i^y^l ^'■■m^^ ,>V^«t/^? ■*..- fi :jü:>«i ^■; l'^^, Ml mX^ ^Y^''vHC:^^V^kV^ W- '"'m V ^(^r' >^V^ 'i^^ 11 [Aedigirt Prof. Dr. H. Potoui^, Kgl. Bezirksgeologen und Docenteii der Päanzenpalaeoiitologie an der Kgl. Bergakademie zu Berlin. FUENFZEHNTER BAND ^-f- (Januar bis December 1900). 4^ BERLIN. Ferd. Dümmlers Verlaosbuchhandlunsv Inhalts -Verzeiehniss. 1 )ie Orig-iiial-Abhundlunyei zeichnet: ausserdem sind -JlittlK-ilui ne Anzali! ;i'u und -Abbildungen sind dureli die Beifügung- der Abkürzung „Orig." gekenn- Autoren an den Keferaten über iiire Arbeiten dadurch betheiligt gewesen, dass sie die Correcturen gelesen ^-^ - Seite Allgemeines und Verschiedenes. Hliinckenliorn, Uebei- Hevptisclie Muschelkretjsp als I .nftsrliifr.T . löl Brick, Die Provinz I 'i ms-^n l,^in'lid."it ' der iniisiknliselien ('.'nli''n .h-.s < Ichirns 18 l.eprinee, .Sitten und G.'biauehe der ßaga Foreh 510 .Müller. P. J., Die Haut und ihre Thätigkeit (Orig.) 31(i Schäfer, Neue Erklärung der subjec- tiven Combinationstöne auf Grund der Helmholtz'schen Kesonanz-Hypo- these 114 Schiller-Tietz, Hautfarb.e der Neu- geboreneu bei den Negervölkern (Orig.) 197 .Siebert, Ueber die verschiedenen Methoden der anthropologischen For- schung (Orig.) ,507 Slosson, Macht der Suggestion . . Toulouse und Vaschied, Messung der Geschmacksempfindungen . . Vaschidin und van Melle, Natur der physikalischen Bedingungen des Geruchs Zoologie. d'Aubusson, Lebensweise des Dick- fuss (Oedicnemus) 93 Bachmetjew, Temperatur der In- sekten 92 v. Bechterew, Ueber pupillenver- engendo und erweiternde Centren in den hinteren Theilen der Hemi- sphären-Rinde bei den Affen . . . 429 ßethe, Ueber die Neurofibrillen in den Ganglienzellen vonWirbeltbieren 343 Biedermann und P. Moritz, Die Function der sogenannten Leber der Mollusken 135 Brandes, Die Leuchtorgane der Tief- seefische Argyropelecus u. Chauliodes 10 — , Begattung des Egels (Nepheles) . 513 Co 11 et t, Der Igel in Norwegen . . 235 Cuenot. Vertheilung der Geschlechter bei den Gelegen der Haustauben . 606 de Cyon, Orientirung der Brieftaube 295 Dreyfuss, Experimenteller Beitrag zur Lehre von der nicht akustischen Function des Ohrlabyrinthes . . . 487 Edinger, Beziehung zw. Hirnanatomie und Psychologie 464 Eimer und Fickert, Artbildung und Verwandtschaft bei den Foramini- feren 20 El Hot, Immunität der Manguste gegenüber dem Cobragift .... 524 Faussek, Die Autotoniie und die Schmerzempfindlichkeit im Thier- reiche 265 Fo erster, W., Orientirung der Brief- taube auf ihrem Fluge (Orig.) . . 331 Friedenthal, Ein neuer Nachweis der Blutsverwandtschaft zwischen Menschen und Thieren ... 91, 570 Godlewski, Einwirkung des Sauer- stoft's auf Entwickelung und Gas- weclisel in den ersten Entwickelungs- stadien von Rana temporaria . . . 581 Heck, Lebensgewohnheiten des Deutsch-Ostafrikanischen Wildes . 476 Hermann, Wirkung hochgespannter Ströme auf das Blut 198 Hertwig, Die ersten fundamentalen Entwickelungsprocesse des thieri- scheu Eies (z. Th. Orig.) .... 15 Seite H i u d e , Ueber den Wechsel in der Er- nährung eines Vogels 544 Hinkelmann, Der Hering ein Laich- fi-esser 606 — , Junge Aale im Darm älterer . . 606 Jtzerodt, Vogelkolonieen in Ham- burgs Umgebung 606 K lunzinger, Zwergrassen bei Fischen und bei Felchen insbesondere . . 488 Kolbe, Altersschwache Käfer ... 404 Kolthoff, Nistplätze der Eismöve . 55 Krämer, Thierbeobachtungen in See (Orig.) 402 Krüger, Edg., Ueber die Entwickelung der Insekten mit besonderer Berück- sichtigung der Deckflügel der Käfer 9 Lehmann, Wirkung der äusseren Existenzbedingungen auf Bau und Lebensweise der Thiere .... 591 Ludwig, N., Bienen-Königin und Ar- beiterin (Orig.) 601 Lydekker, Geographische Verbrei- tung und Entwickelung der Säuge- thiere 441 Mead, Beziehung zwischen Ernährung und Wachsthum bei den Seesternen 296 Möbius, Ueber die ästhetische Bedeu- tung der Säugethiere 331 Mortensen, Einfluss der Temperatur auf Mäuse 270 — , Laich- und AVachsthumsverhältnisse der Ostsee-Garneele 535 Munk, Aus dem Gebiete der Nerven- physiologie (Orig.) 14 Nat hörst, Einwanderung des weissen Polarwolfes in Ost-Grönland ... 501 — , Zur Einwanderung des Polarwolfes in Nordostgrönland 595 Nutting, Nutzen der Phosphoroscenz bei den Thieren der Tiefsee . . . 29(; Ostwald, Wolfg., Köeherbau der Phryganeiden-Larven 176 Prowazek, Rapserdflohs (Orig. mit Orig.-Abbild.) 19 — , Zur Physiologie der Einzelligen (Orig.) 193 — , Zur Entwickelungsgeschichte des Wurmes Dinophilus apatris (Orig. mit Orig.-Abbild.) 397 — , Beobachtung an Seewasser-Aeineten (Orig. mit Orig.-Abbild.) .... 450 — , Organismen im Wiener Leitungs- wasser (Orig.) 476 Rabes, Entwickelung unserer Kennt- niss des Spinnonauges (mit Abbild.) (Orig,) 566 Raspail, Gartenschläfer als Vogel- feind 221 Rawitz, Die japanischen Tanzmäuse 58 :j83:^5 Inhalts- Verzeieliui Seite ilo Kochebrun e, Die portugiesische Auster (Ostrea angulata) .... 535 Sclienkling-Prevöt, Nidologisches (Orig.) 241, 296, 49^ Schewiakow und Schuberg, Thei- luiig bei den Infusorien (mit Abbild.) 534 .Seh iller-Tietz, Die vermeintliche Piirthenogenesis bei der Honigbiene (Orig.) 157 V. .Schilling, Der Rindenwickler (Graptoiitha Wöberiana) . . 129, 439 Schnee, Zur Erklärung der Färbung des Feuersalamanders 221 Schultz, Ose. Phosphorescirende Lichterscheinung an den Antennen eines Schmetterlings 594 Thiele, Fortpflanzung der Blattläuse 151 Tower, Geschichte und Ausbreitung des Colorado-Käfers 585 Werner, Aus dem Thierleben der Sahara (Orig.) 517 Wheoler, Auemotropismus .... i2 Wolterstorff, Ueber die Verbreitung des Springfrosches in Deutschland (Orig.) 205 Zi mmerraann, H., Ueber die Lebens- weise der Apfelbaumgespinnstmotte (Hyponomenta maliuella) .... 105 Internationaler Zoologen -Congress in Berlin 1901 '. ... 621 Südliche Verbreitung desTerek-Wasser- läufers (Tcjtanus) 235 Botauik. Appcl, Ueber Phyto- u. Zoomorphosen (Gallen) ..." 257 Asche rson, Herkunft des Kohls auf Helgoland .574 Baenitz, Herbarium europaeum et americanum 587 Baford, Die Mistel und die Wasser- nuss in Schleswig-Holstein (Orig.) . 559 Beyer inck, Chlorophyllbildung Inder Finsterniss 247 Bohl ig, Assimilation des atmosphäri- schen Stickstoffs (Orig.) 208 Bokorny, Albumin, Albumose und Pepton im Pflanzenreich (Orig.) . 617 Buscalioni und Huber, Eine neue Theorie der Ameisenpflanzen . . 222 Clause n, Ueber die Vererbung der Wüchsigkeit durch Auswahl des Saatguts 138 Devau.x, Korkwarzen (mit Abbild.) . 619 D i e t e 1 , Einiges über die geographische Verbreitung der Rostpilze (Orig.) . 217 Guignard und Nawaschin, Be- fruchtungsvorgänge bei den Phane- rogamen 273 Harshberger, Biologische Notiz über Rhodendron maximum 165 Ileinze, Zur Morphologie und Physio- logie einer Mycoderma-Art . . . 477 Klebs, Zur Fortpflanzung der Pilze . 403 Krause, Ernst H. L., Reductio gene- rum jilantarum (Orig.) G13 Leviii, Mikroben in den arktischen Regionen 41 L idforss, Cheniotropismus der Pollen- schläucho 42 L o e s e n e r, Grünfärbung der Evo- nymus-Keimlinge (Orig.) 71 Mangin, Eine neue Krankheit der Nelken 80 Möbius, Die Farben in der Pflanzen- welt (Orig.) 109 Nawaschin, Zur Befruchtung der höheren Pflanzen 466 Xoll, Verzweigung von Wurzeln (mit Abbild.) .^ 536 Potouie, Verhalten der Rhododen- dron-Blätter in der Kälte (Orig.) . 166 — , Ersatz erfrorener Frühlingstriebe durch accessorisehe und ;indi>ri' Sprosse 332 Ritter, Abhängigkeit der Bactcrien- Bewegung vom Sauerstoä' .... 41 Rosenberg, Physiologisch -cytologi- sehe Untersuchungen über Droser.i rotundifolia 94 Schellenberg, Getreide - Varietäten Graubündens 572 Schleichert, Beiti'äge zur Biologie einiger Xerophyten der Muschelkalk- hängc bei Jena (Orig.) 445 S c h I ö s i n g - fils , Ammoniakst iekstoff als Nährmittel von Pflanzen ... 616 Schumann und Lauterbach, Flora unserer deutschen Schutzgebiete in der Südsee 620 Sorauer, Das massenhafte Absterben der Süsskirschen am Rhein (Orig.) . 133 S ta h 1 , Ueber Mycorhizen-Bildung u. s.w. 511, 536, 575 Thomson, Befruchtung der Blüthen auf Neu-Seeland . '. 294 V. Tubeuf, Doppeltanne des Berliner Weihnachtsmarktes 188 de Vries, Das Spaltungsgesetz der Bastarde 577 V. Wettstein, Pflanzenwelt der Polar- gegenden und ihr Anpassungsver- mögen an die dortigen extremen Lebensbedingungen 557 Werth, Ostafrikanische Nectarinien- Blumen und ihre Kreuzungsvermittler (Orig. mit Orig.-Abbild.) ... 231 Palaeontologie. -\ rtli, Umwandlung von Holz in mine- ralkohlenähnliche Substanz . . . 610 Bertrand, Zur Genesis der Kohlen . 559 Crämer und Spielker, Wachs der Bacillariaceen und sein Zusammen- hang mit dem Erdöl 115 Fuchs, Was istPalaeontologic? (Orig.) 86 de Gall, Geschmolzenes Holz . . . 440 Lehm an'n-Nitsche, Zur Vorgeschich- te der Entdeckung vonGrypotherium bei Ultima Esperauza (Orig.) 385, 539 P a b s t , W' eitere Beiträge zur Kenntniss der Tliierfäbrten in dem Rothlie- genden Thüringens (Orig. mit Orig. Abbild.) ". 121 Potoni^, Ueber die Entstehung der Kohlenflötze (Orig. mit Orig.Ab- bild.) 28 — , Excursion nach dem Harz ... 30 — , Palaeophytologische Notizen (Orig. mit Abbild.) IX. Zur Nomenclatur der Fossilien 313 X. Versuch, den vorwiegend kata- dromen Aufbau der Farnwedel zu erklären 314 XI. Mit der recenteu Polypodia- ceen-Gattung Dipteris verwandte oder generisch idente mesozoische Reste 31.'i XII. Ueber die systematische Zu- gehörigkeit der Crednerien 505 und 563 Renault u. s. w.. Vorweltliche Bacte- rien und deren geologische Thätig- keit 248 Sclilosser, Ueber fossile Menschen- Affen 330 Sinterbildende Alge 94 Was ist Humus und Bitumen V . . . 527 (Jeoloffie luul 5Iiueral<»g:ie. Andersson, Die quartären Thone Finnlands mit organischen Resten 321 Braun, David, Das Problem des Sera- peums zu Pozzuoli 256 C 1 e V e , Mikroskopische Untersuchungen an Staub vom Treibeise im nörd- lichen Eismeere . . 595 De ecke, Entstehung uml N'erljreitung der Feuersteine 595 Seite V. Fellenberg, Entdeckung eiues neuen Prisen-Meteoriten ' 44(1 Fuchs, Was ist Geologie? (Orig.) . 85 — , Die Geologie und ihre Hilfswissen- schaften (Orig) 113 Hamberg, Basalte des König-Karls- Landes 451 Jentzsch, DieHöhen der europäischen Wanderdünen 32U Matteucci, Der gegenwärtige Zustand der Vulkane in Südeuropa .... 69 Matthias und Beushausen, Her- kunft des Wortes ..Culm" (Orig.) 539, 575 Rekstad, Erdbeben in Norwegen 1895-98 595 Sohle, Grube Grossfürstin Alexandra im grossen Schleifsteinthal bei Gos- lar (Orig. mit Orig.-Karte) ... 74 Steenstrup, Der Name Hvitaa-Bildun- gen 286 Weinschenk, Eintheilung der Me- teoriten 223 Postglaciale Ablagerungen mit Ancylus fluviatilis aus Gothland 4(i5 Physik. Boas, Die luductionsapparatc . . . Polläk und Virag, Neues Schnell- teleL;raphen-System R 11 d u 1 p h , Ueber unsichtbare elektrische Stiaiilung und die Energiequelle der Becquerel-Strahlen (Orig.) . . Sjiies, Wechselstrom und Drehstrom (Orig.) Zeemann scIies Pili Mathematik. Ausdehnung der decimalen Eintheilung auf das'Winkelmaass Deutsche Mathematiker-Vereinigung . Mathematischer Congress zu Paris . . Schäffer-Museum in Jena Astronomie. Brenner, Thätigkeit der Manora- Sternwarte 1899 (Orig. mit Orig.- Abbild.) ._ 145 Fauth, Nochmals „Linne" und lunare Veränderungen (Orig) 236 Hnatek, Die Leoniden des Jahres 189'J (I Irig.) . . . 181 , Neue Planeten und Kometen des Jahres 1899 (Orig.) 292 — , Geschichte der Sternschnuppen- Astronomie (Orig.) 421 — , Entstehung des Planetensystems (Orig.) "... .553 — , Leoniden - Expedition der Wiener Sternwarte (Orig.) 596 Koerher, Neuer grosser Refractor der Potsdamer Sternwarte (Orig.) . . 370 Meteorologie. Assmann, Die für den Dienst zur Erforschung der hölieren Luft- schichten geplanten Vorrichtungen vOrig.) 17 Börnstein, Beziehung zwischen Lutt- druckvertheilung und .Muml-IJceh- nation 21 Elster, Geitel, Thomson tnid Wilson, Ursachen der atmosphäri- .scheu Elektricität 273 Heu II ig, Kritik der Falb'schen Wetter- prognose für den Monat December (Orig) 70 Kremser, Die Ei.-^hoiligeii lies Mai . 273 Inluilts-Veizeiehuiss. Less, Wetter - Moiiiitsübci-sicht (mit Diagrammen über Temperaturen un.- Kreisels . Kräpelin, N;il urstuclliii im Garten • Krjoll, Stereoskop-Bilder .... K ronfeld, Bilderatlas zur Pflanzen- geographio La d e nburg, Entwickelungder Chemie in den letzten 20 Jahren .... L assu r- Coli n , Ueber das Ungeeignete der neuerdings für die Berechnung des Atomgewichts vorgeschlagenen Grundzahl 16 für 0 — , Die Chemie im täglichen Leben . Lauterer, Australien und Tasmanien Lefort, Faules et giiogenie .... v.Lendenfeld, Hochgebirge der Erde V. Linstow, Fortpflanzungsgeschichto der Aale Lippmann, Absolute elektrische Ein- heiten Lorscheid, Anorganische Chemie Lydekker, Geographische Verbrei- tung und geologische Entwickelung der Säugethiere Mach, Wärmelehre — , Grundriss der Naturlehre .... Manchot, Ueber freiwillige O.xydation Maurain, Le magnetismo du fer . . Meilmann, Chemie des tiigliehon wirtschaftlichen Lehens. .... Menendez, Cordillera und Natuel huapi Müller, Felix, Vocabulaire mathe- matique 623 — , Hugo, Misserfolge in der Photo- graphie und ihre Beseitigung . . 479 Münch, Physik 191, 431 Naunyn, Entwickelung der inneren Medicin 514 Nernst, Theoretische Chemie ... 526 Netto, Algebra 227 Oppenheimer, Die Fermente und ihre Wirkungen 538 Ost wald 's Klassiker der exacten Wissenschaften 527 Ostwald, Grundlagen der anorgani- schen Chemie 574 Pahde, Erdkunde 190, 539 Paulseu , Einleitung in die Philosophie 358 Fax, Botanik 263 Pernter, Regenbogen - Theorie und Mittelschule 167 Petzoldt, Einfuhrung in die Philo- sophie der reinen Erfahrung ... 95 Pi etz ker , Sprach- und Sachunterricht 563 P|late,- Darwin'sches Selectionsprinzip 239 Preuss, Geist und Stoff 895 Preyer, Seele des Kindes 467 Ratzenhofer, Der positive Monismus 39i Reinke, Entwickelung der Natur- wissenschaft, insbesondere der Bio- logie im 19. Jahrhundert .... 251 Richter, Lexikon der Kohlenstoff- verbindungen 215 Roisol, Chronologie des temps pre- historiques 226 Römer und Schaudinn, Fauna arc- tica 142 Rössler, Raupen .538 Ruschhaupt, Bau und Leben der Pflanzen 599 Sadebeck, Culturge wachse der deut- schen Colonieen 23 Salmon und Fiedler, Analytische Geometrie der Kegelschnitte . . . 226 Saltarino, Abnormitäten 142 Scheiner, Strahlung und Temperatur der Sonne 191 Schmeil, Leitfaden der Zoologie . . 359 Schmidt. Magnetische Untersuchungen des Eisens u. s. w 431 Scholz, Einfluss der Raumerfüllung aus dem Verlauf chemischer Reac- tionen 2911 Schönichen und Kalberlah, B. Eyfferth's einfachste Lebensformen des Thier- und Pflanzenreiches . . 262 Schröter, Taschenflora des Alpen- wanderers 299 Schnitze, Fritz, Vergleichende See- lenkunde 395 Schwarz, Turkestan 587 Seier, C, Auf alten Wegen in Mexico und Guatemala 538 Smith, Analyse electrochimique . . 227 Sokolowsky, Aeussere Bedeckung der Lacertilien 107 Sterne, Werden und Vorgehen . . 598 Stoekmeier, Galvanostegie und Gal- vanoplastik 311 Strasburger, Noll, Schenk und S c h i m p e r , Botanik für Hochschulen 107 Stuck, Gesundheitsfibel 164 Terschak, Photographie im Hoch- gebirge 383 Thomas, Der longitudinale Elastici- tätsCocfficient eines Flusseisens bei Zimmer- und bei höheren Tempe- raturen 166 Thomson, Mehrphasige elektrische Ströme und Wechselstrommotoren 47 Thompson, Dynamoelektrische Ma- schinen -131 Träger, Halligen und Zukunft der Schleswig - holsteinischen Nordsee- Watten 275 Treptow, Bergbau und Hüttenwesen 16 — , Der Bergbau 46 Inhalts -Verzeicluiiss. VII Seite Turner, Kraft und Materie im Räume 45 Vogel, Handbuch der Pliotographie . 287 Vogt und H o eil ge sang, Katalog über Dünnschlift'-Sammlungon .... 179 Weber, H.. Entwickelung unserer mechanischen Naturanschauung im 19. Jahrhundert " . . 347 VVedekind, Junge oder Mädchen? . ."j."i1 \Vellmann, Das älteste Kräuterbuch der Griechen 95 Werner, Auf den Wogen des Oceans 503 Wink! er, Sudetenflora 347 Wohlrab, Vogtland . 22G Wossidlo, Botanik 251 — , Flora von Tarnowitz 335 Will In er, Experimentalphj'sik . . . 191 Wünsche, Verbreitetste Pflanzen Deutschlands 335 Zehnder, Entstehung des Lebens . 480 Zeiller, Paleobotanique 33."> Zenker, Photochromie 479 Zepf, Mineralogie und Chemie . . . 574 — , Menschlicher Körper 599 Annuaire de l'observatoire municipale de Paris 179 Annuaire de bureau do longitudes 1900 131 Arbeiten aus der biologischen Abthei- lung für Land- und Forstwirthschaft am königl. Gesundheitsamt . 107, 527 Astronomischer Kalender für 1900 . . 131 Bericht der Deutschen Botanischen Gesellschaft 203 Boletin del instituto geologico del Mexico 407 Die natürlichen Pflanzenfamilien . . 539 Festschrift zum 70. Geburtstag Moritz Cantor.s 23 Festschrift zur Enthüllung des Gauss- Weber-Denkmals in Güttingen . . 203 Fortschritte der Physik 1898 .... 191 Geologisch-agronomische Special-Karte von Preussen 119 Jahrbuch der Chemie 35, 527 Jahrbuch der Elektrochemie .... 143 Jahrbuch für Photographic (Eder'sches) 479 Koloniale Zeitschrift 35 Liste neuer Erscheinungen Seite 11 und fast in allen folgenden Nummern. Litteratur über Basilisken .... 335 Litteratur zur Geschichte der Natur- wissenschaft 71 Litteratur zur praktischen Chemie . . 83 Scientia 83 The Oologist .-.87 Verhandlungen der naturforscheuden Gesellschaft in Basel 509 AbbilduHgeii. 457, 4ti3, Acineta (Orig.) . Beut-Kiefer .... Bogen, oceanische . Clathropteris .... Credneria triacuminata Diagramme über Temperaturen und Niederschlagshöhen (Orig.) 33, 81, 129, 130, 178, 238, 286, 333, 393, 394, 440, 490, 491, 550, 597-98. Dinophilus apatris ( Entwickelung) (Orig.) 398, Dipteris Erythrinia indica-Blüthe (Orig.j . . Fagus silvatica (zweibeinig) . . . Fossile Fährtenplatten (Orig.) . 1 Fossiler Parallel-Häcksel (Orig.) . . Grundriss der Baue der Grube Gross- fürstin Alexandra bei Goslar (Orig. Hibiscus rosa sinensis-Blüthe (Orig.) Infusorien-Theilung Jambosa vulg.aris-Blüthe (Orig.) . . Juniperus communis (seltenes Exemplar) Jupiter ........ 145, 148, Karte von Deutschlend mit Angabe der Weinbaugebiete der Reblaus heerde (Orig.) Kigelia acthiopica-Blüthe (Orig.) Korkwarzen am Hollunder . . . Korkwarzen an einer Kartoffel . Korkwarzen an einer Wurzel . . Landschaft der Steinkohlenzeit . Loranthus Dregei-Blüthe (Orig.) . Mars im Januar, Februar, März 1899 147, Musa paradisiaca-Bltithe (Orig.) . . . Palmatopteris furcata US silvestris parvifolia US silvestris (Knollenkiefer) . . . US .silvestris (Beut-Kiefer) .... tanus-Bliittor (Orig.) tritt von Avenarius . . . , . . . „ Cuviei- „ „ Darwin „ „ Deeandolle „ „ du Bois Reymond . . . „ „ Helmholtz „ Koch „ „ Pasteur „ Schieiden „ „ Schwendener Virchow Anatomisches etc. über den Rapserd- floh Saturn im August und September 149, Schema für auadromen und katadromen Aufbau . . Schemata zur Erläuterung der Ent- stehung der pedateu PlatanusBlatt- Aderung aus der Fieder-Aderung (Orig.) Schemata zur Erläuterung der Ent- stehung des katadromen Aufbaues aus der Gabelung (Orig.) .... Schilde der Oceanier (Orig.) .... Spinnen-Augen (zur Ana tomie derselben) .567- Wasserabkochapparat 25, Wurzeln mit Seitenwurzelu (zu Noll) ''^"v^- ^^vs--^^' Redaktion: ? Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düimnlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Rand. Sonntag, den 7. Januar 1900. Nr. 1. Abonnement: Man abonuirt bei aUen Buchhandlungen und Post- ^^ Inserate; Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Aufträge eut^ anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.- gö sprechenden Rabatt. BeUagen nach Uebereinkunft. Ingeratenannahme Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. Jt bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdi'Ufk ist nnr mit vollstäudis^ei- Quellenaiigabe ge'**»**«'*- Der neunte naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen, abgehalten in Berlin vom 4. Ocfober bis 14. October 1899. Boricht iiuf üi'iinrl der eingegangenen Beiträge sowie eigener Aufzeiclinungen von Prof. Dr. B. Schwalbe. Wie im Jahre 1897 nuisste auch in diesem Jahre der naturwissenschaftliche Feriencursus von Ostern auf Michaelis 1899 verlegt werden, vor allem deshalb, weil die Leiter des Cursus, die Herren Vogel und Schwalbe, Ostern durch anderweitige Arbeiten sehr in Anspruch ge- nommen waren. Die sehr zahlreiche Betheiligung in den Michaehs- ferien (43 Lehrer) legte den Gedanken nahe, ob nicht überhaupt fiii- die Provinzen, aus welchen die Lehrer zum Feriencursus kommen, d. h. den sämmtlichen ostelbischen Provinzen einschlic.'jslich Sachsen und Schleswig-Holstein der Michaelisterniin günstiger wäre, als Ostern. Manche Gründe sprechen dafür. Die Michaelisferien dauern meist 14 Tage, sodass der Cursus für viele Anstalten innerhalb der Ferien fällt, Michaelis ist vielfach kein Schlussterrain des Schuljahres, Versetzung und Examina finden nicht statt, die Jahreszeit ist günstiger, Festtage können nicht störende Verschiebungen veranlassen, Urlaub ist, wo er- forderlich, leichter zu erlangen, als Ostern und so sind es noch manche Umstände, die für diese Zeit sprechen, während andererseits die Gewinnung der Lehrkräfte schwieriger ist, da viele Doceuten sich nicht gern schon vor den grossen Ferien, also im Juni, binden mögen. Das Programm muss (lann als vorläufiges aufgestellt werden und erfährt dann leicht, wie auch diesmal, Um- änderungen. Zum Feriencursus waren einberufen und erschienen die im nachstehenden Verzeichniss aufgeführten Lehrer. Provinz O s t p r e u s s e n : 1 . Prof. F u h m a n n von der Ober- Realschule zu Königsberg. — 2. ()berl. Borchevt vom Gymnasium in Lyck. — 3. Oberl. Landsberg vom Gymnasium in Allenstcin. — 4. Obcrl. Dr. Mil thaler vom Realgymnasium in Tilsit. — Provinz Westpreussen: 5. Prof. Paszotta vom Gymnasium in Konitz. — 6. Prof. Henneckc vom Progymnasium in Pr. Fried- land. — 7. Oberl. Keil vom Königl. Gymnasium in Danzig. — 8. Oberl. Kronke von der Realschule in Graudenz. — Provinz Brandenburg: 9. Oberl. Striinipfler vom Gymnasium in Guben. — 10. Oberl. Timne vom Gymnasium in Gr. Lichtcrfelde. — U. Oberl. Scheele von der 10. Realschule hier. — 12. Oberl. Dr. V. Hanstein von der 6. Realschule hier. — 13. Oberl. Dr. Hoffmann von der 5. Realschule hier. — 14. Oberl. Dr. Rengel vom Realgymnasium in Potsdam. — 15. Oberl. Seifert II von der Oberrealschule in Charlottenburg. — lü. Oberl. Karsten vom Gymnasium in Luckau. — 17. Oberl. Kuckuck vom Gymnasium in Züllichau. — 18. Oberl. Franke vom Andreas-Realgymnasium hierselbst. — 19. Wissenschaftlicher Hilfslehrer Jool vom Lessing- Gymnasium hierselbst. — 20. Wissenschaftlicher Hilfslehrer Ka- lischer vom Gymnasium in Wittstock. — Provinz Pommern: 21. Prof. Dr. Jahn vom Gymnasium in Dramburg. — 22. Oberl. Friedrich vom Gymnasium in Anklam. — 23 Prof. Dr. Kind vom Königl. Wilhelms - Gymnasium in Stettin. — 24. Obcrl. Schmidt vom Gymnasium in Kolberg. — Provinz Posen: 25. Oberl. Kuert vom Gymnasium in Nakel. — 26. Oberl. Ratsch vom Mariengymnasium in Posen. — 27. Oberl. Kasnoh vom Gymnasium in Rogasen. — 28. Oberl. Sturtzel vom Gym- nasium in Gnesen. — Provinz Schlesien: 29. Realgymnasial- director Gullin in Neisse. — 30. Prof. Blasel vom Gymnasium in Leobschütz. — 31. Prof. Dr. Kalischek voui Matthias-Gym- nasium in Breslau. — 32. Oberl. Bricke vom Realgymnasium in Grünberg i. Schi. — 33. Oberl. Dr. Gesehöfer vom Gymnasium in Oels. — 34. (tberl. Hocke vom Gymnasium in Glatz. — Pro- vinz Sachsen: 33. Prof. Dr. Franke vom Gymnasium in Schleusingeu. — - 3G. Oberl. Holtze vom Domgymnasium in Neuen- bürg a. 0. — 37. Oberl. Dr. Schumann vom Gyronasiuui in Nordhausen. — 38. Oberl. B ü h r i n g vom Gymnasium in Wernigerode. 39. Oberl. Dr. Dorge von der Realschule in Quedlinburg. — 40. Oberl. Naundorf vom Gymnasium in Torgau. — Provinz Schleswig-Holstein: 41. Prof. Fiedler vom Gymnasium in Schleswig. — 42. Oberl. Ostcrloh von der Oberrealsohule in Flensburg. — 43. Oberl. Nitsehe vom Gymnasium Kiel. Mit dem Cursus war diesmal wiederum eine Ausstellung verbanden, die vor Allem den physikalischen Unterricht berücksichtigte und von hiesigen Firmen reichlich be- schickt wurde. Es war von ihnen, so auch vor Allem Naturwissenschaftliclie Wochenschrift. von der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft in Berlin, keine Mühe gescheut, die Ausstellung recht fruchtbar zu machen. Neben der Ausstellung durch die Firmen und Mechaniker hatte das Dorotheeustädtische Eealgymnasium einen Theil seiner reichen Unterrichtsmittel namentlich in Beziehung zu den Vorlesungen zur Anschauung gebracht. Die Ausstellung gewann noch dadurch besonders an Interesse, dass besondere Besiclitigungszciten unter Füh- rung angesetzt wurden und auch die Vertreter der Firmen das gefällige Entgegenkommen hatten, die einzelnen Apparate zu demonstriren. Um das Zustandekommen der Ausstellung hatte sich auch diesmal Herr Prof. Heyne vom Falk-Reaigymnasium besonders verdient gemacht, der auch einen kurzen Bericht der Redaction zur Ver- fügung gestellt hat (cf. unten). Eiiue grosse Anzahl von Prciscouranten und Schriften, die für den naturwissen- schaftlichen Unterricht von Wichtigkeit sind, „Naturw. Wochenschr." (Potonie), „Naturw. Rundschau" (Sklarek), „Zeitschrift für physikalischen und chemischen Unterricht" (Poske), Unterrichtsblätter (Pielzker, Schwalbe) standen zur Verfügung. Die Vorlesungen fanden zum Theil in dem Dorotheen- städtischen Realgymnasium, z. Tb. in den Instituten statt, deren Vorsteiier oder Docenten dem Feriencursus freund- lichst ihre Mitwirkung gewährten. Der Cursus wurde eröffnet durch Herrn Provinzial- Schulrath Vogel, der in seiner Bewillkommnung kurz die Einrichtung und das Programm des Feriencursus charak- terisirte und den staatlichen und städtischen Behörden den Dank für diese Förderung des naturwissenschaftlichen Unterrichts aussprach. Herr Geh. Ober-Reg.-Rath Meinerts, der begleitet von Herrn Tilmann im Auftrage des Herrn Ministers erschienen war, wies auf die Wichtigkeit der Einrichtung hin. Der Eröifnung schloss sich nach einigen geschäftlichen Mittheilungen die erste Vorlesung des Herrn Oberlehrers Dr. Lüpke an. Folgendes Programm kam zur Durchführung: Vorlesungen. 1. Obei-1. Dr. Lüpke: Geschichte der Gasbeleuchtung bis zur Neuzeit. 2. Prof. Dr. Gabriel: Die neuesten Forschungen über Zu- sammensetzung der Luft. 3. Director Dr. Spies: Wechselstrom und Drehstrom und ihre Verwendung. ' " 4. Dr. Behn: Die Eigenschaften der Körper bei tiefen Tempe- raturen. 5. Dr. Boas: Die verschiedenen Inductionsapparate und ihre historische Entwickelung nebst Versuchen mit Röntgen- strahlen, ausgeführt mit Apparaten der Allgemeinen Elek- tricitäts-Gesellschaft. 6. Dr. Scjiott: Der Verlauf und jiie wicjitigsten geographi- ~ dem sehen Ergebnisse der deutsch Dampfer Valdivia, Prof. Dr. Hertwig: Ueberblick Tiefsee-Expedition auf ' über die ersten funda ntalen Entwickelungsprozesse des thierischen Eies, if. Dr. M u n k : Aus dem Gebiete der Nervenphysiolog Kgl. Bezirksgeologe Dr. H. Po ton Kohlenflötze. Die Entstehung der Schulversuche aus Nautik und ^•hliigenden logie Prof. Dr. B. Schwalbe: Alte und n dem Gebiete der Physik und Chemie Prof. Dr. B. Schwalbe: Berücksiohi Hygiene im Unterricht unter Vorfülin Lehrmittel des Dorotheenstädtischen Prof. Dr. Schwalbe: Berücksichtig Unterricht unter Vorführung der einschlagenden Lehrmitte des Dorotheenstädtischen Realgymnasiums. Besichtigung und Erklärungen. Besichtigung der Ausstellung physikalischer und chemischer Unterrichtsmittel im Dorotheenstädtischen Realgymnasium mit Demonstrationen unter Leitung des Prof. Dr. S c h w a 1 b e . Besichtigung der Apparat- und Maschinenfabrik der All- gemeinen Elektricitäts-Gesellschaft. Besichtigung der Centrale der Berliner Elektricitätswerke am Schiffbauordamm. Besichtigung dns Postmuseums. 5. Besichtigung der Thierarzneischule. 6. Besichtigung des zoologischen Gartens unter Leitung des Prov.-Schulraths Dr. Vogel. 7. Besichtigung des aeronautischen Observatoriums am Tegeler Schiessplatz. Demonstration und Vortrag über die ver- schiedenen aeronauti^hen Apparate von Prof. Dr. Ass- mann. Den Schluss des Cursus bildete eine höchstinteressante Excursion auf den Brocken unter Leitung des Herrn Dr. Potonie, durch welche den Theilnehmern Gelegen- heit geboten wurde, die neue Brockenbahn kennen zu lernen, einen Einblick in den orographischen Bau dieses Theiles des Harzgebirges zu erhalten, ein Rrockenmoor zu besichtigen, und Auskunft über den Harz und einige Natur- merkwürdigkeiteu desselben zu erhalten. Die Excursion nahm die Zeit von Freitag Nachmittag bis Sonntag Vor- mittag in Anspruch. Der Schluss des Cursus erfolgte durch eine Ansprache des Directors Schwalbe auf dem Brocken, in welcher ein Rückblick auf die geleistete Arbeit und ein Ausblick auf die Ziele der Feriencurse im Allgemeinen gegeben wurde. Abgesehen von den directen, durch die Excursionen gebotenen Förderungen haben dieselben auch einen an- deren allgemein fördernden Theil. Es ist natürlich, dass im Gespräche von Seiten der Collegen und Leiter, die mannigfaltigsten Punkte zur Erörterung kamen. Abge- sehen von den rein persönlichen Beziehungen, die wieder in Erinnerung zurückgerufen oder neu angeknüpft werden, bilden naturgemäss die Schnleiurichtungen und der Schul- unterricht den Hauptinhalt für diesen Gedankenaustausch. Wie vielfach noch der Durcliführuug des Experimentes Hindernisse im Wege stehen, wie der rechnerische Unter- richt überwiegt oder das Cabinet nicht immer die noth- wendigsten Apparate enthält, wird hervorgehoben. Die Schwierigkeiten, die in der kleinen Stadt bestehen, durch irgend .Jemand Reparaturen durchführen zu lassen, die Umständlichkeit, welcher Erkundigungen, die man über Apparate einziehen will, unterliegen, der Mangel an Sicherheit betreff der Güte der Apparate, alles dieses und vieles andere wird im Gespräciie mitgetheilt und erörtert. Wünsche werden ausgesprochen, wie der, ein vollständiges Unterrichtsbild über einige Abschnitte der Physik und Chemie zu eihalten, sodass sich Jeder das Bild eines gewissen Normal- oder Musterunterrichts zurechtlegen kann, oder die Behandlung und historische Entwickelung eines besonders wichtigen Apparates (z. B. der Dynamo- maschine) mit allen Einzelursachen kennen zu lernen oder auch, die Bezugsquellen für bestimmte Unterrichtsmittel nachgewiesen zu haben. üeberhaupt ist diese Seite der Feriencurse durchaus nicht zu unterschätzen. Der Verkehr der Collegen der Schulen der verschiedensten Landestheile untereinander einerseits, der mit den Berliner Collegen und den Uni versitäts- docenten andererseits geben für jeden Theilnehmer, Leiter und Docenten eine Fülle von Anregungen, die oft zur Ausgestaltung des Unterrichts im Einzelnen verwendet werden. Wenn im nächsten Jahre ein Ueberblick der natur- wissenschaftlichen Feriencurse nach zehnjährigem Bestehen derselben gegeben wird, ist die Gelegenheit geboten, auf diese und andere Punkte näher einzugehen. Nun mögen die einzelnen Berichte über die Vor- lesungen folgen, die von den Herren Docenten zum grössten Theile selbst gegeben sind. Einige derselben werden auch z. Th. in Buchform ausführlicher veröffentlicht werden. Es ist ein sehr berechtigter Wunsch, die Vorlesungen, welche z. Th. eigene Resultate, Forschungen und neue Versuche enthalten, ausführlich wiedergegeben zu sehen; geben sie doch auch vielfach den Stand unseres Wissens in einzelnen Fragen, der oft nur mühsam aus den ein- XV. Nr. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. zehien Zeitschriften an der Hand der Originalarbeiten er- mittelt werden kann, aber sowohl die Herren Docenten wie der Redakteur des Berichts sind oft so durch ander- weitige Arbeiten in Anspruch genommen, dass schon dadurch ein solcher ausführlicher Bericht undurchführbar wird, dem auch noch andere Schwierigkeiten entgegen- stehen würden. Auch ist es nicht möglich, den Inhalt der Vorträge vorher den Theiluehmern kurz mitzutheilen. Oberlehrer Dr. Lüpke: Geschichte der Gasbeleuch- tung bis zur Neuzeit. Nachdem in der Einleitung auf das allgemeine Interesse, welches das Beleuchtungswcsen mit Recht bietet, hingewiesen ist, werden zunächst die primitivsten künst- lichen Lichtquellen, auf die man bis zur Mitte dieses Jahrhunderts beschränkt war, vom Kienspan an bis zur Moderateuriampe, vorgeführt. Die dann folgenden Be- trachtungen schliessen sich an die Kerzenflamme an. Jede mit Flarameuerscheinung stattfindende Verbrennung setzt das Vorhandensein brennbarer Gase voraus. Letztere werden von der brennenden Kerze durch den Vorgang der trockenen Destillation der Kerzensubstanz während des Verbrennens selbst erzeugt, sammeln sich in dem inneren Raum der Kerzenflamme an und bewirken durch die im äusseren Flammenmantel vor sich gehende Ver- einigung mit dem Sauerstoff der Luft die Lichterscheinung. Indessen eniittiren die glühenden Gase an sich nach dem Kirchhort'schcn Gesetz nur wenig Licht. Dagegen ist die Lichtemission der glühenden festen Körper jenem Gesetz gemäss weit vollkommener, und es liegt den glühenden Kohlenstofftheilchen, die sich in dem mittleren Flammen- niantel nach der Davy-Lewes'schen Theorie durch Zer- setzung der kohlenstoflfreicheren Gase ausscheiden, in hohem Maasse das Vermögen inne, den Liebtäther in sichtbare Schwingungen zn versetzen. Die Flamme eines brennenden Gases ist um so heller, je mehr Kohlenstoff, dem selbstverständlich eine genügende Luftzufuhr ent- sprechen muss, in der Zeiteinheit glüht (Carburirung), und je höher die Temperatur der Flamme ist (Wien'sclies Gesetz). Hierauf werden die industriell durch trockene Destilla- tion gewonnenen Leuchtgase behandelt. Die Braunkohien- theeröle und Erdölrückstände liefern das Oel oder Fett- gas, dessen Fabrikation und Anwendung auseinandergesetzt werden. Besonders ausführlich wird das Steinkohlengas erörtert, und zwar wird der Fabrikationsgang in seinen Einzelheiten unter Berücksichtigung der wesentlichsten Neuerungen erläutert, und ferner wird ein geschichtlicher Ueberblick über die fortschreitende Entwickelung dieses Zweiges der chemischen Industrie bis zur Neuzeit mit Hinzufügung statistischer Daten gegeben. Die Holzgas- industrie (nach Pettenkofer) wird, weil sie auf wenige Orte beschränkt ist, nur kurz angedeutet. Dagegen mehr wird die im Saalegebiet gedeihende Braunkohlenindustrie berücksichtigt, welche, wenn auch kein Leuchtgas, dennoch brauchbare Lichterzeuger in flüssiger und fester Gestalt liefert. Letztere führen dann zur Betrachtung des Erdöls und seiner Destillationsproducte, die denen des Braun- kohlentheers sehr ähnlich sind, obwohl die Entstehung der Erdöllager von den Fettmassen vorweltlicher See- thiere hergeleitet wird. Es werden die bedeutenderen Vorkommen des Erdöls und die Zusammensetzung und Verarbeitung der Rohöle behandelt, ferner werden einige Angaben über die Production und den Consum des Petroleums gemacht, sowie die Mittel angeführt, von denen man bei einer übermässigen Preissteigerung des Petroleums Ersatz erwartet. Auch die Constructionen der Petroleumlampen werden erwähnt. Das nicht leuchtende Wassergas, welches seit meh- reren Jahren in der Union ausgedehnte Anwendung ge- funden hat, weil hier einerseits in den Erdölrückständen reiche Carburirungsmittel zur Verfügung sind, anderer- seits bei Mangel an flammbaren Kohlen grosse Anthracit- lager vorkommen, hat jüngst auch in einigen Staaten Europas festen Fuss gefasst und wird noch mehr an Boden gewinnen, da es eine rationellere Ausnutzung der Kohlen- vorräthe herbeiführt. Seine Gewinnung beruht auf einer durch Wasserdampf in hoher Temperatur bewirkten völligen Vergasung (nicht Entgasung) der Kohlen. Des Näheren wird die Fabrikationsmethode von Strache aus- einandergesetzt, nach welcher Steinkohlen mit Regenerativ- feueruug verwendet werden. Schliesslich wird von den zu Beleuchtungszwecken dienenden Gasen das Acetylen behandelt, welches sich seit der fabrikmässigen Gewinnung des Calciumcarbids vom Jahre 1894 bis jetzt immer mehr Bahn bricht. Um die Schwierigkeiten, die einer schnelleren und allgemeineren Einführung dieses so stark leuchtenden Gases im Wege standen, verständlich zu machen, werden die Eigenschaften desselben näher gekennzeichnet. Insbesondere werden die neuesten Forschungen über die Explosibilität der Acetylen- Luftgemische und des comprimirten Acetylens, sowie der Metallverbindungen dieses Gases zusammenfassend dar- gestellt. Daraus ergeben sich die bei der Gewinnung und Reinigung des Gases zu beobachtenden Maassregeln, so- wie die enger begrenzten Verwendungsgebiete, unter denen die Carburirung des Oelgases besonders zu betonen ist. Die Argandlampen für Gas und Petroleum waren bis zum Ende der 70er Jahre die am meisten gebrauchten Beleuchtungskörper. Da traten die elektrischen Lampen für Bogenlicht und Glühlicht als Concurrenten auf, und zwar mit einem Erfolg, welcher die Existenz des Kohlen- gaslichtes stark bedrohte. Indessen nahm die Gastechnik den Kampf mit der Elektrotechnik auf und führte ihn zu ihrer völligen Befriedigung bisher durch. Zunächst kam ihr das Regenerati v'prinzip von Friedrich Siemens, nach welchem die Temperatur und somit auch die Leuchtkraft der Kohlengasflamme erheblich gesteigert werden konnte, zu statten. Man construirte eine Reihe von Regenerativ- brennern für Gas und Petroleum, welche den durch das elek- trische Bogenlicht gesteigerten Anforderungen in gewissem Maasse genügten. Dann aber erschien im Jahre 1886 als wirksamstes Rettungsmittel der bedrängten Gastechnik das Auer'sche Gasglüblicht, eine wahrhaft grossartige Erfindung, eine von denjenigen, die sich die ganze Welt erobert haben. Dieses Licht ist ein Incandescenzlicht. Als Wärmequelle dient gewöhnlieh die Flamme des Bunsen'schen Brenners. Aus letzterem geht ein inniges Gemisch von Leuchtgas und Luft hervor. Dasselbe wirkt bei der Verbrennung wie ein (durch den Stickstoff der Luft freilieh verdünntes) Gemisch von Kohlenoxyd und Wasserstoff und giebt daher eine nicht leuchtende aber sehr heisse Flamme. Der leuchtende feste Körper des Gasglühlichtes wird nach Auer's Erfindung durch Ver- aschen eines cylindrischen, mit einem bestimmten Gemisch der Nitrate der edlen Erden imprägnirten Baumwoll- gewebes, sogenannten Strumpfes, und Scharfbrennen des Aschenrückstandes mittels comprimirten Leuchtgases her- gestellt. In öconomischer Beziehung übertrifft bekannt- lieh dieses Licht alle bisherigen Lichtquellen, besonders wenn der Strumpf auf einem mit Wassergas gespeisten Argaudbrenner, bei welchem die hindernde Wirkung des Luftstickstoffs ausgeschlossen ist, angebracht wird. Trotz der grossen Vorzüge, die das Auer'sche Licht bereits aufzuweisen hat, geht mau unermüdlich damit um, Ver- Nalurwissenschaftlicbe Woclicii! ♦ ^* ♦ ©oeßeii erfd^ien: ♦ |Um 9ie Erde in Wort nnd IM.\ X fllit 542 3Uu)lrotioiitti. 1044 Otiten, gr. S". X ♦ 2 »äitbc. ©c^cftct 12 mati, clcfiont flcftmiScn l(i 'Mavt. ♦ ^ ^ 3" bcsieljen tiuviQ ade !BudiT)anbIungcn. i^ X ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦»♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦»♦♦♦♦♦♦♦♦ PATENTBUREAU airich R. jVlaerz Jnh.C.Schmidtlein.Jngenieur Berlin NW., Luisenstr.22. (jratis "1 franko liefern wir den 3. Braohtrag- (Juli 1897 bis Juni ISOy) zu unserem Verlagskatalog. Ferd Dümmlers Verlagsbuchh., Ferd. Dämmlers Yerlagsbachhaudliing in Berlin SW. 12. Lehrbuch der Pflanzenpalaeontologie mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse des Geologen. Von H. Potonie, Kgl. Bezirksgeologen, beauftragt mit Vorlesungen über Pflanzenpalaeontologie an der Kgl. Bergakademie zu Berlin. 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Projectionsapparate alle Darstellungen und Zwecke .A-Ai\r /.usaiiinii'iilassende Beschreibung aller meiner optischen Apparate ist in der im Verlag von W. Engelmann in Leipzig erschienenen Schrift: „Die optischen Instrumente der Firma R. Puess, deren Beschreibung, Justirung und An- wendung von C. Leiss" gegeben." U^" Siehe auch das Inserat in vorletzter Nummer. "96 Die Insekten- Börse Internationales Wochenblatt der Entomologie :3lj^Ä ibi i^a ,,;,;.,i,. .; ;;i'ii lind Naturfreunde das hervorra:eudste Blatt, welches wogen der be- lehrenden Artikel, sowie seiner internationalen und grossen Verbreitung betreffs Ankauf, Ver- kauf und Umtausch aller Objecte die weit- gehendsten Erwartungen erfüllt, wie ein Probe-Abonnementlehren dürfte. Zubeziehen durch die Post. Abonnements - Preis pro Quartal Mark 1.50, für das Ausland per Kreuzband durch die Verlags -Buchhandlung Frankenstein & Wagner, Leipzig, Salomon- strasse 14, pro Quartal Mark 2.20 = 2 Shilling 2 Pence = 2 Fr. 75 Cent. — Probenummem^ gratis und franco. — Insertionspreis pro 4gespaltene BorgiszeUe Mark — .10. Ferd. Diininilers Verlagsbuchhandlung in Hfrlin SAY. 1'2, Qöätft avi^Xntüe — vovnt\\m aptHottttc gMBnt>rd)rift! Irilj J!o!|flf«ii!!. ^Ijfntnicr Etncs tinitrflifn ,. ,. j-:„s«..l.rt..rt gttliffsinnBfn in giautldioii. V"«! inlOrilDfrg. Plit 4 feinen farlicnbilbcvn nad| ^qnnrrUcn »Oll Jliilli) Ittcvncr iinb 111 atlMltuiiae» im Scjct •iWl luiiiii luoi; t!)r:lnu. — yrfis tfffl. flf6. 4 ^(i. 1011 .itlcinl f,al. (Ein licmiirtic TiitflcOuilfl Olckl)^ - ajEftrineaml lidjciiSaiib (Ämüdcn |P{ Jii brjifiii:!! üurd) allf giiitiliniiMiinGtn. Verantwori lieber Redacteur: Di-. Henry Potonie, Gr. Licbterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 3,"), für ib'U Inseratentbeil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. _ Redaktion: ? Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düjimlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. »Sonntag, den 14. Januar 1900. Nr. Abonnement : Man abonnirt bei allen liuchhanaiungen und Post- anatalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist JC 4.— BrinKegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Aufträge eul- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdvnck ist nnr mit vollständi^ei* Qnellenan8;abe gestattet. Der neunte naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen, abgehalten in Berlin vom 4. October bis 14. October 1899. Bericht auf Grund der eiugegiinffenen Beiträge sowie eigener Aufzeichnungen von Prof. Dr. B. Schwalbe. (Fortsetzung.) S. Gabriel: Neueste Uiitersuchung über die Zusainmeusetzung- der Atmosphäre. Der Vortragende giebt eine gedrängte Uebersicht über die Resultate, welche von Lord Eayleigh und Prof. W. Ramsay bezw. von letzterem in Gemeinschaft mit Dr. Travers und Dr. Collie bezüglich der bis vor Kurzem unbekannten Elemente der Atmosphäre erhalten worden sind. Zunächst wird die Befreiung des am besten unter- suchten Elements Argon vom beigemischten Stickstoff durch elektrische Verbrennung („Funken") mit Sauerstoff sowie durch Absorption mit Magnesium resp. Magnesium- Kalk an Hand von Photogrammen der betreffenden Apparate demonstrirt; es werden die wichtigsten Eigen- schaften des Elements erwähnt und die physikalischen Constanten zugleich mit denen der übrigen Begleiter des atmosphärischen Stickstoffs tabellarisch vorgeführt. Hieran knüpft sich eine kurze Schilderung des He- liums, seiner verschiedenen Vorkommen (Sonne, Fix- sterne, Mineralien, Quellen, Luft), sowie der Diifusions- versuche Ramsay 's, durch welche die Einheithchkeit dieses nächst dem Wasserstoff leichtesten Elements er- wiesen ist. Die jüngsten Untersuchungen betreffen die fractionirte Destillation des durch starke Kühlung condensirten rohen Argons (bezw. der flüssigen Luft); aus dem Condensat hat sich das Metargon (welches nahezu die gleiche Atomgrösse wie Argon besitzt) als feste Substanz aus- geschieden, während beim Verdunsten des verflüssigten Autheils Helium Neon, Argon, Krypton, Xenon der Reihe nach mehr oder minder rein gewonnen werden. Um Neon, welches nächst Argon und Helium am meisten bearbeitet ist, von den letztgenannten Elementen VAX befreien, wird das Gemisch dieser 3 Gase mit flüssigem Sauerstoff bei möglichster Abkühlung behandelt, so dass wesentlich Helium uncondensirt hinterbleibt, während die mittlere Fraction gereinigtes Neon darstellt; letzteres wird weiter gereinigt. Die Stickstoft'begleiter reihen sich wie folgt in das periodische System ein: VII. Gruppe I. Gruppe (H 1) Helium 4 F 19 Neon 20 N 35,5 Argon 40 Br 80 Krypton 81,6 J 127 Xenon 128 Diese den neuen Luftelementen zugewiesene Stellung zwischen denen der VII. und denen der L Gruppe harmonirt, wenn man von der kleinen Anomalie beim Argon (welches seiner Atomgrösse nach eigentlich nicht vor, sondern hinter das Kalium gehört), absieht, durchaus mit den numerischen Werthen; aber sie ist auch noch in anderen Beziehungen ein sehr zweckmässiger Ausdruck der Thatsachen: einerseits nämlich stehen die neuen Elemente, die ja sämmtlich durch chemische Indifferenz und Einatomigkeit zusammengehören, zu einer Classe zu- sammen, andererseits findet ihre Indifferenz darin einen Ausdruck, dass sie die Mitte zwischen den stark elektro- negativen Halogenen und den stark elektropositiven Alkali- metallen einnehmen. Gabriel. Li 7 Na 23 K 39 Rh 85 Cs 133 Naturwissenscliaftliclie Wochenschrift. XV. Nr. Dr. U. Beim: Eigeuschaften der Körper bei tiefen Temperaturen. Der Hauptsache nach wurden dieselben Experimente, wie vor anderthalb Jahren*) vorgeführt. Inzwischen ist ein weiteres Vordringen gegen den absoluten Nullpunkt hin zu verzeichnen. Schon im Mai 1898 war es De war gelungen, Wasserstoff in grösseren Mengen /ai verflüssigen. Die Fortsetzung der Unter- suchung hat nun zunächst gezeigt, dass eine nicht un- erhebliche Correctur der bisherigen Temperaturangaben über Siedepunkt etc. des Wasserstoifs erforderlich war: Bei Gelcgenlieit eines Versuchs, die Temperatur des unter reducirtem Drucke siedenden Wasserstoffs zu bestimmen, bemerkte Dewar, dass das Platinthermometer**) bei sinkendem Druck — womit natürlich ein Sinken der Siedetemperatur verbunden sein musste — kein merk- liches Abnehmen des Widerstandes mehr zeigte. Danach war also das Platinthermometer bei diesen Temperaturen nicht mehr brauchbar. Ebenso versagten Widerstands- thermometcr aus Legirungeu, und Thermoelemente. Erst als Dewar ein Gasthermometer***), das mit Wasserstoff von geringem Drucke gefüllt war, verwandte, erhielt er bessere Resultate. Danach ist die kritische Temperatur des Wasserstoffs — 242°, die normale Siedetemperatur — 252°, die Schmelz- temperatur — 256° t). Wasserstoff erstarrt bei dieser Temperatur unter 55 mm Druck zu einer glasigen Masse. Luft gefriert schon erheblich oberhalb der normalen Siedetemperatur des Wasserstoffes. Ihr Dampfdruck bei — 252° ist nur noch ein äusserst geringer, wie folgender Versuch zeigt: Dewar tauchte ein an beiden Enden ge- schlossenes Glasrohr, dessen Wände zunächst sorgfältig von Grasen befreit und das dann mit reiner trockner Luft tt) von Atmosphärendruck gefüllt war mit dem einen Ende in flüssigen Wasserstoff. Dann coudensirte sich die in der Röhre enthaltene Luft in dem eingetauchten Theil bis auf einen Rest nach Maassgabe des Dampf- drucks, den das Lufteis bei dieser Temperatur besitzt. Dieser Rest erwies sich nun, nachdem der obere Theil der Röhre abgeschmolzen war, als so gering, dass es zunächst nicht möglich war, electrische Entladungen durch denselben zu schicken; der Druck war danach auf weniger als ein Milliontel Atm. zu schätzen. Durch ein Experiment, das nach Analogie des be- schriebenen angestellt wurde, zeigte der Vortragende, dass die Dampfspannung der Kohlensäure bei der Temperatur der flüssigen Luft nur noch eine sehr geringe ist. Ein beiderseits geschlossenes, mit Kohlensäure ge- fülltes Rohr wurde mit dem einen Ende in flüssige Luft getaucht. Schon nach einer halben Minute bringt der Sccundärstrom eines kleinen Inductoriums die Röhre zum Leuchten. Der Druck im Rohr nimmt weiter ab, und nach kurzer Zeit zeigt die Entladung die bekannten Schichten. Ein quantitativer Schluss auf den Druck der Kohlen- säure bei der Temperatur der siedenden Luft ist aber bei diesem Versuch nur dann zulässig, wenn die Glas- wände vor der Füllung äusserst sorgfältig von Gasen befreit worden sind. Behn. 1 .