unterschieden oder besser Uebereinstimmungen zwischen Orga- nischem und Unorganischem. Bezüglich des bekannten Unter- schiedes, dass das erstere wesentlich dureh Intussusception, das letztere durch Opposition wachse, macht er sehr passend darauf auf- merksam,! dass ja die anorganischen und überhaupt die Flüssig- keiten dureh Intussusception wachsen: „Wenn man z. B. zu Wasser das in demselben lösliche Salz hinzufügt, so lösst dasselbe das Salz auf und lagert dessen Moleküle durch Diffusion zwischen die einzelnen Wassermoleküle ein“ (vergl. auch „Naturw. Wochenschr.“ Bd. XII, S. 65: Rauber und Potonie, Krystall und Organismus). Die Reizreaktionsfähigkeit (Irritabilität) als Unterschied der Organismen von dem ÖOrganischen fertigt Verf. mit den Worten ab: „Allen Organismen kommt diese Reizreaktionsfähigkeit XI. Nr. 39. zweifellos zu, ebenso aber einigen anorganischen Substanzen, die eine oft ungeheuere Menge latenter Energie besitzen, das sind die explosiblen Körper. Das Nitroglycerin z. B. zerfällt bei dem äusseren Reize eines Stosses oder Schlages unter Entwickelung gewaltiger aktueller Energie in Wasser, Kohlensäure, Sauerstoff und Stickstoff.“ i 2 1 | Ueber die Zellenstruetur ist das Verschiedenste bei den ver- schiedenen Autoren angegeben worden; man erinnere sich an die Ausdrücke Wabenstructur, Filarstruetur u. s. w. Fr. warnt vor den hier so beliebten Verallgemeinerungen und sagt: „Wir müssen auch hier den Begriff der Anpassung im ‚Auge behalten und auch den der Selektion, wie es uns Roux in seinem Kampfe der Theile im Organismus geschildert hat, und werden nicht er- staunt sein, zu finden, dass eine Drüsenzelle einen entschieden wabigen oder auch schäumchenartigen Bau hat, während eine elastische Zelle oder fibrilläre Bindegewebszelle einfach aus eigen- thümlich zusammengelagerten und verkitteten Fäserchen besteht. Auch wird wohl niemand die granulirte Structur der Ganglien- zelle leugnen. Ich möchte als Beispiele weiterer Differenzirung nur noch erwähnen, wie sich die querstreiften Muskeln, die eigen- thümlichen Nesselzellen und Greifzellen der Medusen, Siphono- phoren und Ctenophoren und andere mehr verhalten, aus denen, trotzdem sie nur Elementarbestandtheile eines Metazoenkörpers sind, doch- eigentlich hoch ausgebildete Organe mit sehr ver- schiedenen Funktionen geworden sind. Es kommen demnach nicht nur in verschiedenen Zellen ver- schiedene Structurverhältnisse vor, sondern 'es können auch in einer und derselben Zelle neben granulirten Partien wabenartige oder netzförmige Bildungen auftreten, die wieder von Fäserchen und Fibrillen durchzogen sind.“ Verf. giebt dann eine hübsche Uebersicht über die phylo- genetische Differeneirung der Zellen. er Friedrich Rathgen, Die Konservirung von Alterthumsfunden. Mit 49 Abbildungen. (Handbücher der Königlichen Museen zu Berlin.) W. Spemann in Berlin, 1898. — Preis.2 Mark. Das Buch hat auch Bedeutung für die in naturhistorischen Museen . beschäftigten Naturforscher, die demselben manchen, ihnen wichtigen Wink und manche Belehrung entnehmen können. Referent denkt dabei u. a. an das Zusammenkleben von Gestein- stücken, wie es der Palaeontologe oft ausführen muss, genau ebenso wie der Alterthums-Custos nieht selten Scherben zusammen- zukitten Veranlassung hat. Prof. Dr. P. Ascherson und Dr. P. Graebner, Flora des Nord- ostdeutschen Flachlandes (ausser Ostpreussen). Ascherson’s Flora der Provinz Brandenburg. 2. Aufl., Lief. 2 und 3. Verlag von Gebrüder Borntraeger in Berlin, 1898. — Preis ä Bogen in Subscription 0,30 Mark. , Das prächtige Buch, dessen 1. Lieferung 'S. 407 des gegen- wärtigen Bandes der „Naturw. Wochenschr.“ angezeigt wurde, ist durch die vorliegenden Lieferungen 2 und 3 nunmehr bis Bogen 30 gediehen. Die Monocotyledonen liegen nunmehr erledigt vor und der grösseste Theil der Dicotyledonen ebenfalls. Das Ge- sammtwerk ist auf ca. vier Lieferungen berechnet, södass darnach noch etwa 10 Bogen zu erwarten wären; nach-dembis-jetzt vor- liegenden Text zu urtheilen, scheinen die Autoren auch damit auskommen zu können, auch inel. einem hoffentlich recht aus- führlichen Register. Die in unserer vorigen Anzeige geäusserte Möglichkeit, dass das Buch auf Exeursionen wegen Dickleibigkeit irgendwie weniger gut transportabel werden könnte, dürfte somit kaum eintreten. — Das Buch wird und muss sich in jeder auch noch so kleinen floristischen Bibliothek, die sich irgendwo im Gebiet befindet Verbreitung verschaffen; dass es in wissenschaftlich-syste- matischen Bibliotheken der ganzen Erde nirgends ‚wird fehlen dürfen, bedarf bei einer Flora aus Ascherson’s Feder weiter keiner Versicherung. Eduard Pospichal, Flora des Österreichischen Küstenlandes. Il. Bd. 1. Hälfte. Franz Denticke in Leipzig und Wien, 1898. — Preis 8-Mark. . 0 Der 2. vorliegende Theil der umfangreichen Flora (der 1. Theil, d. h. der I. Band, wurde Bd. XII, S. 191 der „Naturw. Wochenschr.“ besprochen) umfasst in gross-Octav 528 Seiten und bringt sehr dankenswerth eine gute Karte des österreichischen Küstenlandes, oder — mit Vermeidung der Umschreibung — eine Karte Istriens. Eine eingehendere Besprechung sparen wir für später, nach dem Erscheinen des Schlusstheiles auf. Naturwissenschaftliche Wochensehritt. 467 Dr. W. Nernst, ordentl. Professor an der Universität Göttingen, und Dr. W. Borchers, Professor und Docent für Metallhütten- kunde an der technischen Hochschule Aachen: Jahrbuch der Elektrochemie. Berichte über die Fortschritte des Jahres 1897 unter Mitwirkung der Herren Prof. Dr. Elbs-Giessen, Prof, Dr. F. W. Küster-Bresiau und Dr. H. Danneel-Göttingen herausgegeben. IV. Jahrgang. Verlag von Wilhelm Knapp in Halle a. S., 1398. — Preis-15 Mark. Der IV. Jahrgaug des Jahrbuches der Chemie, welches als ‚eine der hervorragendsten Litteraturerscheinungen sich in natur- wissenschaftlichen Kreisen längst einen hochgeachteten Namen verschafft hat, ist dieses Mal später als üblich zur Ausgabe ge- langt. Dafür sind die Wartenden aber auch reichlich entschädigt worden, denn in dem vorliegenden Berichte konnte eine Fülle ‚von Material beigefügt werden, über welches im Laufe des ver- 'flossenen Jahres in der zugänglicheren Fachlitteratur keine Nach- richten enthalten -waren. Der IV. Band des Jahrbuches ist also ‘mehr als die früheren Bände als eine Ergänzung der bestehenden 'Fachzeitschriften anzusehen, ohne dass, wie Verfasser in der Vor- rede bestätigen, im Uebrigen von den festgelegten und von der Mehrzahl der Fachgenossen gebilligten Grundsätzen der Be- arbeitung abgewichen wäre. Der Inhalt des Buches theilt sich sehr zweckmässig in zwei Haupteapitel: .I. Wissenschaftliche Elektrochemie und II. An- gewandte Elektrochemie. In dem ersten Theil sind die durch zahlreiche Zeiehnungen ergänzten Vorlesungsversuche (S. 7) vor Allem beachtenswerth. Die Capitel „Leitfähigkeit und Dissoceiation, Elektrische Energie, Polarisation und Elektrolyse, Dielektrische Leitfähigkeit, Klektro- analyse“ sind klar und verständlich geschrieben und die mit- getheilte Litteratur durch werthvolle Anmerkungen der Autoren kritisch beleuchtet.. In dem II. Theil verdient das Capitel über Aceumulatoren an erster Stelle genannt zu werden, sowie die Abhandlung überelektrochemischeApparate und Verfahren, worin das Verständniss für die Apparatur durch ausgezeichnete Abbildungen erleichtert ist. Hier wie auch an anderen Stellen des Buches hat die Angabe der deutschen und ausländischen Patente auf Apparate und Verfahren eine eingehende Berück- sichtigung gefunden. Das Capitel über die Ausbringung der Metalle auf elektrolytischem Wege nimmt einen breiten Raum ein, und von nicht geringerem Interesse sind die über die Metall- bearbeitung, Galvanoplastik und Galvanostopie mitgetheilten ein- schlägigen Untersuchungen. Den Schluss des Buches bilden die Capitel über die Herstellung anorganischer und organischer Ver- bindungen mittelst des elektrischen Stromes, über Bleichen und Desinfieiren und über Apparate. Man staunt beim Studium des Inhalts des vorliegenden Buches, welch vielseitiger Anwendung der elektrische Strom fähig ist. Kein ‘Praktiker oder Theoretiker,. der sich mit elektro- chemischen Fragen beschäftigt, wird des ausgezeichneten Jahr- buches der Elektrochemie entraten können. Thoms. Erdmann, Prof. Dr. H., Lehrbuch der anorganischen. Chemie, - Braunschweig. — 13 M. Fraisse, Prof. Dr. P., Meine Auffassung der Zellenlehre. Leipzig. — 1ıM. Goette, Prof. Dr. Alex., Ueber Vererbung und Anpassung. Strass- burg. — 0,80 M. Graf, Prof. J. H., und Priv.-Doc. Ed. Gubler, DDr., Einleitung in die Theorie der Bessel’schen Functionen. 1. Heft, Die Bessel- sche Function. 1: Art. Bern. — 3,20 M. Gruner, Priv.-Doc. Dr. P.,, Astronomische Vorträge. 1,40 M. Hejas, Assist. Andr.. Die Gewitter in Ungarn nach den Beob- achtungen von den Jahren 1871—1895. Budapest. — 4 M. Höhnemann, Dr. G, Praktisches Lehrbuch der Mathematik zum Selbstunterricht. I. Algebra. Leipzig. — 1,50 M. Kükenthal, Prof. Dr. Willy, Leitfaden für das zoologische Prak- . tikum. Jena. — 7M. Hertwig, Prof. Dir. Dr. Osc., Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der Wirbelthiere. 6. Aufl. Jena. — 13,50 M. Stöhr, Prof. Dir. Dr. Phpp., Lehrbuch der Histologie und der mikroskopischen Anatomie des Menschen mit Finschluss der mikroskopischen Technik. 8. Aufl. Jena. — 8 M. ö Ziegler, Prof Dr. Ernst, Lehrbuch der allgemeinen Pathologie und der pathologischen Anatomie für Aerzte und Studirende. Bern. — + 9. Aufl. 2. Bd. Jena. —:18 M. Inhait: M. von Linden: Ueber das Leben der Köcherfliegen. — Bastard zwischen Löwe und Tiger. — Die Athmung des See- hundes. - Der Kea, Nestor notabilis. — Fische des Nordostsee-Kanales. — Einfluss des Düngers auf Frostschaden. — Ueber den neu entdeckten Planeten. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. med. et phil. Ludwig Woltmann, System des moralischen Bewusstseins. — Prof. Dr. P.. Fraisse, Meine Auffassung der Zellenlehre. — Friedrieh Rathgen, Die Kon- servirung von Alterthumsfunden. — Prof. Dr. P. Aseherson und Dr. P. Graebner, Flora des Nordostdeutschen Flachlandes. — Eduard Pospichal, Flora des österreichischen Küstenlandes. — Dr..W. Nernst und Dr. W. Borchers, Jahrbuch der Elektro- chemie. — Liste. 468 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 39. 12 Berlin. && Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin Silberne cdaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Über Herberstain und Hirsfogel. Beiträge zur Kenntnis ihres Lebens und ihrer Werke. Mit 10 Abbildungen im Text. | Photos:?rhische Stativ- und Hand- um Gameras. Gediegene Ausstattung. 5” Sämmtliche Bedarfsartikel. 3% Spee.: Steckelmann’s Zusammenlegbare | Spiegel- Camera „Vietoria“ (D.R.P.) | | | | Von Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera Prof. Dr. Alfred Nehrine Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! 5 re hring Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. ‚Allein- Ver trieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges). 108 Seiten gross Octav. Ladenpfeis 3 Mark. (asmotoren, Dynamo- und TR maschinen gebraucht, garantirt betriebs- fähig, in allen Grössen offerirt Elektromotor G. m, b. H. Berlin NW., Schiffbauerdamm 21. Die Insekten-Börse Internationales Wochenblatt der Entomologie logisches Organ für Angebot, Nachfrage || In Ferd. Dümmlers Verlagsbuch- Fl W. © 7 A . .. Lama in sr Ina E WE S1Z erenhlen ist für Enntomologen und Naturfreunde das Einführung hervorragendste Blatt, welches wegen der be- . . . = . lehrenden Artikel, sowie seiner internationalen ın ns t Bun eumeNe sie und grossen Verbreitung betreffs Ankauf, Ver- bacl aul NS OETUTHEBTAER. kauf und Umtausch aller Objecte dio weit- b 5 Di und E Be gehendsten Erwartungen erfüllt, wie ein & EWEHTIER, Professor am kgl. Reatdyrunk in Berlin. Probe-Abonnementlehren dürfte. Zu beziehen onstruction., 444 Seiten gr. 8. Pr. 6M., geb. 7M. durch die Post. Abonnements - Preis pro - - Quartal Mark 1,50, für das Ausland per = | Kreuzband durch die Verlags- Buchhandlung PA: E N T B URE A U Frankenstein & Wagner, Leipzig, Salomon- Ulrich. R: Maerz strasse 14, pro Quartal Mark 2.20 —= 2 Shilling Jnh:C.Schmidtlein Ingenieur 2 Pence — 2 Fr. 75 Cent. — Probenummern Berlin! NW., Luisenstr. 22. gratis und franco, — Insertionspreis pro = Gegründet 1878. 4gespaltene Borgiszeile Mark —.10. Hempel’s Klassiker - Ausgaben. Patent-;Marken -u- Musterschutz Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. Ferd. Dümmlers Verlagsbuehhandlung in Berlin SW. 12. " Dünnschlif- Sammlungen | für praktische mikroskopische Uebungen. Friede und Abrüstung. Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller wichtigen Gesteinstypen und sind zus: immengestellt nach H. Rosenbusch Von Gustaf Björklund. „Mikroskopische Physiographie der ınassiven Gesteine“ Stutt- 95 Seiten Oktav. Preis 1,50 Mark. gart 1896. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste gedruckte Beschreibung, derart, dass der Lernende die einzelnen Gemengtheile der Gesteine makroskopisch und mikroskopisch erkennen und bestimmen kann. Ueber Sammlungen von ie 120, 180 und 250 Dünnschliffen in elegantem Etui je Mk. 150, Mk. 225, bez. Mk. 325. Tundren und Steppen Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen Handstücken. (Format 8, 11 em.) je Mk. 250, Mk. 390, bez. Mk. 4 1 Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer Due der Jetzt- und Vorzeit mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate mit besonderer Berücksichtigung ihrer Fauna. und für die richtige Auswahl von charakteristischem Material F garantirt werden kann. Von Dr. Alfred Nehring, .. Dr. F. Krantz, ee Rheinisches Mineralien-Contor. Mit ı Abbildung im Text und ı Karte der Fundorte. Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. Geschäftsgründung 1833. Bonn a./Rh. Geschäftsgründung 1833. 266 S. gr. 8°. Preis 6 Mark, Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. u Die Erneuerung des Abonnements wird den geehrten Abnehmern dieser Wochenschrift |; hierdurch in geneigte Erinnerung gebracht. Die Verlagsbuchhandlung. ni ne O9 7 role 2 ee ee re ER Verantwortlicher Redaeteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ER nn” r = Redaktion: die na schaftliche Forschung ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- N, den Gebil ven ger Phantasıe, wırd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirkliehke t, der ilire Schöpfungen schmüext, Schwendener. Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. | Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist AM 4— [0:0 Bringegeld bei der Post 15 „9 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Sonntag, den 2. Oktober 1898. Nr. 40. Inserate. Die viergespaltene Petitzeile 40 %. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Pflanzenphysiologische Beobachtungen. Von F. Schleichert in Jena. In meiner „Anleitung zu botanischen Beobach- tungen ete.“. .und in verschiedenen Abhandlungen habe ich viele Angaben über leicht auszuführende und besonders auch im Schulunterricht zu verwerthende pflanzenphysio- logische Experimente gemacht. Eine Reihe weiterer Ver- suche, die von mir im Sommer 1898 angestellt worden sind, soll in vorliegender Arbeit dargeboten werden. I. Beobachtungen über Wärmeentwickelung bei der Gährung. Man bereitet Pasteur’sche Nährlösung, indem man zu 840 cem Wasser 150 g Rohrzucker, 10 g weinsaures Ammoniak, 0,2 g schwefelsaure Magnesia, 0,2 g phosphor- sauren Kalk und 2 g saures phosphorsaures Kalı hinzufügt. Die erhaltene Lösung wird in zwei gleiche Theile ge- theilt und in Kochflaschen oder zwei andere geeignete Glasgefässe gebracht. In die eine Flüssigkeit bringt man noch 150 g Presshefe, die mit einem Theile der Lösung selbst zu einem Brei angerührt worden war. Beide Ge- fässe a (ohne Hefezusatz) sowie b (mit Hefezusatz) werden mit einem schlechten Wärmeleiter, z. B. einem leinenen oder wollenen Tuche umgeben und sich dann selbst über- lassen, um später mehrfach die Temperaturen der Lösungen zu bestimmen. Ich erhielt folgende Resultate: Beginn der Versuche: 6 Uhr nachmittags. Temperaturen von Datum | Zeit der Beob. | n 29. April | 8 Uhr nachm. 14,2 15,9 BU: Er, Dia SEEvOLIN:G 15,9 18,2 ” ” 12 ” en) 17,1 20 n > 5 „ hachm. 17,6 20,5 1. Mai 7 „ vorm. 14 14,6 Die Temperaturbeobachtungen wurden durch Einsenken eines empfindlichen Thermometers in die Flüssigkeiten bewerkstelligt. Die Flüssigkeit b war alsbald nach Beginn des Ver- suchs in lebhafte Gährung. übergegangen, wie das durch Kohlensäureentwickelung bedingte Brausen und Schäumen derselben andeutete. In der Flüssigkeit a erfolgte Keine Gährung. Ihre Temperatur erwies sich daher allein ab- hängig von jener der Umgebung, während der Tempe- raturüberschuss der Flüssigkeit b durch den Gährungs- process zu Stande kam. Dieser führt bekanntlich dahin, dass der durch das Invertin der Hefe aus dem Rohrzucker gebildete Invertzucker unter dem Einfluss der lebens- thätigen Hefezellen eine Zerlegung in Kohlensäure und Alkohol erleidet. Bei einer solchen Spaltung wird nun die im Zucker vorhandene Spannkraft ausgelöst, und als Aequivalent derselben tritt eben namentlich Wärme auf. II. Messungen der Temperatur im Innern eines Baumes. Die folgenden vergleichenden Beobachtungen der Lufttemperatur und der Temperaturverhältnisse, welehe im Innern eines Baumes herrschen, gewähren nach verschie- denen Richtungen hin Interesse. Ich stellte die Unter- suchungen an einem Exemplar von Pavia rubra an, indem ich dabei in folgender Weise verfuhr: Auf der Nordseite des Stammes wurde in einer Höhe von 1!/), m über dem Boden mit Hilfe eines Bohrers in horizontaler Richtung ein Loch angebracht. An dieser Stelle hatte der Baum einen Umfang von 120 cm. In das Loch wurde nun ein Thermometer mit eylindrischem Quecksilberbehälter 12 em tief eingeführt und dieses Thermometer durch erweichtes Wachs luftdicht in das Bohrloch eingekittet. Ein zweites, ebensolehes Thermo- meter konnte leicht mit Hilfe eines Bindfadens an einem Zweige des Baumes befestigt werden, so dass es frei in die Luft hinabhing und deren Temperatur angab, Regen fiel während der ganzen Beobachtungszeit nicht. Die 470 Resultate der Ablesungen sind in folgender Tabelle zu- sammengestellt: ; 6 | 28| 8 Datum es 8:3 ss 3 Witterungsverhältnisse oc. | cc. | A 11.Juni |morg. 6 |16 |13,5[2,5| Unbewölkt. „ jmitt. 12 1[15,5|24 |85|Leicht bewölkt, windig. „ |machm. 2°/,,]15 |24 |9 |Heiter, leicht bewölkt, schwül. „ [abends 7?/,116,2)19 |2,3| Hell. 12. „ |morg. 6'/,] 16,6 | 14,7]1,9] Bewölkt, leichter Regen während der Nacht. » (mitt. ,12 116 |20, |4 | Heiter. „ |jmachm. 5 [15,5 |20,5|5 » „ etwas windig. „ Inachm. 7°/),]16 |16,8] 0,8] Himmel hell, still. »„ jmachts 12 [16,5 | 13,2] 3,3 S hell, still. 13. „ |morg. 6 |[15,2)10.2|5 cn hell, etwas Nebel, still. »„ jmitt. 12 114,2 18,5 |4,3 n heiter, windig. „ jmachm. 3 114,5 | 20,8] 6,3 a blau, etwas Wind. a n 6 |14,7|17,8|3,1| Heiter, windig, kühler. 5 „ @/,\ 15.2 | 14,5 | 0,7 | Himmel heiter. 1A vorm. elle ” bewölkt. „ jmitt. 12 [12,8| 17,3] 4,5 5 leicht bewölkt, heiter. „ |machm. 3'/,| 13,5 | 18,7 | 5,2] Heiter, etwas windig. r 5 7°/,]14,4 |14,5| 0,1| Leicht bewölkt, still. „ jmachts12 [14,7 | 10,6|4,1 | Sternenhell, still. 15. „ |Jvorm. 6',]14 ı12,3[1,7| Himmel heiter, leichter Wind. »„ jmitt. 12 1|13,8/17,8|4 |Leicht bewölkt, heiter, stär- kerer Wind. „ |nachm. 3Y,[ 14,1 18,5 |4,4| Himmel hell, windig. = 5 7°/,|14,8|15 |0,2| Leicht bewölkt, still. „ |machts 12 |15,2|11,6|3,6| Hell. 16. vorm. 6'/,|14,4|11 |3,4| Himmel bewölkt, still. „ jmitt. 12 [13,717 [3,3] Heiter, leicht bewölkt, windig. „ jmachm. 5 [13,9/18 |4,1| Himmel leicht bewölkt, windig. „ N 7 114,3 15,9| 1,6 | Himmel hell, ruhig. „ jmachts 12 14,6] 8 [6,6 y hell, still. 17. „ |vorm. 6'/,|12,9| 7,8[5,1| Leicht bewölkt. still. „ jmitt. 12 ]|12,3|17,7|5,4 y bewölkt, kein direetes Sonnenlicht, still. „ jmachm. 3Y,113,2 19,5 |6,3 | Heiter, etwas bewölkt, wenig windig. „ 5 7°/,114,2\16 |1,8| Leicht bewölkt, etwas windig. 18. vorm. 6'/,|13,2| 18,8 ] 5,6 | Himmel heiter. mitt. 12 1127/18 15,31 Heiter, etwas Wind. Die Temperatur im Innern eines Baumes ist wesentlich direkt abhängig von der Temperatur der Luft, welche die Pflanze umgiebt, aber jene Baumtemperatur wird auch noch durch andere Momente beeinflusst (Boden- temperatur, Temperatur des im Holz aufsteigenden Wassers, Temperatur der Zweige, die direkt von der Sonne be- strahlt werden). Auf eine eingehende Discussion aller dieser Ver- hältnisse soll hier verziehtet werden; wir wollen nur das Hauptmoment, die Beeinflussung der Baumtemperatur durch die Lufttemperatur, näher ins Auge fassen, und dabei ist besonders zu berücksichtigen, dass das Holz auf jeden Fall ein relativ schlechter Wärmeleiter ist. Ueberbliecken wir unsere Tabelle, so lehrt dieselbe in Uebereinstimmung mit den Angaben anderer Beob- achter, dass in einer Tiefe von 12 cm im Stamme nicht zur Zeit der höchster täglichen Lufttemperatur das Tempe- raturmaximum herrscht, sondern erst viel später. Ebenso finden wir die tiefste Temperatur im Baume nicht zur Zeit des Temperaturminimums der Luft, sondern gleichfalls erst viel später. Die höchsten Baumtemperaturen sind nachts um 12 Uhr abgelesen worden; erst zu dieser Zeit war die von der Peripherie des Baumes am Tage aus der Luft aufgenommene Wärme durch das schlecht leitende feuchte Holz bis zur Tiefe von 12 em vorge- drungen. Die niedrigste Temperatur zeigte der Baum in seinem Innern um 12 Uhr mittags oder um 3 Uhr nach- mittags. Ist der Versuch abgeschlossen und das Thermometer aus dem Bohrloch entfernt, so führt man in dieselbe einen Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 40. dünnen, eylindrischen Holzstab ein, verkittet die Oeffnung mit Wachs und braucht daun nicht zu befürchten, dass der Baum in Folge des Experiments Beschädigung erfährt. II. Temperaturbeobachtungen an Blättern. Alle Pflanzen entwickeln in Folge des Stoffwechsels und der Athmung Eigenwärme. Die Wärmeentwickelung fällt nur selten recht erheblich aus, z. B. bei zusammen- gehäuften Keimpflanzen und manchen Blüthen, sowie bei er Gährung. Näheres darüber vergleiche in meiner „Anleitung zu botanischen Beobachtungen, 3. Auflage, Langensalza, Beyer & Söhne“. Gewöhnlich wird in den Pflanzenorganen nur sehr wenig Eigenwärme entwickelt, und so verhalten sich z. B. die grünen Laubblätter. Es gelingt nur bei Anwendung besonderer Vorsichtsmaassregeln und unter Benutzung thermo-elektrischer Apparate, diese Eigenwärme nachzuweisen; unter gewöhnlichen Umständen wird sie völlig verdeckt, so dass die Blätter häufig sogar eine geringere Temperatur als die Luft besitzen, von der sie umgeben sind. Der folgende Versuch lehrt dies deutlich. Ein ungefähr °/, m langer, reich beblätterter Spross von Helianthus tuberosus wird abgeschnitten, sofort in Wasser gebracht und in einem nach Norden gelegenen Zimmer aufgestellt. Nach einigen Stunden, wenn alle even- tuell vorhandenen Temperaturdifferenzen sich ausgeglichen haben, bringt man den eylindrischen Quecksilberbehälter eines recht empfindlichen, in Zehntelgrade getheilten T'hermometers, das an einem geeigneten Stativ befestigt ist, mit der Unterseite eines Blattes des Sprosses in dichte Berührung. Etwa nach !'/, Stunde liest man die Tempe- ratur ab, entfernt das Thermometer, ohne es selbst zu berühren, vom Blatt und bestimmt die Temperatur der umgebenden Luft. Mehrmals von mir bei 17,2% Luft- temperatur angestellte Versuche ergaben, dass die Helian- thusblätter 0,70 kühler als die Luft waren. Freilich entwickeln die Blätter, wie erwähnt, Eigen- wärme; indessen unter den im Experiment eingehaltenen Bedingungen besass das Laub deshalb eine niederere Tem- peratur, als die Luft, weil es Gelegenheit hatte, zu transpi- riren und weil in Folge der Verdunstung noch mehr Wärme gebunden wurde, als Stoffwechsel und Athmungsprocesse erzeugten. Sind Laubblätter dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt, so nehmen manche derselben dureh Absorption der Wärmestrahlen eine sehr erheblich höhere Temperatur als die umgebende Luft an. So verhalten sich namentlich, wie bereits mehrere Beobachter feststellten, suceulente Pflanzentheile, z. B. Blätter von Alo&, Cacteenstämme u. s. f. Ich setzte eine Aloöpflanze 5 Stunden lang ins Freie bei etwas über 20° C. Die Sonne war oft durch zarte: Wolken verhüllt; aber als ich nach Verlauf der angege- benen Zeit ein Thermometer in eines der Blätter des Untersuchungsobjectes einführte, stieg dasselbe sogleich auf 28,5°C., um beim Herausziehen aus dem Blatt sofort wieder beträchtlich zu sinken. Es ist wohl zu beachten, dass diese Temperatursteigerung nicht durch Entwickelung von Eigenwärme des Organismus zu Stande kommt, sondern Folge der Wärmeabsorption seitens der dicken Blattmasse ist. Die Transpiration der Aloeblätter und anderer sueeu- lenter Pflanzentheile ist überdies relativ gering und kann keine erhebliche Temperaturerniedrigung herbeiführen. Auch durch Strahlung verlieren die Suceulenten, da ihre Oberfläche im Vergleich zu ihrer Masse relativ gering ist, wenig Wärme, und so erklärt sich die höhere Temperatur, welche die fleischigen Pflanzentheile unter dem Einfluss der direkten Besonnung annehmen, sehr leicht. IV. Ein Keimungsversuch. Es ist eine sehr beachtenswerthe Thatsache, dass das Wachsthum fast aller Pflanzen nur bei Gegenwart des de de XII. Nr. 40. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 471 freien Sauerstofis stattfinden kann. Um diese Thatsache in einfachster Form festzustellen, können wir folgenden Versuch ausführen: In einer Kochflasche, die fast völlig ‚mit Wasser angefüllt ist, erhitzen wir die Flüssigkeit bis zum Sieden; dann entfernen wir die benutzte Gasflamme und verschliessen die Mündung der Kochflasche mit einem Kautschukpfropfen. Nach dem Erkalten des nunmehr luftfreien Wassers füllen wir etwa 50 cem desselben in ein kleines Glas und bringen schnell 10 oder 12 Weizenkörner in das Wasser. Nachdem wir noch mit Hilfe eines Glasstabes die an der Oberfläche der Körner haften gebliebenen Luftblasen entfernt haben, bedecken wir die Ober- fläche der Flüssigkeit mit einer dünnen Schicht von Olivenöl. Die Weizenkörner sind jetzt völlig von der Luft abgeschlossen, und es wird sich ergeben, dass keine Keimung erfolgt. Zum Vergleich werden auch einige Weizenkörner nach dem Anquellen auf mit Wasser durchtränktes Fliess- papier gelegt, welches in einer flachen Schale oder auf einem Teller ausgebreitet ist. Diese Untersuchungsobjecte keimen sehr bald; sie sind dem freien Sauerstoff der Luft ausgesetzt, und das Wachsthum der Theile ihres Embryo kann in normaler Weise erfolgen. V. Salpetersäurenachweis im Wasser und in der Pflanze. Bekanntlich ist die Salpetersäure ein sehr wichtiges Nahrungsmittel der Pflanzen, indem sie in den Blättern unter Beihilfe von Kohlehydraten zur Eiweissbildung Ver- wendung findet. Die Salpetersäure wird mit Hilfe der Wurzeln aus dem Boden meist in Form von salpetersaurem Kalk aufgenommen. Im Boden bildet sich eine gewisse Menge Salpetersäure aus dem in Folge der Fäulniss ent- standenen Ammoniak, indem dieses unter Mitwirkung der Nitromonaden oxydirt wird. Andere Salpetersäuremengen gelangen aus der Luft durch den Regen in das Erdreich. Es gewährt nun Interesse, die Salpetersäure im Boden und in der Pflanze nachzuweisen. |Ersteres ist direkt etwas umständlich, aber wir können das dem Boden ent- stammende Brunnenwasser benutzen, um die Gegenwart von Nitraten in diesem letzteren festzustellen. Etwa 50 cem Brunnenwasser werden in eine Porzellanschale gebracht und auf dem Wasserbade zur Trockne ein- gedunste. Nun bereiten wir uns eine Lösung von Diphenylamin, indem wir 0,05 g dieses Körpers, der z. B. von Merck in Darmstadt bezogen werden kann, in 10 ccm reiner concentrirter Schwefelsäure auflösen. Einen Tropfen dieser Lösung fügen wir dem Rückstande des Brunnenwassers in der Schale hinzu. Sofort tritt eine starke Bläuung ein, was eben die Gegenwart der Salpeter- säure anzeigt. Weiter stellen wir mit Hilfe eines Rasir- messers Quersehnitte aus den Stengeln folgender Pflanzen her: Chenopodium bonus Henricus, Sinapis arvensis, Secale eereale und Tropaeolum majus. Sämmtliche Schnitte werden auf einen sorgfältig gereinigten, weissen Teller gelegt, um sie dann mit der Diphenylaminlösung zu be- tupfen. Die Schnitte von Sambucus, Chenopodium und Sinapis färben sich sofort intensiv blau. In ihren Zellen ist eine reichliche Nitratmenge vorhanden. Schwächer blau färben sich die Sehnitte des Roggens und die von Aristolochia Sipho; gar nicht färben sich die Tropaeolum- schnittte. Das Gewebe der Stengel der Kapuzinerkresse enthält keine Nitrate, und ein wesentlicher Grund für diese Erscheinung mag wohl darin liegen, dass die Pflanze sehr stark assimilirt, was die Anhäufung von salpetersauren Salzen im Organismus wenigstens am Tage verhindert, weil dieselben sehr schnell zu Eiweissstoffen verarbeitet werden. VI, Versuche über Wanderung der Chlorophyll- körper. Besonders vom Stahl sind Methoden angegeben worden, welche es leicht gestatten, die von ihm speecieller untersuchte Wanderung der Chlorophylikörper in lebenden Zellen auf mikroskopischem und makroskopischem Wege leicht nach- zuweisen. Pflanzen von Lemna trisuleca werden in zwei flache Glasschalen gebracht, die Wasser enthalten. Das eine Gefäss setzten wir diffusem Tageslicht aus, das andere aber direktem Sonnenlicht. Nach 20 bis 30 Minuten schneiden wir kleine Stücke vom Laube der Lemnapflanzen ab, legen sie in einen Wassertropfen auf den Objectträger, bedecken mit Deckglas und beobachten die Untersuchungs- objeete mikroskopisch. Das zarte Laub braucht gar nicht weiter präparirt zu werden, und es zeigt sich, dass das Gewebe, welches diffusem Licht ausgesetzt war, ziemlich gleichmässig grün erscheint, weil die in seinen Zellen vorhandenen Chlorophylikörper in Flächenstellung an der Vorder- und Rückwand der Zellen angeordnet sind. Im Gewebe, welches stark beleuchtet worden war, finden sich Chlorophylikörper fast nur an den Seitenwänden der Zellen und zwar in Profilstellung, während die Vorder- und Rück- wand das Licht frei durchgehen lassen. Das Chlorophylikorn ist bekanntlich das Assimilations- organ der Zellen. Bei einer im diffusen Licht verweilenden Pflanze erscheint es von Wichtigkeit, dass recht viele Chlorophylikörper möglichst stark beleuchtet werden, um die Strahlen von verhältnissmässig geringer Intensität energisch ausnutzen zu können. Sehr intensives Licht wirkt an sich und in Folge der lebhaften Wärmewirkung der Sonnenstrahlen sehädigend auf die Chlorophylikörper ein. Die Chlorophylikörperwanderung, wie sie thatsächlich vielfach (freilich nieht immer) in grünen Zellen bei Licht- wechsel eintritt, hat daher, wie leicht einzusehen ist, eine grosse biologische Bedeutung. Sehr lehrreich ist es auch, die Chlorophyliwanderung makroskopisch nachzuweisen. Ein Blättehen des Fiederblattes von Sambucus nigra, welches sich nicht im direkten Sonnenlicht, sondern an einer im Schatten stehenden Pflanze entwickelt hat, wird abgeschnitten, auf eine Glasplatte gelegt und derart mit einem zweiten Fiederblatte bedeckt, dass einige Theile des ersteren unter dem letzteren hervorragen, also von ihm nieht beschattet werden. Jetzt wird auf die Blätter eine zweite Glasplatte gelegt und die Vorrichtung, etwas schräg gestellt, dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt. Nach etwa 10 Minuten untersucht man das untere Sam- bucusblatt, indem man es einfach gegen das Licht hält. Die nicht besehattet gewesenen Stellen sehen sehr durch- scheinend aus, während die durch das zweite Blatt be- schattet gewesenen eine viel intensiver grüne Farbe er- kennen lassen. An diesen Stellen hat das direkte Sonnen- licht keine beträchtliche Umlagerung der Chlorophyll- körper in den Zellen herbeiführen können. In den direkt beleuchtet gewesenen Theilen mussten die Chlorophyli- körper an die Seitenwände der Zellen wandern, was die hellere Färbung dieser Blattpartieen bedingt. VII. Ein Verdunstungsversuch. Die Grösse der Verdunstung der Pflanzen wird durch viele äussere Umstände beeinflusst, namentlich durch die Lufttemperatur, durch die Höhe des Wasserdampfgehaltes der Luft, durch Beleuchtungsintensität u. s. w. Im Laufe eines Tages sind die Gewächse im Freien nun ganz naturgemäss einem Wechsel dieser äusseren Bedingungen ausgesetzt, und es gewährt daher Interesse, den täglichen Gang der Transpiration genauer zu verfolgen. Die be- züglichen Versuche stellte ich sehr bequem in folgender Art an: 472 Ein grosser Zweig von Tilia grandifolia, dessen Hauptaxe ungefähr 1 m lang war und der etwa 90 meist gut entwickelte Blätter trug, wurde mit dem unteren Ende in Wasser gestellt, welches sich in einem Maasseylinder befand. Daun wurde über das Wasser (es befanden sich 500 cem im Cylinder) eine Oelschicht gebracht und die Vorrichtung im Freien an einem Orte aufgestellt, wo das Untersuchungsobjeet am Tage von der Sonne beschienen wurde. Die Transpirationsverluste der Pflanze sind natürlich recht genau durch wiederholte Wägung des Apparates zu bestimmen. Indessen, ich habe von solehen Wäsungen abgesehen und nur das Volumen des ver- brauchten Wassers am Maasscylinder abgelesen. Die Resultate meiner Beobachtungen sind aus folgender Tabelle zu ersehen: \ Luft- Differenz Zeit der Ablesung temperatur (desWasser-| Witterungsverhältnisse (n.C.) standeg ccm 15. Juli nachm. 6 Uhr 19 VBeeinn theilweise bewölkt. ” ” 8 ” 15,5 20 ” „ 5 0. erlans d 13 15 Bewölkt. a Di, 18 140 Heiter, etwas windig. „ nachm.3 21,5 105 Sehr warm. 5 7.20, 0 20 50 Heiter sonnig. a I NSRN 15,5 15 sastill. 5 „er 10905 13 6) Sternenhell. ee a yorma a5 17 15 Heiter, etwas windig. 5 ar LOS ya 40 Sonnig, heiter, stär- kerer Wind. Die vorstehenden Angaben lassen vor Allem erkennen, dass die Linde in der Nacht eine weitaus geringere Transpiration zeigt, als am Tage. Diese Erscheinung wird durch die niedere Temperatur der Luft in der Nacht, den bedeutenderen relativen Feuchtigkeitsgehalt der Luft und vor allen Dingen dadurch bedingt, dass die Spalt- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 40. öffnungen der Blätter bei der Linde nachts geschlossen sind. Unter dem Einfluss des Sonnenlichtes öffnen sich dagegen die Stomata weit, und dies Moment sowie andere Umstände rufen eine gewaltige Steigerung der Transpi- ration bei direkter Besonnung der Pflanze hervor. VIH. Einige Beobachtungen über Oeffnen und Schliessen der Blüthen. Zahlreiche Blüthen haben bekanntlich das Vermögen, sich bei Wechsel der Beleuchtungs- und Temperaturver- hältnisse zu öffnen, resp. zu schliessen. Bei Kerner (Pflanzenleben) findet man darüber ausführliche Zusammen- stellungen, und Pfeffer hat die Mechanik der bezüglichen Vorgänge genau studirt. Zahlreiche Blüthen erscheinen am Tage geöffnet, in der Nacht aber geschlossen. So verhalten sich z. B. Linum, Calystegia Sepium, Verbascum, Oxalis. Die Blüthen verhältnissmässig weniger Pflanzen sind dagegen nachts geöffnet und am Tage geschlossen. Es ist gewiss von Interesse, auch solche Pflanzen im Schulgarten zu eultiviren, und als recht empfehlenswerthes Objeet ist Nieotiana longiflora zu erwähnen. Die Samen dieser Pflanze bringt man in Blumentöpfen zur Keimung, und die jungen Pflänzehen lässt man im Mai im freien Gartenland sich weiter entwickeln. Im Juli blühen die Pflanzen, und dann ist es leicht, den Zustand der Blüthen zu verschiedenen Tageszeiten zu beobachten. Dabei ergiebt sich, dass sich die Blüthen zwischen 6 und S Uhr abends öffnen, während der Nacht geöffnet bleiben und am nächsten Vormittag je nach den Witterungsverhältnissen früher oder später wieder schliessen. Die Erscheinung des Oeffnen der Blüthen zur Nacht- zeit hängt (wahrscheinlich auch bei N. longiflora) mit der Bestäubung zusammen, welche hier hauptsächlich durch Nachtschmetterlinge bewirkt wird. Im Zusammenhang damit findet wohl auch die namentlielı bei Nacht grell hervortretende weisse Farbe dieser Blüthen ihre Erklärung. Das Jahr „Null“. Von F. Pietzker. Je mehr wir uns der Wende des Jahrhunderts nähern, um so lebhafter beginnt sich die alte Streitfrage zu regen, die bereits bei dem Beginne unseres Säculums manche Gemüther erhitzt hatte, die nämlich, ob das neue Jahr- hundert vom 1. Januar 1900 oder vom 1. Januar 1901 ab zu rechnen sein wird. Auch die Schule kann sich einer gelegentlichen Erörterung dieser Frage nicht ent- ziehen, theils wegen des Interesses, das dieselbe für den Gebildeten überhaupt besitzt, theils auch wegen des Nutzens, den diese Erörterung für die Bildungsaufgabe der Schule dadurch mit sich bringt, dass dabei die Be- rührungspunkte von verschiedenen sonst in ihren Zielen weit auseinandergehenden Lehrfächern zu Tage treten, endlich auch wegen gewisser bei der Entscheidung der Frage zur Geltung kommender allgemeiner Gesichtspunkte, deren Herausschälung eine gute, in ihrer Tragweite über den unmittelbaren Anlass hinausreichende Verstandes- übung darstellt. So ist denn die Frage, die in der Tagespresse schon seit längerer Zeit ab und zu in mehr oder weniger (namentlich weniger) sachverständiger Weise erörtert worden ist, in den letzten Jahren in Fachzeitschriften mehrfach zum Gegenstand der Besprechung gemacht worden. Nun wird in diesen fachwissenschaftlicehen Erörte- rungen allerdings von keiner Seite bestritten, dass das Jahr 1900 noch dem scheidenden, eben darum als das „neunzehnte* bezeichneten Jahrhundert angehört, dass also der Beginn des neuen Jahrhunderts auf den 1. Januar 1901 zu setzen ist. In der That lehrt ja schon die all- gemein übliche Ausdrucksweise „am 3. Februar des Jahres 1895“, dass hier nicht gemeint ist, es seien zu vollen 1895 Jahren noch 31 Tage des Januar und 3 Tage des Februar hinzugekommen, sondern dass die durch das Monatsdatum bezeichneten 34 Tage vielmehr als ein Bruchtheil des noch unvollendeten 1895ten Jahres an- gesehen werden sollen. Auch die Bezeichnungen „Neu- jahr 1895“, „Rechnungsjahr 1894/95“ wären sinnlos, wenn die Jahreszahl nicht als die Nummer des laufenden, sondern als die des bereits vollendeten Jahres gelten sollte. Während so in der Frage selbst bei den Gelehrten eine erfreuliche Uebereinstimmung herrscht, hat sich in diesen Kreisen an die Frage eine andere Controverse geknüpft, nämlich die, ob die allgemein übliche Gewohn- heit, von dem Ausgangspunkt unserer Zeitrechnung derart vor- und rückwärts zu zählen, dass das unmittelbar vor- hergehende Jahr mit —1 numerirt wird, rationell sei. Bekanntlich wird diese Frage von den Astronomen verneint, die das erste vor Beginn unserer Zeitrechnung liegende Jahr vielmehr mit „Null“ numeriren. Auf diese astronomische Praxis ist nun in neuerer Zeit mehrfach in Auseinandersetzungen hingewiesen worden, die unmittelbar XIN. Nr. 40. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 413 777414141 irrt rennt rl m — — für die Benutzung im Schulunterricht bestimmt sind. Ich denke dabei z. B. an das vor wenigen Jahren erschienene verdienstliche Buch von Wislieenus „Astronomische Chrono- logie“, ferner aueh an einen kurzen Artikel in der Hoffmann’sehen Zeitsehrift für mathematischen und natur- wissenschaftlichen Unterricht XXXV, 1894, S. 269/270, der auf eine Aeusserung des Professors Sturm in Breslau Bezug nimmt. Ehe ieh das eigenthümliche Argument, welches für die Einführung der Jahreszahl „Null“ ins Feld geführt wird, selbst würdige, möchte ich doch auf die Inconse- quenz hinweisen, die bei dieser Einführung begangen wird. Will man ein Jahr als das „nullte* zählen, so wäre dazu, rein mathematisch betrachtet, das erste Jahr nach dem festgewählten Ausgangspunkt gerade so be- rechtigt, als das Jahr unmittelbar vor diesem Zeitpunkt. Damit käme man auf den von den Gelehrten allseitig zurückgewiesenen Zustand zurück, bei dem das laufende Jahrhundert nieht mit 1900, sondern schon mit 1599 ab- geschlossen sein würde. Wer diese Zählung für un- berechtigt hält, kann logischer Weise eigentlich auch die Berechtigung der astronomischen Zählung nicht aner- kennen. Allerdings giebt es ja einen Scheingrund, auf den auch der Herausgeber der Zeitschrift für mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht hinweist (Jahrgang XXXV, S. 423). Er hebt nämlich hervor, dass der Zeit- punkt von Christi Geburt ja nicht mit dem Jahresschluss zusammenfällt, und will darum das Jahr „Null“ dasjenige angesehen wissen, in welches der Termin von Christi Geburt hineinfällt. Wenn diese Auffassung überhaupt berechtigt wäre, so müsste man als das Jahr „Null“ gerade nicht das erste Jahr vor unserer Zeitrechnung, sondern das erste Jahr dieser Zeitrechnung selbst nehmen, also gerade die umgekehrte » Praxis: beobachten, wie die Astronomen. Denn der Urheber der christlichen Aera, Dionysius Exiguus, nahm als Ausgangspunkt seiner (bekanntlich um einige Jahre fehlgehenden) Jahreszählung den 1. Januar des 754. Jahres der sogenannten Varronischen Aera, d. h. des Jahres, in dessen letzte Wochen seiner Meinung nach Christi Geburt fie. Und zwar wählte er für das Jahr „Eins“ diesen Anfang, weil derselbe am nächsten an dem Datum von Mariae Verkündigung (25. März) lag, von welchem Termin ab er nach dem Vorgange der alten Kirchenväter die Incarnatio Domini rechnete. Bei der allmählichen, bis in das 9. Jahrhundert sich hinziehenden Einbürgerung der Dionysischen Aera hat übrigens der Termin des Jahresanfangs geschwankt, es ist in einigen Gegenden dafür der 25. März, auch der 25. Dezember, zum Theil der altrömische Neujahrstag, d. i. der 1. März in Gebrauch gewesen, schliesslich ist man in dem be- greiflichen Interesse, die Aenderung in der Zeitrechnung nieht über das nothwendige Maass hinaus ausdehnen, da- rauf zurückgekommen, dass man auch bei der neuen Aera als Neujahrstag den von Caesar dazu gestempelten ersten Januar heibehielt. Wir rechnen also thatsächlich nicht nach dem Er- eigniss von Christi Geburt selbst, sondern nach einem aus der alten Zeitrechnung übernommenen Jahresanfang, der mit dem genannten Ereigniss in nächster Beziehung steht. Ob man dabei gegenwärtig mehr an den 1. Januar nach Christi Geburt denkt, oder an den (von Dionysius gewählten) Termin vor Mariae Verkündigung, ist, da die ganze Zeitrechnung einen Fehler von einigen Jahren auf- weist, praktisch gleichgültig. In dieser Praxis liegt ja eine gewisse Inconsequenz, diese Inconsequenz würde aber in keiner Weise gehoben, wenn man nun das Jahr „Null“ einführte. Auch wenn wir dies in der geschichtlich viel berechtigteren Weise bewirkten, dass wir nicht das Jahr —1, sondern das Jahr +1 als Nulljahr zählten, so hätten wir als Basis unserer Rechnung doch ebensowenig, wie in der that- sächlich üblichen Zeitzählung das Ereigniss von Christi Geburt selbst, sondern nur einen damit zusammenhängen- den, mit einer gewissen Willkür behafteten chronologischen Begriff, für dessen Verwendung die ganze Berechtigung nur aus dem Zusammenhange mit der geschichtlichen Entwiekelung flösse, gerade so wie es bei der Dionysi- schen Bestimmung der Fall ist. Die Einführung des Jahres „Null“ würde also den Zweck, dem sie dienen soll, in keiner Weise erfüllen. Nun kommen aber die Astronomen mit einem Argu- ment ganz anderer Art. Sie begründen die Einführung des Jahres „Null“ mit der Behauptung, dass man bei der gewöhnlichen Zeitrechnung für die Bereehnung ge- wisser Zeiträume eine doppelte Praxis beobachten müsse, je nachdem es sich dabei nur um Jahreszahlen mit dem- selben Vorzeichen oder um Jahreszahlen mit verschiedenen Vorzeichen handle. Wolle man z. B. das Alter Friedrichs des Grossen in vollen Jahren bestimmen, so brauche man blos die Jahreszahl der Geburt 1712 von der des Todes 1786 abzuziehen, um als Alterszahl 74 zu erhalten. Wolle man aber das Lebensalter des Augustus bestimmen, so könne man nicht einfach die Jahreszahl seiner Geburt (—65) von der seines Todes (+14) abziehen, wodureh man auf 77 Jahre kommen würde, sondern müsse, um das richtige Alter (76 Jahre) zu erhalten, vielmehr die erste Zahl um Eins verkleinern, also die Gleichung an- setzen, 14— (—62) =76. Diese Verkleinerung der Jahres- zahlen vor Christi Geburt um Eins bedeutet eben die Einführung des Jahres „Null“. Nur flüchtig will ich nochmals die in dieser Be- gründung liegende Willkürlichkeit hervorheben. Der eben gedachte Zweck würde ja ganz ebensogut und dabei wegen der Dionysischen Auffassung in geschichtlich viel berechtigterer Weise erreicht, wenn man die positive Jahreszahl um Eins verkleinert, also ansetzt 13 — (—63) —76. Hier möchte ich vielmehr mein Erstaunen darüber aussprechen, dass von Vertretern der exakten Wissen- schaften eine so inexakte Rechnung, wie die eben skizzirte als ausschlaggebend angesehen wird. Bei dieser Rechnung, die nur mit den vollen Jahren operirt, wird ja das Resultat nur dann mit der Wahrheit zusammenstimmen, wenn die wirklichen Zeitpunkte, um deren Vergleich es sich handelt, an eorrespondirenden Stellen der in Betracht kommenden Jahre liegen. Das ist z. B. bei Friedrich dem Grossen schon gar nicht der Fall. Zieht man die Bruch- theile des Jahres mit in Reehnung, so findet sich für das Lebensalter Friedrich des Grossen eine Länge von 74 Jahren und fast 7 Monaten, d. i. nach allen Regeln rationeller Abkürzung ein rund auf 75 Jahr zu bemessendes Alter. Wäre Friedrich der Grosse in der ersten Minute des Jahres 1712 geboren, in der letzten Minute des Jahres 1786 gestorben, so wäre seine Lebensdauer gerade auf 75 Jahre zu bemessen, während umgekehrt eine Geburt im Scheidemoment des Jahres 1712 und ein Tod in der ersten Minute des Jahres 1786 nur eine Lebensdauer von 73 Jahren ergeben würde. Das heisst, die Reehnung mit den vollen Jahreszahlen bringt eine Unsicherheit von vollen zwei Jahren mit sich; wie man auf ein so inexaktes und rohes Verfahren eine wissenschaftliche Regel be- gründen darf, ist mir einfach unerfindlich. Hier erkennt man deutlich die Unzulässigkeit ganzen Rechnungsart und zugleich auch die Wurzel Irrthums, auf den sie sich gründet. Diese Rechnung vollen Jahren hätte nur dann einen Sinn, wenn es keine kleineren Zeitabschnitte gäbe, als volle Jahre. der des mit gar 474 Für eine sprungweise, immer in demselben endlichen Betrage erfolgende Grössenänderung, oder mit anderen Worten für eine Reihe diskreter, nicht mehr theilbarer Grössen kann es einen Sinn haben, eines der Elemente dieser Reihe zum Ausgangselement zu wählen und dem- gemäss mit „Null“ zu numeriren, aber diese Praxis ver- liert alle Berechtigung, ja geradezu den Sinn, wenn man sie auf eine stetige Grössenänderung übertragen will, wo dann Grössen auftreten, deren Ausdehnung kleiner ist, als die des mit Null bezeichneten Elementes. Bei der von den Astronomen geübten Zeitzählung kommt man zu Unrichtigkeiten und Widersprüchen, wenn man statt der vollen Jahre auch Jahrestheile, Monate und Tage in Be- tracht zieht, in die grösste Verlegenheit geräth man aber hinsichtlich der Zeitreehnungen für das Jahr „Null“ selbst. Nach Dionysius hat man einen einzigen Ausgangspunkt, von den man vorwärts und rückwärts zählt. Bei Ein- führung des Jahres „Null“ hat man zwei Ausgangspunkte der Zählung, den Schluss dieses Jahres für die Zeit „nach Christi Geburt“, den Anfang für die Zeit „vor Christi Geburt“. Von welchem dieser Punkte an man die Ereignisse innerhalb des Jahres „Null“, die doch nicht gefehlt haben, zu rechnen haben würde, ist logisch ganz unersichtlich, "damit widerlegt sich die Einführung des Nulljahres vollständig. Die ganze Zeitrechnung unterscheidet sich mathe- matisch in keiner Weise von der Rechnung am T'hermo- meter, wo man doch auch keinen „Nullgrad“, sondern nur einen „Nullpunkt“ kennt und die Temperaturver- änderung immer nach derselben Regel bestimmt, ganz gleichgültig, ob es sich um Gradzahlen von demselben oder von verschiedenem Vorzeichen handelt. So stellt sich z. B. das Lebensalter Friedrichs des Grossen auf 1785 J. 7 Mon. 17 Tg. — 1711 J. O0 Mon. 24 Te. =74), Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 40. 6 Mon. 23 Tg., und das des Augustus auf 13 J. 7 Mon. 19 Tg. — [— (62 J. 3 Mon. 7 Tg.)] = 75 J. 10 Mon. 26 Te. In beiden Fällen rechnet man mit der um Eins ver- ringerten Jahreszahl, d. h. der Zahl der vollen in der Zeitangabe steckenden Jahre sowohl für den Minuendus, als für den Subtrahendus — das Vorzeichen der Jahres- zahl begründet keinerlei Unterschied, im Reehnungsver- fahren. Allerdings liegt ja eine kleine Erschwerung aueh bier wieder in der Inconsequenz, die unserer Zeitrechnung unvermeidlicher Weise anhaftet. Die Wahl des Ausgangs- punktes für die Zeitrechnung ist nothwendig künstlich und willkürlich, sie hinkt hinter den Ereignissen her, die in der vor diesem Nullpunkt gelegenen Zeit sich voll- zogen haben. Das negative Zeichen der Zeiträume vor diesem Ausgangspunkt ist vom Standpunkt der Nachwelt aus gewählt, die Zeitgenossen der in den „negativen“ Zeiträumen stattgefundenen Ereignisse haben natürlich ihre Jahre vorwärts gezählt und ihre Zeitrechnung haben wir insoweit übernommen, als es sich um die den Zeitpunkt innerhalb des Jahres fixiren- den Monatsdaten handelt. Folgerichtiger Weise müssten wir die vor Christi Geburt liegenden Jahre nicht von ihrem Anfang, sondern von ihrem Schluss, als dem dem Nullpunkt unserer Zeitreehnung näher liegenden Ende rechnen. Dass wir das nicht thun, ist logisch ineonsequent, aber praktisch sehr begreiflich. Der Schade, der daraus erwächst, ist ja auch sehr gering, da er durch eine kleine Umrechnung beseitigt werden kann. Keinen- falls aber kann mit dieser Inconseguenz die Einführung des Jahres „Null“ begründet werden, die die Wider- sprüche in der Praxis unserer Zeitrechnung nicht heben, sondern nur vermehren würde. Der Biber, der durch sein eigenartiges und geheimniss- volles Leben und Schaffen von Alters her das Interesse der Naturbeobachter und Forscher auf sich gezogen hat, und um den sich ein ganzer Sagenkranz von Fabeln und abergläubischen Vorstellungen bei allen Völkern, die mit ihm in Berührung kamen, gebildet hat, die auch heute noch nicht ganz chedem allenthalben verbreitet war, nur noch wenige Zufluchtsstätten. Man zählt dazu den mittleren Lauf der Elbe, einige kleine Gebiete Oesterreichs, Russland, (am Dnjepr, Pripet, an der Wolga und Petschora) und Polens (an der Weichsel. Friedrich*), der genaue Unter- suchungen über die Biber an der mittleren Eibe, wo er ihre Zahl, die sich in steter Verminderung befindet, auf etwa 200 bis 160 in 126 bis 108 Bauen annimmt, will ihr Vorkommen ausser in dem von ihm durchforschten Gebiet nur noch für Süd-Frankreich (an der Petit-Rhone und der Mündung der Rhone) in vereinzelten Exemplaren als ver- bürgt anerkennen. Einen werthvollen Beitrag zur Frage der Verbreitung, Lebensweise und Zukunft des Bibers in Europa hat nun Prof. R. Collett in dem Jahrbuch des Bergener Museums (Bergens Museums Aarbog) für 1897 in einer ausführlichen Abhandlung „der Biber in Nor- wegen“ (Baeveren i Norge) geliefert: einen gedrängten Auszug aus dieser Arbeit hat er noch vor Erscheinen des Jahrbuchs im diesjährigen Januar-Februarheft der Zeit- schrift „Naturen* gegeben. Seinen äusserst interessanten Ausführungen, welche manche bemerkenswerthe und auch neue Einzelheiten bringen, entnehmen wir Folgendes, m 5) Dr. H. Friedrich, die Biber an der mittleren Elbe. Nebst | einem Anhange über Platypsyllus eastoris Ritsema. Dessau, 1894. — Vergl. „Naturwissenschaftl. Wochenschr.“ Bd. IX (1894), S. 626. geschwunden sind, hat in Europa, wo er Was zunächst die Nahrung des Bibers betrifft, so besteht diese, wie bekannt, hauptsächlich aus Baumrinde und zwar der Rinde der kleineren und jüngeren Zweige, welehe er auf bestimmten wohlausgearbeiteten Wegen, die er durch Abnagen der Wurzeln u. s. w. von allen Hindernissen säubert, nach seiner Behausung schleppt. Im Winter hält er die Zweige, die seinen Nahrungsvorrat bilden, so tief unter Wasser, dass sie nicht an das Eis anfrieren können; einen Vorrat abgenagter Rinden sammelt er nieht. Wo Lebensunterhalt und Material für die Bauten genügend vorhanden ist, entfernt sich der Biber selten vom Rande des Wassers mehr als 100 Schritt; zuweilen jedoch, wie es Prof. Collett in Aamli beobachtete, finden sieh von Bibern gefällte Bäume bis 300 m. vom Wasser entfernt. Nicht selten auch ersteigen sie steile Ufer und fällen ihr Material in einer Höhe von mehreren hundert Fuss über dem Wasserspiegel. Ebenso haben sie em ziemlich ausgedehntes Arbeitsfeld am Flusse selbst, wo sich ihre Spuren in mehreren hundert Metern Entfer nung vom Bau und auch am gegenüberliegenden Ufer zeigen. Nach der Winterruhe nimmt der Biber gleich nach dem Eisgange seine Arbeit wieder auf, jedoch ausschliesslich nur während der Nacht, besonders bei hellem Mondschein, aber auch dann noch ist er so scheu und vorsichtig, dass er sich nur äusserst selten am Lande überraschen lässt. Wie dem Verfasser von verschiedenen älteren Bewohnern von Orten, wo beständig Biber hausen, mitgetheilt wurde, hatten sie nie Gelegenheit, eines dieser scheuen Thiere genau zu sehen, nur hatten sie oft gehört, wie sie sich bei ihrer Annäherung in das Wasser stürzten. Im Wasser | dagegen scheint er weniger furchtsam zu sein und es wurde wiederholt ein Biber in geringer Entfernung vom XIII. Nr. 40. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 475 Boote schwimmend gesehen. Wird er angegriffen, so zeigt er vielen Mut und wehrt sich mit grosser Kraft. Ist Gefahr im Verzuge, so führt der Biber mit seinem Schwanz einen Schlag auf das Wasser und sogleich thun alle anderen dasselbe und verschwinden unter der Ober- fläche. Diese Schläge sollen nach der Angabe des Forst- meisters Feragen bei ruhigem Wetter einige Kilometer weit zu hören sein. Ueber die Schwimmfähigkeit ist nicht viel bekannt; in einem Falle wurde beobachtet, wie ein Biber S00 Fuss unter Wasser schwamm und, nachdem er noch einmal seinen Kopf hervorgestreckt, völlig verschwand. Die gefällten Bäume dienen gleichzeitig als Nahrung und als Baumaterial. Vor allem wird die Espe (populus tremula) bevorzugt, dann Birke, Eiche und Erle (alnus incana oder a. glutinosa); der Verfasser sah auch mehr- mals Eibischbäume (sorbus hybrida) angegriffen und Weiden (salix eapraea), sehr selten rhamnus frangula. Nadelholz- bäume scheint er in Norwegen in der Regel nur selten zu benutzen, dagegen kann er wohl gelegentlich einen treibenden Tannenzweig oder eine trockene Fichte als Baumaterial verwenden. Brehm giebt an, dass die von ihm in Gefangenschaft gehaltenen Biber zuerst stets die Weide wählten und nur in Ermangelung derselben Pappel, Sehwarzpappel, Espe, Esche und Birke, am wenigsten gern Erle und Eiche, während Friedrich Weiden, Espen, Pappeln, Eschen, Rüstern, Hartriegel, Eichen, Buchen, Erlen, Weissdorn, Schwarzdorn und Obstbäume als von Bibern in Angriff genommen bezeichnet. Die Stärke der sefällten Bäume ist oft ganz bedeutend. So wurden im Herbst 1880 bei Sigridnäs in Aamli einige dutzend Espen, die eine Höhe von 50 Fuss besassen, gefällt oder ange- griffen gefunden und bei Maamoe fand der Verfasser den Stammrest einer Birke, der gegen 450 mm. im Durchmesser maass; andere Beobachter haben gefällte Bäume mit einem Durchmesser von 468 mm. gesehen. Friedrich berichtet sogar, dass ein Biber in der Nähe von Ranies bei Schöne- beek eine Kopfpappel gehauen habe, die an der Schnitt- stelle 72 em. Durchmesser hatte. Im allgemeinen beträgt die Stärke der von Bibern in Angriff genommenen Stämme 100 bis 200 mm. Das Fällen der Bäume geschieht in der Weise, dass der Biber sich halb aufrecht auf die Hinterbeine stellt und den Kopf zur Seite biegend, den Stamm in einer Höhe von einem halben Meter von allen Seiten benagt, bis schliesslich nur noch ein dünnes Stück übrigbleibt, in der Form ähnlich zwei sich berührenden Kegelspitzen, welches durch die eigene Last des Baumes durchgebrochen wird. Die Höhenausdehnung des benagten Feldes beträgt gegen 30 em. Das mittlere Verbindungsstück wird meist nicht in der genauen Mitte des Stammes gelassen, sondern etwas mehr nach der Seite zu. Dünnere Stämme und solche, die sich schräg über das Wasser neigen oder auf einer steilen Uferböschung stehen, werden einfach in schräger Richtung durchgenagt. Die abfallenden Spähne werden vom Biber nieht benutzt. Ihre Schnittflächen sind glatt als wären sie vom feinsten Meissel bearbeitet und zeugen von der grossen Kraft, mit der diese Nagearbeit ausgeführt wird. Das Fällen eines mittelgrossen Stammes dürfte demnach kaum eine Viertelstunde in Anspruch nehmen. Wo nicht eine schon bestehende Neigung der Bäume vorhanden war, konnte Collett in keinem Falle beobachten, dass eine bestimmte Richtung, nach der sie fallen sollten, von den Bibern angestrebt wurde. Nur gesunde Bäume werden in Angriff genommen, doch findet man häufig zahlreiche gefällte Stämme, die unbenutzt geblieben sind. Dies lässt sich nach der Ansicht Pro- fessor Oolletts dadurch erklären, dass der Biber im Herbst eine unwiderstehliche Arbeitslust fühlt, so dass er be- deutend mehr Bäume fällt, als er verwenden kann. Da- gegen erklärt Friedrich, was wohl den wichtigeren Grund darstellen und die grössere Wahrscheinlichkeit für sich haben dürfte, diese Thatsache nur durch das Bedürfniss, die fortgesetzt nachwachsenden und durch Weichholz- schneiden zu wenig gekürzten Nagezähne abzunutzen und zu schärfen. Nicht immer legt der Biber seinen Bau an völlig ruhigen Orten an, er scheut zuweilen sogar nicht die Nähe vereinzelter menschlicher Ansiedelungen. Da er seine Behausung in der Regel an Stellen erbaut, wo etwas Strömung vorhanden ist, so benutzt er diese zur Beförderung des Holzes und fällt es daher meist oberhalb des Baues; beim Flössen beschränkt er sich nur auf die Leitung des schwimmenden Materials. Befinden sich jedoch die Bauten in stillen Gewässern, so fällt er auch unterhalb derselben und befördert die Stämme selbst dorthin, indem er sie zwischen den Vorderfüssen hält und nur die Hinterfüsse zum Schwimmen gebraucht. Auf diese Weisse kann der Biber Stämme von 4m. Länge schwimmend nach seinem Bau schaffen. Die Hauptarbeitszeit des Bibers beschränkt sich auf den Herbst, September bis November, und die Nacht- stunden bis zum Morgen. Die Fertigstellung eines Baues erfordert wahrscheinlich wenigstens zwei Jahre. Hat ein Biberpaar sich im Laufe des Sommers an einem Ort niedergelassen, dann wird der Bau so weit vollendet, dass er als Winterquartier dienen kann, im folgenden Herbst wird die Arbeit dann beendet, so dass späterhin nur noch Reparaturen erforderlich sind. Bezüglich der Form sind die Bauten, welehe die Biber in Norwegen aufführen, oder welche aus früherer Zeit bestehen, theils rund und kuppel- förmig, also ähnlich denen der grossen Bibergemeinden in Kanada, theils sind sie länglich ausgedehnt, so dass das eine Ende schräg aufwärts am Ufer liegt, während das andere tief unter Wasser geht. Letztere Form ist die häufigere in Norwegen, und sie scheint hauptsächlich da angewandt zu werden, wo die Bauten an fliessendem Wasser angelegt werden, wo der Wasserstand in den verschiedenen Jahreszeiten wechselt, die runde hingegen nur in kleinen ruhigen Gewässern und solchen, welche die Biber sich selbst durch Abstauen des Wassers ge- schaffen haben. Da die Biber in Norwegen aus den Thalniederungen mehr und mehr zurückgedrängt werden und so auf die grösseren Flussläufe angewiesen, wo sie sich besser gegen Verfolgung schützen können, werden wohl auch die Kuppelförmigen Bauten allmählich ver- schwinden. Ehedem war der Aufenthalt der Biber jeden- falls in stillen Waldseen und die runde Form die allgemein vorherrschende, während die längliche erst in späterer Zeit aufkam, wenn sie auch in vereinzelten Fällen schon früher bestanden haben mag. Die Länge dieser letzteren ist verschieden; die grösste, welche Prof. Collett persönlich untersuchte, war wenigstens 15m. lang, wovon etwa 6 m. unter Wasser lagen, andere hatten eine Länge von 40 Fuss. Feragen hat bei den im Jahre 1867 von ihm untersuchten bewohnten Hütten Längen von 30 bis 50 Fuss gefunden. Die Breite beträgt nicht viel mehr als 21/,; bis 3m. und bleibt sich in der ganzen Länge des Baues ziemlich gleich, die Höhe selten über drei Fuss, nach den Seiten zu schrägt sich der Bau ab bis zum Boden. Wo die örtlichen Verhältnisse es erfordern, namentlich an steilen Ufern, ist ihre Ausdehnung auf dem Lande auf etwa 3 m. beschränkt. Trotzdem fast durchgängig ziemlich die Hälfte des Baues sich unter Wasser befindet, kommt es zuweilen in trockenen Sommern vor, dass der ganze Bau zu Tage liegt. Der Eingang befindet sich immer am äussersten Ende des untersceischen Theiles, doch wo es der Erdboden gestattet, macht der Biber auch Zugänge vom Lande aus, die dann einige Meter von der Hütte entfernt und nicht 476 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 40 leicht zu entdecken sind. Im allgemeinen sind die Bauten in bestimmten grösseren Zwischenräumen von einander angelegt und es sind ganz isolirte Hütten keine Seltenheit, dagegen sind die Fälle, wo sie nur einige Hundert Fuss auseinander liegen, nicht häufig. Das Material des Baues bilden Zweige und Stämme, von denen zum Theil die Rinde zur Nahrung verbraucht wird, Erde und Rasenstücke und mittelgrosse Steine. Aus diesen wird eine feste Masse hergestellt, so dass cs schwer ist, ein Stück davon zu entfernen. Die Wände der länelichen Hütten sind in der Regel einen halben Meter stark, die der kuppelförmigen sind unzweifelhaft noch massiver. In dem inneren, eigentlichen Wohnraum, der zuweilen tief in das Erdreich des Ufers hinein- gearbeitet ist, führt im allgemeinen nur ein Gang, bei grösseren jedoch finden sich zwei derartige Gänge, welche zu der Kammer führen. Bei einem solchen Doppelgang fand Feragen die trennende Wand 12 Zoll stark aus Erde und kleinen Zweigen aufgeführt, die Höhe betrug etwas über einen halben Meter. "Sinkt das Wasser, so dass der Eingang an die Oberfläche kommt, so wird dieser zunächst mit "Grasbüscheln und del. verdeckt und dann versucht, den Gang wieder unter Wasser weiter zu führen. Bei einem bewohnten Bau, den der Verfasser im Jahre 1595 bei Soplandsö aufgraben liess, fand er einen normalen langen Bau vor und einen kürzeren, der unmittelbar neben jenem lag, Letzterer wurde zuerst in Angriff genommen; der Gang, in einer Breite, dass zwei Biber passiren konnten, führte zunächst in eine erweiterte Kammer, in der sich jedoch keine Spur einer Lagerstätte fand und die jedenfalls nur ein provisorischer Aufenthalt, vielleicht für das männ- liche Thier war. Von dieser Kammer führte ein Quergang zu dem grossen Bau, während mehrere andere Gänge landwärts in ein dichtes Eichengebüseh verliefen. Der Gang in dem langen Bau hatte wie der des kürzeren glatte, aus reinem Sand bestehende Wände; die Kammer befand sich am oberen Ende ungefähr 6 m vom Rande des Wassers entfernt und besass eine Höhe von etwa einem Meter über der Oberfläche des Flusses. Sie war eigentlich nur eine kesselförmige Erweiterung des Ganges, 3/, m weit und nicht ganz so hoch wie breit. Sie lag nur etwa Y/, m unter der Erdoberfläche, ihr Boden war mit einer dünnen, weichen Schicht von ca. 150 mm langen Stücken Bastes der populus tremula bedeckt. In der Mitte war das Lager etwas vertieft und sehr weich. Die Kammer war leer, doch war es un- zweifelhaft, dass sie bewohnt worden und in demselben Jahre Junge beherbergt hatte; möglicher Weise wird die Kammer im Sommer weniger benutzt als im Winter, in- dem dann die Bewohner sich meist in Erdlöchern und den vielen in das Flussufer gegrabenen Gängen aufhalten. In der Nähe dieser Doppelhütte befand sich eine dritte Behausung, die ungefähr 72 Fuss von ihr entfernt lag. Ein andrer Bau, den Prof. Collett im Mai 1896 auf Lille Aaslandsö ausgrub, war bewohnt und enthielt drei Junge. Er stützte sich gegen einen kahlen Felsen und war ohne Verbindung mit dem Ufer, was sonst meist der Fall ist. Ziemlich steil aus dem Flusse emporsteigend war er ziemlich kurz, seine ganze Länge betrug wenig über 3 m. Die Kammer mit dem Lager lag in der Mitte des übrigens ausnahmsweise losen Baues nur zwei Fuss vom Rande des Wassers entfernt und wenige Zoll über seiner Ober- fläche. Das Lager bestand hier aus feinen abgenagten Holzabfällen. Die Rinde der Zweige war in ihrer ganzen Länge, bis zu 200 mm., abgeschält. Oberhalb der Kammer setzte sich der Gang noch etwa 1 m. schräg aufwärts fort, bis er an einem senkrechten Theil des Felsens endete. Auch hier fand sieh abgeschälte Rinde, so dass hier ein Reservelager zu sein schien; der Fluss wurde nämlich einmal in der Woche zur Flössereizeit aufgestaut, wodureh das Wasser bis an die Kammer stieg und der Biber genötigt wurde, seine Jungen an die höhere Stelle zu schaffen. Die in der Nähe der Hütten befindlichen zahlreichen Erdlöcher führen meist zu weitverzweigten Gängen, die theilweise mit jenen in Verbindung stehen. Diese Löcher, welehe sieh zuweilen auch in grösserer Entfernung von Hütten finden, sind wahrscheinlich die Behausungen für diejenigen Individuen, welche nieht in einer Familie leben, und dann wohl der provisorische Aufenthalt auch für Familienmitglieder, z. B. bevor der eigentliche Bau voll- endet ist. Letzterer dient hauptsächlich als Winterquartier und als Nest für die Jungen. Häufig liegt der Eingang zu den Löchern unter Wasser oder im Versteck unter Wurzeln und Gras an steilen Flussrändern. Meist führt ein ausgetretener Gang vom Wasser hinauf bis zu ihm. Jährlich werden an den Bauten Reparaturen vor- genommen», da sie häufig durch Hochwasser und durch die Flösse und Flösser beschädigt werden. Bleiben die Hütten unbehellist, so können sie viele Jahre bewohnt werden. Eine solche, die Prof. Collett im Jahre 1895 bei Hellerslien in Treungen untersuchte, war im Jahre 1880 gebaut worden und befand sich noch in wohlerhaltenem Zustande. Von den Umwohnern wurde versichert, dass viele Bauten lange Jahre, soweit sie zurückdenken konnten, bestanden haben. Ueber die Anzahl der Bewohner eines Baues liegen in Norwegen keine sicheren Beobachtungen vor; wahr- scheinlich wird ein jeder nur von einem Paar mit seinen Jungen bewohnt. Verlassen die Biber einmal ausnahms- weise im Winter um sich zu verproviantiren den Bau, oder fällt zeitig im Herbst schon Schnee, dann kann man in der Schneedecke die Spuren von zwei Individuen neben einander verfolgen. Häufig sieht man in der Nähe eines Baues Biber umherschwimmen und es ist anzunehmen, dass die Alten, wenn wieder neue Brut vorhanden ist, der vorjährigen den Zugang zum Bau nicht gestatten. Manche Baue jedoch sind so klein, dass sie nicht einer ganzen Familie Obdach gewähren können, und sie sind jedenfalls die Zufluchtsorte vereinzelt lebender Thiere. Wo die Bieber sich an kleineren Wasserläufen nieder- gelassen haben, führen sie oft Dämme zur Regulirung des Wasserstandes auf, so dass ihre Hütten weder über- schwemmt noch ganz trocken gelegt werden können. Ein vom Verfasser im Juli 1595 untersuchter Damm war vor einem kleinen Waldsumpf errichtet worden, durch den ein kleiner Bach dahinrieselte; wo früher nur ein kleiner Wasser- tümpel sich befand, war jetzt ein See von einigen Morgen Umfang entstanden. Der Damm war innerhalb drei Wochen fertiggestellt worden und hatte eine Höhe von 3m bei einer Länge von 14 m, der grösste Querschnitt maass 2 m; der Bau war so fest, dass man mit Pferden und Wagen darüber fahren konnte. Am östlichen Ufer des Sees lag die Hütte, welche hier die ursprüngliche Kuppel- form zeigte. Im Winter hält sich der Biber, wie erwähnt, in seinem Bau auf, jedoch ohne in einen Winterschlaf zu verfallen, und zuweilen sieht er sich genöthigt, denselben zu verlassen, wenn ihm die Nahrung ausgegangen ist, oder in milden Wintern sogar um Reparaturen an dem Bau vorzunehmen. So wurden im Winter 1893/94 im Röldal, einer Thalnie- derung im Hardangergebirge, Biber bei Winterarbeit be- obachtet, bei der sie mit vieler Umsicht zu Werke gingen; vermuthlich hatten sie im Herbst den Bau nicht zu Ende führen können. Auch bei lange bewohnten Kolonien kommt es vor, dass die Biber sich zur Winterarbeit gezwungen sehen, an die Arbeit ‘zu gehen. Ein soleher Fall wurde bei Kjöruldvand im Jahre 1895 beobachtet, wo die Thiere XII. Nr. 40. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 47 mit vieler Mühe das Material zum Bau durch den Schnee herbeischleppten. Während im allgemeinen der Biber sich nur wenige Sehritt vom Rande des Wassers entfernt, so können doch auch lange Wanderungen von ihm vorgenommen werden, Es thun dies meist junge Thiere, die sich einen neuen Aufenthalt suchen, und häufig werden ihnen diese Wan- derungen verderblich, denn wenn sie sich verirren, so laufen sie im Lande umher, bis sie zu Grunde gehen. Das Universitätsmuseum in Christiania besitzt ein Exemplar, welches in einer Falle in einer Entfernung von mehreren Kilometern vom nächsten Gewässer gefangen wurde; das Thier war kaum halb ausgewachsen. Die Stimme des Bibers, die man zuweilen in dunklen Nächten vernehmen soll, wird als eine Art Knurren be- schrieben, doch im allgemeinen scheint er äusserst schweig- sam zu sein und es gelang dem Verfasser nicht, von den Bewohnern von Bibergebieten darüber Auskunft zu er- langen. Der Laut, den die jungen Biber von sich geben, glich nach Prof. Colletts Erfahrung, einem klagenden Stöhnen wie von einem kleinen Kinde. Wird der Biber hart verfolgt, so stösst er einen eigenthümlichen Schrei aus, dabei erhebt er den Schwanz, schüttelt sich und zeigt grimmig die Zähne. Ueber die Fortpflanzung der Biber in Norwegen ist äusserst wenig bekannt und auch alle Nachfragen des Verfassers blieben erfolglos. Im Mai 1896 untersuchte Prof. Collett einen Bau am Aaslandsö und fand darin drei Junge, die ungefähr 14 Tage alt waren; sie hatten etwa die Grösse einer Ratte, erschienen aber in Folge ihres weichen, dieken Pelzes bedeutend grösser; die Augen hatten sich eben geöffnet. Ihre Totallänge betrug 350 mm, davon entfielen auf den nackten Schwanztheil 80 mm, dessen Breite 3l mm war. Während der wenigen Tage, dureh welche sie am Leben erhalten blieben, zeigten sie eine auffällige Indolenz. Als der Bau geöffnet und das Nest bloss gelegt war, machten sie einige langsame Schritte nach dem Wasser zu, blieben aber davor stehen. Sie zeigten niemals irgend einen Affekt, liessen sich ruhig mit den Händen greifen, ohne je den Versuch zu machen, zu flüchten oder sich zu vertheidigen. Wahrscheinlich be- hinderte sie das ungewohnte Tageslicht. Von den zahlreichen abergläubischen Vorstellungen, denen die geheimnissvolle und wunderbare Lebensweise dieser Thiere reichsten Stoff geboten, stellt der Verfasser einige interessante Angaben zusammen. So berichtet Olaus Magnus in seiner Historia de gentibus septentrio- nalibus (1555), dass die Hütten nicht von den eigent- lichen Besitzern, sondern von Sklaven gebaut würden und dass das Material auf Thieren, die sich auf den Rücken legten, transportirt wurde; diese weit verbreitete Anschauung wurde dadurch erhärtet, dass der Pelz der Biber häufig auf dem Rücken abgeschabt ist. Lange Zeit erhalten hat sich der Glaube, dass die Biber ihren Schwanz beim Bau der Hütten gewissermaassen als Mauerkelle verwenden und stets so sitzen, dass der Sehwanz in das Wasser hängt. Olaus Magnus erzählt auch, dass der Schwanz des Bibers als Delikatesse gilt, und dasselbe giebt Smith in seiner Beschreibung von Trysil (1797) an. Als Wundermittel, z. B. gegen die Ver- folgung von Walfischen, gegen Schlangenbiss u. ä. galt das Bibergeil, Castoreum. Biberzähne wurden bis zur Mitte unseres Jahrhunderts in Süd-Varanger als Amulett getragen. Ebenso findet man solche häufig in altheid- nischen finischen Gräbern und auf den Opferstätten der Finen. Während Friedrieh sich über die Zukunft des Bibergeschlechts äusserst pessimistisch ausspricht und so- wohl in Kanada als in den wenigen europäischen Oasen ansieht, führt Prof. Collett bezüglich Norwegens Folgendes aus: Bis Mitte des vorigen Jahrhunderts hat sich die Zahl der Biber, die sicher bedeutend grösser war als heutzu- tage, wahrscheinlich etwa auf gleicher Höhe gehalten; seitdem aber wurde ihre allmähliche Abnahme oder völliges Verschwinden aus mehreren von ihnen bewohnten Di- strikten berichtet. Zu Beginn dieses Jahrhunderts waren sie bereits aus verschiedenen Gegenden, wo sie früher in grosser Menge vorhanden waren, ausgerottet, aus anderen verschwanden sie in den nächsten Jahrzehnten. Genauere Angaben sind bis zu den 50er Jahren nicht vorhanden, aber es ist mit Bestimmtheit anzunehmen, das ihre Zahl ausserordentlich gesunken war. Zu dieser Zeit waren es nur einzelne Theile von Unter-Teelemarken, wo man noch gelegentlich von ihrer Anwesenheit hörte; vereinzelte Exemplare lebten vielleicht auch noch in den entlegensten Thalniederungen in Nordland. Wenn die Biber auch nun- mehr aus Nordland völlig verschwunden sind, so haben doch in den südlichen Distrikten die strengen Jagdgesetze ihrer Abnahme Einhalt gethan; auch wird sowohl ihr ökonomischer Werth als andrerseits der Schaden, den sie in den Laubwäldern anrichten, so gering veranschlagt, dass es der heutigen Generation kaum verlohnt, diesen Thieren ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden und sie zu ver- folgen. Hat in den letzten Jahren eine Aenderung statt- gefunden, so kann dies nur im Sinne einer Zunahme der Fall gewesen sein, trotz vieler Umstände, die dazu bei- tragen mochten, die Biber zu stören und ihre Reihen zu lichten. Wie gross die Zahl der lebenden Biber im Jahre 1896 war, lässt sich nur schätzungsweise angeben. Sie zeigen in den letzten Jahren die Neigung sich zu zerstreuen, und sind zum Theil in Gegenden eingewandert, wo sie bisher unbekannt waren; ein Theil dieser Aus- wanderer ist unter den neuen Bedingungen zu Grunde gegangen, andere haben sich erhalten und können mög- lieherweise weiterhin dauern und sich vermehren. Im Ganzen scheint sich ihre Zahl seit dem Jahre 1583 nicht vermindert zu haben, und es dürften gegenwärtig etwa hundert, vielleicht etwas mehr, Biber in Norwegen leben. Ihre Hauptansiedelungen beschränken sich auf die Be- zirke von Christiania und Christiansand (die Aemter Nedenaes, Lister und Mandal); selten zeigt sich der Biber in Bratsberg Amt, und sporadisch auftretende Individuen wurden in den Aemtern Stavanger (Suldal) und Söndre Bergenhus (Röldal) beobachtet. Der zahl- reichste Stamm lebt gegenwärtig im mittleren und unteren Theil des Laufes des Nisser oder Nid in Nedenaes Amt, andere Kolonien bestehen im Topdalselv und in Saetersdalen. Das östliehste von ihnen bewohnte Gebiet bildet der Distrikt Bamble und Drangedal. (in der Nähe des Skiensfjord), das westlichste der vom Mandal be- wässerte Landstrich. G. Adam. Die Rübengelbsucht, eine durch Bacterien verur- sachte Krankheit der Zuckerrübe, haben Prillieux und Delacroix untersucht; sie berichten darüber in den „Comptes rendus hebd. de l’Acad. d. Se.“ 1895, II, S. 338. Die Krankheit, die früher nicht beobachtet wurde, tritt seit einigen Jahren in manchen Gegenden Frankreichs, besonders im Norden und in der Umgebung von Paris, in gefahrdrohender Weise auf. Sie scheint im den zu Samenzwecken gezogenen Rüben ihren Anfang zu nehmen. Im Beginn der Krankheit verlieren die Blätter zum Theil ihre Turgescenz, der Blattstiel wird schlaff, und die Ränder des Blattes senken sich hinab auf den Boden. In dieser Zeit bemerkt man am Rande zuerst der aussen befindlichen, später auch der inneren Blätter eine merk- das völlige Verschwinden des Bibers als nahe bevorstehend | würdige Veränderung; derselbe erscheint nämlich grün 478 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 40. und weiss gefleckt, die farblosen Stellen sind besonders deutlich zu sehen, wenn man das Blatt gegen das Licht hält. Später laufen diese grünen und weissen Stellen in einander über, und so erhält der Rand eine gelbe bis graue Farbe, die sich schliesslich auf das ganze Blatt ausdehnt, bis dieses vertrocknet und abstirbt. Ist dieser Fall eingetreten, gewöhnlich im Juli, so wächst die Wurzel nieht weiter, und es kann so ein Verlust bis zu 50%, entstehen, wenngleich der Zuckergehalt der Rübe normal bleibt. Werden solche kranken Rüben im nächsten Frühling wieder eingepflanzt, so zeigen die Blätter gleich am Anfange das oben beschriebene Aussehen, jedoch die Blüthe entwickelt sich in vollkommener Weise. Unter dem Mikroskop sieht man in den Zellen, welche in den entfärbten Theilen des Blattes liegen, zahlreiche Bacterien von kurzer, tonnenartiger Gestalt, welche schnell in der Zellflüssigkeit herumwirbeln. Die Chlorophylikörner sind entfärbt und wenig deutlich. Bei den Samenrüben sind die Baeterien nicht nur in den Blättern, sondern auch in den Blüthen nachweisbar. Wenn gesunde Rüben- pflanzen mit einer Lösung der Bacterieneultur in Wasser übergossen wurden, so zeigten sie sich alsbald infieirt; ebenso konnte auch durch die vertrockneten kranken Blätter die Krankheit auf die jungen Pflanzen des nächsten Jahres übertragen werden, wenn man diese kranken Blätter zu Pulver zerrieb und dieses Pulver unter die Erde mischte, in welche die jungen Zuckerrüben gepflanzt wurden, in kurzer Zeit waren dann alle Pflanzen infieirt. S. Sch. Ueber neue, elementare Bestandtheile der atmo- sphärischen Luft haben William Ramsay und Morris W. Travers berichtet. Verf. stellten Untersuchungen an, die festlegen sollten, ob ausser Sauerstoff, Stickstoff und Argon noch andere Gase in der Luft vorhanden sind. Zu diesem Zweck liessen sie 750 ecm verflüssigte Luft langsam bis auf 10 cem verdunsten, sammelten das von diesem Rückstand gewonnene Gas in einem Behälter, entfernten den Sauerstoff mit metallischem Kupfer, den Stickstoff durch Behandlung mit Kalk, gepulvertem Magne- sium und schliesslicher Einwirkung des elektrischen Funkens bei Gegenwart von Sauerstoff, und Behandlung mit Natron- lauge. Sie erhielten so 26,2 ccm eines Gases, das das Speetrum des Argons nur schwach erkennen liess, dagegen in scharfer Weise ein vollkommen neues Spectrum zeigte; namentlich wurden folgende Linien ermittelt: D, - 5895,0, D; : 5889,0, D, - 5875,9, D, - 5866,65, ausserdem eine grüne Linie, die die Intensität der grünen Heliumlinie und eine Wellenlänge 5566,3 besitzt, und daneben eine grüne und schwächere Linie, deren Wellenlänge den Werth 5557,53 ergab. Auf Sauerstoff = 16 bezogen, ergiebt sich für das Gas eine Dichte von 22,47; nach vierstündigem Durch- schlagen des elektrischen Funkens fanden Verfasser das specifische Gewicht zu 22,51. Aus der Bestimmung der Wellenlänge des Tones folgte, dass das neue Gas ebenso wie Argon und Helium einatomig und ein einfacher Körper ist. Ramsay und Travers schlagen für dies neue Element, das schwerer als Argon und weniger flüchtig als Sauerstoff, Stickstoff und Argon ist, den Namen Krypton mit dem Symbol „Kr. vor. Berthelot bemerkt hierzu, dass, weil die intensiv grüne Linie 5566,35 des Kryptons mit der glänzenden Linie Nr. 4 (5567) des Nordlichts zusammenfällt, das neue Gas auch, den Namen „Eosium“ führen könnte. Weiterhin wurden von beiden Forschern noch zwei weitere Gase aus der Luft durch Fraetioniren von 18 1 flüssigem Argon isolirt. Das eine derselben, das den Namen Neon (neu) be- kommen hat, hat ein Speetrum zahlreicher Linien, die in Rotorange und Gelb sehr stark sind, auch im Dunkel- violett sind einige Linien zu erkennen; schaltet man eine Leydener Flasche ein, so treten leuchtende Linien in Blau und Grün auf. Leitet man den elektrischem Strom dureh eine mit Neon gefüllte Röhre, so beobachtet man ein prächtiges, roth-oranges Licht. Gegen Ende der fractionirten Destillation des Argons hinterbleibt ein fester Körper, der sich nur äusserst langsam verflüchtigt und aus diesem Grunde sehr rein gewonnen werden kann. Das neue Gas heisst Metargon, hat eine Dichte 19,37 (Argon 19,94) und ein von Argon vollkommen verschiedenes Spectrum. Besonders charakte- ristisch sind eine grüne und eine gelbe Linie, die nicht mit der des Kryptons und Heliums zusammenfällt. Die Wellenlänge ergab sich zu 5849,6. Sowohl Neon wie Metargon sind einatomig. — Dr. A. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Wissenschaftliches Theater der Urania. — Das genannte Theater bietet zur Zeit wieder einen neuen „scenischen Vortrag“. Er betitelt sich „Die Urzeit des Menschen (Bilder aus den frühesten Tagen unserer Heimath)“ und hat Herrn Dr. A. Götze zum Verfasser. Die Dioramen stammen von den Malern H. Harder und W. Kranz. Wir müssen die Trefflichkeit der scenischen Darstellungen ganz besonders loben. Die genannten Künstler verstehen es meisterlich Kunst und Wissenschaft zu verbinden, sich in den wissenschaftlichen Geist eines Gegenstandes zu vertiefen und dann ihrer Phantasie zu folgen, um Gemälde zu liefern, die der ver- gangenen Wirklichkeit so nahe kommen dürften, wie sie die Jetztzeit überhaupt zu reconstruiren im Stande ist. Die Stimmung in den Bildern der Herren Harder und Kranz, ihre Naturtreue und dabei doch die Kunst, die sie athmen, verleiht den scenischen Darstellungen der Urania einen hervorragenden Reiz. Es wurden bildlich als wirklich prächtige Dioramen vorgeführt: 1. Aelteste Ansiedelung bei Taubach, 2. Deutschland zur Eiszeit, 3. Eine Höhlenwohnung, 4. Hünengrab im Walde, 5. Pfahldorf am Mond- see, 6. Vor Troja’s Ruinen, 7. Ein vorgeschichtliches Bergwerk, 8. Die Ruinen von Stonehenge, 9. Hallstatt, 10. Germanendorf, 11. Caesars Rhein-Uebergang, 12. Römischer Grenzwall (Limes), 13. Kaiserpalast in Trier, 14. Wikinger Schiffe vor Arkona. Hieraus ergiebt sich für den Kundigen ohne Weiteres die Disposition des Vortrages und das was derselbe bringt; er ist wohl geeignet dem Laien eine Anregung zu geben. Die wissen- schaftlieh so bedeutsamen Funde am Schweizersbild bei Schaff- hausen werden nicht erwähnt. Die einleitenden Bemerkungen über Affe und Mensch blieben besser weg. Litteratur. Prof. W. von Bechterew, Bewusstsein und Hirnlokalisation. Rede gehalten auf der Allgemeinen Versammlung des VI. Con- gresses russischer Aerzte zur Erinnerung an N. J. Pirogoff. Deutsch von R. Weinberg. Arthur Georgi in Leipzig, 1898. — Preis 1,50 Mark. Von dem zusammengesetzten psychischen Vorgang — sagt B. — giebt es alle Uebergänge bis zum einfachsten Reflex. Die beiden Gegensätze unterscheiden sich wie folgt: 1 Die unbewusste, reflektorische Thätigkeit zeigt das Bild einer automatischen, unabänderlich konstanten und übermässig stereotypen Zweckmässigkeit als Ausdruck eines ein für allemal feststehenden, allezeit und überall in der nämlichen Art wirksamen Mechanismus. Für jedes bewusste Thun dagegen bezeichnend ist eine Zweckmässiekeit, die nichts von der Starrheit der Maschine an sich hat, sondern veränderlich, anpassungsfähig erscheint an die stetig wechselnde Mannigfaltigkeit der äusseren Bedingungen. Die an und für sich nicht vorgebildete, sondern lediglich die vor- handenen äusseren Bedingungen mit der inneren Erfahrung asso- ciirende individuelle Wahl ist es, die uns in jedem einzelnen Fall über die Existenz einer inneren Erfahrung und hiermit zugleich über die Existenz eines Seelenlebens Kenntniss giebt. Wo immer Bewegung das Merkmal individueller oder willkürlicher Wahl trägt, da giebt es bewusste Differenzirung der äusseren Eindrücke und Gedächtniss — die ersten und grundlegenden Erscheinungen des Bewusstseins. Und da sehen wir denn, dass schon die frühesten Stufen des Thierreiches, wo das Dasein eines Nervensystemes XI. Nr. 40. noch durch nichts angedeutet ist, Kunde geben von einem primi- tiven Bewusstseinsvermögen. *) Es drängt alles zu der Anschauung, dass der erste Anfang einer bewussten Seelenthätigkeit sich in dem Thierreiche auf Stufen offenbare, die weit hinter den ersten Keimen eines Nerven- systemes zurückliegen. Man darf annehmen, das elementare psychische Sein ermangele auf dieser Stufe noch einer bestimmten Lokalisation, breite sich gewissermaassen gleichmässig über alle Theile des einzelligen Körpers aus; bei den höher stehenden Ge- schöpfen dagegen erscheint es — und das unterscheidet diese wesentlich von jenen — mit der Thätigkeit besonderer Theile des Organismus, welche das Nervensystem bilden, unzertrennlich ver- bunden. Es tritt dann also eine Arbeitstheilung ein, denn mit dem Auftreten eines Nervensystems werden sämmtliche psychischen Verrichtungen des Thierkörpers von ihm übernommen. Beim Menschen speeifieirt sich das so weit, dass die Grosshirnhemi- sphären mit ihren Ganglien (Streifenhügel) unmittelbar als aus- schliessliche Quelle des Bewusstseins gelten müssen. Wäre dem nicht so, so müssten nach Aufhebung der Blutbewegung in den Halsschlagadern doch wenigstens Spuren eines unpersönlichen Bewusstseins zurückbleiben. Es sammelt sich das Seelenvermögen in der aufsteigenden Stufenleiter der Geschöpfe nach und nach in ganz bestimmten und zugleich ihrem Baue nach immer zu- sammengesetzteren Stätten des Nervensystems. Diesen höheren Centraltheilen stehen andere, von einfacherem Aufbau, gegenüber als Träger der unbewussten reflektorischen Thätigkeiten. Dr. med. et phil. Gustav Wolff, Priv.-Doc. in Würzburg, Bei- träge zur Kritik der Darwin’schen Lehre. Gesammelte und vermehrte Abhandlungen. Arthur Georgi in Leipzig, 1898. — Preis 2 Mark. Verf. bekämpfs vor allem die Zuchtwahllehre. Es ist sicher- lich verdienstlich, auf die Mängel derselben durch triftige Gründe aufmerksam zu machen, und dass in der That Variirung und Ueberproduetion der Organismen und nunmehr wirkende Zucht- wahl nicht ausreichend erklärt, sondern auch noch direkte An- passung hinzukommen muss, dringt immer mehr ins Bewusstsein der heutigen Naturforscher; wie aber Verf. (S. 2) sagen kann, dass die Zuchtwahllehre auf einem dem inductiven völlig ent- gegengesetzten Wege gewonnen sei, hat den Referenten recht frappirt, obwohl ihn psychologisch ein soleher Ausspruch nicht befremdet. Die Thatsachen, auf denen sich die Zuchtwahllehre gründet, sind so häufig, umgeben uns dermaassen über- und überall, dass sie sich leicht für den Beschauer gar nieht mehr abheben, dass sie, mit anderen Worten, von diesem oder jenem — wie im vorliegenden Fall — übersehen werden können. Grabers Leitfaden der Zoologie für die oberen Classen der Mittelschulen, bearbeitet von S. Mik, k. k. Schulrath. Mit 391 Abb. und einem Atlas mit 4 Farbendruckbildern, 101 farbigen Abbildungen auf XIlI Tafeln und einer Karte, 3. verb. Aufl. F. Temsky & G. Freytag in Prag, Wien und Leipzig, 1897. — Preis geb. 3,20 Mark. Die 2. Aufl. dieses noch immer besten zoologischen Schul- buches wurde Bd. VIII, S. 183 besprochen; wir müssen auf diese Besprechung hinweisen, da sie auch für die vorliegende Aufl. gilt. Prof. Dr. Lassar-Cohn, Die Chemie im täglichen Leben. Ge- meinverständliche Vorträge. 3. Aufl. Mit 21 Abb. Leopold Voss in Hamburg und Leipzig, 1898. — Preis 4 Mark. Seit der 1. Aufl. des Buches ist alle Jahre eine neue Auflage (vergl. „Naturw. Wochenschrift“ XII, 1897, S. 166— 167) erschienen. Diese Thatsache ist sehr erfreulich: beweist sie doch, dass das Streben nach naturwissenschaftlicher Erkenntniss im grossen Publicum anhält. Nach Angabe des Verfassers enthält die 3. Auflage nur wenige wesentliche Aenderungen gegenüber der zweiten. #) Ref. kann nicht unterlassen darauf aufmerksam zu machen, dass auch der Magnet unter den ihn umgebenden Objecten eine Wahl trifft, und doch pflegt man ihm kein „Bewusstsein“ zuzu- schreiben. Es ist ferner darauf zu achten, dass die Zuerkennung eines Bewusstseins bei niedersten Wesen niemals auf Grund einer Beobachtung des letzteren erfolgt: ist doch ein Bewusstsein bei den Mitmenschen ebensowenig zu beobachten wie bei einem In- fusor. Jeder Einzelne kann ein Bewusstsein nur bei sich con- statiren, die Annahme eines solchen bei anderen Lebewesen ist — — — nun eben eine Annahme, eine Theorie. Inhalt: F. Schleichert: Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Pflanzenphysiologische Beobachtungen. — F. Pietzker: 479 Ch. Ed. Guillaume, Docteur &s Seienees, Adjoint au Bureau international des poids et mesures: Recherches sur le nickel et ses alliages. Paris, Gauthier-Villars et fils, imprimeurs- libraires du bureau des longitudes, de l’Ecole polytechnique, 1898. Seit dem Beginn der von der „Commission internationale du Metre“ ausgeführten Arbeiten hat man nach einem Metall, bezw. einer Metalllegirung gesucht, die von Temperaturschwankungen mögliehst wenig beeinflusst und gegen die chemischen Einflüsse der Atmosphäre und ihrer regelmässigen oder zufälligen Bestand- theile eine grosse Beständigkeit zeigt. Es gelang Sainte-Claire Deville in dem iridisirten Platin, d. h. einer Legirung, welche aus 10 Theilen Iridium und 90 Theilen Platin besteht, eine Mischung aufzufinden, die sich durch eine grosse Härte, eine geringe Aus- dehnungsfähigkeit, einen gewissen Grad von BRlastieität und eine absolute Unveränderlichkeit auszeichnet. Der hohe Preis der zu dieser Legirung verwendeten Metalle verbot jedoch die allge- meinere Anwendung. Es hat deshalb nicht an Versuchen gefehlt, die erwähnte Metalllegirung durch eine andere, billiger herstell- bare zu ersetzen, deren Eigenschaften dem iridisirten Platin wenn auch nicht gleich sind, so doch ihm nahe kommen. Guillaume hat in der vorliegenden, sehr beachtenswerthen Studie das Nickel und eine aus Nickel und Kupfer in verschie- denen Verhältnissen hergestellte Nickelbronce, sowie eine Legirung aus Eisen und Nickel auf ihr chemisches und physikalisches Ver- halten in sehr eingehender und sorgfältiger Weise geprüft. Be- sonders der aus Eisen und Nickel hergestellte Niekelstahl hat nach den Erfahrungen des Verfassers ein sehr geringes Aus- dehnungsvermögen, wenn der Stahl 35,5 pCt. Niekel enthält. Die Anwendbarkeit des Nickelstahls ist eine sehr vielseitige, was daraus hervorgeht, dass derselbe nur wenig oxydirbar, ferner sehr zähe ist und eine gute Politur annimmt; er lässt sich zu Blechen auswalzen und zu dünnen Drähten ausziehen. Thoms. H. Blücher, Der praktische Mikroskopiker. mittelanstalt von Dr. ©. Schneider. gr. 8". Leipzig, 1898. — Preis 1,50 Mark. Das Heft giebt eine allgemeinverständliche Anleitung zum Gebrauche des Mikroskopes und zur Anfertigung mikroskopischer Präparate; welche es dem Liebhaber des Mikroskopes ermög- licht, das mikroskopische Sehen, Beobachten und Arbeiten zu erlernen. Der Inhalt desselben gliedert sich in einen allgemeinen und einen speciellen Theil. In ersterem werden das Mikroskop und seine Handhabung, der Gebrauch und die Behandlung des- selben, die Einstellung des Präparats sowie die Methoden der mikroskopischen Untersuchung in leiehtfasslicher, klarer Weise in 23 Beobachtungen beschrieben. Der specielle Theil dagegen bietet 97 Beobachtungen für Untersuchung und Anfertigung mikroskopischer Präparate aus den Gebieten der Mikro-Cheiie, Botanik und Zoologie, sowie eine Reihe technischer Prüfungen. 35 Abbildungen, theils zur Erläuterung mikroskopischer Instrumente und deren Handhabung, theils von charakteristischen, mikrosko- pischen Objeeten, unterstützen in guter Weise den Text. Leipziger Lehr- VIII, 104 Seiten. Breuer, Oberrealsch.-Prof. Adb., Elementar entwickelte Theorie und Praxis der Funetionen einer complexen Variabelen in or- ganischer Verbindung mit der Geometrie. Wien. — 5M. Festschrift für Heinrich Kiepert, Beiträge zur alten Geschichte und Geographie. Berlin. — 28 M. Finkelnburg, weil. Geh. Med.-R. Prof. Dr. Karl, Ausgewählte Abhandlungen und Vorträge aus den Gebieten der Hygiene und Psychiatrie. Berlin. — 7 M. Gamborg, V. E., Logarithmentafeln, Logarithmen und Antiloga- rithmen enthaltend, nebst den Logarithmen der trigonometrischen _ Functionen u. a. m. Berlin. — 2,25 M. Keller. Prof. Dr. C., Die ostafrikanischen Inseln. Berlin. —5M. Klein, Dr. H. J., Lehrbuch der Erdkunde für höhere Lehranstalten. Braunschweig. — 3,20 M. Marshal, W., Im Wechsel der Tage. 2M. Marshall, Prof. William, Spaziergänge eines Naturforschers. 3. Aufl. gr. 8°. Leipzig. — 9 M. Otto, Lehr. Dr. Rich., Grundzüge der Agrieulturchemie. 1. Thl. Atmosphäre und Boden. Berlin. — 1,40 M. Schroeder v. der Kolk, Prof. Dr. J. L. ©, Kurze Anleitung zur ınikroskopischen Krystallbestimmung. Wiesbaden. — 2 M. Sturm, Ch., Lehrbuch der Analysis (Cours d’Analyse). 2. Bd. Berlin. — 9 M. 4. Vierteljahr. Leipzig. — Das Jahr „Null“. — Der Biber. — Die Rübengelbsucht. — Ueber neue, elementare Bestandtheile der atmosphärischen Luft. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Prof. W. von Bechterew, Bewusstsein und Hirnlokalisation. — Dr. med. et phil. Gustav Wolff, Beiträge zur Kritik der Darwin’schen Lehre. — Grabers Leitfaden der Zoologie. — Prof. Dr. Lassar-Cohn, Die Chemie im täglichen Leben. — Ch. Ed. Guillaume, Recherches sur le nickel et ses alliages. — H. Blücher, Der praktische Mikroskopiker. — Liste, 480 Dr. Robert Muencke Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. & Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ® und Geräthsehaften im Gesammtgebiete der Naturwissensehaften. © “ nd “ “ “ % OH HH HP OH OO HOCH HH OH HH O9 HH 999 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. OO HOP HH HH HOP HH OH HH 99H 2 9999904 XIM. Nr. 40. Verlag von Gustav Fischer in Jena. i Soeben erschienen 2 Goebel, Dr. K., Professor an der Universität München, Organographie der Pflanzen, insbesondere der Archegoniaten und Samenpflanzen. Zweiter Teil: Specielle Organographie. 1. Heft: Bryophyten. Mit 128 Abbildungen im Text. Preis: 3,80 Mark. In Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin sw. 12 erscheint und ist durch jede Buchhandlung zu beziehen: Lehrbuch der Pflanzenpalaeontologie mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse des Geologen. Von H. Potonie, Docent der Pflanzenpalaeontologie an der Kgl. Bergakademie zu Berlin. Mit zahlreichen Abbildungen. Vollständig in 4 Lieferungen ä 2 Mark. ME” Lieferung 1, 2 und 3 sind bereits erschienen. BE Hörmann, Dr. Georg, Studienüber die Protoplasmaströmungbei den Characeen. Mit 12 Abbildungen im Text. Preis: 2 Mark. Meyer, Dr. Arthur, ordentl. Professor der Botanik und Pharma- kognosie an der Universität Marburg, Erstes mikroskopisches Practicum. Eine Einführung in den Gebrauch des Mikroskopes und in die Anatomie der höheren Pflanzen. | Zum Gebrauche in den botanischen Laboratorien und zum Selbstunterrichte. Für Botaniker, Chemiker, Pharmaceuten, Studi- rende des höheren Lehramtes, Zoologen. Mit 29 Abbildungen. Preis brosch. 2,40 Mark, geb. 53 Mark. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Ueber Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Tundren und Steppen der Jetzt- und Vorzeit mit besonderer Berücksichtigung ihrer Fauna. Von Dr. Alfred Nehring, Professor der Zoologie und Vorsteher der zoologischen Sammlungen an der Ferd . Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12 Königlichen landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin. Mit ı Abbildung im Text und I Karte der Fundorte. Über Herberstain und Hirsfogel. Beiträge zur Kenntnis ihres Lebens und ihrer Werke. Mit 10 Abbildungen im Text. Von Prof. Dr. Alfred Nehring in Berlin. 108 Seiten gross Octav. Ladenpreis 3 Mark. Friede und Abrüstung. Von Gustaf Björklund. 95 Seiten Oktav. Preis 1,50 Mark. 266 S. gr. 8°. Preis 6 Mark, Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. In Ferd. Dümmilers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 12 erschien: Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. (rasmotoren, I Dynmamo- und Dampf- maschinem gebraucht, garantirt betriebs- von fähig, in allen Grössen offerirt E. Loew, Elektromotor G. m. b. H. rof kgl. Realgymn. in Berlin. Professor am kpl, Realeyann. in Berlin. | E05 Ten NW Schr 444 Seiten gr. 8. Pr. 6M., geb. 7M. Ferd. Dümmlers Derlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Der Menfchheitslehrer. Ein £ebensbild des Weifen von Nazareth. Bon di Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. | Photo:zrarkische Stativ- und Hand- „ Cameras. Gediegene Ausstattung. ie5” Sämmtliche Bedarfsartikel. ME ı Spec.: Steekelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. % Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). I Verantwortlicher Redacteur: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. B& George Paul Sylveiter Cabanis. 300 Seiten Dftav. Preis geh. 3 AA, elegant geb. 4 M. &erd. Dümmlers Werlanshuchhundlung, Berlin SW. 12, Zimmeritrade 4. 7 Sn unferm Verlage erjchien: Im Reiche des Zaren. Büften und Bilder aus Rufland von Eugen Zabel. Preis 3 Mark, elegant gebunden 4 Mark. suhalt: Die Katlerzufammenkunft Auguft 1897. Vom ruffiihen Hof. Die franfosruffiihe Allianz. Niticheiwo. — Wobedonoszew. — Bismard ür Beteröburg. — Graf Walujew. — Das heilige Rußland. — Auf dem Chodinfa- felde und bei Leo Zolitoi. — Nikolai Nekrafjow. — Iwan Krylom. — RB. Saurihin. — Katharina TI. als pramatiide GSchriftitellerin. — Der Bildhauer Antofolsty. — Nubinftein und Tichaitomwsty. — Nihny-Nomwgorop. — Aut der Wolga. — Kijew. Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhändlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. mn. a mg BERNIE m “Redaktion: den Gebil ‘en der Phantasıe, wır ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, derihre Schöpfungen schmückt, Schwendener, Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. Sonntag, XII. Band. | den 9. Oktober 1898. Nr. 41. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen un«l Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist A 4.— [07) Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 &. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Bringegeld bei der Post 15 „3 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. HE Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. 70. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte zu Düsseldorf. 19. bis 23. September 1898. Prof. Dr. F. Klein-Göttingen: Umiversität und technische Hochsehule. Nach einer Uebersicht über die bisherige Entwieke- lung, welche Universität und Hochschule genommen haben, führt Redner, der nicht als Vertreter auch nicht als Anwalt der sondern als ein Mann spricht, der nach beiden Seiten Verbindungen hat und sich das Recht wahren möchte, den Bliek auf das Ganze zu richten, folgendes aus: Die Teehnik gebraucht zweifellos eine grosse Zalıl von praktisch erzogenen Ingenieuren ohne weitgehende wissenschaftliche Ausbildung. Aber die Candidaten für derartige Stellungen drängen sich doch gern auf die technische Hochsehule, weil es vornehmer aussieht und nach einer ziemlich verbreiteten Meinung die spätere Carriere erleichtert. Ihnen kommt das Verhalten zahl- reicher Kreise entgegen, die an einer unterschiedslosen Vermehrung der Frequenz der technischen Hochschule interessirt sind. Diese Momente wirken dahin oder drohen dahin zu wirken, den Hochschulunterricht unter Ver- kennung seiner eigentlichen Aufgaben auf ein niederes Niveau herabzudrücken. Hier hat eine entschiedene Reform einzusetzen, und es besteht auch alle Hoffnung, dass es geschieht. beschränken, bedingungen stellt, vielmehr ist die Forderung hinzuzu- fügen, dass der Staat der Entwickelung mittlerer tech- nischer Fachschulen (also der Technica, wie sie wohl genannt werden) noch vielmehr Aufmerksamkeit schenkt, als bisher. Es handelt sich hier, wie wohl ohne be- sondere Ausführung ersichtlich ist, nicht nur um eine Lebensfrage der Hochschulen als solcher, sondern ebenso sehr um die gesunde Entwickelung der Industrie selbst. technischen Hochschulen, Unter denselben Gesichtspunkten stellen wir dann der Universitäten, | Dieselbe darf sich aber nicht darauf dass die Hochschule verschärfte Aufnahme- ; ‘ob man noch ‚die zweite, sozusagen ..die .complementäre Forderung, dass nämlich aus dem immer noch grossen Kreise der- jenigen, welche die technische Hochschule mit Fug und Reeht besuchen, eine kleine Zahl wesentlieh weiter zu fördern ist als die Gesammtheit, damit sie Führer auf dem Gebiete wissenschaftlichen Fortschritts werden. Es ist das sozusagen die Wiederaufnahme des Pariser Ideals in einer unseren heimischen Verhältnissen angepassten Form. Beispielsweise wird hier eine weit entwickelte Mathematik am Platze sein, die sich allerdings nur nach Seiten der Anwendungen, nicht in abstraeter Richtung erstrecken soll. Wie nothwendig diese ganze Forderung ist, mag daraus hervorgehen, dass dieselbe, so viel zu sehen, von allen in Betracht kommenden Ingenieurkreisen erhoben wird. Aber es stellt sich ihr allerdings eine doppelte Schwierigkeit entgegen. Zunächst müsste eine Reihe neuer Lehrstellen reschaffen und mit geeigneten Kräften besetzt werden. Denn die jetzt vorhandenen Doeenten sind durch die ausserordentliche quantitative Entwickelung der Hochschule so überlastet, dass ihnen für einen weit. gehenden Specialunterrieht thatsächlich keine Zeit bleibt. Ferner aber wird es möglicherweise schwer halten, bei den Zuhörern gegenüber dem mächtig entwickelten Streben ihrer Umgebung nach praktischer Bethätigung. für die stillere und zunächst entsagungsvollere Thätiekeit ein- gehender wissenschaftlicher Untersuchungen viel Raum zu gewinnen. Es ist daher die Frage aufgeworfen worden, diesen Theil der Ingenieurbildung nicht‘ lieber den Universitäten überweisen solle. Es ist dies dann so verstanden worden, als ob die Universitäten eine. Ent- wiekelung der, teehnischen Hochschulen in dem besagten Sinne mit Missgunst aufnehmen würden, als wenn sie jede der. höchsten wissenschaftlichen Ausbildung sich als Monopol sichern wollten. Da mein Name mit diesen Er- örterungen einmal verbunden ist, so will ich doch hier in 482 unzweideutiger Weise die Erklärung wiederholen, die ich schon öfters bei anderen Gelegenheiten abgab, dass ich auch bei dieser Frage für die Entwickelung der tech- nischen Hochschule eintrete. Umbeschadet aller Ver- bindungen, die man zwischen Universität und technischer Hochschule in Zukunft möglicherweise wird herstellen wollen, empfehle ich den Angehörigen der Universität fürs Erste, dahin zu arbeiten, dass die Wissenschaft über- all da, wo sie hingehört, auch voll zur Geltung kommt, dass der Gegensatz zwischen Theorie und Praxis, den man ja nie völlig aus der Welt schaffen wird, und die beide einander doch so nöthig haben, nicht zu einer Zerreissung unseres höheren Unterrichtes führt. Ein Be- tonen dieses Grundsatzes von Seiten der Universität er- scheint mir viel wichtiger als die Vertheidigung soge- nannter Vorrechte. Uebrigens gehe ich soweit, mir von Einrichtungen der geplanten Art an der technischen Hoch- schule eine wohlthätige Rückwirkung auf die Universität selbst zu versprechen; pflegt doch in menschlichen Dingen etwas Coneurrenz allemal nützlich zu sein. Die tech- nischen Hochschulen werden allerdings einige Energie einsetzen müssen, um hier durchzudringen. Denn es handelt sich um eine Forderung, deren hohe Bedeutung für die Qualität unserer mdustriellen Leistung schliesslich nur Derjenige voll ermessen kann, dem eine gewisse Reife des wissenschaftlichen Urtheils zukommt, eine Forderung also, die nicht eigentlich populär verständlich ist. Indem ich mich nun zur Universität wende, lade ich Sie zunächst ein, den Vergleich der technischen Hoch- schule mit der medieinischen Faeultät zu machen. Sie haben bei letzterer alles das, was wir bei der technischen Hochschule vermissten, vor allen Dingen eine genaue, vielleicht übertriebene strenge Abgrenzung nach aussen hin. Hierin drückt sich in charakteristischer Weise das höhere Alter der Institution aus. Im Uebrigen aber ist unverkennbar, dass bei der medicinischen Faeultät hin- sichtlich der centralen Aufgabe ein weitgehender Paralle- lismus mit derjenigen der technischen Hochschule besteht, hier wie dort soll eine grössere Zahl junger Männer in relativ kurzer Zeit soweit durchgebildet werden, dass sie später in der Lage sind, einen verantwortungsvollen Beruf selbständig auszuüben. Es wäre interessant, diesen Ver- gleich ins Einzelne zu verfolgen und zu sehen, wie analoge Ursachen bei aller äusseren Verschiedenheit analoge Wirkungen hervorrufen. Ich rechne dahin den fest ge- regelten Studienplan, welcher der Individualität des Studirenden in den ersten Semestern nur wenig Freiheit lässt, das Zwischenexamen und Anderes mehr. Ich meine, die Gegenüberstellung muss Jedem deutlich machen, dass zwischen den Aufgaben der technischen Hochschule und denjenigen der Universität in keiner Weise eine solche prineipielle Verschiedenheit besteht, wie oft gemeint wird. Nicht viel anders wird das Resultat herauskommen, wenn wir die juristische, die theologische Facultät zum Ver- gleich heranziehen. Es ist nicht so, dass die eine Anstalt schlechtweg für die Praxis vorbereitet und die andere die reine Wissenschaft lehrt, sondern beide haben ganz allgemein die Aufgabe, durch wissenschaftliche Studien die Grundlage für die spätere höhere Berufsthätigkeit zu schaffen. Einzig die philosophische Faeultät scheint mit dem so formulirten Satze nicht recht übereinzustimmen. Es ist eine merkwürdige Fügung, dass die technische Hochschule mit keinem anderen Theile der Universität in unmittelbaren Contact kommt, als gerade mit der philo- sophischen Facultät. Ich möchte Sie bitten, mit mir speciell diejenigen Studien der philosophischen Facultät ins Auge zu fassen, welche am weitesten nach der rein academischen Seite verschoben sind, nämlich die Studien unserer Lehramtscandidaten. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 41. Wir haben da zunächst wieder einer wichtigen äusseren Entwickelung der letzten Decennien zu gedenken, ich meine die Entstehung unserer heutigen Praetiea und: Seminare. Der traditionelle Bann des geschriebenen und einfach vorzulesenden Collegheftes ist längst gebrochen und an die Seite des freien Lehrvortrages ist der persön- liche Gedankenaustausch von Docent und Student getreten, durch welche der Letztere zum selbständigen Denken und womöglich zum selbständigen Arbeiten angeleitet werden soll. Wer längere Jahre hindurch die Universität nicht besucht hat, wird erstaunt sein zu sehen, wie weit dieser Umwandelungsprocess vorgedrungen ist. Wir haben jetzt an zahlreichen Universitäten z B. für Mathematik, für klassische Philologie, für die verschiedenen neueren Sprachen, Geschichte ete. nicht nur Seminarbibliotheken, sondern Seminararbeitsräume, in welchen den reiferen Studenten alles für sie wichtige Material in liberalster Weise zur Verfügung gestellt wird (von der Ausstattung der hier in Betracht. kommenden naturwissenschaftlichen Institute ganz zu schweigen). Die Absicht bei Gründung der Seminare ist ursprüng- lich jedenfalls gewesen, den späteren Lehrer unmittelbar für seinen Beruf besser vorzubereiten. Inzwischen hat die Entwickelung einen anderen Verlauf genommen, sie ist ganz wesentlich der Steigerung der rein wissenschaft- lichen Studien zu Gute gekommen. Eine früher unbekannte Energie des Unterrichtsbetriebes hat Platz gegriffen, ver- bunden mit weitgehender Speeialisirung und Individuali- sivung. Es ist fast so, als sollten die sämmtlichen Studenten zu wissenschaftlichen Forschern von selbst- ständiger Bedeutung ausgebildet werden! Wollen wir diese Erscheinung richtig beurtheilen, so müssen wir uns über ihre eigentliche Wurzel klar sein. Nicht das Andrängen irgend welcher äusserer Forde- rungen, sondern der wissenschaftliche Enthusiasmus hat dieselbe geschaffen und hält sie aufrecht. Bemerken Sie, dass die Wirksamkeit des Docenten dabei in keiner Weise eontrolirt oder honorirt wird, sondern gänzlich seiner persönlichen Initiative überlassen ist. In diesem Hervor- treten ausschliesslich idealer Momente liegt eine Stärke und eine Bedeutung der Institution, die nicht überschätzt werden können. Aber allerdings hat sich die Institution zu einseitig entwickelt. Man muss fragen, ob nicht das mittlere Unterrichtsbedürfniss der Mehrzahl unserer Stu- denten zu Gunsten der höheren Leistung einer Minderzahl zu sehr zurückgedrängt wird, ob die frühzeitige Speeiali- sirung nicht gelegentlich der allgemeinen Grundlegung, ob die einseitige Betonung der wissenschaftlichen Forschnng nicht der Freude am späteren Lehrberuf schadet. Sie haben hier, wie ich kaum hervorzuheben brauche, dass genaue Gegenbild zum Betriebe der technischen Hoch- schule. Während wir bei letzterer die Einführung eines Special-Unterrichts, also, um es prägnant auszudrücken, gerade des Seminarwesens in einem gewissen Umfange postuliren mussten, handelt es sich hier darum, dass die Speeialeurse nicht andere wichtige Seiten des Unterriehtes ersticken und damit schliesslich (wegen ungeeigneter Aus- bildung zahlreicher Candidaten) ihre eigene Wirksamkeit in Frage stellen. Wie sollen wir ändern? Vielleicht, dass eine be- merkenswerthe Einrichtung, die man in den letzten Jahren geschaffen hat, von selbst eine gewisse Besserung herbei- führt. Nach dem Vorbilde der Medieiner, Theologen ete. finden jetzt auch die Gymnasiallehrer alljährlich Gelegen- heit, in geeigneten Ferieneursen die Beziehung zur Uni- versität und zur Wissenschaft wieder aufzufrischen. Die Universitätsprofessoren sind in diese Entwickelung bereit- willig eingetreten, weil in ihnen der lebhafte Wunsch be- steht, den wissenschaftlichen Gedanken, mit denen sie XII. Nr. 41. sich beschäftigen, nach aussen hin, in das praktische Leben hinein, eine mehr unmittelbare Wirksamkeit zu verschaffen, als augenblicklich statt hat. Aber die Ein- richtung kann nicht ohne Rückwirkung auf die Docenten selbst bleiben, indem sie denselben greifbar vor Augen stellt, wie weit sich der Universitätsunterricht, den die Theilnehmer der Curse genossen haben, bewährt hat, und ob derselbe nicht vielfach ganz anders gefasst werden muss, wenn er. im späteren Berufsleben auf die Dauer wirksam sein soll, wie wir es doch alle anstreben. Also eine Correktur durch Bezugnahme mit dem Sehulbetrieb, wie sich derselbe in Wirklichkeit gestaltet! Aber allerdings genügt mir dieselbe noch nicht, ich wünsche, dass unsere Docenten weiter blicken und sich die Frage vorlegen, welches die voraussichtliche Ent- wiekelung unserer höheren Schulen in den kommenden Decennien sein wird, und ob sie den Studirenden das Rüstzeug, dessen diese im Hinblick darauf bedürfen, wirklich in die Hand geben. Ich möchte die Ueber- legungen, die hier entstehen, sofort sehr verallgemeinern und für die Entwickelung unserer Universitäten hier um so mehr eine grosse, weittragende Forderung aufstellen, als diese durch den Vergleich mit den technischen Hoch- sehulen, der uns heute beschäftigt, besonders nahe gelegt wird. Indem die Universitäten den wissenschaftlichen Betrieb auf den überkommenen Gebieten steigerten, haben sie zu wenig Ausschau nach neuen Gebieten gehalten, die der Fortschritt unserer allgemeinen Cultur in den Vordergrund gerückt hat. Ich verlange eine durch- greifende Erweiterung der Universitäten nach der modernen Seite hin, eine volle wissenschaftliche Berücksichtigung aller Momente, die in dem hochgesteigerten Leben der Neuzeit als maassgebend hervortreten. Die so formulirte Forderung kann des Beifalls gerade der Fernerstehenden von vornherein ziemlich sicher sein, und es wird genügen, dass ich auf ein, zwei Beispiele exemplifieire. Betrachten Sie etwa die Entwickelung des modernen Verkehrs, durch die uns fremde Völker, fremde Verhältnisse in unmittelbare Nähe gerückt sind, die uns früher gewissermaassen nur dem Namen nach bekannt waren. Soll das auf unsere sprachlichen, auf unsere historischen, auf unsere juristischen Studien ohne Einfluss bleiben? Man sagt, dass unsere Officire nach dem Kriege von 1870/71 eifrig begonnen haben, russisch zu lernen. Warum sind die Universitäten nur erst so wenig in die entsprechende Bahn eingelenkt? Oder nehmen sie anderer- seits und ganz besonders den Aufschwung unserer Technik. Mögen sich die Universitäten immerhin um die Ausbildung der Ingenieure keine Sorge machen, weil diese den tech- nischen Hochschulen anheimgegeben ist, sollen aber darum unsere Mathematiker (insbesondere diejenigen, die berufen sein werden, au technischen Anstalten zu wirken), unsere späteren Beamten, welche ihre Stellung im öffentlichen Leben doch nach allen Richtungen ausfüllen sollen, während ihrer Universitätszeit hiervon garnichts erfahren? Die Antwort auf diese Fragen liegt in der That auf der Hand, soweit es sich um das allgemeine Prineip handelt. Die Schwierigkeiten beginnen aber in dem Augenblick, wo man versucht, der Ausführung näher zu treten. Dies Eine ist jedenfalls klar, dass es sich um eine ausser- ordentliche Erweiterung des Lehrgebietes der Universität und dementsprechend um eine weitergehende Speeiali- sirung oder Gliederung der Universitätsstudien handelt. Aber die Anforderungen, welche entstehen, sind so zahl- reich, die Verhältnisse, um die es sich handelt, noch so wenig methodisch geklärt, der Kreis der Lehrenden wie der Lernenden noch so wenig vorbereitet, dass es ganz unmöglich scheint, ohne weiteres einen allgemeinen Orga- nisationsplan aufzustellen. Es wird darauf ankommen, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 485 dass wir in ein Versuchsstadium eintreten, dass wir von vielen Punkten aus, hier von der einen, dort von der anderen Seite aus, wie gerade die Gelegenheit gegeben sein mag, die Inangriffnahme des Programms beginnen. Es gereieht mir zu besonderer Befriedigung, hier mittheilen zu können, dass meine Universität Göttingen seit einigen Jahren in die Bewegung eingetreten ist. Um nur Eins zu nennen, so ist es uns jetzt gelungen, beim physikalischen Institute Laboratoriumseinrichtungen zu schaffen, vermöge deren unsere Studirenden der Mathe- matik und Naturwissenschaft in der Lage sind, die gross- artigen physikalischen Processe, welche sieh in unseren Wärmemotoren und unseren Dynamomaschinen abspielen, eingehend kennen zu lernen und messend zu verfolgen, Ich erwähne dieses Beispiel aus doppeltem Grunde. Zu- nächst, weil es ein positiver Schritt ist, durch den wir eine nähere Beziehung der Universität zum Ingenieur- wesen anbahnen, dann aber, weil wir diesen Fortschritt, wie wir dankbar und rühmend anerkennen müssen, der privaten Initiative verdanken. Eine Anzahl hervor- ragendster Ingenieure und Firmen ersten Ranges hat sich zu einer Gesellschaft vereinigt, die uns nicht nur die erforderlichen Mittel gewährt, sondern uns auch mit ihrem Rathe unterstützt. Da haben Sie den gewünschten Contact mit dem heutigen Leben in voller, ich möchte sagen, in idealer Gestalt. Vielleicht wird Sie noch besonders inter- essiren, wenn ich zufüge, dass das Unternehmen ursprüng- lich von Düsseldorf aus in die Wege geleitet wurde. Möge dasselbe zahlreiche, glänzende Nachfolge finden! Die höheren Unterrichtsanstalten sind in Deutschland ja zunächst Staatsanstalten, und wir wissen den ausser- ordentlichen Vortheil, der hierin für die Sicherheit und die Ordnung des Betriebes und die gleichförmige Berück- siehtigung aller anerkannten Bedürfnisse liegt, voll zu schätzen. Aber das schliesst nicht aus, dass auch bei uns für das opferwillige Eintreten Einzelner Raum genug ist, nämlich überall da, wo es sich, wie im vorliegenden Falle, um Neubildungen handelt, bei denen der Staat mit einer endgültigen Beschlussfassung noch zurückhalten muss. Sie haben nun alle die Einzelheiten vor sich, hoch- geehrte Anwesende, die ich ihnen heute vorlegen wollte, und da es erübrigt, dass ich Ihnen einiges Wenige über die Beziehung der beiden Anstalten, der technischen Hochschule und der Universität, zu einander sage. Directe Verbindungen haben in vergangenen Jahren nur in sehr geringem Maasse bestanden, soweit etwa, als sich aus dem Umstande ergab, dass die Professoren der Mathe- matik, der Physik und der Chemie zwischen beiden An- stalten gelegentlich wechselten. Ob die Gesinnungen, welche die Anstalten gegen einander hegten, besonders freundliche waren, kann bezweifelt werden: die Uni- versität war geneigt, in der jüngeren Schwester einen Emporkömmling zu erblicken, und diese wieder empfand mit einiger Erregung die historische Vorreehtstellung der älteren Anstalt. Es scheint mir unzweifelhaft, dass es bei einem solchen negativen Verhalten fortan nicht sein Bewenden haben darf. Ich hoffe Ihnen nachgewiesen zu haben, dass die beiden Anstalten nicht nur zusammen- gehörige Zielpunkte verfolgen, sondern dass sie, wenn sie ihre Interessen richtig verstehen, sich immer mehr auf einander angewiesen sehen; sie müssen um ihrer selbst willen daran gehen, Arbeitsmethoden, Auffassungen, Kenntnisse, schliesslich auch Persönliehkeiten von ein- ander zu entlehnen. Um noch einmal das Wichtigste zu wiederholen: die technischen Hochschulen brauchen zur Entwickelung ihres Speeialunterriehts Einrichtungen nach Art der . Universitäten, diese letzteren wieder dürfen gegenüber den Fortschritten des Ingenieurwesens, wie ! der Neuzeit überhaupt, nicht länger die unbetheiligten 484 Naturwissenschafttliche Wochenschrift. XII. Nr. 41. Zuschauer spielen. Als man vor Decennien unternahm, die bis dahin bestehenden Gewerbeschulen zu technischen Hochschulen zu entwickeln, hat man die letzteren nach einigem Schwanken nicht an die Universitäten ange- schlossen und die technischen Unterrichtseinrichtungen, welche bis dahin in ziemlich grosser Zahl an den Uni- versitäten bestanden, verkümmern lassen. Es war ein verhängnissvoller Schritt, der ja der kräftigeren Ent- wiekelung des technischen Unterrichtswesens zeitweise zu Gute gekommen sein mag, der aber auch ein gut Theil all’ der Missstände und Schwierigkeiten zur Folge gehabt hat, unter denen wir heute leiden. Jedenfalls ‚scheint jetzt, wenn nicht alle Zeichen trügen, die Zeit gekommen, um die Kluft, die man damals geschaffen, wieder zu überbrücken! Das Erste, auf alle Fälle Erwünschte und auch Erreichbare dürfte sein, dass jede Anstalt bemüht sein soll, unbeschadet ihrer eigenen Zweckbestimmung sich der anderen anzunähern. Aber man kann fragen, ob man nicht weiter gehen soll, ob es wirklich auf die Dauer unmöglich sein wird, die technischen Hochschulen doch noch, wenn auch nur organisatorisch, als technische Facultäten an die Universitäten anzuschliessen. Es ist auch viel davon die Rede, an einer Universität, welche von allen bestehenden technischen Hochschulen abgetrennt liegt und bei der die Vorbedingungen gegeben waren, versuchsweise eine technische Facultät zu begründen. Ich betrachte es bei der heutigen Gelegenheit nicht als meine Aufgabe, zu derartigen Vorschlägen, welche neuer- dings von sehr bemerkenswerthen Seiten gemacht werden, Stellung zu nehmen. Mir genügt, den Gedanken von der inneren Zusammengehörigkeit, von der Solidarität der beiden Anstalten hier vertreten zu haben. Möge dieser Gedanke in der Oeffentlichkeit seinen Weg machen; dann haben wir die gesunde Grundlage für alle Organisationen, welehe die Zukunft bringen wird, gewonnen! General-Oberarzt A. l. s. Professor H. Tillmanns: Hundert Jahre Chirurgie. Ueberblicken wir die Geschichte der Chirurgie, so finden wir in früheren Zeiten besonders zwei hervor- ragende Epochen derselben, die eine etwa im 2. bis 4. Jahrhundert n. Chr. während der römischen Kaiserzeit, und die andere im 16. Jahrhundert besonders in Italien, vor allem aber in Frankreich und dann später auch in Holland und England. Der Aufschwung der Chirurgie im 16. Jahrhundert war vor allem bedingt durch die glänzende Förderung der Anatomie durch Vesal, Fallopia, Eustachio u. A. und sodann durch die Einführung der Schusswaffen. Gegen die Mitte des 18. Jahrhunderts tritt dann ein weiterer erfreulieher Fortschritt ein, weil sich der ehirurgische Unterricht auf den Universitäten in den verschiedenen europäischen Culturstaaten in bedeutsamer Weise entwickelt, und zwar besonders im Anschluss an die Errichtung cehirurgischer Lehranstalten für die Ausbildung von Militär-Chirurgen. 1731 wurde in Paris die Academie de cehirurgie gegründet (Marechal) und 1738 die Ecole pratique de chirurgie (Chopart, Desault). Erst 1795 wurde in Berlin die Pepiniere (jetzige Kaiser Wilhelms-Akademie) in’s Leben gerufen. T. schildert dann den Stand der Chirurgie vor 100 Jahren, am Ende des vorigen und am Anfang des 19. Jahrhunderts, wo besonders die französische und englische Chirurgie tonangebend waren und geht dann auf die moderne Chirurgie über. Drei grosse Errungenschaften sind es, durch welche die gewaltige Reform der modernen Chirurgie in den letzten Decennien herbeigeführt wurde: 1. die schmerzlose Ausführung der Operationen in der Narkose und unter Localanaesthesie, 2. die Antisepsis resp. Asepsis und 3. der zunehmende wissenschaftliche Ausbau der Chirurgie zum Theil auf naturwissenschaftlicher Basis im innigsten Anschluss an die übrigen wissenschaftlichen Zweige der gesammten Mediein, vor allem an die Physiologie, Patho- logie, pathologische Anatomie und Bacteriologie. T. bespricht die Einführung der Aethernarkose im Jahre 1346 durch die beiden Amerikaner Jackson und Morton, der Chloroform-Narkose durch Sinpson 1847 und geht dann auf die weitere Entwicklung der Narkose und der Localanaesthesie ein. Letztere hat sich in erfreuliehster Weise entwickelt und muss immer noch weiter ausgebildet werden, damit wir die gefährlichere Allgemein-Anaesthesie noch mehr entbehren können. T. giebt eine Uebersicht über die Mortalität der einzelnen Anaesthesica, welche für die gemischte Chloroform-Aether-Narkose am geringsten ist. Durch die schmerzlose Ausführung der Operationen seit dem Jahre 1846 erfuhr die operative Chirurgie eine ungeahnte Erweiterung, aber es fehlte noch die Sicherheit des Erfolges. Man war machtlos gegen die Wundinfeetions- krankheiten, welche zahlreiche Opfer verlangten, ja in manchen Hospitälern zuweilen in geradezu erschreekender Weise herrschten. Etwa im Jahre 1865 begann Lister in Glasgow zielbewusst seine antiseptische Operations- und Wundbehandlungsmethode, welche etwa 1574/75 in Deutsch- land allgemeiner eingeführt wurde und dann in kürzester Zeit ihren Siegeslauf durch die ganze gebildete Welt machte. Durch die rasch fortschreitende Bacteriologie wurde dann der Antisepsis immer mehr die ihr noch fehlende wissenschaftliche Grundlage geschaffen. An Stelle der ursprünglichen Antisepsis nach Lister bildete sich dann vor allem bei Operationen immer mehr die Asepsis aus. Durch die Antisepsis resp. Asepsis wurde dann die Chirurgie zu einer Höhe der Entwicklung eınpor gehoben, wie nie zuvor. T. erörtert genauer das Wesen der Anti- sepsis und Asepsis, durch welche die moderne Chirurgie von Grund aus umgestaltet wurde. Die moderne Chirurgie hat alle Organe des Körpers in den Bereich ihrer Thätigkeit gezogen. Die früher so lange bestandene isolirte Stellung der Chirurgie hat gänzlich aufgehört, sie ist mit allen Zweigen der Heilkunde auf das innigste verbunden, vor allem auch mit der inneren Mediein, mit welcher sie auf zahlreichen Grenzgebieten immer mehr zum Wohle unserer Kranken harmonisch zusammenarbeitet. Mit unserem fort- schreitenden Wissen und Können hat auch die eonservative Richtung in der Chirurgie in erfreulicher Weise zugenommen, die verstümmelnden Operationen werden immer mehr vermieden. T. sebildert dann kurz die gewaltigen Fortschritte der modernen Chirurgie bezüglich der einzelnen Organe des Körpers, z. B. besonders die Chirurgie des Schädels und Gehirns, der Wirbelsäule, des Rückenmarks und der Nerven, des Gesichts, des Halses, der Brust und Bauch- höhle mit ihren verschiedenen Organen, sowie der Ex- tremitäten. Der Schwerpunkt für die weitere Entwicklung der Chirurgie mit ihrer so vorzüglich ausgebildeten Technik liegt nach T. in der wissenschaftlichen Vertiefung der ehirurgischen Pathologie und dem innigsten Zusammen- arbeiten mit den übrigen Zweigen der gesammten Mediein, vor allem auch mit der inneren Medicin, behufs Erlangung neuer Aufgaben für unsere so leistungsfähige chirurgische Technik. T. sprieht sich vor allem dafür aus, dass die gesammte wissenschaftliche Mediein mit den Naturwissen- schaften stetige Fühlung behalte und mit naturwissen- schaftlichen Methoden arbeite. Nach dieser Richtung hin sind gerade unsere Naturforscher-Versammlungen von grösstem Werth. Vor allem streben wir jetzt darnach, XI. Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 485 auch ohne das Messer schwere Krankheiten, vor allem die chirurgischen Infeetionskrankheiten, die Vergiftungen des Körpers dureh Becteriengifte, mittels neuer therapeu- tischer Methoden zu heilen. Im Anschluss hieran geht T. auf die moderne Serum- behandlung der Diphtherie und des Tetanus über, ferner auf die Koch’sche Tubereulin-Behandlung, auf Pasteur’s Tollwuth-Therapie, auf die verschiedenen Thierimmuni- sirungen behufs Gewinnung von Heilkörpern (Antitoxinen) bei Allgemeinvergiftungen durch Baeterien, ferner auf die Örgantherapie. T. erklärt das Wesen und die Erfolge dieser neuen, bahnbrechenden, bereits so verheissungsvollen Therapie und hebt die unvergänglichen Verdienste hervor, welehe sich Virchow im Allgemeinen durch die Schaffung seiner Cellularpathologie und sodann speciell vor allem Robert Koch, Pasteur, Behring und zahlreiche andere, besonders deutsche Forscher um diese neue Aera der Heilkunde erworben haben. Ein werthvolles, naturwissenschaftliches Geschenk ist der Chirurgie durch die Röntgen-Durchleuchtung zu Theil geworden. Wenn das Verfahren auch den anfangs allzu sanguinisch gehegten Erwartungen optimistischerSchwärmer nieht entsprochen hat, so hat es sich doch bereits als ein werthvolles, diagnostisches Hülfsmittel besonders bei in den Körper eingedrungenen Fremdkörpern, bei Verletzungen, bei angeborenen und erworbenen Deformitäten der Knochen und Gelenke so bewährt, dass die Röntgen-Photographie in keinem Krankenhause fehlen sollte. Die Kriegschirurgie steht natürlich in Folge der gegenwärtig so vorzüglich ausgebildeten chirurgischen Technik auf einer viel höheren, leistungsfähigeren Ent- wicklungsstufe, als früher. T. bespricht kurz die Behandlung der Wunden im Kriege, besonders während der Schlacht auf dem Verbandplatz und in den Feldlazarethen. Er empfiehlt mit- Rüeksicht- auf das grosse Missverhältniss zwischen der Zahl der Verwundeten und der Aerzte während und nach der Schlacht für die erste Zeit nach der Verwundung — natürlich mit gewissen Ausnahmen — die exspectative Behandlungsmethode, ferner die aseptische Tamponade der Wunden, sorgfältige Immobilisirung der verletzten Körperstellen besonders für den Transport der Verwundeten u. s. w. Trotz der stetig zunehmenden Vervollkommnung der Schusswaffen glaubt T. nicht, dass die Zahl der Verwundeten in den Zukunftsschlachten im Vergleich zu früher erheblich grösser sein wird. T. zeigt durch verschiedene Beispiele, dass die Verluste in den grossen Schlachten der neueren Zeit, z. B. bei Königgrätz, Gravelotte, Sedan, Wörth, Mars la Tour, Plewna geringer waren, als früher, z. B. bei Leipzig, Aspern, Borodino, Eylau, Waterloo und Inkerman, weil der Nahkampf immer seltener geworden ist und der natürliche Schutz des Geländes besser ausgenutzt wird. Für die Unterbringung der Verwundeten inı Kriege empfiehlt T. vor allem Kranken- zelte und die Döcker’schen Baracken, falls geeignete fest- stehende Gebäude nicht genügend vorhanden sind. Für die Marine resp. für den in Zukunft wohl immer mehr Bedeutung erlangenden Seekrieg fordert T. entsprechend eingerichtete Lazarethschiffe. Alle patriotischen Ver- einigungen, welche ein warmes Herz haben für das Wohl unserer Soldaten, sollen auch ihrerseits schon in Friedens- zeiten dafür Sorge tragen, dass eine genügende Zahl von ausgebildeten, freiwilligen Krankenpflegern und dienöthigen Bedarfsgegenstände für den Krieg zu Wasser und zu Lande zur Verfügung stehen. T. bespricht sodann kurz die Wirkung der modernen Geschosse und verurtheilt besonders die von den Engländern im letzten indischen Grenzkriege benutzten partiellen Niekelmantelgeschosse (sog. Dum-Dum-Geschosse) wegen ihrer grausamen, gleich- sam explosiven Wirkung. Wenn man bedenkt, dass die dem Thier-Experiment mitzuverdankende, gewaltige Reform der modernen Chi- rurgie, ferner die Serumbehandlung der Diphtherie und die vielen anderen durch den Thierversuch erzielten Fort- schritte in der Mediein den gesunden und kranken Menschen täglich zum grössten Segen gereichen, dann begreift man durchaus nieht das inhumane Vorurtheil der Gegner des Thierexperiments. Auch in Zukunft sind die Versuche an Thieren für die wissenschaftliehe Forschung in der ge- sammten Mediein unentbehrlich, ihre Ergebnisse werden auch ferner unseren Mitmenschen immer mehr Krankheits- schutz und Krankheits-Heilung gewähren. Es ist gewiss, dass die Chirurgie bei ihrer weiteren Entwicklung auf der jetzigen Bahn noch bedeutungsvolle Fortsehritte erzielen wird, aber die späteren Geschlechter werden den Chirurgen des 19. Jahrhunderts die An- erkennung wohl nicht versagen, dass in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts das Fundament der modernen Chi- rurgie gelegt wurde. Und diese Zeit miterlebt zu haben, muss jedem Chirurgen der Gegenwart zu innerster Be- friedigung gereichen und Jedem die grösste Lebens- und Schaffensfreude gewähren. Die glänzenden Erfolge der modernen Chirurgie erfüllen uns mit Begeisterung für unseren herrlichen Beruf. Das Bewusstsein, unseren Mit- menschen wahrhaft nützen zu können, ihnen so oft Ge- sundheit und Leben zurückzugeben, ist für uns selbst eine nie versiegende Quelle wahrhaften inneren Glücks, welches Jeder doch nur in seiner eigenen Brust findet, vor allem in dem Bewusstsein treuer Pflichterfüllung. Auch nach aussen sollen alle Aerzte pflichtschuldigst in kraftvoller Einigkeit zusammenstehen, dann werden wir die uns oft niederdrückenden socialen Missstände sicher dureh eigene Kraft besiegen und bessern. Das Leben ist eine schwere Arbeit, theils für unsere Mitmenschen, theils an und in uns selbst: „Schaffen und Streben Allein nur ist Leben.“ Geh.-Rath Prof. Intze-Aachen: Ueber den Zweck, die erforderlichen Vorarbeiten und die Bauaus- führung von Thalsperren im Gebirge sowie über deren Bedeutung im wirthschaftlichen Leben der Gebirgsbewohner. Der Redner entrollt in seinem Vortrag ein hoch- interessantes Bild der umfangreichen Vorarbeiten und Aus- führungen, welche vor fast 20 Jahren eingeleitet wurden und in den letzten 10 Jahren in der Rheinprovinz und in Westfalen zur Durchführung gelangten, um die Wasser- verhältnisse im Gebirge zu verbessern. ; Erst in der neueren Zeit sind besonders zwei Momente die Veranlassung gewesen, dass man eine grössere Auf- merksamkeit den Wasserverhältnissen im Gebirge zu- wendet. Nachdem die schiffbaren Theile der Wasser- läufe in Deutschland und besonders in Preussen mehr und mehr ausgebaut sind und ein regelmässiges Bett erhalten haben, ist die Aufmerksamkeit der Bewohner in den Niederungen durch die Beeinträchtigung, welche diese regulirten Strecken dureh Hochwasseranschwellungen und deren Folgen erfahren, auf die Einwirkung gelenkt worden, die hierbei den Wasserläufen im Gebirge zuzuschreiben sein könnte. Andererseits ist im letzten Jahrzehnt eine unerwartete Steigerung des Werthes der Wasserkräfte dadurch eingetreten, dass die Möglichkeit nachgewiesen worden ist, die Wasserkräfte aus dem Gebirge durch elektrische Uebertragung auf grössere Entfernungen hin nutzbar zu machen. Die elektrische Ausstellung in Frank- furt a./M. vom Jahre 1891 hat in dieser Beziehung be- 486 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 41. Er a a Sn m RT IE I un Va m a ee MR kanntlich bahnbrechend gewirkt, da es gelang, auf 177 kn Entfernung 75°, derjenigen Leistung nutzbar zu machen, welehe am Ursprungsorte bei Lauffen am Neekar dureh eine Wasserkraft geboten war, wenn auch damals die hierzu aufgewandten Kosten noch nicht in dem wünschens- werthen Verhältnisse zu dieser Leistung standen, um eine derartige Ausführung als wirthschaftlich berechtigt ansehen zu können. Die seit dieser Zeit entwickelte fieberhafte Thätigkeit der Ingenieure der elektrischen Firmen und derjenigen Maschinen-Fabriken, welche sich mit der Aus- führung von Wasserkraftmotoren befassen — und in dieser Beziehung sind erfreulicherweise deutsche Firmen bahn- brechend vorangegangen — hat zu zahlreichen, durchaus gelungenen Kraftanlagen geführt, welche mit grossem Nutzen selbst auf grössere Entfernungen von 30-50 km Wasserkräfte elektrisch übertragen. Freilich ist hierbei noch der Uebelstand geblieben, welcher den Wasserkräften im Gebirge durch die Schwankungen der Wassermengen anhaftet, und man hat sich daher vorläufig meistens auf die Ausführung solcher Wasserkraftanlagen beschränken müssen, bei denen das Niedrigwasser als ausreichend gross für den vorliegenden Zweek anzusehen war. Sobald es nun gelingt, auch den ebengenannten Uebelstand zu beseitigen oder erheblich zu mildern, d. h. die zur Ver- fügung stehenden Wassermassen in Gebirgsthälern das Jahr hindurch möglichst gleiehmässig auszunutzen, darf man, wenigstens für praktische Zwecke, eine derartig verbesserte Wasserkraft als ein perpetuum mobile be- trachten, welches grosse Kraftwirkungen gleichmässig der Welt solange zur Verfügung stellt, als die Menschheit überhaupt die sonstigen Bedingungen zu ihrer Existenz in den Gebirgsthälern oder in deren Nähe erfüllt sicht. Diese elektrische Kraftübertragung hat noch die grosse Bedeutung, dass die an passender Stelle gesammelten Kräfte in einfacher Weise für Kraft- und Beleı.chtungs- zwecke und für Zwecke chemischer Industrieen beliebig und verhältnissmässig leicht vertheilt werden können. Es ist hierdurch ein Mittel geboten, auch in entlegenen Gegenden, wie im Gebirge, die Bevölkerung, welche oft aus Mangel an Beschäftigung gezwungen ist, auszu- wandern, auf ihrer heimathlichen Scholle festhalten zu können, indem ihnen daselbst eine lohnende Beschäftigung geboten wird. Die den Wasserläufen im Gebirge anhaftenden, vorhin genannten Mängel drängen selbstverständlich darauf hin, einen Ausgleich der Wassermassen anzustreben, indem die überflüssigen und meistens in ihrem Verlauf nur schäd- lich wirkenden Hochwassermengen in geeigneten Sammel- beeken zurückgehalten und aus denselben in trockener Zeit den Wasserläufen zugeführt werden. Durch diesen Ausgleich wird bis zu einer gewissen Grenze, je nach der Grösse der angelegten Sammelbecken und je nach der Grösse des abgesperrten Gebietes, eine Verminderung der grössten sekundlich abfliessenden Hochwassermengen eintreten müssen und damit eine Milderung ihrer Schäden bewirkt werden können. Bis zu welchem Umfange der durch solche Sammelbecken den unterhalb liegenden Ge- bieten zu gewährende Schutz gegen Hochwasserschäden reichen kann, bedarf natürlich ganz besonderer Unter- suchung, und wird dieser Sehutz nur in besonderen Fällen von hervorragender Bedeutung sein können. Immer wird aber die Summe der Wirkungen vieler kleiner Anlagen, die aus anderen Gründen geschaffen wurden, auch in dieser Richtung von Bedeutung werden können. Bevor nun an die Verbesserung der Wasserverhältnisse im Gebirge herangetreten werden kann, sind sehr umfang- reiche, sorgfältige Vorarbeiten erforderlich, die der Vor- tragende eingehend darlegt. Er beschreibt sodann in fesselnder Weise die bereits ausgeführten Thalsperren in Rheinland und Westfalen und fasst die Wirkungen, welche eine sachgemässe Auf- speicherung des Hochwassers im Gebirge und die Abgabe desselben in trockener Zeit den Gebirgsbewohnern bietet, wie folgt kurz zusammen: 1. Schaffung gleichmässiger Betriebskraft für die vorhandenen industriellen Werke in den Gebirgs- thälern, und Anregung zur Verbesserung und Ver- grösserung der Betriebswerke, sowie zur Ver- werthung noch ungenützter Wassergefälle. 