■f. X:iturw. Wochenschr. XIII. p. 374, 1898. ) l'.li'ktii-rhei- Widerstand, gebildet durch einen äusserst ■* ) Der (Irund dafür, dass man nicht von vornherein mit dem Wasserstofl'theruiometer gemessen hatte, ist wohl darin zu suchen, dass zuerst nur wenige com flüssigen Wasserstoffs hergestellt werden konnten. Aus Versuchen von Olszewski ist bekannt, dass man ein Gasthermometer recht gut bei Siedetemperatur desselben Gases verwenden kann, wenn der Druck im Thermometer nur hinreichend gering ist. t) C. R. CXXIX, p. 4.54, 1899. ti-) Oder auch Stickstoff oder Sauerstoff. Herr Dr. Boas gab im besonderen Vortrage einen Ueberblick über die verschiedenen Induktions- apparate mit historischen Rückblicken und ihre Ver- wendung für Röntgenstrahlen und Röntgenröhren. Es wurden mit den Apparaten der allgemeinen Elektricitäts- Gesellschaft die Versuche durchgeführt. Die Apparate functionirten vorzüglich; auch wurden zwei Photographien aufgenommen (Hand und Brustkorb); Abzüge davon wurden den Mitgliedern zugesandt, die überdies eine grosse An- zahl von typographischen Darstellungen (Preislisten, An- sichten etc.) der Greselischaft erhielten. Hierfür wie für die sachkundige Führung durch die Apparaten- und Maschinenfabrik ist der Ferienkursus der Gesellschaft und ihren Beauftragten dankbar verpflichtet. Dr. P. Spies: Ueber Wechselstrom und Drehstrom. Die Versuche, welche aus Mangel an Zeit nur zum Theil ausgeführt werden konnten, sind an dieser Stelle (Naturw. Wochenschrift 1898, Seite 376 u. ff'.) und aus- führlicher auch in der Zeitschrift für den physikalischen und chemischen Unterricht (1898, Seite 273 u. ff.) bereits beschrieben worden. Von neuereu Versuchen wurden vornehmlich solche mit der Braun'schen Rüiirc gezeigt. Eine durch einen Motor in schneüe Drehung versetzte Influenzmaschine liefert hochgespannten Strom, welcher in einem Kathodenstrahlröhre einen Lichtpunkt auf einem der Kathode in grosser Entfernung gegenüberstehenden Leuchtschirm erzeugt. Die Maschine muss so ergiebig sein, dass es einer ziemlich schnellen Rotation des Dreli- spiegels bedarf, um dieses Leuchten intermittirend er- scheinen zu lassen. Das Kathodenstrahlbündel wurde nun abgelenkt: a) mit einem Stahlmagneten, b) mit einer vom Wechselstrom durchlassenen Drahtrolle. Die auf dem Leuchtschirm ent- stehende gerade Lichtlinie wird durch den Drehspiegel in eine Sinuslinie auseinander- gezogen, c) mit Hülfe von zwei senkrecht zu einander ge- stellten Drahtrollen, welche von Strom gleicher Phase durchflössen wurden (schräge gerade Linie) oder von Strom verschiedener Phase (Ellipse), d) auf elekrostatischem Wege mittels zweier Stanniolstrcifen, die mit den Polen eines Wechsel- stromtransformators in Verbindung standen, e) gleichzeitig durch elektrostatische und elektro- magnetische Kräfte. Spies. Die Herren Prof. Mnnk und Hertwig haben nach- stehenden Dispositionsbericht über ihre Vorträge ge- geben. Der Vortrag von Herrn Prof. Hertwig ist dann in weiterer Ausführung von Hrn. Landsberg bearbeitet worden. Nach einer einleitenden Besprechung der Vorgänge in den peripherischen Nerven wurden in Anlehnung an den Bau des Rückenmarks die Reflexbewegungen be- trachtet und die im Centralnervensystcm unterhalb des Grosshirns befindlichen Mechanismen behandelt, welche auf äussere Einwirkungen ohne .jede Mitwirkung einer Empfindung oder des Bewusstseins zweckmässige Be- wegungen zum Schutze und zur p]rhaltung des Thieres folgen lassen : Bewegungen der mannigfachsten und oft durch die Bethciiigung vieler Körpertheile verwickeltsteu Naliirwisseiiscliaftliclu" W(iclicnschri(t. Art, gerade wie sie das uorraale Thier zeigt. Sodann wurde dargetiian, wie die Bewnsstseinsvorgänge an das Grossliirn gebunden sind, und zwar die Empfindungen, Waln-nehmungen und Vorstellungen der verscliiedenen Sinne an verschiedene Absclinitte der Grossbirnrinde. Endlicli werden zum Erweise, wie iiberall im Nerven- system für zweckmässige Leistungen vorgesorgt ist, die feinen Regulationen erörtert, welche der dem Bewusstsein entzogene Blutumlauf entsprechend den jederzeitigen Be- dürfnissen des Thieres und seiner verschiedenen Organe erfährt. Munk. In seinem „üeberblick über die ersten fundamentalen Entwickelungsproccsse des thierischen Eies" ging der Vortragende mit einigen einleitenden Worten auf die Geschichte der Theorien der Pracforniation imd Epigenesis ein, knüpfte hieran eine kurze Betrachtung über die Eigenschaften der Ei- und Samenzelle und gab dann eine eingehendere Darstellung von den Erscheinungen des Befruchtungsproeesses, wie er sich namentlich an den p]iern wirbelloser Tliiere (Echinodermen , Pferdespul- wurm etc.) gut beobachten lässt. Der zweite Vortrag handelte von der Theilung der Eizelle, wobei namentlich der complicirte Vorgang der Kernsegmentirung genauer beschrieben wurde, ferner von der Entstehung dir Keimblasc und Gastrula, sowie von der Keimblättertheorie. Vortragender nahm hierbei Gelegenheit, eine grössere Anzahl von l'hotogrammen, betreffend die erste Entwickelung des Ascaris-Eies sowie den Furchungsprocess, die Bildung der Keimblase und Gastrula von Amphioxus, an die Wandtafel zu projiciren. In einem dritten Vortrag endlich wurde noch ein üeberblick über die wichtigsten Entwickelungsprocesse gegeben, durch welche sich aus den vier Keimblättern die Organe und Gewebe des thierischen Körpers hervor- bilden. Zuerst wurde das „Princip der Faltenbildung" besprochen und an zahlreichen Beispielen erläutert. Hierauf wurde auf das Princip der „histologischen Differenzirung und Arbcitstheilung" näher eingegangen. Zum Schluss wurde noch eine Demonstration zahlreicher mikroskopischer Präparate von der Entwicklung des Frosches und Hühnchens im Mikroskopirsaal des ana- tomisch-biologischen. Instituts veranstaltet. 0. Hertwig. Geheimer Medicinalrath Prof. Dr. 0. Hertwig: üeberblick über die ersten fundamentalen Ent- wickelungsprocesse des thierischen Eies. Zu den grossen Erfolgen unseres Jahrhunderts ge- hört zweifellos auch die Beantwortung jener uralten Frage nach der Entstehung, nach der „Entwickelung" des Menschen und der Thiere. Während des ganzen 17. und 18. Jahrhunderts herrschte die sogenannte Evolutionstheorie, welche lehrte, die thierischen Keime, und zwar (nach Ansicht der sogenannten Animalkulisten) insonderheit die 1677 von Hamm, einem Schüler Leeuwen- hoek's, entdeckten Samenfäden, seien Miniaturbilder der Eltern.; in ihnen seien alle Organe schon vorgebildet, allerdings ungemein klein und daher unsichtbar. Caspar Friedrich Wollf's 1759 aufgestellte Theorie der Epi- genese, der Keim sei eine unorganisirte Substanz, be- gabt mit der wunderbaren Eigenschaft, im Laufe der Entwickelung sich zu organisiren, drang nicht durch; sie konnte erst zur Herrschaft gelangen, nachdem sie in der Zellenlehre und in den Methoden mikroskopischer Forschung ihre sichere Grundlage gefunden hatte. So blieb es denn K. E. v. Bär vorbehalten, in seinem klassischen Werke „Die Entwickelung des Hühnchens" 1832 die Entwickelungsgeschichte als eine selbstständige Disciplin zu begründen. Das Ei ist danach nichts anderes als eine einzelne Zelle. Der Dotter entspricht dem Protoplasma der- selben, das allerdings durch reichliche Einlagerung von nur der Ernährung, nicht dem Aufbau dienenden Stoffen — dem Deutoplasma — abgeändert ist; das Keim- 1) laschen dem Kern, in dem die für alle Entwickelungs- Vorgänge äusserst wichtige Nuklein- oder Chromatin- suljstanz enthalten ist; die Dotter haut der Zell- membran. — Die Eier müssen, bevor sie befruchtet werden, einen Reifeprocess durchmachen, der in einer Umwandlung des Kerns und im Ansstossen sogenannter Polzellen oder Richtungskörper, die auch Kern- elemente enthalten, besteht. Erst durch diese Vorgänge wird der Kern der unreifen Eizelle zum richtigen Eikern und nunmehr ist das Ei zur Befruchtung mit den aus den Hoden stammenden Samenfäden geeignet. Letztere sind ebenfalls vollständige Zellen, meistens ungemein klein und von wurmförmiger Gestalt. Ihr Kopf ent- spricht dem Zellkern, der Schwanz, an dem man ein kräftiges Mittel- und ein dünnes, schlängelndes End- stück unterscheidet, dem Protoplasma. Schon Spallanzani, dessen 100 jähriger Todestag in diesem Jahre gefeiert wird, hatte künstliche Befruchtung ausgeführt, aber erst 0. Hertwig gelang es 1877 in Corsica, an dem äusserst günstigen Material von Echino- dermeneiern die im Innern des Eies sich abspielenden Befruehtungsvorgänge zu entdecken. Nur von einem einzigen unter all den zahllosen das Ei umschwärmenden Samenfäden wird normaler Weise die Befruchtung aus- gefiilirt; gegen eine Ueberbefruchtung durch mehrere schützt sich das Ei, indem es durch Ausbildung der Dotterhaut den nachkommenden Samenfäden den Zugang versperrt. Dem mit dem Kopfe voran an das Ei tretenden Samenfaden wölbt sieh von der Dotteroberfläche her der Empfängnisshttgel entgegen, und, sowie der männ- liche Kern eingedrungen ist, reagirt das weibliche Plasma durch stfahlige Anordnung. Die ursprünglich stark' ver- dichtete Nukleinsubstanz des männlichen Kerns bläht sich durch Flüssigkeitsaufnahme auf; Eikern und Samenkern ziehen sich an, nähern sich und verschmelzen schliesslich mit einander, wobei sich die Strahlenfigur des Protoplasmas auf den ganzen Eiinhalt ausdehnt. Während dieses Vor- gangs finden eigenthümliche Umgestaltungen in den Kernen statt: Die nicht färbbare Substanz wandelt sich zu spindelförmig angeordneten, von zwei Centren, den Cen- trosomen, ausstrahlenden Fäden um, während das Nuklein sich zu eigenartig geformten und regelmässig an den Fäden vertheilten Chromosomen umbildet. In dergesetzmässigen VerschmelzTing der Chromosomen des Ei- und Sperma- kerns hat man ein Hauptmoment des ganzen Befruchtungs- actes zu sehen. In dem ans der Vereinigung beider Kerne hervorgegangenen Bläschenkern ordnet sich das Nuklein netzförmig an, so dass nun männliche und weib- liche Chromosomen nicht mehr zu erkennen sind. Be- sonders auch van Beneden hat über diese karyo kineti- schen Processe an Eiern von Ascaris megalocephala Untersuchungen angestellt. Erst nach der Befruchtung gewinnt das Ei die Fähigkeit, sich zu theilen und weiter zu entwickeln; nicht befruchtete Eier dagegen sterben ab. — Aehnliche Vorgänge spielen sich bei der Ent- wickelung der Pflanzen und bei der Conjugation der Grega- rinen u. s. w. ab. Die Erkenntniss dieser Erscheinungen gab Nägeli Veranlassung zur Aufstellung der Idioplasmatbeorie: Die Anlage zu einer ganz bestimmten Entwickelung, die 16 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr Vererbung also der elterlichen Eigenschaften auf die Kinder, liege, so lehrte er, nur in gewissen Elementen der Ei- un J Samenzellen, in dem sogenannten Idioplasma derselben (der Erbmasse oder Anlagesubstanz) begründet, die nach Hertwig wohl identisch ist mit dem Chromatin. Während die Samenfäden beinahe ausschliesslich aus Idioplasma bestehen, enthalten die Eizellen daneben noch grosse Mengen von Nährplasma. Eine wichtige Stütze erhielt die Idioplasmatheorie durch die seit 25 Jahren ungefähr bekannte und häufig bestätigte Thatsache, dass karyokinetische Vorgänge, wie sie bei der Befruchtung sich abspielen, auch die Einleitung einer jeden Zell- theilung bilden. Hiernach kann man annehmen, dass molekulare Elemente des männlichen und weiblichen Idioplasmas in alle Zellen übergehen, die durch Theilung aus der Eizelle entstehen. Durch Theilung der Eizelle bilden sich erst zwei, dann vier, acht u. s. w. Theilzellen, schliesslich eine maul- beerartig aus vielen Zellen zusammengesetzte Kugel, die ßlastula, deren Inneres von der durch Auseinander- weichen der Zellen gebildeten und mit Flüssigkeit an- gefüllten Furchungshöhle eingenommen wird. Durch Einstülpung bildet sich aus der Blastula die becherförmige Gastrula, deren Oeffnung, derUrmund, in eine Höhlung, den Urdarm, führt, der von zwei Zellschichten, den beiden primären Keimblättern, umschlossen wird. Die Keimblätter nannte K. E. v. Bär die Fundamental- organe des Embryos; aus ihnen entstehen sämmtliche Organe des erwachsenen Thieres, in einer Weise übrigens, die für die meisten Organe aller Thiere gleichmässig festgestellt ist. Die Mittel, die die Natur bei der Organbildung an- wendet, sind lediglich ungleichmässiges Wachsthum und Arbeitstheilung, welch letztere sich naturgemäss mit histologischer Differenzirung verknüpft. So geht z. R. die Bildung der Leibeshöhle bei Sagitta so vor sich, dass sich durch Wucherung des Innenblattes der Gastrula, dem ürmund gegenüber, zwei Darmfalten erheben, durch die drei Räume des ürdarms von einander gesondert werden, deren innerster zum Darm, deren beide seitliche zur Leibeshöhle werden. — In ähnlicher Weise ergiebt eine Wucherung des äusseren Keimblattes längs der Rücken- linie eines Wirbelthierembryos zunächst die Nerven- platte, die sich dann weiter durch Emporwulstung der Ränder zu einer Nervenrinne und schliesslich zu einem Nervenrohr umgestaltet. — Wie das Nervensystem, so entstehen auch alle Sinnesorgane aus dem äusseren Keimblatt, so z. B. das häutige Labyrinth des Gehör- organs durch Wucherung des Zellmaterials in einem kleinen Bezirk der hinteren Kopfgegend, wobei erst ein Gebörgrübcheu, dann — durch Abschluss von der äusseren Haut — ein Gehörbläschen entsteht, das nun seinerseits durch Ausstülpungen zu dem verwickelten Bau des Laby- rinths sich ausgestaltet. — Durch Bildung von Wucherungs- centren entstehen ebenfalls die Einstülpungen sowohl an der äusseren, als auch an der Darmhaut, die sich dann ÄU den mannigfach gestalteten Drüsen ausbilden. Die Zellen sind Elementarorganismen, jede übt ur- sprünglich sämmtliche Lebensfunktionen aus; dadurch aber, dass sie in den Dienst eines bestimmten Organs einbezogen werden, erhalten sie eine einseitige Aus- bildung. Es entstehen so Reiz-, Bewegungs-, Drüsen-, Stützzellen u. s. w., die entsprechend verschiedenen Funktionen sich ganz verschieden ausgestalten. So werden ganz verschiedenartige Epithelien aufgebaut, und diese histologische Diiferenzirung ist das zweite wichtige Mittel der Organbildung. Eine so hohe Entwickelung, wie sie die Embryologie in verhältnissmässig so kurzer Zeit erfahren hat, wäre natürlich unmöglich gewesen ohne hoch entwickelte Forschungsmethoden. Vorzügliche Mikroskope, Reagentien, die das Erhärten zarter, weicher Substanzen und das differenzirte Färben durchsichtiger (oder durchsichtig ge- machter) gestatten, Mikrotome endlich, die einen winzigen Körper in eine Unmenge feinster Schnitte zerlegen, sind das Rüstzeug des modernen Enibryologen. Mit Erfolg hat man sich aber auch schon der experimentellen Beob- achtung zur Entscheidung strittiger Fragen zugewendet. So wurde darüber debattirt, ob jede Theilzelle eines Eies volles Idioplasma enthalte oder nur differenzirtes, d. h. also ob etwa die beiden vorderen Zellen eines 4 getheilten Eies nur den Kopf, die beiden hinteren nur den Schwanz des Thieres bilden können : Das an Amphioxus-, später auch an Tritoularven angestellte Experiment hat ergeben, dass jede der vier Theilzellen eines 4 getheilten Eies volles Idio- plasma besitzt, sich also zu einer Volllarve auswachsen kann. Besichtigung einer grossen Menge von frischem und präparirtem Beobachtungsmaterial gewährte nach jedem Einzelvortrage klaren Einblick in die wichtigsten Stadien thierischer Entwickelung; Besichtigung der Sammlungs- und Arbeitssäle am Schluss der Vorträge einen vortreff- lichen üeberblick über die Forschungsmethoden und Forschungsresultate. B. Landsberg (AUeustein). Dr. Schott: Der Verlauf und die wichtigsten geo- graphischen Ergebnisse der Deutschen Tiefsee- Expedition. Verlauf der Expedition. — Nach einem Hinweis auf die früheren Tiefsee-Expeditionen gab der Vortragende eine Beschreibung des Reiseweges der „Valdivia", unter Einfügung allgemein geographischer Betrachtungen über die besuchten Länder und Meeresgebiete; so wurden be- sonders besprochen die Canarischen Inseln, die klima- tischen und Vegetationsverhältnisse der Westküste Afrikas von Kamerun bis nach Deutsch-Südwestafrika, Kerguelen, die Hochlande von Sumatra in ihrem Gegensatze zu den entsprechenden Theilen Ceylons, die Korallen- und die hohen Inseln des tropischen Indischen Oceans, insonder- heit einige floristische und faunistische Eigenheiten der Seychellen- Gruppe. Was die untersuchten Meeresgebiete betrifft, so wurde des Näheren eingegangen auf die sub- marinen Bänke in dem zwischen den Azoren, Canaren und Gibraltar gelegenen Meerestheile, auf die Staubfälle in der Nähe der Cap Verdeschen Inseln und der afrikanischen Küste nördlich von Cap Verde, auf die Wind- und Ström- verhältnisse des tropischen atlanti.ichen Oceans und die davon wesentlich abweichenden, entsprechenden Zustände des tropischen Indischen Oceans, auf die Oceanographie der Gewässer am Cap der Guten Hott'nung und südlich davon bis zur Eisgrenze hin. Da sämmtlichen Mitgliedern des Feriencursus am 12. October je ein Exemplar der amtlichen Expeditions- berichte überreicht werden konnte, erscheint es nicht nothwendig, hier den Reiseweg der „Valdivia" selbst wieder anzugeben. Die wichtigsten geographischen Ergebnisse der Expedition werden in 2 Abschnitten besprochen, und zwar 1. die Arbeiten auf dem Specialgebiete der Oceanographie. Es waren hierfür einige auf der „Valdivia" benutzte usd praktisch erprobte Tiefsee- instrumente ausgestellt, nämlich Tiefseelothe mit den hinzugehörigen Schlammröhren und Sinkgewichten, Proben von Lothdraht, Tiefseethermometer von zweierlei Con- struction und drei verschiedene Systeme von Wasser- schöpfern. Behandelt wurden die Technik der Tiefseelothungen und die Ergebnisse der Tiefenmessungen der „Valdivia", XV. Ni Natm-wissenseliat'tliclio Woeliensclirift. Icrner die wiebtigsten Ergebnisse der vertikalen Tempe- raturreihen der Expedition, wobei besonders die im In- dischen Ocean starli auftretende Sprungscliicht, welche das erwärmte Obertiächenwasser von dem kalten Tiefen- wasser trennt, und die Wärmeschichtung an der Eiskante Beachtung fand; ausserdem skizzirte der Vortragende die von der „Valdivia" im hohen Süden angetroftenen Eis- verhältnisse und beschrieb die schon in ihrer äusseren Erscheinung ganz verschiedenen Arten des Eises, das Treibeis, das Packeis und die Eisberge, sowie deren geo- graphische Vertheilung auf den von der „Vaklivia" ab- gesegelten Längen. Nach kurzer Erwähnung der übrigen physikalischen Arbeiten, die sich besonders auf Bestim- mungen des specifischen Gewichtes der Farbe, Durch- sichtigkeit und der Strömungen des Meerwassers bezogen, wurde noch eingegangen auf 2. die meteorologischen Beobachtungen. Ausser der gewöhnlichen Ausrüstung hatte die Ex- pedition noch an Bord 1 Barograph, 1 Thermograph, 1 Hygrograph; Regenmesser, Isolationsthermometer und ein Assmann'sches Aspirationspsychrometer wurden auch iiäutig benutzt. Die Resultate der fortlaufend, Tag und Nacht alle 4 Stunden angestellten Messungen lassen sich jetzt noch nicht im Entfernten übersehen. Redner be- sprach zum Schlüsse die auffallenden Witterungsverhält- nisse, welche die Expedition südlich von der Zone der „braven Westwinde", d. h. zwischen 5.') und 65° s. Br. angetroffen hat und welche in vieler Beziehung neu oder überraschend waren; er wies darauf hin, dass hier fast nur östliche und nördliche Winde von meist ganz geringer Stärke und von Nebel, Schneefall und ruhiger See be- gleitet, beobachtet worden sind, bei einem Barometer- stand, der nicht etwa höher war als in dem stürmischen Westwindgebiet, sondern vielmehr mit Zunahme der geo- graphischen Breite immer mehr abnahm, was darauf sebliessen ' lä«»ti dass die Gegend einer über einem et- waigen Südpolarcontinent lagernden Anticyclone noch weit entfernt gewesen sein muss. Sowohl am 11. wie am 12. October wurden Licht- bilder, bezw. Photographien zur näheren Erläuterung des Vortrages gezeigt. Schott. Prof. Assinami: Abtheilungsvorsteher im Königl. Meteorologischen Institut, führte auf dem Gelände des im Bau begritfenen Aeronautischen Observatoriums des Kgl. Meteorologischen Instituts am Tegeler Sehiessplatz die für den Dienst zur Erforschung der höheren Luftschichten geplanten Vorrichtungen vor, wobei er, durch Demonstrationen imterstUtzt, Folgendes ausführte. Seitdem man in Folge von verbesserter Construction der Hauptinstrumente, besonders durch die Erfindung des 7^spirationspsychrometers,und dessen Anwendung bei Ballon- fahrten gesehen hatte, dass die bisher als einwurfsfrei gelten- den Resultate von Welsh und Glaisher mit grossen Fehlern beiiaftet sind, hat man das wichtige Problem der Erforschung der höheren Atmosphärenschichten von neuem aufgenommen, zuerst und in intensivster Weise in Berlin, unterstützt durch grosse Geldmittel, die der Kaiser aus dem Dis- positionsfonds gewährte. Nachdem in 75 wissenschaft- lichen Luftfahrten, unter denen die höchste bis j'etzt aus- geführte bis zu 9150 m, und freifliegende unbemannte Registrirballons, mit denen 20 000 m erreicht wurden, „Stichproben" von grossem Werthe gewonnen waren, richtete das Kgl. Meteorologische Institut einen dauernden Dienst für die zusammenhängende Forschung ein. Au dem Aeronautischen Observatorium sollen mit Drachen und Dracheuballous fortlaufende, soweit als irgend thun- lieh über Tag und Nacht fortgesetzte Registriruugcn in Höhen von 3—5000 m während des ganzen Jahres aus- geführt werden. Die Apparate, die den Luftdruck, die Temperatur, Feuchtigkeit und Windgeschwindigkeit aufzeichnen, werden an einen Drachenballon nach der Construction von von Siegsfeld und von Parseval gehängt und dieser an einem Claviersaitendraht von 1,1 — 1,3 mm Stärke und 2 — 300 kg Bruchfestigkeit in die Höhe ge- lassen. Ein solcher Ballon von 37 cbm Inhalt trägt mit Wasserstofffüllung noch etwa 1500 m Draht in die Höhe; geht sein Auftrieb zu Ende, so wird, wenn der Wind kräftig genug ist, ein Drachen Hargrave'scher Con- struction mit 2 — 3 qm Fläche an den Draht gebunden; dieser trägt etwa weitere 500 m Draht; ein zweiter, dritter u. s. w. Drachen trägt abermals entsprechende Kabellängen, sodass der oben stehende Drachenballon 4000 m Höhe und mehr erreichen kann. Aber auch mit Drachen allein kann man bei entsprechender Windstärke Höhen von gleichem Betrage erreichen, wie dies vor kurzem bei Paris bis zu 4300 m geglückt ist. Trifft man Vorsorge für einen steten Wechsel der nicht mehr tragen- den mit neu gefüllten Ballons, so kann man zusammen- hängende Registrirungen erhalten. Durch elektrisch be- triebene Kabelwinden wird das Auflassen und Einholen der Apparate bewirkt. So kann man, wie auf einem Berggipfel, zusammenhängende Beobachtungen aus der „freien Atmosphäre" erhalten und die atmosphärischen Vorgänge sowie die Entwickelung des einen aus dem anderen zur Darstellung bringen. Dies dürfte als ein neuer und ausserordentlich wichtiger Forschungsweg der Meteorologie erhebliche Förderung verleihen. Assraann. Prof^ Dr^ B. Schwalbe: Alte und neue Schul- experimcnte. Da mehrere Herreu verhindert waren, ihre für den Feriencursus in Aussicht genommenen Vorlesungen zu halten, war Zeit vorhanden, das Methodische bei den Vor- lesungen mehr zu berücksichtigen als ursprünglich im Plane lag; zugleich um einem dahin gehenden verschiedentlich ausgesprochenen Wunsche zu entsprechen, wurden in der Doppelvorlesung Gruppen, von Experimenten aus ver- schiedenen Gebieten, von methodischen Bemerkungen und Hinweisen begleitet, vorgeführt. Dem Wunsche zu ent- sprechen, ein Bild zu erhalten über den Unterricht in einem ganz bestimmten, abgeschlossenen Gebiete der Physik oder Chemie gestattete dennoch die verfügbare Zeit nicht. Es wäre für die Theilnehmer des Cursus wohl von Interesse, zu hören und zu sehen, wie z. B. die Akustik im Unterricht durchgeführt wird und die besten und einfachsten Apparate danach grnppirt kennen zu lernen, also den Unterricht des Semesters ohne Schüler in wenigen Vorlesungen dargestellt. In der Chemie würde sich besonders die Verbrennung für ein solches Bild eignen, aber auch einzelne Elemente, wie Chlor, Jod etc. liefern geeignete Stoffe, ebenso wie all- gemeinere Prozesse und Methoden, z. B. die Elektrolyse im chemischen Unterricht, oder Metallurgie im Unterricht, die Thermochemie, wobei selbstverständlicli geeignete Schulexperimente zur Vorführung kommen würden. Die wissenschaftlichen Fortschritte auf diesen und anderen Gebieten haben indessen öfter die Theilnehmer an den Feriencursen kennen gelernt. Aus den diesmaligen Versuchen mögen nur folgende genannt werden. Aus dem Gebiete der Elektricität kamen zur Be- sprechung die von Müller-Uri hergestellten Demonstrations- 18 Naturwisseiisctiaftliclie VVocliensclirilt. XV. Nr. 2 röbrcu, uui diu Eisclicimingcn der elektrischen Entladung in mehr oder weniger luftverdünnteii Räumen zu zeigen-, ferner die Demonstration des elektrischen Anschlusses mit Lampeuwiderstand und Benutzung für den bekannten Versuch die Abhängigkeit der Wärmeentwickelung in metallisehen Leitern vom Widerstand zu zeigen. (Es waren Stücke von gleich starkem Eisen-, Platin-, Alu- minium-, Kupfer- und Silberdraht verbunden, und es wurde die Stromstärke variirt, um Glühen resp. Durchschmelzen oder Durchbrennen der einzelnen Drähte zu erhalten.) Ausserdem wurden einige interessante historische Apparate vorgeführt, so einer der ersten Inductionsapparate, bei dem der Wagner'sche (Neef'sche) Hammer vollständig die Gestalt eines Hammers mit Gritf darstellt, die Spitze des Hammers steht einem Quecksilberschälchen, das in den Stromkreis eingeschaltet ist, gegenüber; Klopfen und Gestalt, des Hammers erklären den jetzt noch gebräuch- lichen Namen für die federnde Ankervorrichtung, die jene uubeholfene Form verdrängt hat.' Aus der Optik wurde die verschiedene Herstellung und Benutzung des monochromatischen Lichtes gezeigt, sowie die Benutzung zur Beleuchtung farbiger Tuche und Papiere, der chinesisch-japanische Spiegel demoustrirt und und auf die Anwendung eines Dunkelkasteus hingewiesen. Aus der Kalorik wird eine neue Wärme- oder Sonnen- mühle gezeigt (vergl. Poske, Zeitschrift 1899) und dar- gethan, wie mannigfaltig sich der Aetherindikator be- nutzen lässt (ein Reagenzgläschen mit Aether, das mit Koik und einer Röhre verschlossen ist; bei Hinzuführuug von Wärme aus irgend einer Quelle wird die Verdampfung des Aethers verstärkt, man kann den Dampf an der Si)itze des Röhrchens anzünden und die Grösse der Flamme giebt ein Maass für die hinzugefügte Wärmemenge). Die An- wendung des Indikators für die Nachweisung der ver- schiedenen Wärmeleituugsfähigkeit der Flüssigkeiten, Wasser und concentrirten Kochsalzlösungen wurde ge- zeigt; auch für thermocheniische Versuche lässt sich der Apparat sehr zweckmässig anwenden. Den geologischen Versuclien wurde die Herstellung eines Geysirs entnommen und die Wirkung comprimirter Luft beim Mammuth- brunnen gezeigt. Aus der Mechanik (einfache Maschinen) kam das Modell eines Automaten für Fahrkarten, Chokolade u. s. w. zur Demonstration. Einige der früher beschriebenen Versuche mit com- primirtem Sauerstoff wurden wiederholt und neue hinzu- gefügt. Auch wurden einige chemische Explosionsversuche und der alte Zündsatz für Torpedoladungen (noch 1870 gebraucht): chlorsaures Kali, Zucker- und Schwefelsäure durch Versuche demonstrirt und eine einfach gefahrlose Darstellung des endothermischcn Chlortetroxyds CI2O4 sowie Experimente, die seine Eigenschaften nachweisen, vorgeführt. Eine Reihe von Versuchen mit der Luftcompressions- pumpe und dem Heber in methodischer Darstellung mussten für spätere Feriencurse vorbehalten bleiben. Schwalbe. (Schluss folgt.) lieber die Selbständigkeit der nuisikiilischeii €entreii des Gehirns gegenüber den Functionen der- jenigen Rindengebiete, welche den übrigen akustischen Wahrnehmungen, insonderheit der Sprache, vorstehen, kann angesichts der klinischen Erfahrungen wie auch der bisherigen experimentellen Untersuchungen gegenwärtig kaum ein Zweifel bestehen, da nach denselben ange- nommen werden muss, dass die verschiedenen Arten der Gehörswahrnehmungen an die einzelnen Theile des Temporallappens in selbständiger Weise gebunden sind. Dies zeigt sich besonders bei der als Amusie oder Ver- lust der Tonwahrnehmung bezeichneten Störung, die von dem Verluste des Sprachverständnisses wie der Sprache unabhängig ist, so dass sowohl Fälle von Aphasie ohne Amusie als auch solche von reiner Amusie ohne Aphasie beobachtet worden sind. Mit der Frage nach der näheren Bestimmung der corticalen Hörcentren sowie nach der Art und Weise, in welcher die der Tonskala entsprechen- den Rindenabschnitte räumlieh zu einander angeordnet sind, beschäftigt sich W. Larionow in Pflügers Archiv für die ges. Phys. (1899, Bd. 76), welcher das Gehör von Hunden unter gleichzeitiger Exstirpafion kleinerer Rinden- theile des Schläfenlappens prüfte. Zur Bestimmung der Tonwahrnehmung diente eine Reihe von Stimmgabeln, welche die Töne A', A, c, e, g\ a\ h', c^, a- und c"* umfassten. Ausserdem bezog sich die Gehörprüfung auf die Wahrnehmung von Geräuschen und ausgewählten Worten, auf welche die Hunde vor Anstellung der Ver- suche dressirt worden waren. Die von Munk auf Grund von Exstirpationen an Hunden gemachte Beob- achtung, dass das vordere Drittel des Schläfenlappens der Wahrnehmung der hohen, das mittlere Drittel der Wahrnehmung der Töne mittlerer Höhe und das hintere Drittel des Temporallappens der Vermittelung der tiefen Töne, Stimmen und Geräusche dient, wurde im Allge- meinen bestätigt. Ausserdem aber zeigte sich, dass in der Rinde des Schläfenlappens die einzelnen Toncentren in strenger Reihenfolge, welche der Tonskala bezw. der Aufeinanderfolge der Helm- hol tz' sehen Resonatoren der Schnecke entspricht, angeordnet sind, und zwar vertheilen sieh die zur Prüfung gelangten Töne auf die einzelnen Windungen des Temporallappens in folgender Weise. Werden die vier Urwiudungen des Raubthiergehirns von der Sylvischeu Furche aus als 4., o., 2. und I.Windung bezeichnet, so liegen die Rindenelemente der tiefen Töne, im gegebenen Falle die Töne A^ bis e, im hinteren Viertel der zweiten Windung von oben nach unten, die der mittleren Töne (von g' bis h') im hinteren Drittel der dritten Windung, von unten nach oben ansteigend, und die der hohen Töne (von c^ bis c'') in der hinteren Hälfte der vierten Windung von oben nach unten, so dass die Rindenelemente der untersuchten Tonreihe die Figur eines liegenden S dar- stellen, in welcher die Töne der Reihe nach von hinten nach vorn aufeinander folgen. Die Zer- störung der Rinde eines ganzen Temporallappens hatte eine bedeutende Herabsetzung des Gehörs auf dem ent- gegengesetzten und eine geringe Verminderung desselben auf dem gleichseitigen Ohre zur Folge, was für eine theilweise Kreuzung der Hörfasern spricht, so dass also der stärkere Faserzug zum entgegengesetzten, der schwächere zum gleichseitigen Ohre geht. Dies fand auch durch die nachfolgende mikroskopische Untersuchung eine Bestäti- gung. Bei Zerstörung der frontalen und parietalen Lappen zeigten sich keine Gehörsstörungen. Ein Vergleich der Windungen des Hundegehirnes mit den entsprechenden Windungen des menschlichen Grosshirnes auf Grund der Untersuchungen von Turner und Ferrier ergab folgende Vertheilung der musikalischen Centren. Dem hinteren Viertel der zweiten Windung des Hundegehirns entspricht die zweite Temporalwindung des Mensehen, dem hinteren Drittel der dritten Windung des Hundes die erste Sehläfenwindung des menschlichen Ge- hirnes und der hinteren Hälfte der vierten Hirnwindung XV. Nr. Naiiirwisseiisehaf'tlicbe Wochenschrift. des Hundes die Querwiadungeii der Insel. In diesen Tiieilen der Rinde haben wir in der augegebcuen Reihen- folge die Riudeuelemente der einzelneu Töne zu suchen. Danach würden beim Menschen die tiefen Töne im vor- deren Theile der zweiten, die mittleren im vorderen Theile der ersten Temporalwindung- und die hohen Töne in der Tiefe der Reilschen Insel localisirt sein. Diese Annahme findet eine Stüf/c sowohl durch Fiechsigs Untersuchungen au mciisHilicIien Embryonen als auch durch die vom Vertasser an,i;estellten Unter- suchungen der betreffenden Hundegeliirne. Es wurden die Endigungeu der liörbahuen sowohl beim Menschen in den Querwindungen des hinteren Theiles der Insel und der ersten Temporalwindung, als auch beim Ilunde- gehirne in den fraglichen Rindengebieteu nachgewiesen. Als eine weitere Bestätigung der angeführten Localisations- theorie ist unter Anderem ein von Edgren berichteter Fall von Amusie anzusehen, nach welchem das Gehirn eines Kranken, der für Musik taub war und an Stelle derselben nur Geräusche hörte, wohl aber die Lautsprache verstand, bei der Section auf der linken Seite eine Zer- störung der vorderen zwei Drittel der ersten Schläfen- windung und der vorderen Hälfte der zweiten Temporal- winduug, dagegen rechts Degeneration der hinteren Hälfte der ersten Temporalwindung zeigte. Dies sind aber die oben angegebenen, bei der Localisation der Töne in Betracht kommenden Rindengebiete des Menschen bezw. des Hundes. Diesen Toncentren steht das im hinteren Abschnitte der ersten linken Temporalwindung gelegene Wernickesche Centrum selbständig gegenüber. Dieser Sonderung entspricht nicht nur die bekannte Theilung des Cochlearisnerven in die Striae acusticae und das Corpus trapezoideum, sondern auch die nach den Untersuchungen Flechsigs und des Verfassers in den Hemisphären in zwei gesonderten Bahnen verlaufende Theilung der Hörstrahlung. Im Wernickeschen Centrum liegen endlich auch diejenigen Rindenelemente, welche nach L. der Wahrnehmung der Töne der grossen Sexte b, bis gj dienen. Der Ausfall dieser Töne fällt aber nach Bezold mit dem Verluste des Sprachverständnisses zusammen, was waln-sclieinlich darin seinen Grund hat, dass diese Sexte bei den meisten Personen die Grundtöne der Vocale um- fasst. Wegener. Zur Naturgeschichte des Rapserdflohs. Einer der gefürchtetsten Schädlinge der Rapsculturen ist der Raps- erdfloh (Psylliodes chrysocephala), der aber nicht einzig und allein auf der Pflanze vorkommt, die ihm den deutschen Namen verlieh, sondern sieh's an dem zarten Laubwerk der mannigfachsten Wiesen- und vor allem Gartenkräuter wohlschmecken lässt; so wurde er auch auf Tropaeolum, der Kresse, und vielen kohlen- und schottenartigen Gewächsen gefunden. Zu lausenden be- decken diese kleinen Schädlinge die schon arg durch- löcherten Blätter, zu lausenden werden sie Beute ihrer Feinde oder der Witterung und neue, abermals neue Kolonnen erscheinen auf der Stätte der Vernichtung; besonders die Schwalben fangen, wie mehrfach beobachtet wurde, im Fluge viele von diesen hurtigen Zerstörern ab. An warmen, sonnigen Sommertagen braucht mau sich einer vom Erdfloh heimgesuchten Pflanze nur in der Entfernung von 50 cm ganz vorsichtig ohne ein Geräusch zu verursachen, zu nahen, und sofort springt eine ganze Wolke von dunklen Punkten, von Erdflöhen empor, um im schützenden Erdreich ihr Heil zu suchen; an reg- nerischen, feuchten Tagen sind sie minder bedachtsam. Die Tliiere sind positiv heliotropisch, doch kombinirt sich diese Art des Tropismus mit negativem Geotropismus. Von iS^^ dieser ihrer Fähigkeit kann man sich leicht überzeugen, wenn man mehrere Individuen in ein Cylindergläschen einsperrt und dann dieses unter manigfacher Versuchs- variation immer theilweise bedeckt; aus leicht erklärlichen Gründen ist diese Eigenschaft ihnen vom besonderen Vortheil, weil sie durch den Tropismus derart getrieben, sehr bald wieder zum leckeren Mahle gelangen. Ihre Sprungweite beträgt durchschnittlich 26—30 cm. Der Käfer an und für sich ist bei weitem nicht so gefrässig, wie es beim ersten Anblick erscheinen würde; wurden mehrere, ordentlich an- gefressene Individuen abgesperrt gehalten, so vollzog sich bei ihnen die letzte Verdauung in ca. 36 Stunden, was die Section einzelner Individuen ergab. Die Anderen wurden so- dann gefüttert, doch i •--) ,^(«1 verzehrten sie nach ' ' ,;' ^ ^1^ mehreren Stunden nur tl — IV2 m'u Blattsub- Z stanz. An dem Darm- tractus fällt vor allem im vorderen Theile eine doppelte, blasige, \^,^^ starke, muskulöse Bil- dung auf, die man als Kropf- und Vormagen bezeichnen könnte ; beide besitzen im In- nern eine eigenartige gelblich glänzende, chitinige Auskleidung; hieran schliesst sich der Chylusmagen an, der an seiner Oberfläche die verdauende Drüsenschichte besitzt und in den die schon früher zerkleinerten und geballten Blättertheile hinein- gelangen, um in eine breiartige hellgrüne Saftsubstanz verwandelt zu werden. Die Chylusmagenzellen sind fein granulöse (die Granula von doppeltem Kaliber) und ent- halten einen rundlichen Kern mit einem, seltener zwei, meist länglichen, mitunter wie gezackten Binnenkörpern. Der Beginn des Afterdarmes wird durch die Insertion von mehreren langen malphigischen Gefässen bezeichnet, deren Zellen länglich sind und einen ovalen, mehrere Nucleoien führenden Kern einschliessen. Besonders im Endtheile dieser Gelasse, die als Harn absondernde Organe fungieren, findet man lichtbrechende Körnchen und grössere Fetttropfen von variabler Grösse. Der After- darm ist nicht sehr lang und besitzt noch eine rectale Auftreibung, in ihm gelangt die schon zur Defäkation be- stimmte Masse, die, compacter schmutziggrün bis grün- lichbraun ist und in der hier und da kleine, lichtbreehende Körnchen suspendirt sind. Der Fettkörper des Erdflohs besteht aus unregelmässigen Gewebskörpern, die ganz von dunklen Fetttropfen durchsetzt sind. Im Darm fand ich mehrmals äusserst kleine, zierliche Nematoden, die fast cylindrisch, hinten und vorne stumpf abgestutzt waren. Die Oberfläche des Körpers wies eine zarte Querringelung auf; wegen ihrer Kleinheit war nicht viel von der inneren Anatomie wahrzunehmen; die ziemlich grossen Darmzellen führten verschiedengestaltete, licht- brechende Körnchen, seitlich vom Darm konnte man die deutlich sich tingirenden, grösseren Kerne der Ovarialaulagen wahrnehmen. Auch Eier fand man in dem trüben Darm- inhalt des Käfers. Die Entwickelung bietet nichts von ;iireuerkläruiig : 1. Darintractus des Raps- erjflohs. — 2. Uer Käfer. - 3. u. 4. Para- sitische Nematoden: 3. = Eier; 4. = ent- wickelter Wurin; mg = malphigischc Gefässe; Kz = KeimzeUen. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 2. der gewöhnlichen Nematodeiientwickelung abweichendes, auch hier bildet sich eine eigene Art von Invaginations- gastrula, und aus den beiden, kleine dunkle Kerne führen- den Zellschichten wird die Darm- und andererseits die Körperwand. Auffallend ist die besondere Grösse der Zellkerne in der Genitalanlage. — Der Käfer komrat gewöhnlich im Mai zum Vorschein, er ist schwarzgrün- lich und fein punktirt. Die Wurzel der Fühler und die Beine sind gelblich. Der Käfer legt gegen den Herbst zu, sobald die Herbstsaaten aufgehen, an die Blätter der Keimpflanzen seine Eier, aus denen nach 14 Tagen die Larven, die sich in die jungen Keime einfressen, hervor- gehen. Vom ersten Frühjahr au bis nach der Haupt- blüthezeit des ffapses tritt't man in den ausgehöhlten, wind- brüchigen Stengeln die mehrere Millimeter langen Larven, die dann meist in der Nähe der Astabzweigungeu Löcher in ihre bisherige Behausung durchnagen und sich in der Erde, ohne vorhergegangene Einspinnung, in den Käfer verwandeln, der dann im schönen Blüthenmonat Mai an sein Zerstörungswerk geht. Dr. S. Prowazek- Wien. Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Fora- miniferen. Entwurf einer natürlichen Eintheilung der- selben von G. H. Theodor Eimer und 0. Fickert. — unter diesem Titel ist im LXV. Band, 4. Heft der Zeit- schrift für wissenschaftliche Zoologie*) eine Arbeit aus dem wissenschaftlichen Nachlass Professor Eimers ver- öffentlicht worden, die nicht nur für die Systematik dieser Thiergruppe, sondern auch für die descendenz- theoretischen Anschauungen der Verfasser einen werth- vollen Beitrag bildet. Es war schon seit lange von den verschiedensten Forschern der Versuch gemacht worden, in diese durch ihre Veränderlichkeit ausgezeichnete Formen- gruppe Ordnung zu bringen, ein natürliches System der If'oraminifereu aufzustellen. Die Schwierigkeiten waren indessen gross, um eine nur einigermaassen befriedigende Lösung dieser Aufgabe zu erzielen, einmal wegen der ausserordentlichen Variabilität der in Frage stehenden Thiere, andererseits auch deshalb, weil sich bei den Foraminiferen einfache alte Stammformen viel häufiger als gewöhnlich erhalten haben, weil ausserdem nur wenige Zwischenformen verloren gegangen und eine übergrosse Menge unentschiedener Uebergangsformen bestehen ge- blieben sind. Diese Thatsachen werden uns veisländlich, wenn wir berücksichtigen, dass wir es hier mit einfachen Organismen zu thun haben, deren Entwickluug.sriclitungen noch wenig zahlreich sind und die daher auch während ihres Lebens auf weniger Entwicklungshemmnisse stossen werden, die Entwicklungsstillstand - Genepistase herbei- führen können. Auch andere Factoren, welclie bei höher organisirten Thierformen hemmend in ihren Entwicklungs- gang eingreifen und zur Abtrennung der Arten zu führen pflegen, bleiben hier so gut wie wirkungslos, so die Correlation, die verschiedenstufige Entwicklung (Hetere- pistase) und die sprungweise Entwickluug(llalmatogenesis). Wir vermissen also bei den Foraminiferen alle jene Mo- mente, die sonst die Bildung fester abgegrenzter Arten bewirken und begünstigen, und dürfen uns nicht wundern, wenn wir vor eine Anzahl von Formen gestellt wertlen, die alle ineinander überzugehen scheinen. Den bisher aufgestellten Foraminiferensystemen lagen die verschiedensten Principien der Einleitung zu Grunde. Allen haftete indessen mehr oder weniger der Fehler an, dass die Glassificirung auf Grund weniger Merkmale vor- genommen wurde, von Merkmalen, deren systematischer Werth häufig ein reclit geringer war. So trennte z. B. *) Tübinger zoologisch« Arbeiten, 111. Bd., No. (j. Brady und Schwager die Foraminiferen in solche mit sandiger und solche mit kalkiger Schale, Carpenter, Reuss, Jones und neuerdings Ernst Häckel unter- scheiden poröse und porenlose Typen (Perforata und Imperforata), d'Orbigny und M. Schnitze stellen die einkammerigen den vielkammerigen Formen gegen- über. Eimer erkannte von vornherein, dass an der Hand von so wenig maassgebenden Eigenschaften in das Chaos von Formen dieser Thiergruppe unmöglich Ordnung gebracht werden konnte. Seiner Ansicht nach war nur die eingehende Prüfung der Gestalt der Foraminiferen- gehäuse, der Art ihrer Kammerung, ihrer Lagerung und Windungen geeignet, zum erstrebten Ziele zu führen. Nur durch Vergleichen möglichst vieler Formen, ohne Rücksicht auf die bisherige Stellung der Arten im System, war die Wahrscheinlichkeit geboten, die Foraminiferen in natürliche Reihen zu bringen. Bisher hatte man sich die Variabilität der Formen als ein Schwanken nach den verschiedensten Mög- lichkeiten vorgestellt. Eimer war dagegen auf Grund der Erfahrungen, die er an vielzelligen Thieren gemacht, der üeberzeugung, dass wohl auch hier bestimmte Ge- setzmässigkeit, dass auch hier eine beschränkte Zahl von Entwicklungsrichtungen bei der Art- bildung maassgebend sei und dass sich hier wie dort in dieser Gesetzmässigkeit bei der Abänderung von selbst ein natürliches Princip der Eintheilung offenbaren werde. Eimer hatte sich in dieser Annahme nicht getäuscht, denn je mehr sich die Verfasser in das Studium der Formen vertieften, desto mehr wurde die Vermuthung, mit der sie an die Untersuchung herangetreten waren, zur Bestimmtheit. Es ergab sich, dass auch hier keine Unbeständigkeit, kein Schwanken, nichts Zufälliges, son- dern nur Gesetzmässiges herrscht. Eimer nnd Fickert fanden, dass hauptsächlich acht Entwicklungsrichtungen für das Abändern und die Artbildung der Foraminiferen in Betracht kommen: 1. Umbildung von sandigen Gehäusen zu kalkigen, bezw. von aus Fremdkörpern zusammengesetzten zu kalkigen und wahrscheinlich Umbildung von hörn- (chitin) artigen zu sandigen. 2. Auftreten und Ueberhandnehmen der Kalkablage- rung in der sandigen Schalenwand in der Richtung von Innen nach Au.ssen. 3. Entwicklung von unregelmässigen zu regelmässig gebauten Gehäusen, und zwar zu zweiseitigen (zeitlich symmetrischen). 4. Entwicklung von geschlossenen oder an ver- schiedenen Stellen regelmässig offenen Gehäusen zu solchen, welche an zwei entgegengesetzten Seiten oder nur an einem Ende offen sind. 5. Ausbildung von mehrkammerigen Gehäusen aus einkammerigen: es ist der Ausdruck einer der aller- frühesten Entwicklungsrichtungen, dass die Kammern bei der Vermehrung sich nicht von einander trennen, sondern zusammen bleiben, dass unvollkommene Theilung statt- findet. 6. Dabei werden die jüngeren Kammern in der Regel immer grösser als die nächstälteren. 7. Weit verbreitet ist die Neigung, einkammeriger oder mehrkammeriger Gehäuse, langgestreckte Formen zu bilden. 8. Die Neigung dieser langgestreckten Gehäuse sich einzurollen. Die Entwicklungsrichtungen, welche bei Gestaltung der Foraminiferen zur Geltung gelangen, veranlassen die Verfasser, die ganze Thiergruppe in acht grosse Ab- theilungen bezw. in neun^Hauptstämme zu theilen. Die ältesten Formen 4iiit sandigem oder aus Fremdkörperu XV. Nr. 2. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 21 zusammengesetztem Gehäuse bilden den ersten Haupt- stamm der Astrorhizidae. Von diesem führt die Ent- wicklung einerseits zu den kugeligen und becherförmigen Schalen des III. Hauptstammes der Cystoforminiferen (Eimer und Fickert), andererseits zu den röhrenförmigen Gestalten des Hauptstammes der S i p h o n o f o r a m i u i f e r eu. An die Saccamminidengehäuse — einer Familie der C y s 1 0 f 0 r a m i n i f e r e n — schliesst sich der IV. Hauptstanmi der Ascoforaminiferen an, mit Saccamminiden ähn- lichen in der Länge gezogenen Schalen. Beim IV. Haupt- stamm treten zum erstenmal gewundene Gehäuse, Familie der Serpuleidae, auf. ünregelmässig ge- kammerte Ascoforaminiferenschalen bilden die ursprüng- lichen Formen des V. Hauptstammes des Stichostegia oder Nodosarienstammes. Zu der Hauptfamilie dieses Stammes gehören kalkige, durchbohrte Gehäuse, bei denen die jüngeren Kammern stets grösser werden als die älteren. Dieselbe Entwicklungsrichtung kommt beim VI. Hauptstamm der Textulariden zum Ausdruck. Die Vertreter dieses Stanmies schliessen an die der Stichostegia an, indem sich die Stammesarten der Stichostegia zuerst hinten und dann inmier weiter nach vorne in zwei oder drei Reihen spalten. Bei den Textu- lariden kommt ausserdem die Neigung zur Geltung, gewundene Schalen zu bilden und zwar ist die hinterste Kammer der Gehäuse einzelner Frondicularen (Buliminidae) oft einseitig gegenüber, wife es im VII. Hauptstamm bei den Gehäusen der Enclinostegia Eimer und Fickert zur Regel wird. Die achte Hauptabtheilung des Eimer- Fickert'sehen Systems, dieGrnppe der Orthoclinostegier zerfällt in zwei Hauptstämme den Endothyren und Cor- nuspirenstainm. Beide Stämme enthalten Formen, die regelmässig theihyeise oder ganz gewunden sind. . Mit Ausnahme der Cornuspiriden sind die Vertreter dieser Hauptabtheilnug alle vielkammerig. Die nieder- organisirten Orthoclinostegier haben sandige, die höherstehenden kalkige Schalen. Von den kalkigen ist nur ein Teil uudurchbohrt und die höchsten haben ein ausgebildetes Kanalsystem "in den Windungen. Die haupt- sächlichen Familien, welche zum Cornuspirenstamm ge- hören, sind: die Cornuspiriden, die meist undurehbohrt kalkigen Milioliden, die Chilostomelliden, deren Gehäuse sich dadurch auszeichnen, dass jede ältere Kammer von der jüngeren mehr oder weniger umwachsen wird, und schliesslich die Orbitoliden. Der Endothy renstamm, bei dem wir nur ge kammerte Gehäuse beobachten, zerfällt in die Familie der Endothyriden, Fusulinen und Globigerinen. Von besonderem Interesse sind die im Endothyrenstamm vor- kommenden Gehäuse, die nur theil weise gewunden sind. Dieselben pflegen nur am hinteren Ende gewunden zu sein und es erhebt sich die Frage, ob hier wohl die Einroll ung hinten begonnen hat und nach vorne fort- schreitet, oder aber, ob die scheinbar unvollständig ge- wundenen Gehäuse etwa in Aufroll ung begritfen sind. Rhumbler, dessen „natürliches System der Thala- mophoren" vor Abschluss der Eimer-Fickertschen Arbeit erschienen ist, vertritt die Ansicht, es handle sich hier um eine Um kehr ung des biogenetischen Gesetzes, indem die phylogenetisch höchste Stufe der Entwicklung — die Einrollung — in jüngeren Stadien der Ontogenie gefunden werde, während die älteren Schalentheile auf Ahnenformeu zurücksinken. Eimer und Fickert sehen dagegen in dieser Erscheinung, die besonders bei Haplo- phragium deutlich ist, nichts anderes als eine Umkehr der Eutwicklungsrich tung, ähnlich wie wir es auch bei der Aufrollung von Ammoniten beobachten. Das biogenetische Gesetz bleibt dabei vollkommen in Kraft, das ja die Vererbung von Eigenschaften der Vor- fahren in der individuellen Entwicklung bedeutet und schon aus diesem Grunde nicht umgekehrt werden kann. Audi in der Erklärung der ThatsaclJe, dass verschiedene Schalenformen einem gemeinsamen Entwicklungsziel zu- streben, decken sich die Rhumblerschen und Eimer- Fickertschen Ansichten nicht. Rhumbler schiebt diese P^rscheinung der Wirkung einer Festigkeitsauslese zu, während Eimer unabhängige Entwicklungs- gleichheit, Homeogenesis, als Ursache vorau.ssetzt, die ihrerseits als Folge anzusehen ist der Wechsel- beziehungen • zwischen Konstitution und äusseren Ein- wirkungen und auch bei Verschiedenheit beider zu gleichen Endresultaten führen kann. Die Diskussion der Rhumbler- schen und Ernst Haeckclschen Systeme der Thalamoi)lioreu bildet den Schluss des ersten Theiles der Eimer-Fickertschen Arbeit. Im zweiten speciellen Theil sind die systematischen Folgerungen der eingehenden Untersuchungen Eimers und Fickerts niedergelegt, über die ich im Vorstehenden einen kurzen Ueberblick gegeben habe. Es würde zu weit fuhren, wollte ich auf Einzelheiten eingehen, es konnte hier nur meine Absicht sein, zu zeigen, wie wichtig die allgemeineren Folgerungen sind, welche aus den vorliegenden Studien über die Art- bildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen hervor- gehen und wie sich die Ergebnisse dieser neuen Unter- suchungen als weiterer Beweis für die Lehre von der Entstehung der Arten auf Grund organischen Wachsens den früheren grundlegenden Arbeiten Eimers auf diesem Gebiete anreiht. v. L. Eine Beziehung zwischen Luftdruck -Vertheilung und Monddeclioatiou glaubt Prof. Dr. Richard Börn- stein gefunden zu haben und berichtet darüber in der „Physikalischen Zeitschrift". B. hat schon früher (1891) eine Beziehung zwischen dem täglichen Mondumlauf und der Schwankung des Luftdrucks nachgewiesen und hat nunmehr diese Untersuchung erweitert, nachdem Ekholm und Arrhenius eine Beziehung zwischen dem siderischen Mondumlauf und dem luftelektrischen Potential- gefälle bewiesen hatten. Nun war in der Börnstein'schen Untersuchung gegenüber zahlreichen anderen, ähnlichen Forschungen der Umstand, dass nicht, wie gewöhnlich, der synodische, sondern der siderische Monat zum Ausgangspunkt gem.aeht wurde. Nach den Aufzeichnungen des Sprung-Fuess'schen Barographen an der Landwirthschaftlichen Hochschule zu Berlin wurde aus den Beobachtungs- Ergebnissen von 200 siderischen Monaten (10. I. 1884 bis 24. XII. 1898) der durchschnittliche Gang des Luftdrucks im siderischen Monat berechnet. So ergaben sich für jeden der 27 Tage des siderischen Monats Mittelwerthe, deren jeder aus 200 mal 24 (Zahl der Tagesstunden) berechnet war. Die erhaltene Lufdruckkurve wies ein deutliches Maximum am 12., ein noch deutlicher ausgeprägtes Minimum am 23. Tag des siderischen Monats auf. Die Amplitude der Schwankung betrug 2,851 mm. Eine Theilung des ganzen Materials in zwei Hälften und eine Sonderberechnung jeder Hälfte ergab das allerdings sehr autfallende Resultat des gleichen Ergebnisses. Eine Durchführung der gleichen Berechnungen an den Magdeburger Luftdruckaufzeich- nungen für die gleiche Zeit ergab ein genau gleiches Resultat (Amplitude 2,764 mm). Die Potsdamer Auf- zeichnungen, welche erst für 80 siderische Monate vor- lagen (1. I. 1893 bis 24. XII. 1898) zeigten wiederum ein Maximum am 12. Tage, während sich das Minimum unerheblich, auf den 24. Tag, verschob (Amplitude 3,953 mm). Diese Resultate .sind allerdings recht auffallend; da- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. iier wurde die Untersuchung- noch auf einige andere Orte ausgedehnt, für welche seit langer Zeit Luftdruck-Auf- zeichnungen eines Barographen vorliegen. Nun war von vornherein zu erwarten, dass sich nicht an allen Oiten die gleichen Luftdruckschwankuugen zeigen, denn eine gleichzeitige Zu- oder Abnahme des Drucks auf der ganzen Erde ist natürlich ausgeschlossen. Es kann also auch Orte mit vollständig anders gearteten Schwankungen geben, sowie andere, bei denen eine merkbare Amplitude überhaupt nicht vorkommt. In Wien zeigte sich das Maximum am 13., das Minimum am 24. Tage (Amplit. 1,853 mm), in üpsala fielen dagegen die Extreme auf den 4. bczw. auf den 23. Tag (Amplit. 1,949 mm), in .San Fernando (Spanien) auf den lü. bezw. 24. Tag (0,768 mm), in Port au Prince auf den 26. bezw. 18. Tag (0,692 mm) und in Batavia auf den 13. und 21. Tag (Amplit. nur 0,141 mm). Börnstein begnügt sich zunächst mit diesen Mit- theilungen, ohne irgend welche Schlüsse daraus zu ziehen j oder Folgerungen daran zu knüpfen. Derartige Versuche wären auch an der Hand des wenigen vorliegenden Materials entschieden als verfrüht zu bezeichnen. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Dr. August Garcke, ausserordentlicher Professor in der philosophischen Facultät uudCustos am botanischen Museum der Berliner Universität zum Geheimen Regierungsrath; Dr. i'mil Richter, ausserordentlicher Professor in der medi- zinischen Fakultät zu Breslau, zum Geheimen Medizinalrath; Dr. Stobbe, Privatdocent der Chemie in Leipzig zum ausser- ordentlichen Professor; Dr. Meumann, ausserordentlicher Pro- fessor der Philosophie in Zürich, zum ordentlichen Professor; Dr. L. 6. Cour voisier, ausserordentlicher Professor der Chirurgie, Dr. Karl Mellinger, ausserordentlicher Professor der Ophthal- mologie, Dr. Albert Riggenbach, aussordentlicher Professor der Astronomie und Meteorologie, und Dr. G. A. W. Kahl- baum, ausserordentlicher Professor der Chemie, in Basel zu ordentlichen Professoren; Dr. Ro ber t Mün zel; Oberbibliothekar an der kgl. Universitäts-Bibliothek zu Marburg, zum Oberbiblio- thekar der Berliner Universitäts-Bibliothek; Dr Arnim Graesel, Oberbibliothekar an der kgl. Universitiits Bibliothek zu Berlin zum Oberbibliothekar an der kgl. Universitätsbibliothek zu Göttingen; Dr. Hans Paalzow, Bibliothekar an der kgl. Univositäts- Bibliothek zu Berlin zum Oberbibliothekar der Marburger Uni- versitäts Bibliothek; Dr. Adalbert Ho r tz seh ansky , Biblio- thekar an der Göttinger Universitäts-Bibliothek, zum Bibliothekar an der kgl. Universitäts-Bibliothek zu Marburg; Dr. .Joseph Paczowski, Hilfsbibliothekar an der k^l. Bibliothek zu Berlin zum Bibliothekar; Dr. Friedrich Diestel, Hilfsbibliothekar an der kgl. Universitäts-Bibliothek zu Göttingen zum Bibliothekar. Es habilitirten sich: Dr. Ley, Assistent am chemischen Institut der Universität Würzburg für Chemie daselbst; Dr. Strass- burger, Assistenzarzt an der Universitäts-Klinik in Bonn für innere Medizin daselbst. In den Ruhestand tritt: Dr. Karl Schweigger, Professor der Augenkeilkunde in Berlin. L j 1 1 e r a t u r. Dr. Paul Ton Gizycki. Vom Baume der Erkenntniss. Frag- | mente zur Ethik und Psychologie aus der VVeltiitteratur. 3 Theil: | Gut und Böse. 832 Seiten gross Octav. Ferd, Dümmlers Ver- lagsbuchhandlung in Berlin. 1900. — Preis geheftet 7,ö0 M., in feinstem Liebhaberhalbfranz 10 M. ' 1 Mit der gleichen Objectivität, deren der Herausgeber sich i bei den früheren Bänden befleissigte, sind in diesem Bande I prägnante Aussprüche der Dichter, Denker und Naturforscher j aller Zeiten und Völker systematisch geordnet, in denen sie zu I den Fragen der menschlichen Sittenlehre Stellung nehmen. In- • dem der Herausgeber unparteiisch die Vertreter des freiesten ' Denkens, der voraussetzungslosen Kritik, den Dogmatikeru und : Gläubigen gegenübergestellt, giebt er dem Leser die beste Gelegen- heit, sein eigenes Urthcil zu bilden. Als Materialien-Quelle wird i es bei ethischen Arbeiten vielfach gern benutzt werden. j Gr. Haberlandt, Briefwechsel zwischen Franz Unger und Stephan Endlicher. Mit Porträts und Nachbildungen zweier Briefe. Gebrüder Borntraeger, Berlin 1899. — Preis geb. 6 M. Mit der Veröffentlichung dieses Briefwechsels wird den Freunden historischer Betrachtungsweise ein interessantes Quelleu- material zur Geschichte der Botanik im 19. Jahrhundert geboten. Der Herausgeber und Erläuterer der Briefe, der bekannte Botaniker Haberlandt in Graz sagt u. a. in der Einleitung: „In der Geschichte der Botanik giebt es nur wenige Perioden, die so bedeutsam und fruchtbar gewesen sind, wie das dritte und vierte Decennium des neunzehnten Jahrhunderts. Auf fast allen Specialgebieten dieser Wissenschaft ist damals der Grund gelegt worden für jenen umfassenden Neubau, in dem unsere moderne Botanik sich ausgebreitet hat. Unter den genialen Forschern, die jener klassischen Zeit ihren geistigen Stempel aufgedrückt haben, werden Franz Unger und Stephan Endlicher stets an hervor- ragender Stelle genannt werden. Von Jugend auf sind diese beiden Männer auf das innigste mit einander befreundet gewesen. Ein reger, wissenschaftlicher Verkehr wurde mündlich und brieflich, wenn auch nicht ohne Unterbrechungen, durch fast zwei Decennien fortgeführt; sie haben sich gegenseitig ihre intimsten wissenschaftlichen Gedanken, die ersten Keime ihrer Pläne und Forschungen geoffenbart. So gewährt uns ihr Briefwechsel einen, wenn auch lange nicht voll- ständigen, so doch stellenweise überraschend tiefen Einblick in die geistige Werkstätte und in das Gemüthsleben dieser beiden so ursprünglich veranlagten Forscher. Die Lebhaftigkeit des wissenschaftlichen Verkehrs zwischen den beiden Freunden drängte sie schon frühzeitig dazu, diesem Verkehr durch eine gemeinschaftliche Arbeit bestimmteren Aus- druck zu geben. Vornehmlich war es Unger, der solches an- strebte._ Schon in seinem zweiten Briefe vom 14. Februar 1830 wird nichts Geringeres, als eine gemeinsame systematische Dar- stellung des ganzen Pflanzenreiches ins Auge gefasst. Unger legt seinem Entwürfe das Okensche System zu Grunde, das ihn be- sticht, weil es naturphilosophisch ausgebaut auf anatomischer Grundlage zu ruhen scheint. Endlicher, der schon damals mit Vorarbeiten zu einem derartigen Werke beschäftigt war, hat mit reiferer systematischer Einsicht und frei von dem Banne ükenscher Begriflfsspiolerei von einer solchen Darstellung jedenfalls nichts wissen wollen; allein jener erste Plan einer grossen gemeinschaft- lichen Arbeit hatte doch seine weitreichenden Consequenzen : End- licher hat seine Vorarbeiten, erfüllt von den Anregungen, die VOM Robert Browns systematischen und blüthenmorphologischen Arbeiten ausgingen, weitergeführt; zwei Jahre später, in seinem Briefe vom 1.5. Juni 1832 sagt er bereits, er habe ein eigenes Opus „Ordines naturales plantarum" geschrieben — unter „Ordines" verstand Endlicher die heutzutage als Familien bezeichneten Ver- wandtschaftskreise — und im Laufe der nächsten vier Jahre hat Endlicher diese Ordines zu dem berühmten Hauptwerke seines Lebens, den , Genera plantarum" erweitert und umgearbeitet. Unger unterstützte ihn dabei auf verschiedene Weise. Am 3 No- vember 1832 schickt er ihm die „besprochenen idealen Blumen- darstellungen", vier Blüthendiagramme, und erklärt sich gern bereit, ihm für sein Werk solche scbematische Darstellungen in grösserer Zahl zu liefern. Es sind dies wohl die ersten Blüthen- diagramuie, die zu systematischen Zwecken construirt worden sind. Wie vollkommen schon diese ersten Versuche ausfielen, lehrt ein Blick auf die in diesem Buche reproducirten Original- zeichnungen Ungers. Aus welchen Gründen Endlicher von diesem Anerbieten keinen Gebrauch gemacht hat und die Genera plan- tarum ohne Blüthendiagramme erscheinen Hess, geht ans dem Brief- wechsel nicht hervor. Hauptsächlich dürfte ilerPlan an den äusseren Schwierigkeiten gescheitert sein. Bekannt ist Unger's Antheil an der Aufstellung des Systems, das Endlicher seinen Genera plantarum zu Grunde gelegt hat. Aus dem vorliegenden Briefwechsel geht bestimmt hervor, dass Unger als eigentlicher Urheber dieses Systems zu befrachten ist. In einem Ende 1835 oder Anfang 1836 geschriebenen Briefe theilt er Endlicher das von diesem gewünschte Schema mit, welches das Uuger-Endlieher'sche System in seiner ursprünglichsten Ge- stalt darstellt. Zum ersten Mal begegnen wir der ICintheilung des Pflanzenreiches in Thallophyten und Cormophyton, und der Eintheilung letzterer in Acrobrya, Amphibrya und Acramphibrya " Die Herausgabe der Briefe ist in mehrfacher Hinsicht dankens- werth, so auch deshalb, weil sie einen Commentar zu den Werken der beiden Freunde bilden. Aber ganz abgesehen von der histo- risch-wissenschaftlichen Seite werfen die Briefe auch Streiflichter auf die Zeit, in der sie geschrieben wurden überhaupt. Endlicher ist — wie authentisch belegt wird — nicht durch Selbstmord geschieden, sondern an einer schweren Krankheit. XV. Nr. 2. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 23 Prof. August Forel, Gehirn und Seele. ;>. und (i. Aufl. Emil Strauss in Bonn, 189^. Den wesoiitliolien Inhalt des auf der 1894 er Versammlung deutscher Naturfiirscher und Aerzte gehaltenen Vortrages haben wir seiner Zeit in Band X der „Naturw. Wnchenschr." (1895) •S. 44 — 47 abgedruckt. Neue Forschungen haben den Verf. veran- lasst, in der vorliegenden Auflage verschiedene neue Anmerkungen anzubringen. Prof. Dr. W. Budde. Physikalische Aufgaben für die oberen Klassen höherer Lehranstalten. Aus den bei Entlassungs- prüfungen gestellten Aufgal>en ausgewählt und mit Hinzufügung der Lösungen zu einem Buche vereinigt. 3., abgeänderte und vermehrte Auflage. Braunschweig, F. Vieweg & Sohn 1899. Die zweite Auflage dieser Sammlung haben wir im X. Bande (S. 343) dieser Zeitschrift empfehlend besprochen und wir können darum heute auf das damalige Referat Bezug nehmen Unserem damals geäusserten Wunsche gemäss sind in der vorliegenden dritten Auflage im Vorwort diejenigen Aufgaben namhaft gemacht, welche auf lineare oder rein quadratische Gleichungen führen. Vielleicht können künftig auch die mit Hilfe gemischt-quadratischer Gleichungen lösbaren Aufgaben angegeben werden, da gerade diese den Schülern der Untersekunda Freude an ihrem mathe- matischen Können zu bereiten geeignet sind, wenn auch eine ge- wisse Nachhilfe seitens des Lehrers beim Ansetzen der Gleichung auf dieser Stufe in den meisten Fällen erforderlich sein wird. Hinzugekommen sind in der neuen Auflage nur 8 Aufgaben, ausserdem aber im Anhang noch eine Sammlung von Thematen, zu Ausarbeitungen aus dem Gebiete der Chemie, in die allerdings zwei quantitative Aufgaben (771 und 783) nicht recht hinein- passen. Soll die Sammlung überhaupt auch auf die Chemie ausgedehnt werden, dann fehlt ihm freilich zunächst ein Abschnitt von Be- rechnungs-Aufgaben im Haupttheil des Werkes. Eine derartige Vervollständigung wäre gewiss vielen Faehgenossen willkommen, es würde sich unseres Erachtens dann aber auch empfehlen, astronomische und mathematisch-geographische Aufgaben ebenfalls nicht auszuschliessen, damit das Buch den Uebungsstotf für alles das, was auf den Gymnasien zur Zeit nun einmal noch unter dem officiellen Namen „Physik" getrieben wird, vereinigt. F. Kbr. Festschrift zum siebzigsten Geburtstag BCoritz Cantors. Zu- gleich neuntes Heft der Abhandlungen zur Geschichte d e r Mathematik. Im Auftrage herausgegeben von M. C u r t z e und S. (Jünther. Mit. einem Porträt Moritz Cantors in Helio- gravüre, 2 Tafeln und bb Figuren im Te.xt. VIII und 6.57 S., gr. 8». Verlag von B. G. Teubner, Leipzig 1899. — Preis 20 M. Aus _ Anlass des siebzigsten Geburtstages von Professor Dr. Moritz Cantor, dem Verfasser der umfangreichsten, auf gründlichstem Quellenstudium beruhenden „Vorlesungen über die Geschichte der Mathematik", hat ihm eine grössere Zahl seiner zahlreichen Verehrer die vorliegende, nach vielen Richtungen hochinteressante Festschrift gewidmet. Mit hoher Befriedigung kann der jugendfrische Heidelberger Mathematiker auf die schön aufspriessendr .Saat lilieken, die er mit seinen Forschungen aus- gestreut hat. i:s i.-it ]iatiirlich unmöglich, von allen 32 Beiträgen, welche die Miiifaii-i-.irlH. I'estschrift enthält, an dieser Stelle auch nur eine Andeutung zu geben; wir wollen uns deshalb damit be- gnügen, einige Forschungen allgemein interessirender Art hier zu erwähnen. Da ist zunächst zu nennen der Aufsatz von Favaro über eine ungedruckte Abhandlung Galilei's über Mechanik, die sich im Archiv des Fürsten von Thurn und Taxis gefunden hat. — Allgemein interessant ist ferner der umfangreiche Beitrag von S. Günther, dem bekannten Münchener Geographen," über Nikolaus von i'nsa und seine Beziehungen zur niathcui.itisrlicn und physikali.M-lirii ( ic.-iaphie; das Ergebniss dieser w ni l,\ ..llm Studie lautet: „Der .M.uiii, iler vor Coppernicus die Kr\ .-.i:ill.-.|ili;iri;ii der griechLschen Himuielskunde zertrümmerte, der otlen die Weseiis- gleichheit der Erde mit den anderen Weltkörpern verkündete, der ganz allgemein die Erdbewegung und konkreter auch die Erd- rotation lehrte, der den wesentlichen Inhalt des Galilei'schen Trägheitsgesetzes voi lier erkannte, der als der erste Neuere eine Landkarte in correctem geometrischem Netz entwarf, der endlich thermometrische, hygrometrische und bathometrische Methoden angab, denen ausnahmslos die theoretische Berechtigung nicht ab- zusprechen' ist — dieser Mann verdient ohne Zweifel in der Ge- schichte der angt Erdkunde einen El allgemeinem Interesse sind die M scheinen begriffene Encyklopädie d Schäften, welche einer ihrer Herausge in Königsberg, in seinem Beitrage ni andten Mathematik sowohl, wie auch der nplatz." — In gewiäsoin Sinin' gleichfalls von im. 11 über die im Er- th.'iiiatisehen Wissen- of. 1)1-. Fra.nz Meyer gt hat; es wird daraus widerlege! bean.siinu- \V.i, oder 111.1 tl , rl itdi '^^"^ •■\\ ■ ih ^.1 1. so seien d gegeben; Bobynin ausser , V. B •a jmi h auch der Nichtmathematiker eine Vorstellung von diesem grc artig angelegten Werke gewinnen, das in mancher Beziehung eine Fortsetzung der Geschichte der Mathematik von Moritz Cantor bildet. — Schliesslich sei hier noch erwähnt der Aufsatz von Wohlwill über die Entdeckung der Parabelform der Wurflinie. Der Verfasser beschäftigt sich darin mit der „Geschichte der experimentellen Methode in Italien" von Rafaello Caverni, der an der Geschichte der Entdeckung der Parabelform der Wurflinie nachgewiesen zu haben behauptet, da.ss und wie Galilei das geistige Eigenthum seiner bedeutenden Zeitgenossen für sich selbst in Anspruch genommen hat. Diese kühne und ganz verblüffende Behauptung hat Caverni gestützt mit einer ausserordentlichen Kenntniss der Werke, Briefe, Handschriften u. s. w. Galilei's, so dass man nicht mit einer blossen Geringschätzung über die ohne Zweifel irrige Beurtheilung Galilei's zur Tagesordnung übergehen kann. Wohlwill unternimmt es deshalb, Caverni dadurch zu >is in alle Einzelheiten folgt. Gewiss iiugsversuchalso allgemeinstes Interesse. -er Stelle versagen, die mehr speeiellen iL;e zur Festschrift zu charakterisiren, lie Namen der Verfasser hier wieder- oben Genannten haben beigesteuert : , Cajori, Curtze, Dickstein, Ene- ström, Gelcich, Graf, Heath, Heiberg, Heller, Hultsch, Hunrath, Loria, Mansion, Felix IMüller, Nagl, Rosen- berger, Rudio, Stäckel, Staigmüller, Steinschneider, Sturm, Suter, Tannery, Unger, Wappler, Wertheim, — Namen, die sowohl die grosse Zahl der Verehrer des Jubilars, als auch die Blüthe zum Ausdruck bringen, deren sich das Studium der Geschichte der Mathematik bei allen Culturvölkern zur Zeit erfreut. Das beigegebene Bild Moritz Cantors ist ausgezeichnet; das beigefügte Verzeichniss der mathematischen Werke, Abhandlungen und Recensionen desselben, von M. Curtze zusammengestellt, legt ein beredtes Zeugniss von der umfangreichen litterarischen Thätig- keit Cantor's ab. Durch ein Namenregister ist für eine bequeme Benutzung der Festschrift Sorge getragen. G. Briefkasten. Hr. Prof. Fr. — Nehmen Sie Sadebeck's Buch: Die Culturgewächse der deutschen Colon ieen und ihre Erzeugnisse (Gustav Fischer in Jena 1899, Preis 10 M.) Eine ausführliche Besprechung finden Sie in Band XIV (1899) No. ö, S. 54 der „Naturw. Woclienschr." Das Buch erfüllt ein von vielen Seiten gefühltos Bedürfniss, und zwar nicht nur von Laienkreisen, wie Colonialfreunden und Interessenten, sondern, ganz offen gesagt, auch von Botanikern, die ja bei dem gewaltigen Umfang ihrer Wissenschaft nur dann wünschenswerth genau über die tropischen Cultur- und Nutz- pflanzen orientirt sein können, wenn sie Systematiker sind und zwar speciell Systematiker, die sich der Tropenflora widmen. Verf. hat sich gewissenhaft an die neuesten Forschungen auf dem von ihm behandelten Gebiet gehalten und nicht etwa bloss compilirt, sondern, wo angängig, selbst untersucht und nach- geprüft; bei seiner Stellung als Director des botanischen Museums und des Botanischen Laboratoriums für Waarenkundo zu Ham- burg ist ihm überdies reichlich Material zur Verfügung gewesen, das ihm eigene Erfahrungen auf dem Gebiet gestattet hat. Die Abbildungen sind exact und schön, zum grössten Theil sorgsam gezeichnete Originale, die in dem Buche in sehr guter Reproduction wiedergegeben sind. Ausser der Litteratur und eigenen Beob- achtungen hat Verf. von verschiedenen Seiten Unterstützung ge- funden, so von den Botanikern Volkens, Güg, Warburg, Hallier, Vogt, Schumann. Disponirt ist das Buch in 14 Abschnitte, welche behandeln 1. Palmen, 2. Getreide und Zuckerrohr, 3. Knollen- und Zwiebel- gewächse, 4. Essbare Früchte und Gemüse, 5. Eigentliche Genuss- mittel (Kaffee-, Thee Gruppe), 6. Gewürze, 7. Tabak, 8. Fette und fette Gele liefernde Pflanzen, 9. Färb- und Gerbstoffe liefernde Pflanzen, 10. Gummi, Harze und Kopale, 11. Kautschuk und Gutta- percha liefernde Ptlauzen, 12. Faserstoffe, 13. Nutzhölzer und 14. Medizinalpflanzen. Inhalt: Prof Dr. B. Schwalbe: Der neunte naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen, abgehalten in Berlin vom 4. October bis 14. October 1899. — Ueber die Selbständigkeit der musikalischen Centren des Gehirns. — Zur Naturgeschichte des Rapserdflohs. — Die Artbildung und Verwandtschaft bei den Foraminiferen. — Eine Beziehung zwischen Luftdruck-Vertheilung und Monddeclination. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. Paul von Gizycki, Vom Baume der Erkenntniss. — G. Haberlandt, Briefwechsel zwischen Franz Unger und Stephan Endlicher. — Prof. August Forel, Gehirn und Seele. — Prof. Dr. W. Budde, Physikalische Aufgaben für die oberen Klassen höherer Lehranstalten. — Festschrift zum siebzigsten Geburtstag Moritz Cantors. — Briefkasten. 24 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 2. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ 1 Dr. Robert Muencke : X Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luiseustr. 58. « # Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ♦ ♦ und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. ♦ lerir. Pümmirro |)trlag6buit)l|aniilnng in ^rrlin SW. 12, |iniinfr|lr. 94. 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Specielle Auskünfte in einschlägigen Fragen werden Interessenten gern ertheili. Verantwortlicher Redacteur; Dr. Henry Potonid, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ^^v- Redaktion : f Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düiiunlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. Hoiintag, den 21. Januar 1900. Nr. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jl 4.— Bringegeld bei der Post 15 ,A extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 ^. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach tjebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoneenbureaus wie bei der Expedition. Abdrnck ist nur mit vollständiger Qnellonaiigabe gestattet. Der neunte naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer an höheren Schulen, abgehalten in Berlin vom 4. October bis 14. October 1899. Bericht auf Grund der eingegangenen Beiträge sowie eigener Aufzeichnungen von Prof. Dr. B. Schwalbe. Prof. Dr. Schwalbe: Beriicksichtiguug der Nautik uud Hygiene unter Vorführung der einschlagenden Unterrichtsmittel der Anstalt. Der Vortrag verbreitete sich hauptsächlich über den ersten Theil „Die Nautik", über den in den Unter- richtsblättern von Pietzker und Schwalbe ein längerer Bericht als hier möglieh ist, gegeben werden soll. Aber sowohl hier wie bei der Hygiene war es immerhin nur möglich, einige Punkte heraus- zuheben, und viele wichtige Ge- biete nur anzudeuten. Für die Hygiene bietet der Schulunterricht auf jeder Klassen- stufe und fast in jedem Unter richtszweige reichlich Gelegenheit und Veranlassung zur Anknüpfung, die nach den einzelnen Fächern und Klassenstufeu geord- net, schliesslich wohl einen Ueberblick, soweit er für die Schule ge- eignet ist, zu geben ver- mag. Praktisch hygienisch soll ja jeder Unterricht, soll jeder Lehrer werden. Sorge für das Wohlbefinden der anvertrauten Jagend und Controle der etwa vor- handenen Nacbtheile gehören zu den Pflichten des Lehrers, der es übernommen hat, zu unterrichten und zu erziehen. .E^a|j^, Von den vielen hj'gienischen Einrichtungen, welche am Dorofheenstädtischen Realgymnasium bestehen, ist ein kurzer Ueberblick gegeben in der Programmbeilage der Anstalt 1898, Schul hygienische Fragen und Mit- theilungen von Prof Dr. Schwalbe. Berlin 1898. Gaertners Verlag. Von Apparaten kamen zur Vorführung eine Warm- wasser-Heizung, welche die Anlage im Dorotheenstädti- schen Realgyninasium wie das Prinzip der Warmwasser- heizung überhaupt demon- strirt: aus Glas gefertigte Wasserkessel , Steigrohr, oberer Wasserbehälter mit kühlerem Wasser, Absteig- register für zwei Stock- werke. Die Bewegung des Wassers wurde durch einige Sägespähne oder Tropfen gefärbter Flüssigkeiten (Lö- sung von übermangansaurem Kali, Indigo) sichtbar ge- macht; als Vorversuch dient ein in Form eines grossen Rechtecks oder Quadrats ge- bogenes Glasrohr ; die freien Enden werden mit Kautschuk- schlauch verbunden. Die nun in sich geschlossene, ganz mit Wasser gefüllte Röhre enthält als Bewegungsauzeiger einige Sägespähne, beim Erwärmen einer Ecke des schräg 26 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 3. gestellten Heizrohres beginnt die circulirende Strömung, die man deutlich verfolgen kann. Ausserdem wurde der Apparat von Siemens zur Herstellung keimfreien Wassers, in dessen Gebrauch die Schüler unterwiesen werden, in Gang gesetzt und demonstrirt. Als im Jahre' 1892 für die Stadt Berliu die Gefahr einer Choleraepidemie vorhanden war, wurde angeordnet, dass in den Schulen nur abgekochtes Wasser zum Trinken verabreicht werden sollte. Da die Beschaffung desselben in grossen Mengen Schwierigkeiten verursachte, wurde der Siemens'sche Wasserkoehapparat angeschafft. Die Einrichtung desselben ist aus den nachfolgenden Abbildungen und der hinzugefügten kurzen Beschreibung leicht verständlich. Derselbe wird in jedem Sommer den Schülern der Oberprima vorgeführt, die zugleich selbst den Gebrauch erlernen, Der Apparat wird auf dem ersten Korridor aufgestellt und der Gas- und Wasserleitung dort angeschlossen; auch der Schul- diener ist mit der Handhabung vertraut. Eine kurze Anleitung ist unten gegeben. Die Ordnung bei der Vertheilung des Wassers Hess sich leicht aufrecht erhalten. Eine Anzahl Gläser, die mit ab- gekochtem Wasser ge- spült werden, müssen bereit gestellt sein. Wasserabkoch- Ap- parat von Geheim- rath Dr. Werner von Siemens. — Die Cholera -Epidemie von 1892 hat es erforderlich ge- mach}, in Zeiten der Gefahr sich für Genuss- und wirth- schaftliche Zwecke nur eines sterili- sirten, d. h. keim- freien Wassers zu bedienen, welches bekanntlich durch hinreichend lang andauerndes Ab- kochen des ge- wöhnlichen Trinkwassers " erzeugt wird. — Um dieses Abkochen in continuirlicher Weise bei möglichst ge- ringem Brennmaterial-Verbrauch und insbesondere, um ein rasches Abkühlen des gekochten Wassers zu er- zielen, hat Werner von Siemens s. Z. vorgeschlagen, die dem gekochten Wasser innewohnende Wärme so weit als irgend möglich an das zufliessende " kalte Wasser abzu- geben dadurch, dass man letzteres an den erhitzten Ge- fässwandungen des ersteren vorbeistreichen lässt. Nach diesem Grundsatz ist der in Fig. 1 dargestellte Apparat construirt. a) ist ein Gas- oder Petroleum-Kochapparat, b) ein Kochgefäss mit Deckel aus Messingblech, c) das Wärmeaustausch- bezw. Abkühlgefäss aus Messingblech, d) der Anschluss für die Wasserleitung, e) der Ablauf für gekochtes Wasser, f) das Wasserstandsglas zur Beobachtung der Durch- flussmenge, g) der Stellhahn i h) das Absperrventil \ für Fig. 2. i) der Schwimmer > Der Apparat erfüllt die ihm gestellte Aufgabe in der vollkommensten Weise, d. h. er tödtet nicht nur die Cholera-, sondern auch die viel widerstandfähigeren Typhusbacillen. Dieser Erfolg ist nachgewiesen worden durch sehr ein- gehende Versuche, welche im Auftrage des Herrn Ministers für geistliche, Unterrichts- und Medicinal-Augelegenheiten mit einem von der Firma gestellten Apparat im hygieni- schen Institut der hiesigen Universität zur Ausführung gelangten, und worüber ein amtlicher Bericht vorliegt. Der vorstehend beschriebene Apparat Fig. 1 erfordert andauernde Controle des Kochproeesses. Der Apparat nach Fig. 2 controlirt sich selbst durch eine von der Firma construirte und zur Patentiruug an- gemeldete Vorrichtung, welche bewirkt, dass der Wasser- zutluss sofort selbstthätig aufhört, sobald der Kochprocess nachlässt und' bei Steigerung des letzteren selbstthätig wieder beginnt, sodass eine vollkommen zuverlässige Regulirung erreicht ist. Fig. 2 hat die von a — f gekenn- zeichneten Theile mit Fig. 1 gemein- schaftlich. Die Regulierung des Zulaufes erfolgt durch den Schwimmer i, welcher durch die beim Kochen des Wassers unter demselben sich sammelnden Dampf blasen angehoben wird, wodurch das mit dem Schwimmer gelenkig verbundene Absperr- ventil h sich öffnet und den Zulauf frei- giebt. Lässt der Kochprocess nach, so wird mit dem Sinken des Schwimmers der Zulauf ab- geschnitten. Durch diese Vorrichtung ist jede Möglich- keit ausgeschlossen, dass nicht vollstän- dig durchgekochtes Wasser zum Aus- lauf gelangt. Nach a führt der Anschluss der Gasleitung, nach d die Wasserleitung. Anweisung zum Gebrauch (Fig. 2). Beim Gebrauch schliesst man zu- nächst den Hahn g, öffnet alsdann den Hahn der Wasserleitung ganz und nun- mehr langsam den Hahn g soweit, dass das Wasser in dem Wasserstandsglas etwa 2 dm hoch steht. Man lässt nun so lange Wasser einströmen, bis dasselbe aus e auszufliessen beginnt. Während des Einströmens hebt man mit der Hand das Bleigewicht k empor, weil der Zufluss des Wassers unter- bleibt, sobald das Bleigewicht bis in die Nähe des Deckels gesunken ist. Sobald das Wasser aus e auszufliessen beginnt, lässt man das Bleigewicht fallen und zündet, ohne an der Stellung der Hähne etwas zu ändern, die Flamme im Kochapparat a an. Der Apparat arbeitet von nun an allein. Das beim Füllen sowie das beim Er- hitzen anfangs aus e ausfliessende Wasser (im Ganzen etwa 2 Liter) fängt man gesondert auf (lässt es also nicht in den grossen Zinkbehälter einfliessen) und giesst es fort. Sodann kamen bei der Vorlesung zur Sprache: Einzelne Ventilationsverhältnisse (Porosität der Bau- materialien, Petteukofer'sche Versuche, Porometer) werden gezeigt und die Herstellung eines Sandtilters entsprechend den Filtriranlagen der Städte als wttnschenswerth be- zeichnet. XV. Nr. 3. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 27 Wie nun im Unterricht die Hygiene zur Berücksichti- gung iioninien sollte, konnte nur angedeutet werden; es niuss in dieser Beziehung auf die oben erwähnte Pro- gramniabhandlung und die sonstigen Publikationen des Verfassers verwiesen werden. Prof. Dr. Schwalbe: Berücksichtigung der Geologie im Unterricht unter Vorführung der einschlagen- den Unterrichtsmittel des Dorotheenstädtisch en Realgymnasiums. Im Jahre 1897 waren bei dem damaligen naturwissen- schaftlichen Ferieneursus neben den von Firmen ausge- gestellten Apparaten auch die Sammlungen des Dorotheeu- städtischen Realgymnasiums ausgestellt worden. Schon der Raum erlaubte es nicht, diesmal eine ähnliche Aus- stellung zu veranstalten. Aus fast allen Unterrichtsgebieten sind Anschauungsmittel resp. Apparate und Modelle be- schafft, überall aber im Hinblick auf den wirklichen Ge- brauch für den Unterricht, so dass sich z. B. feinere Messapparate nur vereinzelt finden. Diesmal war vorzüglich nur eine Seite des Unter- richts, und zwar in einem nicht lectionsplanmässigen Gegenstande, berücksichtigt. Schon in früheren Abhand- lungen ist auf die Not h wendigkeit, die Geologie im Unterricht zu berücksichtigen, hingewiesen und es wurde über die Einführung dieses Unterrichts das Nähere dargelegt in: „Ueber die Geologie als Zweig des geographischen Unterrichts. Central-Organ für die Interessen des Realschulwesens", 1879 VII, S. 193 bis 225; in Verfolg der Sache erschien im Anscbluss an Vor- lesungen und an den Unterricht in der dynamischen Geologie, der noch bis Anfang der achtziger Jahre ge- stattet war, die „allgemeine Geologie"", in der auch ge- zeigt wurde, wie experimentell viele Erscheinungen in der Geologie nachzuweisen seien. Die Zusammensetzung der im Laufe der Jahre durch- geführten geologischen Experimente findet sieh in der Zeitschr. für physikalischen Unterricht 1897, Heft 5, 217 bis 233. Diesem Theile war ein allgemeiner Theil voran- geschickt (16. März 1897, 65 — 72, in dem die Geologie als Gegenstand der Anknüpfung allgemein erörtert wurde. Die vielfach fehlende allgemeine Bildung in dieser wichtigen Wissenschaft in Deutschland, die für Jeden des Interessanten genug bietet, da jede Gegend als Ausgangs- punkt genommen werden kann, ist auf den -fast ganz fehlenden Unterricht in den Schulen zurückzuführen. Bei dem diesmaligen Ferieneursus wurden zunächst einige Resultate der geologischen Experimente gezeigt, Efflores- cenzen, Miueralbildungen durch Diffusion, künstliche Sedi- mentirungen, die bei jedesmaliger Zerstörung der Schichten sich genau wieder in derselben Folge niedersetzen, künst- liche Dendriten und andere Durchsickerungsversuche, wie sie in der oben erwähnten Abhandlung geschildert sind. Hauptsächlich aber erstreckten sich die Vorträge auf die Erklärung der Sammlung, die ausser dem geologischen Haupttheile noch einige andere Anschauungsmittel darbot, so wurde die Eichler'sche Stoffsammlung und ihre Ver- wendung im Unterricht, einige geographische Reliefs aus den Kalkalpeu Oberbayerns von St. Dinget in Windelheim (München, Max Kettevers Verlag) und einige physikalische Apparate, Wellenapparat und Bogenlampe mit Handregulirungen sowie das Richter'sche Modell eines Gasmotors demonsfrirt. Besprochen in Beziehung auf unterrichtliche Ver- werthung wurden die mineralogischen und geologischen Anschauungsmittel der Firma Droop in Dresden-Planen (Härteskala, Entstehung der Ackerrode, Basaltsäulen etc.), wie denn überhaupt die unterrichtliche Verwerthung der einzelnen Stücke der Sammlung in Beziehung auf Pen- sum, Klasse und Gegenstand (Physik. Geographie) be- sonders hervorgehoben wurde. So besonders die geo- logische Wand im Humboldthain; die geologischen Wand- tafeln von Hippolyt Haas, die Bilder aus dem National Park (Zittel'sche Sammlung) und geologische und agro- nomische Karten von Berlin und Umgegend. Ein ganz neues Anschauungsmittel hat die Anstalt durch eine grosse Sammlung der für die Bauten Berlins verwendeten anorganischen Baumaterialien erhalten. Die Stücke haben ca. 2 bis 8 cdm Inhalt und sind würfel- förmig gestaltet. Bei den natürlichen Bausteinen ist eine Seite unbearbeitet geblieben und zeigt den Rohstein, die anderen Seiten zeigen die verschiedenen Arten der Bear- beitung (Politur, Körnung etc.), auch die künstlichen an- organischen Materialien Ziegel und Backstein finden sich in verschiedenen Formen, in denen sie zur Verwendung kommen. Es wird besonders betont, wie verschiedenartig sich solche Anschauungsmittel verwerthen lassen, wie namentlich dadurch gerade auch in kleineren Städten die Aufmerksam- keit der Schüler auf ihre Umgebung gelenkt werden kann. Eine Steinmetzwerkstätte findet sich wohl an jedem Orte, wo eine höhere Schule ist, und gern werden die Inhaber einiges Material liefern; es ist nur ein Stück Rohstein (Abfallstück) und ein bearbeitetes Bruchstück erforderlich. Die Samndung des Dorotheenstädtischen Realgymnasiums, die mehr bietet, als der Unterricht braucht, schlosssich unmittelbar dem Praehtwerke, Berlin und seine Bauten, an, das für die Berliner Schulen mannigfachen interessanten, unterrichtlich verwerthbaren Stoff enthält. Ein Theil der geographischen Sammlungen, die auf geo- logische Anschauungsmittel entfallen, werden jetzt von Herrn Oberlehrer Bohu beschrieben „Die geograpbischcNaturalien- sammlung des Dorotheenstädtischen Realgymnasiums und ihre Verwendung beim Unterricht" (1. Theil, 1899, 1—24), der zweite TheiJ erscheint Ostern 1900). Gerade für die- jenigen, die mit der Geographie als Naturwissenschaft und den einschlagenden Unterrichtsmitteln wenig bekannt sind, giebt die Darlegung ein Mittel zur Orientirung, eben- so für die an der Anstalt neu eintretenden Herren, die in Geschichte, Geographie und Naturwissenschaften unter- richten sollen, die Benutzung der Sammlungen dadurch bedeutend erleichtert. Auch auf einige litterarische Hilfsmittel für geologische Excursionen, die nur zur allgemeinen Orientirung dienen, und zur Verbreitung geologischer Kenntniss beitragen sollen, wurde hingewiesen, so auf die im Bornträger'schen Verlage erscheinenden Wegweiser und die Senft'schen Hefte: Geognostische Wanderungen in Deutschland. Schliesslich mag das Verzeichniss der Bausteine folgen und zwar nur nach Gruppen geordnet: I. Granite von 9 Fundorten, II. Farm von 2 Fundorten, III. Kalkstein von 13 Fundorten, IV. Marmor von 8 Orten, V. Dolomit von 1 Fundort, VI. Schiefer von 1 Fundort, VII. Sandsteine, a) schlesische .... von 14 Orten b) hannoversche . . . „ n c) aus der Prov. Sachsen „ d) Anhalt „ „ e) Bückeburg . . . . „ „ f) Fränkische . . . . „ „ g) Württemberg . . . „ „ •2S Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 3. h) Pfalz von 1 Ort i) Königreich Sachsen . ,, 3 Orten k) Braunschweig ... „2 ,, VIII. Tuffstein von 2 Orten. IX. Syenite von 2 Orten, üass sich daran geographische Schilderungen an- schliessen lassen, bedarf kaum des Hinweises. Schwalbe. Kgl. Bezirksgeologe Dr. H. Potonie: Ucber die Ent- stehung der Kohlenflötze. Zunächst sprach der Vortragende über die früheren Ansichten hinsichtlich der Entstehung der mineralischen Kohle, wie über die alte Annahme, dass sie durch eine Verdichtung des Kohleudioxyds der Luft, also als anorga- nisches Product entstanden sei, er- wähnte, dass einzelne Forscher, wie Scheuchzer(1706),Beroldingen(1778), Rouelle, Jussieu, die namentlich von Goeppert (1848) eingehend begrün- dete Thatsache, dass sie pflanz- licher Herkunft sei, schon sehr früh behauptet hätten und betonte, dass dementsprechend schon Button (1835) und Link (1838), dann Gümbel (1883) in der Steinkohle pflanzliche Zellen und Reste von solchen nachge- wiesen hätten. Beroldingen, Ad. Brongniart hatten für die Entstehung der Kohlenlager aus Pflanzen, die an Ort und Stelle wuchsen, d. h. für Autochthonie plaidirt, vergleichbar unseren heutigen Mooren; dann wurde meist die allochthone Ent- stehung angenommen, während jetzt nach besserer Kenntniss der That- sachen, welche die Flötze, ihr Han- gendes und Liegendes bieten, immer mehr und mehr eingesehen wird, dass das Gros der Flötze in der Tliat autochthou ist. Der Gegensatz der Autochthonie und Allochthonie wurde vom Redner eingehend erörtert; es sei hier nur darauf liingewiesen, dass sich autochthone Fossilien durcli iine gute und ausgiebige Erhaltung, die Wedel z. ß. oft zwischen dem Gestein sauber ausgebreitet, wie getrocknete, recente Pflanzen in einem Herbarium, während allochthone Reste sich als „Häcksel" erhalten zeigen, der sogar zuweilen noch durch die mehr oder minder auffällige Parallelität der einzelnen Fetzen die Richtung der ursprünglichen Wasserströmung, welche diese Häcksel- bestandtheile einschwemmten, zu erkennen giebt: Fig. 1 (Näheres über Auto- und Allochthonie im „Lehrbuch der Pflanzenpalaeontologic" des Vortragenden, Berlin 1899, S. 333 if.) In der That giebt das eingehende Studium des Werdens unserer Moore einen trefflichen Anhalt zum Verstäudniss der Entstehung z. B. der Steinkohlenflötze, die allermeist „fossile AValdmoore" sind, Fig. 2. Die allgemeine An- sicht, dass in erster Linie als Vorbedingung eine wasser- undurchlässige Schicht nöthig sei und die Moorbildung am besten in Mulden vor sich gehe („lokale Moorbildung"), ist dahin zu modificiren, dass die Hauptmoorbildungen wie sie sich über ganze Regionen erstrecken, in erster Linie von dem ständigen Vorhandensein genügender Luft- feuchtigkeit abhängig ist („regionale Moorbildung"), so- dass besonders oft Moore gerade auf den feuchten Höhen der Gebirge sich finden, wie auf der ganz vermoorten Höhe des Bruchberg-Ackers und des Brockens im Harz, und hier wie in der Ebene Wälder, welche die verlangte Feuchte schafTen, die Veranlassung zu ausgebreiteten Moorbildungen waren; viele grossen Moore, die heute keine Waldnioore sind, haben sich denn auch nach Untersuchung ihres Liegenden als aus Wäldern hervorgegangen ergeben. Die geeigneten Wälder vermoosen zunächst meist, um dann zu vermooren, und das Moor frisst gewissermaassen das ursprünglich blosse Land allmählich auf und greift immer weiter um sich. Wie das Vorhandensein unserer „Grünlandmoore" beweist, ist übrigens die Vermoosung einer Land- strecke als erstes Stadium einer Vermoorung durchaus nicht erforderlich; es sei dies betont, weil aus der Thatsache, dass es zur Steinkohlenzeit sehr wahr- scheinlich keine Moose gegeben hat, der Trugschluss gezogen worden ist, dass dem- nach auch die Flötze nicht aus Mooren hervorgegangen sein könnten. Es können die Moore Wald- moore bleiben wie unser Spree- wald, oder es kann, wie meist bei uns, der Wald verschwinden. Die „Ortsteinbildung" unterstützt durch Schaffung einer undurchlässigen Schicht die Moorbildung oft wesent- lich; er kommt dadurch zu Stande, dass humose Stoft'e der verwesenden, den Boden bedeckenden Pflanzen- theile durch Regenwasser gelöst und von an Mineralstoflfen reicheren Bodenschichten wieder ausgefällt werden, sodass in einer gewissen Tiefe unter der schon ausgelaugten Gesteins- (Sand-, Lehm- u. s. w.) Decke oft eine continuirliche Schicht z. B. von Humussandstein entsteht, der also durch Humusstoffe ver- kitteter Sand ist. Da sich bei uns der Wald aus der nach der Eiszeit vorhandenen Steppe ent- wickelt hat, so hätten wir hier die Entwickelung nach dem folgenden Schema : mt PariUel Häcksel m der natui hellen fetembnich in dei Culmgran^^ acke \ on Ebendorf bei Magdebuig WaMmooic (Spvecwald) oder unbew.