2. Gleichmässige Ausnutzung der Arbeitskräfte und Erhöhung ihrer Leistungsfähigkeit. 3. Vergrösserung der sichtbaren Niedrigwassermengen der Wasserläufe und damit verbundene Ver- minderung ihrer Verunreinigung. 4. Verminderung der Vereisung der Wasserläufe im Gebirge und der Motoren an denselben dureh Ent- nahme grösserer Menge verhältnissmässig warmen Wassers aus den bekanntlich selten weniger als 5° Celsius warmen unteren Schichten eines grösseren Sammelbeckens. 5. Förderung der Wasserversorgung der Städte und der Bewässerung der Ländereien. 6. Vergrösserung des Wasserinhaltes der Grund- wasserbecken in trockener Zeit. 7. Verminderung der grössten sekundlichen Hoch- wasserabflussmengen und der durch sie veran- lassten Schäden. S. Verschönerung der landschaftlichen Reize der Gebirgsgegend durch grosse Wasserflächen; För- derung der Fischzucht, des Wasser- und des Eis- sports auf diesen Seeflächen und wesentliche Hebung jeglichen Verkehrs. 9. Schaffung einzelner grösserer. Kraftcentralen. und Vertheilung der Energie durch elektrische Ueber- tragung auf grössere Gebiete. 10. Schaffung einer wirthschaftlich gehobenen, ihrer heimathliechen Scholle erhaltenen, zufriedenen und glücklichen Bevölkerung der Gebirgsgegenden. 11. Verminderung des Zuzugs von Arbeitern aus den Gebirgsgegenden in die grossen Städte der Nie- derungen und Verminderung der damit vielfach verbundenen wirthschaftlichen und sozialen: Miss- stände. Wenn man bei ruhiger Erwägung und auf Grund nachgewiesener T'hatsachen die eben aufgeführten, oft überraschend schnell eintretenden Wirkungen der Sammel- becken in Gebirgsthälern anerkennen darf, so wird man auch zugeben müssen, dass mit der Aufspeicherung der bisher wenigstens theilweise schadenbringend ablaufenden Hochwassermengen nicht nur die Arbeitskraft des ponde- rablen Wassers rechtzeitig gefesselt und der Menschheit segenbringend dienstbar gemacht wird, sondern dass hier- durch auch die Imponderabilien gepflegt werden können, auf welche gerade das deutsche Gemüth mit Recht so hohen Werth legt. Es ist eine dankbare Aufgabe für Alle, die hierbei mitzuwirken berufen sind, die Bestrebungen und Aus- führungen zu unterstützen, welche die thatkräftigen, weit- schauenden Bewohner der schönen Gebirgsthäler Rhein- lands und Westfalens in Treue zum Kaiser und Könige, in Liebe zur engeren Heimath und zum deutschen Vater- lande zum Segen der Nächsten und zur dauernden Wohl- fahrt nachkommender Geschlechter vielfach mit grossen Opfern unternommen haben. Der Vortragende giebt schliesslich dem Wunsche Ausdruck, dass die Erforschung und Verwerthung der Naturkräfte, welche das Wasser und die Felsmassen im XII. Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 487 Gebirge der Menschheit bieten, den zunächst betheiligten Gebirgsbewohnern und allen übrigen Angehörigen des geliebten deutschen Vaterlandes zur Förderung nicht nur des materiellen, sondern auch des geistigen Wohles dienen möchten! Martius-Rostock: Krankheitsursachen und Krankheitsanlage. Prof. Anknüpfend an eine Arbeit R. Virchow’s über Krank- heitswesen und Krankheitsursachen aus dem Jahre 1550 erklärt Martius, dass — entgegen der vielgeäusserten Tagesmeinung von der wesentlich aetiologischen Bedeutung der modernen Heilkunde die wissenschaftliche Mediein von jeher gerade damit gerungen hat, sich von dem ein- seitigen naiv aetiologischen Denken frei zu machen. Scharf und bestimmt kommt diese in der vorbacteriolo- gischen Zeit wissenschaftlich allgemein herrschende Stim- mung in der vortrefflichen allgemeinen Pathologie von Uhle und Wagner zum Ausdrucke. „Die Aetiologie“, heisst es dort, „die Lehre von den Ursachen der Krank- heit, ist eines der schwächsten Capitel der Pathologie. Im Begriffe der Ursache liegt es, dass ihre Wirkung mit Nothwendigkeit eintritt. Für sehr wenige Krankheiten können wir aber eine einzelne Einwirkung anführen, welche dieselben mit Nothwendigkeit hervorbrachte, z. B. bei mechanischen Ursachen, Parasiten, Arzneien, Giften“ etc. „Was wir von den ursächlichen Verhältnissen der inneren Krankheiten wissen, bezieht sich grösstentheils nicht auf Ursachen im strengen Sinne der Logik, auf causae sufficientes, welche allein jederzeit die und die Wirkung hervorbringen müssen, sondern auf complexe Ver- hältnisse, unter deren Einfluss manchmal, bald sehr häufig, bald seltener . Krankheiten zum Ausbruche. kommen.“ Dieser Widerspruch zwischen den Forderungen der Logik, für die es eine causale Verknüpfung ohne Nothwendigkeit nicht giebt und der täglichen Erfahrung, dass ein be- stimmtes äusseres Agens — eine Erkältung, ein Parasit, ein Gift — scheinbar ganz willkürlich das eine Mal die Krankheit „verursacht“, das andere Mal nieht, bleibt un- überbrückt. Das war der Stand der Frage, als der starke Strom der Bacteriologie, alles mit sich fortreissend, in die- selbe eingriff. Durch den mit glänzender Teehnik dureh- geführten, exacten Nachweis des längst geahnten Con- tagium vivum als Krankheitsursache schien zum ersten Mal — wenigstens auf einem Theilgebiete der Mediein, dem der Infeetionskrankheiten — der alte logische Gegen- satz zwischen der Forderung der Nothwendigkeit causaler Verknüpfung und der so oft beobachteten Zufälligkeit der Krankheitsentstehung ausgeglichen. Jedes Individuum einer überhaupt empfänglichen Species erkrankt der neuen Lehre zufolge mit unfehlbarer Sicherheit jedesmal dann, wenn die Infeetion mit dem betreffenden pathogenen Mikroorganismus wirklich erfolgt ist. Danach sind die Mikrobien alleinige und ausreichende Ursache der Krank- heit. Sie erzeugen dieselbe mit Nothwendigkeit. Die ungeheure Bedeutung, die diese durch das Thier- experiment gewonnenen Thatsachen erlangten, lag in ihrer — voreiligen — Uebertragung auf die menschliche Patho- logie. War dieselbe richtig, so musste jede natürliche In- feetion eines Menschen mit einem speeifischen Krankheits- erreger von der typischen Krankheit gefolgt sein. Nicht wenig Verwirrung hat es angerichtet, dass diese dem rein aetiologischen Denken als selbstverständlich er- scheinende Annahme sich als falsch erwiesen hat. Nach Rumpf befanden sich unter 60 Fällen, bei welchen in der Cholera-Nachepidemie in Hamburg im December und Januar 1892/93 Kommabaeillen in den Dejeetionen gefunden wurden, nieht weniger als 19 Per- sonen, bei welchen Störungen des Allgemeinbefindens fehlten oder kaum vorhanden waren, 6 Fälle, welche längere Zeit unter Beobachtung standen, hatten Komma- bacillen neben festem Stuhl und zeigten überhaupt keiner- lei Krankbeitserscheinungen. Dass Beobachtungsfehler vorliegen, ist schon des- wegen unwahrscheinlich, weil bei der Diphtherie und selbst bei der Tubereulose die Verhältnisse ähnlich liegen. Je mehr und je genauer man untersucht, desto mehr häufen sich die Befunde von gesunden Menschen, die im Thierexperiment als virulent erweisbare speeifische Krank- heitserreger anstands- und schadlos beherbergen. Wie sollen wir uns diesen Thatsachen gegenüber verhalten? Sollen sie uns an der aetiologischen Beziehung des Kommabaeillus zur Cholera, des Löffler’schen Stäb- chens zur Diphtherie, des Tuberkelbaeillus zur Phthise überhaupt irre machen? Ernsthaft kann davon gar keine Rede sein. Der Fehler liegt nur in der Deutung der Thatsachen, Denn dass die pathogene Beziehung zwischen Mensch und Erreger ausschliesslich von der Natur des letzteren abhänge, während der Mensch nur indifferenter Nährboden sei, das ist nichts Anderes als eine ganz willkürliche Hypothese der Bacteriologie selbst. Wenn also dieser Jungen, machtvollen Wissenschaft Schwierigkeiten aus den erwähnten Thatsachen erwachsen sind, so trägt sie selbst die Schuld daran, Nur mit den Thatsachen haben wir zu rechnen, Diese beweisen aber als Erstes, dass Infeetion und Erkrankung keineswegs sich deckende Begriffe sind. Freilich giebt es keine Infeetionskrankheit ohne In- fection. Aber nieht umgekehrt, Nicht jede Infection ist von einer Erkrankung gefolgt. Es giebt, ganz populär ausgedrückt, Dinge, die dem Einen schaden und dem Anderen nicht. Das gilt nicht bloss von Gurkensalat und Weissbier, sondern auch von Cholera- und Tuberkelbaeillen, Wäre es richtig, dass der Tuberkelbaeillus, auf andere Individuen übertragen, stets Tubereulose hervorruft, so wäre es um die Menschheit schlimm bestellt. Aber glücklicherweise gehört zum Ausbruche der Krankheit nach erfolgter Infeetion (d. h. nach erfolgter Invasion des Erregers) noch etwas Anderes, nämlich, dass das infieirte Individuum aueh erkrankungsfähig ist. Nur die grundsätzliche Vernachlässigung dieses zweiten Etwas hat zu der einseitigen Gestaltung des Begriffes „pathogen“ führen können, die uns immer wieder irre führt. Es ist ganz falsch, von pathogenen Bacterien schlecht- hin zu reden. Es gehört dazu immer der Nachweis für wen und unter welchen Umständen. Aehnlich steht es mit dem viel berufenen Begriff der Speeificität, Der Fehler der orthodoxen Bacteriologie be- stand darin, dass sie von vornherein das den Vorgang determinirende Moment einseitig in der besonderen Natur des lebenden Erregers sah. Thatsächlich ist umgekehrt in vielen Fällen die Reaction des lebenden Gewebes auf den krankmachenden Reiz das eigentlich Speeifische des Vorganges. Von diesem Standpunkt aus erörtert Redner eingehend den Begriff der Disposition, unter welchem er mit Gott- stein eine variable Grösse versteht, welehe das Wechsel- verhältniss zwischen der Constitutionskraft des Menschen und der auslösenden Energie eines bestimmten Erregers angiebt. Die Auffassung, die das causale Verhältniss zwischen Krankheitsanlage und Krankheitsauslösung bei den In- feetionskrankheiten erklärt, beschränkt sich nun aber nicht bloss auf diese — sie stellt ein allgemeines Prinzip dar, 488 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XII. Nr. 41. dass die Pathogenese innerer Krankheiten überhaupt be- herrscht. Nachdem Redner diesen Gedanken an dem Beispiel der functionellen Neurosen, sowie gewisser Organerkran- kungen genauer erörtert hat, schliesst er mit der Auf- forderung, dass jetzt, wo der Staat mit seinen gewaltigen Machtmitteln die grosse Kulturaufgabe der Krankheits- bekämpfung und Seuchenverhütung in die Hand nimmt, nicht einseitig das Studium der Krankheitsursachen, son- dern ebenso die Erforschung und Bekämpfung der Krank- heitsanlage wissenschaftliche und praktische Berücksichti- gung finden müsse. Prof. van t’Hoff: Ueber die zunehmende Be- deutung der anorganischen Chemie. Redner umschreibt zunächst das Wesen von an- organischer und organischer Chemie dahin, dass ersterer wesentlich die einfachere Aufgabe, Abbau bis zu den Elementen, zufällt; letzterer. das verwickelte umgekehrte Problem. Erstere feiert dementsprechend ihre grössten Triumphe bei Neuentdeckung von Elementen; letztere bei der Synthese von stets mehr eomplicirten Verbindungen. Erstere findet in dem die sämmtlichen Elemente um- fassenden periodischen System ihr höchstes Resultat, letztere in der räumlich ausgebildeten Konfigurationsformel als Bild der Zusammensetzung. Der Entwicklungsgang der Gesammtehemie ist dem- entsprechend dadurch charakterisirt, dass neue Grund- auffassungen zunächst im einfachen anorganischen Gebiet aufblühen und erst später in der organischen Chemie Anwendung finden. So ging es in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts; das fundamentale Gewichtsgesetz führte zunächst auf anorganischem Gebiete zur Molekular- auffassung und Atomistik, während erst später dessen Anwendung auf organischem Gebiete zur Valenz- und Strukturlehre, schliesslich zur Stereochemie führte. Redner wendet sich dann zur Jetztzeit und hebt hervor, dass eben jetzt die anorganische Chemie im Auf- blühen begriffen ist. Einerseits ist eine Reihe von glücklichen Entdeckungen von fundamentaler Bedeutung zu erwähnen, die beweisen, wie wenig abgearbeitet das anorganische Gebiet ist, u. A. nicht weniger als fünf neue, höchst merkwürdige | Elemente: Argon, Helium, Metargon, Neon, Krypton. Anderseits ist es die Anwendung der Elektrieität als Heizquelle und als Trennungsmittel: die leichte Darstellung von Carborundum, Caleiumearbid, Aluminium, Chrom und den seltenen Metallen wird als Beispiel angeführt. Dann aber tritt als sehr wesentliches Moment hinzu: die Neubelebung der Chemie durch Anschluss an die Physik, speciell an die Wärmelehre, welche jetzt in erster Linie der anorganischen Chemie zu Gute kommt, wie Anfangs dieses Jahrhunderts die Einführung des Gewichts- gesetzes. Privatdocent Dr. Martin Mendelsohn (Berlin) hielt den Scehlussvortrag der allgemeinen Vorträge der öffent- lichen, gemeinsamen Sitzungen über „Die Stellung der Krankenpflege in der wissenschaftlichen The- rapie“. — Schon aus der Thatsache, dass die Natur- forscher-Versammlung die Krankenpflege zum Gegenstande eines Vortrages in der allgemeinen Sitzung gemacht habe, die stets nur wissenschaftlichen Erörterungen gehöre, ist die Bestätigung dafür zu ersehen, dass die Krankenpflege durch die Entwicklung der letzten Jahre eine Wissenschaft geworden sei. Mendelsohn unterscheidet scharf zwischen drei Diseiplinen, die insgesammt die Krankenpflege bilden: | biologische Therapie. einmal der Krankenversorgung, wozu. das Krankenhaus- wesen, die verschiedenen Organisationen für Krankenpflege, die Kriegskrankenpflege und überhaupt jede Form der öffentlichen Krankenpflege gehören; sodann der Kranken- wartung, welche die unmittelbaren Dienstleistungen am kranken, an der Selbstbethätigung behinderten Körper darstellt; und zu dritt der wissenschaftlichen, therapen- tischen Krankenpflege, der von ihm sogenannten Hypurgie, welche eine der exacten Begründung und Erforschung zu- gängliche und den anderen therapeutischen Diseiplinen durchaus gleichwerthige Methode der Therapie bildet. Zur Darlegung und Begründung der therapeutischen Wirksamkeit der Heilmittel der Krankenpflege wird zu- | nächst der prineipielle Unterschied zwischen „ehirurgischer* ' und „interner“ Heileinwirkung erörtert. Jede chirurgische Therapie ist: morphologische, jede interne Therapie ist Während die Chirurgie sich mit ihrer Einflussnahme nur an das anatomische Substrat des Organismus wendet, richtet in prineipiellem Gegensatze hierzu jede interne Art der Therapie sich ausschliesslich nur an die Functionen des Organismus. Und da der Begriff der ausreichenden Function, sei es des gesammten Organismus oder seimer verschiedener Organe oder einer einzelnen Zelle, immer nur ein relativer ist und abhängig ist von dem jeweiligen Anspruch an die Function, so. ist, da die „Krankheit“ erst dann einsetzt, wenn Anspruch und Leistung aufhören im Einklang zu stehen, die Auf- gabe jeder internen Therapie dahin zu präeisiren: einen möglichsten Ausgleich herzustellen zwischen Functions- anspruch und Functionsgrösse. Ist dieser Ausgleich ein vollständiger, so hat die Therapie ihre gesammte Aufgabe in vollkommener Weise erfüllt; und es ist zu diesem Be- hufe gleichwerthig, ob die Functionsgrösse erhöht oder der Funetionsanspruch vermindert wird. Nun lässt sich natürlich auf eine Funetion des be- lebten Organismus nicht anders als durch Reize ein- wirken. Dabei aber kommt ausschlaggebend in Betracht, dass die Grösse der Reaetion keineswegs etwa allein von der Grösse des Reizes abhängig ist, sondern in erster Hinsicht von der Summe der in ‘der Zelle oder dem Zelleneomplex aufgehäuften Spannkräfte, welche der äussere Reiz in lebendige Kraft umsetzt, von der Irri- tabilität; so dass unter Umständen schon ein wenig in- tensiver Reiz eine lebhafte Reaction auszulösen vermag. Alle unsere Reize aber, chemische oder mechanische, thermische oder optische oder andersartige, deren wir uns zu therapeutischer Einwirkung bedienen, sind in allen Methoden der Therapie die gleichen, nur eben in ver- schiedenen Vehikeln und in verschiedenen Einkleidungen. Und gerade die Krankenpflege besitzt solche Vehikel in ihren Heilmitteln in ausnehmend grosser Zahl. Die Krankenpflege hat aber mit ihren Mitteln zwei grosse, eigene Wirkungsgebiete vor den andersartigen Heilmitteln und Methoden voraus. Jede andere therapeu- tische Methode, mit geringfügigen Ausnahmen, schafft sich für ihre. Bethätigung neue Reize in neuen Vehikeln, verwendet künstliche, eigens hergestellte Reize, während die Krankenpflege daneben auch die jederzeit vorhandenen, die ohnedies einwirkenden natürlichen Reize regelt und gestaltet; und jede andere therapeutische Methode setzt immer nur am Körper des Kranken selber an, während die Krankenpflege auch die ausserhalb belegenen Objecte seiner Umgebung, von denen wesentliche Reize auf. den kranken Organismus ausgehen, in den Kreis ihrer Einfluss- nahme zieht. Mendelsohn unterscheidet somit zwischen esoterischer Therapie, welche am Körper des Kranken ihre Reize unmittelbar applieirt, und exoterischer Therapie, bei welcher der gleiche schliessliche Effeet indireet, durch Gestaltung der ausserhalb im Raume befindlichen Objecte, XI. Nr. 41. erreicht wird. Wie ausserordentlich gross diese Einfluss- nahme auf die Funetionen des Organismus durch derartige, von aussen herrührende Reize ist, belegt der Redner durch eine grosse Zahl, exact und experimentell er- wiesener Beispiele, welche darthun, in wie wesentlichem Umfange die Secretion des Magensaftes, die Wärmeab- gabe des Körpers durch Strahlung und Leitung, die Diaphorese, die Expectoration, die Blutbildung, dieSchmerz- empfindung und eine unendliche Zahl anderer Funetionen von der Einwirkung der Mittel der Krankenpflege ab- hängig sind. Und ganz besonders sind es die psychischen Einflussnahmen, welche die weitestgehenden somatischen Folgen im Organismus hervorrufen, wie sich gleichfalls im grossem Umfange exact erweisen lässt. Auch die esoterischen Maassnahmen der Krankenpflege, die directen Manipulationen der Krankenpflege am Körper des Kranken selber, haben den gleichen Effect; von ihnen ist in nach- weissbaren Grössen Blutdruck und Athmung, Perspiration Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 489 und Schlaf abhängig, sie sind im Stande Atelestasen und Hypostasen der Lunge, Erstickungsanfälle und eine grosse Zahl anderer Erschwerungen des Krankheitszustandes zu verhüten. Da die gleichen heilenden Reize, wie von allen andersartigen „Mitteln“, auch von den Heilmitteln der Krankenpflege ausgehen, und da diese in einem weit grösseren Umfange zur Anwendung und Wirkung kommen, als die übrigen Heilmittel, so wird es fortan unerlässlich sein, bei der fortschreitenden Erforschung der therapeutisch überhaupt wirksamen Reize auch derjenigen ihrer Ver- wendungsformen, welche die Krankenpflege darstellt, eine ausreichende und gleichwerthige wissenschaftliche Be- achtung zu Theil werden zu lassen. Die nächstjährige Versammlung der Gesellschaft soll in München stattfinden. Der Kropf, eine mehr oder minder starke Anschwellung der Schilddrüse, ist in manchen Gegenden, namentlich Gebirgsgegenden, endemisch, so auch in dem französischen Departement Puy-de-Döme. Die Ursache dieser Missbildung war bisher in Dunkel gehüllt. Jetzt glaubt der in der genannten Gegend lebende Arzt Dr. E. Grasset den Erreger der Krankheit festgestellt zu haben; er berichtet darüber in den „Comptes rendus hebd. de l’Acad. d. Se.“ 1898, II, S. 75 wie auch in der „Revue scientifique* 1898, II, S. 119. Grasset hat mehrfach beobachtet, wie der Kropf auftrat in Folge der monatlichen Regel, des Wochen- bettes, einer besonders heftigen Gemüthserregung, einer starken Erkältung, ferner zeigte sich der Kropf, was bisher noch nicht beobachtet war, im Verlaufe eines leichten Fiebers und nach einer Verdauungsstörung. Die Kropfkrankheit steht in merkwürdiger Parallele zu dem Sumpffieber. Wie bei diesem eine Vergrösserung der Milz eintritt, so zeigt sich hier eine Erweiterung der vorn am Halse zu beiden Seiten der Luftröhre liegenden Schilddrüse; beide Krankheiten sind ferner ziemlich scharf - geographisch begrenzt, und jede führt im höchsten Grade ihrer Entwickelung zu einem schlechten Ernährungszustand des Körpers (Kachexie), der Kropf zum Kretinismus, das Sumpffieber zur Malariakachexie. Nachdem Grasset den Kropf als eine Infectionskrankheit erkannt hatte, ging er daran, nach dem Erreger der Krankheit zu forschen, indem er das Blut der Erkrankten untersuchte. In alten, vor- geschrittenen Fällen konnte er kein anormales Element im Blute finden, dagegen zeigten sich bei acht Leuten, welche nach ihrer Aussage erst seit 10—15 Tagen am Kropfe litten, im Blute merkwürdige Lebewesen, welche mit den Hämatozoen, die Laveran im Blute von Malaria- kranken fand (vergl. „Naturwiss. Wochenschr.“ 1895, S. 623, im „Briefkasten“), grosse Aehnlichkeit haben. Sie treten wie diese in verschiedenen Formen auf. Die ersten sind sphärische Körper, grösser als die Blut- körperchen, ohne Zellkern, aber mit Körnuchen, welche ein rothes Pigment enthalten. Die zweite Form ist die Flagellumform, deren Länge das Vierfache des Durch- messers der Blutkörperchen beträgt. Die dritte Form wird dargestellt durch segmentirte Körper, welche entweder vereinigt oder in ihre einzelnen Theile getrennt sind; sie enthalten mitunter auch rothe Pigmentkörner, und ihre Theilstücke haften häufig an den Blutkörperchen fest. Die vierte Form endlich besteht aus einem Körper von unregelmässigen Contouren, ohne Kern, aber mit unbe- stimmt gruppirten rothen Pigmentkörnern. Diese Körper unterscheiden sich von den verschiedenen Formen des Laveran’schen Malariaparasiten eigentlich nur dadurch, dass bei ihnen ziegelrothe Pigmentkörner auftreten und dass die sichelförmigen Körper fehlen. Grasset weist noch ausdrücklich darauf hin, dass die von ihm unter- suchten Personen nicht die geringste Spur von Sumpffieber aufwiesen. Auch den von Danilewsky im Blute von anscheinend gesunden Vögeln, Schildkröten und anderen Thieren gefundenen Parasiten stehen die neu aufgefundenen kleinen Lebewesen nahe. S. Sch. Die Meersäugethiere von Yarmouth im der Graf- schaft Norfolk in England bespricht A. Patterson im Juliheft des „Zoologist“. Yarmouth liegt direet an der Nordsee, an der äussersten Ostspitze von England; es ist seit vielen Jahren berühmt als Hauptort des englischen Heringsfanges, aber auch grössere Meerthiere sind hier zu beobachten, häufiger, als man annehmen möchte. Der gemeine Seehund, Phoca vitulina L., ist in der Umgebung von Yarmouth ein recht häufiges Thier, ja es scheint, als ob seine Zahl in den letzten Jahren zugenommen habe, was auch nicht zu verwundern wäre, da die dortigen Fischer im Gegensatz zu ihren Collegen anderwärts ihm nichts zu Leide thun. Im Jahre 1896 konnte ein Zoll- wächter einen Seehund tödten, der auf dem Sande am Meeresufer schlief, und im vorigen Jahre wurden mehrere Exemplare bei einem heftigen Sturme ans Land ge- schleudert. Im Jahre 1891 kam ein Seehund ganz nahe an das Land, erfasste den Kabeljau, den ein auf dem Hafendamm sitzender Fischer schon an der Angel hatte, und entwich mit seiner Beute, indem er die Schnur zer- riss. Der graue Seehund oder die Kegelrobbe, Halichoe- rus grypus Nilss., erscheint seltener, zwei Stück wurden 1851 gefangen, eins 1832 und eins 1897. Das Walross, Trichechus rosmarus L., ist früher ziemlich häufig gewesen, Jetzt ist es jedoch sehr selten; in der letzten Zeit wurde nur ein Schädel mit nur einem Hauer bei Gelegenheit eines Dredgezuges mit aus dem Meere gefischt. Von Walen kommen hier mehrere Arten vor. Der atlantische Wal, Balaena biscayensis, scheint allerdings verschwunden zu sein, seit 1754 ist keiner wieder gesehen worden. Von dieser Walart sind noch einige Oberkiefer in Yarmoutlı zu schen, einige als Thürbogen aufgestellt am Eingange in Gärten, andere in das Mauerwerk ein- geschlossen. Der gemeine Finnwal, Balaenoptera museulus L., fing sieh früher häufig in den Netzen der Fischer, wird jedoch jetzt nicht mehr gefangen; 1857 strandete einer an der Küste, sein Schädel wird in einem dortigen 490 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. ‚Nr. 41, Museum aufbewahrt. Der kleine Finnwal, Balaenoptera rostrata 1"., ist häufiger, noch 1891 wurde ein solcher im Hafen gefangen; ein todtes, schon in Verwesung überge- gangenes Exemplar strandete im December 1896. Von einem Pottwal, Physeter macrocephalus L., wird ein Theil des Schädels in der Kirche St. Nieolas aufbewahrt und wurde dort lange Zeit unter dem Namen „Teufelsstuhl“ gezeigt; dieser Schädel hat ein beträchtliches Alter und wird schon im Anfang des 17. Jahrhunderts in einem Kirehenbuche erwähnt. Die Art wird jetzt nicht mehr angetroffen. Auch der Entenwal oder Dögling, Hyperoodon rostratum Werm., von dem 1796 und 1816 je ein Exemplar gefangen wurde, scheint verschwunden zu sein. Dagegen erscheint der Sehwertfisch, Orca gladiator Gray, wieder häufiger. Der gemeine Braunfisch, Phocaena eommunis Cuv., ist oft zu sehen, er begegnet den Fischern oft auf ihren Fahrten und steigt auch in den Flüssen aufwärts. Ebenso häufig ist der weissschnäuzige Delphin, Delphinus albirostris, 1885 wurden sechs Stück gefangen, 1890 eins, 1591 ‘mehrere und 1894 ein trächtiges Weibchen. S. Sch. Der Kampf gegen die San Jose-Schildlaus (vergl. „Naturwiss. Wochenschr.* 1898, S. 189 ff.) wird in den Vereinigten Staaten von Nordamerika auf energische Weise weitergeführt. Der Staatsentomologe Dr. L. O. Howard, Chef der entomologischen Division des Depar- tements für Ackerbau zu Washington, hat soeben als Bulletin Nr. 12 (neue Reihe) der Abhandlungen genannter Division ein Heft herausgegeben mit dem Titel „The San Jose Scale in 1596—1897*, in welchem er zunächst über die geographische Verbreitung der Schildlaus in Nord- amerika sowie über ihre nächsten Verwandten und ihre Futterpflanzen spricht; hierauf nennt er ihre natürlichen Feinde und die Bekämpfungsmittel und endlich führt er die Gesetze an, welche in den verschiedenen Ländern aus Anlass des Auftretens der Schildlaus erlassen worden sind. Die Arbeit bildet die Fortsetzung eines früheren Berichtes von demselben Autor, der im Jahre 1896 als Bulletin Nr. 3 obiger Abhandlungen erschienen war. In- dem wir auf diesen Bericht wie auf den oben angeführten Aufsatz von Dr. F. Krüger in unserer Zeitschrift ver- weisen, wollen wir hier nur über den Theil des Howard- schen Bulletins berichten, welcher von den natürlichen Feinden der San Jose -Schildlaus und von den Be- kämpfungsmitteln handelt. Als Parasiten der San Jose-Schildlaus hat man aus Exemplaren aus dem Süden der Vereinigten Staaten Aspidiotiphagus eitrinus und aus Stücken aus dem Norden Aphelinus fuseipennis gezogen, ohne dass es jedoch ge- lungen wäre, diese Thiere in dem Vernichtungskampfe gegen die Schildlaus mit Erfolg zu verwenden. Ebenso war es mit mehreren Coceinelliden, von denen besonders Pentilia misella als Feind der Schildläuse bekannt ge- worden war. Nachdem nämlich 1890 Albert Koebele aus Alameda in Californien verschiedene nützliche Insecten aus Australien auf den Sandwichinseln und auf Hawai mit glücklichem Erfolg eingeführt hatte, glaubte man dieses Verfahren auch im Kampfe gegen die San Jose- Schildlaus mit Vortheil anwenden zu können, doch blieb der Erfolg aus, trotzdem der Staat New Jersey sich 1896 die Einführung derartiger Inseeten 1000 Dollars hatte kosten lassen. Grosse Hoffnungen setzt man jetzt auf einen Pilz, Sphaerostilbe eoccophila, über den Professor P. H. Rolfs eine längere Arbeit im Bull. 41 der Arbeiten der Ackerbau-Station zu Florida veröffentlicht hat. Der Pilz ist durch den ganzen Süden der Vereinigten Staaten verbreitet, Rolfs hat experimentell nachgewiesen, dass der Pilz unter den San Jose-Schildläusen eine tödtliche, rasch um sich greifende Krankheit verursacht und dass er durch Culturen und infieierte Zweige leicht übertragen werden kann. Er züchtete Reineulturen des Pilzes auf Brot und schüttelte dieses Brot in Gefässen mit Wasser, bis sich die Sporen in dem Wasser vertheilt hatten; dieses Wasser wurde dann auf die Bäume gesprengt oder mittelst eines Tuches oder Schwammes übertragen. Die Versuche wurden im Hochsommer des Jahres 1396 ausgeführt, und im Februar 1897 überzeugte man sich von dem Resultat derselben. Vier Versuche konnten als gelungen bezeichnet werden, während drei nicht gelungen waren und ein achter Versuch unentschieden blieb. Professor Rolfs hat seitdem in verschiedenen Gegenden der Vereinigten Staaten Reineulturen des Pilzes vertheilt und hofft auf günstige Resultate. Von mehreren Orten ist ihm sehon Mittheilung zugegangen, dass der Pilz viel Schildläuse getödtet hat. Als ein gutes Bekämpfungsmittel hat sieh bisher immer noch die Walfischölseife bewährt, mit welcher zur Winterzeit die befallenen Stämme und Zweige dick ein- geschmiert werden. Sind aber auch nur wenige San Jose-Schildläuse entwischt, so ist bei der starken und schnellen Vermehrung des Thieres bald alles wieder ver- seucht. Ueber die in der neuesten Zeit mit viel Erfolg angewandte Bekämpfung mittelst Blausäuredunst hat schon der Krüger’sche Aufsatz kurz berichtet. Besprengungen resp. Abwaschungen mit reinem Petroleum ergaben, in der richtigen Weise vorgenommen, in dem Berichtsjahre bessere Resultate als in den früheren Jahren, ebenso gut wirkten Petroleum-Emulsionen, sowohl in einer Mischung von 1 Theil Petroleum mit 4 Thheilen Wasser als in der viel schwächeren Lösung von 1 Theil Petroleum in 15 Theilen Wasser. Stark befallene Zweige sind am besten ganz herauszuschneiden. S. Sch. Die Gattung Peripatus Gldg. ist bekanntlich das einzige Genus der eine eigene Klasse der Gliederfüsser bildenden Onychophoren, welche nach einander zu den Weichthieren, Würmern und Tausendfüssern gestellt worden sind und in ihrer äusseren Erscheinung den Anneliden am nächsten kommen. Obgleich fossile Reste von ihnen nicht bekannt sind, hält man sie für eine sehr primitive Thier- gruppe und nimmt ihr Alter als ein sehr hohes an. Man hatte Peripatus-Arten bisher gefunden in Amerika (Antillen, Mittelamerika, ein Theil von Südamerika), Afrika (Cap der guten Hoffnung) und Oceanien (von Ostaustralien bis nach Neuseeland), und nach diesem getrennten Vorkommen hat Poeock drei Gattungen unterschieden, die sich jede für sich entwickelt haben sollen. Nun hat aber Thollon neuerdings eine Peripatus-Art am Gabun in Nordafrika gefunden, die von den bisher bekannten Arten in mancher Hinsicht abweicht. Prof. E. L. Bouvier vom Natur- historischen Museum zu Paris benennt diese Art nach ihrem Entdecker Peripatus Tholloni und berichtet darüber in den „Comptes rendus de l’Acad. d. Se.“ 1898, I. Hälfte, S. 1358. Diese neue Art, welche zwischen den bekannten Speeies, speciell zwischen den amerikanischen und den südafrikanischen, eine vermittelnde Stellung einnimmt, hat wichtige Schlüsse über die geographische Verbreitung und die Entwickelung der Gattung gestattet. Während die amerikanischen Arten 27—42 Paar Beine haben, die bei den einzelnen Exemplaren an Zahl variiren, besitzen die australischen Arten 17—21 Paare; die neue Species nimmt eine Mittelstellung ein, insofern sie 24—25 Bein- paare besitzt. Die Bewaffnung der Kiefer ist im Ver- hältniss zu der der amerikanischen Arten sehr redueirt. — Bouvier nimmt an, dass Centralamerika und die Karaibenregion das Ursprungsgebiet der Onychophoren XIM., Nr, 41. sind und dass sie sich, wie die Uebergangsformen be- weisen, von hier sowohl nach Westen bis Australien als nach Osten bis Afrika verbreitet haben, und es steht zu hoffen, dass in Westafrika noch andere Arten aufgefunden werden. In den „Comptes rendus“ S. 1524 berichtet Bouvier über einen weiteren neuen Peripatus, Per. tubereulatus, welcher sehr primitive Charaktere aufweist. Er wurde in Columbien in einem Hause gefangen und ähnelt in der Körperform dem Per. Moseleyi; seine Länge beträgt ohne die Tentakeln 73 mm, seine Breite in der Mitte, wo sie am grössten ist, 3,5 mm. Er hat 37 Paare auffällig glatter Beine. Das Klauenglied trägt an seiner Spitze vorn und hinten je 2 Papillen, während die andern Peripatus hier nur eine Papille besitzen. Auf dem Rücken stehen überall kleine kegelförmige Papillen, welche mehrere unregelmässige Reihen in jeder Rückenquerfalte bilden; dazwischen stehen einzelne sehr grosse, fast eylindrische Papillen, welehe die. ganze Breite der Falte einnehmen. Jeder Kiefer ist mit 4 Zähnen bewaffnet, ausserdem trägt die innere Kinnlade eine Reihe von 5 oder 6 kleineren Zähnen. — Durch die abgeplatteten ..Beine, die vollständige Armatur der Kiefer und die 4 Papillen am Klauenglied der Beine nähert sich diese Species mehr als alle andern Arten der Gattung den Anneliden, von welchen die Klasse der Onychophoren abstanımt. S. Sch. Litteratur. Prof. Dr. J. W. Spengel, Zweckmässigkeit und Anpassung. - Akademische Rede. Gustav Fischer in Jena, 18985. — Preis 0,60 Mark. Die Quintessenz des Vortrags ruht in dem folgenden Satze über den Begriff der Anpassung. Diese ist — sagt Verf. — nicht eine active oder eine passive, die Organisation passt sich nicht den äussern Umständen an und wird ebenso wenig durch die Wirkung) dieser‘ angepasst, ‘sondern ‘sie ist eine gewordene, das Ergebniss eines im Laufe der Erdgeschichte vollzogenen Um- gestaltungsprocesses, der sich durch eine fortgesetzte Sichtung vollzieht, für welche die Variation das Material liefert und in weleher die Vererbung das Mittel für die Erhaltung der Con- tinuität ist. Dr. Karl Russ, Die sprechenden Papageien. Ein Hand- und Lehrbuch. Dritte vermehrte und mit Bildern ausgestattete Auf- lage. Creutz’sche Verlagsbuchhandlung in Magdeburg, 1898. — Preis 4,50 Mark. Angesichts der verbreiteten Liebhaberei für sprechende Vögel im Allgemeinen und Papageien im besondern, ist es nicht weiter verwunderlich, dass dies Werk, neben welchem es wohl kein zweites auf gleichem Gebiet giebt, eine so günstige Auf- nahme gefunden und es binnen verhältnissmässig kurzer Frist bis zur dritten Auflage gebracht hat. Das Buch bietet ausser der naturgeschichtlichen Beschreibung und Schilderung aller hierher gehörenden Vögel praktische Rathschläge sowohl für die zuträg- liehste Ernährung und bestmöglichste Verpflegung überhaupt, als auch für die Zähmung und Abriehtung. In einem der wichtigsten Abschnitte gewährt es sodann Anleitung zur Erkennung, Fest- stellung und wenn möglich Heilung der Krankheiten. Die Namen aller beschriebenen Papageien in den Sprachen der vier Länder (Deutschland, England, Frankreich und Holland), in denen die Haupteinfuhr dieser Vögel stattfindet, sind auch hier gegeben, und so ermöglicht das Werk also den vortheilhaftesten Einkauf bei den Händlern. Die dritte Auflage ist u. A. durch zwei künst- lerische Aquärelldrucke und 32 Vollbilder in Schwarzdruck ge- schmückt worden. Prof. Dr. K. Goebel, Organographie der Pflanzen insbesondere der Archegoniaten und Samenpflanzen., Zweiter Theil. Speeielle Organographie. 1. Heft. Bryophyten. Mit 128 Abbildungen Gustav Fischer in Jena, 1898. — Preis 3,80 Mark. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 491 Den ersten Theil des wichtigen Werkes haben wir in dem vorliegenden Bande der „Naturw. Wochenschr.* S. 309—310 be- sprochen. Werke wie das Goebel’'sche gewinnen bei dem ge- waltigen Anwachsen der Litteratur, die auch nur in einem kleinen Specialfach ganz zu beherrschen, immer und immer schwieriger wird, eine besondere Bedeutung durch das Zusammenfassen einer bestimmten Gruppe naturwissenschaftlichen Materiales und nun gar dann, wenn es in der Weise des Verfassers geschieht, der das Ganze in einen geistigen, einheitlichen Zusammenhang bringt. G. hat eine erstaunliche Fülle von Thatsachen sorgsam verarbeitet, sodass wir in dem Gesammt-Werk ein Compendium besitzen werden, das uns über die Organographie der Pflanzen eingehend unter- richtet. Der vorliegende zweite Theil behandelt also, wie im Titel gesagt, die Bryophyten. Dass sie eine etwas ausführlichere Dar- stellung erfahren haben, „rechtfertigt sich namentlich dadurch, dass sie einerseits ein ausgezeichnetes, überall leicht zugängliches und leicht zu kultivirendes Material für die experimentelle Organo- graphie darbieten, und dass sie andererseits (Lebermoose!) be- sonders deutlich zeigen, wie, von einfachen Formen ausgehend, nach verschiedenen Richtungen hin die Gestaltung zu höherer Ausbildung fortgeschritten ist.“ Prof. Dr. Arthur Meyer, Erstes mikroskopisches Practicum. Eine Einführung in den Gebrauch des Mikroskopes und in die Anatomie der höheren Pflanzen. Zum Gebrauche: in den bo- tanischen Laboratorien und zum Selbstunterriehte. - Für Bo- taniker, Chemiker, Pharmaceuten, Studirende des höheren Lehr- amtes, Zoologen. Mit 29 Abbildungen. Gustav Fischer in Jena, 1898. — Preis 2,40 Mark. Dem Anfänger wird das Heft (es umfasst 100 Seiten) Dienste leisten, denn es ist wohl geeignet diesem eine Anleitung über die Methode der anatomisch-botanischen Untersuchung zu geben und ihn gleichzeitig über die gebräuchlichsten Termini zu orientiren, indem es über die wichtigsten inneren Bau-Verhältnisse Aus- kunft giebt. Dr. 0. Lang, Wie wächst das Erz? Mit 20 Abbildungen und einer Buntdrucktafel. Sammlung gemeinverständlicher wissen- schaftlicher Vorträge. Herausgegeben von Rud. Virchow. N.F. XIII. Serie, Heft 299. Hamburg, Verlagsanstalt und Druckerei Actien-Gesellsehaft (vorm. J. F. Richter), 1898. 34 Seiten. — Preis 0,90 Mark. Die Wachsthumsverhältnisse der Mineralien, nicht nur der Erze, werden hier dargelegt und dabei denjenigen der Organismen gegenüberstellt. Zum Schluss gedenkt der Verf. des unter den Harzer Bergleuten verbreiteten Glaubens an das erneute Wachsen des Erzes in den geleerten Bergwerksräumen und meint, dass wohl zu bergpolizeilichen Zwecken diesem Märchen auch die Berg- behörden Gunst und Pflege erweisen. Brenner, Dir. Leo, Handbuch für Amateur-Astronomen. Leipzig. 10 Mark. Dragendorff, Prof. em. Dr. Geo, Die Heilpflanzen der verschiedenen Völker und Zeiten. Ihre Anwendung wesentlicher Bestandtheile und Geschichte. 5. Lieferung. Stuttgart. — 6 Mark. (Complett 22 Mark.) Dulk, Dr. Ludw., Atomgewicht oder Atomgravitation? Breslau. — 3M. Felsche, Carl, Verzeichniss der Lucaniden, welche bis jetzt be- schrieben sind. Leipzig. — 3 Mark. Fresenius, Geh. Hofr. Dir. Dr. C., Anleitung zur quantitativen chemischen Analyse. 6. Auf. 3. Abdruck 1. Bd. Braun- schweig. — 12 Mark. Kowalewski, Dr. Arnold, Ueber das Kausalitätsproblem. Leipzig. — 2,60 Mark. —.— Prodomos einer Kritik der erkenntniss-theoretischen Vernunft. Leipzig. — 0,60 Mark. Lachner-Sandoval, Dr. V., Ueber Strahlenpilze. Eine baecterio- logisch-botanische Untersuchung. Strassburg. — 1,80 Mark. Mendelsohn, Privat-Docent Dr. Mart., Die Krankenpflege. Wien. — 5 Mark. Meyer, Prof. Dr. Arth., Botanische Practica. Jena. — 5 Mark. Nessig, Realgymn.-Oberl. Dr. Wilh. Rob., Geologische Exeur- sionen in der Umgegend von Dresden. Dresden. — 3,60 M. Valette St. George, Adph. Frhr. de la, Die Spermatogenese bei den Säugethieren und den Menschen. Bonn. — 2,40 M. I. Praetieum. Inhalt: 70. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte zu Düsseldorf. — Der Kropf. — Die Meersäugethiere von Yarmouth. — Der Kampf gegen die San Jose-Schildlaus. — Die Gattung Peripatus Gldg. — Litteratur: Prof. Dr. J. W. Spengel, Zweck- mässigkeit und Anpassung. — Dr. Karl Russ, Die sprechenden Papageien. — Prof. Dr. K. Goebel, Organographie der Pflanzen. — Prof. Dr. Arthur Meyer, Erstes mikroskopisches Praetieum. — Dr. O. Lang, Wie wächst das Erz? — Liste. 492 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 41 8 erd. Dümmlers Derlagsburhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerfir, 94. Div Volksunterhallung, Borträge und Berichte aus dem Erfien Kongreh für Dolksunterhaltung zu Berlin. Don $. S. Archenhold, Albert Dresdner, R. von Erdberg, Otto Fall p. Selifd,, Helene von Korfter, Ad. Gerjtmann, Georg Hersfeld, Adolph Köhr, Raphael Köwenfeld, Sri Mauthner, E. R. Müller, Marg. Pöhlmann, Ötto Ploeder- -Ecihardt, Hans von Schöning, Ernft Schulte, Carl Siemon, £udwig Sittenfeld, Fri Telmann, Joh. Tews, Alfred van der Felde u. a. ya Anftrage herausgegeben von Preisverzeichniss gratis und [ranco. | Waphael Lömenfeld. EXYIYIYXITIIIITIIYTYTYT] PITIITIITITITIT) | 136 Seiten 8%. Preis gebunden 1,50 M. Lerd. Diümmlers Urrlagsbudhandlung in Berlin SW. 1. (asmotor en, Der Menfcheitslehrer. Dynamo- und Dampf- schuned Ein Kebensbild des Weifen von Nazareth. gebraucht, garantirt betriebs- Kon fähig, in allen Grössen offerirt a Elektromotor George Paul Sylvelter Gabanis. 300 Eciten Oftav. Preis geh. 3 HL, elegant geb. 4 HM. G. m. b. H. Berlin NW., Schiffbauerdamm 21. PXNYYYYIZYIIIIIIZIIIIIIIIIIIYIIIIIIIYIY] von Poncet Glashütten-Werke 54, Köpnickerstr. BERLIN SO,, Köpnickerstr. 54. Fabrik und Lager aller Gefässe und Utensilien für chem., pharm., physical., electro- u. a. techn. Zwecke. Gläser für den Versand und zur Ausstellung naturwissenschaftlicher Präparate. un N RÄT TI TE TIT TI TI II TI IT IITZ, KITITITITTT III III IITITT) In Ferd. Dümmilers Verlagsbuch- : —- handlung in Berlin SW. 12 erschien: In Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung Über n in Berlin SW. 12, Zimmerstrasse 94, ist geographische Ortsbestimmungen Seelen] ohne astronomische Instrumente. Von Prof. Dr. P. Harzer, Director der Herzoglicehen Sternwarte zu Gotha. Mit einer Tafel. Apparate bester und bewährter Construction: Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Plıysik.) 53 Seiten Lex. 8”. — Preis 1.20 M ER, PATENTBUREAU Ulrich R. Maerz Dircctor d. k. k. Stern warte in Wien. Bearbeitet v. n TS Bi ] k m } Ein. Wehe :E I, (Mamshtund. ilustrieri. | Mit 14 litho- |} | Se200090020000000900° % __| graphischen [ff | Hempel’s Klassiker - Ausgaben. Jnh:C.Schmidtlein Ingenieur Berlin NW., Luisenstr. 22. “Gegründet 1878. Patent- Marken -u: Musterschutz | Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Zu beziehen durch alle Holzschnitten) Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. Buchhandlungen. L E KXIITITITTIIIITIITIIT Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. N Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Photo:7?rkische Stativ- und Hand- „ Cameras. Gediegene Ausstattung. WS Sämmtliche Bedarfsartikel. 3% Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera Wechselcoassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein- Vertrieb der t „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges. ): 24 Dünnschliff-Sammlungen für praktische mikroskopische Uebungen. Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller wichtigen Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. Rosenbusch „Mikroskopische Physiographie der massiven Gesteine“ Stutt- gart 1896. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste gedruckte Beschreibung, derart, d ass der Lernende die einzelnen Gemengtheile der Gesteine m: ıkroskopisch und mikroskopisch erkennen und bestimmen kann. Sammlungen von je 120, 180 und 250 Dünnschliffen in elegantem Etui je Mk. 150, Mk. 225, bez. Mk. 325. Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen Handstücken. (Format 8/. x 11 cm.) je Mk. 250, Mk. 390, bez. Mk. 575. Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer Ponaten mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate und für die richtige Auswahl von charakteristischem Material garantirt werden kann. Dr. F. Krantz, Sa . - m se” Den der heutigen Nummer beiliegenden Brose der Rheinisches Mineralien- Contor. Weidmannschen Buchhandlung in Berlin, betreffend Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. Börner, Physikalisches Unterrichtswerk und andere naturwissenschaft- B|.. : 5 2 liche Lehrbücher, empfehlen wir besonderer Beachtung. Geschäftsgründung 1833. Bonn a./Rh. Geschäftsgründung 1833. | ; ! e 5 Die Verlagsbuchhandlung. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. BERN Redaktion: “ > - u Fr ES Was die naturwissenschaftliche Forschung -ufgiebt an weltum- fassonden Ideen und an locken- N den Gebilsen der Phantasıe, wırd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, der ihre Schöpfungen schmückt. Schwendener, Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XIT. Band. | Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist HM 4.— Sonntag, den 16. Oktober 1898. t , Nr. 42. Inserate Die viergespaltene Petitzeile 40 %. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Theater und Musik der Javanen. Von Dr. E. Fürst. Zur Beurtheilung der Culturhöhe eines Volkes dient unter anderem seine Vorliebe für bildende Künste. Von diesen sind sicherlich Theater und Musik diejenigen, welche nieht nur vermögen, das Volk zu einer höheren Culturstufe zu erziehen, sondern auch aus deren Ent- wiekelung sich entnehmen lässt, welchen Culturgrad das betreffende Volk erreicht hat. Wajang, steht zwar nicht auf hoher Stufe, und ist eigentlich nichts Anderes, als eine Vorstellung mit unförmlichen Puppen, wobei der Besitzer, welcher die Rollen der Marionetten spricht, der sogenannte Dalang, zwar an den traditionellen Stoff gebunden ist, den ikm die Heldensage liefert, sich aber dabei die dümmsten und zweideutigsten Witze ein- zufügen erlaubt; doch giebt es kein Volk malayischen Ursprungs, welches ein Theater besässe, das sich auch nur entfernt mit dem Javanischen vergleichen liesse, ja, ich möchte fast sagen, dass die in einigen unserer eigenen modernen Stücke vorkommenden Witze sich, was ihre Feinheit betrifft, nicht gar sehr über die der javanischen Dalangs erheben. Was die javanische Musik betrifft, so hat diese offenbar einen hohen Entwickelungsgrad er- reicht, wenn sie auch, durch Betreten eines eigenen Weges, eine Richtung einschlug, welche so verschieden von der unsrigen ist, dass es dem Europäer unmöglich ist, sie zu begreifen, oder wenigstens sie zu geniessen und auf ihren richtigen Werth zu schätzen. Deutlich ist es jedoch schon bei einer oberflächlichen Betrachtung der javanischen Musik, Gamelan, dass sie die sämmtlicher anderer Inseln des Archipels bei weitem übertrifft. Sowohl beim Wajang, als beim Gamelan ist der Einfluss eines höher entwickelten Volkes nicht zu verkennen, und beide stehen beim Javanen im höchsten Ansehen. Fangen wir mit der Beschreibung des Wajangs an, so werden wir dadurch von selbst zu der des Gamelan gebracht, welcher bei keiner Wajang- Vorstellung fehlen darf. Das Theater der Javanen, | Die Wajang-Vorstellungen sind schon sehr alten Ur- sprungs; in der Wiwaka Kawi*) iinden wir sie bereits erwähnt; doch haben sie in den Augen des Volkes noch nichts von ihrer Popularität verloren. Wer den Javanen in seiner ganzen Eigenartigkeit kennen lernen will, beob- achte ihn bei der Vorbereitung und beim Genusse dieses Vergnügens. Schade, dass es so äusserst schwierig ist, solches mit wenigen Worten zu beschreiben, und dass man hier auf die Schwierigkeit stösst, welche bei allem das Leben des Inländers Betreffende auftaucht. In all- gemeinen Zügen lässt sich fast nichts davon sagen, weil sich in allem zeigt, dass es dem Inländer unmöglich ist, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden, und weil sich aus dem von ihm gegebenen Namen ersehen lässt, dass er nicht vom Einzeluen abstrahiren kann, um zum Allgemeinen zu gelangen. Es giebt verschiedene Arten von Wajang’s, welche nicht nur in ihrem Thema und in der Form der Marionetten verschieden sind, sondern auch in allem, was die Einrichtung der Bühne und die Musikbegleitung betrifft. Selbst der Stoff des Schirmes, hinter welchem der Dalang die Puppen bewegt, ja selbst der Verschluss der Kiste, in welcher diese aufbewahrt werden, ist verschieden, je nach der aufgeführten Wajang- art, und trägt bei jeder Vorstellungsart einen besonderen Namen. In dieser Richtung giebt es unendlich viele ört- liche Abweichungen, doch überall ärgert sich der Inländer, wenn neue Gebräuche eingeführt werden, wenn nicht alles genau nach der alter Ueberlieferung stattfindet. So halten es viele Javanen für eine sehr bedenkliche Erscheinung, dass es Revolutionäre giebt, welche die grosse, kupferne Lampe, die während der Vorstellung über dem Kopf des Dalang’s hängt, mit Petroleum füllen, anstatt mit Cokosöl. Der Platz, auf welchem der Wajang gezeigt wird, *) Kern. Kawi-Studien. 494 heisst Pringittan; bei vornehmen Javanen giebt es dafür einen besonderen Raum; wollen gewöhnliche Dorfbewohner ein Wajang-Fest geben, so errichten sie ihrer Wohnung gegenüber ein kleines, luftiges Gebäude. Auf dem Prin- gittan wird der Schirm ausgespannt, und zwischen diesem und dem Wohnhaus sitzen die Frauen; an der anderen Seite des Schirmes sitzt der Dalang mit den Männern an seiner rechten Seite, den Jünglingen an der linken. Die männlichen Zuschauer sehen also die Puppen selbst, die weiblichen nur deren Schatten auf dem Schirm. Hinter dem Dalang stehen die Instrumente zur Musikbegleitung, über seinem Kopf brennt die Lampe, neben ihm steht die Kiste, welche die Puppen und die Coulissen enthält, und an dieser hängt an einem Kettchen eime Art Klapper, der Kepjak, welchen der Dalang mit dem Fusse bewegt, wenn im Verlauf des Stückes Kriegsgewühl nachgeahmt werden soll. Ferner steht beim Dalang eine irdene Schüssel, in welcher vor Anfang der Vorstellung wohl- riechende Harze verbrannt werden, und ein kupfernes Becken mit Opferspeisen, die der Dalang oder einer der Musikanten nach Hause mitnimmt, von welchen aber, wie die Javanen glauben, die Geister bereits die feine, substanz- lose Kraft genossen haben; sie glauben zwar auch, dass diese Speisen keinen Geschmack mehr besitzen, doch sieht der Dalang sehr auf die Qualität und die Quantität des Opfers. Es giebt dreierlei Arten von Wajang: Der Wajang-Pur- wa, der Gedog und der Karutjil. Der erste Name bezeichnet den alten, ursprünglichen Wajang. Diese Art beschränkt sich auf den Cyelus der Hindu’schen Heldensage und wird mit Puppen gezeigt von etwa zwei Fuss Höhe, die aus diekem und steifem Büffelleder geschnitten sind, mit beweglichen Gelenken und mit allerlei Farben bemalt, theilweise vergoldet oder versilbert. Die Formen dieser Puppen sind abscheulich und haben nichts Menschliches; ihre Arme und Hände sind äusserst lang und dünn, die Gesichter laufen vogelartig spitz zu, andere wieder sind abgerundet und mit riesigen Nasen und Hauern bewaffnet, die Augen sind theils klein und geschlitzt, theils gross und rund, die eine Figur hat einen erstaunlich langen Hals, die andere wieder einen kolossalen Bauch, die dritte einen ungestalten Rücken, mit einem Wort, die Kunst ihrer Anfertigung besteht lediglich in der treuen Wiedergabe des Urtypus und hat mit dem Schönheitssinn niehts zu schaffen. Doch vergegenwärtigt eine solche Garnitur Wajang-Puppen ein beträchtliches Capital. An denen des Kaisers von Solo sind die Stifte für die beweg- lichen Gelenke von purem Golde und ihr Werth wird auf etwa 6000 Mark geschätzt. Solche kostbaren Wajang- Puppen sind allerdings sehr selten. Für eine ganze Garnitur jedoch, welehe aus etwa 200 Puppen besteht, werden immerhin je nach Ausführung und Ausstattung 600 bis 800 Mark bezahlt, gewöhnlich sind sie Eigenthum des Dalangs, welchen man, zum Geben einer Vorstellung, zu sich bestellt. Die den Wajang-Purwa begleitende Musikkapelle, welche aus sehr vielen Instrumenten besteht, nennt man Gamelan Salendro. Der Wajang-Gedog behandelt den Cyelus der echt javanischen Heldensagen, bis zur Entstehung des Reiches von Madjapahit. Sein liebster Held ist Baden Pandji Kuda- Waneng Pati, der grösste Held der javanischen Legende. Die Puppen sind weniger kostbar, meistens aus dünnem Holz verfertigt, und nur mit Händen von Bütfelleder, aber eben so flach als die des Wajang-Purva. Ihr Kopf ist öfters mit Haaren versehen, wozu sowohl Menschenhaar, als Fasern der Arengpalme gebraucht werden. Die Kapelle für diesen Wajang heisst Gamelan Pelog. Der Wajang Karutjil ist von den beiden anderen sehr verschieden; während jene nur Abends gezeigt Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 42. werden, zeigt man diesen auch bei Tage. Die Puppen der ersteren sind flach, die des Karutjil sind rund, aus bemaltem Holze angefertigt. Hier gebraueht man entweder gar keinen Schirm oder einen solchen mit einem vier- eckigen Loch, so dass auch die Zuschauer, welche vor der Bühne sitzen, die Puppen selbst und nicht deren Schatten sehen. So lange der Dalang noch nieht bereit ist anzufangen, giebt cin Schirmehen in Form eines Pique- Ass das Zeichen, dass man sich einbilden muss, nichts zu sehen. Den Gegenstand der Vorstellung bildet die neuere javanische Geschichte, deren Hauptheld Damar Wulan ist; Laras Miring. In West-Java giebt es noch eine vierte Art von Wajang, den Wajang Beber, wobei gar keine Puppen gezeigt werden; die ganze Geschichte ist auf grossen Rollen von inländischem Papier abgezeichnet, welche der Dalang je nach dem Fortschreiten seiner Erzählung auf- rollt. Die Begleitung besteht nur aus der inländischen Violine, Rebab; die behandelten Gegenstände sind die- selben wie beim Wajang Gedog. Ausser den Vorstellungen mit Puppen oder mit ge- zeichneten Figuren, giebt es auch solche, bei welchen wirkliche Menschen auftreten. Insofern man diese als eine Abänderung des Wajaug betrachtet, nennt man sie Wajang Wong; diese Benennung findet jedoch keine An- wendung auf die übrigens dem Wajang sehr nahe ver- wandten Vorstellungen, welche von markirten Personen gegeben werden und unter dem Namen Topeng bekannt sind, wahrscheinlich, weil sie unabhängig vom Wajang entstanden sind. Der Wajang Wong wird gewöhnlich nur durch Frauen, der Topeng oft, wenn auch nicht immer, nur durch Männer gespielt. In beiden jedoch tragen die Spieler eine zu ihrer Rolle passende Kleidung, und in beiden ist ein Dalang nöthig, welcher, wie beim gewöhnlichen Dalang, die Rollen vorträgt, während die Schauspieler sich auf Musik und Tanz beschränken. Die verschiedenen Arten des Wajangs, mit Ausnahme des Wajang Beber, scheinen ursprünglich mehr im eigentlichen Java, der Topeng mehr in den übrigen Sundainseln zu Hause zu sein, und mir scheint es, dass beide mit einander verwirrt werden, wenn von manchen Autoren versichert wird, dass die Sundaneser grosse Liebhaber des von Menschen gespielten Wajang’s sind. Jetzt ist der Wajang auch in West-Java bekannt, und der Topeng in Ost- Java verbreitet; allein scheint der Wajang Wong dem Geschmack des konservativen Javanen nicht zu ent- sprechen, und nur am Hofe von Djocdja wird er noch öfters aufgeführt. Die Themata sind dieselben, wie die des Wajang Purwa, die Begleitung besteht im Gamelan- Dalendro, und die Vorstellung findet Abends statt. Sehen wir vom Topeng ab, der ja eigentlich nichts mit dem Wajang zu thun hat, und vom Wajang Beber, dem keine Wichtigkeit beizumessen ist, so können wir den Wajang Purwa und Gedog, den Wajang Karutjil und den Wajang Wong als die drei Entwickelungsstufen des Javanischen Schauspiels betrachten. Ob die flachen Puppen des Wajang Purwa und Gedog früher eine mehr menschliche Gestalt hatten, ist unbekannt; aber zu einer Vorstellung, welche, wie ihr Name und die ganze Ein- richtung es schon andeutet, ursprünglich nichts Anderes war, als eine Vorstellung von Schattenbildern auf einem hellerleuchteten Schirme, genügten diese flachen Puppen vollständig. Heute noch scheint es eine Hauptkunst des Dalang zu sein, seine Puppen so zu stellen und zu be- wegen, dass ihre Formen und ihre Bewegungen sich so deutlich als möglich auf dem Schirm abzeichnen. Man behauptet auch, dass der Wajang ursprünglich nur den Frauen zum Zeitvertreib diente, und, wie wir oben er- der begleitende Gamelan heisst Gamelan Zu XII. Nr. 42. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 495 wähnten, sitzen diese vor dem Schirm, hinter welchem sich der Dalang befindet. Die Sucht des Javanen nach phantastischen Er- zählungen brachte ihn dazu, auch dann noch im Vortrage des Dalang’s Wohlgefallen zu finden, wenn er die Schatten der Puppen weniger gut betrachten konnte. Die Männer fingen also an, sich auch hinter dem Schirm zu ver- einigen, und das Vortragen des Stückes stieg dadurch mehr und mehr zur Hauptsache empor. Der Vortrag wurde allmählich mit Spässen, oft von grober und ziemlich unanständiger Art gewürzt, und da jetzt auch Zuschauer vorhanden waren, welche nicht die Schatten, sondern die Puppen selbst zu sehen bekamen, fing man an, letztere zu bemalen und zu vergolden, damit sie den Zuschauern besser gefielen, Zum Zeigen der Schatten wäre dies nicht nöthig gewesen, denn obschon viele Javanen be- haupten, dass man schon am Schatten sehen kann, ob eine Puppe vergoldet ist, oder nicht, glaube ich, dass diese Behauptung auf Einbildung beruht. Unter diesen Verhältnissen kam man wohl auf die Idee, den Schirm ganz weg zu lassen und die flachen Marionetten durch runde zu ersetzen. Doch die dem alten Wajang zu- erkannte Heiligkeit, dessen Erfindung dem Raden Pandji Kuda-Wanengpati selbst zugesprochen wird, bewirkte, dass die neue Schauspielart nie das Ansehen der alten genoss, und dass ihre Themata auf die spätere Geschichte beschränkt blieben. Man strebte ja eine Umbildung und eine Verbesserung an, aber das Streben missglückte, ob- sehon man, um die neue Erfindung populär zu machen, ihr einen übernatürlichen Zusprung zuschrieb. Die Legende erzählt uns darüber Folgendes. Ein Ehepaar wohnte am Ufer eines Flusses. Während die Frau eines schönen Morgens damit beschäftigt war, ihren Reis zu waschen, wurde sie durch einen schwimmen- den Baumstamm in ihrer Arbeit gestört. Mehrmals trachtete sie diesen Baum von sich abzustossen, er kam aber immer wieder zurück, schliesslich wurde sie ungeduldig und schleppte ihn an das Ufer. Drei Tage später hatte sie einen Traum. Sie ver- nahm die Stimme eines Weinenden, welcher darum bat, ins Haus gelassen zu werden, weil er es nicht länger im Baum aushalten könne. Die Frau erzählte den Traum ihrem Manne, und nach einiger Ueberlegung kamen beide zu der Ueberzeugung, dass der Traum sich auf den ans Ufer geschleppten Baumstamm beziehen müsste. Der Baum wurde nach Hause gebracht und gespalten, und im Innersten des Stammes fanden sie eine Puppe des Wajang Karutjil, welche sie Kjai Gandrung benannten. Kurz darauf hatte die Frau einen zweiten Traum. Vor ihrem Hause standen zwei Kelorbäume (Moringa pterygosperma), und nun träumte sie, dass in einem dieser Bäume eine Frau sässe, welche weinte und klagte, weil sie ihren Mann suchte. Auf näheres Befragen erklärte sie, das Kjai Gandrung ihr Mann wäre, und dass sie sehnsüchtig danach verlangte, mit ihm vereint zu werden. Dem Fingerzeig dieses Traumes folgend, hieb der Mann ein Stück aus dem Stamme eines der Kelorbäume und fand darin eine sehr hübsche Puppe des Wajang Karutjil, welche eine Frau vorstellte. Er setzte sie neben die andere Puppe auf seine Bambusbank, nannte sie Njai Gandrung und zündete ein Weihrauchopfer vor ihnen an. Darauf verfertigte er für die beiden Puppen eine Kiste und machte noch andere Puppen dazu, nach dem an- gegebenen Muster. Diese Kiste, welche vom Vater auf den Sohn überging, befindet sich jetzt im Besitze eines Dalang’s, des Dorfes Pagung in der Provinz Kediri. Die beiden ursprünglichen Puppen haben sich nach Behauptung der Javanen nicht verändert, und können auch nicht zu Grunde gehen; jetzt noch kommen viele Inländer dahin, dem Kjai und der Njai Gandrung ihre Opfer zu bringen, um die Erfüllung eines Wunsches zu erlangen, und wer ein besonders glänzendes Wajang-Fest geben will, bestellt sich zu diesem Zwecke den Dalang von Pagung. Obsehon der Wajang Karutjil weniger Ansehen ge- niesst, als der Wajang Purwa, so hat er doch in manchen Gegenden den Wajang Gedog ganz und gar verdrängt. Einen weiteren Schritt zur Verbesserung that Prinz Mangku Negoro 1., als er es Mitte des 18. Jahrhunderts probirte, in Solo den Wajang Purwa durch den Wajang Wong zu ersetzen. Diese Neuerung hat sich jedoch in anderen Provinzen nieht einbürgern können; die Liebe zum Alten war wohl das hauptsächlichste Hinderniss zu ihrer Aus- breitung. Einer der letzten Sultane von Tjeribon liess, unter dem Namen Rakat, Vorstellungen durch Menschen, und zwar durch Männer geben, anstatt der Wajang’s; von dieser ruchlosen Schändung der alten Gebräuche be- fürchtete die Bevölkerung die ärgsten Folgen, und als schlechte Ernten, Landesverlust und Sterbefälle in seiner Familie den unglücklichen Fürsten zu verfolgen schienen, brauchte man nicht lange nach den Ursachen des himm- lischen Zornes zu suchen; nach ihm hat es Niemand mehr gewagt, Rakat-Vorstellungen zu geben. Dass bei den vielfachen Festlichkeiten der Javanen Wajang-Vorstellungen nicht fehlen dürfen, haben wir be- reits gesehen. Die Aussicht auf diesen Genuss bringt schon vorher das ganze Dorf in Aufruhr, und mit glänzen- den Augen und unermüdlicher Aufmerksamkeit folgt der Javane der in unseren Augen so eintönigen Vorstellung, welche oft mehrere Nächte lang dauert. Gewöhnlich sind die Zuschauer ganz ruhig. Nur bei Scenen, die ihnen einen besonderen Eindruck machen, tauschen sie ihre Gefühle aus. Der Dalang ist eine wichtige Person, welche stets mit grosser Ehrerbietung behandelt wird; seine Erziehung lässt leider oft viel zu wünschen übrig, denn es giebt deren manche, die nicht einmal lesen können, und die nur durch wiederholtes Hören auf oft sehr unvollkommene Weise die Stücke lernten, welche sie später mit aller- hand willkürlichen Veränderungen und Beifügungen vor- tragen. Die beste Anleitung zu diesem Beruf besteht darin, dass man bei einem geschickten Dalang als Lehrling eintritt. Dieser macht seinen Lehrling mit den Erzählungen, den Gesängen und allem, was zur Vorstellung gehört. bekannt, lässt ihn die Stücke, die er besitzt, lesen und auswendig lernen und giebt ihm selbst, wenn seine Fort- schritte genügend sind, einigen Antheil an den Vorstellungen, was jedoch immer: eine ganz besondere Gunst ist. In diesem Falle beginnt der Lehrling die Vorstellung, und er beendet seinen Theil mit Kriegslärm, wozu der Gamelan tapfer das seinige beiträgt; während dieses Lärms nimmt der Dalang den Platz seines Lehrlings ein und setzt die Vorstellung fort. Die am Wenigsten entwickelten Dalang’s findet man natürlich in den Dörfern; in den Städten werden sie bei- nahe als eine Art Gelehrte betrachtet, welche nicht nur lesen und schreiben können, sondern auch oft eine ziem- liche Kenntniss der inländischen Litteratur besitzen. Ein guter Dalang muss vor allem ein tüchtiges Mundwerk haben, einen grossen Wortschatz besitzen, die javanischen Etiquette bis in die geringsten Details kennen, sein Ge- dächtniss muss gut sein, und seine Geistesgegenwart darf ihn nie verlassen, damit er, wenn ihn sein Gedächtniss im Stich lässt, die unfreiwillige Pause mit einer guten Lehre oder einem Scherz auszufüllen im Stande sei. Ist es ihm möglich, so sieht er vorher sein Manuseript noch einmal durch, oft nimmt er es auch mit, um im Nothfalle seinem Gedächtnisse zu Hilfe zu kommen. Der Dalang muss auch Musiker sein, denn seine Vorträge wechseln 496 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 42. mit Gesängen ab, für deren Begleitung der Gamelang sorgt. Wird der Wajang bei einem vornehmen Häupt- ling gespielt, so unterstützt den Dalang oft eine Tänzerin, welche den Vortrag mit ihren Gesängen unterbricht, deren Inhalt meistens improvisirt ist, und in keinem Zusammen- hang mit der Erzählung des Dalang steht. Die Wajang-Vorstellungen gewähren dem Dalang seinen Lebensunterhalt. Der Gastgeber giebt ihm eine bestimmte Summe, von welcher er den Musikanten und der Tänzerin einen Theil abtritt. Spielt er in seinem eigenen Dorfe, so nimmt er kein Geld an, erhält aber gratis Essen, Trinken und Opium; das oben erwähnte Opfer nimmt er stets mit nach Hause, ebenso das in seiner Lampe übrig gebliebene Oel. Frägt man einen Javanen nach dem Zweck der Wajang-Vorstellungen, so wird er sicherlich antworten, dass sie dazu dienen, ihn in seine vaterländische Ge- schiehte einzuweiben; die Puppen versetzen ihn in die grosse und herrliche Zeit, in welcher Götter und Dämonen mit den Menschen verkehrten. Die Vorstellung entrückt ihn der Sphäre des alltäglichen Lebens und zaubert ihm Ideale vor, welche weniger in sittlicher Grösse und Rein- heit, als in wunderbarer Macht und in überirdischen Ge- nüssen gipfeln, die in seinen Augen das höchste Gut sind. Ein Mittel zur sittlichen Erhebung und Veredelung des Volkes darf man im javanischen Theater nicht suchen, doch wie könnten wir ihm einen Vorwurf daraus machen, wo das unserige oft so bitter wenig diesem Zwecke ent- spricht. Ist der Dalang ein ernst denkender Mann, so kann er, bei der grossen Freiheit, die ihm bei der Be- handlung seines Stoffes gelassen wird, gottesfürchtige und weise Lehren seinem Vortrag einweben. Richtet er sich jedoch nach dem herrschenden Geschmack — und wer könnte Besseres von ihm erwarten — so sinkt er nothge- drungen auf die niedrigste Stufe der Gemeinheit. Als litterarische Producte haben die Trexte der Wajang- Erzählungen wenig Werth. Die unverwundbaren Helden, welche mit unwiderstehlichen Waffen ausgerüstet sind, und denen noch dazu himmlische Mächte stets zu Hülfe eilen, flöüssen uns wenig Interesse ein; Tapferkeit und Ueberlegung sind für ihre Siege ganz überflüssige Faktoren. Die immer wiederkehrenden Erzählungen von wüthenden Gefechten und fürehterlichen Abschlachtungen leiden an gewaltiger Eintönigkeit und zeugen für eine hochgradige Geistesarmuth; auch die Liebe oder eher die geschlecht- liehe Neigung spielt in diesen Erzählungen eine grosse Rolle; aber die Poesie fehlt ihr ganz, nur der sinnlichen Lust wird gehuldigt, und die Geheimnisse des Schlafzimmers werden schamlos enthüllt. Der Suralaja, der Wohnplatz der Götter, wird mit der Erde im enge Verbindung ge- bracht, seine Bewohner verkehren fortwährend mit den Menschen, der Himmel ist zwar schöner, aber nicht besser als die Erde, und die Götter sind zwar mächtiger als die Menschen, aber, ebenso sehr wie diese, Scelaven ihrer Leidenschaften. Trotz der Entwickelung, welche dem javanischen Theater in mancher Hinsicht zu Theil wurde, müssen wir befürchten, dass die Zeit noch sehr weit entfernt liegt, in welcher es kräftig zur ästhetischen und sittlichen Ent- wiekelung des Volkes wird beitragen können, ja, in seiner gegenwärtigen Form bietet es keine einzige Ursache zur Hoffnung, dass diese Zeit jemals anbrechen wird. Kehren wir nun zum Topeng und dessen Beschreibung zurück. Das Wort Topeng bedeutet eigentlich Maskerade, der Name bezeichnet also schon das Eigenartige dieser Vorstellung. Man unterscheidet zweierlei Arten von Topeng: den Topeng Dalang, eine regelmässige Theater-Vorstellung, bei welcher, wie beim Wajang ein Dalang als Direetor auftritt, die Vorstellung leitet und die Geschichte erzählt, und den Topeng Babakan, eine Strassenvorstellung, welche von reisenden Künstlern aufgeführt wird, deren jeder nach der Reihe als Dalang fungirt, und die ihre Vorstellungen so lange fortsetzen, als die Mildthätigkeit des Bestellers andauert, denn für jeden Babak (Abschnitt einer Vor- stellung) verlangen sie ihre Bezahlung. Zu den Vor- stellungen der ersten Art sind die Masken aus leichtem, dünnen Holz geschnitzt und sorgfältig bemalt; oft zeigen sie sehr charakteristische Züge. Die Augen sind schwarz, gross und rund mit schön gebogenen Augenbrauen, die Nase gross und von charakteristischer Form, die Zähne nach dem javanischen Geschmack abgeschliffen und ge- färbt. Die Göttermasken sind ganz vergoldet, die für hohe Herrschaften weiss mit goldenen Verzierungen, die für Riesen und Titane braun oder schwarz. An der Innenseite der Maske ist ein Stift befestigt, welchen der Schauspieler mit den Zähnen festhält, nur die Masken der Clowns, die bei keiner Truppe fehlen dürfen, sind auf der bei uns gebräuchlichen Weise festgebunden. Der Hauptdarsteller, Mann oder Frau, ist stets mit der Kopjah bedeckt, einer Kopfverzierung, welche sich halbkreisförmig um das Hinterhaupt erhebt und überzogen ist mit dem Fell eines schwarzen Affen oder einer Ziege, dessen Haare aufrechtstehen; an den Schläfen trägt er Rosetten von farbigen Perlen, von welchen Blumenguirlanden auf die Brust herabhängen. Die Arme und der Oberleib sind immer entblösst; bei einer Frau wird die Brust durch eine um den Hals hängende, seidene Schärpe be- deckt, die man Salendang nennt. Hals und Arme sind mit Schmuck bedeckt und an den Beinen befindet sich über. dem Knöchel ein rothes Bändehen, an welchem einige kleine Schellen hängen. Das Costüm der übrigen Sehauspieler bietet wenig Besonderes. Ausser den Waffen und den übrigen Bedürfnissen befinden sich in der Kiste des Dalang’s auch die Masken, welche sorfältig in Tücher eingewickelt sind und den Augen der Zuschauer so lange verborgen bleiben, bis die Schauspieler sie herausnehmen und sie unter lauter Gamelang-Musik aufsetzen. Der Vortrag des Dalangs wird öfters abgewechselt durch die Spässe und Witze der Clowns, welche einen sehr beliebten Theil der Vorstellung bilden. Hauptsächlich kommen sie vor, während der Dalang Zwiegespräche aus seinem Manuscript vorträgt, sie nehmen darauf Bezug und kritisiren oft auf sehr scharfe Weise die Handlungen hochgestellter Persönlichkeiten, wobei sie sich eine grosse Freiheit im Sprechen erlauben. Die Vorstellungen der Topeng’s finden ‘gewöhnlich in eigens dazu errichteten Bambusgebäuden statt. Diese Gebäude werden mit Guir- landen und Draperien verziert, und die ganze Vorstellung unterscheidet sich eigentlich nur dadurch von den Wajang’s, dass maskirte Personen die Stellen der Puppen einnehmen, ja, sie ist dem Wajang Wong, bei welchem auch Menschen auftreten, so ähnlich, dass sie mit diesem selbst von In- ländern verwechselt wird. Der Topeng Babakan wäre als klägliche Nachahmung des Topeng Dalang kaum einer Erwähnung werth, wenn er nicht im Umkreise von Batavia einen besonderen Charakter angenommen hätte. Er zeigt uns Scenen aus dem täglichen Leben, von welchen ich einige erwähnen will: Der Clown verkleidet sich als europäischer Polizei- beamter, natürlich so lächerlich wie möglich. Einer der Maskirten, welcher die Kleidung eines alten chinesischen Aufsehers trägt, kommt ihm zu klagen, dass zwei seiner Arbeiter immer weglaufen, um einer inländischen Tänzerin nach einem naheliegenden Markt zu folgen, und er bittet, dass diese weggejagt werden. Der Kommissär lässt die Tänzerin holen, beim ersten Anblick verliebt er sich in dieselbe, giebt sowohl dem Aufseher, als den Arbeitern Unrecht, jagt sie weg und beginnt der Tänzerin den Hof XII. Nr. 42. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 497 zu machen. Aber er ist verheirathet, und plötzlich er- scheint seine Frau, welche mit dem ihr gebotenen Schau- spiel garnicht einverstanden ist; bei einer heftigen Aus- einandersetzung regnet es Ohrfeigen, und die Sache endet mit der Versöhnung der Eheleute. Während sie wohlgemuth nach Hause fahren und die Tänzerin weggebracht wird, wirft ihr der Kommissär Blicke nach, welche den Zu- schauer vermuthen lassen, dass er die Bekanntschaft sicherlich fortsetzen wird. Wundert man sich über die Freiheit, mit welcher hier ein Europäer auf die Bühne gebracht wird, so erregt in einem anderen Stück die Verspottung eines Priesters noch mehr Befremdung: Einem javanischen Bauern wird von seiner Frau aufgetragen, ihr Kind zu bewachen, sie hat inzwischen eine Zusammenkunft mit ihrem Liebhaber in den Zuckerfeldern. Die Entdeckung der Untreue führt zu einer Ehescheidung, welche der Mann jedoch später bereut. Der Priester kommt, um den Bund wieder zu schliessen und verlangt dafür eine zehnmahl höhere Summe als die, welche ihm zukommt. Erst nach einem langen Wortgefecht wird die Sache beendet. Nun tritt ein anderer Maskirter auf, der sich hinlegt und einen Toten vorstellt; seine Freunde rufen den Priester, um für ihn zu beten; dieser setzt sich neben der Leiche hin, kaut ruhig seinen Betel weiter und fragt, warum man ihn eigentlich gerufen habe. Bevor er mit Beten anfängt, will er wissen, was man ilım bezahlen wird, und verlangt natürlich wieder zehnmal zu viel. Nach langem Handeln wird man einig, und der Priester bereitet sich zum Gebet vor. Nun hört er aber links von sich Musik und rechts den Gesang einer Tänzerin. Er vergisst das ganze Gebet, blickt um sieh, sieht die Tänzerin und springt über die Leiche hin, um sie näher zu betrachten, doch rufen ihn die Freunde des Verstorbenen zurück und zwingen ihn, in seinem Gebet fortzufahren. Bald lässt sich der Gesang der Tänzerin wieder hören, und der verliebte Priester vergisst abermals seine Pflicht. Diese Scene wiederholt sich so oft, bis die Leichenwache, in ihrer Empörung über das Betragen des Priesters diesen ordentlich durehbläut und wegjagt. Noch eine letzte Aufführung: Ein sehr geiziger Blinder wird mit vieler Mühe dazu überredet, ein Fest zu geben, und seine Freunde und Bekannten dazu einzu- laden. Mit Widerwillen giebt er nach und ladet die Gäste ein, fügt jedoch sofort der Einladung hinzu: „Willst Du nieht kommen, so ist es auch recht.“ Die Gäste erscheinen jedoch vollzählig und essen in ihrem Eifer auch die Speisen auf, welche für den Blinden bestimmt waren, so dass dieser, als er sich zum Essen niedersetzt, seine Schüssel leer findet. Nach dem Vorhergehenden zu ur- theilen, wird in Batavia der Topeng durch Clown’s ge- spielt. Oft sind sie auch Gaukler und Zauberer und führen die merkwürdigsten Kunststücke aus, welche um so mehr in Erstaunen setzen, da sie nur eine kurze, enge Hose anhaben, und alle Utensilien verschmähen, deren sich ein europäischer Taschenspieler bedient. Der Zauberer setzt sich mit mehreren leeren Tellern unter einen Korb, und einige Augenblicke später präsentirt er die mit allerhand Speisen gefüllten Teller herum, oder er lässt aus einem Hühnerei, welches er in eine mit Reis gefüllte Schüssel stellt, eine von den Zuschauern gewünschte Pflanze hervor- spriessen. Diese Kunststücke sind von derselben Art und für uns ebenso unbegreiflich als die, welche die hindu- stanischen Taschenspieler ausführen. Im Topeng Babakan und in den Spässen der Clown’s finden wir die Anfänge von Vorstellungen nach unserer Weise, aber auch nicht mehr als die Anfänge, denn jegliche künstliche Verwicke- lung fehlt. Das tägliche Leben bietet den Javanen nur Stoff für niedrig komische Vorstellungen, die ernstere Schauspielkunst wählt stets ihre Themata aus der Helden- zeit und hat für den Javanen immer eine gewisse religiöse Bedeutung. Eine Hochzeit ist nicht vollgiltig ohne Wajang, bei einer Beschneidung ist der Wajang das Dankopfer für das Glück, welches dem Gastherrn zu Theil wird, bei einer Krankheit oder einem wichtigen Unternehmen ge- lobt man ein Wajangfest zu geben, im Falle der Genesung oder des glücklichen Ausganges, und das Unheil, welches sicherlich erwartet wird, wenn ein auf dem Feuer stehen- des Gefäss während des Bereitens der Speisen um- geworfen wird, kann durch ein Wajang-Fest abgewendet werden. Ein Wajang oder Topeng ohne Musik ist für den Ja- vanen undenkbar, aber auch bei jeder anderen festlichen Ge- legenheit spielt der Gamelang eine Rolle. Vor der Be- schreibung der Musik muss ich die Bedeutung des Namens erklären: Unter Gamelang versteht man eine Sammlung verschiedener, zu einander gehörender Instrumente; für jede besondere Gelegenheit werden die Instrumente ver- schieden gestimmt oder verschieden zusammengestellt, und, je nach Aenderung der Abstimmung oder der Zusammen- stellung, trägt der Gamelang einen anderen Namen. Sehr wiehtig für das Studium der javanischen Musik sind die Namen, welche verschiedene Tonarten andeuten; das Einzige, was in der gegenwärtigen europäischen Musik einen Begriff davon geben kann, ist der Unterschied zwischen den Skalen mit grosser und mit kleiner Terz. Be- kanntlich kamen aber sowohl in der alten schottischen und irischen Musik, als in der von verschiedenen orien- talischen Völkern, andere Skalen vor, d. h. unsere Oktave zerfällt in eine grössere oder kleinere Anzahl Noten, mit kleineren oder grösseren Intervallen. Beruht die Unter- scheidung von fünf Tonarten in der Musik der alten Griechen nicht vielleicht hauptsächlich auf dem Gebrauch verschiedener Skalen? Die phrygische Tonart hatte für sie einen sehr ernsten Charakter, die lydische einen weh- müthigen, die ionische einen kriegerischen, die dorische einen üppigen, die aeolische einen einfachen, wie auch bei uns sich die Klein-Terz-Skala sich durch etwas Trau- riges und Melancholisches von der Gross- Terz-Skala unterscheidet. Die javanische Musik kennt hauptsächlich zwei, durch den Unterschied der Tonintervalle verschiedene Tonarten, welche Salendro und Pelog genannt werden. Da die javanischen Instrumente oft wegen der mangelhaften Kunst des Verfertigers oder wegen ihres Alters schlecht ge- stimmt sind, hat die Untersuchung. der Skalen nicht immer dasselbe Resultat gehabt, so dass man dazu kam, zu glauben, dass ein Unterschied von einem viertel Ton vom Javanen nicht als Misston empfunden wird; dies ist, finde ich, jedoch zu weit gegangen. Nach meiner Ansicht kann man sich von der Salendro-Oktave eine Vorstellung machen, wenn man, mit Fis anfangend, nur die schwarzen Tasten eines Klaviers anschlägt. Man erhält auf diese Weise die Skala Fis, Gis, Ais, Cis, Dis, Fis, deren Intervalle 1, I 1!/, betragen. Die javanischen Namen dieser Noten sind: Barang, Gulu, Tengah, Lima, Nem, Barang. Die Pelog-Oktave hat zwei Noten mehr, die Manis und Pelog heissen, ihre Reihenfolge lautet: Barang, Manis, Gulu, Tengah, Pelog, Lima, Nem, Barang. Die Intervalle dieser Tonarten sind sehr verschieden, so selbst, dass man sie, nach meiner Ansicht, in unsrer Notenschrift kaum ausdrücken könnte. In der Salendro-Oktave stehen, nach Behauptung der Javanen, die Noten weit auseinander, die der Pelog-Oktave nahe bei einander. Der Unter- schied zwischen den Tonarten besteht jedoch nicht nur in der Tonskala, sondern auch im Klang der Instrumente. Die Javanen vergleichen den Klang der Salendro-Instru- mente mit dem des Glases, den der Pelog-Instrumente 498 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XII. Nr. 42. mit dem des Metalls; sie nennen den ersten hell, den zweiten dumpf und behaupten, dass der Salendro etwas Männliches hat, der Pelog dagegen weichlieh klingt. Zu diesen zwei Hauptarten kann man noch eine dritte fügen, den Miring. Die Miring-Oktave beruht auf der Pelog-Oktave, überschlägt jedoch die Noten Tengah und Nem. Der Leser wird gemerkt haben, dass diese drei Tonarten ihren Namen dem Gamelan Salendro, dem Gamelan Pelog und dem Gamelan Miring gaben, von welchem, wie früher erwähnt wurde, der erste beim Wajang Purwa, der zweite beim Wajang Gedog und der dritte beim Wajang Karutjil gespielt wird. Die unter verschiedenen Namen vorkommenden Gamelan’s, welche bei anderen Gelegenheiten gebraucht werden, sind von diesen in der Anzahl der Instrumente, nieht aber in der Skalenstimmung verschieden. Bevor ich den Charakter der javanischen Musik be- spreche, müssen wir die javanischen Instrumente erst etwas näher kennen lernen. Wie die unsrigen kann man sie in Streich-, Blas-, Schlag- und Sehüttelinstrumente ein- theilen; charakteristisch jedoch ist der Umstand, dass, während die beiden ersten Arten nur durch wenige, ziemlich mangelhafte Instrumente vertreten sind, die dritte, welche bei unseren Musikkapellen eine ziemlich unter- geordnete Rolle spielt, bei den Javanen die Hauptsache bildet und zu grosser Vollkommenheit gelangte. Unter den Streichinstrumenten giebt es nur eins, welches bei keinem Gamelan fehlen darf, gerade dieses aber stammt sicherlich nicht aus der javanischen Hindu- Zeit, sondern es ist persischen Ursprunges und wurde wahrscheinlich mit dem Islam auf Java eingeführt, es ist die persisch-arabische Violine, welche auch den persisch- arabischen Namen Rebab trägt. Der Körper dieses Instrumentes hat die Form eines halben, längs durch- schnittenen Kürbisses und ist gewöhnlich aus sehr hartem, gelben Nangka-Holz (Artocarpus integrifolia) verfertigt. Die offene Seite ist mit einer Blase bespannt, und am unteren Ende befindet sich ein Stift, mit welchem das Instrument auf einem Fuss oder auf dem Boden ruht. Der runde, 6—7 dem lange Hals, ist an seinem Ende mit Schrauben versehen, zum Spannen der zwei Seiten. Diese sind von Kupferdraht und laufen über einen Kamm. Der Rebab wird bei Gamelans von verschiedenen Tonarten gebraucht. Die tiefste Seite ist im Hauptton der Tonart gestimmt, und die zweite ist um eine Quinte von ihr ver- schieden; man streicht den Rebab mit einem sehr breiten Streichbogen und spielt ihn wie unsere Violoncelle. Die Seiten werden nie gegen den Hals des Instrumentes an- gedrückt, sondern nur leise angerührt, so dass sie flageolet- artige Töne von sich geben. Der Rebab wird vom Kapell- meister gespielt und giebt die Melodie an, welche ge- sungen werden soll, während die übrigen Instrumente sich nach ihm richten. Andere Streichinstrumente sind eine fünfzehnsaitige Harfe und eine viersaitige Guitarre, die mit den Fingern gespielt werden. Das hauptsächlichste Blasinstrument der Javanen ist eine Art Klarinette, der Suling, welcher aus Bambus be- steht. Ein Salendro-Suling hat vier Löcher an der Ober- seite, ein Pelog-Suling sechs, die mit den Fingern ge- schlossen werden, je nach dem Ton, den man hervor- bringen will. Ein anderes Blasinstrument ist der Selompret, eine ans hartem Holz verfertigste Klarinette, die nie beim Wajang Purwa oder Gedog, aber oft beim Wajang Karutjil gebraucht wird. Ein grösserer Unterschied herrscht bei den Schlag- instrumenten, von diesen haben manche nur einen Klang, auf anderen kann man eine Reihe von Tönen ertönen lassen, wie bei unseren Glasharmonikas und den Holz- und Strohinstrumenten; dieses Letztere ist hauptsächlich der Fall bei den Schlaginstrumenten, welche mit hölzernen oder metallenen Tasten versehen sind und wozu der Gambang, der Saron, der Demung, der Slentem und der Gender gehören. Der Gambang besteht aus einer viereckigen, hölzernen Kiste, die nach einer Seite hin schmäler wird. Darüber liegt ein Geflecht in Form eines Kissens, auf welchem sechzehn bis achtzehn aus hartem Holz bestehende Tasten mit ihren Enden ruhen. Dieses Instrument wird mit zwei in Flanell eingewiekelten Hämmerchen gespielt. Der Saron, der in seiner Form ganz mit dem Gambang übereinstimmt, hat nur sechs Metalltasten und wird mit einem blossen Hämmerchen bearbeitet. Der Demung besteht aus einer länglich viereckigen Kiste, deren kurze Seiten etwas höher sind als die langen. An den langen Seiten sind Stifte angebracht, auf welchen, mittelst kleiner Löcher, gebogene Tasten befestigt sind, die aus einer Composition von Zinn und Kupfer bestehen. Diese Tasten liegen so lose, dass ihre Schwingungen nicht verhindert werden, wenn sie mit einem hölzernen Hammer geklopft werden. Beim Slentem haben die Tasten einen runden Knopf in der Mitte; sowohl der Demung als der Slentem besitzen dieselbe Anzahl Tasten als der Saron. Der Gender ist wohl das Beste der javanischen In- strumente. In einer länglich viereckigen, schmalen und tiefen hölzernen Kiste stehen aufrecht nebeneinander zwölf Bambusköcher von zwei Fuss Länge. Ueber jedem Köcher hängt eine kupferne Platte, welche mit dem ihr zugehörigen Köcher durch einen stark gedrehten Faden verbunden ist. Die Kiste steht auf dem Boden, und der daneben hockende Musikant bearbeitet die Kupferplatten mit zwei kleinen Hämmerchen. Nun gehen wir zu den Gongs über und zu den In- strumenten, welehe aus einer Anzahl grösserer und kleinerer Gongs zusammengestellt sind. Der Gong ist ein Kessel, aus der oben erwähnten Zinn- und Kupfer-Composition bestehend, welcher oben breiter ist als unten und mitten auf seiner Oberfläche einen runden Knopf hat, auf welchen mit einem Holzhammer geschlagen wird; man unterscheidet männliche und weibliche Gongs; die männlichen haben einen geringeren Umfang und höhere Seitenränder, als die weiblichen. Die Gongs, welche in grosser Anzahl in einem Holz- rahmen durch Riemen befestigt sind, werden Bonang ge- nannt. Die Becken, welche in zwei Reihen geordnet sind, umfassen zwei Oktaven. Die vordere Reihe besteht aus männlichen, die hintere aus weiblichen Gongs, sie werden mit zwei in Flanell eingewickelten Holzhammern gespielt. Man unterscheidet grössere und kleinere Bonangs. Die grosse Trommel der Javanen ist der Bedug, der auch in den Moscheen zur Ankündigung der Gebets- stunden gebraucht wird. Beim gewöhnlichen Gamelan wird er nicht gebraucht, sondern nur am Hofe der Fürsten; gespielt wird er mittelst eines mit Büffelleder bekleideten Holzschlegels. Eine andere Trommel, der Kendang, wird aus Nangka Holz verfertigt, dazu gebraucht man ein längliches Stück des Stammes, welches ausgehöhlt und an einem Ende etwas zugespitzt, in der Mitte einigermaassen aus- gebogen wird. Die beiden Enden des Instruments sind mit einer Bockshaut bespannnt; der Kendang ruht auf einem niedrigen Gestell und wird mit der Hand gespielt. Der Terbang, eine Tamburin, wird nur bei improvisirten Vorträgen einzelner Personen, bei Aufzügen und bei einigen religiösen Tänzen gebraucht. Die Schüttelinstrumente sind der Rodjeh und der XIII. Nr. 42. Ansklung; der erstere gleicht unserem türkischen Schellen- baum, wird jedoch wenig gebraucht; bekannter und merk- würdiger ist der Angklung, das Nationalinstrument der Sundanesen. Er dient zur Begleitung des Tanzes und des Gesanges von Tänzerinnen und ist aus Bambus ver- fertigt. Die Basis des Instrumentes, welche man Resonanz- boden nennen könnte, besteht aus einem dieken Bambus- köcher. In diesem Köcher sind in gleichen Abständen fünf oder sechs längliche Oeffnungen angebracht, und an den Enden desselben sind zwei senkrecht stehende, hölzerne Säulen befestigt. Diese Säulen sind auf etwa dreiviertel ihrer Höhe durch eine Querlatte verbunden, an welcher fünf oder sechs Bambusköcher befestigt sind, von abnehmender Dieke und Länge, welche senkrecht herabhängen. Diese Köcher sind an ihrem unteren Ende durch zwei aus- geschnittene Verlängerungen so in die Löcher des Reso- nanzbodens befestigt, dass sie wohl vor und rückwärts geschüttelt werden, aber nicht seitwärts pendeln können. Die Kunst der Zusammenstellung besteht in der sorg- fältigen Auswahl und in den Abmessungen der Bambus- köcher, so dass diese gut gestimmt sind und beim Schütteln immer einen harmonischen Ton hervorbringen. Ein Ang- klung ist etwa 1!/, Meter hoch und °/, Meter breit, und seine Töne sind schön und voll. Ein vollständiger Gamelan Salendro oder Pelog er- fordert etwa 24 Musikanten, die auf dem Boden sitzen und, da sie keine Noten kennen, alles auswendig spielen müssen. Der Rebabspieler giebt den Takt an, und die übrigen Musikanten folgen seiner Leitung ebenso auf- merksam, als genau. Bedenkt man, wie bei einer sehr entwickelten Musik das melodische Element oft in den Hintergrund tritt, dass ferner ein ausgesprochener Rhythmus für eine niedrige Stufe musikalischer Entwicklung zeugt, und dass grosse Virtuosen oft das Beispiel eines Vortrages bieten, bei welchem der Takt so ausser Acht gelassen wird, dass man sich fast vorstellen könnte, dass auch in der Musik der gebundene Styl dem ungebundenen, oder um es so auszudrücken, die poetische Form der prosaischen Platz machen könnte, so dürfte man einen Augenblick die Illusion hegen, dass die javanische Musik auf sehr hoher Stufe steht. Dem steht gegenüber, dass sie in ihren Mitteln äusserst beschränkt ist, denn die Instrumente sind meistens gleichartig und von geringem Umfang, der Styl ist sehr einfach, und sie entbehrt jedes feineren Ausdrucks, sowohl für das Sanfte und Zarte, als für das Grosse und Erhabene. Den meisten Europäern ist es, wenn sie den Gamelan hören, als ob sie immer dieselbe Weise hörten, obsehon über dreihundert verschiedene Stücke bekannt sind; selten wird man von einem Europäer ein anderes Lob der javanischen Musik vernehmen, als dass sie ganz angenehm klingt, besonders in einem gewissen Abstand. Der Javane denkt aber anders darüber, und wird durch Naturwissenschaftlicehe Wochenschrift. 499 sie ganz begeistert, obschon ihm auch der Gesehmack an unserer europäischen Musik nieht ganz abgeht. Nachdem ich die Instrumentalmusik der Javanen so’ ausführlich beschrieben habe, kann ich mich, was ihren Gesang betrifft, kurz fassen. Poesie und Gesang sind beim Javanen eng verbunden, jede Poesie ist dazu be- stimmt, gesungen zu wer-en. Das Versmaass bestimmt immer zugleich auch die Melodie, und jede in Gedichten | vorkommende Melodie hat ihre Musikbegleitung, die dureh den Gamelan gespielt werden kann. Verändert sich also in einem Gedicht das Versmaass, so thut es auch die Melodie. Da nun in der javanischen Poesie, wie in der französischen, weder Quantität noch Accent, sondern nur die Silbenzahl und die Reime beachtet werden, so kann ein javanischer Sänger, mit einiger Uebung, leicht nach Jeder ihm bekannten Melodie improvisiren, wenn man nicht zu viel vom Inhalt seines Gesanges verlangt und ihm erlaubt, dann und wann eine Silbe über zwei Noten zu vertheilen, oder zwei Silben unter einer Note zu ver- einigen. Improvisirt sind gewöhnlich die Worte beim Gesange der Ronggengs (Tänzerinnen). Diese Ronggengs sind eigentlich eine Pest der inländischen Gesellschaft, denn es sind Dirnen, die in ihrer Herberge ihre Kunst erlernen. Sie üben sich in einer Menge von Trillern, schwierigen Intervallen und eigenartigen Uebergängen, welche bezeich- nend sind für den javanischen Gesang und deren Nach- ahmung dem Europäer so schwer fällt; kennt die Tänzerin erst die Weise, so macht sie selbst bei jeder vorkommen- den Gelegenheit die Worte dazu. Für europäische Ohren hat ihr Gesang wenig Angenehmes; nicht selten foreirt sie ihr Organ oder sie verdirbt es durch Opiumrauchen, so dass ihr Singen in Schreien ausartet, oder durch Heiserkeit jeden Wohlklang verliert. Nicht immer ge- braucht sie Worte, doch ist das ziemlich gleichgiltig, denn die Sitte erfordert, dass sie während des Singens ihren seidenen Salendang beständig vor den Mund halte, so dass man sie doch schwer verstehen würde. Wir sahen sie schon bei den Wajang-Vorstellungen auftreten, aber viel tiefer gesunken findet man sie, was Sitten und Talent betrifft, auf der Strasse, wo sie dem Publikum ihre Kunst produzirt. Beim Singen tanzt sie immer, doch werden dabei die Füsse wenig gebraucht, sondern Lenden, Arme und Hände werden auf allerlei Weisen verbogen. Obschon der anständige Javane sie verachtet, sind sie doch oft von einer grossen Anbeterschaar umringt. Im Uebrigen darf man diese Ronggengs nicht mit den Serimpis verwechseln, welche Haremsdamen sind, die in fürstlichen Palästen vortanzen. Für den Europäer hat die javanische Tanzkunst wenig Verlockendes, denn eine Passivität bei diesen Vergnügen bildet einen zu starken Contrast mit seinen einheimischen Sitten. Die Veränderungen in der Zeichnung der Vogel- federn bilden schon lange eine lebhaft erörterte Streit- frage bei den Ormnithologen. Eine interessante Arbeit von H. Meerwarth (Zool. Jahrb., Abth. f. System. Bd. XI) entscheidet sie wenigstens für die Schwanzfedern einiger brasilianischer Raubvögel zu Gunsten der Ansicht Brehms, nach der eine Umfärbung der Feder ohne Mauser vor sich geht. Der Verfasser, Assistent am Museu Paraense zu Parä in Brasilien, hatte Gelegenheit, die Verfärbung bei einem Jungen von Heterospizias meridionalis im Leben zu beobachten. Weiteres Material lieferten ihm ausge- stopfte und selbst geschossene Exemplare von Urubitinga zonura und schistacea und Rosthramus sociabilis, wobei meistens schon die verschiedenen Federn eines Schwanzes genügten zur Feststellung der verschiedenen Färbungs-, bezw. Zeichnungs-Stadien. Die Schwanzfedern der Jungen sind bei allen den genannten Vögeln in der Jugend auf gefärbtem (gelblichem bis rostrothem) Grunde dunkel ge- bändert (bis 15 Mal). Im Alter sind sie dagegen bei Urubitinga zonura an der Spitze weiss (Terminal-Zone), haben dann ein breites, schwarzes Band (Subterminal-Zone) dann folgt der Haupttheil der Feder (rein weiss), und die Basis zeigt wieder ein breites, dunkeles Band (Basal- Zone). Bei den anderen Arten verhalten sie sich ähnlich. Die Verfärbung geht nun folgendermaassen vor sich: Zuerst zerfallen die Querbänder in Flecken. Zwischen diesen bilden sieh Verbindungsbrücken, durch die sie schliesslich in Längsstreifen verschmelzen. Während diese in der 500 Basis allen durch quere Verschmelzung, an der Spitze auch durch Verdunkelung des Grundes zu dem Basal-, bezw. Subterminalbande verschmelzen, lösen sich in der Mitte der Feder die Längsstreifen auf, und auch die Grund- farbe wird heller. Diese Veränderungen schreiten von der Spitze der Feder basalwärts und von dem Feder- schafte nach den Seiten hin vor. Das Endstadium jeder Feder, kurz vor der Mauserung, deutet schon das nach dieser erreichte Stadium an, so dass also die Verfärbung gewissermaassen unabhängig von der Mauser weiter schreitet. Die Männchen eilen in der Verfärbung den Weibchen voraus. Bei einigen der genannten und vielen europäischen Raubvögeln werden nicht mehr alle Ver- färbungsstadien durchlaufen, sondern es findet eine abgekürzte Entwickelung statt. Die phylogenetisch älteren Zeichnungstypen bleiben am längsten an der äusseren Schwanzfeder erhalten. Das Eimer’sche Gesetz der männlichen Präponderanz ist also hier bestätigt, nicht aber seine für die Raubvogelzeichnung aufgestellte Zeich- nungsstufenreihe: Längs-, Flecken-, Querzeichnung, Ein- farbigkeit. Hier lautet vielmehr die Reihe: Querbände- rung — Fleckenzeichnung — Längsstreifung — Zonen- zeichnung. Das weitere Gesetz Eimers der postero-ante- sioren Entwickelung findet am Schwanze allein Bestäti- gung, nicht aber am ganzen Körper, indem die vorderen Körperparthien von Urubitinga zonura und Heterospizias schon längs gezeichnet sind, während der Schwanz noch quer gerändert ist. — Die drei in Entwurf und Aus- führung ganz vorzüglichen Tafeln verdienen noch ein be- sonderes Lob. Reh. Wetter - Monatsübersicht. (September.) — Seinen alten Ruf eines besonders beständigen Monats hat in diesem Jahre der September in hervorragendem Maasse bewährt. Während seiner ersten Tage und des letzten Monatsdrittels war das Wetter in den meisten Gegenden Temperafuren in September 189. mn [ögliches Maximum, ber. Mınımum. 8Uhr Morgens, 198. 0—__---- 8 Uhr Morgens, normal. MSc IR Mina, 16. 2. 26 Bela Teilen: aa TEE Us HEUT TelzeleneeTälD Nordwestdeutschland | Nordostdeutschland. der dazwischen resnerisch, in liegenden Zeit aber fast ausnahmslos trocken, ruhig und von ausserordentlich freundliehem, milden Charakter. Die in der beistehenden Darstellung wiedergegebenen Tempe- raturen stiegen an den heiteren Tagen noch wie mitten Deutschlands ziemlich Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 42. im Sommer an, am höchsten um den 10. September, an welchem beispielsweise zu Bamberg 32°, zu Magdeburg, Grünberg, Mülhausen i./E. 51°, zu Berlin und Halle 30° ©. erreicht wurden. Nach vorübergehender Abkühlung kamen vom 16. bis 18. im Süden nochmals fast ebenso hohe Mittagstemperaturen vor, während in Norddeutschland die Sonnenstrahlung sieh nicht mehr in gleichem Maasse wirksam erwies. Ueberhaupt machte sich das Vorrücken des Jahres in einer langsamen, allgemeinen, neben den einzelnen Wärmeschwankungen hergehenden Temperatur- erniedrigung bemerkbar, so dass auch die Mitteltempe- raturen des vergangenen Monats mit den für September normalen in ganz Deutschland beinahe zusammenfielen. Denn war es am Tage oft sommerlich warm, so gab es doch am Anfang, in der Mitte und gegen Ende des Monats auch einige ausserordentlich kühle Nächte. Schon in der Nacht zum 2. ging das Thermometer in Kaisers- lautern und Bamberg bis auf 2 Grad herab, und seit dem 14. stellte sich in den von der Küste entfernteren Gegenden, namentlich in Süddeutschland, vielfach Reif und Nachtfrost ein. Während die Dauer der Sonnenstrahlung, die z.B. zu Berlin im vergangenen September 159, zu Potsdam 174 Stunden betrug, grösser als in den meisten September- monaten dieses Jahrzehntes war, wurde die Höhe der Niederschläge, welche unsere zweite Zeichnung veran- schaulicht, fast in jedem derselben erheblichübertroffen. Nur TRiederschlagshöhen im S fember 1898. ep 8$ | lbs Werth für EBEN: 222555 eutschland. 2224 ss E 3 & 85525 | Monatssummen ımSeptbr. SS 320 58:5 SBBZEFSE=S> =Essse=| 1898.92 96 9 94 9, 10 mm, 1m bo = der September 1895 hatte noch ungefähr 40 Stunden mehr mit Sonnenschein und im Durchsehnitte der berichtenden Stationen 10,4 Millimeter weniger Niederschläge. In den ersten fünf Tagen des Monats beschränkten sich die ergiebigeren Regenfälle auf das Ostseegebiet und waren dieselben am geringsten längs der westlichen Landesgrenze. Dann folgte der beinahe vierzehntägige Zeitraum, in welehem in ganz Deutschland anhaltende Trockenheit herrschte, die fast nur am 12. und 13. Sep- tember durch mässig starke Gewitterregen unterbrochen wurde. In dieser Zeit ging der Wasserstand der meisten Flüsse ungewöhnlich tief herab, wodurch die Schiffahrt, namentlich auf dem Rhein, erheblich beeinträchtigt wurde. Desgleiehen machte die Härte des ausgetrockneten Erd- bodens seine Beackerung für die Bestellung der Winter- saaten äusserst schwierig. — Endlich stellten sich am 19. überall Regenfälle ein, welche an der Nordseeküste durch Gewitter eingeleitet wurden. In den folgenden Tagen dauerte das Regenwetter im Allgemeinen fort, am 24. XIll. Nr. 42. fielen an verschiedenen Orten auch Hagelschlossen, zwischen denen in Berlin bei 7!/;° C. Wärme einzelne Sehneefloceken beobachtet wurden. Nach ein paar weniger nassen Tagen nahmen kurz vor Ende des Monats die Niederschläge nochmals beträchtlich zu, besonders in Süddeutschland, wo am 29. zu München 39, zu Friedrichs- hafen 27 Millimeter, und an der Ostseeküste, wo am 50. zu Swinemünde 27 Millimeter Regen gemessen wurden. Wie schon der Mangel an Niederschlägen vermuthen lässt, wurde Deutschland im vergangenen September ausserordentlich von Gebieten mit hohem Luftdruck be- vorzugt. Schon am 1. des Monats rückte ein solches von Westen nach Mitteleuropa vor, während sich im Norden eine umfangreiche Barometerdepression befand, die an der deutschen Küste sehr heftige westliche Winde ver- ursachte. Nachdem die Depression am 4. bis in die Mitte Russlands gelangt war, gewann das barometrische Maximum für längere Zeit in der ganzen westlichen Hälfte des europäischen Festlandes die Alleinherrschaft. Hier trat daher überall ruhiges, heiteres Sommerwetter ein, wobei in Frankreich die Temperaturen noch bedeutend höher als in Deutschland emporstiegen, am 8. z. B. in lle d’Aix bis 37, in Bordeaux und Limoges bis 36° C. Nachdem dem ersten Maximum mehrere neue nach Mitteleuropa gefolgt waren, drang zwischen zwei derselben am 18. September von einer in Skandinavien befindlichen Depression ein südlicher Ausläufer ein und erregte, über die Ostsee hinwegschreitend, dort in der Nacht zum 20. eine heftige Sturmflutb, durch welche an der Küste zwischen Memel und Libau ungefähr 120 Fischer ihren Tod fanden. Tiefere Minima zogen sodann vom nor- wegischen Meere südostwärts, während sich der hohe Luftdruck nach Nordwesten zurückzog und erst gegen Ende des Monats wieder über Mitteleuropa nach West- russland eilte, als eine oceanische Depression mit dampf- gesättigten Westwinden sich über die britischen Inseln und das Nordseegebiet ausbreitete. Gleichzeitig lagerte ein Minimum auf dem adriatischen Meere, in dessen Um- gebung, besonders in Istrien ungewöhnlich grosse Regen- mengen, so vom 27. zum 28. in Pola 93, vom 28. zum 29. in Lovrana sogar 164 Millimeter herniederfielen. Dr. E. Less. Kritik der Falb’schen Wetterprognose für September.*) Prognose: „1. bis 4. September. Auffallend für diese Jahreszeit sind die zahlreichen Gewitter dieser Tage. Die Temperatur, welche anfaugs normal ist, geht in Folge derselben zurück. Die Niederschläge sind je- doch vorläufig noch, nicht sehr bedeutend.“ Wirklicher Verlauf: Gewitter fehlen fast ganz. Die anfangs recht niedrige Temperatur steigt allmählich etwas über den Durchschnitt. Niederschläge meist unbedeutend. — Prog- nose: „d. bis 9. September. Die Regen nehmen zu und erreichen namentlich um den 7. oder 8. eine erhebliche Stärke und Ausdehnung, Die Temperatur hält sich fast allgemein ziemlich unter dem Mittel.“ Wirklicher Ver- lauf: Seit dem 6. grosse Trockenheit; die Temperatur erreicht sehr hohe, hochsommerliche Werthe. — Prognose: „10. bis 20. September. Die Regen hören auf. Es wird sehr trocken. Die Temperatur geht noch mehr zurück. Wetter andauernd kühl.“ Wirklicher Verlauf: Die schon vorher herrschende Trockenheit dauert bis zum 18. an. *) Es wird beabsichtigt, auch bei unseren künftigen Wetter- Monatsübersichten als Anhang eine kurze Gegenüberstellung der von Falb prophezeiten und der wirklich eingetretenen Witterung Central-Europas zu bieten, da hierin das einfachste und zugleich das wirksamste Mittel zur Bekämpfung des verbreitetsten modernen Wetteraberglaubens liegen dürfte. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. [00000 111 — —— — 501 Temperatur mit kurzen Unterbrechungen warm und über- normal. — Prognose: „21. bis 30. September. Auf- fallender Umschwung im Wetter. Die Temperatur steigt allmählich über das Mittel. Die Niederschläge nehmen zum Theil als Landregen, zum Theil in Begleitung von Gewittern, nieht unerheblich zu und breiten sich aus. Besonders auffällig für diese Jahreszeit ist die Häufigkeit der Gewitter. Sie sind am zahlreichsten um den 27, zu welcher Zeit auch das Maximum der Niederschläge ein- tritt.“ Wirklieher Verlauf: Die Temperatur sinkt unter das Mittel. Zunahme der Niederschläge, zumal um den 24., 29 und 30. Gewitter fehlen fast ganz, wie überhaupt der ganze Monat sehr arm daran ist. Auch diesmal ist das Resultat für Falb uicht gerade sehr erfreulich. Der Gang der Niederschlagsvertheilung ist zwar in grossen Zügen richtig prophezeit, wenngleich in den Einzelheiten die Prognose vollkommen versagt. Der Gang der Temperatur hingegen bietet — wie auch schon im August — mit merkwürdiger Consequenz das genaueste Gegentheil von dem Bild, welches Falb ent- worfen hatte. H. Beiträge zur Chemie des Caleiums hat Bela von Lengyel in den Math. natur. Ber. Ungarn 14, 180— 88 (27/6) Budapest geliefert. Zur Reindarstellung des Caleiums bedient sich Verfasser eines grösseren Graphittiegels, in den eine poröse Thonzelle von 3—4 em im Durchmesser eingeschachtelt ist, und zwar so, dass sie den Boden des Tiegels nicht berührt. Tiegel und Zelle werden mit wasserfreiem Chlorealeium beschiekt, die Zelle mit dem negativen und der Tiegel mit dem positiven Pol des elektrischen Stromes verbunden. Als Pole dienen Eisen- drähte, die, der Stärke des Stromes angepasst, eine Dicke zwischen I—2 mm haben. Um die Berührung des ge- schmolzenen Chlorealeiums mit der Luft zu verhüten, be- deckt man die Zelle mit einer Thonscheibe, dureh die der Leitungsdraht geführt wird. Verfasser arbeitete mit einem Strom von 70-110 Volt und leitete durch den Elektrolyt einen Strom 10—18 Ampere; die Elektrolyse hielt 1—1'/,; Stunden an; um das unveränderte Chlor- caleium vom Caleium-Regulus zu entfernen, lässt man letzteren in wasserfreiem Alkohol stehen; der schliesslich resultirende Regulus ergab analytisch einen Gehalt von 99,2 °/, Caleium. Dem Aussehen nach ähnelt das Caleium einer silberreiehen Goldlegierung, hält sich an trockner Luft unverändert, erhitzt sich bei Wärmezufuhr an der Luft bis zur lebhaften Rothgluth und verbrennt mit blendendem Licht. Sein speeifisches Gewicht beträgt in Ueberein- stimmung mit dem von Mathiessen gefundenem Werth, s— 1,5540. Im Chlorstrome erhitzt, verbrennt es bei Rothgluth unter intensiver Lichterscheinung, nieht so im Joddampf, mit dem es sich ohne auffallende Liehtwirkung combinirt; im Schwefeldampf brennt es mit blendendem Glanze. Das metallische Caleium zersetzt Wasser, reagirt in der Kälte weder mit eoncentrirter Schwefel- noch con- centrirter, rauchender Salpetersäure, löst sich indessen in den siedenden Liquiden; eoncentrirte Salpetersäure da- gegen wirkt in der Kälte heftig unter Entweichen von Wasserstoff ein: verdünnte Salzsäure löst gleichfalls un- gestüm. Das Caleium vereinigt sich schon bei gewöhnlicher Temperatur leicht zu einer Verbindung, CaH,, dem Caleiumhydrogen, das besonders energisch bei schwacher Rothgluth entsteht; es ist ein graugefärbter, erdiger Körper, der Wasser heftiger als Caleium selbst zersetzt, so dass häufig eine Selbstentzündung des sich entwiekeln- den Wasserstoffs beobachtet werden kann. Im Sauer- stoffstrome erhitzt, entzündet es sich beim Rothglühen und 502 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XII. Nr. 42, brennt mit blendender Flamme; die Vereinigung mit Chlor ist bei Rothgluth äusserst heftig, im Joddampf erhitzt, erglüht es und zeigt lebhaftes Funkensprühen. Im Schwefel- dampf erhitzt, wird es kaum glühend und zerfällt schliesslich zu einem dunkelgefärbten Staube. Analog wie reines Caleium wird es von concentrirter Schwefel- und Salpetersäure nicht, heftig dagegen von concentrirter Salzsäure angegriffen; verdünnte Schwefel- und Salpeter- säure indessen reagieren äusserst lebhaft damit. Die Formel der Verbindung wurde aus dem mittels Caleium- hydrogen und Wasser entwickelten Wasserstoff abgeleitet. Wasserfreier Alkohol wird durch die Caleiumwasserstoff- verbindung gleichfalls energisch zersetzt; ob dabei Caleium- alkoholat entsteht, muss noch entschieden werden. Anschliessend an diese Untersuchungen hat Verfasser versucht, auch Strontium und Baryum darzustellen; die Gewinnung des Strontiums gestaltet sich weit schwieriger als diejenige des Caleiums; die Herstellung des Bariums ist dem Verfasser bisher überhaupt nicht geglückt. Dr. A. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Professor der Physik und Meteorologie an der Forstakademie in Eberswalde Dr. Müttrich zum Geheimen Regierungs-Rath; die Privat-Docenten der Augenheilkunde bezw. inneren Mediein in Berlin Dr. Karl Horstmann und Dr. Alfred Goldscheider zu ausserorder lichen Professoren; der Privat- Docent der Mathematik in Giessen Dr. Haussner zum ausser- ordentlichen Professor; der Honorar-Professor der Elektrochemie am Polytechnikum in Zürich Dr. Lorenz und der Titular-Pro fessor der Zoologie daselbst Dr. Keller zu ordentlichen Pro- fessoren; der Privat-Docent der Thierheilkunde in Poppelsdorf Schell zum Professor; der Director des Instituts für Infektions- krankheiten in Berlin Prof. Dr. Brieger zum Geheimen Medieinal- Rath; der Privat-Docent der Chemie in Göttingen Prof. Dr. Ferdinand Fischer zum ausserordentlichen Professor. Berufen wurden: Der ordentliche Professor der Gynäkologie und Geburtshilfe an der deutschen Universität Prag Dr. Edler von Rosthorn naclı Graz; der ausserordentliche Professor der Zoologie in Berlin Dr. Seeliger als ausserordentlicher Professor nach Rostock; der Privat-Docent der Hygiene in Marburg Dr. Knorr als Docent für Hygiene und Adjunkt bei der Thierseuchen- versuchsanstalt an die technische Hochschule zu München. Es habilitirten sich: Dr. Richard Loewenherz aus Berlin für Elektrochemie in Königsberg; Dr. Ritter Lorenz von Liburnau für Zoologie an der Hochschule für Bodenkultur in Wien; Dr. Werner für Zoologie an der Universität Wien; Dr. Reithofter für Elektrotechnik an der technischen Hochschule in Wien; Dr. Hopfgartner für Chemie in Innsbruck, In den Ruhestand tritt: Der Professor der Ohrenheilkunde in Wien Dr. Joseph Gruber. Es starben: Der ehemalige Director der Freiberger Berg- akademie Hüttenchemiker Geheim-Rath Hieronymus Theodor Richter; der ausserordentliche Professor der Gynäkologie in Breslau Dr. Max Wiener; der Professor der Mineralogie und Petrographie an der technischen Hochschule in Aachen Andreas Arzruni in Hohenhonnef; der Anthropcloge und Vorsteher des St. Germain-Museums in Paris Gabriel de Mortillet; der ordentliche Professor der Botanik und Direetor des botanischen Instituts in Turin Dr. Oav. Giuseppe Gibelli; der Pharmaceut Dr. Johann Eliza de Vry zu 's Gravenhage; der Direetor der Fischzuchtstation in Breseia Dr. Eugenio Bettoni. Litteratur. Wilhelm Bölsche, Charles Darwin. Ein Lebensbild. Bio- graphische Volksbücher, Nr. 32. 111 Seiten mit einem Bildniss. R. Voigtländers Verlag in Leipzig. — Preis 1 Mark. Das Büchelehen ist gut geschrieben und wohl geeignet in Darwin’s Lehre einzuführen. Es beschränkt sich nämlich nicht allein auf eine Kenntnissgabe von Darwin’s Leben und Streben, sondern bringt in dem Kapitel VIII-XII auch soviel über seine Lehre, wie einem Gebildeten zu wissen nöthig ist. Dr. E. Budde, Naturwissenschaftliche Plaudereien. 2. unver- änderte Aufl. Georg Reimer in Berlin, 1898. — Preis 3,60 Mark. Das den Naturfreund anregende Buch haben wir bereits in 1. Auflage in Band VII (1892) angezeigt und besprochen, da die vorliegende Titel-Auflage keine Veränderungen bringt, müssen wir auf jene Besprechung verweisen. Prof. Dr. Max Verworn, Beiträge zur Physiologie des Central- nervensystems. I. Theil: Die sogenannte Hypnose der Thiere. Gustav Fischer, Verlagsbuchhandlung in Jena, 1898. — Preis 2,50 Mark. Verworn macht darauf aufmerksam, dass die eigenthümliche Haltung eines etwa in Rückenlage gebrachten und dadurch . bewegungslos gemachten Thieres nichts Anderes als der Ausdruck eines plötzlich stehen gebliebenen Lagecorrectionsversuches ist. Um den auffallenden Zustand der Bewegungslosigkeit zu erreichen, ist es nur nöthig das Thier einige Augenblicke an seinen Be- wegungen zum Erreichen der Normal-Stellung zu verhindern. In der künstlichen Lage sind die am Reflex zur Erreichung der Normal-Lage betheiligten Muskeln im Zustande tonischer Con- traction stehen geblieben. Die Symptome treten auch bei grosshirnlosen Thieren ein: Mit der Hypnose steht die Erscheinung nur in so fern in Zusammenhang, als auch bei ihr „Hemmungs-Erscheinungen“ be- theiligt sind. Der „tonische Lagereflex“ ist bei der von Verworn studirten Erscheinung das Wesentliche. Prof. Dr. med. et phil. Georg Dragendorff, Die Heilpflanzen der verschiedenen Völker und Zeiten. Ihre Anwendung, wesentlichen Bestandtheile und Geschichte. Ein Handbuch für Aerzte, Apotheker, Botaniker und Droguisten. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart, 1898. — Preis 22 Mark. Trotzdem der Verf. unerwartet schnell am 7. April aus dem Leben schied, konnte er in seinen letzten Tagen der Gewissheit Ausdruck geben, dass das Werk so weit fertig sei, dass seine Söhne die wenige mechanische Arbeit, die noch zu thun war, auch ohne ihn würden beschaffen können. War doch der Text nieht nur völlig ausgearbeitet, sondern vom Verfasser selbst bis zum Schlusse in den Druckbogen corrigirt; im Register waren nur noch die letzten Bogen nachzutragen. Es hat somit der Ab- schluss des Werkes keine wesentliche Verzögerung erlitten und ist durchaus im Sinne des Verfassers vollendet worden. Eine grosse Anzahl bisher bei uns nicht gebräuchlicher oder nicht genügend bekannter Heilmittel ist aus den verschiedenen Gebieten der Erde allmählig uns zugeführt worden; manche der- selben haben ihre Stelle im Arzneischatz der modernen Mediein bereits gefunden, für manche mag sich in der Zukunft eine rationelle Indieation ergeben, alle aber haben sie für uns die Be- deutung eines in jahrtausendlangen Wechselverkehr der Mensch- heit mit der Muttererde erworbenen Besitzthumes, welches, wenn keine andere, so doch sicher eine kulturhistorische Bedeutung hat. Seitdem im Jahre 1862 Rosenthal seine „Synopsis plantarum diaphoriecarum“ schrieb, in welcher die damals bekannten Nutz- pflanzen und somit auch die Heilpflanzen zusammengestellt waren, ist ein ähnliches Werk nicht erschienen. Inzwischen war im Hin- blick auf die bedeutende Vergrösserung, welche das Material er- fahren, ebenso in Rücksicht auf die grossen Veränderungen, welche auf den Gebieten der Botanik, Chemie, Mediein ete. sich voll- zogen hatten, die Neubearbeitung einer möglichst vollständigen Zusammenstellung aller der Pflanzen, welehe zu Heil- oder diäte- tischen Zwecken im Laufe der Zeit in Anwendung gebracht worden sind, ein dringendes Desiderat geworden. Das vorliegende Handbuch soll diesem Bedürfnisse abhelfen. In möglichst systematischer Anordnung soll dasselbe alle diejenigen uns bekannten Pflanzen, welche zu irgend einer Zeit von irgend einem Volke unserer Erde als Heil- oder diätetische Mittel ver- wendet worden sind, vorführen. Neben der Angabe der wichtigeren botanischen Synonyme und — namentlich bei ausländischen Ge- wächsen — der hauptsächlichsten Trivialnamen orientirt das Werk über die Gegend, in welcher die Pflanze, über die Krankheiten, für welche dieselbe angewendet wird, wie das seiner Zeit auch in dem schon genannten trefflichen Compendium Rosenthal’s ge- schehen ist, und zwar angenehm ausführlicher als bei Dragendorff. Der Unterschied beider Bücher beruht darin, dass der letzt- genannte Autor sich auf die Heilkräuter beschränkt, während das durchaus noch keineswegs ersetzte Buch Rosenthal’s auch die technisch verwendeten Pflanzen berücksichtigt. Dragendorff konnte nach einer Angabe im Prospeet unter den 12700 Heilpflanzen 2000 mehr ale Rosenthal aufführen. Das ausführliche Register kommt dem guten Nachschlage-Buch natürlich sehr zu statten. Mach’s Grundriss der Physik für die höheren Schulen des Deutschen Reiches. Bearbeitet von Dr. Ferd. Harbordt und Max Fischer. I. Theil: Vorbereitender Lehrgang. Ausgabe für Real-Anstalten. Mit 298 Abbildungen. Zweite verbesserte Auflage. G. Freytag in Leipzig, 1897 — Preis gebunden 2 Mark. \ Die Ausgabe für Gymnasien wurde in dem vorliegenden Bande der „Naturw. Wochenschr.“, Seite 594 angezeigt. Wir könnten nur wiederholen, was wir dort gesagt haben, und bitten daher den Interessenten, an der angegebenen Stelle nachzuschlagen. XIII. Nr. 42. Forschungen zur deutschen Landes- und Völkerkunde im Auftrage der Centralkommission für wissenschaftliche Landes- kunde von Deutschland herausgegeben von Dr..A. Kirchhoff, Professor der Erdkunde an der Universität Halle. Elfter Band. Heft 1—3. J. Engelhorn in Stuttgart, 1898. Heft1: Professor Dr. M. Eschenhagen (Potsdam), Magne- tische Untersuchungen im Harz. Mit 2 Tafeln. 20 Seiten. — Preis 1,60 Mark. j . Die neueren magnetischen Untersuchungen ganzer Bergrücken und selbst ganzer Gebirge haben deswegen ein allgemeineres Interesse erregt, weil die Feststellung eines magnetischen Ein- flusses bei sonst ganz unmagnetischen Material über den Bau des Gebirges in grösseren Tiefen, als bis wohin die geologischen Ermittelungen reichen, noch Aufschluss zu geben vermag. Zu solchen Untersuchungen gehören allerdings schon kom- plizirtere Instrumente und Beobachtungsmethoden, auch muss die magnetische Aufnahme eines grösseren Gebietes oder die so- ‚genannte Landesvermessung bereits bis zu einem gewissen Grade durehgeführt sein, ehe die specielle Durehforschung kleinerer Gebiete mit Erfolg in Angriff zu nehmen ist, ‚weil man die normale Erscheinung des Erdmagnetismus erst kennen muss, um Ab- weichungen vom normalen Verbalten.zu finden. In der magne- tischen Landesmessung sind zwar Lamont und Kreil für Mittel- Europa vor 40 Jahren vorangegangen, seitdem ist unser Vaterland aber durch andere Nationen (Engländer, Franzosen und Holländer) überflügelt wordeu, nur Norddeutschland wurde von Hamburg ‚und Wilhelmshafen aus 'neuerdings vermessen und gegenwärtig arbeitet das magnetische Observatorium in Potsdam sehr eifrig auf diesem Gebiete. \ . Von Specialgebieten ist theilweise auf Kosten des Central- ausschusses für wissenschaftliche Landeskunde im Jahre 1888 der Harz in Angriff genommen worden: tionen magnetische Beobachtungen gemacht, seit 1890 ist aber die Zahl der Beobachtungsstationen fast verdoppelt worden und durch dieselben hat man einen ziemlich vollkommenen Ueberblick über die magnetischen Verhältnisse des Gebirges gewonnen. Anfang vorigen Jahres ist der Geologischen Landesanstalt in Berlin eine erste Bearbeitung dieser Ergebnisse eingereicht worden, doch ist dieselbe noch nicht veröffentlicht; auf dem 12. Deutschen Geographentag zu Jena erstattete der Verfasser Ostern 1897 ein Referat über dieselhe und giebt nunmehr im vor- liegenden Hefte eine Uebersicht der gewonnenen Ergebnisse, welche unabhängig von der ersten Arbeit angefertigt wurde. Dieselbe ist jedoch selbst so knapp gehalten, dass ein Auszug daraus an dieser Stelle kaum möglich ist, und ein Verweisen auf dieses Heft der „Forschungen“ um so mehr am Platze sein dürfte, als die hauptsächlichsten Ergebnisse auf den beiden beigegebenen Tafeln niedergelegt sind: man ersieht aus den letzteren sofort, dass im Harz die Gebiete positiver Abweichungen, an denen magnetische Anziehung herrscht, vorwiegen; zweifellos geht aus der Tiefe unterhalb der; Strecke Elrich—llfeld—Stolberg eine bedeutende magnetische Anziehung aus, entsprechend einer durch den ganzen Südharz ‘von Herzberg bis Sangershausen ziehenden „magnetischen Kammlinie“, d. bh. eine anscheinend Anziehung auf die Magnetnadel ausübende Linie. Die anziehenden Massen liegen hier nach einem mitgetheilten Rechnungsverfahren zwischen 18 und 34 km Tiefe. Die Verhältrisse im nördlichen Harz liegen bedeutend un- klarer; hier fehlt es auch an Beobachtungsstationen. Abgesehen von lokalen Störungen durch einige an Magneteisen reiche Granitfelsen wie an. den Hohneklippen und den Schnarcher-Klippen bei Schierke zeigen die Hauptgranitmassen des Harzes, wie besonders das Brockengebiet, keine hervorstechende Wirkung.. Man darf jedoch annehmen, dass die specifisch schwersten, eisenhaltigsten Granite am tiefsten liegen und zwar in dem Gebirge südlich vom Brocken, was die hier vorhandene, magnetische Kammlinie zwanglos er- klären durfte. Hierzu kommt nun noch die durch die Loth- störungen im Harz nachgewiesene eigenthümliche Massen- attraktion: es liegen für den Harz eine grosse Zahl von Loth- abweichungsbeobachtungen seitens des geodätischen Instituts in Berlin vor, welche vom Verf. für seine Stationen benutzt werden konnten. Dieselben sind in die Karte eingetragen worden; ver- folgt man sie von Norden nach Süden z. B. im Meridian des Brockens, so zeigen sich die stärksten Ablenkungen des Lothes nach Süden gleich am Nordrande des Harzes bei Harzburg und Kattenäse, dann folgt eine schnelle Abnahme der Anziehung, je zwischen der Achtermannshöhe und Andreasberg wird die Ab- weichung — (0, d.h. das Loth verhält sich hier wie in der weiteren Umgebung des Harzes (Braunschweig, Gotha). Dann folgt weiter Naturwissenschaftliche Wochenschrift. , nach Wippra. ' gleicher Massenanziehung“ ziemlich genau parallel verläuft zu der oben bezeichneten magnetischen Kammlinie. Zuerst wurden an 24 Sta- 503 nach Süden eine schnell anwachsende negative Abweichung; dieselbe erreicht bei Tettenborn ein Maximum und verringert sich alsdann weiterhin nach Süden wieder. Die Linie ohne Abweichung verläuft etwa von Osterode über Braunlage und Günthersberge Von Interesse ist, dass diese „Symmetrielinie Heft 2: Dr. Willi Ule, Beitrag zur physikalischen Er- forschung der Baltischen Seen. Mit 4 Tafeln. S. 25—72. — Preis 3 Mark. ver Die‘physikalischen Verhältnisse in den baltischen Seen sind vom Verf. 1892 (Herbst) und 1893 (Mai) näher untersucht worden; er theilt seine Beobachtungen im vorliegenden Heft unverkürzt ınit, um dieselben‘ nicht veralten zu lassen und um jedem Leser die Grundlage für eine Prüfung der von Ule aus demselben ge- zogenen Schlüsse zu ermöglichen. Seine Beobachtungen umfassen hauptsächlich die Temperaturverhältnisse, erstrecken sich aber auch auf die Durchsichtigkeit und die Farbe des Wassers; Ule wurde von Prof. Biereye in Plön und vom Ober- fischmeister Seriba in Ostpreussen unterstützt; die Mittel gewährte auch hier die Centralkommission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland. ‘ Die Messungen wurden von ihm in zwei möglichst von einander entfernt gelegenen Gebieten des baltischen Höhenrückens vorgenommen, an denen der Verf. 1888 und 1890 morphologische und geologische Untersuchungen ‚angestellt hatte. In O-kholstein waren es die Seen in der Gegend von Plön: der Grosse Plöner-See, der Schöh-See, der Trammer-See und. der Schaal See bei Ratzeburg; im ostpreussischen Gebiet der Mauer-, Löwentin-, Taltowisko-und Rehsau- See sowie das Talter-Gewässer. Mehr noch wie in der vorher besprochenen Arbeit sind die hauptsächlichsten Ergebnisse der. umfangreichen Beobachtungen in den graphischen Veranschaulichungen der beigefügten 4 Tafeln niedergelegt., Tafel 1 bringt zunächst die Profile der genannten Seenbeeken, die’ 3 übrigen veranschaulichen. die, Temperatur- verhältnisse der einzelnen Tiefenschichten, den Gang der Er- wärmung während einiger Beobachtungstage (vom Grossen Plöner- See und Rehsau-See einerseits, dem Mauer-See andrerseits) mit der Siehtbarkeitsgrenze der Seechischen Scheibe. Die Prüfung der vom Verf. aus seinen Beobachtungen ge- zogenen Folgerungen muss der Referent den Speeialforschern auf diesem in den beiden letzten Jahrzehnt so sehr in Aufnahme ge- kommenen Gebiete der Seenforschung überlassen, da er auf dem- selben selbst keine eigene Erfahrungen besitzt. Heft 3: Dr. Fritz Meyer, Zur Kenntniss des Hunsrück. Mit 1 Karte. S. 77—106. — Preis 4 Mark. k Nach einer Uebersicht des über den Hunsrück vorhandenen reichen litterarischen Materials behandelt Verf. die im Südosten steinige Abgrenzung, den geologischen und orographischen Bau, die ‚Entstehungsgesehichte des Hunsrück, dessen Untergruppen, Oberflächenformen und hydrographischen Verhältnisse in wesentlich kompilirender‘.Weise und schliesst mit einer Erläuterung der schön ausgeführten Höhenschichtenkarte, dem werthvollsten Theile dieser Arbeit. Fr. Regel. Beneden, Prof. Ed, van, Les Anthozoaires de la „Plankton- Expedition“. Kiel. — 32 Mark. Berthold, Prof. Dir. Dr. G., Untersuchungen zur Physiologie der pflanzlichen Organisation. 1. Theil. Leipzig. — 6 Mark. Berwerth, Prof. Kust. Dr. Fritz, Mikroskopische Structurbilder der Massengesteine in farbigen Lithographien. Stuttgart. — 20 Mark. Credner, Herm., Die sächsischen Erdbeben während der Jahre 1859 bis 1897, insbesondere das sächsisch-böhmische Erdbeben vom :24. X. bis '29. XI. 1897. ‘Leipzig. — 4,50 Mark. Czuber, Prof. Eman, Vorlesungen über Differential- und Integral- Reehnung. 2. (Schluss-)Band. Leipzig. — 10 Mark. Garcke, Prof. Kust. Dr. Aug., Illustrirte Flora von Deutschland. 18. Aufl. Berlin. — 5 Mark. Goebel, Prof. Dr. K., Organographie der Pflanzen, insbesondere der Archegoniaten und Samenpflanzen. 1. Heft: Bryophyten- Jena. — 3,80. Mark. Himpel, Oberlehr. J. St., Die Flora der Umgebung. von Metz. Metz. — 1 Mark. J Nagel, Prof. Dr. Wilh,, 1. Assist., Die Gynäkologie des praktischen Arztes. Berlin. —,9 Mark. Roe jr.. Prof. Dr: Fdward Drake, Die Entwickelung der Sylvester- schen Determinante nach Normal-Formen. Leipzig. — 2 Mark. Inhalt: E. Fürst: Theater und Musik der Javanen. — Veränderungen in der Zeichnung der Vogelfedern. — Wetter-Monats- übersieht. — Beiträge zur Chemie des Caleiums. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Wilhelm Bölsche, Charles Darwin. — Dr. E. Budde, Naturwissenschaftliche Plaudereien.. — Prof. Dr. Max Verworn, Beiträge zur Physiologie des Central- nervensystems. — Prof. Dr. med. et phil. Georg Dragendorff, Die Heilpflanzen der verschiedenen Völker und Zeiten. — Mach’s Grundriss der Physik für die höheren Schulen des- Deutschen Reiches. — Forschungen zur deutschen Landes- und Völkerkunde. — Liste. 504 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 42. VO OH H HH HH HH HH 99H 99H 99H Rn? R Dr. Robert Muencke % Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. % Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate & und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. PLLLO01000000 0800808000000 VS ORERSOSERIPITER In. Dimmlers Derlagsbuchandtung in Berlin SW. 12, Fimmerft. 94. dä Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Silberne M edaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. | Photosshesss Stativ- und Hand- Gameras. Gediegene Ausstattung. | NT ui Sämmtliche Bedarfsartikei. 4 Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. | Allein- Ver trieb d der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges )- ”.s. v“ 99909 Der Wenfcheitslehrer. Ein Kebensbild des Weifen von Nazareth. George Paul Sylweiter Gabanis. 300 Seiten Oftav. Preis geh. 3 AM, elegant geb, 4 HM. Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Ein vor dem Staatsexamen Hempel’s Klassiker - Ausgaben. ste der H x TENERE A stehende Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Mathematiker Ferd, Dümmlers Verlagabh. Berlin. (Phys., Chem., Astr.), der aus pekuniären Gründen seine Lauf- bahn aufgeben muss, sucht eine seinen Kenntnissen angemessene Stellung. Gefällige, selbstver- ständlich nichtanonyme, Offerten erbeten unter A. K. 20 an die Expedition dieses Blattes. Grasmotoren, Dynamo- und Dampf- maschinen gebraucht, garantirt betriebs- fähig, in allen Grössen offerirt Elektromotor G. m. b. H. Berlin NW., Schiffbauerdamm 21. In Ferd. Dümmilers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 12 erschien: Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am =, Realgymn. in Berlin. Die Insekten-Börse Internationales Wochenblatt der Entomologie Finsekten-Börse. Entomplogisches Organ für Angebot, Nachfrage und Tau N ist für ee und Naturfreunde das hervorragendste Blatt, welches wegen der be- lehrenden Artikel, sowie seiner internationalen und grossen Verbreitung betreffs Ankauf, Ver- kauf und Umtausch aller Objecte die weit- gehendsten Erwartungen erfüllt, wie ein Probe-Abonnementlehren dürfte. Zubeziehen durch die Post. Abonnements - Preis pro Quartal Mark 1.50, für das Ausland per Kreuzband durch die Verlags- Buchhandlung Frankenstein & Wagner, Leipzig, Salomon- strasse 14, pro Quartal Mark 2.20 = 2 Shilling 2 Pence = 2 Fr. 75 Cent. — Probenummern gratis und franco, — Insertionspreis pro 4gespaltene Borgiszeile Mark —.10. den. Diümmlers Herlagsbh., Berlin. Sn unferm Verlage erjchienen: dus Dudı dehus, Die Urevangelien. Neu durchge jfehen, neu überjeßt, geordnet und aus den Irfpradhen erklärt von Wolfgang Rircbad;. Dftan-Ausgabe 184 ©. 1,50 M,, eleg. geb. 2,25 M. Boltg- « Husgabe 156 © gebunden 70 Pfennig. Was lehrte defus? Zwei Ilrevangelien. Bon Molf- gang Rirdjibad;, 256 Seiten DE tav 5 M., eleg. gebunden 6 Mi. EEFFFEFFTELHTFFTTITTTTT Ferd. Dünmlers Derlagsbuchhandlung. Geologische Ausflüge in die Umgegend von Berlin. Von Dr. Max Fiebelkorn. x» Mit 40 Abbildungen und 2 Kartenbeilagen. * 130 S. gr. 8. — Preis 1,80 Mk. Al 444 Seiten gr. 8. Pr. 6M., geb. 7M. FEIGDGDBGBGD BD DDDBEDSDB SET SSISISSTSTISISTSZEEN | Lerd. Dimmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. B. Car 1 Zeiss, On sche Werkerdete Dom Baume der Erkenntnis. Jena_ Sragmente zur Ethik und Pfgchologie aus der Weltlitteratur, gejammelt und berauögegeben von Dr. Paul von Gisycki, Stabtihulinfpeftor in Berlin. I. Band: OGrunöproßleme. Bmeite Auflage. 808 Seiten groß Dftav. Geheftet 7,50 M., in feinftem Lieberhaberhalbfran; LO M. fi Ze Serben erfchienen! mi Mikroskope mit Zubehör. Mikrophotographische Apparate. Photographische Objective. für physikalische und chemische Zwecke. Neue Doppelfernrohre für Handgebrauch. Astronomische Objective und astro- optische Instrumente. h Cataloge gratis und franco. ESESTTTHÄSSTHESLEISEITE mE Te ET I ———— Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Sn gleicher Ausftattung und demjelben Breife erjchien früher: „Bom Baume der Erkenntnis“, Band II: „Das Weib,“ sss Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. mm ER nn a = Redaktion: en Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. } ng fassenden 1 oc N den Gebil'en der Phantasıe, w.rd ihr reichlich ersetzt durcli den Zauber der Wirklichke t, derihre Schöpfungau schmüc Ss Dr.H. Potonie. Pi, XIT. Band, | Abonnement: Man ab.nnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M# 4.— Bringegeld bei der Post 15 „, extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Sonntag, den 23. Oktober 1898. [010] \ Nr. 43. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 &. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Neue Wege der Gährkunde und Gährungstechnik. Von Schiller-Tietz, Hamburg-Kl. Flottbek. Wo immer wir von der Lebensweise irgend eines Volkes oder Stammes auf dem weiten Erdenrund genauere Kenntniss erlaugen, da finden wir sie auch im Besitze gewohnheitsmässiger Genussmittel, deren Anwendung ent- weder in einer gewissen Verbindung mit den üblichen Nahrungsmitteln steht, wie die Küchenkräuter und Ge- ‚würze, oder aber zur Befriedigung eines selbstständigen Bedürfnisses — des habituellen Durstes! — dient. Nicht nur alle Kulturvölker, sondern auch alle wilden Völker haben ihre ganz besonderen Formen und Arten von Reiz- und Genussmitteln zu finden gewusst: Vom Wein bis zum Kefir und Kumys, vom Zythos der alten Egypter bis zum neuzeitlichen Maltonwein, vom Thee bis zum Kaffee, vom Zimmt bis zum Kalmus — welche unendliche Mannig- faltigkeit, welche erstaunliche Fülle beliebter und weit- verbreiteter Genussmittel! Einige derselben sind kosmo- politisch geworden, wie Tabak, Kaffee, Thee, Wein, Branntwein, andere werden meist nur von bestimmten Völkern benutzt, wie Kola, Haschisch, Opium, Kwass, Kumys, Sake u. s. w. Welche Gruppe der eigentlichen Reiz- und Genussmittel die weiteste Verbreitung gefunden hat, lässt sich schwer entscheiden, die interessantesten Erzeugnisse dieser Art sind unstreitig die als geistige Getränke anzusprechenden Erzeugnisse der alko- holischen Gährung, einerseits wegen ihrer Mannig- faltigkeit, andererseits aber auch deshalb, weil deren Darstellung seitens der Naturvölker bereits eine gewisse Naturbeobachtung zu Grunde liegt und auch einige technische Geschicklichkeit erforderte. In allen Winkeln der Erde ist der Mensch nämlich soweit Naturforscher gewesen, sich seine berauschenden, alkoholischen Getränke bereiten zu können. War nun zwar der glücklich der Natur abgelauschte Darstellungs- process auch immer derselbe, das Ausgangsmaterial zur Gewinnung des berauschenden Trankes und dement- sprechend auch die Bereitungsweise waren im Einzelnen von der grössten Verschiedenheit, wie sie es auch heute noch sind. Jahrtausende hindurch hat so der Mensch seine berauschenden Getränke hergestellt unter weiser Anwendung rein natürlicher Mittel und Wege, ohne in- dessen auch nur zu ahnen, welcher Art und Ursache die sich dabei abspielenden Processe seien, und selbst bis in die allerjüngsten Tage hat man keine Kenntniss gehabt — bezw. in falscher Vorstellung gelebt — von dem eigentlichen Wesen der sich z. B. bei der rein empirisch betriebenen Wein- und Bierbereitung abspielenden Vor- gänge; erst mit Hilfe der Baeteriologie wurde der feste Grundstein zu dem stolzen Aufbau unserer modernen Gährungs - Wissenschaft gelegt, welche rückwirkend wiederum befruchtend auf die Gährtechnik und den rationellen Ausbau der Gährungsgewerbe eingewirkt hat. Die einfache Beobachtung, dass in der Natur ohne irgend welches Zuthun des Menschen überall da, wo zuckerhaltige Flüssigkeiten sich selbst überlassen bleiben, in diesen ganz spontan eine Stoffumwandlung eintritt, ist die Grundlage aller Gährtechnik und Gährkunde gewesen. Die Erscheinungen dieser Stoffumwandlung kannte man seit vorgeschichtlicher Zeit, die Erkenntniss der den Gährungsvorgang bewirkenden „letzten Ursachen“ blieb jedoch dem Menschen verschlossen bis in die neueste Zeit und kann heute — seit Entdeckung der alkohol- bildenden Zymase durch Buchner — leider noch nicht als endgiltig geklärt und abgeschlossen angesehen werden. Wohl beobachtete schon der einfache Naturmensch im vergohrenen Traubensafte, wie dieser sich nach beendeter Gährung allmählich klärte, und wie sich auf dem Boden des Gefässes eine lehmfarbene, dieke Schicht absetzte, der Weintrub, welcher für eine schon von vornherein im Moste enthaltene und durch die Gährung ausgeschiedene Ver- unreinigung gehalten wurde, die sogenannte „Hefe“, und 506 die heutige Nebenbedeutung dieses Wortes ist dieser ur- sprünglichen Auffassung vom Wesen der Gährungshefe entsprungen. Dass aber diese Hefe in einem ursächlichen Zusammenhange mit dem Gährungsvorgange stehe, hat erst unser Jahrhundert gelehrt.*) Das Interesse, welches die Naturforschung Problem der Gährung nahm, ist hunderte alt; bereits in des Paracelsus Schriften, bei Leeuwenhoek, Linne, Gay-Lussac, Buffon, Thenard, Erxleben, Cagniard de la Tour, Turpin und Schleiden finden wir mehr oder weniger klare Andeutungen, dass es keine Zersetzung zuckerhaltiger Flüssigkeiten, keine Gährung und Alkoholbildung ohne die physiologische Wirksamkeit einer Vegetation gebe, aber erst Sch wann lieferte den experimentellen Nach- weis, dass der Gährungserreger, die Hefe, ein belebter Organismus, ein Pilz sei, der sich durch Knospung ver- mehre. Dieser vitalistischen Gährungstheorie er- standen in Helmholtz und Liebig zwei gewichtige Gegner, bis dann Pasteur den Nachweis lieferte, dass die Gährung eine direete Lebensäusserung der Hefe, ein Correlat des Lebens ist und nicht ein ausschliesslich ehemischer Process, eine Molekularbewegung, sei, wie Liebig mit der ganzen Schärfe seiner Dialektik nach- zuweisen versuchte. Nachdem damit die Hefe als alko- holbildende Kulturpflanze erkannt war, war für die weitere Erforschung der Gährungserreger ein bo- tanisches Problem gegeben, an dessen Lösung im letzten Viertel unseres Jahrhunderts erfolgreich gearbeitet wurde. Schon die äussere Verschiedenheit des Verlaufs der Wein- und Bier-Gährung musste die Vermuthung nahe- legen, dass es verschiedene Hefearten gebe, zunächst wenigstens Wein- und Bierhefe, bald aber machte man auch die weitere Entdeckung, dass selbst diese beide Hefenarten nichts weniger als einheitliche Individuen seien, sondern zumeist aus einer bunten Mischung ganz verschiedenartiger Mieroorganismen bestehen. Man lernte an dem allerdings schon Jahr- sowohl Schimmelpilze wie Bacterien und Sprosspilze kennen, welche eine alkoholische Gährung bewirken können. Als die eigentlichen Alkoholhefen bezeichnete Rees jedoch eine Gruppe von Sprosspilzen, die er wegen ihrer zuckerspaltenden Fähigkeit als Saccharomyces ellipsoideus (Weinhefe) und S. cerevisiae (Bierhefe) u. s. w. bezeichnete, die er aber noch nicht zu isoliren, d. h. für sich gesondert zu züchten vermochte. Dies wurde erst möglich nach der experimentellen Aus- gestaltung der mierobiologischen Forschung in den letzten Jahren, und Chr. Hansen war es dann, welcher den Gedanken der absoluten Reinkultur der Hefen mit grösster Energie durchführte und damit glänzende Re- sultate von höchster Bedeutung für Wissenschaft und Technik gewann. Indem Hansen bei seinen Kultur- versuchen stets von einer einzelnen Zelle ausging, die er in sterilisirter Nährlösung sich infeetionssicher vermehren liess, erzielte er wahre Reinkulturen von Individuen einheitlicher Art, und auf Grund dieser Methode konnte er zunächst feststellen, dass es in morphologischer Beziehung verschiedene Hefen giebt, die allerdings ihre constant beibehaltenen Eigenschaften unter wesentlich veränderten Existenzbedingungen gleichfalls verändern. Die charakteristischen Merkmale der ver- *) C. Ingenkamp, Die geschichtliche Entwickelung unserer Kenntniss von Fäulniss und Gährung, Bonn, 1885; A. Jörgensen, Die Mikroorganismen der Gährungsindustrie, 4. Aufl., Berlin, 1898; Fr. Lafar, Technische Mykologie, I. Bd., Jena, 1897; Lindner, Mieroscop. Betriebseontrolle, 2. Aufl., Berlin, I Maercker, Handb. d. Spiritusfabrikation, 7. Aufl., Berlin: 1898; Grünhut, Die Einführung der Reinhefe in die Gährungsgewebe, Stuttgart. 1896; Sehiller- Tietz, Neue Wege der Gährkunde und die Maltonweine, Hamburg, "1898. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 43 schiedenen Hefen sind deshalb der Lebensbedingungen derselben anzusehen. Im Laufe der letzten Jahre hat man dann auch eine stattliche Zahl von Hefen bezw. Heferassen isolirt, die man grösstentheils emfach numerirt als „Hefe 6* oder „Hefe 332 der Berliner Sammlung*. Vorerst hat man noch davon abgesehen, das grosse Chaos dieser Heferassen in ein botanisches System ein- zuzwängen, sondern begnügt sich mit einer Gruppirung der Rassen mit Rücksicht auf ihre praktische Verwend- als ein Correlat barkeit. Zwischen den morphologisch differenten Hefe- rassen bestehen nämlich auch Unterschiede in ihrem physiologischen Verhalten, und die durch die verschiedenen Hefen eingeleiteten Gährungen unterscheiden sich sowohl in dem allgemeinen Verlauf des Vorgangs, wie in den äusseren Formen, unter denen sie sich abspielen; vor allen Dingen aber erzeigen sie sich äusserst abweichend in ihrer Gährwirkung auf die verschiedenen Zucker- arten und dementsprechend auch hinsichtlich der Bildung von Alkohol und Kohlensäure und den Nebenproducten der alkoholischen Gährung. Dureh umfangreiche physiologische Versuche auf Grund des Hefe-Reinzuchtverfabrens gelangte man endlich zur Kenntniss und planmässigen Auswahl zweckdienlicher Kulturhefen und wilder Hefearten und Scheidung derselben von Krankheitshefen und lästigem Hefe- unkraut, wodurch in der Wissenschaft wie in der Praxis der Gährungsgewerbe eine neue Epoche eingeleitet wurde. Am schnellsten und ohne tiefeinschneidende Um- wälzungen hat sich die Einführung der Reinzuchthefe in das Bierbrauereigewerbe vollzogen, welches sich be- kanntlich zur Einleitung der Gährung einer seit Jahr- hunderten herangezüchteten Kulturhefe bedient, die aller- dings sehr häufig dureh fremde Mieroben „verunkrautet“ ist, "welche den Gährungsprocess bald mehr bald weniger ungünstig beeinflussen und deshalb auch auf die Qualität des Gährungsproductes nicht ohne Einfluss sind. Nur da- dureh on man sich vor den gefürchteten Bierkrank- heiten (Hefetrübung und Geschmacksverderbniss) mit Sieherheit schützen, eine wirkliche Constanz im Brau- betriebe erzielen und die Gewähr für ein stets gleich- mässiges, treffliches Gebräu. erlaugen, wenn für den einzelnen Betrieb die geeignete und für zweckmässig be- fundene Heferasse planmässig ausgewählt und durch künstliche Zuchtwahl für sich allein weitereezüchtet wird, frei von Unkraut (Bacterien) und Krankheitshefen. Aus diesen Gründen erfährt schon heute die Reinzuchthefe eine sehr weitgehende Anwendung in Öber- und Unter- gährungs-Brauereien, und sicher gehört ihr auch die Zu- kunft, vielleicht mit der Einschränkung, dass man von der künstlichen, absoluten Reinzuchthefe zur natürlichen Hefereinzucht (Delbrück) übergeht. Bei der Weinbereitung bedarf es bekanntlich eines Hefezusatzes zum Traubenmost nicht, da sich demselben die auf den Schalen der Weinbeeren sitzenden wilden Hefen — damit allerdings auch fremde Mieroorganismen der verschiedensten Art — mittheilen und die "Gährung ohne irgendwelches Zuthun des Menschen einleiten. Es ist nun "auffallend, dass einem so nothwendigen Etwas bei dem Werden des "Weines, wie es die Weinhefe ist, von jeher so wenig Aufmerksamkeit zugewandt worden ist. Während man z. B. allen Fleiss und "alle Kunst aufbietet und keine Mühe und Kosten scheut, um einen guten Most zu gewinnen, so thut man doch von da ab nichts mehr, sondern überlässt den Most seinem Schicksale und wartet geduldig ab, was die Hefen zufällig aus ihm machen. Da die w einhefe naturgemäss eine Mischhefe ist, so ist die eigentliche Alkoholeährung des Mostes stets auch von XIII. Nr. 43. Nebengährungen begleitet, welche den Charakter des entstehenden Weines mehr oder weniger ungünstig beein- flussen müssen, ja unter Umständen krankmachend auf den Wein einzuwirken vermögen. Nachdem man im Brauereibetriebe mit Einführung der Reinzuchthefe so günstige Erfolge erzielt hatte, lag auch der Gedanke nahe, die Gährung des Traubenmostes dureh Abstellen der Nebengährungen gleichfalls möglichst rein durchzuführen. Das in Frankreich so beliebte | Sterilisiren des Traubenmostes hat sich aus Rück- sicht auf die eigenartigen Geschmacks- und Bouquetstoffe der deutschen Weine für uns ungeeignet erwiesen. Man griff deshalb zur Einleitung des praktisch so häufig mit bestem Erfolge verwerthbaren Kampfes ums Dasein zwischen den verschiedenen Gliedern der Flora des Mostes, indem man sofort nach der Kelterung der Trauben eine Finsaat von einer vorzüglichen und zu- gleich als besonders gährkräftig erkannten oder einer nach dem Hansen’schen Prineip reingezüchteten Weinhefe vornimmt, die am besten schon vorher in geeignetem und eventuell sterilisiitem Moste zur Angährung und leb- haften Entwiekelung gebracht ist. Auf diese Weise wird rasch eine alkoholische Gährung des Traubenmostes ein- geleitet, bevor die Eigenhefe desselben und mit derselben das Hefe-Unkraut und etwaige Krankheitshefen zur Ent- wiekelung und Vermehrung gelangen. Durch den Vor- sprung der eingesäeten Hefe ist diese natürlich auch in der Mehrzahl vorhanden und unterdrückt so die con- eurrirenden Mieroorganismen der Eigenhefe, vermag in Folge dessen die Gährung in der Hauptsache allein durchzuführen und dadurch dem Weine ihren speeifischen Charakter aufzuprägen. Die Unterdrückung der an Zahl und Lebensenergie noch schwachen Individuen der Ein- saathefe ist überhaupt der einzige durchführbare Weg, die Reinzuchthefen in die Weinbereitung einzuführen. Ob der Erfolg allerdings der gewünschte wird, lässt sich zwar nicht mit absoluter Gewissheit voraussagen, aber mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen, wenn alle Vorsichts- maassregeln getroffen sind, so dass im Allgemeinen der Einführung der Reinhefe in die Weinbereitung heute . sehon ein grosser Erfolg gesichert ist, und es gehört ihr die Zukunft, wenn auch nicht alle übertriebenen und überschwänglichen Hoffnungen erfüllt werden, welche man ursprünglich auf die Verwendung des Hefereinzucht- verfahrens für die Kellerwirthschaft gesetzt hat. Es steht nämlich fest, dass die Bildung speeifi- scher Geschmacks- und Duftstoffe (Blume, Bou- quet) des Weines keinesfalls ausschliesslich von der Hefe abhängig ist, sondern ein Theil der aromati- schen Stoffe des Weines ist schon in der Rebe primär vorgebildet und geht von dieser in die Traube und von dieser auch in das fertige Getränk über. Allerdings kommt auch der Hefe ein Hauptantheil an der Bildung der Geschmacks- und Bouquetstoffe des Weines zu, und im Gegensatz zu den primären Geschmacksstoffen der Rebe bezeichnet man die durch die Hefethätigkeit gebildeten Bouquetstoffe als dieseeundären. Wenn nun auch jede Bouquetverbesserung des Weines Halt machen muss, sobald es sich um die primären Bouquetstoffe handelt, so ist es aber sehr wohl möglich, von minder- werthigeren Weinlagen und geringen Traubensorten, welche arm oder besonders arm an primären Bouquet- stoffen sind, durch Förderung der secundären Bouquetstoff- bildung wesentlich zu verbessern durch die Auswahl einer Heferasse, welche sich besonders durch reichliche Bouquetstoffbildung auszeichnet. Wenn es auch nicht möglich ist, aus einer Schattenseite Cabinetts- wein oder aus Grüneberger oder Romster echten Rüdes- | heimer zu erzielen, so wird innerhalb der von der Natur | Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 507 gesteckten Grenzen doch erreicht, dass das sonst durchaus Unerfreuliche erfreulich und das Gute besser wird. — Ein sicherer Erfolg steht endlich auch bei Anwendung der Reinzuchthefen zu erwarten, wenn es sich darum handelt, einen kranken Wein durch Umgährung gesund zu machen, was in vielen Fällen nicht nur ein gutes, sondern auch zumeist das einzige Heilmittel be- stimmter Weinkrankheiten ist. Noch günstiger, als für die Weinbereitung, liegen die Verhältnisse für Einführung der Reinzuchthefe in die Obst- und Beerenweinbereitung, die sich in wenigen Jahren zu einer grossen Industrie entwickelt hat, welche mit allen Errungenschaften der Wissenschaft und Technik arbeitet und jährlich Hunderttausende Hectoliter tadel- loser Getränke liefert. In Gegenden, wo neben dem Wein- auch Obstbau betrieben wird, werden durch In- seeten, Wind u. s. w. die Gährpilze der Weintrauben auch auf das Obst übertragen, und daher waren die süddeutschen Obstweine ursprünglich auch besser als die norddeutschen, wenn auch die Quali- tät des Obstes an sich durchaus nicht besser war. Diese Beobachtung zeitigte den fruchtbaren Gedanken, die für die Zwecke der Gährung eingestampften und gepressten Früchte, also die Obst- und Beerenmaische, die sonst ohne weiteres Zuthun von selbst in Gährung über- geht, rechtzeitig mit reingezüchteten Weinhefen hervor- ragender Weinlagen zu versetzen und zu vergähren, und in der praktischen Ausführung zeigte sich sehr bald, dass die Fruchtweine durch dieses Verfahren einen deutlich hervortretenden weinigen Charakter erhalten. So erhält der an primären Bouquetstoffen sehr arme Apfel- wein unter der Verwendung der entsprechenden Wein- hefen das edle Aroma des Rüdesheimer, Steinberger oder dergl.; ähnlich auch Rhabarberwein; Heidelbeeren werden mit Bordeaux- oder Burgunder-Hefe vergohren; Johannis- beeren, Erdbeeren, Himbeeren vergährt man mit Ungar- und Südweinhefen und erzielt dadurch Dessertweine von dem Charakter und den Eigenschaften guter Süssweine; unter Anwendung echter Champagnerhefe stellt man neuer- dings auch Obst- und Beerenschaumweine dar, die zwar niemals die besseren Schaumweine verdrängen werden, aber jedenfalls unvergleichlich besser sind als viele Pro- ducte dieser Art, bei denen die Flasche werthvoller ist als der Inhalt. Ganz besonders hat sich auch die Benutzung der Reinzuchthefe in der Schaumwein-Fabrication nach dem französischen Verfahren der Flaschengährung be- währt und rasch eingebürgert. Man bevorzugt hier neben einzelnen bewährten deutschen Hefen namentlich aus Champagnerwein gezüchtete Reinhefen, weil dieselben in Folge ihrer langjährigen Anpassung eine grössere Sicher- heit der Gährung gewähren. Die Gährung verläuft da- durch auch reiner, rascher und vollkommener, und das Endproduct zeigt einen höheren Glanz. Soviel steht fest, dass es der deutschen Schaumwein-Industrie heute schon gelungen ist, durch Anwendung der Reinhefe ihre Er- zeugnisse nicht nur den altbewährten französichen würdig zur Seite zu stellen, sondern mit ihnen auf dem Welt- markte auch in scharfen Wettbewerb zu treten. Das von Hansen begründete Hefereinzuchtverfahren hat nicht nur reformirend auf die gesammten Gährungs- betriebe eingewirkt, sondern ist auch bereits der Aus- gangspunkt und die Grundlage einer vollständig neuen Gährungsindustrie geworden, dersogenannten Malton- Gährung zwecks Herstellung weinartiger Getränke aus Malz, der Maltonweine, deren Darstellungsverfahren wissenschaftlich wie technisch einen Triumph der deutschen Gährungstechnik bezeiehnet. Das Ausgangsmaterial für die Darstellung der Maltonweine ist — ebenso wie für 508 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 43. die Bierbereitung — Gerstenmalz, auch die Mälzung und Maischung ist in den leitenden Grundzügen mit dem Brau- verfahren noch übereinstimmend, allein der Gährungs- process ist so grundverschieden von demselben, dass die Maltonweine mit Fug und Recht als vollständig neue und eigenartige Producte eines auf strengwissenschaftlicher Grundlage beruhenden Gährungsverfahrens angesehen wer- den müssen. Um in dem fertigen Getränke einen Ersatz für die der Malzwürze naturgemäss fehlenden Fruchtsäuren zu schaffen, wird die Würze zunächst einer natürlichen, reinen Milchsäuregährung unterworfen, und die Er- fahrung hat gezeigt, dass die Milchsäure die Fruchtsäuren der Süss- und Südweine geschmacklich sehr wohl ver- treten kann. Hierauf wird die alkoholische bezw. weinige Gährung eingeleitet (die sogenannte Sauer’sche Hoch- sährung) durch Zusatz bestimmter reingezüchteter Südweinhefen charakteristischer Weinbauge- biete. Dieselben geben dem fertigen Getränk nach be- endeter Gährung hinsichtlich Alkoholgehalt, Geschmack und Bouquet den specifischen Charakter der betreffenden Süss- und Südweine. Interessant ist, dass nach diesem Verfahren bis dahin für technisch unmöglich erachtete Alkoholhöhen von über 19 Volumprocent erzielt werden, sodass die Maltonweine hinsichtlich der Herkunft des Alkohols eine thatsächliche Ueberlegenheit gegenüber den Südweinen des Handels zu verzeichnen haben, die einen Theil ihres Alkohols in Form von Sprit zugesetzt erhalten. Im Traubenmoste stellt nämlich die Hefe trotz bester Ernährung, günstigster klimatischer Bedingungen und reichlich vorhandenen Zuckers ihre Thätigkeit meist ein, wenn der Alkoholgehalt 10 bis 15 Volumprocent er- reicht bat. In dieser Hinsicht ist es auch bemerkens- werth, dass die reingezüchteten Hefen von frischen, direet aus Spanien (Xeres edelster Lage) bezogenen Trauben nicht sogleich eine solche Hochgährung in der ange- säuerten Malzwürze (dem Maltonmoste) erzielen konnten. Die Hefen mussten vielmehr durch häufig wiederholte Umgährungen in zuckerreicher Malzwürze sich erst accli- matisieren — kurz: sich dem neuen Gährmaterial an- passen. In der Brennerei erwiesen sich die Vortheile der Anwendung einer Reinhefe von passenden Eigenschaften hauptsächlich in der besseren Vergährung, höheren Alko- hol-Ausbeute und reinerem Geschmack und Geruch des gewonnenen Alkohols. Einen weiteren wesentlichen Fortschritt wird das Brennereigewerbe zu verzeichnen haben, wenn es gelingt, gute Heferassen ausfindig zu machen bezw. heranzuzüchten, welche Dextrine direct vergähren können. — Auch in der Presshefefabrika- tion, welche sich von der Brennerei wesentlich nur durch die Art der Gährung unterscheidet, insofern dabei mehr auf die Hefe-Vermehrung als auf die Alkohol-Ausbeute gesehen wird, beginnt man, sich der Reinzuchthefe zu bedienen. Die Essigfabrieation ist zwar noch nicht auf das Reinzuchtverfahren der Essigbildner aufgebaut, allein man ist auf dem besten Wege, dasselbe auch hier vollständig zur Durchführung zu bringen, wodurch dann endlich die vielen Schwierigkeiten gehoben werden, unter denen dieser Industriezweig heute noch leidet. Viele Aehnlichkeit mit den Gährungsgewerben hat die Milehwirthschaft, wenn sie auch eigentlich nicht zu denselben gezählt wird. Es ist bekannt, dass der Vorgang der Rahmsäuerung nichts Anderes ist, als ein dureh zufällig hinzutretende, niedere Pilze hervorgerufener Gährungsprocess. Unter dem Einflusse der eigentlichen Milehsäure-Bacterien entsteht aus dem Milchzucker die erfrischende Milehsäure, daneben entsteht aber auch ein gewisses Aroma, gleichfalls durch niedere Organismen, die Aroma-Bildner, hervorgerufen. Ausser diesen aber machen sich noch eine ganze Anzahl anderer Miceroben dureh unangenehme Antheilnahme bemerkbar, namentlich hinsichtlich der geschmacklichen Einwirkung auf die Butter. Mit Hilfe der auch im Dienste des Molkerei- wesens thätigen Bacteriologie hat man nun den Rahn- säuerungs-Process seiner Unsicherheit entkleidet durch Einführung von Reineulturen von Milchsäure-Bacterien und Auswahl ganz bestimmter Aroma-Bildner, deren Ge- sammtwirkung das angenehme Butteraroma ist. In gleicher Weise arbeitet man heute in der Käsefabrieation. Aus der Tabak-Industrie ist bekannt, dass der sogenannte Fermentirungs-Process, durch welchen der Tabak überhaupt erst Geschmack und Aroma erhält, gleichfalls durch die Lebensthätigkeit der auf den Tabaks- blättern vorhandenen und sich vermehrenden Bacterien hervorgerufen wird und deshalb gleichfalls mehr oder weniger ein Spiel des Zufalls ist. Man versucht deshalb seit Jahren anerkannt günstige Tabak-Bacterien, wie sie auf den feineren und feinsten ausländischen Tabaken vor- kommen, von diesen ab- und reinzuzüchten und zu ver- mehren und dann unsere minderwerthigen Tabake vor der Fermentirung damit zu mfieiren. In der That erzielt man auf diese Weise durch Edelfermentation mit den von Havanna- oder Brasil-Tabaken gezogenen Bacterien bei minderwerthigen Tabaken eine erhebliche Geschmacks- Verbesserung. Wenn es nun zwar auch nicht gelingen wird, den verrufenen Vierradener oder Pfälzer oder Elsässer in edles Kraut überzuführen, so steht doch fest, dass solch edelfermentirtes Kraut jedenfalls wesentlich ver- bessert ist, auch einen höheren Verkaufspreis erzielt, und man diese neue Seite der Bacteriologie im Dienste der nationalen Güterproduetion und Gütervermehrung nur mit Freuden begrüssen kann. Definirt man mit Lafar die Gährung als „eine dureh die Lebensthätigkeit von Pilzen hervor- gerufene Zersetzung oder Umsetzung von Sub- stanzen mannigfacher Art“ — und auf Grund der Forschungen über die Knöllehenbacterien der Legu- minosen etc. sowie die Nitrifieation ist man hierzu wohl genöthigt —, so werden wir ausser dem mileh- wirthschaftlichen Betriebe und der Tabak-Fermentation noch einige andere technische Arbeiten als Gährungs- vorgänge anzusprechen haben, obwohl die betreffenden Industriezweige nicht eigentlich zu den Gährangsgewerben gezählt werden, weil dieselben nicht ausschliesslich, zu- meist nur zum kleinsten Theile auf die Gährungstechnik aufgebaut sind. Der Indigo, welcher bekanntlich aus gewissen Arten der Leguminosen-Gattung Indigofera gewonnen wird, ist kein in den betreffenden Pflanzen fertig gebildeter Farb- stoff, sondern entsteht erst aus einem als Indican bezeich- neten, glycosidartigen Bestandtheile derselben durch Gäh- rung, und zwar ist die Indigo-Gährung der Thätigkeit eines Spaltpilzes (Bac. indigogenus) zu danken. Da aber der käufliche Indigo noch verschiedene andere or- ganische Bestandtheile enthält (Indigroth, Indigbraun, Indigleim), welche in den Indigo-Sorten in verschieden grossen Mengen vorkommen und natürlich auch den Farbenton beeinflussen, so ist die weitere Erforschung der Indigo-Gährung die Voraussetzung für die Feststellung der tauglichsten Art von Gährführung zwecks Erzielung der höchstmögliehen Ausbeute und willkürlicher Erzeugung gewünschter Sorten von Indigo. Das Rösten von Flachs und Hanf, welches den Zweck hat, die in die Bastfasern eingelagerte Inter- cellularsubstanz (aus peetinsaurem Kalke) in Lösung zu bringen, ist gleichfalls eine seit alters geübte Gährung, XI. Nr. 43. ohne dass man sieh über die dabei abspielenden, feineren Vorgänge hat Rechenschaft abgeben können. Je nachdem man die Feuchtigkeit, welche für den Verlauf dieser Gährung (bezw. für die Entwiekelung der dieselbe durch- führenden Spaltpilze) nöthig ist, durch Bethauen oder Begiessen der geriffelten Stengel oder aber durch Einlegen derselben unter Wasser hervorbringt, unterscheidet man Thauröste, Wasserröste und gemischte Röste. Der die Gährung bewirkende und bereits reingezüchtete Spaltpilz ist ohne Einwirkung auf Cellulose — sonst bliebe von den Fasern wenig übrig. In den Veremigten Staaten be- steht ein Patent darauf, die Flachsröste in wenigen Tagen in jedem beliebigen Wasser durchzuführen, indem man demselben Salze zusetzt, welche das Wachsthum der er- wünsebten Gährungserreger fördern; allenfalls solle man mit Wasser beimpfen, welches aus Gegenden stammt, wo die Wasserröste stark betrieben wird, z. B. demjenigen der Lys, einem Nebenfluss der Schelde. Auch die Haltbarmachung des Grünfutters ba- sirt auf Gährungsvorgängen, und zwar giebt es hier zwei Hauptwege: Entweder säuert man das Grünfutter ein, lässt es eine Gährung durchmachen und erhält dann je nachdem Sauerfutter oder Grünpressfutter, oder man trocknet dasselbe, bereitet also Heu. Entfernt man das Wasser der in Betracht kommenden Futterpflanzen durch die Wärme von aussen (Sonnenstrahlen), so erhält man Dürrheu; wird aber die Austreibung des Wasser durch die Thätigkeit der dem Futter aufsitzenden thermogenen Mieroorganismen durch Selbsterhitzung bewirkt, so giebt es zwei Wege. Bringt man das Grünfutter auf grosse Haufen und tritt dieselben möglichst fest, damit nieht Luft in das Innere einströmen kann, so tritt meist schon nach 12 Stunden Selbsterhitzung ein; in 48 bis 60 Stunden erreicht die Temperatur im Innern in der Regel 70° C., worauf die Haufen auseinandergebracht werden,. und- das-Brennheu- ist fertig. -Das-Futter- hat durch diese Gährung, über welche Aufschlüsse in physio- logischer Hinsicht noch fehlen, nieht nur den gewünschten Grad von Trockenheit, sondern auch mürbe Beschaffen- heit und Aroma erlangt. — Ist der Wassergehalt des Futters geringer, so erhitzt sich dasselbe auf Haufen viel langsamer und bedarf zur Beendigung der Gährung ea. 10 Woehen. Hierbei treten ausser den thermogenen Bacterien auch Milehsäure und Buttersäure in Wirksam- keit. Das so gewonnene Braunheu unterscheidet sich vortheilhaft vom Dürrheu, weil es nicht so spröde und den Thieren mundgerechter ist, allein es ist mit dem Ver- fahren ein beträchtlicher (bis zu 50 °/, der Gesammtmenge steigender) Verlust an verdaulichen Proteinkörpern ver- knüpft. Vom Wetter wird es abhängen, welche Methode der Heugewinnung zu wählen ist. — Wo in kurzer Zeit grosse Mengen von RKübenblättern, Rübenschnitzel, Grün- mais u. dergl. zur Verfügung stellen, bewahrt man diese leicht zersetzlichen Massen vor Fäulniss, indem man sie ohne jegliche Vortroeknung einer sauren Gährung über- liefert (früher in Silos, daher die englische und fran- zösiche Bezeichnung Ensilage). Je nach der Zusammen- setzung der gegebenen Substanzen, deren Wassergehalt und Behandlungsweise erzielt man durch die Ensilage zweierlei Dauerfutter: Steigt die Temperatur im Innern nicht höher als bis zu 40° C., so gelangen neben den Milchsäure-Bacterien auch die Erreger der Buttersäure- Gährung zur Wirkung, und man erhält das Sauerfutter, dessen Darstellung allerdings mit einem beträchtlichen Verlust an Substanz verbunden ist. Wenn erst über diese Gährungen in physiologischer Hinsicht Klarheit bestehen wird, so wird es jedenfalls auch gelingen, solche Gährerreger zu züchten, welche ein Höchstmaass von Wirkung mit einem Geringstmaass an Stoffverbrauch ver- Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 509 einen, Ist die Thätigkeit der wärmebildenden Bacterien in den Haufen eine regere, und vermögen sie die Tempe- ratur rasch auf 50° ©. zu steigern und auf dieser Höhe längere Zeit zu erhalten, dann beherrschen die Milch- säure-Bacterien das Feld, und man erhält ein fast geruch- loses Dauerfutter, das Süssfutter oder Grünpress- futter (Sweet-Ensilage), dessen Darstellung leider mit einem beträchtlichen Verlust an verdaulichem Eiweiss verknüpft ist. Vorbildlich für die Bereitung des Sauerfutters war die Sauerkraut-Gährung, über welehe — obschon von alters her praktisch geübt — in physiologischer Hin- sicht noch geringe Kenntnisse zu Tage gefördert wurden; dass auch hierbei den Milchsäure-Bacterien die Hauptrolle zufällt, ist allerdings gewiss. In verschiedenen Processen der Gerberei ist die er- wünschte thätige Antheilnahme der Mieroorganismen gleichfalls dargethan. Schon das Entbaaren der Häute dureh‘ einen als „Schwitzen“ bezeichneten Process be- darf der Kleinlebewesen. Die „Beize* bezw. „Schwell- beize“ der enthaarten Häute („Blössen“) ist im wesent- liehen ein in saurer Gährung befindliches Gemisch von Kleie, Gerstenschrot und Thierexerementen; als Erreger dieser Gährung wird das Bacterium furfuris an- gesehen, und man ist bemüht, die Schwellbeize (ohne die hygienisch nieht unbedenkliche und unappetitliche Zu- fügung von Exerementen) künstlich in Säuerung zu bringen mit Hilfe einer genügend grossen Menge einer in kräftiger Gährung befindlichen Anstell-Beize. — Das eigentliche Ausgerben der geschwellten Blössen geschieht zumeist dureh die Lohgerberei. Die zu Sohlleder bestimmten Blössen kommen in die Lohgrube, bis das Leder lohgar ist. Die sich hierbei abspielende Thätigkeit der Miero- organismen ist noch nicht aufgeklärt. — Die dünnen Blössen werden in einen wässerigen, kalt bereiteten Aus- zug aus. Gerbmaterialien gelegt, die Lohbrühe genannt. Eine bekannte Begleiterscheinung des Gerbevorganges ist nun das allmähliche Sauerwerden der Lohbrühe, welches ohne Zweifel auf die Wirkung von Microorganis- men zurückzuführen ist, unter denen der Baeillus costi- calis ein thätiger Antheilnehmer ist. Ohne diese Säue- rung erhält das Leder einen leeren, blechernen Griff, dureh die Sänerung der Gerbebrühe wird das Leder aber weich und geschmeidig. Die Gerber suchen daher auch das Sauerwerden der Lohbrühe dadureh zu begünstigen, und zu beschleunigen, dass sie die frische, süsse Lohbrühe mit etwas gebrauchter saurer versetzen und so unbewusst mit einer (allerdings nicht reinen) Zucht der Säurebildner impfen. Ob diese Mieroben noch andere Wirkungen aus- üben, und ob die Baeterien-Flora der verschiedenen z. B. auch aus den Tropen stammenden Gerbmaterialien viel- leicht noch andere Eigenschaften entfalten, bleibt der Untersuchung noch vorbehalten. Das sind in grossen Zügen die Probleme unserer heutigen Gährungstechnik bezw. der technischen Mykologie, deren Bestrebungen einerseits auf die Erschliessung der Erkenntniss und den Ausbau und die Vervollkommnung der schon seit Jahrtausenden rein empirisch betriebenen Gährungsgewerbe und der verwandten technischen In- dustriezweige gerichtet sind, andererseits aber auch zur Begründung neuer gährungstechnischer und ähnlicher ge- werblicher Betriebe führen werden. So ist z. B. alle Aussicht vorhanden, dass sich nach demselben Prinzip, nach welehem die Darstellung der Maltonweine erfolgt, noch andere neue Zweige der Gährungsindustrie aufbauen werden, und so ist trotz der grossen Fortschritte der letzten Jahre noch ein reiches Arbeitsfeld vorhanden, ein Feld erspriesslicher Thätigkeit für die teehnische Myko- logie. 510 Naturwissenschaftliehe Wochensehrift. XIII. Nr. 43. Wenn nun auch einerseits die Menschheit gegohrene Getränke gekannt und geschätzt hat, so weit die Geschichte zurückreicht und die Gährungsindustrie und die verwandten Gewerbe bereits eine grosse volkswirthschaftliche Bedeutuug erlangt hatten, bevor man auch nur entfernt zu ahnen vermochte, was eigentlich das Wesen der geheimnissvollen Gährungsprocesse sei, so haben die Gährungsgewerbe doch erst mit dem Zeitpunkte einen gewissen Aufschwung genommen, als man deren Ausübung der reinen Erfahrung entriss, als Erkenntniss sieh an Erkenntniss reihte und die Gesetzmässigkeit erschlossen wurde, über die der Mensch nunmehr frei verfügen konnte, nachdem er sie erkannt. Dadurch wurden bezw. werden die Gährungsgewerbe dem Spiele des neckischen Zufalls entrückt und ist erst ein zielbewussten Zusammenwirken der verständigen Fürsorge des Menschen mit der schaffenden Natur ermöglicht. Die vogtländischen Kieselschieferbrüche. Von Öberlehrer L. Herrmann. Wer das sächsische Erzgebirge mit seinen lang- gezogenen Höhenrücken und spärlichen Bergkuppen durch- wandert hat und dann ins Vogtland kommt, wird merk- würdig berührt durch den steten Wechsel von Kuppen, kleinen, flachen Hügelrücken und dazwischenliegenden, kleinen, sanftgeschwungenen Hochflächen. Der unruhige Charakter der vogtländischen Landschaft, das Auftreten scheinbar regellos zusammengewürfelter Rücken und Kuppen, die reiche Mannigfaltigkeit der Gebirgsglieder, die vielfachen und grossartigen Schichtenstauungen sind hervorgerufen worden durch die fast gleichzeitige Er- hebung des Erzgebirges und Fraukenwaldes. Nur wenige, kleine Hochebenen steigen langsam an und haben ein ruhiges Gepräge. Auf weiten Strecken ist der Wald durch den Feldbau bis auf wenige spärliche Reste auf felsige Gehänge und steinige Kuppen zusammengedrängt, an anderen Stellen begegnen wir wieder einem Netz schöner Waldthäler. Die Flussthäler bilden in der Regel weite Mulden; nur ein Theil der Elster zwisehen Jocketa und Elsterberg und die Trieb haben fast 100 Meter hohe, ganz steile Thalwände. Aufgebaut wird das Vogtland aus folgenden Gesteinen: Diabas, Grauwacke, Thon- schiefer, Quarzit, Kieselschiefer, Fruchtschiefer, Granit, Kalkstein, Cordieritandalusitglimmerschiefer, Turmalin- schiefer, Hornblende-, Augit- und Granatgesteinen u. Ss. w. Am schönsten sind die Schiehtenstauungen und Schiehten- verwerfungen am Kieselschiefer zu beobachten. Der Kiesel- schiefer vertritt in Wechsellagerung mit Alaunschiefer an mehreren Stellen den Obersilur. Geschätzt wird der Kieselschiefer wegen seiner tech- nischen Verwerthbarkeit und seiner Einschlüsse von Variseit, während der Alaunschiefer die interessante Graptolithenfauna in sich birgt. Tausende von Kubik- metern von Kieselschieferklarschlag und Kieselschiefersand- lagern zuweilen in den Steinbrüchen der Gegend von Oelsnitz, Plauen und Pausa und harren der Abfahrt, um als Beschotterung der Strassen, als durchlässiges Deck- material des Bahnkörpers oder der Cementbereitung zu dienen. Die ganz klar geschlagenen Kieselschiefer geben feste und trockene Wege zwischen den Gartenbeeten. Da die Arbeit bei der Kieselschiefergewinnung nach dem Kubikmeter bezahlt wird, so finden hierbei auch Leute Beschäftigung, die wicht mehr anhaltend zu arbeiten ver- mögen. Am lebhaftesten geht es in den Kieselschiefer- brüchen her, wenn im Winter die Handarbeit knapp wird. Der Kieselschiefer besteht in der Hauptsache aus amorpher Kieselsäure. Seine schwarze Färbung erhält er durch Kohlenstoff, der staubartig oder in Flocken durch das ganze Gestein vertheilt ist. ungleich dick, wenige Millimeter bis 0,4 Meter und zeigen auf den Schichtenflächen anthrazitische, glänzende Ueber- züge von weissem, seidenglänzenden, schuppigfaserigen Gümbelit oder sind mit schwachen Krusten von grün- Die Gesteinsschichten sind | dem Vogtlande oder Variscia benannt) bedeckt. Zahl- reiche Quarzadern durchsechwärmen den Kieselschiefer nach allen Richtungen. Die Schichten haben, als sich durch Schichtenstauungen und Verwerfungen die vogt- ländischen Hügel und kleinen Bergrücken bildeten, durch Rutschungen geglättete Flächen bekommen, die theilweise durch dünne Eisenoxydüberzüge in prächtigen Regen- bogenfarben schillern. Die Verwerfungen, das Zerbrechen und Rutschen von Gesteinsschichten lässt sich am besten in den Kieselschieferbrüchen des Engelspöhls bei Oelsnitz studiren. Die dünnen Kieselschieferschiehten sind vielfach durch Verwitterungen ausgebleicht und weiss geworden und zerfallen in viele, feine Blättehen. Die bereits er- wähnten millimeter- bis centimeterdicken, grünlichen Schalen von Variseit, einem dem Kalait verwandten Mineral, sind ein Zersetzungsproduct, das aus wasser- haltiger, phosphorsaurer Thonerde, Magnesia und Eisen- oxydul besteht. Da in den mineralogischen Werken Oelsnitz mit als Fundstätte des Kalaits angegeben ist, so haben ausländische Firmen, die sich mit der Bearbeitung von Edelsteinen befassen, öfters nach Oelsnitz sich ge- wendet, um Geschäftsverbindungen in Kalait (Türkis) an- zuknüpfen. Leider ist der vogtländische Variseit zu Schmucksachen nieht zu verwenden, gleicht also nicht dem orientalischen, herrlichen Türkis. Ausser dem grünen Variseit begegnen wir zuweilen im Kieselschiefer noch einem Thonerdephosphat, dem Wavellit, dessen chemische Analyse 23,7 Wasser, 35,3 Phosphorsäure und 38,0 Thonerde ergab. Es besteht aus halbkugeligen oder nierenförmigen Aggregaten von kleinen, nadelförmigen Krystallen von schön grüner oder blauer Färbung. Wer Glück hat, findet den Wavelit auch auf Steinhaufen an den Strassen. Zwischen den obersilurischen Kieselschiefern lagern kohligschwarze, weiche Alaun- schiefer. Sie färben bei Berührung mit den Fingern ab und lassen sich leicht spalten und zerbrechen. Auf dem Engelspöhl, besonders in den am weitesten zu Thal ge- legenen Brüchen treten Phosphoritnester auf, deren Ver- wertlibarkeit den Besitzern unbekannt ist. Für den Petrefaktenkundigen haben die Alaunschiefer besonderes Integesse, weil sie eine reichhaltige Graptolith- fauna beherbergen. Am Engelspöhl wurden folgende Formen nachgewiesen: Diplograptus ovatus, Diplograptus palmeus, Monograptus triangulatus, Monograptus nuntius, Monograptus priodon, Monograptus pristis, Monograptus Becki, Manograptus Nilssoni, Monograptus convolutus, Monograptus millepeda, Monograptus Proteus, Monograptus peregrinus und Monograptus Linnaei. Zwischen Weischlitz und Pirk hat Dalmer am Elsterufer folgende Graptolithen nachgewiesen: Mono- graptus convolutus, Monograptus triangulatus, Mono- graptus Becki, Monograptus Proteus, Rastrites peregrinns, Diplograptus cometa, Diplograptus foliaceus, Retiolites piogra] ‚ »Yıplog lichem Variseit (von Breithaupt nach seinem Stammlande, | Geinitzianus. XII. ‚Nr. 43. Der Kieselschiefer ist ein sehr hartes, sprödes Gestein, das die Nässe leicht durchlässt, weshalb die mit Kiesel- schiefer beschotterten Strassen nach dem Regen schnell trocken werden. Nur für die Pflanzenwelt ist der Kiesel- schiefer nieht günstig, denn er macht den Boden kalt, schwer, sauer und unfruchtbar, weshalb die von den Strassen abgespülten Schlammmassen nicht auf die Felder Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Hl gebracht werden dürfen. In den Steinbrüchen, die in den letzten Jahren aufgeschlossen wurden, befinden sich ansehnliche Lager von Grauwackensand, die wegen ihres Reichthums an Quarzen gern beim Hausbau Verwendung finden. Leider drückt die Coneurrenz die Preise herunter. Das Kubikmeter Kieselschieferklarschlag wird mit 2,50 M. bis 3 M. verkauft. Ueber eine Familie sechsfingeriger Menschen veröffentlicht Dr. Tissot von Chambery in der „Medeeine moderne“ interessante Mittheilungen, die „Revue scienti- fique“ vom 10. September 1598 bringt davon einen Auszug. In der Familie eines Landmannes zu Chambery befinden sich drei Kinder, welche polydactyl sind. Vater und Mutter sind normal gebildet und haben sich immer einer ausgezeichneten Gesundheit erfreut; nach ihrer Aussage sind in den beiderseitigen Familien früher nie Fälle von Polydactylie vorgekommen. Sie haben neun Kinder ge- habt, zwei sind an Scharlach gestorben, von den sieben übrigen sind drei polydactyl. Das älteste Kind, Franceline, ist 18 Jahre alt; sie hat sechs Finger an jeder Hand und sechs Zehen an jedem Fusse. An der linken Hand ist der sechste Finger nach aussen gebogen und bildet mit der Aussenseite der Hand einen stumpfen Winkel. Der fünfte Metacarpal- knochen, dessen Ende verbreitert und spatelförmig ist, trägt den fünften und sechsten Finger, welche beide ein gemeinsames Gelenk haben. Das dritte Glied des über- zähligen Fingers ist mit dem zweiten verwachsen, so dass dieser Finger nur zwei Phalangen zu haben scheint. An der rechten Hand sind die Finger wohl gebildet und alle parallel, Sie besitzen jeder einen besonderen Metacarpal- knochen, so dass also deren sechs vorhanden sind, und jeder Finger ist aus drei deutlichen Phalangen zusammen- gesetzt. Der fünfte Finger ist ein wenig länger, aber dünner als der sechste Finger; er ist, wie die Aufnahme durch Röntgenstrahlen ergab, der eigentliche überzählige Finger, denn sein Metacarpalknochen spitzt sich nach der Handwurzel hin zu und ist mit dieser nieht durch ein Gelenk verbunden. An den Füssen besitzt jede der sechs Zehen ihren eigenen Metatarsalknochen; die Zehen stehen parallel und sind alle wohl gebildet. Das zweite Kind ist ein Knabe, Louis, von 13 Jahren; er ist kräftig entwickelt und besitzt wie seine ältere Schwester sechs Finger an jeder. Hand und sechs Zehen an jedem Fusse. An der rechten Hand sitzt der sechste Finger an der Aussenseite der Hand; der Zwischenraum zwischen ihm und dem fünften Finger ist etwas grösser als der zwischen den übrigen Fingern, aber doch steht der überzählige Finger zu den übrigen fast parallel, auch hat er drei deutliche Glieder; er ist durch einen kleinen Höcker dem fünften Mittelbandknochen angegliedert. An der linken Hand steht der überzählige Finger senkrecht zu dem Aussenrand der Hand; er besitzt drei Phalangen und ist an dem fünften Metacarpalknochen angegliedert dureh Vermittelung einer kurzen, schräg nach oben und aussen gerichteten Apophyse. Jede Zehe besitzt ihren eigenen Mittelfussknochen, und die Füsse erscheinen in Folge dessen etwas verbreitert. Alle Finger und Zehen können normal bewegt werden, auch der überzählige Finger der linken Hand, doch ist dieser in Folge seiner abnormen Stellung beim Greifen hinderlich. Das jüngste Kind, Jeanne, ist 8 Jahre alt; sie hat sechs Zehen an jedem Fusse und sechs Finger nur an der linken Hand. Auch an der rechten Hand befand sich bei der Geburt des Kindes ein sechster Finger, derselbe war mit dem fünften Finger durch em kleines Stielchen verbunden und wurde durch einen Schnitt mit dem Rasir- messer leicht abgetrennt; noch jetzt ist am kleinen Finger aussen am Grunde des ersten Gliedes eine kleine fleischige Hervorragung bemerkbar. An der linken Hand ist die Spitze des fünften Metacarpalknochens verbreitert und spatelförmig; die beiden letzten Finger sind demselben durch ein gemeinsames Gelenk angegliedert. Jeder Fuss hat fünf Metatarsalknochen und der äussere . derselben trägt vermittelst eines gemeinsamen Gelenkes zwei Zehen. Die fünfte Zehe jedes Fusses ist ein wenig nach innen unter die vierte gebogen, was beim Gehen ein gewisses Hinderniss bildet. Alle drei Kinder wurden im Krankenhause Hötel-Dieu in Paris operirt; theils wurden alle überzähligen Glieder weggenommen, theils nur die sechsten Finger. Alle Operationen verliefen glücklich, ohne entstellende Wunden zu hinterlassen. Die Polydactylie wurde seit den ältesten Zeiten be- obachtet, schon Plinius führt mehrere derartige Fälle an. Die hier angeführten Beispiele zeigen, dass, wie dies häufig der Fall ist, Difformitäten der Hände gleichzeitig mit solchen der Füsse vorkommen. Meist erscheint der fünfte Finger, seltener der Daumen verdoppelt, mitunter ist ein überzähliger Mittelhandknochen vorhanden. Es mag hier noch erwähnt werden, dass nach der Ansicht einiger Forscher die Polydactylie als ein Fall von Ata- vismus anzusehen ist, insofern bei den ältesten Wirbel- thieren die Gliedmaassen mehr als fünf Finger resp. Zehen besassen. S. Sch. Zwei den Gurken schädliche Käfer der Vereinigten Staaten beschreibt F. H. Chittenden, Assistent der entomologischen Division des Departements für Ackerbau zu Washington, in Bulletin 10 (neue Reihe) der Abhand- lungen genannter Division, S. 26—31 (mit 2 Abb.). Es handelt sich um Diabrotica vittata F. und 12 punctata Ol. Das Genus Diabrotica Chev. steht unseren deutschen Chrysomeliden-Gattungen Luperus Geoff. und Phyllobrotica Redtb. nahe. Eingehend beschreibt der Verfasser die ersten Lebensstände der Käfer. Die Larve von Diabr. vittata ist sehr gestreckt, nach vorn verschmälert, auf der Unterseite abgeflacht; ihre Farbe ist milchweiss mit gelb- lichen Höckern, der Kopf und die Analplatte sind dunkel- braun und hornig, der erste Brustring ist hellbraun. Kurz vor dem Hinterende des Körpers befindet sich auf der Unterseite ein einziehbarer Afterfuss, am Leibesende selbst stehen zwei kleine, scharf zugespitzte Zähne. Die Larve lebt in der Erde in der Nähe der Stengel, doch hat man auch schon Larven innerhalb der Stengel ge- funden; ob die Larve aber von den Wurzeln der Gurken, Kürbisse und Melonen frisst, erscheint dem Verfasser fraglich. Der Larvenzustand dauert etwa einen Monat, und in dieser Zeit können die Thiere den Gurkenranken sehr schädlich werden. Die Larve misst erwachsen 7—8 Millimeter; zur Verwandlung gräbt sie in der Erde eine Puppenkammer. Die Puppe ist im allgemeinen von derselben Farbe wie die Larve; sie ist überall mit langen, fast dornigen Haaren besetzt, die Haare auf der Rücken- 512 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 43. fläche stehen auf kleinen Warzen. Etwa nach zwei Wochen kriecht der Käfer aus, diese Zeit variirt aber je nach dem Klima und der Jahreszeit. Die Käfer, welche besonders an den Blättern der Gurken wie auch anderer Pflanzen fressen, sind vom April bis zum November anzutreffen, und da die Entwiekelungsdauer des Insecets eine ver- hältnissmässig kurze ist, so ist anzunehmen, dass 3—4 Generationen im Jahre auf einander folgen. Als ein natürlicher Feind der Diabr. vittata tritt ein Dipteron, Gelatoria diabroticae Shimer, auf, welehes in dem Käfer seine Entwiekelung durchmacht. Die zweite Art, Diabrotica 12 punetata Ol., stimmt in ihrer Lebensweise im allgemeinen mit der vorigen über- ein. Der Käfer lebt auch auf vielen anderen Pflanzen (Solanum earolinense, Amarantus retroflexus, verschiedenen Bohnenarten) und frisst schmale, unregelmässige Löcher in die Blätter. Die bei voriger Art genannte Fliege wird auch diesem Käfer schädlich, und eine Wanze, Prionidus eristatus L., wurde beobachtet, wie sie eine Diabr. vittata auf ihren Schnabel gespiesst hatte. — Beide Arten besitzen, ähnlich den Coceinelliden, einen eigenthümlichen Geruch, der ihnen wohl Schutz vor gewissen Feinden verleihen mag; der Geruch ist aber nur schwach, und die Unter- suchung des Magens verschiedener Vögel zeigte, dass beide Käfer von Vögeln gefressen werden. S. Sclı. Eine Krankheit der Päonie oder Pfingstrose, Paeonia peregrina Mill., beschreibt @. Massee in „Gardeners Chroniele*. Die Päonie ist eine kräftige Pflanze und wird wegen ihrer leichten Zucht gern im Garten gepflegt. Im Frühling bemerkt man mitunter, dass die Pflanze, wenn die Zweige und Blätter eben entwickelt sind, verwelkt und abstirbt. Die Krankheit wird durch einen Pilz hervorgerufen. Schneidet man einen Zweig der kranken Pflanze ab und stellt denselben ins Wasser, so sieht man nach 2-3 Tagen, dass die ganze Oberfläche des Zweiges mit einem weissen, mehlartigen Ueberzug bedeckt ist. Dieses Mehl ist auch im Freien an den Pflanzen zu sehen, wenn es nieht durch Regen oder Wind entfernt ist. Unter dem Mikroskop zeigt sich dieses Mehl zusammengesetzt aus feinen Fäden, die am Ende zahl- reiche Sporen tragen. Gelangen solche Sporen auf den Zweig einer gesunden Pflanze, so keimen sie; sie bilden ein Mycelium, welches den ganzen Zweig durchzieht und nach aussen kleine Sporenträger treibt. Die ganze Ent- wiekelung ist in 8—10 Tagen vollendet, und den ganzen Frühling und Sommer hindureh entwickeln sich die Sporen. Mit dem Ende des Sommers hört die Entwickelung der Sporen auf, aber dann entstehen aus dem Mycelium eine Menge brauner Knötchen, die Selerotien, welche mit dem absterbenden Zweige zu Boden fallen und hier den Winter verbringen. Im nächsten Frühjahr bringen die Selerotien mehrere dünne Fäden hervor, von denen jeder an der Spitze 3—4 Ketten von Conidien trägt. Wenn diese Conidien auf einen Päonienzweig gelangen, bilden sie daselbst ein Mycelium, und die Pflanze ist infieirt. Bleiben die Conidien auf oder in dem Boden, so keimen sie später. Für ihre Entwickelung ist es sehr vortheilhaft, wenn der Boden viel Mist enthält, und in so fern ist der Mist für die Päonien schädlich, da er ein günstiger Nähr- boden für die Entwickelung und Vermehrung des Pilzes ist. — Um die Krankheit zu bekämpfen ev. ihr vorzu- beugen, ist es deshalb zu empfehlen, keinen Mist in der Nähe der Päonien zur Düngung zu verwenden. Ausserdem ist jeder erkrankte Zweig abzuschneiden und zu ver- brennen; ferner sollte man im Frühjahr die obere Erd- schicht neben den Päonien abheben und durch frische Erde ersetzen, der etwas ungelöschter Kalk beigefügt ist. S. Sch. In den Comptes rendus de l’Academie des sciences 126, 1753—58 (20/6) giebt Henry Moissan ein Verfahren zur Darstellung des kıystallisirten Caleiums. Die Ein- leitung der Arbeit beschäftigt sich zunächst mit den bisher unternommenen Versuchen, das Caleium in grösseren Mengen rein zu gewinnen; Verfasser ist cs gelungen, auf zwei folgend beschriebenen Wegen die Aufgabe zu lösen. Das erste Verfahren basirt auf der bislang unbe- kaunten Eigenschaft des Caleiums, sich in flüssigem Natrium bei Dunkelrothgiuth aufzulösen und beim Ab- kühlen wieder auszukrystallisiren; man nimmt die Operation in einem bedeekten Eisentiegel, der ea. 1 Liter Inhalt misst, vor, beschiekt ihn mit einem Gemenge von 600 g wasserfreiem Jodealeium und 240 & Natıium und erhitzt unter zeitweisem Umrühren ungefähr eine Stunde auf Dunkelrothgluth. Nach dem Erkalten des Reaktions- gemisehes wird die Schmelze zerkleinert und in Stücken von ca. 1 cem in wasserfreien, durch Eis geküllten Alkohol, eingetragen; die überstehende Flüssigkeit wird abgegossen und solange durch neuen Alkohol ersetzt, bis nichts mehr gelöst wird. Man erhält schliesslich ein glänzendes Krystallpulver, das nach dem Behandeln mit wasserfreiem Aether, bei gewöhnlicher Temperatur im Wasserstoff- oder Kohlensäurestrome getrocknet und in eine Röhre eingesehmolzen wird. Die Ausbeute beläuft sich auf 50%, des Gewichtes des augewandten Caleiums. Nach dem weiteren Verfahren wird das Caleium in Krystallen oder geschmolzenen Kugeln durch Elektrolyse des geschmolzenen Caleiumjodids bei Dunkelrothgluth erhalten. Als negative Elektrode verwendet man reines Niekel, die positive Elektrode besteht aus einem Graphit- eylinder. Analytische Daten des krystallisirten Metalles ergaben einen Gehalt von 98,9—99,2°/, an Caleium; sie wurden in der Weise gewonnen, dass eine abgewogene Menge Caleium durch Wasser zersetzt, und das gebildete Galeiumhydroxyd in Salpetersäure gelöst wurde; die Lösung wurde mit Ammoniak neutralisirt und das Caleium als Oxalat gefällt. Dr. A. Sp. Die Wasserlöslichkeit metallischen Goldes und der Cassiusische Goldpurpur. Nachdem mit fast er- drückender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass auch das Gold einen allotropen, amorphen Zustand be- sitze, in welchem es der Amalgamirung widerstrebt, und andererseits von Carey Lea die Wasserlöslichkeit des colloidalen Silbers bekannt gemacht wurde, kann es eigentlich kaum mehr überraschen, dass nun auch von dem amorphen oder colloidalen Golde wässrige Lösungen darzustellen gelungen sind, eine Thatsache, welche zu- nächst für die Bildungstheorien von Gold- und überhaupt Erzlagerstätten von grösster Wichtigkeit ist, aber sicherlich nieht viel geringeres Interesse für jeden andern Zweig der Naturforschung besitzt. Nach zahlreichen Versuchen, die mit wechselndem Glück durchgeführt wurden, gelang es Richard Zsigmondy endlich, die Bedingungen, unter deren Einhaltung man solehe Lösungen mit einiger Sicherheit herstellen kann, und die wiehtigsten Eigenschaften dieser Goldlösungen festzustellen. Wie Zsigmondy in Liebigs Ann. d. Chemie, Bd. 301, S. 29, mittheilt, kann man Goldlösungen von verschiedenen Färbungen, hochrothe, blaue, tintenschwarze und in allen Zwischentönen erhalten, so dass diese Lösungen fast eine eben so grosse Farbenmannigfaltigkeit aufweisen wie nach Carey Lea die Silberlösungen, und hängt die Farbe von den Umständen ab, unter denen das Gold redueirt wird. Am leichtesten sollen anscheinend blaue oder violette Lösungen erhältlich sein, da aber Zsigmondy sich als weiteres Ziel seiner Forschungen die Xlll. Nr. 43. Untersuchung des Cassius’schen Goldpurpurs gestellt hatte, hatten für ihn die rothen Lösungen das meiste Interesse und beziehen sich die weiteren Angaben auf diese. Man erhält sie, wie Zsigmondy a. a. O. noch genauer beschreibt, durch Versetzen stark verdünnter, kochend heisser, schwach alkalischer Goldehloridlösungen mit verschiedenen Re- ductionsmitteln, am ehesten mit Formaldehyd, aber auch mit Acetaldehyd oder Alkohol oder Hydroxylamin. Dabei sind jedoch, um rein rothe Lösungen zu erzielen, sehr viele Umstände zu beachten, und ist insbesondere der Reinheit des destillirten Wassers grösste Aufmerksamkeit zu schenken. Den Nachweis, dass der im Wasser gelöste Körper wirklich metallisches Gold sei und nicht etwa eine chemische Verbindung desselben, hat Zsigmondy mit sehr grosser Sorgfalt geführt, obwohl jener sehr erschwert wurde durch die starke Verdünnung, d. h. den geringen Goldgehalt der Lösungen; die colloidale Natur des gelösten Goldes aber folgert er aus dem Verhalten gegen Salze, bei der Dialyse und bei der Elektrolyse. Wie alle colloidal gelösten Körper vermag auch das Gold bei der Dialyse die Membran nicht zu durchdringen, man mag es eindampfen, soweit man will, oder elektrolytisch in Bewegung setzen. Eben deshalb vermag man aber mittels der Dialyse die Goldlösungen zu reinigen, sowie zu concentriren (bis auf etwa 0,1%, Gold), besser und schneller als durch Eindampfen. Als Beweismittel dafür, dass das Gold in den verdünnten Lösungen wirklich ge- löst und nieht blos suspendirt sei, gelten jedoch folgende Eigenschaften der rothen Goldlösungen: sie lassen sich kochen, einengen (concentriren) und durch das dichteste Papierfilter giessen, ohne Metall abzuscheiden; selbst nach drei Monate langem Stehen zeigten sie sich noch voll- kommen unverändert (falls nicht Schimmelpilze ihnen Gold entzogen haben), hatten keinen Niederschlag abge- setzt und auch nieht die mindeste Neigung gezeigt, das gelöste Gold fallen zu lassen, was man an einer nie beob- achteten, allmählichen Entfärbung der oberen Flüssigkeits- schiehten erkennen müsste. Sich mit Quecksilber zu amalgamiren zeigt das gelöste Gold keine Neigung, selbst bei mehrwöchigem Stehen der Goldlösung oder beim Ein- "kochen der Lösung über Quecksilber. Beim weiteren Eindampfen oder Verdunsten einer 0,1°/, Gold halten- den Lösung setzt sich Gold als blauschwarzes Pulver ab, das beim Trocknen Farbe und Glanz (diesen zumal beim Glätten mit Achat) des gewöhnlichen Goldes annimmt und auch amalgamirbar wird. Ausgefällt aus der Lösung wird das Gold aber ferner durch Neutralsalze, zumal Koebsalz, sowie durch Säuren und Alkalien (ausser Ammo- niak), wenn solche in genügender Menge vorhanden sind. Hierbei werden hochrothe Lösungen sofort blau. Setzt man überschüssigen Alkohol zu, so wird die Lösung dunkelviolett, und es fällt auch Gold aus, das aber zum Theil die Eigenschaft der Wasserlöslichkeit, die jenen schwarzen Pulvern abgeht, beibehält. Ferrocyankalium verwandelt die Farbe der Flüssigkeit zunächst in Grün, nach acht- stündigem Stehen in rein Gelb, ohne Gold auszufällen, und Ammoniak verändert weder die Farbe der Lösung noch die Löslichkeit des Goldes. Während Goldcehlorid- lösungen selbst bei noch viel grösserer Verdünnung einen herben, metallischen Geschmack besitzen, sind die Lösun- gen metallischen Goldes ganz geschmacklos. Auch eine gewissermaassen nur nebensächliche Beobachtung wird voraussichtlich doch weiteren Kreisen interessant sein. Auf fast allen Lösungen vom metallischen Golde, soweit solehe nicht durch Dialyse gereinigt und concentrirt worden waren, fanden sich nach ein- bis zweiwöchigem Stehen kleine Colonieen von Schimmelpilzen, deren Grössen- wachsthum Hand in Hand ging mit einem Ausbleichen Naturwissenschattliche Wochenschrift. En — 513 der Lösung. Die Schimmelpilze entzogen nämlich der Lösung Gold, welches sie in ihrem Mycel ablagerten; letzteres erschien deshalb schwarz, und waren selbst bei mikroskopischer Betrachtung in dem Gewirre schwarzer Pilzfäden nur einzelne tief-dunkelrothe zu erkennen, Zu- gleich stieg durch die reichliche Goldaufnahme das Ge- wicht des Mycels dermaassen, dass sich letzteres nur so lange in der Flüssigkeit schwebend zu halten vermochte, als es die Oberflächenspannung gestattete, und dass es bei Erschütterung der Flüssigkeit sofort untersank. Ein- getrocknete Pilzmycele erschienen dem blossen Auge als goldglänzende Flecke, bei mikroskopischer Betrachtung im auffallenden Lichte aber als Geflechte aus feinstem Golddrahte. Wie Zsigmondy im Anhange zu seiner Arbeit darlegt, sind wässrige Lösungen metallischen Goldes schon vor ihm beobachtet worden, nämlich von Michel Faraday bei seinen Untersuchungen der optischen Anomalien des Goldes; aber Faraday hielt dieselben nicht für Lösungen, sondern meinte, dass da feinste Goldtheilchen in der Flüssigkeit suspendirt seien, und ersichtlich haben seine Goldlösungen auch noch grosse Mengen von solchen ent- halten. Interessant sind nun auch die optischen Ana- logien, welche in flüssigen und starren Lösungen ent- haltenes Gold zeigt. Dass Gold in äusserst feiner Zer- theilung roth erscheint, war längst bekannt, und ist es ja Max Müller gelungen, zahlreiche Körper durch Gold roth zu färben. Rotlı durebsiehtiges Gold kann man nun nach Zsigmondy auch erhalten, wenn man käufliches Glanzgold oder das zu seiner Darstellung dienende Gold- präparat, durch Lavendelöl verdünnt, in dünner Lage auf Glas streicht und das so vorbereitete Glas in einem Muffelofen auf dunkele Rothgluth erhitzt: Da bleibt eine äusserst dünne Schicht von Gold auf dem Glase zurück, das im durchfallenden Lichte dann rosenroth erscheint. Diese dünne Goldschieht wird nun aber durch starken Druck oder leichte Reibung fast momentan in blau durch- siehtiges Gold umgewandelt, und entspricht also diese Veränderung der oben beschriebenen, welche bei Fällung des eolloidalen Goldes aus rother Lösung durch Zusatz von Neutralsalzen oder Säuren eintritt (das noch dichter gelagerte Gold der Goldschlägerhäutehen oder das in dieken Lagen eingebrannte Glanzgold wird grün durch- sichtig als zweiseitig absorbirender Körper). Am schönsten und feurigsten tritt die rothe Farbe des Goldes im Gold- rubinglase zu Tage, das aber, worin die Achnlichkeit mit den Farbenänderungen wässriger Goldlösungen zu erkennen ist, bei misslungener Herstellung violett oder blau und dann sehr stark getrübt („lebrig*“) erscheint. Nun ist bekanntlich Gold ein wesentlicher Bestand- theil des rothen (sowie violetten bis blauen) Färbemittels von Porzellanschmelz, das man als Cassius’schen Gold- purpur bezeichnet und das man gewöhnlich in der Weise herstellt, dass man verdünnte Goldehloridlösung mit Zinn- cehlorür — bei Gegenwart von Zinnehlorid oder auch ohne dieses — reducirt. Ueber die Natur des hierbei erhaltenen Niederschlages herrschte nun seit der Zeit von Berzelius bis jetzt eine grosse Meinungsverschiedenheit: Berzelius und seine Anhänger erklärten ihn nämlich für eine chemische Verbindung von purpurrothem Goldoxyd mit den Oxyden des Zinns, bei oder ohne Gegenwart über- schüssiger Zinnsäure, während andere Chemiker in ihm ein Gemenge von Zinnsäure mit metallischem Golde er- bliekten. Dass die letzteren Recht gehabt haben, hat nun Zsigmondy in einer anderen Arbeit (Ann. d. Chemie, 2. u. 3. Heft) und auf Grund umfangreicher Unter- suchungen, bei denen zum Theil J. Robitschek mitgear- beitet hat, nachgewiesen. Wie Zsigmondy daselbst mit- theilt, kann man Goldpurpur nicht nur nach den bisher 5l4 Naturwissenschaftliche Wochensehrift. XIII. Nr. 43. bekannten Methoden darstellen, sondern erhält solchen von beliebiger Zusammensetzung, Farbentönung und Intensität auch durch Mischen von wässrigen Lösungen eolloidalen Goldes und colloidaler Zinnsäure und nach- folgendes Fällen des Gemisches durch verdünnte Säuren oder Salzlösungen. Zsigmondy bestätigt insbesondere die Urtheile von Debray und noch mehr von E. A. Schneider über die Natur des Goldpurpurs, welcher ihn als ein Gemenge von wasserlöslichem Golde mit wasserlöslicher Zinnsäure darstellt, und erklärt für das wichtigste Er- gebniss seiner Untersuchungen desselben die Erkenntniss, dass sich ein solehes Gemenge colloidaler Körper unter Umständen wie eine chemische Verbindung verhalten kann, und dass die Eigenschaften des einen Körpers in solchen Gemengen diejenigen des andern zu verdecken vermögen. OL: Eine neue, allgemeine Synthese von Indigofarb- stoffen hat Rubin Blank in den Ber. Deutsch. Chem. Ges. 31, 1812 publieirt. Die Indigosynthesen Baeyers gehen sämmtlich vom Orthonitrobenzaldehyd oder nahe- stehenden Verbindungen aus; die Schliessung des Indoxyl- finges findet stets an der aliphatischen Seitenkette statt. Paul Meyer wählte 1835 einen anderen Weg; er ging von den leicht zugänglichen aromatischen Aminen und der Dichloressigsäure aus und liess die Ringschliessung sich am aromatischen Kerne vollziehen. Die Bemühungen, die Baeyer’schen Synthesen technisch zu verwerthen, scheiterten, und auch die Hoffnungen, die auf ein von Heumann aufgefundenes Verfahren der künst- liehen Indigogewinnung aus Chloressigsäure und Anilin gesetzt wurden, schlugen an der Gewaltsamkeit des Ver- fahrens fehl. Ein milderes Verfahren mit günstigeren Resultaten kommt bei der Heumann’schen Indigosynthese aus Phenyl- glyein-o-carbonsäure zur Anwendung, aber hier findet die Ringschliessung wieder an der aliphatischen Seitenkette statt. Zieht man die wichtigsten Synthesen ringförmiger Verbindungen in Betracht, so findet man zahlreiche Fälle, in denen Ringschluss auch am aromatischen Kerne mit grösster Leichtigkeit vor sich geht. Dass die Ringbildung in dem einen Falle äusserst glatt, in dem anderen nur sehr schwierig von statten geht, hat wahrscheinlich seinen Grund in den „Imponde- rabilien“ der chemischen Synthese, und zwar hauptsächlich wohl in den räumlichen Verhältnissen. In Erwägung dieser Thatsachen kam Verfasser zu dem Schluss, dass die Anilidomalonsäure, C,H, - NH - CH(COOH),, besonders für die Herstellung des Indoxyl- ringes geeignet ist; da die freie Säure zu unbeständig, ihre Salze aber sehr schwer schmelzbar sind, wählte Blank den überdies leichter zugänglichen Ester der Ani- lidomalonsäure als Ausgangsmaterial. Ohne jegliches Condensationsmittel, bei einfachem Erhitzen, schliesst der Anilidomalonsäureester unter Ab- spaltung von Alkohol den Indoxylring nach folgendem Schema: CO;R 3 CH; NH -CH<. = ROH+C,H,{ \CH- CO;R. \CO;R co Die Reaktion beginnt schon bei 200°, bei höherer Temperatur indessen sind die Ausbeuten besser. Die entsprechenden Derivate der substituirten Aniline, wie überhaupt der aromatischen Amine verhalten sich ähnlich wie der Anilidomalonsäureester; die Ausbeuten sind gut, manchmal der Theorie nachkommend, Der Indoxylsäureester kann mit Leichtigkeit in Indigo übergeführt werden; die bei der Verseifung des Esters resultirende Indoxylsäure geht in alkalischer Lösung bei der Einwirkung von Luft oder anderer Oxydationsmittel glatt in Indigo über. Es bildet sich wahrscheinlich zunächst Indoxyl, das dann zu Indigo oxydirt wird. NEN NH GH SCH: COOH —> GHKX CH, co’ \c0/ _NH. NH — GL ya Se co N00/ Da sich die übrigen Indoxylsäureester analog ver- halten, ermöglicht die Synthese die Herstellung von Indigo- farbstoffen verschiedenster Aıt. Die Leichtigkeit, mit der die Farbstoffe aus den ent- sprechenden Säuren entstehen, gestattet ev. die Küpe zu umgehen und die Farbstoffe direkt auf der Faser zu ent- wickeln. Experimenteller Theil. Bei der Einwirkung der aromatischen Amine auf Chlor- oder Brom-Malonsäureester entstehen die alphylirten Amidomalonsäureester glatt nach folgender Gleichung: Ph. NH, + CHX(CO,R), = Ph. NH. CH(COOR), + HX Die Reaktion erfolgt schon bei gewöhnlicher Tempe- ratur und wird durch Erhitzen beschleunigt; zur Bindung des Halogenwasserstoffs wird ein überschüssiges Molekül Amin hinzugefügt. Flüssige Amine werden ohne Weiteres verwandt, feste zuvor in Lösung gebracht. Da der Bromester schneller als der Chlorester reagirt und wegen noch anderer Vortheile für die Praxis des Laboratoriums geeigneter ist, ‘so ist. die Arbeitsweise in Folgendem nur für den Bromester beschrieben. Anilidomalonsäure. Fügt man zu einem Molekül Brommalonsäureäthyl- ester 2 Moleküle Anilin, so trübt sich die Mischung als- bald, und es beginnt eine Kıystallabscheidung von brom- wasserstoffsaurem Anilin. Nach ca. 2 Tagen ist fast die saunze Flüssigkeit erstarrt, man giebt Wasser und etwas Salzsäure hinzu und schüttelt tüchtig durch; hierbei löst sich das Amilinsalz, während der Anilidomalonsäureester als Oel zu Boden sinkt. Man giesst die überstehende Flüssigkeit ab, wäscht das Oel mit salzsäurehaltigem Wasser und stellt es an einen kühlen Ort, wo es sehr bald kıystallinisch erstarrt. Die Krystalle werden mit Wasser gewaschen und aus verdünntem Alkohol um- krystallisirt. Der Ester krystallisirt in farblosen Kıystallen, die bei 45° schmelzen und in den gewöhnlichen orga- nischen Lösungsmitteln leicht löslich sind. Para-Toluidomalonsäureäthylester. Zur Bereitung der Verbindung werden 2 Moleküle p-Toluidin in Alkohol gelöst und die Lösung mit 1 Molekül Brommalonsäureäthylester versetzt; im Uebrigen wird wie oben ausgeführt verfahren. Der Ester schmilzt bei 55° und ist gleichfalls in organischen Lösungsmitteln leicht löslich. %-Naphtylamidomalonsäureäthylester. 2 Moleküle $-Naphtylamin werden in heissem Alkohol gelöst und mit 1 Molekül Brommalonsäureester 2 Stunden auf dem Wasserbade erhitzt. Beim Erkalten scheidet sich der Ester in Krystallnadeln aus, die, aus Alkohol umkrystallisirt, bei 83° schmelzen, RN 0 XII. Nr. 43. Naturwissenschaftliche Woehensehritft. 515 Tee ———ee—————L—6—6—ee ia Indoxylsäureäthylester. Man giebt den Anilidomalonsäureester zweckmässig in einem Rundkolben und bringt das Gefäss in ein Paraffinbad, das die Temperatur 260—265° hat. Die Kıystalle schmelzen, es tritt lebhafte Blasenentwicke- lung auf, die nach ca. 10 Minuten nachlässt; man entfernt das Gefäss jetzt aus dem Bade, kühlt auf ca. 100° ab und kocht mit dem doppelten Alkoholvolumen aus. Nach dem Erkalten und halbstündigem Stehen scheidet sich zunächst ein hochschmelzendes Nebenproduct in gelben Kıystallen aus, das abfiltrirt wird; aus dem Filtrat wird dann durch vorsichtigen Wasserzusatz der Indoxylsäure- ester ausgeschieden; seine Eigenschaften stimmen nach dem Umkrystallisiren aus verdünntem Alkohol mit der von Baeyer beschriebenen Verbindung vollkommen über- ein, sein Schmelzpunkt, 116—117°, indessen ist 4—5*° niedriger als der von Baeyer beobachtete. p-Tolylindoxylsäureäthylester. Entsteht aus dem p-Toluidomalonsäureester bestens bei einer um 10° niedrigeren Temperatur; er schmilzt bei 155—156°, ist in Wasser und Ligrin unlöslich, leicht löslich dagegen in Alkohol und Benzol. Er löst sich in Alkalien und wird aus dieser Lösung durch Kohlensäure wieder ausgefällt. Beim Kochen mit Alkalien wird der Ester verseift, es entstehen Salze der p-Tolylindoxylsäure; leitet man Luft durch diese Salzlösungen, so fällt p-Tolyl- indigo aus, der dem gewöhnlichen Indigo sehr ähnelt. 8-Naphtylindoxylsäureäthylester. Bildet sich bei ca. °/,stündigem Erhitzen von 8-Naphtyl- amidomalonsäureester auf 230°; die grünliche Schmelze besteht aus fast reinem £-Naphtylindoxylsäureester, der, aus Alkohol krystallisirt, bei 158° schmilzt. Durch Ver- seifung und nachfolgende Oxydation wird er in den be- reits 1892 von. H. Wichelhaus aus $-Naphtylamin und Chloressigsäure dargestellten $-Naphtylindigo übergeführt. Die Lösungen des 8-Naphtylindigos zeigen im auf- fallenden und im durchfallenden Lichte eine verschiedene Färbung; beispielsweise ist eine alkoholische sowie die Anilinlösung im auffallenden Lichte blau, im durch- fallenden dagegen grün. Dr. A. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ordentliche Professor der Physik in Kiel Dr. Leonhard W eber zum Aichungsinspector für Schleswig- Holstein; die Privat-Docenten der Ohrenheilkunde bezw. Ophtalmo- logie in Freiburg i./B. Dr. E. Bloch und Dr. K. Baas zu ausser- ordentlichen Professoren; der Privat-Docent der Handelsgeographie an der Universität Wien R. Sieger zum ausserordentlichen Pro- fessor an der Exportakademie in Wien; der ausserordentliche Professor der Histologie in Innsbruck L. Kerschner zum ordent- lichen Professor; Dr. Arthur Borntraeger zum Director der Landwirthsebaft in Palermo; der Privat-Docent der Zoologie am Polyteehnieum in Zürich Dr. Conrad Keller zum ordentlichen Professor; Professor C. H. T. Townsend zum Docent der Bio- geographie und systematischen Entomologie in New Mexico; E. 0. Wooten zum Professor der Botanik und T.D. A. Cocherell zum Professor der Entomologie daselbst; F. Proctor Hall zum Professor der Physik an der Universität Kansas City; Dr. Zograf und Dr. Mrensburg in Moskau zu ausserordentlichen Professoren der Zoologie bezw. vergleichenden Anatomie; Dr. ©. C. O.Hara zum Professor der Geologie und Mineralogie an der South Dakota School of Mines. Berufen wurden: Der ausserordentliche Professor der Chemie in Tübingen Dr. Buchner an die landwirthschaftliche Hoch- schule in Berlin; der Privat-Docent der Chemie in Leipzig Dr. Theodor Paul nach Tübingen als ausserordentlicher Pro- fessor und Nachfolger Buchners; der Privat-Docent der Hygıene in Marburg Dr. Angelo Knorr an die thierärztliche “Hoch- schule in München; der ordentliche Professor der experimentellen Pathologie an der deutschen Universität Prag Dr. Knoll nach Wien als Nachfolger Professor Striekers; der Bibliothek-Assistent an der Universitätsbibliothek in Berlin Dr. Krüger als Hilfs- bibliothekar an die Universität nach Halle; der Privat-Docent der Geologie in Kiel Dr. E. Stolley als Chef der geologischen und mineralogischen Abtheilung ans Natioralmuseum in Buenos Ayres; der Privat-Docent der Botanik in Kiel Dr. O. Darbishire nach Manchester; Dr. A. Heffter in Berlin, Mitglied des kaiser- lichen Gesundheitsamtes, als ordentlicher Professor der Pharma- kologie nach Bern. Abgelehnt hat: Der Professor der Geodäsie in Stuttgart Dr. E. Hammer einen Ruf nach Darmstadt. In den Ruhestand trat: Der Professor Darmstadt Dr. A. Nell. Es starb: Der spanische Geograph Franeisco Coello de Portugal. + der Geodäsie in Litteratur. Aetna. Eıklärt von Siegfried Sudhaus. Sanımlung wissen- schaftlieher Commentare zu griechischen und römischen Schrift- stellern. Teubner in Leipzig, 1898. — Preis 6 Mark. Das aus 646 Hexametern bestehende anonyme lateinische Lehrgedieht Aetna, welches der philologischen Auslegekunst bisher in seltenem Maasse gespottet hat, ist hier zum Gegenstande eines allseitigen, sehr fruchtbaren Studiums gemacht worden. Nachdem der Verfasser zunächst den Text neu gesichtet und ihm eine vor- treffliche Uebersetzung zur Seite gestellt hat, unterwirft er in einem sehr eingehenden und umfassenden Commentar nicht nur die philologischen, sondern auch die sachlichen Fragen, welche sich an den „Actna“ knüpfen, einer besonnenen, fachmännischen Kritik. Er stellt fest, dass dieses Gedicht dem augusteischen Zeit- alter angehört, also vor dem Vesuvausbruch des Jahres 79 ent- stand und den Zweck hatte, den überlieferten mythischen Vor- stellungen über Entstehung und Wesen der berühmten „Werk- stätte des Vulkan“, welehe die Phantasie der Alten wie kein anderes Phänomen der Erdoberfläche beschäftigte, mit einer rationalistischen, physikalischen Erklärung entgegenzutreten. Eine Prüfung der antiken. Hypothesen über Erdbeben und Vulkanismus führt sodann zu dem Ergebniss, dass unter den antiken Denkern schon seit Anaxagoras die Ansicht gangbar geworden war, die im Erdinnern befindliche, durch mancherlei Ursachen condensirte Luft sei als die primäre Ursache der vulkanischen Erscheinungen zu betrachten, eine Theorie, welche besonders der Stoiker Posidonius von Apamea durchgebildet hat, dessen Werke sowohl dem „Aetna“ als den einschlägigen Abschnitten der ungefähr gleichzeitigen „quaestiones naturales“ des Seneca zu Grunde liegen. So werden die Sudhaus’schen Untersuchungen Jedem, der sieh mit der Geschichte der antiken Naturwissenschaft beschäftigt, eine unerwartet reiche Ausbeute gewähren. GM. Bastian, Adf., Lose Blätter aus Indien. IV. Batavia. (Berlin.) - 5 Mark. Klein, Dr. Herm. J., Die Wunder des Erdballs. 7 Mark. 5 Klein, F. und A. Sommerfeld, Ueber die Theorie des Kreisels. ll. Heft: Durchführung der Theorie im Falle des schweren symmetrischen Kreisels. Leipzig. — 10 Mark. Landolt, Prof. Dr. H., Beziehungen zwischen physikalischen Eigen- schaften und chemischer Zusammensetzung der Körper. 2. Hälfte. Braunschweig. — 18 Mark. Routh, Dr. Edward John, Die Dynamik der Systeme starrer Körper in 2 Bänden mit zahlreichen Beispielen. 2. Band: Die höhere Dynamik. Leipzig. — 14 Mark. Römer, Jul, Aus der Pflanzenwelt der Burzenländer Berge in Siebenbürgen. Wien. — 5 Mark. Schlesinger, Prof. Dr. Ludwig, Handbuch der Theorie der linearen Differentialgleichungen. 2. Band. 2. (Schluss-)Theil. Leipzig. — 16 Mark. Walter, Oberrealsch.-Prof. Dr. Alois, Theorie der atmosphärischen Strahlenbrechung. Leipzig. — 2,80 Mark. Leipzig. — Inhalt: Schiller-Tietz: Neue Wege der Gährkunde und Gährungsteehnik. — L. Herrmann: Die vogtländischen Kieselschiefer- brüche. — Ueber eine Familie sechsfingeriger Menschen. — Zwei den Gurken schädliche Käfer der Vereinigten Staaten. — Eine Krankheit der Päonie oder Pfingstrose, Paeonia peregrina Mill. — Darstellung des krystallisirten Caleiums. — Die Wasser- löslichkeit metallischen Goldes und der Cassius’sche Goldpurpar. — Eine neue, allgemeine’ Synthese von Indigofarbstoffen. — Aus dem wissenschaftlichen Leben, — Litteratur; Aetna. — Liste. 516 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XTIM. ‘Nr. 43. Verlag von Bernh, Friedr. Voigt Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. BR Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Photo:T?rhische Stativ- und Hand- nm CAMErAs. Gediegene Ausstattung. 5” Sämmtliche Bedarfsartikel. = Spee.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D. R. P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). Die Praxis der aturgeschichte. Ein vollständiges Lehrbuch über das Sammeln lebender und toter Natur- körper; deren Beobachtung, Er-| haltung und Pflege im freien und efangenen Zustande; Konservation, | en eration und Aufstellung in Sammlungen etc. Nach den neuesten Erfahrungen bearbeitet von Phil. Leop. Martin. In drei Teilen. Grasmotoren, Dynamo- und Dampf- maschinenm gebraucht, garantirt betriebs- fähig, in allen Grössen offerirt Elektromotor G. m. b. H. Berlin NW., Schiffbauerdamm 21. In Ferd. Dümmilers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 12 erschien: Rinführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am kgl. Realgymn. in Berlin. Erster Teil: Taxidermie oder die Lehre vom Beobachten, Con- servieren, Präparieren etc. Vierte vermehrte Auflage Mit Atlas von 10 Tafeln. Geh 6Mk. | | Ferd. Dimmlers Derlagsbunnhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerfr. 94. 444 Seiten gr. 8. Pr. 6M.., er M. Zweiter Teil: D ermopl astik Der Menfchheitslchrer, Hempel’s Klassiker - Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. und Museologie Ein Kebensbild des Weifen von Nazareth. Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. oder das Modellieren der Tiere und Don BEE B2 WETETEEFE sen George Paul Sylvejter Gabanis. ze Zreite vorm. und ee 300 Seiten Dftav. Preis geh. 3 SL, elegant geb. 4 AM. B I Rt I 1 2 2 Ne!) Geh. 7 Mark 50 Pfge. Dritter Teil: In Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerstrasse 94, ist Naturstudien. | er erschienen : Die botanischen, zonlogischen und Akklimatisationsgärten Men ıgerien, Aquarien und Terrarien in ihrer gegenwärtigen Entwickelung. — All- gemeiner Naturschutz; Einbürgerung | fremder Tiere und Gesundheitspflege | efangener Säugetiere und Vögel. | 3 Bände, mit Atlas von 12 Tafeln. | N "X Astronomie. Geh. 12 Mark 50 Pfge. 5 | EDEN = Preis des kompletten Werkes 26 Mk. Borrätig in allen Buchhandlungen. PAT ENTBÜREAU & ee IM . N ‚ |Himmelskunde. | 5 Ulrich R. Maerz ’ Director kB | : a 14 litho- Inh: C.Schmidtlein,Jngenieur : Berlin NW;, Luisenstr.22.M] ME m —— en Gegründet" 1878. e. Eleg. geb. 16 Mark. RER Zulbeziehen durch alle‘ |=|Holssehnitten | Patent, Marken -u..Musterschutz PR ; Peohhanlllangen e IE Holzschnitten. graphischen Tafeln und 155 ‚WIEDERVERKÄUFER LINSTALLATEURE Zerd. Dünmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Dünnschliff-Sammlungen für praktische mikroskopische Uebungen. Dom DS; aume der Krfenntnis Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller wichtigen Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. Rosenbusch & f Mikroskopische Physiographie der massiven Gesteine“ Stutt- ac e zart 1896. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste 6 AN Yer Weltlitternt gedruckte Beschreibung, derart, dass der Lernende die einzelnen ur Ethik um ucholonie aus der elilttterniuv Gemengtheile der Gesteine makroskopisch und mikroskopisch ü jil und ul) 32.0 a ? erkennen und bestimmen kann. gefammelt und herausgegeben von Sammlungen von je 120, 180 und 250 Dünnschliffen in r.i i elegantem Etui je Mk. 150, Mk. 225, bez. Mk. 325. D ZUKal on SORDERL: Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen Handstücken. : (Format 8/,>< 11 em.) je Mk. 250, Mk. 390, bez. Mk. 575. EI. Band: Grunöproblente. Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer genauen A; BT A ne mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate Zweite Auflage. 808 Seiten groß Detad. und für die richtige Auswahl von charakteristischem Material Geheftet 7,50 M., in feinftem Lieberhaberhalbfranz 10 M. garantirt werden kann. £ sr Gpceben erfchienen! mu Dr. F. Krantz, Rheinisches Mineralien- Contor. wa : i Sn gleicher Ausstattung md demjelben Preife exjchien früher: erlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. # ,YDom Baume der Erkenntnis“, Bam II: „Das Weib,“ | Geschäftsgründung 1833. Bonn a./Rh. Geschäftsgründung 1833. I sun Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. mm ET 7 TE er ERTEILEN ? Verantwortlicher Redaeteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. BSASSS Redaktion: un issenschaftliche Forschung -ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- N, den Gebil en der Phantacır, w.rd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichket, der ihre Schöpfungen schmückt. Schwendener. Dr.H. Potonie. a Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. _ XI. Band. Sonntag, den 30. Oktober 1898. Nr. 44. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Bringegeld bei der Post 15 „9, extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Aus der Pflanzenwelt der Sahara. Von Camillo Karl Schneider. Jahrhunderte lang lag sie geheimnissvoll und un- erforscht vor uns die Sahara, die grosse Wüste. Noch nicht 20 Jahre sind verflossen, seit Gustav Nachtigal, dieser unermüdliche Erforscher der Sahara und des an- grenzenden Sudan die ersten zwei Bände seines Werkes „Sahara und Sudan“, veröffentlichte. Wir können dies "Werk mit Fug und Recht ein grundlegendes nennen. Auf den Ergebnissen der Forschungen Nachtigals beruhten zumeist unsere Kenntnisse aus dem Innern der Sahara. Wir sagen „zumeist“ — denn auch vor Nachtigal waren schon kühne Forscher tief ins Innere der Wüste hinein- gedrungen — so Gerhard Rohlfs, Henri Duveyrier, Eduard Vogel, Karl Moritz Beurmann. Die beiden letzteren hatten ihre Kühnheit mit ihrem Leben bezahlen müssen. Des tragischen Endes der französischen Forscherin, Frl. Alexandrine Tinne, sei ebenfalls hier gedacht, welche 1569 ermordet wurde. Auch nach Nachtigal können wir noch Männer nennen, die in der Erforschung der Sahara Grosses geleistet haben. Man denke nur an ©. Lenz, Flatters und auch Schweinfurth. Doch kein Reisender hat bei so geringen Mitteln so umfassende Forschungs- ergebnisse gezeitigt, wie Nachtigal. Was dieser Forscher während der jahrelangen Dauer seines Aufenthalts in der Sahara und im Sudan erlebt und — erlitten, das hat er in seinem obengenannten Werke niedergelegt, dessen 3. Band leider nicht mehr von ihm herausgegeben werden konnte, sondern 10 Jahre später erschien. Das Gebiet der Sahara ist hochinteressant — sei es von welchem Standpunkt auch man es betrachten mag. Der Historiker, der Ethnologe, der Geograph, der Zoologe, der Geologe, der Botaniker u. s. w. — alle sie werden dabei ihre Rechnung finden. Wir wollen heute nur kurz auf einen Punkt eingehen — auf die Pflanzenwelt der grossen Wüste. Nur flüchtige Bilder können es allerdings sein, die wir im folgenden zeichnen. Wer eingehend sieh über die Sahara zu unterrichten wünscht, den verweisen wir in erster Linie auf Nachtigals Werk. Recht interessant ist auch das Buch von Chavanne, „Die Sahara“, ferner das erst 1893 erschienene, in franzö- sischer Sprache geschriebene Werk von Henri Schirmer „Le Sahara“. Wer besonders botanische resp. pflanzen- geographische Studien machen will, der lese das Kapitel über die Sahara in Grisebachs Meisterwerk der Pflanzen- geographie „Die Vegetationsgebiete der Erde“. Auf alle die erwähnten Autoren werden wir im Laufe unserer Ausführungen gelegentlich zurückkommen. Fassen wir zunächst die Grenzen der Sahara ins Auge. Im Norden zieht sich die Grenze an dem Süd- Abhang des Atlasgebirges entlang und fällt weiterhin mit den Küsten des mittelländischen Meeres zusammen. In Osten bilden das Nilthal und die Nubischen Länder den Abschluss, im Westen der Senegalfluss bis etwa 10° w. L. von Grnwch., von da ein gegen Südosten gerichteter Bogen bis Timbuktu und von hier ab der Niger bis etwa 16°40’ n. Br. Dann kann man als Südgrenze weiterhin eine Linie ansehen, die in südöstlichster Richtung bis zu der nördlich vom Tsadsee liegenden Tintumma-Steppe und von da wieder nördlich bis 17° n. Br,, also etwa bei Borku, läuft. Von Borku geht sie wieder nach Süden bis zu 15° n. Br., steigt aber von 23° östl. L. v. Grnweh. nochmals bis 17° n. Br. bei 29° östl. L. In den an- gegebenen Grenzen umfasst die Sahara einen Flächen- raum von reichlich 9 100 000 qkm., ist also fast doppelt so gross wie das europäische Russland. Wir sehen, die Sahara stellt ein ungeheueres Gebiet dar — und schon allein dieser Umstand muss jeden denkenden Menschen Grund geben, sich zu sagen, dass solch Gebiet nicht eine einzige, öde Wüstenfläche sein kann. Und doch, wie oft hört man diese Ansicht selbst in sogenannten „besseren“ Kreisen aussprechen. Chavanne 518 sagt treffend: „In der Wirklichkeit vereinigt die Sahara die schärfsten Contraste landschaftlichen Charakters, findet man die ganze Stufenleiter landschaftlicher Formen in ihr vertreten — Alpenlandschaften, denen der Schweiz nicht nachstehend, schroffe, wild zerklüftete Felsenthäler, grosse und ausgedehnte Gebirgsscenerien mit Schnee be- deckten Gipfeln, üppige Vegetations- Centren, Wasser- Reiehthum, der sich in Seen und Flüssen zu erkennen giebt — wenige Stunden davon, fast ohne merklichen, vermittelnden Uebergang, nackte, jedes organischen Lebens bare, von unzähligen Sanddünen bedeckte, wasserlose Ebenen“. Aber auch solche Sandebenen, die ganz ohne Leben sind, finden wir in der Sahara selten. Selbst Flächen, die mit Flugsand bedeckt sind, weisen zumeist noch Spuren thierischen oder pflanzlichen Lebens auf. Es ist der Zweck unserer Zeilen dies, soweit es das pflanzliche Leben betrifft, zu erläutern. Wir wollen kurz darlegen, in welcher Weise hochentwickelte pflanzliche Organismen sich den ihnen in der Wüste gebotenen Lebensbedingungen angepasst haben. Wir wollen einen kleinen Einblick thun in ein Gebiet, dessen völlige Er- forschung kommenden Geschlechtern vorbehalten ist. Die Sahara ist, sagt Grisebach, das Gebiet der un- gehemmt herrschenden Passatströmung. Aus der über der Wüste lagernden, dampfleeren Atmosphäre fallen fast niemals Niederschläge. Nach Berichten von Reisenden ist es nicht selten, dass an manchen Orten in einem Zeit- raume von 6 Jahren und mehr keine Regengüsse beob- achtet wurden. An den meisten Orten, wo keine Gebirge — wie im Nord-Westen der Atlas oder weiter im Innern das bis fast 2000 m hohe Timgegebirge (Hochland Air) u. a. m. — von wohlthätigem Einfluss auf das reichere Eintreten atmosphärischer Niederschläge sind, fallen nur plötzliche Regenschauer, die oft grosse Wassermassen bringen, aber in Folge ihrer Seltenheit und ihrer kurzen Dauer ohne nachhaltige Wirkung bleiben. Mag der Wind in der Sahara auch wehen aus welcher Himmelsriehtung er will, so lange er aus der Wüste selbst kommt, kann er keine Feuchtigkeit herbeiführen. Der Dampfgehalt an ihrer Oberfläche ist dazu viel zu gering. Nirgends auf der Erde hat man die Luft so trocken gefunden wie hier, und zwar dauernd und allgemein. Trotzdem ist die Sahara nicht etwa wasserarm. Wohl überall ist im Erdboden Wasser vorhanden, aber nicht überall erreiehbar. Die geologische Beschaffenheit befähigt die meisten Wüstenstrecken die geringsten Nieder- schläge- aufzubewahren, indem sie durch die oberen Schichten gleichsam in eine gewisse — wechselnde — Tiefe filtrirt werden, wo sie der Gefahr einer nachträg- lichen Wiederverdunstung entzogen sind. Ist daher der Grundwasserstand an Orten so hoch, dass Pflanzen mit ihren Wurzeln ihm erreichen können, so treffen wir da- selbst oft üppigsten Pflanzenwuchs. Es sind die Oasen, wo günstige Wasserverhältnisse natürliche Vegetations- gärten geschaffen haben, die durch des Menschen Hand vervollkommnet und ausgenutzt werden. Ausser in den Oasen, die einen dauernden Sitz orga- nischen Lebens bilden, tritt an Orten, wo mit gewisser Regelmässigkeit wenigstens während der Wintermonate Niederschläge fallen, zeitweilig — für kürzere oder längere Dauer — ziemlich üppiger Pllanzenwuchs auf. So in so- genannten Wadis d. h. Flussthälern, die nur zur Regen- zeit offenes Wasser führen. In ihnen erstirbt auch in der heissesten Zeit pflanzliches Leben nicht ganz, selbst Bäume oder wenigstens Gesträuch finden hier an geeigneten Stellen dauernden Zugang zum Grundwasser. Anders auf der sonnendurchglühten, steinigen „Hamma- da“. Hier ertötet die Hitze alles Leben. Und doch ge- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. | XI. Nr. 44. nügt der geringste Niederschlag, um pflanzliche Orga- nismen für einige Zeit ins Leben zurückzurufen, während sie zuvor gleichsam eingekapselt gegen die Hitze zwischen dem Gestein ruhten. Suchen wir uns nun an einigen bestimmten Beispielen zu erklären, auf welche Weise es gewisse Pflanzentypen ermöglichen, unter so ungünstigen Verhältnissen — in stetem Kampfe gegen Trockenheit ihr Dasein nicht nur kümmerlich zu fristen, sondern oft zu staunenswerther Entfaltung zu gelangen. Wo sich immerhin günstig zu nennende Verhältnisse darboten, sind aus den angrenzenden Florengebieten Pflanzen in die Wüste eingedrungen... So aus dem Mittel- meergebiet von Norden her Tamarix- und Genista- Arten. Südlichen Ursprungs sind Akacien, Euphorbien, Calotropis procera u.s. w., welche in der tunisischen und tripolitanischen Sahara wachsen. Im Lande der Tuarik oder Imoscharh fand Duveyrier vereinzelt Myrten- sträucher und E. de Bary selbst Oleanderbüsche. Akacien entwickeln sich vielerorten zu hohen Bäumen, und ausser der Dattelpalme, auf die wir am Schluss noch eingehend zurückkommen, finden wir innerhalb des eigentlichen Wüstengebietes stellenweise noch 2 Palmenarten: Hy- phaene thebaica Mart., die Doumpalme Aegyptens und Borassus flabelliformis L., arabisch Deleb genannt. Da es das Vorhandensein oder Feblen des Wassers ist, welches das Leben der Pflanzen regelt, so beruht die Existenzfähigkeit letzterer mehr oder minder auf ihrer Fähigkeit sich die wenige darbietende Feuchtigkeit zu nutze zu machen, also mit ihr sozusagen Haus zu halten. Die ausdauernden Gewächse zeigen alle Schutzmittel gegen die Einwirkungen der Trockenheit. Durch eine Reihe von Vorrichtungen in ihrem äusseren Aufbau und ihrer inneren Structur ist ihre Verdunstungsfähigkeit, wenigstens zur Zeit höchster Dürre, auf einen ganz geringen Bruchtheil beschränkt. Solche Vorrichtungen sind ganz verschiedenartig. Eine der häufigsten ist die Verminderung der Blatt- oberfläche. Theils fehlen die Blätter, z. B. bei Ephedra, theils bleiben sie sehr klein, theils sind sie zu Dornen umgebildet. De Bary sagt: Die meisten Pflanzen starren von Dormen, z. B. Alhagi Maurorum DC. (Agül*) und Zizyphus Lotus Willd, (Lam.). Die Ginsterart, Genista Raetam Forsk. (Retemm) im östlichen Nordafrika zeigt dünne, ruthenförmige, nackte Zweige, die nur in der Jugend spärlich beblättert sind. Tamarix artieulata Vahl, welcher zu den grössten baumbildenden Gewächsen der Sahara zählt, besitzt statt riehtiger Blätter scheidig- stengelumfassende Hüllschuppen. Daher gewähren Ta- marix-Bäume, die nach Barth bis 5 m hoch werden, einen eigenartigen Anblick. Eben so auch die Acacia- Arten A. tortilis Hayne und A. Seyal Del., welche sich auch durch winzige Blätter auszeichnen und be- merkenswerthe Bäume bilden. Auch dureh die Stellung ihrer Organe schützen sich die Pflanzen gegen Verdunstung. Wüstengräser, wie Aristida pungens Desf. (Sebat), rollen ihre Blätter ein, so dass nur die geschützte Unterseite der Luft aus- gesetzt ist. Der Schutz der Unterseite besteht vor allem in einer äusserst starken Cutieula, wodurch die Blätter steif wie Dornen werden, so dass man sich an ihnen leicht verwunden kann. Ein sehr stechendes Gras ist Vilfa (Agrostis) spieata P. B. (Akresch). — Viele Pflanzen stellen ihre Blattfläche möglichst senkrecht zu den einfallenden Sonnenstrahlen, wodurch geringste Be- ? *) Die in Klammern beigegebenen Namen sind die ent- sprechenden arabischen Bezeichnungen. XII. Nr. 44. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 519 strahlung erzielt wird. Wieder andere Gewächse stellen ihre Zweige so dicht, dass sie sich gegenseitig schützen. Sehr deutlich zeigt sich die Anpassung der Pflanzen an das Wüstenklima in ihrer inneren Structur. Die Saharapflanzen besitzen zu allermeist die Fähigkeit sehr schnell zu verholzen, und nur während der feuchten Jahreszeit findet sich bei ihnen weiches Holz. Es liegt auf der Hand, dass verholzte Pflanzentheile weniger ver- dunstungsfähig sind, als saftige, weiche. Nieht selten schen wir die Blätter durch Filzbeklei- dung oder durch Ausfüllung der Epidermiszellen mit aetherischem Oel geschützt. Beispielsweise bei Arte- misia Herba-alba Asso (Schiäh), welche auf dem Plateau von Mzab fast ausschliesslich die Vegetation aus- macht und einen weithin wahrnehmbaren, starken Geruch ausströmt. Acacia-Arten scheiden eine Gummilösung aus und überziehen ihre Epidermis gleichsam mit einer Gelatinesehicht. Bei Ephedra altissima Desf., jener kahlen Gnetacee, sind die Spaltöffnungen mit Harz aus- gefüllt, welches der Luft den Zutritt versperrte. — Cor- nulaca monacantha Del. (Häd), diese als Kamelfutter so werthvolle Chenpodiacee, viele Artemisia-Arten, selbst Tamarix führen Harz resp. harzigen Saft. Auch die in der Erde verborgenen Pflanzentheile, die Wurzeln, sind geschützt. Bei ausdauernden Gewächsen nehmen sie oft ungeheure Ausdehnung an, so bei Calli- gonum eomosum L’H. (Rischu), von welchem Strauch Volkens sagt, dass bei einem Exemplar die Wurzelmasse die sichtbare Masse der Pflanze 20 mal überschritten habe. Manche Pflanzen, wie Citrullus Colocynthis Schrad., die Koloquinthe, eine vielfach eultivirte und verwilderte Pflanze der Sahara, können nur mit Hilfe ausgedehntester Entfaltung ihres Wurzelsystems ihr Leben erhalten. Aeusserst charakteristisch sind aber vor allem die Dünenpflanzen. Ihre Wurzeln haben höchstens 30—40 em Umfang und dienen gleichsam nur zum Aufsaugen des auf den Sand der Dünen fallenden Regenwassers. Die meisten soleher Wurzeln sind noch durch eine Art Scheide geschützt, die aus winzigen Sandstückehen gebildet wird, welche sich an der Wurzel festsetzen, z. B. bei dem Gras Imperata eylindrica P. B. und auch bei Ephe- dra alata auf den Landdünen von EI Erg. Für die Ausbreitung gewisser Arten ist der Umstand von hoher Wichtigkeit, dass bei ihnen die Samen durch Feuchtigkeit zum Ausfallen gebracht werden, wogegen bei uns die Trockenheit die Ursache des auf den Boden- fallens der reifen Samen ist. Jedermann wird schon von der Jericho - Rose, Anastatica hierochuntica L,., (Komescht en Nebi) gehört haben. Diese zieht, nach- dem sie ihre Früchte gereift hat, über diese ihre ver- trockneten Stengel zusammen. Die Samen, welche, sobald sie der Luft ausgesetzt wären, durch nichts geschützt sind, können in diesen Kapseln (im Schoosse der zu einem Knäuel zusammengerollten Pflanze) jahrelang aushalten. Kommen sie nun durch Wind etwa an einen feuchten Oıt, oder tritt ein Regenguss ein, so öffnen sich die Pflanzen, indem die Zellen sich durch Wasseraufnahme strecken, und die Samen fallen bei der geringsten Erschütterung heraus. Bereits 24 Stunden später zeigt sich die kleine Wurzel, und geringste Feuchtigkeit genügt, eine neue Pflanze hervorzubringen. — Auch bei Zygophyllaceen, wie Fagonia und Nitraria ist die Feuchtigkeit der Grund des Aufspringens der Samenkapseln. Eigenartig ist eine noch nicht völlig erforschte Er- scheinung bei Reaumuria hirtella Jaub., einer Tama- ricacee, die in Felsspalten wächst, wo sie wenigstens 6 Monate lang kein Wasser empfängt. Die Epidermis dieser Art zeigt Drüsen, welche ein salziges Sekret aus- sondern. Volkens vertritt nun die Ansicht, dass das Wasser, welches durch den von diesem Salzgemisch gebildeten Blattüberzug aus dem Wasserdampf der Atmosphäre zweifel- los niedergeschlagen wird, von der Pflanze eingesogen wird und als Ersatz für das sonst durch die Wurzeln auf- genommene Wasser dient. Sicherlich ist dieser Umstand höchst bemerkenswerth. Doch wir wollen diesen Gegenstand nicht näher er- örtern, sondern zum Schluss noch hören, was Grisebach über die Dattelpalme, ihr Vorkommen in der Wüste, über- haupt über ihr Leben sagt. Die Frage über das Verhältniss der Dattelpalme zum Wüstenklima ist zwar oft angeregt, aber doch nur unvoll- ständig gelöst worden, weil man die Temperatur der Atmo- sphäre allein, nicht aber die allgemeinen Lebensbedingungen der Palmen dabei in Betracht zog. Diese Familie verlangt, weil sie immergrünes Laub trägt, steten Zufluss von Feuchtig- keit, und zugleich ist sie gegen Schwankungen der Temperatur noch empfindlicher, als gegen die Kälte. Wenn nun von der Dattelpalme die arabische Bildersprache sagt: „Dass diese Königin der Oasen ihren Fuss in Wasser und ihr Haupt in das Feuer des Himmels tauche*, so könnte man eine abweichende Organisation, besondere Schutzmittel gegen das Wüstenklima erwarten, findet sie aber weder in dem etwa 15—20 m hohen Wuchse des Stammes noch in den Fiederblättern, wie denn auch ganz ähnliche Arten desselben Geschlechts (Phoenix) in feuchten Tropen-Landschaften vorkommen. Die Dattelpalme findet diesen Schutz aber doch in dem Boden, in welchem sie wurzelt, in dem Wasser, welches ihre Organe durchdringt. Cosson zeigt, wie sie unabhängig ist von der Mischung der Erdkrume, von dem Salzgehalt des Wassers (selbst- verständlich sind gesättigte Lösungen schädlich!), wie sie dem Sturme der Atmosphäre und der Gluth der Sonne widersteht, aber er bemerkt zugleich, dass sie grosser Wassermengen zu ihrer Ernährung bedarf. Sie entwickelt sich nur da, wo ihre Wurzeln mit den unerschöpflichen Wasservorräthen in Verbindung stehen, die allein die Wüste befeuchten. Da das Niveau des Grundwasserstandes zu ungleich ist — in der algerischen Sahara zwischen 3—80 m Tiefe schwankend, in Tuat schon bei etwa 80 em unter der Oberfläche zu erreichen — so musste die Cultur zwar erst dem Baume seine gegen- wärtige Bedeutung geben, aber in gewissen Oasen tauchen seine Wurzeln ohne künstliche Bewässerung in die feuchten Erdschichten ein, und hier konnte daher die Dattelpalme selbständig bestehen und von jeher sich erhalten. Und in welchem Maasse das Wasser ihren Wurzeln jahraus jahrein zukommt, können wir aus der Angabe ersehen, dass eim einzelner artesischer Brunnen in der Nähe von Tuggurt etwä 3500 1 süsses Wasser in der Minute liefert. Nun ist aber wohl zu beachten, dass nicht die Temperatur der Atmosphäre oder die des Wüstensandes sich den Geweben des Baumes mittheilt, sondern dass bei allen Holzgewächsen die Wärme mit dem aufsteigenden Saft in der Riehtung der Gefässbündel geleitet wird, dass daher die Temperatur der Bodenschicht, wo die Wurzel- spitzen die Feuchtigkeit aufsaugen, dafür maassgebend ist, und dass die lebhafte Verdunstung der Blätter ebenfalls dazu beiträgt, Kälte zu erzeugen und die Gluth der Sonne zu mässigen. Eben das unterirdische Wasser ist auch ein Hinderniss der Wärmeleitung und bewirkt, dass die starken Temperaturschwankungen, welche die Erdoberfläche und die Atmosphäre in der Sahara erleiden, in die Tiefe des Bodens nicht eindringen. Die Grundwasser-Temperatur, die der wirklichen Temperatur der Dattelpalme gleich- gesetzt werden kann, ist eine fast unveränderliche Grösse und entspricht also den physiologischen Bedingungen des ' Palmenwuchses vollkommen. 520 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XIII. Nr. 44. Wenn behauptet worden ist, dass Schwankungen der Temperatur von +52° C. bis zu —3° C. auf die Ent- wiekelung des Baumes durchaus keinen Einfluss haben, so hat dies zwar eine Bedeutung für die Würdigung seiner Uulturgrenzen, aber es muss daran erinnert werden, dass diese Extreme der Boden- und Luftwärme den Sitz der lebendigen Funktionen garnicht erreichen. In einer grossen Anzahl Oasen steht die Cultur der Dattelpalme in höchster Blüthe. Sie bildet sozusagen das erhaltende Element des menschlichen Lebens. Ohne sie wären viele blühende Oasen undenkbar, denn von ihr nährt und kleidet sich der Mensch oft allein. Man hat hunderte von Sorten gezüchtet, die — wie die ver- schiedensten Reisenden berichten — sehr abweichend in der Güte sind. Der Stand der Dattelpalmeneultur bildet gleichsam einen Werthmesser zur Beurtheilung der einzelnen Volkstämme im der Wüste. Wir sehen, diese Palme ist für den Saharabewohner von ganz ausserordentlicher Be- deutung. Es würde indess viel zu weit führen, diesen interessanten Punkt hier eingehend zur Sprache zu bringen. Vielleicht können wir später an dieser Stelle auf dies Thema zurückkommen. Athmung und Leben. Rede, gehalten an der Jahresfeier der Kaiserlich-medieinischen Militärakademie von J. P. Borodin, Professor der Botanik an der Universität zu Petersburg. „Und er blies in ihn den lebendigen Odem“, so erzählt das Buch der Bücher von der Schöpfung des Menschen. „Ich werde dich lieben, bis zum letzten Athemzuge* schwört der Mensch in der Kraft seiner Jahre. „Er athmet noch“ sagt man vom Menschen, der vom Leben Abschied nehmen will. In der Gleichsetzung von „Athmen“ und „Leben“ hat die Sprache eine der grössten wissenschaftlichen Wahrheiten zum Ausdruck ge- bracht. Ohne Zweifel unterscheiden sich die lebenden Körper, die zusammen das Pflanzen- und Thierreich in der Natur ausmachen, von den todten Körpern nicht nur dadurch, dass sie athımen. Nicht weniger charakteristische Merkmale sind Ernährung, Wachsthum und Vermehrung. Aber nicht einer von den genannten Processen ist so eng mit dem Begriff „Leben“ verknüpft, wie eben die Athmung. Ein lebender Körper kann zeitweise keine Ernährung im Sinne einer Nahrungsaufnahme von aussen zeigen, er kann auch keine Volumvergrösserung, die wir Wachsthum nennen, zeigen. Nur zu bestimmten Zeiten kommt Ver- mehrung vor. Die Athmung allein wird dabei im Körper ununterbrochen erhalten, — der schieksalsvolle Gefährte, das sicherste Merkmal des Lebens. Deshalb sei es dem Botaniker erlaubt in kurzem Umriss, in allgemeinen Zügen, die Hauptthatsachen zu skizziren, die ihm von seiner Wissenschaft zum Verständniss des Zusammenhangs von Leben und Athmung gegeben sind. Zuerst müssen wir die Uebertragung des Begriffes „Athmung“ selbst von den Thieren auf die Pflanzen ins Auge fassen. Wenn wir heute zu sagen berechtigt sind, dass „alles Lebendige athmet“, so verdanken wir das hauptsächlich der Pflanzenphysiologie. Sie hat die Athmung vom Kriterium des thierischen Lebens zum Kriterium des Lebens überhaupt erhoben. Es ist garnicht wunderbar, dass die Athmung der Pflanzen thatsächlich viel später als die der Thiere bekannt wurde. Die rhythmischen Bewegungen der Brust, die mit dem Tode plötzlich unterbrochen werden, haben seit undenklichen Zeiten die Menschen mit dieser Lebenserscheimung ver- traut gemacht und erlaubten, sie auch auf die Thiere auszudehnen, wenigstens auf die höheren Vertreter des Thierreiches. Ohne grosse Mühe wurden auch die speciellen Athmungsorgane, Lungen und Kiemen, endeckt. Bei den Pflanzen dagegen zeugt nichts, weder im Aeusseren noch im Inneren, von dem auch hier sich ununterbrochen ab- spielenden Gasaustausch zwischen Organismus und um- gebendem Medium. Nur die Analyse der Veränderungen, die in abgeschlossener Luft durch Anwesenheit von Pflanzen hervorgerufen werden, konnte auch in diesen Organismen den Process der Athmung verrathen. Kein Wunder also, dass die Entdeckung der pflanzlichen (Aus dem Russischen von A. Glasberg.) Athmung mit der Epoche zusammenfällt, in der das Genie Lavoisier’s uns mit der Zusammensetzung der Atmosphäre bekannt machte und zugleich zeigte, dass die thierische Athmung in Aufnahme des Sauerstoffs der Umgebung und Ausscheidung von Kohlensäure besteht. In den siebenziger Jahren des vorigen Jahrhunderts veröffentlichte der bekannte englische Chemiker Priestley, der Entdecker des Sauerstoffs, eine epochemachende Beobachtung: verdorbene Luft, welche für die Athmung unbrauchbar geworden ist durch die Anwesenheit eines Thieres, nimmt ihre frühere Beschaffenheit wieder an, nach Aufenthalt einer Pflanze in derselben. Diese Ent- deekung, die sofort die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf sich zog, hatte eigentlich nichts mit dem zu thun, was wir gegenwärtig Athmung der Pflanzen nennen, Hier handelt es sich um einen ganz anderen fundamentalen Process, nämlich den der Luftnahrung der Pflanze oder der Assimilation, bei welchem die von den Thieren aus- geschiedene Kohlensäure den Pflanzen als Nahrung dient. Aber die weitere Erforschung gerade dieser Erscheinung führte zur Entdeckung der Athmung der Pflanzen. Priestley selber hat seine Entdeckung nicht zu Ende geführt. Bei seinen Kontrollversuchen kam es nicht immer zu einer Reinigung der Luft; im einigen Fällen schien es, als ob eine noch grössere Verunreimigung derselben statt einer Reinigung einträte. Die Aufklärung in dieser Sache kam erst durch die glänzenden Forschungen eines anderen Gelehrten, Ingenhouss. Von holländischer Abkunft war er nach seiner Bildung Engländer und verbrachte den grössten Theil seines Lebens in London. Sein Fach war die Mediein, und auf Empfehlung des zu jener Zeit berühmten Arztes Pringle, des Verfassers des bekannten Werkes „Ueber die Krankheiten der Armee“, lebte er einige Zeit in der Stellung eines Hofarztes für Schutzimpfung gegen die Pocken in Wien, weil damals diese Krankheit furcht- bare Verheerungen dort anrichtete und auch die Mitglieder der Kaiserlichen Familien nicht verschonte. Da sich Ingenhouss lebhaft für die günstige Wirkung der Pflanzen auf die Zusammensetzung der Luft interessirte und sich der grossen hygienischen Bedeutung dieser Erscheinung vollkommen bewusst war, siedelte er für den Sommer auf das Land über, zehn Meilen von London, und im Verlauf von drei Monaten stellte er in ländlicher Ab- geschiedenheit, von Morgens bis Abends arbeitend, mehr als 500 Versuche an. Diese drei Monate fieberhafter Arbeit eines einzigen Menschen waren für die aufblühende Wissenschaft von dem Leben der Pflanzen mehr als alle früheren Jahrhunderte zusammen von Bedeutung. Mit einem Male warfen sie Licht auf die Rolle der Pflanzen XII. Nr. 44. Naturwissenschaftliehe Wochensehritt. 521 in dem allgemeinen Haushalt der Natur. Mit dem Gefühl des wärmsten Dankes muss jeder Botaniker konstatiren, dass seine Wissenschaft die bedeutendsten Entdeckungen, welche die Grundlage für die Pflanzenphysiologie bilden, einem Arzte zu verdanken hat. Die Resultate Ingenhouss’ lassen sich in wenige Worte zusammenfassen, aber ihre Bedeutung ist unermesslich gross. Die Fähigkeit, die durch die Athmung der Thiere verdorbene Luft zu reinigen, kommt ausschliesslich den grünen Theilen der Pflanze zu und äussert sich nur bei Einwirkung des Sonnenlichtes auf dieselben. Im Dunkeln aber bewirken die grünen Theile und die nichtgrünen auch bei Licht keine Reinigung der Luft, sondern sie verschlechtern sie im Gegentheil genau so wie die thierischen Organismen. So trat gleich die Bedeutung der grossen Verbreitung des grünen Stoffes im Pflanzenreich klar zu Tage, die bis dahin vollkommen räthselhaft war und ebenso die grosse Bedeutung des Lichtes für die Pflanzen wie auch in der allgemeinen Oekonomie der Natur. Das Pflanzenreich erschien als Ergänzung des Thierreiches in Bezug auf die Atmosphäre. Der erste Theil der Entdeckung Ingenhouss, machte uns mit den Bedingungen des den Pflanzen allein zukommen- den Processes bekannt, den wir heute Assimilation nennen. Der zweite Theil — die Verschlechterung der Luft durch die Pflanzen — stellt die eigentliche Athmung der Pflanzen dar, die, wie erwiesen ist, der thierischen entspricht. Von den Zeitgenossen Ingenhouss’ wurden die beiden Theile seiner Entdeckung verschieden aufgenommen: der erste mit Freude und Neid, der zweite mit Geringschätzung und Unwille. Die Bedeutung des Lichts wurde nicht nur von Allen anerkannt, sondern man wetteiferte darin, die Ehre dieser Entdeckung Ingenhouss abzusprechen: sein eigener Freund Priestley, der schweizerische Gelehrte Senebier, der sich schon lange mit der Einwirkung des Lichts auf lebende Körper beschäftigt hatte, und äuch Ingenhouss’ Landsmann, der. Amsterdamer Apotheker Barneveld, letzterer, wie es sich bald zeigte, mit Hilfe eines unzweifelhaften Plagiats. Was die scheinbare Ver- schlechterung der Luft durch die Pflanzen, d. h. die eigentliche Athmung anbetrifft, so verwahrten sich Alle energisch dagegen, wie gegen eine verbrecherische Ketzerei, und lehnten nicht nur kategorisch die berechtigte Hinweisung Ingenhouss’ ab, sondern sahen darin eine Beleidigung der Natur und der Weisheit des Schöpfers. Das „Licht“ erregte allgemeinen Neid, die „Dunkelheit“ überliessen alle hochmüthig Ingenhouss. Aber diese Ge- ringschätzung der „Dunkelheit“ brachte die Neider zu Fall. „Wenn Ihr die Verschlechterung der Luft durch die Pflanzen verneint, so beweist Ihr damit, dass Ihr nie solche Versuche angestellt habt; denn die Bedeutung des Lichtes zu begreifen war nur möglich, indem man die Vorgänge beim Licht und bei der Dunkelheit verglich.“ So antwortete Ingenhouss seinen Gegnern, und die Wissen- schaft hat ihm die Priorität dieser Entdeckung in ihrem ganzen Umfange für immer gewahrt. Der doppelte Charakter des von Ingenhouss auf- gestellten Gasaustausches der Pflanze hat für lange Zeit in der Wissenschaft zu einer unbequemen und verwirren- den Terminologie Anlass gegeben. Indem man unter dem Namen Athmung jeden Gasaustausch eines lebendigen Körpers mit der Aussenwelt verstand, behaupteten die Einen, dass die Pflanze gerade umgekehrt wie das Thier athme; die Anderen, welche die von Ingenhouss ent- deckte Eigenschaft der Pflanzen, die Luft zu verschlech- tern, anerkannten, unterschieden bei den Pflanzen eine doppelte Athmung: eine Tag- und Nachtathmung, die erste umgekehrt wie die thierische Athmung, die letztere ihr ähnlich. Diese Termini waren auch für jene Zeit ungeeignet. Die Tagathmung, die die Luft reinigt, ge- | sehieht wirklich nur bei Tag, wenn es hell ist; aber nicht in der ganzen Pflanze, sondern nur in ihren grünen Theilen. Die Nachtathmung, welehe die Luft verschlech- tert, geht nicht nur bei Nacht vor sich; alle nieht grünen Theile der Pflanze und auch die Pflanzen, die gar keinen grünen Stoff besitzen, z. B. die Pilze, verschlechtern durch ihre Athmung bei Tag und Nacht ohne Unter- schied die Luft. Ausserdem musste die Wissenschaft allmählich zu der Auffassung kommen, dass sogar in den grünen Theilen, wenn sie auch dem Licht ausgesetzt sind, die Nachtathmung stattfindet und nur verdeckt wird durch den ungleich energischeren, umgekehrten Prozess, der durch das Licht hervorgerufen wird. So stellt sich die Nachtathmung als ein Prozess heraus, der überall in den Pflanzen vor sich geht und vollständig unabhängig ist von Lieht und Farbe. Erst in den 60er Jahren unseres Jahr- hunderts wurde die Bezeichnung „Athmung“ ausschliess- lich für Nachtathmung verwendet und nun hoffentlich für immer. Seit dieser Zeit athmet die Pflanze genau so wie das Thier. So wurde also die Athmung der Pflanzen noch zu Ende des letzten Jahrhunderts entdeckt. Die junge Lehre sollte schon in unserem Jahrhundert zwei Krisen zu be- stehen haben. In den 40er Jahren war es kein Anderer, als der berühmte Liebig, der mit der ihm eigenen Hitze über die Lehre von der pflanzlichen Athmung herfiel. Aehnlich den Zeitgenossen Ingenhouss’ hielt er es für widersinnig, dass ein Organismus, der die Luft reinige, sie zu gleicher Zeit verschlechtere. Wenn Liebig auch die Ausscheidung der Kohlensäure durch die Pflanze nicht bestritt, so behauptet er doch, dass diese Kohlen- säure nicht von der Pflanze selbst bereitet, sondern fertig aus dem Boden bezogen werde, zusammen mit dem durch die Wurzel aufgesaugten Wasser. Auf solche Weise spiele die Pflanze nur die Rolle eines einfachen Ueber- trägers des Kohlensäuregases aus dem Boden in die Atmosphäre, und der lebendige Prozess der Athmung wurde auf den wenig interessanten, rein physikalischen Prozess der Diffusion der Gase zurückgeführt. Das war eine traurige Verirrung, eine unbegreifliche Verblendung des genialen Geistes. Es erforderte keine neuen Ver- suche, es genügte schon die vorhandene Litteratur über diese Frage durchzusehen, um von der völligen Unhaltbarkeit der Erklärung Liebigs überzeugt zu werden. Ganz anderer Art war die zweite Krise. Im Jahre 1857 verkündete der deutsche botanische Physiologe Reinke der gelehrten Welt, dass in seinem Laboratorium die postmortale Atbmung entdeckt worden sei. Die durch Hitze getödteten Keime verschiedener Pflanzen: Algen ete. setzten die Ausscheidung von Kohlensäure und Aufnahme von Sauerstoff noch 24 Stunden und länger nach dem Tode fort. Die Anwesenheit der Athmung wurde hier nieht wie von Liebig verneint, aber der Prozess wurde auf eine chemische Reaktion zurückgeführt, die das Leben begleite, aber nicht eng mit ihm verbunden, sondern ganz von ihm losgelöst. Auch eine Leiche athmet das Leben ist erloschen und die Athmung wird fortgesetzt! Aber auch dieser zweite Versuch, die Athmung herab- zuwürdigen, sie ihres Lebenscharakters zu berauben, scheiterte vollständig. Von verschiedenen Seiten wurde fast gleichzeitig darauf hingewiesen, dass der originelle Sehluss Reinke’s das Resultat eines grossen Versehens war. In den ersten Stunden unmittelbar nach dem Tode ist keine Ausscheidung von Kohlensäure zu beobachten; die Athmung hört gleich mit dem Tode auf, erst nach Verlauf einiger Zeit tritt die von Reinke beobachtete, aber unrichtig gedeutete Erscheinung auf. Und auch diese Erscheinung trägt offenbar einen Lebenscharakter und (&}\ rg [8 wird ähnlich der Fäulniss durch Bakterien, hervorgerufen. An der Uebereinstimmung des Athmungsprozesses bei Pllanzen und Thieren kann kein Zweifel mehr bestehen. Die Uebereinstimmung ist keineswegs darauf beschränkt, dass in beiden Fällen Sauerstoff aufgenommen und Kohlen- säure ausgeschieden wird. Hier und dort bildet sich, wie genaue Versuche zeigten, neben der Kohlensäure Wasser. In beiden Fällen ist der Athmungsprozess mit der Zer- setzung des Organismus und mit Gewichtsverlust verbunden, und so wie der Oxydationsprozess hat er Entwickelung von Wärme zufolge. Bei den Pflanzen ist die Selbst- erwärmung, die durch die Athmung hervorgerufen wird, nur schwer zu beobachten wegen der grösseren Ober- fläche, wie sie dem pflanzlichen Organismus gewöhnlich eigen ist und der relativ geringen Intensität der Athmung. In beiden Fällen richtet sich die Intensität der Athmung nach den gerade vorhandenen Reservestoffen. Ein satter Organismus athmet viel intensiver als ein hungriger. Je nach dem Stand ihrer Reservestoffe gehen das Thier und die Pflanze damit mehr oder weniger, sie für ihren Lebensunterhalt verbrauchend, sparsam um. Die chemi- sche Zusammensetzung jener Reservestoffe übt keinen Einfluss auf das quantitative Verhältniss der Sauerstoff- aufnahme und Kohlensäureausscheidung. Die Keime, die sich aus stärkehaltigem Samen entwickeln, athmen gleich wie die Thiere, die sich durch Kohlenhydrate ernähren. Die Athmung bei ölhaltigem Samen erinnert an die Thiere, die sich ‘von Fetten ernähren. In beiden Reichen der Natur ist endlich ein kleinerer oder grösserer Sauerstoff- gehalt der Umgebung in ziemlich weiten Grenzen ohne Einfluss auf die Intensität des Athmungsprozesses. Der enge Zusammenhang, der sich zwischen Athmung und Leben sowohl bei den Thieren als auch beiden Pflanzen zeigt, führt zu der interessanten Frage, ob es möglich sei, alle Lebensvorgänge im lebenden Körper mit Einschluss der Athmung zu unterdrücken, ohne die Fähig- keit weiter zu leben zu vernichten; ob ein Organismus, der zu athmen aufgehört hat, unter jeder Bedingung wieder zum Leben zurückkehren kann. Mit anderen Worten: Kann man die lebendige Energie aus dem kine- tischen in den potentiellen Zustand überführen ? Diese Frage unbedingt zu beantworten ist heutzutage unmöglich. Auf den ersten Blick scheint es, als ob die Natur diese Frage selbst beantworte und zwar in bejahendem Sinne. Im Thier- und Pflanzenreich trifft man viele Fälle, in denen das Leben sich äusserlich durch nichts kundgiebt und nur als Möglichkeit vorhanden ist. So sind z. B. die pflanzlichen Samen allbekannt. Jahrelang können sie liegen, ohne Merkmale von Leben zu zeigen und nur, wenn sie unter gewisse Bedingungen gebracht werden, z. B. in Feuchtigkeit, beweisen sie durch Keimung ihre Lebensfähigkeit. Die interessanten Untersuchungen des französischen Botanikers Van-Tighem beweisen, dass der Ruhezustand des trockenen Samens nur scheinbar ein ab- soluter ist. Auch hier ist das Leben nicht vollkommen erloschen, es hat sich nur versteckt, und so lange im Samen die Fähigkeit zu keimen vorhanden ist, kommt sie durch schwache Athmung zum Ausdruck. Diese Athmung ist kaum wahrnehmbar, aber sie ist vorhanden. Der ruhende Samen erinnert so an das Murmeltbier im Zu- stande des Winterschlafes. Er nährt sieh nicht, er wächst nieht, er vermehrt sich nicht, aber er athmet. Er athmet 30 Mal schwächer als normal — aber er athmet doch! Aehnlieh unterhalten z. B. die Kartoffelknollen ihre Athmung, die sich den ganzen Winter nicht rühren, ebenso auch die Baumknospen ete. Nirgends ist die Ruhe im lebenden Körper eine absolute, das Lebens- flämmehen ist nicht erloschen, es ist nur schwächer ge- kleine Lebewesen, Naturwissenschaftliehe Wochensehnift. XIII. Nr. 44. worden, es wärmt.kaum, äussert sich in kaum merklicher Athmung und wartet die Aenderung der Bedingungen ab, um aufs Neue aufzuflackern zur sichtbaren Lebens- äusserung. Und doch kann ich mich nichts destoweniger nicht entschliessen, die obige Frage über die Möglichkeit, das Leben zu unterdrücken, ohne den Tod hervorzurufen, bestimmt zu verneinen. Es giebt Lebewesen, besonders unter den niederen von sogar sehr komplizirtem Bau, wie z. B. auch einige Würmer und auch Spinnen, die man austrocknen und in diesem Mumienzustand, wie es scheint, beliebig lange aufbewahren kann. Wenn wir sie befeuchten, kehren sie schnell zum Leben zurück. Ein anderes Mittel, durch welches es gelingt, die Aeusserung des Lebens zu be- seitigen, oft ohne die Möglichkeit desselben zu vernichten, ist die Erniedrigung der Temperatur. Eine durch und durch durchgefrorene Pflanze kann man nicht selten zum Leben durch Aufthauen zurückkehren lassen. Leider haben wir keine genaue Kenntniss von dem Zustande des Innern eines erfrorenen oder ausgetrockneten Organismus. Auf Grund des über die normal ruhenden Theile Gesagten und auf Grund der unzweifelhatten Thatsachen, dass die Athmung auch bei einer Temperatur von unter O° statt- findet, darf man annehmen, dass auch in diesen Fällen das Leben nicht ganz unterdrückt ist und fortfährt, sich wie in dem trockenen Samen durch sehr schwache Athmung zu äussern. *) Aber das Studium des pflanzlichen Lebens führte nicht nur zur Entdeekung des auch in diesen Organismen stattfindenden Processes, der der thierischen Athmung gleichkommt, sondern sie führte auch zu einer uner- warteten und wesentlichen Erweiterung des Begriffes Athmung selbst, zur Entdeckung ihrer Surrogate, wenn man so sagen darf. Die Untersuchungen zeigten: 1. dass die Athmung oder richtiger die Ausscheidung der Kohlen- säure besonders bei den Pflanzen lange nicht so eng mit der Anwesenheit von Sauerstoff in der Umgebung ver- bunden ist, als vorauszusetzen war, wenn man sah, wie schnell ein Thier in einer sauerstofffreien Atmosphäre er- stiekt. Es ist sehr bemerkenswerth, dass die Pflanze unter diesen Bedingungen, wenn sie aufhört zu wachsen, doch noch lange fortfährt Kohlensäure auszuscheiden, in- dem sie nieht nur Kohlenstoff, sondern auch Sauerstoff aus ihrem eigenen Körper bezieht. Solange eine solche Athmung ohne freien Sauerstoff stattfindet, die den Namen „intramolekuläre Athmung“ führt, behält der ‚Organismus die Fähigkeit zu leben und kann an freier Luft aufs Neue zu wachsen anfangen. Es ist der Wissenschaft ge- lungen, diese verlockende Erscheinung näher zu analysiren. Wir wissen jetzt, dass unter diesen Bedingungen der Zucker aus dem Organismus verschwindet und ein Stoff erscheint, der unter ıormalen Bedingungen niemals im Organismus vorkommt: der Alkohol. Was wir „intra- molekuläre Athmung“ nennen, wird in der That auf den längstbekannten Process der Alkoholgährung zurück- geführt. Wenn die Pflanze aus irgend einer Ursache, z. B. in Folge Ermangelung eines passenden Stoffes dazu nicht fähig ist, so scheidet sie in einem sauerstoffireien Medium keine Kohlensäure aus und erstickt augen- blieklich. Auf diese Weise erscheint die Alkoholgährung als ein Surrogat der Athmung, das dem Organismus er- laubt, unter lauter ungünstigen Bedingungen, wenn auch nieht die wirkliehen Lebensäusserungen, so doch die Fähigkeit zu leben, zu erhalten. Die Zeit erlaubt mir nicht, bei diesem Gegenstand länger zu verweilen; ich will nur bemerken, dass die Erscheinung, von der die *) Die neuen Versuche de Candolles über die Wirkung niederer Temperatur auf ruhende Samen machen die Möglichkeit der vollständigen Verhinderung der Athmung ohne Aufhebung der Fähigkeit zu leben, sehr wahrscheinlich. XII. Nr. 44. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 523 Rede ist, grosse theoretische Bedeutung hat. Sie ruft die Frage hervor, ob wir nicht unsere Anschauungen von normaler Athmung radikal ändern müssen, ob wir nicht die Ausscheidung der Kohlensäure nicht als Folge, sondern als Ursache der Sauerstoffaufnahme ansehen müssen. Gegenwärtig sind die Beziehungen der intramolekulären Athmung zur normalen noch nicht aufgeklärt. Sie werden noch eifrig in der wissenschaftlichen Litteratur diseutirt, und wir sind berechtigt, davon sehr wichtige Enthüllungen zu erwarten. Die Sache wird dadurch noch interessanter, dass die Ausscheidung von Kohlensäure bei Abwesenheit von Sauerstoff auch für den thierischen Organismus be- kannt ist. Es ist schon längst erwiesen, dass z. B. der Frosch wenigstens bei niedriger Temperatur im Stande ist einige Stunden, ähnlich wie die Pflanze, Sauerstoff- mangel zu ertragen, ohne die Fähigkeit weiter zu leben dadurch zu verlieren. Leider kennen wir in diesem Falle die Quelle der Kohlensäureausscheidung durch den Orga- nismus nicht. Wir wissen nicht, ob hier, wie bei den Pflanzen, der Process der Alkoholgährung stattfindet. In der Frage nach dem Leben ohne Sauerstoff ist die Pflanzen- der Thierphysiologie vorausgeeilt. In den meisten Fällen tritt die Alkoholgährung bei den Pflanzen nur als ein Mittel zur Erhaltung der Lebens- fähigkeit im Falle von Sauerstoffmangel. Auf den niederen Stufen des Pflanzenreichs giebt es jedoch Organismen, die sich so sehr an Sauerstoffmangel angepasst haben, dass sie unter diesen Bedingungen nicht nur eine viel energischere Alkoholgährung hervorgerufen als jene, die sich in den Geweben der höheren Pflanzen abspielt, sondern auch wachsen und sich vermehren. Freier Sauer- stoff ist für diese ein Luxusartikel, wenn sie auch fähig sind, ihn zur Unterhaltung der ‘typischen, normalen Athmung zu verwerthen. Dahin gehören die Hefepilze. Was für andere Organismen ein pathologischer Process ist, ein Krankeitsprocess, zu dem sie nur im äussersten Falle ihre Zuflucht nehmen, wurde für diese Gährungs- pilze geradezu zur Norm. Diese werden in der Praxis zur Herstellung alkoholischer Getränke verwerthet. Aber dies ist das Wenigste. Unter den kleinsten Organismen, die unter dem Namen Bacterien bekannt sind, kommen Formen vor, für die der Sauerstoff, der für den Lebensunterhalt aller anderen thierischen Wesen so noth- wendig ist, sich als Gift erweist; sie können nur in seiner Abwesenheit oder in Gesellschaft anderer Baeterien, die ihn gierig aufnehmen, fortkommen. Die Entdeckung dieses eigenthümlichen, aber noch wenig erforschten „Anaöroben“-Lebens. wie man es nennt, Leben ohne Luft, ohne Sauerstoff, bildet eines der grössten Verdienste des berühmten Pasteur. In Anbetracht des Vorkommens äbn- licher anaörober Organismen kann man sagen, dass die Ausscheidung von Kohlensäure das constantere Merkmal darstellt als die Aufnahme von Sauerstoff, da auch solche Organismen Kohlensäure ausscheiden, die des Sauerstoffs entbehren. Den für die Bildung der Kohlensäure nöthigen Sauerstoff entnehmen sie in gebundener Form der Um- gebung oder den Stoffen des eigenen Körpers. Und auch das ist das Wenigste. Es scheint, dass auch die Ausscheidung der Kohlensäure nicht unlöslich mit dem Begriff „Leben“ verbunden ist. Die interessanten Forschungen Winogradskis (mit besonderer Freude nenne ich in dieser kurzen Skizze einen russischen Namen) zeigten, dass Organismen vorkommen in jener Gruppe der Bacterien, für welche als Quelle der Lebensenergie nicht die Oxydation organischer Stoffe des eigenen Körpers unter Kohlensäureentwiekelung dient, sondern die Oxydation der Stoffe der umgebenden todten Natur. Dahin gehören die eigenthümlichen Bacterien, die in den Schwefelquellen leben. Der darin vorkommende Schwefel- wasserstoff, der für alle anderen Organismen von tödt- licher Wirkung ist, stellt für diese Bacterien eine noth- wendige Bedingung ihrer Existenz dar. Indem sie ähnlich dem grössten Theil der lebenden Wesen freien Sauerstoff aufnehmen, lassen sie ihn nicht auf die Stoffe einwirken, aus denen ihr eigener Körper aufgebaut ist, sondern auf den Schwefelwasserstoff, den sie zu Schwefel oxydiren und nachher zu Schwefelsäure. So verhalten sich einige Bacterien des Bodens, die die Oxydation des Ammoniaks zu salpetriger und zu Salpetersäure hervorrufen. Diese Organismen bedürfen zu ihrem Lebensunterhalt erstaunlich wenig organischer Nahrungsstoffe, da sie dieselben aus- schliesslich zum Aufbau ihres Körpers verwenden, nicht aber zur Unterhaltung des Athmungsprocesses. So fügte das Studium des pflanzlichen Lebens zur gewöhnlichen Art der Athmung, die in Aufnahme von Sauerstoff und Ausscheidung von Kohlensäure besteht, noch einige neue Typen hinzu und wies auf die Möglichkeit einer Athmung ohne jegliche Aufnahme von Sauerstoff und sogar Kohlen- säureabgabe hin. Was ist das Gemeinsame bei allen diesen Typen? Das allen diesen gemeinsam zukommende Merkmal besteht in Folgendem: Sei die Reaction eine direkte Oxydation oder eine Spaltung, die ohne Theil- nahme des freien Sauerstoffs vor sich geht, so kommen wir in allen brennbaren Verbindungen zu wenig oder garnicht brennbaren, was nach dem Gesetz von der Er- haltung der Energie mit Entwickelung von lebendiger Kraft in Verbindung steht. Die vorräthige potentielle Energie geht in active, kinetische Energie über. Der Athmungsprocess, worin er auch bestehen mag, erscheint so für den lebendigen Körper als Quelle der in ihm wirk- samen Kräfte: als Quelle der Wärme, der mechanischen Bewegung und in ganz seltenen Fällen auch als Quelle vom Organismus ausstrahlenden Lichtes. Unter diesem Gesichtspunkt spielt die Athmung im lebendigen Körper dieselbe Rolle, wie die Verbrennung des Heizmaterials in einer beliebigen Maschine. Wenn wir aber die all- gemeine Bedeutung des Athmungsprocesses, sozusagen seine Zwecekmässigkeit verstehen, sind wir dann be- rechtigt zu behaupten, dass es gegenwärtig der Wissen- schaft gelungen sei, die Athmung auf einen einfachen Chemismus zurückzuführen? Nicht selten hören wir diese Phrase. Vor ganz kurzer Zeit las ich sie von com- petenter Seite aus dem Munde eines der hervorragendsten unserer Vertreter der Pflanzenphysiologie ausgesprochen und sogar noch mit besonderem Nachdruck im Gefühl des Stolzes auf die glänzenden Errungenschaften unserer heutigen Wissenschaft. Aber — — — ist das wirklich so ? Schlagen wir das kürzlich erschienene Lehrbuch der Botanik von Strasburger und anderen Professoren der Bonner Uni- versität auf, so lesen wir folgende Zeilen: „Die Pflanze athmet also nicht, weil der Sauerstoff der Luft von selbst zersetzend (oxydirend) auf sie einwirkt, sondern: weil die Pflanze von sich aus das Bedürfniss zu einer Athmung hat, deshalb zieht sie den Sauerstoff in ihren Stoffwechsel. Die Athmung ist also wie die Ernährung und das Wachsthum der Ausdruck einer eigenartigen Lebensthätigkeit des Protoplasmas. So lautet das unparteiische Urtheil der gegenwärtigen Wissenschaft. Die Athmung ist ein Lebensvorgang gleich wie Ernährung und Wachstum. Und wirklich! man muss sehr bescheidene Anforderungen an die Wissen- schaft stellen, um eine bestimmte Antwort auf die Frage zu geben, ob es gelungen sei, die Athmung auf einen einfachen Chemismus zurückzuführen. Der geniale La- voisier gab uns ein glänzendes, allgemeines Schema vom Athmungsprozess, das allgemeine Resultat, das Resultat der Athmung, und das grosse Gesetz von der Erhaltung der Energie hat vollends die Bedeutung dieses Resultates 524 für das Leben erklärt. Die Athmung (im weitesten Sinne des verbreitetsten Typus) ist der Verbrennung ähnlich. Der Organismus athmet gerade so wie die Kerze oder Ofen und dieses Verbrennen wie das Holz im brennt, ist die Quelle der Lebensenergie im Organismus. Wir können auch das Brennmaterial selber zeigen: Bei der Athmung verschwinden Stoffe wie Stärke, Zucker und Fett. Alle diese Stoffe können wir auch ohne Theilnahme des lebendigen Körpers verbrennen, und sie werden genau die gleiche Wärmemenge oder allgemein soviel Energie entwickeln als sie im Organismus produ- eiren. Sobald wir aber vom allgemeinen Resultat des Processes zur Art und Weise seiner Verwirklichung über- gehen, so stossen wir bis jetzt’ auf unüberwindliche Schwierigkeiten. Die Kraft, die im Brennmaterial schlum- mert, können wir ohne Zuhilfenahme des lebendigen Körpers nur auf dem Wege der Verbrennung wecken, indem wir zu einer so hohen Temperatur, die mit dem Begriff des Lebens absolut unvereinbar ist, unsere Zu- flucht nehmen, zum Feuer, dem schlimmsten Feinde des Lebens. Im lebenden Körper werden diese Stoffe aber bei erstaunlich niedriger Temperatur zerstört, man kann sie, wie wir gesehen haben, sogar bis unter Null Grad herabsetzen. Die Wissenschaft konnte nicht umhin, diesen grossen Unterschied anzuerkennen. Sie versuchte diese Schwierigkeit durch die Voraussetzung zu umgehen, dass im Organismus nicht gewöhnlicher Sauerstoff wirke, son- dern eine activere Form desselben, die unter dem Namen Ozon bekannt ist, oder ein anderes starkes Oxydations- mittel wie Wasserstoffsuperoxyd. Die ganz genauen Untersuchungen in dieser Richtung haben ein negatives Resultat gehabt. Nein! In diesen Organismen ist kein Ozon vorhanden, kein Wasserstoffsuperoxyd, nur der ganz gewöhnliche Sauerstoff der Luft. Aber bier betreten wir das dunkle Gebiet der Hypothesen, deren Betrachtung uns zu weit locken würde. Es genügt zu sagen, dass wir gegenwärtig nicht mit Sicherheit wissen, was für ein Stoff im Organismus als unmittelbare Quelle für die sich bei der Athmung entwiekelnde Kohlensäure dient. Viele glauben, dass Stärke, Zucker, Fette an diesem Process unmittelbar betheiligt seien, indem sie zur Wiederher- stellung der sich ununterbrochen zersetzenden Eiweiss- stoffe des Organismus dienen. Ebenso wissen wir nicht, ob der eingeathmete Sauerstoff einen Impuls zur Ent- wiekelung der Kohlensäure ertheilt, oder ob umgekehrt die sich kraft eines unverständlichen inneren Impulses | entwickelnde Kohlensäure die Sauerstoffaufnahme als Folge hervorruft. Es fragt sich nun, ob man auf diesem Stadium der Frage behaupten kann, dass es der Wissen- schaft gelungen sei, den Process der Athmung auf einen einfachen Chemismus zurückzuführen. Ein schöner Che- mismus, bei dem wir mit Bedenken schon vor dem ersten Gliede der hypothetischen Gleichung stehen bleiben! Nein, der Wissenschaft ist es noch nicht gelungen, in die reale, sreifbare Form das allgemeine Schema des Athmungs- processes zu verkörpern, das vor einem Jahrhundert von Lavoisier gegeben woıden ist. Es ist noch nicht gelungen, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 44. die Athmung des Nimbus des Lebens zu berauben. Der treue Begleiter des Lebens bleibt noch räthselhaft wie das Leben selbst. Nieht ohne Absicht habe ich eimige Male das Wört- lein „noch“ wiederholt. Es liegt mir fern zu behaupten, dass das, was bis jetzt nicht gelungen ist, niemals ge- lingen werde. Aber dem Sohne des 19. Jahrhunderts kommt es nieht zu, die undankbare Rolle eines Propheten zu spielen. Es genügt einen raschen Blick auf den Weg, den die Naturwissenschaften in unserem Jahrhundert zurückgelegt haben, zu werfen, ein Weg, der durch wirk- lieh glänzende Errungenschaften ausgezeichnet ist, um Jede Lust zu solehen negativen Prophezeihungen zu ver- lieren. „Niemals werden wir die chemische Zusammen- setzung der leuchtenden Himmelskörper erfahren“, sagte die einfache, augenscheinliche Logik. Aber es kam die Spectralanalyse, und das Unmögliche ward wirklich. „Niemals erfahren wir die Geschwindigkeit, mit der sich der Reiz im den Nerven fortpflanzt*, rief traurig der grosse Physiologe Johannes Müller aus. Nur ein paar Jahre vergingen, und die Geschwindigkeit wurde be- stimmt. Aber gerade in Anbetracht solcher unzweifelhaft glänzender Verdienste scheint es mir mit der Würde der Wissenschaft nicht vereinbar, ihr auch fietive Verdienste zuzuschreiben. Muss man noch hinzufügen, dass nichts Erniedrigendes für die Wissenschaft in dem Geständniss liegt, dass es ‚ihr noch nicht gelungen ist, die Athmung des Lebens auf einen einfachen Chemismus zurückzuführen? Nein. Es genügt, sich zu erinnern, wie jung unsere Wissenschaft ist. Dieser Tage kann man sagen, begrub man in der Stadt Saratow einen Menschen, der zugleich mit dem Sauerstoff geboren wurde: 100 und ein paar Jahre! Eine grosse, für das Leben eines einzelnen Menschen fast un- erreichbare Zeit, — ein Augenblick im Leben der Menseh- heit! Eine lange, unendliche Reihe ziehen vor unserem geistigen Auge herauf, die aufeinanderrückenden Jahr- hunderte der Zukunft. Das sind nicht die unzähligen Jahrhunderte der fernen Vergangenheit, als die Erde noch nicht beleuchtet war von dem Strahl der Erkenntniss. Nicht mehr die uns nahen, schon historischen Jahrhunderte, da der Mensch niedergedrückt durch die Kraft der Aussen- welt und schüchtern die Naturerscheinungen betrachtete. Das sind Jahrhunderte ähnlich dem zu Ende gehenden, da im vollen Bewusstsein der Kraft des Geistes, der im schwachen Körper nistet, der Mensch zur Erforschung der umgebenden Welt das mächtigste Werkzeug an- wandte: das Experiment. Sollen wir neidisch sein auf die kommenden Jahrhunderte, auf die kommenden Generationen? Ohne Zweifel werden sie mehr, uner- messlich mehr als wir wissen und doch wird es ihnen in allem gleich ergehen wie uns: Jedem wird das errungene Wissen als unbedeutendes Körnchen erscheinen im Ver- gleich mit dem Zukünftigen und Ersehnten. Aber so- lange ein Mensch auf der Erde athmet, wird in ihm der heilige Wissensdurst nicht erlöschen, — er ist in ihn hineingeblasen zusammen mit dem Odem des Lebens. Ueber die Thierwelt von Jamaika veröffentlicht H. L. Clark aus Pittsburgh eine interessante Arbeit im Septemberheft von „Natural Science“. Der Zoologe findet auf dieser Insel Arbeit in Hülle und Fülle. In den Küstengewässern finden sich Myriaden von Crustaceen- larven und die Larven einer Meduse aus der Gattung Tripedalia. Die Wurzeln der im Wasser stehenden Bäume sind dieht besetzt mit Aseidien, Austern und Schwämmen ' in den verschiedensten Farben. Planarien und Nudi- branchier sind häufig, ferner eine merkwürdige, lebendig- gebärende Holothurie der Gattung Synapta. Für den Careinologen ist Jamaika das wahre Dorado; über 100 verschiedene Arten von Garneelen, Krabben und Krustern sind von dort bekannt. Das Seepferdehen kommt in Menge im Meere vor, ebenso zahlreiche Stachelhäuter. Von derselben Reiehhaltigkeit wie die Thierwelt des XIll. Nr. 44. Meeres ist die Landfauna. Es sind mehr als 200 Vogel- arten von der Insel bekannt, davon sind 40 Arten Jamaika eigenthümlich; etwa 50 Species gehören zur Fauna West- indiens und 90 zur nordamerikanischen Fauna. Mehrere der Vögel sind Zugvögel und bringen nur den Winter auf Jamaika zu, während sie im Sommer in den nord- östlichen Gebieten der Vereinigten Staaten leben; einige Arten kommen auch im Sommer vom Süden her, von Süd- und Centralamerika. Die Fauna von Jamaika ist sehr veränderlich. Der Manati, ein Fischsäugethier, der Aguti, eine Nagethier, und der Leguan, eine Eidechse, sind fast ausgestorben, Aestrelata caribbaea, ein Schwimmvogel, ist im Laufe der letzten fünfzig Jahre verschwunden. Dafür haben sich zwei Thiere, die aus Nützlichkeitsgründen importirt wurden, die gemeine Kröte und die Manguste, ungeheuer ver- mehrt. Letztere wurde erst vor etwa 25 Jahren eingeführt, um die Bevölkerung im Kampfe gegen die zahlreichen, giftigen Schlangen zu unterstützen. Es schien auch, als würden die Schlangen ganz ausgerottet werden, aber seit 5 oder 6 Jahren nehmen dieselben an Zahl wieder zu. Zur Erklärung dieses merkwürdigen Umstandes wird an- genommen, dass die Schlangen gelernt haben, sich mit Erfolg gegen die Mangusten zu vertheidigen, und dass sich letztere wohl auch an andere Nahrung gewöhnt haben. S. Sch. Ueber Abstammung und Verbreitung der Schild- kröten. Die Schildkröten oder Chelonier bilden eine durch das Merkmal eines festen Knochenpanzers in sich abgeschlossene Wirbelthiergruppe. So einförmig das Studium dieser Thiere auf den ersten Blick erscheint, bietet dasselbe doch bei tieferem Eindringen in ihre Organisation und Lebensverhältnisse der Forschung hochinteressante und lohnende Aufgaben. Besonders ist es die Ergründung ihres Stammbaumes, welche dem denkenden Zoologen vielen Stoff zu Unter- suchungen giebt. Fossile Chelonierreste finden sich zuerst in der Trias, doch beweist das Vorkommen von Ueberresten primärer Formen mit solehen den hochstehenden Pleurodiren zu- gehörigen, dass die Herkunft und Abzweigung der Che- lonier aus uralten Stammreptilien schon weit vor der Triasperiode stattgefunden haben muss. Die auf uns ge- kommenen Ueberreste der ältesten Chelonier gehören der Ordnung der Lederschildkröten oder Dermochelier an. Als der letzte lebende Vertreter dieser Ordnung ist die das Meer bewohnende Lederschildkröte (Spharges coria- cea) aufzufassen. Diese Dermochelier unterscheiden sich von sämmtliehen folgenden Ordnungen der Schildkröten durch das Fehlen einer festen Verbindung ihres Haut- panzers mit dem inneren Skelett. Dieser letztere besteht bei diesen Thieren im Gegensatz zu dem anderer Che- lonier aus zahlreichen, kleinen Knochentafeln der Leder- haut. Häckel hat aus diesem Grunde die Dermochelier als Atheeonier den anderen gegenübergesetzt. In seiner geistvollen „Systematischen Phylogenie“ giebt genannter Forscher ein klares Bild über den phylogenetischen Zu- sammenhang der Chelonier, ihm wollen wir in diesen Erörterungen folgen. Aus einem Zweige dieses Atheconier entstand nach diesem Autor wahscheinlich schon in der Triasperiode die Ordnung der Diacostalier oder Triony- choiden, welche er als die Stammgruppe der T'heconier, bei welchen der Hautpanzer mit dem inneren Skelett in Verbindung steht, ansieht. Von dieser Ordnung lebt gegenwärtig nur noch eine einzige Familie, die der Trionychiden, welche als Fluss- oder Lippenschildkröten Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 525 benannt werden. Diese auch als Weichschildkröten be- zeichneten Thiere besitzen einen flach gewölbten Rücken- panzer mit mässig grossem Mitteltelde, wogegen der grosse knorpelige Rand des Rückens keine Spur von Rand- knochen zeigt. Erst in der dritten Ordnung Häckels, den Cryptoderen oder Panzerschildkröten, gelangt der „eigenthümliche Schildkrötenpanzer*“ zur vollen Aus- bildung, indem Rücken- und Bauchschild vollständig ver- knöchern und in feste Verbindung treten. Auch bilden sich bei ihnen im der Oberhaut dieke als „Schildpatt“ bezeichnete Hornschilder aus. Für die gemeinsame Stammgruppe der Cryptoderen hält Häckel die in Jura und Kreide durch zahlreiche Formen vertretenen Küstenschildkröten oder Thalass- emyden, welche in sich die Merkmale der beiden aus ihnen hervorgegangenen Familien der Carettiden und Emydinen vereinen. Aus ersteren haben sich die typischen Seeschildkröten, aus letzteren die typischen Sumpfschild- kröten (Emys, Clemys, Cistudo) entwickelt. Erst in der Tertiärzeit bildeten sich aus einem Zweige der amphi- bischen Emydinen nach unserem Autor die typischen Landsehildkröten (Chersiten oder Testudinen) aus. End- lieh gingen als vierte Ordnung Häckels aus einem Zweige der Cryptoderen die typischen Beckenschildkröten oder Pleuroderen hervor, bei welchen nicht allein Rücken- und 3auchschild, sondern auch das Becken mit diesen unbe- weglich mit einander verwachsen. Nach dieser phylogenetischen Uebersicht wollen wir einmal die Verbreitungsverhältnisse der Chelonier ins Auge fassen: Das Vorkommen fossiler Schildkrötenreste in nörd- lichen Gegenden lehrt, dass diese Thiere früher eine weit nördlichere Verbreitung hatten als heut zu Tage. Dieses lehren besonders die in der Kreide Nordamerikas und Europas zahlreich vorkommenden Trionychidenreste, welche heute ihr Verbreitungseentrum im Inneren des afrika- nischen Continents, also in den Tropen haben, von hier aus in die orientalische Region bis nach Japan hinauf vorgedrungen sind und sich im Osten des gemässigten Nordamerikas wiederfinden. Die reeenten Chelonier leben der Mehrzahl nach in den heissen Gegenden. In der gemässigten Zone nimmt ihr Formenreiehthum nach den Polen zu immer mehr ab. Diesen letzteren erreicht keine Art. Ihre grösste Arten- zahl erreichen sie in der nördlichen gemässigten Zone, während die meisten Gattungen der aethiopischen Region angehören. Haben wir für die phyletisch alten Trio- nychiden eine südliche Verbreitung eonstatiren können, so wohnt die als ältesten lebenden Vertreter der Chelonier aufzufassende Sphargis eoriacea oder Lederschildkröte ebenfalls im Süden. Sie bevölkert die Meere zwischen den Wendekreisen und dringt nur in Streifzügen in nörd- liche Meere vor. Im Gegensatz hieran finden sich die plıyletisch jüngeren Schildkrötengeschlechter in nördlichen Gegenden der Erde. Namentlich ist Nordamerika ein sehr schildkrötenreicher Welttheil. Aber auch die ge- mässigten Gegenden der alten Welt beherbergen einen grossen Reichthum an Chelonierarten. Es geht aus dem allem hervor, dass in der heutigen Schöpfungsperiode der Süden der Erde die phyletisch älteren Chelonier be- herbergt, während die nördlichen Regionen von phyletisch jüngeren, höher entwickelten und an Artenzahl die vorigen übertreffenden Formen bewohnt werden. Ein Beweis da- für, dass trotz der grösseren Gattungszahl der südlichen Erdhälfte die Schildkrötenentwickelung gegenwärtig in der gemässigten Zone florirt. A. Sokolowsky. 