-ildete Moore Steppe im natürlichen Verlauf fe der Cultur nicht vor- wohl einer fast voll- Es geht daraus hervor, dass der Dinge, d. h. wenn die Eingrif banden wären, unsere Heimath ständigen Vermoornng entgegen gehen würde. Man kann also nach der Eiszeit sprechen von einer 4. Moorzeit, der wir jetzt entgegengehen würden, ;',. Waldzeit, 2. Steppenzeit und von 1. einer Eiszeit. Es ist wenig bekannt, wie stark vermoort schon jetzt Norddeutschland ist. Wir haben (nach dem Protokoll der 41. Sitzung der Central- Moor-Comraission 1898. Berlin 1899: Denkschrift Fleischer's, Ucber den gegenwärtigen Stand der Moorkultur): XV. Nr. 3. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 29 in Hannover fast 15 7o Moorland, „ Pommern über 10 Vo „ „ Schleswig-Holstein über 9 % Moorland und „ Brandenburg fast 9 7« Moorland u. s. w. Die Entstehung von bleibendem (fossilem) Humus ist durchaus abhängig von dem Vorhandensein ständiger Feuchtigkeit; wo sie hinreichend mit Trockniss ab- wechselt, also wo die chemischen Bedingungen sehr wechselnd sind und die verwesenden Pflanzen-Materialien stark angreifen, kann ein Moor nicht entstehen. Wir haben denn auch bei uns je nach den Verhältnissen alle Uebergänge von sandig bleibenden Wäldern durch Park- böden, Moor-Erden bis zu Mooren, die chemische Umbildung wegen besseren Abschlusses weit langsamer vor sich geht. Erst in zweiter Linie sind die beiden genannten Hauptkohlensorten in ihrem Werden von ihrem geologischen Alter abhängig. So sind die älteren Kohlen des Saar-Rheingebietes fette Kohlen, die jüngeren magere Kohlen, im Ruhr-Revier jedoch im Ganzen die älteren Kohlen die mageren und die jüngeren die fetten. Wo anders endlich (Aachener Gegend) kann man beobachten, dass ein und dasselbe Flotz in dem besser von der Einwirkung der Atmosphärilien geschützten Theil fett, in dem schlechter geschützten hingegen mager ist. Eine allgemein gültig sein sollende Berechnung, wie- viel ursprünglich lebendes Pfianzenmaterial dazu gehört, Rcconstiuction einer Landschaft der mittleren productiven Steinljolilenzoit nach einer vom Vortragenden veröffentlichten Wandtafel (vergl. Näheres in der Erläuterung zu dieser Wandtafel (Berlin-Leipzig 1899) oder „Naturw. Wochenschr." 1898, Band XIIL Seite 613 ff., 1899, XIV, Seite 32). Die Steinkohlen bestehen nicht aus freier Kohle, sondern aus Verbindungen von Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Wie beim Glühen des Zuckers giebt auch die Steinkohle erst nach dem Glühen, wodurch der AVasser- und Sauerstoff in Gasverbindungen, auch als Kohlenwasserstoffe, entweichen, das Element Kohle. Die Kohle kann schmelzen; sie zersetzt sich, itnd es bleibt Coaks, d.h. Kohle einschliesslich derAschenbestandtheile der ursprünglichen Pflanzen zurück. Die Unterscheidung in Mager- und Fettkohlen bezieht sieh auf den Gasreich- thum, namentlich SauerstoftVeichthum der letzteren; die Bildung derselben ist abhängig von der Bedeckung der Kohlenflötze: bei den Magerkohlen haben die Atmo- sphärilien leichteren Zutritt gehabt, wodurch sicii die Kohle an Kohlenstoff anreicherte wegen der leichteren Möglich- keit, die Gase abzugehen, während bei den Fettkohlen um ein Kohlenlager von bestimmter Mächtigkeit zu er- zeugen, ist nach dem Gesagten ganz müssig, da die ein- getretene Volumen-Reduction durchaus davon abhängig ist, in wieweit die Atmosphärilien Zutritt hatten. Die wichtigste Substanz für die Kohlebildung ist die Cellulose. Sofern diese dem Holz, das aus Cellulose und den unter dem Namen „Lignin" zusaminengefassten „in- crustirenden Substanzen" besteht, durch chemische Ein- flüsse bei der Verwesung entzogen werden kann, trägt auch das Holz zur Kohlebildung bei, sonst erhält sich Holz als verkohltes Holz, schliesslich als Holzkohle. Man kann denn auch in der That nicht selten wirkliche Holzkohle in der .Steinkohle beobachten, und in Brauu- kohlen ist das eventuell noch vorhandene Holz als solches ebenfalls noch deutlich erkennbar halbverkohlt (dunkelgebräunt) erhalten und als Brennmaterial ganz 30 Natuiwissenscbaftlicbe Wochenschrift. XV. Nr. 3. geringwerthig, weil ihm im Verlauf der chemischen Veränderungen die als Brennmaterial werthvolleii Bestand- theile entzogen worden sind, die eventuell mit zur Entstehung der das Holz einbettenden Braunkohle beitragen. Die Substanz, welche die fertige Miueralkohle bildet, ist eben zum grossen Theil ursprünglich in Lösung gewesen und hat sich aus dem Wasser wieder niedergeschlagen (,,In- kohlungsprocess" Gümbers). Man kann sich eine Anschauung davon verschaffen durch Beachtung der hellkaffeebraunen Färbung, welche zu Zeiten die aus Moor - Revieren kommenden Bäche zeigen, wie z. B. die Ilse u. s. w. im Harz. Auch die kohlig-schwarze Färbung der Brand- und Thon-Schiefer der Steinkohlenformation kommt vielfach durch ursprüngliche Imprägnation in Wasser gelöst ge- wesener huniöser Stoffe zu Stande. Druck und Hitze, die man so gern heranzieht, sind für die Entstehung von Kohlenlagern her unwesentlicher. Zur Veranschaulichnng des Gesagten dienten zahl- reiche Materialien aus der grossen Sammlung der Königl. geologischen Landesanstalt und Bergakademie und die vorn (Fig. 2) erwähnte Wandtafel, deren Einzelheiten dcmonstrirt wurden. Auf der von Herrn H. Potonie geleiteten Excursion nach dem Harz, die von Wernigerode auf den Brocken und von dem Gipfel desselben hinab nach Ilsenburg führte, wurde zur Illustration des Vortrages ein von der neuen Brockenbahn durchschnittenes Torfmoor besichtigt, auf das (freilieh zur Zeit gerade nicht sehr deutliche) moor- braune Wasser der Ilse aufmerksam gemacht und endlich eine Fundstelle mit allochthonen Pflanzenresten in der (Culm?) Grauwacke bei Ilsenburg besucht, die reiche Häcksel-Funde bot. Die aus Anlass des Feriencnrsus veranstaltete Aus- stellung war von 20 Firmen beschickt, welche fast ausschliesslich physikalische und chemische Unterrichts- mittel ausgestellt hatten. Die Ausstellung fand in der -Vula des Dorotheenstädtischen Realgymnasiums statt und war an 7 Tagen von 10 bis 5 Uhr jedermann zugänglich. Die Buchhandlung Georg Winkelmann (W. Ober- wallstr. 14 — 16), welche in Berlin wohl das reichste Lager von Wandtafeln für die verschiedenen Unterrichtszweige hält, hatte eine grosse Zahl von scliwarzen und farbigen Wandtafeln fih- den Unterricht in der Physik, Chemie und Technologie ausgestellt, von denen besonders einige neue Tafeln sich durch guten Maassstab, klare und in kräftigen Farben ausgeführte Darstellung auszeichneten. Solche Tafeln sind auch für Anstalten, welche über reichere Mittel verfügen, z. B. bei Wiederholungen, von Werth. Die Ausstellung des naturhistorischen Instituts (Lin- naea (N. Invalidenstr. 105) enthielt zerlegbare, aus Papier- masse hergestellte Anschaunngsstücke für den Unterricht in der Anthropologie, vorzüglich präparirte Skelette, die rühmlichst bekannten Präparate über die Eutwickelung der Insecten, sehr schöne zootomische Spritpräparate, und zwar sowohl Situs-Präparate, welche ein Gesammt- bild der Lagerungsverhältnisse der inneren Organe in ihrer natürlichen Anordnung zeigen, als auch Injections- präparate, bei denen die Arterien mit einer intensiv rothen Masse ausgespritzt und daher deutlich sichtbar sind, und endlich Nervenpräparate, welche den Verlauf des Rücken- marks und der davon ausstrahlenden Nerven veran- schaulichen. Viel Interesse fand auch eine reichhaltige Sammlung von Hölzern und eine Sammlung von Erzeug- nissen deutscher Colonien. Die Fabrik chemischer, elektrochemischer und bacterio- logischer Apparate Max Kahler und Martini (W, Wil- helmstr. 50) hatte neben zahlreichen Gebrauchsgegen- ständen für den chemischen Unterricht Apparate für Elektrochemie wie Elemente, Regulirwiderstände, Elek- troden, Strommessapparate, elektrische Oefen und den sehr preiswerthen Heissluftmotor nach Heinrici ausgestellt. Die Glasbläserei war durch die beiden Firmen W. Niehls und Max Stahl vertreten. Die Ausstellung von W. Niehls (N, Schönhauser - Allee 171) enthielt mehrere Neuheiten, so einen Apparat für die Demonstra- tion des Gasdruckes nach Oberlehrer Frick, welcher als Barometer, offenes und geschlossenes Manometer benutzt werden kann und dessen Handhabung äusserst einfach und bequem ist (30 M.); sehr demonstrativ war auch die in zwei Ausführungen vorhandene Zusammenstellung zur Veranschaulichung der Herstellung und Einrichtung von Thermometern, welche die Herstellung eines Thermo- meters in 7, bezw 12 Stadien zeigte. Verbesserungen hatte auch aufzuweisen das Metallthermometer nach Breguet. Bemerkenswerth waren auch die ausgestellten, amtlich geprüften Thermometer für Temperaturen bis — 120° imd bis -4-583° aus Jenenser Borosilikatglas, das Hypsometer, der Hofmaun'sche Zersetzuugsapparat, der sich durch kräftige Platinverbindung auszeichnete und die für Glasarbeiten höchst empfehlenswerthe Härte- skala für Glas, welche eine Auswahl der dauerhaft ver- schmelzbaren Glassorten ermöglicht. Max Stahl (NW, Philippstr. 22) hatte ausgestellt eine automatische Queck- silberluftpumpe eigener Construction, eine Canalstrahlen- röhre nach Goldstein, Wasserstrahlpumpen und -Gebläse, einen Hofmanu'schen Apparat zur Schwefelsäurezersetzung, Lichtmühlen und Crooke'sche Röhren, sowie einen Satz vor der Lampe geblasener Bechergläser. Als Specialität in Projections- und Beleuchtungs- apparaten hatte E. Meckel (NO, Landsbergerstr. 85) einfache und doppelte Projectionsapparate, Lampen für Petroleum, Acetylen, Kalklicht, Zirconlicht sowie für elektrisches Bogenlicht ausgestellt. Ebenfalls mit Special- apparaten war vertreten Otto Bohne (S, Prinzenstr. 90), mit selbstregistrirenden Baro-, Thermo- und Hygrometern, sowie mit Aneroiden, 'deren eines speciell für Schulzwecke unter einer Glasglocke hermetisch abgeschlossen durch Blasen oder Saugen mittels eines Gummiballes das Steigen oder Fallen des Barometers veranschaulicht. Auf die Ausstellung neuer Specialapparate hatte sich diesmal auch Ferdinand Ernecke (SW, Königgrätzerstr. 112) beschränkt. Erwähnt seien der elektrolytische Wehnelt- ünterbrecher, eine Difterentiallampe nach Zwick-Ernecke, eine Tangentenbussole nach Kolbe, Apparate zur De- monstration des Gesetzes der Wheatstone'schen Brücke nach Spies in zwei Ausführungen (flu- elektrischen und für Wasserstrom), die Radwage nach Johaunessohn (in zwei Ausführungen), einen Projectionsapparat nach Kolbe, Liehtbrechungsapparate nach Kolbe und nach Mülilenbein. Grössere Sammlungen von Apparaten aus verschiedenen Gebieten hatten ausgestellt Lepp in und Masche, Herbst und Gebhardt. Von den Apparaten der Firma Leppin und Masche (SO, Engel-Ufer 17) sei erwähnt die Wellen- maschine nach Thompson zur Demonstration der Fort- pflanzung elektrischer Wellen, Hertz'sche Spiegel im kleinen Format, ein neues Vertikalgalvanometer mit zwei aus- wechselbaren Spulen, eine Acetylenlampe zum Projections- apparat, ein Apparat zur ProjectionLissajous'scher Figuren, ein Schulkathetometer mit Fernrohr (mit Fadenkreuz) und Mikrometerschraube (G5 M.), ein Sphäromctcr V200 •"»i '''"" gebend, eine hydraulische Presse mit drehbarem Hebel (dicht bis 140 Atmosphären). Die Ausstellung von A.Herbst (0, Krautstr. 26 a) enthielt unter Anderen mechanische, XV. Nr. 3. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. optische und akustische Apparate nach Szymäriski, den Apparat zur Veranschaulichung des Trägheitsmoments nach Max Koppe, einen Projectionsapi)arat, eine durch gute Isolation sich auszeichnende Influenzmaschine, das Modell eines Automaten, eine neue Wärmemühle, ausser- ordentlich empfindliche Goldblattelektroskope zur An- stellung des Volta'sehen Fundamentalversuchs. Die Appa- rate von Paul Gebhardt (C, Neue Schönhauserstr. 6) umfassten alle Gebiete der Physik, darunter auch solide gearbeitete Apparate für solche Anstalten, welche nur über geringe Geldmittel verfügen. Besondere Construetionseigenthümlichkeiteu boten die Apparate von F. A. Hintze (N, Metzerstr. 29) dar, so ein Apparat zur Bestimmung des Ausdehnungskoefficienten fester Körper, bei dem der zur Erhitzung dienende Wasser- dampf von beiden Seiten in die Metallröhreu geleitet wird und in der Mitte entweicht, wodurch eine sehr gleichmässige Erwärmung erzielt wird. Der Apparat kann auch zur Demonstration der Hitzdrahtinstrumente dienen, welche zur Messung von Wechselströmen ange- wendet werden, wenn ein dünner Draht statt der Röhre ausgespannt und ein elektrischer Strom hindurch geschickt wird. Bei dem Spektralapparat war der Spalt für chemische Versuche durch eine abnehmbare Glimmerplatte geschützt und das Prisma leicht auswechselbar gegen ein Gitter. Der ausgestellte Projectionsapparat konnte mit einem elektrischen Handregulator (60 M.) oder einer Acetylen- einrichtung (30 M.) betrieben werden. Der ausgestellte Apparat wurde bei dem Vortrage des Herrn Dr. Schott benutzt und bewährte sich gut. Ausgestellt waren auch nach dem nassen Collodiumverfahren hergestellte Dia- positive der Porträts berühmter Physiker in einer für den Projectionsapparat geeigneten Grösse. Sehr preiswerth waren ein Spiegelgalvanometer mit Glockenmagnet und verschiebbaren Rollen vom Gesammtwiderstande 500 Ohm und 1,24 Ohm (45 M.) und ein vereinfachtes aperiodisches Spiegelgalvanometer nach Thomson mit vier Rollen von je 3,5 ( »hm (45 M.). Erwähnt seien auch das Rebenstorf- sche Thermoskop und ein Sieniens'sches Doseurelais. Mit Influenzmaschinen Wimshurst'schen Systems im Preise von 20 bis 150 Mark und zugehörigen Neben- apparaten war Alfred Wehrsen (SO, Brückenstr. 10b) vertreten. Schon die Maschine von 20 cm Scheibendurch- messer (20 M.) gaben Funken von 9-10 cm Länge. Drei Accumulatorenfabriken hatten die Ausstellung beschickt. Die Accumulatorenwerke Zimmermann & Co. (W. Friedrichstr. 59—60) hatten ausgestellt Accu- raulatoren für transportablen Betrieb mit Säure- und Trockenfüllung, eine 1 kg schwere tragbare elektrische Sicherheitslampe, bei welcher mit 3 Troeken-Accumulatoren eine ö'/j Volt-Lampe circa 3 Stunden gespeist wird, Hartgummikästen, Isoliermaterial und einzelne Platten. Auch die Accumulatoreu- und Elektricitäts- Werke vormals W. A. Boese & Co. (SO. Köpenickerstr. 154) hatten eine Sammlung von Platten und Rahmen sowie eine Reihe von Elementen, einzeln und in Kästen zu- sammengebaut, in Glas- und in Celluloidgefässen sowie einen Pachytropen ausgestellt. Die Gülcher- Accumu- latoren-Fabrik (NW., Spenerstr. 23) zeigte ebenfalls transportable Accumulatoren in verschiedenen Typen. Ausschliesslich galvanische Apparate enthielt die Aus- stellung von Keiser & Schmidt (N., Johannisstr. 20) Funkeninductoreu, die grösseren mit auswechselbarem Unterbrecher (Platin-, Deprez-Unterbrecher, Quecksilber- wippe, rotirender Quecksilberunterbrecher für schnelle Unterbrechungen), Thermosäule nach Rubens, Ampere- und Voltmeter, ein Universal- Vertikal-Galvanometer nach Deprez d'Arsonval, das Szymariskiscbe Spiegelgalvano- meter, eine Walzenmessbrücke und einen Kondensator nach Kohlrausch, verschiedene Rheostate, die Szyraanski- schen Apparate zur Demonstration der Marconischen Versuche, eine Handdynamomaschine für Gleichstrom und eine solche, welche auf Gleichstrom oder mehrphasigen Wechselstrom geschaltet werden konnte. Die Specialfabrik elektrotechnischer Instrumente und Apparate von Dr. Paul Meyer (Berliu-Rummelsburg, Boxhagen 7—8) hatte ein Schaltbrett ausgestellt, wie es von ihr für die Luisenstädtische Ober-Realschule in Berlin für 110 Volt Netzspannung ausgeführt ist. Als Vorschaltwiderstand dienten Glühlampen. Das Haupt- arbeitsgebiet dieser Firma, Messapparate, war durch Volt- und Amperemeter und zwar sowohl in aperiodischen Präcisionsapparaten, wie in Weicheiseninstrumenten in den verschiedenen Messbereichen, Formen und Preislagen reich vertreten, ebenso metallene Regulirwiderstände, Aus- und Umschalter, Sicherungen etc. Den Hauptanziehungspunkt der Ausstellung bildete der Aufbau der Allgemeinen Elektricitäts-Gesell- schaft (NW., Schiffbauerdamm 22). Die Gesellschaft hatte eine besondere Leitung nach der Aula legen lassen, um ihre Apparate in Thätigkeit zeigen zu können. Aus- gestellt waren Funkeninductoreu bis zu 50 cm Funken- länge, eine vollständige Einrichtung zu Versuchen mit Röntgenstrahlen, betrieben mit einem Funkeninductor von 50 cm Funkenlänge, Turbinenunterbrecher, Glühlampen in verschiedenen Formen, Grössen und Helligkeiten, Glüh- lampenfassungen, Elektromotoren für Gleich-, Wechsel- und Drehstrom, elektrische Ventilatoren, elektrische Heiz- und Kochapparate, Löthkolben mit Bogenlichtheizung, Vorschalt- und Regulirwiderstände, Volt- und Ampere- meter, Kurbel- und Hebelausschalter, Sicherungen, Leitungs- materialien in Kupfer und Aluminium, in Draht und leicht biegsamen Drahtseilen, Isolirmaterialien in Gummi und Guttapercha, Stabilit, Mikanit und Glimmer. Auch hatte die Gesellschaft eine reiche Sammlung ihrer Veröffent- lichungen ausgelegt und ihre Ausstellung mit werthvoUen Abbildungen ihre grossartigen Anlagen geschmückt. Von auswärtigen Firmen hatte Dr. Stöhrer & Sohn in Leipzig eine Bogenlampe mit Handregulierung und einen für die Projection geeigneten Wellenapparat zur Demonstration der stehenden und der fortschreitenden Welle ausgestellt. R. Heyne. Altägyptisches Porzellan. Die Streitfrage, ob die alten Aegypter Porzellan herzustellen verstanden haben, glaubt Le Chatelier in bejahendem Sinne entscheiden zu können. Unter den in Gräbern gefundenen Sachen sind wiederholt welche aus Porzellan beobachtet worden, aber diese galten für aus Indien eingeführte Fabrikate. Nun erklärt jedoch Le Chatelier in Comptes rendus, 1899, No. 7 das zu Saggarah bei Memphis gesammelte Bruchstück einer Grabfigur mit hieroglyphischer Inschrift, die demnach in Aegypten selbst gefertigt ist, für Porzellan imd zwar für ein wirkliches Weichporzellan. Das Stück zeigt harte und durchscheinende, blassblaue Masse und be- steht in lluuderttheilen aus 5,8 Natron, 1,7 Kupferoxyd, 2,1 Kalk, 1,4 Thonerde, 0,4 Eisenoxyd und 88,6 Kiesel- säure; mau erhalte ein ganz ähnliches Product, wenn man 40% kupferhaltiges blaues Glas, 55 7o zerstossenen Sand und 5 7o weissen Thon zur Masse verwende (nach der chemischen P^rmel 3,3Si02 • 0,23CaO • 0,13CuO • 0,64Na20; wo bleiot AI.3O3V der Berichterstatter) und bei einer Temperatur von 1Ö50'* brenne, während bei Steige- 32 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. a. rung anf 1200" die Färbung von blassblau nach grün umschlage; da diese Masse im feuchten Zustande nur geringe Plasticität besitze, habe sie nur zu so stark ge- drungenen Gestalten geformt werden können, wie die ägyptischen Statuetten darstellen. — Der angeführten chemischen Zusammensetzung nach, die nicht nur von der des chinesischen, sondern auch von der jedes andern nor- malen Porzellans vollständig abweicht, dürfte die Auf- fassung Le Chateliers wenig Beifall finden und das beobachtete Stück eher zu den Glasflüssen als zu den keramischen Producten zu rechnen sein. 0. L. Die Macht der Suggestion tiitt in besonders ekla- tanter Weise in einem einfachen Experiment hervor, das Prof. Slosson von der Universität Wyoming kürzlich in einer seiner Vorlesungen gemacht hat und über welches er in der Psychological Review berichtet. Nachdem er einige andere Versuche gemacht hatte, stellte er eine mit einer hellen Flüssigkeit gefüllte, ver- korkte Flasche auf den Tisch und erklärte feststellen zu wollen, wie lange Zeit nach dem Entkorken der Flasche vergehen würde, bis seine Zuhörer den Geruch der Flüssig- keit wahrnehmen würden. Der Geruch der gewählten chemischen Verbindung sei bestimmt keinem der An- wesenden bekannt; zwar sei er ziemlich intensiv, hoft'ent- lich werde er aber niemand lästig fallen. Bevor nun Slosson die Flasche entkorkte, bat er seine Zuhörer, die Hand zu erheben, sobald sie den Geruch wahrnähmen. Darauf öffnete er die Flasche, goss einen Theil der darin enthaltenen Flüssigkeit auf ein Stück Watte, wobei er das Gesicht abwandte, um sich dem scharfen Gerucli möglichst wenig auszusetzen, zog die Uhr und wartete einige Sekunden. Nach 15 Sekunden hatten die meisten der ihm zu- nächst sitzenden Personen bereits die Hand erhoben, nach 40 Sekunden erklärten ^4 der Hörer den Geruch zu spüren, auch auf den entferntesten Plätzen des Saales. Von den übrigen Personen, die vorwiegend männlichen Geschlechts waren, hätte sich wohl auch gar mancher noch gemeldet, wenn nicht einige Personen auf den vordersten Reihen sich durch den Geruch so unangenehm belästigt gefühlt hätten, dass sie den Saal verlassen wollten, wodurch Slosson sich veranlasst sah, den Ver- such abzubrechen und zu erklären, dass jene so intensiv riechende chemische Flüssigkeit nichts als — Wasser sei. H. Die Ziisanimeusetzung und der Nährwerth der wichtigsten Früchte. Hierüber wurde der französischen Akademie am 16. October ein Bericht von Ball and vor- gelegt, der zu diesem Zwecke untersucht hatte: Wein- trauben, Orangen, Hasel- und Walnüsse, Granaten, Johannisbeeren, Feigen, Bananen, Oliven, Datteln, Apri- kosen, Mandeln, Kirschen, Quitten, Erdbeeren, Himbeeren, Mispeln, Pfirsiche, Birnen, Aepfel und Pflaumen. Alle Früchte enthalten im Zustande der Reife 72 bis 92 Procent Wasser; in den mehr oder weniger getrocknet in den Handel kommenden Früchten, wie Rosinen, Prünellen, Hasel- und Walnüssen, Feigen und Mandeln übersteigt dieser Gehalt selten 33 Procent und beträgt bei Mandeln und Nüssen oft sogar weniger als 10 Procent. In den fleischigen Früchten bewegt sich die Menge von stickstoffhaltiger, das vegetabilische Eiweiss dar- stellender Substanz zwischen 0,25 Procent in der Birne und 1,45 Procent in der Banane, dagegen ist sie viel höher, nämlich 15—20 Procent der Trockensubstanz bei den Nüssen und Mandeln. In noch geringern Mengen sind im Allgemeinen die Fette und alle in Aether löslichen Substanzen (ätherische Oele, Harz und Farbstoff) vertreten, in welcher Beziehung jedoch die Oliven, Mandeln und Nüsse auffällige Ausnahmen darstellen, da in ihnen das Oel (mit 58—68 Procent der Trockensubstanz) herrscht. — Auch an Aschensubstanzen, von denen die der Feigen, Birnen und Prünellen Spuren von Mangan aufweisen, sind die Früchte arm, ebenso an inerter Cellulose, von der sich merkbare Mengen nur in Quitten und Mispeln finden. Den stärksten Säuregehalt (1,25 Procent) besitzen die Himbeeren und Johannisbeeren. Zucker und sogenannte Extractivstoflfe (Stärke, Dextrine, Pcctiue, Gummi, ver- zuckerbare Cellulose, organische Säuren) stellen mit dem Wasser die Hauptmasse der in fleischigen Früchten ent- halteneu Bestandtheile dar. Der vollständig assimilirbare Zucker spielt die Hauptrolle bei der Ernährung; die Früchte, wie Bananen, Datteln und Feigen, die von ihm die grössten Mengen enthalten, bilden in Wahrheit Kohlen- hydrat-Nahrungsmittel. Die Extractivstoffe wirken auch nach Art des Zuckers, aber in geringerem Maasse, da sie weniger verdaulich sind. Mit seltenen Ausnahmen sind also die Früchte wenig nahrhaft und können nicht als Nahrungsmittel gelten: ihre Säfte spielen vielmehr die Rolle von Würzen oder Leckerbissen, die unscrm Geschmack mehr oder weniger durch Duft, Frische oder Säure schmeicheln. 0. L. Den Einfluss verschiedener Beleuchtuugsarten auf das menschliche Auge will nach einer Mittheilung des ^ElektrotechnischenAnzeigers" ein russischer Arzt, Dr. Kotz, feststellen durch Zählung der Lidbewegungen in einer Minute, indem er von der Thatsache ausgeht, dass sich das Augenlid stets dann bewegt, wenn die Netzhaut oder die Muskeln des Auges ermüdet sind. Er stellte fest, dass bei Kerzenlicht . . 6,8 Lidbewegungen in der Minute „ Gaslicht ... 2,8 ,/ „ „ „ „ Sonnenlicht . . 2,2 „ „ „ „ „ elektrischem Licht 1,8 „ „ „ „ stattfanden. Darnach ist das elektrische Licht für die Augen am vortheilhaftesten und gesundesten. Als schädlich ist jede Beleuchtungsart zu bezeichnen, welche mehr als 3 Lid- bewegungen in der Minute veranlasst. H. Illustrirte Wetter-Monatsübersicht. (December.) — Der vergangene December erwies sich als ein rechter Wintermonat mit Schnee und Eis, wie ihn Deutschland seit Januar 1897 nicht mehr kannte Seine mittleren Wärmeverhältnisse spiegeln sich am besten in den Auf- zeichnungen von Berlin wieder, die wegen der geo- graphischen Lage der Hauptstadt den Durchschiiitts- teniperaturen innerhalb des deutschen Reiches ungefähr entsprechen. Wie aus umstehender Zeichnung ersichtlich ist, begann der Monat mit einigen verhältnissmässig warmen Tagen, doch fand von Anfang an eine ziemlich rasche, bis Mitte December fortschreitende Abkühlung statt. Seit dem 8. blieb das Thermometer Tag und Nacht unter dem Gefrierpunkte und die Kälte wuchs bis zum 15. December, an dem das Minimumthermometer in Berlin bis — 18,1" C. herabging und die Mitteltemperatur sich auf — 15,3" G. erniedrigte. Diese lag volle 17 Grade unter ihrem normalen Werthe, und es ist innerhalb der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur ein Decembertag, nändieli der 24. December 1876 mit einer noch um einen halben Grad tieferen Mitteltemperatur vorgekommen. XV. Nr. 3. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Aber auf diese ausserordentliche Kälte folgte eine gleichfalls ungewöhnlich schnelle Erwärmung, so dass bereits am 16. Nachmittags ein sehr hässliches Thau- wetter bcfrann, das bei stets bedecktem Himmel drei Tage lang anhielt. Nach Abnahme der Bewölkung trat dann bald wieder ziemlich strenger Frost auf, der zwar nicht einen solchen Kältegrad wie beim ersten Male er- reichte, dessen Wirkung aber durch scharfe Ostwinde erheblich verstärkt wurde. Gerade zum Weihnachtsfeste setzten mildere südwestliche Winde ein, und am Schlüsse des Jahres stiegen die Temperaturen noch einmal fast so hoch, wie sie zu Beginn des Monats gewesen waren. Diese zwei Frostperioden linden sich überall in ganz Norddeutschland vor, doch trat, wie man aus den in der rv ^cmperafuren im j^cecmScr i899. ^ Berlin: Tägliches Maximum, üez. Minimum. _^__ Tagesmittci, 1899. „_„..., TajesmiH-cl, normal. .Beccmbcr. B. 11. 16. 21. ItlEnrETTEnEUSEtU. Zeichnung mitgetheilten Beispielen erkennt, die zwischen beiden liegende Erwärmung im Osten etwas früher und weniger schroff als im Westen ein; zu Königsberg sank die Temperatur während der zweiten Hälfte des Monats noch zwei Grade tiefer als während der ersten. Gleich- massiger hielt die Kälte in Süddeutsehlaud an, und dort erreichte das Minimumthermometer zu München mehr- mals— 20" C. Die mittlere Mouatstemperatur war allgemein 3 bis 4 Grade niedriger, als für den December normal ist. Für Berlin berechnete sie sich zu — 2,9" C, während der December 1890 sogar — 4,7"C. hatte. In beiden Wintermouaten kam die Kälte theils durch eisige Ostwinde, theils durch die starke Aus- strahlung der den Erdboden bedeckenden Schneeober- fläche zu Stande, gegen welche die Erwärmung durch die Sonne, die im letzten December zu Berlin im Ganzen 53 Stunden schien, bei weitem zurücktrat. Die Niederschläge im vergangenen Monat, die unsere zweite Zeichnung verau.schaulicht, waren in Deutsehland recht häufig, ihre Monatssumme, welche für den Durchschnitt der berichtenden Stationen 47,6 Milli- meter*) betrug, kam dem normalen Werthe sehr nahe, war aber in den verschiedenen Landestheilen ziemlich ungleich. In . den ersten Tagen des December fanden überall sehr zahlreiche Regenfälle statt, die am 5. in Norddeutschland unter heftigen und vielfach von Gewittern begleiteten Nordweststürmen in Schnee übergingen, während im Süden noch vom 6. zum 7. besonders ergiebige, z. B. in Friedrichshafen 40 Millimeter Regen fielen. Seit dem 9. December Hessen dort wie an der Nordseeküste die Niederschläge erheblich nach, wogegen an der Ost- see und im norddeutschen Binnenlande, namentlich öst- lich der Elbe, um so stärkere Schneefälle vorkamen. Nachdem bereits auf den meisten deutschen Flüssen wegen des starken Eises die Schiffahrt hatte eingestellt werden müssen, traten jetzt auch im Eisenbahn- und Landverkehr durch Schneeverwehungen, besonders in Schlesien ÜflliililiflPllfl Mifflerer VIenh Für Deufschland. MonalssumuiEiiimOecpfflt). m.%91 9B. 9b 9f. *) In der Niederschlagszeichming sind in Folge eines erst nachträglich bemerkten Versehens bei der Uebermittelung der letzten Beobachtungen die Monatssumme für 1899 und einzelne Summen vom 24.-31. December, ebenso in der Temperatur- zeichnung mehrere Minima vom 31. unrichtig wiedergegeben worden. E. Less. und Bayern, mancherlei Störungen ein. Nur an wenigen Tagen, vom 19. bis 23. December, war es beinahe in ganz Deutschland trocken. Dann erneuerten sich die Sehneefälle wieder, wurden aber in den letzten Tagen des Monats durch Regen abgelöst, die abermals im Süden besonders reichlich fielen und im grösseren Theile Deutsch- lands mit der Schneedecke am Jahresschlüsse aufräumten. Nachdem am Anfang des Monats ein tiefes baro- metrisches Minimum vom norwegischen Meere südostwärts nach Russland gezogen war, breitete sich über die scandinavische Halbinsel und Finnland ein umfangreiches Maximum aus, das sodann während des ganzen December in Nord- oder Osteuropa verharrte. Da Nordwesteuropa alsbald stark erkaltete, so wurden die oceanischen Depressionen von der Richtung des Golfstromes nach Sudosten abgelenkt und vertieften sich dann jedesmal erheblich auf dem Mittelmeere. Die Folge davon waren für ganz Mittel- und SUdeuropa sehr lebhafte nordöstliche Winde, die an der adriatischen Küste wiederholent- lich zu schweren Borastürmen anwuchsen. In Deutschland drangen vom adriatischen Meere her ziemlich häufig Theihninima ein, die, besonders dem Osten, viel Schnee und nur einmal eine starke Erwärmung brachten. Erst seit dem 23. vermochten mehrere ziemlich flache Minima vom atlantischen Ocean wieder in nord- i östlicher Richtung vorzudringen. Diese waren jedoch nur die Vorläufer einer viel tieferen Depression, bei deren An- { näherung am 29. Morgens das Barometer auf Scilly und zu ! Rochespoint in Irland bis 719 mm herabging, und welche Natur wisseuscliaftlicbc Wocbensclnift. in der ganzen westlichen Hälfte Europas einen raschen j Uebergang /u nassem Thauwetter bewirkte. Dieses un- | gcwöhniicb tiefe Minimum scheint in 4V2 Tagen ostnord- j ostwärts den atlantischen Ocean durchquert /u haben, da am Abend des 24. aus Sydney auf Cape Breton Island j bei Neuschottland ein Barometerstand von 7'20 mm ge- j meldet wurde, und man hätte daher den bevorstehenden ! Wetterumscliwung in Europa vielleicht schon mehrere ! Tage voraussehen können, wenn auch von einigen Punkten I auf dem Ocean bereits Nachrichten vorgelegen hätten. | Dr. E. Less. j Aus dem wissenschaftlichen Leben. | Ernannt wurden: Dr. med. Arthur Groenouw, Privat- 1 docent der Ophthalmologie in Breslau zum ausserordentlichen j Professor; Dr. Willy Marckwald, Privatdocent der Chemie in 1 Berlin, zum ausserordentlichen Professor; Dr. Karl Schlösser, Privatdocent der Ophthalmologie in München zum ausserordent- lichen Professor; Dr. G. Eigler, Uocent der Hygiene in Klausen- burg, zum ordentlichen Professor; Dr. .1. W. Salomonson, Privatdocent der Neuropathologie in Amsterdam, zum ausser- ordentlichen Professor; Dr. Mar.x, Oberarzt am Berliner Institut für Infectionskrankheiten, zum Mitgliede des Instituts für experi- mentelle Therapie in Frankfurt a. M ; Prof. Dr. Ricliard Klebs in Königsberg i. Pr., Hilfsgeologe bei der geologi.sehen Landes- aufnahme, zum Landesgeologeu bei der geologischen Landes- anstalt in Berlin: Prof. Dr. Hermann Kossel. zum Mitgliede j des kaiserlichen Gesundheitsamtes; Dr. Adolf Schenk, Privat- | docent der Geographie in Halle zum ausseroidentlichen Professor; Dr. Arwed Wieler, Privatdocent der Botanik an der teclinischen Hochschule in Aachen zum ausserordentlichen Professor; Dr. Wil- helm KoUe, Assistenzarzt am Berliner Institut für LüVetions- krankheiten, zum Professor; Dr. J. Habermann, ausserordent- : lieber Professor der Ohrenheilkunde in Graz, zum ordentlichen 1 Professor;. Dr. A. Naumann, ordentlicher Professor der Chemie 1 in Giessen, zum Geheimen Hofrath ; Obergeometer im Stadtbau- amt zu Brunn K. Steiner zum Honorardocenten für Geodäsie; die Privatdocenten 0. Schrutz (Geschichte der Medizin) und E. Kimla (Anatomie) an der czechischen Universitiit l'rat;, zu ausserordentlichen Professoren; Dr. K. Storch, Ailjunkt der Chemie an der thierärztlichen Hochschule in Wien, zum nrdent- lichen Professor; die Privatdocenten an der Bergakademie zu Pribram J. Theurer (Mathematik und Physik), A. Harpf (Chemie und Probirkunde) und J. Adamczik (Geometrie) zu ausserordentlichen Professoren. Berufen wurden: 1 >r W. K. liiintgen, ordentlicher Pro- fessor der Physik in Wiirzluirs;, nach München; Dr. Tschirwinski, ausserordentlicher Piott.*scir dor Pharmakologie in Jurjew, als ordentlicher Professor nach Moskau. Es habilitirten sich: Assistent Dr. E. Seefehlner für Elektrotechnik an der technischen Hoch.schule in Dresden; Dr. K. Luther für physikalische und anorganische Chemie in Leipzig. In den Ruhestand treten: Dr. Hofmokl, Professor der Chirurgie in Wien: Dr. F. Mooler, Professor der inneren Medizin, in Greifswald. Es starben: Dr. R. vonHauschka, Professor emeritus der ehemaligen medizinisch-chirurgischen Josephsakademie in Wien Dr. J. R. Lavise, ausserordentlicher Professor der Chirurgie in 1 Brüssel; der Botaniker Walter Götze in Deutsch-Ostafrika; | Dr. Joseph Neuhäuser, Professor der Philosophie, in Bonn; Sir James Paget, berathender Arzt am Bartholomäus-Hospital in London und Honorar-Fellow der königlichen Gesellschaft der Aerzte; der bekannte Ophthalmologe Geheimer Medicinalrath Prof. Dr. Alfred Mooren in Düsseldorf; Geheimer Regierungs- rath Prof. der Chemie Dr. Eammelsberg in Gross-Liehterfelde. L 1 1 1 e r a t u r. ! E. Häckel, Die Welträthsel. Gemeinverständliche Studien über monistische Philosophie. Neue unveränderte Auf- lage. 4. bis .5. Tausend. Bonn, E. Strauss, 1899. 8", VIII. 47 3 S. 9 Mk. Seit mehr als einem Menschenalter steht Häckel an der Spitze des Kampfes für den Monismus, den er in einer Reihe grösserer und kleinerer Schriften, die über die ganze Erde ver- breitet sind, in feuriger Begeisterung geführt hat. Jetzt, beim Herannahen des Alters, drängt es ihn, nochmals die Arbeit seines ganzen Lebens zusammenzufassen, und dem neuen Jahrhundert als sein wissenschaftliches Testament zu hinterlassen. In der Einleitung weist Häckel darauf hin, wie ein grosser Zwiespalt durch unser ganzes Geistesleben gehe, wie unsere staat- lichen und sozialen Einrichtungen keineswegs fortschreiten mit den rasch wachsenden Erkenntnissen der Naturwissenschaften. Als Hauptursache sei unsere rein formale Bildung anzusehen, während doch unsere Zeit eine reale fordere. Besonders ver- hängnissvoll erwies sich der Irrthum des Anthropismus, der Lehre, dass der Men.sch im Centrum der Welt stehe und diese von seinem Standpunkte aus beurtheilen müsse, während er doch nur ein kleines, geringfügiges Glied des Ganzen darstelle und den Gesetzen der Welt unterworfen sei. Jener Standpunkt führte auch zu der Aufstellung der sogen. Welträthsel, die jedoch als gelöst zu erachten sind, sobald wir sie nicht durch metaphysische Spekulation, sondern durch Erfahrung und Schhissfolgerung zu ergründen suchen. Der eigentliche Inhalt des Buches zerfällt in 4 Theile: Der Mensch, die Seele, die Welt und der Gott. Der Mensch ist das heutige Endglied der Entwickelungs- reihen der Organismen auf der Ei'de. Wir können ihn nur ver- stehen, wenn wir .seine Anatomie, Physiologie, Ontogenie und Phylogenie erforschen. Dann ergiebt sich, dass sich der Mensch als höchstes Säugethier im Wesentlichen ebenso verhält, wie diese. Auch seine Seele können wir nur verstehen, wenn wir sie auf demselben Wege empirisch zu erforschen suchen; denn auch die Psychologie ist eine empirische, keine exakte Wissenschaft, sie ist nur ein Zweig der Physiologie. Wir finden dann, dass die Seele eine physiologische Eigenschaft des Protoplasmas, speziell des Psychoplasmas ist, und als solche jeder Zelle zukommt. Ihre höhere Entwickelung beginnt aber erst mit der Ausbildung des Neuroplasmas, d. h. des Plasmas der nervösen Organe. Anfangs ist ihre Thätigkeit noch unbewusst; das ßewusstsein bildet sich erst mit den nervösen Centralorganen aus; es ist eine innere An- schauung oder Spiegelung, und zerfällt in ein Aussen- und ein Innenbewusst.sein. Die individuelle Seele entstellt bei der Ver- einigung der Seelen der Ei- und Samenzelle; sie entwickelt sich mit dem Individuum und stirbt mir, diesem; bei der Ontogenie spielen \'iirsti1hnii;L-n und Gedächtniss des Psychoplasmas als Ur- sachen il.r \'i-r(vbung eine wesentliche Rolle. Der Wille ist Strebung des Protoplasmas, und als solcher nicht frei; der Charakter ist durch die Vererbung gegeben, das Handeln wird bestimmt durch Anpassung an die Au'ssenwelt. Die Welt wird erfüllt von der Substanz, deren Natur heute räthselhafter ist als je. Ihre beiden hauptsächlichsten Attiibute sind die der Materie (des ausgedehnten Stoifes) und des Geistes (der denkenden Energie). Ihr wichtigstes Gesetz ist das ihrer Erhaltung. Die Materie besteht aus zwei Haupttheilen, der Masse und dem Aether, die den ganzen Weltraum so ausfüllen, dass kein leerer Raum bleibt; sie sind in ständiger Bewegung und Wechsel- wirkung, wie überhaupt die Bewegung eine' immanente Eigen- schaft des Stoffes ist. So stellt das Weltall das Perpetuum mobile dar, wobei die Materie der Raum, die Bewegung die Zeit ist. Raum, Zeit und Kraft sind also thatsächlich. Die Materie ist natürlich nicht todt, sondern sie besitzt Empfindung und Willen niedersten Grades (Anziehung und Abstossung). Auch das Leben beruht nicht auf einer übernatürlichen Lebenskraft, sondern ist an die Substanz gebunden und ihren Gesetzen unterworfen. Es kann daher auch keine übernatürlichen Kräfte geben, die als Götter, Geister u. s. w. das Schicksal der Welt lenken. Gott ist nicht extra-, sondern intramundan. Alle theistischen Religionen stellen sich ihn persönlich vor. Die meisten Menschen sind heut zu Tage Mixotheisten, d. h. sie bekennen sich zwar äusserlich zu irgend einer der vorhandenen Religionen oder Kon- fession-^n, weichen aber in ihren Anschauungen und Ueberzeugun- gen vielfach von dieser ab. Um so nölhiger erscheint daher eine einheitliche, befriedigende Lehre, wie sie der Monismus bietet. Dieser stellt keineswegs eine Revolution, sondern nur eine Refor- mation des Bestehenden dar. Selbst die christlichen Feste können übernommen werden, wobei man sie nur ihrer ursprünglichen Bedeutung als Feier von Natur-Ereignissen wieder zu nähern braucht. Die heilige Dreieinigkeit des Christenthums wird ersetzt durch das dreifache Ideal der Wahrheit, Tugend, Schönheit. Die reine Wahrheit ist nur in der Natur-Erkenutniss zu finden. Bei der Lehre von der Tugend können direkt die Hauptlehren des Christenthums übernommen werden. Für die Lehre von der Schönheit muss aber Anschluss an den Hellenismus gesucht wer- den und ist ebenfalls das Studium der Natur von höchster Be- deutung. So hoch die christlichen Lehren in vieler Beziehung auch stehen, so enthalten sie doch auch manche falsche Sitten- lehren, bei denen der Moni.smus in Gegensatz zu ihm tritt. So vor Allem die Lehre von der Selbstveraclitung, bezw. der übertriebenen Nächstenliebe; gerade einer der wichtigsten Grund- sätze der monistischen Sittenlehre besteht in der Gleichsetzung der Selbst- und der Nächtenliebe; ferner in den Lehren von der Verachtung der Welt, des Leibes, der Natur, der Kultur, der Familie und des Weibes. — Da« wesentlichste Moment der mo- nistischen Erziehung ist: selbstsläudiges Denken zu lernen. XV. Nr. Naturwisseii.sehaftliche Wcicliciiscliritt. Es ist klar, dass mit dieser subjektiven Auswahl von Sätzen nicht einmal eine Ueborsicht über den ungemein reichen Inhalt des Buches gestehen ist, in dem nur wenige der die gesittete Welt bewegenden Fragen unberührt geblieben sein dürfton. Aber es ergiebt sich schon liieraus, dass das Buch sieh weit über den Werth von „Studien" erhebt. Thatsächlich ist es der Versuch eines Lehrgebäudes der monistischen Welt-Anschauung, der da- durch noch bedeutend an Werth gewinnt, dass Häckel, seiner Auffassung der Naturwissenschaft als historischer Wissenschaft gemäss, überall auch eine Geschichte der betr. Anschauungen giebt. " ■ " " ' 's der Kritiker in diesem Buche wird. Der naturwissenschaftliche Initsache besser wissen; der Philo- subjektiv anderer Ansicht sein. vergessen, dass es heute keinen Es ist ferner klar, das manche Angriffspunkte finden Spezialist wird manche Einzel soph wird in mancher Frii£;( Aber das sollte kein Kritikei Naturforscher mehr gii-bt, der solcb' umfassende Kenntnisse auf allen naturwissenschaftlichen Gebieten mit solch' weitscbauendem Blicke vereinigt wie Häckel, dass diesem nur A. von Humboldt und Job. Müller darin gleichkamen. Es ist nur natürlich, dass Häckel von seinem unzweifelhaft doch höheren Standpunkte aus manche Thatsache anders ansehen wird, als der Spezialforscher von seinem doch immer mehr einseitigen Standpunkte. Es soll damit der Kritik keineswegs ihr Recht genommen, sie soll nur auf das ihr gebührende Maass zurückgeführt werden, dass nämlich auch die zerstörendste Einzelkritik den Werth dieser ungeheuren bewundernswerthen Geistes-Arbeit nicht wesentlich beeinflussen kann. Der unl)efangene Leser wird nicht selten Anstoss nehmen an dem oft mehr als nöthig scharfen Urtheile Häckel's. Er sei aber daran erinnert, welch' unzählige, rein persönliche, oft maass- los unflätliige Angriffe Häckel während seiner von innerster Ueberzeugung und reinstem Wollen geleiteten Sehriftstellerthätig- keit hat über sich ergehen lassen müssen. Da Häckel sich mit diisem Werke von der Oeffentlichkeit zurückziehen zu wollen scheint, schienen mir diese allgemeinen Erörterungen angebracht. Dr. L Reh. Adolf Drescher, Dr. med. Werden. Sein, Vergehen. Zur Grund- legung dir Pliilosophie auf naturwissenschaftlicher Basis. Mit 17 Abbildungen. J. Rickersche Buchhandlung, Giessen. 