526 Naturwissenscehaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 44 Ueber den Einfluss von Licht und Wärme auf die Keimung der Sporen der Bryophyten und Pterido- phyten veröffentlicht F. de Forest Heald eine wichtige Arbeit in dem Juliheft von „Botanical Gazette.“ Er kommt dabei zu anderen Resultaten als die Forscher, die vor ihm ähnliche Experimente angestellt haben. Der Verfasser setzte Sporen des Mooses Funaria hygrometrica dem Lichte und andere von derselben Art der Dunkelheit aus; die Tem- peratur betrug in beiden Fällen dieselbe, 19—21°. Nach Verlauf von 5 Tagen hatten die beleuchteten Sporen ge- keimt, dagegen keimten die in der Dunkelheit aufbewahrten Sporen nach 30 Tagen noch nicht; als letztere aber nach der angegebenen Zeit an’s Licht gebracht wurden, keimten sie sehr schnell. Aus diesem Versuche sowie aus anderen, die dasselbe Resultat hatten, geht hervor, dass zur Kei- mung der genannten Pflanzen das Lieht nöthig ist. Heald untersuchte nun, welche Lichtstrahlen der Keimung am günstigsten seien, und liess Sporen der Moose Funaria, Bryum und Brachytheeium theils unter rothem, theils unter blauem Liebte keimen. Im rothen Lichte keimten die Sporen ebenso wie im weissen Lichte, dagegen verhielten sich die Sporen im blauen Lichte wie die m der Dunkel- heit. Um die Dauer der Beleuchtung, welche zur Kei- mung nothwendig ist, festzustellen, brachte Heald Sporen, die lange in der Dunkelheit gelegen hatten, in das Licht, und nach Verlauf von 14 Stunden begann die Keimung bei einzelnen der Sporen. Hierauf wurde die eine Hälfte der Sporen, worunter sich sowohl gekeimte als noch un- gekeimte befanden, in die Dunkelheit zurück versetzt, während die andere Hälfte im Lichte blieb. Letztere Sporen entwickelten sich in der gewohnten Weise weiter, und die, welche bisher zurückgeblieben waren, keimten noch; dagegen hörte das Wachsthum bei den schon ge- keimten und nun in’s Finstere gebrachten Sporen bald uf, und die jetzt im Dunkeln befindlichen Sporen, welche noch nicht gsekeimt hatten und doch dem Lichte ausge- setzt gewesen waren, keimten auch jetzt nicht. Dass der Grad der Beleuchtung auf das Keimen Einfluss haben muss, ist leicht einzusehen. Sporen des Lebermooses Marechantia, welche am Fenster standen, keimten sehr schnell, später solche, die in der Mitte des Zimmers unter- gebracht waren, und noch später die im hintersten und dunkelsten Theile des Raumes befindlichen. Bei den Untersuchungen über den Einfluss der Wärme auf die Keimung der Sporen kam Heald zu dem bisher noch nicht bekannten Resultat, dass sich Wärme und Licht bei gewissen Arten und unter gegenseitig kompensiren, indem manche Sporen in der Dunkelheit keimen, sofern man ihnen eine erhöhte Wärme zukommen lässt. Die Sporen der Moose keimen jedoch auch in diesem Falle nicht, und es scheint sogar, dass eine höhere Temperatur der Keimkraft der Moossporen nachtheilig ist; so wurden Sporen verschiedener Moose in der Dunkel- heit drei Tage lang einer Temperatur. von 33—35° aus- gesetzt und dann im Lichte in eine Wärme von 19—21° gebracht, ohne dass sie keimten. Sporen, welche 6 Tage lang im Dunkeln in 32° Wärme geblieben waren, keimten später im Lichte bei 19—21° sehr langsam, solche, die in 29° gewesen waren, keimten erst nach 5 Tagen; da- gegen keimten Sporen, die nur einem Wärmegrade von 23° im Finstern ausgesetzt gewesen waren, hierauf im Lichte bei 19—21° ganz normal. Die Sporen von Mar- chantia, welche bei einer Temperatur von 23—32° in der Dunkelheit lagen, hatten nach 15 Tagen noch nicht ge- keimt; in das Licht und in normale Temperatur gebracht, keimten sie aber sogleich, ausgenommen die, welche einer Wärme von über 29° ausgesetzt gewesen waren, diese keimten erst einige Tage später. Die Sporen des Farns Ceratopteris thalietroides lagen gewissen Umständen 3 Monate lang im Dunkeln, ohne zu keimen, keimten aber, nachdem sie dem Lichte ausgesetzt waren, in 12 Tagen. Diese Sporen keimten aber auch, wenn sie im Dunkeln blieben und man ihnen eine Temperatur von 30—32° gab, nach 16 Tagen. Die Sporen von Egquisetum keimten so- wohl im Lichte als im Finstern bei einer Temperatur von 19— 21°. S. Sch. Beiträge zur Kenntniss des photochemischen Klimas im arktischen Gebiete betitelt sich eine Ab- handlung des Prof. Wiesner in Wien, über die er n den Sitzungsberichten der K. Acad. d. Wiss. in Wien 1898 den folgenden Vorbericht giebt: 1. Im hochnordischen Gebiete (Adventbai, Tromsö) ist bei gleicher Sonnenhöhe und gleicher Himmelsbedeekung die chemische Intensität des gesammten Tageslichtes grösser als in Wien und Cairo, hingegen kleiner als in Buitenzorg auf Java. Für Trondbjem gilt dasselbe Verhalten, aber mit einer bereits stark hervortretenden Annäherung an Wien. 2. Bei vollkommen bedecktem Himmel wurde in der Adventbai eine mit der Sonnenhöhe so regelmässig steigende Lichtstärke wie in keinem anderen der unter- suchten Vegetationsgebiete beobachtet. 3. In der Adventbai sind bei gleichen Sonnenhöhen und gleicher Himmelsbedeckung die vor- und nach- mittägigen chemischen Lichtintensitäten nahezu gleich; doch wurden in der Mehrzahl der Fälle die Nachmittags- intensitäten etwas grösser als die Vormittagsintensitäten gefunden. 4. Die grösste Intensität des gesammten Tages- und des diffusen Lichtes ist in allen Gebieten auf jener Verticalläche zu beobachten, welche der Sonne gegen- überliegt, die geringste auf der entgegengesetzten Vertieal- fläche. Die Intensitäten auf den“ zwischenliegenden, zu den beiden ersteren senkrechten Verticalflächen verhalten sich intermediär. 5. Selbst bei vollkommen klarem Himmel ist rück- sichtlich der beleuchteten Verticalflächen eine vollständig symmetrische Vertheilung der Lichtintensitäten häufig nicht vorhanden. 6. Mit steigender Sonnenhöhe nimmt das Vorderlicht (mittleres auf die Verticalfläche fallendes Licht) im Ver- gleiche zum Oberlicht (gesammtes Tageslicht, auf der Horizontalfläche gemessen) ab. In der Adventbai wurde anfangs August das Verhältniss des Vorderlichtes zum Oberlichte wiel: 1-5bis2.2 gefunden, während in Wien (im Monat Mai) dieses Verhältniss 1:4 und darüber be- tragen kann. 7. Für Tage gleicher mittäglicher Sonnenhöhe ist die ehe im arktischen Gebiete beträchtlich erösser als in mittleren Breiten. Anfangs August ist die durehschnittliehe Tageslichtsumme in der Adventbai etwa 2.5 mal grösser als bei gleicher mittäglicher Sonnenhöhe in Wien (anfangs November oder Februar). 8. Das Lichtklima des hochnordischen Vegetations- gebietes ist durch eine relativ grosse Gleichmässigkeit der Liehtstärke ausgezeichnet, welche in diesem Grade in keinem anderen Vegetationsgebiete erreicht wird. Diese grosse Gleichmässigkeit spricht sich zunächst in den niedrigen Maximis und den hohen Minimis der Intensität des gesammten Tageslichtes aus, welche wieder in dem Gange des täglichen Sonnenstandes begründet sind. Es steigen vom Frühling bis zum Sommer die Tageslichtsummen im hocharktischen Vegetationsgebiete viel langsamer und fallen vom Sommer bis zum Herbste viel langsamer als in mittleren Breiten. Auch kommt im hohen Norden die Stärke des Vorderlichtes der des Ober- XIII. Nr. 44. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. lichtes so nahe, wie in keinem anderen Vegetationsgebiete. Es steigt bei vollkommener Himmelsbedeckung in keinem anderen der untersuchten Gebiete die Stärke des Lichtes mit zunehmender Sonnenhöhe so gleichmässig als im ark- tischen. Endlich trägt auch der Umstand, dass Mitter- nachts der Norden am stärksten, der Süden am schwäch- sten beleuchtet ist, zum Ausgleich der Lichstärke bei. 9. Die in der Adventbai angestellten Beobachtungen liefern eine Bestätigung des vom Verfasser schon früher ausgesprochenen Satzes, dass der Antheil, den die Pflanze vom Gesammtlichte bekommt, desto grösser ist, je kleiner die Stärke des Gesammtlichtes sich gestaltet; selbstver- ständlich ahgesehen von jenen Gebieten, in welchen die Sonnenstrahlung bereits hemmend in die Pflanzenentwicke- lung eingreift (Steppen, Wüsten). Es erhalten nämlich die grösste Menge vom Gesammtlichte die Pflanzen der arktischen Vegetationsgrenzen. Dieser grosse Bedarf an vorhandenem Lichte bedingt, dass ‚jede Selbstbeschattung der Gewächse (durch das eigene Laub) an der äussersten nordischen Vegetationsgrenze ausgeschlossen ist und in dem benachbarten südlichen Gebiete (z. B. in Hammer- fest) nur eine minimale (physiologische) Verzweigung der Holzgewächse möglich ist. Der Plan einer Erreichung des Nordpols mittelst mächtiger Eisbrecher ist, wie die „Verhandlungen der Ge- sellschaft für Erdkunde zu Berlin“ mittheilen, von dem be- kaunten russischen Admiral Makarow gemacht worden. So merkwürdig dieser Vorschlag zuerst auch klingen möge, so beruht er doch auf wissenschaftlicher Berechnung und zum Theil auch auf Erfahrungen, die M. in Kronstadt seit 1364 mit Eisbrechern gemacht hat. Der amerikanische Eisbrecher „W. Mary“ der über 3000 Pferdekräfte verfügt, bewegt sich leicht in Eis von fast 1 Meter Dieke und durchbricht Eiswälle von 5 Meter Höhe. Noch stärkere Eisbrecher hat man in jüngster Zeit in Amerika für den Hafen von Wladiwostok gebaut. Zieht man nun in Erwägung, dass nach Nansens Angaben die Eiswälle im Arktischen Meer selten.die Höhe von 8 Metern erreichen und dass fast ein Drittel desselben eisfrei ist, während das Eis im Sommer durch das Auftauen weich wird und viele Spalten durch Salzanhäufungen zeigt, so muss ein Eisbrecher von 20000 Pferdekräften nach Makarows Ansicht alle Schwierig- keiten überwinden können. Er meint, ein solcher Eis- brecher könne von 78° N. Br. ab in etwa 12 Tagen den Pol erreichen. Noch besser geeignet wären nach den bisherigen Erfahrungen 2 Eisbrecher von je 10000 Pferde- kräften (6000 Tonnen Gehalt), die hintereinander arbeiten. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. In den Ruhestand tritt: Der Decernent für das Medicinal- wesen bei der Regierung in Potsdam Geheimer Medieinal-Rath Dr. Kanzow. Es habilitirten sich: An der Universität Berlin Dr. G. Puppe für Pharmakologie und Dr. P. Schultz für Physik; an der technischen Hochschule daselbst Assistent Dr. N. Klingen- berg für angewandte Elektrotechnik; in Erlangen Dr. R. Heinz für Pharmakologie und Toxikologie; in Goettingen Dr. Koetz für Chemie; in Heidelberg Dr. Lauterhorn für Biologie; an der technischen Hochschule in Karlsruhe Dr. K. Escherich für Zoo- logie; in Krakau W. Sieradzki für gerichtliche Mediein; an der böhmischen Universität Prag K. Svehla für Kinderkrankheiten; in Budapest G. Krepuska für Ohrenheilkunde und L. Makara für Chirurgie. Es starb: Der ausserordentliche Professor der Physiologie in Bonn Dr. Wilhelm Kochs. Ein Congress für Klimatologie, Hydrologie und Balneologie tagt in Petersburg am 21. November. Becker, Prof. Dir. Dr. E,, Theorie der Mikrometer und der mikrometrischen Messungen am Himmel. Breslau. — 7 Mark. Blochmann, R., Luft, Wasser, Licht und Wärme. Leipzig. — 0,90 Mark. Bochow, Oberl. Dr. Karl, Die Formeln für die Summe der natür- lichen Zahlen und ihrer ersten Potenzen, abgeleitet an Figuren. Magdeburg. — 1 Mark. Böhmig, Prof. Dr. Ludw., Beiträge zur Anatomie und Histologie der Nemertinen. Leipzig. — 8 Mark. Brandt, M. v., Die chinesische Philosophie und der Staatskonfu- eianismus. Stuttgart. — 2,50 Mark. Bunge, Prof. G. v., IJsehrbuch der physiologischen und patho- logischen Chemie in 29 Vorlesungen. Leipzig. — 13,25 Mark. Dalla Torre, Prof. Dr. K. W. v., und Frz. Anzinger, Die Vögel in Tirol und Vorarlberg. Berlin. — 5 Mark. Dobeneck, Dr. A. Frhr. v., Die Raupen der Tagfalter. gart. — 10 Mark. Engler, A., Monographien afrikanischer Pflanzenfamilien und Stutt- -Gattungen. Leipzig. —,— Moraceae. Ebd. — 12 Mark. — .— und Diels, Die Gattung Combretum. Ebd. Fort, O., und ©. Schlömilch, Lehrbuch der analytischen Geometrie. Leipzig. — 5 Mark. Freytag, W., Die Substanzenlehre Lockes. Halle. — 2 Mark. Gilg. E., Melastomaceae. Leipzig. — 10 Mark. Haacke, W., Bau und Leben der Thiere. Leipzig. — 0,90 Mark. Hellwig, Oberl. Dr. L., Kleine Heimathkunde für den Kreis Herzogthum Lauenburg. Ratzeburg. 0,50 Mark. Herz, Dr. W., Ueber die wichtigsten Beziehungen zwischen der chemischen Zusammensetzung von Verbindungen und ihrem physikalischen Verhalten. Stuttgart. — 1 Mark. Holfert. Dr. J., Volksthümliche Arzneimittelnamen. 4 Mark. Hörmann, Dr. Geo., Studien über die Protoplasmaströmung bei den Characeen. Jena. — 2 Mark. Inkey, Bela v., Mezöhegyes und Umgebung von agronom-geo- logischem Gesichtspunkte. Budapest. — 3,20 Mark. Jacobs, Ch., Ueber die Schwimmblase der Fische. 1,50 Mark. Klinckert, Wilh., Das Licht, sein Ursprung und seine Funetion als Wärme, Elektrieität, Magnetismus, Schwere und Gravitation. Leipzig. — 2 Mark. Koppes Anfangsgründe der Physik mit Einschluss der Chemie und mathematischen Geographie. Essen. — 6 Mark. Marshall, W., Bilderatlas zur Zoologie der Fische, Lurche und Kriechthiere. Leipzig. — 2,50 Mark. 2 Marvin, W. F., Die Giltigkeit unserer Erkenntniss der objec- tiven Welt. Halle. — 2,40 Mark. Michaelis, A. A., Das Gesetz der Zweckmässigkeit. — 5 Mark. Mikuta, A., Grundzüge der Differential- und Integralrechnung. Wien. — 10 Mark. Müller, Prof. G., Wissensstoff der elementaren Geometrie der Ebene und des Raumes. Stuttgart. — 0,60 Mark. Müller-Erzbach, Gymn.-Prof. Dr. W., Physikalische Aufgaben für die oberen Klassen höherer Lehranstalten und für den Selbstunterrieht. Berlin. — 2,40 Mark. Müller, Oberl. Wilh., Flora v. Pommern. Stettin. — 3,50 Mark. Munzinger, E., Die Japaner. Berlin. — 5 Mark. Petersen, Jul, Vorlesungen über Functionstheorie. Kopenhagen. 10 Mark. Salmon, Geo., Analytische Geometrie des Kegelsehnittes mit be- sonderer Berücksichtigung der neueren Methoden. Leipzig. — 9 Mark. Selenka, Prof. Dr. Emil, Rassen, Schädel und Bezahnung des Urang-Utang. Wiesbaden. — 16 Mark. Spengel, Prof. Dr. J. W., Zweckmässigkeit und Anpassung. Jena: — 0,60 Mark. Vogel, Oberl. K. Heinr., Erdkunde. Wagner, F., Freiheit und Gesetzmässigkeit Willensakten. Tübingen. — 3 Mark. Zoologische Ergebnisse der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin. 4. Lieferung. VII. Ew. H. Rübsaamen, Grönländische Myeetophiliden, Seiariden, Ceeidomyiden, Psylliden, Aphiden und Gallen. — IX. Dr. W. Michaelsen, Grönländische Anneliden. Stuttgart. — 12 Mark. Berlin. — Leipzig. — Strassburg. Wittenberg. — 0,30 Mark. in menschlichen Inhalt: Camillo Karl Schneider: Aus der Pflanzenwelt der Sahara. — A. Glasberg: Athmung und Leben. — Ueber die Thierwelt von Jamaika. — Ueber Abstammung und Verbreitung der Schildkröten. — Ueber den Einfluss von Licht und Wärme auf die Keimung der Sporen der Bryophyten und Pteridophyten. — Beiträge zur Kenntniss des photochemischen Klimas im arktischen Gebiete. — Der Plan einer Erreichung des Nordpols mittelst mächtiger Eisbreeher. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Liste. -— Berichtigung. 528 sl Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Photo au Ss” Sämmtliche Bedarfsartikel. 3% | | Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R. P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen, Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges). 4 raphische Stativ- und Hand- Gameras. Gediegene Ausstattung. Hempel’s Klassiker - Ausgaben. Ausführl. Specialv-rzeichnisse gratis. Grasmotoren, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 44. VO HH HH OH HH HH OH HH HH HH 999 Dr. Robert Muencke Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. “ 5 “ b 5 ! Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate > und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. 900000 0000000000000000000000000000000090904 Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. 2 5 “ ® ® * Lj ., 52 Friede und Abrüstung. Von Gustaf Björklund. 95 Seiten Oktav. Preis 1,50 Mark. Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Dynamo- und Dampf- maschinen gebraucht, garantirt betriebs- fähig, in allen Grössen offerirt Elektromotor G.m.b. H. Berlin NW., Schiffbauerdamm 21. In Ferd. Dümmlers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 12 erschien: Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am kgl. Realgymn. in Berlin. 444 Seiten gr. 8. Pr. 6M., geb. 7M. = —— m | —. cD — ne Geologische Ausflüge in die Umgegend von Berlin. Von Dr. Max Fiebelkorn. * Mit 40 Abbildungen und 2 Kartenbeilagen. & 130 S. gr. 85. — Preis 1,30 Mk. Director d. k. k. Stern- warte in Wien. Bearbeitet v. m Edm. Weiss, ZN %* Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. In Ferd. Dümmilers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerstrasse 9, ist erschienen : Eleg. geb. 16 Mark. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen, &erd. Dümmlers Deriagsbi., Berlin. Das Sud Iefus. Die Urevangelien. Neu Durd)ge- jehen, neu überfeßt, geordnet umd aus den Urfpradyen erklärt von Wolfgang Birdbad;. Dftav- Ausgabe 184 ©. 1,50 M., eleg. geb. 2,25 M. Bolfs- Ausgabe 156 ©. gebunden 70 Pfennig. Was lehrte Ielus? Zwei Urevangelien. Bon Melf- gang Rirdybady. 256 Geiten Df- tav 5 M., eleg. gebunden 6 M. Anhoritifre Grumdlegung einer Dhilolophie des Heltjehens. Dr. 2erthoto Weiß. 738. gr. 8. Preis 1,20 Mark. Astronomie. immels ITITITITITTITITTTITTTTETT Be D Himmelskunde Reich =: illustrieri. | Mit 14 litho- graphischen I=|Tafeln und 155 Holzschnitten) In Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12 | $end, Dimmlers Yerlagsbunhhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerft, 94. erscheint und ist durch jede Buchhandlung zu beziehen: Lehrbuch der Pflanzenpalaeontologie mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse des Geologen. Von H. Potonie, Docent der Pfanzenpalaeontologie an der Kgl. Bergakademie zu Berlin. Mit zahlreichen Abbildungen. Vollständig in 4 Lieferungen ä 2 Mark. ME” Lieferung 1, 2 und 3 sind bereits erschienen. au Der Menfcheitslehrer. Ein Kebensbild des Weifen von Hazareth. Bon George Paul Sylvejter Gabanis. 300 Seiten Oftav. Preis geh. 3 A, elegant geb. 4 M. Verantwortlicher Redacteur: Der neninle Wlenfc. Hermann Türe. Dritte ftark vermehrte Auflage. 390 Seiten gr. 8°. Preis geb. 4,50 AL, eleg. geb. 5,60 A. Din Volksunterhulkung, Vorträge und Berichte aus dem Erlen Konareh für Dolksunterhaltung zu Serlin. Bon $. 5. Archenhold, Albert Dresdner, R. von Erdberg, Otto Ernft, P. Selifch, Helene von Xorfter, Ad. Gerjtmann, Georg Hersfeld, Adolph Köhr, Raphael Lömwenfeld, Srig Mauthner, € R. Müller, Marg. Pöhlmann, Otto Ploeder-Edhardt, Hans von Shöning, Ernft Schulte, Carl Siemon, Ludwig Sittenfeld, Sri Telmann, Joh. Tews, Alfred van der Selde u. a. Sur Auftrage Herausgegeben von Kaphael Lömenfeld. 136 Seiten 8°. Preis gebunden 1,50 M. Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ie natu Forschung -ufgiebt fassenden Ideen und a den Gebil’en der Phant ihr reichlich ersetzt durch Zauber der Wirklichke t, der ihre Schöpfungen schmiüet t. 14‘ Bm a F Redaktion: Dr.H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. Sonntag, den 6. November 1598. Nr. 45. on — ERS Abonnement: Man ab:nnirt bei allen Buchhandlungen und Post- Tr Inserate. Die viergespaltene Petitzeile 40 &. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist # 4— [010) sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 „ extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. NL bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Ueber die zunehmende Bedeutung der anorganischen Chemie. *) Vortrag, gehalten auf der 70. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Düsseldorf von J. H. van't Hoff. Es war gewiss ein glücklicher Griff, den derjenige**) | Reihenfolge: Physik, anorganische Chemie, organische that, der schon vor zweihundert Jahren die Haupteintheilung | Chemie und Biologie. des chemischen Gebietes mit der Fundstelle der be- Die schon betonte abgeänderte Definition machte be- treffenden Verbindungen verknüpfte und die in der orga- | kannntlich die organische Chemie von der Chemie der nischen Natur, im Reiche der lebenden Wesen, vor- | im "Organismus vorhandenen Substanzen zu- derjenigen kommenden Substanzen von denjenigen des leblosen | der Verbindungen vom Element Kohlenstoff, während die Mineralreiches trennte als organische Verbindungen von | anorganische Chemie den übrigen etwa 70 Elementen anorganischen. und deren Verbindungen gewidmet war. Vollkommen Diese Eintheilung hatte denn von vornherein auch | streng hat sich auch diese Eintheilung nieht durchführen eine innere wissenschaftliche Berechtigung, da der an- | lassen, und die kohlenstoffhaltigen Verbindungen, wie organischen Chemie die verhältnissmässig einfache Auf- | Soda und Kalkstein, fehlen wohl in keinem Handbuch gabe gestellt wurde, die chemischen Verwandlungen in | über anorganische Chemie, und so werden die beiden der todten Materie zu erklären; während der organischen | Hauptabtheilungen der Chemie gegenwärtig am besten Chemie das viel mehr verwickelte Problem der Vorgänge | wohl durch Ziel und Methode charakterisirt. im lebendigen Organismus zufiel. Die schwierigere Aufgabe auf anorganischem Gebiete Im Lauf der Zeiten hat sich allerdings die Definition | ist wesentlich der Abbau, die Zerlegung in stets ein- der beiden Abtheilungen etwas ändern müssen, um dem | fachere Verbindungen, schliesslich in die Elemente, und Thatbestand zu entsprechen, jedoch als wesentlich charak- | so feiert die anorganische Chemie ihre schönsten Triumphe teristisches Merkmal blieb erhalten, dass die anorganische | noch immer bei der Entdeckung neuer Elemente (wie Chemie sich mit dem verhältmässig einfacheren, die | kürzlich des Argons und des Heliums u. s. w. seitens organische sich mit der verwickelteren Aufgabe be- | Ramsays und Rayleighs). Sie findet den vollsten Ausdruck schäftigt. Und daraus ergiebt sieh sofort eine für unsere | ihrer Resultate im natürlichen System von Newland, weiteren Betrachtungen wichtige Schlussfolgerung: Ordnet | Mendelejeff und Lothar Meyer, das diese Elemente, be- man die Hauptdiseiplinen auf dem Gebiete der exakten | kannte sowie unbekannte, zu einem Ganzen vereinigt. Wissenschaften nach ansteigender Complieation der ge- | Die Verbindungen auf diesem Gebiete sind verhältniss- stellten Probleme — Mathematik, Physik, Chemie und | mässig einfach, Basen, Säuren, Salze, meistens leicht zu Biologie oder Lebenslehre — an, so liegt die einfachere | erhalten, und, was wesentlich ist, durch qualitative und Abtheilung auf chemischem Gebiete, die anorganische | quantitative Zusammensetzung eindeutig bestimmt. Chemie der Physik am nächsten, die organische Chemie Auf organischem Gebiete ist es umgekehrt. Der jedoch der Biologie, und so wird die ausgearbeitete | Abbau findet öfters. sehr leicht, z. B. schon bei der EITBe TEN . a £ 3 Oxydation statt, und das wesentliche Ziel wird hier der *) Zwar haben wir bereits in unserm Bericht über den | Aufbau, die Synthese, besonders dadurch erschwert, dass Düsseldorfer Naturforschertag in Nr. 41 ein Referat über diesen SE; x i SB Vortrag gebracht, doch halten wir es bei der Bedeutung desselben bei gegebener Zusammensetzung nach Qualität und für angebracht, ihn unverkürzt unsern Lesern zu bieten. — | Quantität noch verschiedene Formen, sog. Isomeren, Abgedruckt war er zuerst in der „Zeitschrift für anorganische | möglich sind, und z. B. der saure Hauptbestandtheil des Se ee _ ii en ee Essigs und der süsse Hauptbestandtheil des Honigs, Essig- utı we € "W. ı BT iR urchges en. PR . D . . a er 2 aaere si: en säure und Traubenzucker, in dieser Beziehung gleich #*) Lemery, Cours de Chimie, 1675. sind. Die sehönsten Triumphe werden bekamntlich auch 5350 auf diesem Gebiete gefeiert, wenn der künstliche Aufbau durchgeführt wird (wie jüngstens bei der Darstellung der Zuckerarten von Fischer), und die organische Chemie findet wohl den vollsten Ausdruck ihrer Resultate in der Strueturlehre und Stereochemie, welche die feineren Unter- schiede im Bau bei gleicher Zusammensetzung wieder- geben und bei der künstlichen Darstellung sich als zu- verlässige Führer zeigen. Die ganz verschiedenen Ziele, welche auf den beiden Gebieten verfolgt werden, bringen eine entsprechende Verschiedenheit der Methoden mit sich. In den jetzigen Laboratorien drückt sich das bekanntlich dadureh aus, dass getrennt voneinander anorganisch und organisch ge- arbeitet wird. Auch in der geschichtlichen Entwickelung sind die Perioden abwechselnd durch einen gewissen und berechtigten Vorrang einer der beiden Zweige charak- terisirt. Bezeichnend ist in dieser Hinsicht gerade der Entwickelungsgang in diesem Jahrhundert. Am Anfange desselben kam der mächtige Impuls des grossen Grund- satzes unserer jetzigen Chemie: die Masse der Materie ändert sich trotz tiefstgehendster Verwandlungen nicht. Damit wurde bekanntlich die Wage das Hauptwerkzeug bei der ehemischen Untersuchung, und ihre Anwendung beherrschte dermaassen das Wesen derselben, dass Kopp die so eingeleitete Periode als „Zeitalter der quantitativen Forschung“ bezeichnete. Wie eine Woge zieht die Anwendung des genannten Grundsatzes umgestaltend durch die ganze Chemie. Zunächst reift die Ernte im wesentlichen auf an- organischem Gebiete. Die dort in erster Linie gewonnenen rein empirischen 'Thatsachen — die Unverwandelbarkeit der Elemente, die Gewichts- und Volumenverhältnisse bei der chemischen Umwandlung — erhalten in der Atom- und Molekularauffassung ihren hypothetischen Ausdruck, und das Bild des so erhaltenen Wissens ist die Molekular- formel. Indem wir dem Wasser die Molekularformel H,O geben, so ist damit bekanntlich gemeint, dass die durch mechanische Trennung erhaltbaren kleinsten Weasser- theilchen, Moleküle H,O, durch weitergehende, u. a. chemische Spaltmittel noch weiter in drei kleinere Theile, Atome, zerfallen können, die jedoch jetzt nicht mehr ein Körper (Wasser), sondern deren zwei sind, Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O). Dann aber kommt die Ernte auf organischem Gebiete. Die Methoden der quantitativen Analyse passen sich all- mählich auch den dort vorliegenden verwickelteren Ver- hältnissen an, und aus dem zunächst bis zur Verwirrung ansteigenden Thatsachenmaterial tritt die Constitutions- oder Configurationsformel als einfaches, klares Bild der Verhältnisse hervor. Dasselbe deutet nicht nur die Art und Zahl der im Molekül gedachten Atome an, sondern auch der innere Zusammenhang und die relative Lage derselben finden ihren schematischen Ausdruck. Be- kanntlieh ist es der hierdurch gewonnene Einblick und der hierdurch ermöglichte Aufbau von Körper zu Körper bis ins Unendliche, welcher der organischen Chemie ihren grossen Reiz und ihre hervorragende Stellung in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts verliehen hat. Dennoch enttäuscht bei diesem grossartigen Erfolg eins. Die organische Chemie hat bei ihrem direkten An- schluss an die Biologie, die Lehre des Lebens, trotz des Aufschwunges durch die ermöglichte Feststellung der Configurationsformel, mit diesem Ausdruck für die Eı- klärung der Lebenserscheinungen verhältnissmässig wenig gewonnen. Für die Assimilation, Athmung, Stoffwechsel sind die in der Constitutionsformel niedergelegten Ergeb- nisse der organischen Chemie von verhältnissmässig ge- ringer Bedeutung; auch die Kenntniss der Constitution des Eiweiss würde daran kaum etwas ändern. Und es Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 45. scheint mir, als ob diese Unfäbigkeit eben durch die Natur der Configurationsformel bedingt wird. Sie stellt das Molekül als ein starres Ganzes dar, und entspricht also höchstens den Verhältnissen, welche beim absoluten Null- punkt, d. i. bei —273° vorliegen, und lange vorher sind sämmtliche Lebensäusserungen erloschen, m. a. W. der innere Molekularzustand ist erklärt für Umstände, bei denen das Leben aufhört. Bei diesem (in gewissem Sinne) Stocken der orga- nischen Chemie in ihren höchsten Zielen — unter alleiniger Anwendung der Consequenzen, welche sich aus den Ge- wichts- und Volumsverhältnissen bei chemischen Um- wandlungen, unter Zugrundelegung des Grundsatzes von der Unverwandelbarkeit der Materie, allmählich ergaben — ist eins erfreulich: wir sehen augenblicklich dureh die ganze Chemie eine zweite Bewegung, allmählieh um- gestaltend, ziehen, und haben unter deren Einfluss viel- leicht ein neues Aufblühen zunächst der anorganischen Chemie zu erwarten. Fassen wir also, unter Berücksichtigung des Erfolges, welcher einerseits auf anorganischem, andererseits auf organischem Gebiete erzielt wurde, die Geschichte der Jetztzeit mehr detaillirt ins Auge. Scheinbar nebensächlich sind zur Beurtheilung eines derartigen historischen Entwickelungsganges die sog. zu- fälligen Entdeckungen, d. h. diejenigen, welehe aus An- lässen gemacht wurden, die dem Gegenstand fern liegen. Die Entdeckung des Thiophens seitens Vietor Meyer’s nahm bekanntlich ihren Ausgang in einem misslungenen Vorlesungsversuch am Benzol. Die Methode der Synthese des Traubenzuckers hingegen fand Emil Fischer als Consequenz einer zielbewussten und erfolgreichen Ver- suchsreihe auf dem betreffenden Gebiete. So wenig maassgebend auch die sog. zufälligen Entdeckungen zur Beurtheilung eines etwaigen Entwickelungsganges scheinen, so wichtig sind dieselben zur Feststellung der T'hatsache, dass das betreffende Gebiet eine reiche Ernte verspricht. Und so sei erwähnt, dass gerade auf anorganischem. Ge- biete in der jüngsten Zeit, trotz der verhältnissmässig geringen Zahl von Arbeitern, die glänzendsten Erfolge erzielt wurden. Z. B. die flüchtigen Verbindungen des Eisens und des Nickels mit Kohlenoxyd von Ludwig Mond, die Stickstoffwasserstoffsäure von Curtius, die neuen, in der allen zugänglichen Atmosphäre erst jetzt gefundenen, nicht weniger als sechs Elemente Argon, Helium, Metar- gon, Neon, Krypton und Xion von Ramsay, die künstliche Darstellung des Diamanten, die Carbide, Selenide und Boride von Moissan. Dieser experimentelle Erfolg hängt zum Theil, und das sei hier ausdrücklich betont, mit der Umgestaltung zusammen, welche sich gerade jetzt in der technischen Chemie vollzieht, nämlich der Anwendung der Elektrieität als Arbeitsquelle, die in erster Linie wieder der an- organischen Chemie zu gute kommt und zu gute kommen muss. Betrachten wir daher die Einzelheiten dieser An- wendung, und heben wir gesondert hervor, was die Elektrieität schon jetzt, einerseits als Quelle höherer Temperaturen, andererseits als Trennungsmittel leistet. Als Heizmittel brachte die Elektrieität eine Aushilfe von fundamentaler Bedeutung. Die durch chemische Heiz- mittel, in erster Linie durch die Verbrennung erreichbaren Temperaturen sind bekamntlich ziemlich eng begrenzt, und zwar dadurch, dass die Verbrennung, wiewohl durch hohe Temperatur eingeleitet, sich jedoch bei sehr hoher Tempe- ratur nicht mehr vollzieht. Weit über 3000° kommt man deshalb mit chemischen Hülfsmitteln nieht. Das elektrische Glühen, im bekannten elektrischen Licht, kennt diese Ein- schränkung nicht, und im elektrischen Ofen sind schon Temperaturen bis etwa 4000° erreichbar. XI. Nr. 45. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 551 Die Anwendung dieses Mittels hat auf chemischem Gebiete, speciell in den Händen Moissan’s,*) für die Dar- stellung werthvoller und wichtiger Körper ganz neue Wege geöffnet. Dass dieselben in erster Linie der anorganischen Chemie zu gute kommen, liegt auf der Hand. Hohe Tempe- ratur bildet nieht, sondern zerstört die feingebauten Com- plexe, deren Studium die charakteristische Aufgabe der organischen Chemie ist. Unsere eigene Existenz, die sich hauptsächlich auf die Wechselwirkung soleher feinen Ge- bilde gründet, hält nicht einmal bis 50° aus. Die Kohlen- wasserstoffverbindungen, welche im elektrischen Ofen er- halten werden, wie Carborundum (Silieiumearbid) und Caleiumearbid haben daher für den wissenschaftlichen Ausbau der organischen Chemie keinen Werth. Nur die Technik erhielt im Carborundum ein geschätztes Schleifmaterial und im Caleiumearbid eine neue Lichtquelle. Wenden wir uns nunmehr zur Elektrieität als Trennungs- mittel, zur Elektrolyse. Schon die wörtliche Umschreibung zeigt, dass die wesentlich dem Aufbau, der Synthese, zu- gerichteten Bestrebungen der organischen Chemie durch ein neues Trennungsmittel nur indireet gefördert werden können. Hierzu kommt noch, dass die Mehrheit der or- ganischen Verbindungen nicht zu den Elektrolyten, den meistens salzartigen Körpern gehören, die in erster Linie der Spaltung durch Elektrolyse fähig sind. Dr. Elbs**) hat dies alles in semem Vortrag zu Heidelberg über die Elektrolyse in der organischen Chemie klar ins Licht ge- stellt. Wie anders auf anorganischem Gebiete, im Kleinen wie im Grossen. Im Kleinen sehen wir, speeiell unter den Auspieien Classen’s, eine Umgestaltung und Vereinfachung in der anorganischen quantitativen Analyse vor sich gehen. Die Abscheidung der meisten Metalle in zur Wägung geeig- neter Form gelingt unter Anwendung einer geeigneten Stromintensität; deren Trennung gelingt nach Kiliani***) und Freudenberg?) unter Anwendung einer geeigneten elektromotorischen Kraft, und kürzlich gelang Herrn Speeketer;7) auch die schwierige Trennung der Halogene in entsprechender Weise. Kurz, es scheint hier für die anorganische Analyse ein Schritt gethan zu sein, wie seiner Zeit durch Liebig bei der Neugestaltung der Ele- mentaranalyse auf organischem Gebiete. Die Anwendung der Elektrolyse im Grossen kommt ebenfalls wesentlich der anorganischen Technik zu Gute. Wir erwarten in dieser Hinsicht in der nächsten Sitzung der elektrochemischen Gesellschaft zu Aachen eine aus- führliche Statistik seitens Prof. Borcher’s. Hier begnügen wir uns mit einigen Thatsachen aus dem Gebiete der Metallabseheidung, j}r) wobei die Produetion in Amerika stark ins Gewicht fällt, und erwähnen, dass 1597 schon etwa ein Drittel des Gesammtkupfers (157 000 000 kg) elektrolytisch gewonnen wurde. Der grösste Theil des Silbers und des Goldes werden auf elektrolytischem Wege erhalten. Die Production des Natriuns (260 000 kg im Jahre 1897) beruht jetzt gänzlich darauf, und der Aul- sehwung der Aluminiumdarstellung, mit der enormen Stei- gung*r) von 9500 kg im Jahre 1588 auf 321 000 kg im Jahre 1594, ist ebenfalls darauf zurückzuführen. Allerdings war für diese grössere Aluminiumproduk- tion kein genügender Absatz zu finden. Dies dürfte sich jedoch ändern, seitdem Dr. Goldschmidt,**7) durch eine kleine Modifikation des schon von Clemens Winkler be- „Four &leetrique*. Deutsch von Zettel. Zeitschr. Elektrochem. 4, 81. Berg-Hüttenm. Ztg. 1885. Zeitschr. phys. Chem. 12, 97. Zeitschr. Elektrochem. 4, 539. Zeitschr. Elektrochem, 4, 457. Jahrb. Elektrochem. 1, 146. Zeitschr. Elektrochem. 4, 494. nutzten Verfahrens, im Aluminium ein geeignetes Hülfs- mittel zur äusserst leichten Reindarstellung der schwer zugänglichen Metalle im grossen Styl vorfand. In der letzten Sitzung der elektrochemischen Gesellschaft in Leipzig sahen wir ohne weitere Hülfsmittel durch geeig- netes Anzünden einer Mischung von Aluminium und Chrom- oxyd in einem Tiegel einen 25 kg schweren Regulus fast chemisch reinen Chroms entstehen. In gleicher Weise bilden sich Mangan, Titan, Wolfram, Vanad, Cerium u. s. w., und auf dem Gebiet der Metalllegirungen scheint hier ein Feld geöffnet zu sein, dessen systematische Bearbei- tung vielleicht für die Technik Wichtiges ergeben wird. Aber der anorganischen Chemie kam diese Reindarstellung schon zu Gute durch die Ermöglichung der interessanten Untersuchung des Chroms von Hittorf.*) Sehen wir also die anorganische Chemie belebt durch überraschende Entdeekungen, bereichert dureh ein neues präparatives Verfahren von grosser Fruchtbarkeit, verein- fachbt in analytischer Hinsicht, zugänglich durch leichte Beschaffung des Ausgangsmaterials, so erscheint der Boden ungemein fruchtbar zur Anwendung und Entwicke- lung der Fundamentalsätze, die eben in den letzten Decennien ihre Durchführung auf chemischem Gebiete finden. Als Kopp schon im Jahre 1343 sich dahin aussprach, dass dem Zeitalter der quantitativen Forschung erst eine neue Entwickelungsstufe der Chemie nachfolgen würde dureh Verschmelzung mit einer anderen Disziplin, sah er voraus, was sich eben in dieser Zeit vollzieht an der Verschmelzung von Chemie und Physik, welche eben von der neu aufblühenden physikalischen Chemie angebahnt wird. Heben wir daraus als wichtiges Moment hervor die Uebertragung der beiden Grundsätze der Wärmelehre auf chemisches Gebiet und in wieweit es gelang, daraus Consequenzen abzuleiten, die der experimentellen Prüfung zugänglich sind, und was sich bei dieser Prüfung ergab. Die Probleme, welche in dieser Weise gelöst werden, gehören zu den wichtigsten unseres Gebietes, bekommen aber eine Lösung, die mit unseren atomistischen und strukturellen Auffassungen bis dahin so wenig direet zu- sammenhängen, dass sie dem in dieser Schule ausgebil- deten Chemiker öfters nieht zusagen. Gerade aber da- dureh eröffnet sich die Aussicht, dass auf diesem Wege Probleme, auch biologische Probleme, zur Lösung ge- langen werden, die ausser dem Bereich der Configurations- lehre zu liegen scheinen. Verfolgen wir das Gewonnene den Hauptzügen nach, so stellt sich von selber heraus, dass wiederum zunächst die anorganische Chemie gefördert wird. Wir haben in erster Linie das fundamentale Affinitäts- problem zu erwähnen. Die Wärmelehre ist ausser stande, die Affinitätsäusserungen auf gegenseitige Atomwirkung zurückzuführen, sondern sie verfolgt das Spiel der Affi- nitäten messend in seiner Wirkung nach aussen und stellt fest, dass als Maass der Affinität nicht etwa die Reactionsgeschwindigkeit oder die Reactionswärme anzu- sprechen ist, sondern die Arbeit, welche die Reaction im Maximum leisten kann. In einigen Fällen ist dies ein- leuchtend: nehmen wir Reactionen, die unter Volumver- grösserung erfolgen, etwa die Vereinigung von Kupfer- urd Caleiumaeetat, zu einem Doppelsalz. Thatsache ist, dass diese Umwandlung, falls im geschlossenen Gefässe vor sich gehend, die Gefässwand zertrümmert. Thatsache ist aber auch, dass ein gewisser Gegendruck, etwa in Cylinder und Kolben, diese Umwandlung hemmt, und Spring**) stellte fest, dass darüber hinaus bei mehreren Zeitschr. phys. Chem. 25, 729. ;#) Zeitschr. anorg. Chem. 10, 188. 532 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XII. ee zz Tausend Atmosphären umgekehrt das Doppelsalz gespalten wird. Dieser Grenzgegendruck steht offenbar mit der Affinität, als Kraft betrachtet, im engsten Zusammenhang, und die Affinität als Arbeit ist eindeutig bestimmt durch die mechanische Arbeit, welehe beim Maximalgegendruck durch die Reaction geleistet wird. Vollbringt die Reaction ihre Maximalarbeit in anderer, etwa elektrischer Form, wie beim Zinkkupferschwefel- säureelement, oder im Cohen’schen Umwandlungselement,*) so lässt sich dieselbe auch hier messen und steht mit der elektromotorischen Kraft in einfachem Zusammenhange. Sie zeigt sich gleich und muss sich gleich zeigen mit der mechanischen Arbeit, die geleistet wird, falls z. B. der aus dem Zinkkupferelement entwickelte Wasserstoff unter dem von Nernst und Tammann **) bestimmten Maximal- gegendruck einen Kolben hebt. Auffassungen von grosser Tragweite sind hiermit ge- wonnen. Wir haben ein einwurfsfreies Prineip der Re- actionsvoraussagung: Eine Umwandlung wird nur dann vor sich gehen können, falls sie im Stande ist, eine positive Arbeits- menge zu leisten; ist diese Arbeitsmenge negativ, dann wird die Umwandlung nur im umgekehrten Sinne vor sich gehen können; ist sie Null, dann weder im einen, noch im andern. Diese Arbeit und damit die Reactionsmöglichkeit lässt sich aber bei gegebener Reactionsgleichung berechnen, falls nur für jeden der auftretenden Körper die Arbeit ein- für allemal ermittelt ist, welehe dessen Bildung aus den Elementen leisten kann, ausgedrückt z. B. in Kalorien. Diese „Bildungsarbeit“ führt durch einfache Addition und Substraetion, wie bei der Berechnung einer Wärme- entwiekelung zur „Umwandlungsarbeit“, deren Zeichen die Mögliehkeit der Umwandlung beherrscht. Allerdings ist eine derartige Bildungsarbeit nieht nur von der Tem- peratur, sondern auch vom jeweiligen Zustand (gelöst oder ungelöst, Lösungsmittel und Concentration) abhängig. Das hiermit gegebene, umfassende Arbeitsprogramm, worauf auch Ostwald in seiner Nürnberger Rede über das Chemometer***) hinwies, wurde neulich von Nernst und Bugarsky +) für die Quecksilberverbindungen bis zu einer gewissen Höhe durchgeführt. Und erwähnt sei, dass aus diesem Prineip der Reactionsprognose sich vor- aussehen lässt, dass Kalomel von Kali zersetzt werden muss, wiewohl die Umwandlung unter Wärmeabsorption vor sich geht. In zweiter Linie haben wir einen Fundamentalsatz gewonnen für die Reactionen, die sich nur zum Theil voll- ziehen durch Miteintreten der entgegengesetzten Reaction und dann zu einem Zustande sog. chemischen Gleich- gewichts führen, wie bei der Verbindung von Jod und Wasserstoff und bei der Etherification, welehe sich be- kanntlieh nur theilweise vollziehen. Wesentlich ist, dass in derartigen Fällen während der Reaction und wegen der Reaction Concentrationsänderungen eintreten, die eine Aenderung resp. Abnahme der Umwandlungsarbeit veranlassen, dieselbe schliesslich auf Null zurückführen, wobei die Reactionsgeschwindigkeit allmählich kleiner und schliesslich ebenfalls Null wird. Bei der Vereinigung z. B. von Kupfer- und Caleiumnitrat zum Doppelsalz findet eine derartige Concentrationsänderung nicht statt; die Reaction vollzieht sich dementsprechend entweder gar nicht oder ganz bis zu Ende. Bei der Vereinigung von Jod und Wasserstoff dagegen entspricht die zunehmende Concen- tration des gebildeten Jodwasserstoffs einer allmählich Zeitschr. phys. Chem. 14, 53 u. 535; 16, 458. Zeitschr. phys. Chem. 9, 1. Ebendaselbst 15, 399. r) Zeitschr. anorg. Chem. 14, 145. Nr. 45. ansteigenden Gegenkraft, zum Stillstand bringt. Damit ist aber ein weiteres Prineip der Reactions- voraussagung gewonnen von vielseitiger Anwendbarkeit. Der Punkt, wobei eine Reaction zum Stehen kommt, lässt sich aus der Umwandlungsarbeit bereehnen. Und eine glänzende Bestätigung wurde ganz neulich in dieser Be- ziehung von Bredig und Knüpffer*) gebracht, indem auf Grund von Messungen elektromotorischer Kräfte genau festgestellt wurde, wann die doppelte Zersetzung von Thalliumehlorid und Kaliumrhodanat zum Stillstande kommt. Aber auch die Aenderungen, welehe die Umwand- lungsarbeit durch Aenderung von Temperatur, Druck und Mengenverhältnissen erleidet, sind der Wärmelehre rech- nerisch zugänglich und damit die Gleichgewichtsverschie- bungen, welche die genannten Aenderungen veranlassten. In qualitativer Hinsicht sei diesbezüglich hervorgehoben, dass diese Verschiebung immer derart stattfindet, dass Abkühlung das unter Wärmeentwickelung sich Bildende begünstigt, bis schliesslich beim absoluten Nullpunkt sämmt- liche Reactionen in diesem Sinne vollständig verschoben sind. Dann wird also die Reactionsrichtung von der „Umwandlungswärme“ beherrscht; letztere ist eben auch beim Nullpunkt der „Umwandlungsarbeit“ gleich. Uebersehen wir die Arbeiten über Gleichgewichts- zustände von Roozeboom,**) Meyerhofter u. a.,***) die unter diesen und derartigen Entwickelungen entstanden sind, so haben sie zunächst noch einen sehr bescheidenen, aber dennoch eigenthümlichen Charakter. Gleichgewichts- verhältnisse einfachster Art, unter Einfluss von wechseln- den Temperatur- und Mengenverhältnissen, sie liegen am nächsten: gesättigte Lösungen, Hydrate, Doppelsalze; dann aber, und das ist das Eigenthümliche, in einer so erschöpfenden Weise durchforscht, dass von jedem Körper nicht nur die Existenz, sondern ‚auch die Existenzbedin- gungen festgestellt sind. Zwei sog. Umwardlungstempe- raturen schliessen meistens das Existenzgebiet ab: beim Mineral Sehönit z. B., indem es sich nach van der Heide?) bei 92° unter Wasserabspaltung in Kalistrakanit ver- wandelt, bei — 3° unter Wasseraufnahme in eine Mischung von Kalium- und Magnesiumsulfat. Die zwischenliegenden Verhältnisse und der Ueberblick z. B. über sämmtliche Lösungen, in Berührung womit der Schönit existenzfähig ist, ergiebt sich dann an der Hand der bekannten Phasen- regel im weitesten Umfange. Und das möchte ich schliesslich als zweites Merkmal derartiger Untersuchungen beifügen: es werden nieht nur die Existenzbedingungen des einzelnen Körpers festgestellt, sondern auch sämmtliche mögliche Verbindungen erhalten, die bei gegebenen Materialien, sagen wir Wasser und einem Salz, möglich sind. So wurden bei Neuuntersuchung des Magnesiumchlorids nach diesem Gesichtspunkte nicht weniger als sechs verschiedene Hydrate isolirt. Die so ausgebildete Forschungsweise hat viele Aehn- lichkeit mit der kartographischen Aufnahme eines Ge- bietes, wo früher nur so einzelne Städte und Dörfer be- sucht wurden. Und in nicht allzu ferner Zeit dürfte auf diesem Wege die anorganische Chemie für die Geologie thun, was sie bei der Darstellung der Einzelmineralien für die Mineralogie that. Die Aussichten welehe sich hiermit für die Chemie selbst eröffnen, werden voraussichtlich wohl in erster Linie dem anorganischen Gebiete zu Gute kommen, da bei der Durchführung auf organischem Gebiete meistens die schliesslich die Reaction Zeitschr. phys. Chem. 26, 255. Ebendaselbst 4, 31. a Ebendaselbst 5, 97. 7) Zeitschr, phys. Chem. 12, 416. X1ll. Nr. 45. zwei Hindernisse auftreten. Es ist emerseits der grosse Formenreichthum: ein einfaches Körperpaar, wie Kohlen- | und Wasserstoff, giebt zu einer endlosen Reihe von Ver- bindungen Veranlassung. Andererseits ist es aber die ganz besondere Trägheit auf dem Gebiete der organischen Umwandlungen, welche veranlasst, dass mögliche Vorgänge entweder schr langsam stattfinden oder ganz ausbleiben. Die Wärmelehre steht hier in ihrer Anwendung wie vor einer höchst eomplieirten und bis zur Unbrauchbarkeit verrosteten Dampfmaschine. Aber noch in einer anderen Richtung hat die An- wendung der Wärmelehre sich auf ehemischem Gebiete geltend gemacht, indem sie sich der molekularen Auf- fassung mittelst des Avogadro’schen Satzes anschloss. Hier hat eben die physikalische Chemie der Jetztzeit ihr fruchtbarstes Arbeitsfeld gefunden. . Die Möglichkeit der Molekulargewiehtsbestimmung bei gelösten Substanzen (sogar auch bei festen Körpern), zunächst allerdings nur in verdünntem Zustande, ist ge- geben durch die sogenannten osmotischen Methoden. Und damit ist gerade für die anorganische Chemie eine sehr empfindliche Lücke ausgefüllt. Die organischen, vielfach flüchtigen Verbindungen waren meistens dem Molekular- gewicht nach durch die Dampfdichtebestimmung bekannt. Die in dieser Beziehung untersuchten anorganischen Körper waren dagegen Ausnahmen. Eine Arbeit von wenigen Jahren hat genügt, diese Lücke auszufüllen.*) Wir gelangen so zu unserer letzten Ausführung, zur unumgänglichen Konsequenz dieser osmotischen Methoden, dass die Blektrolyte, also die Salze, Säuren und Basen, in ihrer wässerigen Lösung in eigenthümlicher Weise ge- spalten sind. Ueber das Wie vermögen sich diese Me- thoden nicht auszulassen, und bekanntlich ist der einzige erfolgreich durchgeführte Erklärungsversuch die von Arrhenius gemachte Annahme einer Spaltung in Ionen, wonach z. B. die verdünnte Salzsäure statt Moleküle Chlorwasserstoff resp. negativ und positiv geladene Atome Chlor und Wasserstoff enthalten würde. Ist es auch noch unmöglich, über diese tief ein- schneidende Aenderung unserer Auffassungen ein end- gültiges Urtheil zu fällen, so ist es doch Thatsache, dass sich die verschiedensten Eigenschaften der Lösungen qualitativ an der Hand der neuen Auffassungen vollkommen befriedigend deuten lassen; quantitativ wird meistens ein Rechenresultat erhalten, das dem Thatsächlichen sehr nahe liegt, aber bis dahin nieht immer vollkommen befriedigt. Hauptsache für unseren Zweck ist, dass eben aus diesen Gründen von hier aus ein neuer Impuls dem Studium der Lösungen von Salzen, Säuren und Basen, also wiederum in erster Linie anorganischer Verbindungen, zu Gute kam und schon eine umfassende Reihe höchst wichtiger Untersuchungen speeiell im Ostwald’schen La- boratorium ins Leben rief. Eine Schlussbemerkung sei mir noch erlaubt. Indem im Vorangehenden wiederholt betont wurde, dass es meist die anorganische Chemie ist, welche durch die neuge- wonnenen theoretischen Darlegungen gefördert wird, und #) Siehe u. a. Werner, Z. anorg. Chem. 15, 1. Naturwissenschaftliche Wochensehrift. 535 dass dies wahrscheinlich vor der Hand der Fall bleibt, so ist damit durchaus nicht gemeint, dass die organische Chemie dabei an Interesse verloren hat. Im Gegentheil: auch hier kann z. B. die Lehre des chemischen Gleich- gewichts ihre Anwendung finden, hat dieselbe mitunter schon gefunden; nur des grossen Formenreichthums und der Reaktionsträgheit wegen ist eine geeignete Körper- wahl nieht leicht. Vielleicht hat es deshalb Werth, bei dieser Gelegenheit auf die höchst merkwürdigen Ferment- oder Enzymwirkungen hinzuweisen, die sich, werden die neuesten Untersuchungen bestätigt, für Anwendung im erwähnten Sinne vorzüglich eignen. Einerseits fand Fischer*), dass unter dem Einfluss von Fermenten die organischen Umwandlungen in ganz bestimmte Bahnen geleitet werden, was die Verwiekelung dureh Formen- reiehthum vollständig ausschliesst. Andererseits scheinen hier nach den neuesten Untersuchungen von Tammann **), Duclaux #***) und speciell von Hilly) Gleichgewichtser- scheinungen einzutreten. Schon Tammann beobachtete, dass bei Einwirkung von Emulsin das Amygdalin sich nur tbeilweise spaltet und dass diese Spaltung weiter geht nach Fortnahme, der Spaltproducte. Hätte er um- gekehrt die Spaltproduete zugesetzt, so wäre ihm viel- leicht die Synthese des Amygdalins gelungen. Duclaux stellte Umwandlungsformeln auf, die ebenfalls auf Ein- treffen eines Gleichgewichts hindeuten, und Hill scheint in dieser Weise die Synthese der Maltose aus Glukose durch ein Hefeferment verwirklicht zu haben. Aus theo- retischen Gründen muss denn auch, falls ein Ferment bei seiner Wirkung sich nicht ändert, durch dasselbe ein Gleiehgewichtszustand und nicht eine totale Verwandlung herbeigeführt werden und also die entgegengesetzte Re- aktion zu verwirklichen sein. Die Frage ist berechtigt, ob (unter Anwendung der Gleichgewichtslehre) Bildung von Zucker aus Kohlensäure und Alkohol unter Einfluss der Zymase beim Ueberschreiten eines Grenzgegendruckes der Kohlensäure stattfindet, und ob auch nicht das Trypsinff) im Stande ist, unter Umständen, durch die Gleichgewichtslehre gegeben, Eiweiss zu bilden aus den Spaltprodueten, die es selber bildet. Möchte ich in diesen letzten Auslassungen zu weit gegangen sein, so mögen sie dahingestellt bleiben als Beweis, dass ich noch immer der organischen Chemie ein warmes Herz zutrage. Und ich möchte schliessen mit dem Wunsch, dass Deutschland, welches auf dem Gebiete der anorganischen Chemie von anderen Nationen überflügelt zu werden droht, und welches durch den Tod von Männern, wie Vietor Meyer, Lothar Meyer, Gerhard Krüss und Clemens Zimmermann, vor Kurzem so viele Kräfte in dieser Be- ziehung verloren hat, dass Deutschland durch die Richtung, welche die Jünger unserer Wissenschaft sich jetzt wählen, auf anorganischem Gebiete alsbald wieder an entschieden führende Stellung kommt. ) Siehe u. a. Ber. deutsch. chem. Ges. 27, 2992. ) Zeitschr. phys. Chem. 18, 426. *) Bull. de l’Institut Pasteur, 1898. ) ) Trans. Journ. Chem. Soc. 1898, 634. + ++) Kossel, Zeitschr. physiol. Chem. 1898, 165. Gelegentlich der Berliner Gewerbeausstellung im Jahre 1896 wurde bei Negern von der deutschen Colonial- abtbeilung auf der Gerhardt’schen Klinik in Berlin von Zinn und Jacoby das häufige Vorkommen von Anchylo- stomum und anderer thierischer Parasiten festgestellt (Naturw. Wochenscehr. 1396, S. 554). Es wurde gleich- zeitig betont, dass die Neger der Gefahr der secundären Anaemie weniger ausgesetzt zu sein scheinen. Der Grund hierfür wurde nicht lediglich in der geringen Zahl der Parasiten gesucht, sondern in der Gewöhnung an das von den Würmern erzeugte Gift und in der Raceneigenthüm- lichkeit. Zinn und Jacoby haben die Anwesenheit zahlreicher Eingeborenen aus Ceylon und Vorder-Indien gelegentlich Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XIII. Nr. 45. der Ausstellung „Indien“ in Berlin in diesem Sommer dazu benutzt, ihre Untersuchungen fortzusetzen (Berliner Klinische Wochensehr. 1898, S. 949). Untersucht wurde der Stuhlgang von 3 Eingeborenen aus Ceylon 6 n „ Madras. Von den 3 Leuten aus Ceylon hatten 5 Eier von Anchylostomum duodenale % 5» Trichocephalus dispar Du „ Ascaris. Der eine Fall, bei dem Trichocephalus dispar fehlte, ist identisch mit dem einen der beiden Fälle, in denen Ascaris fehlte. Von den 6 Leuten aus Madras hatten 6 Eier von Anchylostomum duodenale er » Trichocephalus dispar DV, „ Ascaris. Bei 2 Leuten aus Madras fanden sich Larven von Anguillula intestinalis. Charcot-Leyden’sche Krystalle wurden in 10 Fällen von 12 Untersuchungen gefunden. Für die frühere Behauptung, dass Anchylostomum, wenn es erst einmal bei einer Völkerschaft einigen Boden ge- wonnen hat, sich sehr schnell auf alle Angehörigen des Stammes ausbreitet, ist damit ein neuer Beweis erbracht. Ebenso für die Behauptung, dass zahlreiche Anchylostomen nicht immer Anchylostomiasis zu verursachen brauchen. Es besteht also bei einigen Völkerschaften eine gewisse Immunität gegen die Anchylostomiasis. Dieselbe ist eine begrenzte, keine absolute. Letztere muss darum schon als ausgeschlossen angesehen werden, weil Anaemie- Endemien, durch Anchylostomum verursacht, bei farbigen Rassen bekannt sind. Mit der Annahme, dass toxische Einflüsse bei der Anchylostomiasis mit im Spiele sind, haben auch die Charcot-Leyden’schen Krystalle in dem Stuhlgang neues Interesse gewonnen. Mz. Zum Integument der Säugethiere. — Bekanntlich gehen die Ansichten der Forscher über den Ursprung des Haarkleides der Säugethiere heute noch auseinander. Während die einen meinen, sie seien aus den Sinnes- hügen der Fische und Amphibien durch Verhornung hervorgegangen, andere sie speciell von Hautzähnchen ableiten, entsprechen sie nach noch anderen den Schuppen der Reptilien und den Federn der Vögel. In seiner 1592 im „Morphologischen Jahrbuch“ erschienenen Arbeit „Haut- Sinnesorgane, Feder- und Haaranlagen, und deren gegen- seitige Beziehungen“ betont F. Maurer ganz besonders, dass die Säugethierhaare sowohl in ihrer ersten Enwicke- lungsweise als auch im späteren Verhalten gegen die Federbildungen der Vögel und die Reptilienschuppen durchgreifende Verschiedenheit zeigen, und dass Feder und Haar als morphologisch vollkommen verschiedenartige Organe zu betrachten sind: „In der ersten Anlage von Feder und Haar findet sich [somit] nirgends ein Punkt, welcher beiden gemeinsam wäre. Vielmehr sind die An- lagen sowohl in Betreff der Betheiligung des Corium als in Betreff der Epidermis so grundverschieden, dass man darauf unmöglich eine Homologie dieser beiden Organe begründen kann.“ Bei der Frage, ob die Säugethier- haare mit anderen Epidermisgebilden in Beziehung ge- bracht werden können, spricht sich Maurer dahin aus, dass ein Anschluss an die Haut-Sinnesknospen der niederen Wirbelthiere geboten erscheint und zwar in der Weise, das die Haut-Sinnesorgane der Amphibien den Boden, auf welchem die Haare sich entwickeln, abgeben. Neue interessante Beiträge hat F. Roemer in seinen „Studien über das Integument der Säugethiere* (Jenaische Zeitschr. für Naturwiss., Bd. XXXI, 1898), von denen ich mich speciell an „Nr. III, die Anordnung der Haare bei Thryonomys swinderianus“ halte, gebracht. Verfasser vertritt die Annahme, dass die Vorfahren unserer Säugethiere unter schuppentragenden, niederen Wirbelthieren zu suchen seien. Da bei den mit Schuppen und Haaren versehenen Säugethieren die Haare gruppen- weise meistens unter oder auf dem hinteren, freien Rande der Schuppen hervortreten, so dass also die Haargruppen entsprechend den Schuppen in alternirenden Reihen liegen, da ferner die Haare auf den unbeschuppten Haut- stellen vielfach dieselbe Stellung zeigen resp. sich auf eine solche zurückführen lassen, erscheint der Schluss gerecht- fertigt, dass auch die schuppenlosen Hautstellen einst Sehuppen trugen, und der Verf. weiss mit Weber „keine andere Ursache zu nennen, die im Stande wäre, die regelmässig alternirende Anordnung zu erklären.“ Nach Rocemer ist das Haarkleid als ein mit der zunehmenden Temperaturerniedrigung gegen dieselbe entstandener Schutz aufzufassen, der zunächst nur spärlich vorhanden war, dann aber der fortschreitenden Temperaturabnahme der Umgebung entsprechend zunahm, dichter wurde, was je- doch erst geschehen konnte, als die Schuppen an Be- deutung verloren und schwanden. Auf Grund seiner Untersuchungen an Echidna - Embryonen sieht der Verf. — wie Maurer — die Haut-Sinnesorgane als den Boden an, aus dem histologisch die Haare ihren Ursprung nehmen konnten. Die an einem aus Süd-Kamerun stammenden Embryo der afrikanischen Rohrratte gemachten Untersuchungen ergaben zunächst makroskopisch, dass die Haargruppen in der charakteristischen Schuppenstellung angeordnet waren. Von den Ergebnissen der histologischen Unter- suchung, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, ist Folgendes von wesentlichem Interesse. Ausser den grossen Haaren resp. Haargruppen sind zahlreiche, kleine Haaranlagen vorhanden, die sich von der Epidermis aus einsenken und zwischen die ersteren einschieben. Sie finden sich noch regellos zerstreut auf dem ganzen Körper, vorzugsweise aber an dem hinteren Rand der kleinen schuppenartig sich an einander reihenden Haar- felder. Vergleiche mit den Bälgen erwachsener Museums- exemplare ergaben, dass diese kleinen Haaranlagen feineren, zwischen den alternirenden Haargruppen befind- lichen Haaren entsprechen, die sich an dem Sommer- fell nur vereinzelt finden, während sie an dem Winterfell, namentlich aber an den Bälgen von jungen Thieren in Menge, hie und da auch wie die anderen Gruppen alter- nirend und Querstreifen bildend vorkommen und ein all- gemeines, dichtes Haarkleid liefern. Im Anschluss hieran möge noch eine vom Verf. angestellte Betrachtung wieder- gegeben werden: „Zuerst entstehen die Haargruppen unter dem hinteren Rande der ehemaligen Schuppen, dann erst das allgemeine Haarkleid auf dem ganzen Körper. Und diese phylogenetischen Stadien aus der Geschichte der Haarentstehung wiederholen sich heute noch alljährlich beim Uebergang aus der Winter- in die Sommerzeit und umgekehrt, wobei noch dieselben Faetoren maassgebend sind, wie beim ersten Auftreten. Eine Temperaturzunahme, Sommerzeit, bringt heute die vielen kleinen Haare auf den Schuppenplätzen wieder zum Schwunde, während ehemals eine Temperaturabnahme ihr Auftreten bedingte und verursachte.“ Uebrigens stellt Roemer die Temperatur-Abnahme nicht nur als einen für die Entstehung der Haare maass- gebenden Factor hin, sondern er findet in derselben auch die Erklärung für die Entstehung des warmen Blutes und der Schweissdrüsen. A.L. XII. Nr. 45. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 535 Die Auffindung eines vierten Exemplars des Notornis Mantelli, eines flügellosen neuseeländischen Vogels, dessen Gattungsname zuerst von Owen für eine fossile, nur aus einigen Knochen bekannte Form von der Nordinsel Neuseelands aufgestellt worden ist, wird in der englischen Wochenschrift „Nature* durch W. Blaxland Benham gemeldet. 1849 gelangte W. Mantell in den Besitz eines frisch getödteten Notornis von der Südinsel. Dieser Vogel, dessen Balg sich im British-Museum befindet, erklärten zuverlässige Omithologen für völlig überein- stimmend mit der fossilen Form. Das zweite Exemplar wurde 1851 von Maoris getödtet und seine Ueberreste sind gleichfalls in der Nationalsammlung. Das dritte Exemplar wurde 1879 erlangt und für das Dresdner Museum angekauft. Dr. A. B. Meyer erklärte es nach Untersuchung der Knochen allerdings für verschieden in der fossilen Form und nannte die Art Notornis Hoch- stetteri. Später wurde noch ein so unvollständiges Skelett aufgefunden, das sich jetzt im Museum von Otago befindet. Anfang August d. J. ist ein nach dem Berichte Benhams vom Museum zu Otago ein viertes lebendes Exemplar in demselben Distrikt wie die übrigen drei angetroffen worden. Ein Hund tödtete es im Busch beim See Te Anan. Es ist ein junges Weibchen in ausgezeichnetem Zustande und mit prächtigem Gefieder. Wie Benham ausserdem mit- theilt, ist ihm auch ein Ei des Moa (Dinornis), des be- kannten ausgestorbenen neuseeländischen Riesenvogels, übergeben worden, das unter den einigermaassen er- haltenen das dritte oder vierte ist. Ueber eine durch Bacterien verursachte Krankheit der Plötze, Leueiseus rutilus L., berichtet Professor Wyss aus Zürich in der „Allgemeinen Fischerei-Zeitung“ 1598, Nr. 12. Er beobachtete die Krankheit in den Monaten Juli und August 1597 an Fischen des Züricher Sees. Die erkrankten Plötze waren leicht zu erkennen. Ihre Oberhaut war bedeckt mit weisslichen Flecken von verschiedener Grösse, manche derselben waren grösser als ein Frankenstück; ferner zeigten sich blutunterlaufene - Flecke in einer Ausdehnung von 1—1!/, Quadratcentimeter. Die mikroskopische Prüfung ergab, dass die weissen sowie die blutunterlaufenen Flecke, ferner das Blut, die Leber und der Darm der Fische bewegliche Bacterien in grosser Zalıl enthielten; dieselben waren 2,9 w lang und 0,5—0,9 w breit. Es gelang Wyss, von diesen Bacterien Reineulturen zu erhalten. Wurden gesunde Plötze mit soleher Cultur geimpft, so traten bald die Flecken auf, und nach einigen Tagen erfolgte der Tod der Fische; ebenso zeigte sich die Krankheit sogleich, wenn gesunde Fische in Wasser gebracht wurden, dem man Culturen des Baeteriums beigemischt hatte. Wyss stellt das Bacterium zu der Art Bacterium vulgare proteus, welches schon seit langem als pathogen für mehrere Säugethiere, wie Kaninchen, Meerschweinchen, Mäuse, bekannt ist. Es kommt ferner dieses Bacterium sowohl bei der Plötze und anderen Fischen als bei den genannten Säugethieren häufig im Darm vor, ohne dass die betreffenden Thiere irgend welche Krankheitser- scheinung zeigen, und man weiss bis jetzt noch nicht, unter welchen Bedingungen die Mikroben für ihren Wirth virulent werden; Unreinheit des Wassers sowie die Tempe- ratur desselben scheinen keinen Einfluss auszuüben. S. Sch. Gewitter und Gezeiten. — Unter der Bevölkerung der deutschen Nordseeküste herrscht allgemein der Glaube, dass Gewitter mit besonderer Vorliebe mit der Fluth heraufziehen, während die Gewitter, die sich zur Zeit der Ebbe bilden, draussen auf dem Meere liegen bleiben, bis das Wasser wieder zu steigen beginnt, um sich als- dann erst zu nähern. In der Sitzung des Berliner Zweig- vereins der Deutschen Meteorologisehen Gesellschaft am 11. October theilte nun Prof. Gustav Hellmann mit, dass er die interessante Frage an der Hand 10 jähriger, in Wyk angestellter Gewitterbeobachtungen statistisch untersucht habe. In den 10 Jahren von 1838 bis 1597 wurden durch den meteorologischen Beobachter in Wyk 209 Gewitter an 200 verschiedenen Tagen notirt. Betrachtet man als Zeit des Ausbruchs des nahenden Gewitters diejenige, zu weleher sieh der erste Donner hören lässt, so ergab sich eine Vertheilung der Gewitter auf die Stunden nach Niedrigwasser, wie sie die folgende Tabelle zeigt. Niedrigwasser 1. Stunde danach 10 mal Beginn eines Gewitters. 2. n n u n n 2 2 Da » 29 n n 4 . "7 „ 1 2 » n n N 5 : n n 22 n )) n 2) 6. » n I n n n ) Hochwasser 7. Stunde n 16 D) Sr.209 N h) 8. = 5 2, n n n 9. n n ll, n n ” 10. n N 1 I » N n ” la n ER n 2) 2) arsch n 17 n n n Zwar beträgt die Zeit zwischen Niedrigwasser und Hochwasser, und ebenso zwischen Hochwasser und Niedrig- wasser, nicht 6 Stunden, sondern 6'/, Stunden, doch hat Hellmann die dadurch entstehenden, kleinen Ungenauig- keiten der Tabelle nach Möglichkeit eliminirt. Während der ersten 6 Stunden, der Fluthzeit, traten also 103, während der letzten 6 Stunden, der Zeit der Ebbe, 106 Gewitter ein. Daraus geht mit genügender Deutlichkeit hervor, dass der Ausbruch des Gewitters nicht im geringsten von den Gezeiten abhängig ist, dass somit der alte Volksglaube als ein Irrthum betrachtet werden muss. H. „Zur Methodik der hydographischen Forschung“ betitelt sich ein Aufsatz, den O. Pettersson in den „Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie“ (1598‘ Heft VIII) veröffentlicht hat. Von den sehr be- achtenswerthen, in Tihesenform gehaltenen Ausführungen dieser Arbeit sind folgende die wichtigsten und inter- essantesten: „il. Es ist nothwendig, die Untersuchung nicht nur anf die Sommermonate zu beschränken, wie es früher Sitte war, sondern auch in den übrigen Jahreszeiten den Zustand des Meeres zu ermitteln. Die Veränderungen, welche sich zwischen Sommer und Winter in unseren Meeren — und besonders in den oberen Wasserschichten derselben — vollziehen, sind von der grössten Bedeutung nieht nur für die Kenntniss der oceanischen Cireulation, sondern auch für die Meteorologie und die Fischerei- verhältnisse Nordeureupas. Ich kann als Beweis für diese Behauptung auf sämmtliche von uns seit 1890, wo unsere erste Winterexpeditionen im Skagerak gemacht wurden, ausgegebenen Arbeiten hinweisen. 2. Wegen dieser jährlichen Veränderlichkeit der oberen Wasserschiehten ist es aus praktischen Gründen geboten, die Untersuchung der oberen beweglicheren Wasserlagen gesondert von der Durchforschung der grossen oceanischen Meerestiefen vorzunehmen. Diese tiefen Naturwissenschaftliche Wochensehrift. XIII. Nr. 45. Regionen enthalten mehr oder weniger stagnirendes Wasser und eine für sich abgesonderte Thierwelt. Da der Wechsel der Jahreszeiten darauf keinen Einfluss ausübt, kann man die eigentliche Tiefseeforschung zweckmässig denjenigen Expeditionen überlassen, welche dann und wann im Sommer von den verschiedenen Ländern ausgesandt werden, um die T'hierwelt der oceanischen Tiefen zu studiren. Die oberen Wasserschichten von 600—800 m Tiefe sind aber so veränderlicher Natur, dass nur eine fortgesetzte, systematische Erforschung derselben in den ver- schiedenen Jahreszeiten zum Ziele führen kann. In diesen Wasserschichten spielt sich der Mechanismus der grossen Meeresströmungen ab; sie enthalten den in südlichen Breiten aufgespeicherten Wärmevorrath, weleher im Winter dureh die Vertikaleirkulation der Atmosphäre zugeführt wird, und in ihnen hält sich schwebend die Pflanzen- und Thierwelt der mikroskopischen Organismen des Plankton. 3. Der leitende Gedanke in dem Plan, welchem wir seit 8 Jahren gefolgt sind, ist der: den aktuellen Zustand des Oceans durch möglichst gleichzeitige Beobachtungen an bestimmten Stationen und Beobachtungslinien zu er- mitteln und diese Beobachtungen zu einem Gesammtbild zu vereinigen. Wenn man nach 5, 6 oder 12 Monaten ähnliche Observationen an denselben Stationen macht, gewinnt man einen Ueberblick der Veränderungen in dem Zustand des ganzen Meeresgebietes, welche ‘von einer Jahreszeit zur anderen oder von einem Jahr zum anderen eingetreten sind. Gilt es, ein derartiges Observationsnetz über ein grösseres Meeresgebiet auszuspannen, muss man natürlich über mehrere Dampfschiffe verfügen, und die nothwendige Voraussetzung für das Gelingen des ganzen Unternehmens ist, dass dasselbe von vorne her vollständig organisirt ist und dass jeder T'heilnehmer nach einem gemeimschaftlich festgestellten Plan arbeitet. Diese neue Art der Meereserforschung lässt sich nur unter den folgenden Bedingungen realisiren: 4. Die systematische Erforschung des Zustandes und der jährlichen Veränderungen der Ostsee, des Nordsee- gebietes und des Nordatlantie wird nur durch inter- nationale Kooperation ermöglicht in der Weise, dass die verschiedenen Nordsee- und Ostseeländer nach Ueberein- kunft die Arbeit unter sich theilen. Gegenstand dieser internationalen Ausforschung sollten nicht nur die rein hydrographischen Verhältnisse sein, sondern auch die Be- ziehungen derselben zu der Meteorologie und zu den Fischereien der nordeuropäischen Meere. Durch die in 1593— 1894 und zum Theil auch in den folgenden Jahren ausgeführte internationale Untersuchung, welche allerdings nur als eine Recognoseirung der Nordsee und Ostsee zu verschiedenen Jahreszeiten aufzufassen ist, wurde es un- zweideutig festgestellt, dass das Erscheinen der grossen Züge der Heringe, des Dorsches und der Makrele in unseren Meeren zeitlich zusammenfällt mit dem Eintreten von gewissen bedeutenden Veränderungen in der che- mischen und physischen Beschaffenheit des Meerwassers und in dem Charakter des Planktons. Eine tiefere Ein- sicht in diese Fragen, worin einzig und allein die Unter- lage für einen rationellen Fischereibetrieb zu suchen ist, können wir nur durch eine von den verschiedenen Ländern gemeinschaftlich organisirte Meeresforschung gewinnen. Vereinzelte Expeditionen sowie einseitige Bestrebungen, welehe ihr Augenmerk ausschliesslich auf gewisse bio- logische Fragen richten, ohne Rücksicht auf den physi- kalischen und chemischen Zustand oder auf die Be- wegungen der Wasserlagen, worin die Thiere oder Pflanzen leben, sind jetzt kaum mehr als zeitgemäss zu betrachten. Eben so wenig kann man durch Observationen an ge- wissen Küstenstationen allein Aufschluss über die grossen Wasserbewegungen im Meere erhalten. Allerdings sind einige von diesen Stationen, nämlich diejenigen, welche nicht den Festland, sondern den oceanischen Inseln an- gehören, wie Faerö, Shetland, Seilly-Inseln, Udsire, Lofoten, die dänischen Leuchtschiffe im Kattegat u. s. w. von grosser Bedeutung, aber nur im Verein mit bydrographi- schen Tieflothungen und Querschnitten, welche, von den Ufern oder dem Innern der Fjorde ausgehend, sich über die Küstenbänke bis zu den oceanischen Tiefen erstreeken, und mit Planktonaufnahmen, nicht nur in den neritischen, sondern auch in den oceanischen Regionen verbunden sind. 5. Aus dem Vorigen erhellt, dass das hydrographische und biologische Untersuchungsmaterial anzuschaffen ist: a) durch Tieflothungen, b) durch Aufnahme von Wasser- und Plankton- proben von der Oberfläche des Meeres an Bord von Dampfschiffen, welche die Nordsee und den Nordantlantie überqueren, e) durch Küstenobservationen. Die Erfahrung hat bewiesen, dass das unter b) und e) erwähnte Observationsmaterial ohne grössere Schwierig- keiten und Kosten zu erhalten ist. Die mühevolle und kostspielige Arbeit fällt hauptsächlich auf die unter a) erwähnten Tieflothungen. Es ist deshalb dringend nöthig, die Wahl dieser Tieflothungsstationen mit Umsicht zu treffen, so dass sie wirklich ein repräsentatives Bild von dem Zustand des Meeres geben ..... 6. Da es also darauf ankommt, die Arbeitszeit auf den zu Tieflothungen angewandten Dampfschiffen möglichst auszunutzen, ist es angerathen, die Arbeit mit dem Ein- sammeln von Untersuchungsmaterial an Bord des Schiffes möglichst vollständig von der wissenschaftlich analysirenden Bearbeitung dieses Materials zu trennen, welche in den chemischen, physikalischen und biologischen Laboratorien auszuführen ist. Ich lege auf diese Regel, welche bei den schwedischen Untersuchungen streng eingehalten wird, das grösste Gewicht, sowohl aus prineipiellen wie aus rein praktischen Gründen ..... Präeisionsbestimmungen lassen sich nieht an Schiffbord ausführen, sie gehören einzig und allein den wissenschaftlichen Laboratorien an. Ausserdem lässt die Arbeit auf dem Schiff keine Zeit übrig zu solehen Untersuchungen. 7. Die Ausführung einer systematischen hydrogra- phischen und biologischen Untersuchung eines grösseren Meeresgebietes, woran Forscher verschiedener Nationalität sich betheiligen, setzt voraus, dass eine gewisse Conformität in der Technik der hydrographischen Arbeit und noch mehr in den analytischen Bestimmungsmethoden eingeführt ist. Betreffs der rein technischen Fragen muss jedoch die Wahl der Instrumente u.s. w. möglichst freigestellt sein.“ Pettersson beschreibt alsdann in eingehender Weise die vortheilhafteste Einrichtung und Handhabung einer Reihe von Instrumenten. Doch können wir hier nicht des Näheren darauf eingehen, sondern müssen in dieser Hinsicht auf das Original verweisen. Dann fährt er fort: „8. Bei der Erforschung der Meeresströmungen und der oceanischen Cirkulation gilt es vor Allem, ein sicheres Merkmal des Ursprungs des Wassers zu finden. Da man auf jedem Breitengrad im Atlantischen Ocean Wasser- sorten von südlicher und nördlicher Herkunft neben- einander oder aufeinander geschichtet vorfindet, giebt das Vorkommen allein nicht die gewünschte Entscheidung, welche nur durch Analyse der physischen, chemischen und biologischen Qualitäten des Meerwassers zu erhalten ist. Die Eigenschaften, welehe dabei in erster Linie in Betracht kommen, sind Temperatur, Salzgehalt, Gasgebalt und der allgemeine Charakter des vegetabilischen und animalischen Planktons. Bei den schwedischen Unter- suchungen werden niemals Temperaturreihen allein ge- nonımen, sondern es wird bei einer jeden Wasserprobe XII. Nr. 45. die Temperatur und der Salzgehalt zugleich bestimmt, und zwar wird das Hauptgewicht auf den Letzteren ge- legt, weil der Salzgehalt bei Weitem den sichersten Anhalt giebt für die Beurtheilung der Herkunft eines Meerwassers. Im Grossen und Ganzen hat man in dem nördlichen Atlantie zu unterscheiden zwischen Golfstromwasser, ark- tischem und westatlantischem Wasser und continentalem Küstenwasser. Nachdem man vergeblich gesucht, in der quantitativen Relation der verschiedenen gelösten Substanzen zu einander oder zu dem totalen Salz- so kalinitä gehalt (wie z. B. in dem Verhältniss 50; alkalinität Alkalinität z Cl ’ Chlorgehalt oder Salzgehalt u. Ss. w.) ein brauchbares Criterium zu finden, ist man gegenwärtig geneigt, dieses Criterium einfach in der Concentration zu sehen. Die Concentration einer Salzlösung lässt sich aber in verschiedener Weise, sowohl durch Bestimmung der physikalischen Constanten des Wassers als durch chemische Analyse beurtheilen. Für die Bestimmung auf physikalischem Wege kann eine jede Eigenschaft der Lösungen zu Grunde gelegt werden, wie: speeifisches Gewicht, Lichtbrechungsvermögen, elek- trische Leitfähigkeit, Dampfspannung u. s. w. Durch chemische Analyse kann man sehr genau sowohl den ge- sammten Salzgehalt als die Quantität der im Wasser ent- haltenen Halogene bestimmen. Bei der Wahl der Methoden ist das grösste Gewicht darauf zu legen, diejenige aus- zufinden, welche auf einmal Arbeiten in grossem Maass- stab erlaubt und zugleich die höchste mögliche Genauig- keit der Resultate erreichen lässt. Bei den schwedischen hydrographischen Untersuchungen wird immer in jeder Wasserprobe der Halogengehalt maassanalytisch durch Titrirung mit Y, Normallösung von Silbernitrat bestimmt. 9. Die Bestimmung der vom Meerwasser aufgelösten oder absorbirten Gase, wozu ausser Stickstoff und Sauer- stoff der Totalgehalt der Kohlensäure zu rechnen ist, hat grosse Bedeutung für die Hydrographie. Der Stiekstoff- gehalt eines Tiefenwassers giebt Aufschluss über die Tem- peraturverhältnisse, welche in denjenigen Meeresregionen herrschten, wovon das Wasser herkommt (0. Jacobsen), d. h, wo es das letzte Mal als Oberflächenwasser existirte. Die Berechnung der „Sättigungstemperatur“ eines Meerwassers aus dem Stickstoffgehalt wird ungemein er- leiehtert durch die Formeln und die Tafel zur graphischen Interpolation, welche A. Hamberg ausgearbeitet hat. Der Sauerstoff und der Kohlensäuregehalt eines Wassers liefern den werthvollsten Aufschluss über die Art und die Intensität des organischen Lebens, welches sich darin bewegt hat. Auch -wenn dieses Thier- oder Pflanzen- leben längst ausgestorben ist, sind wir im Stande, die Spuren davon in den Schwankungen des Sauerstoff- und Kohlensäuregehaltes nachzuweisen. Da diese Behauptung den meisten Hydrographen neu und unerwartet vorkommen muss, mögen einige Worte zur Erklärung hier am Platze sein. Es war längst bekannt, dass die Kohlensäure (d. b. der Totalgehalt an gebundener und freier Kohlen- säure) im Meerwasser grossen und unregelmässigen Schwankungen unterworfen war. Bei der Untersuchung des Tiefenwassers der abgesperrten Mulden der schwe- dischen Fjorde im Jahre 1890 fanden G. Ekman und ich den Kohlensäuregehalt ungewöhnlich gross (5l—52 cem im Liter) und zugleich den Sauerstoffgehalt sehr herab- gesetzt (bis zu 1,58 eem pro Liter). Wir schlossen daraus, dass der Athmungsprocess der Thierwelt in den tiefen Regionen dieser Fjorde diese Wirkung hervorgebracht haben musste. Physiologische Experimente an Fischen in einem geschlossenen Aquarium zeigten, dass diese Vermuthung begründet war. Später fanden wir, dass auch die intermediären nicht abgesperrten Wasserschichten Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 537 dasselbe Verhalten zeigen wie das Tiefenwasser, sobald grössere Mengen von Fischen sich darin aufhielten. So z. B. hatten die Wasserlager zwischen 40 und 60 m des Gullmarfjords, worin in dem Winter vou 1895 — 1896 eine sehr ergiebige Heringsfischerei getrieben wurde, einen Kohlensäuregehalt von 48,5 cem bis 49,6 eem pro Liter, während der Sauerstoff nur 5,6 cem bis 3,9 cem pro Liter betrug (11. Februar 1896). An demselben Tage wurden in derselben Tiefe und in demselben Wasserlager ausser- halb der Fjordmündung 47,4 cem CO, und 7,1 cem O, pro Liter gefunden. Die Temperatur, 5° bis 6° C., war dieselbe. Die Fische hielten sich ausschliesslich innerhalb des Fjordes in der genannten Tiefe, 40—60 m, auf, wo wir sie in der unter den Fischern üblichen Weise durch Lothung antrafen. Die Heringe verweilten in dieser Tiefe (in Bankwasser) zur Tageszeit und stiegen Nachts hinauf in die kälteren (an Sauerstoff reicheren [7,1 cem pro Liter]) oberen Wasserschichten, wo sie mit Netzen gefangen wurden. Nach dieser Erfahrung bezweifle ich nicht, dass die Herabsetzung des Sauerstoffgehalts des Bodenwassers zu 23—29°/, ın gewissen Gegenden des Nordseegebietes, welches schon von der Pommerania- Expedition und später von der Drache-Expedition sowie auch mehrfach von uns im Skagerrak und in der Ostsee beobachtet wurde, als eine Wirkung des Thierlebens zu betrachten ist. In der Regel ist das Tiefenwasser des Nordseegebietes und der eigentlichen Ostsee relativ arm an gelöstem Sauerstoff, was wohl mit dem Fischreiehthum der Nordsee in Einklang steht. Wo das Pflanzenleben im Weltmeer überwiegt, entsteht ein entgegengesetztes Verhältniss zwischen den Mengen der gelösten Gase: durch die Assimilation der Diatomeen, der Algen, der Cilioflagellaten u. s. w. steigt der Sauerstoffgehalt und vermindert sich die Kohlensäure. Es waren schon früher von der Challenger-Expedition und der norwegischen atlantischen Expedition einzelne Proben von Tiefenwasser, welches mit Sauerstoff übersättigt war, gefunden. Solche Proben entstammten grösstentheils den arktischen und antarktischen Theilen der Oceane . Sobald mir der Einfluss des Planktons auf die Gase des Meerwassers klar wurde, habe ich die Glasröhren, welche zur Aufnahme der Wasserproben dienen, vor dem Trocknen und Evaecuiren mit warm gesättigter Sublimat- lösung ausspülen lassen, wodurch die Innenseite derselben mit einem dünnen, weissen Häutchen von HgCl, über- kleidet werden. Seit 3 Jahren bedienen wir uns aus- schliesslich soleher Röhren zur Aufnahme von Gasproben, welche gasanalytisch untersucht werden sollen. Durch das Sublimat wird augenblicklich das Leben des Planktons, der Bacterien u. s. w. vernichtet. Für Tiefenwasserproben ist allerdings diese Vorsichtsmaassregel nicht nöthig, denn nur in sehr planktonreichem Oberflächenwasser habe ich eine Nachwirkung auf den Sauerstoff- und Kohlensäure- gehalt nachweisen können nach längerem Aufbewahren in gewöhnlichen Röhren. Der Stickstoffgehalt erhielt sich immer vollkommen unverändert ..... 10. Die schwedischen Biologen, welche die Güte hatten, das von uns eingesammelte Material zu bearbeiten, Prof. Cleve und Dr. Aurivillius, haben bisher ihre Auf- merksamkeit ausschliesslich der qualitativen Seite der Analyse, d. h. der Erkennung und Bestimmung der ver- schiedenen Planktonformen und Planktontypen sowie auch der geographischen Verbreitung derselben im Meere zu- gewandt. Es hat sich herausgestellt, dass eine nahe Beziehung besteht zwischen dem hydrographischen Zustand der Meeresregionen und den im Oberflächenwasser vor- herrschenden Planktontypen, besonders von dem Phyto- plankton, welches äusserst empfindlich ist für physische und chemische Veränderungen des umgebenden Mediums. aile eLs 538 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 45. Die verschiedenen Regionen, welche man in dem Nörd- liehen Atlantischen Ocean hydrographisch unterscheiden kann, nämlieh die Golfstromarea, die westatlantische und arktische Area, das westliche arktisch-neritische und das östliche eontinental-neritische Gebiet, scheinen auch durch verschiedene Planktontypen charakterisirt zu sein. Ferner hat man das periodische Auftreten dieser Planktontypen zu verschiedenen Jahreszeiten in der Nordsee und im Skagerrak beobachtet, welches zeitlich mit den hydro- graphischen Veränderungen zusammenfällt, die in jenen Meeresgebieten eintreffen. Schliesslich scheinen unsere neuesten Beobachtungen anzudeuten, das im Nordatlan- tischen Ocean grosse Meeresgebiete in gewissen Jahres- zeiten steril an Plankton werden, während eine Anhäufung oder ein „Aufblühen“ des Planktons in anderen Gegenden stattfindet. Diese Beobachtungen, welche allerdings jetzt noch vereinzelt stehen und lückenhaft sind, zeigen wie nothwendig es ist, einen Ueberblick über die Verbreitung der Pflanzen- und Thierformen des Planktons des Atlantischen Oceans anzustreben durch wissenschaftliche Cooperation. . Um die Entwiekelung der Eier, Larven und Fisch- brut zu verfolgen, sind einzelne Beobachtungsfahrten nicht ausreichend, es wird dies eine Aufgabe für die marine- wissenschaftlichen Stationen, wovon eine Anzahl rings um die Ufer der Nordsee und der Ostsee angelegt worden sind. Für die biologische und physiologische Arbeit, welche diesen wissenschaftlichen Anstalten obliegt, wäre es vielleicht nicht unzweckmässig, eine Arbeitsvertheilung innerhalb gewisser Grenzen einzuführen. Gewisse Probleme können nämlich entweder nicht oder nur mit dem grössten Aufwand in Arbeit genommen werden von denjenigen Stationen, welche an einem seichten Meeresufer belegen sind. Dorthin gehört aber die Mehrzahl der jetzt existirenden Stationen. Ein Jeder weiss, wie schwer es ist, aus grösseren Meerestiefen stammende Organismen in den Aquarien am Leben zu erhalten, weil man die nöthigen Bedingungen an Druck, Salzgehalt und Tempe- ratur nicht einhalten kann. Ferner ist es eine allgemeine Erfahrung, dass unsere gewöhnlichen Nutzfische, wie Makrele, Heringe u. A. nicht lange die Gefangenschaft in den geschlossenen Aquarien aushalten. Deshalb habe ich der Königlichen Academie der Landwirthschaft in Stockholm einen Plan zu einer Marinestation an einem geschützten Platz an der Westküste vorgelegt, wo das Meer unmittelbar unter dem Felsengestade 50 m tief ist und man folglich die Aquarien mit Wasser aus jedem beliebigen Niveau füllen oder auch offene Aquarien durch Netze geschützt hinab in die passende Tiefe niedersenken könnte, wo sie von der kräftigen Unterströmung unserer Fjorde durchsetzt werden. Jedenfalls ist es sicher, dass bei der Anlage von Marinestationen die hydrographischen Verhältnisse die grösste Berücksichtigung verdienen, und dass man bisher diese Rücksichten nieht genügend be- achtet hat. Eine den Winden und Wellen exponirte Lage ist nieht mit einer im hydrographischen Sinn marinen Lage zu verwechseln. Die für eine Station wirklich günstige Lage wird man fast niemals in den äusseren Scheeren vorfinden, welche submarinen Felsenplateaus angehören, sondern auf den steilen Felsenufern im Inneren der tiefen Fjorde ..... Die antitoxische Wirkung der Galle bespricht Professor Th. R. Fraser in Edinburg in „British Medical Journal“ vom 3. Sept. 1898. Schon in mehreren früheren Arbeiten hatte dieser Gelehrte nachgewiesen, dass die Galle verschiedener Thiere ein Antitoxikon sowohl gegen das Gift der Schlangen als gegen die Gifte mehrerer Baeillen, so des Diphtherie- und des Tetanusbaeillus, darstellt; aın wirksamsten zeigte sich dem Schlangengifte gegenüber die Galle der Schlangen selbst, wenn auch nicht die von derselben Art. Bei seinen neuesten Untersuchungen ging Fraser von dem Gifte der Cobra aus; von demselben ge- nügen 0,00024 Gramm pro Kilogramm Lebendgewicht des Kaninchens, um den Tod herbeizuführen. Indem nun Fraser diese Giftmenge mit der Galle verschiedener Thiere mischte, stellte er fest, wieviel von der letzteren nöthig sei, um die angegebene Menge des Cobragiftes zu neu- tralisiren, so dass es bei ausgeführten Injectionen ohne Wirkung blieb. Bei diesen Experimenten wurde das Ver- suchsthier zuerst mit einer Mischung aus Cobragift und der entsprechenden Menge Galle geimpft, und nach 10 Minuten erfolgte die Injeetion von 0,00024 Gramm Cobra- gift. Dabei ergaben sich folgende Zahlen. Von der Galle der Klapperschlange waren nöthig 0,0005 Gramm, von der ägyptischen Brillenschlange oder Aspis 0,001, von Pseudechis 0,002, von der Daboia (Clotho Russel) 0,003, von der indischen Brillenschlange oder Cobra 0,004, von dem getigerten Schlinger 0,005, vom Kaninchen 0,0075, vom Menschen 0,015, vom Rind 0,02 und vom Schwein ebenfalls 0,02 Gramm. Aus diesen Zahlen ist zu ersehen, dass die giftigsten Sehlangen in ihrer Galle das stärkste Antitoxikon besitzen. Bezüglich der Bacteriengifte hat Fraser besonders mit dem Diphtheriebacillus experimentirt. Die tödtliche Minimal- menge desselben für Kaninchen beträgt 0,05 Kubikeenti- meter pro 1 Kilogramm Lebendgewicht. Dieses Gift blieb unwirksam, wenn es mit folgenden Gewichtstheilen Galle gemischt wurde: von der Daboia 0,025 Gramm, vom Kaninchen 0,02, vom Rind 0,1, vom Menschen 0,15 Gramm. — Alle Gallen, welehe Fraser prüfte, bilden in höherem oder geringerem Grade Antidota gegen das Schlangengift, besonders stark erweisen sich die der giftigen Thiere. Es geht daraus hervor, dass die Galle dieser giftigen Tbiere irgend einen besonderen Stoff enthält, der in der Galle der nicht giftigen Thiere nicht existirt. Dieser Stoff rührt ohne Zweifel aus dem Blute her und wird durch die Galle ausgeschieden. S. Seh. Die Physiologie der Verdauung ist neuerdings wieder um ein gut Stück durch die Chirurgie gefördert worden, welche in ihrer fortschreitenden Entwickelung für die ge- sammte Physiologie und Pathologie schon wiederholt neue Aufsehlüsse gebracht hat. Durch einen jungen Chirurgen, Privatdocent Dr. Schlatter, Assistenzarzt an der ehirur- gischen Klinik in Zürich, ist vor Jahresfrist eine Entfernung des ganzen Magens wegen krebsiger Entartung desselben bei einer Frau glücklich” auseeführt worden. Bisher galt der Magen als ein unentbehrliches Organ im thierischen Organismus. Vor einigen Jahren hat allerdings der Heidelberger Chirurg Professor Czerny bei Hunden schon Totalexstirpationen des Magens mit Erfolg vorgenommen, d. h. die Hunde sind am Leben geblieben und haben sämmtliche Nahrungsmittel aufgenommen, verdaut und ausgenutzt. Aber die spätere Section eines dieser Hunde hat bewiesen, dass doch ein Rest des Magens zurück- geblieben war, welcher wohl ausgereicht hat, die Fune- tionen dieses Organs zu erfüllen, zumal es eine längst be- kannte Thatsache ist, dass Reste von Organen schnell nachzuwachsen pflegen. Diese Versuche sind deshalb in letzter Zeit nicht mehr als beweiskräftig dafür erachtet worden, dass der thierische oder menschliche Organismus ohne Magen existiren kann. Auch die Annahme einzelner Chirurgen, den gesammten Magen bei ihren Operationen exstirpirt zu haben, hat sich bei dem späteren Tode der Patienten bisher stets als irrig erwiesen. Dass man die Hälfte und selbst zwei Drittel "des Magens ohne jede Be- ee EEE u re XIll. Nr. 45. einträchtigung der Verdauung fortnehmen kann, ist eine allerdings längst bekannte Thatsache. Aber Dr. Schlatter hat das Wagniss zuerst fertig gebracht, den ganzen Magen von seinem Ansatz an der Speiseröhre bis zu seinem Ende am Zwölffingerdarm herauszunehmen. Durch mikrosko- pische Untersuchung der beiden Endstücke des exstirpirten Magens ist sicher gestellt worden, dass die Entfernung in der That ausserhalb der Grenzen des eigentlichen Magens stattgefunden hat, welcher sich als durch und durch krebsig entartet erwies. Die Enden der Speiseröhre und des Dünndarms wurden miteinander vereinigt und so die Continuität des Verdauungskanals wieder hergestellt. Die so operirte Patientin hat schon wenige Tage nachdem Nahrung vom Munde aus aufgenommen und hat in wenigen Monaten 44 Pfund an Körpergewicht zugenommen! Die Bauchwunde ist tadellos geheilt, die Patientin befindet sich heute, nach mehr als Jahresfrist nach der Operation, vollkommen gesund. Wenn in der Bauchhöhle sich nicht eine neue krebsartige Geschwulst bildet, wird die Frau dauernd gesund bleiben. Doch liegt das physiologisch- biologische Interesse dieses Falles nach einer anderen Richtung hin, nämlich in dem jetzt erwiesenen Umstande, dass der Mensch ohne Magen leben kann, ohne dass seine Verdauung, seine Ernährung und sein Wohlbefinden eine Beeinträchtigung erfahren. Manche Erfahrungen der Pathologie der Magen- erkrankungen, deren Erkenntniss bekanntlich in den beiden letzten Jahrzehnten sehr wesentliche Fortschritte gemacht hat, haben schon darauf hingewiesen, dass der Darm die Functionen des Magens vollständig übernehmen kann, so ist z. B. in der Neuzeit ein Krankheitsbild kennen gelernt worden, die sogenannte Achylia gastriea, deren Wesen darin besteht, dass alle specifischen Verdauungsfermente des Magens fehlen, nämlich das Pepsin, die Salzsäure und das Lab. Ein Magen, dem alle diese seine speeifischen Producte fehlen, funetionirt natürlich garnicht, und ein soleher Körper ist ebenso daran, als wenn er gar kein Magen hätte; denn die Speisen gelangen vollständig un- verdaut in den Darm hinein, welcher die Aufgabe ihrer Verdauung übernehmen muss. Patienten, bei denen man die letztgenannte Krankheit nachgewiesen hat, sind längere Zeit andauernd durchaus gesund gewesen und haben einen normalen Stoffwechsel gehabt. Für Kranke dieser Art entsteht erst eine Beeinträchtigung der Verdauung, wenn auch die motorische Funetion des Magens leidet, d. h. die Speisen nicht mehr in der gehörigen Zeit in den Darm hinein weiter geschafft werden, sondern im Magen längere Zeit liegen bleiben, sich stauen und nun fortschreitenden Zersetzungen unterliegen. Solchen Gefahren war aber die Patientin des Dr. Schlatter nicht ausgesetzt, eben weil sie keinen Magen hatte. Die von ihr aufgenommene Nahrung gelangte aus der Speiseröhre unmittelbar in den Darm hinein, und dieser löste seine Aufgabe in der voll- kommensten Weise. Die Eiweissverdauung wird, wie man schon lange weiss, vom Darm ebenso vorzüglich be- sorgt wie vom Magen und zwar sowohl durch den Darm- saft wie auch durch den Saft der Bauchspeicheldrüse, welcher sich bekanntlich in den Zwölffingerdarm ergiesst. Aber auch ohne den letzteren Saft geht die Eiweissver- dauung im Darm schon in vollkommener Weise vor sich. Das Gleiche gilt auch von den Kohlenhydraten und vollends vom Fett, welches ja auch vom gesunden Menschen erst im Darm verdaut wird. Die Natur hat eine zwiefache, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 539 theilweise sogar eine dreifache Verdauung der Nahrungs- stoffe vorgesehen. Die Beobachtung des Dr. Schlatter lehrt aber, dass sich in der Noth auch mit der einfachen Einrichtung leben lässt. Nicht einmal qualitative Unter- schiede in der Art der Ausnutzung der Nahrung liessen sich bei jener Frau feststellen. Die Stoffwechselunter- suchungen, welche mit grosser Genauigkeit Wochen und Monate gemacht worden sind, haben durchaus normale Verhältnisse ergeben; so hat z. B. die Analyse des Harns erwiesen, dass die Patientin sich im Stickstoffgleichgewicht befand, d. h. nicht mehr Eiweiss ausschied, als sie mit der Nahrung täglich aufnahm. Auch auf manche andere, seit langen Jahren schwebende medieinische Streitfragen hat dieser Fall ein erhellendes und aufklärendes Licht geworfen. Die Hauptsache aber bleibt der Nachweis, dass die Magenverdauung der Nahrungsstoffe beim Menschen dureh die Darmverdauung vollständig ersetzt werden kann. Der vielfach verschlungene Weg chemischer Umwand- lungen, welehen die Nahrungsstoffe im Verdauungskanal zu durchlaufen haben, wird sogar wesentlich abgekürzt. Nichts desto weniger wird der sprichwörtliche Satz, dass „doppelt besser hält“ wohl auch hier seine Geltung haben, und Jedermann dürfte froh sein, ausser seinem Darm auch noch einen Magen zu besitzen, der die Vorarbeit für die Verdauung leistet. Die Thatsache aber ist bemerkens- werth, dass dem Darm im Haushalt des thierischen und menschlichen Organismus eine grössere Bedeutung zukommt als dem Magen. Es scheint so, als ob letzterer in der Hauptsache doch nur als Reservoir bei der Nahrungs- aufnahme dient. Dr. Albu. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Privat-Docent für angewandte und analytische Chemie in Tübingen Dr. Theodor Paul zum ausser- ordentlichen Professor; der Vorsteher der biologischen Station am Müggelsee zum Docent für Fischzucht an der landwirthschaft- lichen Hochschule in Berlin Berufen wurde: Der Privat-Docent der Anatomie in Strass- burg Dr. Ernst Mehnert als ausserordentlicher Professor nach Halle. Es habilitirte sich: in Bern. Es starben: Der Privat-Docent der Baeteriologie in Wien Dr. Hermann Müller; der Botaniker Dr. E. Levis Strutevant in Framingham (Massach.); der ausserordentliche Professor der Botanik am Oberlin-College Herbert Lyon Jones. Fräulein Dr. Tumark für Philosophie Litteratur. Dr. H. Rudolph, Die Constitution der Materie und der Zu- sammenhang zwischen ponderabler und imponderabler Materie. R. Friedländer in Berlin, 1898. (Commissions Verlag.) — Preis 1 Mark. Dies kleine Schriftehen (33 Seiten) darf nicht verwechselt werden mit zahlreichen ähnlich betitelten Werken, welche lediglich wüste Phantastereien enthalten. Vielmehr basirt die vorliegende, anregende Arbeit auf streng mathematischen und theoretisch- physikalischen Ausführungen, und der Verfasser zeigt sich wohl bewandert in der theoretischen Physik. Der Physiker wird die mannigfachen originellen Gedanken mit Interesse lesen. H. Blanckenhorn, M., Das tote Meer und der Untergang von Sodom und Gomorrha. Berlin. — 1 Mark. Dove, Priv.-Doc. Dr. Karl, Vom Kap zum Nil. Berlin. — 6,50 Mark. Gizicky, Dr. Paul v., Vom Baume der Erkenntniss. Berlin. — 10 Mark. Gomperz, H., Kritik des Hedonismus. Stuttgart. — 2,40 Mark. Inhalt: J. H. van’t Hoff: Ueber die zunehmende Bedeutung der anorganischen Chemie. — Von Anchylostomum und anderen thierischen Parasiten. — Zum Integument der Säugethiere. — Die Auffindung eines vierten Exemplars des Notornis Mantelli. — Ueber eine durch Bacterien verursachte Krankheit der Plötze, Leueiseus rutilus L. — Gewitter und Gezeiten. — Zur Methodik der hydrographischen Forschung. — Die antitoxische Wirkung der Galle. — Physiologie der Verdauung. — Aus dem wissen- schaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. H. Rudolph, Die Constitution der Materie und der Zusammenhang zwischen ponderabler und imponderabler Materie. — Liste. 540 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 45. | ERXXTEIZIIITIIIIYIIIYIIIIIIIIITIIIIITT [2 : von Poncet Glashütten-Werke 54, Köpnickerstr. BERLIN SO., Köpnickerstr. 54. Fabrik und Lager aller Gefässe und Utensilien für chem., pharm., physical., electro- u. a. techn. Zwecke. Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. Silberne Medaille: 1897 Gewerbe- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. Photo raphische Stativ- und Hand- Gameras. Gediegene Ausstattung. NT u Sämmtliche Bedarfsartikel,. 3% Spec.: Steckelmann’s Zusammenlegbare | Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera | Wechselcassette „Columbus“. Ohne Beutel! Für 12 Platten. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges.). Zerd. Dümmlers Berlagsbuchhandlung in Berlin SW. 1. Der Menfchheitslehrer, Der geninle Menfd,. Ein Kebensbild des Weifen von Nazareth. Bon Gläser für den Versand und zur Ausstellung naturwissenschaftlicher Präparate, Preisverzeichniss gratis und franco. © EERIITIIZIITIIIIIIITIIIIIKIITIITIIITIITT Ferd. Dümmlers Derlagsburhhandlung in Berlin SW. 12, Fimmerfr, 94. am an Al Od 0 999 9999999 Bon Hermann Türk. George Baul Sylvefter Gabanis. Dritte ftark vermehrte Auflage. 300 Seiten Oftav. Preis geh. 3 AM, elegant geb. 4 MH. 390 Seiten gr. 8%. Preis geb. 4,50 A, eleg. geb. 5,60 #. Zerd. Dimmlers Derlagsbunhandlung in Berlin SW. 12, Fimmerft. 94. | Gasmotoren ni; Dynamo- und Das Din Volksunterhalfung, maschinen gebraucht, garantirt betriebs- s . fühig, in allen Grössen offerirt Vorträge und Berichte Elektromotor aus dem Erften Konareh für Dolksunterhaltung zu Berlin. G. m. b. H. Berlin- NW., Schiffbauerdamm 21. Bon $.5. Archenhold, Albert Dresdner, R. von Erdberg, Otto Ernft, P. Selifch, Of Helene von Korfter, Ad. Gerftmann, Georg Hersfeld, Adolph Köhr, Raphael Kömwenfeld, Sriz Mauthner, E. R. Müller, Marg. Pöhlmann, ; Otto Ploeder-Edhardt, Hans von Schöning, Ernft Schule, Carl Siemon, R- Maerz Kudwig Sittenfeld, Fritz Telmann, Joh. Tews, Alfred van der Felde u. a. tlein, Ingenieur % trage herausgegeben von BARRY Fur Auftrage 5 geg ia Naphael Lömenfeld. Patent: Marken -u: Musterschutz. — - 136 Seiten 8%. Preis gebunden 1,50 M. PÄTENTBUREAU PIPPOPITTTTFTTTTTPTTT Dünnschliff-Sammlungen Hempel’s Klassiker - Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. für praktische mikroskopische Uebungen. || ,.;«. Dimmlers Verlagshh. Berlin. Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller wichtigen ; : ! Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. edel CRD TEIITTIIIITINTT re : „Mikroskopische Physiographie der massiven Gesteine“ Stutt- ii i in SW. 12, 3i . 94. gart 1896. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste Ferd. Bümmlers Derlagsbuchhandlung in Berlin and HMMEXRE gedruckte Beschreibung, derart, dass der Lernende die einzelnen G ngtheile der Gestei akroskopisel d ikroskopisch r Cgmensrinie der Gestins mksoskopisch und wikoskopich || Yıyy Zauıme der Kerkenntnis, Sammlungen von je 120, 180 und 250 Dünnschliffen in ee _ elegantem Etui je Mk. 150, Mk. 225, bez. Mk. 325. : £ 5 Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen Handstücken. Sragmente "ormat 8, > 11 em.) je Mk. 250, 5 ‚ bez. ; h R e 2 4 Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer genauen zur Ethik umd Pfychologie aus der Meltlitteratur, mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate gefammelt und herausgegeben von und für die richtige Auswahl von charakteristischem Material B garantirt werden kann. Dr. Paul von Giryrki, Stadtihulinfvektor in Berlin. Dr. F. Krantz Rheinisclh 2 wi hi 3 na I. Band: Grunöproßleme. ee EN Fe: DRLOR- Zweite Auflage. 808 Seiten groß Dftav. 1 ._ . mı . B| GSeheftet 7,50 M., in feinftem Lieberhaberhalbfranz LO M. Geschäftsgründung 1833. Bonn a./Rh. Geschäftsgründung 1833. 5 mem Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. mm Verantwortlicher Redacteur i. V.: Dr. R. Hennig, Berlin W., Hohenstaufenstrasse 79, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. BERE Redaktion: rs = 2 : FE ns die naturwissenschaftliche Forschung ufgiebt an weltum- 1 fassenden Ideen und an locken- den Gebil en der Phantasıe, w.rd ihr reichlich ersetzt durch don | Zauber der Wirklichke t, derihre gi Schöpfungen schmückt. Schwendener. Dr. H. Potonie. Te Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XIII. Band. Abonnement: Man ab-nnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist HM 4.— Bringegeld bei der Post 15 „9 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Sonntag, den 13. Y T November 1898. Nr. 46. Inserate Die viergespaltene Petitzeile 40 %. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Ueber die Bildung natürlicher Vegetationsformationen im Norddeutschen Flachlande. Von P. Graebner.*) Wenn jemand auf den grossen Eisenbahnlinien das norddeutsche Flachland durchkreuzt und so auf tagelangen Fahrten die grossen Thäler, in denen das Wasser des abschmelzenden Inlandeises sich seinen Weg bahnte, oder auf den wenig bewegten Diluvialplateaus dahin fährt, wird er wenig angenehm berührt sein durch die Monotonie der Landschaft, die sich seinen Blicken darbietet; — im Osten meist ausgedehnte, einförmige Kiefernwälder oder öde Sandfelder, die nur in den nördlicheren Theilen dem freundlicheren Bilde grösserer Wiesenflächen und üppigerer Aecker Platz machen, im Westen unabsehbare Heideflächen auf sanft gewöbten Hügeln, nur hin und wieder unter- brochen dureh nicht minder eintönige Moore. Erst eine genauere Kenntniss des so oft verachteten, rauhen Nord- deutschlands zeigt, dass das Urtheil, welches unseren heimathliehen Gefilden jedwede landschaftliche Schönheit abspricht, nur von solchen Reisenden gefällt werden kann, die aus einem flüchtigen Besuch sich ibre Anschauung gebildet haben. Sobald wir jene Gebiete der Monotonie, die mit Vorliebe von den Eisenbahntechnikern ausgesucht werden, verlassen, treten uns die mannigfachsten Forma- tionen entgegen; da finden wir rauschende Buchenwälder abwechselnd mit üppigen Wiesen, in manchen Theilen unterbrochen durch weitschimmernde Wasserflächen. Giebt schon eine flüchtige Reise durch das Gebiet zu denken, warum sich der Westen uns so ganz anders gebildet entgegenstellt als der Osten, so müssen wir uns um so mehr fragen, wie wir uns die Ausbildung der ver- schiedenen Formationen auf engbegrenzten Landstrichen zu denken haben, warum wir hier eine Heide in unmittel- barer Nachbarschaft eines Eichen- oder Buchenwaldes *) Abgedruckt aus dem Archiv der „Brandenburgia“, Ges. f. Heimathkunde der Prov. Brandenburg zu Berlin. 1898. Herr Dr. Graebner hat den obigen Abdruck in der Korrektur für die „Naturw. Wochenschr.“ freundlichst durchgesehen und einige den bereits im Frühjahr 1897 geschriebenen Aufsatz ergänzende Notizen eingefügt. — Red. sehen, oft, ohne dass wir äusserlich erhebliche Unterschiede in der Bodengestaltung zu erkennen vermögen, warum in der einen Thalmulde sich ein Grünlandmoor mit Ried- ı gräsern ausgebildet hat, während eine benachbarte Senkung durch ein typisches Heidemoor ausgefüllt wird. Es ist denn auch in der That schon seit früher Zeit das Be- streben vieler Botaniker, Land- und Forstwirthe gewesen, hier dem geheimnisvollen Walten der Natur auf die Spur zu kommen; es liegt ein eigener Reiz darin, die Gründe und Gesetze ausfindig zu machen, von denen die Natur- produkte bei ihrem Entstehen, bei ihrer Ausbildung ab- hängig erscheinen. Bereits in den älteren pflanzengeo- graphischen Werken finden wir Andeutungen und Er- klärungsversuche für diese oder jene formationsgeschicht- liche Thatsache, so schon bei Humboldt, bei Grisebach, besonders aber bei De Candolle. In neuerer Zeit sind mannigfache Ansichten über die Formationsbildung auf- getaucht und besonders eine Reihe von Beobachtungen und zahlreiche Materialien, die sich in den Museen und Herbarien gesammelt finden, sind für solche Forschungen nutzbringend verwerthet worden, so besonders von War- ming, Engler u. a.; was speciell das norddeutsche Flach- land betrifft, so finden wir in vielen Arbeiten Theorien und Thatsachen niedergelegt, die gezogenen Schlüsse stehen sich oft diametral gegenüber, denn während die einen gensigt sind, für die Selbständigkeit und Ursprüng- lichkeit der Formationen einzutreten, glauben wieder andere annehmen zu müssen, dass in einem so alten Kulturlande von natürlichen Formationen keine Rede mehr sein könne. Besonders Borggreve und E. H. L. Krause, von denen namentlich der letztere sich hervorragende Verdienste um die Ermittelung florengeschichtlicher That- sachen erworben hat, nahmen an, dass das ganze nord- deutsche Flachland, wenn es auch nur 100 Jahre von den Menschen verlassen sein würde, mit Ausnahme vielleicht der Salzsümpfe mit einem dichten Urwald be- deckt sein würde, und dass die Wälder, die sich heute Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 46. unseren Blicken darbieten, nur wenig Aehnlichkeit mit ursprünglichen - besitzen. Demgegenüber vertritt Drude wohl mit Recht die. Ansicht, dass sich unsere „Forsten“ in Bezug auf Zusammensetzung der Vegetation nicht erheb- lich von den „Urwäldern“ unterscheiden. Eine endgiltige Lösung der Frage der natürlichen Formationsbildung kann nur durch das gleichmässige Fort- schreiten verschiedener Wissenschaften gegeben werden. In erster Linie ist es die Quartärgeologie, von der von vornherein die erheblichste Förderung zu erwarten war, und gerade auf diesem Gebiete ist unsere Kenntniss durch die Arbeiten von Behrendt, Wahnschaffe, P. E. Müller und Ramann beträchtlich erweitert worden. Zugleich sind auch die’ Forschungen der Meteorologen und Klimatologen soweit gediehen, dass sie uns einen umfassenderen Ueber- blick über die Witterungsverhältnisse gestatten. Die Re- sultate beider Wissenschaften werden wir dann auf die Uebereinstimmung mit pflanzengeographischen Thatsachen und physiologischen Ermittelungen zu prüfen und dem- gemäss zu verwerthen haben. Es ist eine. den Gärtnern wohlbekannte Erscheinung, dass eine ganze Reihe von Pflanzen gegen eine Anreicherung im Wasser löslieher Mineralstoffe oder Humussäuren sich so empfindlich zeigt, dass oft eine einmalige unzeitige Bewässerung, die eine übermässige Lösung der genannten Verbindungen zur Folge hat, den Tod der kultivierten Pflanze zur Folge hat. Stellt man nun die Arten, die eine solche Abhängigkeit zeigen, zusammen, so findet man bald, dass sich, wie zu erwarten steht, ein inniger Zusammen- hang der Kulturmethoden mit‘ ihrem Vorkommen in der freien Natur herausstellt. Es sind nieht nur solche Pflanzen, die auf trocknem Boden ihr Dasein fristen, sondern viele derselben (z. B. eine grosse Zahl von Ericaceen) wachsen häufig an Stellen, an denen der Fuss des Sammlers tief in das Wasser einsinkt, wenn anders ein Betreten der wasserzügigen Stellen überhaupt möglich erscheint; die tropischen Luft-Orchideen, welche in den feuchten Jahreszeiten an Wasser keinen Mangel leiden, werden in unseren Gewächshäusern meist in Moos- torf und Sphagnum kultivirt, welches in ähnlicher Weise wie die Ericaceen eine Ansammlung stagnirenden Wassers nicht erträgt. Andererseits bemerken wir an anderen Arten, die wir auf unseren Grünlandmooren (Carices etc.) ‘oder an Wasserläufen ‚(Iris Pseudacorus, Sparganium ra- mosum, Juncus effusus u. a.) und auf pontischen Hügeln (resp. mergeligen Buchenwäldern, Ulmaria Filipendula, Lamium Galeobdolon, Asarum europaeum u. v. a.) beob- achten, eine auffällige Unempfindlichkeit gegen die Einflüsse gelöster Salze ete.. Ich habe während verschiedener Jahre zahlreiche Versuche in dieser Richtung gemacht, alle mit demselben Erfolge: es zeigten sich die Pflanzen aus den verschiedensten Familien in gleicher Weise abhängig; Sphagnum verhielt sich wie Drosera, Juneus squarrosus, Calluna, Erica, Rhynchospora, Ledum, (Pinus silvestris) und viele andere. Sie alle starben ab, sobald künstlich der Abfluss des überflüssigen Wassers verhindert, durch nahr- stoffreichen Boden geleitetes Wasser dargeboten wurden, was die Pflanzen .der Grünlandmoore ohne jeden Schaden ertrugen. Ich habe Vertreter der letzteren, besonders Carices, lange Zeit in unten völlig geschlossenen Gefässen gehalten, und durch die fortwährende Ergänzung des ver- dunstenden Wassers, welches immer über der Bodenober- fläche stand, war die Erde nach kurzer Zeit vollkommen sauer geworden. Ich sprach darauf hin bereits in früheren Arbeiten die Ansicht aus, dass wahrscheinlich die Wässer der Heide- und Grünlandmoore einen sehr verschiedenen Gehalt an gelösten organischen und anorganischen Stoffen (nicht nur an Kalken) enthielten und darauf die Ver- schiedenartigkeit der Vegetation zurückzuführen sei. Die Arbeiten der Bodenchemiker haben die Richtigkeit der Vermutung bestätigt. Betrachtet man nun die übrigen Vegetationsformationen in ihren Beziehungen zu Heidemoor und Wiesenmoor, so ergeben sich ganz auffällige Ueber- einstimmungen: dass die Sandfelder, Heiden, Heidemoore, Heidetümpel und Seen nur durch den verschiedenen Wassergehalt in ihrer Vegetation von einander abweichen und so eine zusammengehörige Gruppe bilden, zu der die Formation der Kiefernwälder in engstem Verhältniss steht, lehrt die blosse Betrachtung in der Natur. In ähnlicher Weise zeigen sich die pontischen Hügel, die Buchenwälder, die Flusswiesen, Erlenbrücher, Grünlandmoore und Land- wässer (Teiche, Wasserläufe und Landseen) mit einander nahe verwandt, ebenso wie Stranddünen, Strandwiesen und Salzsümpfe. Einen gewissen Uebergang zwischen der ersten und zweiten Gruppe bilden die Eichen- und Birkenwälder. — Es ist augenscheinlich nicht die grössere oder geringere Wassermenge, die in den verschiedenen Formationen den Pflanzen zur Verfügung steht, durch welche die eingreifend- sten Unterschiede in der Formationsgestaltung hervorge- bracht werden, sondern der Prozentgehalt der gelösten Stoffe, den das an die Wurzeln gelangende Wasser ent- hält, scheint in erster Linie maassgebend zu sein für den Charakter der Vegetation. Der Kalkgehalt des Bodens, den man als ein Hauptagens für die Formationsgestaltung auch im norddeutschen Flachlande anzusehen häufig ge- neigt war, scheint nur in gewissen Fällen von wirklich so grundlegender Bedeutung zu sein, wie man vielfach annahm; da z. B. die Heide nicht so sehr die Kalkböden (nur, wie es scheint, Jurakalke) meidet, vielmehr ist es wahrscheinlich, dass der mit dem Kalkgehalt zugleich sich einfindende Reichthum an anderen Nährstoffen den ent- scheidensten Einfluss ausübt. Selbstverständlich ist der Kalk- resp. Mergelgehalt im Diluvium an sich auch von grossem Einfluss auf die Ausbildung der Vegetation im Allgemeinen, aber wohl meist indirekt, d. h. er wirkt nicht hauptsächlich als ein Bestandtheil des von den Wurzeln aufgenommenen Wassers, sondern dadurch, dass er dem Boden, dem er beigemischt ist, immer bestimmte physi- kalische Eigenschaften verleiht, ihn zu einem für viele Pflanzen geeigneten, sogenannten „warmen“ Boden macht und durch seine Anwesenheit oft sekundäre Veränderungen (z. B. Ablagerung von Humussandstein) verhindert, ihm dadurch die für die Vegetation vieler Arten nothwendige „Tiefgründigkeit* bewahrt und last not least durch seine chemischen Eigenschaften viele Nährstoffe schnell im Boden löslich und so den Pflanzen in reichlichem Maasse zu- gänglich macht. E. Laufer und F. Wahnschaffe*) haben in der Um- gebung von Berlin zahlreiche Bodenuntersuchungen vor- genommen, die besonders die grossen Schwankungen im Gehalt an Eisenoxyd, Kalkerde, Magnesia, Kali, Natron, Kohlensäure, Phosphorsäure in den verschiedenen Boden- arten erkennen lassen. Leider fehlen grosse Reihen von Wasseranalysen, die den einzelnen Formationen entnommen, nach gleichen Grundsätzen ausgeführt sind, vollkommen. Es wären gerade solehe Untersuchungen für das Studium der Formationsgeschichte von unschätzbarem Werthe. E. Ramann**) hat einige solcher Wässer analysirt und gerade die hier gewonnenen Resultate sprechen in Zusammenhang ‚mit den von Laufer und Wahnschaffe an- gegebenen Werthen (durch verschiedene Reagentien auf- geschlossene Böden) für die gehegten Vermuthungen. ®) Untersuchungen des Bodens der Umgebung von Berlin. Abh. geolog. Specialkarte von Preussen aus den Thür. Staaten, Ba. Ill; Heft 2, 1881, S. 1—283. #*) Organogene Bildungen der Jetztzeit. Mineralogie ete., Beil., Bd. X, 1895, S. 119-166. Neues Jahrbuch. (S. 156 #.) XII. Nr. 46. Ramann fand u. a. in 100000 Theilen Wasser in einem Heidemoor, welches in ein Grünlandmoor überging folgen- des Verhältniss: Grenze | Wiesen- 3 Heide- j zwischen 7°: \ beiden Sigi Kali . Er: | 0,140 | 0,388 | 0,139 INNROT I al | 0,821 ı 0,912 | 0,653 Kalkerde ı 15,000 | 8,560 | 0,960 Magnesia E05‘ 04a "0120 Manganoxydull . . . . | 0,108 0,108 | 0,048 Eisenoxydul 1090 1,116 0,524 | 0,264 Schwefelsäure ar 1,236 0,496 | 0,485 Phosphorsäure . 2... \ 0,128 0.228 | 0,120 CH. 2.2, ng) wllvs0,Ta | 0,064 | 0,099 Kieselsäuve . . 2... | 2493 | 0,972 | 0,660 Summe der Mineralstoffe | 21,687 | 12,500 | 3,548 Organische Stoffe 3,026 111,21:92 1,79 An einer anderen Stelle (am Plager See bei Chorin), wo auf ein Grünlandmoor ebenfalls ein Heidemoor folgt, welches dann nach dem Landsee zu in ein Eriophoretum Naturwissenschaftliche Wochenschrift. und dieses wieder am Rande des Wassers in einen Schilfbestand überging, fand Ramann folgendes Ver- hältniss: \wi Heide- | Heide- | Erio- | | | moor | moor | phore- | Schilf | N | (Mitte) |(Grenze)| tum 5 0 | 0.220 | 0.292 | 0254 | 6,446 Natron... ..| 0,736. \.0,414 | 0,553 | 1,234 | 1,057 Kalkerde . . 1. 2,667.| 0,134 | 0,785 | 1,928.| 3,081 Magnesia . . . || 0,353 | 0,152 | 0,429 | 0,407. | 0,612 Manganoxydul ' 0,010 | Spur: | 0,101 | 0,098 | 0,083 Eisenoxydul . | 1,355. | 0,126 | 0,606 | 0,261 | 0,207 . Schwefelsäure 0,916 0,536 | 0,463 | 0,585 | 0,979 Phosphorsäure 0,011 | 0,064 | 0,168 | 0,164 | 0,029 Chlor ın.best. n.best. | 0,171 | 0,094 | 0,045 Kieselsäure .. . | 0,809 | 0,333 | 1,447 | 1.224 | 0,693 Sa. d. Mineralst. | 7,074 | 1,979 | 5,015 | 6,249 | 7,732 Organ. Stoffe |'0,95 | 0,55 | 1,60 | 1,20 | 0,76 „Das Wasser des Grünlandmoores entspricht wohl nieht ganz normalen Verhältnissen; möglich, dass sich ein Theil oberflächlich zugelaufenen Regenwassers bei- gemischt hatte. Die Stelle, an der die Probenahme aus- geführt wurde, war noch ziemlich locker, reich an sandigen Beimischungen, ohne saure Reaktion. Es kann daher nicht auffallen, dass Phosphorsäure nur spurenweise vor- handen ist; die redueirende Wirkung der organischen Stoffe zeigt sich im Gehalte von Eisenoxydul.“ „Auffällig ist der fast gleichbleibende Gehalt an Kali in den Wässern der ganzen Randgebiete. Am stärksten weicht der Gehalt an Kalk und Magnesia von einander ab. Während beide im Wasser des Arundinetums 48 %/, und im Grünlandsmoor 41°/, der gelösten Salze aus- machen, betragen sie im Wollgrasmoor noch 33 °/,, gehen dagegen in der Grenze des Hochmoores auf 25 %),, im Hochmoor selbst auf 14°/, herab.“ „Einer jeden Vegetation entspricht demnach ein Wasser mit abweichendem Salzgehalt. Das Beispiel ist um so schärfer, da die ganze Breite des Moores noch nicht 200m erreicht und speciell die des Hochmoores kaum 20—30 m beträgt.“ 543 „Mineralstoffgehalt und Kalkgehalt in 100000 Wasser.“ Flachmoor. Sphagnetum. Sphagnet. Eriophoretum. Arundi- Grenze. netum. Min. St. = 7,07. 7,18. 2 6,25. x 5,02. © % Ca0.2,67. x 1,98. x s 3,08. 0.13. 0,18. De % x X „Die Verhältnisse des Plager.Fenns lassen sich durch ein ‚Profil darstellen, welches sich in seiner Art. nicht weniger geologische Verhältnisse charakterisirt, wie dies mit anderen Profilen geschieht.“ „Beachtet. man die Düngewirkung von Salzen auf Moore, und dass es bisher nieht gelungen ist, Sphagneen in kalkhaltigen Wässern längere Zeit lebend zu erhalten *), so scheint die Frage, ob die Verschiedenartigkeit der Vegetation die Folge oder Ursache der wechselnden Zu- sammensetzung der Wässer ist, im. ersten Sinne ent- schieden; nur der wechselnde Salzgehalt des Wassers, insbesondere Gegenwart oder Fehlen von Kalk kann die Ursache der Verschiedenheit der Vegetation sein.“ „Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es bei zahl- reieheren Untersuchungen möglich sein wird, hierbei ganz bestimmte Verhältnisse nachzuweisen; die Analysen sprechen dafür, dass die-Sphagneen erst bei einem Salzgehalt, der 3—4 Theile auf 100000 Theile Wasser nicht übersteigt, dauernd zu vegitiren vermögen.“ „Aus den Analysen ergiebt sich endlich noch, dass zwischen dem Wasser der Hochmoorschichten und dem der benachbarten Gebiete ein geringer Austausch statt- findet. Ueberall trägt die Zusammensetzung der Wässer desselben Moores gemeinsame Züge, die durch die vor- handenen Unterschiede nicht völlig verwischt werden.“ Ramann kommt so auf Grund chemischer Analysen zu denselben Resultaten, wie ich sie zu gleicher Zeit durch Pflanzenkulturen und Beobachtung im Freien gewonnen habe. Die auffällige Uebereinstimmung spricht sehr für die Richtigkeit der gemachten Annahmen, Ob wirklieh der Kalkgehalt unmittelbar (nicht mittel- bar) im weichen Boden des Flachlandes (in Gebirge auf anstehendem Gestein sind natürlich ganz andere Verhält- nisse maassgebend) einen so einschneidenden Einfluss auf die Ausbildung der Vegetation besitzt, wie bisher ziemlich allgemein angenommen wurde, erscheint mir, wie bereits oben bemerkt, nieht sicher,**) da sowohl meine Kulturver- suche mit Wiesenmoor-, Wald- und Heidepflanzen (auch Sphagneen) auf kalkfreiem aber an löslichen Salzen reichem Substrat und andrerseits auf armem Kalkboden als auch die auf Heidemooren vorgenommenen Düngungen mit Kalisalzen ete. dasselbe Resultat ergeben haben, wie es durch Mergeldüngung ete. erzielt worden ist. Es scheint danach im Flachlande nicht so sehr die Höhe des Kalkgehaltes als vielmehr (in der bei weitem grössten Mehrzahl der Fälle) die Summe der in dem den Wurzeln #) Sendtner: „Vegetationsverhältnisse Südbaierns“, S. 638; Sphagneen in kalkhaltigem Wasser starben ab, in destillirtem Wasser konnten sie jahrelang vegetirend erhalten werden. **) Zusatz 1898: Neuerdings hat C. A. Weber-Bremen, wie ich mich bei einem diesjährigen Besuche selbt überzeugen konnte weit umfassendere Versuche mit Sphagneneulturen gemacht als ich, deren Resultate sich vollkommen mit den meinigen decken. Ich will darauf verziehten, meine jetzt viel bestimmteren An- schauungen auseinanderzusetzen, um Weber, der hoffentlich demnächst seine Resultate publieiren wird, in keiner Weise vor- ! zugreifen. 544 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 46, zugeführten Wasser gelösten Salzen für die natürliche Formationsbildung maassgebend zu sein. Will man die Vegetationsformationen in ihrer Ent- stebung verfolgen, so wird man gut thun, sie an solchen Stellen zu beobachten, wo wir sicher sind, dass von Menschenhand keine Samen dorthin getragen sind, und wo wir sehen, dass ein aus irgend einem Grunde ver- kahlter Boden, durch eine Erdrutschung, einen Ausstich oder eine Holzung (resp. Windbruch) sich mit einer Vege- tation bedeckt, in der entschieden die Vertreter einer be- stimmten Formation den Vorrang haben. Zahlreiche Beob- achtungen und Aufzeichnungen in dieser Richtung haben mich nun zu der Ueberzeugung geführt, dass eine natür- liche Eintheilung der Formationen, ihrer Entwickelung entsprechend, in der Weise geschehen kann, dass der Nahrstoffgehalt des zugeführten Wassers zur Grundlage genommen wird und dann die Quantität desselben in Ver- bindung mit anderen äusserlich eingreifeuden Factoren zur Abgrenzung der weiteren, in der Natur gegebenen Vergesellschaftungen benutzt wird. Die Untersuchungen der Geologen, besonders E. Laufers und F. Wahn- schaffes, P. E. Müllers und E. Ramanns, haben die Ver- muthung bestätigt. Besonders auffallend tritt der Unter- schied der Formationen nahrstoffarmer oder -reicher Wässer bei den waldlosen Formationen zu Tage. Die Formation, die wir als die der pontischen Hügel be- zeichnen, hauptsächlich an trockenen, mergelhaltigen Abhängen entwickelt, weicht ganz erheblich von der der trockenen Heide ab, obwohl das Maass der Trockenheit bei beiden ein gleiches sein dürfte, und ebenso verschieden ist das Aussehen der Heide- und Gründlandmoore wie auch die Vegetation ihrer Wasserlachen und Seen. Wollen wir so versuchen, die Entwickelung unserer Vegetationsformationen in natürlicher Folge zu betrachten, so wird sich etwa folgendes Schema ergeben: A. Vegetationsformationen mit mineralstoffreichen Wässern. 1. Trockener Boden: a) übermässige Ansammlung (auch thierischer, or- ganischer Stoffe); Ruderalstellen, b) Pontische Hügel. Mässig feuchter Boden (Waldbildung): a) auf Mergelboden Buchenwälder (an sandigeren Stellen oft die Weissbuche vorwiegend), b) auf Sand- oder doch weniger mergelhaltigem Boden: «) trocknerer Boden Eichen-, Birkenwälder (hier allmähliche Uebergänge zu B 2b), ß) feuchterer Boden (in einigen Theilen des Gebietes) Fichtenwälder. 3. Nasser Boden: a) ohne übermässige Anreicherung von Nährstoffen, meist an fliessendem Wasser «) ohne Ueberschwemmung und Eisgang Erlen- brücher, ß) mit Ueberschwemmung ohne Eisgang Auen- wälder, y) mit Ueberschwemmung und Eisgang natür- liche Wiesen, b) mit übermässiger Anreicherung [auch (meist pflanzlicher) organischer Stoffe] Grünlandmoore („saure Wiesen“). 4. Im Wasser, Landseen, Teiche, Flüsse, Bäche. IS) B. Vegetationsformationen mit mineralstoffarmen Wässern. 1. sehr trockener Boden, Sandfelder, 2. trockener bis mässig feuchter Boden: a) mit Ortstein oder dicke Bleisandschichten, Calluna-Heiden, b) ohne Ortstein oder dicke Bleisandschichten, Kiefernwälder (hier Tebergang zu A 2 b), 3. nasser Boden, Heidemoore, 4. im Wasser, Heideseen, -tümpel. C. Vegetationsformationen mit salzhaltigen Wässern. 1. trockener Boden, Dünen, 2. feuchter Boden, Strandwiesen, 3. nasser Boden, Salzsümpfe. A. Vegetationsformationen mit nahrstoffreichen Wässern. Wie schon oben hervorgehoben wurde, muss man in diese Gruppe alle diejenigen Formationen rechnen, in denen das an die Wurzeln der Pflanzen gelangende Wasser einen Mineralstoffgehalt von mehr als etwa 6 oder 10 (meist über 15—30) Theilen auf 100 000 enthält, während sich in der Abtheilung B selten mehr als 2 in 100 000 Theilen vorfinden. Je nach der Quantität des zu Gebote stehenden Wassers werden sich naturgemäss sehr ver- schiedenartige Formationen ausbilden, wobei dann eben- falls die vorhandene Bodenart ausschlaggebend sein wird; jedoch zeigt sich hier, dass auch die Eintheilung nach den Substraten keinen Widerspruch ergiebt, da die Mergel-, Lehm- und Thonböden (sterile Letten kommen bei uns nicht in Betracht) alle zu den nahrstoffreichen Böden gerechnet werden müssen, und nur die Sande und Torfe, die ja auch die allerverschiedenartigste Vegetation zu tragen vermögen, finden wir in allen Abtheilungen wieder. 1. Vegetationsformation der Ruderalstellen. Obgleich die Vegetationsformation der Ruderalstellen nicht eigentlich den natürlichen Formationen wird zu- gerechnet werden können, habe ich doch geglaubt, die- selbe hier erwähnen zu sollen, da sie durch in der Natur gegebene Verhältnisse hervorgerufen wird und sich meist sogar gegen den Willen des Menschen bildet. Hin und wieder finden wir auch in unseren Wäldern, besonders Eichen-, ganz ähnliche Lokalitäten, an denen das Wild täglieh grast und an denen durch die Exkremente der- selben eine Anreicherung von organischen, besonders ammoniakhaltigen, Stoffen eintritt. Derartige Liehtungen, die zwar wohl nie in grösserer Ausd:hnung vorkommen, sah ich mehrfach (bei Neuhaldensleben, bei Berlin, bei Colberg und in Westpreussen). Die Flora derselben er- innert lebhaft an die der Dorfstrassen und Schuttstellen, besonders Urtiea dioeca tritt fast immer in grossen Mengen auf, dazwischen meist sehr viel Nardus strieta, Euphrasia gracilis und Cirsium lanceolatum. An Pilzen sind oft Clavaria Ligula, Lycoperdon eaelatum und Thelephora- Arten zahlreich entwickelt. Die Zusammensetzung der Ruderalfloren in Städten und Dörfern ist bekannt, Ohenopodien, Atriplex-Arten, Urtiea, Cirsien u. a. spielen eine grosse Rolle, von selt- neren Arten wohl nur Coronopus squamatus und Poten- tilla supina. Ungemein zahlreiche Pflanzenarten finden sieh oft zwischen den Pflastersteinen und an den Rinn- steinrändern kleinerer Städte; ich sah besonders in Putzig (Westpr.) und in Oderberg in Brandenburg derartig reich entwickelte Strassenfloren; im letztgenannten Orte konnte ich mit den Herren Prof. Dr. P. Ascherson, H. Poever- lein und E. Pritzel im Sommer 1896 folgende Pflanzen in bestimmbarem Zustande notiren: Cystopus candidus (auf Capsella bursa pastoris), Barbula muralis, Agrostis vul- garis, A. spica venti, Daetylis glomerata, Poa annua, P. compressa, Bromus tectorum, Lolium perenne, Triticum repens, Hordeum murizum, Juncus compressus, J. glaueus, Urtica urens, U. dioeca, Rumex erispus, Polygonum avi- eulare, P. nodosum, Chenopodium glaucum, Ch. album, a XIll. Nr. 46 Atriplex patulum, Amarantus retroflexus, A. Blitum, Ra- nuneulus repens, Chelidonium majus, Papaver Argemone, Lepidium ruderale, Sisymbrium offieinale, Raphanistrum silvestre, Barbarea Iyrata, Nasturtium silvestre, Capsella bursa pastoris, Erysimum cheiranthoides, Reseda odorata, Ribes Grossularia (Rinnsteinrand am Markt), Spergula arvensis, Sagina procumbens, Cerastium triviale, Stellaria media, Potentilla reptans, P. anserina, Trifolium arvense, Tr. repens, Medicago sativa, Geranium pusillum, Sium latifolium, Daucus Carota, Coriandrum sativum, Torilis Anthriseus, Lamium purpureum, Eilssholzia Patrinii, Glechoma hederacea, Stachys palustris, Mentha aquatica, Lyeium halimifolium, Veronica aquatieca, V. scutellata, Plantago major, Pl. lanceolata, Galium palustre, Erigeron canadensis, Gnaphalium uliginosum, Bidens tripartitus, Achillea Millefolium, Chrysanthemum inodorum, Chr. Par- thenium, Artemisia vulgaris, A. campestris, Tussilago Far- farus, Seneeio vulgaris, Cirsium arvense, Crepis teetorum, Leontodon autumnale, Taraxacum vulgare, Sonchus asper, S. oleraceus; also mit Sicherheit erkennbar 77 Arten. Südlich des Dorfes Rheda im Kreise Neustadt in Westpreussen war ein hoher, steiler Diluvialabhang von Geschiebemergel fast auf der ganzen Höhe und in erheb- licher Breite durch starke Regengüsse vollständig seiner Pflanzendecke beraubt worden. Es war mir interessant, zu beobachten, wie dieser Abhang, eine natürliche Ent- blössung des Bodens, sich im ersten Jahre mit einer Ve- getation bedeckte, die sehr lebhaft an die der Ruderal- stellen erinnert, trotzdem von einer Einwirkung des Men- schen nieht die Rede sein konnte, und die zugleich zeigt, dass die Flora der Ruderalstellen mit der im nächsten Kapitel zu beschreibenden der „pontischen* Hügel in innigstem Zusammenhange steht, was auch dadurch klar wurde, dass die unverletzten, älteren Theile des perma- nenten Abhanges die Formation 2 trugen. Es bringt hier augenscheinlich der natürliche Nahrstoffreichthum der un- berührten Diluvialmergel im ersten Jahre dieselbe Vege- tation hervor, wie wir sie bei den Wohnsitzen des Men- schen an durch Abfälle oder tlierische Exkremente ge- düngten Ruderal- oder Segetalstellen (Aecker, Gärten ete.) beobachten. In späteren Jahren verschwindet die Flora an den natürlichen Standorten fast ganz, da ihr durch die sich ansiedelnden mehrjährigen, meist rasenbildenden Pflanzen der Boden entzogen wird, und so können wir dort alle Uebergänge zu der Formation 2 vorfinden. — An dem Steilabhang bei Rheda wurden folgende Arten, die über den kahlen Boden zerstreut waren, beobachtet: Festuca ovina, Agrostis spica venti, Rumex Acetosella, Melandryum album, Silene Otites, Arenaria serpyllifolia, Seleranthus perennis, Papaver spec. Stenophragma Tha- lianum, Viola trieolor, Erodium eieutarium, Myosotis strieta, Convolvulus arvensis, Knautia arvensis, Gnaphalium uli- ginosum, Anthemis arvensis, Seneecio vernalis, Erigeron canadensis, Achillea Millefolium, Centaurea Cyanus. 