1897. Preis 2,50 Mark. Die Kant'schen Wahrrehmungsformen Raum und Zeit sind behufs einer Naturphilosophie objektiv zu setzen; der Stoff als der erfüllte Raum ist dann nicht stabil, sondern zeitlich bedingt, daher in ewiger Vernichtung und Regeneration begriffen, ein Vorgang, der räumlich betrachtet, als Bewegung unter der Form der Welle er.«cheinf, deren einfachste individuelle Gestalt wiederum der Ringwirhel .lavstcllt. Die Komplikationen derartiger klninster Ringwirbel, iVtninc, diirrli Zusammentreffen mehrerer solcher von verschiedonaitit^ir Wirlulricbtung und nach Aufhebung der at- traktiven Kräfte in der Verschmelzung die Regeneration von Ringindividuen durch die nunmehr überwiegenden, repulsiven Elemente bildet das Weltgeschehen. Ist diese Regeneration eine primitivste Art der Zeugung, so andererseits die Beschränkung der an sich unendlichen Wirkungsfähigkeit des Einzelatoms durch die Coexistenz der anderen, wodurch also die Wirkung aller Atome sich in einem abspiegelt, eine Vorstufe der Empfindung, des Denkens. Diese Empfindung des Beschränktseins, das Leiden, wird aufgehoben erst durch die Vernichtung des individuellen Daseins im Nirwana, in dem dann doch wieder die Regeneration des individuellen Willens zum Leben erfolgt. Man mag über die Einzelheiten der Schrift denken, wie man will, zwei Verdienste hat sie sicher, die aufs engste zusammen- hängen: Verfasser wendet sich scharf gegen die Anschauung von festen, unveränderlichen Atomen und or betrachtet die Welt als Phänomen in dem Kreislauf, der beim Menschen als Subjekt an- hebt und sich bei ihm als Objekt schliesst. In diesem Rahmen versucht er die einheitliche Erklärung der Natur mit wesentlich physikalischen Mitteln. Auf die letzten Gründe geht auch er freilich nicht zurück. Indem der Mensch im Bewusstsein sich der einzelnen Wahrnehmung gegenüberstellt, dann im Selbstbewusst- sein die Gesammtheit seiner Vorstellungen objektivirt, trägt er die Begriffe des Individualismus, des Zusammenhanges, der Wir- kung 'aus sich auf die Aussenwelt über. Grundbegriffe, die in unserer Schrift mehr vorausgesetzt als hergeleitet sind. Zusammen- streben und Losstreben sollten daher nicht als Ergebniss irgend welcher primitiven Bewegung, sondern als Voraus^setzung aller Veränderung betrachtet werden; Gravitation nnd Centiifugalkraft sind nicht nur die Elemente der Massenbewegung, sie sind psy- chologisch als Grundsätze des Naturerkennens begründet, Es sind zwei Kräfte, die nicht abwechselnd wirken, wie Verfasser will, sondern gleichzeitig, der Untergang eines Individuums be- deutet nicht seinen Eingang in Nirwana, sondern nur seine Zer- störung durch eine Individualität niederer Ordnung und für diese wieder der Verlust der lii^lieritAen lünhi'it nicht die völlige Ver- einzelung, sondern das Miimplicn in .•inrn .indi'rrn Zusammen- hang. So ist denn aucli .Ipi- Kvisl.iiif „Willr /.um Leben — Er- kenntniss des Leidens - Xiclit« .jllen des Lobuns" mit seinen Schopenhaucrschen Pessimisuius nicht zu halten. Ein NichtwoUon des individuellen Lebens ist eine Erscheinung, die in gewissen zeitweiligen Strömungen höheren Lebens ein Einsiedlerdasein führt, aber nie für die gi^sanimte Natur zum Prinzip erhoben werden kann. Fritz Graebner. Jahrbuch der Chemie. Bericht über die wichtigsten Fort- schritte der reinen untl angewandten Chemie. Herausgegeben von Richard Meyer in Braunscbweig. VIII. Jahrgang, 1898. Friedr. Vieweg und Sohn in Braunschweig, 1899. — Preis 1.5, gebunden 16 Mk. Das Unternehmen ist gut eingefahren: ist doch der vor- liegende Band, der die Fortschritte von 1898 behandelt, schon im Sommer 1899 erschienen. Wir sehen, und a..ch das Vnrw(jrt weist ausdrücklich darauf hin, dass sich auch der 8. .I.ilirpiiisj; in Form und Inhalt durchaus seinen Vdrgängern anschürsst. iiml (aerz Jnh.C.Schmidtlein.Jngenieur Berlin NW., Luisenstp.22. ■;innna.-,Pt.:rTn^.r^t^^« rie Apparate Be .lahi luindt-rt.^ ui.jht kannte. Sind doch aber die Beziehungen, iu denen wir die Dinge erkennen, zunächst von uns selbst gesetzt und nur deshalb als Analoga des Geistes er- weisbar, weil sie nach seinem Bilde gemacht sind. Fritz Graeb'ener. Bergbau, einschliesslich Steinbruchbetrieb und Edelstein- gewinnung. Geschichte des Bergbaues, \'.iikiMinii' n nn'l Ali- h;ui der nutzbaren Mineralien in den \\ i.lii iu-i i, l',,'i i;!iau- hezirken aller Länder. Für weitere Ivii;im- ^..-cliil.ici t Mm E. Treptow, Professor an der Bergakademie in i-reiberg. Mit 396 Textabbildungen, sowie fi Beilagen — Leipzig Otto Spamer. 1900. G Mark. Dieses Buch erschien zuerst als „Sond erabdru ck des I. Theiles Bergbau" der neunten, durchaus neugestalteten Auflage des „Buches der Erfindungen, Gewerbe und In- dustrien" (Leipzig, Otto Spamer, 1899). In der achten Auflage dieses Sammelwerkes war das obenbezeichnete Gebiet in Band III 1885 unter dem Titel „Gewinnung der Rohstoffe aus dem Eril- innern" abgehandelt worden. Ein Vergleich mit dieser früheren Bearbeitung ergiebt, dass die vorgefundene Eihtheilung und An- ordnung des Stoff'es zum Theil beibehalten, zum Theil aber durch andere Gruppirung gewisser Abschnitte oder zweckmässige Zu- sammenfassung und gesonderte Vorführung des in verschie- denen Abschnitten behandelten Zusammengehörigen wesent- lich verbessert, dass ferner der Inhalt unter Berücksichtigung der neuesten technischen Fortschritte und der jüngsten Geschichte des Bergbaues bedeutend erweitert und der Text entsprechend umgestaltet, grösstentheils aber ganz neu geliefert worden ist. Auch die Zahl der Abbildungen, von denen nur etwa 30 aus der älteren Auflage wieder benutzt wurden, ist bedeutend vermehrt, u. A. durch Wiedergabe vieler photographischer, den rühmlichst bekannten Heinrich Börner .^ilun Sanmilongen von Magnesium- Blitzlicht-Aufnahmen aus Ja. . Si. iiik,;li|eu- und Kalisalz-Berg- werken oder anderswoher i i,i umhiiih in i- oder für Zwecke dieses Werks besonders hergestelltur Uriginal-Bilder. Im Folgenden sei eine Uebersicht über den reichen Inhalt des Werks gegeben. Die „Einleitung" bietet kurze Ueberblicke und Betrach- tungen über 1. die Geschichte des Bergbaues, (unter beson- derer Berücksichtigung Deutschlands) und dessen gegenwärtige Bedeutung; 2. den Bau unserer Erdrinde (Eruptivgesteine, geschichtete Gesteine und deren Gliederung; geologischer Bau Deutschlands und der benachbarten Gebiete); — 3. das Vor- kommen der benutzbaren Mineralien und deren Abbau- würdigkeit; — 4. den Bergmann und seinen Beruf (Ge- schichtliches; besondere Eigenthümlichkeiten; Gefahren und Unglücksfälle; althergebrachte Trachten, Gebräuche und Feste; Gestalt, Leben und Beruf des Bergmanns in Dichtung und Kunst; bergmännische Kunstwerke und Münzen.) Alsdann werden die „technischen Hülfsmittel des Bergbaues", die bei der Aufsuchung und planmässigen Aus- beutung der Lagerstätten, bni der markscheiderischen Vermessung und dem Risswesen, bei den Gesteinsarbeiten, dem Grubenausbau der Förderung, Fahrung, Wasserhaltung und Wetterwirthschaft, besonders häutig zur Anwendung kommen, dem Leser in Wort und Bild vorgeführt. Den Haupttheil des Werkes bildet der Abschnitt „Der Bergbaubetrieb". Hierin wird zunächst der Erzbergbau abgehandelt, und zwar — in getrennten Schilderungen — der- jenige auf Gold, Platin und verwandte Metalle, Silber. Kupfer, Eisen, Quecksilber, Blei, Zink, die übrigen Metalle und Erze. Iu diesen Einzeldarstellungen erfahren wir Näheres über Werth, Pro- duktion der ganzen Erde, einz Erzeugungsstätten, Verwendnni:. n Vorkonunen, etwaige besomli le suchung, die berühmtesten La-i-rs nische Ausbeutung nebst Xailni Wickelung, Bedeutung, Eigenthüi klimatische, ethnologische, wiitli.-^. Verhältnisse, Arbeiterfrage, Ab.^.a lor Länder wie der wichtigsten iii'T.alnu'-ischi.-s und u'ni .logisches MrtlHHl.Mi .I.M- Auf- und Unter- iiil.ai .|.-r I-a-d.. und d.'veu tech- •l.trn uImu- givschiehtüche Ent- lu'lik'iti-n, über geographische, lal'tlulu' und allgemeine Lebens- :/, u. dergl. Hieran schliessen ;h eine in knappem Rahmen gehaltene Beschreibung der Ai,if- bereitung der Erze; sodann Darstellungen des Bergbaues auf fossile Brennstoffe (Graphit, Anthracit, Steinkohle und Braunkohle einschliesslich Briketiruug, Torf, Erdgas, Naphtha, Erdwachs, Asphalt) sowie der Gewinnung der Salze (Stein- und Kalisalze, Salzsoole und deren Versiedung, Alaune, -Vitriole, Soda, Glaubersalz, Salpeter, Borax und Borsäure). — Der so un- gemein wichtige und doch auch sehr verschiedenartige- Stein- kohlenbergbau hätte wohl etwas eingehender und mannigfaltiger geschildert werden können. — In ähnlicher Weise wie die eben besprochenen Abschnitte sind aucli din folgenden behandelt: „Der Steinbruchbetrieb" (auf S:niil>trin, Kalkstein, Marmor, Thonschiefer, Eruptivgesteine, Serpriitm, riin>phate, Gips, Schleifmittel, Infusorienerde, Glimmer, Asbest, Felds|jat, Schwerspat, Flussspat, Strontianit) und „Edel- steine und Schmucksteine", nur dass hier den Einzel-Be- sprechungen der verschiedenen Steine eine Einleitung — mit Be- merkungen über Vorkommen , Eigenschaften , Schlififformen, Schleifen, Graviren, Verwendung zu technischen Zwecken, Preis, Nachahmungen und Fälschungen, Dubletten und künstliche Bil- dungen — voraufgeschiekt ist. Der allenthalben sachkundia;, klar und fesselnd geschriebene Text wird auf's Wirk-am-ie ,i-:ni/t luivh \ .-i/ugliche Abbildun- gen von neuerdings i_ i • • -.: leui Werkzeugen und Geräthen aus der , ,_ ... u altägvptischen Steinbrüchen und Kuuier Abljaueii, \on Mineralien, Gesteinen, Petrefakten, interessanten geologischen Erscheinungen und Lager- stätten, von bergmännischen Trachten und Kunstwerken, Werk- zeugen, Vorrichtungen, Maschinen, Betriebsvorgängen, von Tage- bauen, Grubenbauen, ganzen Werksanlagen, Briketfabriken, von Naphtha-Springquellen und Raffinerien. Goldsucher-Ausrüstungen Goldwäschen, Steinbrüchen, Diamant-Gruben und -Wäschen, den berühmtesten Diamanten, von Krystall- und Edelstein -Schlift'- formen, den verschiedenen Arten der Bernsteingewinnung u. A. m. Hiernach kann dieses im besten Sinne volksthümliche Werk all denen, welche dem Vorkommen und der Gewinnung nutzbarer Mineralien, dem Bergbau und Bergmannsberuf ein gewisses Inter- esse entgegenbringen oder sich über irgend welche, dieses Gebiet berührende Fragen unterrichten wollen, besimders auch den Studirendeu des Berg- und Hüttenfaches, nur auf's Wärmste empfohlen werden. Bergbau- und Hüttenwesen für weitere Kreise dargestellt von Professor E. Treptow. Professor Dr. F. Wüst und Professor Dr. W. Borchers mit 608 Text- Abbildungen, 'sowie 12 Bei- lagen. Leipzig, Otto Spamer, 1900. Preis 10 Mark. In diesem Buche finden wir das obenbesprochene Werk von „Bergbau" ungekürzt vereinigt mit einer ähnlichen Darstellung des „Hüttenwesens" und zwar wird in letzterer nach einer „Einleitung" betr. die allgemeinen Grundlagen des Hüttenwesens und die Wärmeerzeugung, zunächst das Gebiet der Eisenhütten- kunde von F. Wüst, sodann das der Metallhiittenkunde von W. Borchers abgehandelt Di. II. Theil ist für sich allein erschienen unter dem Hüttenwesen, zum Selbststudium für Hüttenloute, Chemiker, Studirende an Bergakademien und technischen Hochschulen sowie für weitere Kreise übersichtlich dargestellt von Professor Dr. F. Wüst und Professor W. Borchers. Mit 212 Text- Abbildungen und 6 Beilagen. Leipzig, Otto Spanier. Preis 6 Mai'k. G. Franke. XV. Nr. 4. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Prof. Dr. L. Graetz, Die Elektricität und ihr© Anwendungen. Achte vermehrte Auflage. Mit 483 Abbildungen. Stuttgart, Verlag von J. Engelhorn, 1900. 590 S. Preis geheftet 7 Mk. Wenn ein Buch von der anerkannten Vorzüglichkeit des vorliegenden durch in kurzen Zwischenräumen aufeinander fol- gende Neuauflagen beständig auf der Höhe der mit Windeseile fortschreitenden, wissenschaftlichen und technischen Entwickelung erhalten wird, so können wir dies nur mit hoher Befriedigung begrüssen. Zweifellos hat die Verlagshandlung diese schnelle Aufeinanderfolge neuer Auflagen neben der Vortrefflichkeit der populären und doch gründlichen Darstellungsweise des Verfassers nicht zum wenigsten auch dem sehr massigen Preisansatz _ zu danken. Dass der Verfasser darauf Bedacht genommen, nicht nur die neuesten Errungenschaften der Wissenschaft und Technik dem Werk einzufügen, sondern zugleich Abschnitte über überholte Dinge zu kürzen oder ganz wegzulassen, sodass der äussere Um- fang keine wesentliche Veränderung zu erfahren brauchte, möge gleichfalls anerkennend hervorgehoben werden. Findet man doch vielfach noch neuere, physikalische Lehrbücher, in denen der Er- läuterung der Motoren von Ritchie und Page breiter Raum ge- widmet wird, während die Benutzung der Dynamomaschine als Motor kaum erwähnt wird. Mit Recht hat Graetz jene älteren, nur historisch beraerkenswerthen Versuche zur Verwandlung elektrischer in mechaniscl^e Energie völlig unbeachtet gelassen, um dafür die Behandlung der heute allein in Gebrauch befind- lichen Dynamos auf etwas breitere Basis stellen zu können. In keinem anderen populären Buche haben wir eine so lichtvolle Erörterung über Hauptstrom-, Nebenschluss- und Compound- Dyuamomaschinen gefunden wie hier. — Von Neuerungen auf elektrotechnischem Gebiete, die in der Neuauflage berücksichtigt sind, seien erwähnt: Die Spannungstheiler der A. E. G., die (Quecksilber -Turbinen - Unterbrecher, Wehnelt's elektrolytischer Unterbrecher, Nernst's Glühlampe, das Telpherage -Transport- system, die Nutzanwendungen der Elektrochemie zur Metall- gewinnung (Siemens' Kupfer- und Gold-Abscheiduug), zur Dar- stellung der Carbide und des Ozons und des letzteren Anwendung in der Bleicherei. — Wir zweifeln nach alledem nicht, dass das auch äusserlich trefflich ausgestattete Buch immer weitere Ver- breitung finden wird, und möchten es insbesondere zu Prämien für Schüler der oberen Klassen höherer Lehranstalten empfehlen. F. Kbr. Silvanus P. Thompson, Mehrphasige elektrische Ströme und Wechselstrommotoren. Autorisirte deutsche Uebersetzung von K. Strecker. Mit 171 in den Text gedruckton Abbildungen und 2 Tafeln. Halle a. S., Verlag von W. Knapp. 1896. Preis ge- heftet 12 Mk. Seit der elektrischen Ausstellung zu Frankfurt a. M. im Jahre 1891 stehen die mehrphasigen oder Drehstrom-Motoren im Vorder- grunde des Interesses der Elektrotechniker. Bei der ausserordent- lich grossen Mannigfaltigkeit der das an sich ja äusserst einfache Drehfeld-Prinzip benutzenden Vorschläge zur Erzeugung und Ver- werthung mehrphasiger, elektrischer Ströme muss es von Studi- renden und Ingenieuren mit Dank begrüsst werden, wenn sich ihnen ein Führer von dem Lehrgeschick und der wissenschaft- lichen Bedeutung eines Silvanus P. Thompson zur Verfügung stellt. — Ausgehend von der Erzeugung mehrphasiger Ströme, als deren einfachster Spezialfall der gewöhnliche Wechselstrom gelten kann, bespricht der Verfasser alsdann die nicht ganz einfachen Schaltungen dieser Ströme, entwickelt ferner die höchst merk- würdigen, schon von Arago bemerkten und von Faraday erklärlen Eigenschaften der magnetischen Drehfelder, auf Grund deren aber erst recht spät, in den 80er Jahren, der Gedanke eines Dreh- strommotors eutsprosste. Thompson setzt nun in anschaulicher Weise die Verwirklichung dieses Gedankens durch Ferraris, Tesla, Dobrowolsky und andere auseinander, die zu dem epochemachen- den Erfolge einer weiten Kraftübertragung auf der Frankfurter Ausstellung führte. Eine detaillirte, durch zahlreiche, zweckdien- liche Zeichnungen unterstützte Behandlung des Baues und der Theorie mehrphasiger Motoren , sowie der Vertheilung mehr- phasiger Ströme aus Centralstationen bildet alsdann die zweite Hälfte des Buches, Die anhangsweise hinzugefügte Bibliographie lässt erkennen, welch' erstaunliche Summe von Arbeit von. dem Heere der Elektrotechniker während der letzten Jahre auf dieses Gebiet verwendet worden ist, als deren Früchte fast ein halbes Hundert deutscher Reiehspatente aufgezählt werden. F. Kbr. Dr. Chr. Jensen, Beiträge zur Photometrie des Himmels. Separatabdruck aus den Schriften des Naturwissenschaftlichen Vereins für Schleswig-Holstein. Bd. XI, Heft 2. Die vorliegende Dissertation gliedert sich in zwei Theile. Zunächst giebt Verfasser eine erschöpfende, historische Darstel- lung der bisher bekannt gewordenen Untersuchungen über die atmosphärische Polarisation, jene zuerst von Arago entdeckte, dann vor Allem von Brevster, Babinet, Rubenson und Busch studirte und trotz aller Bemühungen so hervorragender Forscher bis auf den heutigen Tag noch nicht befriedigend erklärte Er- scheinung der Polarisation des blauen Himmelslichtes in einer durch den anvisirten Punkt, die Sonne und das Auge des Be- obachters bestimmten Ebene. Die von Wheatstone auf Grund dieser Entdeckung konstruirte Polaruhr ist ja gewiss vielfach bekannt, weniger allgemein bekannt dürfte aber das Vorhandensein der von Arago und Babinet entdeckten neutralen Punkte und deren bis jetzt noch recht räthselhafte Ortsveränderungen in Bezug auf die Sonne sein. Da die betreffenden Originalabhandlungen in den ver- schiedensten Schriften zerstreut sind, ist die hier gegebene, sorg- fältige Zusammenfassung aller bezüglichen Forschungen eine ver- dienstliche Arbeit. — In einem zweiten Theile seiner Abhandlung leitet Verfasser aus einer Reihe von eigenen Beobachtungen den Verlauf der Polarisation und Helligkeit des Zeniths in seiner Ab- hängigkeit von der Sonnenhöhe und Tageszeit ab und erleichtert den Ueberblick durch graphische Darstellung der betreffenden Funktionen. Bei den Helligkeitsmessungen, die mit dem L. Webcr- schen Photometer angestellt wurden, zeigte sich eine höchst merkwürdige Anomalie in dem Gange der Fläohonholligkoit des Zeniths für Sonnenhöhen zwischen 30" und 40". [.cidcr xlieint eine Erklärung für diese in der Kurve höchst aufl'jlli mb' i\iii.kimg (von 30° bis etwa 37° Sonnenhöhe bleibt die Zenithlirlliokiit an- nähernd konstant) bisher nicht gefunden zu sein, sodass \'erfasser sich eine Diskussion dieser Erscheinung für die Zukunft vorbe- halten musste. Bei den Polarisationsbestimmungen, die mit einem gleichfalls von Prof. Weber zusammengestellten Apparat unter Verwendung eines Lummer-Brodhun'schen Prismas ausgeführt wurden, zeigte sich das Maximum der Polarisation des Zeniths bei einer Sonnenhöhe von — 2°, was nach dem Verfasser viel- leicht damit zusammenhängt, dass sich der Babinet'sohe Punkt bald nach Sonnenuntergang für kurze Zeit der Sonne nähert. Im Uebrigen konnte Verfasser durch seine Beobachtungen bestätigen, dass Nebel, Rauch und Wolken durch Herabminderung der Po- larisation die Beobachtungen beträchtlich stören können. Auch die festgestellte Abnahme der Polarisation (gegenüber den ent- sprechenden Sonnenhöhen zugehörigen Normalwerthen) in den Mitl.iiisst mihI'U dürfte mit einem Bewölkungsmaximum zu dieser T;m.s,,-'ii /,ii-:uiiiiienhängen. Bezüglich weiterer Einzelheiten der Bi'(.li^irliiiiiij-i'ii;ebnisse muss auf die Abhandlung selbst verwiesen wrrJru F. Kbr. Bäumler, J. A., Mykologische Fragmente. Wien. — 1.40 Mark. Brauns, Dr. Hans, Zur Kenntniss der südafrikanischen Hyme- nopteren. Wien. — 3 Mark. Cohen, E.. Meteoreisen-Studien. Wien. — 0,80 Mark. Hertwig, Prof. Dir. Dr. Ose, Die Elemente der Entwickelungs- Ichr.' d.'s M.n^chrii und der Wirbelthiere. Jena. - 8,50 Mark. Kiepert, Geh. Beg.-Bath Prof. Dr. Ludw., Grundriss der Diffe- rfutial und Inti^gnil-Kechnung. 11. Theil: Integral-Rechnung. Haiinnv. ,, - 13 Mark. Küster, Dr. Ernst, Ueber Gewebespannungen und passives Wachs- thiiiii liii Mceresalgen. Berlin. — 1 Mark. Iiampa, Dr. Ant., Ueber einen Beugungsversuch mit elektrischen Wellen. Wien. — 0,50 Mark. Lecher, Prof. Dr. Ernst, Ueber einen theoretischen und e.xperi- mentellen Trugschluss in der Elektricitätslehre. Wien. — 0,G0 Mark. Merk, Priv.-Doc. Dr. Ludw., Experimentelles zur Biologie der nn'n.schlicheu Haut. 1. Mittheilung: Die Beziehungen der Hornscliiclit zum Gewebe.safte. Wien. — 2,10 Mark. Schmidt, Dr. Erich, Die magnetische Untersuchung des Eisens und verwandter M.-talle. Halle. — 4 Mark. Strümpell, Prof. Dir. Dr. Adf , Lehrbuch der speciellen Patho- logie und Therapie der inneren Krankheiten. 3. Bd.: Krank- heiten dos Nervensystems. Leipzig. — 14 Mark. Szymonowicz, Prof. Dr. Ladisl., Lehrbuch der Histologie und der mikroskopisciien Anatomie. 1. Lfg. Würzburg. — 3 Mark. Inhalt: C. F. Heibig: Naturbewunderung. — Ueber die Mikroben in den arktischen Regionen. — Die Abhängigkeit der Be- wegung der Bacterien vom Sauerstoff. ^ Ueber den Chemotropismus der Pollenschläuche. — Anemotropismus. — Ueber den Schwefelcyansäuregehalt des Speichels beim Menschen. — Untersuchungen an dem Klärbeckensehlamm zu Frankfurt a. M. — Die Leuchtfähigkeit von Dämpfen und ihre Beziehungen zur chemischen Constitution. — Ueber die chemische Untersuchung der Rauchproducte des Tabaks. — Litteratur: A. Turner, Die Kraft und Materie im Räume. — Bergbau, einschliesslich Steinbruchbetrieb und Edelsteingewinnung. — Bergbau- und Hüttenwesen. — Prof. Dr. L. Graetz, Die Elektricität und ihre Anwendungen. — Silvanus P. Thompson, Mehrphasige elektrische Ströme und Wechselstrommotoren. — Dr. Chr. Jensen, Beiträge zur Photometrie des Himmels. — Liste. 48 Naturw aftliebe Woclieiisebrift. XV. Nr. 4. ►♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦ »♦♦♦♦♦♦♦»♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦! I von Poncet Glashütten -Werke 54, K;;nM.-i.„,..tr. 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Jcil 1, 174 5 , aoU.'" 1 Wa. - Ik ^\= luihvmuv ÜHiiii ^'siiiliuft bi-v iinnv Icil -2,^ los 3., goli. 0,fi(l Dif. — Vlii^ycliiiiuvjfratt uub (i-li'tlvi;,ildt. Ji-il o, 12o 3, geb. 0,60 Wt. — "Sic tf-lofht,^ltat in ilircr iHiiUHiibim.i. Joil 4, 101 £., (\(\). 0,60 Wt — SSoii bi'ii dicmijdicn .Sivaitcii unb tSk-ftvüd)cnüc. Jcil h. 10« S., geb. 0,60 9Jff. — (£l)cmtc. 2cil 6, 71» =,, geb. 0,50 »ff. - l'lngemaiibte e()emte. »ttbcvhmbc. Seil 7, 116 e., geb. 0,60 Wf. — Som ?(ücr bet Srbc (©eologic). Sßon ber Umbref|ung bcr (Srbc. ®ic PV'= )d)minbigfeit bc§ Sid)t§. Seil 8, 152 ©., geb. 1 mt — 'Sin§ .?iüf)tid)ou im ei. ^i'bm .^aii mib i.'cboii uoii *4>flaii,-,c imb Jicv. Ji'il 10, lljo 5, qi'"' ' -'-''f- - '3:''K- ®ei[tcoU-bni boii Hieiifri) \iiib Jbicv, Jnl II, loO 2., neb. (l.Cd Wf - 'l>i»)d)oloiiii' uub \'ltmiiiuv 2nl li'. l.'-l 5.. geb. O.so ^lil -- .Vier,-, uub VUigc. ieil 13, 133 ©., gcb, 0,SO lUf. — i.'luU'iluug ;,u d)i'Mujd)cn eTiH-rimeutoii. cUtiU (?(fttouümie). Seil 16, 271 ©., geb. 1,60 am. — Tic niifterfeubcu Srnnfljeitcu unb bie 58attetien. ®ie Ißflan.^enmolt unfrcr .s>eimat fonft nnb je^t. 3)ic ©vcftratnnnl>)ic nnb bie ?^-ij.)teruiuclt. Jeil 17, 178 ©., geb. 1 9Jff. — '.)(bftiimmung'3Icf)ve u\ib Tnviiuui'jmU'J. Jeil 18, 128 ©., geb. 0,si) Wi. -- %t<\\ bev tJvlialtung bcv .»livnfl. Seil lü, 104 ©., geb. 0,60 äli'f. — Tic Guluiitreliiug bev 'ix'lcudiluug-Mcdiuif. Siliuui= iolugir. Jeil 20, 162 ©., geb. lUif. - Tic ycntnvmiiienjdiaft im (ivuierbidcbeu. 3i.'ifienjcbatt wvXs i(t W., iit fcinftcm Siicl)l)nbcrl)allifrniis 10 Wort. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Heiir\- Potoni(5, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. - Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. - Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12, ►n^ ^•:« ^^ A/Vochenschri/y. Redaktion: Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düüimlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. Sonntag, den 4. Februar 11)00. Nr. 5. Abonnement: Man abonnirt bei aUen Buchhandlungen und Post- y Inserate; Die viergespaltene Petitzeile 40 ^. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jt 4.— {jp sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahine Bringegeld bei der Post 15 A extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. £ bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Qaellenangabe gestattet. Die Schilde der Oceanier. Von L. Frobenii Von allen materiellen ßesitetliiimern primitiver Völker ist der Bogen wohl einzig- und allein ein anerkannt wich- tiges und mehrseitig verarbeitetes Studieuobject der ver- gleichenden Völkerkunde geworden, trotzdem es deren mehrere giebt, die gleich günstig für derartige Unter- suchungen sind. Um nun in diesen Blättern, die eine eingehende Studie über meine naturwissenschaftliche Culturlehre sowie eine Anwendung auf die Mathematik der Naturvölker brachten, an einem recht klaren Bei- spiele einmal eine Probe der Anwendbarkeit dieser Lehre zu bieten, wende ich mich einem weniger durchforschten, ich kann wohl sagen, überhaupt von anderer Seite nicht eingehender betrachteten Gegenstande zu, dem Schilde, und will ihn in einem Gebiete, wo ihm sonst wohl noch Niemand die gebührende Aufmerksamkeit schenkte, näm- lich in Oceanieu, des Näheren erörtern. Indem ich eine Waffe, wie den Schild betrachte, mache ich mir sogleich klar, dass ich es nicht nur mit der Entstehung und Umbildung einer oder mehrerer Formen zu thun habe, ferner dass dieser Schild nicht unabhängig und launig, sondern nach bestimmten, ausser- halb der Schilde liegenden Bedingungen sich verändert. Der Schild ist sozusagen ein Negativ zu dem Positiv, das die Angriffswaffe darstellt. Nicht nur nämlich, mit welcher Waffe der Feind mich angreift, wie also dieser entsprechend meine Schutzwaffe am ge- eignetsten sein wird, ist von Wichtigkeit für meine Wahl, sondern auch, welche Waffe ich selbst führen will. Wenn z. B. fast alle Kassaivölker in Afrika den Schild auf- gegeben haben, so kann ich überzeugt sein, das hängt damit zusammen, dass diese Stämme meist mit Pfeil und Bogen schiessen und kämpfen. Nun liegt der Grund aber nicht etwa darin, dass die Schilde schlecht gegen Pfeilschflsse schützen, sondern darin, dass der Bogen- schütze den Schild schlecht handhaben kann, zumal die eine Hand den Bogen, die andere den Pfeil erfassen mu.ss. Diese einfache Ueberlegung zeigt schon, dass das Schild- studium in eine ganze Reihe von Problemen hineingreifen muss und auch, dass die Form des Griffes von ausser- ordentlicher Bedeutung ist. Thatsächlich werden wir diesem Unterscheidungsmerkmal in Oceanien, wo die P'ormen bunter durch einanderlaufen als anderswo, mehr Beachtung schenken müssen als in Afrika.*) Denn kein Gebiet der Erde hat so viele Schildformen wie das Quellgebiet Oceaniens, Indonesien. In der oben erwähnten Arbeit über die Mathematik legte ich schon das Bild der Kulturentwickelung in Oceanien dar, soweit dasselbe für derartige Einzelstudien von Wichtigkeit ist. Daher darf ich hier darauf ver- weisen und mich kurz fassen. Es sind drei Achsen zu berücksichtigen. 1. Die Südacbse geht von Indonesien aus, läuft über Neuholland und endet in Melanesien, stellt also einen nach Norden offenen Bogen dar. 2. Die Mittel- achse läuft in ziemlich geradem Streifen von Indonesien durch Melanesien, also über Neuguinea nach dem öst- lichen Melanesien. 3. Die Nordachse läuft als weite Fläche von Indonesien über Mikronesien (mit der Süd- grenze am Nordrande Neuguineas) nach Melanesien und Polynesien, stellt also eine nach Südwesten offene Bogen- fläche dar. Die Gruppirung der einzelnen Formen kann vor- genommen werden nach folgenden Gesichtspunkten. 1. nach geographischen, 2. nach formalen; aj nach dem Griff, b) nach der Form der Schildfläche, c) nach dem Material. Eine eingehende Schilderung wird stets erst die Formen nach der geographischen Verbreitung, dann die Formen nach der formalen Zusammengehörigkeit *) Die afrikanischen Schilde i kanischen Öultur" 1898, C. 2, 8. 23 „Der Ursprung 56. Naturwissenscbaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 5. genügende 2: zur Ver erörtern müssen, liier stellt mir nicht der Raum für eine solche eingehende Behandlui fügung und ich muss mich auf eine Eintheilung nach formalen Ge- sichtspunkten be- schränlcen, der icli die Berüclcsichti- gniiji- der Form des Grittes, der Ilaudbabe, zu Grunde lege, kli sende aber eine knappe Uebersiclit der Hauptformeu der Behandlung voraus, um so in Fragen des Mi- schungsproblemes auf eine Vorkennt- uiss mich beziehen zu können. Ich unterscheide 3 For- men: 1. Nigritische Form der Süd- achse. Hölzerner Parirschild mit senkrechtem, aus dem Vollen ge- schnittenen Griff". 2. Asiatische Form des Nordens. Runder Leder- schild mit Wölbung und doppeltem Ledergriff für Ai"m und Hand. 3. Vormala- Jische Form der Mitte. Viereckiger, oben eingeschnit- tener Schild aus Rotang mit Schnur zum Umhängen oder einfach: Ro- tangpanzer. I. Nigritischer Schild. Vor Allem ist festzustellen, dass in Neuholland der Schild nicht all- gemein gebräuch- lich ist, sondern an einigen Orten, wie in König Ge- orgs-Sund z. B., nach directer Aus- sage fehh,*) dass die nigritischen Schildformen im Ausklang der Süd- achse, also in Me- *) Scott Nind: „Description of the natives of King Georges Sound" in Tlie journ. of the Geogr. Soc. London. Band I, S. 32. ,ir» »k lanesien, selten sind, in Indonesien dagegen ausserordent- lich häufig, dass endlich eine Beziehung zum nigritischen Schilde sich in der Wafteuführung auf der Nordachse (in Mikronesien und Polynesien) nachweisen lässt. Nunmehr sind die Formen in diesen einzelnen Gebieten zu betrachten. a) N e u h 0 1 - land. Es kommen bei demselben Stamme oft meh- rere Schildformen neben einander vor. So sagt Taplin, der Schild der Narrinyeri be- stände entweder aus Holz oder aus der Rinde des rothen Gummi- baumes. Die Be- wohner von Neu- südwales haben ebenfalls Schilde von zweierlei Art nach Dumont d'Urville; die von Baumrinde schüt- zen nicht so vor dem Lanzenstoss, wie die von festem und im Feuer ge- härtetem Holz ge- fertigten, welche inwendig mit 2 (?) Handhaben ver- sehen, aber wegen ihrer Schwerenicht so gebräuchlich sind. Auch wird mir mitgetheilt, dass je nach dem Zwecke verschie- dene Schilde vor- handen wären, so vor Allem in Vic- toria, wo alle drei Schildformen ne- beneinander vor- kommen, wie wir sie nunmehr be- sprechen wollen.*) ü 18 \1 19 ^ = Ruckansicht, II = Vorderansicht, II , „ schnitt durch die Mitte, V = Querschnitt durch die Mitte. A ist der Schnitt durch eine andere Form dieser Schilde. — 2 = Schild aus Ost-Neuholland (die " = Form). — 3 = Rinden-Schild aus Noril- NeuhoUand (die — = Form) A ist ein Schild mit eiugeftigtem Grit!. — 4 = Schild von den Forrestier- Inseln. — 5 = Schild (Tabangan) von AUor. — 6 = Schild von den nördlichen Plnlippinen. — 7 = Schild von Allor. - 8 = Dajakschild. A der Griff von der Seite. — » = Schild von den Molukken. A Querschnitt am oberen Ende. - 10 ^ Schild von den Sulu-Inseln. — 11 = Batak-Schild (Sumatra). - 12 = Schild von Allor. - IS = Sihild von Finschafen von der Seite. - 14 = Schild aus der Astrolabebai von hinten. — 15 = Schild von Mitra-Fels von hinten (unten der Rotanggriff von der Schildspitze aus gesehen). Der Rotangüljerzui; wunle fortgelassen. — 16 = Schild von Santa Anna. — 17 = Bogenschild von den Aru (nach Dr. ychnielt/..) — 18 = Schild aus dem Papuagolf von hinten. — 19 = Schild von Angriffshafen von hinten. Die Bezeichnungen I— V bedeuten stets ■ ■■" tets rechts liegend). IV = Längs- *) Taplin in „Nat. Tribes of South Australia" S. 40. Du- montD'Urville: „Ent- deckungsreise der französischen Cor- vette Astrolabe. 1826 bis 1829. Hist. Th." S. 30. Die Litteratur über neuholländische Schilde ist ausserordentlich kiimmerlicli. Das Beste hat Brough Sinyth in seinem Buche über die „Aborigines of Viktoria" ge- bracht. Sonst finden sich noch einige Angaben z. B. bei Samuel Gasen: „The Dieyierie Tribe« Adelaide 1871, S. 33, Wyatt in XV. Nr. 5. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 51 Die ursprüngliche Form des australischen Schildes (Fig. 1) treffen wir in dem einfachen dicken, vierkantigen, oben und unten spitz zulaufenden und mit einem in Folge Durchführung eines der Handbreite und Handdicke ent- sprechenden Kanales in der Mitte von einer zur anderen zweier neben einander liegenden Flächen gewonnenen Handgriffe versehenen Schilde an. Die Länge schwankt zwischen 45 und 90 cm. Das Holz ist hart, wahrschein- lich im Feuer gehärtet. Die beiden Flächen, die der Kanal oder Handgriff verbindet, stellen die glatte, convex- dachförmige Hinterseite, die beiden anderen, die ebenfalls convex-daehförmige, aber mit allerhand eingegrabenen Linien verzierte Aussenseite dar. Die Breite ist nicht über 6 — 9 cm. Daneben kommen noch eine längere und nach aussen gewölbtere, aber noch schmalere Form bis zu ca. 1 m Länge vor, die aber wenig von der eben be- schriebenen und skizzirten verschieden ist. (Fig. 1 AV.) — Als Ausschmückung kommt neben den eingravirten Orna- menten nur bei der ersten Variante noch ein Fellstreifen vor-, der um die Mitte geschlungen ist, sodass er auch — wie die Hand von der anderen Seite — den Canal passirt. Diese Schilde dienen lediglich gegen Keulen- würfe und -Schläge. Die zweite Schildform ist am besten ausgebildet in Queensland, ■ während die erstere wesentlich südwestlich ist. Dieser Schild (Fig. 2) stellt eine nach aussen ge- wölbte, hinten absolut gerade Fläche von ovaler Contur dar. Der Canal für das Durchgreifen der Hand ist hinten in der Mitte angebracht. Der so ausgespaarte Handgriff (Stab) liegt demnach genau in der Fläche des Schildes. (Siehe den Schnitt durch die Mitte nach der Längsachse Fig. 2 IV). Hei diesen Schilden liegt die Schwierigkeit im Herstellen des Kanales. Seinetwegen müssen sie aussen gewölbt und in der Mitte dick sein. Die dritte Form dagegen geht, wie wir nachstehend sehen werden, von der geraden, ungewölbten Platte aus. Daher nenne ich diese die r^-Form, die nächste aber die — Form. Der Name ist vom Querschnitt durch die Mitte genommen, (Fig. 2V und 3V) und es fehlen demnach eigentlich die Punkte in dem Halbkreise und unter dem Strich. — Von dieser r^-Form giebt es mehrere Varianten, eine kleinere im Süden und im Centrum Queenslands, deren Form Fig. 2 entspricht und eine grosse aus der Rockingham- bay und Nord-Queensland, deren Rand nicht streng oval ist, sondern mehr dem Durchschnitt eines Brotes gleicht. Diese sind ausserdem mit mehreren Farben phantastisch bemalt. — Gemeinsam mit der c^- Form wird meist das Holzschwert genannt, doch dient sie auch gegen Bumerang und Keule. Die dritte — Form der australischen Schilde (Fig. .3) zeichnet sich, wie schon angedeutet, durch eine flache Wand und einen freistehenden Griff aus (Fig. 3 IV). Die Schwierigkeit, diese Form herzustellen, besteht demnach nicht in der Anlage des Griffkanales, sondern in der Herstellung des Griffholzes, das ausgespaart werden nuiss. Und das ist für die ursprüngliche Form eine sehr compli- cirte Sache, denn die Schildwand wird bei diesen aus Rinde hergestellt und der Griff aus einem mitsammt der Rinde aus dem Baum herausgelösten Holzblocke ge- schnitzt, lieber das Verfahren hören wir schon von Cook : „Bisweilen fanden wir die ganze Form der Schilde in der Rinde wirklich ausgeschnitten, aber noch nicht von „Nat. Tribes of South Australia", S. 172. Bastian: „Oceanien", S. 130, 129. Watkin Tench: „Nachricht von der E?.pedition nach Botany Bay" 1789, S. 80. Turnbull: ..Reise um die Welt 1776 bis 1780", S. 49. Georg Angas: „Savage Life and Scenes in Australia and New Zealand", Vol. I, S. 147, Vol. II, S. 214/5 und in der bekannten Litteratur bei Cook, Eyre, Lumholtz, Curr etc. Ab- bildiiugon bei Brough Smyth, Edge Partington, Lumholtz etc. dem Baum losgelöst; sondern sie war nm- rings um den Rand der Schilde ein wenig aufgehoben und wurde durch dazwischen hineingetriebene Keile in dieser Lage gehalten. Die Eingeborenen müssen demnach wohl wahrgenommen haben, dass Baumrinde dicker und stärker wächst, wenn man ein Stück davon rings umher aus- schneidet und sie in diesem Zustande noch eine Zeit lang am Baum sitzen lässt." Damit ist die Vorbereitung zur Herstellung eines solchen Schildes beschrieben: später, wenn die Rinde ein gutes Stück schon absteht, wird sie mitsammt einem Holzblock in der Mitte für Herstellung des Griffes mit dem Beile herausgeschlagen. — Eine jüngere und eine entschieden Nachlässigkeit verrathende Form oder Variante dieser Schilde zeigt nicht mehr Her- stellung aus einem Stück. Es wird vielmehr einfach ein entsprechendes Stück Rinde mit zwei Löchern versehen und in diese ein gebogenes Holz als Griff" gesteckt. Fig. 3a IV. — Während diese beiden Varianten wohl in ganz Neu- holland mit Ausnahme einiger Gegenden des Ostens und Westens vorkommen, gehört die folgende wesentlich dem Westen an. Dem ganzen Typus nach gehört dieser Schild in disse Gruppe, es ist also eine —-Form. Der- selbe wird aber ganz aus Holz hergestellt, also ge- schnitzt. — Alle diese Schilde der Form dienen nicht wie die ursprüngliche und die r^-Form dem Einzelkampf und gegen Keulen etc., sondern es sind die Schutzwaffen gegen den Speerwurf und in der Schlacht. b. Melanesien. Wie schon oben erwähnt, klingt die Südachse in Melanesien aus, und wir müssen hier nach Verwandten der nigritischen Schilde Ausschau halten. Es finden sich drei Formen und Beziehungen, von denen die auf den Salomonen heimischen später Erwähnung finden, die der Inseln zwischen dem Bismarckarchipel und Neu- guinea sowie diejenige Neupommerns aber hier be- schrieben werden sollen. Der Schild von den French- und Forrestier-Inseln gehört der r^- Gruppe an. Derselbe hat eine Länge von 155 bis 160 cm, bei einer Breite von 17 bis 20 cm. Er (Fig. 4) besteht aus einem auffallend leichten Holz, weicher aber zäher Natur, und ist aus einem Stück ge- schnitzt. Auf der Aussenseite sitzt in der Mitte ein er- haben geschnitzter Vogel der Stelle gegenüber, wo im Innern der Griffkanal durchgeführt ist. Auch ist der Schild der Mitte zu leicht gewölbt. Der Rand ist mit Rotang oder Stuhlrohr fest durchzogen und umwickelt, zu welchem Zwecke eine Unzahl kleiner Löcher nun unweit des Randes um den Schild läuft. Auch ist der Rand mit feinen Flaumfedern garnirt, die aber im Verfall sind. Die Schildfläche selbst ist auf dem grösseren Theile hinten und vorn mit Rotangstreifen überzogen, die schräg verlaufen. Endlich ist eine reiche Ornamentirung mittelst eiugravirter Linien und hinten Bernalung in rothen, grünen, weissen und gelben Erdfarben zu vermerken. — Natürlich haben wir es mit einem nigritischen Schilde der r^-Form zu thun, dessen Rotangüberzug aber an das Vorkommen im Gebiete der Mittelachse und der vor- malajischen Cultur erinnert. Der Schild von Neupommern und zwar aus dem sud- lichen Theile der Insel, ist mir aus der Sammlung des leider so früh verstorbenen Baumttller, — der auch die vorher beschriebenen Formen zuerst nach Europa gebracht hat — , in Karlsruhe und Mannheim bekannt. Dieser ist aber eine —-Form, deren Fläche bei einer Länge von ca. 80 — 120 cm ca. 12 — 18 cm breit ist. Auch diese Schilde sind aus leichtem und zähem Holz und zwar aus einem Stücke hergestellt. Ein Rotangüberzng fehlt, doch ist die Vorderfläche mit allerhand Ornamenten in weissen, grauen etc. Farben bemalt. Nur ein Exemplar von vieren ist am Rande mit Federn geschmückt. Bei der Leicliligkeit" 52 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 5. und Zerbrechlichkeit dieser Geräthe ist es kaum anzu- nehmen, dass es sich um ernste Kriegswatfen handelt, sondern wohl nur um Tanz- oder Cultuswerkzeug. c. Indonesien. Indonesien, das überhaupt an Schild- formen reichste Land der Erde, bietet auch die meisten Formen der nig-ritischen Schilde. Es ist aber nicht schwer, nachzuweisen, dass alle Vorkommnisse auf die drei in Neuholland vorgefundenen Formen, nämlich 1. die ursprüngliche, 2. die ^^^Forra und 3. die — Form zurück- zuführen sind, in welcher Keihenfolge wir sie nunmehr be- trachten wollen. 1. Die ursprünglichen Formen. Diese sind sehr selten und in dem in Neuholland einheimischen Typus nur auf den kleinen Sunda nachgewiesen. — Vor Allem ist der Tabangan, der kleine Holzschild der Vorkämpfer an der Küste Allors zu erwähnen. Das im Berliner Museum unter I c. 21029 befindliche Stück ist von dem bekannten Sammler Jacobsen erworben und hat eine Länge von 48V2 cm bei einer Breite von ca. 8 cm in der Mitte (vergl. Fig. 5). Das aus einem Stück Holz hergestellte Exem- plar läuft den Enden zu spitz aus, oben noch einmal zu einem Knoten sich verdickend, der einen Menschenkopf mit in Perlmutterschale ausgelegten Augen darstellt. Eine leichte Bemalung in hellereu und dunkleren Streifen ist unwesentlich. Sehr wichtig ist die Angabe des Sammlers, dass der Tabangan vom Vorkämpfer, einem sehr tapferen Manne gebraucht wird, der ihn dazu benutzt, die auf ihn abgeschossenen Pfeile abzuwehren. Es ist also ein Parirschild.*) — Auch der aus mehreren Theilen zusammengesetzte Schild der Insel Wetter bietet in dem einen seiner Elemente eine ursprüngliche Form des nigri- tischeu Schildes. Die beiden Theile heissen Eralili und Kalau. Der Eralili ist aus 0,6 cm starkem Büftelfell ver- fertigt, in Kreuzform mit ungleich breiten Armen. Der uutere als der breiteste misst am Ende 24 cm und ist von da ab spitz abgeschnitten, — eine abgerundete Form ist seltener, — während der obere an seinem Anfange 17 cm, an seinem Ende 23 cm breit und an letzterem gerade bleibt. Die beiden Seitenarme erscheinen gleich- sam aus dem unteren herausgewachsen und sind mit lang herabhängenden Ziegenhaaren verziert. In der Mitte des Eralili ist ein Loch, vor das der Kalau mit seinem Griff so 'ZU liegen kommt, dass die Hand ihn erfassen kann. Der Kalau besteht aus einem buckeiförmigen Stück Holz, ähnlich dem Tabangan, welcher in der Mitte mit starkem Bütt'eileder überzogen ist, das seinerseits wieder in Seiten- flügelchen ausläuft, die auf dem Eralili befestigt sind. Der nach unten und oben spitz auslaufende Kalau ist mit den Spitzen durch an den entsprechenden Enden am Kande des Eralili augebrachte Löcher gesteckt, auch ist der Kalau oben und unten mit Lederstreifen überzogen. Der Kalau ist 53 cm lang (Höhe der Schilder), in der Mitte mit den Flügeln 17 cm breit und 6 cm tief. Durch einen Strick werden beide Theile vom Kämpfer fest zusammen- gehalten. Das Eralili ist 48 cm hoch, bei einer Grund- breite von 41 cm. Dieser Schild dient zur Abwehr der Klevang hiebe, wozu er durch die Lederbestand- theile geeignet wird.**) 2. Die ^-^- Formen sind weit häufiger. Sie finden sich auf Nias und den Meutavej***), also im Südwesten, *) Jacobsen: ,.Reise in die Inselwelt des Bandameeres" 1896, S. 93/94. **) Baessler im Internationalen Archiv für Ethnographie 1891, Bd. IV, S. 74/75 und Taf. VIH, Fig. 9 und 10. Jacobsen: „Bandameer" S. 108. ***■) H. von Rosenbei-g: „Der malayische Archipel" 1878, S. 164, 165,191, 193. Ratze! : „Völkerkunde." 2. I, S. :!S6. Albert S. Bickmoore: „Reisen im ostindischen Archipel I8G5-1856, 1869 S. 339. Modigliani: „Un viaggi a Nias, Milane 1890, S. 229-231, Fig. 38 u. a. a. 0. etc. und auf den Philippinen und der Nordostecke Neu- guineas*), also im Nordosten Indonesiens. Der Schild von Nias ist zumal von Modigliani genau beschrieben. Nach ihm hat der auf Süd-Nias heimische Baluse die Form eines Bananenblattes, woran auch die Mittelrippe an der Aussenseite und die (juer über ihn laufenden niedri- geren Rippen erinnern. Unten läuft der Schild in eine oft mit einem Eisenscbuh versehene Spitze aus. Die Mittelrippe ist in der Mitte zu einem dicken Knopf oder Buckel angeschwollen, der einen von innen oder hinten angelegten Canal, das Grift'loch, verdeckt. Der Canal ist aber bei diesen wie bei den Schilden von Mentawej da- durch sehr bemerkenswerth, dass er links, wo die Finger und der Handballen hineinfahren, viel grösser eintritt, als er rechts, wo die Fingerspitzen herauskommen, aus- läuft. Während die Hauptrippe auf der Aussenseite aus Holz ausgeführt ist, sind die Querrippen aus Kotang her- gestellt. Dieselben laufen um den ganzen Schild. Kinder lernen den Gebrauch dieser Schilde an Nachbildungen von Rinde, die an der Sonne gehärtet werden. Als Maass giebt Modigliani an: Länge 1,45 bis 1,10 m; Breite 34 bis 21 cm. Stärke mit der Mittelrippe 9,5 bis 6,5 cm. Aehnlich geformt sind die Schilde der Mentawej, die unten in eine Spitze auslaufen, während sie oben gerade ab- schneiden. Ein im Darmstädter Museum liegendes, von Rosenberg gesammeltes Exemplar misst 165 cm Länge und ca. 23 cm Breite am oberen Rande. Den Griffcanal verhüllt aussen ein kleiner Buckel, aber eine Mittelrippe fehlt. Da- gegen ist die CanalmUndung wie bei dem Niasschild links grösser wie rechts. Ausserdem ist der Mentawejschild nicht selten mit eigenartigen Ornamenten innen und aussen bemalt. — Einen typischen Schild von den Philippinen bilde ich in Fig. 6 ab. Derselbe stammt aus dem Leip- ziger Museum: Sammlung Hans Meyer. Bei einer Breite von ca. 26 cm in der Mitte ist er 103 cm lang. Oben ist der Schild ein wenig breiter als unten. Zwei Ein- schnitte, die oben rechts und links ca. 20 cm tief, einer, der unten ca. 25 cm tief einschneidet, geben dem Schilde oben 3, unten 2 Hörner. Der Schild ist leicht gewölbt, in der Mitte sogar ziemlich stark gebuckelt, und so für den versenkten Griffcanal gut vorbereitet. Mehrmals sind Rotangbänder übergeflochteu. Ein Igorrotenschild der gleichen Sammlung ist aus leichtem, schwarzbraunen Holz 110 cm lang und ziemlich gleichmässig ca. 20 cm breit, weniger stark gebuckelt, mehrfach mit Rotang- flechtwerk verstärkt, aber ohne Einschnitte in den oberen und in den unteren Rand. Aber ein kleines, mit Rotang umflochtenes Holzzäpfchen auf dem oberen Rand in der Mitte fällt auf. Sonst ist der Schild leicht dachförmig, fällt also nach rechts und nach links leicht ab und zeigt allerhand Anzeichen einer kunstliebenden Hand wie eine Ciselirung des unten und oben in Relief auslaufenden Gritlstabes und erhabenen Schlangenlinien an den beiden Rändern der Aussenseite. — Wie aus der Beschreibung nnd Abbildung J. D. E. Schmeltz' hervorgeht, kommt in der Richtung nach Neuguinea eine verwandte Form vor. — Die Philippinen besitzen neben anderen leichteren Varianten noch eine wichtigere, wie aus der Abbildung in Ratzel's Völkei-kunde 2. I, S. 378 hervorgeht. 3. Die — Form des nigritischen Schildes, also mit frei gearbeitetem Griff". Die Verwandten dieser Form beherrschen das gesammte innere Indonesien, also Borneo, *) „Allgemeine Historien der Reisen zu Wasser und zu Lande", Bd. XI,- S. 398. Ferdinand Blumentritt: „Versuch einer Ethno- graphie der Philippinen", 1882, S. 26. A. B. Meyer u. A. Schaden- berg: „Die Philippinen", Publ. Bd. VIII, Taf. V und Te.\t. J. D. E. Schmeltz und F. de Clerq: „I'^thnographisch Be- schrijring van de West en Nordkust van Nederlandsch Nieuw- Guinea", 1897, Taf. XXIX, No. 17. XV. Nr. 5. Natarwissenschaftliche Wochenschrift. 53 Sumatra, die Molnkken, das westliche Neuguinea und einige der nordöstlichen kleinen Sunda. Wir werden mehrere wichtige Varianten unterscheiden müssen, die aber alle durch die Eigenart des prognaten Griffes, also das Fehlen eines Griffcanales, zu einer Gruppe vereinigt werden. Unterschieden sind sie nur durch die Form der Fläche, die gerade und nach den beiden Seiten abfallend also dachartig, und dann noch nach unten und oben zurückgebogen sein kann, dann durch die Contur des Schildes, die rechteckig, sechseckig, oval etc. sein kann, endlich durch das Material und zum Schlüsse noch durch die Ausschmückung. Dass die Grösse eine bedeutende Rolle spielt, ist selbstverständlich. Die einfachste Gestalt wird dargestellt durch gewisse Schilde von Kisser und Allor. Das von letzterer Insel stammende, unter Fig. 7 abgebildete Exemplar trägt im Berliner Museum die Nummer Ic. 18798 (Slg. Jacobsen). Es ist eine leichte Holzplatte mit eingeritzten Mustern. Die Höhe beträgt 98 cm, die Breite 15 cm. Die Form ist genau rechteckig, und der Griff hebt sich von der sonst gleichmässig starken Platte ohne Griflfcanal ab. Ausser derartigen Schilden von den kleinen Sunda weiss ich als dieser Variante zugehörig nur Schilde von Borneo zu er- wähnen, die eine gerade Vorderfläche besitzen. Soweit mir bekannt, kommen sie nur an der Westküste dieser Insel vor, sind aus schwarzem Holze hergestellt und auf der Vorderseite in Schnörkeln und Linien bunt und sogar golden und silbern bemalt. Sie sind stets sechseckig, und daher oben unter einem Winkel von etwas über 90° zugespitzt, unten in einem Winkel von etwas unter 90°, so dass sie unten spitzer sind als oben. Die beiden langen Seitenconturen sind gerade, die 4 Conturen an den oberen und unteren beiden Enden aber gewellt. Das Exemplar in Leiden S. 360/5275, Prov.: West-Borneo misst bei 66 cm Höhe etwa 18 cm Breite. — Der geraden Aussenfläche zufolge kommen für diese Variante auch die zu- sammengesetzten Schilde von Borneo in Betracht, die aber wegen ihrer Zusammensetzung in eigener Gruppe ver- einigt werden mögen. Dieser seltenen einfachen Gestalt des — Schildes stehen die complicirteren der dachförmigen Vorderfläche, also die /\ -Schilde in grosser Uebermacht gegenüber. Zu diesen gehören 1. die breiten Schilde der Dajak und Toradjes, sowie schmalere von Ost-Celebes, 2. Schilde von Westneuguinea und endlich 3. die Schilde der Mo- lnkken. — 1. Der Litteratur*) zufolge ist der Dajakschild von 3 Fuss bis 3 Fuss 4 Zoll lang und 15 bis 20 Zoll breit. Die Maasse des in Fig. 8 abgebildeten Stückes sind : Länge von der oberen bis zur unteren Spitze 117 cm, Breite 37 cm, Länge der beiden Seitenränder 77 cm, der vier den oberen und den unteren Rand bildenden Conturen 27 cm, Länge des ganzen Griff'streifens wie unter a) ab- gebildet ca. 50 cm. Diese Schilde sind leicht dachförmig. d. h. die Wand des Schildes fällt von einer die obere mit der unteren Spitze verbindenden Firstiinie nach beiden Seiten sanft ab, sodass sie in einem Winkel von etwa 135° zu einander stehen. Aussen und innen sind die Schilde meist mit reichem Schmuck an Malerei, den Bildern von Mensehen verziert, aussen auch wohl mit Haaren. Eine grössere Festigkeit wird ihnen durch Rotang- streifen zu Theil, die in Durchbohrungen befestigt sind *) Viele Abbildungen zumal bei Hein: „Bildende Kunst der Dajak" und bei Ling Roth: „The Natives of Sarawak", Bd. II, London 1896, vgl. auch Bock: „Unter den Kannibalen von Borneo", 1882,8.219/20. Franz Junghuhn: „Die Battaländer auf Sumatra", Berlin 1874, Bd. II, S. 330 etc. etc. und von rechts nach links resp. umgekehrt über den Schild laufen. Wir wissen auch Bescheid über den eigentlichen Zweck dieses Schildes. Derselbe soll nämlich nicht die Speerspitze auffangen, sondern der Dajak pflegt die Speere mittelst seiner durch eine Drehung der Hand aufzufangen. Gleiche Schilde besitzen Völker im Innern von Celebes, doch sind diese reichlicher mit Bambus und Rotangstreifen geschützt. Grössenverhältnisse eines Toradjesschildes: Länge zwischen den Spitzen 120 cm, Breite 42, Länge der vier Conturen an den Enden 25 cm. Der Griff ist stärker und kürzer gebaut, die Firstkante mehr abgestumpft und die Seiten mehr gewölbt, sodass der Querschnitt nicht die Winkelform, sondern eine Bogenform hat. Auf Celebes existirt aber auch noch eine schmälere Form. Dies sind Schilde, die aus einem ganz leichten und weichen, aber zähen Holze be- stehen und deren dachförmige Wand einen weit kleineren Winkel besitzt. Maasse: z. B. Länge 106 cm. Breite au den Enden 10 em, in der Mitte 18 cm. Die Seiten- flächen sind also nach oben und unten abgewölbt. Der Winkel ist unter 90°. Kurzum, der Schild nähert sich der Molukkenform, • auch in dem Fehlen einer Zu- spitzung oben und unten und in der reichen Perlmutter- einlage die mosaikartig die Vorderfläche in Streifen schmückt, ausserdem Verzierung mit rothen, schwarzen und hellen Haaren. Starke Verwendung von Rotangstreifen. — 2. Schilde von Ron in der Geelvinkbai gehören ebenfalls hierher, wie die 2 Exemplare 48, 6 und 929, 777 u. a. in Leiden mich gelehrt haben.*) Die Länge verhält sich zur Breite etwa wie 5 zu 1. Oben ist zuweilen eine sitzende Figur ausgeschnitten in durchbrochener Arbeit. Die Vorderfläche ist bunt bemalt. Der Abfallwinkel der Seiten ist sehr gross. — Endlich haben wir 3. die grösste Familie der Molukkenschilde **) zu Iteschreiben. (Fig. 9.) Derselbe kommt von Flores (Larantuka. Berlin. Mus. Ic. 18241, lg. 67 cm) bis nach Neuguinea vor, von den Banggai- Inseln und Halmahera bis nach den Arn. Seine Grösse schwankt von 45 cm bis über l'/.j m Länge (auf Tanini- bar, BerUn. Mus. Ic. 20787), bei einer Breite in der Mitte von ca. 7—12 cm, au den Enden lO'/a— 20 cm. Die meist abgerundere Firstkante ist unten und oben nach hinten gebogen, sodass der Schild zurückgewölbt ist. Eine Zuspitzung der Enden fehlt. Die Seiten-Conturen sind in Bogenform eingeschnitten, wodurch es kommt, dass der Schild in der Mitte schmaler ist als an den Enden. Meistens wird ein leichtes Holz genommen. Eine Verfestigung durch Rotangstreifen konnte ich nicht beob- achten. Dagegen fallen alle möglichen Verzierungen auf. Auch reicht die Griff leiste, die im Allgemeinen schon oben am Schilde beginnt, nicht immer soweit. Zumal auf Halmahera kommt reicher Besatz der Vorderfläche mit kleineu Perlmutter- und anderen Muschelstücken, in neuerer Zeit auch Porzellanstückchen vor. Kükenthal er- wähnt für dieses Gebiet auch Benagelung mit Rotang- streifen, Martin eine solche auch für Seran, wo die Aus- schmückung mit Muschelmosaik sich nicht auf alle Stücke erstreckt. Auf Seran auch schom Verzierung des Schildes mit aufgeklebtem Papier neben Federschmuck. Dieser *) Gute Abbildungen bei Schmeltz und de Cerq, Taf. XXIX, No. 10 und XXVIII, No 10 nebst ausgiebiger Beschreibung eben- da S. 140/47. **) A. Bastian: „Die Molukkeu, Reiseergebnisse und Studien", S. 74. Bickmore S. 148 und 1.51. C. Ribbe: ,Die Aru-Inseln" in der Festschrift des Voreins für Erdkunde zu Dresden, 1888, S. 184. K. Martin: „Reisen in den Molukken", 1894, S. .58, 104, 191 192, 235, 28.5. Warnik 1899 i. A. H. d. R. Bd. VIII, S. 74. Küken- thal: „Im malajischen Archipel" 1896, S. 147, 197 etc. J. G. F. Riedel: „De Sluik- en Kroesharige Rassen Tuschen Selebes en Papua" 1886, Taf. 4, Buru etc. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 5. Papierschmncii ist auf den üliassern, die den kleinen Tan^- schild von dem Kriegsschild der Buruer ererbt haben wollen, allgemeiner. Die Verwendung des Schildes ist in den meisten Gegenden auf den Tanz beschränkt, zumal auf den Aru, wo neben ihm bei festlichen Aufzügen Models von Klevangs geschwungen werden, auf Luang, wo er beim Purkafeste auftritt (Berlin. Mus. Ic. 19 804.) und auch im Norden. Auf Tanimbar aber ist er ein „Kriegs- scliild zum Pariren". Bemerkenswerth ist, dass diese Schilde auf den Banggai eine ziemliche Breite haben und mit einem Mittelknauf versehen sind (z. B. Berliner Mus. Ic. 22038). Dieser letztere Schild erinnert an die merkwürdigen Schilde der Talaut (Leiden Mus. z. B. 653/1 und 561/20), deren Länge zur Breite sich wie 8 zu 1 ungefähr ver- hält. Auf V4 vom oberen Rande nimmt die sonst ziemlich gleichmässige Breite plötzlich ab und der Schild läuft nach einer kleinen Einbuchtung nach oben spitz zu. In der Mitte vorne findet sich ein starker Buckel, der von innen ausgehöhlt ist und so eine Art Griffcanal bildet, von dem wir aber sonst nicht sprechen dürfen, da ausserdem . der Griff frei heraus- gearbeitet ist. Es kommen für die — Schilde ausserdem noch zweierlei Eigenarten in Betracht, nämlich einmal die zusammen- gesetzten Schilde von Borneo und dann eine Form des Tabangan mit eingesetztem Griff. Diese Schilde von Borneo neigen durchgehends der ovalen Gestalt zu, von der sie hie und da durch Zuspitzung des unteren Endes und Abflachung des oberen (z. B. Berlin. Mus. Ic. 713 über 60 cm lang „in Mittel- und Süd-Borneo" gebräuch- lich) oder nur Abflachung des oberen Randes (z. B. Berlin. Mus. Ic. 10 Nordwest-Borneo) abweicht. Die richtig ovalen Schilde besitzen entweder Rotangwand oder Holzwand. Ein solcher Schild mit Holzwand in Leiden ist bei einer Länge von ca. 74 cm etwas über 30 cm breit (461/30) und stammt aus West-Borneo. Der äussere Rand ist von einem starken Rotangstreifen eingefasst. Der ganzen Längsachse nach ist ein etwa dem Drittel der grössten Breite entsprechendes Holzbrett vorn auf- gebunden, dem hinten ein ebensolches, nach oben und unten spitz zulaufendes entspricht. Das hintere ist das Griffbrett von der Form wie Fig. 3, nur ist der Griff- streifen in Relief vom oberen bis zum unteren Ende ge- arbeitet. Dagegen besteht die Wandung des Berliner Schildes Ic. 9, Central-Borneo, Länge ca. 55 cm, Breite ca. 18 cm, aus einer Flechtwerkplatte, der aber wie bei dem vorigen Schilde ein Rand von Rotang, ein senk- rechtes Streifenbrett wie eine Mittelrippe vorn und ein ähnliches Brett mit dem erhabenen Griffe hinten nicht fehlt. Diese Schilde müssen unbedingt der — Form zugezählt werden, bedeuten aber dennoch in Folge der Zusammensetzung im Wesentlichen Abänderung. Die Rotangflechtplatte erinnert an vormalajische Vorkomm- nisse. — Weiter gehört in die Gruppe der —-Schilde Berlin Ic. 18797, ein Tabangansehild von Allor. Der- selbe ist länger (nämlich 58 cm lg.) als der in Fig. 5 abgebildete Tabangan ui^l in der Mitte auch breiter und flächenhaft gewölbt gebildet, wodurch die Gestalt sich der Fig. 31 nähert. Wie das andere Stück ist dieser Schild nach unten und oben zugespitzt und oben mit einem geschnitzten Kopf versehen, ganz abweichend aber ist der Griff gebildet, nämlich genau wie bei. Fig. 3a. Die Wand ist mit zwei übereinanderliegenden Löchern ver- sehen und in diese der gekrümmte und sonst ganz regel- recht senkrecht stehende, mit Lederstreifen umwickelte Griff hineingesetzt. Es ist also genau das Prinzip des jüngeren australischen Rindenschildes. Ausser den beschriebenen und den später zur Be- schreibung gelangenden Holzschilden asiatischer Verwandt- schaft kommen in Indonesien nun noch eine ganze Reihe vor, über deren Zugehörigkeit sich wegen mangelhafter Schilderung der Reisenden und wegen Mangels an musealem Uutersucbungsniaterial ich mir kein ürtheil zu fällen wage. So führten auch die Bewohner der Andamanen Schilde, wie die von Engano. Letztere waren aus festem Holz gemacht, 5 — 6 Fuss hoch und 2 — 3 Fuss breit und auf der Aussenseite mit Schnitzarbeit und Malerei verziert. Etwas über der Mitte waren zwei Löcher angebracht, um den annähernden Feind dadurch beobachten zu können, ohne dass der dahinter stehende genöthigt war, sich bloss zu geben. Man brauchte diese Schilde nur als Brustwehr bei der Vertheidigung von Häusern uud Dörfern, da sie zu schwer waren, um ins Feld geführt werden zu können. Die von Forbes und Jacobsen er- wähnten Timorlaut-Schilde gehören wohl zu der Molukken- gruppe, aber weder die hölzernen Schilde Sumatras noch die Timors können irgend einer Gruppe ohne Weiteres zugetheilt werden.*) d. Polynesien. Weder Mikronesien noch Polynesien haben irgend etwas, was man mit Recht einen Schild nennen könnte.**) Dagegen kommt für diese Gegenden eine verwandte wichtige Erscheinung häufig vor. Die Gilbert-Insulaner***) haben unter anderem Keulen an Länge bis über 1,18 m, die an beiden Enden zuge- spitzt sind und zum Abwehren der Speere dienen sollen. Auch giebt es ja auf den gleichen Inseln Wurfkeulen, die mit einem langen Stocke abgeschlagen werden. Die Hawaier kannten ebenfalls keinen eigentlichen Schild. Statt dessen diente ihnen der Wurfspiess, mit dessen unterem Ende sie mit bewundernswürdiger Geschicklich- keit die Streiche des Gegners und sogar Schleudersteine parirten. Vankouver beobachtete solche Kampfesweise gelegentlich eines Gefechtes, das die Hawaier ihm zu Ehren aufführten. In der linken Hand hielten sie ihre Speere, mit denen sie die feindlichen parirten, mit der rechten fingen sie die abgeschickten auf, und warfen sie sogleich mit grosser Geschicklichkeit wieder zurück. Und ähnlich wird ein Gefecht zweier Tahitier geschildert, die beide mit Speeren und Keulen bewaffnet waren. Der eine that den Angriff, und der andere vertheidigte sich. Der erste schwang den Speer und warf ihn oder stiess nach seinem Gegner damit, indem er zm- gleichen Zeit seine Keule gebrauchte. Derjenige, welcher sich ver- theidigte, steckte die Spitze seines Speeres in die Erde in einer schrägen Richtung, sodass der oberste Theil über seinem Kopfe hervorragte, und indem er das Auge seines Feindes beobachtete, fing er seine Schläge und Stösse durch die Bewegung des Speeres auf, und so bestand die Geschicklichkeit hauptsächlich in der Vertheidigung. Diese Kunst des Parirens des Speeres mit dem Speere wurde auch auf den anderen polynesischen Inseln geübt. Bei einem derartigen, von Turner für Samoa geschilderten Kampfspiele stand ein Mann in einer Entfernung abseits uud erlaubte anderen den Speer nach ihm zu schleudern. Er hatte keinen Speer, wohl aber eine Keule, und er legte *) Rosenberg: S- 11, 59, 210, 350. Jacobsen: „Bandameer" S. 131/132. Henry 0. Forbes: „A Natiiralists Wandering in tlie Eastern Arcliipelago, 1878— 1S83". 1885, S. 314/315. Rienzi: „Oceanien" Band I, S. 125. Junghiihn : „Battaliinder", Band II, S. 320. *-^) James Edge-Partington bildet im: „Album of the Weapon, Tools, Ornaments ets of the Natives of the Pacific Islands" : einen Ceremonialschild mit Federschmuck von Aitutaki ab, dessen prognater Griff das Recht der Bestimmung auf — ,- Form giebt ; das ist jedoch eine sehr vereinzelte Thatsache und die Abbildung recht mangelhaft. ***) O. Fisch: „Ethnologische Erfahrungen und Belegstücke aus der Südsee". Wien 1893, S. 311. Edge Partington Theil II, Taf. 95, No. 12. XV. Nr. 5. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 55 eine ausserordentliche Gewandtheit an den Tag, mit dieser die heranschwirrenden Speere wegzuschlagen.*) Diese charakteristische Waflenübung erstreckt sich von Polynesien ziemlich weit über das östliche Melanesien. Guppy betont, dass die oben blattförmig gebildeten und gekrümmten Keulen der vSalomoncn nicht nur zum Angritf, sondern auch für die Vertheidigung benutzt werden, und Codrington sagt, dass die Eingeborenen von Sau Cristoval, die vor Allem Speerkänipfer sind, keine Schilde benutzen, sondern die feindlichen Speere mit langen, gekrümmten Stäben abwehren. Cook und Forster fiel es schon auf, dass die Bewohner der Neuhebriden mit ihren Keulen, die auf Tanua eine flammenartige Schneide hatten, die Wurfpfeile der Gegner parirten, ganz ähnlich den Ta- hitiern.**) Und schauen wir uns nun in Indonesien um, ob wir von solchen Angaben nichts finden, so entdecken wir, dass die Lanipongs sich im Kriege eines laugen, mit einem Kieselsteine besetzten Hambusstockes bedienten, mit dem sie feindliche Lanzenstiche abwehrten, und die JMakassaren entweder mit Schild und Kri oder mit zwei Kris fochten, mit deren einem sie die gegnerischen Streiche auffingen und mit deren anderem sie selbst Stösse versetzten.***) — Diese WaÖenkunst wurde also auf der ganzen Nordachse ge- übt. Wir sind berechtigt, auf sie einen besonderen Werth zu legen, zumal wenn wir die Bemerkungen über die Verwendung der nigritischen Schilde berücksichtigen, wie dies in dem folgenden Abschnitte geschehen soll. e. Geographische und formale Entwickelung der nigritischen Schildformen. Wir haben vom nigritischen Schilde somit im Ganzen 4 Formen kennen gelernt, nämlich einmal die ursprüngliclie Form, dann die r^-Form, die — Form und endlich den einfachen Stock wohl als Kümmerform. Es hat sich ganz klar erwiesen, dass dieser Schild unbedingt der Südachse angehört. Fragen wir nach der Gegend, wo die wenig veränderten Grundformen noch erhalten sind, so muss mit dem Hin- weis auf Neuholland geantwortet werden. Denn abge- sehen davon, dass Indonesien eine wahre Uebermenge von vergnüglichen Umbildungen hervorgebracht hat und noch heute besitzt, fehlt vor Allem bis auf vereinzelte Vorkommnisse auf den kleinen Sunda die ursprüngliche Form (Fig. 1 und 5) und wir vermögen wohl in Neu- holland, nicht aber in Indonesien die Entstehung der *) George Vancouver: „Reisen nach dem nördlichen Theil der Südsee 1790—1795". Bd. I, S. 335. J. R. Forster: „Uebei- setzung der Tagebücher der Entdeckungsreise nach der Südsee 1776-1780", 1781, S. Ib7. Bastian: „üceanieu" S. 16. Rienzi: „Oceanien" Bd. II, S. 131. George Turner: „Samoa an hundred years ago and long before." 1884, S. 127, vergl. auch Cook. Forster etc. **) H. B. Guppy: „The Salomon Islands and their Natives", London 1887, S. 75. R. H. Codrington: „The Melanesians" 1891, S. 305. Bastian: „Oceanien" S. 90. ***) Du Bois in der Tijdschrift 1852 1, S. 318. Allg. Hist. d. R. Bd. XI, S. 486/487. Schildfläche, „der Wand", erkennen. Bei der ur- sprünglichen Form ist von einer Wand nicht zu sprechen. Betrachten wir nämlich die zweite der beiden ursprüng- lichen Formen auf Neuhollaud, die ich zwar nicht in einer Total-Ansicht, in la aber wenigstens in einem Querschnitt durch die Mitte vorstelle, so ersehen wir sofort, dass diese Schilde ursprünglich mehr zur Vertiefung als zur Verbreiterung neigen. Aber wenn der nigri- tische Schild ursprünglich kein Flächenprincip besitzt, wie kommt es dann zur Fläche? Ich möchte die Frage mit einem Hinweis auf das Material beantworten, das Fig. 3 ins Leben rief. Die Herstellung der Watfe aus Baumrinde mit angefügtem Holzblock zur Ausführung des Griöes brachte anscheinend die Fläche hervor bei der — Gruppe. Ich will aber ein „Anwachsen" der Breite der ursprünglichen bis zur ^^-Form nicht in Abrede stellen. Es ist immerhin zu bemerken, dass auch in Indonesien die Entwickelung zur Fläche keine ununter- brochene ist. Die bisweilen grösste und verbreitetste Gruppe ist diejenige mit der dachartigen Eückbiegung der durch eine senkrechte Mittelfirste in zwei Flächen getheilten Wand. Auch hier wieder dringt die Kante durch und tritt das Flächenprinzip zurück. Wir müssen den Grund hierfür im Wesen des nigritischen Schildes, in seinem Zwecke aufsuchen und sehen uns demnach nach Notizen über seine Anwendung um. Auf Neuholland dienen die ursprünglichen und die r~A- artigen Schilde nur im Einzelkampf mit Keule, Buraerang und Holzschwert, die — F'orm aber gegen den Speerwurf und in der Schiacht. Die ursprüngliche Form in Indonesien ist der Tabangan, der dazu benutzt wird, die feindlichen Pfeile abzuwehren. Der Dajak verwendet seinen breiten, zu solchem Verfahren unter allen noch weitaus am besten geeigneten Schild nicht zum Auffangen der Speerspitzen, sondern wir hören, dass er die Speere mittelst des Schildes durch eine Drehung der Hand ab- zulenken pflegt. Die Bewohner der Molukken können mit ihrem Schilde gar nichts anfangen als pariren, und an alles das reiht sich die Bemerkung an, dass sogar Stock und Schwert als Schutzwatt'c in Indonesien zur Anwen- dung gelangen, wenn diese Kampfesweise in den west- lichen Gebieten vielleicht auch nicht so blüht als in den westlichen, in Mikro-, Poly- und dem östHchen Melanesien. Damit wird die Sache ganz einfach. Der nigritische Schild ist als Parirschild entstanden und kehrte mit seinen Eigenarten auch immer wieder zu diesem Zwecke zurück. Dass er sich in dem mit Eisenwaften reich ausgestatteten Indonesien ausserordentlich stark umgebildet hat, kann nicht irre machen. Dass er aus Indonesien nicht voll- kommen nach Polynesien mitgenommen wurde, sondern nur in der Kampfesweise eine verwandte Erscheinung über die Nordachse entsandt hat, darf ich aber wohl damit begründen, dass der Seekrieg die Führung des Schildes nicht recht gestattet. (Schluss folgt.) All den Nistplätzeii der Eismöve. (Pagophila ebiirnea). — Der schwedischen „Antarctic"- Expedition nach Spitzbergen und König Karls -Land im Jahre 1898 gelang es, die Nist- und Brutplätze der Eismöve auf König Karls-Land und Neu-lsland zu entdecken. Im selbigen Jahre fand Kapitän Kjeldsen sie auf Franz- Josephs-Land. Die folgenden Mittheilungen, welche der Zoologe der Antarctic- Expedition Gustav Kolthoff, einer der besten Kenner der nordischen Vogelwelt, in seinem im Erscheinen begrifi'euen Werke: „Ür djurens lif"*) giebt, dürften darum Anspruch auf allseitiges Interesse erheben, umsomehr als die Eismöve zuweilen als Winter- gast bei uns erscheint. „Wenn der Nordpolfahrer soweit nach dem Norden vorgedrungen ist, dass er den offenen und eisfreien Theil des Polarmeeres hinter sich gelassen hat, wenn er soweit *) Stockhohii : Skoghind. 2U Hwfte a 50 Uere. ^m 56 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 5. gekommen ist, dass er seine Hoffnungen, weiterzukommen, scheitern sieht, und vor ihm nur das ewige Eis sich aus- dehnt, dann hat er oft Gelegenheit,, einen schneeweissen Vogel über dem Eise kreisen oder auf einem schwimmen- den Eisberge sitzen zu sehen. Es ist die Eismöve. Dort oben am geheimnissvollen kalten Pole ist die Heimath dieses Vogels, der wahrscheinlich der nördlichste unter allen Vögeln der Erde ist. Kein Wunder, dass das Interesse der Nordpolfahrer sich in erhöhtem Maasse diesem Vogel zugewendet hat. Ein Vogel, der unter so merkwürdigen Verhältnissen lebt, wird übrigens bei jedermann Interesse finden, und ich will darum mittheilen, was ich über ihn weiss. In Grösse und äusserer Erscheinung stimmt die Eis möve am meisten mit einer gewöhnlichen Sturmmöwe (Larus canus) überein. Das Gefieder ist weiss, der Schnabel gelb, die Füsse sind schwarz und die Augen schwarzbraun. Sie zeigt einen kräftigeren Bau als die übrigen Möven; der Körper ist kürzer und dicker, die Flügel sind kürzer und breiter, die Beine und Füsse gröber und letztere mit bedeutend grösseren und stärkeren Krallen versehen. Die Eismöve hat das Gebiet des ewigen Eises rund um den Pol in Besitz und geht wahrscheinlich soweit nach dem Pole hinauf, als offenes Wasser zwischen den Eisschollen zu finden ist oder als Eisbären, Walrosse und Seehunde leben können. Zur Sommerzeit verirrt sie sich äusserst selten südlich über die Grenze des Treibeises, und wahrscheinlich verlebt sie auch in der Regel den Winter dort oben. Es erscheint in der That wie ein Wunder, dass die Eismöve in dem stetigen Dunkel des laugen und strengen Polarwinters existiren kann; aber da sie nur äusserst selten zu dieser Jahreszeit in südlicheren Breiten ange- troffen wird, muss man annehmen, dass der grössere Theil im Eismeere überwintert. Die Eismöve ist übrigens nicht der einzige Vogel, der den Winter so hoch oben im Norden verlebt. Fast noch merkwürdiger erscheint es, dass das SchDeehuhn auf Spitzbergen existiren kann und hier im Dunkel bei Schnee und Kälte seine Nahrung aus dem dürftigen Pflanzenreiche zu suchen vermag. Eine geringe Zahl von Eismöven zieht jedoch zur Winterzeit nach dem Süden, und vereinzelt haben sie sich sogar nach Schweden und an die Ostsee verirrt. Draussen im Treibeise leben die Eismöven zerstreut. Selten siebt man sie in Gesellschaft und in Schaaren nur dann, wenn sie sich um einen Kadaver zusammenfinden. Niemals segelt sie, wie der Eissturmvogel, in geringer Höhe über dem Meeresspiegel, niemals sieht man sie, wie andere Möven, hoch oben in der Luft ihre Kreise ziehen. Mit leichten Flügelschlägen fliegt sie in einer Höhe von 20 — 30 Metern leise vorwärts, indem sie nach Nahrung ausspäht, und dass sie währenddessen in erstaunlichem Grade ihre Augen mit sich hat, habe ich oft beobachten können. Sobald wir einen auf dem Eise liegenden Seehund erlegt hatten, kamen die Eismöven sofort heran und ver- sammelten sich um das todte Thier, selbst wenn vorher auch kein einziger Vogel zu erblicken gewesen wäre. Die Vögel schienen sich hauptsächlich durch die Blutflecke leiten zu lassen und kamen oft aus weiten Entfernungen direct herangeflogen. Entweder sieht man die Eismöve über dem Eise da- hinfliegen oder auf einer Eisscholle sitzen. Sehr selten legt sie sich auf den Meeresspiegel, und es sieht dann beinahe aus, als furchte sie sich vor einem Bade in dem kalten Wasser. Als ich bei Spitzbergen vom Fahrzeuge aus den Möven einige Speckstücke zuwarf, bemühten sie sich, dicht über dem Wasser dahinfliegend, die Stücke mit dem Schnabel zu erhaschen. Nur in ein paar Fällen gelang es mir zu sehen, wie sie auf einen Augenblick sich auf das Wasser niederliessen. Die Eismöven führen im Eismeere ungefähr ein Leben, wie die Geier in den Wüsten des Südens. Weit umher streifen sie, um todte Thierkörper zu suchen, und verzehren dieselben mit gleich gutem Appetit, mögen sie auch noch so alt oder bereits in Verwesung übergegangen sein. Sie folgen dem Eisbären auf dessen Raubzügen, um die Ueberreste von seinen Mahlzeiten zu erhaschen, und zeigen sich dabei äusserst gefrässig. Als die „Sofia" 1883 über die Baffins-Bai segelte, war mehrere Tage hindurch keine einzige Eismöve zu sehen. Aber eines schönen Tages erblickten wir drei Bären, und um diese hatten sich Eismöven versammelt. Als ich auf einen der Bären zuruderte, um ihn zu er- schiessen, schwebten die Vögel dicht über meinem Kopfe, und kaum war der Bär erlegt, und kaum färbte das Blut das Eis roth, so schlugen sie sich dort nieder und Hessen sich kaum von dem todten Thiere vertreiben. ' Reichliche Mahlzeiten gewähren diesen Vögeln die Seehundskörper, welche die Jäger auf dem Eise liegen lassen. Auf König Karls Land, wo die Eismöven sehr zahlreich sind, sah man sie mit Gier von alten, verwesten Bärenkörpern fressen, und wenn wir einem Bären den Pelz abzogen, schwebten die Eismöven imaufhörlich dicht über unseren Köpfen. Während die Eismöve frisst, steht sie oft auf dem Kadaver oder auf dem Stück Speck, das sie gefunden hat, und sie benutzt ohne Zweifel ihre starken, ge- krümmten und scharfen Klauen, um die Nahrung festzu- halten, während sie Stück um Stück mit dem Schnabel davon abhackt. Obwohl sie stets in Frieden und Eintracht mit anderen Vögeln zu leben scheint, hat es doch den Anschein, als hätten diese einen gewissen Respect vor ihr. So sah ich eines Tages die Bürgermeistermöve sich mehrfach unter einen Kadaver zurückziehen, um den Eismöven Platz zu machen. Als ich, um Vögel anzulocken, am Ufer des nördlichen Spitzbergens Seehundsspeck auslegte, sammelten sich dort Eismöven in grosser Zahl. Mit neidischen Blicken sassen die Bürgermeistermöven daneben als stumme Zuschauer, griffen aber nicht zu, bevor sich die Eismöven entfernt hatten. Dessenungeachtet habe ich nie die Eismöven mit anderen Vögeln in Streit ge- rathen sehen. Es kam mir so vor, als hätte die grosse und starke Bürgermeistermöve aus purer Höflichkeit gegen die kleine Eismöve derselben den Vortritt bei den Mahl- zeiten gelassen. Dass die Eismöve jedoch nicht ausschliesslich von Aas lebt, wird dadurch bewiesen, dass ich auf König Karls-Land ein Exemplar erlegte, welches einen recht grossen Polardorsch verschlungen hatte. In anderen Fällen sah ich die Eismöve und eine grosse Anzahl von Stummelmöven damit beschäftigt, kleine Dorsche zu fischen, welche in dichtgedrängtem Zuge in der Nähe des Ufers standen. Es dauerte lange, bevor man in Erfahrung brachte, wo die Eismöve nistete, und die Eier und die Jungen derselben waren ganz unbekannt. Schliesslich fand man ihre Nester auf steilen Bergen des nördlichen Spitz- bergens und brachte von dort sowohl Eier als Junge mit. Als wir während der Polarexpedition des Jahres 1898 am 4. August auf König Karls-Land ankamen, sahen wir zahlreiche Eismöven am Ufer entlang fliegen oder auf gestrandeten Eisblöcken sitzen. Wir besuchten zuerst die westlichste der beiden Inseln dieses geheimnissvollen Landes, das Schwedische Vorland, und wussten im vor- aus, dass die Eismöven auf der östlichsten Spitze der- XV. Nr. 5. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 57 selben, dem Kap Weissenfels, nistend gefunden war. Der gewandte Arzt der Expedition, Dr. Lewin, der kühn auf den steilen Abhang des Felsens hinauskletterte, entdeckte dort zuerst ihr Nest mit Eiern und Jungen. Als ich am folgenden Tage dorthin kam und über die senkrecht zum Meere abfallende Felswand hinabsah, flogen einige Eismöven, ängstlich „pirr" oder „tirr" schreiend, unter mir hin und her. Oft setzten sie sich auf die Absätze des Abhanges oder auf den Rand des- selben in meiner nächsten Nähe, und sie schienen mit den Stummelmöven in gutem Einvernehmen zu leben, welche dort in grösserer Anzahl nisteten. Als ich, auf dem Bauche liegend, über den Abhang hinaussah, entdeckte ich einige Meter unter mir ein aus grünem Moose gebautes, ziemlich grosses Nest und in demselben eine ganz ruhig brütende Eismöve. Auf anderen Stufen waren mehrere ähnliche Nester, von denen die meisten jedoch leer waren; aber in einigen lagen halbbcfiederte Junge zu zweien in jedem Neste. Ich machte die überraschende Beobachtung, dass einige der Jungen aut den blossen Altsätzen lagen, wo kein Nest zu finden war und wohin die noch nicht flüggen Jungen unmöglich von den auf anderen Stufen liegenden Nestern gehen konnten. Die Eltern müssen also zuweilen entweder die Jungen aus den Nestern entfernen oder auch die Nester forttragen. Eine andere Beobachtung, welche späterhin erwähnt werden wird, lässt darauf schliesseu, dass die Eismöven wirklieh aus der einen oder der anderen Ursache ihre Jungen aus dem Neste forttragen. Da die Jungen der Eismöve im Halbdaunenkleide bisher unbekannt waren, war es für mich von besonderer Wichtigkeit, einige Exemplare zu erlangen. Dieselben die steile Felswand heraufzuholen, war jedoch keine leichte Sache; aber in solchen Fällen müssen alle Scbwierigkeiteu überwunden werden, und es gelang schliesslich, einige Exemplare dieser seltenen Jungen zu fangen. Zwei derselben und ihre Mutter stehen jetzt nebst einem Neste in der Eismeergrotte im Biologischen Museum in Stockholm. Während dieser Arbeit verliess der schon erwähnte, brütende Vogel sein Nest, und wir entdeckten in dem- selben ein Ei. Das Nest lag jedoch sehr weit nach unten, sodass das köstliche Ei keineswegs leicht zu erlangen war. Es gelang jedoch schliesslich in der Weise, dass mein Gehülfe, an ein Seil gebunden, welches festgehalten wurde, ein Stück in einer Spalte des Felsens hinab- kletterte und das Ei mit einem Insektenfangnetz, welches ich an einer Stange befestigt hatte, heraufholte. Aus meinen Beobachtungen am Nestplatze der Eis- möve scheint hervorzugehen, dass dieser Vogel erst später im Sommer heckt, dass er sein Nest aus Moos baut und darin 2, zuweilen — vielleicht in einem Nach- gelege — nur 1 Ei legt. Die Eier sind olivengrau mit grossen, dunkelbraunen und kleinereu, heilgrauen Flecken. Auch auf der östlich von Schwedisch Vorland liegen- den König Karls-Insel sah ich die Eismöven in grosser Zahl zusammen mit Stummelmöven hecken, theils auf der Südseite vom Sjögrens Berg, theils an der Westseite vom Retzius-Berg. Auf Grund der losen Beschaffenheit dieser Berge dürften jedoch die dortigen Nestplätze unzugänglich sein. Auch auf der östlich vom König Karls-Land liegenden Abels - Insel, welche von Lerners Deutscher Expedition besucht wurde, scheint die Eismöve in grosser Zahl zu nisten, und die Nester liegen hier auf dem kahlen Erdboden. Am 18. August sahen wir eine Insel, mit Eis bedeckt, sich aus dem Meere erheben. Es war die sogenannte Weisse Insel oder Giles-Land. Zwischen treibenden Eis- schollen kreuzten wir an dieselbe heran und segelten Stunde auf Stunde rund um die Küste derselben, ohne anderes als Eis sehen zu können. Freilich flogen Eis- möven um dieselbe herum, aber wer hätte glauben können, dass hier der Wohnplatz eines Vogels sei, — auf einem Lande, von dem mehr als neun Zehntel unter ewigem Eise ruhen? Diese Eismöve hatte jedoch hier ihr Heim. Nachdem der grössere Theil des Landes umsegelt war, sahen wir einen kleinen Theil desselben, den süd- westlichen Theil, frei von Eis. Ein Boot wm-de hinab- gelassen, und mit Professor Nathorst und einem anderen Kameraden ruderte ich ans Land. Am Uufer lagen Eis- blöcke durcheinander, und wir mussten eine Strecke an der Küste entlang rudern, bevor es uns gelang, zwischen dieselben hineinzudringen, welche zu phantastischen Formen aufgethürmt waren. In der Nähe des Landes war das Wasser seicht, und dort, innerhalb des Eises, war es ruhig wie in einem Hafen, sodass wir an dem hohen Ufer bequem anlegen konnten. Der kleine Theil der Insel, welcher hier eisfrei war, war niedrig und be- stand einzig aus Felsen, Geröll und grobem Kiese und war mit einer dünnen Schicht neu gefallenen Schnees bedeckt. Als wir ans Land stiegen, kamen Eismöven, weiss wie das von ihnen bewohnte Land, in Schaaren auf uns zugeflogen. Zu Hunderten sassen andere oben an den Bergabhängen und auf dem Kiese. Da mir daran gelegen war, die Nester dieser Vögel zu finden, eilte ich an Land zu kommen. Es dauerte nicht lange, bevor ich das eine Nest nach dem anderen entdeckte, aber alle waren leer. Der Erdboden, auf dem wir standen, war vollkommen steril. Die Nester der Vögel waren jedoch aus grünem Moose hergestellt, das also auf der Insel zu finden sein musste. In grosser Zahl bedeckten die Nester den Erdboden; aber wo steckten die Jungen'? Dass diese noch nicht den Nistplatz ver- lassen haben konnten, ging zum Theil daraus hervor, dass wir während unserer ganzen Fahrt noch keinem einzigen ausgeflogenen Jungvogel begegnet waren, zum Theil daraus, dass die alten Vögel in Schaaren bei den Nestern verweilten und bei unserer Ankunft nicht entflohen. Jedes Nest war mit einer dünnen Schicht Schnees bedeckt, und überall im Schnee waren Spuren der alten Vögel sichtbar, aber nirgends deutete eine kleinere Spur darauf, dass Junge sich hier seit dem Schneefalle auf- gehalten hätten. Wenn Raubthiere sich auf der Insel gezeigt hätten, hätte man den Verdacht hegen können, dass die Jungen denselben zur Beute gefallen wären. Aber weder Spuren von Bären noch von Füchsen Hessen sich entdecken. Zudem hätten höchst wahrscheinlich alsdann die alten Vögel, wie gewöhnlich in solchen Fällen den Nistplatz verlassen. Das Eis begann dem Lande zuzutreiben und drohte den Weg zum Fahrzeug zu versperren. Wir mussten darum schon nach ein paar Stunden an die Rückkehr auf die „Antarctie" denken, welche uns weit draussen auf dem Meere erwartete. Hätte uns etwas mehr Zeit zur Verfügung gestanden, so wäre es uns vielleicht möglich gewesen, hinter das Geheimniss der Eismöven zu kommen. Jetzt aber kann man nur Vermuthungen darüber austeilen, wie es sich mit den Jungen derselben verhielt. Mir scheint es am wahrscheinlichsten, dass die Vögel aus einem oder dem andern Anlass ihre Junge aus den Nestern an einen anderen Platz gebracht haben. Möglicher- weise waren sie irgendwo in der Nähe, vielleicht auch weiter ins Gebirge hinauf verborgen. Es ist nicht un- möglich, dass die" alten Vögel durcli ihr Verhalten unsere 58 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 5. Aufmerksamkeit von dem Platze ablenken wollten, wo sie ihre Jnnge verborgen hielten. Merkwürdig ist, dass während der ganzen Fahrt nicht mehr als zwei ausgeflogene Eismövenjunge bemerkt, und das erste, welches beobachtet wurde, wurde am 25. August bei Grey Hock auf Nord-Spitzbergen erlegt. Die' Eismöve unterscheidet sieb in mehreren Be- ziehungen von den eigentlichen Möven und wird darum auch jetzt als besondere Gattung angesehen. Unter anderem weicht sie dadurch ab, dass die Jungvögel in ihrem ersten Federkleide nicht grau sind. Sie haben einzig einige dunkle Flecke am Vordertheile des Kopfes sowie an den Flügeln und auf dem Rücken und bekommen schon nach dem ersten Jahre ein ganz weisses Gefieder." A. P. Lorenzen. Die japanischen Tanzmäuse, welche eine albinotische, verschieden gefärbte Spielart der gewöhnlichen Hausmaus darstellen, zeichnen sich durch ihre fast unablässig aus- geführten drehenden oder „tanzenden" Bewegungen aus. Die Neigung zu diesen Drehbewegungen ist so gross, dass sie beim Laufen die gerade Richtung niemals innehalten, sondern stets sich im Zickzack vorwärts bewegen, wobei sie nach der Gegend, der sie zustreben, schnüffelnd den Kopf erheben. Plötzlich wird dann häufig der Lauf unter- brochen, und die Tbiere fangen an, sich im Kreise herum- zudrehen, und zwar mit solcher Schnelligkeit, dass man die wirbelnden Bewegungen kaum mit den Augen zu verfolgen vermag und dass im Käfige der Thiere etwa vorhandene Sägespäne u. dergl. nach allen Richtungen hinweggeschleudert werden. Befindet sich zufällig ein einzelner Gegenstand, etwa ein Pfahl, ein Stock oder dergl., in der Nähe des Thieres, so wird die wirbelnde Bewegung nm diesen Gegenstand als Mittelpunkt aus- geführt, anderenfalls dreht sich das Thier um sich selbst im Kreise herum. Auch mehrere Tauzmäuse können sich in dieser Weise mit rasender Geschwindigkeit drehen, wobei sich eine dicht an die andere schliesst, so dass jedes Thier mit der Schnauze das Hintertheil des Vordermannes berührt. Bei den einzeln wirbelnden Mäusen findet die Drehung häufig in einem so kleinen Kreise statt, dass die Schnauze des Thieres die Schwanzwurzel desselben zu berühren scheint. Plötzlich findet dann eine Unterbrechung des Kreislaufes statt, worauf die Mäuse ihre kreisenden Bewegungen mit derselben Geschwindigkeit in entgegen- gesetzter Richtung wieder aufnehmen. Dies gilt sowohl für mehrere, als auch für eine einzelne „tanzende" Maus. Auch beim Fressen und Saufen wie überhaupt bei allen übrigen Thätigkeiten unterbrechen die Thiere nur auf sehr kurze Zeit ihre unruhigen Bewegungen. Höchst wahrscheinlich ist diese Ruhelosigkeit, wie B. Rawitz im Archiv für Anatomie und Physiologie, Physiol. Abth. 1899, 3. und 4. Heft („Das Gehörorgan der japanischen Tanzmäuse") nachweist, auf die Taub- heit der Mäuse zurückzuführen, welche die wehrlosen und schüchternen Thiere zur Sicherung ihrer Existenz nur auf den Gesichts- und Geruchssinn anweist. Dass die Mäuse wirklich taub sind, wurde durch Gehör- prüfungen mittelst lauter und hoher Töne bewiesen, auf welche andere Mäuse mit normalem Gehör deutlich rea- girten, während die Tanzmäuse vollkommen gleichgültig blieben. Ist somit die Unruhe sowie das beständige Schnüffeln und Sichern der Thiere durch ihre Taubheit erklärt, so fragt es sich, auf welchen anatomischen That- sachen die letztere sowie die drehenden Bewegungen be- ruhen. Eine Untersuchung der Bogengänge ergab eine hoch- gradige Veränderung derselben und der übrigen Labyrinthabschnitte insofern, als statt der normalen drei Bogengänge überhaupt nur ein einziger, nämlich der obere Bogengang als regelmässig entwickelt bezeichnet werden kann. Der hintere und der äussere Bogengang ist verkrüppelt, und auch die Art und Weise ihrer Verbindung unter einander entspricht ebensowenig den regelrechten Verhältnisseh, wie die Mün- dungen der Ampullen, der Bau des Utriculus und Sacculus und die weite Verbindung derselben unter einander sowie mit der Schnecke. Letztere zeigte die Erhaltung aller Windungen des Corti'schen Organes, dagegen eine starke Entartung der Hörzelleu, der Zellen des Ganglion spinale und der zugehörigen Nervenfasern. R. glaubt die Degeneration der zuletzt genannten Elemente auf die weite Verbindung zwischen dem Utriculus und der Scala tympani zurückführen zu dürfen, durch welche die Endolymphe aus den Bogengängen in die Schnecke mit Leichtigkeit hinüberströmen kann, sodass sie durch ihren Druck auf das Corti'sche Organ die Schwingungsfähigkeit desselben aufhebt. .Hierdurch werde bei dem lebhaften Temperamente und den häufigen Kreis- bewegungen der jugendlichen Thiere in Folge der steten Functionsstörungen des Cortischen Organes sich allmählich eine Atrophie desselben geltend machen, welche die Taub- heit der bei der Geburt vielleicht mit Hörvermögen be- gabten Thiere mit der Zeit zur Folge hat. Für die Richtigkeit dieser Auffassung wird der Umstand an- geführt, dass das Corti'sche Organ überhaupt zur Ent- wickelung gelangt. Wenn nun auch diese Erklärung der Entartung der Schneckenelemente als Hypothese bezeich- net werden muss, da nicht der Nachweis geführt wurde, dass neugeborene Tanzmäuse auf Töne reagiren, so ist andererseits als die Ursache der Drehbewegungen ohne Zweifel der anomale Bau der Bogengänge anzu- ehen. Das „Tanzen" der Mäuse entsteht dadurch, dass dieselben bei der Ausführung von Bewegungen nicht im Stande sind, die beabsichtigte geradlinige Richtung inne- zuhalten, da sie in Folge der anomalen Bogengänge zur Ausführung von Kreisbewegungen getrieben werden. In diesem Befunde liegt die Bedeutung der Rawitz'schen Untersuchung für die statische Labyrinththeorie. Da nach der letzteren die Bogengänge der Orientirung über die in ihrer Ebene liegenden Drehbewegungen dienen, so wird der in Folge der Verkrüppelung des hinteren und äusseren Bogenganges zu erwartende functionelle Ausfall für die Unfähigkeit der Thiere, sich ohne Bei- hülfe des Gesichts- und Geruchssinnes in gerader Linie dem Ziele zu nähern, maassgebend sein. Nach R. besteht die Function der normalen Bogengänge darin, dass sie die Innehaltung der einmal eingeschlagenen Richtung ermög- lichen, und in diesem Sinne werden die Bogengänge als der Sitz des Orientirungsvermögens bezeichnet. Wegener. Aus dem Gebiete der künstlichen Riechstoffe. — In einer früheren Abhandlung wurde mitgetheilt, dass nach Angaben von Hesse das ätherische Jasmin-Blüthenöl zum grössten Theil besteht aus Benzylacetat, Linalylacetat, Benzylalkohol und Linalool. Allein wenn diese Körper auch quantitativ die Haupt- nienge des Oels ausmachen, so sind sie allein noch keineswegs die eigentlichen Träger des Jasmingeruchs, vielmehr wird der Geruch des Jasminblüthenöls im wesent- lichen durch andere, sehr intensiv riechende Verbindungen bedingt. So hat z. B. Hesse die überraschende Thatsache festgestellt, dass im JasminblUthenöl ca. 2'/3 °/n Indol ent- halten sind und dass die Gegenwart des Indols ein sehr XV. Nr. 5. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. wichtiger Factor beim Hervorrufendes Jasmingeruches ist. Bis jetzt hat man das Indol allerdings als einen intensiv riechenden Körper gekannt, doch wurde es nie als Riechstoff bezeichnet und ein nach gewöhnlichen Methoden dargestelltes Indol kann auch in der That keinen Anspruch auf den Namen eines Parfüms machen. Allein treibt man seine Reinigung noch weiter als bis zur Analysenreinheit — eine bei vielen Riechstoffen erforder- liche Nothwendigkeit — so findet man die Thatsache, dass das Indol Parfummischungen, einen bestimmten, frischen Blumengeruch ertheilt. Ferner findet sich im Jasmiublüthenöl zu ca. V2 Vo Anthranilsäuremethylester, welcher, wie schon früher mit- getheilt, sich auch als wesentlicher Bestandtheil im Neroli- öl vorfindet. Schliesslich wurde noch als ein sehr wichtiger Be- standtheil des JasminblUthenöls ein neues Keton von der Formel CnIIigO erkannt, welches Hesse mit dem Namen Jasmon belegt. Es ist dies ein hellgelbes Oel, welches besonders in verdünnten Lösungen einen äusserst inten- siven, angenehmen Jasmingeruch zeigt. Die drei Verbindungen Indol, Anthanilsäuremethylester und Jasmon bilden zusammen mit den früher besprochenen Producteu die wesentlichen Bestandtheile des Jasminriech- stoffs, und folgende ist nunmehr die Zusammensetzung des ätherischen Jasminblüthenöls : 3,0 °/o Jasmon, 2,5 % Indol, 0,5 % Antranilsäuremethylester, 65,0 % Benzylacetat, 7,5 7o Linalylacetat, 6,0% Benzylalkohol, 15,5% Linalool. Für das Studium der Bildung der natürlichen Riech- stoffe und des Zusammenhangs von Farbstoff und Riech- stoff der Blüthen ist das Nebeneinander- Vorkommen von Indol und Anthanilsäuremethylester (welche beide Spaltungs- producte des Indigos sind) von grossem Interesse. Dr. H. Buss. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden : Dr. Joseph Schaff er zum provisorischen Leiter des embryologischen Instituts der Universität Wien ; Dr. Muratow, ausserordentlicher Professor der Geburtshülfe und Gynäkologie in Dorpat, zum ordentlichen Professor; ausserordent- licher Professor Dr. Kudrewecki, Director der therapeutischen Fakultiltsklinik in Warschau, zum ordentlichen Professor; Dr. N. Muchin, ausserordentlicher Professor der speciellen Pathologie in Warschau, zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: Privatdocent der analytischen Chemie in Berlin Dr. Oskar Piloty als ausserordentlicher Professor nach München; Professor der Chemie und Director der chemischen Universitätsanstalt in Jena Dr. Ludwig Knorr nach Freiburg i. Br.; Dr. Willy Wien, ordentlicher Professor der Physik in Giessen, als Nachfolger Prof. Röntgens nach Würzburg; Dr. Windisch, Privatdocent der Chemie in Berlin und technischer Hilfsarbeiter beim kaiserlichen Gesundheitsamt nach Geisenheim als Vorsteher des chemischen Laboratoriums der königlichen Lehranstalt für Weinbau. Es habilitirten sich: Dr. L. Neuraayer für Anatomie in München; Dr. August Szökely für experimentelle Patholgie in Budapest; Dr. M. Salaghi für Orthopädie an der medizinischen Schule in Florenz; Dr. Arno low für Hygiene in Kasan; Dr. Anton Heveroch für Psychiatrie und Neurologie in Prag; Dr. Moritz Sachs für Augenheilkunde in Wien; Dr. Forch für Physik an der technischen Hochschnle in Darmstadt. Abgelehnt hat: Geh. Medicinalrath Prof. Dr. Käst, Director der medicinischen Universitätsklinik in Breslau einen Ruf nach Halle als Nachfolger Prof. Dr. Webers. ^ In den Ruhestand tritt: Prof. Dr. Schenk, Leiter des embryologischen Instituts in Wien. Es starben: Geheimer Ober - Bergrath Dr. W. Hau'che- corne, Director der königlichen geologischen Landesaustalt und Bergakademie zu Berlin; Sanitätsrath Dr. J. von Steinau- S t e i n r ü c k , dirigirender Arzt der inneren Abtheilung des Kranken- hauses Bethanien zu Berlin; Dr. Wilhelm Sommer, Director der Provinzial-Irrenanstalt in Alienberg ((_)stpreussen); Assistent Dr. med. Kostanecki in Krakau. L i 1 1 e r a t u r. Lethaea geognostica oder Beschreibung und Abbildung der für die Gebirgsformation bezeichnendsten Versteinerungen. Heraus- gegeben von einer Vereinigung von Palaeontologen. 1. Theil: Iiethaea palaeozoica. 2. Bd., I.Lieferung von Fritz Frech. Mit 13 Tafeln, 3 Karten und 31 Figuren. 1897. — 2. Bd., L'. Lieferung Die Steinkohlenformation von Fritz Frech. Mit 9 Tafeln, 3 Karten und 99 Figuren. 1899. — E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (C. N. Nägele) Stutt- gart 1897-1899. Das gross angelegte, von dem Vorgänger Frech's auf dem Lehrstuhl der Geologie und Palaeontologie an der Universität Breslau Ferd. Roemer gegründete und begonnene Werk ist für den wissenschaftlich wirkenden Geologen und zur eingehenderen Orientirung auch für denjenigen, der sich für geologische und palaeontologische Fragen interessirt, von grosser Wichtigkeit: ebnet es doch durch Einführung in die Litteratur und geschickte Zusammenfassung des augenblicklichen Standpunktes den Weg. Es gehört dazu ein grosser Ueborblick und Umsicht, die der Ver- fasser in hervorragendem Maasse besitzt. Bei den grossen Fortschritten, welche die Kenntniss des Palaeozoicums seit Ende der 70 er Jahre gemacht hat, d. h. seit dem Erscheinen des von Ferd. Roemer bearbeiteten Anfanges des 1. Bandes der Lethaea war eine blosse Glossirung des Roemer- schen Textes, um den Versuch zu machen, ihn wieder auf heutigen Standpunkt zu bringen, nicht möglich; Frech hat sich deshalb entschlossen, eine neue Darstellung des Entwickelungsganges der palaeozoischen Aera zu liefern und ,auf Grund einer möglichst genauen Vergleichung der einzelnen Schichtgruppen und ihres organischen Inhaltes versucht, die Meeresbewegungen jener entlegenen Zeiten unter einheitlichen Gesichtspunkten in Bild und Wort übersichtlich darzustellen." Eigentlich sollte das Werk nur die Palaeontologie behandeln, (vergl. den Haupttitel) und also mittelbar der Stratigraphio dienen, jedoch ist ein Verstäudniss der Entwickelung des or- ganischen Reiches freilich nur genügend zu erreichen, wenn auch die stratigraphische Geologie Berücksichtigung findet, was von Frech in dankenswerther Weise geschehen ist. So hat er ein hübsches Kapitel auch über die mächtige praecambrische For- mationsreihe dem Ganzen vorausgesandt, obwohl organische Reste aus derselben nur spärlich bekannt sind. Bach's, Dr. M., Studien und Lesefrüchte aus dem Buche der Natur. Köln. — 5 Mark. Barrande, Joach., Systeme silurien du centre de la Boheme Leipzig. Lang, Vikt. v., Ueber lougitudinale Töne von Kautschukfäden, Wien. — 0,10 Mark. lietsch, Dr. Emil, Die schweizerischen Molassekohlen östlich der Reuss. Bern. — S Mark. Meyer, Dr. Stef., Maguetisirzahlen anorganischer Verbindungen. Wien. — 0,70 Mark. Sarasin Paul, u. Fritz Sarasin, DD., Materialien zur Natur- geschichte der Insel Celobes. 2. Bd.: Die Land-Mollusken von Celebes. Wiesbaden. — 60 Mark. Siebenrock, Custos-Adj. Frdr.. Ueber den Bau und die Ent- wicklung des Zungenbein-Apparates der Schildkröten. Wien. 2,80 Mark. Spengel, Prof. Dr. J. W., Lieber einige Aberrationen von Papilio machaou. Jena. — 2,50 Mark. Sterneok, Oberst Bob. v., Untersuchungen über den Zusammen- hang der Schwere unter der Erdoberfläche mit der Temperatur. Wien. - 1,20 Mark. XTnger, Frz., u. Steph. Endlicher, Briefwechsel. Berlin. — 5 Mark. Waagen, Prof. W.. et J. Jahn, DD., Classe des echinoderraes. Leipzig. — 40 Mark. Willy, Rud., Die Krisis in der Psychologie. Leipzig. — 5 Mark. [nhalt: L. Frobenius: Die Schilde der Oceanier. — An den Nistplätzen der Eisniöve (Pagophila eburnea). — Die japanischen Tanzmäuse. — Aus dem Gebiete der künstlichen Riechstoffe. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Lethaea geognostica. Lethaea palaeozoica. — Liste. 60 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. .5. Elektrische Einlagen |iir £ichl unD }Cra|t. TI|n|afMAfti AtAfiA in spezieller Konstruktiou für wisseu' IllClkll UUIUIUI C !«clial'tliche und modizinische Zwecke Pll fipl^ll C J^l^l^tricitäts-Aktien-Gesellscliaft BERIilN NW., Schiffbauerdamm 23. VoranscblAge kostenfrei. — Telephon Amt III, 1320. "^ag Ferd. Dttmmlers Yerlagsbuchhandlung in Berlin SW.12. Soeben erschien: Tabellen zur qualitativen Analyse bearbeitet von Dr. F. P. Treadwell, unter Mitwirkung von Dr. Victor Meyer, I>rofe«sor an der Univcrsilfit Heidelb.TK. Vierte vermehrte und verbesserte Auflage, neu bearbeitet von Dr. F. P. Treadwell. Lex. 8". Preis kartonnirt 4 Mark. Lehrbuch Pflanz enpalaeontologie mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse des Geologen. Kgl. Bezirksgeologen Potoniö, nit Vorlesungen über Pflanzenpalaeontologie Mit 3 Tafeln und fast 700 Einzelbildern in 355 Textfiguren. 402 Seiten, gr. 8". Preis geh. 8.- M., geb. 9,60 M. Lehrbuch der Potentialtheorie. Allgemeine Theorie des Potentials und der Potentialfunklionen im Räume, Von Dr. Arthur Korn. Privatdozent an der königl. Universität München. Mit 94 in den Text gedruckten Figuren. 27 IJogeii gross Octav. Preis 9 Mk., gebunden 10 Mk. 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Piimniirrs llrrlagebudilianiilung in Srrlin SW. 12, ]!immtrftr. 94. prgfrlidjfö (Bffrpiidi für kö 5nitfil|r Ikid). IVixi 6em (Einfüljrungsgefc^ unö Sadjrcgifter. ■i ©ritte forgfüttig rcoibiertc 91uflagc. m 599 Sfiten. Sitein Dcta«. ®c6unbeii -1 maxi Dom Raunte ber (£rfcnntnts. Fragmente }\K CIBt^ih «nö ^fijdjölogif aus Ui pcltlittcratur, selainraelt uub betauäBegcben üon Dr. ^rtttl vo%% C$ijt|rlti, ©tabtfAuIiiifteftor in äBcrIin. I. Ilianö: ^ntttbprOÖfcme. 3roeite «uflnge. 808 ©. gc. 8. II. ^ttnb: |)aö f5ctC. 786 S. gr. 8. III. panb: i^wi unb ^öfc 832 ©. gr. 8. .;;rcbcr »nitb gel). 7,50 Wh, in fcinftcm Üiclifiolicrfjollifraitä 10 ffljorf. (jratis ""d franko liefern wir den 3. Nachtragl (Juli 1897 bis Juni 1899) v unserem Verlagskatalog. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchh., BerUn SW. 12, Zimmerstr. (14. PATENTBUREAU Ölrich R. jvlacrz Jnh. C. Schmidtlein.Jngenieur Berlin NW., Luisenstr.22. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. 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Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abclrnck ist nur mit vollständiger Qaellenangabe gestattet. Die Schilder der Oceanier. Von L. Frobeni (Schlus-.) II. Asiatischer Schild. Der asiatische Hciiikl wurde von den Europäern auf der ganzen Erde im Vordringen angetroffen, sowohl in Nordamerika als in Atriiia, wo er langsam sich auf der Siidachse fortschiebt. Dasselbe ist also auch für Oceanien anzunehmen. Der asiatische Schild ist ein Lederschild, der in Indonesien zur Zeit der polynesischeu Wanderung, die später durch den Abbruch der Verbindung des Weges über Mikronesien sich von Indonesien vollkommen isolirte, wohl noch nicht einheimisch und eingebürgert war und wohl aus diesem Grunde auch heute noch den Polynesiern fehlt, obgleich sie ihn ganz gut in Rotang oder Holz hätten nachbilden können. Anders ist die Sache in Mela- nesien, und wir werden in diesem Gebiet rege Umschau halten müssen. a) Indonesien. Der asiatische Schild ist in seiner ursprünglichen Form ein gewölbter oder gebuckelter, aus starkem Leder bestehender Rundschild mit zwei Griffen, einem für die Hand, und einem für den Arm, dessen Widerstandskraft auf der Wölbnngselasticität beruht. Die drei maassgebenden Gesichtspunkte, die die Verwandt- schaft verrathen, sind demnach: 1. die runde Form, 2. die Art der wagerecht angebrachten Griffe, 3. das Material: Leder. Das wichtigste von diesen beruht in der Anlage der Griffe, das unwichtigste in dem Material, denn es ist natürlich, dass in einem Laude, wie Indo- nesien, dessen Industrie meistentheils die Pflanzenfaser bevorzugt, alsbald das Leder von einem anderen Material verdrängt werden muss. Immerhin wollen wir uns erst über die Verbreitung von Lederschilden orientiren, dann aber der Reihe nach erst die runden und endlich die vier- eckigen Schilde in Indonesien ins Auge fassen. a) Lederschilde. Vor Allem wird — um in geographi- scher Anordnung zu bleiben — auf Sumatra bei den Battak ein Lederschild erwähnt. Im Anschluss hieran steht eine Bemerkung aus dem Jahre 1595: „Ihre Schilde sind hölzern oder sie spannen auch Leder über einen Reif." Ferner sind Lederschilde auf Flores und Timor und end- lich eine ganze Reihe von verschiedenen Formen auf Kisser, Letti, Allor, Baber zu erwähnen, sodass diese Ver- breitung sich genau auf die, das innere Indonesien um- grenzende südliche Inselkette beschränkt. Nur Ueberzüge von Leder und Fell auf Holzschilden bei den Piraten von Sulu und Mindanao, sowie den Stämmen des nordwest- lichen Neuguinea werden in der Litteratur erwähnt. b) Rundschilde. Die Vcrlireitung des Rundschildes deckt sich im Süden mit der des Lederschildes, sie zielit sich aber auch über das westliche Borneo undSulu, Mindanao und die Talautinseln, sodass sie sich in eigner nördlichen und einer südlichen Zunge nach Indonesien hineinerstreckt. Ein vereinzeltes Vorkommen ist ein Tanzschild auf Seran und Saparua. — Trotzdem dies nicht solche der ursprüng- lichen Form sind, sondern Schilde eines selbstständigen Typus, wollen wir die Besprechung mit einer Beschreibung derer von Sulu beginnen. Der Sulu-Schild besteht nach Baessler aus trocknem Holz, ist rund und hat einen Durchmesser von ca. ■V4 — 1 m- An der Innens-eite sind zwei Griffe angebracht, durch deren ersten man den Arm steckt, während man den zweiten mit der Hand umfasst; die Aussenseite ist meist mit Schnitzwerk verziert. Der in Fig. 10 abgebildete Sulu- schild des Leipziger Museums ist wie alle Verwandten dieser Gruppe aus einem Stück geschnitten und hat bei einem Durchmesser von etwas über 70 cm eine Tiefe von der Aussenseite gemessen von ca. 12 cm. Aussen auf der Mitte prangt ein kleiner Holzkuauf. Um den 62 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. Rand ist mit Holzuägeln eine Einfassung von Stuhlrohr angebracht. Innen sind nun bei der Herstellung zwei starke Querleisten ausgespaart, die in Schwalbenschwanz- form in den etwas abgesetzten Rand übergehen. Der untere behält auf der ganzen Länge seine Breite, ist aber seitlich rund ausgeschnitten zum Durchstecken des Armes. Der obere verliert in der Mitte auf einer Länge von ca. 10 cm seine Breite. Auch ist er der Wandung zu vier- eckig ausgeschnitten; das restirende Verbindungsstück ist abgerundet zu einem Griffsfab, den die Hand leicht er- fassen kann. Demnach sind Arm- und Handgriff durch die Form unterschieden. — Diese Schilde sind verbreitet bis Borneo (Catalog von Webster 1895, Vol. I, No. 5, S. 7. Leiden, Reichsmuseum S. 761, No. 222), Benkoelen (Leiden S. 939, No. 51 a), Mindanao und bis zu den Labo- oder Ta- lautinseln. (Ein entsprechender Schild von den Philippinen in Leiden!) Ling Roth, der diesen Schild bei den See- dajak als priccei erwähnt, sagt von der Verwendung leider nichts Näheres.*) — Bei einem Reihentanze der jungen Burschen Serans haben die meisten kleine, runde, bunt beklebte und an den Rändern mit Federn verzierte Schilde, wie Martin solche auch auf Saparua gesehen hatte. Der Lage dieser Inseln und sonstigen zum Norden weisenden Beziehungen zufolge, möchte ich an einen kümmerlichen Verwandten des kräftigen Sulu - Schildes denken. Die Schilde der südöstlichen kleinen Sunda bestehen, soweit sie in diese Gruppe gehören, aus Leder und sind in der Ausgestaltung und Verwendbarkeit von ausserordent- lich verschiedenem Werthe. Da sind die Lederschilde von Flores aus starkem Leder und ca. 1 m im Durch- messer mit kräftiger Rotangumrandung, zwei festen Holz- hügeln und ordentlicher Wölbung. Und daneben die kümmerlich kleinen Schilde aus Timor,^einfache Scheiben aus gelbem Leder, einem einfachen Riemen, durch zwei Löcher gezogen, als Griff, ohne Wölbung, ohne Rand- versteifung. Und als Spielzeug erscheinen sie auch, wenn sie oben in Schwalbenschwanzform auswachsen. Das sind keine Kriegswaffen, das sind kümmerliche Aus- klangsformen. Mitteldinge befinden sich auf den nord- östlichen kleinen Inseln. Auf Kisser kommen Formen ähnlich denen von Timor, aber mit einem Rotangrande vor. Auf Baber tritt zu dem einen Griffriemen ein Holz- bügel, und dann macht auch der Riemen einem zweiten Holzbügel Platz. An Stelle des ledernen Griflfriemens finden wir häufig einen Rotangstreifen. Auf Letti end- lich kehrt der kräftige Schild von Flores wieder. — Auf Sumatra und Java kommen nun noch verschiedene Varia- tionen vor. Von Java stammt ein grosser, geflochtener Rundschild mit Bügel aus Holz, von den Atjeh auf Sumatra ein Rundschild aus Flechtwerk (Berliner Mus. Ic. 9558) mit zwei Ringen als Handhabe. Bei letzteren erwähnt Junghuhn auch kleine, hölzerne Rundschilde, das Leipziger Museum besitzt aber sogar einen Adjehschild aus Messing, von 35 cm Durchmesser. Derselbe ist in zwei Reihen je dreimal durchbohrt zur Aufnahme von Metallknöpfen, die innen mit ebensovielen, also im Ganzen 6 Ringen, ver- sehen sind, offenbar zur Aufnahme von Schnüren als Hand- habe. Auf der Aussenseite ist ein Halbmond als Schmuck angebracht. Offenbar ist der Schild von auswärts ge- kommen; aber es interessirt uns, ihn hier an der Grenze Asiens zu treffen. c. Langschilde. Langschilde asiatischer Verwandt- schaft kommen in Indonesien vor: auf Sumatra, Nias, Flores, Solor, AUor. Das ist die gleiche Verbreitung wie *) Baessler im Internationalen Archiv für Ethnograpliie 1891, Bd, IV, S. 68. Blumentritt a. a. O. S. 54 Allg. Hist. d. R., Bd. XI, S. 11.59 Forrest, Deutsche Ausgabe S. 172. Ling Roth Bd. II, S. 139. Mai-tin: „Molukken" etc. etc. die der Lederschilde, es ist das südliche Gebiet der Rund- schilde. Der Schild von Nias, der den Reigen eröffnen mag, gehört dem Norden dieser Insel an, während auf dem Süden die besprochene, Baluse genannte Form nigritischer Verwandtschaft einheimisch ist. Dieser Dague ist nicht wie der Baluse leicht, handlich und geeignet, im Hand- gemenge gebraucht zu werden, sondern vielmehr schwer und gross, eine wahre Festung, hinter welcher die Krieger sich verstecken, wenn sie auf der Vertheidigungsmauer ihrer Ortschaft stehen. Modigliani vergleicht ihn in der Form mit dem Dajakschild; wie dieser ist auch er oben und unten zugespitzt, aber er ist verhältnissraässig schmäler. Der Dagne ist aus solidem Holze hergestellt, sehr schwer und gewohnheitsgemäss mit Büffelfell überzogen, und zwar ist dieses mit Rotangstreifen aufgenäht. Die beiden Seiten sind mit einem Stocke als Randverstärkung versehen. Der Griff des Dagne besteht aus vier untereinander mit Rotang fest verbundenen Holzstücken, nämlicii den beiden wage- recht liegenden Griflfhölzern, die wir vom Sulu- und Flores- schilde kennen, und zwei kurzen, sie verbindenden und senkrecht zwischen beiden augebrachten Holzleisten. Da es sehr schwer ist, den Schild zu handhaben, wird er zum Gebrauche auf den Kopf gestellt, die Hand fährt durch die Oeflfnung des nunmehr oben sich befindenden, für den Arm bestimmten Griffholzes und packt das untere, eigentlich nach oben gehörige Grift'theil. Alsdann drehen sie ihn herum und vermögen ihu nun leichter zu heben, da er ausbalancirt ist. Bei einer Länge von 1,57 m und einer Breite von 0,37 m hat der Dagne ein Gewicht von 5,7 Kilo, bei einer Länge von 1,51 m und 0,34 m Breite ein Gewicht von 3,7 Ko. — Der nächste Verwandte ist ein Battakschild, wie etwa in Fig. 11 abgebildet. Der- selbe besteht aus einer Lederplafte, einem breiten, quer- gelegten Griffholz und einer auf der Aussenseite davor angebrachten Querleiste. Das ausserordentlich dicke Leder ist viereckig, fast rechteckig, 68 cm hoch, unten 31 cm und oben 36 cm breit. An Ornamenten sind aussen Spuren kleiner Sterne eingekratzt. Unten links (nicht mitabgebildet) ist eine kleine Schelle angebracht. Mehrere unregelmässig am Rande angebrachte Löcher und quer über den Schild laufende Schnuren haben wohl einer Garnirung mit Federn, die heute nicht mehr vorhanden ist, gedient. Wenigstens ist ein Schmuck von (oben) Haaren und (unten) Federn an einem sich, wie der eben be- schriebene, im Leipziger Museum befindenden Stück, erhalten, das ausserdem gewölbt ist, d. h. im Längsdui'chschnitt einen dem Träger zugekehrten offenen Bogen von 17 cm Tiefe darstellt. Sonst ist der Schild in den Dimensionen gleich. — Der nächste Schild gleicher Zugehörigkeit ist der von AUor. (Dazwischen ßinige schwächliche Instru- mente auf Flores und Solor.) Dieser stellt (Fig. 12) eine Holzplatte von ca. 124 cm Länge und 17 cm Breite dar. Sie ist fast rechteckig oben, aber mit einem flachen Ein- schnitt versehen. Zwei Holzbügel dienen als Griff", von denen der fast genau in der Mitte der Hinterwand an- gebrachte dem Arme, der unten auf \^ der ganzen Länge ungefähr angebrachte, nur halb so starke Griff für die Hand bestimmt ist. Also wie bei dem Dagne von Nordnias greift der Arm beim Erfassen von oben nach unten, dann wird der Schild umgedreht, so dass der Ein- schnitt nach unten kommt. Die Schildplatte ist ganz leicht gewölbt, sodass die concave Seite dem Träger zu sich befindet. Aussen ist der Schild „mit der Abbildung des Vorvaters (des Ahnen) als Schutzgeist", dazu noch mit Haarbüscheln ausgeschmückt. Das Geräth heisst Krabi und stammt von den Bergbewohnern Allors. — Zwischen Sumatra und Allor kommen auf Flores und Solor noch schwächere Schilde vor, so z. B. (Berliner Mus. Ic. Naturwissenschaftliche "VTochenschrift. 63 18244) in Larantuka auf Flores, ein Holzschild von 87 cm Länge und 11 cm Breite, unten wagerecht, oben aber im Bogen abgerundet. Der Rand ist von Rotang eingefasst, der Griff ist ein wagerecht, 42 cm von oben angebrachter Rotangring. Die Aussenseite ist mit Musehein ausgelegt. Aehnliche Formen sind in Ratzel's Völkerkunde, 2, Bd. I, S. 378 und bei Jacobsen S. 77 abgebildet. Im Reichs- museum in Leiden trägt eine grosse Modellfigur einen solchen Schild von Solor. Hier ist aber hinten eine Mittel- rippe angebracht und es liegen rechts und links von der- selben je ein Griffband, durch deren eines der „Vor- kämpfer" den Arm gesteckt hat, den Schild mit der Aussenfläche der Hand, den Daumen auf der Mittelrippe zurückdrückend. Sonst habe ich für diese Gegenden keine Formen dieser Verwandtscliaft entdecken können.*) Der asiatische Schild tritt also von Indien aus wohl ausgerüstet und in altbekannter Form ein, bildet sich im nördllicben Indonesien zum festen Typus aus (Suluschild), wandert aber sonst auf der südlichen Sundakette bis in das Bandameer, auf dieser Bahn sehr variirend, hie und da aber doch immer wieder zur alten Form zurückkehrend. In Verbindung mit dem nigritischen Schilde tritt er häufig auf, von diesem die Holzplatte entlehnend. Wichtig nun wird es sein, wie der Schild sich in Melanesien umbildet. b) Melanesien. Es sind die mannigfachen Schilde von Neuguinea, dann die selteneren von den Salomonen zu besprechen. In Bezug auf erstere kann ich mich ganz auf Finschs ausgezeichnet genaue Schilderungen berufen, und bedarf es nur einiger Nachträge, wie Beschreibung des Schildes von Mitra und Aehnliches mehr. Es ist bemerkenswerth, dass der grössere Theil Neu- guineas und zwar gerade der Indonesien zu gelegene keinerlei Spuren eines Schildes asiatischer Verwandtschaft aufzuweisen hat und dass solche nur dem östlichen Theile der Insel angehören. Das erste Vorkommniss ist in Hatzfeldhafen zu erwähnen, wo Schilde der in meinem Werk über die afrikanischen Culturen Seite 23 abgebildeten Form vorkommen. Dies sind ausserordentlich hohe Schilde, deren Breite nur ein Sechstel der Länge beträgt. Das obere Ende ist ganz abgerundet, unten sind nur die Spitzen gekrümmt. Die Seite ist von einem Rotangstreifen um- säumt. Reiche Ornamente zieren die Vorderseite. Aeusser- lich betrachtet würde man den Schild unbedingt zur — Gruppe Indonesiens zählen und zwar ihn der Ce- lebes- Neuguinea -Verwandtschaft zutheileu, denn er hat eine ausgeprägt dachartige Wand. Dennoch müssen wir ihn den asiatischen Schilden angHedern, da er einen doppelten asiatischen Griff hat. D^er äusseren Form nach würde man dagegen die Schilde der Astrolabe-Bai un- bedingt der asiatischen Gruppe zutheilen. Dies sind nämlich Rundschilde (Fig. 13). Die Schilde werden aus schwerem Holze und zwar aus den Wurzelstöckeu hoher Bäume geschnitzt. Es giebt grosse Exemplare von 80— 92cm Durchmesser und kleine von ca. 40 cm Durchmesser, die in einem Netze getragen werden. Dem ausserordent- lichen Gewicht, bis 10 Kilo, zufolge nimmt Finsch an, dass sie nicht mit in den Kampf genommen werden, sondern bei der Vertheidigung der Dörfer Anwendung finden. Sie werden in den Gemeindehäusern aufbewahrt und sind Dorfeigenthum. Aussen sind sie in Relief mit einem Kreuz und sonstigen Linien ornamentirt. Der Griff ist sehr eigenartig. Auf der inneren Fläche erheben sich zwei längliche Buckel, aus dem Ganzen gearbeitet und jeder mit einem Bohrloch versehen, durch die die Schnur gezogen wird, die nach Finsch als Handhabe (?) *) Modigliani: „Nias S. 131/182. Rosenberg S. 164 und Ab- bildung S. 57. Jocobsen: „Bandameer" S. 77, 93. Gaimard bei Rienzi l. Bd., S. 226. dient. Es wird Niemand, der diese Schilde genan be- trachtet hat, ganz so scheinen, als ob dieser ziemlich lange Strick eine geeignete Handhabe darstellt und dass er somit ein zweifelloses Argument für die asiatische Ver- wandtschaft ist. In der That ist die Sache complicirt. Nach einer in meinem Besitze sich befindenden Photo- graphie wird der Schild auch ganz eigenartig ge- handhabt, nändich vom Bogenschützen über die linke Schulter gehängt. Ich habe darauf später zurückzukommen. — Viel eher ein asiatischer Schild ist der von Finsch- hafen (Fig. 14). Diese Schilde sind 1,60 m bis 1,80 m lang nnd ca. 40 cm breit, so dass sie einen Mann ziem- lich decken. Dabei sind sie auch sehr schwer. Zuweilen zeigen sie auf der Vorderseite originelle Bemalung in Farben. In Adolfshafen sah Finsch ähnliche Schilde, lang, schmal, an einem Ende abgerundet, an dem andern gerade, mit schwarz und weiss bemalt. Der Längsachse nach sind die Schilde gebogen, zurückgewölbt; sie tragen zwei Griffe aus Rotang, einen breiteren unteren und einen einfachen oberen. Das ist echt asiatisch. — Der Schild von Mitrafels (Fig. 15) stammt aus dem Museum in Leiden. Das Reichsmitseum hat zwei derartige Schilde 1168/3 von 68 cm, 1156,4 von 87 cm Höhe bei Vs grösster Breite. (Ein Exemplar bei Edge Partington hat 35" Länge bei 12" Breite.) Es sind das Holzplatten mit einem Rotang- überzug und einem Bügel für die Hand. Oben sind sie zugespitzt, unten stark abgeschnitten. — Im südöstlichen Gebiet sind mehr Formen zu erwähnen. Solche von Teste sind rechteckig, etwas concav, mit feiner Schnitzarbeit im Relief. Daneben tritt ein länglich ovaler, aussen mit feiner Schnitzarbeit und Bemalung und vor Allem mit einem echt asiatischen Gr.ff aus Holzstäben und Strickwerk auf. Erstere sind ca. 1 m hoch und 40 cm breit, letztere bei 90 cm bis 1 m ebenso breit Doch giebt es hier an der Ostspitze auch runde Schilde. — Ferner der Schild von Trobriand. Derselbe besteht aus leichtem Holze und ist 75 bis 80 cm lang, oval und zwar unten breiter und au der breitesten Stelle etwa 28 bis 32 cm breit. Der Griff: zwei querliegende Rotangbänder auf ^/^ vom oberen Rande. Zuweilen auf der Aussenseite eine zierliche Be- malung in veränderlichen Mustern. — Endlich als letzte Form der ovale Schild von Keraepunu. Er kommt nur in der Nord- und der Kappel-Bai vor und ist für diese Gegend charakteristisch. Es ist das eine oben und unten abgerundete Holzplatte meist in 8-Form, also seitlich ein- geschnürt in der Mitte. Maasse: Länge 85 cm. Breite auf ein Viertel von oben und von unten ca. 45 cm, in der Mitte, also auf einhalb, ca. 30 cm. Die Hälfte der Holzplatte ist so, dass nur oben und unten ein Viertel frei bleibt, mit einer feingeflochtenen Rotangdecke umgeben, die mehr Festigkeit bieten soll. Hinten in der Mitte ein wagerechter, ins Holz eingebohrter Rotanggriff.*) — Wir sehen also, dass die Verbreitung der Schilde dieser Ver- wandtschaft, wie ja überhaupt der Schilde, eine sehr be- schränkte ist und dass sie mehr Lücken aufweist wie wir es bisher kennen gelernt haben. In dem Schilde von Hatzfeldhafen macht sich ein Uebergang zu indonesischen Formen bemerkbar; das ist eine Mischform (dachartig mit asiatischem Griff), wie sie aus Indonesien selbst mir nicht bekannt ist. Dabei ist bemerkenswerth, dass die Griffe auf Neuguinea zum grössten Theile schwächlich sind, und dass summa summarum ein einheitlicher Typus, wie ihn doch z. B. der Bogen Neuguineas darstellt, sich nicht herausgebildet hat. ;^ Daher dürfen wir^die kleine *) Finsch: ,Ethnol. Erf." S. 119, 168/169, 172, 216, 645. „Samoafahrten" S. 78, 108, 178, 271, 282. Kdge Partington Th. I, Taf. 282, No. 3; Taf. 283, No. 1, 4; Taf. 284 No. 3. Th. U, Taf. 157, No. 1. A. B. Meyer und Parkinson: „Masken und Schnitzereien" Taf. VUI, Fig. 2. Bastian: Sumatra Taf. I, No. 2. Xatiii-wissenschaftliche Woelienschi-ift. XV. Nr. 6. Gruppe von Verwandten der asiatischen Schilde, die wir auf Neuguinea gefunden haben, als eine schwächliche Nachkommenschaft der asiatischen Schilde in Indonesien bezeichnen. Es wäre in Melanesien zu prüfen, ob sieh hier die Verhältnisse ebenso erweisen, also ob die aus- gesprochene Ansicht hier noch weitere Belege findet. Im ösilicben Melanesien und zwar auf dem Ueber- gangsgebiet von Neuguinea nach den Salomonen trafen wir nigritische Schilde an (Fig. 4). In den Marawat- schilden von der Gazellehalhinsel, die vor allem aus Rotang bestehen, ist ein üebergang zum Schilde von Neuguinea vertreten, der auf der anderen Seite nach den Salomonen weist. Auf einer anderen Gruppe sind Schilde nicht nachgewiesen; wenn auch Quiros solche in Merena und D'Entrecasteaux auf den Luisiaden solche gesehen haben will, so hat doch eine nähere Durchforschung dieser Gegenden keinen thatsächlichen Beleg hierfür erbracht. Auf Florida, Guadalcanar, Isabel, San Cristoval und, wenn auch weniger allgemein auch auf der Insel Malanta wird hauptsächlich mit dem Speere gefochten. Man pflegt im Allgemeinen den Schild als Begleitwaffe des Speeres zu bezeichnen, aber auf San Cristoval fehlt er, und statt seiner dient hier, wie schon oben erwähnt, die Keule. Auch auf Bougainville und den benachbarten Inseln fehlt der Schild. Da, wo er vorkommt, misst er im Allgemeinen (nach Guppy) 3 Fuss der Länge und 9 — 10 Zoll der Breite nach. Gewöhnlich bestehen sie aus einer Schilf- oder Rohrplatte, die durch Rotang zu- sammengehalten wird. Auf einigen Inseln, wie auf Florida und Guadalcanar sind sie mit feinem Flechtwerk bedeckt und die den Häuptlingen gehörigen Stücke mit Perlen geziert. Auf anderen Inseln, wie auf Jsabel und Choiseul sind sie roher und der zierliche üeberzug fehlt. Auf diesen beiden genannten Inseln sind sie in der Form rechteckig, während sie auf Florida und Guadalcanar mehr oval und in der Mitte zusammengezogen sind. In den deutschen Museen finden sieh mit unbedeutenden Ausnahmen nur die Schilde von Florida etc., die aus einer rotangdurchflochtenen Rohrplatte von 85 — 90 cm Länge bei ca. 25 cm grösster Breite (nach unten zu) und ovaler Gestalt bestehen. Der Griff wird durch einen horizontalen, rotangunisponnenen Ring dargestellt, der wohl als asiatischer Abkömmling aufzufassen ist. Ein ausser- ordentlich kunstreich und zierlich auf der Aussenseite mit Muschelstückcheu in Mosaikarbeit ausgelegter Schild im Leidener Reichsmuseum (924/55) von 72 cm Höhe hat aber noch einen anderen Halt. Auf der Rückseite sind nämlich in ziemlich gleichen Abständen 7 hölzerne Querleisten angebracht. Sie werden zusammengehalten von einem starken, oben und unten spitz zulaufenden, der Höhe der Schilde an Länge entsprechenden runden Stabe, der auf dem Rücken der Querleisten liegt und somit durch sie vom Schilde getrennt wird. Zwischen der dritten und vierten Querleiste ist ausserdem ein asiatischer Querriemen aus Rotang angebracht. Der Stab erinnert an die nigritischen Griffhölzer. — Einen recht- winkligen Schild von Flechtwerk, 35 Zoll hoch, oben 7 unten 9 Zoll breit (also oben schmäler als unten) bildet Edge Partingten ab, ebenso einen stark zurückgewölbten, reich ornamenlirten Schild aus Holz etc. — Unser ganzes Interesse nehmen aber die merkwürdigen Schilde von Santa Anna in Anspruch, deren sich einige im Leipziger Museum befinden. Edge Partington bildet die beiden wichtigen Formen ab. Beifolgend abgebildetes Stück (Fig. 16) gehört einer Privatsammlung an und ist genau 1 m lang. Die Breite beträgt oben etwa ein Siebentel, unten fast ein Sechstel der Länge. Nach beiden Enden ist die Fläche zugespitzt. Das merkwürdige an diesen, aus einem Stücke geschnitzten Holzschilden ist der Griff und der Obertheil. Für den Griff sind nämlich zwei Holzbuckel, ähnlich wie beim Astrolabe-Schilde (Fig. 13) hergestellt. Der Griff selbst fehlt. C»beu an der Spitze befinden sich aber zwei längere, mehrfach durchbohrte Holzstreifen im Sinne (aber länger als sie) der beiden Griff- bügel. Wozu diese dienen (vielleicht zur Anbringung von Pfeilen, also quasi als Köcher?) ist unbekannt. Besonders bei anderen Formen, deren unteres Drittel bis auf einen Stab ausgeschnitten, sodass der Schild wie gestielt ist, und bei denen die Spitze bis auf die oberen Leisten ausgeschnitten ist, erinnert das an nigritische Formen {Neuholland!). Und die Buckelbildung entspricht ja durchaus dem Princip des ausgespaarten Griffes der — Schilde. Liegt darin eine Annäherung au nigritische Formen, so erinnert doch der quer angebrachte Riemen als Griff an die asiatische Scbildform und sobald der Schild aus Geflecht besteht, dieser an die Hauptindustrie der vormalajischen Kultur. — Endlich sei noch erwähnt, dass Sürville einen Schild von Port Prasslin auf Isabel abbildet, der oben sehr stark ausgeschnitten und seitlich zusammengedrückt, sonst aber von ovaler Gestalt ist. Nach Angabe des Seefahrers bestand er aus gespaltenem Rotang und war wie Korbmacherarbeit geflochten. An der einen Seite waren zwei Griffe angebracht, durch die man die Arme steckte. „Sie bedecken sich damit, wenn sie in ihren Canots sitzen, den Rücken und den Kopf, und bedienen sich ihrer auch als Regenschirm. Einige von diesen Schilden sind an den vier Ecken mit Quasten und Troddeln besetzt, die aus einer Art Band von gelbem und rothem Stroh verfertigt werden." Guppy hat diese Schilde nicht angetroffen.*) e) Geographische und formale Entwickelung der asiatischen Schildformen. Das Entwickelungs- bild ist verhältnissmässig klar. Der asiatische Schild zieht in kräftiger und ursprünglicher Form im westlichen Indo- nesien ein; auf einem zungenartigen Streifen pilgert er durch die nördlichen Gebiete, hier einen festen Typus im Suluschilde hervorbringend. Im südlichen Gebiet Indo- nesiens zieht er bis zu den äusseren kleinen Sunda, hie und da in ursprünglicher Gestalt, bald aber auch in Misch- formen Stationen der Wanderung gründend. Nach Osten zu kommt dann ein grosses Gebiet, auf dem die Schild- form fehlt und endlich tritt er im östlichen Neuguinea und im anschliessenden Melanesien, auf einer ziemlich grossen Fläche also, aber arg verkümmert und varianten- reich, auch nicht gleichmässig, sondern nur ab und zu, also verstreut auf, nicht in einem festen Tj'pus, sondern in allen möglichen schwankenden Gestalten. Das ist ein Aussengebiet, eine Ausbreitung über das eigentliche Macht- gebiet der asiatischen Cultur in Oceanien. Der Anschluss fehlt ja nicht; er ist in dem dachförmigen Schilde von Hatzfeldhafen geboten. Es ist aber kein fester Zu- sammenhang, sondern nur der trümmerhafte Ueberrest eines einmaligen Einfalles. Der asiatische Schild ist ein echter Speerschild und ist es auf der ganzen Wanderschaft fast geblieben. Wir j sahen aber im Astrolabeschild, dass er in dem Aussen- gebiet auch seiner Bestimmung untreu geworden ist. Und 1 dies nicht nur in der Astrolabebai. Auch vom Schilde ] der Eingeborenen in Port Prasslin sagt Sürville, er diene zum Schutze gegen Pfeilschüsse. { Demnach ist alles leicht verständlich : Im Westen I stark. Dann abgewandelte Formen. Im Osten abge- i flacht, kümmerlich. Das ist das Bild eines nach Osten j vorrückenden Geräthes. ■) Guppy S. 75. Codlington S. 305. Parkinson: „Zur Ethno- graphie der nordwestlichen Saloinoinseln", S. 2 Sürville bei Bligh „Reise in das Südmeer" 793, S. 311, 326. A. B. Meyer und Parkinson Taf. 18. Siehe auch Schmeltz: Cat. Mus. God. etc. XY. Nr. 6. Xatni-wissonscliaftlifho AYorlienschrift. 65 III. Vormalajisoher Schild. Vom vormalajischen „Hogenscliilde" sind noch kümmer- liche Reste vorhanden, die arg aufgesucht sein wollen. Wir wollen daher von vornherein an die Frage denken, ob die Erscheinungen, die wir auf den Bogenschild hin- deuten, nicht vielleicht sporadisch, nebensächlich sind und im Zusammenhange mit anderen Thatsachen eine einfachere Erklärung finden; ob es nicht also unberechtigt sein könnte, eine eigene Entwickelungsreihe anzunehmen. Wir wollen diese Frage also nicht vergessen und sie uns bei jeder einzelnen Form stillschweigend insGedächtuiss zurück- rufen. 1. Der Schild der Aru-Inseln. (Fig. 17.) Der Wichtigkeit halber wollen wir alle hierher gehörigen Notizen zusammenstellen. Schon Wallaee bemerkte: Einer der Kriegsschilde wurde mir zum Ansehen gebracht; er war aus Rotang gefertigt und mit Baumwollgarn bewickelt, sodass er leicht, stark und zugleich sehr fest war. Un- gefähr in der Mitte befand sich ein Armloch mit einem Verschluss oder einer Klappe darüber; der Arm kann hindurch gesteckt und der Bogen gespannt werden, wälirend der Körper und das Gesieht bis zu den Augen hinauf bedeckt blieben, was nicht geschehen kann, wenn der Schild an Schlingen, welche hinten in der gewöhn- lichen Weise befestigt sind, am Arme getragen wird. — Nach Bastian tragen die Orang Gunung auf den Arn einen halben Harnisch aus Rotang, um beim Bogenschiessen geschützt zu sein. — Neben dem „grossen", mit Casuar- federn umsäumten Schild von Baumbast erwähnt Rosen- berg den aus biegsamen Zweigen geflochtenen Kürass, den Djabi. — Ribbe, der den ersten dieser Schilde nach Europa brachte (Museum in Leipzig!) schreibt: Zu seinem Schutze benutzt der Arunese einen Schild, Djabi genannt, es ist dies ein viereckiges, in der Mitte gebrochenes, nach den Seiten abgedachtes, festes Geflecht aus spani- schem RohFj in dessen Mitte sich ein Loch nvit .Deckel befindet. Er ist sehr selten. Der Djabi wird mit der Schnur fest um den Hals über die Schultern gebunden, demnach ragt der Kopf über den Schild hinaus; in das in der Mitte sich befindende Loch wird der linke Arm gesteckt, somit also der Schild von dem dahinter Schutz Suchenden an der linken Seite getragen. Mit der durch- gesteckten Hand hält der Kämpfer seinen Bogen in der Mitte fest, während er mit der rechten Hand den Pfeil au die Schnur setzt und den Bogen beim Schiesseu spannt. Indem der Kämpfende auf der Erde kauert, findet der Körper Schutz hinter dem Djabi. — Der Baron van Hoevell, Resident von Amboina, hat sowohl dem Berliner, als dem Leidener Museum je ein Exemplar dieser seltenen und und seltsamen Waffe geschenkt, und Schmeltz gebührt die Ehre, als Erster ihn eingeliend erörtert und abgebildet zu haben. Schmeltz schreibt: Der Panzer ist über einer Grundlage von Rohr (Rotang) aus Cocosfaserschnur ge- flochten. (Hierdurch wird die Angabe bei de Hollander, als bilde Baumrinde das Material, berichtigt.), von aussen convex, von innen concav und am unteren Ende viel schmaler als am oberen. Als Verzierung sind Stückchen rothen Baumwollstoffes in Querreihen eingeflochten. Den oberen Rand bildet ein dicker W^ulst von Tau und Rotang, dessen eines Ende in eine dicke Schnur, und dessen an- deres in eine Schleife von demselben Material übergeht. Etwas unterhalb dieses Wulstes befindet sich an der Aussenseite eine Ocse für die Aufnahme eines Rohr- schaftes, eines Büschels von Paradiesvogelfedern (diesen Schmuck habe ich in meiner mehr schematischen Zeich- nung fortgelassen. L. F. — ) und noch weiter unten auf der Mittellinie eine vierseitige Oeflnung, hinter einem vom oberen Rande derselben ausgehenden, schräg gestellten Stück von Flcchtwcrk. Innen ist am obeicn Rande der Oeffnung ein von Blattstreifen geflochtenes Band befestigt. Herr Baron von Hoevell theilt uns mit, dass dieser Panzer, dessen einheimischer Name „Djabi" ist, im Innern von Trangan bei den Alfuren im Gebrauch sei. Mittelst des am oberen Rande befindlichen Taues wird er über der linken Schulter befestigt und der linke Arm durch das Loch gesteckt, behufs Hantirung des „Fir" genannten Bogens. Die solcher Gestalt gedeckte linke Seite wird dem Feinde zu- gekehrt; in die Schleife am oberen Rande hängt der Krieger sein entblösstes Schwert, um es nöthigen Falles mit der rechten Hand leicht ergreifen zu können.*) — Wir haben es hier mit einer Schutzwaffe, halb Schild, halb Panzer zu thun, die entschieden besonders geeignet erscheint, dem Bogenschützen ein Schutz zu sein und die andererseits keinerlei Beziehungen zu einer der bisher besprochenen Schildformen verräth, weder im Material noch in der Gestalt, noch in der Griffconstruction. Jetzt gilt es. Verwandte dieser einsamen Bogenschilde auf- zufinden. 2. Weitere Bogenschilde. — Im Papuagolfe ist ein eigenartiger. Käs oder Lana genannter Schild heimisch, wie es sonst in Neuguinea nicht nachgewiesen wurde (Fig. 18). Es ist das entweder eine langrechteckige — meist unregelmässige — oder eine ovale Schildfläche. Die Länge dieser Schilde zur Breite schwankt zwischen 2'/.j bis ;-i'/2 zu 1, wobei die Höhe um ein Beträchtliches einen Meter sowohl überschreiten wie nicht erreichen kann. Die Vorderfläche ist mit eigenartigen Mustern in Relief ver- ziert und mit schwarzer, rother und weisser Farbe bemalt. Am oberen Rande ist ein rechteckiger Einschnitt ange- bracht und zwar in der Mitte und bei etwa '/,, der ganzen Breite des Schildes stets tiefer als breit, sodass der Schild oben in zwei Rechtecken oder — bei den ovalen Formen — in zwei Hörnern ausläuft. Unter dem Einschnitt sind zwei Löcher durch das Holz gebohrt, die ein langes Band, den Traggurt, -festhalten, dessen beide Enden hindurchgeschlungen und auf der Aussenseite in dicke Knoten geschlagen sind. Dazu sagt Finsch: „Der rechtwinklige Ausschnitt am oberen Rande wird für die Form dieser Schilde charakteristisch und ist für den linken Arm freigelassen, da der Schild an dem in der Rückseite befestigten Bande über die lijnke Schulter getragen wird." Das ist oft'eubar ein ganz echter Bogenschild, der dem Aruschilde im Traggurt sowohl als in dem Ausschnitt für den linken Arm durchaus verwandt ist. — Im Leidener Museum be- findet sich unter 1016/4 ein in die gleiche Gruppe ge- höriger Schild von Solor. Derselbe stellt eine Holzplatte von 69 cm Höhe und ca. 20 cm Breite dar. In den oberen Rand greift von oben nicht ganz 20 cm tief ein einem Drittel der Breite des ganzen Schildes entsprechender, rechteckiger Ausschnitt ein, unter dem der Schild zwei- mal zur Aufnahme des Traggurtes durchbohrt ist. Auf der Mitte der Vorderseite, also von dem Ausschnitt bis an den unteren Rand läuft eine ganz schmale erhöhte Leiste. Sonst ist die Vorderseite mit Muscheln und Malerei geschmückt. Der ganzen Form mit den beiden Con- structionsprinzipien des oberen Einschnittes und des langen Traggürtels zu Folge muss dieser Schild als der nächste Verwandte jener der Papuaschildc bezeichnet werden. — Ferner ist hier zu nennen Ic. 18 804, ein Schild im Berliner Museum von den Bergbewohnern der Insel Aller stammend, mit Namen Kalili. Es ist dies eine 93 cm hohe und ca. 23 cm breite Lederplattc von rechteckiger Gestalt, die oben in der Mitte mit einem rechteckigen *) Wallaoe: „Der Malayische Archipel" Bd. II, S. 244. A. Bastian: „Timor" S 96. Rcsenbere: S. 1^39. Ritte: „Arn" S. 183'4. Schmeltz im Intern. Archiv für Ethnographie, Bd. VIII, S. »93. S. 59/GO. Schmeltz und de Clorq S. 235/36. Natur-w-issenschaftliche Wochenschrift. XY. Nr. Ausschnitt an Breite einem Drittel des ganzen Schildes entsprechend, versehen ist. Darunter sind als Zierath wohl einige Löcher und Ritzen angebracht. Ein langer Schultertraggurt, aus einem Zeugstreifen bestehend, der wieder durch zwei Löcher geführt ist, hängt hinten in der Mitte herab. — Damit ist die Zahl der mir bekannt gewordenen Schilde mit den beiden bezeichnenden Merk- malen des oberen Einschnittes ftir den linken Arm und des Traggurtes erschöpft und es sind nun die Schilde zu erwähnen, die nur das eine, das andere Merkmal aber nicht aufzuweisen vermögen. Als wichtiger erscheint dabei un- bedingt der Traggurt. Ich kenne folgende Schilde mit Traggurt. — In Angriff hafen auf Neuguinea (Nordküste) ist ein viereckiger, verhältnissmässig schwerer, gestreckter Schild heimisch (Fig. 19). Als Länge giebt Finsch 1,10 m, als ]}reite 48 cm an. Länge zur Breite verhält sich meist wie 3 zu 1. Zuweilen geht von der Mitte des oberen Randes ein kleiner flossenförniiger Fortsatz aus. Jeden- falls fehlt ein Einschnitt stets. Die Vorderseite ist in Relief mit allerhand Schnitzwerk bedeckt, zumal häufig mit den Bildnissen des Menschen oder vielleicht auch eines Reptils. In der Mitte ist der Schild zweimal durch- bohrt und der aus Bast- oder Tapastreif bestehende Schultergurt hindurchgezogen sowie aussen verknotet. Weiterhin sind die oben beschriebenen Schilde der Astrola- bebai von runder Gestalt, aber mit zwei Buckeln zur Aufnahme des Riemens oder vielmehr Strickes hierher zu rechnen (Fig. 13). Denn wie aus der anderen Ortes wiedergegebenen Abbildung eines Bogenschützen der Astrolabe-Bai hervorgeht, wird der Schild mit dem Stricke über die Schulter gehängt. Hinge das schwere Geräth über dem Arm, so würde die Sicherheit beim Schiessen ausserordentlich behindert. Andere Schilde aus Deutsch- neug-uinea stellen langgestreckte Rechtecke aus Weiden- geflecht mit einfachem oder gar doppeltem Tragstrick dar. Es ist auch möglich, dass Schilde wie Fig. 16 von Santa Anna einen Sehultertraggurt besessen haben. Zu dieser Annahme führt mich wenigstens die Analogie des Griffbuckels, die denen der Astrolabe-Bai entsprechen. — Weniger Gewicht möchte ich auf das Vorkommen eines oberen Ausschnittes an Schilden mit nigritischem und asiatischem Griff legen. Immerhin verdient das Vor- kommen eine Erwähnung, zumal, wenn dies bei Schilden wie dem von Sürville abgebildeten (Isabell) beobachtet wird, die aus Rotang bestehen. Einschnitte dieser Art kommen weiterhin auf Flores und anderen kleinen Sunda vor. Endlich muss an die Schilde von den Philippinen (Fig. 6) erinnert werden. — Wichtig ist die Frage nach dem ursprünglichen Material der Bogenschilde. Nur der Aru-Schild besteht aus Flechtwerk, die meisten aus Holz und der Schild von AUor sogar aus Leder. Und dennoch halte ich die geflochtenen Schilde für die ursprünglichen, aus Gründen, die sich im nächsten Abschnitt von selbst ergeben. Aus Flechtwerk besteht eine verhältnissmässig grosse Anzahl dieser Schutzwaflfen. Da sind die schönen Salo- monenschilde, die Maravotschilde von ISeupommern, Schilde aus Deutschneuguinea. Der Schild von Keraepuno ist mit feinem Fleebtwerkbezug, der von Mitrafels mit kräftigerem bedeckt. In Indonesien wäre vor allem an die aus Flecht- werk und Holzgriff zusammengesetzten Schilde von Borneo zu erinnern. Jacobsen sagt: „An der Ostküste von Djampea (zwischen Celebes und Flores) sollen aus Rotang ge- flochtene Schilde im Gebrauch sein, der Art, wie wir sie später nur ein einziges Mal auf Bonerate erwarben. Die Besitzer der Rotangschilde sollen Ureinwohner sein, Reste einer heidnischen Bevölkerung, die wohl nie ein Europäer aufgesucht hat." Der Schild von Bonerate ist mir in Jacobsen's Sammlung entgangen. Aber es giebt nach der Litteratur auch sonst Rotangschilde auf den kleinen Snnda, so dass die Verbreitung derselben sich weit über die Mittelachse nachweisen lässt.