2. Vegetationsformation pontischer Hügel. Es bedarf zuerst einer kurzen Erklärung, was wir unter der Bezeichnung „pontische Hügel“ zu verstehen haben. Eine grosse Anzahl derjenigen Pflanzenarten, die wir nur im östlichen Theile unseres norddeutschen Flach- landes verbreitet finden, die in diesem Gebiete der Phy- siognomie mancher Formationen ein sehr charakteristisches Gepräge geben, gehören alle einer Pflanzengesellschaft an, die wir deshalb, weil der Hauptverbreitungsbezirk der betreffenden Arten oder Gattungen sich im südöst- lichen Europa befindet, als die „pontische“ bezeichnen, besonders im Gegensatz zu der nordwestlichen, der „nor- disch-atlantischen“. Die Mehrzahl der ersteren bevorzugt nun sehr eigenthümliche Standorte, wir finden sie meist Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 545 an den trocknen, oft nach Süden gekehrten Abhängen troekner Hügel, auf mergeligem Sand oder sandigem Mergel. Die Lokalität ist meist mit Strauchwerk oder einzelnen kleineren Bäumen bestanden und zeigt fast immer zwischen den einzelnen Stauden kleinere oder grössere Flächen kahlen Bodens, die oft keineswegs trocken erscheinen, sondern meist, zu troeknen Zeiten in geringer Tiefe, frisch und feucht sind. Man sieht deut- lich, dass durch die den Abhang herabrieselnden Regen- wassermengen die oberste Bodenschicht erst vor kurzem fortgespült worden ist, und das ist eben das Charak- teristikum der pontischen Hügel und ihr Gegensatz zur Heide (siehe unten), dass an den immer stark geneigten, oft sehr steilen Abhängen die Bildung einer oberen aus- gelaugten Bodenschieht dadurch verhindert wird, dass durch dauernde, wenn auch geringe Abtragung der der Atmosphäre ausgesetzt gewesenen Bodentheilchen die unteren weniger zersetzten zutage kommen und so von den auffallenden Regentropfen immer wieder nahrstoff- reiche Schichten getroffen werden. Man kann daher häufig die Beobachtung machen, dass an der oberen Grenze der mit der charakteristischen Vegetation be- deekten Abhänge, wo das Terrain allmählich in die Fläche des Plateaus übergeht, wo die starke Neigung ab- nimmt und schliesslich verschwindet, die Formation sich in eine heidige (Kiefernwald ete.) oder gar in eine echte Heide verwandelt; bei genauer Betrachtung sieht man, dass der Boden mit einer mehr oder weniger dicken Blei- Sandlage bedeckt ist, die oberen Schichten zeigen also einen starken Grad von Verwitterung und Auslaugung, und daher Armuth an löslichen Stoffen, weil die Regen- mengen auf der wenig oder nicht geneigten Oberfläche nieht fortrieselten, sondern immer und immer wieder durch dieselben Erdschiehten durehsickerten und sie so all- mählich fast aller Nahrstoffe beraubten. Von Wichtigkeit ist hierbei auch die Erscheinung, dass an den stärker geneigten Abhängen die verwesenden Pflanzenreste, weil sie mit der herabgeführten Erde gemischt werden (oder auch selbst fortgetragen werden), sich vollständig zer- setzen, jedenfalls keine Humusschicht hinterlassen, welche wegen der die Verwitterung stark befördernde Eigen- schaften der in Wasser löslichen Humussäuren bei der Bildung der mineralstoffarınen Sande (Heide) eine grosse Rolle spielen. Wie sehon hervorgehoben, sind die Ab- hänge meist nur mit Strauchwerk oder niedrigen Bäumen bedeckt. Ein Waldbestand kann sich naturgemäss bei der geringen Stabilität der Bodenoberfläche nicht aus- bilden. Man beobachtet im Frühjahr oft zahlreiche Baum- sämlinge auf den verwundeten Stellen; aber schon im Herbst zeigt sich die Mehrzahl der wenigen erhalten ge- bliebenen Exemplare verkrümmt und zur Seite gebogen, und gar im nächsten Jahre ist ein grosser Theil ver- schüttet, wir sehen hier und dort die einzelnen Triebe aus der Erde hervorragen, und die am Leben bleibenden Individuen entwickeln sich strauchförmig. Nur selten vermag eine Pflanze fest Wurzel zu fassen (bes. Espen) und zu einem Baume auszuwachsen; aber schon in nicht allzuspäten Jahren bemerkt man, dass der Stamm sich zu neigen beginnt, und häufig hängen die Bäume dann am Abhang mit der Krone nach unten. Nur ganz ver- einzelt stehen alte Bäume an solchen Orten (Eichen, Linden), dann aber meist in einer Mulde oder am sanft geneigten Fusse. Die dichten Bestände von hohem Busch- werk und Bäumen, die als Ufersaum oft die Abhänge an unseren grossen Strömen begleiten, zeigen schon ein ganz verändertes Aussehen; die grossen Exemplare stehen meist unten an flachen Stellen, oder die Gehänge sind durch zahlreich von der Seite her eingewaschene Querfurchen 546 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 46. und Thaleinschnitte abgeflacht und zergliedert; an solchen Orten geht die Formation in die der Erlenbrücher oder der Laubwälder über, und oft ist hier in erheblichen Mengen Humus abgelagert. In hervorragendem Maasse ist die Formation der pontischen Hügel auch im Osten des norddeutschen Flachlandes entwickelt, und zwar nicht allein deswegen, weil eine grosse Zahl der charakteristischen Bewohner nur hier verbreitet ist, im Westen fehlt oder nur spora- diseh auftritt, sondern auch weil die günstigen Lokalitäten im östlichen Theile des Gebiets erheblich häufiger sind, wo sie nieht nur (wie im Westen) an den Rändern grösserer Wasserläufe, sondern auch von diesen entfernt sehr zahlreich vorkommen. Es hängt diese Erscheinung mit dem allgemeinen Charakter mancher Gebietstheile zu- sammen. In der Provinz Hannover überwiegen (beson- ders in den grossen Heidegegenden) die sanft geneigten Hügel, namentlich im Osten der Mark ete. ist das Dilu- vialplateau durch unzählige, mehr oder minder steile Furehen und Einsenkungen zerklüftet und zerspalten, die wir meist mit der pontischen Vegetationsformation bedeckt finden. Es mag der Ausdruck „pontische“ Hügel für die in Rede stehende Formation nieht immer ganz zutreffend erscheinen, weil eben die pontischen Arten den Westen des Gebietes meiden, in dem wohl aber die Formation vertreten ist; es scheint mir jedoch diese Bezeichnung den Charakter der Florengesellschaft genauer zu be- zeichnen, als andere in den Floren gebräuchliche An- gaben, die leicht zu Missverständnissen Veranlassung geben können, da sie ebensogut für irgend eine andere völlig verschiedene Formation angewandt werden können (z. B. trockene Hügel ete.). An den Abhängen der grossen nordostdeutschen Diluvialthäler findet sich die Formation sehr charakteristisch ausgebildet. Als ein Beispiel mag die Vegetation des vielen märkischen Botanikern wohl- bekannten Pimpinellenberges bei Oderberg angeführt werden. Am Westabhang finden wir zwischen einzelnen kleinen, meist wenig über manneshohen Kiefern auf wenig ausgelaugtem mergeligen Sande Phleum Boehmeri (viel), Koehleria glauca, Festuca ovina, (Agrostis alba, A. vul- garis), Silene chlorantha, S. Otites, Alyssum montanum (sehr viel), Trifolium minus, Sedum reflexum, S. mite, Euphorbia Cyparissias, Euphrasia lutea (viel, Thymus Serpyllum, Knautia arvensis, Hieracium echioides (viel), H. Pilosella. An der Südseite desselben Berges konnte ich mit den Herren Prof. Ascherson, H. Poeverlein und E. Pritzel folgende Flora konstatiren: Cladonia rangi- ferina, Ceratodon purpureus, (Polytrichum piliferum), Hypnum cupressiforme, Stupa capillata, Phleum Boehmeri, Calamagrostis epigea, (Agrostis alba), (A. vulgaris), Koe- leria glauca, Festuca ovina, (Antherieum Liliago, Rumex Acetosa, Dianthus Carthusianorum, D. prolifer, Silene Otites, S. chlorantha, Seleranthus perennis, (Sel. annuus), Pulsatilla pratensis, Alyssum montanum (viel), Sedum re- flexum, S. mite, S. maximum, Rosa canina, Trifolium ar- vense, Tr. agrarium, Tr. minus, Vieia cassubica, V. tenui- folia, Ononis spinosa, Euphorbia Cyparissias, Hyperieum perforatum, Peucedanum Oreoselinum, Armeria elongata, Convolvulus arvensis, Calamintha Acinos, Thymus Serpyl- lum, Salvia pratensis, Veronica Teucrium, Euphrasia lutea (sehr viel), Seabiosa suaveolens, Knautia arvensis, Jasione montana, Solidago Virga aurea, Erigeron acer, Helichry- sum arenarium, Artemisia campestris, Centaurea pannicu- lata (viel), Hypochoeris radicata, Chondrilla juncea, Hie- racium echioides (sehr viel), H. Pilosella, Sceorzonera pur- purea. Am unteren Theile des Abhangs wuchs sehr viel Peucedanum ÖOreoselinum, dazwischen besonders Wein- gaertneria canescens, Koeleria glauea, Carex pilulifera, Berteroa ineana, Potentilla cinerea, Astragalus glyciphyl- lus, Convolvulus arvensis, Galium Mollugo, Erigeron ca- nadensis (an verwundeten Stellen), Achillea Millofolium, Centaurea Scabiosa. Sehr interessant war der Ueber- gang der Formation auf dem Gipfel des Hügels, wo der Sandboden ganz erheblich verwittert, ausgelaugt und oben von einer humosen Schicht überdeckt war. Die charak- teristischen pontischen Pflanzen traten mehr und mehr zurück und mit dem zahlreicheren Auftreten von Calluna vulgaris vermehrten sich auch die übrigen Heidepflanzen, von denen einige sich weiter unten schon spärlich vor- fanden, Cladonia rangiferina, Ceratodon purpureus, Poly- triehbum piliferum, Hypnum ceupressiforme, Festuca ovina, Weingaertneria canescens, Agrostis alba, A. vulgaris, Carex ericetorum, (Seleranthus perennis), Silene Otites, Pulsatilla pratensis, Thymus Serpyllum (viel), Scabiosa canescens, Hieracium Pilosella (viel). Zugleich mit der Zunahme der Heidepflanzen wurde auch Pinus silvestris häufiger und höher, und die Formation ging allmählich in einen Kiefern- wald mit Heidecharakter über. Es dürfte nicht nothwendig erscheinen, noch weitere vollständige Vegetationsbilder. pontischer Hügel zu geben, wohl aber wird es zweckmässig sein, aus dem grossen vorhandenen Material noch einiger interessanter und recht charakteristischer Vorkommnisse Erwähnung zu thun. Bei Schwedt a. O., dessen Umgebung sehr reich an der- artigen Lokalitäten ist, wurden von uns bei Gelegenheit der Frühjahrsversammlung*) des botanischen Vereins der Provinz Brandenburg an verschiedenen Orten Beobach- tungen und Aufzeichnungen gemacht. An den Rollmanns- bergen **) wuchsen u.a. Avena pratensis, Antherieus Liliago, Dianthus Cartusianorum, Viscaria viscosa, Thalietrum flexuosum, Pulsatilla pratensis, Sedum reflexum, Medicago minima, Trifolium alpestre, T. montanum, Coronilla varia, Vieia tenuifolia, Helianthemum Chamaeeistus, Peucedanum Oreoselinum, Primula offieinalis, Ajuga genevensis, Salvia pratensis, Campanula sibirica, C. persieifolia, Centaurea Scabiosa, C. pannieulata, Onopordon Acanthium, Leonto- don hispidus, Achyrophorus maculatus, Scorzonera humi- ls. Am Briesenberge***) fanden sich Phleum Boehmeri, Thesium intermedium, Filipendula hexapetala, Viola hirta, Peucedanum Cervaria, Myrrhis bulbosa, Cornus sanguinea, Stachys reetus, Veronica Teuerium, Orobanche caryophyl- lea, Vineetoxicum album, Asperula tinetoria, Campanula bononiensis, Ö©. glomerata, Chrysanthemum corymbosum. Nicht weit davon fand man noch Brachypodium pinna- tum, Carex montana, Anemone silvestris, Polygala co- mosa, Sanguisorba minor, Astragalus Cicer, Geranium sanguineum, Lithospermum offieinale, Orobanche lutea, Chondrilla juneea. Am Schwalbenberg7) wurde be- obachtet: Thesium intermedium, Thalietrum flexuosum, Pulsatilla pratensis, Potentilla eimerea, P. Tabernaemon- tani, Trifoium alpestre, Helianthemum Chamaeeistus, Falearia sioides, Brunella grandiflora, Cynoglossum offi- cinale, Centaurea panniculata. Schliesslich am Schäfer- berg: Phleum Boehmeri, Bromus inermis, Thesium inter- medium, Dianthus Carthusianorum, Viscaria viscosa, SI- lene nutans, Anemone silvestris, Alyssum calyeinum, Po- Iygala comosa, Saxifraga granulata, Orataegus monogyna, Saneuisorba minor, Potentilla einerea, Filipendula hexa- petala, Vieia tenuifolia, Trifolium montanum, Medicago minima, Anthyllis Vulneraria, Helianthemum Chamaeeistus, Falcaria sioides, Ajuga genevensis, Stachys rectus, Salvia =) Vgl. P. Ascherson und M. Gürke, Bericht über die 56. (34. Frühjahrs-) Haupt-Versammlung des Botanischen Vereins der Provinz Brandenburg zu Schwedt a. O. am 12. Juni 1892. Verh. Bot. Ver. Brandenburg XXXIV. (1892) S. I-XVI ZE) SViellra.. a. 0.19, II. Oel. a. a... 0.,87 IV: rt) Vgl. a. a. O. S. VI. XIII. Nr. 46. pratensis, (S. dumetorum), Veronica Teuerium, Orobanche caryophyllacea, ©. lutea, Vincetoxicum album, Asperula tinetoria, Galium boreale, Scabiosa columbaria, Campa- nula sibirica, Centaurea pannieulata, Leontodon hispidus, Crepis biennis, Scorzonera purpurea. wärts wachsen Thalietrum flexuosum, Th. minus, Oxy- tropis pilosa (sehr viel), Stachys germanieus und Melam- pyrum arvense. An ganz trockenen Orten auf den pontischen Hügeln, wo sich eine Formation entwickelt hat, die etwa der der Sandfelder bei den Pflanzengesellschaften nahrstoffarmer Wässer entspricht, nimmt die Zahl der Pflanzenarten naturgemäss sehr ab, Siupa capillata, (St. pennata) finden sich häufig als Charakterpflanzen solch steriler Stellen; bei Schwedt a. O.*) wuchsen Psoroma lentigerum und Ps. fulgens, die sonst den mitteldeutschen Kalkbergen eigenthümlich sind, in ihrer Gesellschaft. Umgekehrt finden wir an den feuchten (oft schatti- gen) Stellen besonders im Frühling eine reiche Flora, in den bereits oben erwähnten Buschwäldern der Diluvial- ränder; Triticum caninum, Allium Scordoprasum, Ulmus campestris suberosa, Clematis recta, Corydallis cava, C. solida, C. intermedia, Mercurialis perennis, Lithos- permum purpureo-coeruleum (an lichten Orten), Pulmo- naria offieinalis, Myosotis sparsiflora, Omphalodes scorpi- oides, Chrysanthemum corymbosum und viele andere sammelte ich an solehen Lokalitäten, kurz eine Flora, die schon fast ganz der unserer Laubwälder gleicht. 3. Vegetationsformation der Buchenwälder. Ueberall im norddeutschen Flachlande, wo nicht irgendwelche schädlichen Einflüsse sich geltend machen, zeigt der Boden die Neigung, sich mit Wald zu bedecken; es haben deshalb, wie schon hervorgehoben, einige Forscher angenommen, dass das ganze Gebiet ohne menschlichen Einfluss einen einzigen Wald darstellen würde. Wenn dem nun auch wohl sicher nicht so ist, so ist es doch richtig, dass bei weitem der grösste Theil Norddeutschlands mit Wald bewachsen sein würde. An allen Orten, wo nicht Steilheit der Abhänge, die völlige Sterilität des Bodens, der Ortstein oder mechanische Ge- walten zeitweise strömenden Wassers oder des Windes die Waldbildung verhindern, wird sich je nach der Be- schaffenheit des Bodens ein Laubwald oder Nadelwald ausbilden. Den unmittelbaren Anschluss an die vorbeschriebene Formation der pontischen Hügel stellt der Buchenwald dar. Bestände von Fagus silvatica finden wir überall dort, wo ein mässig feuchter, mergelhaltiger Boden vor- handen ist. Unter solchen Verhältnissen findet die Buche so günstige Lebensbedingungen, dass die übrigen etwa mit ihr aufwachsenden Bäume, z. B. die Eiche, im Wachs- thum mit ihr nicht gleichen Schritt zu halten vermögen. Man hat oft zu beobachten Gelegenheit, dass an ent- blössten Stellen, wo z. B. durch Windbruch im Walde eine Lücke entstanden ist, mit der Buche zugleich oft eine ganze Anzahl anderer Holzgewächse sich anfinden. An einem solchen Orte sieht man über den ganzen Boden zerstreut zahllose Sämlinge der Baumarten (Eiche, Kiefer ete... Die Kiefernpflänzchen verschwinden sehr bald unter dem Blätterdach der Laubbäumchen, und schon nach einigen Jahren sieht man, wie die Buche alle an- deren Pflanzen an Wachsthum bei weitem übertrifft; in dem dichten Bestande, in dem man nur mit grösster Mühe und meist unter Zurücklassung einiger Kleiderfetzen seinen Beobachtungen nachgehen kann, stehen die spar- rigen Eichenstämmehen nur noch mit wenigen blätter- #) Vel..a.,2,,/0.!8. V: Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Wenig weiter süd- | 547 tragenden Aestchen besetzt da, an Höhe in einem erst etwa 4 m hohen Bestande bereits um ein Drittel zurück- bleibend, andere sind bereits vor Jahren abgestorben. In einem älteren Walde sieht man selten noch einen bei- gemischten Baum, wenn anders wir nieht überhaupt einen Misehwald vor uns haben, dessen Auftreten weiter unten besprochen werden mag. — Ich sah nirgends einen Buchenhochwald, dessen Untergrund, wenigstens in einiger Tiefe unter der Erdoberfläche, nicht aus mergelhaltigem Boden bestanden hätte. — Es erscheint wohl sicher, dass zu einer Zeit, als die Ackerkultur noch nicht den Umfang angenommen hatte, wie heute, die Ausdehnung der Buchenwälder eine erheblich grössere gewesen ist, weil gerade ihnen am meisten Terrain entzogen worden ist wegen ihrer Vorliebe für die Mergelböden, die gerade für den Landmann die werthvollsten sind.*) Der allgemeine Charakter der Vegetation unserer Buchenwälder dürfte bekannt sein. Die Eigenthümlichkeit der Flora hat ihren Grund in verschiedenen durch die Lebensweise des Baumes bedingten Verbältnissen. Zu- nächst die auffällige Armuth an blühenden Pflanzen während der Sommer- und Herbstzeit; nur im Frühjahr entwickelt sich stellenweise eine bunte Decke. Die Anemonen (A. nemorosa, A. ranuneuloides) färben grosse Flächen weiss und gelb, dazu kommen Hepatica triloba, Ranuneulus Ficaria, Pulmonaria offieinalis, (seltener P. an- gustifolia) und andere, hin und wieder Dentaria bulbifera, Corydallis eava und Lathraea squamaria. Wenn auch dies die auffälligsten und bekanntesten frühlingsblühenden Buchenpflanzen sein mögen, zu denen sich nur wenig später der Waldmeister gesellt, so ist ihre Zahl doch noch ganz erheblich grösser. Im Sommer dagegen blüht selten eine Pflanze unter dem dichten Schattendache der Buche. Die meisten der genannten Arten haben eine kurze Vegetationszeit, während der sich der ganze Regene- rationsprocess abspielt. Ganz früh im Jahre, ehe noch die Blätter der Buche zur Entfaltung gekommen sind, spriessen die Pflänzchen aus der Erde, blühen und stehen meist schon in Frucht, wenn der Wald sich belaubt. Viele, wie die Anemonen, Ranunculus Ficaria, Dentaria bulbifera, Corydallis und Andere, sterben bald nach der Blüthezeit ab, und es macht auf den Besucher einen eigen- artig traurigen Eindruck, wenn er schon im Frühsommer dort ein Meer todten Buchenlaubes findet, aus dem nur hie und da ein Grashalm oder einige Blättehen hervorragen, wo sich im Frühjahr seinen Blicken ein lebhaft buntes Bild üppigster Vegetation dargeboten hatte. — Eine weitere Eigenthümlichkeit der Buchenflora ist die, dass ihr fast sämmtliche ein- und zweijährige Pflanzen fehlen. Es hat dies wohl seinen Grund in dem sich alljährlich wiederholenden, starken Laubfall. Der Boden ist stets mit einer Decke locker aufliegenden Laubes bedeckt, die den Sämlingen das Eindringen in die Erde ungemein er- schwert, und der nächste Herbst begräbt wieder alles unter den fallenden Blättern. Es können hier natur- gemäss nur solche Arten gedeihen, die einen kriechenden Wurzelstock besitzen oder sich durch die stetig wachsende Laubdecke hindurchzuarbeiten vermögen (Hepatica ete.). So gering die Zahl der Phanerogamen in den dicht belaubten Waldungen ist, eine so grosse Menge besonders niederer Pilze **) finden wir entwickelt. In der sogenannten Buchheide bei Templin waren im Frühjahr in reinem =) Vgl. Höck, F., Laubwaldflora Norddeutschlands, Stutt- gart 1896, über die Verbreitung der Buche und die Häufigkeit der Buchenwälder. *#) Vgl. z. B. P. Hennings und G. Lindau, Verzeichniss der bei Templin am 20. Mai 1894 beobachteten und gesammelten Pilze. Verh. Bot. Ver. Brandenb. XXXVI. 189. S. XXXI bis XXXVL 548 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XII. Nr. 46. 0 LLÜÜÜÜÜÜÜIÜIIII m nn Buchenbestande zu bemerken *) Equisetumhiemale, E. pra- tense, Melica nutans, Milium effusum, Brachypodium silvatieum, Carex silvatica, C. digitata, Luzula pilosa, Gagea silvatica, Neottia Nidus avis, Listera ovata, He- patica triloba, Anemone nemorosa, A. ranuneuloides, Ranuneulus Fiearia, Cardamine silvatica, ©. amara, Den- taria bulbifera (stellenweis den Boden weithin bedeekend), Rubus saxatilis, Lathyrus vernus, Vieia sepium, Astra- galus elyeiphyllus, Viola silvatica, V. Riviniana, Oxalis Acetosella, Circaea lutetiana, Lathraea squamaria, Pul- monaria offieinalis, Asperula odorata, Lappa nemorosa. An sandigeren Stellen, auf sanft geneigten Diluvial- hügeln und auf ebenem Diluvialterrain (Thalsand) und Alluvialsanden finden wir nicht selten die Rothbuche dureh die Weissbuche (Carpinus Betulus) vertreten. Ich beobachtete in Westpreussen, wo sich bei Zarnowitz ein ausgedehnter Weissbuchenbestand erstreckt, der in einen Rothbuchenwald überging, dass Carpinus dort überwog, wo eine sandige Schicht von ganz erheblicher Dicke sich vorfand. Unter Fagus liess sich in den Erdlöchern und an den Abhängen in geringer Tiefe der Mergel bemerken, | was in dem Weissbuchenbestande nicht gelang. Hier fand sich in erheblich starker Lage Sand und zwar, worauf es besonders anzukommen scheint, ein zwar kalk- armer, aber im Uebrigen nieht ausgelaugter, nahrstofi- reicher Sandboden, aus dem sieh in klarem Wasser eine sehr grosse Menge löslicher Stoffe herauswaschen liessen (im Gegensatz zu den später zu besprechenden armen Sanden der Heiden und Kiefernwälder, aus denen das hindurchfiltrirtte Wasser in kaum verändertem Zustande wieder heraustritt). Die Flora der Weissbuchenbestände schliesst sich eng an die der eigentlichen Buchenwälder an, wohl haupt- sächlich wegen der ähnlichen Beliehtungs- und Feuchtig- keitsverhältnisse, die den Niederpflanzen dargeboten werden. Der tiefe Schatten bewirkt wenigstens im Sommer eine überaus grosse Armuth an Formen blühender Gewächse; nur die Zahl der Moose, die in grösseren oder kleineren Polstern sich auf dem Boden und an den Stämmen ansiedeln, ist Legion. So beobachtete ich in dem obengenannten Walde bei Zarnowitz i. Wpr. in grossen Mengen: Radula complanata, Dieranella eervi- eulata, Dieranum scoparium, Ceratodon purpureus, Webera nutans, Mnium cuspidatum, Brachytheeium velutinum, Hypnum cuspidatum, H. Sehreberi, Hylocomium splendens. 4. Vegetationsformationen der Eichen- und Birkenwälder (exel. Auenwälder). Ganz eng an die Formation der vorbeschriebenen Weissbuchenbestände schliesst sich die des Eichenwaldes an, sowohl was Vorkommen als was Ansprüche und Vegetationsbedingungen betrifft. — Man beobachtet sehr oft, besonders auf den schon erwähnten Thalsandflächen, das Uebergehen oder die allmähliche Vermischung von Eichen- und Weissbuchenwald. Ich habe versucht, be- sonders in der Umgebung von Neuhaldensleben, von Nauen bei Berlin und in Westpreussen, den Ursachen dieses Wechsels auf die Spur zu kommen. Es scheint *) Vgl. Ascherson, P., Bericht über die 60. (26. Frühjahrs-) Hauptversammlung des Botanischen Vereins der Provinz Branden- burg zu Templin am 20. Mai 1894. Verh. Bot. Ver. Brandenburg XXXVI 1894, S. XXX. mir, als ob das Ueberwiegen der Eiehe (zusammen mit der relativen Seltenheit der Carpinus-Bestände) an den betreffenden Orten dadurch veranlasst ist, dass die Bichen erhebliche Hindernisse, die sich ihnen eutgegenstellen, zu überwinden und ungünstige Vegetationsverhältnisse zu er- tragen vermögen, eine Fähigkeit, die sowohl den Weiss- als den Rothbuchen abgeht. Ich fand versehiedentlich unter Eichenwäldern sogenannten schluffigen Boden, d. h. steinartig zu festen Bänken verkitteten, feinen Sand; ferner zeigte sich in den feuchten Theilen dieser Wälder an Gräben ete. eine Cariceten-Flora, die zusammen mit dem streng nach Sumpfgas und Säuren riechenden Wasser darauf schliessen liess, dass sich in dem Grundwasser er- hebliche Mengen humoser und mineralischer Stoffe an- gesamınelt finden, und last not least erträgt die Eiche einen ziemlich hohen Grad von Trockenheit und vermag selbst bei stark fortgeschrittener Heidebildung sich noch gut zu erhalten (vgl. unten). Alle diese geschilderten Verhältnisse beobachtete ich nie in Buchenwäldern: Der Boden zeigte sich an allen Stellen weich und durchlässig, besass, wie auch das Wasser, einen milden (niemals un- angenehm strengen) Geruch und ist auch nie erheblich trocken. Die Flora der Eichenwälder ist mit den Feuchtig- keits- und Belichtungsverhältnissen ganz ungemein variabel. Wir finden alle Uebergänge von der Vegetationsgesell- schaft, die sich von der des Buchenwaldes auch um nichts (oder wenig) unterscheidet (in mässig feuchten, dichten Beständen*) bis zu der typischen Heide **). Meist auf trocknerem, sandigen Terrain wird die Eiche von der Birke und zwar von Betula verrucosa abgelöst: dieselbe mischt sich meist den Eichen- oder Kiefern- wäldern (vgl. unten) bei und bildet gern an solchen Stellen Bestände, wo der Sandboden eine grössere Fein- körnigkeit zeigt. In Folge der herrschenden Trockenheit findet sich meist (besonders in reinen Beständen) eine un- gemein ärmliche Flora; einige Gräser (Festuca ovina und Aira eaespitosa) bilden oft mit Spergularia rubra, Poten- tilla einerea, Hieracium Pilosella und wenigen anderen fast die einzige Vegetation, An anderen Orten, wo sich indessen schon andere Laubbäume eingemischt haben, ist ein grössere Anzahl von Arten vertreten ***). Die beiden letztgenannten Formationen, die der Eichen- und Birkenwaldungen, können kaum noch den Vegetationsformationen nahrstoffreicher Wässer zuge- rechnet werden, sie bilden gewissermaassen den Ueber- gang zur 2. Gruppe. Ich habe es für besser gehalten, sie dieser ersten Abtheilung zuzurechnen, da ihre Flora sich in der Mehrzahl der Fälle (wenigstens was die Eichenwälder betrifft) eng an die der übrigen Laubholz- formationen anschliesst, und wenn auch der Nahrstoff- gehalt des Bodens, resp. der in demselben siekernden Wässer nicht immer ein hoher ist, so überwiegt er doch den der heidigen Formationen um ein ganz Bedeutendes. (Schluss folgt.) ®) Bei Neuhaldensleben (im Listerhagen bei Bodendorf) z. B. Neottia Nidus avis, Corylus Avellana, Ranuneulus lanuginosus, Galeadolon luteum, Galium silyaticum, Phyteuma nigrum ete. vgl. Graebner, P., Studien über die Norddeutsche Heide. Englers Bot. Jahrb. XX, 1895 S. 500—654. Taf. IX—X (S. 521). =*) Vgl. a. a. O. 8. 544. =##) Vgl. auch a. a. O. S. 443. Wetter-Monatsübersicht. (October). — Der ver- gangene October zerfiel in drei ungefähr gleich lange Theile von gänzlich verschiedenartigem Witterungscha- rakter. Zu Beginn des Monats war es in Deutschland grösstentheils nebelig, sonst aber trocken, mild und ziem- lich ruhig, in der Mitte ausserordentlich kühl und windig bei sehr häufigen und ergiebigen Niederschlägen, während das letzte Drittel für die Jahreszeit recht warmes und oft- XI. Ni, 46 mals freundliches Wetter aufwies, unterbrochen durch leichtere Regenfälle. Aus der beistehenden Zeichnung ersieht man, wie in ganz Norddeutschland die Tempera- turen vom 3. bis 20. Oetober tiefer und tiefer herunter- gehen. Seit dem 10. gab es häufig Reif und Nacht- frost; am 20. stieg zu Memel, Swinemünde und Grünberg auch am Tage das Thermometer nicht höher als bis zum Gefrierpunkt empor. In den Provinzen Ost- und West- Temperaturen im October 1898. u 1591. Maximum, ber. Minimum. ____ 8Uhr Morgens, 1898. 4 Suoll Moe Jsy97 ade vi Mi Inter] Kalk Sr „ Nordwestieufsclad. - preussen, Posen und Pommern hatten die noch vielfach auf dem Felde stehenden Zuceker- und Runkelrüben, Kar- toffeln, Kohl sowie in den Gärten die Aepfel durch den Frost grossen Schaden zu leiden. An verschiedenen Orten kamen dort bereits 7 bis 8°C. Kälte vor, der Erdboden gefror bis ungefähr 3 em Tiefe, Teiche nahmen eine etwa fingerstarke Eisdecke an. In Süddeutschland war die Abkühlung viel weniger empfindlich und hielt auch nur bis zur Mitte des Monats an. Dann gab es dort schon ein paar ziemlich warme Tage, und seit dem 20. fand in ganz Deutschland Er- wärmung statt, die sich im Norden ungewöhnlich rasch vollzog. In drei Tagen stiegen die Temperaturmaxima in den nordwestlichen Landestheilen durchschnittlich 11,5, nordöstlich der Elbe sogar 12,7 Celsiusgrade in die Höhe, dieselben blieben jedoch immer noch um mehrere Grade hinter den im Süden vorkommenden zurück, wo am 23. October das Thermometer zu Bamberg 22° C. er- reichte. Ueberall hielt die Wärme bis zum Schlusse des Monats an, und an den süddeutschen Stationen übertraf daher auch die mittlere Monatstemperatur ihren lang- jährigen Durchschnittswerth um reichlich 1'/; Grade. In Norddeutschland aber, wo die Temperaturen während der einen Hälfte des October über, während der anderen noch mehr unter den normalen lagen, blieben die Monatsmittel hinter den normalen Octobertemperaturen um fast einen halben Grad zurück. Wie die nachfolgende Zeichnung erkennen lässt, herrschte während des ersten Drittels des Monats in den meisten Gegenden grosser Mangel an Niederschlägen, und es traten abermals, wie schon im Monat vorher, so niedrige Wasserstände ein, dass der Schiffsverkehr auf dem Rhein, der Elbe, Havel und Spree ausserordent- lich beeinträchtigt wurde. Desto reichlicher fiel der Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 549 Regen seit dem 11. October, besonders in Süddeutschland, wo am 18. Nachmittags zu Karlsruhe ein Gewitter mit 22 Millimeter Regen und Hagel herniederging. Nur in den Provinzen Ost- und Westpreussen, sowie in Hinterpommern waren die Niederschläge um diese Zeit sehr gering. Dort wandelte sich der Regen allmählich in Schnee um, welcher sich am Nachmittage des 20. und in der folgenden Nacht bei sehr lebhaften Ostwinden zu ea im Octoßer 1898. 5£ x E Mittlerer Werth für elEISP ; 85285587 Deutschland. Zu 235385 235535 | Nonalssummen im October — ws 'E > .© 7 r ERLEES ZsSEs2 1 Ma 9. %. 9. 9. heftigem Schneegestöber verstärkte; am 21. früh hatte sich überall eine Schneedeeke ausgebreitet, deren Höhe z. B. in Königsberg 6, in Rügenwaldermünde 5 Centi- meter betrug. In den folgenden Tagen drehten sich die Windefin ganz Deutschland nach Südwest und brachten zwar an- fänglich noch vielfach warmen Regen, der aber gegen Ende des Monats sich mehr und mehr verminderte. Während vom 11. bis 13. und vom 16. bis 22. nach den Aufzeichnungen in Berlin und Potsdam insgesammt nur eine halbe Stunde lang die Sonne geschienen hatte, trat Jetzt wieder häufiger und länger anhaltende Sonnen- strahlung ein. Im ganzen Monat jedoch war deren Stundenzahl geringer als in jedem Octobermonat dieses Jahrzehntes mit Ausnahme des besonders trüben October 1894. Andererseits wurde aber auch der Gesammtbetrag der Niederschläge, ‘welcher sich für den vergangenen Monat im Durehschnitte der deutschen Stationen auf 57,6 Millimeter bezifferte, im Oetober der letzten Jahre meistens übertroffen, nur. der ungewöhnlich trockene vorjährige October hatte noch 24,2 und der Oetober 1891 16,8 Milli- meter weniger Niederschläge zu verzeichnen. Die Veränderungen in der Vertheilung des Luftdruckes gingen während des letzten. Monats verhältnissmässig langsam und innerhalb längerer Abschnitte desselben in gleichem Sinne vor sich. Gleich anfänglich breitete sich über Mitteleuropa ein barometrisches Maximum aus, welches sieh allmählich weiter nach Norden begab und daher in Deutschland sehwache östliche Winde hervorrief. Nachdem dann seit dem 10. eine Anzahl flacher Depres- sionen von Westen und Süden her in das deutsche Gebiet hineingedrungen war, erschien am 14. October ein sehr tiefes Minimum südwestlich von Irland, welches einige Tage hindurch fast unbeweglich an seiner Stelle ver- harrte, dabei jedoch ein Theilminimum nach dem anderen ’ 550 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. nach Osten aussandte. In Folge dessen trat in ganz Westeuropa eine ausserordentlich unruhige, trübe Witterung ein. An den Küsten Englands und Schottlands wütheten heftige Stürme; auch im Norden Deutschlands ver- schärften sich die Ostwinde auf das äusserste und führten die mehr und mehr erkaltende Luft aus Nordrussland herbei. Dagegen wehten in Südeuropa warme südliche Winde, welche bis nach Mitteldeutschland hingelangten, so dass innerhalb Deutschlands eine scharfe Grenze zwischen beinahe winterlicher Kälte und Frühherbsttem- peraturen entstand. Die weit verbreiteten Niederschläge aber waren im Gebiete der Südwinde am ergiebigsten, namentlich fanden am 18. und 19. October in Frankreich und Oesterreich-Ungarn zahlreiche Gewitter in Be- gleitung ungewöhnlich grosser Regenmengen statt. — Erst am 20. October entfernte sich das tiefe Minimum nach Nordwesten, das von Irland nordwärts nicht weiter als bis England vorgedrungen war, und in Mitteleuropa konnte wieder hoher Luftdruck zur Herrschaft gelangen, während der Norden nach einander von verschiedenen Depressionen durchzogen wurde. Dr. E. Less. Kritik der Falb’schen Prognose für October. Prognose: „li. bis 5. October. Selbst wenn die ersten Tage... noch trocken und schön verlaufen, so stellen sich doch bald Regen ein, welche um den 4. am weitesten verbreitet, jedoch nur'stellenweise etwas stärker sind ,... Die Temperatur ist, im lansamen Steigen be- griffen.“ Wirklicher Verlauf: Fast völlige Trockenheit: die Temperatur hält sich ungefähr auf gleicher Höhe. — Prognose: „6.—12. October. Die Regen hören auf, es wird trocken. Die Temperatur hält sich nahe am Mittel. Im Norden ist es wärmer, im Süden kälter.“ Wirklicher Verlauf: - Die Trockenheit dauert bis zum 10. an. Seit dem 11. stärkere Regenfälle. Temperatur im Norden unter dem Mittel, im Süden normal. — Prognose: „13. bis 15. October. Es stellen sich neuerdings Regen ein. Sie sind am 14. und 15. am stärksten und weit verbreitet. Die Temperatur geht etwas zurück.“ Wirk- licher Verlauf: Die Regen dauern nach einem Maximum am 11. und 12. und mit einer gänzlichen Unterbrechung am 14. fort. Die Temperatur geht in Norddeutsch- land sehr stark zurück; der erste Frost tritt vielfach so früh ein, wie seit 1850 nicht mehr. In Süddeutsch- land ist die Wärme nach wie vor normal. — Prog- nose: „16. bis 17. October. Nachdem im Gebirge stellenweise Schnee gefallen ist, wird es kälter und auf einen oder zwei Tage schön und trocken“. Wirklicher Verlauf: Die Niederschläge dauern an und erreichen am 17. u. 18. abermals ein Maximum, Temperatur un- geändert. Starke Schneefälle treten im Gebirge auf wie in den nordöstlichen Theilen Deutschlands, wo sich z. B. in Konitz und Neustettin die Schneedecke schon 5 Tage lang, vom '16.—23., erhält. Prognose: „18.—31. October. .Eine‘ längere Periode anhaltender und zum " Theil auch ergiebiger Regen . . Die Morgentempe- raturen steigen zuerst in Süddeutschland, dann auch im‘ Norden bedeutend über das Mittel. Die Regen treten intermittierend, in Zwischenräumen von zwei zu zwei Tagen ein ... Zu dieser Zeit besteht Hoch- wassergefahr.* Wirklicher Verlauf: In Norddeutschland herrschte bis zum 21. so kaltes und rauhes Wetter, wie es um diese Jahreszeit kaum je vorgekommen ist; am 20. daselbst ein höchst interessanter Eisregen von seltener Stärke und Dauer. Seit dem 22. — der Prognose annähernd entsprechend — überall starke Temperatursteigerung; bis zum Monatsschluss angenehme, recht warme Witterung. Regen tritt zwar ab und zu auf, doch nicht mehr so Nr. 46. ergiebig und ausgebreitet wie vor dem 21. gefahr besteht nirgends. Im Allgemeinen ist die Falb’sche Prognose für October besser eingetroffen, als in den beiden vorhergehenden Monaten, zumal für die letzte Decade, der er „fast sommerlichen Charakter“ zudiktirt hatte. Aber es sind doch vielleicht nur etwa 50°, der Prognose richtig ein- getroffen, und — diese Wahrscheinlichkeit hat schliesslich jede beliebige andere Prognose auch für sich: H. Hochwasser- Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ausserordentliche Professor der Mathe- matik in Brünn Wälsch zum Professor; A. H. Phillips und Dr. E. OÖ. Lovett zu ausserordentlichen Professoren der Minera- logie bezw. Mathematik an der Princeton-University; E. C. Coker zum ausserordentlichen Professor der Technologie an der Me. Gill- University; Dr. William P. Graham zum ausserordentlichen Pro- fessor der Elektrotechnik an der Syracuse-University. Berufen wurden: Der ausserordentliche Professor der Phylo- genie in Freiburg im Breisgau Dr. H. E. Ziegler nach Jena; der Privat-Docent der Chemie in Berlin Dr. E. Rimbach als Professor nach Bonn; der Docent der Geodäsie in Aachen Fenner als ordentlicher Professor nach Darmstadt. Es habilitirten sich: In Wien Dr. Lorenz Ritter von Liburnau für Zoologie an der Hochschule für Bodeneultur, Dr. Werner für Zoologie an der Universität und Dr. Reithoffer für Elektrotechnik an der technischen Hochschule; in Innsbruck Dr. Hopfgartner für Chemie. Es starben: Der Professor der Chemie am Institut Leonardo da Vinei in Rom Annesio Bomboletti; der Professor der Mediein in Brüssel Jean Crocegq; der Lepidopterologe H. Wilhelm Dieekmann aus Hamburg in Grimma; der Professor der Medicin in Pisa Cav. Simone Fubini; der Professor der Anatomie in Turin Dr. Carlo Giacomini; der Botaniker Limarson in Sköfde; Geheimer Medicinal-Rath Dr. Carl Friedrich Christian von Mettenheimer in Schwerin; der Professor der Mediein in Philadelphia Dr. William Pepper; der Professor für Geburts- hilfe und Gynäkologie in Messina Dr. Rosario Pugliatti; der Ornithologe und Entomologe Osbert Salvin in Haslemere (Surrey); der Professor der analytischen Chemie in Philadelphia H. Trimble; der ausserordentliche Professor für Geburtshilfe und Gynäkologie in Breslau Dr. Max Wiener; der Geologe und Theilnehmer an der Katanga-Expedition Dr. Jan de Windt am Tanganyika; die französischen Forschungsreisenden Baily, Foreiliere und Pauly in Liberia (eimräet Litteratur. Hörmann, Georg, Studien über die Protoplasmaströmung bei den Characeen. Verlag von Gustav Fischer in Jena, 1898. Das etwa 80 Seiten umfassende, kleine Buch behandelt vor allem den Einfluss äusserer Faktoren auf die Plasmaströmung in den Zellen von Chara und Nitella. Es wird der Einfluss der Wärme, mechanischer Stösse und elektrischer Ströme anschaulich behandelt. In dem von der Elektrieität handelnden Abschnitt ist eine Parallele zwischen den Vorgängen in der Charazelle und den in Muskeln und Nerven zu beobachtenden Erscheinungen zu ziehen versucht worden. Zum Studium dieses Capitels empfiehlt es sich, vorher in einem Handbuch der Physiologie die technischen Aus- drücke nachzuschlagen. Die Plasmaströmung und die relative Constanz ihrer Richtung steht nach dem Verfasser in zweckmässiger Beziehung zum Stoff- transport. Auch von den Ursachen der Spiraldrehung des Indifferenz- streifens wird gehandelt, allerdings unter Annahmen, die einer Be- gründung in noch höherem Maasse bedürft hätten. Endlich verdient noch hervorgehoben zu werden, dass auch die aktive, rotirende Bewegung der einzelnen Chlorophyllkörner einer eingehenden Besprechung unterzogen worden ist. R. K. Prof. Dr. J. Blaas, Katechismus der Petrographie. (Gesteins- kunde) Mit 86 Abbildungen. Zweite vermehrte Auflage. Verlag von J. J. Weber in Leipzig. — Preis geb. 3 Mark. Die Petrographie, die Lehre von der Beschaffenheit und Bildungsweise der Gesteine, gehört zu den jungen Disciplinen der Naturwissenschaft. Aber gerade hier hatte sich bisher der Anfänger oder auch der Fachmann anderer Diseiplinen entweder durch umfangreiche Werke durchzuarbeiten oder mit den knappen Auszügen zu begnügen, wie sie sich in Lehrbüchern der Geologie gewöhnlich finden. In den letzteren können aber besonders die mikroskopischen Verhältnisse nur oberflächliche Behandlung er- fahren, und doch kann ein Gestein nicht eher dem System ein- XIU. Nr. 46, geordnet werden, bevor nieht nach dieser Richtung vollkommene Klarheit herrscht. Hier tritt nun das vorliegende Werkchen als uter Führer auf. Zahlreiche mikroskopische Abbildungen von esteinsdünnschliffen erhöhen die Brauchbarkeit des Buches. Universitäts-Professor Dr. Fr. von Juraschek, Hofrath und Sekretär der k. k. österreich. statistischen Central-Kommission in Wien, ©. Hübner’s Geographisch statistische Tabellen für 1898. Heinrich Keller in Frankfurt a. M., 1898. — Preis kartonnirt 1,20 Mark. Der Inhalt der bekannten Tabellen umfasst: Name, Regierungs- form, Staats-Oberhaupt, Flächeninhalt, Bevölkerung, Volksdichtig- keit, Ein- und Auswanderung, Nationalitäten, Religionsbekenntnisse, Staats-Einnahmen, -Ausgaben und -Schulden, Staatspapiergeld, Banknotenumlauf, stehendes Heer, Kriegsflotte, Handelsflotte, Ein- und Ausfuhr, Haupterzeugnisse, Münzen und deren Werth in Reichsmark, Gewichte, Längen- und Flächenmaasse, Hohlmaasse für Wein und Getreide, Länge der Eisenbahn- und Telegraphen- Linien, Einwohnerzahl der Hauptstädte und der wichtigsten Orte aller Staaten der Erde. Für sämmtliche Staaten Europas Ver- gleiche über die Volksbewegung und Volksbildung, die Elementar- Sehulen, Boden- und Industrieprodukte, Hausthiere, per 1000 Ein- wohner versendeten Briefe, Zeitungen, Telegramme u. s. w., endlich auch für die Grossstädte Europas Vergleiche ihrer wichtigsten Verhältnisse. In allen diesen zahlreichen Materien sind die Ergebnisse der jüngsten Zählungen, wie der neuesten Berechnungen berücksichtigt. Insbesondere veröffentlicht der vorliegende Jahrgang die officiell richtig gestellten Ergebnisse der ersten allgemeinen Volkszählung im Russischen Reiche vom Jahre 1897, vermehrt durch die Angabe der Volksdichtigkeit in den einzelnen Gouvernements, ferner eine Uebersicht der Vertheilung der wichtigsten Konfessionen in den europäischen Staaten und in den fremden Erdtheilen nach den besten Berechnungen, endlich eingehende Nachweisungen über die berufliche Gruppirung insbesondere des deutschen Volkes. Auch sind die neuesten colonialen Erwerbungen eingehend berücksichtigt. Der Anhang bringt in Fortsetzung der seit 1890 gegebenen Tabellen eine vergleichende Uebersicht des Werthes der Ein- und Ausfuhr aller Staaten der Erde im Specialhandel für die letzten Jahre, ausserdem noch eine Uebersicht der Gold- und Silberproduetion der Erde nach den wichtigsten Produetions- gebieten für 1837, 95 und 96, sowie eine Uebersicht dieser Produe- tion nach Menge und Werth von 1851 bis 1896. Eingestreut in den Text finden sich viele andere Tabellen, welche siclı an die entsprechenden Tabellen der früheren Jahrgänge anschliessen und sie bis auf die neueste Zeit ergänzen. Insbesondere zu er- wähnen sind jene für die Berufsgruppirung der Bevölkerung mehrerer Staaten, für die Geburten, Trauungen und Todesfälle in den einzelnen Staaten des Deutschen Reiches, für den Verbrauch der Brotfrüchte und anderen wichtigsten Consumartikel in Deutsch- land und einigen Einzelstaaten des Reiches, die Ergebnisse des Buchhandels, die Details zahlreicher Staatsbudgets, den Stand der Telephon-Anlagen in Deutschland, den Goldgehalt der gang- barsten Münzen, die Münzenprägungen, den Silberkurs in Gross- britannien, die Sparkassen und Postsparkassen, die Seidenernten, die überseeische Woll- und Zuckerproduction u. s. w. W. de Fonvielle, secretaire de la commission internationale d’a&ronautique. Les ballons-sondes et les ascensions inter- nationales, pr&c&d& d’une introduction par J. Bouquet de la Grye, membre de l’Institut, president de la Commission seientifique d’Aerostation de Paris. Deuxieme edition. Gauthier- Villars, Imprimeur-libraire in Paris, 1899. Die Ergebnisse, welche in den letzten Jahren durch das Aufsteigen freifahrender, mit Registrirapparaten ausgerüsteter Ballons (ballons-sondes) gewonnen worden sind, sind nicht nur für die Fachwissenschaft höchst werthvoll gewesen, sondern haben auch in ferner stehenden Kreisen viel Beachtung und Interesse gefunden — und zwar mit vollem Recht. Das vorliegende Werk, das von einer der ersten Autoritäten der Aöronautik verfasst ist, kann allen, welche sich über die bis- herigen Resultate orientiren wollen, warm empfohlen werden. Es ist populär im besten Sinne des Wortes, ohne dabei irgend wie den Rahmen wissenschaftlicher Zurückhaltung zu überschreiten. Die bisherigen internationalen Fahrten, deren erste am 13./14. November 1898 stattfand und die sich der regen Unter- stützung und des eingehenden Interesses des deutschen Kaisers erfreuen, werden ebenfalls gründlichst beschrieben und in ihrer Bedeutung dargelegt. Dabei ist die vorliegende 2, Auflage bis auf die neueste Zeit erweitert worden und berichtet z. B. bereits Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 551 eingehend über den Strassburger Luftschiffer-Congress im April 1898 und erwähnt auch schon die letzte und grösste der bisherigen internationalen Fahrten vom 8. Juni 1898. Möge das Werk des Franzosen weite Verbreitung finden auch in Deutschland, das ja neben Frankreich jetzt die führende Stellung in der Aöronautik einnimmt! Brass, A., Das Kind gesund und krank. Osterwieck. — 3 Mark. Chvostek, Prof. F. und R. Kraus, DD., Zur Aetiologie des acuten Gelenkrheumatismus. Wien. — 2,50 Mark. Cornet, G., Die Tubereulose. Wien. — 9 Mark. Briefkasten. Hr. Prof. P. — „Eine neue Mäuserasse hat Sich, wie die englische Zeitschrift „Natural Science“ mitzutheilen weiss, in Irland entwiekelt. Im Norden der Bucht von Dublin erhebt sich eine Gruppe von Dünen aus dem Meere, die erst in neuer Zeit entstanden und von dem Festlande völlig abgetrennt sind; ihre Bildung ist eine Folge von Veränderungen, die vor etwa 100 Jahren im Hafen von Dublin vorgenommen wurden. Es mag schwer zu sagen sein, auf welche Weise sich das erste Mäusepaar auf diese Sandinsel verirrte, jedenfalls ist sie jetzt von einer ganzen Schaar dieser kleinen Nagethiere bevölkert, die aber in ihrem einsiedle- rischen Leben ganz merkwürdige Veränderungen erlitten haben. Während sie sonst in Grösse und Körperbau ganz der gewöhn- lichen Hausmaus gleichen, sind sie in Farbe und Sitten von dieser verschieden. Sie sind nicht grau, sondern gelblichweiss, dazu haben sie die merkwürdige Gewohnheit angenommen, in den Sand Höhlen zu graben und in diesen ihre Nester anzulegen. Diese Thatsachen sind ein neuer Beweis für den alten Darwin’schen Satz von der Anpassungsfähigkeit der Thiere durch natürliche Auslese. Die dunkelsten von diesen Mäusen, deren Farbe sich am stärksten gegen den hellen Sand abhob, wurden am ehesten von den Raubyögeln gesehen, gepackt und gefressen, während die heller gefärbten die meiste Aussicht hatten, dem Feinde zu ent- gehen. So kam es, dass immer die hellsten Mäuse übrig blieben, bis schliesslich die ganze Sippschaft eine Färbung angenommen hatte, die sich von der des Dünensandes kaum unterscheidet.“ Sie wollen wissen, was Wahres an der Sache ist? Zu dem obigen uns zugesandten Ausschnitt aus der Vossischen Zeitung in Berlin schreibt uns nun Herr Custos Paul Matschie vom Königlichen Museum für Naturkunde in Berlin: Die obige Nachrieht stammt aus dem Journal of Linnean Society 1898. Dort hat ein Herr Jameson eine längere Arbeit über diese Mäuse verfasst und drei davon abgebildet. Ich halte eine von ihnen entweder für ein albinotisches Exemplar von M. museulus oder für eine junge Mus sylvatieus. Jameson sagt, er habe auch 5 normal gefärbte Mus musculus dort gefunden; also kommt dort musculus vor. Jameson erwähnt direkt albinotische Exemplare von dort. Albinos und albinotische Stücke sind bei M. musculus verhältnissmässig häufig. — Jameson spricht davon, dass ca. 20 seiner Exemplare weisse Füsse gehabt haben. Dieses spricht nicht für M. musculus, sondern für M. sylvaticus. Auch die merkwürdig veränderte Lebensweise, das Graben von Höhlen deutet höchst- wahrscheinlich auf M. sylvaticus hin. Sollte Herr ‚Jameson nicht einige junge M. sylvatieus für M. museulus gehalten haben? In seiner Maasstabelle kommen mehrere Stücke vor, bei denen der Schwanz bedeutend länger ist als der Körper. Diese gehören aber wahrscheinlich zu M. sylvaticus? Eine Nachprüfung ist jedenfalls dringend geboten. Ich glaube, dass die Dubliner Mäuse sehr genau untersucht werden müssen. Wahrscheinlich kommen auf jener Sandbank sowohl Hausmäuse als auch Mussylvaticus vor, und die Höhlen im Sande sind von letzterem angelegt. Berichtigung. Hr. Prof. K.Schumann vom Königl. botanischen Museum in Berlin giebt uns freundlichst die folgende Berichtigung zu einem Referat des Hrn. Siegmund Schenkling: „In der. Naturw. Wochenschr. vom 25. September ist von dem Kea die Rede. Ich habe irgendwo gelesen ev. von Jemand gehört, dass er den Schafen den Leib aufreissen soll, um von dem Darmfett zu fressen. Die „Flechte“ Raoulia ist eine „Com- posite“. Sie sieht in der That einem Wollvliess ähnlich, wie sich Jeder überzeugen kann, der’ das am Westfenster des Museums unter Glas aufgestellte Prachtstück der ähnlichen Haastia pulvi- naris betrachtet.“ Inhait: P. Graebner; Ueber die Bildung natürlicher Vegetationsformationen im Norddeutschen Flachlande. — Wetter-Monats- Uebersicht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: ! Dr. J. Blaass, Katechismus der Petrographie. — Universitäts-Professor Dr. Fr. von Juraschek, O. Hübner’s den Characeen. — Prof. Hörmann, Georg, Studien über die Protoplasmaströmung bei Geographisch-statistische Tabellen für 1898. — W. de Fonvielle, Les ballous sondes et les ascensions internationales. — Liste. — Briefkasten. — Berichtigung. 552 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. Silberne Medaille: 1896 Intern. Amateur Ausstellung Berlin. | Silberne Medaille: 1897 Gewer be- (Amat.) Ausstellung Leipzig. Max Steckelmann, | Berlin W. 8, Leipzigerstrasse 331. raphische Stativ- und Hand- Photo Gameras. Für 12 Platten. is5” Sämmtliche Bedarfsartikel. 8% Spee.: Steckelmann’s Zusammenlegbare Spiegel-Camera „Vietoria“ (D.R.P.) Die practischste und zuverlässigste Hand-Camera Wechselcassette „Columbus“. An jede Camera anzubringen. Allein-Vertrieb der „Westendorp & Wehner“-Platten (Act. Ges ). Gediegene Ausstattung. | Ohne Beutel! Dünnschliffe von Gesteinen pro Stück 70 Pfg. fertigt an Hempel’s Klassiker - Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. Theok. Botz 1. XIII. Nr. 46. a De Dr. Robert Muencke Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. % Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ® und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. 00000 000000000000000000000000000000000900% Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Die Charakteristik der Tonarten. Historisch, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. 2 ® “ s , 52 , 6 ® 2 ., Von Richard Hennig. 136 Seiten Oetav. — Preis 2,40 Mark. Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Gimsbach a. Glan. (Rheinpfalz.) den. Dimmlers Derlagsbh., Berlin. dus Huch delus. Die Urevangelien. Neu durchge: jehen, neu überjegt, geordnet und aus den LIlrfprachhen erklärt von Wolfgang RBirdibad;. Dftan- Ausgabe 1834 ©. 1,50 M., eleg. geb. 2,25 M. Bolfd- Ausgabe 156 ©. gebunden 70 Pfennig. Was lehrte Jefus? Zwei Irevangelien. Von Molf- gang Rirdybad). 256 Ceiten DF- tav 5 MDt., eleg. gebunden 6 Mt. Aphoritifhe Grumdlegung einer Dhilofophie des Gefcjelens. Don Dr. Berthold Weiß. 738. gr. 8. Preis 1,20 Mark. Schiffsjungen in Mit 4 feinen vom Untergang des 111 luftrationen, F} Aquarelle zugefteuert Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. Fri Dogelfang. Abentener eines deutichen von Milly Werner und 111 Abbildungen im Tert. 292 Seiten groß Offav. — Preis eleg. geb. 4 AR. „ Der Verfafjer, der vor Aurzen von feiner Reife um die Erde zuriidgefehrt ift, Ibildert im Rahmen einer fpannenden Erzäblung Land und Leute in China, zumal im neuen deutfchen Gebiet das felbft, welch lesteres Lindenberg eingehend fennen gelernt bat. Ein interefjantes Kapitel des Buches giebt eine authentische Darftellung mehrere Bilder zur Verfügung ftellte. Gemablin unferes deutjchen Gefandten in Peking, mehrere treffliche 5 | Zu beziehen durdy alle Buchhandlungen. [RM In Ferd. Dümmlers Verlagsbuch- handlung in Berlin SW. 12 erschien: 2 “ [0 . * " ’ . = Einführung in die Blütenbiologie * Soeben erfhien: auf historischer Grundlage, e 2 V DHödft originelle — vornehm E. Does Professor am kgl. Realgymn. in Berlin. 444 Seiten gr. 8. Pr. 6M., geb. 7M. Geologische Ausflüge in die Umgegend von Berlin. Von Dr. Max Fiebelkorn. * Mit 40 Ahbildungen und 2 Kartenbeilagen. = 130 S. gr. 8. -— Preis 1,80 Mk. REES BEREITET EBEN T] Grasmotoren, Dynamo- und Dampf- maschinen gebraucht, garantirt betriebs- fähig, in allen Grössen offerirt Elektromotor G. m. b. H. Berlin NW., Schiffbauerdamm 21. ausgeftattete Iugendfchrift! Don Paul Findenberg. Biautfdjon, Zarbenbildern nad; Ayunrellen Stis, zu welcher das Meichs - Marineamt Den ftattlichen Band jchmüden u denen auch Frau Baronin von Heyfing, Die bat. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Friede und Abrüstung. Von Gustaf Björklund. 95 Seiten Oktav. Preis 1,50 Mark. R SE Carl Zeiss, ‚Optische Werkstaette. — Jena. Mikroskope mit Zubehör. Mikrophotographische Apparate. ? Photographische Objective. ı Mechanische und optische Messapparate M für physikalische und chemische Zwecke. Neue Doppelfernrohre für Handgebrauch. Astronomische Objective und astro- optische Instrumente. Cataloge gratis und franco. SSEDTDEISTDITIDIER Zend. Dimmlers Deringsburmhhandlung in Berlin SW. 12, immerftr. 94. Der geniale Menfd. Hermann Türd. Dritte ftart vermehrte Auflage. 390 Seiten gr. 8%. Preis geb. 4,50 41, eleg. geb. 5,60 1. Dom Baume der Krfenntnis. Sragmente zur Gthik und Pfychologie aus der Weltlitteratur, gejammelt und berauögegeben von Dr. Yaul von Gisyceki, Stabtihulinfvektor in Berlin. I. Band: Grunöprobleme. Bweite Auflage. 808 Seiten groß DOftav. Geheftet 7,30 M,, in feinftem Lieberhaberhalbfran; LO M. er Soeben erfchienen! mE Fir gleicher Ausjtattwig und demjelben PBreije erjchien früher: „Nom Baume der Erkenntnis“, Bam II: „Das Weib,“ mas Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. mm Verantwortlicher Redaeteur i. V.: Dr. R. Hennig, Berlin W., Hohenstaufenstrasse 79, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. BER he aa . Redaktion: Was die naturwissenschaftliche Forschung nufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- den Gebilsen der Phantasie, wırd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke.t, der ihre Schöpfungen schmückt, Schwendener. Dr. H. Potonie. 7 Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XIII. Band. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Bringegeld bei der Post 15 „9 extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Sonntag, den 20. Der Vierteljahrspreis ist HM 4.— € November 1898. Nr. 47. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- ? sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Ueber die Bildung natürlicher Vegetationsformationen im Norddeutschen Flachlande. Von P. Graebner. (Schluss.) 5. Vegetationsformationen der Fichtenwälder. Die Formation der Fichtenwälder ist zwar im nord- deutschen Flachlande nur an wenigen Stellen, in der Provinz Brandenburg nur im südlichsten Theile in der Lausitz (Gross-Messow bei Drehna) ausgebildet, sie bildet - jedoch in ihrer grossen Armuth an siphonogamen Gewächsen einen so eigenartigen Anblick dar, dass sie nicht uner- wähnt bleiben soll. In reinen Beständen finden wir Picea excelsa im Flachlande meist auf ebenem Thalsande auf frischem, tiefgründigen Boden, der oft sogar vollkommen sumpfig sein kann.*) Die Formation scheint in ihrem Vorkommen sich ganz ähnlich wie die der Weissbuchen- wälder zu verhalten. Auch in Skandinavien und den mitteleuropäischen Berg- und Alpengebieten zeigt sie eine Vorliebe für Orte mit frischen, an gelösten Mineralstoffen reichen Wässern, ohne (wie die Buche) gegen „kalte“ Böden empfindlich zu sein. Das ganze von Fichten bewachsene Terrain ist dicht bedeckt mit abgefallenen Nadeln, die lose aufgeschichtet für den Pflanzenwuchs (bes. für Keimlinge) ein sehr un- günstiges Substrat darstellen. Es erklärt sich dadurch, zusammen mit dem das ganze Jahr andauernden tiefen Schatten, die Pflanzenarmuth dichter Fichtenwälder. Ausser Oxalis, (Listera cordata), wenigen Heidel- und Preisselbeersträuchern sind es oft nur einige Gräser und Farne, die hier ihr Dasein zu fristen vermögen. 6. Vegetationsformationen der Erlenbrücher. Fast überall dort, wo von den mergelhaltigen Diluvial- hügeln herab das Wasser sich in Thälern und Mulden zu Bächen oder Sümpfen vereinigt oder die Quellen zu Thal rieseln, finden wir Erlen. So oft ich versucht habe, den *) Vgl. Drude, O., Deutschlands Pflanzengeographie, S. 318 ff. | Ursprung der die Erlenbrücher speisenden Wassermassen festzustellen, fand ich, dass sie in Diluvialhügeln ihren Ursprung nahmen. Ich versuchte darauf ihre Entstehung zu verfolgen. Es wollte mir dies lange nicht gelingen; überall sah ich fertige Brücher, zwar unter bestimmten Bedingungen, aber doch war ich nie sicher, ob hier wirklich nur der Einfluss des nahrstoffreichen Wassers die Hauptursache der Ausbildung ist, und nicht auch in er- heblichem Maasse die Bodenbeschaffenheit mitwirkt. Erst im letzten Sommer sah ich ein Erlenbruch auf natürlichem Wege sich ausbilden, und zwar in Hinterpommern. Im | sogenannten Schnittbruch bei Ossecken*) wird das Wasser einiger kleiner, aus Diluvialthälern kommender Bächlein durch die davorgelagerten Dünen aufgestaut. Durch das weitere Vordringen des Dünensandes werden immer weitere Flächen des Landes unter Wasser gesetzt und versumpfen. Es war nun interessant zu beobachten, wie sich dort die Erlen in grosser Zahl üppig entwickelten und kräftig emporsprossten, die kränkelnde Kiefer und andere Bäume im Wachsthum erheblich übertreffend. An den älteren Stellen, wo die Erlen schon eine er- hebliche Höhe erreicht hatten und die ehemalige An- wesenheit von Kiefern, Buchen ete. sich nur noch aus den vermorschten Stämmen vermuthen liess, hatte sich bereits der für Erlenbrücher so charakteristische Blätter- torf gebildet, der dadurch entsteht, dass die Blätter im Herbst auf den nassen Boden oder ins Wasser gelangen, wo die Verwesung nicht so schnell vor sich geht, wie die Vertorfung. Die aufeinander lagernden Blätter bilden einen festen, für Wasser schwer durchlässigen Torf. *) Vgl. Graebner, P., Zur Flora der Kreise Putzig, Neu- stadt i. Wpr. und Lauenburg i. P. Schr. Naturf. Ges. Danzig N. F. I. Bd. I. Heft. 1895. S. 272—396. Taf. VII, VIII (S. 290). 554 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 47. Die Vegetation solcher Erlenbrücher ist sehr eigen- artig, wenn auch wechselnd. Häufig finden wir grosse Bestände von Hopfen oder Brennnesseln (Urtica dioeca) in denselben; stellenweis ist der Boden ganz mit Ranun- eulus repens oder mit Athyrium filix femina bedeckt; an interessanteren Arten sind Lycopodium Selago, Glyceria nemoralis, Daphne Mezerum, Circaea alpina, C. intermedia und andere zu nennen. 7. Vegetationsformation der Auenwälder. In den Auenwäldern, die in den Flussniederungen grosser Flüsse meist auf mässig ausgedehntem Terrain entwiekelt sind, begegnen wir meist Mischwäldern ver- schiedenartiger Gehölze. An typisch ausgebildeten Stellen, d. h. dort, wo alljährlich, besonders zur Winterszeit, das Wasser des Flusses den Grund der Stämme umspült, fehlen Buche*) und Kiefer vollständig. Hier finden wir hauptsächlich Eichenbestände, untermischt mit Erlen, Birken, Pappeln und anderen. Es sind solche Auen- wälder auf demselben Terrain entwickelt, auf dem wir sonst Flusswiesen zu finden gewohnt sind, und auch aus solchen entstanden. Als Bestandbildner haben sich natur- gemäss solche Bäume entwickelt und erhalten, deren Ge- deihen durch die zeitweise Ueberschwemmung nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Dass wir hier nahezu alle Holzgewächse der Wälder nahrstoffreieher Böden finden, kann nieht Wunder nelımen, da bekanntlich, die Flusswässer, besonders zu Zeiten des Hochwassers, an gelösten Substanzen reich sind, sodass unter diesen günstigen Verhältnissen die erheblich üppiger gedeibenden Laubholzgewächse der Kiefer den Vorrang streitig machen müssen. Das Ueberwiegen der Eichen mag seinen Grund mit in der mechanischen Festigkeit haben, die den vege- tativen Organen dieses Baumes eigen ist. — Die Flora der Auenwälder schliesst sich meist eng der der Fluss- wiesen oder der Erlenbücher und Eichenwälder an. 8. Vegetationsformation der natürlichen Wiesen. Wie bereits gesagt, finden wir natürliche Wiesen vorzugsweise (oder fast nur) in den Ueberschwemmungs- gebieten grösserer Flüsse. Dort, wo durch die mechani- sche Gewalt des fliessenden Wassers und besonders im Frühjahr durch die des treibenden Eises die Ausbildung der soeben erwähnten Auenwälder verhindert wird, können nur die rasenbildenden Pflanzenarten, besonders solche mit ausdauerndem Wurzelstock gedeihen Es haben mehrere Forscher geglaubt annehmen zu dürfen, dass alle unsere Wiesen lediglich Produkte menschlicher Kultur seien, wohl weil sie eben den zahlreichen Kunstwiesen in ihrer Zusammensetzung ganz ungemein ähnlich sind **). Dem ist aber nicht so. Die Waldbildung wird durch das strömende Wasser und Eis verhindert, es muss sich also eine Vegetationsdecke aus niedrigen Pflanzen bilden. Einjährige und zweijährige Pflanzen können auch in grösserer Masse nicht auftreten, weil sie erstens durch das’ im Frühjahr oder Herbst noch einmal steigende ‘Wasser oft ihrer Blüthen und unreifen Frucht beraubt würden und zweitens in der dichten Decke der pe- rennirenden Arten schlecht gedeihen können. Für Stauden, besonders solche mit kriechenden Rhizomen, er- scheinen aber die Vegetationsbedingungen besonders günstig; denn sie bieten den darüber fortgleitenden 5Wassermassen wenig Hindernisse und deshalb wenig Ge- legenheit, die dichte Decke zu zerstören, des weiteren ist aber auch ein Verlust der oberirdischen Theile ihrem Wachsthum nicht schädlich, sondern das Absterben der *) Vgl. Drude, O., Deutschlands Pflanzengeographie S 307. #**) Vgl. Graebner, P. Studien ete. S. 516. Reproductionsorgane führt zu einer um so stärkeren Ver- mehrung der unterirdischen Stengel und ist so der Rasen- bildung förderlich. Die Flora der geschlossenen Wiesen ist in ihren Hauptzügen allgemein bekannt, vorwiegend Gramineen, untermischt mit dikotylen Stauden. Es sei hier besonders auf die Arbeiten ‚©. A. Webers*) über die Vegetation natürlicher und künstlicher Wiesen hingewiesen, An den Flussrändern selber und an den durch Hoch- wasser verletzten oder überdeckten, schlickigen und sandigen Stellen der Flusswiesen sehen wir eine durchaus abweichende Vegetation entwickelt, die sich aber immer nur kurze Zeit erhält. Auf dem kahlen Terrain finden wir meist schr spärlich, seltener in dichteren Beständen eine geringe Anzahl meist einjähriger Pflanzenarten, wie Polygonum nodosum, Juneus bufonius und andere. 9. Vegetationsformation der Grünlandmoore. Ein weiteres Hinderniss für die Ausbildung waldiger Formationen ist die übermässige Anreicherung in Wasser löslicher Stoffe und die Aufspeicherung ausgefällter Humus- säuren, die in Folge der fortdauernden Feuchtigkeit nicht eintrocknen (vgl. unten) und daher als schwammige Massen erhalten bleiben. Alle unsere Waldbäume vermögen nicht in solehem strengen Boden zu wachsen, und es bleibt das Terrain deshalb kahl und wird fast nur von den rasenbildenden Sauergräsern locker bedeckt. Die Ent- stehung eines Grünlandmoores gebt etwa in folgender Weise vor sieh: Auf undurchlässigen Lehm- oder Thon- schichten stagnirt das von der Seite zufliessende Wasser. Da ein Versickern ganz oder fast ganz unmöglich ist, geht fast nur durch Verdunstung (oder in feuchten Zeiten durch seitliches Ueberfliessen) Wasser verloren. Die her- beigeführten Stoffe werden in der Mulde abgelagert (Humussäuren) oder bleiben (wenigstens zum Theil) im Wasser gelöst, indem sie naturgemäss fortwährend zu- nehmen. Ich habe mehrmals die Entwickelung der Formation beobachten können, besonders deutlich ein- mal in Colberg an einer Stelle, an der mich Jahre lang mein Schulweg vorbeiführte. Hier war in einem Theile des jetzigen Kaiserplatzes an einem kleinen Rinnsal, dessen Wasser aus einer nahe dem Bahnhofe gelegenen Wiese stammte und in den Wallgraben sich ergoss, in trockenen Zeiten aber leer war, ein schmaler Wiesen- streifen mit Buschwerk entwickelt. Als dort eine Gewerbe- Ausstellung errichtet wurde, ebnete man das Terrain etwas ein, das kleine Rinnsal wurde abgestaut und in einen später wieder zugeschütteten, kleinen Teich geleitet. Es breitete sich nun die zwar sehr geringe Wassermenge über eine ebene Fläche aus, die Jahre lang unbenutzt liegen blieb. Die ehemalige Vegetation verschwand nach und nach, und die Carices, besonders C. stricta, ©. pani- cea u. a. breiteten sich immer mehr und mehr aus, und nach einigen Jahren war der ganze (wenn auch kleine) Flecken Erde mit braunschwarzem, schwammigen -Humus dicht bedeckt. Eine so starke Anreicherung von Mineralstoffen und Humussäuren wie in diesem Falle wird man nicht allzu häufig treffen; meist wird der Prozentgehalt, den der Erlenbrücher um etwas zu übersteigen brauchen, um ein Vorwiegen der Carices ete. zu veranlassen, ein Absterben oder Verkümmern der Laubbäume zu bewirken, besonders *) Ueber die Vegetation des Moores von Augstumal bei Heydekrug. (Mitth. Moorkultur XII. 1894 No. 10 S. 1—12d. S. Abdr.) Ueber Veränderung in der Vegetation der Hochmoore unter dem Einflusse der Kultur ete. (Mitth. Moorkultur XII. 1894 No. 17, S. 309—320.) — Wie kann man eine gute Wiese auf nicht abgetorftem Hochmoor mit den geringsten Kosten herstellen. (Ebend. XIII. 1895 No. 1, S. 3—24.) \ XII. Nr. 47. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 555 dadurch, dass in dem ohnehin luftarmen Boden aller Sauer- stoff durch die fortwährende Verwesung pflanzlicher Reste verbraucht wird und alle Baumwurzeln durch diesen Sauer- stoffnangel zum Verjauchen gebracht werden.*) Ein weiteres Hinderniss für die Vegetation bilden oft die grossen Lagen von Wiesenerz (Raseneisenstein) oder andere ähnliche Ablagerungen, auch finden wir nicht selten Kalkbänke an Orten, wo sehr kalkreiche Gewässer in die Moore münden. Die Grünlandmoore werden oft, selbst von Botanikern, mit den Wiesen (Moorwiesen oder Wiesenmooren der Flussniederungen) verwechselt, ebenso mit den aus Heide- mooren dureh Kultur und Düngung hervorgegangenen Wiesen, zum Theil wohl wegen des Namens „Wiesen- moor“, der ja auch in manchen Gegenden für die moorigen Flusswiesen gebraucht wird. Wenngleich die Formationen der Wiesen und der Grünlandmoore in ziemlich engen Beziehungen stehen, sind sie doch streng von einander zu scheiden. Wie die ersteren vorwiegend durch die Vege- tation von Gräsern ausgezeichnet sind, sind es die letzteren durch die Prävalenz der Carices, und zwar besonders hoch- wüchsiger, harter Arten (C. pannieulata, C. gracilis, C. Goodenoughii, C. panicea, C. flava, ©. Pseudo-Cyperus, C. rostrata, C. acutiformis ete.). In ihrer weiteren Zu- sammensetzung ist die Flora der Grünlandmoore sehr verschiedenartig und mit der Umgebung wechselnd, sodass es zu weit führen würde, hier nur die Haupttypen ein- gehend zu besprechen. 10. Vegetationsformation der Landseen, Teiche, Flüsse und Bäche. Auch in der Vegetation der im Wasser fluthenden resp. an den Uferrändern wachsenden Pflanzen macht sich ein ganz erheblicher Unterschied zwischen der der nahr- stoffreichen Landseen und Flüsse und der der sogenannten Heidetümpel mit armen („weichen“) Wässern bemerkbar. In der Hauptsache dürfte die Pflanzengesellschaft, wie sie uns fast überall in der norddeutschen Ebene entgegentritt, allgemein bekannt sein: An den Rändern meist Bestände von Phragmites und anderen Rohrgräsern, dazwischen Typha - Arten, Sparganium polyedrum, Sp. negletum, Sp. simplex, Triglochin maritima, Tr. palustris, Sagittaria sagittifolia, Alisma Plantago, Butomus umbellatus, Seirpus laeustris, Sec. maritimus resp. Se. Tabernaemontani u. a.; in Sachen Tümpeln treffen wir: Glyceria aquatica, Gl. fluitans, Gl. pliecata, Calla palustris, Lemna minor, Menyanthes trifoliata, zahlreiche Carex-Arten ete. Im Wasser der Flüsse und Seen selber begegnen uns ausser der Mehrzahl der ebengenannten Arten noch besonders Potamogeton natans, P. alpinus, P. lucens, P. perfoliatus, P. erispus, P. compressus, P. pusillus, P. pectinatus, P. marinus, P. densus, Stratiotes Aloides, Ranunculus aqua- tilis, R. divaricatus und zahlreiche andere. Es lassen sich naturgemäss gerade in dieser Formation zahlreiche Typen und Untertypen feststellen, aber auch nur eine oberflächliche Gliederung würde über den Rahmen der Arbeit hinausgehen. B. Vegetationsformationen mit mineralstoff- armen Wässern. Nachdem im vorigen Abschnitte alle die Formationen abgehandelt sind, in denen die Pflanzen an den Boden, d. h. an seinen Nahrstoffgehalt hohe oder doch wenigstens höhere Ansprüche stellen, mögen hier diejenigen folgen, deren Entstehen und Bestehen wohl lediglich dem Um- stande zu verdanken ist, dass die den Hauptbestand der *) Vgl. Sorauer, Handb. d. Pflanzenkrankheiten. 2. Aufl. I., 80 ff. vorherbesprochenen Vegetationsformationen bildenden Arten entweder auf dem zu Gebote stehenden Substrate über- haupt nicht zu gedeihen oder doch mit den hier präva- lirenden Pflanzen nicht in eine erfolgreiche Coneurrenz zu treten vermögen. Die wenigen vorliegenden Analysen der Siekerwässer oder der betreffenden Bodenarten zeigen, dass kaum mehr als 1—4 Theile gelöster anorganischer Substanz in 100000 Theilen des von den Pflanzen auf- zunehmenden Wassers (in typisch ausgebildeten For- mationen) sich finden; alle hierher gehörigen Formationen können als „heidige“ bezeichnet werden. *) 1. Vegetationsformation der Sandfelder. Die Formation der Sandfelder gehört zu den sterilsten und pflanzenärmsten, die wir in der norddeutschen Ebene antreffen, da sie die denkbar ungünstigsten Bedingungen für jedes Pflanzenleben darbietet. Zu dem Mangel an Nahrstoffen gesellt sich lange andauernde Trockenheit, die bei dem losen, wenig wasserhaltenden Sande um so fühlbarer wird. Am besten vermögen hier noch einige Flechten und unter ihnen wieder der anspruchslosesten eine, Cornieularia aculeata, zu gedeihen, sie überziehen oft weite Strecken in lockerem Rasen, der hin und wieder von grossen, ganz oder fast ganz kahlen Flächen unter- brochen wird, auf denen nur zu Zeiten andauernder Feuchtigkeit sich ein leichter Schimmer grüner Algen- vegetation bemerken lässt. Von siphonogamen Gewächsen gesellen sich kaum andere als Weingaertneria canescens, Erophila verna und vielleicht noch Teesdalea nudicaulis und Spergula vernalis hinzu. Nur hin und wieder taucht auf dem öden Felde eine einsame Kiefer oder ein struppiger Wachholder auf. 2. Vegetationsformation der Calluna-Heide. Wie die Sandfelder finden wir auch die Heide auf einem Terrain, auf dem die oberen Schichten des san- digen Bodens durch die jährlich darauf herniederrieseln- den Regenmassen ausgelaugt sind, das von oben herab- siekernde Wasser löst allmählich alle vorhandenen lös- lichen Mineralstoffe und entführt sie in tiefere Schichten. Es entsteht dadurch ein lockerer, feuchter, (durch bei- gemengte Humusteile) etwas bläulich-grauer Sand, der seiner Farbe wegen den Namen „Bleisand“ erhalten hat. Hat nun die Auslaugung einen bestimmten Grad erreicht, so würde das Wasser in fast reinem Zustande auf eine gewisse Tiefe in den Boden eindringen, wenn nicht auf der Oberfläche durch absterbende Pflanzentheile eine humose Schicht sich gebildet hätte, aus dieser werden nun eine grössere Menge von Humussäuren gelöst und in die tieferen Schichten gebracht. Gelangt das so mit Humussäuren beladene Wasser an die untere Grenze des Bleisandes, so werden aus dem dort noch nicht aus- gelaugten Boden sofort leicht lösliche Verbindungen (Salze ete.) gelöst und die Humussäuren, die die Eigenschaft be- sitzen, nur in reinem Wasser in grösserer Menge löslich zu sein, als eine braune gallertige Masse ausgeschieden, die, einmal troeken geworden, die Sandkörner zu einem festen, in Wasser unlöslichen Sandstein, dem Ortstein oder Ur, verkittet. Hat sich nun (meist in 30—50 em Tiefe) unter dem Walde oder an offenen Orten eine solche feste Ortstein- schicht gebildet, wie wir sie in Quadratmeilen grossen Flächen fast ununterbrochen in den grossen Heidegebieten vorfinden, so kann sich keine andere Vegetation hier er- *) Die hier zu behandelnde Gruppe habe ich in meiner Ar- beit: Studien über die Norddeutsche Heide, Englers Bot. Jahrb. XX. 1895, S. 500—654e. Tab. IX—X eingehend besprochen, kann mich deshalb hier kürzer fassen. 556 halten als die Heide, alle mit ihren Wurzeln tiefer in den Boden eindringenden Gewächse, besonders die Waldbäume, vermögen nicht die dicke Ortsteinschicht zu durchbrechen — die jungen Pflanzen vergehen bei der ersten Dürre- periode. Dieselbe wird hervorgerufen durch die Bildung be- sonders dieker Bleisandschichten (auch ohne Ortstein), in denen Pflanzen mit intensiverer Stoffproduction als die Heidepflanzen nicht Nahrung genug finden und daher zu Grunde gehen, ehe sie die unteren besseren und wasser- haltenderen Bodenarten erreicht haben. *) 3. Vegetationsformation der Kiefernwälder. Diese Vegetationsformation schliesst sich auf der einen Seite dieht an die der ebengeschilderten Heide an, die sie nur um ein weniges an Nahrstoffgehalt des Bodens übertrifft, oder von der sie sich oft nur durch den Mangel resp. die schwache Ausbildung des Ortsteins unterscheidet, auf der anderen Seite gehen die Kiefernwälder ganz un- merklich in die Formation der Birken- und Eichenwälder über. Wir finden sie meist auf sandigem, ziemlich armen Boden entwickelt; oft mischen sie sich mit anderen Bäumen (ausser den genannten besonders mit Buchen), und zwar immer an solchen Stellen, wo der Boden an der Ober- fläche in mässig dicker Schieht ausgelaugt ist und da- durch den Sämlingen der Laubbäume das Gedeihen zwar erschwert, aber noch nicht unmöglich gemacht wird, für die Kiefer aber ein erheblich günstigeres Terrain vor- handen ist. Anderwärts, wo die Bleisandschicht dünner ist, sind die Laubbäume die überlegenen — die Kiefern gehen in der Mehrzahl zu Grunde und Eiche oder Buche herrschen vor. — Man kann diesen Kampf überall dort beobachten, wo an den Rändern von Mischwäldern eine Kahlstelle oder innerhalb derselben durch Windbruch ete. eine Lichtung entstanden ist: in unzähligen Mengen ent- stehen auf dem Boden] die Keimlinge aller Arten neben- einander, aber schon im ersten Jahre kann man bei ent- schiedener Prävalenz einer Art das üppigere Gedeihen ihrer Samenpflanzen constatiren, und in älteren Beständen wird die Uebermacht des einen Baumes immer auffälliger. In ihrer Zusammensetzung gleicht die Flora der trockeneren Kiefernwälder meist der der trockeneren Heide, während die feuchteren, moosigen Bestände alle Uebergänge bis zur Annäherung an die Laubwaldflora zeigen, so sah ich beispielsweise bei Ossecken im Kreise Lauenburg i./P. in einem Kiefernwalde folgende Arten **): Hypnum Schreberi, Aspidium spinulosum, A. phegopteris, A. dryopteris, Lycopodium clavatum, Juniperus communis, Anthoxanthum odoratum, Aira flexuosa, Poa trivialis, P. nemoralis, Carex pilulifera, C. verna, Juneus effusus, Lu- zula pilosa, L. ecampestris, Betula verrucosa, Rumex Ace- tosella, Moehringia trinervia, Rubus Idaeus, Pirus aueu- paria, Viola silvatica, V. canina, Calluna vulgaris (wenig), Vaceinium Myrtillus, V. Vitis idaea, Trientalis europaea (sehr viel), Veronica offieinalis, V. Chamaedrys, Melam- pyrum pratense, Hypochoeris radicata, Lactuca muralis. 4. Vegetationsformation der Heidemoore. Hand in Hand mit der Ausbildung der Heiden geht die der Heidemoore; beide Formationen sind von ein- ander nur durch den Grad der Feuchtigkeit verschieden. In den Mulden und tiefer gelegenen Stellen der Heide sammelt sich das kalk- und nahrstoffarme Wasser und *) Ich habe über die Ursachen der Heidebildung ete., Vege- tation und Gliederung der Heide im weitesten Sinne bereits mehr- fach gesprochen, so a. a. O., Schr. Naturf. Ges. Danzig, N. F. IX, 1, 1896. S. 302 f. und „Naturw. Wochenschr.* (Potonie) 1896. S. 197 ff., Deutsche Botau. Monatschrift XV (1897) 23. #*) Vergl. Sch. Naturf. Ges. Danzig N.F. IX, 1, 1895. S. 289. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 47. giebt den T'orfmoosen, den Sphagnum-Arten, Gelegenheit zu massenhafter Ausbildung. In der diehten Moosdecke finden wir neben einigen auch für die trockene, sandige Heide charakteristischen Arten, wie z. B. Calluna, Empe- trum etc. eine grosse Anzahl dieser Formation eigenthüm- lichen Arten, so besonders Myrica, Ledum, Vaceinium Oxyeoceus, V. uliginosum und viele andere. Die Flora der Heidemoore weicht von der der Grünlandmoore und der der Flusswiesen (Wiesenmoore z. T.) ebenso erheb- lich ab als die 5. Vegetation der Heideseen nnd -tümpel von der der Landseen ete. Zwar besitzen beide letztere eine Anzahl übereinstimmender Arten (weit mehr, als den beiden Arten von Mooren gemeinsam sind), besonders von Potamogeten, dennoch ist das Bild eines Heidegewässers ein so charakteristisches und in jeder Beziehung abwei- chendes, dass die Formation gesondert besprochen zu werden verdient. Die Wasseransammlungen beobachten wir entweder inmitten des Moores, wo sie, von torfigen Ufern umgeben, meist eine braune Farbe zeigen. Die Vegetation solcher Tümpel ist gewöhnlich sehr ärmlich; oft flutet kaum etwas anderes als Hypnum fluitans oder ein Sphagnum, mitunter auch Juncus supinus. Anders in den klaren Heidegewässern mit sandigem Grunde und sandiger Umgebung. Hier finden wir als Charakter- pflanzen eine grosse Zahl interessanter Arten, so besonders Sparganium affine, Sp. diversifolium, Sp. minimum, Pota- mogeton polygonifolius, Seirpus fluitans, Se. multicanlis, Montia rivularis, Ranuneulus hololeueus, Isnardia palustris, Myriophyllum alterniflorum, Helosciadium inundatum, Lito- rella uniflora, Lobelia Dortmanna ete. Es sind dies alles Pflanzen, die nicht oder doch nur ausnahmsweise in an- deren als in heidigen Gewässern wachsen. C. Vegetationsformationen mit salzhaltigen Wässern. Anhangsweise mögen hier noch die Vegetationsforma- tionen auf salzhaltigen Böden behandelt werden, weil sie in gewisser Weise eine Zwischenstufe oder Uebergangs- form bilden zwischen den beiden vorbeschriebenen Haupt- gruppen, andererseits aber eine Sonderstellung einnehmen. Die trockneren unter ihnen schliessen sich ziemlich eng an die Formationen nahrstoffarmer Wasser besonders der Heide an; ja die Heide selbst kann in einigen charakte- ristischen Bestandtheilen nieht als absolut salzfeindlich bezeichnet werden, denn in den Dünenthälern der Ostsee treffen wir nicht selten auf eine sonderbare Mischflora ' echter Heidetypen (mit Calluna, Eriea Tetralix ete.) und der mässig feuchten Strandwiese (Juneus baltieus ete.). Die Vegetation der Dünen mit ihrem trockenen Flug- sande ist allgemein bekannt und vor allen von Warming*) eingehend behandelt worden. In den Thälern zwischen ihnen finden wir die charakteristische Formation der Strandwiesen. Der locker mit Pflanzen bestandene Sand- boden trägt eine auffällige Flora Juneus baltieus, J. Ge- | rardi, hin und wieder in Menge Seirpus eompressus und Se. rufus, an anderen Stellen Cakile maritima, Rumex maritimus, Salsola Kali, Eryngium maritimum (auch auf den Dünen vielfach), Euphrasia Odontites u. a. Von den Strandwiesen, die wegen der unvollständigen Pflanzendecke den Namen „Wiesen“ kaum verdienen, giebt es alle Uebergänge bis zu typischen Wiesen, deren halophile #) Warming E., Botaniske Exeursionen 2. De psammophile Formationer i Danmark. Vidensk. Meddel. fra den naturh. Fore- ning 1891 p. 153—202. — Excursioner til Fane og Blaavand i Juli 1893. Botanisk Tidskrift XIX. 1. Heft Kbhvn. 1894, S. 52—86. XII. Nr. 47. Vegetation den Salzgehalt des Bodens verräth und den sich anschliessenden Salzsümpfen. Auf den ersteren be- gegnen uns dichte Bestände von Juncus eompressus und Triglochin maritimum, zwischen ihnen kriechen Glaux ma- ritima und Spergularia salina, hin und wieder leuchten uns im Herbst grosse Horste von Aster Tripolium ent- gegen. Oft treten auch Plantago Coronopus und Festuca Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 557 distans in grossen Mengen auf. In den Gewässern fluthet Ruppia, an den Rändern wächst Samolus Valerandi. An den Stellen, wo der Salzgehalt grösser wird und zur Ausbildung typischer Salzsümpfe führt, sind oft weite Streeken mit Salieornia herbacea dieht überzogen, ander- wärts sind Suaeda maritima oder Obione pedunculata bei- gemischt oder in kleineren Beständen vorhanden. x. Die Borstenigel. — Die Klarstellung der Phylogenie der Kerbthierfresser ist eine sehr schwierige Aufgabe der Forschung. Der Grund hierfür liegt in der unzureichenden Kenntniss von fossilen Ueberresten dieser Thiere, wie auch in der weit auseinandergehenden Stellung ihrer lebenden Vertreter. Von den übrigen Raubthieren oder Carnas- siern unterscheiden sich die Kerbthierfresser wesentlich durch den noch an primäre Verhältnisse erinnernden Bau ihres Skeletts. Im Gegensatz zu den anderen Raubsäugern ist bei ihnen am Schultergürtel noch das Schlüsselbein vorbanden; auch im Bau des Schädels und der Geschlechts- organe stehen sie zurück. Unter den einzelnen Familien dieser Thiergruppe ist keine einzige, welehe auf Grund ihrer verschiedenen morphologischen Ei- genschaften als die primitivste ‚bezeichnet werden könnte, denn diese Besonderheiten vertheilen sich auf die einzelnen Vertreter der- selben. Nach Häckels Ansicht könnte noch am ersten die Familie der Igel (Erinacida), “einerseits der"europä- ische Erinaceus, ander- kleid eine weit stärkere Verbreitung über dem ganzen Körper, als bei dem vorigen. Hemicentetes nigrieeps Günther trägt dagegen die Stacheln nur auf Nacken, Rücken und Steiss beschränkt. Diese Thiere bekunden aber auch schon durch ihre Verbreitung das Alter ihres Geschlechts. Die erstere Form wird ausser auf Madagaskar auch auf Mauritius, Mayotte und Reunion gefunden. Als seine ursprüngliche Heimath muss aber Madagaskar angesehen werden, von hier aus mag er sich auf die bezeichneten Fundstellen ausgebreitet haben. Die beiden Hemicentetiden sind aus- schliesslich auf Madagaskar heimisch. Als einen weiteren Bürgen für das hohe Alter dieses Thiergeschlechtes sehe ich das Zeichnungs- kleid an, welches bei den Hemicentetiden auch im ausgewachse- nen Zustande, bei dem Centetes ecaudatus aber nur im Jugend- DAR SEE stadium vorkommt. Es 2% handelt sich hier um eine im Eimer’schen Sinne als primäre Zeichnung aufzufas- sende Längsstreifung, seits die malayische welche in Form von Gymnura, als die pri- 3 gelben Bändern auf mitivste angesehen Mn schwarzbraunem Un- . werden. Aber in Fr : ern Ta tergrunde die Leibes- Fe Beziehung { ”. seiten der betreffenden scheinen sich wieder > ch ö Thiere überzieht. Aus bei den Centetiden et ea zz der Thatsache, dass und Sorieiden die ur- sprünglichsten Charaktere der alt-tertiären Stammgruppe, welche Häckel Procarnassia nennt, erhalten zu haben. Wie dem auch sei, wir haben es jedenfalls in der Familie der Centetiden mit einem uralten Thiergeschlechte zu thun. Haacke hebt in seiner „Schöpfungsgeschichte der Thierwelt“ mit Recht hervor, dass „manche Kerbthbierfresser, und zwar die Igel, die Borstenigel und die Schlitzrüssler ein Haarkleid besitzen, das mit zahlreichen Stacheln und Borsten gemischt ist.“ Genannter Forscher macht darauf aufmerksam, dass eine derartige Körperbedeckung nur in alterthümlichen Säugerordnungen vorkommt, da sie sich ausser den genannten nur noch bei Nagern und Ursäugern vorfindet. Auf Grund dieser Erkenntniss spricht Haacke die Vermuthung aus, dass Stacheln und Borsten Vorläufer der Haare waren. Die einzelnen Vertreter der Centetiden lassen dieses Borsten- und Stachelkleid in mehr oder minder deutlicher Ausbildung erkennen. Der bekannte Borstenigel, Centetes ecaudatus, ist über den ganzen Körper mit Stacheln, Borsten und Haaren bedeckt, welche laut Brehm ineinander übergehen. Eigentliche Stacheln finden sich bei ihm nach diesem Autor nur am Hinterkopfe, im Nacken und an den Seiten des Halses. Bei einem anderen Centetiden, dem Hemicentetes madagascariensisShaw, zeigt dasStachel- dieses Zeichnungskleid bei Centetes im ausgewachsenen Zustande verloren ge- gangen ist, ergiebt sich der Schluss, dass diese Form in ihrer systematischen Stellung einen höheren Rang ein- nimmt, als die noch mit Zeiehnung geschmückten Hemi- centetesarten. Auch die Vorliebe der Thiere für Feuch- tigkeit, was sie durch ihren Aufenthalt an feuchten busch-, farrn- und moosbewachsenen Stätten bekunden, scheint auf uralte Lebensverhältnisse zurückzudeuten. Nach Angabe der verschiedenen Autoren, welche Madagaskar bereisten, sollen die Borstenigel bei Eintritt der Dürre in den Kesseln selbstgegrabener Höhlen einen Trockenschlaf halten, in dem sie ähnlich wie unsere Igel hier die Monate April bis November in ihrem Baue zubringen. Mit diesen An- gaben stehen die Erfahrungen Professor C. Keller’s in Zürich nieht im Einklang, da genannter Forscher den Centetes auch während seiner vermeintlichen Sehlafperiode auf Madagaskar herumstreifend vorfand. Alexander Sokolowsky. Ueber die zoographischen Gebiete der aethio- pischen Region veröffentlicht Paul Matschie Custos an der zoologischen Sammlung des Kgl. Mus. f. Natur- kunde zu Berlin, in den Sitzungs-Beriehten der Gesell- schaft naturforschender Freunde zu Berlin 1898 folgendes. 558 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr, 47. Zwei benachbarte Faunengebiete werden im allge- meinen nur dann scharfe Grenzen zeigen, wenn sie durch sehr hohe Gebirgszüge getrennt sind. Gewöhnlich wird zwischen je zwei Thiergebieten eine Uebergangszone vor- handen sein, in welcher die Arten resp. Abarten beider Gebiete neben einander, wenigsten in gewissen Gegenden, leben werden. Die eine Art wird ihren für sie geeigneten Lebensbedingungen entsprechend weiter verbreitet sein, als die andere; wir werden aber immer für je zwei benach- barte Faunengebiete Gegenden nachweisen können, in welchen nur die für das eine Gebiet charakteristischen Thiere vorkommen, ferner solche, in denen nur die für das andere Gebiet charakteristischen Thiere leben, und dazwischen werden wir eine Mischzone unterscheiden mit 2 Untergebieten, einem, in welchem die eine Fauna, und einem anderen, in welchem die andere Fauna überwiegt. Es können auch Fälle eintreten, wo in den zusammen- hängenden Wäldern des Mischgebietes die Fauna des einen Gebietes, in den Steppen aber die Fauna des anderen Gebietes gefunden wird. Man hat die aethiopische Region in ein westliches Waldgebiet und in ein den Norden, Osten und Süden um- fassenden Steppengebiet eingetheilt. Wir wissen, dass die Zusammensetzung der Thierwelt an der Küste von Kamerun eine wesentlich andere ist, als an der Küste von Deutsch- Ost-Afrika. Viele Gattungen, welche im Westen vertreten sind, fehlen im Osten und umgekehrt. Nun haben mehrere Zoologen, namentlich Professor Dr. Reichenow, alles Land, in welchem westliche Formen auftreten, zu dem westlichen Waldgebiete gerechnet. Die Inlandsgrenze der westlichen Gattungen stellt eine Linie dar, welche dasjenige Gebiet nach Westen abschliesst, in dem die ungemischte Steppenfauna auftritt. Mit demselben Recht kann man aber auch die West- grenze für die z. B. an der Congo-Mündung fehlenden Gattungen festlegen resp. ihre Nordgrenze im Süden und ihre Südgrenze im Norden. So erhalten wir eine zweite Linie, welche dasjenige Gebiet nach dem Inlande zu begrenzt, in welchem nur die westlichen Gattungen ungemischt vorhanden sind. Zwischen beiden Linien wird ein Gebiet liegen, welches sowohl Einflüsse der Steppenfauna als auch der westlichen Fauna zeigt. Matschie hat in seiner grösseren Arbeit: Die Fleder- mäuse des Berliner Museums für Naturkunde, von welcher der erste Theil in diesem Winter bei Georg 'Reimer in Berlin erschienen ist, auf den Seiten 38—41 über die Eintheilung der aethiopischen Region in kleinere zoogeo- graphische Gebiete folgendes gesagt: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Faunen- gebiete sehr innige Beziehungen zu den Meeresgebieten haben. Soweit die Flüsse in der alten Welt z. B. nach Norden zum Eismeer und Nord-Atlantik strömen, ist die Thierwelt eine ziemlich gleichartige; südlich davon breitet sich ein abflussloses Gebiet aus, in welchem die Wasser- läufe in das kaspische Meer, den Aral-See, Balkasch-See, das Lob-Nor u. s. w. sich ergiessen. Auch dieses Gebiet hat seine eigenthümliche Fauna. Sobald man die Wasser- scheide südlich von diesem abflusslosen Gebiet überschritten hat, gelangt man wiederum in neue Gebiete, welche je nach dem Meere, zu dem sie abwässern, eine verschiedene Fauna zeigen. Wenn man eine Art an 3 oder 4 Stellen innerhalb eines Flussgebietes gefunden hat, so kann man im allge- meinen mit einer grossen Wahrscheinlichkeit annehmen, dass sie an geeigneten Stellen überall innerhalb dieses Flussgebietes vorkommt; wenn ein Strom an seiner Mün- dung eine andere Fauna zeigt, als in seinem Oberlaufe, so liegt der Verdacht nahe, dass er aus zwei verschiedenen Flüssen, die ursprünglich einen ganz anderen Verlauf hatten, entstanden ist, dadurch, dass die Wassermassen des einen an irgend einer Stelle über die flache Wasser- scheide in das Gebiet des anderen eingebrochen sind. Dass so etwas vorkommen kann, sehen wir an den Ver- änderungen, welche die norddeutsche Tiefebene einst erlitten hat. Dort fliessen die Oder und Weichsel heute in die Ostsee, während sie früher ihre Gewässer in die Elbe sendeten. In Afrika fliessen der Niger und der Nil durch verschiedene Faunen-Gebiete.. Man kann also vermuthen, dass ihr jetziger Lauf ein anderer ist, als der ihnen ursprünglich eigene. Die Wasserscheide, auf welcher die in den Golf von Guinea sich ergiessenden Flüsse entspringen, schneidet den Niger etwas südlich vom Benue. Hier, wo der Niger bei Anitscha einen scharfen Knick bildet, muss eine Bifurkation nachgewiesen werden. Ebenso wird man unter Berück- sichtigung der geologischen Verhältnisse auch am Victoria- Nyansa und Nil einmal eine Erklärung für die merkwürdige Zusammensetzung der dortigen Thierwelt finden können. Matschie hat die einzelnen Gebiete, in welehe er die aethiopische Region zerlegt, möglichst klein genommen, weil er glaubt, dass es leichter ist, zunächst zu trennen und dann zu vereinigen, als umgekehrt. *) „Selbstverständlich werden je zwei dieser kleinen Gebiete an ihren Grenzen wieder eine Mischfauna zeigen, in welcher die Thierwelt beider vertreten ist. Ferner ist daran zu erinnern, dass jedes zoogeographische Gebiet seine besondere Gebirgs-, Flachlands-, Steppen-, Park-, Wald-, Sumpf-, Wüsten- ete. Fauna besitzt und dass die Gesammtheit aller dieser Theil-Faunen erst ein Bild von der Gesammtfauna eines Gebietes gewährt.“ Wieweit das Verbreitungsgebiet der westlichen Gat- tungen ohne Beimischung von solchen ist, die dem Steppen- gebiet eigenthümlich sind, das wissen wir noch nicht. Vorläufig sind zu dem eigentlichen westlichen Faunen- gebiet die ersten 4 Gebiete und das 6. und 7. Gebiet meiner Uebersicht zu rechnen: Unter dem Namen Gambia fasst Matschie Süd-Sene- gambien zusammen mit dem portugiesischen und franzö- sischen Guinea. Die Grenze wird gebildet von der Wasserscheide zwischen Senegal und Gambia und im östlichen Fouta Djalon von derjenigen zwischen dem Senegal und den Küstenflüssen. Im der Richtung auf Sierra Leone wird vielleicht die Wasserscheide nördlich von Rio dos Carceres die Grenze bilden. — West-Guinea nennt Matschie den Theil des politischen Ober-Guinea, welcher Sierra Leone, Liberia und einen Theil der Elfenbein- küste umfasst. West-Guinea wird nach dem Inlande wahr- scheinlich durch die Wasserscheide begrenzt, auf welchem die Küstenflüsse entspringen. Wo an der Elfenbeinküste die Grenze liegt, wissen wir noch nieht. — Mittel-Guinea umfasst den östlichen Theil der Elfenbeinküste, die Gold- küste, Togo und Dahome, nach Norden bis zur Wasser- scheide zwischen den Küstenflüssen und den Zuflüssen des Niger. Die Ost-Grenze dieses Gebietes ist nieht festge- stellt. — Der untere Niger bildet ein viertes Faunen- gebiet. Die Grenze gegen Mittel-Guinea ist nicht fest- gestellt. — Nach Norden scheint die Wasserscheide zwischen dem Ocean und den Niger-Benue-Zuflüssen dieses Gebiet zu begrenzen. Gegen Nieder-Guinea wird wahr- scheinlich die Wasserscheide südlich vom Cross-Fluss und nördlich vom Mbam die Grenze bilden. — Das Gebiet des Benue dürfte als Mischgebiet zwischen der Guinea- und Sudan-Fauna aufzufassen sein. — Nieder-Guinea umfasst den grösseren Theil von Kamerun und Gabun. Bei Vietoria mischt sich die Fauna von Ober- und Nieder- ®) Neuer Zusatz des Verfassers. XIU. Nr. 47. Guinea. Vom Kamerunberge erstreckt sich dieses Thier- gebiet nach Süden bis zu den Quellen der Kuiluzuflüsse, nach Osten bis zu der Wasserscheide gegen die Congo- und Schari-Zuflüsse.. — Das Congo-Gebiet reicht soweit, wie die Gewässer zum Congo fliessen, und umfasst den gesammten Congostaat mit Ausnahme der zum Tanganyika und zum Mero-See abwässernden Gebiete, den südöstlichen Theil von Kamerun, das Hinterland des Congo-Francais, den nord-östlichen Theil von Loanda und das Lunda-Reich. Loanda wird im Norden von der Wasserscheide südlich des Congo in Nord-Angola, gegen Osten von den Quell- gebieten der Congo-Zuflüsse, nach Süden von der Wasser- scheide zwischen dem Cuanza und den Sambese-, Oka- wango- und Cunene-Zuflüssen begrenzt. — In Loanda überwiegen, wie es scheint, die westlichen Arten, es treten aber auch schon südliche auf. — Benguella umfasst: Benguella, Mossamedes und die Küste von Deutsch- Südwest-Afrika bis herunter zur Lüderitzbucht. Die In- landsgrenze verläuft im Norden in der Nähe des Catum- bella, nach Osten auf der Wasserscheide gegen die ÖOkawango- und Orange-Zuflüsse. — Das Orange- Fluss- gebiet ist beschränkt auf diejenigen Gegenden, welche zum Orange-Fluss abwässern. Es schliesst sich in Gross- Namaland an das vorige Gebiet an, erstreckt sich nach Nordosten bis zu den Quellgebieten der Nosob-Zuflüsse, reicht auf der Wasserscheide zwischen Vaal und Limpopo bis zu den Quellgebieten der südostafrikanischen Küsten- flüsse und wird nach Süden begrenzt von den Gebirgen, auf welchen die südlichen Zuflüsse des Orange entspringen. — West-Capland umfasst den Theil der Cap-Colonie, welcher südlich von den Zuflüssen des Orange-Flusses gelegen ist und seine Ostgrenze ungefähr in der Höhe des grossen Winterberges und am Grossen Fisch-Fluss hat. — Ost-Capland erstreckt sich östlich von den Zu- flüssen des Orange-Flusses über Kaffraria, Natal, Zulu- Land und Swazi-Land bis ungefähr zur Delagoa-Bay. — Das Limpopo-Gebiet reicht nach Norden bis an die Wasserscheide gegen den Sabi. — Als Ngami-Gebiet bezeichnet Matschie das abflusslose Gebiet, welches nach Westen von den Quellgebieten der atlantischen Küstenflüsse, . nach Norden von der Wasserscheide gegen den Sambese be- grenzt wird. — Das Sambese-Gebiet umfasst alle zum Sambese abwässernden Gegenden und die Küste vom Sabi nach Norden bis zur Sambese-Mündung — Das Mero-Gebiet ist das abflusslose Gebiet zwischen den Congo- und Sambese-Zuflüssen; hier dürften Congo- Formen neben östlichen Formen leben. Durch Bifurkation ist dieses Gebiet mit dem Congo verbunden. — Als Mos- sambik bezeichnet M. das Gebiet der Küstenflüsse nörd- lich von Sambese bis nördlich vom Rowuma in Deutsch- Ost-Afrika. — Sansibar-Küste nennt er das Gebiet der Küstenflüsse von Deutsch-Ost-Afrika zwischen der Wasser- scheide, auf welcher die südlichen Zuflüsse des Rufijji und Ruaha entstehen bis zum Usambara-Hochlande, nach Westen bis zur Wasserscheide, auf welcher die Küsten- flüsse entspringen. — Als Massai-Land bezeichnet M. das abflusslose Gebiet, welches westlich von den Quellen der Küstenflüsse liegt und nicht nur die eigentlichen Massai-Hochländer, sondern auch das Eyassi-Gebiet umfasst. Nach Westen bilden die Zuflüsse des Malagarasi und des südlichen nnd östlichen Nyansa die Grenze, nach Norden die zum Naiwascha und Baringo-System gehörigen Flüsse. Unter dem Namen Malagarasi fasst M. die Gegenden zusammen, welche von Osten und Norden her in den Tan- ganyika und von Süden her in den Nyansa abwässern. Dieses Gebiet wird vielleicht als Mischgebiet gelten müssen. — AlsSeen-Gebiet sind die Gegenden aufzufassen, welche zum Albert-See, Albert-Edward-See und zum grösseren Theile des Nyansa abwässern. Dieses Gebiet Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 559 wird gegen Westen von den Quellgebieten der Congo- Zuflüsse begrenzt, gegen Norden von der Wasserscheide, auf weleher die in den Nordrand des Nyansa stürzenden Flüsse entspringen, nach Osten von der Wasserscheide, auf weleher die in den Ostrand des Nyansa sich ergiessenden Flüsse entstehen, und nach Süden von einer Linie, die ungefähr südlich vom Ngare Dobasch über Ukerewe und 3ukome bis zu der Wasserscheide gegen die Tanganyika- Zuflüsse sich erstreckt. Das Seen-Gebiet hat sich als Mischgebiet erwiesen. — Ukambani umfasst Britisch-Ost- Afrika und den nördlichsten Theil des Küstengebietes von Deutsch-Ost-Afrika, nördlich von den Usambara-Hoch- ländern nach Westen bis zu den Quellgebieten der Küsten- flüsse, nach Norden bis zur Wasserscheide nördlich vom Tana. — Das Somali-Plateau schliesst sich nach Norden an Ukambani an, reicht nach Westen bis zu der Ostgrenze des abflusslosen Gebietes, nach Norden bis zur Wasser- scheide gegen die Zuflüsse des Golfes von Aden. — Als das Rudolf-See-Gebiet ist das abflusslose Gebiet nörd- lich von Guasso Nyiro des Massai-Landes zu bezeichnen, östlich bis zu den Quellgebieten der Flüsse, welche das Somali-Plateau durchziehen, westlich bis zur Wasserscheide gogen den Bahr el Gebel, nach Norden bis zum Tana- See und Siemen-Gebirge. Der Rudolf-See, der Stephanie- See und Schoa liegen in diesem Gebiet. — Auf den Karten fliesst der Bar el Azrek vom Tana-See erst nach Süden und dann im grossen Bogen nach Norden. Er tritt dann in ein neues Faunengebiet ein, das sich bis Sennaar erstreckt. Hier scheint wieder eine nachträgliche Veränderung der Flussläufe stattgefunden zu haben, da der Oberlauf der Bahr el Azrek eine andere Fauna als der Unterlauf besitzt. — Das Gebiet des „Gazellen- Flusses“ von den Quellgebieten der Congo-Zuflüsse bis zu dem abflusslosen Gebiet in Kordofan und Dar-Fur, nach Westen bis zur Wasserscheide gegen die Tschad- See-Zuflüsse, nach Osten bis zur Wasserscheide gegen den Bahr el Abiad bildet wieder ein einheitliches Faunen-Gebiet, welches schon westliche Einflüsse zeigen dürfte. — Der Bahr el Abiad von der Einmündung des Gazellen-Flusses nach Norden bis Dongola, der Atbara mit seinen Zuflüssen und der Bahr el Azrek nach seinem Austritt aus den abessynischen Gebirgen bewässern ein Gebiet, welches nach Osten von der Wasserscheide gegen die Küstenflüsse des Rothen Meeres, nach Süden von der Wasserscheide gegen die nördlichen Zuflüsse des Bahr el Azrek und die- jenigen des Haiwasch begrenzt wird. — Die Erythraea reicht als zoologisches Gebiet von der Nordgrenze der aethiopischen Region am Rothen Meer nach Süden bis zur Wasserscheide gegen den Haiwasch, nach Westen bis zur Wasserscheide gegen die Zuflüsse des Bahr el Azrek. — Die Berbera-Küste schliesst sich an dieses Gebiet nach Osten an und umschliesst die Länder, in denen die Flüsse in den Golf von Aden stürzen. — Das Tschad-See-Gebiet um- fasst die von den Zuflüssen des T'schad-See bewässerten Gegenden. — Das Gebiet des oberen Niger reicht nach Süden bis an die Nordgrenze des unteren Niger und von Mittel- und West-Guinea nach Norden bis zur Nordgrenze der aethiopischen Region, nach Osten bis zu den Quell- gebieten der Tschad-See-Zuflüsse, nach Westen bis zur Wasserscheide gegen den Senegal. — Das Senegal- Gebiet wird nach Süden vom Gambia-Gebiet, nach Osten vom Gebiet des oberen Niger begrenzt; hier zeigen sich schon gewisse Guinea-Gattungen. x Die Entstehung des Chlorophylis ist bekamntlich an die Gegenwart von Licht und Eisen gebunden, weil im normalen Zustand grüne Pflanzen im Dunkeln gelbliche Farbe annehmen, ebenso im Licht bei Mangel an Eisen. 560 Natwrwissenschaftlicehe Wochenschrift. Dass aber auch die Gegenwart von Kohlehydraten ‚er- forderlich sei, wurde 1891 von Palladin gezeigt. Im An- schluss an diese Untersuchungen stellte P. fest (Influence de diverses substanees et influence de l’oxygene sur la formation de la chlorophylle, Comptes rendus, Paris 1897, Bd. 125), dass Saecharose, Glukose, Fruktose, auch Glycerin, die Bildung des Chloropbylis begünstigen, Asparagin, Harnstoff, Duleit ete. sie dagegen hemmen. P. behauptet noch, dass bei der Entstehung des Chlorophylis mehr Sauerstoff verbraucht wird, als beim Assimilationsprocess entsteht. Ra Die Einwirkung des Argon auf die Pflanzen hat Th. Schloesing fils in Paris (Comptes rendus heb- domadaires des seances de l’acad&mie des sciences. Bd. 125, Paris 1897) studirt. Als Versuchsobjecte dienten Avena sativa (Hafer) und Holeus lanatus. Es zeigte sich dabei, dass ein sichtbarer Unterschied im Gedeihen der Pflanzen bei Abwesenheit von Argon nicht zu constatiren war. Auch die Menge aufgenommenen Sauerstoffes und abgegebener Kohlensäure wurde nicht geändert. R.K. „Ueber Jonon aus Lemongrasöl“ hat Ferd. Tiemann in den Ber. Deutsch. Chem. Ges. 31, 2513 eingehende Mittheilungen gemacht. Citral ist der einzige, ungesättigte aliphatische Aldehyd von der Formel C,,H,s0, der bis jetzt in ätherischen Oelen aufgefunden ist. Die Constitution des Citrals lässt zwei raumisomere Modi- fieationen voraussehen, entsprechend den Formelbildern: (CH,),C: CH- CH, - CH, -C- CH, HC - COH und (CH,),C: CH: CH,:CH,:C-CH, HOC. CH. Beobachtungen zur Isolirung der einen oder anderen Form liegen bisher nicht vor. Im Citronenöl findet sich Citral zu T7—8 pCt, im Lemongrasöl zu 80—85 pÜt.; letzteres dient als aus- schliessliches Material für die technische Gewinnung des Citrals. Ausser Citral sind im Lemongrasöl optisch active Terpene, Geraniol, Ester des Geraniols und Methyl- heptenon enthalten; Citral selbst bildet den wesentlichen aldehydischen Bestandtheil des Lemongrasöls. Isolirung der aldehydischen Bestandtheile des Lemongrasöls mittels Natriumbisulfit. 200 gr. Lemongrasöl wurden in üblicher Weise mit der gleichen Gewichtsmenge eoncentrirter Natriumbisulfit- lösung und etwas Aether geschüttelt und dann unter Kühlung zum Auskrystallisiren der Doppelverbindung mehrere Stunden sich selbst überlassen. Die kıystallinische Citral-Bisulfitverbindung wurde mit Aether gewaschen und mit Natriumearbonat zersetzt; neben wenig Methylheptenon erhielt man 120 gr. — 60 pCt. reines Citral. Um die nieht von Natriumbisulfit gebundenen Bestandtheile des untersuchten Lemongrasöls vollständig von Citral zu befreien, erhitzt man den 65 gr. wiegenden öligen Rückstand mit alkoholischer Kalilauge; hierbei geht das Citral in ein mit Wasserdämpfen nieht mehr flüchtiges Harz über, und man erhält. ausserdem 30.gr. —15 pCt. eines von Citral und anderen Aldehyden völlig freien Oeles, das unter 17 mm Druck zwischen 75—135° siedet, Linksdrehung zeigt und ausschliesslich die optische Activität des Lemongrasöls bedingt. Hiernach kann der Citralgehalt der untersuchten Probe auf 80—85 plt. ge- schätzt werden, XII. Nr. 47. Abtrennung der nicht aldehydischen Bestand“ theile des Lemongrasöls vom Citral mittels Semi- carbazid. Unter Einwirkung einer verdünnt alkoholischen Auf- lösung von Semiearbazidchlorhydrat und Natriumacetat liefert reines Citral ein Gemisch isomerer Semiearbazone; die Umsetzung zwischen Citral und Semicarbazid erfolgt rascher und vollständiger als die Umsetzung von Citral und Natriumbisulfit. Man kann die Sermiearbazidprobe daher mit Vortheil zur annähernd quantitativen Bestimmung des Citrals in eitralhaltigen Oelen benützen; so lieferten 50 gr. Lemon- grasöl 55 gr. Citralsemicarbazon, die 42 gr. — 84 plt. reinem Citral entsprechen. Die nicht aldehydischen Be- standtheile des Lemongrasöls wurden im Dampfstrom ab- getrieben und zur Entfernung noch vorhandener Reste freien Citrals mit alkoholischer Kalilauge erwärmt. Nach dieser Behandlung wurden schliesslich 7 gr. eines aus Geraniol und optisch aetiven Terpenen bestehenden neu- tralen Ocles abgeschieden. Der optische Befund thut die Abwesenheit irgend wie namhafter Mengen optisch activer Aldehyde in dem Lemongrasöl dar und berechtigt zu dem Schluss, dass seine aldehydischen Bestandtheile im Wesent- liehen nur aus optisch inactivem Citral bestehen. Technische Darstellung des Citrals aus Lemon- grasöl. Geschieht durch Aussieden des Citrals oder durch Abscheiden des Aldehyds aus seiner aus Lemongrasöl bereiteten Doppelverbindung mit Natriumbisulfit. Aus dem Umstand, dass die Citral-Bisulfitverbindung beim Be- handeln mit Kaliumearbonat ein nahezu reines Citral liefert, dem nur Spuren von Citronellal u. s. f. anhaften, kann schon gefolgert werden, dass andere‘ Aldehyde als Citral im Lemongrasöl nieht vorhanden sind. Umwandlung der aldehydischen Bestandtheile des Lemongrasöls in Pseudojonon. Man kann die Natur der aldebydischen Bestandtheile des Lemongrasöls auch dadurch ermitteln, dass man Derivate der Aldehyde darstellt, die sich unsehwer von den übrigen Bestandtheilen trennen lassen; hierzu eignen sieh vornehmlich die alkalischen Condensationsproduete der betreffenden Aldehyde mit Aceton, deren Semicarba- zone durch Destillation im Dampfstrom leicht von allen flüchtigen Beimengungen befreit werden können und bei der Zersetzung durch Schwefelsäure die Condensations- produete der bezügliehen Aldehyde mit Aceton in reinem Zustande liefern. Das Produet der alkalischen Conden- sation zwischen Citral und Aceton ist Pseudojonon, es wird auf diesem Wege in reinem Zustand aus Lemon- grasöl gewonnen, woraus wiederum folgt, dass im Lemon- grasöl ausser Citral kein anderer Aldehyd in namhafter Menge vorhanden ist. Durch Behandlung mit Säuren oder sauren Agentien geht Pseudojonon in Jonon über. Condensation von Citral und Aceton mittelst des alkalischen Agens, Chlorkalklösung, zu Pseudo- jonon. Seit dem Jahre 1893 ist bekannt, dass durch alkalische Condensation von Citral mit Aceton Pseudojonon C);Hz,0 entsteht, und dass dieses unter Einwirkung von Säuren in’ das isomere Jonon übergeht. J. Ziegler, der die im Lemongrasöl enthaltenen Aldehyde mittelst des alkalischen Agens, wässrige Chlorkalklösung, in Anwesenheit von Alkohol unter Zusatz von Cobaltnitrat, direkt mit Aceton zu einem Körper C,sH;,0 dem sogenannten „Pseudo- veilchenöl“ condensirt und dieses durch anhaltendes Kochen. mit. einer schwefelsauren Lösung von Natrium- XI. Nr. 47. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 561 sulfat in ein isomeres Product, das „künstliche Veilebenöl“ umwandelt, stellt, trotzdem er die nämlichen Processe be- nützt, die Behauptung auf, dass „Pseudoveilchenöl“ und „Veilchenöl künstlich“ von Pseudojonon und Inon ver- schieden seien. Ziegler stützt sich auf die Hypothese, dass Pseudoveilchenöl einem höher als Citral siedenden, davon verschiedenen, aldehydischen Bestandtheil des Lemongrasöls entstamme. Diese Hypothese ist falsch, denn aus dem oben ge- führten Nachweis erhellt, dass im Lemongrasöl ausser Citral andere Aldehyde in einer bei der alkalischen Con- densation mit Aceton in Betracht kommenden Menge überhaupt nicht vorhanden sind. Die Behauptung Zieglers, dass Pseudoveilchenöl vom Pseudojonon verschieden sei, und dass das „Veilchenöl künstlich“ Kein Jonon enthalte, ist unrichtig, denn die bisherigen Arbeiten über Veilchenketone erweisen zur Evidenz, dass bei der Einwirkung alkalischer Agentien auf ein Gemenge von Aceton und citralhaltigem Lemon- grasöl Pseudojonon entsteht, das beim Behandeln mit Säuren oder sauren Agentien in Jonon übergeht. Ausserdem hat ©. Doebner die Behauptungen Zieglers einer experimentellen Prüfung unterworfen und constatirt, dass das im Lemongrasöl enthaltene Citral unter dem Einflusse von Chlorkalklösung mit Aceton glatt zu Pseudojonon condensirt wird, das beim Erhitzen mit saurem schwefelsauren Natrium in normaler Weise Jonon liefert. Um schliesslich jeden Zweifel zu beseitigen, hat Tiemann nach den Angaben Zieglers durch direkte alkalische Condensation von Aceton mit dem im Lemon- grasöl sich vorfindenden Citral unter Verwendung von Chlorkalklösung und Cobaltnitrat grössere Mengen des Pseudoveilchenöls dargestellt, und es durch Kochen mit einer Lösung von saurem schwefelsauren Natrium in das sogenannte „Veilchenöl künstlich“ umgewandelt; es hat sich dabei herausgestellt, dass ein Gemenge aus Citral und Aceton durch alkalische Condensation immer in Pseudojonon umgewandelt wird, und dass letzteres bei saurer Invertirung stets Jonon liefert. Pseudoveilechenöl. Das Pseudoveilchenöl ist ein gelbliches Oel, das unter 15 mm Druck bei 135—165° siedet; seine optische Acti- vität wird, wie sich erwiesen hat, von Fremdkörpern bedingt. Das aus dem Pseudoveilchenöl in bekannter Weise dargestellte Semicarbazon zeigt die Eigenschaften des aus dem Pseudojonon erhältlichen Gemenges von Semi- carbozonmodificationen. Durch Zersetzen der Semicarbazone mit alkoholischer Schwefelsäure erhält man optisch inactives Pseudojonon, das unter 13 mm Druck bei 145—147° siedet und einen Refraktionsindex np — 1,5335 hat. Reines Pseudojonon kann leicht aus dem Veilchenöl unter Vermittelung der Natriumbisulfitdoppelverbindung erhalten werden; das so gewonnene Pseudojonon siedet unter 15 mm Druck bei 149—152°, hat einen Brechungs- index np —= 1,537 und liefert das nämliche Gemenge von Semiearbazonen wie das Pseudoveilchenöl. Es ergiebt sich daraus, dass Pseudojonon fertig gebildet im Pseudo- veilchenöl vorhanden ist. Um den wesentlichen Bestandtheil des Pseudoveilchen- öls noch genauer als Pseudojonon zu charakterisiren, wurde das Pseudoveilchenöl zunächst direkt in 8-Jonon und dieses dann in Jonen und letzteres in Jonirigentri- carbonsäure übergeführt. Auch hierbei wurde der experi- mentelle Beweis erbracht, dass Pseudoveilchenöl im Wesentlichen aus Pseudojonon besteht. Veilehenöl künstlich. Das „Veilchenöl künstlich“ siedet im rohen Zustand unter 15 mm Druck zwischen 130—150° unter Hinter- lassung von 10 pCt. eines verharzten Rückstandes; es stellt kein einheitliches chemisches Individuum dar, sondern enthält noch namhafte Mengen von Pseudojonon. Letzteres lässt sich durch kurzes Erhitzen mit alkoholischer Kali- lauge beseitigen, die Pseudojonon schneller als Jonon ver- harzt; eine derartig behandelte, und im Dampfstrom ab- getriebene Probe von „Veilchenöl künstlich“ siedete unter einem Druck von 15 mm bei 130—139° und hatte bei 17° ein Volumengewicht von 0,939, während eine Probe von käuflichem Jonon unter 15 mm Druck bei 130—135° überging und bei 20° ein Volumengewicht von 0,9346 zeigte. Schon hieraus geht hervor, dass der wesentliche Be- standtheil des Veilchenöls Jonon ist. Dem aus dem „Veilchenöl künstlich“ abgeschiedenen Jonon haften hartnäckig optisch active Beimengungen an, die geringe Linksdrehung des Jonons bewirken. Um Aufschluss über die Natur dieser drehenden Beimengungen zu erlangen, wurden die in dem Veilchenöl enthaltenen Ketone mittelst p-Bromphenylhydrazin in die entsprechen- den p-Bromphenylhydrazone übergeführt und eine Trennung der nicht flüchtigen p-Bromphenylhydrazone von den flüchtigen von p-Bromphenylhydrazin nicht gebundenen Bestandtheilen bewerkstelligt. So wurden aus 50 gr. Veilchenöl ca. 6 gr. eines linksdrehenden Oeles gewonnen, das fast ausschliesslich aus Terpenen bestand. Jonon lässt sich aus seinen p-Bromphenylhydrazonen nicht so glatt wie aus den Semicarbazonen regeneriren, daher wurden zur Charakterisirung der in dem Veilchenöl enthaltenen Ketone die Semiearbazone benutzt. Die öligen Semicarbazone wurden mit alkoholischer Schwefelsäure gespalten, wobei ein völlig inactives Gemisch aus Jonon und Pseudojonon resultirte, das nach Zerstörung des Pseudojonons nahezu reines Jonon lieferte. Um aber Jonon noch weiter als wesentlichen Bestand- theil des Veilchenöls zu kennzeichnen, hat Tiemann direkt im Veilchenöl «-Jonon und #-Jonon nachgewiesen und schliesslich den aus Veilchenöl hergestellten Kohlenwasser- stoff Jonon zu Jonirigentricarbonsäure aboxydirt. «-Jonon lässt sich aus dem Veilchenöl am schnellsten in Form des bei 142—143° schmelzenden p-Bromphenyl- hydrazons abscheiden; die Identität dieser Verbindung mit «-Jonon-p-bromphenylhydrazon wurde durch krystallo- graphische Messungen und optische Krystalluntersuchungen bestätigt. Die Anwesenheit von $-Jonon im Veilchenöl lässt sich zweckmässig mittelst des eigenartigen 8-Jononsemicarba- zons, das constant bei 148° schmilzt, erweisen. Durch Erhitzen des „Veilchenöls künstlich“ mit rothem Phosphor und Jodwasserstoffsäure resultirt Jonon, das bei der Oxydation mit Kaliumpermanganat und Chromsäure- gemisch Jonirigentriearbonsäure liefert. Auch aus diesen Versuchen erhellt, dass Jonon ein wesentlicher Bestandtheil des Veilchenöls ist. Dr. A. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ausserordentliche Professor der Physio- logie in Zürich Dr. Max von Frey zum ordentlichen Professor; der ausserordentliche Professor der Agrikulturchemie in Brünn Dr. Max Hönig zum ordentlichen Professor; der Docent für Arzneimittellehre in Lausanne Professor L. Bourget zum Pro- fessor der klinischen Mediein und Leiter der medieinischen Klinik daselbst; der ausserordentliche Professor der Irrenheilkunde in Lausanne Dr. Rabow zum Docent der Arzneimittellehre daselbst; Dr. de Marignac zum Professor der Hygiene in Genf. Berufen wurden: Der ordentliche Professor der Geographie in Tübingen Dr. Alfred Hettner nach Würzburg; der Privat- 562 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIIF. Nr. 47. Docent der Anatomie in Strassburg Dr. Ernst Mehnert als ausserordentlicher Professor nach Halle, Seinen Lehrauftrag hat niedergelegt: Der Professor der klinischen Mediein und Leiter der medicinischen Klinik in Lausanne de Oerenville. Es starben: Der französische Alterthumsforscher Frederic Moreau; der Professor der Technologie in Gent J. Minter. Eine dankenswerthe Anregung zur Schaffung von „Parks“ im Königreich Preussen im Sinne der „National-Parks“ in Nord-Amerika hat Herr Oberlehrer Wetekamp im preussischen Abgeordnetenhause am 30. März 1898 gegeben. Er sagte: Ich weiss, dass es bei der dritten Lesung nicht gern gesehen wird, wenn noch Reden gehalten werden; aber ich denke, dass die Herren mir einige Nachsicht gewähren, wenn ich Ihnen sage, dass die Sache, welehe ich vorzubringen gedenke, bereits dreimal zurückgestellt ist, im Hinblick auf die beschränkte Zeit, und dass ich ausserdem in dem Wunsch, den ich vorzubringen habe, übereinstimme mit Mit- gliedern der sämmtlichen Parteien dieses Hohen Hauses. Meine Herren, in dem Etat der Unterrichtsverwaltung sind eine ganze Anzahl Posten eingesetzt für Erhaltung botanischer Gärten, die uns die Flora des Auslandes vorführen, für Museen, welche die Naturproducte aller Länder und Zonen dem Studium zugänglich machen sollen. Es sind ferner Mittel eingesetzt, um die Denkmäler der Kunst und Entwickelungsgeschichte der Mensch- heit uns zu erhalten. Aber eins fehlt uns noch: es fehlen uns Einriehtungen und Mittel, um die Denkmäler der Entwiekelungsgeschichte der Natur uns zu erhalten, und doch ist hier in der That eine grosse Gefahr vorhanden, die Gefahr, dass wir mit Riesenschritten einem Zustande entgegen- gehen, den ein bedeutender Naturforscher mit folgenden Worten charakterisirte: „Der eivilisirte Theil der Menschheit wird als- bald mit Schaudern die Monotonie gewahr werden, welche sie nieht nur bedroht, sondern bei welcher sie theilweise schon jetzt angelangt ist. Roggen, Weizen, Hafer, Gerste, der Abwechselung zu Liebe auch umgekehrt: Gerste, Hafer, Weizen, Roggen — sehen Sie, das wäre die Flora der Zukunft. Und das Thierreich ? Haushühner, Truthühner, Tauben, Gänse, Enten, dann Rind, Pferd, Esel — die übrigen als Reliquien in den Museen ausgestopft.“ Meine Herren, diese Schilderung mag Manchem vielleicht etwas übertrieben scheinen, und doch wird jeder, der wie ich in jedem Jahre eine Exeursion in unserem Vaterlande behufs geo- graphisch-naturwissenschaftlicher Studien macht, merken, wie sehr die Natur bei uns im Schwinden begriffen ist durch die vom volks- wirthschaftlichen Standpunkt aus durchaus wünschenswerthen Meliorationen. Aber die Ausdehnung der Bodeneultur bedarf doch, glaube ich, einer gewissen Einschränkung. Wir dürfen sie nicht so ‘weit kommen lassen, dass die Natur vollständig vernichtet wird. Es handelt sich nicht allein um die Pflanzendecke; denn mit dem Scehwinden der Pflanzendecke ist zugleich auch ein Schwinden der Thierwelt verbunden. Wie rasch ein solches Schwinden statt- finden kann, haben uns die Verhältnisse auf Neuseeland gezeigt, wo durch die Kultur die sehr üppige, einheimische Flora bereits vollständig verdrängt worden ist, und bezüglich der Thierwelt brauche ich bloss an einzelne grosse Thiere zu erinnern: der Auerochse ist bei uns vollständig verschwunden, das Wisent wird nur noch an einigen Stellen gehütet. Ich will auf diese Frage des Schwindens der Thierwelt nicht näher eingehen, ich will nur noch als Beispiel erwähnen, dass wir abgesehen von einem Punkte an der Rhone in Deutschland nur den einzigen Ort in Europa haben, wo der früher fast über ganz Europa verbreitete Biber noch vorhanden ist, das ist an der Elbe; aber auch da ist ein starkes Schwinden zu bemerken. So waren z. B. nach den Untersuchungen von Dr. Friedrich im Jahre 1890 an der mitteren Elbe noch 126 Baue mit 200 Bibern, während 1893 nur noch 108 Baue mit 160 Bibern vorhanden waren. Also wenn nicht bald etwas geschieht, wird dieses interessante Thier vom deutschen Boden vollständig verschwinden. Wie gesagt, ich will auf diese Frage im einzelnen nicht ein- gehen; die Herren, die sich dafür interessiren, verweise ich auf einen Artikel in der vorzüglichen naturwissenschaftlichtechnischen Zeitschrift „Prometheus“, in der Professor Sajö eine ausgezeich- nete Abhandlung gerade über das Aussterben der Thiere ver- öffentlicht hat. Es kommt also darauf an, einen Theil unseres Vaterlandes in der ursprünglichen naturwüchsigen Form zu erhalten, und da handelt es sich nicht allen um die Erhaltung der Pflanzenwelt und Thierwelt, sondern auch im geographischen und geologischen Interesse um die Erhaltung gewisser Theile der Erdoberfläche im natürlichen Zustande; und wenn nicht unwiederbringliche Verluste besonders für die Wissenschaft eintreten sollen, wird es nöthig sein, recht bald in der angegebenen Richtung vorzugehen. Ein- zelnes ist ja schon in dieser Beziehung geschehen. Das Jagd- sehutzgesetz, das Fischereischutzgesetz u. s. w. gehen alle in der- selben Richtung. Man sieht, dass, wenn nicht künstlicher Schutz eintritt, es nicht möglich sein wird, unsere Thierwelt zu erhalten. Auch das Gesetz, das uns im vorigen Jahre vorlag, über den Schutz des Elchwildes bewegt sich in derselben Richtung. Ferner erinnere ich an den Antrag des Herrn Grafen von Tschirschky- Renard, dessen mit so warmen Worten vom Herrn Kollegen Kelch gedacht wurde, einen Antrag, der zwar nieht zur Annahme kam, dessen Grundgedanke aber von allen Parteien sehr freundlich aufgenommen wurde. Aber alle diese Mittel sind doch nur klein und unzureichend. Wenn etwas wirklich Gutes geschaffen werden soll, so wird nichts übrig bleiben, als gewisse Gebiete unseres Vaterlandes zu reser- viren, ich möchte den Ausdruck gebrauchen: in „Staatsparks“ umzuwandeln, allerdings nicht in Parks in dem Sinne, wie wir sie jetzt haben, das heisst einer künstlichen Nachahmung der Natur durch gärtnerische Anlagen, sondern um Gebiete, deren Haupt- charakteristikum ist, dass sie unantastb'ar sind. Dadurch ist es möglich, solche Gebiete, welche noch im natürlichen Zustande sind, in diesem Zustande zu erhalten, oder auch in anderen Fällen den Naturzustand einigermaassen wiederherzustellen. Und zwar handelt es sich hier nicht allein um Waldgebiete, sondern auch um andere Bodenformen, wie Moore, Heiden u. 3. w. Diese Ge- biete sollen einmal dazu dienen, gewisse Boden- und Landschafts- typen zu erhalten, andererseits der Flora und Fauna Zufluchtsorte zu gewähren, in denen sie sich halten können. Derartige Ge- biete haben wir bei uns in Deutschland noch nicht, dagegen ist uns darin Nordamerika, das uns sonst mit seinem Materialismus so gern als abschreckendes Beispiel hingestellt wird, in ausser- ordentlich nachahmungswerther Weise vorangegangen. Ich erinnere daran, dass von den 5 „National-Parks“, wie man sie dort nennt, der grösste, der Yellewstonepark, ungefähr die Grösse der Hälfte von Westfalen hat, der Yosemitepark ungefähr die‘ Grösse von Braunschweig und der dritte, der Sequoiapark, der zur Erhaltung der Mammutbäume dient, ungefähr die Grösse des Hamburger Staatsgebiets hat. Alle diese 5 grössten von den 5 Nationalparks haben zusammen eine Grösse wie das Königreich Sachsen. Nun ist ja bei uns nicht daran zu denken, dass wir derartig grosse Ge- biete reserviren können, aber ich glaube, einige Quadratkilo- meter werden wir doch an verschiedenen Stellen des Landes re- serviren können, und das wird um so leichter sein, als alle die Gebiete, auf die es hier ankommt, ja zu den weniger ertrag- reichen gehören; denn das ertragreiche Gebiet ist ja schon durch- aus in Kultur genommen. Ich will nicht, wie es der Herr Graf v. Tschirsky-Renard gethan hat, einen bestimmten Antrag stellen, weil ich glaube, dass es wichtig ist, die Frage erst gründlich vorher zu erörtern. Ich möchte daher nur die Bitte an die Staatsregierung richten, die Frage der Schaffung solcher unantastbaren Gebiete zu erwägen und vielleicht in Verbindung mit den Vertretern der Domänen- und Forstverwaltung unter deren Ressort ja materiell diese Frage fällt, eine Commission von Fachleuten: Geographen, Geologen, Biologen, einzusetzen, die eingehend die Frage erörtert. Auf Grund der eingehenden Studien einer solehen Commission könnte dann vielleicht dem Landtage eine Vorlage gemacht werden, von der ich hoffe, dass sie allgemeine Zustimmung finden wird. Ich zweifle nicht, dass wir dann einmal das erfreuliche Schauspiel haben, dass sämmtliche Parteien des Hauses einer Vorlage der Regierung zu- stimmen. Hierauf erwiderte der Regierungscommissar Ministerialdireetor Dr. Althoff: Ich wollte mir nur erlauben, dem Herrn Ab- geordneten mit kurzen Worten für die freundliche Anregung zu danken. Was der Herr Abgeordnete gesagt hat, erscheint in der That recht beachtenswerth. Aber es ist mir doch zweifelhaft, ob das so recht eigentlich zum Ressort des Kultusministeriums ge- hört. Auch finde ich es natürlich etwas hartherzig, dass der Herr Abgeordnete hier bei der dritten Berathung uns noch eine so schwere Aufgabe stellt. Ich kann also nur sagen, es wird alles das, was er Beachtenswerthes gesagt hat, eine sehr eingehende und entgegenkommende Erwägung finden. x= Litteratur. Prof. Dr. Herrmann Schubert, Mathematische Mussestunden. Eine Sammlung von Geduldspielen, Kunststücken und Unter-. haltungsaufgaben mathematischer Natur. G. J. Göschen’sche Verlagsbuchhandlung in Leipzig, 1898. — Preis elegant, geb. 5 Mark. Der den Lesern der „Naturw. Wochenschr.“ 'durch seine 1893—1895 in der letzteren veröffentlichten Aufsätze über „mathe- matische Spielereien“*) wohlbekannte Verfasser hat in der vor- liegenden Schrift einen beachtenswerthen Beitrag zur „Unter- haltungsmathematik“ geliefert. Wir möchten Mathematiker und gebildete Laien auf das hübsch ausgestattete Büchelchen hin- weisen, erstere, weil die betrachteten Spiele und Probleme einer *) Auch besonders erschienen unter dem Titel „Zwölf Geduld- spiele“, F. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin, 1895. XII. Nr. 47. mathematischen Kritik unterzogen werden, letztere, weil sie zum Verständniss nur die allerersten Begriffe der Arithmetik brauchen und mit Leichtigkeit Einblick in die einfachen mathematischen Gesetze gewinnen können, die den eigenartigen und anziehenden Spielen und Problemen zu Grunde liegen. F. Klein und A. Sommerfeld, Ueber die Theorie des Kreisels. Heft I. Durchführung der Theorie im Falle des schweren symmetrischen Kreisels. Verlag von B. G. Teubner, Leipzig 1898. — Preis 10 M. Ueber die Tendenz dieses Werkes haben wir uns bereits bei Besprechung des ersten Heftes in Band XII (S. 630—651) der Naturw. Wochenschr.“ geäussert, und wir haben bei dieser Ge- legenheit auch das hohe Interesse bekundet, welches der Theorie des Kreisels, zumal in der hier zur Geltung gebrachten Behand- lung, nach mehrfacher Richtung innewohnt. Nachdem im ersten Hefte die allgemeinen kinematischen und kinetischen Grundlagen der Theorie dargelegt worden sind, wird in dem zweiten Hefte die Bewegung des symmetrischen Kreisels unter dem Einfluss der Schwere bei festem Stützpunkt bis ins Einzelne discutirt. Das Capitel IV (das erste der drei Capitel, die das vorliegende Heft umfasst,) beginnt — was in metho- discher Hinsicht beachtenswerth ist — mit einer qualitativen Beschreibung der Bahnceurve der Kreiselspitze; es wird da- durch auf anschaulichem Wege ein erster Ueberblick über die zu erwartenden Bewegungsformen gewonnen. Die Bewegung wird dann zunächst durch elliptische Integrale dargestellt; auch wird eine Anleitung zur Berechnung auf Grund der Legendreschen Integraltafeln gegeben. Im V. Capitel werden besondere Be- wegungsformen des schweren symmetrischen Kreisels betrachtet, und aus diesem interessanten Theile heben wir einerseits die von den Lehrbüchern abweichende Fassung des in der neueren Dyna- mik wichtigen Begriffes der Stabilität der Bewegung hervor und andererseits die Zusammenstellung und Kritik der populären Er- klärungsversuche der Kreiselbewegung. „Das Gesammtbild, welches sich hier ergiebt, ist kein sehr erfreuliches.* Die halt- losen, bezw. mangelhaften populären Erklärungen haben nur das eine Gute, dass sie die vorliegende Monographie der Theorie des Kreisels ursprünglich veranlasst haben. Die beste analytische Methode zur Berechnung der Kreisel- bewegung ist unstreitig die Darstellung der letzteren durch ellip- tische Functionen. Dies wird im VI. Capitel (dem letzten des zweiten Heftes) geleistet, und zwar werden die erforderlieben Ent- wickelungen aus der Theorie der elliptischen Funetionen mit ziemlicher Vollständigkeit wiedergegeben, so dass diese Theile des vorliegenden Werkes auch als eine Einleitung in die Theorie der elliptischen Functionen angesehen und benutzt werden können. Es soll also in diesem Capitel „die Mathematik nicht ausschıliess- lich dem Interesse der Mechanik dienen, sondern es soll gleich- “ zeitig die Mechanik zur Veranschaulichung einer mathematischen Theorie, der Lehre von den elliptischen Functionen, herangezogen werden.“ Mathematisch sehr bemerkenswerth ist insbesondere der letzte Paragraph dieses Capitels, doch kann an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen werden. Es ist überflüssig, über die Bedeutung, welche wir dem Werke von Prof. Klein und Prof. Sommerfeld namentlich auch im Hinblick auf die Behandlung der Mechanik beimessen, uns noch weiter zu verbreiten, wir können uns hier lediglich wiederholen. Mit dem dritten Heft, das hoffentlich bald erscheint, wird das Werk abgeschlossen sein. G. Beetz, K. O., Einführung in die moderne Psychologie. Osterwieck. — 3,60 Mark. Bernstein, A., Naturw. Volksbücher. 5. Aufl. herausgeg. von Potonieu. Hennig. 27.—36. Lieferung. Berlin. — & 0,50 Mark. Boltzmann, L., Ueber die van der Waals’sche Theorie, die Gase Er ae Molekülen und die Dissociation. Leipzig. — 6 Mark. Dorn, Die Elektrieität und ihre Verwendung in der Zahnheil- kunde. Leipzig. — 5 Mark. Edgren, Prof. J. G., Die Arteriosklerose. Leipzig. — 8,60 Mark. Eitelberg, A., Praktische Ohrenheilkunde Wien. — 6 Mark. Frankenhäuser, Assist-Arzt Dr. Fritz, Die Leitung der Elek- trieität im lebenden Gewebe. Berlin. — 1,20 Mark. Giessler, Dr. C. M., Die Athmung im Dienste der vorstellenden Thätigkeit. Leipzig. — 0,50 Mark. Gomperz, Th., Griechische Denker. Leipzig. — 2 Mark. Greef, dirig. Arzt Prof. Dr. R., Anleitung zur mikroskopischen Untersuchung des Auges. Berlin. — 2,40 Mark. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 563 Heller, R., W. Mager und H. v. Schrötter, Air comprime. — Compressed .air. Hygienische Vorschriften für Arbeiten in comprimirter J,uft. Wien. — 0,50 Mark. Hitzig, E., Vertigo (der Schwindel).. Wien. — 2,20 Mark. Jürgensen, Ch. v.,, Die Erkrankungen des Herzens. Wien. — 5 Mark. Jung, Dr. Carl, Anatomie und Pathologie der Zähne und des Mundes unter besonderer Berücksichtigung der Indicationen für die zahnärztliche Therapie. Wien. — 6,50 Mark. Karte, topographische, des Königr. Sachsen. 1:25000. Leipzig. — 1,50 Mark. Kobelt, Dr. W., Studien zur Zoogeographie. Wiesbaden. — 8 Mark. Krause, Mädchenbürgersch.-Rekt.F., Das Leben der menschlichen Seele und ihre Eziehung. Dessau. — 3 Mark. Krauss, Th.,, Handbuch der Elektro-Homöopathie. 2,50 Mark. Kneib, Ph., Die Willensfreiheit und die innere Verantwortlichkeit. Mainz. — 1,50 Mark. Lang, Dr. O., Wie wächst das Erz? Hamburg. — 0,90 Mark. Lindner, weil. Schulr. Prof. Dr.. Lehrbuch der empirischen Psychologie als induktiver Wissenschaft. Wien. — 3.50 Mark. Mannaberg, J., Die Malariaerkrankungen. Wien. — 9,60 Mark. Messtischblätter des preussischen Staates. 1:25000. Nr. 1514/15, 1586, 1797, 1879, 1881, 1884, 1885, 1887—1889, 1947, 1949, 1951 bis 1953, 2014—2018, 2084, 2085/2152, 2086, 2088, 2090, 2155, 2157—2159, 2222/2295, 2226. 2294, 2299, 2368-2370, 2372. 2441, 2443, 2444, 2446 und 2515— 2519. & ca. 46>x45,5 em. — 1514/15. Dörpen. — 1586. Lathen. — 1797. Itterbeck. — 1879. Rahden. — 1881 Uchte. — 1884. Wunstorf. — 1835. Stöcken. — 1887. Gr. Burgwedel. — 1888. Burgdorf. — 1889. Uetze. — 1947. Lübbecke. — 1949. Petershagen. — 1951. Stadthagen. — 1952. Rodenberg. — 1953. Gehrden. — 2014. Quernheim. — 2015. Oeyn- hausen. — 2016. Minden. — 2017. Bückeburg. — 2018. Kathrin- hagen. — 2084. Vlotho. — 2085/2152. Rinteln. — 2086. Hess. Oldendorf. — 2088. Eldagsen. — 2090. Hildesheim. — 2226. Alfeld. — 2294. Sandebeck. — 2299. Dassel. — 2368. Altenbeken. — 2369. Driburg. — 2370. Brakel. — 2372. Sievershausen. — 2441. Lichtenau. — 2443. Borgholz. — 2444. Karlshafen. — 2445. Uslar. — 2446. Hardegsen. — 2515. Peckelsheim. — 2516. Borgen- treich. — 2517. Trendelburg. — 2518. Oeldelsheim. — 2519. Dransfeld. Berlin. -— &1 Mark. Oker-Blom, Stadtarzt Max, Experimentelle Untersuchungen über das unter Einwirkung des constanten elektrischen Stromes statt- findende Eindringen von medicamentösen Stoffen in den Thier- körper. Willmanstrand. — 1,50 Mark. . Pribram, A,, Acuter Gelenkrheumatismus.. Wien. — 10 Mark. Quincke, H. und G. Hoppe-Seyler, Die Erkrankungen der Leber. Wien. — 8 Mark. Richarz, Frz. und Otto Krigar-Menzel, Bestimmung der Gravi- tationseconstante und der mittleren Dichtigkeit der Erde durch Wägungen. Berlin. — 11 Mark. Rindfleisch, Dr., Die naturgemässe Pflege der Augen von der Kindheit bis zum Greisenalter. Berlin. — 0,35 Mark. Rosenberger, F., Die moderne Entwickelung der elektrischen Prineipien. Leipzig. — 3 Mark. Schlöss, dirig. Primararzt Dr. Heinr., Leitfaden zum Unterricht für das Pflege-Personal an öffentlichen Irrenanstalten. Wien. 1,40 Mark. Schulz, A., Entwickelungsgeschichte der phanerogamen Pflanzen- decke des Saalebezirkes. Halle. — 1,60 Mark. Schumann, K., Cacteen. Neud. 8. u. 9. Lief. — 2 Mark. Schur, Prof. Dr. Frär., Lehrbuch der analytischen Geometrie. Leipzig. — 7 Mark. Solereder. H., Systematische Anatomie der Dieotyledonen. Stutt- gart. — 9 Mark. Supan, Prof. Dr. A., Allgemeine Erdkunde als Anh. zur deutschen Schulgeographie. Gotha. — 0,60 Mark. Sternberg, M., Vegetationsstörungen und der Knochen. Wien. — 5 Mark. Stooss, Prof. Dr. Max, 31. medicinischer Bericht über die Thätig- keit des Jenner’schen Kinderspitals in Bern während der Jahre 1896 und 1897. Bern. — 2 Mark. Tschirch, A. und O. Oesterle, Atlas der Pharmakognosie. 14. Lief. Leipzig. — 1,50 Mark. Vierordt, H., Angeborene Herzkrankheiten. Wien. — 4 Mark. Volkman, F., Die Entwickelung der Philosophie. Berlin. — 0,60 Mark. Weiss, Prof. Dr. Leop., Ueber das Gesichtsfeld der Kurzsichtigen. Wien. — 5 Mark. Wien, W., Ueber die Fragen, welche die translatorische Bewegung des Lichtäthers betreffen. Leipzig. — 0,60 Mark. Leipzig. — Systemerkrankungen Inhait: P. Graebner: Ueber die Bildung natürlicher Vegetationsformationen im Norddeutschen Flachlande. — Die Borstenigel. — Ueber die zoographischen Gebiete der aethiopischen Region. — Die Entstehung des Chlorophylis. — Die Einwirkung des Argon auf die Pflanzen. — „Ueber Jonon aus Lemongrasöl.“ — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Prof. Dr: Herrmann Schubert, Mathematische Mussestunden. — F. Klein und A. Sommerfeld, Ueber die Theorie des Kreisels, — Liste. Ferd. Diimmlers Derlagsbunhhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerfr. 94. Der Menfchheitslehrer. Ein Kebensbild des Weijen von Ylazareth. Bon George Paul Sylvelter Gabanis. 300 Seiten Dktav. Preis geh. 3 A, elegant geb, 4 HM. 564 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 47. graphische Apparate Photo! Bedarfsartikel. Nur solide Waaren. Silberne Medaillen: Berlin 1896, Leipzig 1897. Stativ- und Hand-Apparate in grosser Auswahl. | Sehr empfehlenswerth sind: Steckelmanns „‚Vietoria“-Klappeamera mit Spiegel-Reflex. (D.R.P.) „ Entwickelungsschaale m.Nebendach u. Vertiefungen. (D.R.P.) | an Plattenwechselkasten „Columbus“ mit einer Die Charakteristik der Tonarten, Exponircassette für 12 Platten, an jede Camera anzupassen. n 2 er DER} „Westendorp & Wehner“-Platten (höchst empfindlich u. zuverlässig). Historisch, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Max Steckelmann, Von U Berlin W. 8, Leipzigerstr. 33.1. .(Keinikaden) Richard Hennig. L | = us = z 136 Seiten Octav. — Preis 2,40 Mark. Dünnschliffe von Gesteinen pro Stück 70 Pfg. fertigt an ! Theob. Botz 1. Gimsbach a. Glan. (Rheinpfalz.) [>20 BEER RER RE EN FOR NEN Grasmotoren, Dyname- und Dampf- maschinen gebraucht, garantirt betriebs- fähig, in allen Grössen offerirt Elektromotor G. m. b. H. Berlin NW., Schiffpauerdamm 21. Ferd. Dümmilers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. % Soeben erfihien: | Höchft originelle — vornehm ansaefattete Ingendfchrift! Frib Dogelfang. - Bon Abenteuer eines deutihen . & i Schiffsjungen in Kiautfcon. Paul Zindenberg. Mit 4 feinen Farbenbildern nad) Agnarellen von Alilly Werner und 111 Abbildungen im Tert. 292 Seiten groß Offav. — Preis eleg. geb. 4 MR. Y bester und AR ‚bewährter N (Construction: Der Werfaffer, der vor Kurzem von feiner Reife um die Erde auciitgefebrt ift, fehildert im Nabmen einer fpannenden Erzählung Land md Leute in China, zumal im neuen deutjchen Gebiet da= jelbft, welch lewteres Lindenberg eingehend Fennen gelernt bat. Ein intereffantes Kapitel des Buches giebt eine autbentiiche Darftellung vom Untergang des Jltis, zu welcer das Weiche - Dlarineamt mebreve Bilder zur Verfügung ftellte. Den ftattlihen Band jhmüden 111 Alluftrationen, zu denen aud) Frau Baronin von Heyfing, die semablin unferes deutfchen Gefandten in Peking, mehrere treffliche Q arelle zugejteuert bat. nn —E 5 3u beziehen dur alle Buchhandlungen. ® PATENTBUREAU = UNTEN WEICHE Inanäiuns in Bertin sw. 12 erschien: | &1D. Bümmiers Yerlagsbuchhandkung in Berlin SW. 12 290900009000090000000 Hempel’s Klassiker - Ausgaben. Ausführl. Speeialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. WIEDERVERKÄUFER uINSTALLÄTEURE 19 in deli SW. 12, Zimmerlr. 9%, AA uteldÄätaieeugtg | Binführung in die Blütenbiologie > m ° Berlin NW., Luisenstr. 22. auf historischer Grundlage. Doktor Ortling. Gegründet: 1878. Von Patent Marken -u. Musterschutz Professor „nee in Berlin. Heitroman aus der Gegenwart. =" 444 Seiten gr. 8. Pr. 6M., geb. 7M. Bon Hanin Korff. Dünnschliff- Sammlungen 184 Seiten. Geh. 2 Mark, gebunden 3 Mark. ir R ” E Dem jpannend geihriebenen Roman liegt die Tendenz zu Grunde, für praktische mikroskopische Uebungen. die Mängel der Frauenerziehung in Deutihland hervorzuheben, und für die Errihtung von VoltsHohfchulen, wie fie in Schweden bereits Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller wichtigen beftehen, Propaganda zu machen. Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. Rosenbusch „Mikroskopische Physiographie der massiven Gesteine“ Stutt- gart 1896. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste > gedruckte Beschreibung, derart, dass der Lernende die einzelnen [9% geniale len dr. Gemengtheile der Gesteine makroskopisch und mikroskopisch Bon _, erkennen und bestimmen kann. ! Hermann Türe. Sammlungen von je 120, 180 und 250 Dünnschliffen in Dritte ftark vermehrte Auflage. elegantem Etui je Mk. 150, Mk. 225, bez. Mk. 325. 390 Seiten ar. 8°. IBreiß geb. 4,50 4, eleg. geb. 5,60 A. Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen Handstücken. Bars (Format 8/.>< 11 em.) je Mk. 250, Mk. 390, bez. Mk. 575. Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer genauen 5 . t mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate Friede und Abrüs ung. und für die riehtige Auswahl von charakteristischem Material garantirt werden kann. Von Gustaf Björklund. Dr F. Krantz 95 Seiten Oktav. Preis 1,50 Mark. [1 [) 3 Rheinisches Mineralien-Contor. ME Zur besonderen Beachtung empfehlen wir den der i Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. heutigen Nummer beiliegenden Prospect der E. Schweizerbart- i schen Verlagshandlung in Stuttgart, über eine wichtige jeschäftsgründung 1833. Bonn a./Rh. Geschättsgründung 1833. ! 5 (GEEIENEERERGTEN IRRE 2 eschätiegründung Preisherabsetzung von „Darwins gesammelte Werke“. A nn äßljhjüurrrz.zzs leeren, nn ee — Verantwortlicher Redacteur i. V.: Dr. R. Hennig, Berlin W., Hohenstaufenstrasse 79, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlae: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ERUNR = Redaktion: ew a Fa NSS den Gebil'en der Phantasıe, w.rd ihr reichlich ersetzt durch den | Zauber der Wirklichke t, derilire gu Schöpfungen schmückt. Schwendener. Er ‘Dr. H. Potonie. up Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94, XIII. Band. Sonntag, den 27. November 1898. Nr. 43. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist MH 4.— Bringegeld bei der Post 15 . extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Y ei Inserate: Die viergespultene Petitzeile 40 9%. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Die allgemeine Versammlung der Deutschen geologischen Gesellschaft zu Berlin vom 26.—28. September 1898. An der Versammlung, welche in diesem Jahre das 50,jährige Bestehen der Gesellschaft feiern konnte, nahmen etwas über 100 Mitglieder theil (die ergänzte Präsenzliste weist 102 Namen auf). Während des festlichen Theiles ‚derersten Sitzung waren zur Begrüssung der Versammlung der preussische Handelsminister Brefeld mit dem Ober- berghauptmann Freund zugegen. Ueber die Disposition der Tagung haben wir Aus- führliches in Nr. 31 der „Naturw. Wochenschr.“, Bd. XIII | . (1898, S. 369— 370) gebracht, sodass wir uns ausschliesslich mit dem beschäftigen können, was die Exeursionen vor und nach der eigentlichen Tagung und die wissenschaft- lichen Vorträge geboten haben. I. Vorträge. Die drei in der Aula der König]. preussischen geolo- gischen Landesanstalt und Bergakademie abgehaltenen Sitzungen wurden durch nicht weniger als 12 Vorträge gefüllt. Am 26. September führte Geheim-Rath Professor F. v. Riehthofen den Vorsitz. Nach dem von dem Geschäftsführer Geh. Oberbergrath Dr. Haucheecorne geleiteten festlichen Theil sprachen: 1. Königl. Landesgeologe Prof. F. Wahnschaffe über die Entwiekelung der Glacialgeologie im norddeutschen Flachlande und 2. Bergassessor W. Bornhardt über die Geologie von Deutsch-Ost-Afrika. Am 27. September wurden unter dem Vorsitz des Geh.-Ratlı Prof. v. Zittel Vorträge gehalten von 3. Prof. Ch. Barrois aus Lille, der Mittheilungen über die nach der Tagung des internationalen Geologen - Congresses 1900 zu Paris geplanten Exeursionen machte, 4. Königl. Landesgeologe Dr. Keilhack über das pommersche Urstromthal, 5. Prof. G. Steinmann über die Entwiekelung des Diluviums in Süddeutschland, 6. Dr. W. Voltz über seine Reise in Sumatra. Am dritten Sitzungstage, den 28. September, wurden unter dem Vorsitz des Geh.-Rath Prof. v. Roenen die folgenden Vorträge gehalten: 71. Königl. Bezirksgeologe Dr. H. Potoni& über eine Carbon - Landschaft: Krläuterung einer neuen Wandtatfel, 3. Bergmeister a. D. Dr. Kosmann über die Thon- eisensteine der Ochtrup-Bentheimer Mulde, ihre Verbreitung und Lagerung, 9. Prof. Dr. Ed. Naumann über eine Reise nach Mexiko. 10. Prof. H. Rauff über Eozoon, 11. Keilhack über Illummescenz der Mineralien, 12. Bergingenieur Maryanski endlich, der bei der vorgerückten Zeit auf den eigentlichen Vortrag verziehtete und die australischen Golderze, über die er reden wollte, nur vorzeigte und erläuterte. Wir werden an dieser Stelle die Vorträge in der Reihenfolge bringen, wie sie einlaufen, beziehungsweise nach Maassgabe der Fertigstellung ihrer Manuskripte. Landesgeologe Prof. Dr. F. Wahnschaffe: Die Ent- wickelung der Glacialgeologie im norddeutschen Flachlande.*) Als die Deutsche Geologische Gesellschaft im Jahre 15848 gegründet wurde, waren die wichtigen Arbeiten eines Venetz, Charpentier und Agassiz bereits erschienen, Arbeiten, die grundlegend gewesen sind nieht nur für die Erforschung der heutigen Gletscher, sondern auch für den Nachweis einer weit ausgedehnteren Vergletscherung in vorhistorischer Zeit. Es wurde dadurch die Lehre von der Eiszeit in die Geologie eingeführt, die nun bei den Untersuchungen über die letzte grosse Periode der Ent- wiekelungsgeschichte unserer Erde berücksichtigt werden musste, Nachdem Agassiz in den Alpen die Gletscher als Transportmittel der erratischen Blöcke und als Er- *) Erscheint zu gleicher Zeit in der „Zeitschrift für praktische Geologie, Jahrg. 1598. Decemberheft“. 966 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 48. zeuger der Felsschliffe erkannt hatte, hielt er eine gleiche Ursache auch für die Ablagerung der Findlinge und die Bildung der geschliffenen Felsoberflächen im Norden für wahrschemlich. Die zuerst von ibm angenommene all- gemeine Eisbedeckung von Nord-Europa, die vom Nord- pole ausgegangen sein sollte, besass hinsichtlich ihres Eintritts einen katastrophenartigen Charakter. Später hat er dann durch Charpentier’s Einfluss seine Ansichten wesentlich modifient. Wäre man auf dem Wege, den uns die beiden grossen Glacialforscher gewiesen, schritt- weise weiter vorgegangen, und hätte man auf Grund von Beobachtungen ihre Theorien weiter ausgebaut und be- richtigt, so würde man früher zu richtigen Anschauungen über die Entstehung der erratischen Bildungen von Nord- Europa gelangt sein. Aber dieser allmähliche Entwieke- lungsgang wurde unterbrochen durch die Lyell’sche Drift- theorie, deren extreme Anwendung sogar die bereits ge- wonnenen Resultate der Glacialforschung in den Alpen wieder in Frage stellte. Bekanntlich sollte nach Lyell Nord-Europa während der grösseren Ausdehnung der Gletscher in den Alpen, in Skandinavien und Gross- britannien von einem Meere bedeckt gewesen sein, in welchem die von den Gletschern sich ablösenden Eisberge herumschwammen. Dieses Meer soll abkühlend auf die Continente eingewirkt und dadurch die grössere Gletscher- entfaltung bewirkt haben. In ihrer Anwendung auf Nord-> deutschland führte die Lyell’sche Drifttheorie zu der Vor- stellung, dass in der Eiszeit das Meer bis zum Nordrande der deutschen Mittelgebirge reichte, während zu gleicher Zeit Skandinavien von mächtigen Gletschern bedeckt war, die bis in das Meer hinein sich erstreckten. Die von diesen Gletschern sich ablösenden Eisberge sollten das nordische Schuttmaterial nach Norddeutschland verfrachtet und, indem sie durch die Winde nach allen Richtungen hin getrieben wurden, bei ihrer Strandung und Abschmelzung abgelagert haben. In Folge der bedeutenden Autorität, die der grosse englische Geologe, und zwar mit vollem Recht, bei allen seinen Fachgenossen besass, fand seine Drifttheorie fast allgemeine Annahme, so dass sie mehrere Jahrzehnte hindurch alle im norddeutschen Flachlande ausgeführten Forschungen beeinflusst hat. Die gesammten Diluvialablagerungen, gleichgültig, ob dieselben geschichtet oder ungeschichtet waren, ob sie aus Geschiebemergeln, Sanden, Mergelsanden oder Thonen bestanden, ob sie grössere Geschiebe führten oder nicht, wurden als durch Treibeistransport vermittelte Absätze des Diluvialmeeres angesehen. Unsere Vorstellungen über die Bildung der Diluvialablagerungen hatten schliesslich einen derartigen Grad von Starrheit angenommen, dass kein weiterer Fort- schritt in der Aufklärung der genetischen Verhältnisse des Quartärs mehr möglich erschien. Waren auch bereits verschiedene Thatsachen beobachtet worden, die sich nicht mit der Drifttheorie in Einklang bringen liessen, so fehlte es doch an einem umfassenden Beweismaterial, um die Haltlosigkeit dieser nachzuweisen. Es ist zu bewundern, dass in jener Zeit trotz der irrigen Anschauung über die Entstehung sehon sehr werthvolle Arbeiten über die stra- tigraphische Gliederung, die petrographische Beschaffenheit und die kartographische Darstellung der Quartärbildungen erschienen. Auch wurden damals die grossen, alten Thäler Norddeutschlands bereits in ihren Grundzügen richtig er- kannt, und das Studium der Geschiebe nahm in diesem Zeit- raum im Anschluss an die grundlegenden Untersuchungen Ferdinand Römers einen bedeutsamen Aufschwung. Otto Torell gebührt das Verdienst, die Geologen Norddeutsehlands von dem Banne der Lyell’schen Drift- theorie befreit zu haben. Zwar hatte schon Bernhardi im Jahre 1832 die Anhäufungen der nordischen Geschiebe in Norddeutschland als Moränen einer von dem Nordpol ausgegangenen Vergletscherung erklärt, doch waren seine Ausführungen seiner Zeit völlig unbeachtet geblieben und später ganz in Vergessenheit gerathen, so dass auch Torell keine Kunde davon hatte, als er am 3. November 1875 in der Sitzung der Deutschen Geologischen Gesell- schaft zu Berlin zum ersten Male die Inlandeistheorie für Norddentschland ansprach und wissenschaftlich begründete. Unter Vorlage der von ihm an demselben Tage in Rüders- dorf aufgefundenen, geschrammten Muschelkalkplatten führte er aus, dass hier echte Gletscherschrammen vor- lägen, und dass der auf den Schichtenköpfen lagernde und im ganzen norddeutschen Flachlande ebenso wie in Dänemark und Südschweden verbreitete Geschiebemergel nur als die Grundmoränen eines von Skandinavien aus- gegangenen Inlandeises zu erklären sei, das das Ostsee- becken erfüllte und sich bis an den Rand unserer Mittel- gebirge vorschob. Ich selbst war in dieser Sitzung zu- gegen und werde nie den Eindruck vergessen, den diese völlig neue Lehre auf alle Anwesenden machte. Die meisten älteren Geologen und auch ich selbst hielten damals die Annahme einer so ausgedehnten und mächtigen Inlandeisdecke für ganz ungeheuerlich. Trotz des leb- haften Widerspruchs, den die Torell’sche Theorie zu An- fang namentlich von Seiten der älteren Geologen erfuhr, hat sie doch wie ein zündender Funke gewirkt, so dass sich vom Ende der siebziger Jahre ab ein bedeutsamer Umsehwung der Ansichten über die Entstehung der erra- tischen Bildungen vollzog und in schneller Folge durch die gemeinsame Arbeit der in dem nordeuropäischen Glacialgebiete thätigen Geologen die Inlandeistheorie fest begründet und weiter ausgebaut wurde. Es muss hervorgehoben werden, dass hierbei namentlich auch James Geikies „Great ice age“ einen grossen Einfluss ausgeübt hat. Die Auffindung der Glaeialschliffe auf dem Rüders- dorfer Muschelkalk führte zunächst dazu, nach weiteren Be- weisen für die ehemalige Inlandeisbedeckung Norddeutsch- lands zu suchen. Eine besondere Aufmerksamkeit widmete man den dynamischen Erscheinungen des Inlandeises, zu denen vor allen Dingen die Einwirkungen des sich fort- bewegenden Eises auf den Untergrund und die erodirende Thätigkeit der von ihm ausgehenden Schmelzwasser ge- hören. Die Schrammen und Schliffe auf dem anstehenden Gestein galten stets als die besten Beweise für ehemalige Gletscherbedeckung, namentlich wenn andere den glacialen Ursprung bethätigende Erscheinungen noch hinzukommen. An einer grösseren Anzahl von Punkten fanden sich solche Glacialschliffe im Randgebiete des norddeutschen Flach- landes, namentlich im Königreich Sachsen, wo ältere Ge- steinskuppen häufiger unter dünner quartärer Decke zu Tage treten, aber auch auf den vereinzelten inselförmigen Vorkommen des älteren Gebirges innerhalb des nord- deutschen Flachlandes sind die Schrammen an verschie- denen Punkten nachgewiesen worden, wenn festere Ge- steine ihre Bildung und auflagernde Grundmoränen ihre Erhaltung ermöglichten. Eingehende Untersuchungen er- streckten sich auf die Structur und Zusammensetzung des Geschiebemergels.. Es wurde seine Identität mit den Grundmoränen der heutigen Gletscher festgestellt und auf die Bedeutung der in ihm enthaltenen, gekritzten ein- heimischen und nordischen Geschiebe, sowie auf ihre Transportrichtung aufmerksam gemacht. Als weitere durch den Druck des vorrückenden Inlandeises hervor- gerufene Erscheinungen beobachtete man die Localmoränen und die Schichtenstörungen im Untergrunde des Geschiebe- mergels, die sich bei plastischen Bildungen als Faltungen und Stauchungen zu erkennen gaben. Aber nicht nur die oberflächlichen, in lockeren, wenig widerstandsfähigen Bildungen beobachteten Schiehtenstörungen liessen sich XII. Nr. 48. auf den Eisschub zurückführen, sondern auch tiefer greifende Faltungen und Faltenüberschiebungen, die namentlich das Tertiär, sowie auch die Kreide betreiten, sind als grossartige dynamische Wirkungen des Gletscher- druckes erkannt worden, die dort eintraten, wo getauchte plastische Bildungen dem vorrückenden Eis einen bedeu- tenden Widerstand entgegensetzten. Die Wirkungen der erodirenden Thätigkeit der vom Eisrande ausgehenden oder von der Oberfläche desselben in Spalten herabstürzenden Schmelzwasser fand man in den Strudellöchern oder Riesentöpfen, in den kreisförmigen Pfuhlen und Strudelseen, sowie in den langen, parallelen Rinnensystemen, die ungefähr senkrecht zur Lage des ehe- maligen Eisrandes die diluvialen Hochflächen durchziehen. Während Torell und mit ihm mehrere Geologen die Vereisung Norddeutschlands anfangs als eine einheitliche, allerdings von verschiedenen grösseren Oscillationen des Inlandeises unterbrochene Periode aufgefasst hatten, kam man durch eine genaue Untersuchung der verschiedenen Ablagerungen und namentlich der in ihnen vorkommenden faunistischen und floristischen Einschlüsse mehr und mehr zu der Auffassung, dass eine zweimalige, durch eine Inter- glacialzeit mit mildem Klima unterbrochene Vereisung Norddeutschlands eingetreten sei, deren Grundmoränen der obere und untere Geschiebemergel darstellten. Das Vorkommen der von nordischen Granden unterlagerten Paludinenbank unter dem unteren Geschiebemergel der näheren Umgebung Berlins, die Beobachtungen einer primären marinen Fauna bei Hamburg zwischen zwei dem unteren Diluvium zugehörigen Geschiebemergeln und die neueren Aufschlüsse im Elb-Trave-Canal bei Lauen- burg an der Elbe führen jedoch dazu, dass wir, ebenso wie dies in den Alpen bereits nachgewiesen worden ist, auch bei uns drei Vereisungen und zwei Interglacialzeiten annehmen müssen. In völliger Analogie mit den Alpen hatte die erste Vereisung die geringste Ausdehnung, die zweite dagegen erstreckte sich am weitesten nach Süden, während die dritte und letzte Vergletscherung zwar be- deutender war als die erste, aber den Umfang der zweiten nicht wieder erreichte. - Während die Forschungen im norddeutschen Flach- lande auf der einen Seite darauf gerichtet waren, die historische Gliederung der Glacialablagerungen mit Hülfe der fossilienführenden Schichten festzustellen, erstreckten sie sich im letzten Jahrzehnt auch namentlich auf die genaue Untersuchung der Aufschüttungsformen des Inland- eises und auf die glaciale Hydrographie unseres Gebietes. Eins der wesentliehsten Resultate war der Nachweis der grossen Endmoränenzüge, deren Verlauf durch ganz Nord- deutschland von der Nordgrenze Schleswig - Holsteins bis nach West- und Östpreussen hinein, sowie auch in den südlich gelegenen Provinzen Posen und Schlesien festgelegt worden ist. Der Umstand, dass die Grund- moräne der letzten Vereisung in gleicher Ausbildung so- wohl vor als hinter diesen Endmoränenzügen sich findet, führte zu der Erkenntniss, dass sie Etappen des Rück- zuges der letzten Inlandeisbedeckung bezeichnen und als Producte von Stillstandsperioden angesehen werden müssen. Erst das genaue Studium dieser Endmoränenzüge und der damit in engstem Zusammenhang stehenden Erschei- nungen führte zu einer Unterscheidung und Erklärung der verschiedenen, theils durch Aufschüttung, theils durch Erosion entstandenen glacialen Landschaftsformen und zur Aufstellung der verschiedenen Seentypen. Die glaciale Hydrographie des norddeutschen Flach- landes hat in letzter Zeit dadurch, dass man die grossen, alten Thalzüge mit den durch die Endmoränen angezeigten Rückzugsetappen des Inlandeises in Beziehung brachte, eine ganz neue Beleuchtung erfahren. Nun erst ist es möglich Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 567 geworden, die successive Entstehung der grossen ost-west- liehen Hauptthäler von Süd nach Nord und die durch die Terrassen erkennbaren, mehrfachen Niveauschwankungen ihrer Wasserführung zu erklären. Indem das Eis in der letzten Abschmelzperiode bis zu einer nördlicheren Still- standslage sich zurückzog, wurden jedes Mal dem Abzuge der bisher durch den Eisrand gestauten Wasser neue Wege eröffnet. An einem ausgezeichneten Beispiele wird dies Herr Keilhack durch die Entstehungsgeschichte des von ihm genau untersuchten pommerschen Urstromthales nachweisen. Bergassessor Bornhardt: Ueber die Geologie von Deutsch-Ostafrika. Vortragender hat im amtlichen Auftrage in den letzten Jahren das Land untersucht. Anlass hierzu gaben die seiner Zeit gemachten Funde von Gold und Stein- kohle. Es zeigte sich, dass die Gneisgebiete von Tanga zwar Spuren von Gold zeigen, bei der geringen Ausbeute von einer technischen Verwerthung aber nicht die Rede sein kann. Steinkohlen wurden am Nyassa an zwei Stellen gefunden, am Mittellauf des Ruhuhu in nicht abbauwürdiger Menge und im Nordwesten des Sees in lohnenderen Schiehten. Die besten Aufschlüsse in Schichten von 20 Meter Mächtigkeit befinden sich zwischen Isongwe und Kiwira. Die Kohle ist zwar nicht so rein und heiz- kräftig, wie unsere westfälische oder die englische Kohle, besitzt aber immerhin 5500 bis 7000 Kalorien Heizkraft, kommt also an Qualität den südafrikanischen Kohlen gleich. Die Kohle wäre also durchaus abbauwürdig, wenn nicht jede Möglichkeit eines Absatzes fehlte. Der Weg nach der Küste ist viel zu weit und die Nyassa- dampfer heizen mit Holz viel billiger. Die Hoffnung, in der Nähe der Küste Kohlen zu finden, hat sich leider als trügrisch erwiesen. Es ist auch durch Tiefbohrungen kaum ein anderes Ergebniss zu erwarten, höchstens könnten sieh noch südlich des Rufidji Kohlen in lohnen- derer Menge vorfinden. Im Innern des Landes kommen verschiedentlich Lagerstätten von Magneteisen von sehr grosser Mächtigkeit vor, es wird aber desungeachtet bei der Entfernung von der Küste ein Abbau nieht lohnen. Graphit ist im Gneis sehr viel verbreitet, aber immer nur als Gemengsel des Gneises. Glimmer wird viel gefunden. Granaten giebt es in Namaputa, zwei Tagereisen westlich Newala in ganz guter Beschaffenheit, im Paregebirge in schleehterer Qualität. Gold ist ausser an der erwähnten Stelle bei Tanga nirgends gefunden, doch braucht des- halb die Hoffnung noch nieht aufgegeben zu werden. Die geologische Formation des Schutzgebietes wird im Norden beherrscht durch das grosse innerafrikanische, krystallinische Massiv, welches in Usambara nahe an die Küste heranreicht, dann aber nach Süden zu weit zurück- tritt. Oestlich davon breitet sich ein tiefer gelegenes Flachland aus, welches sich durch horizontale sedimentäre Formationen auszeichnet. Die älteste sedimentäre For- mation ist die Karoo-Formation (Sandstein, Thonschiefer und Gemengsel). Sie ist in Afrika weit verbreitet. Landesgeologe Dr. K. Keilhack: Ueber das pommersche Urstromthal.*) Das norddeutsche Flachland wird von Osten nach Westen von einem System breiter, heute zum Theil todt daliegender Thäler durchzogen, die während der Eiszeit als Sammelrinnen der Schmelzwasser des nördlich von *) Abgedruckt aus der Vossischen Zeitung, Berlin; noch ein- mal vom Vortragenden für die „Naturw. Wochenschr.“ durch- gesehen. 568 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 48. ihnen liegenden Inlandeises dienten. Von der Höhe des baltischen Höhenrückens herab, der durch eine ausgedehnte Endmoräne als eine Periode längeren Stillstandes des Eisrandes gekennzeichnet ist, ziehen sich ungeheure, von den Schmelzwassern des Eises aufgeschüttete Sandflächen aufwärts, um durch trichterförmige Mündungen zwischen höher gelegenen Plateaus hindurch den Nordrand des nördlichsten der ostwestlichen Urstromthäler, des soge- nannten Thorn - Eberswalder Hauptthales, zu erreichen. Durch dieses Thal floss das Wasser in 40 m Meereshöhe über die Eberswalder Pforte nach Westen hin zum unteren Elbthal und durch dieses in die Nordsee hinein, während zur gleichen Zeit das gesammte Ostseebecken und alles Land zwischen ihm und der Höhe der Baltischen Seen- platte noch unter ungeheurer Eisdecke begraben lag; als aber mit zunehmender Temperatur das Eis gezwungen war, sich weiter nach Norden zurückzuziehen, konnten natürlich seine Schmelzwasser in Folge des dazwischen- iiegenden Höhenrückens das bisher benutzte Thal nicht mehr erreichen. Die Frage, wie in dieser Periode der Eisrückzug und der Schmelzwasserabfluss sich gestalteten, ist vom Vortragenden in zehnjähriger Arbeit durch eine genaue Durchforschung aller Theile der Provinz Pommern gelöst worden. Er fand bei seinen Studien, dass das Gebiet Hinterpommerns nördlich vom Höhenrücken von einem bis dahin völlig unbekannt gebliebenen Längsthal durchzogen ist, welches er, da es fast in seinem ganzen Verlaufe in Pommern liest, als das pommersche Urstrom- thal bezeichnet. Dieses Thal beginnt im Osten in der Gegend von Kartbaus in einer Meereshöhe von 150 m und verläuft von bier aus über Rummelsburg, Pollnow, Belgard, Plathe, Naugard in das Gebiet des heutigen Stettiner Haffs hinein und von dort aus weiter nach Westen über Märkisch-Friedland und Demmin nach Rib- nitz, wo die Küste der heutigen Ostsee erreicht wurde. In Folge des den grössten Theil der Ostsee erfüllenden Inlandeises aber war hier noch kein Meerbecken, sondern ein Süsswassersee, der etwa 15 ın höher lag als die heutige Ostsee und die Lübecker Bucht erfüllte. Aus dieser Bucht flossen die Wasser wieder heraus durch das Thal, das von dem im Bau begriffenen Elb-Travekanal benutzt wird, erreichten bei Lauenburg das Elbthal und gelangten durch dieses in die Nordsee hinein. Dieses in seiner Gesammtlänge 6—700 km lange Thal setzt sich aus verschiedenartigen Stücken zusammen, von denen die einen den Charakter von Flussthälern tragen, während die anderen zwischen diese Flussthäler eingeschaltete Seen darstellen. Es lassen sich fünf Thalstücke mit vier dazwischenliegenden Seen unterscheiden. Das erste Thalstück reicht vom Beginn des Thals, nördlich vom Karthaus bis in die Gegend des Jassener Sees nördlich Bütow und senkt sich in dieser Strecke von 150 auf 120 Mtr.; dann folgte ein See in 120 Mtr. Höhe, der bis in die Gegend von Kaffzig, nördlich Rummelsburg sich erstreckte. Von hier aus senkte sich das Thal bis in die Gegend von Gross-Tychow bei Belgard von 120 auf 60 Mtr. In diesem Niveau begann ein zweiter See, der Auf dem letzten in Neapel abgehaltenen Aerztecongress sprach Dr. Cannarsa über eine Krankheit, die be- sonders in Mittel- und Unteritalien auftritt und vor- nehmlich an Landleuten und Arbeitern, die mit Schilfrohr in Berührung kommen, bemerkt wurde. Bei den Erkrankten stellte sich dauernde Schlaffheit der Augenlider ein; dieselben überzogen sich mit einem Scehorf und schwollen, wie auch andere empfindliche Theile, z. B. die Lippen, an. Der Körper erschien wie mit rothen Pünkt- chen übersäet. Diese wurden immer grösser und vereinigten dreizipflige Gestalt besass und seine Wasser durch einen Pass nördlich von Gross-Rambin weiterhin nach Westen dureh ein drittes Thalstück, das sich bis zur Erreichung des Stettiner Haffs von 60 auf 25 Mtr. senkte, entliess. Nördlieh von Stettin lag ein See von ungefähr 30 Kilo- meter ostwestlicher und 40 Kilometer nordsüdlieher Er- streekung, von dem das heutige Stettiner Haff nur einen kleinen Bruchtheil darstellt. Aus diesem gewaltigen See flossen die Wasser weiter durch ein neues Thalstück, in dem sie sich von 25 auf 15 Mtr. senkten, in den öst- lichsten See in der Lübecker Bucht hinein, um endlich von hier aus in einem Thal mit fortlaufendem Gefälle auf dem angegebenen Wege über Mölln und Lauenburg das eisfreie Nordseebecken zu erreichen. Ob man es mit Thalstücken oder Seen zu thun hat, erkennt man bei diesem alten Urstromthal daran, ob die aufgeschütteten Sand- und Kiesterrassen in der Thal- richtung geneigt sind, oder ob sie horizontale Ebenen darstellen; in ersterem Falle handelt es sich nothwendig um vom Flusswasser benutzte Thäler, im letzteren um Becken mit stehendem Wasser. Dass das Eis es war, welches bei der Entstehung dieser Becken als Stau diente, erkennt man einmal daran, dass nördlich von diesem Urstromthal an einer Anzahl von Stellen echte Endmoränen auftreten und sodann daran, dass die Thal- terrassen nach Norden hin streekenweise nicht von höher, sondern von niedriger gelegenen Gebieten begrenzt werden, dass also der einstmalige Thalrand hier ver- schwunden sein muss. Da aber keine nachträgliche Fortführung grosser Materialmengen hier stattgefunden hat, so bleibt als verschwundener Thalrand nur das In- landeis übrig. Der langsame Rückzug des Eises durch das Gebiet Hinterpommerns hat eine Fülle von Thälern geschaffen, deren gegenseitige Beziehungen durch die heute von ihnen benutzten Flüsse und Bäche in keiner Weise erklärt werden, sondern nur unter der Voraus- setzung verstanden werden können, dass man es in ihnen mit zwei verschiedenen Arten von Thälern zu thun hat, nämlich einmal mit Ostwestthälern entlang dem Rande des Inlandeises und mit Nordsüdthälern, die, unter dem Eise gebildet, dem Eisrande zuströmenden Schmelzwassern zuzuschreiben sind. Mit Hilfe zahlreicher Beobachtungen konnte der Vortragende eine Karte construiren, auf weleher die verschiedenen Eisrandlagen während der Dauer des Rückzugs dargestellt sind, aus der sich er- giebt, dass in dem Gebiete nördlich vom Baltischen Höhenrücken sich die Drehung in der Eisbewegung aus der sogenannten Baltischen Richtung in die fächerförmig radiale des mittleren und südlichen Nord-Deutschland vollzog. Der Vortragende, der zur Veranschaulichung seiner Ausführungen mehrere grosse Kartentableaus be- nutzte, sprach schliesslich den Wunsch aus, dass hydro- graphische Studien gleich den seinen auch in dem westlich und östlich an sein Arbeitsgebiet sich anschliessenden Gebiete ausgeführt werden möchten. (Fortsetzung folgt.) sich zu Bläschen und Geschwüren, welche eine trübgelbe, serös-eitrige Flüssigkeit ausschieden. Schlaffe Zunge, Magenbeschwerden, unlöschbarer Durst, Uebelkeit, das Unvermögen zu Stuhl zu gehen, heftiges Jucken im After stellten sich im weiteren Verlaufe der Krankheit ein. Selbst in den Hoden treten derartige Schmerzen auf, dass das Gehen geradezu unmöglich wird. Das sich stets ein- stellende Fieber brachte nicht selten eine Bluttemperatur von 40°; die Krankheit hielt 6—18 Tage an. Auch an einem Pferde konnte Dr. Cannarsa ähnliche XII. Nr. 48. Symptome wahrnehmen. Bei allgemeiner Mattigkeit zeigte das Thier gesehwollenes Maul, Nasenausfluss von übel- riechendem Eiter, enorm geschwollene Hoden, voll von eiternden Blasen, und scheinbar war auch der Entleerungs- akt schwierig und schmerzbaft. Durch Dr. Buffa, Assistent am entomologisch-agrari- schen Laboratorium, das mit der landwirthschaftlichen Schule zu Portiei verbunden ist, konnte neuerdings die Ursache dieser Krankheit nachgewiesen werden. Die Ur- heberin ist eine Sehildlaus, Aclerda berlesii. Dieses Insekt lebt äusserst zahlreich in den Schilfrohrwäldern des mitt- leren und südlichen Italien. Das Menschen und Thieren gefährliche Individuum ist das Weibchen. Fühler- und beinlos sitzt es mit seiner konkaven Unterseite prall auf den Rohrhalmen. Ein Schild deekt seinen ganzen Körper. Dieht auf und neben dem Schilde lagern kleine, formlose Wachsklümpchen, die dem Thiere ein gelbliches Ausschen verleihen. Der eigentliche Körper sieht roth aus, welche Farbe von einem Safte herrührt, den das Thier auf noch unbekannte Weise von sich giebt und welcher das hässliche Hautleiden hervorruft. Die übrigen Formen des lusekts, als Larve, Puppe und Männchen sind unschädlich. Die beiden erstgenannten sind gleich dem Weibehen mit Wachskörperchen dicht bestreut. Das Männchen, welches bedeutend kleiner als das Weibchen ist, hat ein paar glashelle Vorderflügel, die fast die Körperlänge erreichen, während die Schwingen fehlen. Der Parasit lebt fast ausschliesslich auf kürzeren Halmen und solchen mittlerer Grösse und hat zur Schneidezeit des Rohres seine Wandlung durchgemacht. Welchen Schaden er der Rohr- art, auf welcher er lebt, Arundo donax, zufügt, ist noch nieht ermittelt. (Bolletino di entomologia agraria e patologia vegetale. 1898, 1.) C. Sch. Den Fuss einer Chinesin beschreibt J. J. Matignon in der „Revue scientifique* vom 22. Oktober 1898. Es ist mit grossen Schwierigkeiten verknüpft, den ver- stümmelten Fuss einer Chinesin zu sehen zu bekommen; Matignon erhielt die Gelegenheit im französischen Hospital ‚zu Peking, wo er den Fuss eines an der Tubereulose ver- storbenen, jungen Mädchens von 20 Jahren untersuchen konnte. Der Fuss war 17 Centimeter lang, das ist für einen chinesischen Frauenfuss schon eine ganz beträcht- liche Länge; das betreffende Mädchen stammte aber aus den niederen Volksschichten, bei den Frauen der höheren Stände darf die Länge höchstens 13—14 Centimeter be- tragen. Das Gewicht des Fusses, mit 6 Centimeter vom Beine, betrug 450 Gramm. Die Aussenseite und die Innen- seite des Fusses haben die Form eines rechtwinkligen Dreiecks, dessen rechter Winkel an der Hacke liegt. Die Fusssohle ist ungefähr elliptisch und hinten breiter als in ihrem vorderen Theile; eine Einsehnürung von !/, Centi- meter Tiefe trennt die Sohle in zwei Hälften, die der Ferse, welche fast Hufeisenform hat, und die der Zehen, von etwa dreieckiger Form. Die vier letzten Zehen sind unter die Sohle gebogen, so dass sie mit ihrer Rücken- fläche auf dem Boden ruhen, in Folge dessen befindet sich auf jeder derselben eine hornige Stelle von dem Aus- sehen eines Hühnerauges. Die Nägel sind atrophirt, be- sonders die der drei letzten Zehen, der Nagel der zweiten Zehe erscheint klauenartig. Auch die grosse Zehe ist etwas gekrümmt und so gedreht, dass die Verlängerung ihrer Längsachse die Mitte der Ferse treffen würde. Alle Zehen, besonders die vier letzten, haben ihre freie Be- weglichkeit verloren. Die Haut auf der Oberseite und an den Seitenflächen des Fusses weist zahlreiche Runzeln auf, an der Sohle ist die Gegend der grossen Zehe und der Ferse schwielig. Die Krümmung des Fusses ist eine Naturwissenschaftliebe Wochenschrift. „eifersüchtig. 569 derartige, dass sich der äussere Knöchel 7, der innere S Centimeter über den Boden erhebt. Das ganze Gewicht des Körpers ruht in Folge dessen auf dem Fersenbein, welches von allen Fussknoehen die grösste Deformation zeigt, indem es stark gebogen ist. Die Metatarsalknochen sind klein, aber nicht verstümmelt, ebenso ist das Kalhın- bein normal, dagegen sind das Würfelbein und die Keil- beine atrophirt und seitlich abgeplatte. Die Zehen kommen als Stützpunkte gar nicht in Betracht, und da die Ferse allein als Stütze nieht genügt, bedienen sich ältere chinesische Frauen beim Gehen immer eines Stockes. Die jungen Frauen vermögen auch ohne Stock ganz geschiekt zu gehen, indem sie die Arme zur Balance ein wenig heben, die Brust nach vorn und das Becken etwas nach hinten strecken. Seit weleher Zeit diese abscheuliche Gewohnheit in China Sitte geworden ist, hat noch nicht festgestellt werden können. Ein chinesischer Schriftsteller behauptet, dass die Sitte schon 1100 Jahre vor Christi Geburt in China eingeführt worden sei durch die Kaiserin Ta-ki, welche einen Klumpfuss hatte und ihren Gemahl dazu vermochte, ein Gesetz zu erlassen, nach welchem die Füsse aller kleinen Mädchen im Reiche zusammengepresst wurden, damit sie dem Fusse der Herrscherin ähnlich würden. Andere behaupten, dass ein 600 Jahre nach Christi Ge- burt lebender phantastischer Monarch Namens Gang-ti eine seiner Frauen gezwungen hatte, sich die Füsse zu- sammendrücken zu lassen; auf die Fusssohlen der Un- glücklichen wurde das Bild einer Lotosblume eingepresst, welche bei jedem Schritte ihren Abdruck auf dem Boden zurückliess, daher soll der noch heute gebräuchliche Aus- druck „goldene Lilie“ für den Fuss der Chinesen stammen. Nach einer dritten Annahme rührt die Sitte von dem Kaiser Li-yo her, der 916 n. Chr. regierte; derselbe liess den Fuss einer seiner Frauen zusammenpressen, damit er die Form der Möndsichel erhalte. Als ein weiteres Motiv wird angeführt, dass die Verstümmelung des Fusses keinen weiteren Zweck hat, als die Bewegungsfreiheit der Frau zu beschränken, denn die Chinesen sind alle sehr Wenn dies der wirkliche Zweck ist, so ist das Resultat jedoch ein negatives, denn die Jungen chinesischen Frauen — und diese kommen doch hier allein in Frage — gehen, laufen, tanzen, ja sie machen akrobatische Kunststücke, zu Pferde und auf dem Seil. Die Schönheit der chinesischen Frau besteht zum grossen Theil in dem künstlich verkleinerten Fusse. Ein chinesischer Dichter sagt: „Ein nicht verstümmelter Fuss ist eine Schande.“ Für den Chinesen ist der Fuss einer Frau interessanter als ihre Figur. Nur der Ehegatte darf den nackten Fuss sehen; einem Fremden zeigt die Chinesin nicht so leicht die Füsse, ebenso wie eine euro- päische Frau ihre Brüste den Blicken Anderer entzieht. Wenn Matignon als Arzt einen kranken Frauenfuss unter- suchen musste, so bekam er stets nur die kranke Stelle zu sehen, während der übrige Theil des Fusses verhüllt blieb. Die Scham ist eben eine Frage der Convenienz, die Chinesinnen besitzen sie für die Füsse. S. Sch. Dass Luft und Wasser Faetoren der Ernährung bei verschiedenen Lurchen sind, sucht Prof. S. Jourdain zu Port-Bail in Frankreich in den „Comptes rendus de l’Acad. des Seiences“ 1898, II, S. 531 zu beweisen. Schon früher hatte der berühmte Kliniker Prof. Bouchard zu Bordeaux festgestellt, dass ein Thier unter gewissen Verhältnissen an Gewicht zunehmen kann, ohne dass es Nahrung zu sich nimmt. Aehnliche Beobachtungen machte auch Jourdain. Zuerst stellte er Versuche mit der Geburts- helferkröte, Alytes obstetricans, an. Er wog das Ei der 570 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 48. Kröte und später die soeben ausgeschlüpfte Quappe; dabei eonstatirte er, dass das letztere Gewicht weit höher war als ersteres. Das Männchen der Geburtshelferkröte wiekelt bekanntlich die Eierschnüre um seine Beine und den hinteren Theil des Leibes und trägt sie mit sich herum, bis das Ausschlüpfen der Quappen nahe bevorsteht. Den Eiern kann also in dieser Zeit keinesfalls Nahrung auf dem Wege der Entwickelung zukommen. Desshalb muss man annehmen, dass die Eier durch das umgebende Milieu, d. i. die mit Wasserdampf beladene Luft, ernährt werden; die Elemente der Luft und des Wassers müssen in Combination treten mit den Elementen, welche im Ei existiren, so dass Gewebe und organische Flüssigkeiten entstehen können. — Bei dem Feuersalamander, Sala- mandra maculosa, der bekanntlich lebendig gebiert, gehen die Eier in den verbreiterten Theil des Oviducts, wo sie liegen bleiben, bis sich die Jungen entwickelt haben. Auch hier sind die Quappen schwerer als die Eier. Da die Eier nicht wie die Embryonen höherer Thiere mit der Mutter in Verbindung stehen, könnte man annehmen, dass die Wände des Oviducts so eingerichtet wären, dass sie Nährstoffe ausscheiden könnten, die dem Ei zu Gute kämen. Eine mikroskopische Prüfung dieser Wände er- giebt aber, dass keine besondere Einrichtung vorhanden ist, und es wird hier also ebenfalls der Fall eintreten, dass die Eier durch Wasserdampf enthaltende Gase, welche das Innere des Oviduets füllen, ernährt werden, Achnlich wird es sich bei einigen ausländisehen Lurchen, bei Pipa americana, Chiramantis guinensis, Hylodes mar- tinicensis und Cystignathus mystacinus verhalten. S. Sch. Eine vivipare Polychaete haben Felix Mesnil und Maurice Oaullery nach „Comptes rendus de l’Acad. des Sciences“ 1898, II, S. 310, in der Art Dodecaceria eoncharum Oerst. gefunden. Schon früher hatten sie diese Annelide in ihren verschiedenen Formen beobachtet, und sie konnten damals die drei deutlich unterschiedenen Formen A, B und C aufstellen. An B und © wiesen sie eine Metamorphose nach, dagegen zeigte A davon keine Spur. Die letztere Form waren stets Weibchen, und es fragte sich, ob die Thiere schon die geschlechtliche Reife erlangt hatten oder ob die geschlechtsreifen Thiere den Forschern bisher entgangen waren. Im vergangenen Sommer entdeckten nun die beiden Forscher, dass die Form A lebendiggebärend und parthenogenetisch ist, letzteres, da unter mehreren tausend untersuchten Indi- viduen sich kein einziges Männchen befand, und da bei keinem Exemplar Spermatozoiden gefunden wurden. Bis- her war die Viviparität nur von 7 Polychaeten bekannt, darunter einigen zweifelhaften Fällen. S. Sch. Ueber „Die Formänderungen von Sceletonema costatum (Grev.) Grun. und ihre Abhängigkeit von äusseren Faetoren“ handelt eine Arbeit von G. Karsten (Wissenschaftl. Meeresuntersuchungen, herausgegeben von der Commission zur wissenschaftlichen Untersuchung der deutschen Meere in Kiel ete. N. F. III. Bd. Abthlg. Kiel 1598). Sceletonema costatum ist eine zierliche Plankton- diatomee, die im Herbst zahlreich in der Kieler Bucht aufzutreten pflegt. Sie besitzt Schalen, die im Quer- schnitt kreisrund sind, eine deutliche Zeichnung nicht haben, rmgsum am Schalenrande aber als Art-Charakte- ristikum 8—14 Kieselstäbehen zeigen. Da wo diese Kieselstäbehen mit solchen, die von der Schwesterzelle gebildet sind, zusammentreffen, lassen sich kleine Ver- diekungen beobachten. Als Zellinhalt sind ein Kern und ein Chromatophor vorhanden, welch letzteres sich vor der Zelltheilung in zwei zerlegt. Ein jedes dieser Chromatophoren liegt nun einer Schale an, greift beider- seits auf die sogenannten Gürtelseiten über und behält diese Lage auch nach erfolgter Zelltheilung einige Zeit hindurch inne, so dass man noch späterhin die aus einer Mutterzelle hervorgegangenen Tochterzellen erkennen kann. Der Zellkern verlässt bis zu seiner Theilung die Zellmitte nicht. Man hatte nun bei Culturen die Beob- achtung gemacht, dass die sonst flottirenden Sceletonemen hier nach kurzer Zeit den Boden bedeckten, und die Untersuchung ergab, dass im Gegensatz zu den im Freien lebenden Zellketten hier die Streekung der Kieselstäbehen fast ganz unterblieben war. Da man geneigt ist, das Dazwischenschieben der Kieselstäbchen wegen der damit verbundenen Volumvergrösserung und Erniedrigung des specifischen Gewichts als eine Schwebevorrichtung auf- zufassen, war es von Interesse, festzustellen, ob die passive Bewegung der Organismen im Wasser in irgendwelcher Beziehung zu ihrer Schwebefähigkeit steht, die ruhige Lage derselben am Grunde dagegen einen Verlust dieser Fähigkeit herbeizuführen im Stande ist. Es wurde daher zu diesem Zweck eine Reihe von Versuchen angestellt und zwar in der Weise, dass eine Anzahl von Sceletonemen unter Anwendung eines Klinostaten in dauernder Be- wegung gehalten wurde, während andere Exemplare, die man zu derselben Zeit wie die ersteren gefangen hatte, sich zum Vergleiche in ruhigem Wasser befanden. Dabei stellte sich nun heraus, dass die passive Bewegung der Organismen thatsächlich zur Erhöhung ihrer Schwebe- fähigkeit beitrug, die ruhige Lage am Boden dagegen den Verlust dieser Eigenschaft verursachte, ‚während weiterhin noch nachgewiesen werden konnte, dass an Individuen, die in der Ruhelage den Schwebeapparat ein- gebüsst hatten, eine Neubildung desselben dureh Be- wegung angeregt wurde. Ausserdem wurde noch diese andere Beobachtung gemacht, dass die Sceletonema-Zellen sich in bewegtem Wasser nur etwa halb so schnell ver- mehrten als in den in allen übrigen Beziehungen völlig gleich behandelten Culturen in rubigem Wasser. Auf Grund dieser Resultate kommt Verfasser zu folgendem Schlusse: „Der aus normalen Lebensbedingungen zu völliger Ruhe auf dem Boden des Culturgefässes ge- brachte Organismus wird durch die jetzt in stets gleicher Richtung einwirkende Schwerkraft zu sehr viel energischerer Vermehrung angeregt.“ „Die im normalen Leben zum Aufbau der Schalen, speziell der den Schwebeapparat bildenden Kieselstäbehen, verwandte Energie und Material gehen bei der gesteigerten Theilungsfähigkeit darauf, und es bleibt für die Ausbildung der Kieselstäbchen nichts übrig. Sobald aber durch passive Bewegung im Wasser „das Bedürfniss“ nach einem Schwebeapparat angeregt wird, muss der Organismus, der gleichzeitig dureh stete Lagenänderung von der Schwerkraft unabhängig wird, die Vermehrungsthätigkeit einschränken und das Material wieder für Ausbau der Kieselstäbchen verwenden. Das Verhältniss von Zellvermehrung und -Ausrüstung wird nach Maassgabe der äusseren Verhältnisse vom Organis- mus selbstregulatorisch geregelt.“ Bei dieser Erklärung ist auf die Wirkung der Schwer- kraft vielleicht doch etwas zu viel Gewicht gelegt worden. Es darf allerdings als erwiesen gelten, dass (wie Verf. anführt) die erste in der Archegonaxe gelegene Theilungs- wand der keimenden Makrosporen von Marsilia von der Richtung der Schwerkraft bestimmt wird (Sitzungsberiehte d. mathem.-naturwiss. Klasse d. Kaiserl. Akad. d. Wissen- schaften zu Wien. XXVI. Bd. I. Abthlg. 1878), auch dass die Lage der Lichtquelle eine richtende Wirkung XII. Nr. 48. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. a! auf die Bildung der ersten Wand bei der Theilung in , werden mit gelöstem Kupfersulfat befeuchtet, und in ge- den Equisetum-Sporen ausübt (Ber. der d. bot. Gesell- schaft 1385), darum aber kann man wohl der Schwer- kraft nicht eine so überwiegende Rolle in dem vorliegenden und vielen anderen Fällen zuschreiben. Es liegt vielmehr ausserordentlich nahe, gerade die Ruhe der Bewegung gegenüberzustellen und einen sehr wesentlichen Einfluss dieser beiden Faetoren auf die in Rede stehende Ver- mehrungs- und Schwebefähigkeit anzunehmen. Die Frage nach der Einwirkung von Ruhe und Bewegung auf die lebendige Substanz ist nicht neu, sondern schon mehrfach der Gegenstand von Untersuchungen gewesen; man er- innere sich insbesondere an die sehr interessanten Arbeiten von Horvath, Reinke und Meltzer (Pflügers Archiv Bd. XVII und XVIII, Zeitschr. f. Biolog. Bd. XI). Allerdings hatten diese Forscher als Versuchsobjeete nicht Algen sondern Bacterien benutzt, das dürfte aber nicht gerade von allzu erheblicher, vor Allem nicht prineipieller Be- deutung sein. Ob die lebendige Substanz der Einwirkung des einen oder anderen der beiden Factoren in Form einer Alge oder eines Bacteriums gegenübersteht, scheint ziemlich bedeutungslos, wenn man der Ueberlegung Raum giebt, dass die moleceularen Einwirkungen — und auf diese wird es doch in letzter Linie ankommen — in der einen wie in dem anderen sich geltend machen müssen und werden. In welcher Weise, ob hindernd ob fördernd, und in welchem Grade das der Fall sein wird, das hängt natürlich von der Gattung, der Art, dem Individuum, von der Zeitdauer resp. Intensität der wirkenden Ursache u. s. w. ab. Dass bei den Sceletonema-Zellen sich das eine Mal die Kieselstäbehen stärker ausgebildet hatten, das andere Mal die Vermehrungsfähigkeit gestiegen war, braucht seinen Grund nicht gerade in der Schwerkraft zu haben, sondern kann auch so erklärt werden, dass Ruhe und Bewegung von bestimmendem Einfluss auf die Auf- nahmefähigkeit und den Verbrauch der versehiedenen in dem umgebenden Medium enthaltenen Nähr- und Baustoffe seitens der lebenden Zelle sind, dass beide die Ziele für die Verwerthung der betreffenden Stoffe verschieben, dass durch sie überhaupt die in dem winzigen Laboratorium einer lebenden Zelle sich abspielenden complieirten chemischen Processe, sagen wir z. B. hinsichtlich ihrer Energie, modifieirt werden. Das Eine muss eben stets im Auge behalten werden, dass Ruhe und Bewegung dort, wo sie eine Veränderung der äusseren Lebens- bedingungen verursachen, als Reizmittel wirken. A. L. Ein neues Mittel gegen die Phylloxera. — Der Land- wirthschafts-Minister von Italien und eine Reihe Gelehrter dieses Landes beschäftigen sich augenblicklich mit der Prüfung eines Mittels, das die italienischen Weinberge vor dem Schaden der gefürchteten Phylloxera bewahren soll. Das Mittel wurde zuerst angewandt von einem Weinguts- besitzer, Lauro d’Angelo, auf Elba, wo die Weinberge bekanntlich durchweg verseucht sind, wodurch die früher als wohlhabend bekannten Weingutsbesitzer heute voll- ständig verarmt sind. d’Angelos Weingüter liegen in- mitten „verlauster“ Besitzungen, und merkwürdigerweise vermochte er die Gegenwart der Reblaus in seinen Wein- bergen nie zu konstatiren. Er glaubt dies einer Behand- lung von Kupfersulfat zuschreiben zu müssen, die er seit sechs Jahren anwendet, um alle Schädlinge der Weinkulturen, wie die Reblaus, die Weinmotte, das Schwarzwerden der Zweige u. Ss. w. zu vernichten, bezw. fern zu halten. Und dies letztere ist ihm auch gelungen, denn trotz des rapiden Umsichgreifens der keblaus, bleiben seine Besitzungen rein. Die Anwendung des Mittels ist höchst einfach und billig. Die Gewächse ı stossenem Zustande wird solches auf den Boden gestreut. Durch die Niederschläge im Herbst, Winter und Frühjahr wird das Pulver aufgelöst und dringt in den Boden ein, woselbst durch seine giftigen Eigenschaften der Boden geschwängert wird und so den Wurzelläusen eine Ent- wickelung unmöglich macht. Das von d’Angelo angewandte System besteht darin, dass den Stöcken zunächst zwei flüssige Behandlungen, dann fünf solehe „mit Pulver“ zu Theil werden. Im ersten Falle kommen auf 100kg Schwefel 1°/, Kalk und 1,3°/, Kupfersulfat, im zweiten Falle erhalten die Weinstöcke zwei Behandlungen mit 2%, Kupfersulfat und drei mit 5°/, auf je 100 kg Schwefel. Wie gesagt, die Untersuchungen sind noch nicht ab- geschlossen und werden wir s. Z. auf die gewonnenen Resultate zurückkommen. (Bolletino di entomologia agraria e patologia vegetale. 1898, 2.) C. Sch. Ueber die Produete Kretas bringt die „Revue scienti- fique* nach H. Castonnet des Fosses einige Mitthei- lungen. Die Insel Kreta oder Kandia scheint nicht mehr so fruchtbar zu sein wie ehemals, gleiehwohl sind ihre Produete recht zahlreich. Vor Allem sind als Ausfuhr- produete zu nennen die Olive, das Johannisbrot, die Ro- sinen und der Wein. Von Cerealien werden eultivirt Weizen, Roggen, Gerste und Mais. Der beste Weizen wächst in der Ebene von Messara; Roggen wird nur in den bergigen Gegenden gebaut, die Gerste dagegen über- all. Der Ertrag an Getreide reicht aber für die Insel nicht aus, und man ist gezwungen, Getreide zu importiren. Von Früchten, die auf Kreta gedeihen, sind die wichtigsten: Birne, Apfel, Kirsche, Pflaume, Haselnuss, Aprikose, Pfir- sich, Quitte, Mandarin-Orange, Granate, Mandel, gemeine Orange und Citrone. Die Kultur der Baumwollstaude ist mehrfach versucht worden, aber die Ernte war stets nur eine mittelmässige. Auch der Tabak ist nur von mittel- mässiger Qualität, etwas besser ist der von Retlıymo. Für die Kultur des Kaffeebaumes ist die Temperatur der Insel nieht hoch genug. Von Gemüsearten werden gebaut Bohnen, Tomaten, die Eierpflanze oder der Melanganapfel, Zwiebeln, Spinat, Kohl, Radies und Artischocken; die Kartoffel, der Salat, die Runkelrüben und die Karotten gedeihen nicht gut. Die Wälder sind jetzt recht selten geworden und viel weniger dicht als ehedem; die häufigsten Waldbäume sind die Steineiche, der Erdbeerbaum (Arbutus unedo L.), die Ceder, die Pinie, die Cypresse und die Myrthe. Von Hausthieren werden auf Kreta gehalten Pferde, Maulthiere, Esel, Rinder, Schafe, Ziegen, Schweine, Hunde, und etwas Geflügel. Die kretischen Pferde waren im Alterthum durch ihre Schnelligkeit berühmt; man schätzt ihre Zahl auf der Insel jetzt auf etwa 7000. Die Maul- thiere und Esel, welche von vorzüglicher Qualität sind, dienen besonders dazu, die Lebensmittel und Boden- producte zu transportiren. Bei Reisen im Innern der Insel, wo wegen der schlechten oder ganz fehlenden Strassen der Gebrauch von Wagen unmöglich ist, sind die Maulthiere unentbehrlich; nach der Meinung der Ein- geborenen ist ihr Gang schneller und dabei leichter als der der Pferde. An Maulthieren giebt es zur Zeit auf Kreta gegen 13000, an Eseln über 40000 Stück. Die Rinder, eine zurückgekommene Rasse, sind wenig zahlreich; da die auf der Insel geborenen Thiere ganz schwach und kraftlos sind, muss immer für frisches Blut gesorgt werden, indem namentlich aus Kleinasien Rinder eingeführt werden. Die Ochsen dienen ausschliesslich als Zugthiere. An Schafen ist die Insel sehr reich; es sind kleine Thiere mit dieker Wolle, ihr Fleisch ist jedoch wenig werth. An Ziegen leben auf Kreta mehr als 200 000, viele von ihnen im wilden Zustande. Schweine giebt es nur wenige, da ihr Fleisch von geringer Güte ist. Von Hunden lebt hier eine Art schwächlicher Windhunde. Hühner und Truthühner liefern em ausgezeichnetes Fleisch; Gänse und Euten giebt es aber wenig, wahrscheinlich wegen des Mangels an Gewässern. Schon seit alter Zeit treiben die Kretenser Bienen- zucht. Der kretische Honig zeichnet sich durch ein starkes Aroma aus und wird deshalb von den Türken sehr gern gegessen; der Wohlgeruch desselben rührt da- von her, dass die Bienen stark duftende Blumen bevor- zugen, so die Blüthen von Cistus ladaniferus L., auch wird der Honig künstlich parfumirt, namentlich mit dem aus Pflanzen derselben Gattung gewonnenen Ladanum. Seit der Zeit des Mittelalters betreibt man auf Kreta auch die Seidenraupenzucht, jetzt jedoch nur in schwachem Maasse, denn der jährliche Ertrag an Seide beläuft sich auf kaum 5000 Kilogramm. Auch eine Schnecke wird auf Kreta zu Speisezwecken gesammelt, wahrscheinlich Helix adspersa Müll. oder vermieulata Müll.; bevor sie verspeist wird, füttert man sie 14 Tage lang mit Mehl und Kleie, damit sie einen besseren Geschmack bekommen soll. Von Wild ist zu erwähnen der Steinbock, der Hase, verschiedene Schnepfen, Turteltauben und rothe Reb- hühner (Perdix rufus L.); Kaninchen fehlen, ebenso kommen Bär, Wolf und Fuchs nicht mehr auf der Insel vor. S. Sch. Die Herkunft der atmosphärischen Elektrieität und ihre Mitwirkung bei der Wolkenbildung und an- deren Vorgängen ist von Dr. H. Rudolph, St. Goars- hausen in den „Illustrirten Aöronautischen Mittheilungen“ zum Gegenstand einer interessanten und beachtenswerthen Untersuchung gemacht worden. — Bekauntlich stehen sich der Hauptsache nach zwei grundverschiedene Ansichten über den Ursprung der Luftelektrieität gegenüber. Die eine erklärt sie als Reibungselektrieität, die andere sieht darin eine directe Ladungserscheinung durch Sonnen- strahlung, und zwar entweder der gewöhnlichen Licht- und Wärmestrahlung oder, was wahrscheinlicher ist, einer speeifisch-elektrischen Strahlung. Der Umstand, dass sich auch mit sehr feinen Hilfsmitteln, wie bei den Versuchen von Wilsing und Scheiner, eine direete elektro-dyna- mische Sonnenstrahlung nicht nachweisen liess, beweist nach den Genannten noch nicht das Niehtvorhandensein einer solehen, weil möglicherweise eine Schirmwirkung der oberen Luftschichten besteht. Eine solche muss eigentlich geradezu als Bedingung für das Auftreten eines statisch elektrischen Zustandes als Folge der Strahlungsenergie angesehen werden, gerade so wie die Erwärmung durchstrahlter Luftschichten nicht ohne Absorption von Strahlung denkbar ist. Der Unter- schied würde nur darin liegen, dass die Erwärmung der Luft durch Absorption immer nur einen Bruchtheil der Lieht- und Wärmestrahlung vernichtet, während die elektro-dynamische Strahlung gänzlich ausgelöscht werden müsste. Aber auch dafür bietet sich eine Analogie, in- dem nach Lenard Kathodenstrahlen, die ja auch statische Ladungen erzeugen, bei ihrem Durchgang dureh Luft von Atmosphärendruck auf kürzestem Wege diffus zerstreut und vollständig vernichtet werden, d. h. sich in gewöhn- liche Strahlungsenergie umsetzen. Auffällig ist dabei, dass sie in ca. 8 cm Entfernung als Kathodenstrahlung fast plötzlich erlöschen, dass sie aber auf dem kurzen Wege der Luft eine ausserordentlich starke Entladungs- fähigkeit ertheilt haben, die erst in 30 cm Abstand schwächer wird. Ob nun wirklich Kathodenstrahlen, deren Entsendung Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 48. I durch die Sonne als ziemlich sicher angenommen werden kann, die Ursache der Ladung sind, sei dahingestellt, aber das leuchtet ein, dass bei der Entstehung der elek- trischen Erscheinungen in der Atmosphäre dureh Reibungs- elektrieität schwer zu begreifen wäre, wodurch die Ge- witterthätigkeit zuweilen eine solche Intensität zu erreichen vermag und zwar öfters durch längere Zeit hindurch. So kann man selbst in unseren Gegenden Gewitter beob- achten, bei denen sich eine Energie von gegen 10000 Pferdestärken nur in Blitzen entlädt, ganz abgesehen von den Ladungen der fallenden Niederschläge und der Ener- gie derjenigen Ströme, denen sie eine Leitungsbahn zwischen Wolken und Erde eröffnen. Diese enorme Stromstärke, in einem Blitz 10000 bis 50000 Ampere, und die zu ihrer stundenlangen Unterhaltung, .. zuweilen bei 2 bis 3 Blitzen in jeder Sekunde, erforderliche Elektrieitäts- menge ist jes, auf die es hier in erster Linie ankommt. Dass die elektrische Spannung der Atmosphäre aber auch bei heiterem Himmel und mit sehr einfachen Ableitungs- mitteln bereits bemerkenswerthe dauernde Stromstärken ergiebt, zeigen die Versuche von Prof. L. Weber, bei denen er mit 300—400 m Höhe seines nadelbesetzten Drachens dauernde Ströme bis Ampere erhielt. 1 100000 Dass die Luft, wie alle anderen Gase, selbst Träger einer elektrischen Ladung sein kann und dazu nicht, wie in den meisten Theorien, Staubtheilehen irdischen oder kosmischen Ursprungs vorausgesetzt werden müssen, darüber ist nach den neueren diesbezüglichen Experi- mentaluntersuchungen kein Zweifel ınehr. Von ausser- ordentlicher Wiehtigkeit sind in dieser Hinsicht die Beob- achtuugen von John S. Townsend in Bezug auf die Grösse der Träger elektrischer Gasladungen im Vergleich zu den Molekülen, ungefähr von der Ordnung 10°. Die Haupt- sache bei den Untersuchungen von Townsend ist der positive Beweis, dass die Träger der elektrischen Ladung der frisch präparirten Gase Condensation veranlassen und dass die Tröpfehen der sich bildenden Wolke rings um jeden Träger der elektrischen Ladung gebildet werden. Waren die frisch präparirten Gase nicht geladen oder wurde ihnen die Ladung beim Hindurchleiten durch er- hitzte Glaswolle genommen, so fehlte auch die Wolken- bildung. Es wurde durch den Versuch aber nicht nur gezeigt, dass die Bildung der Wolke und die Anwesen- heit der Ladung Begleiterscheinungen sind, sondern es war auch ‘in allen Fällen das Gewicht der Wolke der Ladung proportional. Es ist mithin auch Condensation ohne Staubtheilchen möglich, was übrigens schon ander- weitig bewiesen ist. Aus dem Vorhergehenden und aus Versuchen von Kircher, Gockel, Elster und Geitel sowie Leonh. Weber würde sich folgende Vorstellung ergeben, die im Wesent- lichen mit der von Lord Kelvin, der die Erde sammt Atmo- sphäre mit einem riesigen Condensator vergleicht, überein- stimmt. Die Ladung entsteht in den höchsten Schiehten durch Einstrahlung von der Sonne her, vielleicht durch Absorp- tion in einer Sehicht von ganz bestimmtem, sehr niedrigen Druck, bei dem allein die absorbirte Strahlung als freie, positive Elektrieität wieder auftritt, während sie sich sonst in Wärme verwandelt. Die so entstehende Ladung fliesst beständig nach der durch Influenz negativ geladenen Erde ab, aber je nach den Umständen, dem Zustand der Atmo- sphäre und dem geringsten Leitungswiderstand ent- sprechend, bald hier, bald dort, wodurch Erdströme ent- stehen, in denen sich die Energie der abfliessenden Elektrieität erschöpft, d. h. in Wärme verwandelt. Nach der obigen Vorstellung muss sich ein grosses Gefälle er- geben dort, wo der Widerstand gross ist, d. i. am Erd- ' boden; dagegen ein kleines und zuletzt gegen Null eon- XII. Nr. 48. vergirendes dort, wo durch verschiedene zusammenwirkende Umstände die Luft ihre Isolirungsfähigkeit, wenigstens für die daselbst in Betracht kommenden Spannungen, verliert. Nach Elster und Geitel müssen allerdings die positiv elektrischen Massen der Hauptsache nach in den unteren 3000 m der Atmosphäre ihren Sitz haben. Hiergegen lässt sich geltend machen, dass das Phänomen nicht als rein elektrostatisches anzusehen ist, indem durch rasch zunehmende Leitungsfähigkeit alle Luftschiehten ober- halb der Hauptwolkenregion, d. i. ungefähr oberhalb 3000 m, von jener Schicht aus, wo die Sonnenstrahlung in freie positive Elektrieität umgesetzt wird, beständig in der ganzen Höhe der Atmosphäre auf nahezu die gleiche Spannung gebracht werden müssen. Die positive Luft- ladung influenzirt eine negative in der Erdoberfläche, die als vollkommener Leiter wirkt, und bei der Erhebung über letztere muss sich schon aus dem Grunde ein ab- nehmendes positives Gefälle unter normalen Verhältnissen ergeben, weil man sich von dem Sitz der influenzirten negativen Ladung der Erdoberfläche verhältnissmässig weit entfernt, ohne dem Sitz der positiven Elektrieität, d. h. den positiven Schichten in ihrer Gesammtheit erheblich näher zu kommen. Daraus erklären sich die einander widersprechenden Ergebnisse in den bisherigen Messungen bezüglich der Zunahme oder Abnahme des Potential- sefälles mit der Höhe. Ist die stark mit Dunst oder Staub erfüllt, so sind die Niveau- flächen der Spannung gerade so wie durch eine Wolken- decke, die irgendwo in leitender Verbindung mit der Erde steht, in höhere Sehiehten emporgehoben. Zugleich ist aber auch die Ladung in der die Erdoberfläche ver- tretenden influenzirten Schieht verstärkt, und es kann auf diese Weise mit zunehmender Höhe ein steigendes nega- tives Gefälle auftreten, so lange man bei der Messung nicht hoch genug geht. Ebenso kann bei besonderen Witterungsverhältnissen, wo die unterste Luftsehieht gut isolirt, dagegen die gut leitenden Schichten an einem bestimmten Punkte tief in diese unterste, nicht leitende, hinabreichen, ein zunehmen- des positives Gefälle resultiren, natürlich wiederum nur | bis zu einer gewissen Höhe. Bei all diesen Fällen ist vorausgesetzt, dass es sich um frei in der Luft vor- genommene Messungen, also während Freifahrten mit dem Luftballon unter Vermeidung der durch die Eigenladung des Ballons verursachten Fehlerquellen handelt. Nur so ist das wahre Gefälle zu ermitteln und dieses convergirt oberhalb 3000 m gegen Null.“) Gänzlich anders liegt dagegen die Sache bei den Messungen mit gut leitender Verbindung bis herab zur Erde. Dabei muss die er- mittelte Spannung und das daraus berechnete Gefälle mit zunehmender Höhe unter normalen Verhältnissen, d. i. ohne ausgedehnte Wolkendecke, stets zunehmen, was Leonhard Webers Versuche in der That bestatigen, denn dann haben wir den Fall einer kräftigen Influenzwirkung der fernen positiven Schichten in ihrer Gesammtheit auf den hervorragenden Punkt, und ein Nachströmen von Elektrieität mit beständiger Steigerung des elektrischen Feldes und der gegenseitigen Influenzwirkung bis zu einem Maximum ist die Folge. Auf diese Weise erklärt sich ferner der ausserordentliche Einfluss frei schwebender Cumuluswolken, der sich auf Berggipfeln, unter anderen auf dem Sonnblick durch Knistern im Telephon be- merkbar macht. Der Einwand, dass die Influenzwirkung nur bei bedeutender Höhe der Wolken beträchtlich sein könne, wird hinfällig, sobald man berücksichtigt, dass die Wolke durch stille Entladung in Folge „Elektrisirung“ der Luft unter ihr mit der Erde in leitender Verbindung stehen *) Vergl. „Naturw. Wochenschr.“ 1895, No. 46. unterste Luftschicht | ' gewichtige Einwände hiergegen erhoben, aber einestheils Naturwissenschaftliche Wochenschrift. | 573 kann und dann eine hoch hinaufragende Spitze des Erd- bodens vorstellt. Ausgedehnte Wolkendecken ohne ver- einzelte Cumulusthürme werden dagegen einer weniger intensiven Influenzwirkung ausgesetzt sein, aber die Niveau- flächen emporschieben. Nicht minder wahrscheinlich ist es, dass der von L. Weber beobachtete Einfluss der Cirrusstreifen, der ja auch durch die Sohnke’sche Theorie befriedigend erklärt würde, davon herrührt, dass diese merkwürdigen Wolkengebilde gar keine Condensations- produete in Folge von Wärmeprocessen sind, sondern dureh intensive elektrische Felder der aus höheren Schichten abfliessenden positiven Elektrieität in den staubfreien und deshalb wohl nahezu gesättigten Schichten entstehen. Eine Andeutung in diesem Sinne macht schon Alexander v. Hum- boldt (Kosmos), indem er die Beziehung erwähnt, die zwischen der Riehtung ihrer Streifen und dem magneti- schen Meridian des betreffenden Ortes besteht. Dazu kommt der Umstand, dass sie die Spannung im positiven Sinne und nieht wie die Haufenwolken in wechselndem, meist negativem Sinne beeinflussen. Als Kern aller Beobachtungen und Erwägungen drängt sich die Ueberzeugung auf, dass trotz. alledem auf denı weiten Gebiet der elektrischen und magnetischen und aller anderen, die gleiche Periode wie die letzteren inne- haltenden irdischen Erscheinungen eine gemeinsame Ur- sache walten muss. Zwar werden immer wieder sehr beruhen dieselben darauf, dass die Isolirungsfähigkeit der Luft überschätzt und auf den nothwendig ununterbrochenen Ausgleich ausserordentlicher Elektrieitätsmengen keine Rücksicht genommen wird, anderntheils darauf, dass der Hauptsitz jener unerschöpflichen Elektrieitätsquelle am falscheu Orte vorausgesetzt und die Erdluftströme als ge- schlossene Stromkreise angesehen werden. Wenn näm- lich derjenige Theil der Sonnenenergie, durch den die elektrische Ladung ununterbrochen sich erneuert, bei einem ganz bestimmten Vacuum absorbirt und umgewandelt wird, — und für diese Annahme sprechen die Erfahrungen, so muss sich elektrische Energie am stärksten in den Polkappen der Atmosphäre stauen und nicht in der Aequatorialregion, wo die Wärmestrahlung ihr Maximum erreicht. Während für die maximale Wirkung der letzte- ren der möglichst senkrechte Durchgang der Strahlen am Aequator der günstigste ist, treffen für die elektrische Wirkung alle günstigen Bedingungen an den Polen zu- sammen, und zwar der schiefe Durchgang mit möglichst | langem Wege der Strahlen in der am besten absorbiren- den Schicht, d. i. im Dämmerungsring, ferner die un- unterbrochene Dauer der Insolation und endlich die ge- ringere Zerstreuung der im Dämmerungsring entstehenden elektrischen Energie, wie sie in niederen Breiten durch die Vertheilung auf die grösseren Flächen jener Zonen, | in Folge der Rotation stattfindet. Dazu kommt die grössere Leichtigkeit der Ableitung in den wärmeren Gebieten, die durch meteorologische oder Strahlungseinflüsse, wahrschein- lich durch beide, verursacht ist. In Folge des Vorhandenseins eines Vacuums in der Atmosphäre mit maximaler Leitfähigkeit verbreitet sich die fortgesetzt erneuerte Ladung, und zwar hauptsächlich von den begünstigten Polkappen und Kältepolgebieten aus, über die ganze Erde und verursacht dort ein Anoden- licht, das Nordlieht; besonders lebhaft wird es zu Zeiten verstärkter Ableitung in den niederen Breiten, jedenfalls durch Steigerung der ultravioletten Strahlung, verbunden mit gleichzeitiger Zunahme der atmosphärischen Ladung im Allgemeinen. Da diese jedoch die Isolationsfähigkeit der Luft herabsetzt, so ist damit nicht gesagt, dass des- halb das Potentialgefälle steigen müsse. Wir haben es eben nieht einfach mit dem Potential der positiven 574 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 48, Schiehten und den entsprechenden Influenzladungen zu thun, sondern mit Potentialdifferenzen einer Ausgleichs- strömung mit sehr veränderlicher Lage und sehr ver- änderliehem Abstand der Niveauflächen. So kommt es, dass bei Nordlicht, also zur Zeit des stärksten Abflusses, sowohl von der schwedischen Expedition 1882 in Spitz- bergen als auch von den Herren Vedel und Paulsen in Grönland ein Sinken des Gefälles bis zu negativen Werten beobachtet wurde. Die Entwiekelung elektrischer Strömungen, die zu Nordlichterscheinungen führen, muss nun naturgemäss eine ganz allmähliche sein, weil sich die Leitfähigkeit der Luft erst im Verlauf der Strömung durch „Elektrisirung“ u.s. w. mehr und mehr herausbildet. Hat die Strömung aber ihr Maximum erreicht und das Nordlicht erzeugt, so muss meist ein fast plötzliches Abfallen der Strom- stärke in jeder einzelnen der natürlich sehr wechselnden Strombahnen erfolgen, indem die Strömung örtlich ihre eigene Ursache, den Elektrieitätsüberschuss beseitigt. Da- her wird jetzt die Induetionswirkung auf den Leiter Erde eine sehr grosse sein und einen wegen geringen Wider- standes niedergespannten, aber vielmal stärkeren Strom in der Richtung des Luftstromes induziren, natürlich mit mannigfacher Verlagerung der Hauptstrombahn. Diese Erdströme erhalten ebenso wie ihre Erzeuger, die hoch- gespannten Luftströme, deren magnetischer Einfluss jedoch wegen ihrer verhältnissmässig geringen Stromstärke ausser Betracht bleiben kann, durch die Erdrotation und das durch letztere bedingte ost-westliche Wandern des Ge- bietes mit dem stärksten Defieit an positiver Elektrieität, im Verlauf ihrer Bahn eine immer stärkere ost-westliche Componente und erzeugen in ihrer Gesammtheit, unter- stützt durch Gesteine mit Permanenz des einmal erlangten Magnetismus, den Haupttheil des magnetischen Feldes der Erde, während ungleichmässig vertheilte einzelne Ströme dieser Art hervorragend an den stärksten Störungen der Nadel, den „magnetischen Stürmen“, betheiligt sind. Wie so häufig bei Auslösung von Kräften, besteht aber auch hier eine Wechselwirkung zwischen dem er- leichterten Abfluss in manchen Gebieten und der weiteren Verbesserung der Bedingungen dieses Abflusses selbst. Zunächst treten dort anormale elektrische Felder auf, durch welche Wolkenbildungen eingeleitet werden. Da- dureh werden die Niveauflächen aufwärts verschoben, in- dem stellenweise Elektrieität, einerlei ob positiv oder negativ, in die unteren Luftschicehten übertritt. Das Ge- fälle muss dabei stark herabgehen. Durch die aus der Ladung mit Elektrieität resultirende Abstossung seitens des Leiters Erde werden die Luftschichten aufgelockert, wie wenn sich eine Art elektrischen Windes in vertikaler Richtung erhöbe. Das ist die Ursache für die Entstehung der Minima, welche endlich die Auslösung der Wärmeenergie der Luft mit stärkeren Condensationen und Niederschlägen herbeiführen. Dadurch sind alsdann vorzügliche Leitungs- bahnen durch die unteren Luftschichten hindurch geschaffen. Während der Steigerung der mechanisch-dynamischen Veranlassung zur Bildung der Minima, also der Ableitung, werden die Luftmassen, in denen sich diese Processe ab- spielen, durch die allgemeine west-östliche Luftströmung des grössten Theils der Atmosphäre weitergetragen. An dem Entstehungsort der Störung sind neue Luftmassen denselben Einflüssen mit ähnlicher, wenn auch, im All- gemeinen abnehmender Wirkung ausgesetzt. Daraus folgt, dass sich vielfach west-östliehe leitende Wolkenbahnen, selbstverständlich nieht ohne vielfache Unterbrechungen, bilden müssen, in deren östlichem Gebiet die Conden- sationswirkungen und Niederschläge am intensivsten sind. Da die so geschaffenen leitenden Wolkenbahnen gleich bei Beginn der Ableitung, wo die Spannung noch am | höchsten ist, am besten leiten, treten im Gegensatz zu den Nordliehtströmen solehe Ströme auf, die rasch anschwellen und langsam abnehmen, also in dem Leiter Erde ent- gegengesetzt gerichtete Ströme indueiren. Diese letzteren, im Verein mit den starken Luftströmen selbst, welche mit ihnen gleichsam einen beinahe geschlossenen Stromkreis bilden — nämlich erst von West nach Ost durch die leitenden Wolkenbahnen, sodann in den am Ost-Ende der Wolkenzüge gelegenen Niederschlagsgebieten in vertikaler Riehtung zur Erde und zurück im Leiter Erde von Ost nach West hin, — diese beide Stromarten sind es, die in ihrer Gesammtheit den zweiten und dritten Theil der das magnetische Feld der Erde bildenden und sämmtlich in demselben Sinne wirkenden Ströme ausmachen, während die einzelnen, momentan nieht ausgeglichenen der letzt- erwähnten starken Luftströme die gewöhnliche Variations- bewegung der Magnetnadel hervorrufen, die daher eine tägliche und eine jährliche Periode besitzt. Auch hier beobachten wir eine Wechselwirkung, indem die erwähnten Luftströme durch ihre Ableitung von Elektrieität wieder die Nordlichtströme verstärken. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ausserordentliche Professor für innere Mediein in Berlin Dr. C. Brieger und der Privat-Docent für Medieinal-Gesetzgebung in Berlin Professor Dr. A. Guttstadt zu Geheimen Medicinal-Räthen; der ordentliche Professor für Gynäkologie in Breslau Dr. O. Küstner zum Geheimen Medicinal- Rath; der ordentliche Professor für Veterinärwesen in Göttingen Dr. H. J. Esser zum Geheimen Medieinal-Rath: der ausserordent- liche Professor für Kinderkrankheiten in Marburg Dr. O. von Heusinger zum Geheimen Sanitäts-Rath; der Privat-Docent der Gynäkologie in München Dr. J. A. Amann zum Leiter der Gynäkologischen Klinik; der ausserordentliche Professor der Physiologie und Pathologie des Centralnervensystems in Wien Dr. Heinrich Obersteiner zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: Der ordentliche Professor der Psychatrie in Berlin Dr. F. Jolly, der Assistent für Arzneimittellehre an der Universitäts-Anstalt in Marburg Dr. Rost, der Privat-Docent der Botanik in Karlsruhe Dr. J. Behrens und der Privat-Docent der Botanik in München Dr. K. Freiherr von Tubeuf zu Mit- gliedern des Kaiserlichen Gesundheitsamtes; der Direetor der Uni- versitäts-Poliklinik in Halle Dr. von Meereng als Professor für experimentelle Pathologie nach Wien; der Docent der Geodäsie in Aachen Professor P. Fenner nach Darmstadt; der Privat- Docent der Hygiene in Marburg Dr. A. Knorr an die thier- ärztliche Hochschule in München; der Privat-Docent der Chemie in Tübingen Dr. Th. Paul als ausserordentlicher Professor nach Leipzig; der ausserordentliche Professor der Philosophie in Jena Dr. F. Erhard als ordentlicher Professor nach Rostock ; Privat- gelehrter Dr. F. Fischer als ausserordentlicher Professor für Chemie an die Universität Göttingen; der Privat-Docent der Pflanzen-Physiologie Dr. O. Loew in München an das Staats- departement für Agrikultur in Chicago. Litteratur. Paul Lindenberg, Fritz Vogelsang. Abenteuer eines deutschen Sehiffsjungen in Kiautschou. Mit 4 Farbenbildern nach Aquarellen von Willy Werner und 111 Abbildungen im Text. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin, 1899. — Preis 4 Mark. Das Buch ist für den Weihnachtstisch, als Geschenk für die reifere Jugend sehr geeignet. In der Form einer Erzählung belehrt Verfasser geschickt und anziehend über die Verhältnisse in der neuen deutschen Besitzung in China. Er hat es verstanden das Buch so zu halten, dass auch jeder Erwachsene dasselbe gern zur Hand nehmen und jedenfalls aus demselben lernen kann. In dieser Beziehung sind die vielen Abbildungen mit grosser Ge- schieklichkeit so gewählt, dass unter denselben alle Altersstufen sowie der Erwachsene seine Rechnung findet; eine grosse Anzahl (die Mehrzahl) derselben bietet Original-Darstellungen aus dem Volksleben und der landschaftlichen Verhältnisse, die jedermann interessiren müssen. Prof. Dr. Günther Ritter Beck von Mannagetta, Alpenblumen des Semmerins-Gebietes. Colorirte Abbildungen von 188 auf den niederösterreichischen und nordsteierischen Alpen ver- breiteten Alpenpflanzen. Gemalt und mit kurzem Text ver- sehen. Verlag von Carl Gerold’s Sohn in Wien, 1898. — Preis eartonnirt 6 Mark. XII. Nr. 48. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 575 Das Heft gleicht hinsichtlich Ausstattung und Ausführung ganz und gar dem hübschen Werkehens Schröter's: „Taschenflora des Alpen-Wanderers“, das wir Band VIII, Seite 277/278 der „Naturw. Wochenschr.“ besprochen haben. Wie diese Schrift ist auch die Beck’'sche sehr geeignet den Freund der Natur über die auffälligsten Pflanzentypen bei seinen Wanderungen floristisch zu orientiren. Vorausgesandt wird den bunten Tafeln mit ihren knappen Erklärungen der zur Darstellung gebrachten Arten ein Abschnitt, der „einen Blick in die Pflanzenwelt des Gebietes“ zu geben versucht. Möge jeder naturfreundliche Wanderer im Semmering-Gebiet das Heft in der Tasche haben: er wird es sicherlich nieht bereuen. G. Wiedemann, Die Lehre von der Elektricität. Zweite, um- gearbeitete und vermehrte Auflage. Zugleich als vierte Auflage der Lehre vom Galvanisınus und Elektromagnetismus. IV. Bd. Mit 269 Abb. 1237 Seiten. Verlag von Fr. Vieweg & Sohn in Braunschweig, 1898. — Preis 32 Mark, geb. 34 Mark. Mit dem vorliegenden Bande, der die Induetion und die Zurückführung der elektrischen Constanten auf absolutes Maass behandelt und schliesslich eine zusammenfassende Darstellung der Hypothesen über das Wesen und die Wirkungsweise der Elek- trieität giebt, hat Herr Prof. G. Wiedemann sein Werk zum Ab- schluss gebracht, wenngleich die heut zu Tage zu einer umfang- reichen Diseiplin gewordene Lehre von den Gasentladungen von der Behandlung ausgeschlossen geblieben ist. Für die Ergänzung des Werkes nach dieser Richtung hin hat der Verf. jedoch seinen Sohn, Prof. Eilhardt Wiedemann, gewonnen, der demnächst eine Monographie der Gasentladungen „zugleich als fünften Band der Elektrieitätslehre* erscheinen lassen wird. Der reiche Inhalt dieses Schlussbandes, dem übrigens auch ausführliche Register für das gesammte Werk angefügt sind, gliedert sich in sieben Capitel, von denen fünf der Induction gewidmet sind. Zunächst wird die Induetion in linearen Leitern behandelt, alsdann der Einfluss der indueirten Ströme auf den zeitlichen Verlauf der elektrischen Ströme; das dritte Capitel umfasst das seit Hertz zu einer um- fassenden Sonderdiseiplin angeschwollene Gebiet der oseillato- rischen Entladungen. Diese zusammenfassende und bis zur Gegen- wart reichende Darstellung der mannigfachen, von den verschiedenen Forschern angewendeten Versuchsanordnungen wird jedem, der auf diesem dankbaren Gebiete selbst experimentiren oder doch wenigstens einen klaren Ueberblick gewinnen will, vom höchsten Werthie sein. Nachdem dann im vierten Capitel die Induction in körperlichen Leitern behandelt ist, werden im fünften die Induc- tionsapparate besprochen, wobei natürlich die Dynamomaschinen, Drehstrommotoren u. s. w. nur kurz erwähnt werden, da deren detaillirtes Studium dem Gebiete der Elektrotechnik angehört. Anhangsweise wird am Schluss dieses Capitels auch die Theorie des Telephons besprochen. Im sechsten Abschnitt finden wir -eine ausführliche, historische Darstellung der Bestimmungen der absoluten elektrischen Einheiten. — Endlich führt uns das theo- retische Schlusseapitel in die zahlreichen hypothetischen An- nahmen über das Wesen und die Wirkungsweise der Elektrieität ein. Im ersten Theil dieses Capitels finden wir unter Anderem eine ausfühliche Besprechung des Weber'schen, elektrodynamischen Grundgesetzes und der umfassenden Polemik, welche an dasselbe angeknüpft hat. Bei der Behandlung der Analogien der elek- trischen Erscheinungen mit Flüssigkeitsbewegungen hätte im An- schluss an die Theorie von Bjerknes auch die Korn’sche Theorie, welche zugleich auch die Gravitation ableitet, eine Erwähnung verdient. Einen breiten Raum nimmt schliesslich natürlich die Maxwell’sche Theorie und die sich an sie anschliessenden An- nahmen von Hertz, Heaviside, Poynting und anderen ein. — Bei der starken Verkürzung. in weleher die Originalarbeiten der ver- schiedenen Forscher naturgemäss nur wiedergegeben werden konnten, hat zwar leider nieht selten die Klarheit der Darstellung nicht unbeträchtlich gelitten, auch wäre neben der fortlaufenden Paragraphirung zur Erhöhung der Uebersichtlichkeit eine schärfere Abgrenzung der einzelnen Gegenstände durch besondere Ueber- schriften recht wünschenswerth gewesen; trotzdem aber stellt das nunmehr abgeschlossene Werk eine so vollständige Zusammen- fassung aller Forschungen auf elektrischem Gebiete dar, dass es für tiefergehende Studien ein unentbehrlieher Führer bleiben wird. Die Summe der in den vier starken Bänden deponirten Arbeit legt ein beredtes Zeugniss davon ab, was wissenschaft- licher Forscherfleiss zu leisten vermag. Möge das kommende Jahrhundert auf den nun wohlgefügten Fundamenten der wissen- sehaftlichen Elektrieitätslehre mit ähnlichem Erfolge weiter bauen, wie er der Arbeit des zur Rüste gehenden Säculums be- schieden war. F. Kbr. Bericht der Senckenbergischen naturforschenden Gesell- schaft in Frankfurt am Main 1893. Vom Juni 1897 bis Juni 1598. Mit 6 Tafeln und mehreren Textfiguren. — Der Bericht enthält von wissenschaftlichen Mittheilungen: Protokoll-Aus- züge: Dr. George Kolb, Zwei Expeditionen zum Berge Kenia in Englisch-Ost-Afrika. — Hofrath Dr. B. Hagen, Die Ein- geborenen von Deutsch-Neu-Guinea. — Prof. Dr. M. Möbius, Ueber das Stärkemehl. — Prof. R. Burckhardt, Die Riesen- vögel der südlichen Hemisphäre. — Oberlehrer J. Blum, Dr. Jean Valentin f. — Dr. med. F. Blum, Zur Physiologie der Schilddrüse. — Dr. G. Greim, Ueber Bergstürze. — Geheimer Reg.-Rathı Prof. J. Rein, Ueber Steppen und Wüsten von Trans- kaspien und Turkestan. — Prof. M. Möbius, Eine keimende Kokosnuss. — Vorträge und Abhandlungen: Ueber Serieit- gneisse im Taunus, mit besonderer Berücksichtigung der Vor- kommnisse in der Sektion Platte. Von W. Schauf. (Mit Tafel I.) — Ueber das optische Verhalten von Globigerinen-Schaalen. Von W. Scehauf. — Entstehung und Entwiekelung der Sinnesorgane und Sinnesthätigkeiten im Thierreiche. Drei populär-wissenschaft- liche Vorträge, gehalten am 12. und 19. Februar und 12. März 1898 von Dr. med. Ph. Steffan. — Die zweizeilige Sumpfeypresse am Rechneigraben in Frankfurt a. M. Von J. Blum. (Mit Tafel II und IH.) — Ueber ein eigenthümliehes Blühen von Bambusa vulgaris Wendl. (Mittheilung aus dem botanischen Garten zu Frankfurt a. M. III.) Von M. Möbius. (Mit Tafel IV.) — Ueber den Gehörsinn. Vortrag, gehalten beim Jahresfest am 22. Mai 1898. Von Dr. Karl Vohsen. (Mit 2 Uebersiehtstabellen.) -- Die Portraitsammlung der Dr. Senckenbergischen Stiftung. Von Dr. Ernst Roediger. — Frankfurter Aerzte. — Frankfurter Persön- lichkeiten. — Nichtfrankfurter Persönlichkeiten. — Beitrag zur Geologie von Syrien. Von Prof. Dr. F. Kinkelin. (Mit Text- illustrationen,) Ueber Dreikauter aus der Umgegend von Frankfurt. Von Dr. E. Wittich. (Mit Tafel V und VI.) — Kleine Notizen aus der geologisch-paläontologischen Sektion. Von Prof. Dr. F. Kinkelin. 1. Hyaena spelaea Goldf. im Löss von Sossenheim. 2. Cervus euryceros Aldr. 3. Amphitragulus pomeli Filh. 4. Eine Tiefbohrung im westlichen Frankfurt. Centralblatt für Anthropologie, Ethnologie und Urge- schichte. Herausgegeben von Dr. med. et phil. G. Buschan. II. Jahrgang 1898. J. U. Kern’s Verlag (Max Müller) in Breslau, 1898. — Öriginalarbeiten: G. Sergi, Ueber den sogenannten _ Reihengräbertypus. — H. Schumann, Charakter und Herkunft der pommerschen La Teneformen. — A. Zucearelli, Die Be- ziehungen zwischen Kriminal-Anthropologie, geriehtlieher Mediein und Psychiatrie. — O. Hovorka Edler v. Zderas, Sollen wir weiter messen oder nicht? — Ausserdem Referate zur Anthropo- logie, Ethnologie und Rassenkunde, Urgeschichte. Ferner bringt der Band Versammlungs- und Vereinsberichte, Mittheilungen zur Tagesgeschichte und Bibliographische Uebersichten. Briefkasten. Hr. B. — Wir haben uns an die uns als zuverlässig bekannte Firma Max Steekelmann in Berlin, Leipzigerstr. 35 gewandt, die uns schreibt: Für 30 Mark liefern wir eine vollständige photographische Einrichtung, die nach jeder Richtung hin, wie sich jeder selbst überzeugen kann, vorzüglich ausgestattet ist und den Vergleich mit weit theurern Apparaten nicht zu scheuen hat. — Wer was ganz Eigenartiges in besseren Apparaten haben will, sei unter Anderem auf unsere Patent-Klappcamera mit Spiegel-Reflex aufmerksam gemacht. Man sehe sich die- selbe an. Die vielen Vortheile, welche die Camera bietet, sind überraschend. Man wird über die Vorzüglichkeit derselben er- staunt sein. — Unter den zu selbstherstellbaren Arbeiten nöthigen Materialen sei noch auf das abziehbare Celloidin- papier hingewiesen. Das Verfahren ist so einfach und billig und bietet den Vortheil, originelle Geschenke eigener Umstellung für geringe Kosten sich beschaffen zu können. Inhalt: Die allgemeine Versammlung der Deutschen geologischen Gesellschaft zu Berlin. — Eine Krankheit die besonders in Mittel- und Unteritalien auftritt und vornehmlich an Landleuten und Arbeitern, die mit Schilfrohr in Berührung kommen, be- merkt wurde. — Der Fuss einer Chinesin. — Dass Luft und Wasser Faetoren der Ernährung bei verschiedenen Lurchen sind. — Eine vivipare Polychaete. — Ueber „die Formänderungen von Sceletonema costatum (Grev.) Grun. und ihre Abhängigkeit von äusseren Factoren“. — Ein neues Mittel gegen die Phylloxera. — Ueber die Produete Kretas. — Die Herkunft der atmosphärischen Elektrieität und ihre Mitwirkung bei der Wolkenbildung und anderen Vorgängen. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Paul Lindenberg, Fritz Vogelsang. — Prof. Dr. Günther Ritter Beck von Mannagetta, Alpenblumen des Semmering-Gebietes. — G. Wiedemann, Die Lehre von der Elektrieität. — Bericht der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt am Mai 1898. — Centralblatt für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. — Briefkasten. 576 OH HOHHHOHOPHHH HH HP HH HH HH HH HH % ® 8 Dr. Robert Muencke R Luisenstr. 55. BERLIN NW. Luisenstr. 58. & Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ® und Geräthschaften im Gesanımtgebiete der Naturwissenschaften. GOCH HH HOLH OHG HOH OH HOHEHEHE9H09 Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Kritische Grundlegung der Ethik als positiver Wissenschaft Dr. med. Wilhelm Stern, pract. Arzt in Berlin. 476 Seiten gr. 8°, Preis 7,20 Mark. 996999990 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 48. n Ph oto!" Apparate® | u. Bedarfsartikel. | Nur solide Waaren. | | Silberne Medaillen: Berlin 1896, Leipzig 1897. | ‚ Stativ- und Hand-Apparate in grosser Auswahl. | Sehr empfehlenswerth sind: „ Vietoria*- Klappeamera mit Steckelmanns Syiegei-keflex. (D. R, Pat) Entwickelungsschaale mit UVeber- ” dach und Vertiefungen. (D.R. G.M.) Plattenwechselkasten ‚„‚Columbus‘‘ mit einer Exponircassette für 12 Platten, an jede Camera anzupassen. „Westendorp & Wehner“-Platten (höchst empfindlich u. zuverlässig). Max Steckelmann, = Berlin W. 8, Leipzigerstr. 531. (Kein Laden.) Grasmotoren, Dynamo- und Damp f- Die Insekten-Börse Internationales Wochenblatt der Entomelogie Ferd. Dümmlers Derlagsbh., Berlin. Das Bud dehhs. Die Llrevangelien. Neu durchge maschinen gebraucht, garantirt betriebs- fähig, in allen Grössen offerirt Elektromotor G. m. b. H. Berlin NW., Schiffbauerdamm 21. Finsekten -Börse. 2 ee Organ ie ai jehen, neu überjeßt, georomet ud aus den Ilrfprahen erklärt von Wolfgang Birchbad). Ditav-Ausgabe 184 ©. 1,50 M., eleg. geb. 2,25 M. Bolfs- Ausgabe 156 ©. gebunden 70 Pfennig. für Angebot, Naı chfrage Fed. Dümmlers Derlagsbuchhandlung- Über geographische Ortsbestinnuugen ohne astronomische Instrumente. Von Prof. Dr. P. Harzer, Director der Herzoglichen Sternwarte zu Gotha. Mit einer Tafel. f ist für Entomologen und Naturfreunde das | hervorragendste Blatt, welches wegen der be- lehrenden Artikel, sowie seiner internationalen N und grossen Verbreitung betreffs Ankauf, Ver- j kauf und Umtausch aller Objecte die weit- gehendsten Erwartungen erfüllt, wie ein Probe-Abonnementlehren dürfte. Zubeziehen I W “ D Was lehrte Ielus? Zwei Irevangelien. Von MWolf- aana Rirchbach, 256 Geiten OF tav 5 M., eleg. gebunden 6 Mi. Aphoritiiiie Grundlenung 1 durch die Post. Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik.) 53 Seiten Lex. 8, — Preis 1.20 M Einführung in die Blütenbiologie Abonnements- Preis pro } Quartal Mark 1.50, für das Ausland per # Kreuzband durch die Verlags- Buchhandlung Frankenstein & Wagner, Leipzig, Salomon- ‚strasse 14, pro Quartal Mark 2.20 = 2 Shilling } einer dhilofophie des Gefhjehens. Dr. Dserthotd DBeiß. gr. 8. Preis 1,20 Hark. 73 2. Geologische Ausflüge in die auf historischer Grundlage. 2 Pence — 2 Rr. 75 Cent. — Probenummern ! Umgegend von Berlin. Von gratis und franco, — Insertionspreis pro an E. Loew, Agespaltene Borgiszeile Mark —.10. Dr. Max Fiebelkorn. Professor am kgl. Realgymn. in Berlin, 444 Seiten gr. 8. Pr. 6M., geb. 7M. = Mit 40 Abbildungen und 2 Kartoubeilagen. = | 130 8. gr. 8. — Preis 1,50 Mk. Dümmilers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. * Soeben erfihien: x | DHöcdhft originelle — vornehm ausgeftattete Ingendfchrift! Frih Dogelfang. Abentener eines deutfchen N Sciffsjungen in Kiautfchon. Danl { indenberg. Mit 4 feinen Zarbenbildern nad; Aguarellen von Willy Werner und 111 Abbildungen im Text. 292 Seiten groß Oktan. — Preis eleg. geb. 4 Nik. Ferd. Der Berfaffer, der vor Kurzem von feiner Neife um die Erde eine autbentiicehe Darjtellung ; ber das Neichs - Marineamt gung ftellte. Den ftattlichen Band fhmüden 111 S0 ati zu denen auch Frau Baronin von Heyfing, die Gemahlin unferes deutfhen Gefandten in Pefing, mebrere treffliche Aquarelle zugefteuert hat. Fu beziehen durch alle Buchhandtungen. [N Verantwortlicher Redacteur: PEN NT: Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. DB ® o Doktor Ör Doktor Ortling. Heitroman aus der Gegenwart. Bon Aanin Korff. 184 Seiten. Geh. 2 Mark, gebunden 3 Marf. Dem jpannend gejhhriebenen Roman liegt die Tendenz zu Grunde, die Mängel der Frauenerziehung in Deutichland hervorzuheben, und für die Errichtung von Vollshochichulen, wie fie in Schweden bereits bejtehen, Propaganda zu maden. ET Hierzu Beilage über empfehlenswerthe Werke, welche sich sehr zu Geschenkzwecken eignen, es empfiehlt und bei Bedarf an Büchern zum Die Expedition. gerd. Dümmlers Derlogsbunhandlung in Berlin SW. 12, Fimmerfir. 94. eine sich dieselbe aufzubewahren Weihnachtsfest zu berücksichtigen. Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Was die naturwissenschaftliche »A Forschung »ufgiebt an weltum- 4 fassenden Ideen und an locken- den Gebilsen der Phantasıe, wırd ihr reichlich ersetzt durch den ) Zauber der Wirklichkeit, derihre gi Schöpfungen schmückt. Schwendener. BERNIE - N Ren <“ Redaktion: Dr.H. Potonie. Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band, Sonntag, den 4. December 1898. Nr. 49. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- in Inserate. Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- aıfstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist A 4.— 0) sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 3, extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. \ bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Zur wissenschaftlichen Grundiegung der Ethik. Von F. Staudinger in Worms. Das Interesse an der Ethik und die Beschäftigung | bildet gewissermaassen ein Mittelglied, gehört aber doch mit ihr hat in den letzten Jahrzehnten entschieden zu- | wesentlich zu den Geisteswissenschaften. An diese schliesst genommen. Die soziale Entwickelung einerseits drängt ; sich sodarn die praktische Geisteswissenschaft, die Ethik immer stärker nach einem Leitfaden, durch den der Mensch | an. Sie zerfällt in die Ethik im engeren Sinne (Moral) die verworrenen Strebungen und Anschauungen der Par- | und die Ethik im weiteren Sinne, welche die Triebfedern teien zu beurtheilen vermag; die Naturwissenschaften an- | des sittlichen Handelns zu erforschen und Normen dafür dererseits, immer mehr von dem Gedanken der grundsätz- | zu bestimmen hat. lichen Einheit aller Erkenntniss beherrscht, wollen nicht Der Gegenstand dieser Erforschung ist also die vor den sogenannten Geisteswissenschaften, der Psycholo- | sittliche Handlung, und zwar sowohl dem Resultat als gie und der Ethik, Halt machen, sondern suchen auch | den Motiven nach. Sittlich kann eine Handlung nur diese in den Bereieh ihres Forschens zu ziehen und nach | sein, wenn sie nicht auf eigene Lust, sondern auf einen ihren Methoden zu b&wältigen. nichtselbstischen Zweck abzielt, wie z. B. auf Rettung eines In diesem Gedanken, der Ethik, ihren Grundlagen | Menschen trotz eigener Lebensgefahr. Handlungen, die und ihrem Werden nicht bloss von philosophischen, sondern | um eigener Lust willen geschehen, sind anethisch oder anti- wesentlich auch von biologischen Gesichtspunkten aus bei- | ethisch. Wohl ist der Ausgangspunkt jeder Handlung zukommen, hat Dr. med. Wilhelm Stern, praktischer Arzt | ein im Selbst enthaltenes Gefühl (Unlustgefühl), aber es in Berlin, im vorigen Jahre in Ferd. Dümmlers Verlags- | fragt sich, ob es nicht solche Gefühle giebt, deren Ziel buchhandlung ein Buch erscheinen lassen. Es ist betitelt: | niehtselbstisch ist. Daraus ergeben sich folgende Fragen: „Kritisehe Grundlegung der Ethik als positiver | 1. Giebt es wahrhaft sittliche Handlungen, und welches Wissenschaft“, und will diese Wissensehaft nieht nur | ist ihr Wesen und Ursprung? 2. Welches ist das Grund- unabhängig von religiösen, sondern auch von metaphy- | gesetz der Ethik, und welcher Art sind die aus ihm sich sischen Voraussetzungen und in umfassender Weise neu | ergebenden sittlichen Normen? begründen. Der Weg, um zum Wesen der Ethik zu gelangen, Stern verwirft sowohl den dogmatischen Idealismus | ist die induetive oder analytische Methode, wobei stets als den dogmatischen Materialismus; das Verhältniss von | das objeetive neben dem subjectiven Moment zu beachten leiblichen und seelischen Erscheinungen ist nach ihm | ist. Zum Ursprung der Ethik gelangt: man dagegen exact festzustellen. Dabei zeigt sich inm, dass psychische | nach genetischer Methode. Krankheiten Krankheiten des Gehirms sind. Dennoch Nach sehr ausführlicher Kritik der bisherigen ethischen aber ist damit über das Verhältniss von Geist und Materie | Methoden und Systeme, auf deren Datstellung wir ver- nichts entschieden; wie ein materieller, physikalischer | zichten müssen, geht Verf. auf seinen Gegenstand , ein. Vorgang zum Bewusstseinsacte werden kann, bleibt un- | Zunächst behandelt er in längerer biologischer Erörterung begreiflich. Darum haben wir die materiellen und | die sinnlichen Triebe. Unter diesen Trieben zeigen sich die geistigen Erscheinungsreihen getrennt zu betrachten. | bereits neben solchen „singulärer Art“ - (Nahrungstrieb) So kommen wir einerseits zu den Naturwissenschaften, | auch solche allgemeiner Art (Pflege und Vertheidigung andererseits zu den Geisteswissenschaften (Erkenntniss- | der Nachkommenschaft S. 232). Ueber diese erhebt sich kritik, Logik, empirische Psychologie); die Psychophysik | mit entstehendem höheren Bewusstsein der geistig-sittliche 578 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 49, Trieb. Auch den bewussten Willen nennt also Verf. „Irieb“ und erörtert nun die alte Frage nach der Frei- heit des Willens. Er verneint die Lehre, dass der Er- folg bloss durch von aussen kommende Eindrücke er- zielt werde. Zwischen Beweggrund und Willensentschei- dung schieben sich vielmehr psychische Kräfte ein, die ihre, eigenen, den Gesetzen der physischen Welt unver- gleichbare innere Gesetzlichkeit haben. Das sei auch ein Determinismus, aber ein soleher, der auf innerer Causali- tät ruhe. Für diese innerliche Gesetzlichkeit ist es charakteristisch, dass das einzelne Subject sich Zwecke zu setzen vermag, sogar einen solchen, der „für das ganze Reich der beseelten Wesen Bedeutung hat, und so, indem es einen von seinen eigenen Zwecken zu verfolgen scheint, einen von den Zwecken aller beseelten Wesen zu dem seinigen macht.“ (301.) Nunmehr hat sich die Frage vereinfacht. Nicht mehr in den Gefühlen, die sich als solche „anethisch“ zeigen, sondern im Gegenstande des Willens, in der Handlung ist Nachforschung zu halten. Hier ergiebt sich dann als Kennzeichen der sittlichen Handlung das (um des all- gemeinen Zweckes willen) freiwillig oder aus eigenem Willen (durch Unterordnung des selbstischen Triebes) ge- brachte Opfer. Es bleibt nun noch die Frage nach Ursprung und Wesen des Sittlichen. Der Ursprung liegt in der psychischen Reaction des Menschen (und schon der Thiere) gegen die schädlichen Einwirkungen der leblosen und be- lebten Aussenwelt. Diese Rückwirkung macht Vereinigung zu diesem Zwecke nöthig, und daraus bildet sich ein an- fangs dunkles Gefühl der Zusammengehörigkeit. Dies bildet sich dann zu einer Art Einheit des Bewusstseins zusammengehöriger Menschen aus. Das zugehörige Ge- fühl ist der „sittliche Trieb.“ — Das Wesen der Sittlich- keit, oder das Grundprinzip der Ethik ist also der Trieb zur Erbaltung des Psychischen. Weil der Mensch die über seine Person hinausgreifende Einheit in sich hat, kann er aus eigenem Antriebe Opfer bringen, z. B. einen Menschen mit Lebensgefahr retten. Das Lustgefühl, das nach erfolgreicher Handlung ein- tritt, ist nicht zu verwechseln mit dem treibenden Ge- fühle. Die That kounte gar nicht um seinetwillen ge- schehen, da ja das Leben aufs Spiel gesetzt war. Es ist nur die Freude des beseelten Wesens über den Sieg, den der Mensch über die äusseren Eingriffe ins psychische Leben davongetragen hat. Wir haben also zwei Triebfedern: einerseits den Egoismus oder das Selbsterhaltungsstreben und anderer- seits den Trieb zur Erhaltung des Psychischen. Es fragt sich, welcher im entscheidenden Falle den Sieg behält. Daraus ergieht sich die sittliche Norm: „Handle soweit als möglich entsprechend dem Triebe zur Erhaltung des Psychisehen.* Dies ist ein objectives, von allem Eudä- monismus freier Grundsatz. Erst durch Beziehung auf ihn erhalten Gefühle, Gesinnungen, Charakter das Merkmal der Sittlichkeit. Die Sittlichkeit ist darum wesentlich auf Abwehr, auf Repression des das Reich des Psychischen bedrohenden Schadens gerichtet. Nicht damit zu verwechseln ist die Kultur, welche vorbeugt mittelst der Arbeit des Ver- standes und der Vernunft. — Betrachten wir nun — indem wir die letzten, Tugend, Pflicht, höchstes Gut, Recht, Staat, Religion kurz behan- delnden Abschnitte übergehen — diese kritische Grund- legung selber mit kritischem Auge. Da müssen wir zu- nächst betreffs der Form im Interesse des Buches unser Bedauern aussprechen, dass es dem Leser recht schwer gemacht ist, sich durchzuarbeiten. Die Abschnitte sind übermässig gedehnt und unübersichtlich, und da nicht ein- mal ein Inhaltsverzeichniss die Uebersicht erleichtert, so kann man sich oft kaum orientiren. Der Gedanken- gang wird durch Zwischengedanken, die dem Verfasser in den Sinn kommen, durchbrochen, und selbst die ein- zelnen Sätze werden derart mit Nebensätzen und Klauseln bepackt, dass oft ein ganz einfacher Hauptgedanke nur schwer zu verstehen ist. So will Verf, um ein Beispiel unter vielen zu erwähnen (S. 312 Mitte), in einem Satze sagen, dass die Kunst den Menschen in seiner hilflosen Lage zu trösten vermocht habe. Zur Darstellung dieses einfachen Gedankens baut er ein ungeniessbares Satz- ungeheuer von 16 neben und ineinander geschobenen Gliedern, zu denen er 134 Wörter verbraucht. Das ist nicht rücksichtsvoll gegen den arınen Leser. Indessen, wir haben es trotzdem für der Mühe werth gehalten, uns durchzuarbeiten, denn das Buch enthält eine Fülle schöner Beobachtungen und feiner Gedanken. Selbst da, wo wir opponiren und den Gedankengang für schief und unausgedacht halten müssen, fesselt die origi- nelle Betrachtungsweise so, dass man sich gern, wenn auch zuweilen keuchend, den ungebalınten Bergpfad hinauf- schleppt. Originell ist vor allem die kecke Fragestellung, ob es nichtselbstische Gefühle und Handlungen gebe, und welches ihr Wesen und Ursprung sei. Die Verfolgung dieses Gedankens, auf den der Verf. wohl durch die Beob- achtung aufopfernder Handlungen bei Thieren gekommen zu sein scheint, gehört zum Besten im Buche. Freilich macht Verf. hier den Fehler, dass er diese „nichtselbstischen“ Handlungen ohne weitere Untersuchung moralischen Hand- lungen gleichsetzt. Dadurch hat er sich sein Blickfeld von vorn herein verbaut. Er berührt sich da mit Kant, indem er bloss solehe Handlungen, die Ueberwindung kosten, sittlich nennt. Kant freilieh nennt nicht alle Handlungen dieser Art sitt- lich, sondern nur diejenigen, die aus Achtung vor dem Sittengesetze geschehen. Darum zeiht ihn Verf. der Uebertreibung, obwohl er seinerseits auf einer anderen Seite mehr übertreibt als Kant. Kant’s Hauptmangel bei der Feststellung des Sittengesetzes ist, dass er nicht an- geben kann, warum sich die Vernunft die Einheit der menschlichen Zwecke als Ziel setzen muss. Deshalb leitet er das Gesetz aus einer intelligiblen Welt ab und stellt es als Fremdling der wirklichen Welt gegenüber, statt es als das sich immer mehr durchsetzende Entwickelungs- gesetz des Bewusstseins nachzuweisen. Statt jedoch hier allein den Mangel zu sehen, kritisirt Verf., wie die meisten Bestreiter Kant’s, an Kant’s „Formalismus“ herum und zwar gerade in dem, worin Kant’s dauernde Bedeutung liegt, falls man seine Me- thode von seiner Metaphysik ablöst. Kant’s Verfahren ist nämlich im Grunde dasselbe Verfahren kritischer Abstraetion, mit dem die exaete Wissenschaft überhaupt arbeitet, mittelst dessen ein Galilei z. B. zu seinem Fall- gesetze kam. Stern vermengt aber wie auch St. Mill dies Verfahren mit dem der Induction, spricht (244) von einer induetiven oder analytischen Methode, der er folgen will, und definirt sie dadurch, dass sie vom Einzelnen zum Allgemeinen aufsteige. Das ist aber irrig. Die In- duetion thut dies allerdings, und zwar so, dass sie aus einer Reihe von Einzelthatsachen eine allgemeine Regel schafft; die Analyse dagegen verfährt anders; sie sucht besondere Bestandtheile des Zusammengesetzten abstra- hirend auszusondern, d. h. von Beimengungen frei heraus- zuschälen. Ob sie diese’ Abstraction praktisch vornimmt wie die Chemie, oder bloss theoretisch (in Gedanken) wie die Erkenntnisskritik, ändert die Methode selbst nicht. Die Ergebnisse solcher Analyse können dann in einigen | Fällen Elemente zu Induetionen bilden, — z. B. wenn X. Nr. 49. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 579 wir die Fälle aufsuchen, in denen eine bestimmte Zahn- form vorkommt — in anderen Fällen führt sie, wie bei der Formel !/, 4? sofort zum Gesetze, das von den Zu- fälligkeiten der Reibung, des Luftwiderstandes u. s. w. ab- sehend, die reine Form des freien Falles darstellt. Es wird nun keinem Menschen einfallen, den Physiker deshalb des Formalismus zu beschuldigen. Und noch weniger wird man ihm, wenn er dies Gesetz bei der Untersuchung des wirklichen Falles zu Grunde legt, den Vorwurf machen, er rede von einem aus dem Gesetz „hervorgegangenen“ Falle, mache also das Gesetz zur Ursache des Falles. Derart verfährt aber Verf. Er wirft, ähnlich wie Schopenhauer, ganz unbefangen (121) Kant vor, dieser rede von einem „aus allgemeinen Maximen hervorgegangenen Handeln“. Nun sagt Kant aber ganz ausdrücklich (Met. d. Sitten, Rosenkr. & Sehubert VIII. S. 96): „Um dasjenige zu wollen, wozu die Vernunft das Sollen vorschreibt“, gehört allerdings „ein Gefühl der Lust an Erfüllung der Pflicht“, aus dem es causal hervorgeht. Das abstracte Gesetz ist ihm also keineswegs für sich „Ursache“, sondern in ganz wissenschaftliehem Sinne nur die Form des konkreten Handelns. Allerdings müssen wir dem Verf. eines zugeben. Kant nimmt neben obiger empirischen Causalität noch eine intelligible Causalität der Vernunft als solcher an, in Folge wovon diese auf unbegreifliche Weise auch das Gefühl beeinflusst. Aber die Kritik dieses Gedankens ist von der jenes anderen scharf zu sondern. Wir dürfen nicht, wie es Verf. thut, den Werth und die Bedeutung des ab- stracten Gesetzes verkennen. Die abstracte Kenntniss eines Gesetzes ist allenthalben in der Wissenschaft von grösster Tragweite. Wo wir ein solches entdeekt haben, können wir den Einzelerscheinungen mit ganz anderem Erfolge nachspüren, wir können verstehen, wie weit sich die Entwiekelung naeh ihm vollzieht, wiefern andere Ein- flüsse mitwirken, und sogar lernen, wie das gesetzmässige Wirken immer besser von fremden Beimengungen zu be- freien ist. Verf. hat sicherlich bis zu einem gewissen Grade ein Gefühl dafür. Er sieht ein, dass man nicht, wie der vulgäre Eudämonismus, mit den im Selbst enthaltenen Gefühlen ohne weiteres fertig wird; er betont in ener- gischer Weise, dass man eine objeetive Grundlage, ein Ziel braucht, welches über die selbstischen Gefühle hinausgreift und welches seinerseits Gefühle hervorruft, die über den Egoismus hinausführen und dann die selbstischen Gefühle überwinden können. Ganz vortreff- lich führt er aus, dass und wie schon bei den T'hieren Gefühle wach werden, welche in ihrem Ziel nicht selbstisch sind (S. 119 ff.). Ganz vortrefflich ist auch der Gedanke, dass wir nach Vollführung einer sittlichen Handlung frei- lich ein Wohlgefühl verspüren, dass dies aber nicht, wie beim selbstischen Thun, Ziel des Handelns, also nicht der Grund sein kann, um dessentwillen wir die Handlung vollziehen (342). Damit spricht er den wichtigen Ge- danken aus, dass zwar die Triebkraft des Handelns jeder- zeit ein Gefühl ist, dass aber die Sache, der dies sich hingiebt, nieht notwendig selber Gefühl sein muss. (Vgl. Natorp, Sozialpädagogik, S. 40 ff.) Diese Sache sucht Verf. zu erforschen, indem er die Bedingungen sozialen Zusammenlebens schon bei den Thieren biologisch untersucht. Von da aus erklärt er das Entstehen eines Gefühls der Zusammengehörigkeit, das zu Opfern, zur Ueberwindüng selbstischer Gefühle spornt. Er ist sich also ein wenig bewusst, dass eine solche objeetive Grundlage, wie Zusammengehörigkeit, da sein muss, um ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zu erzeugen. ' Aber hier hört er auf. Die Art der Zusammengehörig- keit verfolgt er nicht prineipiell weiter. Den Gedanken des Zweckes streift er bloss, und gelangt nicht zu dem Gesetze einer Einheit und Ordnung der Zwecke. Der objeetive Zweck, der bei ihm zu Grunde liegt, ist „die Erhaltung des Psychischen“, der in völliger Unbestimmt- heit das Prinzip der Ethik darstellen soll. So bleibt er im Anfange der Lösung stecken. Darum kann er zunächst den an sich richtigen Ge- danken, dass eine sittliche Handlung stets Antriebe vor- aussetzt, die über das Selbst hinausgehen, nicht weiter entwiekeln. Er sieht ein, dass solehe vorhanden und dass sie stark genug sein müssen, um die selbstischen Triebe zu besiegen; aber es ist denn doch einseitig, in der blossen, zur Ueberwindung dieser Widerstände gebrauchten Anstrengung das Merkmal des Sittlichen zu sehen. Diese Anstrengung ist denn doch nur soweit erforderlich, als die technische und sittliche Uebung noch nicht vorhanden ist. Soweit diese erzielt wird, hört die Ueberwindung auf, die betr. Handlung bleibt indessen dennoch sittlich, ob- wohl kein Opfer mehr zu bringen ist. Und umgekehrt ist nicht jede Handlung, die ein Opfer verlangt, ohne weiteres sittlich. Guyau erwähnt in seiner „Morale sans Obligation ni Sanction“ einen Fall, in dem verschiedene Arbeiter einem in den Hochofen gestürzten Kameraden im blinden Rettungsdrange nachstürzten. Nach Stern müsste dieser von der Vernunft ungeregelte Drang überaus sittlich sein; wir vermögen ihn noch nieht ohne Weiteres dafür zu halten. Aus dieser Einseitigkeit, dass Sittlichkeitnothwendigein Opfer fordere, also Abwehr gegenüber den dem Psychischen drohenden schädlichen Einflüssen sei, stammt auch deren seltsame Unterscheidung von der Kultur, die nicht ab- wehre, sondern vorbeuge. Wir wüssten nicht, wie man Abwehr und Vorbeugung scharf unterscheiden könnte. Jede Abwehr ist Vorbeugung; falls sie nicht die momen- tane Abwehr mittelst der blossen physischen Kraft ist, setzt sie Vorbeugungsmittel (Waffen ete.) voraus. Auch eine andere vom Verf. gemachte Unterscheidung, wonach die Kultur bloss die unbeseelten, Sittlichkeit aber beseelte und unbeseelte Kräfte überwinde, ist unhaltbar. Es giebt bekanntlich auch eine Kultur des Denkens, Fühlens, Wollens, und diese hängt mit der Sittlichkeit aufs engste zusammen. Wir möchten — ähnlich wie Höffding, — glauben, bei Kultur denke man mehr an die Ergebnisse geordneter Arbeit, bei Sittlichkeit aber mehr an die auf die Ordnung der individuellen und sozialen Thätigkeiten abzielende Gesinnung. Diesem Ergebniss wäre Stern auch sicherlich näher gekommen, wenn er seine Absicht, den Gegenstand unserer nichtselbstischen Handlungen kritisch zu unter- suchen, wenigstens etwas weiter ins sociale Leben der Menschen verfolgt hätte. Da hätte er sehen müssen, dass das Gesetz der Ordnung, das er bei den Thieren als „Zusammengehörigkeit“ entdeckt, sich in ganz gesetz- mässiger Weise immermehr entfaltet, und endlich bewusst als Gesetz der Ordnung und Einheit erkannt der mensch- lichen Lebensbeziehungen wird. Daraus entspringt dann nicht nur das allgemeine Gefühl der Zusammengehörigkeit, sondern es entstehen eine Menge von Gefühlsreihen, in denen sich die reichere und verwickeltere menschliche Ordnung psychologisch ausdrückt. Dann aber hätte er auch den engen kausalen Zu- sammenhang zwischen geistigen und materiellen Vor- gängen erkennen müssen. Denn wenn er in berechtigtem Gegensatze zum Vulgärmaterialismus einsieht, dass man " mit äusserer Mechanik nieht ausreicht, so hätte er doch nicht einem Dualismus zwischen mechanischen und geistigen „Kräften“ und eine geistige Causalität construiren dürfen, 580 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 49. deren Zusammenhang mit der materiellen Causalität ganz unerklärlich bleibt. Das ist auch Metaphysik; und die möchte doch Verfasser von sich weisen. Nun sagt er freilich mit Recht, dass wir nicht be- greifen können, wie aus materiellen Erscheinungen geistige Erscheinungen erzeugt werden. Das begreifen wir allerdings nicht, aber wir begreifen auch nicht, wie materielle Erscheinungen von der einen Art sich im materielle Erscheinungen ganz anderer Art verwandeln können, Kein Mensch kann sagen, warum etwas, was wir eben als Bewegung sehen, auf einmal als Wärme oder Elektrieität erscheint, warum das Eis hart, das Wasser flüssig, der Dampf unsichtbar ist. Danach zu fragen, würde ebenso ergebnisslos sein, als wenn wir die Ursache der Ursachlichkeit erfahren wollten. Darauf geht aber auch das wissenschaftliche Be- greifen nicht aus. Wenn wir wissenschaftlich begreifen wollen, so fragen wir erstlich nach der funktionellen Be- dingtheit, zweitens nach-dem causalen Zusammen- hang. Die funetionelle Bedingtheit suchen wir z. B. in der Naturgeschiehte, wenn wir zeigen, dass einem Raubthier- darm ein Ranbthiergebiss entspricht. Exact zeigt sich diese Bedingtheit in der Mathematik, z. B. in der Ab- hängiekeit der Winkel von dem Verhältniss der Seiten eines Dreiecks. In der Ethik kann man auf jeder histori- schen Stufe die Abhängigkeit z. B. des Gerechtigkeits- begriffes von der socialen Structur der Gesellschaft nach- weisen, und ebenso in der abstracten Ethik die allge- meine Beziehung beider Begriffe. Diese nothwendigen Beziehungen auf geistigem Gebiete nachzuweisen, ist gerade die Aufgabe der philosophischen Kritik, deren sich Stern bedienen möchte, aber in Wahrheit nur bruch- stückweise bedient. Ganz anders ist es, wenn wir eausale Zusammen- hänge suchen. Dabei constatiren wir, unter welchen Umständen Aenderungen in den Erscheinungsformen auftreten. Die Erscheinungsformen selbst und ihre Be- ziehungen setzen wir dabei als gegeben voraus. Wir fragen nicht, warum es „grün“ oder „braun“ giebt, sondern wir fragen, welche Bedingungen neu hinzutreten oder wegfallen, um dem grünen Blatte eine braune Farbe zu verleihen. So können wir in der naturgeschichtlichen Entwickelung fragen, unter welchen Umständen ein Sa- lamander, der bisher im Wasser lebte, sich aufs Land begiebt und die Kiemen verliert. So fragen wir in der Geschichte danach, warum ein ganzes Volk, welches einem Menschen auf den Verdacht hin, dass er nach der Herr- schaft strebe, vom tarpejischen Felsen zu stürzen pflegte, ein paar Jahrhunderte danach die Bildsäule des Im- perators göttlich verehren konnte. Ebenso fragen wir in der Ethik danach, warum man es in der einen Zeit für gerecht halten konnte, dass der Lehensherr den Mann schützt, der ihm zu Liebe ein Verbrechen begeht, und warum man dies in einer anderen Zeit als Un- gerechtigkeit verurtheilen muss. Aus dem Gesagten ergiebt sich, dass die causale Forschung und die Forschung nach der functionellen Ab- hängigkeit zweierlei Dinge sind. Die causale Forschung setzt die Forschung nach den funetionellen Beziehungen voraus, sie ist im Grunde nichts als eine Festlegung der funetionellen Beziehungen in der Zeitfolge. Wenn wir darum innere und. äussere Causalität untersuchen wollen, so haben wir nicht bloss fest- zustellen, dass es verschiedene Erscheinungsreihen sind. Das genügt nieht, um den Schluss zu rechtfertigen, es lägen hier objeetiv von einander zu trennende Klassen vor. Wenn die blosse Verschiedenheit der Qualitäten ge- nügte, so müssten wir auch unsere Gesichtswelt, unsere Tonwelt, unsere Tastwelt | Welten unterscheiden und von Farbencausalitäten, Ton- causalitäten ete. sprechen. Das geht aber bekanntlich nieht. Wir müssen uns zur Begründung objeetiver Trennung anderer Kriterien bedienen. Falls wir also auf der einen Seite geistige Er- scheinungen, auf der anderen materielle Erscheinungen feststellen, so ist die Frage nach deren funetioneller oder gar eausaler Beziehung zu einander noch gar nicht ent- schieden. Theoretisch genommen liegen vier Möglich- keiten der Beziehung vor: 1. Beide Reihen können zwei substantiell zu scheidenden und zeitweilig verbundenen objeetiven Substanzen entsprechen, wie der Dualismus der hergebrachten Glaubensphilosophie es annimmt. 2. Das Geistige kann zu Grunde liegen, das Materielle bloss Er- scheinungsform sein. So will es der theoretische Idealis- mus. 3. Das Materielle kann zu Grunde liegen, das Geistige nur dessen Begleiterscheinung sein, wie der Materialismus meint. 4. Materielle wie geistige Er- scheinungen sind zwei Seiten desselben Geschehens (Mo- nismus). Diese vier metaphysischen Möglichkeiten liegen vor. Die Wissenschaft kann sich für keine derselben entscheiden, so lange bloss metaphysische Gründe vor- liegen. Thatsächlich hat sie bis jetzt noch nicht ver- moeht, geistige Erscheinungsreihen von leiblichen abge- sondert darzustellen. Sie kann also mit der dualistischen und idealistischen Metaphysik nichts anfangen. Sie hat aber auch noch nicht festzustellen vermocht, unter welchen Umständen materielle Erscheinungen geistige nothwendig zu bedingen oder hervorzurufen vermögen. Sie kann also auch die beiden letzten Ansichten nicht annehmen. Das einzige, was sie bis jetzt gefunden hat, ist eine Reihe von einzelnen Beziehungen zwischen leiblichen und geistigen Erscheinungen. Sie weiss, dass in vielen Fällen psychische Einwirkungen von Bedeutung für die Gesundung oder Er- krankung des Leibes sind, dass andererseits physische Einwirkungen Veränderungen in den psychischen Er- scheinungen hervorrufen. Indem die Wissenschaft dies feststellt, folgt sie still- schweigend und entweder unbewusst oder mit Bewusstsein dem universellen Grundsatze, dass alle Erscheinungen in einem einzigen causalen Zusammenhange zu begreifen seien. In dieser Hinsicht behandelt sie darum alle Er- scheinungen als gleichartig und muss sie als gleichartig behandeln. Mag die Einzeluntersuchung ergeben, dass die eine Erscheinung dieser, die andere Erscheinung jener substantiell unterschiedenen Gruppe beizumessen sei, von zwei Arten der Causalität kann nie die Rede sein. Wenn wir somit einmal eine geistige Erscheinungs- reihe für sich verfolgen, ein andermal eine leibliche Er- scheinungsreihe für sich, und dann wieder Beziehungen zwischen beiden suchen, so thun wir gar nichts anderes, als was der Arzt thut, wenn er den Zustand des Kranken einmal mit dem Auge prüft, sodann mit dem Gefühl oder dem Gehör, sodann dessen Aussagen entgegennimmt und nun die Ergebnisse dieser verschiedenen Vorstellungs- reihen in Beziehung zu bringen sucht. Ob nachher eine innere organische Veränderung oder ein äusserer Fremd-. körper, ein Bacillus die Krankheit verursacht hat, dieses Einzelergebniss berührt nicht den Umstand, dass der Forscher bei allen Uebergängen von einer Erscheinungs- reihe zur anderen doch stets von dem Grundsatze der Einheitlichkeit des eausalen Zusammenhangs unverbrüch- lich geleitet war. Von hier aus können wir nunmehr die Frage nach der Willensfreiheit kurz ins Auge fassen. Da wir kein Recht haben, geistige Causalität als selbstständige Cau- salität neben die mechanische hinzustellen, da wir also solche Behauptung vorläufig als metaphysisch abweisen als verschiedene objeetive | müssen, so haben wir auch kein Recht, von einer Willens- XII. Nr. 49. freiheit im metaphysischen Sinne zu reden. Die ganze Frage schrumpft zu der Specialfrage zusammen, ob der Inbegriff derjenigen Erscheinungen, die unser erfahrungs- mässiges Ich ausmachen, blo$s durch äussere Anstösse in Bewegung gesetzt wird, oder ob hier auch eine innere Bewegung, ein innerer Zusammenhang vorhanden ist, der den äusseren Anstössen eventuell widerstehen bezw. deren Einwirkung nach besonderen eigenen Gesetzen um- bilden kann. Stellen wir die Frage so, dann werden wir natürlich keinen Augenblick zweifeln, dass wir ein Gebiet eigner Bewegung haben und beherrschen können, dass wir nicht wie der Stein auf äusseren Anstoss "warten müssen, um wieder ins Rollen zu kommen. Es wird sich nunmehr bloss um die Frage nach der gesetzmässigen Bewegungs- art dieses Innenlebens, handeln. Diese innere Bewegung zielt nun dahin ab, einheit- lichen Zusammenhang in die gesammte Innenwelt zu bringen. Auf theoretischem Gebiete sucht sich die Ein- heit alles Vorstellens in einem Erkenntnisszusammenhang durchzusetzen. Alles, was Widerspruch heisst, erzeugt den Drang zur Verbesserung, und damit zur Erweiterung und Bereicherung unseres Erkenntnissgebietes. Auf dem damit untrennbar zusammenhängenden practischen Gebiete herrscht dieselbe Tendenz. Hier trachten wir danach, Einheit und Zusammenhang des Thuns, der Zwecke zu erzielen. Das Erkennen ist im Grunde nur eine Provinz in dem gesammten einheitlichen Zusammenhange des Innenlebens, der Drang nach ihm nur eine Seite des uns innewohnenden Dranges nach umfassendem Zusammen- hange all unseres Thuns, und zugleich ist die Erkenntniss eine wesentliche Bedingung zur Herstellung des Zusammen- hangs aller Zwecke. Wie wir nun z. B. vom freien Fall reden, als von einem Fall, der nicht durch Reibung, Luftwiderstand und sonstige hemmende Eimflüsse anders bedingt wird, als das reine Fallgesetz vorschreibt, so müssen wir einen Willen frei nennen, der so vernünftig gelenkt und geübt ist, dass dessen Motive sämmtlich in einem Zusammenhang aller Zwecke zusammenstimmen, ein Wille also, der in - oberster Instanz nur von dem Grundgesetz unseres Innen- lebens beherrscht ist. Wenn wir dies Gesetz ein for- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 581 | males Gesetz nennen, so haben wir uns hoffentlich nicht mehr des Missverständnisses zu gewärtigen, als ob wir ein Abstraetum für eine Ursache conereten Handelns hieltey. Der Ausdruck, das formale Gesetz der Einheit müsse herrschen, wenn der Wille frei sein solle, besagt weiter nichts, als was dem Ingenieur die mathematische Formel besagt, die den Aufbau seiner Brücke beherrschen muss, wenn dieselbe haltbar sein soll. Diese Formel ist nicht Ursache davon, dass die Brücke hält, aber die Brücke hält doch nur, weil sie der Formel gemäss er- richtet ist. Dies Gesetz der Einheit und des Zusammenhangs ist es, das Verfasser an Stelle seines unbestimmten und schiefen Satzes von der „Erhaltung des Psychischen“ hätte setzen müssen. In diesem Gesetze hätte er dann den Leitfaden zur Beurtheilung der scharfsinnig von ihm er- kannten nieht-egoistischen Antriebe schon im Thierleben gefunden, er hätte ihn sodann auch weiter zur Beurtheilung der socialen Entwickelung des Menschen verwenden können. Denn diese geht in all ihren Wandlungen doch stets, wenn auch zunächst unbewusst, darauf aus, immer weitere, verwickeltere, reichere Einheit zu schaffen, und führt uns heute an die Schwelle einer Zeit, wo man be- ginnt, des Entwiekelungsgesetzes selber bewusst zu werden. Der viel gescholtene, aber übel verstandene geschichtliche Materialismus von Marx und Engels, der nebenbei mit dem metaphysischen Büchner -Vogt’schen Materialismus nur den Namen gemein hat, zeigt uns, wie sich die Ge- sellschaft bisher unter der Herrschaft blinder Antriebe vor- wärts bewegt hat; und die Erkenntniss dieser Bewegung, sowie die Erkenntniss des von Kant zuerst energisch be- tonten Prineips der Einheit wird das Mittel sein, uns auch auf ethischem Gebiete aus dem Reiche der Ge- bundenheit allmählich in das Reich der Freiheit zu leiten. Das Reich der Freiheit ist kein Reich der Willkür. Der Wille muss sich ja nach dem Gesetze der Einheit bewegen, wenn er frei sein soll. Aber damit er frei werden könne, müssen auch die äusseren Bedingungen gegeben werden, unter denen er zu dieser sittlichen Freiheit erzogen werden kann und sie äusserlich zu be- | thätigen vermag. Hier liegt das sittliche Problem der | Zukunft. Die allgemeine Versammlung der Deutschen geologischen Gesellschaft zu Berlin vom 26.—28. September 1898. (Fortsetzung.) Dr. Edm. Naumann: Ueber eine Reise nach Mexiko. Professor Auf dieser betrieb Redner neben der Untersuchung mehrerer Erzgruben das Studium der allgemeinen geologi- sehen Verhältnisse des Landes. Einen grossen Um- schwung in der Bergbauindustrie der mexikanischen Lande hat der durch amerikanisches Kapital bewerk- stelligte Ausbau grossartiger Eisenbahnlinien herbeigeführt. In kurzer Zeit wuchsen eine ganze Reihe grosser Schmelz- werke empor, wie in St. Luis Potosi, Aguascalientes Monte Rey und Mapimi. Das letztgenannte Werk unter- scheidet sich von den vorhergehenden dadurch, dass es durch eigene Gruben gespeist wird. Die Lagerstätten von Mapimi, welche silber-goldhaltige Bleierze liefern, sind in geologischer Beziehung ebenso interessant, wie sie in technischer Hinsicht ergiebig sind. Die Gruben von Mapimi sind wahre Millionengruben. Das Eız ist in einem sehr eomplieirt gestalteten System von Schläuchen enthalten. Die Hauptlagerstätte, die sogenannte Ojuela, steckt wie ein kolossaler, über 30 m im Durchmesser tragender, senkrechter Stamm tief im Gebirge und ist bis 500 m Teufe aufgeschlossen. Alle diese Schläuche sind an grosse Spalten gebunden. Sie erscheinen wie die letzten Ausklänge der vulkanischen Thätigkeit, die sich auch durch eine Reihe von eruptiven Gängen, welche in das Kreidegebirge eingreifen, verräth. Es ist als ob die eruptiven Gänge durch die Schläuche abgelöst würden. Die Schläuche liegen in einer Einbruchzone, welche sich in der Richtung SE-NW, der das ganze mexikanische Gebirge beherrschenden Hauptstreichrichtung am Fusse des Buffa, eines 2400 m hohen Kreidekalkklotzes, hin- zieht. Die Absenkung beträgt über 700 m. Die Kalke gehören der mittleren Kreide an, welche in ganz Mexiko einen Hauptantheil nimmt an dem Aufbau der die mexi- kanische Zentralbahn begleitenden, aus dem wie glatt- 582 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XII. Nr. 49. gehobelt aussehenden Plateau auf- und untertauchenden Kette. Mapimi liegt in der Nähe des sogenannten Bolzon von Mapimi, einer abflusslosen Senke des Plateaus, deren tiefste Stellen nur 700 m Meereshöhe betragen, während Mapimi selbst, ca. 900 m über dem Meere gelegen ist. Eine merkwürdige Erscheinung ist die eigenthümliche Form der Grundwasserwelle unter dem Gebiete von Mapimi. Während in Mapimi selbst Quellen hervortreten, das Wasser in der weiteren Umgegend der Buffa in 70 bis 120 m Tiefe sicher anzutreffen ist, liegen die Gruben der Ojuela noch bei über 300 m Tiefe vollständig trocken. Dies lässt sich nur dadurch erklären, dass die Grund- wasserwelle in der grossen Spalte, welche am Fusse der Buffa hinzieht, ein tiefes Thal bildend, durch eine un- geheuer tief in die Erde reichende Spalte gleichsam hinabgezogen wird. Trotz des tiefen Grundwasserstandes fehlt es nun durchaus nicht an der zersetzenden und um- bildenden Wirksamkeit des Wassers in der Ojuela und dem ganzen damit zusammenhängenden, seine Arme weit ausstreckenden Erzgeäder. Wie in allen trockenen Ländern, stürzen zu gewissen Zeiten des Jahres die Regengüsse mit so grosser Kraft vom Himmel zur Erde, dass es scheint, als ob hier in einem kürzeren Zeitraum das nachgeholt werden müsste, was innerhalb eines längeren versäumt worden ist. Den grössten Theil des Jahres hindurch vollständig trocken liegende Schluchten füllen sich mit schnell zur Tiefe brausenden Strömen. Auch in das Innere der Erde dringen die Wässer wäh- rend der feuchten Zeit des Jahres. Sie durehdringen die aus zersetzten Erzen, Carbonaten und Oxyden bestehenden Lagerstätten und bringen hier viel grossartigere Um- wandlungs- und Umlagerungsprocesse zu Stande, als es das stehende Wasser im Stande sein würde. Wir haben hier zu unterscheiden zwischen einer Region der Um- setzung, in weleher die eirkulirenden Wasser ihre Thätig- keit, wenn auch nur zeitweise entfalten, und einer Re- gion der Conservirung durch das stehende Grundwasser. Letzteres ist noch nicht erreicht, wenn es aber erreicht sein wird, sind an Stelle der Carbonate und Oxyde Ver- bindungen sulfidischer Erze sicher zu erwarten. Was die Bildung der Erzschläuche betrifft, so haben wir zu unterscheiden zwischen der Bildung der Hohl- räume, in denen sich das Erz später anhäufen konnte und der Bildung des Erzes selbst. In ersterer Beziehung sind die Verhältnisse der Dampferuption des Shiranesan in Japan, welche der Vortragende vor Jahren selbst beob- achtete, von grosser Bedeutung. Der Shirane-Ausbruch trieb ein riesiges, eylinderförmiges Stück aus dem Krater, ungefähr 100 m im Durchmesser, wie einen Champagner- pfropfen hoch in die Luft. Der füllte sich mit Wasser, das durch die mit grosser Kraft aufsteigenden Dämpfe in brodelnder Bewegung gehalten wurde. Eine Untersuchung des Wassers ergab einen Gehalt von 2!/, %/, Salzsäure. Wenn wir uns eine gross- artige Fumarolenthätigkeit vorstellen, die sich auf den Spalten ihre Wege bahnt, wenn wir uns vorstellen, dass | | die Spalten mit Wasser gefüllt sind, dass die Dämpfe Salzsäure aus den vulkanischen Herden emporführen, so muss einleuchten, dass eine derartige Thätigkeit wohl im Stande sein kann, im Kalkgebirge Kanäle zu bohren, wie sie jetzt im Schlauchsystem der Ojuela vorliegen. Der Vortragende berichtet weiter, dass die Unter- suchung des Magneteisensteinberges Cerro Mercado in Durango, der, obwohl er eine Höhe von 150 m und eine Längenerstreekung von weit über 500 m hat, doch nicht im Stande ist, Störungen der magnetischen Declination zu bedingen. Die Wirkung des Eisenerzberges beschränkt sich auf die Oberfläche; nur in der unmittelbaren Nähe wird die Nadel beeinflusst, und diese Beeinflussung ändert sich sehon innerhalb einer Entfernung von 2 m. Nau- mann fand hier seine Theorie des Erdmagnetismus, die er in ‚ verschiedenen Schriften vertheidigte, auf das glänzendste bestätigt. Ein zweiter Auftrag führte Naumann nach Pinos, wo die altberühmten Goldgruben der Candelaria zu unter- suchen waren. Auch hier ist es vulkanische Thätigkeit gewesen, welcher die Gänge ihre Entstehung und ihre Reichhaltigkeit verdanken. Hier in Pinos setzen Quarz- entstandene Hohlraum | gänge auf, wieder in Kreideschichten, am Fusse eines aus rothem Trachyt aufgebauten Berges. Dieser rothe Trachyt oder Rhyolit ist durch das ganze Land verbreitet und hat für die Erzbildung sehr grosse Bedeutung. Zum Schlusse behandelt der Vortragende einen Theil der Sierra Madre, und zwar denjenigen Theil, der in der Nähe der Grenze der Staaten Durango und Chihuahua gelegen ist. Ein zweimonatlicher Aufenthalt führte zu eingehender Bekanntschaft mit den Kupfer-, Silber- und Golderzlager- stätten von Carmen, welehe wahrscheinlich noch die Basis einer grossartigen Industrie bilden werden. Dieser Theil der Sierra Madre besteht aus einem über 300 m mächtigen System vulkanischer Decken. Hauptsächlich rothe Trachyte sind hier wie sedimentäre Schichten übereinandergelagert. Tagelang kann man reisen ohne aus diesem Gebiet vulkanischer Riesenergüsse herauszukommen. Das Wasser hat tiefe Schluchten in das vulkanische Plateau eingenagt und phantastische Felsformen erzeugt, Säulen, Burgen, Thier- und Menschengestalten. In Carmen entdeckte der Vortragende neben den bisher bekannten Erzlagerstätten neue Goldquarzgänge, welche in der Nähe der Oberfläche einen Gehalt von 1—1!/, Unzen er- wiesen. Die sorgfältige Untersuchung der Gänge stellten jedoch ein Abnehmen des Au-Gehaltes mit der Tiefe fest, und merkwürdiger Weise gingen die Gänge von Quarz, welche ganz von der Beschaffenheit wie die von Pinos waren, in vulkanisches Gestein über. In einer Teufe von 18 m ist an die Stelle des Au-führenden Quarzes der Oberfläche ein vollständig taubes Trachyt- Ganggestein getreten. (x) (Fortsetzung folgt.) Eine interessante Missbildung der Birnfrucht be- schreibt Gustave Caban&s in dem „Bull. de la Soe. detude des sciences naturelles’ de Nimes* für 1397/98. In Folge des milden Herbstes 1897 blühten viele Obst- bäume in der Nähe von Nimes zum zweiten Male, und manche trugen auch noch einmal Früchte. Diese letzteren hatten aber meist ein sonderbares Aussehen. Die Anomalie bestand in der Gegenwart von grünen Laubblättern, welche den Früchten aufsassen. Diese Blätter waren kleiner als sonst die Birnblätter, 3—4 Üentimeter lang, im Uebrigen aber vollkommen ausgebildet. Sie waren zum Theil an der Basis der Frucht, neben dem Fruchtstiele eingefügt, zum Theil sassen sie mitten auf dem fleischigen Körper und zum Theil am Ende der Frucht, an den Blüthenresten. Jedes dieser kleinen Blätter hatte einen normalen Blatt- stiel. Ein Baum trug 15 Früchte der zweiten Reife, und alle wiesen dieselbe Deformation auf. Zur Erklärung dieses interessanten teratologischen Falles weist Cabanes auf die Theorie von der Entstehung der Blüthe und der Frucht hin. Die Frucht entsteht aus XI. Nr. 49. den hypertrophirten Fruchtblättern und ist demnach aus einer Blattformation abzuleiten; unter gewissen Verhält- nissen kann es nun vorkommen, dass die Frucht diese Urformation zum Theil wieder zeigt. Der Grund für die Deformation in dem erzählten Fall liegt nun einfach darin, dass die zweiten Früchte sich nieht unter normalen Be- dingungen entwickeln konnten; es fehlte ihnen die nöthige Temperatur, die nöthige Nahrung u. s. w. Vielleicht könnte diese Beobachtung von Cabanes als Ausgangspunkt neuer Untersuchungen dienen, indem die Vegetation eines Obstbaumes im Sommer längere Zeit durch künstliche Mittel aufgehalten wird, so dass die Früchte, nachdem man dem Baume die normalen Umstände wieder gegeben hat, erst spät im Herbste reifen können. S. Sch. Fälle, wie der beschriebene, sind bereits häufig beobachtet und abgebildet worden. Auch die „Naturw. Wochenschr.“ hat sich sehon mit dem Gegenstande be- schäftigt. Bd. I, S. 206, bringt unsere hier repro- dueirte Fig. 1 in einem Artikel des Königl. Gartenin- spectors H. Lin- demuth.DieFig. stellt eine Spät- lingsfrucht der „Beurre perpe- tuel“ dar, die den Typus der als übliche Erschei- nung aus den nach der Haupt- blüthe auftreten- den Blüthen ent- stehenden Früch- ten veranschau- lieht. Bemerkens- werth ist an solchen Früchten, dass dieselben nicht direct in den Achseln von Laubblättern ste- hen, sondern dass sie an den Spit- zen von Laub- sprossen auftre- ten. Mit anderen Worten: die sehr langen Stiele dieser Birnen sind mit Laubblättern (Trophophyllen) besetzt. Bemerkenswerth ist an dem abgebildeten Ex&mplar die kleine Schuppe auf der Frucht nieht weit unterhalb der Ansatzstelle für die Kelehblätter und Staubblätter, d. h. nicht weit unter- halb der Butze. Figur 2 ist einer Mittheilung des Herrn Professor H. Engelhard in der „Naturw. Wochenschr.* Bd. VI, 1891, S. 89—90 entnommen. An dieser Birne erscheint das Fruchtfleisch fast ganz in dieke Schuppen aufgelöst. Diesen Schuppen sassen spreitige, in dem abgebildeten Zustande verwelkte Blatttheile auf. Wie der Längsschnitt ‘“ dureh die Frucht rechts der Figur 2 zeigt, wies diese „Frucht“ kein Kerngehäuse auf. Der Unterzeichnete hat der letztgenannten Mittheilung Eingehenderes über die in Rede stehenden Bildungen hinzugefügt, worauf verwiesen sei. Hier wird nur deshalb noch einmal bei Gelegenheit des an der Spitze gebotenen Referates auf dieselben hin- gewiesen, weil sie eine Unterstützung für die von dem Fig. 1. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 583 Unterzeichneten vertretene Ansicht von der Pericaulom- Natur der Stengel und Stämme der höheren Pflanzen bieten. (Vergl. „Naturw. Wochenschr.“ Bd. XII, 1897, S. 612—613.) Ich habe a. a. O. Gründe beigebracht, die = kig. 2. die Auffassung rechtfertigen, dass die Stengel und Stämme im Verlaufe der Phylogenesis aus „Urcaulomen“ entstanden sind, die mantelförmig resp. hohleylindrisch von den Basal- stücken von Blättern so umwachsen sind, dass ımorpho- logisch scheinbar einheitliche Stücke — eben die Stengel und Stämme der höheren Pflanzen — zu Stande kommen. EIAoB% Ueber die Fortschritte der Gährungschemie in den letzten Decennien hat M. Delbrück umfassend vor einer Versammlung der Deutschen Chemischen Gesellschaft in der Lichthalle des Instituts für Gährungsgewerbe ge- sprochen und ein Bild entwickelt, das sich aus den Be- ziehungen zwischen Gewerbe und Wissenschaft ergeben hat. Während es eine systematisch betriebene Hefe- züchtung schon zu Ende des vorigen Jahrhunderts gab, liegen die Geburtsjahre der Gährungschemie oder Gäh- rungsphysiologie in den Jahren 1336 und 1537; in diese Zeit fallen die epochemachenden Entdeckungen Cagniard Latour’'s und Theodor Schwann’s, die erwiesen, dass die Gährungs- und Fäulnisserscheinungen eine Folge der Lebensthätigkeit von Mikroorganismen sind. Bald folgten Arbeiten von Mitscherliceh, Helmholtz, H. Schroeder und von Dusch, zugleich begann der Streit um die vitale und die chemische Theorie der Gährung, an dem sich Liebig und die Technologen Balling und Lüdersdorf betheiligten. Schon Ende der vierziger Jahre, bestimmter 1856, räth Balling zu einer Versöhnung der Gegner: Die vitale Theorie sei für die unter Hefevermehrung sich voll- ziehenden Gährungen, Liebig’s Erklärung für die Zer- legung reiner Zuckerlösungen maassgebend. Da trat Pasteur im Jahre 1857 mit seinen Arbeiten hervor, seine systematisch betriebenen Forschungen wiesen für verschiedene Gährungen die besondere Pilzspecies nach und lehrten uns, mit der Hefe als Substanz zu experimentiren; er führte zuerst orientirende Stoffwechsel- versuche mit Hefe aus und kann deshalb, obgleich er vollständig auf den Schultern der Eingangs genannten Forscher steht, als Begründer der Gährungschemie be- trachtet werden. 584 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 49, Den bedeutsamen Erkenntnissen der Zeitspanne 1857 bis 1870 schliesst sich merkwürdigerweise kaum ein un- mittelbarer Erfolg in den Gewerben selbst an. In Frank- reich kommt die Hefe vornehmlich für die Weinbereitung in Betracht, in ihr giebt es keine Gährungsführung, keine Züchtung der Hefe im eigentlichen Sinne; die auf den Trauben wild vorkommende Hefe setzt Traubenmost in „Selbstgährung“. In Deutschland, wo in der Brennerei und Brauerei, in der ersteren seit Ende des vorigen Jahrhunderts, in der Brauerei seit uralter Tradition, die Hefe von Gährung zu Gährung fortgepflanzt wurde, war ein wirkliches Bedürfniss nach praktisch zu bethätigender wissenschaftlicher Erkenntniss vorhanden. Unter Leitung von Männern wie Maerker in Halle und Lintner in Weihenstephan, brach sich, im Anschluss an die durch Reess und A. Mayer geförderte wissenschaftliche Er- kenntniss, Anfangs der 70er Jahre eine mächtige Be- wegung Bahn. Maerker wies nach, dass bis 20 pCt. der im Gäh- rungsprocess verschwindenden Kohlehydrate nicht der alkoholischen Gährung erlagen, sondern durch „Unreinlich- keit der Gährung“ verloren gingen. Die Nothwendigkeit der Erzielung reiner Gährung, d. h. im damaligen Sinne einer von Spaltpilzgährungen freien, reinen alkoholischen Gährung lagen den Verhandlungen des Vereins der Spiritusfabrikanten in Deutschland Ende der 70er Jahre zu Grunde; aus ihnen und den Arbeiten Traube’s und Nägeli’s ergaben sich folgende Sätze: 1. Zur Reinzüchtung von Hefe ist neben passender Nährstoffmischung für ein der Hete günstiges, den Spalt- pilzen schädliches „Klima* zu sorgen. Unter „Klima“ wird Temperatur, Gehalt an Säure und Alkohol, Grad und Zeit der Lüftung u. s. w. zusammengetasst. 2. Auf eine gegebene Flüssigkeitsmenge ist eine Mindestmenge von Hefe auszusäen, die durch ihre Ver- mehrung und Lebensthätigkeit die Spaltpilze unterdrückt. So rückten die 80er Jahre heran, Pasteur’s Etudes sur la biere und die Brefeld’schen Untersuchungen waren erschienen, da lehrte Koch die Abtrennung für Mikro- organismen durch Platteneulturen, und Hansen führte die Rassenreinheit der Hefe durch. Mit Unterstützung des Brauers Jacobsen in Kopen- hagen erkannte man technisch alsbald, dass die Hefen- rasse einen entscheidenden Einfluss auf Geschmack, Art und Haltbarkeit des Bieres ausübt; so wurden in Berlin die Bierhefentypen Saaz und Frohberg zur Geltung ge- bracht. Mit der Entwiekelung der Hefe- und Bacterien- kenntniss erschloss sich der Industrie ein neuer Weg zur Sicherstellung reiner Gährung, das System der „natür- lichen Reimzucht“. Es zeigte sich, dass es gelingt, im Kampf ums Dasein bestimmte Rassen einer Saatmischung zum Ueberwiegen zu bringen. Den Sehlussstein dieser Entdeckungen bildet die Buchner’sehe Entdeckung der Zymase; der Zerfall des Zuekers in Alkohol und Kohlensäure wird bewirkt durch ein Eneym, „die Zymase“; die vitalistische Anschauung von der „Ursächliehkeit“ der Gährung ist beseitigt, die Gährung ist nieht an die Lebensfunction der Hefe ge- bunden, sie wird auch von todter ausgeübt. Durch Zer- reissen und Auspressen lebender Hefezellen, kann ein Gährung erregender zellfreier Saft erhalten werden, der durch Behandlung mit Alkohol den Gährung erzeugenden Stoff als Niederschlag fallen lässt. Ist die Zymase ein Stoff, der durch die lebende Hefe produeirt wird, »ist sie ein stiekstoffhaltiger, eiweissartiger Körper, dann werden wir im Stande sein, durch ge- eignete Ernährung den Gehalt der Hefe an Zymase, somit die Gährkraft zu erhöhen; dem ist nun in der That so. Hayduck’s Versuche aus den 80er Jahren hatten er- wiesen, dass durch Vermehrung der Stiekstoffgabe in den Nährflüssigkeiten, in Form von Asparagin, der Stickstoff- gehalt der Hefe ungemein erhöht wird und dass Hand in Hand damit die Gährkraft proportional dem Stiekstoff- gehalt steigt und fällt. Man kann Steigerung des Stickstoffgehaltes in der Hefetrockensubstanz auch dadurch erzielen, dass man Hefe in einer Nährlösung mit bestimmtem Stickstoffgehalt sich nur wenig vermehren lässt; Lüftung, die starke Sprossung bedingt, hat das Gegentheil zur Folge und liefert eine gährschwache Hefe, Die Lufthefe, bei der unter starker Lüftung aus einem Centner Malz bis 25 Pfd. Hefe gewonnen werden, hat nur geringen Zymasegehalt; nach altem Verfahren wurden aus derselben Malzmenge ohne Lüftung 12 Pfd. stiekstoff- und zymasereiche Hefe erhalten. Lässt man die Gährung bei sehr niederen Temperaturen verlaufen, so ist die Vermehrung der Hefe noch geringer, der Ei- weissgehalt grösser, wir erhalten untergährige Hefe von höchster Gährkraft. Von Einfluss auf die Möglichkeit, Eiweiss in Zymase überzuführen, ist der physiologische Zustand der Hefe; man unterscheidet einen geilen Zustand: die Hefe hat starkes Spross- und geringes Gährvermögen, und einen trägen Zustand: die Hefe sprosst wenig, hat aber hohe Gährkratt. Fügt man den Nährlösungen 5 Vol. pCt. Alkohol oder Säure hinzu, so wird die Sprossung behindert; die Flusssäure, die zunächst stark giftige Wirkung ausübt, wird durch allmähliche Anpassung schliesslich in grossen Dosen ertragen, die acclimatisirte Hefe besitzt geringes Spross-, aber starkes Gährvermögen. Aber auch die Rasse der Hefe ist von Bedeutung; man unterschied zunächst unter- und obergährige Hefe und nach Reess verschiedene Hefe-Varietäten, für die die Form als Merkmal diente; Pasteur führte dann den Ge- schmack der Getränke auf die Art der Hefe zurück, doch erst Hansen gelangte zu einem wissenschaftlich sicheren tesultat, in dem er als Züchtungsausgangsmaterial die einzelne Zelle nahm. Die Erkenntniss Hansens, dass auch in den eng- verwandten Hefen zur Erzeugung untergähriger Biere tiefgehende Rassenunterschiede vorhanden sind und dass es möglich ist, die für das Gewerbe schädlichen Arten durch reine Fortzüchtung zu beseitigen, ist von durch- schlagend praktischem Erfolge gewesen. Die so mechanisch geschiedenen Rassen werden ein- getheilt nach ihrem Gehalt an Encymen, und so sprieht man von einer Rohrzucker-Milchzucker-Maltose-Hefe unter Berücksichtigung der Ausstattung dieser Hefe, mit dem diesen Zueker in Dextrose umwandelnden Eneym. Die Eneyme können theils nım nach Trocknung und Zer- reissung der Zellen gewonnen werden, theils sind sie diffusibel wie Invertin, das sich im fertigen, hefetreien Bier findet. In der Technik von höchster Bedeutung ist das Ver- halten der Hefen zu den Stärkeabbauprodueten; dass hier Unterschiede vorhanden sind, zeigte z. B. die Apieulatus- Hefe, die aus gekochter Bierwürze nur die Dextrose fort- nimmt, die Hefe Saaz, die ausserdem die Maltose ver- gährt, die Hefe Frohberg, die ausser diesen beiden Zuckern noch das Maltodextrin (Isomaltose) beseitigt und ° die Pombe-Hefe, die auch Dextrin vergährt. Die systematische Benutzung dieser Hefen gestattet, Bierwürze und Brennereimaischen auf ihre nähere Zu- sammensetzung zu untersuchen; die „planmässige“ Aus- wahl der für den gegebenen Betrieb geeigneten Hefe ist eine Hauptaufgabe der Technik, die nächste besteht XIII. Nr. 49. Naturwissenschaftliche Woehensehrift. 585 darin, für eine reine Gährungs-„Asepsis“, d. h. für Aus- schluss von Fremdorganismen und „Infeetion“ während des Gährprocesses zu sorgen. Die Sterilisation ist in den Vordergrund getreten, man arbeitet peinliehst sauber und möglichst in geschlossenen Gefässen; in das reine Nähr- material wird reine Saathefe in ausreichenden Mengen gegeben; man bedient sich in den Brennereien fortan der Reinhefe, die in Reinzuchtapparaten erhalten wird. Für die Brennereien ist in Berlin eine Centralzueht- anstalt eingerichtet, der Versand der Reinhefe, die nach dem System der Schnellgährung erhalten wird, geschieht in sterilen 1—10 kg fassenden Blechbüchsen. In der Weinbereitung hat sich die Entwiekelung am spätesten gezeigt; hier ist die Weinhefenabgabe seitens der Zuchtstationen in Form von kleinen, in Gährung be- findlichen Mengen Most Regel geworden; der Inhalt des Saathefefläschehens, der dem üblich gekelterten Most hinzugefügt wird, ist bestimmend für den Charakter des Weins. Brauereien wie Brennereien züchten die Hefe im Betriebe laufend weiter und benutzen hierzu Verfahren, die sich als natürliche Systeme der Reinzucht erwiesen haben. Die Hefenzucht der Brennerei hat zur Aufgabe, schädliche Spaltpilze und ungeeignete Heferassen aus- zuschliessen, oder sofern sie sich eingeschlichen haben, . wieder zu entfernen. Spaltpilze, die flüchtige Fettsäuren produeiren, sind der Hefe vornehmlich schädlich, ihnen ist der Milchsäure- pilz feindlich. Letzteren impft man den Hefemaischen ein, lässt sie milchsauer werden, sterilisirt durch Erhitzen und kühlt zur Hefenaussaat auf passende Temperatur ab. Als Hefen sind brauchbar, die Milchsäure ertragen, und, ohne Schaden zu nehmen, hohen Alkoholgehalt zu er- ‚zeugen vermögen; das Verfahren, die sogenannten „starken“ Hefen zum Ueberwiegen zu bringen, besteht darin, dass man sehr concentrirte Maischen herstellt und sie vergähren lässt, bis ein Alkoholgehalt von 9—10 pCt. resultirt; von dieser Gährflüssigkeit wird soviel abge- nommen und zu einer weiteren Zuchtflüssigkeit gegeben, dass von vornherein ein Alkoholgehalt von 2,5 pCt. vor- handen ist. Alles, was unter diesen Bedingungen nicht oder nur verkümmert leben kann, stirbt ab, und es ge- lingt, durch zwei bis drei solcher „Führungen“ aus einem Gemisch von Hefe Frohberg und Rasse II die Bierhefe Frohberg vollkommen zu beseitigen. Dem Brauereigewerbe andererseits liegt die Auf- gabe ob, aus einem solchen Gemisch die schwache Hefe zum Ueberwuchern zu bringen. Die Empfindlichkeit der Heferassen gegen unpassende Temperaturen ist eine grosse: Die Brennereihefen sind Warmhefen, die Brauerei- eulturhefen solche mittleren Klimas, die Bierkrankheiten verursachenden wilden Hefen Kalthefen. Bei 15° überwiegen die Brauereiculturhefen, bei 24° die Brennereihefen und bei 5° die wilden Hefen, doch erhält man nach dieser Methode nur unvollkommene Re- sultate, da die Biergährung bei Temperaturen geführt wird, die zwischen dem Klima der Cultur- und der wilden Hefe liegen. Als ferneres Hülfsmittel kommt das „Satz- verfahren“ hinzu. Die Biergährung verläuft in fast klaren Flüssigkeiten, in denen sich das Gemisch der Heferassen, getrieben durch die von jeder einzelnen Zelle entwickelte Kohlensäure bewegt, nach Verbrauch des Zuckers, der ja das Bewegungsmittel liefert, setzen sich zunächst die Hefen von geringerem Gährvermögen und solche mit grossen und schweren Zellen, man beobachtet Schichten ; in der untersten Zelle, die an der Bewegung überhaupt ‚nicht theilgenommen hatte, in der folgenden, die früh mit der Gährung aussetzenden, z. B. Hefe Saaz, dann, die auch Maltodextrin vergährenden, z. B. Hefe Frohberg, und endlich oben auf die kleinzelligen, wilden Hefen. Die Schiehten werden sorgfältig getrennt und nur die zur Fortpflanzung geeigneten benutzt. Durch wenige Füh- rungen lassen sich die wilden Hefen so vollständig aus den Culturhefen beseitigen. Berücksichtigt man weiterhin einige Kunstgriffe, die sich aus der Mechanik des Hefelebens ergeben, dann ge- langt man zu einer Gährungsführung, die den Höhepunkt der gewerblichen Leistung in der Gährungstechnik be- deutet. Bewegung fördert die Diffusionsvorgänge, die Be- dingung für die Ernährung und Abgabe der Umsatzstoffe des Hefeorganismus sind, und verringert die durch Alkohol und Kohlensäure auf die Hefesprossung ausgeübte Hemmung; die Bewegung wird erreicht durch Aussaat einer hinreichenden Menge Saathefe oder Anstellung der Gährung durch in Gährung befindliche Flüssigkeit. Bewegung ist aber auch ein Mittel im Kampf gegen Mikro-Organismen aller Art; Alkohol und Kohlensäure schädigen die Fortentwiekelung der Hefe, noch stärker aber das Gedeihen von Fremdorganismen. Wir nehmen an, dass die Organismen specifische Kampfstoffe gegen Eindringlinge produciren; der in Ueberzahl befindliche Organismus unterdrückt die Gegner und zwar durch eine Vertheilung der Vertheidigungsstoffe, und hierzu dient die Bewegung; deshalb vermeidet man „todte Punkte“ und sucht eine möglichst ununterbrochene Gährung her- beizuführen. Redner weist am Schlusse seines Vortrages noch darauf hin, dass die nunmehr wissenschaftlich begründeten Gesetze der „natürlichen Reinzucht“ in der Hygiene nicht unbeachtet bleiben sollten, doch will es fast scheinen, dass dies weite Gebiet von der Aussicht übertroffen wird, welche die Entwickelung der Enceymforschung gewährt. Dr. A. Sp. Die Entdeckung des Aethers? — Der amerikanische Physiker Charles F. Brush trug am 23. August vor der „American Association for the Advancement of Science“ über eine Entdeekung vor, welche möglichenfalls als eine der allerbedeutungsvollsten dieses ganzen Jahrhunderts zu bezeichnen ist. Brush war zu Beginn des Jahres 1897 damit be- schäftigt, die Leitfähigkeit von Gasen für die Wärme bei sehr niedrigem Luftdruck zu untersuchen. Je mehr der Druck erniedrigt, je mehr also das Gas verdünnt wurde, um so geringer wurde natürlich die Leitfähigkeit für Wärme. Da zeigte sich plötzlich unter dem ungemein niedrigen Druck von mehreren Millionstel Atmosphären, dass die Wärmeleitfähigkeit bedeutend grösser wurde als bei höherem Druck. Als die das Vacuum umgebende Glaskugel erhitzt wurde, entwickelte sich aus dieser sichtbar ein Gas, welches beim Abkühlen wieder absorbirt wurde. Da die Wärmeleitfähigkeit des Gases auffallend gross war, glaubte Brush Wasserstoff vor sich zu haben, wenngleich für dessen Entstehung ein Anhaltepunkt nicht zu finden war. Brush modifieirte nun den Versuch, indem er Glaspulver in das Vacuum brachte und erhitzte. Da 1 000 000 Atmosphären die Wärmeleitfähigkeit des Gases der ent- sprechenden des Wasserstoffs gleichkam, dass dagegen : 33 hei 100 000 000 Leitfähigkeit des Gases 27 mal grösser als die ent- sprechende des Wasserstoffs war! Erhitzter Quarzsand eignete sich für den Versuch noch besser, denn dasdaraus fand sich nun, dass bei einem Druck von einem Druck von nur Atmosphären die 586 sewonnene Gas wies die Wärmeleitfähigkeit 100 auf(Leitfähigkeitdes H=1). Es gelang Brush auch, das geheimnisvolle Gas durch Diffusion direet aus der atmosphärischen Luft zu gewinnen. Aus der ganz exorbitant hohen Wärmeleitfähigkeit lässt sich das speeifische Gewicht des neuen Gases ZU 15600 und die Geschwindigkeit seiner Moleküle zu 168 km pro Sekunde berechnen (beim Wasserstoff, dem bisher extremsten Gase, sind die entsprechenden Werthe 1 und 1,54 km). Da nun aber der Nachweis geliefert ist, dass dies Gas in unsrer Atmosphäre enthalten ist, und da sich andrerseits mathematisch beweisen lässt, dass ein Gas mit solehen Eigenschaften von der Anziehungskraft der Erde nieht würde festgehalten werden können, so folgt daraus der überraschende und grossartige Schluss, dass das neue Gas im ganzen Weltraum verbreitet sein muss. Der von Brush gewählte Name des Gases, Aetherion, zeigt schon an, dass er in dem neuen Gase nichts Anderes gefunden zu haben glaubt als den vielbesprochenen, bisher ganz hypothe- tischen Aether; alle die Eigenschaften, die man diesem aus theoretischen Erwägungen zuschrieb, scheint das Aetherion thatsächlich zu besitzen. Sollte die Brushsche Entdeckung sich in vollem Umfange bestätigen, was zunächst noch abgewartet werden muss, so hätte das scheidende Jahrhundert noch einen Triumph der Naturwissenschaft gebracht, wie er herrlicher und grossartiger kaum gedacht werden kann: nieht nur würden damit der Physik und der Chemie Ausblicke eröffnet werden, deren Tragweite auch noch nicht annähernd zu ermessen ist, sondern auch die menschliche Logik und Combinationsgabe würde einen ihrer schönsten Siege feiern, indem wieder eine ihrer wichtigsten und kühnsten Hypothesen durch die That- sachen in glänzendster Weise nachträglich bestätigt würde. Crookes, der bekannte englische Physiker, spricht sich freilich in den „Chemical News“ neuerdings skep- tisch über Brush’s Entdeckung aus und vermuthet, das „neue“ Gas sei vielleicht einfacher Wasserdampf. Jedenfalls darf man weiteren Nachrichten mit hohem Interesse entgegensehen, und wir behalten uns vor auf den Gegenstand zurückzukommen. H. Das Oxusproblem, d. h. die Frage, ob der Oxus früher ins Kaspische Meer, statt in den Aralsee geflossen ist, ist von Prof. Johannes Walther jüngst in ver- neinendem Sinne entschieden worden (Petermanns Geo- graphische Mittheilungen, Bd. 44, S. 204). Walther hat an Ort und Stelle geologische Untersuchungen vorge- nommen, die zu folgendem Resultat geführt haben: Nach- weislich führte der Oxus von Alters her denselben Schlamm wie heutzutage; demnach müsste an der etwaigen alten Mündungsstelle zwischen den Balchanbergen eine Schicht von Flussschlamm zu bemerken sein. Da aber in der Balchanpforte, der aus topographischen Gründen einzig in Betracht kommenden Stelle, bis in 35 m Tiefe keine Spur von Flussschlamm zu finden ist, so ist damit die Behauptung, dass die dortigen „Thalrinnen ohne Wasser“ das alte Bett des Oxus repräsentiren, widerlegt. Diese Thalrinnen sind vielmehr als gewöhnliche Wadis, also als Wirkungen des Wüstenklimas aufzufassen. H. Die Höhe des Illimani in den bolivischen Anden ist, wie die „Geographische Zeitschrift“ (IV. Jahrgang, Heft 11) mittheilt, von Sir Martin Conway gelegentlich der ersten Besteigung des Berges, die von ihm am Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 49. 9. September d. J. unter sehr grossen Schwierigkeiten glücklieh durchgeführt wurde, auf 6860 m bestimmt worden, so dass der Illimani an Höhe nur wenig hinter dem Aconcagua mit 6884 m zurückbleibt. Conway gedenkt demnächst auch den wahrscheinlich noch höheren Illampu zu ersteigen. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Prosektor Dr. Reinecke an der thierärztlichen Hochschule in Berlin zum Kreisthierarzt in Elbing; Thierarzt Keller, wissenschaftlicher Assistent an der thierärzt- lichen Hochschule in Berlin, zum Prosektor daselbst; der Assistent an der Universitäts-Bibliothek in Würzburg Fell zum Biblio- thekar-Sekretair; Dr. P. Schneider zum Docent der Zahnheil- kunde in Erlangen; die ausserordentlichen Professoren der Philo- sophie in Lemberg K. Twardowski und A. Skorski zu ordent- lichen Professoren; Primararzt Dr. E. Machek vom Landes- krankenhause daselbst zum ordentlichen Professor der Ophthalmo- logie; der Privat-Docent für Pflanzenproducte an der böhmisch- technischen Hochsehule in Prag J. Stoklasa zum ausserordent- lichen Professor; der Privat-Docent der Chirurgie in Wien Pro- fessor A. Ritter von Mosetig-Moorhof zum ausserordentlichen Professor mit dem Titel eines ordentlichen Professors; der ausser- ordentliche Professor der Psychiatrie in Lausanne S. Rabow zum ausserordentlichen Professor der Pharmakologie; der Privat- Docent für Kinderkrankheiten in Lausanne A. Combe zum ansser- ordentlichen Professor; der ordentliche Professor der Pathologie in Budapest J. Högyes zum Ministerialrath. Berufen wurden: Der ausserordentliche Professor der Philo- sophie in Jena Dr. Ehrhardt als ordentlicher Professor nach Rostock; der ordentliche Professor der Geologie und Mineralogie in Klausthal Kloekmann nach Aachen; der Privat-Docent der Geologie in Aachen Dr. Dannenberg nach Klausthal; der Privat-Docent der Dermatologie in Wien J. Rille als ausser- ordentlicher Professor nach Innsbruck; der ordentliche Professor der Gynäkologie in Krakau A. Mars nach Lemberg. Es habilitirten sich: Dr. Friedrich August König für Chirurgie in Berlin; Dr. Hitzig für innere Mediein in Zürich; Dr. R. Loewenberg für Elektrochemie in Königsberg; Dr. L. Merk für Dermatologie in Graz; Th. Garbowski, bisher Privat-Docent in Wien, und L. Switalski für Zoologie bezw. Gynäkologie in Krakau; A. Vesely, J. Hnätek und A. Mräzek für specielle Pathologie und Therapie, innere Mediein bezw. Zoologie an der böhmischen Universität Prag; H. Koschier, K. Ludwig und Ritter von Weismayr für Laryngologie und Rhinologie, Gynäkologie bezw. Dermatologie an der Wiener Uni- versität; Dr. L. Ritter von Lorenz und Dr. H. Rebe) für Zoo- logie an der Wiener Hochschule für Bodeneultur. E Aus dem Lehramt scheiden: Der Professor der Philosophie in Leipzig Dr. Riehard von Schubert-Soldern; der Professor der Thierarzneilehre in Leipzig Hofrath Dr. Zürn. Es starben: Oberberghauptmann Albert Serlo; der Quellen- forscher Alexander Graf von Wrschowetz. Litteraiur. Prof. Dr. William Marshall, Bilder- Atlas zur Zoologie der Fische, Lurche und Kriechthiere. Mit beschreibendem Text. Bibliographisches Institut in Leipzig, 1898. — Preis gebunden 2,50 Mark. Wie die früher besprochenen Atlanten, welche Säugethiere und Vögel behandeln, so soll auch der gegenwärtige Band in erster Linie der heranwachsenden, lernenden Jugend ein Anschauungs- mittel sein, das mit gründlicher Belehrung abwechselungsreiche Unterhaltung ernsterer Art verbindet und somit in Schule und Haus gleichmässig verwendet werden kann Prof. Dr. Adolph Hansen, Die Ernährung der Pflanzen. Mit 79 Abbildungen. 2. verbesserte Auflage. Verlagsbuchhandlung von E. Tempski in Wien und Prag und Verlagsbuchhandlung von G. Freytag in Leipzig. — Preis brochirt 5 Mark. Das Buch liest sich leicht und ist um so mehr dem gebildeten Laienkreise, an den es sich wendet, zu empfelilen, als es seinen Gegenstand auf neuester Grundlage zur Darstellung bringt. Verf. legt Gewicht darauf, dass schon Schopenhauer das Leben als einen Complex von „Reizerscheinungen“ bezeichnet hat. Die Bemühung, die daraus spricht, einen fundamentalen Unterschied zwischen Leben und Nicht-Leben aufzustellen ist jedoch unseres Erachtens damit nicht erreicht, denn die. Reizerscheinungen bieten keinen principiellen Unterschied zu den mechanischen „Auslösungen“. P. XIII. Nr. 49. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 587 Alois Walter, Theorie der atmosphärischen Strahlenbrechung. Veröffentlicht mit Unterstützung der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien. VI. und 74 S., mit 4 Textfiguren. Verlag von B. G. Teubner in Leipzig, 1898. — Preis 2,80 Mark. Die verschiedenen Theorien der terrestrischen Strahlen- brechung fussen fast ausnahmslos auf ganz speciellen Annahmen über die physikalische Beschaffenheit der Atmosphäre. Der Ver- fasser vorliegender Schrift unternimmt den Versuch, das Problem der atmosphärischen Strahlenbrechung unter gänzlichem Verzicht auf jede derartige Annahme zu behandeln, um so zu allgemein- gültigen Formeln zu gelangen, die für jede besondere Annahme über die Atmosphäre speecialisirt werden können. Dies ist gewiss ein sehr interessantes und wichtiges Unternehmen. Den Ent- wiekelungen liegen zwei sachliche Voraussetzungen zu Grunde, nämlich die physikalische Voraussetzung, dass das Snellius’sche Lichtbreehungsgesetz giltig sei, und die meteorologische Voraus- setzung, dass in gleich hoch gelegenen Punkten die Atmosphäre von gleicher physikalischer Beschaffenheit sei. In dem ersten, geometrischen Theile der Schrift werden für alle beim Refractionsproblem auftretenden Grössen analytische Entwickelungen (Potenzreihen) aufgestellt, und zwar ohne jede Vernachlässigung. Der zweite physikalisch-meteorologische Theil enthält zunächst eine Darstellung der Beschaffenheit der Erd- atmosphäre, soweit diese für das behandelte Problem in Betracht kommt, und des weiteren eine Untersuchung der Refraetions- coefficienten, von denen in der älteren Theorie der erste ebenfalls diesen‘ Namen führt. Für diese Grössen werden Formeln her- geleitet, die den Zusammenhang mit den meteorologischen Elementen des Beobachtungsortes ausdrücken. Daran schliesst sich eine Zusammenstellung der Beobachtungsergebnisse und eine Berechnung der Refractionscoeffieienten und des Temperatur- gefälles am Beobachtungsorte unter der Voraussetzung, dass die Temperatur eine lineare Function der Höhe ist. Die verdienstliche Schrift wird sicher bei Mathematikern, Astronomen, Geodäten, Physikern und Meteorologen mit Interesse | entgegengenommen werden. G. Oeuvres Mathematiques de Riemann, traduites par L. Laugel avee une preface de M. Hermite et un discours de M. Felix Klein. XXXV und 453 Seiten 8°. Gauthier-Villars et Fils, Paris 1898. — Preis 14 Frances. Mit der vorliegenden französischen Ausgabe der Mehrzahl der mathematischen Schriften von Bernhard Riemann hat sich Herr L. Laugel ein neues Verdienst — bisher wohl das grösste — um den wissenschaftlichen Gedankenaustausch zwischen Deutsch- land und Frankreich (und vielleicht darüber hinaus) erworben. Denn Riemann’s Gedanken, Anschauungen und Methoden be- herrschen die moderne Mathematik in hohem Grade und geben ihr ‚wesentlich das Gepräge. Für die französischen Mathematiker, die sich, wie Herr Charles Hermite, der verehrungswürdige Nestor ; derselben, in seiner schönen Vorrede zur vorliegenden Ausgabe ausführt, dem Riemann’schen Gedankenschatze schnell zugewendet haben, wird die ganz vorzügliche Uebersetzung des Herrn Laugel von grösstem Werthe sein. Die deutschen Mathematiker aber werden in dieser französischen Ausgabe von Riemann’s Werken eine Huldigung für das Genie des letzteren wie für die deutsche Wissenschaft erblieken. Ausser der erwähnten Vorrede des Herrn Hermite, der dem ganzen Unternehmen das grösste Interesse und Wohlwollen ent- gegengebracht hat, ist von Herrn Laugel noch die Rede auf- genommen worden, die von Prof. Klein in Wien 1894 über „Riemann und seine Bedeutung für die moderne Mathematik“ gehalten und im Jahresbericht IV der Deutschen Mathematiker- Vereinigung veröffentlicht hat. Zu bedauern ist nur, dass äussere Gründe Herrn Laugel daran gehindert haben, die gesammten Werke Riemann’s, die in Deutschland schon in zweiter Auflage erschienen sind, ins Französische zu übertragen. Hoffentlich ge- statten die Umstände wenigstens, dass die noch nicht übertragenen Abhandlungen recht bald in Form eines Supplementbandes er- scheinen. Die Ausstattung in Papier und Druck ist von der Vorzüglich- keit, die wir an Werken aus dem Verlage von Gauthier-Villars gewöhnt sind. Felix Klein, Conferences sur les Mathematiques faites au congres de math@matiques tenu & l’oecasion de l’exposition de Chicago. Recueillies par le professeur Alex. Ziwet. Traduites Die bekannten Chieagoer Vorträge (The Evanston Collo- quium) des Prof. F. Klein in Göttingen liegen nun 'auch in einer trefflichen, allen gedanklichen und sprachlichen Feinheiten gerecht werdenden französischen Uebersetzung vor, die sicher nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland weite Ver- breitung finden wird. Herr Laugel hat sich bereits durch Ueber- tragung einer grösseren Zahl deutscher mathematischer Schriften ins Französische aufs Beste bekannt gemacht, und er hat sich dadurch fraglos kein geringes wissenschaftliches Verdienst er- worben. Was die vorliegende französische Ausgabe des „Evanston Colloquium“ noch besonders werthvoll macht, das sind die überaus zahlreichen bibliographischen Notizen, welche zum Theil unter Mitwirkung von Prof. Klein hinzugekommen sind. Budde, Dr. E., Naturwissenschaftliche 2. Aufl. Berlin. — 4,50 Mark. Cohn, Prof. Dr. Herm,, Tafel zur Prüfung der Sehleistung und Sehschärfe der Schulkinder, Soldaten, Seeleute und Bahnbeamten. 6. Aufl. mit beweglicher Scheibe. Breslau. — 1 Mark. —.— Täfelehen zur Prüfung der Sehleistung und Sehschärfe. Ebd. 0,25 Mark. Deseniss, Paul, Zur Frage der gutartigen (hypertrophischen) Pylo- russtenose. Tübingen. — 0,70 Mark. Dornblüth. Dr. Otto, Ueber die Behandlung der Syphilis. Leipzig. — 0,50 Mark. Dimitroff, Athanas, Die psychologischen Grundlagen der Ethik J. G. Fiehtes, aus ihrem Gesammtcharakter entwickelt. Jena. — 2 Mark. Fasano, Dr. A., Die Sozojodolsalze und ihre Anwendung auf medieinischem und chirurgischem Gebiete. Leipzig. — 0,50 Mark. Fröhner, Prof. Dr. Eug., Compendium der speciellen Chirurgie für Thierärzte. Stuttgart. — 7 Mark. Goldschmidt, Dr. Ludw., Kant und Helmholtz. schaftliche Studie. Hamburg. — 5 Mark. Granier, Bez.-Phys. Sanitätsrath Dr., Lehrbuch für Heilgehilfen und Masseure. Berlin. — 4 Mark. Hammer, E. Vergleichung einiger Abbildungen eines kleinen Stücks der ellipsoidischen Erdoberfläche. Leipzig. — 1,50 Mark. Hitzig, Geh. Med.-Rath Dr. E., Der Schwindel. Wien. 2,20 Mark. Hoff, J. H. van’t, Ueber die zunehmende Bedeutung der an- organischen Chemie. Hamburg. — 0,60 Mark. Hoffa, Prof. Dr. A., Kinesiotherapie. Wien. — 1,60 Mark. Hueppe, Ferd., Handbuch der Hygiene. Berlin. — 13 Mark. Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie und verwandter Theile anderer Wissenschaften. Braunschweig. — 12 Mark Junker, Dr. Frdr., Höhere Analysis. 1. Thl. Differentialrechnung. Leipzig. — 0,80 Mark. Kölle, Mart., Beiträge zur Kenntniss des Hämatins und seiner Spaltungsproducte. Tübingen. — 0,70 Mark. Krauss, Prof. Thdr., Grundzüge der elektro-homöopathischen Thierheilkunde. Leipzig. — 1 Mark. Laquer, Dr. Leop., Allgemeine Elektrotherapie. Wien. — 3,20 Mark. Liebe, Dr. Geo., Volksheilstätten für Lungenkranke. Leipzig. — 0,50 Mark. Loewy, Dr. Alfr., Ueber bilineare Formen mit konjugirt imaginären ‚ Variablen. Leipzig. — 4 Mark. Medicinal-Kalender u. Recept Taschenbuch, Berliner, für prak- tische Aerzte. Berlin. — 2,50 Mark. Möbius, P. J., Vermischte Aufsätze. Leipzig. — 4 Mark. annann, Carl Frdr., Elemente der Mineralogie. Leipzig. — 7 Mark. Rosenberger, Prof. Dr. Ferd., Die moderne Entwickelung der elektrischen Prineipien. Leipzig. — 3 Mark. Samuel, Prof. Dr. S., Medieinische Seeten. Wien. — 1,20 Mark. —.— Allgemeine Therapie der Störungen des Localkreislaufes, Plaudereien. Populärwissen- der Localernährung und der Eigenwärme. Wien. — 3,20 Mark. Simon, Dr. Max, Analytische Geometrie des Raumes. Leipzig. — 0,80 Mark. Solereder, Priv.-Doc. Kust. Dr. Hans, Systematische Anatomie der Dieotyledonen. Stuttgart. — 9 Mark. Velzen, Dr. H. Thoder van, Die zwei Grundprobleme der Zoo- logie. Leipzig. — 2,40 Mark. Vierordt, Prof. Dr. Herm., Die angeborenen Herzkrankheiten. Wien. — 5,40 Mark. Wagner, Prof. W. u. P. Stolper, DD., Die Verletzungen der Wirbelsäule und des Rückenmarks. Stuttgart. — 20 Mark. Weiler, Prof. W., Wörterbuch der Elektrieität und des Magnetis- par M.L. Laugel. Librairie seientifique A. Herrmann, Paris 1898. mus. Leipzig. — 13,50 Mark. Inhait: F. Staudinger: Zur wissenschaftlichen Grundlegung der Ethik. — Die allgemeine ‘Versammlung der Deutschen geo- logischen Gesellschaft zu Berlin. — Eine interessante Missbildung der Birnfrucht. — Ueber die Fortschritte der Gährungs- chemie. — Die Entdeckung des Aethers? — Das Oxusproblem. — Die Höhe des Ilimani. — Aus dem wissenschaftlichen Leben, — Litteratur: Prof. Dr. William Marshall, Bilder-Atlas zur Zoologie der Fische, Lurene und Kriechthiere. — Prof. .Dr. Adolph Hansen, Die Ernährung der Pflanzen. — Alois Walter, Theorie der atmosphärischen Strahlenbrechung. — Oeuvres Math&matiques de Riemann. — Felix Klein, Conferences sur les Math&matiques. — L.iste. 588 | ÜORRKZIZLZIIIIIITKIIIITIIIIIIIIKITZEITITT | von Poncet Glashütten-Werke 54, Köpnickerstr. BERLIN SO., Köpnickerstr. 54. 3 Fabrik und Lager aller Gefässe und Utensilien für / chem., pharm., physical., electro- u. a. techn. Zwecke. [TT? Gläser für den Versand und zur Ausstellung naturwissenschaftlicher Präparate. % Preisverzeichniss gratis und [ranco. | ERRITIIXIIIIIITIIITITPEEIIIIIIIIIIIIIT Ferd. Dümmlers Verlagsbuchh. Berlin, Rinführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am kgl. Realgymn. in Berlin. 444 Seiten er. 8. Pr.6M.. geb.7 M. OH HH HH HH HH Y HS OO OH HH HH HH 99 Gasmotoren, Dynamo- und Dampf- maschinen gebraucht, garantirt betriebs- fähig, in allen Grössen offerirt Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 49. — Te oe, oT Fi oto''":" Apparate u. Bedarfsartikel. [anne ne 7 2] Nur solide Waaren. Silberne Medaillen: Berlin 1896, Leipzig 1897. kaatın- und Hand-Apparate in grosser Auswahl. Sehr empfehlenswerth sind: „Vietoria“- Klappcamera mit | IRferkelmange Spiegel-Reflex. (D. R. Pat.) Entwickelungsschaale mit Ueber- ” dach und Vertiefungen. (D. R. G.M.) Plattenwechselkasten Bon unleen mit einer Exponircassette für 12 Platten, an jede Camera anzupassen. \ „Westendorp & Wehner“-Platten (höchst empfindlich u. zuverlässig). Max Steckelmann, “ Berlin W. 8, Leipzigerstr. 331. (Kein Laden.) 4 Ferd. Dimmlers Derlagsbunnhandlung in Berlin SW. 12, Zimmerftr. 94. Der neninle Menfd,. R: Von Hermann Türd. Dritte ftarf vermehrte Auflage. Elektromotor G. m. b. H. 390 Seiten gr. 8%. Preis geb. 4,50 AL, eleg. geb. 5,60 AM. Berlin NW., Schiffbauerdamm 21. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchh. Berlin. Über geographische Ortsbestimmungen ohne astronomische Instrumente. Von Prof. Dr. P. Harzer, Director der Herzoglichen Sternwarte zu Gotha. Mit einer Tafel. Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik.) 53 Seiten Lex. 8. — Preis 1.20 M PATENTBUREAU Ulrich R. Maerz Jnh: C,Schmidtlein Ingenieur Berlin NW., Luisenstr. 22. Gegründet 1878. Patent- Marken -u. Musterschutz % Soeben erfihien: Döhft originelle — vornehm Frib Donellang. Abenteuer eines deutfchen Shiffsjungen in Kiautfdon. Mit 4 feinen Farbenbildern nad) Aguarellen zen MUilly WMerner und 111 Abbildungen im Tert. 292 Seiten groß Oftav. — Preis eleg. ged. 4 Mk. Der Verfaffer, der vor Kurzem bon feiner Reife um die Erde uriicgefebrt ıft, fchildert im Nahmen einer fpannenden Erzählung Zand und Leute in Ehina, zumal im neuen beutfchen Gebiet da- fetbft, welch Lesteres Lindenberg eingehend Fennen gelernt hat. Ein intereffantes Kapitel de3 Buches giebt eine authentische Darftellung bom Untergang des mebrere Bilder zur Verfügung ftellte. 111 Sluftrationen, zu denen auch Frau Baronin von Heyfing, die Gemablin unferes deutfchen Gefandten in Peking, mehrere treffliche Aquarelle zugeftenert bat. I IEB]| Zu Hegiehen durdy alte Suchhandtungen. [I ausgeftattete Ingendfchrift! Von Paul Findenberg. bester und :.beWährfer‘ RE Jltis, zu welcher das Reichs - Dlarineamt Den ftattlihen Band fchmüden Dünnschliff-Sammlungen für praktische mikroskopische Uebungen. Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller wichtigen Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. Rosenbusch „Mikroskopische Physiographie der massiven Gesteine“ Stutt- gart 1896. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste gedruckte Beschreibung, derart, dass der Lernende die einzelnen Gemengtheile der Gesteine makroskopisch und mikroskopisch erkennen und bestimmen kann. Sammlungen von je 120, 180 und 250 Dünnschliffen in elegantem Etui je Mk. 150, Mk. 225, bez. Mk. 325. Dieselben Sammlungen mit den dazu gehörigen Handstücken. (Format 8\/,;>< 11 em.) je Mk. 250, Mk. 390, bez. Mk. 575. Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer genauen mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate und für die richtige Auswahl von charakteristischem Material garantirt werden kann. Dr. F. Krantz, Rheinisches Mineralien -Contor. Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. Kr Ba runden ir Ethik als positiver Wissenschaft von Dr. med. Wilhelm Stern, pract. Arzt in Berlin. 476 Seiten gr. 8°. Preis 7,20 Mark. sn Lerd. Dümmlers Verlagsbudhandlung in Berlin SW. 12, erjcheint von Dftober ab: Die Dolksunterhaktung. Beitfchrift für die gefamten Beftrebungen auf dem Obebiete der Volksunterhaltung. Herausgegeben von Raphael Löwenfeld. Sährlich 12 Nummern. Preis 2 Dark. Zu beziehen durch jämtliche 9 9 Geschäftsgründung 1833. Bonn a./Rh. Geschäftsgründung 1833. } Y alel) Re lämtliche Buchhandlungen und Boftanftalten. Probenummern gratis und franko, Verantwortlicher Redaeteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12, ER = Redaktion: Was die naturwissenschaftliche Forschung -ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- den Gebil'en der Phantasıe, wırd # ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, der ihre Schöpfungeu schmückt. Schwendener Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XII. Band. | Abonnement: Man ab'nnirt bei allen Buchhanillungen und Poxt- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist #1 4.— Bringegeld bei der Post 15 ,, extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Sonntag, den 11. December 1598, t NTF50: Inserate Die viergespaltene Petitzeile 40 4. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Jugend und Alter. Von Dr. med. Michael Cohn (Berlin). Eine nordische Sage erzählt von einem König Ani, der dureh Hinopferung seiner Söhne ein höheres Alter er- tungen hatte, dass er zuletzt wieder, einem Kinde gleich, Milch trinken und, weil er nicht mehr gehen konnte, im Bette umhergetragen werden musste. Die Vorstellung, dass im hohen Alter die physische Natur des Menschen eine gewisse Aehnlichkeit annehme mit der in der frühesten Jugend, scheint danach eine uralte zu sein. Ueberblicken wir kurz die Thatsachen, auf welche diese volksthümliche Anschauung sich zu stützen vermag. Um vom Allgemeinsten auszugehen, so gestalten sich in den beiden Endperioden des Lebens sehr ähnlich die Beziehungen zum- Tode; zu beiden Zeiten dieser in gleicher unheimlicher Nähe. Denn bekanntlich ergiebt die Mortalitätsstatistik in allen Ländern, in denen eine solche überhaupt existirt, einen äusserst hohen Stand der Säuglingssterblichkeit, einen so hohen, wie er später erst wieder etwa um das 70. Lebensjahr herum erreicht wird. Allerdings existirt dabei ein Unterschied: die grosse Sterblichkeit der Greise ist eine Naturnothwendigkeit und als solehe im Wesentlichen das Product natürlicher, in der Constitution des Organismus selbst gelegener Faectoren, die der Säuglinge dagegen nit ihren erheb- lichen Differenzen, je nachdem es sich um die niederen oder die besser situirten Bevölkerungsscehichten handelt, ist, wenigstens zum Theil, durch rein sociale Momente bedingt. Freilich nur zu einem Theil; denn bis zu einem ge- wissen Grade resultirt auch sie aus natürlichen Verhält- nissen, nämlich aus der besonderen körperlichen Schwäche, Hinfälligkeit und Widerstandslosigkeit, die wiederum ein gemeinsames Attribut der Jugend und des Alters bilden. Diese hinreichend bekannte allgemeine physische Minderwerthigkeit der Kinder und der Greise ist schon oberflächlich gekennzeichnet durch einen im Ver- gleich zum Mannesalter niedrigen Stand der groben Körper- lauert kräfte, der seinerseits seine Motivirung findet in der rela- tiv schlechten Entwickelung derjenigen Gewebe, welche die grobe Kraft schlechthin repräsentiren: der Knochen und der Muskulatur. Dass Säuglinge in ihren Gesichtszügen Greisen frappirend ähneln, kommt zwar nicht oft, aber doch ge- legentlich vor. Es handelt sich dabei entweder um Früh- geborene oder um durch schwere Ernährungsstörungen atrophisch gewordene Kinder. Die welke, trockene Haut, die quer über die Stirn verlaufenden Hautfurchen, die tiefen Nasolabialfalten, die eingesunkenen Wangen, die prominenten Backenknochen verleihen diesen Geschöpfen eine typische Greisenphysiognomie. Verursacht wird dies durch den völligen Mangel des Unterhautfettgewebes, dessen Schwund ja auch den Runzelreichthum im Greisen- antlitz zu Stande bringt. Aber auch abgesehen von diesem, immerhin mehr abnormen Säuglingstypus. lassen sich doch auch ganz allgemein in der Gesichtsbildung der Kinder und der Greise Analogien nachweisen. Bei Beiden fehlen die Zähne; bei jenen sind sie noch nicht durehgebrochen, bei diesen sind sie bereits wieder aus- ‚gefallen. Dieser Ausfall der Zähne im höheren Alter führt weiter zu einer Involutionen der Alveolarfortsätze des Ober- und Unterkiefers und zu einer Annäherung dieser beiden an einander. Die Folge davon ist eine Verkürzung des Gesichtsovals, eine Verkleinerung des Gesichtsschädels. Dadurch entsteht aber ein Verhältniss des Gesichts- zum Hirnschädel, wie es sonst gerade für das Kindesalter charakteristisch ist, nämlich eine relative Kleinheit des Gesichts: im Vergleich zum Hirnsebädel. Was endlich die Form des Unterkiefers anlangt, so bilden seine Aeste mit dem Körper beim Kinde einen stumpfen Winkel, beim Erwachsenen einen rechten, im Greisenalter aber wieder einen stumpfen. So kommt es, dass das Kiefergelenk beim Kinde wie beim Greise eine gerade Linie mit dem Zahnfleisch des Oberkiefers bildet, während es beim 590 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XII. Nr. 50. te RE U — „I Manne weit höher gelegen ist. Dass im hohen Alter auch noch einmal eine Zahnung, also eine dritte Dentition vorkomme, ist freilich ein längst widerlegter Irrthum. Die natürliche Haltung des neugeborenen Kindes ist die sogenannte hockende, bei der die Oberarme an den Rumpf, die Unterarme an die Oberarme angezogen und ebenso die unteren Extremitäten in Hüft- nnd Knie- gelenk stark gebeugt sind. Es ist das dieselbe Haltung, wie sie der Embryo im Uterus einnimmt, und handelt es sich dabei nach allgemeiner Annalıme um ein vorläufiges Festhalten an jene der fötalen Epoche entstammende Ge- wohnheit. Die Frage liegt nahe, ob es auch für den menschlichen Greis eine, sozusagen, natürliche Haltung gebe, eine Haltung also, die durch seine Greisennatur be- dingt ist. Aufschluss hierüber können uns selbstverständ- lich nur Beobachtungen an Naturvölkern geben, da im Gegensatze zu unseren Neugeborenen, die sich völlig natür- lich geben, die Gewohnheiten unserer Greise unter dem Einfluss der Kultur stehen und durch Sitte und Brauch bestimmt werden. Unter diesen Umständen erscheint von nieht geringem Interesse eine gelegentliche Bemerkung, die v. d. Steinen kürzlich in einem Reiseberichte, der seinen Besuch bei den Aht-Indianern schildert, machte. In dem Dorfe dieses Stammes trifft er ururalte Männlein uud Weiblein an, die von ihm folgendermaassen be- schrieben werden: „regungslos hockend, Arme und Beine dicht angezogen, in eine blaue oder rothe Wolldecke ein- gewickelt, so dass nur die Augengegend des unglaublich verrunzelten Gesichtes und ein paar weisse Haarsträhne sichtbar werden, peruanischen Mumien zum Verwechseln ähnlich und den Gedanken anregend, dass die weit- verbreitete Hockerstellung des Todten nicht nur nicht, wie behauptet, die des Embryo, sondern vielmehr die des frierend kauernden, stumpfsinnig dämmernden Greises sein mag, der fertig ist, beigesetzt zu werden.“ Hier wird also geradözu die Vermuthung ausgesprochen, dass jene Hockerstellung für den menschlichen Greis etwas Typisches haben möge, und gleichzeitig wird auch das physiologische Motiv angedeutet, welches ihn wohl dazu veranlasst, jene eigenthümliche Haltung einzunehmen; es ist das seine Neigung zum Frieren. Thatsächlich neigt ja die Körperoberfläche alter Leute sehr stark zur Ab- kühlung; da die Hockerstellung aber gerade die ist, bei welcher der Organismus die geringsten Wärmeverluste er- leidet, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Greis von Natur möglichst bestrebt sein dürfte, sich in diese für ihn behaglichste Situation hineinzubegeben. Nun ist übrigens jene Disposition zum Kaltwerden auch dem Menschen in der frühesten Lebenszeit eigen; je näher das Kind dem Geburtstermin ist, um so leichter kühlt es ab. Es lässt sich daher auch annehmen, dass das Beibehalten der embryonalen Haltung bei dem Kinde nicht allein eine Sache der Gewohnheit, sondern zugleich der Ausdruck eines gewissen Instinktes ist; jene Haltung dürfte sich eben im Kampfe ums Dasein als zweckmässig erwiesen und sich in Folge dessen als ständige Gepflogenheit menschlicher Säuglinge durch Vererbung bis auf den heutigen Tag fortgepflanzt haben. Iu diesem Sinne ist es vielleicht auch zu deuten, dass Kinder, die gut ge- deihen, schon sehr frühzeitig speciell ihre unteren Extremi- täten auszustrecken, zu „strampeln“ beginnen, während man schwächliche, atrophische Säuglinge oft noch bis weit über die Mitte des ersten Lebensjahres hinaus mit an den Leib gezogeneu Beinchen daliegen sieht. Ein weiterer wichtiger Punkt, in dem Jugend und Alter sich begegnen, betrifft den Geschlechtstrieb. Hier wie dort ruht derselbe; dort schlummert er noch, hier aber ist er schon mehr oder weniger erloschen. Daraus ergeben sich mancherlei Aelmlichkeiten nicht nur im Seelen- sondern auch im physischen Leben der Kinder und der Greise. So hängt es jedenfalls damit zusammen, dass sich bei beiden die bekannten Unterschiede zwischen den Geschleehtern bis zu einem gewissen Grade verwischen. Männliche und weibliche Säuglinge sind, wenn man von den speeifischen Geschlechtsdifferenzen absieht, kaum von einander zu unterscheiden. Auch Knaben und Mädehen ähneln sich noch sehr, wobei es die Knaben sind, die sich mehr dem weiblichen Typus nähern. Die vollständige Differenzirung beginnt erst mit dem Eintritt der Pubertät. Im hohen Alter schwindet wieder eine Reihe von Unterschieden, männliche und weibliche Individuen werden einander wieder ähnlich. Allerdings jetzt im umgekehrten Sinne wie in der Jugend: Die Greisin ist es, die mehr männliches Aussehen be- kommt, indem in Folge des Fettschwundes die welke Haut sich wie beim Greise in Falten legt, die Glieder ihre Abrundung verlieren und die Knochen sichtbar vor- springen; ja, um die Aehnlichkeit zu vervollständigen, sieht man nicht selten bei alten Frauen an Kinn und Lippen deutliche Barthaare hervorspriessen. Hinreichend bekannt ist es, dass die Stimme im hohen Alter einen diskantmässigen, dem Timbre der Kinderstimme nahe kommenden Klang annimmt. Hervorgehoben seien schliesslich noch die Analogien, welche das Cireulationssystem darbietet. In der frühesten Lebenszeit sind die grossen arteriellen Gefässe im Verhältniss zur Körperlänge von beträchtlicher Weite und der Blutdruck ein sehr niedriger; später werden die Gefässstämme relativ sehr eng, während der Blutdruck stark ansteigt; im höhern Alter aber begegnen wir wieder Verhältnissen analoger Art wie in der Jugend, nämlich relativ weiten Arterien bei niedrigem Blutdruck. — Die cardinalen Unterschiede zwischen dem Jugend- und dem Alterszustande des Organismus beruhen in letzter Linie auf grundsätzlichen Verschiedenheiten seines Zell- lebens; und doch wäre die Frage aufzuwerfen, ob sich nicht trotzdem auch hinsichtlich der intimeren Lebens- vorgänge, deren Sitz und Träger die Zellen sind, bis zu einem gewissen Grade ein Parallelismus erkennen lässt. Zu dem Zwecke ist freilieh vorerst eine kurze Beleuchtung der hier in Rede stehenden Begriffe der Jugend und des Alters erforderlich. Die Jugend- periode lässt sich kurz und zutreffend definiren-. als die des Wachsthums, das heisst also der Zellvermehrung behufs Anbau des Organismus. Schwieriger ist die Ab- grenzung des Alters im physiologischen Sinne. Nur Folgendes lässt sich darüber sagen: Es ist nicht streng geknüpft an eine bestimmte Anzahl von Jahren; die mannigfachsten Umstände bedingen seinen frühern oder spätern Eintritt. Es setzt, wenn von der allgemeinen Seneseenz abgesehen wird, keine einheitlichen Verände- rungen, zeigt sich vielmehr bei dem Einen zuerst an diesem, bei dem Andern an jenem Gewebe, bald an diesem und bald an jenem Organe. Auch hierauf sind die verschiedensten Faetoren von Einfluss, so erbliche Disposition, so vor Allem der Grad der Abnutzung. Daher die besondere Häufigkeit der Blutgefässalterationen im höhern Alter („on a l’äge de ses arteres“), da dasCireulations- system dasjenige ist, dessen functionelle Inanspruchnahme zu keiner Minute des Lebens ruht oder auch nur eine wesentliche Herabminderung erfährt. Es gehört endlich zum Wesen der Altersphänomene, dass sie Krankheits- erscheinungen herbeiführen: Senectus ipsa morbus. Dies vorausgeschickt lässt sich in der That zeigen, dass die alternde Zelle nicht selten die charakteristischen Eigen- thümliehkeiten der jugendlichen annimmt, dass es zum Theil die gleichen Vorgänge im Zellleben sind, die in der Jugend Entwickelung, Kralt, Gesundheit und Leben und XII. Nr. 50. die im Alter Rückbildung, Hinfälligkeit, Krankheit und Tod bedeuten, dass, mit andern Worten, die Natur theil- weise mit den nämlichen Mitteln, mit denen sie auf der einen Seite den Organismus bildet und aufbaut, ihn auf der andern Seite niederreisst und zerstört. Wir hatten die Jugend als die Zeit des Wachsthums erklärt. Dieses Wachsthum vollzieht sich zum Theil durch Vergrösserung, vorwiegend aber durch Vermehrung der Elementarbestandtheile, indem aus den vorhandenen immer neue Zellen entstehen nach dem Gesetze von der natür- lichen Erbfolge der Zellen, wie Virchow neuerdings sein: omnis cellula e cellula formulirte. Dieses Wachsthum ist ferner gekennzeichnet als ein planmässiges, auf einen be- stimmten Zweck lhinzielendes, von einer prästabilirten Harmonie geleitetes. Mit dem Abschluss der Jugend hat auch die Zellvermehrung im physiologischen Leben ihr Ende erreicht; sie findet jetzt nur noch statt, soweit es sich um den Ersatz untergegangener Bestände handelt. Höchstens kommt noch eine Neubildung von Fettgewebe in Betracht, also eine Anhäufung von Luxusmaterial. Im höhern Alter ist vollends von einer Zellproliferation im Allgemeinen erst recht nicht die Rede; seine Signatur ist im Gegentheil Gewebsschwund, Neigung der Zellen zur Schrumpfung. Und dennoch sieht man inmitten der allgemeinen Involution gelegentlich Processe auftauchen, die au sich nichts Anderes darstellen als Zellwucherungen und zwar Wucherungen bisweilen von solcher Ueppigkeit, dass sie unmittelbar an den jugendlichen Wachsthums- trieb erinnern. Freilich dient der Trieb jetzt nicht der Bildung und dem Aufbau des Organismus; die Wirkungen, die er jetzt entfaltet, sind vielmehr störende und zer- störende; aber vielleicht charakterisirt ihn dies jetzt um so mehr als seniles Phänomen. © Das Prototyp dieser Alterswucherungen bildet der Krebs, das Carcinom. Bekanntlich handelt es sich hierbei zunächst um locale Zellwucherungen, die von den Geweben des äussern Keimblatts ihren Ausgang nehmen, und deren besondere Malignität darin besteht, dass sie in die umgebenden Gewebe und Organe hineinwachsen und, indem Zellkeime von dem ursprünglichen Krankheitsherde . aus durch die Blutbahn in entfernte Körperstellen ge- schleppt werden, zur Entstehung von Metastasen führen. Noch ist die letzte Ursache für das Zustandekommen der careinomatösen Processe nicht aufgedeckt; auch die Be- strebungen der jüngsten Zeit, Parasiten (Bacterien, Plas- modien oder Sprosspilze) als die eigentlichen Erreger ausfindig zu machen haben bisher zu keinem rechten Ergebnisse geführt. Eine der auffälligsten Erschei- nungen dabei bleibt immerhin die totale Aenderung des Charakters der Zellen, ihre plötzlieh und stürmisch her- vorbrechende Neigung sich rapide zu vermehren. Es ist das ein so hervorstechendes Moment, dass es, wie bekannt, zu der Hypothese Veranlassung gab, es handle sieh hier um Zellen, die der frühesten Entwickelungszeit angehörig auf embryonaler Stufe zeitlebens verharrt wären und nunmehr ihre aus jener Epoche stammende Fähigkeit üppig zu proliferiren zum Vorschein kommen liessen. Indessen neben manchem Andern bleibt dabei völlig un- aufgeklärt, warum der Krebs von gewissen Körperstellen mit besonderer Vorliebe seinen Ausgang nimmt. Was diesen Stellen aber gemeinsam ist, ist der Umstand, dass es sich um Orte handelt, welche wegen ihrer ana- tomischen Lage oder auch aus andern Gründen im Leben mannigfachen Insulten und Reizungen verschiedenster Art sehr leieht und häufig ausgesetzt sind. Deutet dieser Umstand aber nieht direet darauf hin, dass es sich hier vielleicht um eine Abnutzungs-, eine Alterserscheinung der Gewebszellen handeln möchte? Freilich lässt sich dagegen einwenden, der Krebs sei keine ausschliessliche Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 591 Krankheit des höhern Alters, käme vielmehr bereitsim dritten und sogar im zweiten Lebensjahrzehnt gelegentlich vor. Indessen auch andere locale Alterserscheinungen zeigen sich bei manchen Individuen schon sehr frühzeitig, z. B. das Ergrauen der Haare. Was die familiäre Disposition zur Krebserkrankung anlangt, so hätten wir es nach dieser Auffassung mit einer durch erbliche Anlage er- worbenen Disposition bestimmter Zellgruppen, in jener eigenthümlichen Weise senil zu entarten, zu thun. Eine weitere Form von Alterswucherung spielt sich an den zu Altersveränderungen überhaupt disponirten Blutgefässen ab. Es handelt sich dabei um Wuche- rungen, die von der Intima der Arterien ausgehen und besonders leicht zum Zerfall neigen. Zu den echt senilen Wucherungen gehört auch die Hypertrophie der Vorsteherdrüse — ein nicht seltenes Leiden alter Männer. Unter den Körpergeweben ist das Knochengewebe dasjenige, welches am längsten wächst und dessen Wachs- thumsabschluss daher auch als das Ende der Jugend- periode bezeichnet wird. Während der Dauer der Jugend- zeit müssen mithin die Zellen des Organismus das Be- streben haben, den Stoff, welcher zur Bildung von Knoehen unbedingt erforderlich ist, indem er ihm seine charakteristische Festigkeit und Härte verleiht, das ist Kalk, speeciell phosphorsauren Kalk in erhöhtem Maasse zu assimiliren; die Tendenz zu gesteigerter Kalk- aufnahme ist eine speeifische Eigenthümlichkeit des jugendlichen Stoffwechsels. Mit Beendigung des Wachsthums erlischt offenbar jene Tendenz; wenigstens begegnen wir jetzt unter normalen Verhältnissen keinen erheblichen Verkalkungsprocessen ‚mehr. Dagegen können wir im höhern Alter die Thatsache constatiren, dass sich jetzt wieder recht oft und zwar an den verschiedensten Stellen Kalk im Körper abgelägert vorfindet. Vor allem sind es auch hier wiederum die Blutgefässe, deren Wand eine Lieblingsablagerungsstätte für den Kalk bildet. Wie entstehen nun diese Altersverkalkungen? Man hat sie auf die verschiedenste Weise zu erklären versucht. Es drängt sich aber von selbst die Frage auf, ob wir es nicht auch hier gleiehsam mit einem Rückfall des alternden Or- ganismus in eine jugendliche Gewohnheit zu thun haben. Sollten -nieht vielleicht die Zellen im Alter wieder die Neigung annehmen, Kalk im Ueberschuss zu assimiliren ? Die Resultate moderner Stoffwechselversuche schemen diese Auffassung zu unterstützen; wenigstens ergaben sie, dass im Greisenalter der aus der Nahrung aufgenommene Kalk oft in viel geringeren Mengen ausgeschieden wird als in früheren Jahren. Freilich ist die Kalkablagerung in der Jugend, indem sie der Skelettbildung dient, ein nützlicher Vorgang, im Alter wird sie mit ihrer vor- wiegenden Localisation an den Arterien häufig für den Organismus höchst verbängnissvoll; an sich hätten wir es aber doch hier und dort mit dem gleichen Vorgang zu thun. Vielleicht spricht auch zu Gunsten der gemachten Annahme der Umstand, dass man neuerdings mit an- seheinendem Erfolge versucht hat, durch Gefässverkalkung hervorgerufene Krankheitszustäinde neben der Verab- folgung kalkauflösender Mittel durch Darreiehung kalk- armer Kost zu bekämpfen. Im Lichte der hier darge- legten Auffassung lässt sich möglicherweise auch eine interessante moderne ärztliche Beobachtung dem Ver- ständniss näher bringen. Bei der Knochenerweichung, der Östemalacie, einer ätiologisch noch recht dunklen Stoff- wechselerkrankung, die mit Vorliebe Frauen im geschlechts- reifen Alter befällt und, wie schon der Name besagt, zu einer erheblichen Verarmung der Knochen an Kalksalzen führt, konnte man Heilung dadurch erzielen, dass man den in solcher Weise erkrankten Frauen die Geschlechts- 592 drüsen entfernte. So merkwürdig diese Beobachtung klingt, und so schwierig sie zu deuten ist, so wurde sie doch bereits so oft gemacht, dass ihre Richtigkeit füglich nicht angezweifelt werden kann. Erwägt mau nun, dass jene Personen durch die Castration in den Zustand eines antieipirten Climaeteriums versetzt werden, und dass die Climax für die Frau den Beginn des Alterns darzustellen pflegt, so liesse sich unter der Voraussetzung, dass das Alter sehr oft mit erhöhter Kalkaufnahme einhergeht, der Gedanke wohl erwägen, ob nieht hier dereh Castration unmittelbar eine erhöhte Kalkaufnahmefähigkeit des Orga- nismus künstlich geschaffen wird, wobei der an Kalk hochgradig verarmte Knochen die im Ueberschuss resor- birten Kalksalze zunächst in Beschlag nimmt. Dem lässt sich freilich entgegenhalten, dass man ja auch sonst nicht bei im Alter der Geschlechtsreife castrirten Frauen ver- mehrte Kalkablagerungen bemerkt, sowie dass ja auch zur Zeit des natürlichen Climaeteriums durchaus nicht sofort Verkalkungsprocesse im Körper der Frauen statt- haben; allein es mag doch wohl noch einen Unterschied bedeuten, ob man die Keimdrüsen aus einem normalen, mit Kalk gewissermaassen gesättigten, oder aber aus Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. Nr. 50. einem an Kalksalzen stark verarmten Organismus entfernt, und ebenso mag es noch ein Unterschied sein, ob die Ovarien physiologischer Weise ihre Keimthätigkeit ein- stellen, wobei sie im Uebrigen noch im Körper verbleiben und möglicher Weise noch gewisse Funetionen erfüllen, oder aber ob sie plötzlich, inmitten ihrer Thätigkeit völlig aus dem Verbande des Organismus, und dazu noch eines hochgradig kalkarmen Organismus ausgeschaltet werden. — Wir: verlassen indessen diesen hypothetischen "Boden und kommen zum Schlusse. Es ist vielfach üblich, den Gang der physischen Entwickelung, die der einzelne Mensch während des Lebens durchmacht, graphisch in Gestalt einer Curve darzustellen, die mit einem aufsteigenden Schenkel beginnt, sich dann auf einer gewissen Höhe hält und schliesslich nach der andern Seite hin wieder abfällt. Im Hinblick auf das Gesagte dürften aber doch diejenigen vielleicht der Wahrheit noch näher kommen, welche es lieben von dem Öyelus des Lebens zu sprechen, sich seinen Verlauf also in Form einer Kreis- linie vorstellen, bei der Ende und Anfang sich allmählich nähern, um kaum merklich in emander zu fliessen. Einige Beiträge zur Biologie von Gasterosteus aculeatus bringt Einar Lönnberg, Docent an der Uni- versität Upsala in der von dem königl. schwedischen Fischerei - Inspeetor Dr. Rudolf Lundberg herausgege- benen „schwedischen Fischerei-Zeitschrift“ (Svensk Fis- keri-Tidskrift, VII, 1). Seine Ausführungen sind etwa folgende: Als Dr. ©. G. J. Petersen, der Leiter der dä- nischen biologischen Station, vor einiger Zeit die interessante und wohl auch sicher erwiesene Entdeckung machte, dass der Tangstichling, Gastraea spinachia, alsbald nach semmer Fortpflanzung stirbt und wahrscheinlich nicht mehr als einjährig wird, lag dann weiterhin die Frage nahe, ob nieht verschiedene andere kleine Fischarten dasselbe Schicksal hätten; mit ziemlicher Sicherheit dürfte dies der Fall sein mit einigen Gobiiden und der gewöhnlichen Meernadel, Nerophis ophidion, eine Annahme, zu welcher Lönnberg gelegentlich seiner Studien der Sundfauna während der Sommer 1896 und 1597 gelangt ist. Das individuelle Leben dieser Fische dürfte demnach auf ein Jahr beschränkt sein. Auch der Aal und das Neunauge sterben nach ibrem ersten und einzigen Laichgeschäft, aber sie haben doch eine mehrjährige Lebensperiode hinter sich, bevor sie die Geschlechtsreife erlangen. Es ist ja bekannt, von welch kritischer Bedeutung das Laich- geschäft für einige empfindliche Fische ist. Der grosse Stoffverlust in Verbindung mit der mechanischen An- strengung uud der nervösen Ueberreizung während des Laichens nimmt ihre Kräfte so in Anspruch, dass sie an Erschöpfung zu Grunde gehen. Besonders deutlich fand der Verfasser dies beim Stint und zwar “in solchen Ge- wässern, wo die Rasse klein und zart ist. Hier sieht man häufig nach dem Laichen eine grosse Menge aus- gelaichter Stinte todt an der Oberfläche des Wassers schwimmen; doch auch Fische anderer Arten fand er nach dem Laichen todt vor, was sich eben auf die er- wähnten Gründe zurückführen lässt. Ebenso hat Lönn- berg auf verhältnissmässig tiefem Wasser abgemagerte, ausgelaichte Stichlinge angetroffen, die dem Tode nahe schienen. Daraus schloss er, dass die Stichlinge, wenn sie sich dem Tode nahe fühlen, tieferes Wasser auf- suchen. Die von Gastraea spinachia bekannten Verhält- nisse und die Thatsache, dass zur Winterszeit an ge- wissen Stellen der östlichen Schären der schwedischen Küste sich grosse Massen von Stichlingen versammelten, über deren Verhalten und Zustand nichts Näheres be- kannt war, veranlassten ihn, hier eingehendere Unter- suchungen anzustellen, in der Annahme, bei Gasterosteus acul. dieselben Verhältnisse zu finden, wie bei Gastraea spinachia. Ein Waadenzug in den Schären von Södertörns bei Nynäs im Januar dieses Jahres förderte einige hundert Stiehlinge zu Tage. Ihre Totallänge schwankte zwischen 55 und 75 mm; die grössten Exemplare waren regel- mässig weiblich. Alle hatten wohlentwickelte Kiele an den Seiten der Schwanzflosse, die Eutwickelung der Seitenplatten zeigte aber verschiedene Stadien. Bei einem Theil, und zwar gerade den grössten Exemplaren, waren Seitenplatten längs der ganzen Körperseite vorhanden, während bei einem andern Theil, und das schien die Mehrzahl, mehrere Platten an dem hinteren Theil der Bauchseite fehlten und ebenso an dem vorderen Theil des Schwanzes vor den oben erwähnten Seitenkielen. Es waren somit Repräsentanten der Varietäten trachurus und hemigymnus, doch ihr gemischtes Vorkommen zeigte, dass diese Unterscheidungen keinen grösseren Werth als den von Varietäten haben, umsomehr als die Anzahl der Seitenplatten bei den verschiedenen Individuen sehr vari- irte. Der Nahrungskanal erwies sich fast nie leer; oft waren die Ventrikel von frisch eingenommener Nahrung geschwellt. Der Mageninhalt einzelner Thiere zeigte u. a. eine grosse Gammarus, fünf Exemplare von Asellus agnati- cus, bei einem dritten nicht weniger als ein Dutzend Junge der Herzmuschel und verschiedene Schnecken (Hy- drobia ulvae), ein anderer Stichling von 70 mm Länge enthielt einen jungen Schnäpel von 20 mm. Hieraus geht hervor, dass die Vitalität bei diesen Thieren keineswegs herabgesetzt war. Die übrigen Organe der Bauchhöhle waren gleichfalls völlig normal. Dass die Fische nicht im Absterben begriffen waren, ging aus dem Zustand der Geschleehtsorgane hervor, welche folgende Masse auf- wiesen: bei einem weiblichen Exemplar von 65mm Länge waren dieRogensäcke 15mm lang u. 3mmbreit, ‘ 0 n n n n » 1 6 N N N 4 pr] ” 7 1 n n ” Er] N 1 fe) ” n n» 9 n N “ 7 2 ” n n 2 n 1 5 ” n Ir) 3 » » Die Eier waren gleichfalls sehr gross, bei den grösseren Thieren etwa 0,5 mm im Durchschnitt, was XI. Nr. 50. darauf hindeutet, dass die Grössenzunahme für die nächste Laichperiode bereits begonnen hatte. Es wurde also kein Zeichen dafür gefunden, dass diese Stichlinge dem Absterben nahe, vielmehr das Gegentheil. Daraus geht hervor, dass der grosse Stichling, Gasterosteus aculeatus, mehrjährig ist. — Fische von solehen Lebensgewohnheiten wie der Stichling haben viel unter Parasiten zu leiden. Das war auch bier der Fall. Es wurden Larven von Triaeno- phorus nodulosus, die sich später im Darme des Hechtes entwickeln, einmal frei in der Bauchhöhle und ein- mal in einer grossen Cyste eingekapselt gelunden; ver- schiedene Male auch die grossen Larven von Schisto- cephalus solidus, die sich im Nahrungskanal der Wasser- vögel entwickeln. Diese Larven sind im Verhältniss zu ihrem Wirthe von bedeutender Grösse; so enthielt ein Stichling von 61 mm Länge einen Bandwurm von 50 mm Länge und 9 mm Breite, trotzdem hatte das Thier noch beträchtliche Fettkörper aufzuweisen. Des weiteren wur- den eine Botryocephaluslarve an der Leber, eine ineystirte Nematode und ein Ecehinorhynchus proteus im Darm ge- funden. G. Adam. Ueber die Biologie der interessanten, eine Zwischen- form zwischen den Amphibien (Stegocephalen) und den Reptilien darstellende Brückenechse, Hatteria punctata, konnte G. Schauinsland während seines Aufenthaltes in Neu-Seeland (1896—97) werthvolle Beobachtungen sammeln. (Sitzungsber. Akad. Wiss. Berlin, phys.-math. Cl., 3. Nov. 1598.) Auf den steilen Felseninseln der Cooks- strasse kommt sie noch in grosser Menge vor. Die Echsen leben gemeinsam mit Sturmvögeln (Puffiniden) in den von diesen hergestellten Höhlen, wie es scheint, in gutem Einvernehmen. Doch traf Sch. auch einmal eine Echse mit einem Nestjungen der Vögel im Maule. Sie sind aus- gesprochene Nachtthiere. Ihre Nahrung besteht aus Kerf- thieren, Regenwürmern und Schnecken. Lebhaft während der guten Jahreszeit, sind sie lethargisch im Winter. Von April bis August verlassen sie ihre Höhlen nicht und nehmen auch keine Nahrung zu sich. Die Männchen sind "erösser als die Weibchen; doch ist ihre grösste Länge 3/, m. Erstere übertreffen letztere an Zahl etwa um das Fünffachke. Die Eiablage beginnt im November bis December und findet ausserhalb der Höhlen an unbe- schatteten Stellen statt. Die Weibchen graben dazu Löcher von 15—18 em Tiefe, in die sie die Eier ablegen, die sie leicht mit Blättern, Gras oder Moos, sehr selten mit lockerer Erde bedecken. Die Vermehrung scheint nach der geringen Anzahl der Weibchen und Jungen eine spär- liche zu sein. Dagegen haben sie auch sehr wenig Feinde und sind sehr langlebig; sie mögen vielleicht über hundert Jahre alt werden. Die Embryonal-Entwiekelung dauert rund 1 Jahr, in der ersten Zeit verläuft sie rasch, später tritt eine ausserordentliche Verzögerung ein. Wie auch bei anderen Reptilien ist bei älteren Embryonen die ganze Nasenvorhöhble derart durch eine Zellenmasse verstopft, dass ihr Lumen ganz verschwunden ist. Dieser Zell- pfropf entsteht durch Wucherung des Epithels der Vor- höhle und wird erst kurz vor dem Ausschlüpfen wieder rückgebildet. Reh. Ueber das Leuchten von Ceratium tripos, einer Plankton-Peridinee. Ceratien bilden einen wesent- lichen, stellen- und zeitweise sogar den Hauptbestandtheil des Planktons, wie die Analysen ergeben haben. Die- selben wurden früher und werden hie und da auch noch heute zu den Thieren und zwar zu den Dinoflagellaten gerechnet. Nach den Untersuchungen von Bütselhli, Klebs Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 593 und Sehütt erscheint es jedoch richtiger, sie zu den Pflanzen und zwar zu den Peridineen zu zählen, die nach F. Schütt (Das Pflanzenleben der Hochsee. In Ergebnisse der Plankton-Expedition, Bd. I, Reisebeschreibung von Krümmel) eigentlich dem „Grenzgebiete* angehören, „wo thierische und pflanzliche Charaktere noch nicht scharf geschieden sind“. Und in der That stehen einige dieser kleinen Organismen den Pflanzen, speciell den Diatomeen sehr nahe, besitzen braune Chromatophoren, deren Farb- stoff dem Diatomin allerdings nicht gleich, jedoch sehr ähnlich ist, und Schalen, die sich aus nicht verkieselten Celluloseplatten zusammensetzen, während andere be- sonders hinsichtlich ihrer Ernährung eine Annäherung an das Thierreich zeigen, insofern man bei ihnen die Auf- nahme geformter Nahrung mittelst einer Mundöffnung beobachtet hat.*) Oben erwähnte Ceratien sind es nun auch, die, wie man seit einiger Zeit weiss, für das Phä- nomen des Meeresleuchtens wenigstens in bestimmten Gegenden vorzugsweise in Betracht kommen. Eine inter- essante Arbeit „Ueber das Leuchten von „Ceratium tripos“ hat J. Reinke gebracht (Wissenschaftliche Meeresunter- suchungen, herausgegeben von der Commission zur wissen- schaftlichen Untersuchung der deutschen Meere in Kiel ete. N. F. III. Bd., Abtheilung Kiel, 1898), über die hier be- richtet werden soll. Das im Spätsommer und Herbst in der Kieler Bucht häufig zu beobachtende Meeresleuchten wird in erster Linie durch Ceratien hervorgebracht, die in jener Zeit den überwiegenden Bestandtheil des dortigen Planktons ausmachen, und zwar besonders dureh Ceratium tripos, während Ceratium fusus und ©. furea sehr zurück- treten... Trotz reichlichen Vorkommens der Öeratien leuchtet das Wasser im Spätherbst weniger als in der vorhergegangenen Jahreszeit, so dass die Vermuthung nahe liegt, es habe das ebenso seinen Grund in der Er- niedrigung der Wassertemperatur, wie man ja auch von anderen leuchtenden Pflanzen weiss, dass ihre Phosphores- cenz durch eine Temperaturerniedrigung herabgesetzt wird. Das Leuchten selbst beruht nach dem Verfasser höchst wahrscheinlich auf einem Oxydationsvorgange, der etwa in der Weise zu erklären wäre, dass die Ceratium- Zellen eine leieht verbrennliche Substanz erzeugen, die durch den aus dem Meerwasser eingeathmeten Sauerstoff oxydirt wird. Da das Leuchten nur bei der Bewegung des Wassers auftritt, erweist es sich als eine Reizer- erscheinung, bei der die Auslösung des Reizerfolges durch einen Schlag oder Stoss, also durch mechanischen Reiz bewirkt wird. Unentschieden bleibt vorläufig noch, ob nur bei soleher mechanischen Reizung der leuchtende Stoff ausgeschieden wird oder ob nur dann die Oxydation eine lebhaftere ist. Jedenfalls aber lässt sich denken, dass die Verbrennung der oxydirbaren Substanz in ruhigem Wasser so langsam, mit so geringer Energie vor sich geht, dass man dieselbe nieht wahrzunehmen im Stande ist, dass andererseits durch einen Reiz (der natürlich in jedem gegebenen Fall eine bestimmte Grösse erreichen muss) auf das Protoplasma eine so erhebliche Steigerung der Verbrennung herbeigeführt wird, dass dieselbe in einem Leuchten zum Ausdruck kommt. Von der sicheren Thatsache ausgehend, dass die Ceratien auf Stoss oder Sehlag mit einer Lichterscheinung reagiren, wurde nun die Frage aufgeworfen, ob die Organismen ausser auf mechanische auch noch auf andere Reize mit einer gleichen Reaktion antworten und dementsprechend eine Reihe von Versuchen angestellt, die folgende Resultate ergaben. Ceratien in Meerwasser von 6—8° C., die nur noch leuchteten, wenn dass Wasser heftig geschlagen wurde, *) Vergl. Eingehendes über die Peridineen in der „Naturw. Wochenschr.“ Bd. VIL, 1892, S. 173—119 und die Tafel auf 18.175. Red. 594 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 50. zeigten nach Erwärmung desselben auf etwa 31° C. und bei vollkommener Ruhe der Flüssigkeit ein gleichförmiges Leuchten. Als die Temperatur auf 51° gestiegen war, erlosch das Leuchten, konnte jedoch durch chemischen Reiz wieder hervorgerufen werden, — ein Zeichen dafür, dass die Ceratien noch nicht abgestorben waren. Wurde ein heisser Körper in das Meerwasser hineingetaucht, dann trat im Umkreise desselben ebenfalls ein vorüber- gehendes Leuchten ein. Hierdurch ist der Beweis er- bracht, dass auch Erwärmung eine Auslösung bewirken kann. Desgleichen hatten die Versuche mit chemischen Reizen positive Erfolge. Schwefelsäure und Natronlauge riefen gleichförmiges Leuchten hervor, bei einem be- stimmten Gehalt des Wassers an dem einen oder anderen von beiden Stoffen trat Erlöschen des Leuchtens und Tod der Zellen ein. Zusatz von Aethyl-, Amylalkohol oder Aether rief gleichfalls Leuchten hervor. Ein An- ästhesiren des letzteren war nicht zu bemerken. Jod in Jodkaliumlösung oder Alkohol — eines der stärksten Protoplasmagifte — verursachte sehr kräftiges Leuchten, bei grösserem Zusatz baldigen Tod. Eisenchlorid wirkte zwar langsam, dafür aber um so länger. Daraus ergab sich, dass chemische Reize denselben Erfolg hatten, wie mechanische, und da Stoffe ganz verschiedenen chemischen Charakters sich gleichartig zeigten, konnte es sich nur um Reizwirkungen, nicht aber um Herbeiführung besonders günstiger Oxydationsbedingungen handeln. Die Resultate der mit elektrischen Reizen angestellten Versuche waren bei der Anwendung von Wechselströmen negativ, während bei dem Hindurchleiten des galvanischen Stromes durch die Flüssigkeit um beide Elektroden ein prachtvolles Leuchten auftrat. Da letzteres jedoch auf die elektro- Iytische Zersetzung des Meerwassers in Salzsäure und Natronlauge zurückzuführen und also eigentlich als eine . chemische Reizwirkung aufzufassen ist, kann der directe Einfluss der Elektrieität hierin nicht erbliekt werden. Den Schluss mögen des Verf. eigene Worte bilden: „Aber selbst wenn wir die Wirkung der Elektrieität dahingestellt sein lassen, so ist nicht daran zu zweifeln, dass ganz verschiedenartige Reize, nämlich mechanische, thermische und chemische Einwirkung in den Zellen von Ceratium eine identische Reaction, das Aufleuchten, her- vorrufen. Darin glaube ich eine bemerkenswerthe Ana- logie zu den specifischen Sinnesenergien thierischer Nerven- endigungen erblicken zu dürfen. Wie der Sehnerv mit einer Liehtempfindung reagirt, mag er durch strahlende Energie, durch Stoss oder durch Elektrieität gereizt werden, so reagirt das Protoplasma von Ceratium durch Aufleuchten auf die verschiedensten Reize. Der Unter- schied zwischen beiden Phänomenen besteht allerdings darin, dass das Leuchten des Sehnerven ein subjectiver, das Leuchten von Ceratium ein objeetiver Vorgang ist. Allen auch der Lichterscheinung im Auge dürfte ein objeetiver Vorgang zu Grunde liegen, der vielleich in einer chemischen Umsetzung besteht und dadurch im eigenen Auge des Beobachters den Lichtreiz weckt, den das Leuchten von Ceratium im Auge des Experimentators hervorruft. Dann würde die Action der specifischen Sinnesenergie immerhin in einer ähnlichen Reaction ihre Grundlage haben, wie das Leuchten der Peridineen. Wie dem aber auch sein mag, bei Ceratium rufen die ver- schiedenen Reize sicher die gleiche chemische Reaction hervor, die in einer Verbrennung oder der Steigerung einer Verbrennung besteht, und das ist eine Thatsache von nicht geringem Interesse.“ A.L. Den „Beiträgen zur Kenntniss der chemischen Zusammensetzung des Planktons“ von K. Brandt (Wissenschaftliche Meeresuntersuchungen herausgeg. v. d. Kommission z. wissenschaftl. Untersuchung der deutschen Meere etc. N. F. III. Bd. Abthg. Kiel) sind folgende inter- essante Mittheilungen entnommen. Als Nahrung produeirende Pflanzen kommen im Meere zwei Gruppen in Betracht: 1. Die Uferpflanzen wie z. B. (Seegras, Tange, Florideen, Ulven und andere Grünalgen, sowie eine grosse Anzahl von einzelligen Algen, wie Diatomeen ete.) und 2. die Planktonpflanzen, die frei im Wasser schwimmenden Diatomeen, Poridineen, Silico- flagellaten, einige andere Flagellaten, Spaltalgen oder Oscillarien, Pyroeystis, Halosphaera, die ausser den beiden letztgenannten Gattungen sämmtlich in der westlichen Ost- see vertreten sind. Die Hauptbedeutung der Uferpflanzen für die Thierwelt der Seichtwasserregion liegt darin, dass sie den Thieren Anheftungsgelegenheit bieten und zum Versteck dienen, zugleich auch ein Substrat für Diatomeen- rasen und andere kleine Nahrungsobjecte der Thiere bilden, während sie als Nahrungsproduzenten für die Thiere allem Anschein nach nur wenig Werth haben. Die abgestorbenen verwesenden Uferpflanzen und die Geschlechtsproducte bezw. Schwärmzustände von Ufer- algen fallen dabei schon mehr ins Gewicht, indem die letzteren, dem Uferplankton beigemischt, auch den plankton- fressenden Thieren zur Nahrung dienen, während die ver- wesenden Algen und das abgestorbene Seegras durch Wellensehlag und ablandige Strömung allmählich in das tiefere Wasser gelangen und zu einem wichtigen Nähr- material für viele, mudfressende Schlammbewohner werden. Da der Mud oder schwarze Schlamm sich aber auch aus abgestorbenen Planktonorganismen und aus den Ruhe- zuständen von Thieren und Pflanzen des Plankton zu- sammensetzt, so können die Mudfresser bis zu einem ge- wissen Grade auch als Planktonzehrer gelten. Die Planktonpflanzen kommen für die Nahrungsproduetion er- heblich mehr in Betracht als die Uferpflanzen. Sie bilden das Nährmaterial für alle Planktonthiere, und auch ein- zelne Nutzfische, wie Olupeiden und Makrelen, nähren sich fast ausschliesslich von Planktonorganismen. Manche Uferfische scheinen fast nur von kleinen, schwimmenden Organismen zu leben. Eine sehr grosse Menge von Thieren der Uferregion nährt sich in frühester Jngend von Auftrieborganismen. Die Eigenthümlichkeit der meisten Meeresthiere, eine Metamorphose zu durchlaufen, hängt mit dem Vorhandensein von sehr zahlreichen, kleinen Nahrungsobjeeten (Planktonorganismen) und der mehr oder weniger gleichmässigen Vertheilung derselben im Wasser zusammen. Die jungen, freischwimmenden Larven von vielen Uferthieren gehören zum Küstenauftrieb, nähren sich von Plankton uud sind selbst Nahrung von Plankton- fressern. Festsitzenden Uferthieren wird dieses Plankton- Nährmaterial durch die Bewegung des Wassers zugeführt, während andere freibewegliche Uferthiere sich durch Wimpervorrichtungen das Plankton zustrudeln. Die meisten Planktonzehrer besitzen Einrichtungen, die eine mecha- nische Auswahl der Nahrung ermöglichen und zwar in der Weise, dass die einen vorzugsweise auf kleinere Planktonorganismen dadurch angewiesen sind, während andere hauptsächlich von grösseren leben. Es wird dabei also ein Plankton aufgenommen, das sich aus Pflanzen und Thieren von ungefähr gleicher Grösse zusammensetzt, demnach gemischt is. Um nun den Nährwerth bezw. die chemische Zusammensetzung dieser gemischten Nah- rung an und für sich festzustellen, wurde eine Anzahl von Analysen gemacht und Vergleiche mit den auf dem Lande produeirten Futterstoffen angestellt, deren wesentliche Resultate hier mit Uebergehung der Vorarbeiten, genaueren Untersuchungsmethoden ete. wieder- gegeben werden sollen. Vorausgeschiekt sei noch, dass das gesammte Untersuchungsmaterial aus der Kieler XIII. Nr. 50. Bucht stammte und in überwiegender Masse den Diato- meen, Peridineen und Copepoden angehörte, von denen die ersten besonders durch Chaetoceros.aber auch Scele- tonema und Rhizolosenia vertreten waren. Von den Peridineen herrschte im Herbst und Winter stets Ceratium, speeiell ©. tripos vor, im April und Mai Peridinium und Dinophysis, während von den Copepoden im Herbst und Winter bithona spinirostris am häufigsten war. 1. Herbst- und Winterplankton. Im October und November steht die Zusammensetzung des Gesamnit- plankton in der westlichen Ostsee etwa in der Mitte zwischen Fettweide und mittelgutem Lupinen-Grünfutter. Eiweiss Fett Asche Procent Procent Fettweide 20,6 4,5 64,6 10,1 Herbstplankton 20,2-21,8 2,1—3,2 60,0-68,9 8,5—15,7 Lnpine 20,6 2,6 12,0 4,6 2. Peridineen allein (vorwiegend Ceratium). Bei dem geringen Fett-, aber bedeutenden Kohlenhydrate- gehalt (Rohfaser besonders) kommt ihre Zusammensetzung der von Stroh und weniger gutem Wiesenheu nahe, während der Eiweissgehalt dem von gutem Wiesenheu und Grünfutter von Roggen entspricht. Kohlenhydrate N.-freie Eiweiss Fett en Bob; Asche Pirgorelesntt Wiesenheu, weniger gut 87 17 45 391 5,8 Roggenstroh BDO 58 SED SEAT Peridineen 1 el Br hr Wiesenheu gut, IB,09 BB 4BDmE26,B0 82 Roggengrünfutter aller, alle ir) ehe) Bezüglich des hohen Gehalts an Rohfaser wird darauf hingewiesen, dass dieselbe bei den Peridineen in weniger compakter Form vorhanden sei als in dem Heu und Stroh, dass auch eine Anpassung der Meeresthiere an Peridineen- kost möglich sei, die eine bessere und leichtere Ver- arbeitung der Cellulose gestatte, als die Landthiere sie in Bezug auf Heu und Stroh’ besitzen. 3. Frühjahrsplankton. Vom Februar bis August ‚oder September macht sich ein hoher Gehalt an Kiesel- säure bemerkbar, der ganz besonders in der Wucherungs- periode der Diatomeen also im März und April hervortritt. 4. Diatomeen allen. Zum Vergleich wurde nur die aschefreie Substanz der Diatomeen berücksichtigt. Kohlen- Eiweiss Fett hydrate Pörkollere nt Futterwieke, sehr gute 26,6 3,0 70,0 Fettweide 23,0 5,0 12,0 Lupine, gut 25,5 2,8 71,6 Lupine, sehr gut 29,3 2,8 67,8 (Erbsenkörner 22 2,3 70,4) Diatomeen 28,7 8,0 63,2 Darnach unterscheidet sich die aschefreie Trocken- substanz der Diatomeen durch sehr hohen Fettgehalt und Armuth an Kohlenhydraten von der hier natürlich auch nur in Beziehung gebrachten, aschefreien Trockensubstanz der genannten Futterpflanzen. 5. Sommerplankton. Da dasselbe in überwiegen- der Menge aus Thieren bestand, konnte ein Vergleich mit vegetabilischen Futtermitteln nicht angestellt werden. Der Eiweiss-Gehalt war hoch, der Gehalt an Kohlen- hydraten niedrig, der Fettgehalt einmal niedrig, in anderen Fällen abnorm hoch. Hierbei bedarf es aber noch der genaueren Untersuchung, ob die Planktonpflanzen im Sommer thatsächlich so stark gegenüber den Plankton- thieren zurücktreten, da den Bestimmungen nur das Material zu Grunde lag, das beim Abfiltriren mit Müller- Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 595 gaze von bestimmter Maschenweite zurückgeblieben war, und es immerhin denkbar ist, dass den Planktonzehrern neben den hier besonders zur Untersuchung gekommenen Planktonthieren auch noch eine Menge von pflanzlichen Organismen als Nahrung zur Verfügung steht, die aber ihrer Kleinheit wegen durch das Netzzeug nicht zurück- gehalten wurden. A. L. Der Speckstein im Fichtelgebiree. — Der vor- treffliche Fichtelgebirgsführer von Dr. Schmidt in Wun- siedel, dem Enkel jenes Schmidt, dem aut der Luisen- burg für seine Verdienste um die Erschliessung des Fichtelgebirges ein Denkmal erriehtet worden ist, führte mich bei einer Fiechtelgebirgsreise, auf der ich besonders Pflanzen, Gesteinen und Industrien meine Aufmerksamkeit schenkte, zu einer besonderen Betrachtung des Speck- steinlagers von Göpfersgrün und Thiersheim. Dr. Schmidt unterrichtet so vielseitig über das Fichtelgebirge, dass man seinen Führer jederzeit gern zur Hand nimmt. Das Fichtelgebirge ist von den bedeutendsten Speeialgelehrten erforscht worden und mit den Ergebnissen derselben macht Schmidt uns ausführlich bekannt. Zu jenen zahl- reichen Quellenangaben füge ich nur noch hinzu, dass auch die Perlmuscheln des Fichtelgebirges von einem Münchener Gelehrten, und zwar von Professor von Hess- ling zum Gegenstand eingehender Untersuchungen ge- macht worden sind. Wer auch die Schönheitslinien des Fichtelgebirges kennen lernen möcht:, der lese J. L. Müller „Aus deutscher Gebirgswelt“, und wer einmal über derbe Fichtelgebirgspoesie lachen will, der lese „Aus allen Töpfen“ von Samuel Bach (Wunsiedel, Kohler’sche Buch- handlung). Eine alte Industrie des Fichtelgebirges ist die Steinhauerei, die schon im 14. Jahrhundert im-Gange war, und 1481 kamen bereits Steinhauer aus dem Fichtel- gebirge zum Bau der Albreehtsburg nach Meissen. Be- sonders aber in den letzten Jahrzehnten hat die Granit- industrie einen Umfang angenommen, der leider die Sehönheiten des Gebirges zu beeinträchtigen beginnt. Besonders ist die Kuppe des Epprechtsteines stark ab- gearbeitet worden. Allerdings hat man hier auch die herrlichsten Krystalle gefunden. Den Mineraliensammlern im Fichtelgebirge ist es darum gelungen, durch Austausch ihrer Besonderheiten reichhaltige und werthvolle Sammlungen von Gesteinen aller Erdtheile zu bekommen, die man wirklich bewundern muss. Mir führte die Bekanntschaft eines solehen Mannes eine ganze Kiste Fichtelgebirgsmineralien zu. 5 Als die Granitindustrie des Fichtelgebirges einen so grossartigen Aufschwung nahm, wurde besonders auch dem Speckstein eine besondere Beachtung geschenkt. Den Mineralogen ist der Speckstein des Fichtelgebirges allerdings schon lange bekannt. Die wunderbaren Pseudo- morphosen des Specksteins waren es, die die Mineralogen in früheren Zeiten als etwas Unerklärliches ansahen. Allein auch heute noch werden, nachdem man die Ent- stehungsweise dieser merkwürdigen Bildungen klar er- kannt hat, die Specksteinpseudomorphosen von Göpfers- grün und Thiersheim zwischen Wunsiedel und Selb von den Mineralogen eifrig gesucht. In dem Glimmerschiefergebiet dieser Gegend haben sich aus ursprünglicher Kalklösung Lager eines körnig- krystallinischen Dolomites (magnesiahaltigen Kalkes) ge- bildet. Stark kieselsäurehaltige Gewässer, zu denen das Material die benachbarten krystallinischen Schiefer und Granite lieferten, wandelten diese Gesteine in kieselsaure Magnesia, also in Speckstein um. Das Göpfersgrüner Specksteinlager ist das bedentendste in Europa, denn es ist 5 Kilometer lang, 1,5—2 Kilometer breit und 2 Meter mächtig. Es liegt zwischen Thon und Glimmerschiefer, 596 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. Grünstein und Dolomit. 0 kleine Specksteinlager im Serpentin bei Zöblitz und Wald- heim. Der Speckstein tritt gewöhnlich auf in Spalten, in Nestern und Lagern derjenigen Mineralien, durch deren Zersetzung er entstanden ist, also im Augit, in der Horn- blende, im Chlorit, im Serpentin und in anderen Magnesia- silikaten. Nach Remmelsberg besteht er aus 62,60 pCt. Kieselsäure, 32,52 pCt. Magnesia und 4,58 pÜt. Wasser. Der reine Speckstein hat eine weisse Farbe, aber durch Verunreinigungen wird er gelblich, röthlich, grünlich und bräunlich gefärbt. Die scheinbar amorphe, aber unter dem Vergrösserungsglas kıystallinisch erscheinende Masse tritt .bei Göpfersgrün und Thiersheim in kartoffel- bis kopfgrossen Massen auf und wird bergmännisch aus der Tiefe zu Tage gefördert. Früher gehörten diese Speck- steingruben dem Staate, aber weil derselbe mit dem da- mals werthlosen Material nichts anfangen konnte, ver- kaufte er sie an Privatleute, die aber auch nur Pseudo- morphosen herausholten. Bei Thiersheim werden jetzt noch kleine Kugeln aus gebranntem Speckstein gefunden, die im Mittelalter als Büchsenkugeln gedient haben. Spottweise nannte man die Thiersheimer „Kugelschaler“. Sie schafften die Specksteinkugeln in vielen Wagen nach Nürnberg und wiederum von dannen durch ganz Deutsch- land. Funde am Pfeifersberg bei Wunsiedel und bei Riegersgrün haben ergeben, dass der Speckstein schon in vorgeschichtlicher Zeit benutzt worden ist. Verwendet wird der Speckstein zum Poliren von Horn, als Schmiere für Schrauben und Zapfen, zum Zeichnen auf Glas, Por- zellan, Tuch und Seide, zum Beseitigen von Fettfleeken aus Kleidern und Papier, zu Krystallmodellen, Bildsäulen, Schmelztiegeln, Lampen, Wasserröhren, Knöpfen, Griffen u. s. w. Der Fiehtelgebirgsspeckstein aber gilt als uner- setzliches Material zur Gasbrennerfabrikation. 1878 wur- den dort 1500 Centner und 1891 48420 Centner Speck- stein im Werthe von 290520 Mark gewonnen. Der Speckstein ist weich und lässt sich leicht bearbeiten, doch im Feuer wird er so hart, dass er Glas ritzt und am Stahl Funken giebt. In gebranntem Zustande ist der Speckstein unverwüstlich und darum eignet er sich vor- trefflieh zu Gasbrennern. Die Brenneröffnungen, Sehnitte und Bohrungen bleiben immer gleiehmässig scharf, und Veränderungen durch Oxydation und Verbrennung, wie sie bei Metallbrennern eintreten, sind ausgeschlossen. Der Speckstein ist ferner ein guter Wärmeisolator, und darum kann die Wärme nieht durch die Metallröhren weggeleitet und ausgestrahlt werden. Es geht mithin von der erzeugten Wärme nichts verloren, und der Gas- hahn erhitzt sich nieht. Speckstein wird für Sehnitt-, Rund-, Glühlieht- und Intensivbrenner, zu Bunsenröhren für Abzüge und Kochbrenner verwendet. Der Speckstein ist ein schlechter Leiter der Elektri- eität und wird darum auch in immer grösserer Menge in der Elektrotechnik benutzt. Gegenstände, die sich nur schwer abnützen sollen, werden ebenfalls aus Speckstein bereitet, wie Matrizen für die Bleistiftfabrikation, Spindel- pfannen für Webestühle u. s. w. Von den zahlreichen Brennereonstructionen, die aus Speckstein hergestellt werden, hebe ich noch hervor Schnitt- und Hohlkopf- brenner für Steinkohlengas, Zweilochbrenner für Leucht- und Oelgas und Acetylen (die Brenner für Acetylen müssen Oeffnungen von capillarer Feinheit haben, weil der Gasdruck fünfmal stärker ist), Doppelbrenner zur Er- höhung der Helligkeit der Flamme und Illuminations- brenner mit mehreren Oeffnungen an den Seiten. Die Erzeugung der Gasbrenner wird durch einfache Dreh- und Fräsarbeit ausgeführt, doch gehen einzelne Brenner- sorten bis zu ihrer Vollendung zehnmal durch die Hände. In Sachsen z. B. giebt es nur I XII. Nr. 50. Sehliesslich will ich bemerken, dass die Specksteingruben des Fichtelgebirges der Gasbrennerfabrik von Stadelmann und Comp. im Nürnberg gehören, die ihre Fabrikate bis Amerika versendet. L. Herrmann. Ueber Verbindungen von Chloral mit Formal- dehyd hat A. Pinner in den Ber. Deutsch. Chem. Ges. 31, 1926 eine Arbeit publieirt. Bei Versuchen, Chloral mit Formaldehyd zu dem Aldehyd der Trichlormilchsäure, CCl, - CH(OH)CHO zu eombiniren, ist Verfasser statt der Erleten Verbindung zu einer Reihe neuer Substanzen gelangt. Löst man Chloralbydrat in etwas mehr als der äquimolekularen Menge Formalin und fügt unter Kühlen und Umschütteln auf 100 g Chloralhydrat allmählich 60 g eoncentrirte Schwefelsäure hinzu, so scheidet sich am Boden des Gefässes ein dickes, zähes Oel ab, das aus einer Verbindung von Chloral mit Formaldehyd besteht. Das Product ist weder bei gewöhnlichem Luftdruck noch im luftverdünnten Raum unzersetzt destillirbar und wird durch Wasser in seine Componenten zerlegt. Fügt man aber zu der Lösung von Chloralhydrat in Formaldehyd auf 100 & Chloralhydrat etwa 300 g con- centrirte Schwefelsäure und überlässt das Reaktionsge- misch sich selbst, so beginnt schon nach wenigen Stunden das Auskrystallisiren feiner Nadeln und nach 24 Stunden ist die ganze Oelschicht zu einem harten, weissen Krystall- kuchen erstarrt. Die Masse besteht aus drei Verbindungen, einer in den gewöhnlichen Lösungsmitteln schwerlöslichen, bei 189° schmelzenden, aus gleichen Molekülen Chloral und Formaldehyd zusammengesetzten Substanz, einer zweiten weit leichter löslichen, bei 129° schmelzenden, aus zwei Molekülen Chloral und 1 Molekül Formaldehyd resultirenden Verbindung und einer harzartigen Substanz, deren Zusammensetzung nicht genau ermittelt werden konnte. Die entstandenen Verbindungen sind keine Aldehyde und zeichnen sich durch sehr grosse Beständigkeit aus. Kocht man die hochschmelzende Verbindung (C,H,C1,O, in eisessigsaurer Lösung mit Zinkstaub, so erhält man eine bei 87° schmelzende Verbindung C,H,C1,0,, die dureh Zinkstaub nicht mehr verändert wird; in gleicher Weise erhält man aus der bei 129° schmelzenden Verbindung C;H,Cl, O, einen bei 68° schmelzenden Körper 0;H;C1,O,, d. h., es wird für jedes CC], nur ein Chlor durch Wasser- stoff ersetzt. Erhitzt man das hochschmelzende Product mit Natrium- alkoholat auf 100°, so erhält man hauptsächlich eine bei 114° schmelzende Verbindung C,H;(0C,H;),C1,0, neben einer zweiten C,H,C1,0,, die bei 106° schmilzt. Wird die Substanz mit 3 Molekülen Kaliumhydroxyd und der 4—5 fachen Menge Anilin 5—10 Minuten lang gekocht, so findet ziemlich energische Reaktion statt, und es entsteht C,H,C1,O, nach folgender Gleichung: (,H,C1,0, + 2KHO = (,H,(OH),01,0, + 2KCl C,H,(0H),C1,0, = C;H,C1,0, + 2H,0; wendet man einen grossen Ueberschuss von Kali und Anilin an, so resultirt unter sehr energischer Reaktion oxalsaures Anilin. Alkoholisches Ammoniak bewirkt bei der hoch- schmelzenden Substanz Anlagerung von Wasser und giebt einen Körper C,H,nC1,0;; bei der niedriger schmelzenden Verbindung wird Salzsäure abgespalten, man erhält einen bei 69° schmelzenden Körper, der die Formel C,H,C1,0, besitzt. Aus diesen Reaktionen lässt sich die Constitution der beiden Chloral-Formaldehydverbindungen mit Sicherheit ableiten. XII. Nr. 50. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Es entsteht zunächst Chloralmethylenglykolat: O.CH,- OH CC1,CHO + CH;(OH,) = CC], - u OH, das sich mit einem zweiten Molekül Chloral vereinigt: O-CH; - OH \ CC1,CHX + CC1,CHO SOH ‚0.CH;3:-0O\ - CC, SCH. CCl;; NoH #07 die zweite Verbindung giebt mit einem weiteren Molekül y® - CH, -O\ CH,(OH), das Acetal: CC], - CH? ‚CH. CCl,, NOMCHZ- 07 während ein kleiner Theil durch die concentrirte Schwefel- ‚0 .CH, - OÖ, säure Wasser abspaltet und in CO], - CH“ ‚CH- Ber yes - CCl, übergeht. Pinner schlägt vor den achtgliederigen Ring ,0.CH,-0 CH,“ SCH, No .. CH, - 0° als Tetroxan und den sechsgliederigen Ring OÖ. CH. CH;\ 0 SO/CH;7 als Trioxin zu bezeichnen; dann würde die Verbindung O.CH;- 0 COl,.- CHX >CHCCI, \0-CH,- 0 Hexachlordimethyltetroxan, die durch Reduction daraus . erhaltene Substanz C,H,C1,0, Tetrachlordimethyltetroxan, die durch Salzsäureabspaltung entstandene Verbindung C,H,C1,0, Tetrachlordimethentetroxan zu benennen sein. O.CH,\ Für CC], - CHX „0 NO - CHX N ech, nung Hexachlordimethyltrioxin, für C;H,C1,0,, Tetrachlor- dimethyltrioxin, für C,;H,C1,0, endlich Tetrachlordimethen- trioxin zu wählen sein. würde die Bezeich- Experimenteller Theil. Hexachlordimethyltetroxan. Man löst 2 Theile Chloralbydrat in einem Theil Formalin und giebt unter Schütteln und Kühlen in Porti- onen von 20—50 g T Theile concentrirte Schwefelsäure hinzu; dann lässt man das Reaktionsgemisch zwei bis drei Tage stehen, saugt den ausgeschossenen Krystallbrei ab, wäscht ihn mit Wasser und nimmt die leichter lös- lichen Antheile, namentlich die Verbindung C,H,C1,O, mit Aether auf. Der Rückstand wird zweckmässig aus heissem Eisessig umkrystallisirt. Das Hexachlordimethyltetroxan, krystallisirt in glän- zenden Prismen, die bei 189° schmelzen, es ist unlöslich in Wasser, löst sich wenig in kaltem, sehr schwer in kochendem Alkohol und Aceton und etwas leichter in heissem Benzol und Ligroin. Tetrachlordimethyltetroxan, /O,SCHEE0: CHOI, - CHX CH - CHCI, NOriCcHZu0? Behandelt man die vorhergehende Verbindung in heisser eisessigsaurer Lösung mit Zink und versetzt das Filtrat mit einem gleiehgrossen Volumen Wasser, so scheidet sich beim Erkalten das Tetrachlordimethyltetroxan in feinen, weissen Nadeln ab. Die Verbindung schmilzt bei 87°, ist unlöslich in Wasser, leicht löslich in den üb- lichen organischen Lösungsmitteln. Dioxäthyltetrachlordimethyltetroxan, ‚0.CH, O0 CC1,(0C,H;) - CHX »CH. CC1,(0C,H,) SO. 2CH30 Zur Bereitung der Verbindung wird Hexachlordimethyl- tetroxan mit starkem Natriumalkoholat 10 Stunden im geschlossenen Rohr auf 100° erhitzt; die stark alkaliseh- alkoholische Lösung wird mit Wasser versetzt, mit Kohlen- säure behandelt und vom Alkohol befreit. Man wäscht den Rückstand mit Wasser und krystallisirt den hinter- bleibenden Theil aus Alkohol um. Das Dioxäthyltetra- ehlordimethyltetroxan krystallisirt in dicken, zu Krusten vereinigten Prismen, die bei 114° schmelzen. Tetrachlordimethentetroxan, ÖO.CH, -O CC, —=C C=CC], ‘06H, 07 3 Theile Hexachlordimethyltetroxan werden mit zwei Theilen Kaliumhydroxyd und 10—15 Theilen Anilin vor- sichtig am Rückflusskühler erhitzt. Ist die Temperatur auf 150— 160° gestiegen, so findet lebhaftes Kochen statt, nach dessen Beendigung man noch weitere 10 Minuten erwärmt; mam lässt erkalten, fügt Wasser hinzu, säuert stark mit Salpetersäure an und krystallisirt den unge- lösten Theil wiederholt aus Alkohol und Petroläther um. Das Tetrachlordimethentetroxan krystallisirt in langen Nadeln oder dieken Prismen, die bei 106° schmelzen und schwer in kaltem, leicht in heissem Alkohol, Holzgeist, Petroläther löslich sind. Wendet man dagegen auf 1 Theil der Chlorverbin- dung 2 Moleküle Kaliumhydroxyd an, so ist die Reaktion noch stürmischer, und man erhält oxalsaures Anilin. Chloralmethylenglycolat, 0.CH,-OH CC]; - CH: OH Erhitzt man das Hexachlordimethyltetroxan mit alko- holischem Ammoniak auf 200°, so scheidet sich auf Zu- satz von Wasser beim Erkalten das Chloralmethylen- glyceolat in Prismen ab. Im Dampfstrom gereinigt, bildet es feine Nadeln, die in Wasser unslöslich sind, sich leicht in heissem Weingeist lösen, bei 95° erweichen uud langsam bis 120° schmelzen. Hexaehlordimethyltrioxin, 0-CH,\ CC]; - CH‘ OÖ OÖ .CH?‘ \C.CCl, Wie Eingangs erwähnt, befindet sich die Verbindung in kleiner Menge in dem ätherischen Auszug des Roh- productes, Man verdampft die ätherische Lösung und 598 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 50. kıystallisirt den Rückstand aus Alkohol um. Farblose, rhombische Platten vom Schmelzpunkt 129°, die in Aether und Benzol äusserst leicht löslich sind. Tetrachlordimethyltrioxin, 9 .CH,\ CHOC], - CH< > NO .CHX ‘CH. Cl, Löst man die vorhergehende Verbindung in heissem Eisessig und fügt Zinkstaub hinzu, so scheidet sich nach Beendigung der Reaktion aus dem Filtrat auf Zusatz von Wasser das Tetrachlordimetbyltrioxin in glänzenden Nadeln aus. 0) Tetrachlordimethentrioxin, ‚0 .-CH;. CC, — „0 “0 - CH C=C-(l, Entsteht beim Kochen des Tetrachlordimethyltrioxins in stark alkalisch-alkoholischer Lösung, aus der es beim Erkalten in gezackten Blättern ausschiesst; es schmilzt zwischen 75—79°, ist mit Wasserdämpfen flüchtig und löst sich leicht in Aceton, Weingeist und Benzol. Pentachlordimethyltrioxin, y0-CH,\ CCl, - CHX 0 So ‘COl, Erhitzt man Hexachlordimethyltrioxin ca. 12 Stunden mit alkoholischem Ammoniak auf 150—160°, so wird ein Molekül Salzsäure abgespalten, und man erhält das Penta- ehlordimethyltrioxin, das in Blättehen und Nadeln krystalli- sirt und zwischen 67—69° schmilzt. Der oben erwähnte harzige Körper scheint Dichloral- ‚0. CH, -O Va methylenglycolat, CC1,CH“ OH sein; beim Kochen mit Kalilauge und etwas Alkohol wird es in Oxalsäure und Glycolsäure zerlegt. SCH - CC, zu Aus dem wissenschaftlichen Leben. In der Vossischen Zeitung, Berlin vom 20. November, findet sich die folgende beherzigenswerthe Auslassung über Griechisch und Latein auf der Schule. Kopenhagen. — Griechisch und Latein sind bekanntlich in Folge eines Storthingbeschlusses aus den höheren Schulen Norwegens entfernt worden, und jetzt zieht man auch in Däne- mark gegen die klassischen Sprachen zu Felde. Es erregte nicht wenig Aufsehen, als bei dem kürzlich begangenen Reformations- fest der Universität, dem grössten Festtage der Hochschule, der Professor der klassischen Philologie Gertz für sämmtliche höheren Schulen die gänzliche Abschaffung des griechischen und die Ein- schränkung des lateinischen Unterrichts forderte. So wie es jetzt ist, sieht Praf. Gertz bei dem Unterricht in klassischen Sprachen nur eine allzu geringe Ausbeute für die Studenten, jedenfalls sei Griechisch ein Luxus für die allgemeine Bildung. Prof. Gertz bezog sich dabei auf einen der angesehensten Philologen der Gegenwart, den Prof. v. Wilamowitz-Möllendorff in Berlin, der bei einer ähnlichen Gelegenheit dieselben Anschauungen aus- gesprochen hätte. Beide hätten die Erfahrung gemacht, dass sie trotz vieljährigen Schulunterriehts mit den Studenten, die klassische Philologie studiren wollen, so gut wie von vorn anfangen müssten. Indem Prof. Gertz auf die besonderen Amtsfächer einging, meinte er, dass Aerzte und Juristen im Allgemeinen die klassischen Sprachen sehr gut entbehren könnten, und wollten einzelne von Dr. A. Sp. ihnen die Sprachen wissenschaftlich und so studiren, dass sie Herr darüber wären, so müssten sie dafür sorgen, die Wege dazu zu finden. Aehnliches gelte auch für Theologen, nicht für solche, die die Führer und Vorfechter der Kirche im gelehrten Kampf wären, aber für die meisten Geistlichen. Andererseits würde durch mehr und besseren Unterricht in anderen Fächern, namentlich lebenden Sprachen, praktischer Nutzen gewonnen werden. Prof. Gertz schloss mit der Versicherung, dass der Wissenschaft und der Universität nicht bange zu sein brauchte, wenn die klassischen Sprachen in den höheren Schulen verdrängt oder sehr ein- geschränkt würden. Litteratur. Prof. Dr. A. F. W. Schimper, Pflanzengeographie auf physio- logischer Grudlage. Mit.502 als Tafeln oder in den Text ge- druckten Abbildungen in Autotypie, 5 Tafeln in Lichtdruck und 4 geographischen Karten. Verlag. von Gustav Fischer in Jena. — Preis 27 Mark. Verf. sagt im Vorwort: „Der Zusammenhang zwischen der Pflanzengestalt und den äusseren Bedingungen an den verschie- denen Punkten der Erdoberfläche bildet den Gegenstand der ökologischen Pflanzengeographie. Der grosse Aufschwung der physiologischen Richtung in der Pflanzengeographie datirt von dem Augenblicke, wo die bisher nur in europäischen Laboratorien arbeitenden Physiologen die Vegetation fremder Länder an Ort und Stelle zu untersuchen begannen. Europa war, mit seinem in jeder Hinsicht gemässigten Klima und seiner durch die Cultur tief modifieirten Vegetationsdecke wenig geeignet, zu solchen Beobachtungen Anregung zu geben; im tropischen Regenwald, in der Sahara, in der Tundra wurde der enge Zusammenhang zwischen dem Vegetationscharakter und den Bedingungen extremer Klimate an augenfälligen Anpassungen nachgewiesen. Durch die Gründung des botanischen Laboratoriums in Buitenzorg und die dadurch gebotene ungemein günstige Gelegen- heit zum Aufenthalt inmitten der tropischen Vegetation hat die physiologische Richtung in der Pflanzengeographie ungemein rasche Fortschritte gemacht. Namentlich ist es dadureh möglich geworden, im tropischen Klima lange dauernde und exakte physio- logische Versuche anzustellen. Nur wenn sie in engster Fühlung mit der experimentellen Physiologie verbleibt, wird die Oekologie der Pflanzengeographie neue Bahnen eröffnen können, denn sie setzt eine genaue Kennt- niss der Lebensbedingungen der Pflanze voraus, welche nur das Experiment verschaffen kann. Daher ist mit Freude zu begrüssen, dass wissenschaftliche Botaniker sich mehr und mehr den öko- logischen Problemen zuwenden und ihre theoretisenen Anschau- ungen auf die Basis sicher beobachteter Thatsachen und kritisch ausgeführter Experimente stellen.“ *) Hieraus ergiebt sich zur Genüge, nach welchem Gesichts- punkt Verf. an seinen Gegenstand herangetreten ist, der in der That hierdurch neue, interessante und für die Floristik klärende Seiten gewinnt. Verf. benennt sein umfangreiches, ausserordentlich reich illustrirtes und prächtig ausgestattetes Werk Pflanzengeographie auf physiologischer Grundlage und nicht schlechtweg Pflanzengeographie. Ref. meint nicht, dass dieser Titel auf der- selben Stufe steht wie „vergleichende Anatomie“, wie man Ana- tomieen zu nennen pflegte, nachdem es so recht ins Bewusstsein getreten war, dass ein Lehrbuch der Anatomie ohne das ver- gleichende Moment heranzuziehen, nicht auf wissenschaftlicher Höhe steht. Die Ueberflüssigkeit des Zusatzes „vergleichende“ erhellt denn auch ohne Weiteres, .denn was ist Wissenschaft ohne vergleichende Methode: ein Nonsens, da in dem Begriff der Wissen- schaft eben schon die Bestrebung ausgedrückt liest, den be- handelten Gegenstand im Verhältniss — nun schliesslich zum Welt-Ganzen zu erkennen und zu erforschen, also zunächst jede Einzel-Thatsache mit der ihr zunächstliegenden zu vergleichen. Etwas anderes ist es mit einem Titel „Pflanzengeographie auf physiologischer Grundlage“, und man darf wohl ohne Weiteres annehmen, dass auch der Verf. nicht meint, mit dem Zusatz „auf physiologischer Grundlage“ weiter nichts als eine Selbstverständ- lichkeit zu sagen, wie das mit dem Adjeetivum „vergleichende“ der Fall ist. Vielmehr muss man in der That eine Pflanzen- geographie auf historischer und eine solche auf physiologischer rundlage unterscheiden. Es ist sehr verdienstlich und interessant auch die physiologische Seite des grossen Gegenstandes in den Vordergrund gerückt zu sehen; jeder freilich, der das Ganze über- schaut, weiss, dass eine Pflanzengeographie schlechtweg nur als Resultante aus den beiden angegebenen Richtungen zu denken ist. Wer wird einst Beides gleichmässig durchschauen, um diese Resultante aufzuzeigen? *) Obiges gekürzt wiedergegeben. XII. Nr. 50. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 599 Es muss angenommen werden, dass die ersten Differenzivungen durch die geologisch und sonst gegebene Verschiedenheit der Standorte der Pflanzen bedingt worden ist, also zunächst durch die Verschiedenheit der Tiefe u. s. w. im Meere resp. Wasser. Bei Entstehung der Landpflanzen aus den Wasserpflanzen galt es, sich den verschiedenen Medien, die das Land bietet, anzu- passen, wodurch auch hier bald Variationen der in der Luft lebenden Pflanzen entstehen mussten. Bleiben die äusseren Ver- hältnisse lange dieselben, so ist eine Veranlassung zu weiteren Aenderungen der Organismen nicht vorhanden; die erworbenen Charaktere haben dann Zeit sich zu festigen, und sie werden nicht so leicht wieder ausgelöscht: mit anderen Worten es entstehen „morphologische Charaktere“, in denen sich die Geschichte der Pflanzensippen ausspricht. Bei Neu-Anpassungen treffen Pflanzen der verschiedensten Herkunft, das heisst mit den abweichendsten morphologischen Charakteren in demselben Gebiet zusammen und erwerben die von diesem Gebiet geforderten Eigenthümlichkeiten — falls nicht zu starke Erschütterungen eintreten, die das Aus- sterben dieser oder jener Sippe bedingen. Diese Neu-Erwerbungen sind sich mehr oder minder ähnlich, aber die Herkunft der einzelnen Sippen thut sich an dem Festhalten der schwer aus- löschbaren morphologischen Charaktere kund. Die letzteren be- handelt — wenn das auch noch nicht bewusst erkannt und aus- gesprochen worden ist — die historische Pflanzengeo- graphie, während die Neu-Anpassungen Gegenstand der physio- logischen und ökologischen Pflanzengeographie sind. Das ist der Standpunkt des Unterzeichneten, der durch diese wenigen Worte hofft, verstanden zu sein, wenn er die Zweitheilung des Gegenstandes betont. Das grosse, vorliegende Werk Schimper’s wird wesentlich dazu beitragen, die bisher entsprechend der Entwickelung der wissenschaftlichen Botanik stiefmütterlich behandelte Seite der Pflanzengeographie in das gebührende Licht zu rücken. EP A. C. Seward, Fossil Plants. For students of Botany and Geology. With Illustrations.. Vol. I. Cambridge: at the University press. (C. J. Clay & Sons.) 1898. — Preis 12 sh. Das Buch begrüsst Referent freudig, weil es mithelfen wird die Pflanzenpalaeontologie bei den Botanikern einzuführen, die noch immer gar zu sehr ohne Rücksicht auf die Hauptresultate dieser Diseiplin arbeiten, als wenn sie überhaupt gar nicht vor- handen wäre. Als Entschuldigung muss freilich dienen, dass für den Nichtfachmann ein Durchfinden und Sichten des thatsächlich Constatirten von dem rein Phantastischen bei der Gestaltung des Gros der pflanzenpalaeontologischen Litteratur fast undurchführbar ist, und dass überdies durch reichliche Mitwirkung von botanisch nicht genügend Geschulten in der Diseiplin vielfach nicht auf der Basis gearbeitet worden ist, die — wenn sie ein Botaniker berücksichtigen soll — verlangt werden muss. Einzelne — wie u.a. der verstorbene Botaniker in Leipzig A. Schenk — haben zwar ‚stets die erforderliche Kritik geübt, doch hat in der neueren Zeit erst Graf zu Solms-Laubach durch seine „Einleitung in die Palaeophytologie“ (1887) mit dem Versuch begonnen, dem Bo- taniker namentlich die sicheren Resultate, die sich aus dem Studium der für die Pflanzenkunde so besonders wichtigen palaeo- zoischen Floıen ergeben haben, in einem Compendium vorzulegen. Hatte der Genannte den Hauptnachdruck auf die Vorführung der anatomischen Verhältnisse gelegt, so hat der Unterzeichnete als Ergänzung in seinem „Lehrbuch der Pflanzenpalaeontologie“ (seit 1897), ohne die Anatomie zu vernachlässigen, die makroskopischen Objeete in den Vordergrund gerückt, die der Botaniker zunächst kennen muss und die für die Geologen wichtiger sind. Seward möchte beides vereinen. Bei diesem Bestreben wird das Werk naturgemäss wesentlich umfangreicher, und es steigert sich die Gefahr zu viel zu bringen; ich sage Gefahr, weil so die Haupt- punkte nicht im genügenden Licht erscheinen. Gerade die un- beeinträchtigte Hervorkehrung des Fundamentalsten ist aber zur Zeit noch Bedürfniss, so lange bis dieses in succum et sanguinem der reinen Botaniker übergegangen ist. Auch hinsichtlich der Illustrirung werden bei breiterer Behandlung, wegen der Noth- wendigkeit anatomischen Abbildungen einen grösseren Raum zu gewähren, Abbildungen der äusseren Erscheinung der Objecte zurückgedrängt. Einen ziemlich grossen Raum nimmt in dem vorliegenden Vol. I die Besprechung der Thallophyten ein, Seite 116—228, es folgen die Bryopbyten (229-241) und von den Pteridophyten (242—294) die Equisetales und Sphenophyllales. Voraus geht eine historische Uebersicht, ein Kapitel über die Beziehung der Palaeo- phytologie zu Botanik und Geologie, eines über Geologie, ein viertes über die Erhaltung der Pflanzen als Fossilien, ein fünftes, das sich mit den Schwierigkeiten und Fehlerquellen bei der Untersuchung und Bestimmung fossiler Pflanzen beschäftigt und endlich ein sechstes Kapitel über Nomenklatur. Durch den in den letzten beiden Jahrzehnten einige Male (Sehimper u. Schenk, Solms-Laubach, der Unterzeiehnete und nun auch Seward, auch der treffliche Pflanzenpalaeontologe Hr. Zeiller in Paris theilte mir mit, dass er einen, wenn auch nur kleinen Abriss der Palaeophytologie verfassen will) wiederholten Versuch Compendien unserer Disciplin zu liefern, hat nunmehr der Bo- taniker Gelegenheit, sich an mehreren Stellen, und das ist sehr nützlich, über auftauchende Fragen zu orientiren, ohne den un- geheuren Ballast der pflanzenpalaeontologischen Litteratur be- wältigen zu müssen und sieh dadurch schliesslich abhalten zu lassen. Berzelius, Jonas Jak. und Chrph. Frdr. Schönbein, Zwanzig Briefe, gewechselt in d. Jahren 1836—1847. Basel. — 2,40 Mark. Bianchi, Luigi, Vorlesungen über Differentialgeometrie. Leipzig. — 6,60 Mark. Blanckenhorn, Priv.-Doc. Dr. Max, Das Todte Meer und der Untergang von Sodom und Gomorrha. Berlin. — 1 Mark. Donat, Emil, Kreuz und Quer durch Süd-Afrika. Aarau. — 7 Mark. Eckstein, Priv.-Doc. Prof. Dr. Karl, Repetitorium der Zoologie. 2. Aufl. Leipzig. — 9 Mark. Genocchi, Angelo, Differentialreehnung und Grundzüge der Integralrechnung. Leipzig. — 6 Mark. Gärtner, Prof. Dir. Dr. Aug., Leitfaden der Hygiene. 3. Aufl. Berlin. — 8 Mark. Haas, Prof. Dr. Hippolyt J., Wandtafeln für den Unterricht in der Geologie und physischen Geographie. 5. (Schluss-)Liefg. Kiel. — 8 Maik. Heer, J. C. und A, Der Vierwaldstätter See und die Urkantone. Zürich. — 20 Mark. Honterus’, Johs., Chronographia Transylvaniae. Wien. — 1 Mark. Kohlrausch, Präs. d. physikalisch-techn.-Reichsanst. F. und L. Holborn, DD., Das Leitvermögen der Elektrolyse insbes. der Lösungen. Leipzig. — 5 Mark. Lipps, Thdr,, Komik und Humor. Hamburg. — 6 Mark. Meyer, Dr. M. Wilh., Die Lebensgeschichte der Gestirne in Briefen an eine Freundin. Leipzig. — 5 Mark. h Mohr, Realgymn,-Oberl. E. A. und K. Bamberg, Geologische Schul-Wandkarte von Deutschland. Berlin. — 16 Mark. Netto, Prof. Dr. Eug., Vorlesungen über Algebra. Leipzig. — 6 Mark. £ Pinner, Adf., Repetitorium der anorganischen Chemie. 10. Aufl. Hannover. — 8 Mark. : Prausnitz, Prof. Dr. W., Grundzüge der Hygiene unter Berück- siehtieune der Gesetzgebung des Deutschen Reichs und Oester- reichs. 4. Aufl. München. — 8 Mark. b Righi, Prof. Dr. A., Die Optik der elektrischen Sehwingungen. Leipzig. — 6 Mark. Schulz, Priv.-Doc. Dr. Aug., Entwickelungsgeschichte der phane- rogamen Pflanzendecke des Saalebezirkes. Halle. — 1,60 Mark. Selenka, Prof. Dr. Emil, Studien über Entwiekelungsgeschichte der Thiere. 6. Heft. Wiesbaden. —.— Menschenaffen. Studien über Entwiekelung und Schädelbau. Wiesbaden. Siebert, Oberl. Dr., Grundriss der Physik. Berlin. — 3,50 Mark. Thilo, Dr. Otto, I. Die Körperformen der Fische und Säugethiere. II. Die Grössenyerhältnisse zwischen Männchen und Weibchen im Thierreiche. Hamburg. — 0,75 Mark. Thomaschky, Realsch.-Oberl. Dr. Paul, Schulgeographie für höhere Lehranstalten. Leipzig. — 1,60 Mark. Wächter, Mädchensch.- u. Sem.-Lehr. Chrn., Methodischer Leit- faden für den Unterricht in der Thierkunde. Braunschweig. — 2,40 Mark. Wolkenhauer, Dr. W., Landeskunde der freien Hansestadt Bremen und ihres Gebietes. Breslau. — 0,40 Mark. Woltmann, Dr. Ludw., Die Darwin’sche Theorie und der Soeia- lismus. Düsseldorf. — 5 Mark. Wien, W., Ueber die Fragen, welche die translatorische Bewegung des Lichtäthers betreffen. Leipzig. — 0,60 Mark. Wundt, Wilh., Grundriss der Physiologie. 3. Aufl. Leipzig. — 7 Mark. Ziehen, Prof. Dr. Th., Psychotherapie. Wien. — 1,60 Mark. Zimmermann, Dr. W. F A. Wunder der Urwelt. Berlin. — 0,50 Mark. Zuckerkandel, O., Ureteren und locale Blasenerkrankungen. Wien. — 3 Mark. 5 re ee ee Fe 2 in 2 m en rn ee Me a ee Inhalt: Michael Cohn: Jugend und Alter. — Beiträge zur Biologie von Gasterosteus acnleatus. — Brückenechse, Hatteria punetata. — Ueber das Leuchten von Ceratium tripos, einer Plankton-Peridinee. — Beiträge zur Kenntniss der chemischen Zusammensetzung des Planktons. — Der Speckstein im Fichtelgebirge. — Ueber Verbindungen von Chloral mit Formaldehyd. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur; Prof. Dr. A. F. — A. C.Seward, Fossil Plants. — l.iste. W. Sehimper, Pflanzengeograpbie auf physiologischer Grundlage. 600 HH HH HH HH OH HH HH HH HH Dr. Robert Muencke Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. & Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate & : und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. OH HH HH HH HOP Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung i in Berlin SW. 42. Kritische Grundlegung der Ethik als positiver Wissenschaft von Dr. med. Wilhelm Stern, pract. Arzt in Berlin. 476 Seiten gr. 8°. Preis 7,20 Mark. 54 ® : ; ® % 7 2 I 2 .. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 50 Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15 EEE >> 2127002 TS ERSTER TEST ST Or EEE ET GETAN SERIES NE TE In Ferd. Dimmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12 erfcheint von Dftober ab: Die Dolksunterhaltung. Beitfchrift für Die aan Beftrebungen auf dem OGehtete der Volksunterhaltung. Herausgegeben von Raphael Löwenfeld. Sährlich 12 Nummern. Preis 2 2llark. Zu beziehen durch jäntliche Buchhandlungen und Bojtanjtalten. Probenummern gratis und franko. Grasmotoren, Dynamo- und Dampf- maschinen gebraucht, zarantirt betriebs- fähig, in allen Grössen offerirt Elektromotor G. m. b. H. Berlin NW., Schiffpbauerdamm 21. Historisch, Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Die Charakteristik der Tonarten. kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. 136 Seiten Octav. — Preis 2,40 Mark. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchh. Berlin. Über geographische Ortsbestimmungen ohne astronomische Instrumente. Von Prof. Dr. P. Harzer, Director der Herzoglichen Sternwarte zu Gotha. Mit einer Tafel. Zend. Dünmlers Derlagsbh,, Berlin. Das ud Iehus. Die Urevangelien. fehen, neu überjegt, geordnet und aus den Ilrfpradyen erklärt von Wolfgang Rirdbad. Dftav- Ausgabe 184 ©. 1,50 M., eleg. geb. 2,25 WM. Wolts- Ausgabe 156 © gebunden 70 Pfennig. Was lehrte Ielus? wei Urevangelien. Bon Molf- | gang Birdyjbady. 256 Seiten DF- tad 5 D., 28 gebunden 6 Mt. Neu Ddurdge- Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am kgl. Realgymn. in Berlin. 444 Seitengr. . Pr. 6M., geb.7M. (Ph oto:!:!sc Apparate® | u. Bedarfsartikel. | Nur solide Waaren. Silberne Medaillen: Berlin 1896, Leipzig 1897. Stativ- und Hand-Apparate in grosser Auswahl. Sehr empfehlenswerth sind: „Vietoria“- Klappeamera mit Steckelmanns Spiegel-Reflex. (D. R. Pat.) Entwickelungsschaale mit Ueber- ” dach und Vertiefungen. (D.R. G.M.) Plattenwechselkasten ‚„‚Columbus‘‘ mit einer Exponircassette für 12 Platten, an jede Camera anzupassen. „‚Westendorp & Wehner“-Platten (höchst empfindlich u. zuverlässig). Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstr. 331. _ (Kein Laden.) bom Untergang des Verantwortlicher Redaeteur: Dr. Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Henry Potonie, Gr. Ferd. Dümnlers Verlagsbuchhandlung in Berlin %* Soeben erfihien: Höchf originelle — vornehm Frih, Dogelfang. en eines deutfchen Shiffsjungen in Biantfchon. Mit 4 feinen Farbenbildern nad Aguarellen von Ailly Werner und 111 Abbildungen im Tert. 292 Seiten groß Oftav. — Der Berfaffer, der vor Kurzem vom feiner Reife um die Erde auxitchgefebrt ıft, fchildert im Nabnen einer fpannenden Erzählung A ZT Fand und Leute in China, zumal im neuen deutjchen Gebiet da=- felbft, welch leßteres Lindenberg eingebend fennen gelernt bat. Ein interefiantes Kapitel de a mebrere Bilder zur Q 111 Illuftrationen, zu @Gemablin unferes deutfhen Gefandten in Pelfing, mehrere treffliche Aquarelle zugefteuert hat. ER] Zu veiehen Ku alle Buchhandlungen, = Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Perd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin sw. Sonder-Abdruck aus den Mitteilungen der Vereinigung von Freunden der Astronomie und kosmischen Physik.) 53 Seiten Lex. 8. — Preis 1.20 M kElementare Rec'nungen aus der mathematischen Geographie für Freunde der Astronomie in ausgewählten Kapiteln gemoinvorständlich hogründet und vorgeführt von®. Weidefeld, Oberrossarzt a.D. SW. 12. x ausgeftattete Iugendfchrift! Don Danl Findenberg. Mit einer Figurentafel. 64 Seiten gr. 8°. Preis 2 Mark. Apporitiltge Grumdlegung ‚einer Dhilofophie des Geftyehens. Don Dr. Berthold Weiß. 738%. gr. 8. Preis 1,20 Mark. Preis eleg. geb. 4 MR. Buches giebt eine autbentifche Darftellung zu welcher das Meichs = Dlarineanıt g ftellte. Den ftattlihen Band (hmücden nen auch Frau Baronin von Heyfing, bie Hempel’s Klassiker - Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. Em. Dimmlers Berlagsbunpanalung in Berlin SW. 12, Zimmerft. 9. Dom Baume der Erfennine Sragmente zur Ethik und Pfychelogie aus der Weltliteratur, gejammelt und berauögegeben von Dr. Banl von Girycki, Stadtihulinfpektor in Berlin. LI. Band: Grunöproblente. Zweite Auflage. 808 Seiten groß Oftav. Geheftet 7,50 M,, in feinjtem Lieberhaberhalbfranz LO M. ses Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. zz den Inseratentheil: Berlin SW. 12, Potsdamerstrasse 35, für 12. — Druck: G. Bernstein, Was die naturwissenschaftliche Forschung -ufgiebt an weltum- fassenden Ideen und an locken- den Gebil ‘en der Phantasıe, w.rd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, derihre gi Schöpfungen schmückt, jchwendener. nase SERIE x" en - Redaktion: ? Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XIII. Band, Sonntag, den 18. December 1898. Nr. 51. Abonnement: Man abennirt bei allen Buchhandlungen und Post- T Inserate: Die viergespaultene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist HM 4.— 6) sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 „9, extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. N bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Zur Charakteristik einiger Vegetationsformationen. Von Prof. Dr. W. Detmer in Jena. (Urwald in Böhmen, tropischer Urwald, Pilze, | haufen unsere Aufmerksamkeit auf sieh, die dureh ihren Vegetation des Muschelkalks, Kiefernwald, | bedeutenden Umfang sowie durch ihre Höhe (ca. 1 m) auffallen. Der Kubani ist erstiegen. Ein guter Fusspfad bringt uns schnell, immer bergab leitend, auf die nach Im böhmisch - bayerischen Grenzgebiet zieht sich in | Schattawa und Eleonorenhain führende Luckenstrasse, zu der Riehtung von Nordwest nach Südost ein Gebirge hin, | deren Linken sich der Urwald ausdebnt. welches unter dem Namen des Böhmerwaldes bekannt ist. Der Luckenwald, von ziemlich erheblicher Ausdehnung - Die schön geformten, zum Theil 1000—1500 Meter hohen | und in etwa 1000 m Meereshöhe gelegen, ist Eigenthum Berge sind mit ungemein ausgedehnten, herrlichen Wäl- | des Fürsten Schwarzenberg. Es wurde schon vor längerer dern bedeckt, welche wahre Riesenstämme in grosser | Zeit bestimmt, dass der Bestand immer in seiner ursprüng- Zahl bergen, und auf deren Boden eine -Moosvegetation | lichen Beschaffenheit als Urwald erhalten bleibe; kein von seltener Ueppigkeit wuchert. Der Böhmerwald ist | Baum darf gefällt oder angepflanzt, kein Holz entfernt ferner merkwürdig durch seine Bergseen, sowie durch | werden. Der Urwald verjüngt sieb also durchaus selbst- seine mit Knieholz überzogenen Moore (Filze genannt), die | ständig, und das bestimmt eben in erster Linie, wie ich in der That hohes botanisches Interesse beanspruchen. hier in Uebereinstimmung mit Drude nachdrücklich be- Ich freue mich, dass ich Anfang September vorigen | tonen muss, seinen besonderen, eigenthümlichen Charakter Jahres (1897) Gelegenheit hatte, einige Theile des Ge- | im Gegensatz zu demjenigen des eultivirten Forstes. Fiehtenwald, nordischer Wald in Lappland.) birges näher kennen zu lernen, und möchte hier zunächst Der vorherrschende Baum im Urwald am Kubani ist über den Eindruck berichten, den der Urwald am Ku- | die Fichte; es sind aber hier und da auch Buchen und bani (Luckenwald) gewährt. Edeltannen vorhanden. Die Bäume erreichen zum Theil Ueber Eger, Pilsen, Strakonitz reiste ich nach Winter- | gewaltige Dimensionen; ihre Höhe sowie ihr Umfang sind berg, um von diesem Orte aus den Kubani zu besteigen. | recht bedeutend. So ergab’ sich die Länge eines um- Wir passiren mehrere Dörfer und gelangen auf ein sanft | gesunkenen, übrigens durchaus nicht zur Messung be- ansteigendes, waldloses Terrain, auf dem zahllose Fels- | sonders ausgewählten Stammes, zu 45 m. Hundert blöcke ausgestreut liegen. Zwischen denselben erheben | Jahre alte Fichten von 3-4 m Umfang an ihrer sich niedrige Wachholderbüsehe und an trockenen Stellen | Basis sind in grosser Anzahl vorhanden. An dem Haupt- trägt der Boden der Hänge im übrigen Gräser, Heide- | stamm dieser Bäume entspringen in nicht gar beträcht- kraut (Calluna) Rennthierflechte, Preisselbeere, während | licher Höhe ziemlich stark nach abwärts gebogene Seiten- ihn an feuchteren Orten blühender Augentrost und blauer | äste, und an ihrem unteren Theil entwickeln sie oft Enzian schmücken. sogenannte Bretter- oder Tafelwurzeln, wie derartiges in Vor uns erhebt sich die aus Gneiss bestehende, | ähnlichem, aber freilich weit ausgeprägterem Maasse be- fast überall bewaldete, mächtige Wölbung des 1357 m | sonders bei manchen Tropenbäumen der Fall ist. hohen Kubani. Da, wo der Weg steiler emporzusteigen Die Urwaldriesen am Kubani stehen keineswegs sehr beginnt, treten wir in dunklen Fichtenbestand ein, aut | dieht gedrängt neben einander. Jeder Baum beansprucht dessen moosreichem Boden farbenprächtige Fliegen- | einen ziemlich erheblichen Raum für sich. Kleinere schwämme wachsen. Ueberdies lenken hier Ameisen- | Stämme sind überall eingestreut, undhin und wieder drängen 602 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 51. sich auch junge Fichten zu diehterem Gestrüppe zu- sammen. Man erblickt Iudividuen in allen möglichen Stadien der Entwiekelung, wie es in einem von der Kultur unberührten Bestande, der sich selbst verjüngt, natur- gemäss auch gar nicht anders sein kaun. Wenn alte, mächtige Bäume dureh irgend welche Ursachen absterben und ihre grossen Stämme, deren Aeste sowie oberen Theile dann bald abbrechen, unter Umständen noch lange Zeit als traurige Reste vergangener Herrlichkeit aufrecht stehen bleiben, oder wenn Sturm oder Schneedruck die Könige des Waldes zu Boden werfen, dann werden Lücken ge- bildet, deren Vorhandensein gerade für die Entwickelung des jungen Nachwuchses so wichtig ist. Allerdings herrseht im Lucken-Urwald, soweit ich ihn kennen lernte, nirgends besonders tiefes Dämmerlicht unter den ziemlich weit auseinander gerückten Waldriesen, aber dennoch sind die liehteren Räume die für den Nachwuchs geeig- netsten Stellen. Wer die Meinung hegen sollte, dass es in Folge massen- hafter Unterholzvegetation mit sehr bedeutenden Schwierig- keiten verbunden sein müsste, im Urwald vorzudringen, irrt durchaus. Freilich fehlt das Unterholz nicht völlig, aber die freie Bewegung des Wanderers wird doch nicht wesentlich durch Vorhandensein desselben, sondern in erster Linie durch Hindernisse ganz anderer Art beein- trächtigt, die später Erwähnung finden sollen. Der Boden des Urwaldes, vielfach von sumpfiger Be- schaffenheit, wird von einer Humussehicht überkleidet, und mancherlei kleine Pflanzen schmücken den Grund. Pilze, Moose, sowie Farne sind in zahlreichen Formen vorhanden. Hier kriechen die gabelästigen Stengel von Lycopodium clavatum (Bärlapp) weithin über das Erd- reich, dort erheben sich die zierlich verästelten Sprosse von Equisetum silvatieum (Waldschachtelhalm). Auch Sauerklee, Himbeere und Kreuzkraut mit schönen, gelben Blüthenständen fehlen nieht. Dann sieht man oft Luzula maxima, deren grosse, grundständige Blattrosetten that- sächlich an Bromeliaceenformen der Tropen erinnern, wie schon Göppert in seiner schönen Schilderung der Ur- wälder Böhmens betonte. An lichteren Stellen, zumal in der Nähe von Bächen, ist der Waldboden mit einer üppigen Vegetation von Petasites albus (Pestwurz) bedeckt, deren grosse, freudig grün-gefärbte Blätter ihn ganz ver- hüllen. Epheu bemerkt man gar nicht im Luckenwald. Auf- fallend erscheinen an manchen mächtigen Bäumen sonder- bare Auswüchse, die in beträchtlicher Höhe am Stamm in Gestalt knorpeliger Ringwälste hervortreten und deren Entstehungsursachen verschiedene sein können. Para- sitisch lebende Pilze zeigen sich nur in geringer Anzahl an gesunden Bäumen; um so grösser ist die Fülle der Pilze (zumal Polyporusarten), der man auf den reichlich vorhandenen Baumstümpfen oder auf moderndem Holze begegnet. Trotzdem Unterholz nur in beschränkter Entwiekelung vorhanden, ist die Wanderung im Urwald doch mit einiger Mühe verbunden. Sehen wir ganz ab von Unebenheiten, stellenweis sumpfiger Beschaffenheit des Terrains, von Wurzeln, über die man stolpern kann ete., so sind als Haupthindernisse, welche überklettert oder umgangen werden müssen, riesige, modernde Baumleichen zu nennen. Nieht vereinzelt, sondern in ungemein grosser Anzahl sieht man diese umgesunkenen Stämme im Walde. Neben oder wild übereinander gelagert erblickt man die Wald- riesen mit ihrem hoch aufragenden, beim Umbrechen aus der Erde gerissenen, mächtigen Wurzelende am Boden liegen. Die colossalen Stämme von 100—150’ Länge be- finden sich in allen Stadien der Zersetzung. Manche sind bereits so morsch, dass man einen Stock fast bis in ihre Mitte leieht einbohren kann. Die Oberfläche der modernden Stämme ist meist in ein dichtes Mooskleid (Polytrichum, Dieranum, Hylocomium splendens) gehüllt, und zwischen den zierlichen Bildnern desselben gedeihen Farne, Preisselbeere sowie Sauerklee. Das Wurzelende der umgesunkenen Bäume sieht man auch wohl durch aut demselben zur Ausbildung gelangte Ebereschenbüsche geschmückt, deren rothe Fruchtstände farbenprächtig mit dem grünen Laube der Pflanze contrastiren. Besonders auffallend sind aber ganze Reihen von jungen oder bereits älteren Fichtenbäumehen, die auf den modernden Stämmen wachsen. Diesem, seines merkwürdigen Standortes wegen gewiss sehr beachtenswerthen Nachwuchs hat auch Göppert viel Interesse gewidmet, und sicher spielt er bei der Verjüngung des Waldes eine wichtige Rolle. Denn an lichten Stellen können die jungen Nadelholz- keimlinge unter den grossen Blättern der hier üppig wuchernden Pestwurz nicht gut aufkommen, während sie auf umgesunkenen, modernden Bäumen freudig zu ge- deihen vermögen. Freilich werden die auf den Lager- stämmen wachsenden Fichten alsbald mit einander in einen erbitterten Kampf ums Dasein gerathen, und nur einzelne besonders kräftige Individuen behaupten schliess- lich das Feld. Die Physiognomie des Urwaldes am Kubani wird in erster Linie bestimmt durch das Vorhandensein der Baum- riesen, aus denen er besteht, und der so zahlreichen, zu Boden gestreekten, modernden Stämme. Namentlich diese letzteren verleihen dem Urwald „einen charakteristischen Zug der Wildheit“, der ihn so scharf vom eultivirten Forst unterscheidet. Beide haben aber ihre besonderen Schön- heiten, und wer die Kubaniwälder sah, wird sich mit Freude manch schönen Waldbildes, der üppigen Moos- flora und der himmelanstrebenden Bäume erinnern, deren Rauschen sich mit demjenigen des Wassers der Wald- bäche mischt. In der That vernehmen wir im Urwald kaum andere Laute wie jene durch strömendes Wasser und das Wogen in den Kronen verursachten. Rings um uns wilder, grossartiger Waldbestand, dessen Herrlichkeit unser Empfinden wunderbar ergreift. In der Waldeinsam- keit setzt uns uur die über Land und Meer daher- rauschende Windsbraut in Verbindung mit der Aussenwelt. Urwälder giebt es auf deutschem Boden nur noch wenige. Ich kenne diejenigen in Böhmen und bei Neuen- burg. Diesen letzteren Ort erreicht man leicht, wenn man die von Elsenerdamm (einer Station der Eisenbahn von Oldenburg nach Wilhelmshaven), abzweigende Strecke benutzt. Zwischen Bockhorn und Neuenburg ist der mächtige Eichen bergende Urwald zu finden, dessen Boden mit niedrigem Ilexgestrüpp bekleidet ist. Reich entwickelt finden wir die Urwälder noch in manchen Tropengegenden, und da ich dieselben in Bra- silien (Bahia, Esperito-Santo ete.) aus eigener Anschauung kennen lernte, drängt es mich, einen Vergleich zwischen dem Wald am Kubani und jenen freilich unendlich viel ausgedehnteren Urwäldern der Tropen zu ziehen. Wenn wir uns einem tropischen Urwald nähern, so er- blieken wir zunächst fast nichts von den Stämmen, die ihn bilden. Da, wo der Wald an einen Weg, an einen Fluss oder freies Land grenzt und das Licht unmittelbaren Zutritt hat, entwickelt sich eine überaus üppige Vegetation von Sträuchern, kleinen Bäumen und Schlinggewächsen, die zu einer den Wald umsäumenden, grünen Wand oder Hecke von mehr oder minder erheblicher Breite verwoben erscheint. Hoch empor über dieses Pflanzengewirr ragen die Kronen der Waldbäume, oft überladen mit Epiphyten und geschmückt mit Guirlanden der mannigfaltigsten IM. "Nr. Dil: Lianen, deren oberste Theile häufig wirr und phantastisch gekrümmt herabhängen. Die grüne Mauer ist nur unter Beihülfe eines Waldmessers mühsam zu passiren. Ver- suchten wir, sie ohne weiteres zu durchdringen, so gelänge dies überhaupt nieht, oder die Dornen und Stacheln der Pflanzen würden unsere Kleider zerfetzen und den Körper arg verwunden. Dem Wald am Kubani fehlt ein soleher grünender Saum fast völlig, aber wir haben doch auch bei uns Be- stände, denen derselbe wenigstens in einiger Entwickelung eigenthümlich ist. Bei Jena z. B. kenne ich Laubwald- complexe in feuchterer Lage, an deren Grenze eine üppige Vegetation von Corylus-, Orataegus-, Cornus-, Evonymus- sträuchern, Brombeeren sowie Rosen wuchert. Diese Gewächse bilden eine nieht sehr breite, geschlossene, natürliche Hecke. Wenn man sie mit einiger Vorsicht durchbrochen hat, befindet man sich im dunklen Wald, in dem nicht übermässig viel Unterholz gedeiht. Am Rande von Fichtenwäldern sieht man oft einen Saum jüngeren, bis unten mit Aesten besetzten Nachwuchses, und an der Grenze von Kiefernbeständen ist zuweilen eine grüne Hecke von Prunus spinosa entwickelt. Haben wir die den tropischen Urwald umsäumende, grüne Wand unter Beihülfe eines Waldmessers durch- brochen, so wölbt sich über uns ein meistens sehr dichtes, von säulenartigen Stämmen getragenes Laubdach der Bäume. Da fällt dem aufmerksamen Beobachter vor allen Dingen die ungemein mannigfaltige Mischung des Tropen- waldes auf. Auf engem Raum sehen wir Bäume der ver- schiedensten Familien zusammengedrängt, in Brasilien namentlich Melastomaceen, Meliaceen, Rutaceen, Legu- minosen, Bignoniaceen, riesige Fieusarten, Bombaceen, Euphorbiaceen, Sapindaceen und viele andere mehr. Fast sämmtliche Bäume haben die gewaltige Höhe von 30—60 m, und ihren schnurgeraden Stämmen entspringen erst hoch oben Seitenäste. Im Uebrigen gleicht kein In- dividuum dem ihm benachbarten. Viele Bäume sind in ein graues Rindenkleid von rauher Beschaffenheit gehüllt, andere Stämme, z. B. diejenigen von Myrtaceen, sehen aus wie braune, glatt polirte Säulen, zu deren Basis mächtige, abgestorbene Borkenmassen herabgesunken sind. Man begegnet ferner Stämmen, die in verschiedener An- ordnung Dornen von sonderbarer Beschaffenheit tragen. Manche Bäume erreichen den Umfang von 30 Fuss, aber es fehlen auch niemals solche von geringem Stammdurch- messer, wie es für den sich selbst verjüngenden und aus so zahlreichen Pflanzenarten gemischten Wald nur natür- lich ist. Selbstverständlich besteht auch grosse Mannig- faltigkeit bezüglich der Verzweigungsverhältnisse, sowie der Natur des Laubes der Urwaldriesen. Einige Bäume tragen zusammengesetzte, zarte Blätter, die meisten aber derbes, dunkelgrünes Laub. Im feuchten Tropenklima kann von einer deutlich ausgeprägten Periodieität der Belaubung keine Rede sein. Die Mehrzahl der Bäume produeiren während des ganzen Jahres neue Blätter; alte werden dafür abgeworfen. Anders gestalten sich die Ver- hältnisse freilich in manchen regenarmen Gegenden der heissen Zone, z. B. in den Caatingas Brasiliens. Während der langen Periode der Trockenheit, in welcher der sandige Boden von keinem Regentropfen benetzt wird, stehen fast alle Bäume und Sträucher laublos da. Die Physiognomie der Landschaft sehr ausgedehnter Ge- biete im Innern Bahias sowie Pernambueos ist dann eine überaus wunderbare. Die dicht gedrängt stehenden graurindigen Sträucher gleichen leblosen Reisigmassen; sie werden hier und da von niedrigen Bäumen über- ragt, die ebenfalls meist blattlos sind. Zwischen den Büschen sieht man grosse, erdbewohnende Bromelia- ceen, niedrige Fächer- und Fiederpalmen, sowie kleine Naturwissenschaftliche Wochensehrift. 603 Cacteen, während gewaltige Repräsentanten dieser letzteren Familie, die Mandacarus (Cereusformen), deren holziger Stamm sich nach oben in mehrkantige, fleischige, mit langen Dornen besetzte Aeste auflöst, das Gestrüpp des Buschwaldes hoch überragen. Wenn dann für die Caa- tingaregionen die Regenzeit eintritt, erwacht das schlum- mernde Leben der Vegetation; die Knospen entfalten sich, und junges Laub kommt zur Entwickelung. In unseren Breiten ist der Wald im Allgemeinen recht einförmig gemischt. In höchstem Maasse gilt das aus nahe liegenden Gründen für den eultivirten Forst. Aber auch Bestände, die sich mehr oder weniger selbst überlassen bleiben, lassen nicht entfernt jene Mannigfaltig- keit im Baumwuchs, welche für den Tropenwald so sehr charakteristisch ist, erkennen. Bei uns giebt es eben nur relativ wenige wildwachsende Baumarten. Etwas complieirter zusammengesetzt erscheinen z. B. manche sogenannte Galeriewälder, wie solche namentlich im Hügellande den feuchteren Boden in unmittelbarer Nähe der Wasserläufe, diese begleitend, besetzt halten. Es gedeihen Erlen, Eschen, Weiden und auch Birken ete. neben einander, und oft fehlt es nicht an einer reicheren Unterholzentwiekelung. (Näheres vergl. bei Drude.) In Rossmässler’s so überaus anziehend geschrie- benem Buch „Der Wald“ findet man die Schilderung eines Urwaldes in Livland abgedruckt, der sich in ebener Lage im fruchtbaren Bewässerungsgebiet eines Flusses ausbreitet. Hier sind Fichten, Kiefern, Eichen, Erlen, Eschen, Espen, Rüstern, Linden, Ahorn vergesellschaftet; es ist eine auffallende Mannigfaltigkeit im Baumwuchs gegeben, die bei uns in solehem Maasse keineswegs so gar häufig vorkommt. Vielfach ist die Meinung verbreitet, dass eine über- aus reiche Unterholzentwickelung, die dem Vordringen des Wanderers kaum zu überwindende Hindernisse dar- bietet, -so recht eigentlich zum Charakter des Urwaldes gehöre. Diese Auffassung kann ich meinen Erfahrungen nach nicht theilen; vielmehr liegt meiner Meinung nach wie schon früher betont wurde, die wesentlichste Eigen- art des Urwaldes darin, dass er sich selbst verjüngt und niemals von Menschenhand wirklich beeinflusst worden ist. Freilich lernte ich selbst auf der Serra do Mar bei Rio Wälder kennen, die in allen Hauptpunkten den Urwald- charakter trugen, aber vielfach, namentlich in Folge massenhafter Entwickelung riesiger Bambusen, die als Unterholz auftreten, völlig undurchdringlich erschienen. Indessen wir haben es hier mit Bergwäldern zu thun, deren Baumvegetation oft schon in Folge des minder tief- sründigen Bodens nicht so gewaltig wie in den auf ebenem Terrain vorkommenden Beständen ist. Dieser Umstand (andere mögen in gleicher Richtung wirken), bedingt eine relativ stärkere Durchleuehtung der Wälder im Gebirge, so dass die kräftige Unterholzausbildung begreiflich wird. Es ist sehr wohl denkbar, dass auch Urwälder in der Ebene, wenn sie grosse Mengen schattenliebender Pflanzen beherbergen, undurchdringlich werden, und Schimper redet z. B. in seinem ausgezeichneten Werk über Epi- phyten Amerikas von solehen Wäldern, die er auf Trinidad sah. Im tropischen Brasilien fand ich aber die auf ebenem Terrain entwickelten, ein diehtes Laubdach be- sitzenden Urwälder arm an Unterholz. Dasselbe giebt Semon für Urwälder auf Neu-Guinea an, und ein anderer Reisender bestätigte mir gleiches für die Sundainseln. Wenn wir zwischen den hohen, säulenartigen Stämmen im Dämmerlieht des brasilianischen Urwaldes wandern, so umgiebt uns eine schwüle, moderdunstgesättigte, er- müdend wirkende Luft. Dem tief beschatteten Boden ent- spriessen hier und da Helieonien, Marantaarten, Caladien, Begonien. An manchen Orten sieht man auch Palmen, 604 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIll. Nr. 51. Euterpe- sowie Astrocaryumarten, deren Stämme bei weitem nicht die Höhe derjenigen der Urwaldriesen er- reichen, sondern beschattet von diesen gedeihen. Trotz mangelnder reichlicher Unterholzentwickelung giebt es noch Hindernisse genug, die sich uns in den Weg stellen. Da sind gewaltige Anhäufungen dürrer Aeste und Zweige, sowie mächtige, umgesunkene, am Boden liegende Baumstämme zu nennen, die sich in allen Stadien der Vermoderung befinden und durch deren Anblick man erst so recht eine Vorstellung von den enormen Dimensionen der Urwaldriesen gewinnt. An anderen Stellen wieder wird unser Schritt durch sogenannte Tafel- oder Bretter- wurzeln gehemmt, die den unteren Theilen der Stämme mancher Bäume (namentlich vieler Leguminosen, Myrta- ceen und Fieusarten) entspringend, zur besseren Befesti- gung derselben im Boden dienen. Oft stehen wir im Urwald vor einem Gewirr eigenthümlicher, etwa finger- dieker Gebilde, die von den Kronen der Bäume in die Luft herabhängen und auch vielfach in das Erdreich ein- dringen. Wir haben es mit den zuweilen 100 Fuss langen Wurzeln epiphytischer Philodendronspeeies zu thun, die uns, ebenso wie in anderen Fällen schräg vom Boden aufsteigende und erst in bedeutender Höhe an Bäumen befestigte Lianenstämme (zumal Bauhinien), das Fort- kommen erschweren. >» Im Vergleich zu den Tropenwäldern sind unsere Wälder (auch die Urwälder) überaus arm an Epiphyten und Lianen. Im jenen ersten spielen beide Pflanzen- gruppen eine überaus bedeutungsvolle Rolle. Die Kronen vieler Bäume erscheinen förmlich mit Epiphyten über- laden, und durch ihr Vorhandensein werden auch ab- gestorbene, aber noch aufrecht stehende Stämme in ein wunderschönes, grünes Kleid gehüllt. Die Lianen mit holzigem Stamm sind meist massenhaft vertreten. Gleich riesigenSchlangen winden sich dieselben zumal an dünneren Bäumen empor, um erst in bedeutender Höhe ihre Zweige und Blätter dem Licht darzubieten. Bei uns sind die Epiphyten wesentlich nur durch Flechten, Leber- sowie Laubmoose vertreten; als Lianen kommen Hedera, Ole- matis, Lonicera in Betracht. Wir erwähnten bereits das Vorhandensein umgesun- kener, modernder Baumstämme sowohl im Urwald am Kubani als auch in den brasilianischen Tropenwäldern. Hier muss nun noch auf eine gewiss zunächst überraschende Thatsache hingewiesen werden. Ich traf nämlich in keinem Wald der heissen Zone eine solch ungeheure Menge am Boden liegender Baumleichen wie in Böhmen an. Diese Erscheinung wird aber wohl verständlich, wenn man bedenkt, dass in den Tropen die Zersetzung der Reste früherer Vegetation weit schneller als in unseren Breiten vor sich geht. Die herrschende hohe Temperatur bei Gegenwart reichlicher Feuchtigkeitsmengen ruft in jenen fernen Gegenden eine rapid verlaufende Desorganisation der Holzsubstanz hervor, und dazu kommt noch ein fernerer Umstand, auf den ich von anderer Seite auf- merksam gemacht wurde. In Brasilien giebt es weit grössere Mengen solcher Insecten als bei uns, die als Zerstörer des Holzes thätig sind. Die Thiere, zumal Ameisen und Termiten, fallen über die Baumleichen her, so dass die- selben nach nicht gar langer Zeit verschwunden sind. Für den Tropenwald ist ganz insbesondere die uner- ‚messliche Mannigfaltigkeit der Vegetationsformen, welche den staunenden Blicken des Beobachters entgegentritt, charakteristisch, die selbst in unsern Urwäldern nicht entfernt gefunden wird. Der Tropenwald mit seinen gen Himmel strebenden, säulenartigen Stämmen, seinen dicht in eimander verwobenen Baumkronen, seinen zahllosen Lianen und Epiphyten, bildet freilich eine geschlossene Einheit. Aber eben jener erwähnten Mannigfaltigkeit der einzelnen Elemente wegen fehlt doch eine gewisse ruhige Harmonie des Ganzen, die uns z. B. in einem schönen Buchenbestande so wohlthuend berührt. Die Kraft, Fülle, Grossartigkeit des Pflanzenwuchses im Urwald der heissen Zone lassen sich nicht beschreiben. Es mangelt hierfür jeder Maassstab im gemässigten Klima. Dabei strebt fast Alles im Tropenwalde in auf- fallendster Weise dem Licht entgegen. Ein Baum sucht seine Nachbarn durch bedeutendere Streckung seines Stammes gewissermaassen zu überwachsen. Die Lianen winden hoch empor zu den Kronen, um ihren Blättern den Lichtgenuss zu gewähren. Die meisten kleineren Gewächse siedeln sich nicht auf dem Boden an, sondern sie leben als Epiphyten in bedeutender Höhe über demselben. So entwickelt sich im Tropenwald, wie namentlich Haber- landt neuerdings so nachdrücklich betonte, ein furchtbarer, erbitterter Kampf der ihn bildenden Organismen, sowie ihrer einzelnen Theile um das Licht. Nur diejenigen Pflanzenindividuen, welche in genügendem Maasse von den lebenspendenden Strahlen getroffen werden, gedeihen in voller Kraftfülle; alle übrigen werden erbarmungslos unterdrückt und müssen zu Grunde gehen. Eine sehr charakteristische Vegetationsformation bilden im Böhmer Wald gewisse Moore, die man Filze nennt. Sie bedecken vielfach in Flussthälern oder in Einsenkungen zwischen Höhenzügen des Gebirges weite Strecken Landes, und ich lernte sie bei Kuschwarda, Aussergefild sowie bei Moldauursprung, unweit des so schön gelegenen Ortes Buchwald kennen. In allererster Linie ist es bezeichnend für die Filze, dass ihre Oberfläche von einem Nadelholz, der formenreichen Pinus montana, bewachsen wird. Die Pflanzen, niedrige, meist aber über mannshohe Individuen, deren Aeste schräg über dem Boden aufsteigend, sich erst am oberen Ende aufrichten, stehen oft so dicht gedrängt, dass man Mühe hat, das buschige Diekicht zu durehbreehen. Dem mit Feuchtigkeit gesättigten Moor- boden entströmt an organischen Stoffen relativ reiches, braun gefärbtes Wasser. Neben der genannten Kiefer gedeihen auch Birken und Weiden in den Filzen; sodann kleinere Gewächse, namentlich weisslich oder röthlich ge- färbtes Torfmoos, Polytrichum, Preisselbeere, blaugrün schimmernde Sumpfheidelbeere (Vaceinium uliginosum) ete. Mit Pinus montana der Filze nahe verwandt ist Pinus silvestris, die Kiefer, einer unserer gewöhnlichsten Wald- bäume. Diese Pflanze entwickelt sich aber an ganz anderem Standorte, wie die zuerst genannte Pinusspeeies, und obgleich sie auf fruchtbarerem Boden erst die üppigste Ausbildung aller ihrer Theile erfährt, vermag sie dennoch ebenfalls auf trockener, flachgründiger Unterlage zu vege- tiren, welche z. B. der Fichte (Picea excelsa) nicht mehr zusagt. Nobbe wies vor längerer Zeit durch sorgfältig an- gestellte, vergleichende Beobachtungen nach, dass schon ganz junge Kiefernpflänzchen ein weit verzweigteres Wurzelsystem von bedeutenderer Oberfläche besitzen, als gleichalterige und unter den nämlichen Bedingungen eulti- virte Fichten. Der letztere Baum entwickelt bekanntlich später dicht unter der Bodenoberfläche ausgebreitete, weit ausgestreckte Wurzeln, während die unterirdischen Or- gane der Kiefer das Bestreben zeigen, tief in den Grund einzudringen, besonders wenn der Boden trocken ist. Alles wirkt zusammen, um es der Kiefer zu ermöglichen, noch an einem Standorte zu gedeihen und demselben hinreichende Wasser- sowie Nährstoffmengen zu entnehmen, | welcher den Ansprüchen der Fichte wenig entspricht, RITSINN DIE Gerade die Kiefernwälder in trockener Lage bean- spruchen nun nach verschiedenen Richtungen hin ein er- hebliehes Interesse. Ich beobachtete sie im Muschelkalk- sowie Buntsandsteingebiet und auch im Bereich des nord- deutschen Diluviums, nämlich in der Lüneburger Heide, genauer. Waszunächst dasMuschelkalkgebiet anbelangt, so steht mir dasselbe hier in Jena immer vor Augen. Steigt man aus den dureh Erosion gebildeten Thälern die Anhöhen hinan, dann gelangt man an vielen Orten alsbald in eine Region, wo die starke Neigung des Bodens den Acker- bau ausschliesst. Die steilen Hänge entbehren auch zum grossen Theil der Waldvegetation, aber gerade dieser Umstand, der manchen vielleicht auf den ersten Blick nicht wohlthuend berührt, trägt, in Verbindung mit der Mannig- fältigkeit der Oberflächengestaltung des Terrains und dem hierdurch bedingten Wechsel der Beleuchtungsverhältnisse, ganz wesentlich dazu bei, der Umgebung Jenas jenen wunderbaren, eigenartigen Reiz zu verleihen, dem sich auf die Dauer Niemand zu entziehen vermag. Der flachgründige, geröllbedeckte Boden der Hänge des Muschelkalkgebietes erzeugt eine ungemein interessante, sehr artenreiche Vegetation meist kleinerer Gewächse. Vor allen Dingen fällt da die im zeitigen Frühjahr blühende Sesleria coerulea auf, ein Gras, welches nicht zusammenhängende Rasen bildet, sondern in isolirten Bulten vegetirt, die oft 20—30 em von einander entfernt stehen, häufig einander aber auch näher gerückt sind. Die Sesleria stellt eine wahre Charakterpflanze der steilen Hänge bei Jena dar; sie bestimmt in Gemeinschaft mit den vielfach zerstreut auftretenden Wachholderbüschen (Juniperus communis) in allererster Linie deren Physiogno- mik. Und nun die grosse Zahl anderer zum Theil schön- blütbiger Pflanzen der nämlichen Standorte, von denen ich hier nur einige nenne: Carex humilis, die stark be- "haarte, grosse, weisse Blüthen tragende Anemone silvestris, die mit dieser nahe verwandte, prächtige Pulsatilla vul- garis, Thlaspi montanıum, Hippocrepio eomosa, Anthyllis vulneraria, Veronica latifolia, Asperula eynanchica, Epi- paetis rubiginosa, Gymnadenia, Stipaarten, Gentiana- ‘species, Thalietrum minus. Von Umbelliferen seien er- wähnt Bupleurum faleatum, Eryngium campestre, Pimpi- nella saxifraga, Falcaria Rivini; von Labiaten nament- lich Teueriumarten (T. montanum sowie T. chamaedrys) und von Compositen die merkwürdige Wetterdistel (Car- lina acaulis) mit oberseits silberweissen Involucralblättern, die sich bei Regenwetter über den Blüthenstand zusammen- legen, Cirsium acaule. Inula conyza, Centaurea Seabiosa, die wundersehöne Aster amellus, die xerophile Form von Centaurea jacea mit linealischen, grauen Laubblättern. Hier und da sind auch reeht ausgedehnte Bodenflächen von der Clematis Vitalba überlagert. Diese Liste weist eine ganze Anzahl typischer so- genannter kalkliebender Gewächse auf, und wenn man z. B. die Vegetation des Muschelkalkes bei Jena mit derjenigen des nahen Buntsandsteingebiets vergleicht, so tritt mit über- zeugender Klarheit die Thatsache der Abhängigkeit des Charakters der Pflanzendecke einer bestimmten Gegend von der Natur der Bodenunterlage hervor. Freilich ist es dabei erforderlich, wie alle vorurtheilsfreien Beobachter betonen, nicht das Vorkommen dieser oder jener Pflanzen- speeies, sondern den Gesammteharakter der Vegetation eines Bodens ins Auge zu fassen. Denn ganz abgesehen davon, dass bekanntlich viele bodenvage Pflanzen existiren, d. h. solche, die gar nicht an eine gewisse Bodenart gekettet sind, giebt es Fälle, in denen eine Form in bestimmter Gegend z. B. nur auf Kalkboden an- getroffen wird, während sie an anderen Orten auf kiesel- reicher Unterlage gedeiht. Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. 605 Diese Erscheinung wird zum Theil sehr begreiflich, wenn man die klimatischen Unterschiede verschiedener Gegenden beachtet. Man hat aber ferner zu bedenken, dass der vielfach unterschätzte und erst in neuerer Zeit mehr gewürdigte Kampf der Organismen unter einander oft von ganz hervorragender Bedeutung für die Verthei- lung der Pflanzen wird. Ein Gewächs kann an einer Lokalität, wo mächtigere Coneurrenten fehlen, vielleicht gut gedeihen, während es an anderen Orten im Kampf mit bestimmten Arten völlig unterdrückt erscheint. (Näheres bei Drude). Früher suchte man das Gebundensein gewisser Species an die Boderiunterlage meist vom rein chemischen Stand- punkte aus zu erklären. Man ging zum Theil still- schweigend von der Ansicht aus, nach welcher die auf Sandboden oder Kalkboden vorkommenden Pflanzen be- sonders grosser Kieselsäure- resp. Kalkmengen für ihre Ernährung bedürfen, um sich normal zu entwickeln, eine Anschauung, die in dieser uneingeschränkten Form ganz sicher zurückgewiesen werden muss. Gewiss ist z. B. der Kalk ein unentbehrlieher Nährstoff der Gewächse, indessen die meisten Böden führen derartige Kalkmengen, dass (he Ansprüche der auf ihnen wachsenden Organismen reich- lich befriedigt werden können, und also noch grössere Quantitäten Kalks ihren Ernährungsprocess nicht direet beeinflussen. Auch für andere Fälle liegen die Verhält- nisse unzweifelhaft ähnlich, während allerdings für manche, das Vorhandensein aller unentbehrlicher Nährstoffe voraus- gesetzt, eine unmittelbar chemische Einwirkung des Substrats auf die Gewächse eonstatirt ist. So ist ohne weiteres klar, dass Saprophyten nur auf einem Boden gedeihen können, dem es nicht an reichlicheren Mengen organischer Stoffe mangelt. Das Galmeiveilchen hat seine charakteristischen morphologischen Merkmale auf zinkreicher Unterlage ge- wonnen, und mit Pfeffer ist hier wohl an eine durch kleine Zinkmengen geltend gemachte Reizwirkung zu denken, die sich äusserlich in einer Gestaltabänderung des Organismus ausprägt. Die Meerstrandgewächse, Salsola-, Salicorniaarten und viele andere mehr vermag man erfahrungsgemäss in unseren botanischen Gärten auf sehr kochsalzarmem, ge- wöhnlichen Boden zu eultiviren. In der Natur trifft man sie auf soleher Unterlage nur selten an, sondern eben fast nur auf chlornatriumreicber. Wo ist die Ur- sache dieser merkwürdigen Erscheinungen zu suchen ? Die meisten höheren Pflanzen werden in hohem Grade geschädigt, wenn sie bedeutendere Kochsalzquantitäten auf- nehmen, weil sich dann die Stomata ihrer Blätter schliessen und die assimilatorische Thätigkeit der Zellen ausbleibt. Auf die „Salzpflanzen“ wirkt das Chlornatrium nicht sehädlich ein, und deshalb gedeihen sie auf einem Boden in üppigster Fülle, dessen Beschaffenheit jede andere Vegetation von vornherein ansschliesst (Schimper, Stahl, Diehls). Bezüglich der „Kieselpflanzen“ sei ebenfalls be- merkt, dass manche derselben durch grössere Kalkmengen, “wie es scheint, geradezu vergiftet werden. Unger, Sendtner, Braungart hatten die Ansicht vertreten, nach welcher der Vegetationscharakter eines Bodens direct abhängig von seiner chemischen Natur sei. Dies ist auch bis zu einem gewissen Grade, freilich nicht in dem Sinne der genannten Autoren, sicher der Fall, wie die vorstehenden Bemerkungen lehren und zumal Contejeau sowie andere Autoren neuerdings speeieller nachwiesen. Aber überdies sind auch, was heute Niemand mehr bezweifelt, die mechanische Mischung sowie physikalischen Eigenschaften des Bodens sehr maassgebend für die Natur seiner Pflanzendecke. « Wenn wir bedenken, wie unendlich mannigfaltig sich der Boden 606 Naturwissenschaftliehe Wochenschrift. XIII. Nr. 51. mit Rücksieht auf seinen Feinerdegehalt, seine Tief- gründigkeit, seine Cohäsionsverhältnisse, den Feuchtigkeits- gehalt, das Erwärmungsvermögen ete. darstellt, dann wird man zugeben müssen, dass solche Momente von ent- scheidender Bedeutung für das Auftreten der Organismen sein müssen, deren Lebensansprüche vielfach im so be- wunderungswürdig feiner Art auf die Aussenwelt ab- gestimmt sind. Die steilen Hänge des Muschelkalkgebietes bedeckt eine meist feinerdearme, geröllreiche, flachgründige und daher im Sommer trockene, sich am Tage stark er- wärmende, aber nach Sonnenuntergang bald bedeutend abkühlende Bodenschicht, deren Natur, um’ mit Thur- mann zu reden, durchaus dem dysgeogenen Charakter des Ursprungsmaterials entspricht. Aehnlich ist auch der Boden beschaffen, den Basalte sowie andere Silicat- gesteine unter Umständen liefern, und wirklich besteht nicht gar selten eine überraschende Aehnlichkeit zwischen der Flora des kalkreichen und sehr kalkarmen Detritus, wie zumal Drude neuerdings nachdrücklich betonte. — Freilich fehlt es auch nicht an auffallenden Gegensätzen, die ihren Grund in der so verschiedenen chemischen Zu- sammensetzung und den nicht völlig gleichartigen mecha- nischen sowie physikalischen Eigenschaften des kalk- reichen Bodens einer- und des silicatreichen andererseits haben. Auch ist die Flora des Kalkbodens wohl stets mannigfaltiger als diejenige der silicatreichen Erden. Sehr abweichend von der Vegetation des Bodens der dysgeogenen Gesteine erscheint namentlich diejenige, welche sich auf tiefgründigerem, lockeren Sandboden ent- wickelt, sei dieser aus Buntsandstein entstanden oder als diluviales Geschiebe zu betrachten. Wir verfolgen diesen Gegensatz hier aber nicht näher, und es sei nur noch er- wähnt, dass ein verbindendes Mittelglied zwischen den beiden genannten extremen Bodenarten in vieler Hinsicht durch jene Bodenarten gegeben wird, welche aus Schiefern hervorgehen können. Sie stehen, wie mit Drude hervor- zuheben ist, zwischen dem Detritus der eugeogenen Sand- steine und siliecatreichen dysgeogenen Felsarten. Im Schwarzathal sind die Hänge des eambrischen Schiefers vielfach von einer lockeren, nicht gar zu flachen Boden- schicht überlagert, welche, wo der Wald fehlt, oft einer dichten Strauchvegetation (Himbeere, Zitterpappel, Hasel, Birke, Schlehe ete.) zum Standort dient. Heidekraut ist wenig vorhanden, dagegen reichlich Besenpfriem, und es fehlt auch nicht an Farnen, Sedumarten, Saxifraga granu- lata, Dianthus caesius. Wenn der Wanderer die Muschelkalkhänge bei Jena erstiegen hat, so gelangt er auf ausgedehnte Plateaus. Hier breiten sich vielfach Felder aus; aber auch wüste Plätze sind vorhanden, auf denen Gestrüpp von Schlehen und Wachholder, Rosen, z. B. Rosa rubiginosa mit köst- lich duftenden Blättern, Euphorbia ceyparissias, Hippo- crepis comosa, Verbasecum, Daucus, Anthemis tinetoria, Melilotus albus, Inula conyza, Melica eiliata, Carduus ete. üppig wachsen. Und dann fehlt es an vielen Orten nicht an Kiefernwald, der unsere besondere Aufmerksamkeit beansprucht. Der Wald, welcher auf dem trockenen, flachgründigen Boden wächst, wird vielfach nur von der gewöhnlichen Kiefer (Pinus silvestris) gebildet. Manchmal sind den Beständen aber auch andere Baumarten beigemischt, nämlich die eingeführte, langnadelige Pinus austriaca, Birken sowie Fichten. Die Oberfläche der niemals sehr dieken Kiefernstämme, namentlich der älteren, trägt grau- grüne Flechten (Lecanora), oder sie ist kahl und schimmert dann, namentlich vom direeten Sonnenlicht getroffen, leuchtend braun. Mehr isolirt stehende Kiefern entwickeln oft eine schirmartige Krone, die entfernt an diejenige der Pinien des Südens erinnert; gewöhnlich erscheint die Krone indessen mehr gestreckt, da sich nicht nur am Ende der Stämme Seitenäste ausbilden und erhalten. Der Kiefernwald ist im Allgemeinen arm an Unter- holz. Hier und da treten Büsche von Cornus mas, sowie Lonieera xylosteum auf. Ferner Juniperus communis, dessen Vorhandensein dem Wald freilich ein sehr charak- teristisches Gepräge verleiht. Bald erhebt ‘sich der Wach- holder in Gestalt isolirt stehender, weit über mannshoher, grüner Pyramiden, deren Hauptstamm ganz senkrecht aus dem Boden emporwächst; oft aber sehen wir auch niedriges Wachholdergestrüpp, indem die Aeste der Pflanze, zunächst schräg über der Erdoberfläche aufsteigend, sich erst an ihrem Ende gerade aufwärts richten. Hier und da bilden nur braune, modernde Nadeln die Bodendecke des Kiefernwaldes. Vielfach haben sich aber auch Moose (namentlich Hypnum- und Hylocomium- arten) auf dem Grunde angesiedelt, oder es entsprosst ihm eine reiche Vegetation von Brachypodium silvatieum init recht breiten, dunkelgrünen, behaarten Blättern. Ferner kommen vor die prächtige Cephalanthera rubra, Gymna- denia conopea mit duftenden Blüthen, die in kleinen Horsten auftretende Monotropa, Koeleria cristata, Gna- phalium dioieum, Anthyllis vulneraria, Fragaria vesca, Chrysanthemum corymbosum ete. Auch Pilze, zumal Boletus bovinus, fehlen im Herbst nicht. Im Buntsandsteingebiet bei Rotenstein, welcher Ort in halbstündiger Bahnfahrt von Jena aus zu erreichen ist, treffen wir ebenfalls manchen Kiefernwald auf trocknerem Sandboden an. Hier wachsen im an Unterholz sehr armen Wald Calluna vulgaris, die in unmittelbarer Nähe Jenas völlig fehlt, Vaceinium myrtillus, Senecio viscosa, Gnaphalium silvatieum, Monotropa, Cantharellus eibarius ete. Grosse Uebereinstimmung mit den Beständen auf Buntsandstein zeigen die Kiefernwälder in der Lüneburger Heide auf Diluvialsand. Das Heidekraut ist an den zu- letzt genannten Orten nur üppiger entwickelt; daneben bedecken viele Flechten (Cladonia rangiferina) und Moose ete. den Boden. Heidelbeere sowie Hutpilze fehlen nieht. Dem Heidekiefernwald sehr ähnlich ist auch der Wald, welcher vielfach die Küste der Ostsee, z. B. die Dünen der frischen Nehrung, schmückt. Wenn man von Marienburg in Westpreussen nach Tiegenhof reist, so be- findet man sich mitten im grossen oder im Marienburger Werder, also im Mündungsgebiet der Weichsel. Dass das südliche Ende des frischen Haffes umgebende Land ist von ausserordentlicher Fruchtbarkeit. Es wird von sehr wohlhabenden Bauern, von denen eine grosse Zahl hollän- discher Abstammung ist, bewohnt, und es blühen hier Raps- sowie Weizenbau, während ausgedehnte Weiden viele Rinder und Pferde ernähren. Die ganze Gegend er- innert durchaus an die Marschen des nordwestlichen Deutschlands. Wandert oder fährt man von Tiegenhof nach Stegen, dass am „Fuss“ der frischen Nehrung liegt, so hat man gute Gelegenheit, die Eigenart des Werders mit seinen von Gräben durchzogenen Weiden und Feldern, seinen mit Kirschbäumen bepflanzten Strassen, den Zugfähren, die zum Uebersehreiten der Flussarme dienen, seinen Ge- höften und Dörfern, kennen zu lernen. Bei Stegen wird der Boden sandig. Wir erblicken zu unserer Ueber- raschung einen lang hingezogenen, dunklen Waldstreifen, vor ans. Gleich hinter dem zuletzt genannten Ort treten wir in den Wald ein, der namentlich von Kiefern gebildet wird und auf dessen Grund z. B. Calluna sowie Vaceinium gedeihen. Nach etwa einer halben Stunde angenehmer Wanderung stehen wir vor einem ca. 15 m hohen, steil ansteigenden Dünenwall. Wir erklimmen den mit Kiefern bewachsenen Hang. Das Terrain ‚senkt sich wieder in RING NrXiol, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 607 sanfterem Abfall. Die Kiefern, welche hier stehen, sind nicht hoch. Auf dem sandigen Boden erblicken wir eine sehr reiche Vegetation von Cladonia rangiferina. Dann auf einmal sehen wir das sonnenbeglänzte Meer, dessen Rauschen schon lange an unser Ohr schlug. Wir wenden uns gen Osten. Zu unser Linken tost und schäumt die mächtige Brandung, rechts dehnt sich der sandige Strand, auf dem zumal Strandgräser gedeihen. Auch das distel- artige Eryngium maritimum fesselt unser Interesse. Mitten in der Brandung stehen Männer in eigenartigem Leder- anzug, die mit an Stielen befestigten Netzen arbeiten. Wassertriefend kommen sie, die Netze hinter sich her- schleifend, ans Ufer, um den Inhalt derselben auf den festen Sand auszubreiten. Man ist erstaunt über die Menge von Ast- und Zweigstücken, die auf dem Meeres- boden gefischt worden sind, aber vor allen Dingen inter- essiren uns die Bernsteinstücke, welehe durch die erwähnte mühselige Arbeit gewonnen werden. Nun geht es noch eine Strecke auf der Nehrung weiter. Dann landeinwärts durch Wald nach Stutthof und zurück nach Tiegenhof. Endlich seien hier noch ganz kurz gewisse Kiefern- wälder der Mark, z. B. solehe in der Nähe von Kottbus, erwähnt. Ihre Eigenart wird durch die grosse Unfrucht- barkeit des Sandbodens, auf dem sie stehen, bedingt. Der Baumwuchs ist wenig kräftig, und dem Grunde unter den Bäumen, der kaum Heidekraut trägt, entspriessen nur einige Gräser, sg dass er durch abgefallene, modernde Nadeln ganz braun erscheint. Andere Bestände der Mark zeigen freilich ein viel erfreulicheres Aussehen. Die Kiefernwälder auf Kalkboden, auf Buntsandstein- boden und an anderen Orten, bieten in ihrer Physiognomie manchen übereinstimmenden Zug dar, z. B. mit Rücksicht auf die nicht bedeutende Dieke der Stämme, und den Mangel reicherer Unterholzentwickelung. Andererseits fehlt es auch nicht an unterscheidenden Merkmalen, wie schon aus unseren Angaben genugsam hervorgeht. In Kiefernwäldern, die einander räumlich sehr nahe gerückt sind, allerdings aber verschiedene Bodenarten besetzt halten, ist die Begleitvegetation der . Bäume eine recht verschiedenartige, und solche Erfahrungen führen dahin, Drude in seiner sehr vorsichtigen Beurthei- lung der nach mancher Richtung gewiss interessanten Ausführungen Höck’s über „Begleitpflanzen“ der Wald- bäume beizustimmen. Nur wenn man die Baumarten und die Natur des Bodens gleichmässig berücksichtigt, kann es einen Sinn haben, in einem Gebiet von geringer Ausdehnung von bestimmten „Begleitpflanzen im Walde“ zu reden. Im Gegensatz zur Kiefer beansprucht die Fichte (Picea excelsa) einen feuchteren Standort, und wir finden sie daher besonders im Gebirge, wo sich aus dysgeogenem Silieatgestein oder eugeogenem Sandstein ein tiefgrün- digerer Boden gebildet hat. Isolirt stehende, allseitig beleuchtete Fichten ent- wickeln sich, da auch die dieht über den Boden ihren Stämmen entsprossenen Aeste erhalten bleiben, zu herr- lichen Pyramiden, wie man solche in besonders schönen Gestalten z. B. auf der Pyramidenwiese bei Bartmühle im Elsterthal sieht. Auch die Fichten am Waldesrande zeigen häufig ähnliche Form. Sie fügen sich zu einer grünen Wand zusammen, aus der in der Höhe einzelne Spitzen besonders grosser Bäume emporragen. Im geschlossenen, jüngeren Fichtenbestande herrscht so tiefe Dunkelheit wie in keinem anderen Walde unserer Breiten. Die unteren, vielfach mit Flechten (Imbriearia physodes) überzogenen Aeste der dicht gedrängt stehenden Bäume sind abgestorben. Auf dem Boden sprosst kein Grün; nur braune, modernde Nadeln bedecken ihn. Auch an trockneren Stellen des Forstes, der durch Menschen- hand gelichtet worden ist, um den Stämmen bessere Lebensbedingungen zu schaffen, ist der Boden zuweilen durch Ansammlung abgestorbener Nadeln in Braun ge- hüllt. Gewöhnlich ist aber Feuchtigkeit genug gegeben, um eine üppige Vegetation von Moosen, Farnen, Heidel- und Himbeere zu veranlassen. Manchmal gewinnt die Moosvegetation im Fichtenwald der Gebirge eine unge- meine Ueppigkeit, so z. B. in den unvergleichlich schönen, von mächtigen Bäumen gebildeten Beständen in der Nähe des Arbersees im böhmisch-bayerischen Wald. In der tief blauschwarzen Fluth dieses Sees, auf welcher die Blätter von Nuphar pumilium schwimmen, spiegeln sich die mit dichtem Wald bestandenen Berge, die ihn um- drängen. Im domartig aufgebauten, oft von Nebeln durchzogenen Wald herrscht tiefe, feierliche Stille, die nur in der Nähe des Sees vom Rauschen des demselben entströmenden Wassers unterbrochen ist. Ausgedehnte Fichtenwälder, die hier nicht ganz un- erwähnt bleiben sollen und denen andere Bestände in Deutschland vielfach ähneln, treffen wir auch im Bunt- sandsteingebiet an. Ein dichter, schwellender Moosteppich, von Hylo- comium-, Dieranum-, Mnium- und Polytrichumarten ge- bildet, ist vielfach über dem Waldesgrund ausgebreitet. Es fehlt nicht an Hutpilzen und anderen Kryptogamen, von denen Lycopodium elavatum mit Polypodium vulgare an trockneren Stellen gedeihen, während Marchantia, Fega- tella, Equisetum silvatieum, viele Farne (Aspidium, Phe- gopteris dryopteris, Ph. polypodioides) mehr feuchte Orte, z. B. Waldbachränder, aufsuchen. In tiefem Schatten wachsen Oxalis sowie Chrysosplenium, und überdies treffen wir noch manche andere Blüthenpflanze an, z. B. Calluna vulgaris, Heidelbeere, Crepis paludosa, Hieracium, Gna- phalium silvatieum, Stellaria uliginosa, Galium rotundum, Lactuca muralis, Melampyrum silvaticum. Manche Aehnlichkeit mit unseren Fichtenwäldern besitzen auch diejenigen des südlichen und mittleren Schwedens. Den Beständen sind vielfach einzelne Eichen, Birken, Iuniperus, sowie Kiefern beigemischt, und dem moosreichen Grunde entsprossen zahlreiche Farnarten, namentlich Pteris aquilinum. Ein besonderes Gepräge gewinnt der schwedische Wald dadurch, dass auf seinem Boden überall kleinere oder gewaltige Dimensionen be- sitzende Felsblöcke (Wanderblöcke von Granit ete.) ruhen, deren Oberfläche je nach dem Verwitterungszustande der- selben mehr oder weniger in Gneiss gehüllt erscheint. Wenn man von Stockholm über Upsala nach Änge weiter gen Norden nach Bräcke, Bispgärden und Jörn reist, so ist man in der That im höchsten Maasse überrascht von dem ungeheuren Waldreichthum des Landes. Fast immer befindet man sich während der zweitägigen Bahnfahrt im Wald. Dabei eröffnen sich häufig malerische Fernblieke auf stille, vom dunklen Fichtenwald umsäumte Landseen, an denen das Land so reich ist, und nur in breiteren Flussthälern erblickt man die Holzhäuser kleinerer Ort- schaften, Wiesen und Ackerland. Immer wilder und ur- wüchsiger wird der Wald, je nördlicher man kommt, aber noch an der herrlichen Indalself, welche ich von Bisp- gärden aus bis zur Mündung bei Sundsvall in den bott- nischen Meerbusen mit Dampfschiff bereiste, trägt er im Wesentlichen den nämlichen Charakter wie bei Stockholm. Der genannte Fluss und ebenso viele andere Schwedens haben eine ganz besondere Wichtigkeit für den Transport des Holzes aus dem Innern zur Küste. 608 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XII. Nr. 51. (Im Jahre 1890 exportirte Schweden für 109 Millionen Kr. Holz.) Die Bäume werden, nachdem sie ‘gefällt worden sind, von ihren Besitzern mit bestimmten Marken versehen und einfach in die Flüsse geworfen. Regelrechte Flösserei ist wegen der zahlreichen Stromschnellen der nordischen Gewässer nicht möglich. Nun treiben die Stämme flussabwärts. Ueberall sieht man das schwim- mende Holz, hier und da aber auch auf Sandbänken oder an Felsenriffen ungeheure Mengen wild durch einander gelagerter Stämme, die sich hier bei niedrigerem Wasserstande festgesetzt haben, und deren weitere Wan- derung erst ermöglicht wird, wenn der Fluss einmal an- schwillt. Nahe der Mündung der Indalself kann das Treibholz aufgefangen werden. Man sortirt es nach den Marken, die es trägt, und nun werden die Stämme oder die in den zahlreichen Sägemühlen bei Sandwall aus ihnen gefertigten Bretter mit Seeschiffen weiter befördert, vielfach nach Brasilien und Australien. Nördlich von Jörn, besonders aber nördlich von dem Orte Boden ändert sich der Charakter des schwedischen Waldes wesentlich. Er nimmt immermehr den Charakter des typisch lappländischen Waldes an, wie ein solcher z. B. bei Gellivara (359 m hoch gelegen) am See Väsarajärvi, dem der Väsaraelf entströmt, und in dessen Nähe sich der kahle Rückeu des 823 m hohen Dundret erhebt, sowie bei Malm- berget unter 67,12° überaus deutlich ausgeprägt erscheint. Die Bestände bieten hier in allen wesentlichen Zügen das Bild des Urwaldes dar. Stärkere Stämme werden ab und zu von Menschenhand gefällt, aber es findet, wie überhaupt in vielen Theilen Schwedens, keine Neuan- pflanzung statt. Der Wald verjüngt sich selbst. Auf dem mit Felsblöeken übersäeten Waldboden erblickt man zahlreiche, umgesunkene, durch den Sturm mit den Wurzeln herausgerissene, modernde Bäume. Andere stehen aller- dings noch aufrecht, aber sie sind abgestorben, und ihre kahlen Zweige starren in die Luft. Manchmal sieht man weite Strecken Landes, die von Waldbränden heimgesucht worden sind, und auf denen sich die Reste früherer Vege- tation in Gestalt von Reisigmassen erheben. Die Wälder Lapplands, in denen das Elch haust und der Lappe sein Zelt errichtet, zeigen einen sehr wilden, unausgeglichenen Charakter. Sie erscheinen furchtbar öde, ebenso wie die weiten Sumpfflächen, von denen sie ab und an unterbrochen werden. Namentlich zu An- fang September, zu welcher Zeit ich in Lappland war, wenn der Herbst hier bereits begonnen hat, das Birken- laub sich schon verfärbt, der Grund zwischen den Stämmen eine fahle, braungrüne Farbe zeigt, rings umher tiefe Stille berrscht, die kein Laut eines Vogels stört, oder rauhe Stürme das Land durchbrausen, stimmt der nor- dische Wald das Gemüth des Menschen überaus traurig. Der lappländische Wald besteht aus Fichten, Kiefern und Birken, die oft zu etwa gleichen Theilen gemischt sein dürften. Die Bäume erreichen keine bedeutende Höhe, es kommen aber noch Kiefern von ca 0,5 m Durch- messer vor. Der Wuchs der Fichten ist ein sehr typischer, indem dieselben, da sie fast bis unten mit Seitenästen besetzt sind, die sich aber nicht kräftig entwickeln, das Bild ganz schmaler, schlanker Pyramiden darbieten. Nicht minder auffallend ist es, dass die einzelnen Stämme der nordischen Wälder recht entfernt von einander stehen, so dass die Bestände immer ein sehr lichtes Aussehen haben. Von solehen gemischten Wäldern, wie sie soeben er- wähnt worden sind, ist z. B. auch der untere Theil des 617 m hohen Malmberget in unmittelbarer Nähe des Ortes gleichen Namens bewachsen. Der Bergrücken besteht aus Gneiss, der von gewaltigen Gängen Magneteisens und Hämatits durchsetzt wird, welche, zum Theil frei zu Tage tretend oder nur von relativ dünner Gmneisssehicht über- lagert, berühmt gewordene Erzlagerstätten darstellen, deren Abbau heute eifrig betrieben wird. Hier im Norden sind Salix polaris, Rubus aretieus und Rubus Chamaemorus, welche die wohlschmeckende, selbgefärbte Moltebeere liefert, heimisch. Im traurigen, liehten Wald an den unteren Abhängen des Malmberget, der aus Fichten, Kiefern, sowie Birken besteht, zwischen deren Stämmen gewaltige Felsblöcke aufgethürmt sind, und ebenso in bedeutenderer Höhe des Berges, wo von höher werdenden Gewächsen nur noch Birken von meist strauch- artigem Wuchs sowie Vogelbeere gedeihen, fand ich als Begleitpflanzen der Bäume und Büsche die Folgenden: Zunächst sind die Flechten zu erwähnen. Ueberall begegnet man ihnen in grosser Menge. Krustenflechten bedecken die Felsen. Weite Strecken des Bodens sind mit der grauen Rennthierflechte (Clodonia rangiferina) überzogen. Flechten hängen auch von den Zweigen der Bäume herab. Ferner wachsen an den bezeichneten Orten Equisetum silvaticum, Lycopodium complanatum, Polytriehumarten, Gräser. Die zierliche Linnaea borealis mit krieehendem Stämmehen ist reichlich vorhanden, dann Pirola seeunda, Empetrum nigrum, Vaceinium myrtillus, Vaceinium vitis Idaea, Epilobium, Geranium, Gnaphalium dioieum, Cirsium heterophyllum mit unterseits weisshaarigen Blättern, Hieracium, Arctostaphylos alpina, eine Pflanze, die im Herbst, wenn ihre Blätter sich blutroth gefärbt haben, einen prächtigen Anblick gewährt. Ferner sind zu nennen ganz niedrig bleibender Wachholder (Iuniperus) und verschiedene Weidenarten- mit unterseits grauhaarigem Laub, Calluna vulgaris sieht man nur vereinzelt. Nach Allem, was hier ausgeführt wurde, ist in srösserer Höhe des Malmberget eine Vegetation vorhanden, welche den Uebergang vom nordischen Wald zur Moos- heide und Flechtenheide, wie Warming diese charak- terisirt, bildet. Angaben über benutzte Litteratur: Detmer, Botanische Wanderungen in Brasilien, 1897. — Landschaftsformen des nordwestlichen Deutschlands, in Fitzners Sammlung, 1897. Drude, Deutschlands Pflanzengeographie, 1896. Fischbach, Lehrbuch der Forstwissenschaft, 1865. Göppert, Nova Acta d. K. Leopold.-Karol. Academie der Natur- forscher, Bd. 34, 1868. Haberlandt, Eine botanische Tropenreise, 1893. A. v. Humboldt, Ansichten der Natur, 1849. Kutzen, Das deutsche Land, 1880. Oppel, Landschaftskunde 1837. Passarge, Schweden, Fahrten in Nordschweden und Lappland, 1895. Pfeffer, Pflanzenphysiologie, 2. Aufl., 1897. Rossmässler, Der Wald, 3. Aufl., 1881. Schimper, Pflanzengeographie auf physiologischer Grundlage, 1898. Semon, Im australischen Busch, 1896. Warming, Lehrb. d. ökologischen Pflanzengeographie, deutsche Ausgabe, 1896. Eine Flechtenkrankheit der Pferde wurde in diesem Jahre an dem Bestande des 12. französischen Artillerie- regimentes beobachtet, die Aerzte Matruchot und Dassonville haben den Fall untersucht und berichten darüber in den „Comptes rendus de l’Acad. des Sciences“ 1898, II, S. 279. Die Pferde wiesen plötzlich zahlreiche Fleehtenherde auf, zum Theil isolirt, zum Theil zu grösseren Flecken zusammenfliessend; diese letztere Form zeigte XIll. Nr. 51. sich namentlich auf den hinteren Partieen des Rückens. Noch ehe die Fleehtenstellen sichtbar wurden, waren an den betreffenden Stellen kleine Erhöhungen fühlbar. Später fielen an diesen Stellen die Haare aus, und nur wenige blieben erhalten, die durch einen schuppigen Grind am Ausfallen verhindert waren. Wurde die Grindkruste weggenommen, so zeigten sich die tieferen Lagen der Epidermis ganz glatt, die Oberfläche war feucht und von rosenrother oder hellgrauer Farbe. Bald vertrocknete der Schorf und wurde schiefergrau. Dadurch, dass an der Peripherie des Herdes die Haare ausfielen, wurden die Flecke immer grösser, aber nie über 3 Centimeter im Durchmesser; nur in der Sattelgegend, wo die Herde in grösserer Zahl auftraten und vielfach zusammenflossen, entstanden Herde von grösserer Ausdehnung, bis zu 5 Centimetern im Durchmesser. Die Krankheit zeigte sich auch bald bei den mit der Pflege der erkrankten Pferde betrauten Leuten, hier trat sie besonders in der Halsgegend auf. Die genannten Aerzte brachten Haare und Grindschuppen auf verschiedene Nährsubstrate und stellten durch Isolirung fest, dass ein Triehophyton der Erreger der Krankheit war. (Bekanntlich wird auch die Rasirfleehte des Menschen durch ein Trichophyton, Trich. tonsurans, erzeugt. Ref.). Als die besten Nährböden er- wiesen sich das Sabouraud’sche Substrat, sowie Kartoffel- und Möhrenscheiben. Unter dem Mikroskop zeigte sich das aus den Flechten- stellen gezogene Haar in seinem unteren Theile gefüllt mit zahlreichen, ovalen Sporen, deren mittlere Grösse 4—6 uw betrug; dies sind Myceliumsporen. Auch um das Haar herum kommen zuweilen kleine, verästelte Mycelium- fäden vor. In den künstlichen Culturen bildet dieses Triehophyton ein Mycelium mit breiten Fäden von 2—3 u Länge mit undeutlichen Scheidewänden. Auf diesem Mycel werden zahlreiche, kleine Sporen erzeugt, deren Entwickelung sehr charakteristisch ist. Die Stellung des Pilzes ist noch nicht gewiss, da es den Forschern bisher noch nieht gelang, die ganze Reihe der Entwickelungs- formen zu erzeugen und zu beobachten, er scheint aber zu den Ascomyceten, und zwar zur Gruppe der Gym- noasci gestellt werden zu müssen. Die Forscher imptten mit der Cultur Meerschweinchen, und auch an dem Menschen konnte ein diesbezüglicher Versuch angestellt werden, da sich der Militairarzt Ren& Lefort freiwillig dazu anbot; sowohl bei diesem als bei den verwendeten Versuchsthieren trat nach 14 Tagen an der Impfstelle eine Flechte auf, die sich in der oben beschriebenen Weise weiter entwickelte. S. Seh. Wetter-Monatsübersicht. (November). — Der Witte- rungscharakter des vergangenen November war in ganz Deutschland wild, jedoch ziemlich trübe, wenn auch nur in kürzeren Zeiträumen starke Niederschläge fielen. Die Temperaturen wiesen, der beistehenden Zeichnung zu Folge, überall nur geringe Schwankungen auf. Am wärmsten war es in den ersten Tagen des Monats, an welchen einzelne Orte noch auf 15° C. kamen. Seit dem 7. begannen leichte Nachtfröste, die, nachdem sie um Mitte November gänzlich aufgehört hatten, erst vom 20. an sich etwas verschärften. In den folgenden Nächten hatten verschiedene Stationen in Süddeutschland —4 bis —5°, in den von der Küste entfernteren Theilen Nord- deutschlands —3 bis —4° C. Uebrigens waren die Unter- schiede zwischen den Tages- und Nachttemperaturen im Allgemeinen nieht sehr bedeutend, da während des grössten Theiles des Monats über Deutschland eine dieke Nebelschicht ausgebreitet lag, welche ebenso sehr die Erwärmung durch die Sonne wie die Abkühlung durch Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 609 die Ausstrahlung des Erdbodens behinderte. Die gesammte Dauer des Sonnenscheins, die sich z. B. in Berlin auf 52!/,, in Potsdam auf 55 Stunden belief, war deshalb auch geringer als in den vorangegangenen Novembermonaten mit Ausnahme des ungewöhnlich trüben November 1394, wogegen der vieljährige Mittelwerth der Lufttemperatur im vergangenen Monat in den nordwestdeutschen Landes- theilen um ungefähr einen Grad östlich der Elbe und in Süddeutschland um reichlich 11, Grade übertroffen wurde. - Temperafuren im Pdovember 1898. — Tänliches Maximum, ber Minimum. ‘ _—___ 8Uhr Morgens,1898. ——-- 8UhrMorgens, normal. 16. 2 26. Tora 17 Tal ılı DoltelontesTggt \__ Nordw r 16. A aa meer IN me Süddeutschland... _, ai In der ersten Novemberwoche herrschten lebhafte südwestliche Winde, welche am 2. Abends an der Nord- seeküste zu heftigen Stürmen anwuchsen und ziem- lich beträchtliche Regenfälle sowie einzelne Hagelschauer mit sich brachten. Darauf folgte eine vierzehntägige Zeit mit schwachen Südostwinden und äusserst spärlichen Niederschlägen, welche, wie die umstehende Darstellung erkennen lässt, über ganz Deutschland sehr gleichmässig vertheilt waren. Seit dem 22. November nahmen die Regenfälle wieder erheblich zu. An der Ostseeküste und in Bayern gingen dieselben bald in Schnee über, der je- doch nirgends lange liegen blieb, da er schon am 26. durch neue Regen abgelöst wurde. Am 26. Abends kam zu Mülhausen i./E., am nächsten Nachmittag zu Breslau ein Gewitter zum Ausbruch, wobei es an ersterem Orte sehr stark, an letzterem aber nur wenig regnete. Vergleicht man den ganzen Ertrag der Niederschläge mit denjenigen von den letzten Novembermonaten, so findet man für den Durchschnitt der deutschen Stationen, für den sich derselbe zu 38,9 mm berechnet, ihn bald zu hoch und bald zu niedrig. Für manche Gegenden, so namentlich an der Nordseeküste und in einem grossen Theile Süddeutschlands, weicht jedoch die Niederschlags- höhe des Monats von ihrem allgemeinen Durchschnitts- werthe ganz bedeutend nach oben hin ab. Dagegen war es in den westlichen und mittleren Gegenden des nord- deutschen Binnenlandes sehr erheblich zu trocken; beispiels- weise wurde im diesjährigen November zu Halle während der ersten drei Wochen kein Tropfen Regen ge- messen, zu Berlin während des ganzen Monats 5,5 mm, nicht einmal halb so viel wie im November des vorigen Jahres, obwohl derselbe bis auf seine letzten vier Tage nahezu frei von Niederschlägen blieb. 610 In der Reihe der barometrischen Depressionen, von denen seit dem letzten Drittel des October Nordeuropa durehzogen wurde, folgte am Anfang November eine von ungewöhnlicher Tiefe, welche in Grossbritannien, Scandi- navien und im gesammten Nordseegebiete schwere Stürme verursachte. Zu Stornoway, auf der Hebrideninsel Lewis, wurden dabei vom 2. bis 5. November 139 mm Regen gemessen, in den schottischen Binnengraf- schaften wurden die Thäler überschwemmt. Nach Entfernung der Depression nahm ein Maximalgebiet, das im IPonember1838.. " Teiederschlaashöhen Ar > SE ey Mittterer Wertn für es an E e - BAR SER EeRESeedeeg Deutschland. 3 E2<- ES 3 2E. CE RSS 585 ’ Ser ea wenesweEknüee Monatssummen im: November = ES Fu zaJlgens BSSSSLES:2535 3588532) BIER HD. — Ins Temmmllı z | I 8-21 November 1-4 m | 8-21 Novem jEnne _u_nnlst_ | „nElän_m — 4 2-30 a Duales] ovember. BEE) | schon vorher den grössten Theil von Mittel- und Süd- europa bedeckt hatte, in Westrussland an Höhe bedeutend zu und beherrschte bis zum 20. fast ausschliesslich die Witterungsverhältnisse Europas. In Nordostrussland trat ausserordentlich strenge Kälte ein, welche sich am 16. zu Tscherdyn bis —36°, zu Perm bis —31° C. steigerte. Nur in der Umgebung des westlichen Mittelmeeres ver- breitete ein eng begrenztes Minimum vom 16. bis 20. wol- kenbruchartige Regengüsse, welche z.B. am 16. zu Cagliari 92, am 17. zu Oran 96 mm ergaben und, von Stürmen begleitet, zahlreiche Unglücksfälle zur Folge hatten. Am 21. November erschien im nördliehen Scandinavien ein umfangreicheres Minimum, von dem ein Theil inner- halb 24 Stunden gerade südwärts bis Westdeutschland vorrückte, um von da mit ebenfalls sehr grosser Ge- schwindigkeit nach Nordosten weiterzuziehen. Ein anderes, viel tieferes Minimum betrat am 23. Irland, begab sich, anfänglich langsam, in Nordengland heftige Schnee- fälle verursachend, nach Südosten und zerfiel in der Nähe des Canals in einzelne Theile, welche hintereinander zur Nordsee und von dort über Dänemark zur Ostsee und nach Finnland fortschritten. Auf ihrem Wege fanden überall ergiebige Regenfälle statt, während sich gleich- zeitig in West- und Südfrankreich zahlreiche Gewitter entluden. Dr. E. Less. Kritik der Falb’sehen Witterungsprognose für November. Prognose: „1. bis 6. November. Die Niederschläge... sind verhältnissmässig unbedeutend. Die Temperatur hält sich nahe am Mittel, ist aber zuletzt im Steigen begriffen.“ Wirklieher Verlauf: Niederschläge meist mässig stark. Temperatur übernormal, langsam sinkend. — Prognose: „1. bis 12. November. Die Regen nehmen zu und sind namentlich am 10. oder 11. sehr ausgebreitet. Die Tempe- ratur . ,.. aussergewöhnlich hoch,* Wirklicher Verlauf: Naturwissenschaftliche Wochenschrift. > xIIE N Fast ganz trocken. Temperatur meist etwas unter der nor- malen. — Prognose: „13. bis 21. November. Die Nieder- schläge sind nur schwach und sehr wenig verbreitet. Die Temperatur ist anfangs sehr hoch, geht dann aber etwas zuruck, hält sich aber noch über dem Mittel.“ Wirklicher Verlauf: der Prognose entsprechend. — Prognose: „22. bis 25. November. Die Niederschläge verschwinden gänzlich. Die Temperatnr geht etwas zurück.“ Wirklicher Verlauf: Beträchtliche Zunahme der Niederschläge. Temperatur ungefähr der Prognose entsprechend. — Prognose: „26. bis 30. November. Die Temperatur steigt etwas und hält sich dann nahe am Mittel. Es treten ausgebreitete Schnee- fälle ein.“ Wirklicher Verlauf: Temperatur etwas über- normal, sonst der Prognose entsprechend. Kein Schnee, dafür Regen und Gewitter. Die allgemeine Charakterisirung des Monats als „völlig trocken“ in der Falb’schen Prognose entspricht den Thatsachen für einige Theile Deutschlands durchaus. Auch sonst ist der Verlauf der Witterung der Falb’schen Prognose günstiger gewesen als in den früheren Monaten. Allerdings ist dies bei einem Monat von so nahezu ein- heitlichem Witterungscharakter nicht gerade sehr be- merkenswerth. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der ausserordentliche Professor der Mathe- matik in Giessen Dr. Hausner zum ordentlichen Professor; der ausserordentliche Professor der allgemeinen Pathologie und patho- logischen Histologie in Wien Richard Paltauf zum ordentlichen Professor; der Privat-Docent der Anatomie in Bern Dr. K. W. Zimmermann zum ausserordentlichen Professor; der Privat- Docent der Physiologie in Graz Dr. Zoth zum ausserordentlichen Professor; C. Sauvageau zum Professor der Botanik an der faculte des sciences in Dijon. Berufen wurde: Der ordentliche Professor der Physik in Würzburg Dr. von Röntgen nach Leipzig. In den Ruhestand tritt: Der ordentliche Professor der Physik in Leipzig Gustav Wiedemann. Es starben: Der Professor der Geologie in Rom Graf Michele Stefano de Rossi; der spanische Geograplı Oberst Franeisco Coello; der französische Elektriker de Meritens; der französische Geograph J. V. Barbier; der Erbauer der Forth- Brücke Sir John Fowler in Bournemouth; der Professor der Agrikultur und Hortikultur am New Mexico Agrieultural College George Vestal. Litteratur. Prof. Georg W. A. Kahlbaum, Zwanzig Briefe gewechselt zwischen Jöns Jakob Berzelius und Christian Friedrich Schönlein in den Jahren 1836-1847. Verlagsbuchhandlung von Benno Schwabe in Basel, 1898. Das Heft ist dem „Tage der Berzelius-Feier in Stockholm am 7. Oktober 1898“ gewidmet. Der Reiz, den es gewährt, grossen Männern durch Kenntniss- nahme von Briefen wissenschaftlichen Inhalts derselben näher zu treten als es durch ihre von ihnen selbst für die Oeffentliehkeit bestimmten Schriften geschehen kann, ist unter Anderem dadurch so gross, weil Briefe im Allgemeinen bessere Auskunft über das Werden und die Enstehungsgeschichte ihrer Entdeckungen geben. Diese zu kennen ist aber nicht nur für jeden wissenschaftlich selbst Arbeitenden von grossem Werth, sondern insbesondere für den Lehrer, der gar zu leicht bei seinem Unterricht in eine Methode hineingeräth, die allem anderen eher entspricht als einem der historischen Entwickelung der vorzutragenden Diseiplin angelehnten Unterricht. Das ist unseres Erachtens ein grosser Fehler, da nur aus der Anknüpfung an den wirklichen Vorgang des Erwerbes neuer Kenntnisse eine volle Befriedigung erwachsen kann. 2 Der Herausgeber hat die Briefe mit Anmerkungen versehen, die das Verständniss der Briefe wesentlich fördern. > Julius Wiesner, Die Beziehungen der Pflanzenphysiologie zu den anderen Wissenschaften. Inaugurationsrede gehalten am 24. Oktober 1898. Alfred Hölder in Wien, 1898. Zur Kennzeichung der Beziehung von Physiologie und Systematik erinnert W. an die neuerdings bekannt gewordenen „physiologischen“ Arten unter den Pilzen; es werden dann noch besprochen die Beziehungen zur Zoologie, Physik und Chemie, Meteorologie und Klimatologie und endlich zur Praxis, XII. Nr. 51. Friedrich Ratzel, Deutschland. Einführung in die Heimathkunde. Mit 4 Landschaftsbildern und 2 Karten. Fr. Wilh. Grunow in Leipzig, 1898. Das Büchelehen, das durch bequeme Form und Grösse so recht dazu einladet ein trauter Begleiter auf Reisen in der Heimath zu sein, bringt nicht lose aneinandergereihte Thatsachen in der Weise der üblichen geographischen Lehrbücher sondern einen hintereinander lesbaren Text. Der Deutsche, sagt Verf., soll wissen, was er an seinem Lande hat, und diesen Zweck kann man nur erreichen, „wenn man zeigt, wie der Boden und das Volk zusammengehören“. Die eine der beigegebenen Karten ist eine Fluss- und Gebirgskarte, die andere bietet sehr übersichtlich die Verbreitung der Völker resp. Rassen. Kurt Geissler, Mathematische Geographie zusammenhängend entwickelt und mit geordneten Denkübungen versehen. Sammlung Göschen. Nr. 92. G. J. Göschen’sche Verlagshandlung in Leipzig. Das Heft (186 Seiten mit 14 Figuren) will jeden, auch den nicht mathematisch und physikalisch Vorgebildeten in die mathe- matische Geographie einführen. Es sind darum Uebungen in mathematischer Anschauung kurz vorausgestellt, nach deren Durch- arbeitung auch ohne mathematische Beweise das Verständniss möglich ist. Arthur Freiherr von Hübl, Die photographischen Repro- ductionsverfahren. Mit 12 Tafeln und 14 Text-Abbildungen. Verlagsbuchhandlung von Wilhelm Knapp in Halle a. S., 1598. Sich über die Reproductions- Arten von Abbildungen zu orientiren ist auch für den Naturforscher, wenn er durch zu ver- öffentlichende Abbildungen bestimmte Effeete erzielen will, nicht zu umgehen; namentlich sind hier die photographischen Reproducetionsverfahren von Wichtigkeit, sodass ein Buch, das wie das vorliegende, diese Verfahren besonders behandelt, darauf rechnen kann, auch von dem genannten Kreise benutzt zu werden. Die Tafeln bieten interessante Proben der verschiedenen Repro- ductions-Verfahren, unter diesen auch eine in photographischem Dreifarbendruck. P. Sydow, Deutscher Botaniker-Kalender für 1899. von Gebrüder Borntraeger in Berlin. Der Taschenkalender bringt ein Kalendarium, Postgebühren, Münzen, Maasse und Gewichte. Ferner Nomenclaturregeln, ein Verzeichniss der eryptogamischen Essiccatenwerke, ein Verzeichniss der botanischen Gärten des In- und Auslandes mit Angabe der Direetoren und die botanischen Museen und Sammlungen nebst einem Verzeichniss der in den botanischen Museen und grösseren Herbarien enthaltenen Sammlungen. Verlag Verhandlungen des ersten internationalen Mathematiker- Kongresses in Zürich vom 9. bis 11. August 1897. Heraus- gegeben von Dr. Ferdinand Rudio, Prof. am Eidgenössischen Polytechnikum. Mit einem farbigen Titelbild und sechs in den Text gedruckten Figuren. VIII und 306 Seiten gr. 8°. von B. G. Teubner in Leipzig, 1898. — Die nur allzu kurzen, herrlichen Augusttage des vorigen Jahres kommen dem Theilnehmer des ersten internationalen Mathematiker-Congresses beim Durchlesen des vorliegenden, schön ausgestatteten Bandes in lebhafte Erinnerung; wie reich jene drei Congresstage — trotz der schönen Feste — an wissenschaftlicher Thätigkeit waren, das tritt jetzt deutlich hervor, und doch ist damit nur ein Theil des wissenschaftlichen Gedankenaustausches und der mannigfachen Anregungen wiedergegeben, die jeder Theil- nehmer empfangen hat. Denn gerade die persönliche Bezugnahme zu anderen Forschern zeitigt bekanntermaassen häufig Früchte von unschätzbarem Werth, und diese Seite der grossen wissen- schaftlichen Versammlungen kann natürlich in ihren „Verhand- lungen“ nicht voll zu greifbarem Ausdruck gebracht werden. Wie die vorliegenden Verhandlungen für die Theilnehmer jenes Congresses von hohem persönlichen und wissenschaftlichen Werth sind, so wird die viel grössere Zahl von Mathematikern, welche ihm nicht beiwohnen konnten, mit lebhaftestem Interesse das überaus inhaltreiche Buch zur Hand nehmen; das letztere darf in keiner Bibliothek fehlen, die nur einigermaassen die mathe- matischen Wissenschaften berücksichtigt. Verlag, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. er en en N TE __ Se ne u 0 a em 611 Die Züricher Mathematiker haben sich nach allen, bei einem Congress in Betracht kommenden Richtungen trefflich bewährt und sich um die Sache der internationalen Congresse dauernd verdient gemacht. Insbesondere gebührt Prof. Rudio für die mühbevolle und ausgezeichnet durchgeführte Herausgabe der Con- gressverhandlungen der aufriehtige Dank der Fachgenossen. Prof. Rudio hat den Band in zwei Theile getheilt: der erste enthält eine anschauliche Schilderung der Vorgeschichte des Congresses und des Verlaufes desselben, während der zweite Theil die wissenschaftlichen Vorträge umfasst. Auf den Inhalt dieser 34 Vorträge näher einzugehen verbietet sich an dieser Stelle von selbst, theils aus Rücksicht auf den Raum, theils wegen der speciellen Natur der behandelten Gegenstände. Von den 34 Vor- trägen wurden 30 in Seetionssitzungen, die übrigen vier in zwei allgemeinen Sitzungen gehalten. Die Themata der letzteren mögen hier Platz finden: Poincare, Sur les rapports de l’analyse pure et de la physique math&matique; Hurwitz, Ueber die Ent- wiekelung der allgemeinen Theorie der analytischen Functionen in neuerer Zeit; Peano, Logiea matematica; Klein, Zur Frage des höheren mathematischen Unterrichts. Aus dem ersten Theile müssen wir noch besonders nennen die sehr beachtenswerthen Ausführungen von Prof. Rudio über die Aufgaben und die Organisation internationaler mathematischer Kongresse. Da nämlich beabsichtigt ist, von nun an regelmässig in“ Zeiträumen von 3—5 Jahren internationale Mathematiker- Congresse abzuhalten, deren nächster im Jahre 1900 zu Paris tagen wird, so war es von Wichtigkeit, zuvörderst festzustellen, dass es in der Mathematik eine ganze Reihe von Fragen und Aufgaben giebt, die einer internationalen Vereinbarung und Lösung fähig und bedürftig sind. G. Archiv für Landes- und Volkskunde der Provinz Sachsen nebst angrenzenden Landestheilen. 8. Jahrg. Halle. — 4 Mark. Baginsky, Prof. Dir. Dr. Adf., Handbuch der Schulhygiene. Stuttgart. — 16 Mark. Bechterew, Prof. Dir. W. v., Die Leitungsbahnen iım Gehirn und Rückenmark. Leipzig. — 19 Mark. Berichte der schweizerischen botanischen Gesellschaft. 4 Mark. Eitelberg, Dr. A, Praktische Ohrenheilkunde. Wien. — 10 Mark. Erdmann, Benno und Raymond Dodge, Psychologische Unter- suchungen über das Lesen auf experimenteller Grundlage. Halle. — 12 Mark £ Freudenthal, Prof. Dr. J,, Die Lebensgeschichte Spinozas in Quellenschriften, Urkunden und nicht amtlichen Nachrichten. Leipzig. — 10 Mark. Hückel, vorm. Priv.-Doc. Dr. Armand, Die Vaceinekörperchen. Jena. — 8 Mark. Hollemann, Prof. Dr. A. F., Lehrbuch der Chemie. Organische Chemie. Leipzig. -— 10 Mark. Krause, W., Handbuch der Anatomie des Menschen mit einem Synonymregister. 1. Abth., Osteologie, Syndesmologie, Myologie. Leipzig. — 4 Mark. Külpe, Pr. Osw., Einleitung in die Philosophie. 2. Aufl. Leipzig. — 5 Mark. Landor, Henry S., Auf verbotenen Wegen. Leipzig. — 9 Mark. Lehmann, Assist. Dr. Fritz, Compendium der anorganischen und organischen Chemie. I. Theil, Anorganische Chemie. Berlin. — 4 Mark. Lukjanow, Dir. S. M., Grundzüge einer allgemeinen Pathologie der Verdauung. Leipzig. — 10 Mark. Mayer, Maj. Gust., Erste Bahnbestimmung eines Kometen. Wien. 1,50 Mark. Mayer-Eymar, Prof. Dr. Karl, Systematisches Verzeichniss der Fauna des unteren Saharianum (marines Quartaer) der Umgegend von Kairo, nebst Beschreibung der neuen Arten. Stuttgart. — 7 Mark. Natorp, Paul, Socialpädagogik. Stuttgart. — 6 Mark. Reinke, Priv.-Doc. Prosect. Dr. Frdr., Anatomie des Menschen. 2. Abth, Eingeweide und Blutgefässe. Wien. — 4 Mark. Schlegel, Emil, Paracelsus-Studien. Dresden. — 1 Mark. Schreiber, Prof. Dr. Paul, Studien über Luftbewegungen. Leipzig. — 3 Mark. Siebert, Dr. Otto.. Geschichte der neueren deutschen Philosophie seit Hegel. Göttingen. — 8,50 Mark Stephani, Frz., Species Hepatiearum. I—IIL. Genf. — 6,10 Mark. Stratz, Dr. C. H., Die Schönheit des weiblichen Körpers. Stutt- gart. — 8 Mark. Bern. — I. Theil. Inhalt: W. Detmer: Zur Charakteristik einiger Vegetationsformationen. — Eine Flechtenkrankheit der Pferde. — Wetter-Monats- übersicht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur; Prof. Georg W. A. Kahlbaum, Zwanzig Briefe gewechselt zwischen Jöns Jakob Berzelius und Christian Friedrich Schönlein in den Jahren 1836— 1847. — Julius Wiesner, Die Beziehungen der Pflanzenphysiologie zu den anderen Wissenschaften. — Fried. Ratzel, Deutschland. — Kurt Geissler, Mathematische Geographie. — Arthur Freiherr von Hübl, Die photographischen Reproductionsverfahren. — P. Sydow, Deutscher Botaniker-Kalender für 1899. — Verhandlungen des ersten internationalen Mathematiker-Kongresses in Zürich vom 9. bis 11. August 1897. — Liste. 612 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. graphische Apparate pP h oto! Bedarfsartikel. Silberne Medaillen: Berlin 1896, Leipzig 1897. Stativ- und Hand-Apparate in grosser Auswahl. | Sehr empfehlenswerth sind: „Vietoria“- Klappcamera mit | Steckelmanns Spiegel-Reflex. (D.R. Pat.) Entw ickelungsschaale mit Veber- ” dach und Vertiefungen. (D.R.G.M.) | | Plattenwechselkasten „Columbus“ mit einer Exponircassette für Platten, an jede Camera anzupassen. Id eeslerne Wehner“-Platten (höchst empfindlich u. zuverlässig). | Max Steckelmann, = Berlin W. 8, Leipzigerstr. 331. (Kein Laden.) den. Bimmlers Derlagsbh., Berlin. Grasmotoren, Aphoriftifche Grumdlegung Dynamo- und Dampf. B einer Dhilofophie des Geftjehens. maschinen Bon garantirt betriebs- Dr. »erthofd Weiß. 733. gr. 8. Preis 1,20 Mark. gebraucht fähig, in allen Grössen offerirt Elektromotor XIII. Nr. 51 Sn Gerd, Dimmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12 ericheint von Dftober ab: Die Dolksunterhaltung. Beitfihrift für die gefamten Beftrebungen auf dem Obehiete der Volksunterhaltung. Herausgegeben von Raphael Löwenfeld. BSährlich 12 Hunımern. Preis 2 2lark. Zu beziehen durch jämtliche Buchhandlungen und Boftanftalten. PBrobenummern gratis und franfo. Ferd. ‚ Dümmlers | ; Verlagsbuchhandlung i in Berlin SW. 12. Kritische Grundlegung der Ethik als positiver Wissenschaft von Dr. med. Wilhelm Stern, pract. Arzt in Berlin. 476 Seiten gr. 8%. Preis 7,20 Mark. G. m. b. H. Berlin NW., Schiffbauerdamm 21. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchh. ‚Berlin. Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. Von E. Loew, Professor am kgl. Realgymn. in Berlin. 444 Seitengr. . Pr. 6M., geb. 7M. 009000909098909080839080 Hempel’s Klassiker - Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. | Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. OILIIILLIIIIIIIIIIIIIIH PAT 3 N TB U REAU and und Leute in I. Ulrich R. Maerz Jnh:C.Schmidtlein ‚Ingenieur Berlin NW., Luisenstr. 22. = Gegründet. 1878. Patent- Marken -u. Musterschutz intereffantes Ka bom Untergang d mebrere Bilder zur 111 Flluftrationen, %* Soeben erfihien: Höchft originelle — vornehm FZrih Dogellang. Abentener eines deuticen Rs Schiffsjungen in Kiautfhon. Paul Findenberg. Mit 4 feinen Sarbenbildern nad Aguarellen von Willy Werner und 111 Abbildungen im ZTert. 292 Seiten groß Ofktav. — Preis eleg. geb. 4 MR. Der Verfaffer, der vor Kurzem von feiner Reife um bie Erbe ueüicgefehrt ıft, fchildert im Rahmen einer fpannenden Erzählung China, zumal im neuen deutfehen Gebiet da- felbft, welch legteres Lindenberg eing zu denen auch Frau Baronin von Hehfing, bie Gemahlin unferes deutfhen Gefandten in Peking, mehrere treffliche Aquarelle zugefteuert bat. : =] Bu beziehen dich; alle Buchhandlungen. I x | ausgeftattete Ingendfchrift! /«bester.und „bewährter, genenk fennen gelernt bat. Ein es Buches giebt eine autbentiiche Darftellung Iıtis, zu welcher das Neich - Marineamt tfügung ftellte, Den ftattlichen Band fhmüden JLLPREISLISTEN NUR AN“ WIEDERVERKÄUFER wINSTALLATEURE ar zen 1 Carl Zeiss, — Optische Werkstaette. Jena. Mikroskope mit Zubehör. Mikrophotographische Apparate. Photographische Objective. \ Mechanische und optische Messapparate für physikalische und chemische Zwecke. i Neue Doppelfernrohre für Handgebrauch. $ Astronomische Objective und astro- optische Instrumente. Cataloge gratis und franco. ESSESTSITSTSETTHETSESGDSTSESCDHTDK LE 2 PESTSTCHETESEDTDTD Verantwortlicher Redacteur: Ferd. Dümmlers V 'erlagsbuchhandlung i in Berlin SW. 12. Die Charakteristik der Tonarten. Historisch, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Richard “Hennig. 136 Seiten Oetav. — Preis 2,40 Mark. Der aeninle Menfd. Von Hermann Türe. Dritte ftark vermehrte Auflage. 390 Seiten gr. 8%. Preis geb. 4,50 HM, eleg. geb. 5,60 A. ME” Der heutigen Nummer liegt ein Preisverzeichniss von botanischen Modellen etc, der Firma R. Brendel, Grunewald kei Berlin bei, wir machen unsere geehrten Leser hierdurch darauf aufmerksam. Die Expedition. Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. schaftliche n fassenden Ideen und an locken- den Gebil’en der Phantasıe, w.rd ihr reichlich ersetzt durch den Zauber der Wirklichke t, der ihre Schöpfungeu schmückt. Schwendener, BERE un) Vn- „<“ Redaktion: ? Dr. H. Potonie. HR Verlag: Ferd. Diimmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XIII. Band. | Sonntag, den 25. December 1898. Nr. 52. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- 7 Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 3. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist HM 4.— es sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Ü bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Bringegeld bei der Post 15 „ extra. Postzeitungsliste Nr. 5048. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Die allgemeine Versammlung der Deutschen geologischen Gesellschaft zu Berlin vom 26.—28. September 1898. (Fortsetzung.) Wir sind nun aber jetzt so weit, dass wir uns über eine Anzahl der pflanzlichen Haupttypen der Steinkohlen- formation eine wesentlich genauere Vor- stellung zu machen vermögen, als es zu Unger’s und auch zu Zeiten der späteren Restaurations-Versuche, z. B. von Karl A. Zittelund H. B. Geinitz, möglich war. Es liegt zweifellos, wie ich mehrfach, namentlich aus Geologenkreisen zu hören Gelegenheit hatte, das Bedürfniss vor, eine neue, zeitgemässe landschaftliche Darstel- lung über die Carbonflora, welche unsere jetzigen Anschauungen im Bilde wieder- zugeben sucht, zu besitzen, und ich selbst habe in meinen Vorlesungen über Pflanzen- palaeontologie an der Kgl. Bergakademie zu Berlin, da mir auch die neueren, im Buchhandel vorhandenen Tafeln bei Weitem nieht genügen konnten, ebenfalls immer wieder empfunden, wie zweck- mässig der Besitz einer Wandtafel wäre, welehe wenigstens die allerwichtigsten Haupttypen in ihrer äusseren Erscheinung vor Augen führt. Alljährlich tauchte denn auch der Plan bei mir wieder auf, eine solche Tafel selbst herzuriehten, aber die Ausführung wäre wohl noch lange unter- blieben, wenn ich nicht durch einen äusseren Umstand veranlasst worden wäre, eine Vorarbeit zu einem solehen Unter- Bezirksgeologe Dr. H. Potonie: Eine Carbon-Land- schaft. Erläuterung zu einer neuen Wandtafel.*) Den Versuch, Carbon-Landschaften zu veranschaulichen, haben die Pflanzen- palaeontologen wiederholt unternommen. Am bekanntesten geworden sind die Reconstructionen der Steinkohlenflora in Landschaftsform von F. Unger**), von denen die eine Tafel (Taf. III) in Büchern immer wieder reproducirt worden ist, ob- wohl sie — wenn auch als künstlerische Darstellung recht hübsch — so wenig Einzelheiten bietet, dass sie für den Unterricht nieht brauchbar ist.***) *) Die Tafel konnte in verkleinertem Maasstabe hier nicht reprodueirt werden. Eine vorläufige farbige Darstellung ausgeführt von Herrn Hermann Eichhorn erscheint in Gr. Oetav- Format in einem Supplement-Bande zu Meyers Conversations-Lexicon, 5. Auflage, (Bibliogra- hisches Institut in Leipzig). Die grosse in- altlich hinsichtlich der charakterischen Sculp- turen der Carbon-Pflanzen u.s. w. von der nur den Gesammt-Eindruck bietenden kleinen, ganz wesentlich wegen der ausgiebigeren, zur Ver- fügung stehenden Fläche abweichende Wand- tafel. wird im Auftrage der Königl. preuss. geolog. Landesanstalt im Verlag von Gebrüder Borntraeger in Berlin erscheinen. ##) Die Urwelt in ihren verschiedenen Bildungsperioden. XIV landschaftliche Dar- Fig. 1. stellungen. Wien 1847. Stückchen des Wedels von Pecopteris *#) Die allerneueste Reproduetion dieser dentata mit Adventiv-Fiedern auf der 1» 2 ge : Tiakätfindet sich sogar bei nahen Pflanzen: Hauptspindel. nehmen zu machen, nämlich plastische palaeontologen von Fach, nämlich als Bei- Restaurationen von Carbonpflanzen näher gabe zu einer kurzen Notiz von F. H. Knowlton „In a coal |; ins Auge zu fassen und auszuführen. Es handelte sich swamp“ in der Zeitschrift „The Plant World“, Vol. II, Nr. 2, 1895. | dabei um die Verwirklichung einer Idee des Herrn Es sei dies auch desshalb hervorgehoben, weil Unger in dieser Sy: \ here Key : populären Notiz nicht ceitirt wird, und es hier und da den An- | Generaldireetors Bergrath Junghann, nämlich um die schein erwecken könnte, als handele es sich um einen neuen Versuch, | plastische Reconstruction von Carbonpflanzen in natürlicher 614 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XI. "Nr. 52. Grösse als Decorationsmittel bei Gelegenheit eines Besuches Sr. Majestät des Deutschen Kaisers am 12. November 1897 in der Vereinigten Königs- und Laurahütte zu Königshütte in Oberschlesien. *) Um möglichst viele Pflanzentypen auf die Tafel Fig. 2. Caulopteris varians in '/, der natürlichen Grösse. — Nach Zeiller. Fig. 3. Ein Wedelstückchen von Gleichenia (Mertensia) gigantea Wallich. — a = Hauptspindel (Spin- del erster Ordnung) mit Adventiv-Fiedern, Die auf der neuen Tafel gebotenen Reconstructionen gründen sich durchweg auf wirklieh constatirte organische Zusammenhänge der Reste, wie im Folgenden des Näheren auseinandergesetzt wird; dass trotzdem bezüglich der Tracht und des Auftretens der Fig. 4. Megaphyton Mac-Layi Lesg. in '/, der natürlichen Grösse. — Nach Zeiller, b = Spindel zweiter Ordnung mit normalen Fiedern. — Nach W. J. Hooker. bringen zu können, habe ich die Flora des mittleren produetiven Carbons zu Grunde gelegt, speciell die Flora z. B. des „Hangendzuges“ (— Schatzlarer Schiehten) im Niederschlesisch - böhmischen Beeken und der Unteren Saarbrücker Schichten des Saar-Reviers. Es handelt sich also vom Silur-Devon ab gezählt um meine 5. Flora, oder vom Culm ab gerechnet um die IV. Carbonflora**), die durch ihren alle anderen fossilen Floren übertref- fenden Reich- thum an Resten am meisten Mate- rialien zu Recon- structionen liefert er und auch des- eg halb grösseres 1 allgemeines In- teresse bean- sprucht, weil es sich um den RK bergbaulich wich- ; . P Fig. 5. FIESLen Theil Mariopteridischer Aufba! A . 2 1 ıscher u u. — deı Steinkohlen- windende resp. kletternde Axe. formation han- delt. 5 *) Näheres über diese plastischen Reeonstructionen vergl. in der „Gartenflora“ 47. Jahrg. Berlin 1898, noch Ausführlicheres in der „Naturw- Wochenschr.“ Bd. XIII. Berlin 1898. *#) Vergl. meine Abh.: „Die floristische Gliederung des deutschen Carbon und Perm“. Abhandlungen der Kgl. Preuss. geologischen Landesanstalt: N. F. Heft 21. Berlin 1896. Auch mein Lehrbuch der Pflanzenpalaeontologie mit besonderer Rücksicht auf. die Bedürfnisse des Geologen (Berlin seit 1897) orientirt über diese Floren. zur Darstellung gebrachten Pflanzen die Natur nicht er- reieht ist, fühle ich nur zu gut. Ich selbst empfinde denn auch keineswegs volles Genügen, aber ich glaube doch durch die Darstellung einen nicht unwesent- lichen Fortschritt zu bieten, in der Hoffnung zu wei- teren Verbesse- rungenanzuregen und einen Anstoss zu geben, die bisher üblichen Carbon - Land- schaftsbilder, die sich so sehr viel weiter von der vergangenen Wirklichkeit ent- fernen, aus der Litteratur auszu- merzen. In einem Punkte mussten die realen Ver- hältnisse, wie sie anzunehmen sind, dem Zweck ent- sprechend, dem die Tafel dienen soll, absichtlich etwas — wenn auch so wenig als nur irgend möglich — zurück- gedrängt werden. Die Tafel soll ja dem Unterricht dienen, und es war daher geboten, die äusseren Eigenthümlich- keiten und Besonderheiten der Typen nach Möglichkeit sichtbar zu machen. Das war nur zu erreichen, wenn die Urwaldnatur mit ihrem verwirrenden, undurchdring- Fig. 6. Ein Wedelstückchen von Mariopteris muricata. XI. Nr. 52. lichen Durcheinander, die wohl ein interessantes Gesammt- bild liefert, aber für Einzelheiten wenig Platz lässt, etwas gemildert wurde. Der Hauptcharakter der Steinkohlen- landschaft, wie wir ihn uns meines Erachtens vorzu- stellen haben, nämlich die Wald- moornatur*), konnte dabei aber gewahrt bleiben. Um den Ein- druck eines Waldmoores zu er- wecken, war ja nur all und jede Bodenerhebung zu vermeiden: es musste ein durchaus horizontaler Boden, hier und da von Wasser bedeckt, angenommen werden. Dass die Pflanzenarten an bestimmten Stellen sehr oft mit Zurückdrängung derübrigen Arten dominirt haben, wie das z. B. durch den Calamariaceen-Wald in der Mitte des Bildes zum Aus- druck gekommen ist, habe ich häufig constatiren können. Das oft massenhafte und ausschliess- liche Auftreten von Calamaria- ceenresten in bestimmten Schichten erinnert an das Verhalten der Nachkommen der Calamaria- ceen, an unsere Schachtelhalm- (Equisetum)-Arten, von denen ein Theil gern wasserbedeckte und feuchte Stellen schnell besetzt, wie nasse Wiesen, die oft von kleinen Equisetum-Wäldern dicht überzogen sind. Solche Fälle haben mir schon längst die Frage nahe gelegt**), ob die üblichen landschaftlichen Restaurationen zur Carbon-Flora nicht nach der Richtung verbesserungsbedürftig sind, als wir es nach wiederholter Beobachtung entweder z. B. mit Lepidophyten- oder aber mit Calamariaceen-Wäldern zu thun haben, nieht mit Mischwäldern, in denen die beiden Baum-Be- standtheile im Ganzen gleich- mässig häufig auftreten. Auch sonst kann man local ausgebildete Floren beobachten. Im Roth- liegenden des Saargebietes und Thüringens z. B. treten die Wal- ehien in bestimmten, meist san- digen Horizonten fast ohne Bei- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 615 Regel allein die Schichten, in denen diese Art vor- kommt, u. Ss. w. Für die Tropen-Natur unserer Steinkohlenflora sprechen die folgenden Thatsachen: 1. Soweit die fertilen Reste ‚der Farn eine nähere Kenntniss ‚des Baues ihrer Sori und Spo- rangien zuliessen, ergab sich die systematische Zugehörigkeit der Verwandtschaft zu Familien, die heute in den Tropen zu Hause sind. 2. Während in den heutigen gemässigten Zonen nur Farn- stauden gefunden werden und nur gelegentlich einmal wie bei Önoclea Struthiopteris kleine und kurze Stämme zur Entwickelung kommen, haben wir es in den Farnen des Carbons — wie sich immer mehr ergiebtt — über- wiegend mit Bäumen und klet- ternden resp. windenden Pflan- zen zu thun. Ueberhaupt ist das Ueberwiegen grosser, baumför- miger Gewächse im Carbon auch aus anderen Gruppen, die heute meist krautig sind, zu erwähnen. 3. Die Adventiv-Fiedern der Peecopteris-Arten sind eine Eigen- thümlichkeit, die heute nur an Farn der Tropen beobachtet wird. 4. Die Grösse der Wedel einer grossen Zahl von Carbon- farn entspricht wohl Verhält- nissen, wie sie in den heutigen Tropen, aber nicht in der ge- mässigten Zone vorkommen. So grosse Wedel und Blätter über- haupt können nur dort vorkommen, wo ihnen das Klima zur Ent- wickelung genügende Zeit lässt. 5. Wie die tropischen Holz- gewächse vermöge des günstigen Klimas nicht selten ein stetiges Diekenwachsthum haben und so- mit oft der durch ein periodisches Wachsthum bedingten Jahresringe entbehren, so fehlen Jahresringe den Holzgewächsen des Carbons durchweg. 6. Das häufige Vorkommen stammbürtiger Blüthen bei Car- S =: a Re L 5 mischung anderer Floren-Elemente B bonpflanzen entspricht der viel- auf. Mögen sie nun in diesen fach weitgehenden Arbeitstheilung Fällen eingeschwemmt oder dort wei sämmtlicher Organe und Organ- gewachsen sein: in beiden Fällen Sphenopteris Bäumleri. A etwas verkleinert, rechts darunter systeme der Pflanzen der heutigen ein einzelnes Fiederchen schwach vergrössert. — B grosses deutet ihr Vorkommen darauf hin, dass es Walchia-Wälder gegeben hat, in denen die Arten dieser Gattung der Landschaft die Physiognomie aufgedrückt haben. Es könnten noch mancherlei Bei- spiele angeführt werden, so erfüllt Equisetites mirabilis des Waldenburger Liegend-Zuges (3. Flora) in der zeigt. *) Vergl. meine Abhandlung: „Ueber Autochthonie von Carbonkohlen-Flötzen und des Senftenberger Braunkohlenflötzes“. Jahrb. der Königl. Preuss. geologischen Landesanstalt für 1595. Berlin 1896. ##=) Autochthonie |, e, S. 16 u. 17. Stück in etwa '/, der natürl Grösse mit Axe a a, welche seitwärts die Abgänge von 4 Wedeln resp. Fiedern 1. Ordnung Rechts in der Mitte ein Stück der Hauptaxe aa schwächer verkleinert als in der Hauptfigur. Gott mit uns bei Mittel-Lazisk in Oberschlesien, B von der Bohrung Woschezytz I in O.-S. Teufe 322 m. Tropen. Die letzteren zeigen viel häufiger als die Pflanzen unserer gemässigten Zone die Ausbildung eigener Sprosse, denen ausschliess- lich die Arbeit der Ernährung zukommt. Bei den Bäumen mit stammbürtigen Blüthen nimmt gewissermaassen die ganze Laubkrone einen solehen Charakter an, und die Neben- arbeit des Blühens und Früchtetragens wird den älteren Aesten und dem Hauptstamme übertragen. Es ist der durch die dichte, tropische Vegetations-Decke bedingte mächtige Kampf ums Licht, der sich darin ausspricht, dass die liehtbedürftigen Laubblätter oft ganz ausschliess- A von Grube 616 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 52. lich den Gipfel einnehmen, während die Fortpflanzungs- organe an den Theilen der Pflanzen auftreten, die dem Licht weniger zugänglich sind, wo sie jedenfalls die ausgiebige Lebensverrichtung der Laubblätter in keiner Weise behindern. Gehen wir nun des Näheren auf die einzelnen, zur Darstellung gebrachten Pflanzentypen ein und zwar nur soweit ihre Eigenheiten auf der Tafel zum Abdruck ge- kommen sind; wir werden dabei Gelegenheit haben, die bisher gebotenen Andeutungen zu spe- eialisiren. Im Uebrigen verweise ich auf mein Lehrbuch der Pflanzen- palaeontologie, dem die hier zur Vervollständigung gebotenen Text- abbildungen, soweit sie nicht ganz neu sind, entnommen wurden. 1. Filices. Von Farn sind zur Darstellung gelangt a) baumförmige Arten, b) kletternde beziehungsweise windende Arten und c) kleinere, staudenförmige Arten (den Boden bedeckend). Der grosse, vor dem Lepidodendron- Walde links auf der Tafel zur Darstellung gebrachte Baumfarn giebt den Habitus einer Pecopteris-Art vom Typus der P. den- tata, Fig. 1, wieder. Die Stämme sind unter dem „Gattungs“- Namen Caulop- teris bekannt; sie tragen grosse Blattnarben in spiraliger Anordnung: unsere Fig. 2 giebt eine Anschaung von denselben. Die grossen Wedel zeigen in dem auf der Tafel gedachten Fall Adventiv-Fiedern (Fig. 1), d. h. Fiedern, die den Haupt-Spindeln der Wedel ansitzen, sich bei den Carbon-Arten wohl leicht lösten, da sie oft getrennt gefunden werden, und daher wegen ihrer Aehnlich- keit mit den freilich grösseren Wedeln der Gattung Aphlebia zu dieser gerechnet wurden und heute in Anlehnung daran auch als aphleboide Fiedern bezeichnet werden können. Dass solehe Adventiv-Fiedern an Farn- Arten der heutigen Tropen vorkommen, Fig. 3, wurde schon oben erwähnt. Sie sind vielleicht als Ueberreste, Erinnerungen an die ursprünglich spreitig besetzt ge- wesenen Hauptspindeln der Wedel zu deuten; ihre feine Zertheilung mit gern mehr oder minder lineal gestalteten Theilen letzter Ordnung, ferner ihre zuweilen hervortretende Neigung zu Dichotomieen erinnern durchaus an die von den ältesten und älteren Farnen (namentlich der 1., 2. und 3. Flora) z. B. von der Gattung Rhodea, beliebten Eigen- thümlichkeiten hinsichtlich der Zertheilung und Gestaltung der spreitigen Fläche. Wie Primärblätter von Pflanzen in ihrer Aus- bildung Eigenthümlichkeiten der Haupt- blätter der Vorfahren lange bewahren können, so sind vielleicht die Adventivfiedern, die doch Primärfiedern sind, ebenfalls auf den Aussterbeetat gesetzte Reste, die aber nieht bloss wie in anderen Fällen in ihrer Stellung, sondern BEREICH, Eu 3 Fig. 8. Vergrösserter Querschliff durch den centralen Theil eines Sphenophyllum-Stengels: den primären (dreieckigen)und den diesen umgebenden secundären Holztheil des Leitbündels veranschaulichend. Fig. 9. Ein Sprossstück a—a mit Aste- rophyllites-Beblätterung in or- ganischer Verbindung mit zwei Sprossen (a und b) von Sphe- nophyllum cuneifolium forma saxifragifolium. Oben ein Blatt- wirtel von Sph. cuneifolium forma erosum. überdies auch in ihrer Form an weit entlegene Bau- verhältnisse der Vorfahren erinnern. Für die erwähnte Deutung der Adventivfiedern kann auch noch die Thatsache ver- werthet werden, dass sie erst an Arten des späteren Palaeozoiecums auftreten und vor allem bei Arten von der Ausbildung wie Rhodea ‘noch nicht vorhanden sind, da es ja hier nach dem Gesagten die „normalen“ Fiedern sind, die die feine, lineale Zertheilung auf- weisen. Die steif, schief nach unten gerichteten Wedel-Spindeln der unteren, also älteren und ver- welkten Wedel unseres Carbon- Baumfarn sind Vorkommnissen des heutigen tropischen Urwaldes nachgebildet: auf Photographien von Baumfarn - Beständen kann man diese auffallenden, nach abwärts gerichteten Spindeln oft bemerken. Die ganz jungen, noch eingerollten Wedel am Gipfel unseres Baumes sind fossil unter dem Namen Spiropteris bekannt und sind von An- fängern öfter mit schneckenförmig gewun- denen Thier-Gehäusen verwechselt worden. Ein treffliches Beispiel von noch einer Caulopteris ansitzenden Pecopteris- Wedeln ist die von Zeiller gebotene Abbildung eines grossen Restes aus dem Revier von Commentry*), das zwar mit dem Revier von Stockheim (in Oberfranken) meiner 8. Flora angehören dürfte, das aber, bei dem Vor- kommen von Caulopteris und Pecopteris auch in der 5. Flora, als Vorlage für eine Reconstruction aus dieser Flora Verwendung finden durfte. Die sehr lockere Stellung der Wedel am Gipfel des Stammes entspricht dem von Zeiller bekannt gegebenen, erwähnten Rest Auf vage Vermuthungen sind wir jedoch zur Zeit angewiesen hinsichtlich der Be- laubung der als Megaphyten bezeichneten grossen Farnstämme; es wurde deshalb hier auf den Versuch einer Reconstruction ver- zichtet. Ein entlaubter, verbrochener Stamm ist halb im Wasser liegend, links im Vorder-, grunde unserer Landschaft angebracht worden. Die Gattung Megaphyton unter- scheidet sich von Caulopteris dadurch, dass die Stämme sehr merkwürdig nur zwei gegenständige Reihen von Blattnarben be- sitzen, Fig, 4, die überdies meist breit- gezogen sind. Der dargestellte Stamm wendet dem Beschauer die eine seiner beiden Längsseiten von Blattnarben zu. Auffallend sind im Steinkohlen-Urwalde dünn-, aber dabei sehr langstämmige resp. -spindelige Farne**), die die Rolle ®) Terrain houiller de Commentry. Flore fossile. Atlas 18885, Taf. VII. ##) In wiefern es sich in theoretisch-morpho- logischer Hinsicht nicht um Stengel-Organe, sondern um sehr verlängerte und ganz den Habitus von Stengeln annehmende Wedel-Hauptspindeln handeln könnte, ist noch nicht hinreichend ermittelt; nach den mir bekannten Resten wird man in einigen Fällen besser von Stengel-Organen reden, da die „Wedel“ den- XII. Nr. 52. unserer heutigen tropischen Phanerogamen-Lianen gespielt Diese für die Physiognomie der Steinkohlenland- haben. schaft wichtige Thatsache ist bisher nicht genügend beachtet worden. Es giebt in der Stein- kohlenformation eine ganze An- zabl Arten, die hierher gehören, sodass sie in der That eine her- vorragende Rolle gespielt haben müssen. Auf unserem Bilde sind zwei Typen zur Darstellung gebracht worden, nämlich Arten von dem Habitus der so häufigen Mariopteris muricata und eine Sphenopteris vom Typus der S. Hoeninghausi. Die erstgenannten Formen, rechts im Vordergrunde kletternd und rankend dargestellt, zeigen den Fig. 5 wiedergegebenen Aufbau; ein Wedelstückehen von Mariopteris murieata in natürlicher Grösse bietet Fig. 6. Unsere Sphenopteris vom Typus Hoeninghausi, ebenfalls als Liane reconstruirt, ist links den seiner Krone beraubten Lepidoden- dron-Stamm weit hinaufkletternd untergebracht. Es muss dahingestellt bleiben, ob es sich in solchen lang- und dabei dünnstämmigen (oder -spinde- ligen) Arten um win dende Pflanzen gehandelt hat, wie solche auch unter den heutigen tropischen Farnen, ohne jedoch der Physiognomie der Landschaft einen Charakter aufzuprägen, gelegent- lich vorkommen; es sei diesbezüglich an Lygodium japonicum mit seiner windenden Wedelspindel erinnert. So viel ist sicher, dass die in Rede stehen- den, dünnen und langen, fossilen Farn- Stämme oder -Spindeln nicht in der Lage waren, ohne Stütze sich aufrecht zu erhalten, sodass mindestens anzu- nehmen ist, dass solche Farne durch Anschmiegen an Stämme, die in der Lage waren, sich selbst zu tragen, oder als Spreizklimmer den Kampf zur Er- reichung der Lichtquelle aufnahmen. Es muss bei der Häufigkeit solcher Farn- Arten also der Charakter des Stein- kohlen-Urwaldes nicht un- wesentlich beeinflusst ge- wesen sein, sodass sie den tropischen Habitus desselben mitbedingen halfen. Schöne Exemplare, selben allseitig anzusitzen scheinen. Vergleiche meine Sehrift „Die Metamorphose der Pflanzen im Lichte pa- laeontologischer Thatsachen* (Berlin 1898), in der ich im i= Uebrigen darauf aufmerksam gemacht habe, dass sich keines- wegs sämmtliche Pflanzen- organe in typische Wurzeln, Stengel und Blätter gliedern lassen, | des Rothl. von Thüringen. sondern dass naturgemäss auch Uebergangs- (Mittel-) Bildungen vorkommen. Sphenophyllum verti- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. welche den bietet Zeiller.*) Fig. 10. Fig. 11. eillatum, der Fig..12. Fig. 13. Halber Querschnitt durch den Stengel von Eguisetum hiemale. Etwa 20 mal ver- grössert, s— Skelettgewebe, h = Höhlungen im Grundparenchym, 1= Leitbündel, m = Die punktirten Linien sind Schutzscheiden. Centralhöhle. Markröhre Fig. 14. Vergrösserter Querschliff durch ein Stück eines Calamariaceen-Holzeylinders. — — Gewebslücken, umgeben von den Erstlingszellen des Holzkörpers. — Nach E. Weiss. Bau „Trizygia“ speciosa Royle aus Glossopteris-Facies. — Nach 0. Feistmantel. Holzeylinder Markparenchym 617 von Mariopteris veranschaulichen, Dass die Arten vom Typus der Sphenopteris Hoeninghausi zu den dünnstämmigen Arten gehörten, ergiebt sich aus einer Abbildung, die ich selbst ge- boten habe**), und aus anderen, welche diese sehr schön er- gänzen, die ich noch Gelegenheit nehmen werde, zu veröffent- lichen. Die wesentliche Verände- rung, welche eine Carbon-Land- schaft dureh die Erkenntniss des Vorkommens vieler Farn-Lianen gegenüber den früheren Recon- structions-Versuchen zu erfahren hat, an dieser Stelle hinreichend zu betonen, sei noch ein weiteres, bisher noch nicht bekannt gewesenes Beispiel vorgeführt. Es ist in der Fig. 7 zur Anschauung gebracht worden, welche einen grösseren Rest von Sphenopteris Bäumleri darstellt, der eine sicherlich klet- ternde, jedenfalls eine als Selbst- stütze viel zu schwache Hauptaxe zeigt, welcher gestielte, spreitig be- setzte Wedel, resp. — wenn die er- wähnte Hauptaxe die dann freilich recht dieke Hauptspindel (ähnlieh wie bei Lygodium) "sein sollte — Fiedern 1. Orduung ansitzen. Wie gewisse Pecopteriden-Wedel mindestens 4 [m Flächenraum ein- nehmen***) und weit über 3 m lang sein könnenf), sodass sie auch durch die gewaltigen Grössen-Verhältnisse an tropische recente Marattiaceen erinnern, denen sie sich durch ihre fertilen Reste nahe verwandt zeigen, so giebt es auch unter den Eusphenopteris - Arten, zu denen Sphenopteris Hoeninghausi und ihre Verwandten gehören, mächtige Wedel. So dürfte ein von Zeiller ff) abgebildeter Rest von Sphenopteris obtusiloba, wenn wir ihn uns ergänzt denken, kaum unter 2 m Länge anzu- nehmen sein. Weil heute ungebräuchlich, ist die Art und Weise der gabe- ligen Verzweigung der Wedel, wie sie grössere Reste der Eusphenopteris- Arten bisher gezeigt haben, *) Bassin houiller de Va- lenciennes. Flore fossile. Atlas. Paris 1886. Taf. XXI. und XXIII. Eine andere, ebenso aufgebaute Art bietet Taf. XVI. #*) Ueber einige Carbon- farne. II. Theil Jabrb. d. Rgl. Preuss. geolog. Landesanstalt für 1890. Taf. VIII Vergl. auch Zeiller 1. e. Taf. VI, Fig. 1 Vergl. meine Flora Berlin 1893. S. 280—2831. +) Zeiller, Commentry 1. c. +r) Valeneiennes Taf. IV, Fig. 1. 618 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 52. ———— „ost ee ee besonders auffallend. Gabelung mit Fiedern besetzt. Da im Verlauf dieser Erläuterung zur Wandtafel noch einige Male auf Gabel-Verzweigungen wird aufmerksam gemacht werden müssen, sei schon an dieser Stelle kurz eine Andeutung über die Ursache dieser Eigenthümlichkeit gegeben. Die gabelige Verzweigung wird von den Pflanzen der ältesten geolo- gischen Zeiten im Gegensatz zu der heute beliebten, vorwiegend rispigen beziehungsweise fiederigen Verzweigung auffallend bevorzugt; ich habe sie durch die von einer Anzahl weiterer That- sachen unterstütze Annahme der ur- sprünglichen Abstammung der ersten Landpflanzen von gegabelten, tang- artigen Wasserpflanzen zu erklären ver- sucht.*) Es ist in der That bemerkens- werth, wie gern auch die heutigen Wasserpflanzen zu Gabelungen neigen, und so wären die Gabeln der Farn- Wedel, Sigillaria- und Lepidodendron- Stämme u. s. w. Erinnerungen an ihre Herkunft aus dem Wasser: eine Her- kunft, die ja nach Ansicht der heutigen Wissenschaft alle Lebewesen ohne Aus- nahme mit der „Schaumgeborenen“ theilen. Schon die so sinnige griechische Mythologie weist durch diesen Beinamen der Aphrodite auf denselben Urquell alles Lebens hin. Die Gründe, weshalb die Gabel-Verzweigung bei den Landpflanzen im Laufe der Generationen zurückgedrängt worden sein mag, habe ich an den angeführten Stellen angegeben. 2. Sphenophyllaceen, Im Vordergrunde der Tafel auf dem Wasser schwimmen sehen wir einen grünen Teppich, aus welchem steifaufreehte, lange Blüthen (Bowmanites) hervorragen, ähnlich denen unserer einheimischen Potamogeton- Arten, nur dass die Blüthen der Carbon-Wasser- pflanzen grösser sind. Unsere palaeozoische Wasserpflanze soll eine Sphenophyllum-Art vorstellen. Es sind mehrere Gründe, die dafür sprechen, dass die Sphenophyllaceen Wasser- pflanzen waren: 1. entsprieht der centrale Bau der Stengel demjenigen zugfester Organe, z. B. dem von Wurzeln; wir erblieken auf Querschliffen echt- versteinerter Exemplare ein centrales Leit- bündel (Fig. 8) im Gegensatz zu der mehr oder minder auffällig hohleylindrischen Anordnung der festen Elemente in Organen, die allseitig- biegungsfest sein müssen, wie die in die Luft ragenden Stengel der Landpflanzen. 2. Die Heterophyllie der Sphenophyllaceen entspricht ganz derjenigen, die bei recenten Wasserpflanzen üblich ist. So kommt bei Sphenophyllum „Lehrbuch der Pflanzenpalaeontologie“. Wir sehen die Wedel einmal ge- gabelt und nicht nur die Gabelstücke, sondern auch das Fussstück der Gabel, also den Spindeltheil unter der *) Vergl. meinen Artikel „Die Phylogenie der pflanzlichen Blatt- und Stengel-Verzweigungen“ in der „Naturw. Wochenschr.“ X. Band (1895) S. 433 #. oder die begründeten Angaben in meinem Fig. 15. Calamites - Steinkern, auftreten. Fig. 16. Ein Blattpolster von Lepidodendron typ. obovatum. n —= Blatt- narbe mit der Leitbün- delabbruchsstelle, !und den Seitennärbehen s (das sind Querschnitte durch Transpirations- gänge), g = Ligular- grube, v = Homologon der Ansatzstelle der Sporangien beiden Spo- rophyllen, a = Trans- pirationsöffnungen, m — Mittellinie, welche die beiden unteren Polster- Wangen (ww) trennt. Asterophyllites-Beblätterung Ordnungen vor, Fig. 9. Dies in Verbindung mit der | Thatsache, dass sich die keilförmigen Blätter der jüngeren an den Axen älterer Sprosse gern in eine Ebene legen, Fig. 10, sowie die „Trizygia“-Beblätte- rung (Fig. 11) legen den Gedanken sehr nahe, dass wir es mit Wasserpflanzen zu thun haben, da bei diesen die unter- getauchten Blätter gern ganz schmal, die Luftblätter hingegen breitflächiger sind. Sprosse mit in eine Ebene ge- richteten Blättern wie an dem Stück Fig. 10 mögen auf dem Wasser ge- schwommen sein. Wie wir an dieser Figur sehen, bemühen sich die Blätter zwar, indem sie sich in dieselbe Ebene begeben, durch unsymmetrische Ge- staltung der Wirtel sich gegenseitig aus- zuweichen, jedoch lässt sich dabei eine gegenseitige, theilweise Bedeckung nieht ganz verhindern. Das wird bei der Kürze der Internodien erst vollständig vermieden durch Bildung grösserer und kleinerer Blätter in einem wnd dem- selben Quirl, wie das die als Trizygia Royle, Fig. 11, beschriebenen Spheno- phyllum-Reste besonders schön zeigen. Rechts vorn von den schwimmenden Sphenophyllaceen sind einige Sprosse aufs Land geworfen, die die Astero- phyllites-Beblätterung in Zusammenhang mit den typischen Keilblättern der Sphenophyllaceen zeigen, und zwar sehen wir 1. rein-lineale Blätter, in den Achseln derselben Sprosse, die unten 2. Blätter von tief mehrfach -gegabelter Keilform tragen, während 3. die Blätter am Gipfel der Sprosse rein flächig-keilförmige Blätter ohne Gabelungen Bei der Figur 9 abgebildeten Art Spheno- phyllum cuneifolium stellte man die Sprosse mit den 1. Blättern zu Asterophyllites, die mit der Blatt-Form 2 zu Sphenophyllum saxifragae- folium und diejenigen mit der 3. Blatt-Aus- bildung zu Sphenophyllum erosum. Ein und dieselbe Pflanzenart erschien also in nicht weniger als drei Arten zerrissen, die überdies in zwei ganz verschiedene palaeontologische Gattungen untergebracht werden mussten. Dies nur ein Beispiel für viele ähnliche. 3. Endlich ist darauf hinzuweisen, dass die nächsten heutigen Verwandten der Spheno- phyllaceen die Salviniaceen zu sein scheinen, die ebenfalls Wasserpflanzen sind.*) 3. Calamariaceen. Zu den bestbekannten Arten der Cala- mariaceen gehört seit der Veröffentlichung von E. Weiss®*) der Eucalamites ramosus, der zur MBeconstruction unseres Calamariaceen- Waldes in der Mitte des Bildes gedient hat. Die langen Internodien, die wenigen, quirlig von den Nodiallinien abgehenden Zweige, die Beblätterung vom Typus der Annularia radiata (ramosa), Fig. 12, die endständigen, den Seiten-Sprossen aufsitzenden, kleinen, schlanken Blüthen (Calamostachys) sind Einzelheiten des Habitus, die an *) Vgl. mein Lehrbuch der Pflanzenpalaeontologie S. 180f. *#) Steinkohlen-Calamarien II. Berlin 1884, XII. Nr. 52. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 619 den zur Darstellung gebrachten Individuen gut zur An- schauung gelangen.*) Im Wasser steht ein verbrochener Stamm-Stumpf, der durch die Höhlung, die er aufweist, daran erinnern soll, dass die Calamariaceen wie unsere Schachtelhalme (Equiseten, Fig. 13) hohle Stengel be- sassen, also durchaus nach dem für aufrechte, allseitig- biegungsfeste Organe günstigen Princip des Hohleylinders gebaut waren, dass sie jedenfalls im Centrum des Stammes einen grossen Markkörper beziehungs- weise einen Hohlraum besassen, Fig. 14, dessen Ausfüllungen mit Gestein die bekannten Steinkerne, dem Boden ausgewaschen gedacht ist, unt die Eigen- thümlichkeiten dieses, namentlich (nicht ausschliesslich!) im Liesenden der Flötze vorkommenden, häufigsten Fossils des Carbons auf die Tafel bringen zu können. Die streng horizontale, durchweg gegabelte Ausbildung ist bemerkenswerth, ersteres, weil dadurch auf die Moor- Natur des Bodens hingewiesen wird, letzteres aus schon angegebenen Gründen (vergl. S. 618, Spalte 1). Auch die Wurzeln unserer jetzigen in den Mooren wachsenden ae Bäume, z. B. unserer „Moor-Kiefern“ u oder der Sumpfeypresse (Taxodium ) Calamiten im engeren Sinne, el | | distichum) in den mächtigen Wald- Fig. 15, veranlasst haben. ale 1 A | mooren des südlichen Nordamerika Es ist schwierig, sich über die { | 1 \ | | verlaufen horizontal. In Sümpfen Höhe der fossilen Calamariaceen ld Il 1] \ wachsende Bäume brauchen das ein Urtheil zu bilden. Vergleicht / 1711149 114 \ SE A an a man die dieksten Stammstücke, die 1] | vorhandene Wasser nicht erst ım bisher gefunden wurden, mit denen dl 111 83 | | der Tiefe zu suchen, und überdies der Lepidophytaceen (Lepidodendra- RER ER | wird der mechanische Halt einer ceen und Sigillariaceen) und bemisst BE grossen Pflanze, die in ‚schlüpfrigen danach ihre Höhe, so muss dieselbe 1211 E41 2 Boden fusst, dureh die erwähnte bei den Calamariaceen als wesent- DRIN 114 | Ausbildung sehr viel bedeutender: lich geringer angenommen werden, 11 | 1911 un \ ein in einem Sumpf versinkender als bei den anderen genannten Baum- BR | WE Mensch wird zu seiner Rettung die typen. DBerücksichtigt man aber, kit 93 vi Arme ausbreiten, wie die erwähnten dass die heute lebende grösste | 1 ‚ MH jetzt lebenden Moorbäume es mit Schachtelhalm-Art, Equisetum gigan- EC a TREE) ihren Wurzeln, die Fossilien es mit teum des tropischen Amerika, bis ll ER | den Stigmarien thun. $ über 10 m Höhe erreichen soll und | el v ha ‚hier v f Dass die oberirdischen Theile * . ® \ .. “ zwar dadurch, dass sie mit ihren EIER Wa Y 1 u} di der Sehuppenbäume vorwiegend nur einige Centimeter dicken Halmen LEE Di el ala fi ı] Gabel-Verzweigungen besassen, die im Gesträuch emporklettert, so er- e| n a m di sich kreuzten, ist längst bekannt. hellt ohne Weiteres, auf wie Y ? gs TIEREN: N Manche Stücke zeigen hier und da schwachen Füssen eine Schluss- KERRY A an Al Uebergipfelungen, aber der Ge- ne a “ pe \ \ in Y IH (14 ie ie wenigstens In erhältnisse nac er Dieke der BN ! FAR vielen Fällen, derjenige gewesen ® 5 j if 18 ’ 4 $ Stamm-Organe beurtheilt. Dass je- RR SEELE, ut B sein, den unser Hauptbaum vorn doch unter den Calamariaceen auch NE, | ge und der Lepidodendronwald da- diekere Bäume vorgekommen sind, ei 14 An Er hinter bieten. ergiebt sich aus zwei und wohl auch ie y Die charakteristische, auf- . . us . mehr im Durchmesser aufweisende a » , fallende Skulptur der epidermalen Calamiten-Steinkerne, die nach Hin- (Ne TE Oberfläche der _Lepidodendron- \ ' { . . zureehnung der fehlenden Holz- | \ .. rr Stämme, Fig. 16, in längsgestreckte, und Rinden- Umgebung mächtigen 1% Er ; ‚3 | hervorgewölbte, daher oberfläch- Stämmen entstammen müssen. ® el dies a lich gesehen wie Schuppen (daher Vergegenwärtigen wir uns die AU ERE FE ERBE ONE „Sehuppenbäume“!) deutlich wahr- Reste der Calamophylliten (= Cala- 8 N RAT, nehmbar Eile 5 “ " N ER I bil r 17 . R mitina Weiss, z. B. C. varians) und A Der organische Zusammenhang Stylocalamiten mit ihren Eigenthüm- Fig. 17. erscheinende Rhomben ist auf dem lichkeiten, so müssen wir annehmen, Sinendenirön ander SlatürlichenkGrönaerntt erwähnten Hauptbaum der Tafel dass es unter den Calamariaceen Wechselzonen. einerseits zwischen den charakte- Arten gegeben hat, die weit weniger äusserlich an die heutigen Equiseten erinnern als die zur Darstellung gebrachte Art, ja so weit von den Equiseten abweichen, dass durch blosse Berücksichtigung des Habitus kaum auf eine nähere Ver- wandtschaft zwischen beiden Familien geschlossen werden könnte. 4. Lepidodendraceen. Dass die Stigmarien die unterirdischen Organe von Lepidodendraceen (Schuppenbäumen) und Sigillariaceen (Siegelbäumen) waren, ist jetzt zweifellos festgelegt; auf der Tafel wurde denn auch dem vordersten Lepido- dendron-Baum unten eine Stigmaria gegeben, die aus #) Wie Stur zu seiner merkwürdigen Reconstruction derselben Species kommen konnte (vergl. Die Calamarien der Schatzlarer Schichten. Wien 1887 S. 68, Fig. 22), ist mir unverständlich. ristischen, die Stammoberfläche be- kleidenden Blattpolstern und anderer- seits den Sprossen mit meist schmallancettlichen Laub- blättern, ebenso wie endlich diese mit endständigen grossen, zapfenförmigen Blüthen ist wiederholt beobachtet worden. Schleehter bestellt ist es um unsere Kenntniss des Habitus der unter dem Namen Ulodendron bekannten Lepidodendron-Stämme, die sich durch zwei gegenständige Zeilen napfförmiger Vertiefungen auszeichnen, den Stellen, denen grosse, ungestielte Blüthen angesessen haben, die also hier stammbürtig sind. Um auch in diesem Fall nicht ein blosses Phantasie-Gebilde zu liefern, das interessante Fossil aber doch zu berücksichtigen, ist ein umgefallenes Stammstück, das uns die eine Zeile der Blüthen-Ansatz- Stellen zuwendet, rechts vorn auf der Tafel angebracht worden. 620 Naturwissenschaftliche Wochensehrift. XIM. Nr. 52. 5. Sigillariaceen. Längsstreifung, die, da es sich um Innenrinden-Erhaltungs- Es ist richtig und in der That auffallend, dass sich | zustände handelt, dem Längsverlauf längsgestreckter in dünnere Sigillariaceen-Zweige im Allgemeinen nicht | der Rinde entsprechen dürfte. Unter jeder Blattnarbe, finden; sie stehen in dieser Beziehung aller- die man mit der etwa noch dem Steinkern dings in einem Gegensatz zu Lepidodendron, anhaftenden, kohligen Rinde entfernt, erbliekt von welcher Gattung die bekannten ge- man, den Seitennärbehen der Narbe ent- gabelten, in dünne Endsprosse ausgehenden sprechend, zwei, oft sehr grosse, linien- Zweigstücke häufig sind. Es sei denn, dass förmige oder elliptische Male, die unter- sich die dünnen Zweige der Sigillariaceen einander mehr - oder minder verschmelzen von denen der Lepidodendraceen nicht unter- können, und man kann ferner zwischen den scheiden, das heisst eine Polsterung wie die beiden erwähnten Malen, wie ‘in ‚unserer Lepidodendraceen besitzen, wie das ja bei Figur, noch ein drittes, punktförmiges Mal den zwischen beiden Familien stehenden als Andeutuug der Leitbündelspur be- Bothrodendraceen thatsächlich der Fall ist.*) merken. Ob die Syringodendren Golden- Aber falls wirklich den echten Sigillaria- bergs nun bei ihrem eigenthümlichen Habitus ceen dünne Endzweige gefehlt haben sollten, nicht vielleicht Pflanzen angehören, die von so darf daraus doch nicht geschlossen den eigentlichen Sigillarien abzutrennen sind, werden, dass die echten Sigillariaceen- ist noch nicht hinreichend klar, sodass Stämme gänzlich unverzweigt waren, da sich das angebliche Vorkommen unverzweigter, Gabel-Verzweigungen diekerer Zweige in grosser, echter Sigillaria-Bäume keineswegs etwa gleieher Häufigkeit gefunden haben, genügende Stützen findet. wie solehe von Lepidodendraceen. Schon der Gedanke, dass der Aufwand Noch ein anderer Beweggrund hat zu eines mächtigen Baumstammes für eine ganz den eigenthümlichen Reconstructionen, die spärliche „Krone“, die nur wenigen Blättern an Lampeneylinderbürsten (einfache, unver- Platz gewährt, unerklärlich wäre, gebietet, zweigte Stämme mit einem einzigen Schopf die üblichen Reconstructionen mit Vorsicht ‚Blätter am Gipfel) erinnern, Veranlassung aufzunehmen. Hält man sich, wie das die gegeben. exacte Forschung verlangen muss, genau an Goldenberg hat nämlich**) die Stein- > die bekannten Einzelthatsachen, so erhält kerne ganzer Baumstämme bekannt gemacht, Fig. 18. man nämlich eine bei Weitem. spärlichere die allerdings zu den Sigillariaceen zu ge- sStammoberflächen-Stück einer Krone als sie durch- die auf den Bildern hören scheinen und merkwürdiger Weise ran eapen. (Sigillaria übertrieben lang gezeichneten Blätter wieder- gänzlich unverzweigt sind. N ee gegeben zu werden pflegt, und es kommt Der wichtigste dieser Funde zeigt aber narben, die wie mit einem Pet- hinzu, dass auch der Stamm auf Grund ganz andere Stammformen, als ‚sie sonst at ihn escheimen der Goldenberg’schen Funde sogenannter Bäume besitzen. Goldenberg sagt: „So unverzweigter Sigillaria-Stämme einen ganz wurde ein förmlieher Sigillarienwald aut- : anderen Habitus besitzt, als er den Recon- geschlossen, und zwar in der Gestalt, wie er einst leibte | structionen in unbewusster Anlehnung an die üblichen und lebte. Die Wurzeln dieser Pflanzen lagen in ein und | Baumformen gegeben wird. demselben geologischen Niveau, und die Stämme Wir wissen einfach nicht sicher, um was es derselben befanden sich noch in ihrer ursprüng- sich in den Goldenberg’schen Resten. eigentlich lichen senkrechten Richtung auf diesem ihrem a handelt. Da solche Reste seitdem nicht wieder alten Grund und Boden. Die meisten dieser =— gefunden worden, also selten sind, so hätten sie Sigillarien ... . hatten unten 2-3 Fuss im Durch- Fig. 19. füglich auf unserer Landschaft wegbleiben können, messer und endigten oben in einer abgerundeten Ich habe es aber vorgezogen, den grossen, zucker- Spitze ohne irgend eine Spur einer Verästelung hut-förmigen Stamm liegend rechts, hinter den zu verrathen.“ Einen solehen Stamm bildet der genannte | vordersten Bäumen anzubringen, um mit Nachdruck auf Autor Tafel B Fig. 13 in Y/,, der natürlichen Grösse ab. | die Hinfälligkeit der üblichen Sigillaria-Reconstructionen In natürlicher Grösse muss hinzuweisen. dieser Stamm an ‚seinem Da die von diesem Ge- Grunde einen Durchmesser bilde gebotene, unter dem von etwa 2 m, in seiner Namen Sigillaria alternans Mitte von über 1'/, m auf- bekannte Syringodendron- weisen; er erhebt sich in Seulptur, wenn sie noch die Formeines Zuckerhutes kohlige Rinde besitzt, sich bis zu einer Höhe von gewöhnlich als zu Sigillaria 51/, m.. Die Oberfläche des- gehörig ergiebt, und die selben bietet die sogenannte Seulptur des Stammes wegen Syringodendron-Seulptur der Längsrippen speciell zu einer rhytidolepen Sigillarie. den rhytidolepen Sigillarien ö E R A he Fig. 17 giebt eine Vor- Erin gestellt werden müsste, so stellung dieser Seulptur. Die a ton re SEE EETIRN. habe ich dem Stamm .oben LEER E B SR Tee ückchen der Oberflächen-Skulptur einiger favularischer Sigillarien (Längs- s o = ER un en zu ee riefen ziekzackförmig). A in natürl. Grösse, B, C u.D schwach vergrössert. Bon, \ Se r Rinde RER xernoberllächen unter dem ytıaole p1S ansetzen kohlig erhaltenen Theil deı lassen, um die wichtige Ab- te} ’ io} Rinde: sie besitzen eine mehr oder minder ausgesprochene | theilung auf dem Bilde vertreten zu haben, Fig. 18. %) Vergl. mein Lehrbuch der Pflanzenpalaeontologie 1897, . Die Syringodendron -Seulptur des Restes, habe ich S. 249-943, nicht genau nach dem Original Goldenberg’s wieder- ==) Flora saraepontana fossilis I 1855. gegeben, sondern die Marken in der mittleren Zone enger XI. Nr. 52. zeichnen lassen, sodass der Stamm „Wechselzonen“ erhält. Dies geschah auf Grund von Resten, welche solehe Zonen engerstehender Sigillaria-Narben resp. Syringodendron-Marken abwechselnd mit solchen weiter- stehender aufweisen. Ein solches Beispiel bietet das Stück Fig. 17. = Die Wechselzonen weisen auf länger dauernde Wechsel in den Witterungsver- hältnissen zur Steinkohlenzeit hin. Wie nämlich unsere heutigen Pflanzen, wenn sie ungenügend belichtet werden, wohl in dem Bestreben, das fehlende Licht zu suchen, gern lang aufschiessen und dadurch ihre Blätter weit auseinander rücken, und wie die Pflanzen in der Trockenheit oder aus anderen Gründen leicht klein und kurz bleiben und dann umgekehrt ihre Blätter diehter gedrängt zeigen, so kann man auch auf manchen Sigillaria-Stammstücken Zonen enger stehender Blattnarben bemerken, die Demjenigen, der ihre Sprache zu lesen versteht, die wechselvolle Landschaft in der Phantasie bis in gewisse Einzelheiten hinein wieder erstehen lässt. *) Endlich wurde der bemerkenswerthe Goldenberg’sche _Syringodendron-Rest noch zur Veranschaulichung der von Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Fig. 21. Artisia. 621 Narben, denen die den Sumpfboden durchwuchernden langen Anhänge („Appendices“) ansitzen. Während diese Narben bei Stigmaria kreisförmig sind und in ihrer Mitte einen Punkt, die Durchtrittsstelle des Leitbündels zeigen, oder kurz und bündig ausgedrückt, kraterförmig sind, sind die Narben der Stigmariopsis linsen- förmig von der Form des Schemas Fig. 19. Goldenberg hatte so benarbte Stigmarien als Stigmaria rimosa (= St. abbre- viata) beschrieben. Ein wesentlicher folgende: Die vier divergirenden Haupt-Rhizom- Aeste verästeln sich in sehr viel rascherer Wiederholung als Stigmaria, und zwar er- folgt die Verzweigung hier nicht in ein und derselben Ebene, sodass eine Menge Aus- zweigungen nieht nur horizontal verlaufen, sondern vorwiegend auch in anderen Rich- tungen schräg bis senkrecht abwärts von der Stammbasis ausgehen. Gegen das Centrum hin werden die Zweige kürzer und kegelförmiger. Zu dem Allen kommt nun noch die weit kürzere Ausbildung der Zweige hinzu, sodass Stigmariopsis sich sofort schon äusserlich auffallend von den Stigmarien mit ihren oft sehr langen horizontal- Unterschied ist der Fig. 22. i Zwei Stücke fächerig-(gabelig-)getheilter Cordaites-Blätter in °/, der natürlichen Grösse. — Bohrung Czerwionka bei Rybnik in Oberschlesien. Teufe 363 m (1898). Grand’Eury Stigmariopsis genannten und von ihm und Solms-Laubach**) untersuchten unterirdischen Or- gane gewisser rhytidoleper Sigillarien benutzt. Wie unser Bild deutlich macht, unterscheidet sich Stigmariopsis von Stigmaria zunächst einmal durch die *) Vergl. meinen Aufsatz: „Die Wechselzonen-Bildung der Sigillariaceen“ im Jahrb. der Kgl. preuss. geol. Landesanstalt für 1895 oder Lehrb. d. Pflanzenpalaeontologie S. 251—252. *#) Stigmariopsis. Jena 1894, verlaufenden Zweigen unterscheidet. Der Sigillaria-Wald ganz rechts auf der Tafel soll den vermuthlichen Habitus der Favularien veranschau- lichen, Fig. 20, die zwar in der fünften Flora seltener als die Rhytidolepen und charakteristischer für die vierte Flora sind, doch in der fünften Flora stets gefunden werden, und vor Allem deshalb hier zu Grunde gelegt werden mussten, weil uns die Reste hier eine Recon- struction gestatten, 622 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. X1l. Nr. 52. Betrachten wir den im Vordergrunde stehenden einzelnen Stamm, so nehmen wir an demselben Wechsel- zonen wahr und Zonen von Blüthennarben, denen stamm- bürtige gestielte Blüthen (Sigillariostroben) angesessen haben. Oben, am Beginn der Krone sind solche noch ansitzend zur Darstellung gebracht. Es ist bemerkenswerth, dass die Blüthennarbenzonen den Zonen der engerstehenden Blattnarben zu folgen pflegen. Die an unserem Exemplar zu constatirenden Zonen sind denn auch von unten nach oben: 1. Zone grösserer Polster, d. h. weiter stehender Blattnarben, 2. Zone kleiner Polster, d. h. enger stehender Blatt- narben und 3. Zone von Blüthennarben, worauf dann wieder eine Zone 1 folgt u. s. w. Diese Thatsache ist in Berücksichtigung des S. 621 über die Ur- sache der Wechselzonen-Bildung Gesagten in Zusammen- hang mit den Erfahrungen der Botaniker, dass Licht und Trockenheit die Blüthenbildung befördern und das Wachs- thum der vegetativen Organe mindern, während Schatten und Feuchtigkeit die Entwickelung der letztgenannten Organe befördern, leicht verständlich. Die Kronen der Sigillariaceen durften aus schon an- gegebenen Gründen nicht so reich gegabelt dargestellt werden, wie diejenigen der Lepidodendron-Bäume, obwohl — dies sei nochmals gesagt — die ersteren bis auf Weiteres vielleicht nur deshalb dazu zwingen, weil die Jüngsten Zweige sich von denen der Lepidodendraceen eventuell äusserlich nieht unterscheiden. Uebrigens sind lang-lineale Blätter, noch Sigillariaceen-Stammstücken an- sitzend, einigemale thatsächlich gefunden worden. 6. Cordaitaceen. Die organische Zusammengehörigkeit der mit breit- gezogenen Blattnarben bedeckten Cordaiten-Stämme mit den bekannten Laubblättern, ferner von Sprossen mit den ihnen seitlich ansitzenden Blüthenständen in Kätzehenform (Cordaianthus) hat Grand’Eury aufgefunden und schon zu Reconstructionen verwerthet*); diese wurden 5) Flore Carbonifere du Departement de la Loire. Atlas Paris 1877. bei der Darstellung des Cordaiten-Bestandes zwischen dem Calamites ramosus-Hain und der Sigillarien-Gruppe zu Grunde gelegt. Der erste links abgehende Ast des grössten Baumes wurde verbrochen, um Gelegenheit zu haben, die eigen- thümliche Querfächerung der grossen Markhöhlung der Cordaiten zu veranschaulichen, die zu den als Artisia bekannten Steinkernen, Fig. 21, Veranlassung gegeben hat. Die Hauptblatt-Typen, welche die Oordaitaceen bieten, sind: 1. mehr oder minder bandförmige, schmale breite, parallel-aderige Blätter, die also Monocotylen-Typus angehören, und 2. fächerig-zertheilte Blätter, wie sie schon von Germar bekannt gemacht worden sind, die ich aber noch weit charakteristischer die Hinneigung zu den Gingkoaceen-Blättern markirend, in der Bohrung bei Czerwionka in Oberschlesien ge- funden habe, Fig. 22. Solche palmaten Blätter rücken daher die Cordaiten hinsichtlich ihrer Be- laubung den Gymnospermen näher. Die grossen Bäume tragen Blätter vom ersten, die ganz kleinen Bäume im Vordergrunde tragen solebe vom zweiten Typus. — In die Organismen-Welt einer geologischen Periode zu blieken, einer Zeit, in der an die höchste thierische, Lebewelt und noch weniger an den geologisch so spät auftretenden Menschen irgend etwas erinnerte, gewährt sicherlich für jeden Denkenden einen grossen Reiz. Dass der gebotene Blick von der Wirklichkeit abweicht, ist — wie schon Eingangs gesagt — zweifellos: das drängt sich dem genauen und ernsten Kenner der Fossilien auf, welche die einzige sachliche Grundlage bilden dürfen, um’ das Alte mit geistigem Auge wiederzuschauen. Und dennoch muss es eine Befriedigung gewähren zu wissen, dass es nur feststehende Einzelthatsachen waren, welche zu dem Bilde führten, sodass der Gesammteindruck mit Vertrauen als ein solcher betrachtet werden darf, der bis dem !' der vergangenen Wirklichkeit so nahe kommt, als uns unsere derzeitigen Erkenntnisse einen Blick in dieselbe gestatten. Die Verbreitung des Elens ist nach ©. Greve (Zool. Garten, Jahrg. 39, Nr. 10 u. 11), doch eine weit grössere als man gewöhnlich annimmt, so dass von einem Aussterben dieses Edelwildes jetzt noch keine Rede sein kann. Immerhin ist es bedeutend seltener als in früheren Jahrhunderten. Einstmals war es über ganz Europa, mit Ausnahme seiner südlichen Halbinseln verbreitet. Noch zu Hannibals Zeiten kam es in den Alpen vor, zu Cäsars Zeiten in Deutschland und Gallien. In letzterem Lande verschwand es bereits im 2. Jahrhundert n. Chr. In Deutschland fand es sich noch überall bis ins 10. Jahr- hundert, dann verschwand es allmählich, zuerst aus Süd- deutschland. In der Mark Brandenburg wurde es noch 1685 gejagt. In Ostpreussen hat es sich in verschiedenen Forsten, deren bekanntester Ibenhorst ist, bis zum heutigen Tage erhalten. In den 50. Jahren schien es dort im Aus- sterben begriffen; nur noch 13 Stück waren vorhanden. Jetzt sind es 272. In Skandinavien findet es sich noch überall zwischen den 53. und 66. Grad n. Br. In Russ- land ist es vereinzelt in Finnland vorhanden, häufiger in den centralen Gouvernements. In Asien bewohnt es noch alle Nadelwälder zwischen dem 50. und 61. Grad n. Br. Der amerikanische Eleh, das Moosthier, ist nur eine Lokal- rasse des europäischen und kommt zwischen dem 33, und 65. Grad n. Br. in allen Wäldern vom Stillen bis zum Atlantischen Ocean vor, ohne aber letzteren zu erreichen. — Die bemerkenswertheste und erfreulichste Thatsache ist aber, dass in Russland das Elen immer weiter südlich vordringt, ohne seine nördlieben Wohnsitze zu verlieren. In den Jahren 1850—1890 hat es sich fast 5 Grade weiter nach Süden ausgebreitet. Es scheint eine Ver- kleinerung des Geweihes stattzufinden, da die alten Männchen zu früh weggeschossen werden. Die Thiere selbst haben an Grösse und Gewicht nichts a eh. „Ueber die Rolle der Luft bei der letzten Häutung der im Wasser lebenden Insectengruppen“ nennt M. Causard eine kleine, aber interessante Mittheilung in den Bull. Soe. ent. France 1898, Nr. 13. Bei Epheme- riden, Culieiden und Tipuliden, deren Larven im Wasser leben und deren Nymphen sich an dessen Oberfläche in die Imago umwandeln, erscheint die Puppe kurz vor dem Ausschlüpfen silberglänzend, in Folge einer Luftschicht, die zwischen der neu gebildeten und der abzuwerfenden Haut liegt und so erstere völlig isolirt. Diese Luftschicht trägt die Puppe an die Wasseroberfläche, wo sie an der XII. Nr. 52. Dorsal-Seite reisst und das Inseet heraussteigen lässt. Sie erscheint nur bei der letzten Häutung, von der Puppe zum Imago. Als wahrscheinliche Erklärung ihrer Ent- stehung giebt C. folgende an: Das Abdomen der Imago ist kleiner als das der Nymphe; daher muss ersteres sich von der Haut der letzteren lösen. Wenn diese Trennung erfolgt, öffnen sich die Stigmata der Imago, und ein Theil der in ihren Tracheen enthaltenen Luft wird in den Zwischenraum zwischen beide Häute hineingepresst. Reh. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Der Privat-Docent der Chemie in Breslau Dr. Karl Kippenberger zum Professor; der Privat-Docent der Anatomie in Halle Prosektor Dr. Mehnert zum Professor. Berufen wurden: Dr. Eugen Dubois, der Entdecker des Pithecantropus erectus, als Professor der Geologie nach Amster- dam; der Mitarbeiter am Berliner Institut für Infektionskrank- heiten Dr. Otto Voges als Professor der Hygiene und Leiter des bakteriologischen Staatslaboratoriums nach Buenos Aires; der ausserordentliche Professor der Zoologie in Freiburg im Breisgau Dr. Heinrich Ernst Ziegler nach Jena; der Privat-Docent der Pflanzenphysiologie in München Dr. Löw als Professor nach Washington. Es habilitirten sich: Assistent Dr. Wagner für physika- lische Chemie in Leipzig; der Privat-Docent an der Universität München Dr. Weinschenk für Mineralogie und Geologie an der technischen Hochschule daselbst. 4, Es starb: Der Professor der Botanik in Christiania Axel lytt. Biker art: W. Marshall, Im Wechsel der Tage. Monatliche Thierbelusti- gungen. 1., 2., 3. und 4. Vierteljahr. A. Twietmeyer in Leipzig (ohne Jahreszahl). — Preis 8 Mark. Ueber das 2. Vierteljahr wurden schon S. 247, Bd. XIII einige Worte gesagt. Der ganze nunmehr vorliegende kleine Band (611 Seiten umfassend) wird den Freunden der Natur ein liebenswürdiger Führer sein: ihn lehren im Freien das Thierleben zu beobachten und wissenschaftlichen Nutzen daraus zu ziehen. Dem in der Litteratur etwas Bewanderten wird die Anlehnung des Titels an die berühmten „Monatlichen Inseetenbelustigungen“ Roesel von Rosenhofs aus dem Jahre 1746 nicht entgehen. Abweichend von Roesel, der seinem Titel nicht den Sinn unterlegte, dass es sich um Betrachtungen der in den einzelnen Monaten auftretenden Inseecten handele, sondern der nur das monatliche Erscheinen seiner Inseetenbelustigungen ausdrücken wollte, bindet sich Marshall an die Jahreszeiten, sucht in jedem Monat eine kurze Uebersicht über die wichtigsten Erscheinungen nicht blos des mitteldeutschen Insecten-, sondern des ganzen Thierlebens zu geben: das ist dem Verfasser in gewohnter Weise trefflich gelungen. Entomologisches Jahrbuch. VIII. Jahrgang. Kalender für alle Insecten-Sammler auf das Jahr 1899. Herausgegeben unter gütiger Mitwirkung hervorragender Entomologen von Dr. Oskar Kraucher, Realschul-Oberlehrer und Direetor der Buchdrucker- Lehranstalt in Leipzig. — Preis 1.60 Mark. Verlag von Francken- stein und Wagner in Leipzig, 1898. Auch das neue Jahrbuch erscheint wieder in «er beliebten Ausstattung und mit dem reichen Inhalt der früheren Jahrgänge. Der Kalender ist für Inseetenfreunde und Sammler bestimmt und hat überall eine wohlwollende Aufnahme gefunden. Das neue Bändchen bringt wiederum viele Beiträge der mannigfachsten Art aus den verschiedensten Gebieten der Insectenkunde. Die monat- liehen Anweisungen zum Sammeln sind verfasst von E. Girschner in Torgau (Dipteren), A. v. Schulthess-Rechberg in Zürich (Orthopteren) und Dr. L. Meliechar in Wien (Cicadinen). Eine interessante Abhandlung ist die von Prof. Bachmetje w „Ueber die Temperatur der Inseeten“ S. 121-131. Der Verf. maass die Körpertemperatur einiger Schmetterlinge mit Hilfe eines empfindlichen Thermometers durch Benutzung eines thermo- elektrischen Stromes, welcher durch einen mit einem Kupferdraht verlöteten Niekeldraht, erzeugt wurde. Der Beobachter fand, dass die Temperatur eines Schmetterlings aus der Familie der Satur- niiden (Saturnia pyri) bei gleicher Zimmertemperatur nicht constant blieb, sondern dass sie sich stark erhöhte, wenn der Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 623 Schmetterling aus dem Ruhezustande heraustrat und die Flügel bewegte. Der sehr dünne und scharfe Draht war nämlich in den oberen Theil des Brustabschnitts eingelassen, wodurch das Insect augenscheinlich sehr beunruhigt wurde; Während die Körper- temperatur anfangs 19,5° betrug, stieg diese nach einigen Minuten, während der Schmetterling zitternd die Flügel bewegte, auf 25°. Im Zustande der Ruhe und während des Sommers kommt die Körpertemperatur des Insecets der Temperatur des umgebenden Mediums ganz oder fast gleich. Beim Sinken der Temperatur unter den Nullpunkt erstarrt ein Theil der Säfte auf einmal, während die Erstarrung des anderen Theiles langsam von statten geht. Der Erstarrungsprocess seiner Säfte hat keinen tödtlichen Einfluss auf den Schmetterling. Auffallend ist, dass bei starker Abkühlung des Raumes, in welehem sich der Schmetterling be- findet, die Temperatur seines Körpers nach Erreichung eines be- stimmten niedrigen Grades, etwa —9° (der kritische Punkt) plötz- lich wieder auf —1° steigt, obgleich die Temperatur des Raumes die gleiche blieb. Die Thiere kehrten wieder zum Leben zurück. Aus verschiedenen Versuchen zieht der Beobachter den Schluss, dass, wenn die Körpertemperatur des Schmetterlings niedriger als sein kritischer Punkt ist, er nicht wieder belebt werden kann. Es ergiebt sich daraus ferner der Schluss, dass die Inseeten in Folge des kleinen Volumens ihres Körpers viel stärker dem Ein- flusse der Temperaturänderung der Luft unterworfen sind, als grössere Thiere, und daher an solchen Stellen des Erdballes nicht existiren könnten, wo es bei Tage sehr warm und bei Nacht sehr kalt ist, wenn die Temperatur ihres Körpers nicht veränderlich wäre. Die Inseeten erfreuen sich demnach einer wichtigen Eigen- schaft zum Schutze ihres Lebens, da die Temperatur ihres Körpers in breiten Grenzen variirt und auf diese Art gegen die Ver- änderung der klimatischen Verhältnisse unempfindlich macht. Der Körper der Inseeten hat sogar noch einen Reservefond zum Schutze seines Lebens — die latente Wärme der Erstarrung seiner Säfte. „Sein Saft erstarrt, und die Temperatur des Körpers steigt um einige Grade, den Inseeten auf diese Weise die Möglichkeit gebend, noch einige Zeit mit der tödtlichen Kälte zu kämpfen, und wenn die Lufttemperatur wieder steigt, kommt das Inseet wieder zum Leben, wenn nicht, stirbt es, aber wiederum nur dann, wenn die Temperatur seines Körpers wieder zu derjenigen Temperatur fällt, bei der sein Saft erstarrt.“ Andere Aufsätze des Jahrbuchs sind folgende: „Biologische Bagatellen“ von Speiser; „Wie man zufällig zu schönen Inseeten kommt“ von Rudow; „Eine entomologische Reise nach dem Süden“ von L. Melichar; „Die Papilionidae und Pieridae der Umgegend von Chemnitz und ihre Entwiekelungsgeschichte“ von Pabst; „Grössen unserer Falterwelt“ von J. Stephan; „Einiges über französische und englische Schmetterlingsbezeiehnungen“ von Prehn; „Abnorme Raupe von Lasiocampa faseiatella v. excellens“ von A. Voelschow; „Im Rückgange begriffene oder fast verschwundene Arten von Grossschmetterlingen der Umgebung von Karlsruhe, Durlach ete.“ von H. Gauckler; „Aus der Praxis. Winke für Käfersammler“ von H. Krauss; „Kurzer Käfersammel- bericht für 1897“ von Alisch; „Ueber die Zucht von Käferlarven“ von G. Heine; „Aus dem Tagebuche eines Käfersammlers“ von R. Levy; „Ameisengäste* von J.H. Wood; „Unsere Syrphiden“ von M. P. Riedel; „Brutnester von Rhopalum tibiale F.“ von D. v. Schleehtendal, u. s. w. H. J. Kolbe. Heinze, Prof. Dr. Max, Die mittlere oder die patrist. und scholast. Zeit. ° Berlin. — 7,50 Mark. Edler, J. M. und E. Valenta, Ueber das Funkenspectrum des Caleiums und Lithiums und seine Verbreitungs- und Umkehrungs- erscheinungen. Wien. — 1,50 Mark. — .— Speetralanalyse der Leuchtgasflamme. Wien. — 1 Mark. Mikuta, Hauptm. Alfr., Grundzüge der Differential- und Integral- Rechnung. Wien. — 10 Mark. Kassowitz, Prof. Dr. Max, Allgemeine Biologie. 1. Bd. Aufbau und Zerfall des Protoplasmas.. Wien. — 10 Mark. Jahrbuch, deutsches meteorologisches, für 1897. 5 Mark. —.— neues, für Mineralogie, Geologie und Paläontologie. gart. — 9 Mark. UDeberweg, Frdr., Grundriss der Geschichte der Philosophie. 2. Thl. Berlin. — 5 Mark. Verworn, Prof. Dr. Max, Beiträge zur Physiologie des Oentral- nervensystems. I. Thl. Die sogenannte Hypnose der Thiere. Jena. — 2,50 Mark. Vogl, Hofr. Prof. Dr. A. E., Die wichtigsten vegetabilischen Nahrungs- und Genussmittel mit besonderer Berücksichtigung der mikroskopischen Untersuchung auf ihre Echtheit, ihre Ver- unreinigungen und Verfälschungen. Wien. — 20 Mark. Karlsruhe. — Stutt- Inhalt: Die allgemeine Versammlung der Deutschen geologischen Gesellschaft zu Berlin. — Die Verbreitung des Elens. — Ueber die Rolle der Luft bei der letzten Häutung der im Wasser lebenden Inseetengruppen. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur; W. Marshall, Im Wechsel der Tage. — Entomologisches Jahrbuch. — Liste, 624 a ee - ° Dr. Robert Muencke % R Luisenstr. 585. BERLIN NW. Luisenstr. 58. R % Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ® und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. OHIO 9090090009900 08 Sn Ferd, Dümmlers Verlagsbudhandlung in Berlin SW. 12 erjcheint von Dftober ab: Die Dolksunterhaktung. Beitfehrift für die gefamten Beftrebungen auf dem Oehtete der Volksunterhaltung. Herausgegeben von Raphael Löwenfeld. Säbrlich 12 Nummern. Preis 2 2llark. Zu beziehen durc jämtliche Buchhandlungen und Boftanftalten. Probenummern gratis und franfo, 2 + Ferd. Dümmilers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12 %* Loeben erfihien: | Höchft originelle — vornehm ausgeftattete Iugendfchrift! Frih Dogelfang. Don Abenteuer eines Ddeutfhen . Schiffsjungen in Kiautfcon. Paul Findenberg. Mit 4 feinen Farbenbildern nad Agyuarellen von Mily Werner und 111 Abbildungen im Tert. 292 Seiten groß Oftav. — Preis eleg. geb. 4 Mk. Der Verfaffer, der vor Kurzem von feiner Reife um die Erbe mreiidgefehrt ıft, jchildert im Rabmen einer fpannenden Erzählung and und Leute in China, zumal im neuen beutfchen Gebiet das felöft, welch Legteres Lindenberg eingehend Fennen gelernt bat. Ein intereffantes Kapitel des Buches giebt eine authentifche Darftellung vom Untergang des ltis, zu welcher das Neichs - Marineamt mebrere Bilder zur Verfügung ftellte. Den ftattlihen Band fchmücden 111 Sluftrationen, zu denen auch Frau Baronin von Heyfing, bie @emahlin unferes deutfhen Gefandten in Peking, mehrere treffliche Aquarelle zugefteuert bat. BB] Zu dosienen duch; ae Suchpandtungen. [ER x Dünnschliff- Sammlungen für praktische mikroskopische Uebungen. Diese Sammlungen enthalten Dünnschliffe aller wichtigen Gesteinstypen und sind zusammengestellt nach H. Rosenbusch „Mikroskopische Physiographie der ınassiven Gesteine“ Stutt- gart 1896. 3. Auflage. — Beigegeben wird eine kurzgefasste gedruckte Beschreibung, derart, dass der Lernende die einzelnen Gemengtheile der Gesteine makroskopisch und mikroskopisch erkennen und bestimmen kann. Sammlungen von 2 120, 180 und 250 nr in elegantem Etui je Mk. 150, Mk. 225, bez. Mk. Dieselben Sammlungen mit den dazu oharigen. Handstücken. (Format 8'/,>x< 11 em.) je Mk. 250, Mk. 390, bez. Mk. Jeder Schliff unterliegt vor der Ablieferung einer N mikroskopischen Prüfung, sodass für die Güte der Praeparate und für die richtige Auswahl von charakteristischem Material garantirt werden kann. Dr. F. Krantz, Rheinisches Mineralien- Contor. Verlag mineralog.-geolog. Lehrmittel. Geschäftsgründung 1333. Bonn a./Rh. Geschäftsgründung 1833. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XIII. Nr. 52 Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. Fevd. Dümmlers Derlagsbh., Berlin. Das Bud dehus. Die Urevangelien. Neu durchge jehen, fneu überfeßt, geordnet und aus den Ilrfpradyen erklärt von Wolfgang Bircbar. Dftav-Ausgabe 1834 ©. 1,50 M., eleg. geb. 2,25 Mt. Bolfe- » Ausgabe 156 © gebunden 70 Pfennig. Was lehrte Ielus?- Zwei Irevangelien. Bon WMelf- gang Birdjbady. 256 Geiten Df- tav 5 M., eleg. gebunden 6 M. Hempel’s Klassiker - Ausgaben. Ausführl. Specialverzeichnisse gratis. | Professor am kgl. Realgymn. in Berlin. Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. | 444 Seiten gr. 8. Pr.6M., geb. 7M. F 'erd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung i in Berlin SW. 12. Grasmotoren, Dynamo- und Dampf- maschinen gebraucht gsarantirt betriebs- fähig, in allen Grössen offerirt Elektromotor G. m. b. H. Berlin NW., Schiffbauerdamm 21. Perd. . Dümmlers Verlagsbuchh, Berlin. Einführung in die Blütenbiologie auf historischer Grundlage. V E. Loewi Kritische Grundlegung der Ethik als positiver Wissenschaft von Dr. med. Wilhelm Stern, pract. Arzt in Berlin. 476 Seiten gr. 8°. Preis 7,20 Mark. Ueber Tundren und Steppen der Jetzt- und Vorzeit mit besonderer Berücksichtigung ihrer Fauna. Von Dr. Alfred Nehring, Professor der Zoologie und Vorsteher “der zoologischen Sammlungen an der Königlichen landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin. Mit ı Abbildung im Text und 1 Karte der Fundorte. 266 S. gr. 8°. Preis 6 Mark. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. (Ph oto!:"s Apparate u. Bedarfsartikel. Nur solide Waaren. Silberne Medaillen: Berlin 1896, Leipzig 1897. Stativ- und Hand-Apparate in grosser Auswahl. Sehr empfehlenswerth sind: | „ Vietoria“- Klappcamera mit Steckelmanns %piegel-Reflex. (D. R. Pat) Entw ickelungsschaale mit Veber- ” dach und Vertiefungen. (D.R. G.M.) Plattenwechselkasten „Columbus“ mit einer Exponircassette für 12 Platten, an jede Camera anzupassen. „‚Westendorp & Wehner“-Platten (höchst empfindlich u. zuverlässig). Max Steckelmann, Berlin W. 8, Leipzigerstr. 33 1. (Kein Laden.) v | | | | v Die Erneuerung des Abonnements wird den u Verantwortlicher hierdurch in geneigte Erinnerung Redaecteur: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. gebracht. Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: geehrten Abnehmern dieser Wochenschrift Die Verlagsbuchhandlung. = 12. — Druck: G. "Bernstein, Berlin SW. 12, ar Picwaeh, Der De ak I PER Br a TEE Fe ” i > Alan DT a Bin en uf ii WS De re - Dr we Du u F ‘ ae Ai Y, 5 1 We BE Bu ei: Burt arhh Beer: rd. PA et yiier ER PIE} Be due Ye Na, e z a su 7} di ni ET. WIRD AISLE BE ZB PR: . sr De WE Ze Sn IE 2 5 7 Se 5 Pi a er Pe re Page TE ww; A Da En . P Ne I gr | n : E : £ & Er ar a aan A , arena ann or rauen