*) 3. Brustschilde. — Von Neupommern bis in das westliche Indonesien ist ein merkwürdiges Geräth heimisch, das unter dem Namen „Kampfschmuck" gewöhnlich auf- geführt wird. Dieses Geräth stellt eine meist herzförmige Rotangplatte von ca. 30 cm Länge und etwa 22 cm Breite — ■ das sind die grossen Dimensionen — dar. Mit Eber- zähnen und Abrusbohnen ist die Vorderseite zierlich ge- schmückt. Auch ist die Platte manchmal keilförmig aus- geschnitten und die Lücke durch Reihen von Hauern ausgefüllt. Diese Brustschilde, als welche ich sie auf- führen möchte, wei'den um den Hals getragen, sodass sie die Brust decken, auch wohl auf dem Rücken und im Kampfe mit den Zähnen. — Polynesien hatte ganz ent- schieden ähnliche Schutzwaffen, obgleich mir noch keine zu Gesicht gekommen ist. Sie spielen in der Litteratur eine ziemlich bedeutsame Rolle. Wilson und Cook er- wähnen von Tahiti die „geschmackvollen" und „schön befiederten Brustschilde". In Forsters: „Tagebuch" treten Brustschilde mit Federn von den hellsten „Farben ge- ziert" auf. Der alte Zimmermann berichtet, dass die alten Hawaier die Götterbilder „in Form eines Brust- schildes von einer Art dünnen und biegsamen Holzes flochten." Aber mehr hören wir nicht, können jedoch feststellen, dass die Polynesier geflochtene und mit Federn gezierte Schilde, die auf der Brust getragen wurden, be- sassen. — Im Anschluss hieran wären dann einerseits die hölzernen wohlbekannten Brustschilde der Osterinsel — Jacobsen fand Aehuliches auf der Timorlaut-Gruppe — und die Perlmutterschalbrustschilde der östlichen Mela- nesier und Polynesier zu vermerken. Dies alles ge- winnt einen gewissen Werth, wenn wir hören, und zwar aus so guter Quelle wie Rosenberg, dass die Bogenschützen von Dorey (Neuguinea) zur Vertheidigung platte Schalen der Perlmuschel an der linken Seite trugen.**) 4. Panzer etc. Im Anschluss an die letzte Notiz sei an die Panzer aus zusammengesetzten Muschelschalen, sowie solche aus Rotang mit aufgesetzten Muscheln erinnert, die in Celebes, auf den Sulu und auf Mindanao getragen wurden. Ich glaube nun, dass wenn man die Panzer heranziehen will, man sich auf bestimmte Vor- kommnisse beschränken muss. Bedenken wir, dass die Lederpanzer in Indonesien genau die Verbreitung der Rundschilde auf der südlichen Inselkette haben, nämlich von hier bis in die kleinen Sunda, dass im Norden fertige „Jacken" und sogar Hosen (Auf Celebes und Philippinen sogar Panzerhemden) einen Anschluss an asiatische Merk- male bilden, so wird man sich hüten müssen, z. B. die Kürasse der Gilbertinseln (vergl. Schmeltz im Cat. Mus. God.) und die Jackenpanzer der Dajak mit bestimmten einfachen Rotangpanzern in Beziehung zu bringen, die sich nur vom westlichen Melanesien an östlich nachweisen lassen. Da sind z. B. die Pa-ite genannten Leibgurte von AUor, von etwa 13'/., cm Breite und an Länge dem Taillenumfange entsprechend,***) die um den Leib ge- schlungen wurden und als Schutzmittel gegen Pfeile dienten. Au der Küste hiessen sie „bana" und das er- innert an „Pana" = Pfeil oder noch öfter Bogen. In Buton erwähnt Jacobsen eine Art Panzer aus feinem Ro- tang. Und daran reihen sieh dann die Rotangpanzer, *) Haddoii: „Decorative Art" Taf.VI, No. 89, 90, 93-97 etc. Finsch: „Ethnol. Erf." S. lUt, 216. Samoafahrten, S. 237. - Jacobsfiii: Bandameer S. 30. **) Vor Allem Abbildungen bei Schmeltz und Finsch, dann Cook, Forster, Zimmermann, Wilson etc. Rosenberg: „Malayische Archipel" S. 447. Jacobsen: „Bandameer" S. 241. ***) Berliner Museum Ic, 19 0.59. XV. Nr. 6. ■haftliche Woi-hensehi-ift. 67 die D'Albertis am Fly-FIuss und Finsch in Angriffsliafen entdeckten, an, und die aus einem breitem Ringe aus Rotang'geflecht bestehen. Die von Angriffshafen haben am unteren Rande eine Taillenweite von 77 — 83 cm, sind also sehr eng. Diese Panzer müssen über die Hüften gezogen werden, derart, dass die höhere hintere Seite den Nacken deckt, und werden mit zwei Bändern über die Hcludtern befestigt. — Ich kann mich an dieser Stelle nicht eingehend mit dieser Schutzwatfe beschäftigen und be- schränke mich demnach auf den Hinweis auf diese Gruppe von Vorkommnissen, die durch die Gemeinsamkeit des Materiales und der Construction sowie das gemeinsame Grunilpriuzip eines Schutzes gegen Pfeile zusammen- gehalten werden. 5. Zusammenfassung. — Es sind im Wesentlichen die Thatsachen, aus denen man das Bild des Wesens und der Verbreitung des vormalajischen Schildes wird er- gänzen müssen. Kehren wir zur Capitelfrage zurück, ob das Angeführte auch wohl alles zusammengehört und in derart enger, entwickelungsgeschichtlieher Beziehung steht, dass es unter einem Titel vereinigt werden darf, so können wir wohl mit gutem Recht bejahen. Denn: a) Es lässt sich doch das alles auf ein Ausgangs- material, nämlich den Rotang resp. das Rotanggeflecht zurückführen. b) Allen diesen Schutzvorrichtungen liegt das Prinzip der Entlastung der Hände sowie der Belastung der Schultern zu Grunde. c) Wirklich „floriren" thut die Menge dieser Er- scheinungen nur im eigentlichen Bogengebiet, wo also der Bogen die Hauptwaffe ist. Für die Entwickelung des Bogenschildes ist aber eines maassgebend und zu bedenken, dass der Schild nur und lediglich dem Bogenschützen von absolutem Werthe ist, dass er also bei einer Waftentheilung überall, wo noch der Speer dazutritt, werthlos wird, weil er hindert. Daher die Neubildung des Astrolabe- und Attaque-Bai-Schildes. Heute aber ist er auch in Melanesien in Gegenden selten, wo nur mit dem Bogen gekämpft wird. Deshalb die geringe Verbreitung des Bogenschildes und noch mehr die ausgeprägten Anzeichen einer Verkümmerung und des Verschwindens. Es ist das eine Ueberlegung, die wir anstellen müssen, und deren Ergebniss sehr wichtig und auch nothwendig ist, wenn wir die Verbreitungsart und das Formproblem des vormalajischen Bogens tiber- haupt verstehen wollen. Sicher ist, dass der vormalajische Krieger sich durch Rotangflechtwerk wappnete. IV. Allgemeine TJebersiclit über die SchUde Oceaniens. Fassen wir nunmehr nochmals die wesentlichsten Punkte zusammen zu einem geschlossenen Bilde.*) *) In Anmerkung soll wenigstens noch eine knappe Uebersicht dei- Formen geboten werden. I. Nig ritische Gruppe. 1. ursprüngliche Form, 2. /'^-Form, 3. —-Form. II. Vormalajische Gruppe. 1. Aruschild, 2. einfache Bogenschilde, 3. Brustschilde, Rotangpanzer etc. III. Asiatische Gruppe. 1. Rundschilde (meist Leder), 2. Langschilde (meist Holz), 3. Melanesische Formen (verkümmert). Oceanien besitzt drei verschiedene Schildformen, die in keinerlei Beziehung hinsichtlich ihres Ursprunges stehen, nämlich den nigritischen Holzschild, den asiatischen Leder- schild und den vormalajischen Rotangschild. Der erstere ist charakterisirt durch das Prinzip der Kantenwirkung in senkrechter Richtung, ist demgemäss gestreckt und mit einem senkrechten Griff versehen. Der asiatische Schild ist durch das Prinzip der Wölbungselasticität ausgezeichnet, ist demnach rund und besitzt zwei Griffe für Arm und Hand. Der vormalajische Schild ist gekennzeichnet durch das Prinzip des Flächenschutzes, ist demnach gestreckt und mit Vorrichtungen zum Tragen über der Schulter, dabei Freihalten des linken Armes etc. versehen. Die Verbreitung ist eine einfache. Der Südacbse gehört der nigritische und der Mittelachse der vormalajische Schild an. Der asiatische Schild dagegen beschränkt sich noch auf Indonesien, hat aber im östhchen Indonesien ein Lehngebiet verkümmerter Formen. Der Zweck der drei Schildformen geht aus der Con- struction hervor. Der nigritische Schild dient dem Pa- riren, der asiatische dem Auffangen der Hiebe und Stiche. Dem nigritischen Schilde entspriclit eine hölzerne Waffe und mehr der Einzelkampf, der asiatischen die Eisenklinge an Schwert und Speer. Der vormalajische Schild endlich ist nur für einen Bogeukampf geeignet, da für Speer- stich und Schwert- oder Keulenschlag der Griff zu schwach ist. Das Alter der Schilde ist nicht schwer zu bestimmen: Bedenken wir, dass der nigritische Schild noch einer Kampfweise der primitivsten Art, nämlich dem Einzel- kampf oder Zweikampf sein Dasein verdankt, dass der asiatische Schild von der Eisenbewaffnung begleitet ist und der vormalajische Schild einem Bogenkampfe, der zwischen beiden steht, angehört, so ist die Reihenfolge: nigritischer, vormalajischer und asiatischer Schild eine der Natur der Sache am nächsten kommende. Die Verwandtschaft betreffend ist zunächst das Fehlen eines Zusammenhanges untereinander bedeutsam. Sie verändern sich wohl oberflächlich, nämlich nur im Material, treten aber nur nebeneinander auf: (z. B. auf AUor, wo alle drei Schildformen nachgewiesen wurden). Ueber die Abstammung ist nur hinsichtlich des asiatischen Schildes, der wie auf der ganzen Breitseite der in allen Erdtheilen siegreich vordringenden asiatischen Cultur auch in Oceanien noch bei der Wanderung über die Grenzen der engeren Heimath heraus augetroffen wurde etwas Ab- schliessendes zu sagen. Der nigritische Schild ist auch in Afrika heimisch, ohne dass wir jedoch sagen können, dass er von Oceanien nach Afrika oder umgekehrt ge- wandert sei. Der vormalajische Schild jedoch ist auch bei Abai, Padam und nördlicheu Naga, also im Innern Hinterindiens angetroffen. Wir ahnen also wenigstens etwas hinsichtlich des Ursprungslandes der vormalajischen Cultur. Dass der Schild nach Afrika in den afri- kanisch - malajischen Culturbesitz gelangte, (U. d. afrikanischen Cultur Fig. 16) wurde anderen Ortes be- sprochen. Ich will damit weiter nichts bewiesen haben, als aufs neue das „organische Wesen" materieller Cultur- besitze. Dass eine Anhäufung derartiger Studien zuletzt die weitgehenden Schlüsse über die Geschichte der Culturen und auch der Völkerbeziehung gestatten, habe ich in diesen Blättern dargelegt. Xatnrwissi^ii!- -nsrlirift. XV. Xi lieber die Herkunft der alten Phiyger. — In den Mittlieilungen des Kaiserlichen Deutschen Archäologischen Institutes, Athenische Abtheilung Bd. XXIV (1899) 1. Heft, berichtet A. Koerte über einen altphrygischen Tumulus bei Bos-öjük. der ersten Station der anatolischen Eisen- bahn auf der phrygiseheu Hochebene. Die Kesultate seiner durch die im Sommer 1895 zu Eisenbahnzweckeu erfolgte Abtragung des Grabhügels ermöglichten archäologischen Untersuchung desselben dürfte auch manche Leser dieser Wochenschrift interessiren. Die gemachten keramischen Funde zeigen in allen Einzelheiten eine so genaue üebereinstimmung mit denen aus Troja, dass Koerte kein Bedenken trägt, die Cultur von Bos-öjük mit der von Troja für identisch zu erklären. Da er nun Reste genau derselben Art auch im Osten des phrygischen Hochlandes gesammelt hat und einen aus denselben Schichten bestehenden Tumulus bei Tschai im Süden nachweisen kann, kommt er zu dem Schlüsse, dass die schon im Alterthum hervorgetretene Anschauung von dem nationalen Zusammenhang der Phryger und Troer be- rechtigt war. Besonders interessant ist jedoch der weiterhin geführte Nachweis, dass die Troer und Phryger ans Europa, und zwar aus Thracien eingewandert sind. Zwar hat auch dies schon Herodot angenommen und darauf hingewiesen, dass die noch später in Macedonien ansässigen, aus Thracien stammenden Briger oder Bryger ein Rest des prygischen Volkes in Europa seien, aber ein unanfechtbarer Beweis für die Richtigkeit seiner Be- hauptung war bisher nicht zu erbringen. Koerte hat nun in einem Tumulus 4 km östlich von Saloniki, ganze nahe der Gegend, wo nach Herodot die Briger sassen, einen ganz ähnlichen Schichtenwechsel und zahlreiche Scherben der- selben Technik wie in Bos-öjük vorgefunden, wodurch die Angaben Herodots ihre archäologische Bestätigung finden. Zum Schlüsse führt Koerte noch an, dass Virchow (Verh. der Berliner anthropol. Gesellsch. 1896, S. 126) die in Bos-öjük gefundenen Schädel einer Bevölkerung zuweist, die den heutigen Armeniern verwandt war, und stellt daneben die auch durch die Sprachwissenschaft gestützte Angabe Herodots, dass die Armenier aus Phrygien stammten, und die eines späteren griechischen Schrift- stellers, des Eudoxos, dass ihre Sprache Vieles mit der der Phryger gemein habe. Dr Arnold Behr. Ueber die Pest. — Als im vergangenen Jahre die Pest in Oporto auftrat und nun Europa in recht bedenk- lieber Weise bedrohte, entwickelten sowohl die Staats- behörden als auch die Gelehrten aller Länder unseres Continents, obwohl die Pestfrage die meisten von ihnen schon seit Jahren beschäftigt, einen ganz besonders regen Eifer dabei, zweckentsprechende Schutzmaassregeln gegen die Weiterverbreitung der furchtbaren, das Gemeinwohl so gefährdenden Seuche zu treffen und das Wesen der Pest selbst nochmals nach allen Richtungen hin zu prüfen, Lücken zu ergänzen, um aus den gewonnenen Resultaten event. Sätze von allgemeiner Gültigkeit herleiten zu können. Auch in Berlin hat am 19. und 20. October v. J. im Kaiserlichen Gesundheitsamt eine wissenschaftÜLhe Be- sprechung über die Pestfrage stattgefunden und es soll im Folgenden eine Reihe der dabei zur Discussion ge- kommenen Punkte (Sonderbeilage der Deutschen Medi- zinischen Wochenschrift vom 16. November 1899), soweit dieselben von allgemeinerem Interesse sind, nebst einigen angebracht el-scheinenden Zusätzen Erwähnung finden. Die Beulen- oder Bubonenpest ist eine schon seit vielen Jahrhunderten ebenso bekannte wie gcfiirchtete, aus dem Orient stammende Krankheit, die unter dem Volksnamen „Der schwarze Tod" früher zu verschiedenen Malen furchtbare Verheerungszüge durch Europa unter- nommen hat, so z. B. im 6. Jahrhundert, dann im Jahre 1349, wo sie, von genuesischen Schiften aus Asien nach Italien geschleppt, ganz' besonders dieses, dann Frank- reich und Deutschland heimsuchte, und zwei -Fünftel der Gesammtbevülkerung Europas dahingerafft haben soll, weiterhin im 16., gegen Ende des 17. und zu Anfang dos 18. Jahrhunderts. Seit dem Jahre 1720 ist die Seuche aus Europa fast ganz versehwunden und hat sich nur noch, in viel geringerer Heftigkeit auftretend und auf klei- nere Territorien beschränkt, wenn man von der diesjährigen Epidemie absieht, im östlichen Thcile unseres Continents gezeigt, so z. B. 1837 in Griechenland und den unterea Donauländern; 1879 in Wetljanka im Gouvernement Astrachan. Ausserhalb Europa ist die Krankheit 1844 in Aegypten, danach noch in Tripolis, Mesopotamien, Persien, Arabien, 1894 in China, insbesondere in Hongkong, und 1896 in Bombay aufgetreten, scheint jedoch in einigen der letztgenannten Länder, wie z. B. in Arabien, Meso- potamien, desgleichen auch in Yünnan in Amia, endemisch zu sein. Der Erreger der Krankheit ist ein Bacterium, das gelegentlich einer im Jahre 1894 in Hongkong ausge- brochenen Pestepidemie fast gleichzeitig von Kitasato und Yersin entdeckt wurde. Die Bacterien finden sich in Massen in den geschwollenen und vereiterten Lymph- drüsen, auch in inneren Organen, z. B. in der Milz, weniger im Blut, und haben die Form von kurzen, dicken Stäbchen mit abgerundeten Enden. Was die Stellung im System anbetrifft, sind der Erreger der Hühnercholera, der Bacillus aerogenes, die Pseudotuberculose der Nage- thiere und der Mäusetyphus als in Betracht kommend an- zusehen. Die Pestbaeterien lassen sich ziemlich gut tin- girei; und zeigen auch eine Polfärbung. Bei einigen Pestculturen Hess sich um das centrale Stäbchen ein zarter Saum erkennen, von dem man noch nicht weiss, ob man ihn für eine Kapsel oder für einen Bestandtheil der Leibes- substanz halten soll. Die von einigen Seiten angenommene Beweglichkeit der Bacterien kann nicht bestätigt werden. Dauerformen sind nicht beobachtet worden, wohl aber existiren Degenerations- und Involutionsformen. So ent- stehen auf 3 " „ Kochsalzagar Hefepilzen und Protozoen ähnende Involutionsformen, die, was ihre Färbbarkeit anbelangt, sich sehr verschieden verhalten, indem sie sich bald sehr intensiv färben, bald nur sehr schwach gefärbt erscheinen. Auch auf trockenem Nähragar erhält man derartige Involutionsformen, Besonders schöne Involutions- formen hat man erzielt, wenn zu Bouillon ein ganz schwacher Zusatz von Carbolsäure gemacht worden war. Die nach der Haffkineschen Methode (Culturen auf sehr trockenem Nähragar) angestellten Versuche ergaben nicht so ausgesprochene Degenerationsformen, wie man sie bei Züchtung auf Kochsalzagar erhält. Aehnliche Degene- rationsformen wie beim Pesterreger sind auch bei Meeres- Bacterien zur Beobachtung gekommen, desgleichen beim Bacterium prodigiosum. Was die Züchtung des Pestbacteriums auf künstlichem Nährboden anbetrifft, so sind eine ganz schwache Alkali- tät und ein mittlerer Feuchtigkeitsgehalt des Nährbodens erforderlieh, und als Nährboden dürfte der Gelatine vor allen andern der Vorzug zu geben sein. Die Wachsthuras- grenzen liegen für den Pestbacillus ziemlich weit aus- einander. Er wächst am besten zwischen 30 und 32° C, jedoch auch noch ganz gut zwischen 27 — 30°, sehr viel langsamer schon bei 20—25°, aber selbst noch im Winter kann man im ungeheizten Zimmer bei einer Temperatur von 4—7° auf Gelatine Colonieen erzielen, jedoch nicht mehr bei 0°. Bei der Concurrenz anderer, besonders XV. Xr. 6. Xatnrwissenschaftlicho Wochenschrift. 69 saprophytischer Bacterien ist es anzuempfehlen, die Gelatine bei niedriger Temperatur zu benutzen. Von sonstigen biologischen Ergebnissen ist die sowohl in Indien wie in Deutschland * beobachtete Stalaktitenbildung be- merkenswerth, desgleichen die Thatsache, dass die Pest- bacillen aus beerdigten Rattencadavern sehr rasch in die Erde übergehen und in der Umgebung des Cadavers sich noch bis auf 2ü cm Entfernung nachweisen lassen. Ferner haben die Untersuchungen über das V^erhalten des Pest- bacillus gegen schädliche Einflüsse ergeben, dass die Pest- erreger in Indien beim Trocknen sehr rasch zu Grunde gehen. Die Widerstandsfähigkeit gegen das Eintrocknen ist einmal abhängig von der Dicke der dem Eintrocknen ausgesetzten Schicht, dann von der Temperatur der Um- gebung — wofür insbesondere der Umstand spricht, dass die Bacillen in heisseren Klimaten viel schneller absterben wie in kälteren — , ausserdem aber kommt es noch auf die Art des Nährsubstrates an. Wurden Pestbacterien an feinem Staub eingetrocknet, und dieser dann aufgewirbelt, dann erwiesen sich die Staubtheilchen bei der Unter- suchung als keimfrei. Eine Uebertragung des Pest- erregers durch den Luftstrom wird des weiteren als ausgeschlossen betrachtet, wohl aber die Möglichkeit herangezogen, dass eine Verschleppung durch Verschleu- dern grösserer mit dem Pestbacillus imprägnirter Partikel vorkommen könne. An Seidenfäden angetrocknete Pest- bacillen, bei Zimmertemperatur im Dunkeln aufbewahrt, zeigten sich noch nach 56 Tagen lebensfähig. Sonstige Untersuchungen über die Widerstandsfähigkeit der Pest- bacterien haben ergeben, dass dieselben zu Grunde gingen, wenn sie 10 Minuten einer feuchten Hitze von 7ü°, oder 5 Minuten einer feuchten Hitze von 80°, oder 1 Minute einer solchen von 100° ausgesetzt wurden. S^oige Schmier- seife tödtete sie in 30 Minuten, 1 %ige Garbolsäure- oder Lysollösung in 10 Minuten, 1 "/oo Sublimatlösung aber so- fort. Im Hinblick auf ihre ausserordentliche Einwirkung auf den Organismus drängt sich der Gedanke auf, dass, wie viele anderen Mikroorganismen, so auch die Pest- bacillen ein Toxin bilden müssen, und es liegt auch be- reits eine Reihe von Untersuchungen vor, die kaum einen Zweifel darüber lassen. So ist besonders bemerkens- werth, dass in Filtraten von bei niedriger Temperatur gewachsenen Bouillonculturen des Pestbacillus ein sehr heftig wirkendes Gift gefunden wurde, dessen Reindar- stellung allerdings noch nicht gelungen ist. Ferner ge- hören hierher die pathologisch-anatomischen Befunde bei einigen zur Untersuchung gekommenen Föten. Es stellte sich nämlich heraus, dass dieselben bacteriologisch voll- kommen steril waren, aber secundär sonst in Pestleichen zur Beobachtung kommende Krankheitswirkungen auf- wiesen, was sich nur darauf zurückführen lässt, dass die Bacterien nicht, wohl aber das Toxin die Placenta durch- wandert hatte. Die Virulenz der Pestbacillen kann beim Fortzüchten auf künstlichem Nährboden eine AbSchwächung erleiden, erhält sich jedoch bei der Fortpflanzung im leben- den Organismus lange auf der Höhe. Die Prüfung einer zwei Jahre hindurch in zugeschmolzenem Glasrohr im Dunkeln aufbewahrten Cultur ergab, dass dieselbe kaum geschwächt war, während eine von demselben Cultur- stamme zwei Jahre lang fortgezüchtete Cultur sich als aviruleut erwies. Was die Pathogenität der Pest- bacillen für Thiere anbetrifft, so sind zunächst die An- sichten über die Empfänglichkeit der Schweine getheilt, dagegen sind Mäuse und Ratten sehr empfänglich, und die letzteren allem Anschein noch mehr wie die ersteren. Sehr empflndlich ist auch der graue Affe Semno- pithecus entellus, etwas weniger der braune Makake, Macacus radiatus. Hinsichtlich der Ratten wird darauf hingewiesen, dass dieselben wegen ihrer ausserordent- lichen Verbreitung in den Wohnungen und ihrer Um- gebung als Pestverbreiter ganz besonders zu fürchten seien, urasomehr als die pestkranken Thiere ihre Scheu vor dem Menschen theihveise verlieren, aus ihren Schlupf- winkeln hervorkriechen und schliesslich an leicht zugäng- lichen Orten verenden. Ueber die Weiterverbreitung der Pest durch die Mäuse sind die Ansichten vorläufig noch nicht geklärt. Die Eintrittspforten des Pestbacillus in den menschlichen Körper sind die äussere Haut, die Schleimhaut der Luftwege, des Mundes und die Augen- bindehaut. Was die Lokalisation angeht, so erfolgt die- selbe in der Haut oder in der Schleimhaut selbst seltener, sehr häufig dagegen in den Lymphdrüsen, die zur In- fectionsstelle in Beziehung stehen, und bei einer Infection von den Luftwegen aus in der Lunge. Für die Incu- bationsdauer werden im Durchschnitt 3—10 Tage an- genommen, jedoch ist man darüber noch nicht genügend orientirt. Auf die einzelnen das Auftreten von Epidemieen bedingenden Factoren hier einzugehen, würde zu weit führen, ebenso müssen wir uns versagen, die prophylakti- schen Maassregeln in unsere Betrachtung zu ziehen. A. L. Ueber den gegenwärtigen Zustand der Vulcane Südeuropas hat der mit deren Besuch vom französischen Unterrichtsminister beauftragte Matteucci der Pariser Akademie am 6. November einen Bericht erstattet, der insbesondere die gasförmigen Producte der Fumarolen be- rücksichtigt. Die Beobachtungen nahmen ihren Anfang im Herbst 1898. Am Vesuv weisen nur noch die in den Jahren 1872, 1889, 1891 und 1895 entstandenen Spalten Solfataren- Thätigkeit auf. Die 1872 aufgerissenen Nordnordwest- Spalten, aus denen sich so gewaltige und gewaltthätige Lavamassen ergossen, sind wieder vollständig geschlossen und unthätig. Einzig die secundären Südwestspalten, die indirecte Verbindung mit dem Magmaheerde besitzen, hauchten im Herbst 1898 noch Wasserdampf aus mit Spuren von Chlorwasserstoff und schwefliger Säure, viel Kohlensäure vmd Kohlenwasserstoffen, bei einer zwischen 40 und 50° wechselnden Temperatur. — Die hoch- gelegene Ostspalte von 1889 entsendet viel Wasserdampf mit schwefliger und Chlorwasserstoff'säure und einer merk- baren Menge von Kohlensäure und Kohlenwasserstoffen. — Die nördliche Spalte, aus der sich vom 7. Juni bis 3. Februar 1894 ununterbrochen Lava ergoss und zu- gleich Wasserdampf mit wenig Chlorwasserstofl"-, Kohlen- uud schwefliger Säure entwickelte, hat zugleich mit Be- endigung des Lavaausflusses aufgehört. Gase und Dämpfe auszusenden. Kurze Zeit danach unterblieben auch seitens der ergossenen Lavamassen selbst die starken Gasaus- strömungen, die vorher bei der Bildung von Sulfaten und Chloriden des Eisens und Kupfers, von Eisenglanz (fer oligiste) und von Tenorit entwickelt wurden. Im Herbst 1898 hauchte noch eine geringe Zahl von Spalten dieses Lavastromes ein wenig trockene Chlorwasserstoffsäure bei Temperaturen von 50 — 80° aus. Die neuen Spalten, die sich am 3. Juli 1895 aufthaten und denen, wie bereits in No. 36 des vorigen Jahrganges mitgetheilt wurde, im Herbste 1898 grosse Lavamassen entquollen, haben die ungewöhnlich zahlreichen, verschiedenartigen gasförmigen Emanationen und festen Sublimationsproducte geliefert, die ebenfalls schon angeführt wurden, nämlich Chlor-, Jod-, Brom- und Fluorwasserstoffsäure, schweflige und Schwefelsäure, Kohlensäure, Schwefel, Selen, Jod, ver- schiedene Sulfate und Chloride von Eisen und Kupfer, Erythrosiderit, Oligist, Chloride von Eisen und Natrium. Auf den Laven selbst schlugen sich Kochsalz, Salmiak, Katurwissenschaftliehe Wochenschrift. XY. Nr. 6. Tenorit und Natriumbicarbonat nieder. Der Central- iirater zeigte vvälirend der ganzen Zeit eine explosive Tbätigkeit, die Matte ucci als die für den Stroadioli typisclie bezeichnet. Am 11. October 1899 besucbte Matte ucci den Vesuv nochmals und fand dessen ganze Thätigkeit auf den Gipfelkrater beschränkt; doch hält er es für wohl möglich, dass der in der Nacht vom 1. zum 2. September beendete seitliche Lavenerguss von denselben Westnordwest-Spalten wieder beginnen werde. Der Krater des Aetna besass bei Matteucci's Besuch 500 m Länge von Westnordwest nach Ostsüdost, 400 m Breite und mehr denn 200 m Tiefe; im Innern fanden sich glühende Blöcke, von denen sich 1 — 2 m hohe blaue Flammen entwickelten, in denen Schwefel und vielleicht auch Kohlenoxyd verbraunte. Auf dem Krater- rande fanden sich : Schweflige Säure, Schwefelwasserstoff, Kohlensäure, Chlor- und Fluorwasserstoffsäure, Schwefel, Sulfate und Chloride von Kalium, Natrium, Magnesium, Aluminium, Eisen und Kupfer. Die höchsten Explosious- kegel der Eruptionen von 1879 und 1892 sandten viele saure Dämpfe aus, darunter auch ein wenig Fluorwasser- stoffsäure. Andere, tieferliegende Kratermüudungen (bocca) der Eruption von 1892, sowie solche von 1883, lieferten Natriumsulfat und -bicarbonat; letzteres Salz wurde auch in den Seitenmoränen der Lavaströme von 1892 ange- troffen. In Folge der heftigen Explosionen, die am Tage des römischen Erdbebens (19. Julii begannen,, aber nur wenige Tage dauerten, hat der Aetnakrater inzwischen eine geringe Erweiterung erfahren und eine sehr deut- liche Erhöbung auf dem Boden erhalten. Der Vuicano beharrt in seiner Solfatarenthätigkeit von 1888 — 1890; die Wände und der Boden des weiten Kraters dunsten Wasser mit vielen Gasen aus, darunter Kohlen- und Schwefelsäure, Schwefel- und Chlorwasser Stoff. Die Dämpfe von Schwefel- und Borsäure verdichten sieh fast überall, ausser um die wärmsten Fumarolen herum. Ein einziges Mal, bei Nacht, gelang es, die Gegenwärt von Fluorwasserstoffsäure nachzuweisen. In den von der Vulcanachse entferntesten Theilen, so zu Faraglioni du Porto di Levante und an der Aussenseite der jüngsten Kraterumwallung waren Kohlenwasserstoff" und Kohlensäure mit geringen Mengen von Chlorwasser- stoff und Schwefelsäure zu bemerken. Die Thätigkeit des Stromboli ist eine eigenartige, wohl gekennzeichnete. Der vulcanische Apparat besteht aus 7 Kratern, von denen einer bald Schlacken und Dämpfe, bald mit Sand beiadenen Rauch, bald kleine Lavaströme aussendet. Unter den Gasen war Fluor- wasserstoffsäure zu erkennen. Die Explosionen folgen schnell aufeinander und lassen, aus der Nähe und bei Nacht beobachtet, bläulich gekrönte Flammen sehen. Eine am 7. März 1899 eingetretene Steigerung der Thätig- keit hat zur Folge gehabt, dass 2 von den 7 Kratern zu einem einzigen verschmolzen und die EruptibnsmUndung unter bedeutender Erweiterung den Platz wechselte. Auf Santorin hat sich das Terrain, das seit der Eruption von 1866—1870 die Bai südwestlich von Mikra- kaimeni bildete, merklich gesenkt. Die in dem Kanäle zwischen Nea- und Mikrakaimeni zusammeufliessenden, eisenhaltigen Gewässer besitzen 45—60" Wärme und ent- halten sowohl Kohlenwasserstoff, als auch Kohlensäure. In Folge der bedeutenden Bodensenkung hat sich der Hafen von Hag. Georgios, westlich von Neakainieni, um mehrere Meter erweitert. Die Mai-Inseln zwischen diesem Hafen und Paleakaimeni sind fast ganz unterm Meeres- spiegel verschwunden. Der Krater Georgios I. war, als Matteucci ihn besuchte, überzogen von Eisenchlorid, Eisenkaliumdoppelchlorid, Gips, Kupfersulfaten und -Chlo- riden, sowie Schwefel. Unter den Dämpfen wurden j beobachtet Wasser mit Chlorwasserstoff-, Kohlen-, schwef- liger und Fluorwasserstoffsäure. Aul' den Laven von Aphroessa fand sich ein wenig Natriumbicarbonat: Matteucci meint, dass Santorin -sich nach 30 Jahren des Gasausdunstens vorzubereiten scheine, das imposante Schauspiel von Flammen und Explosionen wieder auf- zuführen, das es schon im Aegäischen Meere gegeben hat. Zusammenfassend bemerkt Matteucci über die Fu- marolen, dass der Mangel des Nachweises gewisser Gase unter ihnen in den Gegenden lebhafter vulcanischer Thätig- keit wohl daraus zu erklären sei, dass ihre Kennzeichen duroll die Gegenwart stärkerer Säuren verhüllt würden. 0. L. Kritik der Falb'scheu Witteniiigsprognose für den Monat Deceiiiber.*) Prognose: „1. bis 9. December. Es treten ausgebreitete Niederschläge ein, die um den 5. ihr Maximum erreichen dürften. Um den 6. sind Schnee- fälle zu erwarten, die an den Küsten von Gewittern be- gleitet sind. Die Temperatur steht anfangs nahe dem Mittel, steigt dann bedeutend über dasselbe und geht in den letzten Tagen wieder etwas zurück." Wirklicher Verlauf: Niederschlagsverhältnisse der Prognose genau entsprechend; Temperatur anfangs recht hoch, fällt dann ziendich stetig bis unter die normale. — Prognose: „10. bis 15. December. Die Niederschläge nehmen wieder zu, doch nicht bedeutend. Schneefälle sind wahrscheinlich. Die Temperatur steht etwas über dem Mittel." Wirk- licher Verlauf: Stetiges, starkes Sinken der Temperatur, sehr strenger Fiost. In Süd- und Westdeutschland ge- ringe, in Nord- und Ostdeutschland stärkere Nieder- schläge. — Prognose: „16. bis 22. December. Schnee- fälle treten vereinzelt ein, sind aber noch nicht bedeutend. Im Allgemeinen trocken. Die Temperatur hält sich nahe am Mittel. Nur in Westeuropa sind die Regen bedeutend." Wirklicher Verlauf: Plötzliches, sehr starkes Steigen der Temperatur, ohne dass im Allgemeinen die normale über- schritten wird, dann abermals sehr starker Fall. Meist trocken. — Prognose: „23. bis 31. December. Die Temperatur sinkt bedeutend unter das Mittel. Es treten ausgebreitete und ergiebige Schneefälle ein. Sonst ist das Wetter trocken, nur in den letzten Tagen stellen sieh bei steigender Temperatur wieder Regen ein." Wirk- licher Verlauf: Mit kurzer Unterbrechung um den 25. und 26. dauerndes, starkes Steigen der Temperatur. Massige, nur in Süddeutschland ergiebigere Niederschläge, anfangs Schnee, später Regen. ^ H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Eniamit wurden: Dr. Felix vcin LLiselian, Directorial- assistent am Berliner Museum für Völkerkunde zum ausserordent- lichen Professor. Es habilitirten sich: Regierungs-Bauführer Ensslin an der technischen Hochschule in Stuttgart für Motorwesen, Elastioitäts- und Festigkeitslehre; Assistent am chemischen Institut der Uni- versität Bonn Dr. Reitter für Chemie daselbst Abgelehnt hat: Dr. Alfred Go Idscheidev, ausserordent- licher Professor der inneren Medicin an der Berliner Universität und leitender Arzt der inneren Abtheilung am Kraukenhause Moabit einen Ruf nach Greifswald als ordentlicher Professor und Director der medicinischen Klinik. Es starb: Der Palaeontologe Geh. Rath Dr. Hans Bruno Geinitz, Prof. emeritus in Dresden. *) Wir schliessen hiermit die fortdauernde Kritik der Falb- schen Prognosen, welche wir seit August 1898 allmonatlich an der Hand der Thatsachen gegeben haben, da das aus diesen 17 Monaten gewonnene Material reich genug sein dürfte, um für unsere Leser ein endgültiges, sicheres Urtheil über den Werth jener Prognosen ein für alle Mal zu eimöglichon. Red. XV. Xr. 6. Xntiirwisspnschaftliclie Worhenschrift. Naturwissenschaftliche Feriencurse. — Im Laufe dieses Jiihres sind seitens des Ministei-iuma der geiBtlichen, Unterrichts- und JVIedicinal-Aiigelegenheiten zwei naturwissenschaftliche Ferien- curse in Aussicht genommen, in Berlin und Göttingen, auch wird der Frankfurter Cursus wiederum mit ministerioller Beihilfe statt- finden. Der Feriencursus in Berlin und Frankfurt ist auf Michaelis verlegt, weshalb der Cursus in Göttingen Ostern stattfinden soll. Der (_;ursu,s hat insofern eine Aondening erfahren, als diesmal nur Miitheuiatik und Physik und ihre Anwendungen beriieUsichtigt werden, während Chemie und biologische Wissenschaften im nächsten Jahre behandelt werden. Die Einbeziehung der Mathe- matik ist dem Göttinger Cursus oigenthumlich, ebenso die Geo- däsie und Versicherungsmathematik, Zeit und Thema der Vor- lesungen und Demonstrationen sind durch nachfolgendes Pro- gramm gegeben. Programm für den vom 19. April bis li'Mai in Göttingen abzuhaltenden, naturwissenschaftlichen FeViencursus für Lehrer höherer Schulen. — Methodik: Oberlehrer Prof Behrendsen: Behandlung der Wellenlehre im Unterricht höherer Schulen. — Prof Dr. Klein: Mathematik: Allgemeine Erörterungen über die für den Schulunterricht in Betracht kommenden Theile der angewandten Mathematik und insbesondere über technische Mechanik. Demonstration der Modellsammlung. — - Professor Dr. Schilling: Darstellende Geometrie. — Prof. Dr. Wiechert: Elementare Geodäsie. Demonstration des geophysikalischen In- stitute.?. — Prof Dr. Bohlmanri: Elemente der Versicherunga- mathematik. — Physik: Prof Dr. Riecke: Ueber elektrische Entladungserscheinunigen. Besichtigung des physikalischen In- stitutes und Erläuterung seiner allgemeinen Einrichtung. — Privat- docent Dr. Simon: Demonstration von lichtelektrischen Versuchen. — Prof. Dr. Des Coudres: Gleichstrom und Wechselstrom in ihrer Verwendung bei elektrischen Centralen, verbunden mit einer Besichtigung des städtischen Elektricitätswerkes und mit Demonstrationen im Institute. — Prof Dr. Meyer: Physik der Wärmekraftmaschinen, verbunden mit Demonstrationen im Institute und mit einer E.xcursion nach der Tuchfabrik von Ferdinand Lewin. L i 1 1 e r a t u r. Prof. Dr. W. Koppen. Abtheilungsvor.steher an der deutsehen Seewarte, Grimdüiiien. der Maritimen Meteorologie, vorzugs- weise für Seeleute dargelegt. — G. W. Niemever Nachfolger (G. Wolfhagen). Hamburg 1899. Die eminenten Erfahrungen und Kenntnisse, welche Professor Koppen im Laufe der Jahre und Jahrzelnite iiuf seinem ureigensten Forschungsgebiete, in der iiiaritiiiu'ii M'ienrolugie, gesammelt hat, fin \i'i hältniss beider zu einander behandelt wird. Don B.seblu>s liildet ein Kapitel über die elektromagnetische Lichttheorie und ein Anhang über das Princip der Erhaltung der Elektricität. F. A. Büchner, Prof. Dr. Ludw., Am Sterbelager des Jahrhunderts. Giesscn. - 6 Mark. Cruber, Dr. Chm., Das Ries. Stuttgart. — 10,50 Mark. Elsner, Ger.- u. Nahrungsmittel-Chem. Dr. Fritz, Die Praxis des Chemikers bei Untersuchung von Nahrungs- und Geuuss- mittelu, Gebrauchsgegenständen und Handelsprodukten. Ham- burg. -- 14 .Mark. Hönig'swald, Rieh., Zum Begriff der „exacten Naturwissenschaft". Ung-Altenhurg. - 0,50 Mark. Masius, Herm., Naturstudion. Skizzen. Leipzig. — 1,50 Mark. Piersig, Dr. B., Deutschlands Hydrachniden. Stuttgart. — 28 Mark. Briefkasten. Hr. Karl Sernig in Verdau. — Sie schreiben: Der Keim- ling der Samen von E v u n y m u s E u r o p a e ii s ist bekannt- lich grün; ist diese grüne Farbe „Chlorophyll"? Darüber, dass die grüne Farbe der Keimblätter in den Samen von Evönymus Europaea L. von Chlorophyll herrührt, kann wohl kaum ein Zweifel bestehen Es ist ja bekannt, dass auch bei äiisserlich nicht grünen Embryonen zum mindesten schon die Leukoplastiden die plasmatischen Grundlagen der Chlorophyll- körner, bereits im Samen vorhanden sind und selbst in wenig- zelligeu Embryonen beobachtet worden sind. (Vergl. Haber- landt, Physiologische Pflanzeuanatomie 1884, S. 197/198) Es ist nur die Frage, da die Umwandlung der Leukoplastiden zu Chlorophyllkörnern unter den Einfluss des Lichtes vor sich geht, wie kommt es, dass dann diese Umwandlung hier bereits innerhalb des Samens also im Dunkeln vor sich gegangen istV Die schon im Samenkorn ergrünten Embryonen sind bei den Celastraceen sehr häufig. Ich habe dies in den Nat. Pflauzen- fam. III, 5. bei jeder Gattung angegeben, wo ich es beobachtet habe und dabei immer die Angabe gemacht „Keimb. grün" oder „Keimb. laubig". Th. Loesener. Hrn. L. H, in M. — Eine zusammenfassende Geschichte der gesammten Naturwissenschaften giebt es nicht. Mancherlei werden Sie in dem fleissigen Buche K. Faulmann's: „Im Reiche des Geistes" (A. Hartleben's Verlag, Wien 1894) finden, sonst empfehlen wir Ihnen die bis jetzt zur Naturgeschichte erschienenen Theile aus der in München und Leipzig erschienenen ,,Ge3chichte der Wissenschaften, in Deutschland", die auf Veranlassung und mit Unterstützung Sr. Majestät des Königs von Bayern Maximilian IL durch die historische Kommission bei der königl. Akademie tler Wissenschaften in München herausgegeben wird. Es sind das: Kobell, Geschichte der Mineralogie von 1650 bis 1860. (XVII und 703 S.) 'S. 1804; 10 M. — Posch el, Geschichte der Erd- kunde bis auf A. von Humboldt und Karl Ritter. Herausgegeben von Prof. Dr. Rüge. 2. Aufl. Mit Karten und Holzschnitt. (XXII und 832 8.) 1S77. 12 M. (Vergriffen.) — Kopp, Die Entwickelung der Chemie in der neueren Zeit. (XXII und 854 S.) 8. 1873. 5 M. — Carus, J. V., Geschichte der Zoologie bis auf Job. Müller und Charles Darwin. (XII u 739 S.) 8. 1872. 9,«0 M. — Sachs, Geschichte der Botanik. (XII u. (312 S.) 8. 1S76. 4 M. — Wolf, Geschichte der Astronomie. (XVI u. 815 S.) 8. 1877. 10 }A. — Gerhardt, Geschichte der Mathe- raathik. (XII u. 307 S.) ' 8. 1878. 4,80 M. (\ergritren.) — Zittel. Geschichte der Geologie und Paläontologie. (XI u. 868 S.) 8. 1899. 13,50 M. — In einer der nächsten Nummer der „Naturvv. Wochenschrift" werden Sie einen Artikel „Die Lebe- wesen im Denken des 19. Jahrhunderts' finden, der Ihnen viel- leicht einige Anregungen bietet. [nhalt: L. Frohen gegenwärtigen Z : Die Schilde der (»ceauier. — Ueber die Herkunft der alten Phryger. — Ueber die Pest. — Ueber den nd der Vulcane Südeuropas. — Kritik der Falb'scheu VVitterungsprognose für den Monat December. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — LItferalur: Prof Dr. W. Koppen, Grundlinien dei' Maritimen Meteorologie. — G. Lippmann, Absolute elektrische Einheiten. — Liste. ^ Briefkasten. Naturwissenschaftliclip Wocheusclirift. XV. Nr l Dr. Robert Mueucke X Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. ♦ Techuiaches Institut fiü- AiifurtiguiiK wissenschaftlielier Appara:« ♦ und Geriitlibcliaftön im Gesaiiiiiirgebiutu clei- NatiirwiBaonscIiaften. Ferd. Dflmmlers Yerlagsbuchhandimig in Berlin SW.12. Tabellen zur qualitativen Analyse bearbeitet von Ur. F. P. Tieadwell, ITofcBBor nm EidgciiossiBcli. n l>ul.vleclmiki.m in Zlli-ioh unter Mitwirkung von Dr. Victor Meyer, rr..f.;aBr>i an der UnLvciBiliit Hridc?lliers Vierte vermehrte und verbesserte Auflage, neu bearbeitet von Dr. F. P. Treadwell. Lex. 8". Preis kartonnirt 4 Mark. prgfrlid)f6 (5efe|liiid) für U^ Pnitfdjf Ifid). lUit 5cm fiinfüfjrungsijcfe^ unö Sadjregiftcr. ■i Sritte forgfnltig reDihiertc ?luflagc. wm 599 Seiten. Siein' Detaü. öieiumben '2 TOarf. ♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦! von Poncet Glashütten -Werke 54, Köpuiclierstr. BERLIN SO., Kopnickerstr. 54. Fabrik und Lager / - - ^ aller Gefässe und Utensilien für y^ y j ehem., pliarm. physical., electro- u. a. techn. Zwecke. I Gläser für den Versand und zur 0 ; Ausstellung naturwissenschaltlicher --.:2::;-2;_r:--^ Präparate. l'reitirfrxrU/tntiia yrnll» linit frnnvo. ♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦ ♦♦ ♦♦♦♦♦♦»♦♦♦! I Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. I hr\>. Pummlcre ilfrlflgebudiiionMuiiQ in Öcrlin SW. 12, Jinintfrllr. 94, Dom ^aume ber (£rfctintnis« Fragmente }üt ©tljik mh 5?fi)ri)(Jl0gic mis hn Pcltütteratur, äciammelt unb tcrauägeäeben ton Dr. ^rtttl ttöit @t;t|cki, ©tafctfd)ulin(l'ettot in SBetliii. I. Iläonb: ^tunbptoöremc. ^meite «uilaijc. 808 @. gr. S. II. ^anb: Pas 39eiB. "86 s. gr. 8. III. t!.ion6: l^ttt Mttl» ^Öfc. 832 ©. gr 8. .Scher aSonb ßcl). 7,M ffli., in fcinftcin Sic61)abcrl)o(bfraiis 10 Sölorf. Die Insekten -Börse Internationales Wochenblatt der Entomologie ist für Entomologen und Naturfreunde hervorragendste Blatt, welches wegen der be- lehrenden Artikel, sowie seiner internationalen und grossen Vorljrcituug betieffs Ankauf, Ver- kauf und Umtausch aller Objecte die weit- gehendsten Erwavtungen erfü'lt, wie ein Probe-Abonnomentlehren dürfte. Zubeziehen durch die Post. Abonnements - Preis pro Quartal Maik 1.50, für das Ausland per Kreuzband durch die Verlags -Buchhandlung Frankensteiu & Wagner, Leipzig, Salomon- strasse 14, pro Quartal Mark 2.20 = 2 Shilling 2 Pence = 2 Fr. "'< Cent. — Probenummern gratis und franco. — Insertionspreis pro 4gespaltene Borgiszeile Mark — .10. 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Düinmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. Soniitaii, den 18. Februar 1900. Nr. 7. Abonnement: Man abonnirt bei aUen liuchhandlungen und Post- j Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 ^. Grössere Aufträge ent^ anatalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist JC 4.- <3& sprechenden Rabatt. BeUagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. PostzeitungsUste Nr. 5301. £ bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Giordano Bruno. Zum Jahrestage seiner Verbrennung 17. Februar 1600. Giordano Bruno ist der Philosoph der Cnlturepoche, die eine uns jetzt fremde, mechanistische Geschichtsauf- fassung als Renaissance bezeichnet hat. Wir haben jje- lernt, jede Entwickelung aus dem Wesen der Volkskraft heraus zu verstehen, von der sie getragen wird, und so sehen wir, dass auch damals nicht wie eine Offenbarung griechischer Geist sich aus Bibliotheken über das Abend- land ergoss, dass es überhaupt nicht griechisches, dass es vielmehr germanisches Wesen war, was sich entfaltete. Nicht xön/joc, niciit aoufooaivri sind die Grundlagen dieser Weltanschauung, der germanische Subjectivisnius, wie er in den Völkerwanderungsstaaten in dem Grundsatz von der Persönlichkeit des Rechtes sich ausspricht, erhebt sich zum Selbstbewusstsein, die Entfaltung des freien Ich zum Ideal. Wie der Wittenberger Mönch in seiner Zeile allein seinen Weg suchte und fand, so war die Entdeckung Amerikas die That des einzelnen kühnen Geistes, sprengte Copernicus in einsamem Studium die Welt des Aristoteles und Ptolemäus. Auf altem Boden langobardischer Städte- freiheit war es ferner, wo die heroische Ausbildung des Individuums Gestalten wie Lionardo und Michel-Angelo heraufführte. Nirgends jedoch zeigt sich der Zusammen- hang klarer, als in der Philosophie; der Nominalismus hat das begriffliche- Weltgebäude der Alten zerstört durch den Satz: üniversalia post rem, die Begriffe sind Er- zeugnisse des subjectiven Geistes; eine Folge war die gänzliche Umprägung der Gesetzlichkeit aus der begriff- lichen Fassung als Kreislauf der Dinge in unser heutiges Causalprincip, wie es zuerst bei Albertus Magnus zur vollen Durchfuhrung gelangt. Nominalist war Nicolaus Cusanus, der in der „Docta ignorantia" die Relativität aller Erkenntniss behauptete, er, den Giordano als des Copernicus' Vorläufer preist. Auf diesem Boden erwuchs unser Philosoph, geboren 1548 zu Nola; früh mit der Schönheit der Welt vertraut, trat er schon im Knabenalter ins Kloster, wo er in eifrigem Streben alle Schulen der Alten durclistudirte, aber weder bei denPeripatetikern noch bei den Naturalisten Befriedigung fand. Bald lehnte er sieh gegen den geistigen Zwang des Klosters auf, schon jung entfernte er alle Heiligenbilder aus seiner Zelle. Als er endlich auf Grund seiner gewonnenen Erkenntniss in Zweifel über die Trinität, über die Gottheit Christi und anderes verfiel, war seines Bleibens nicht; nachdem er kurze Zeit in Italien umher- geirrt war, verliess er 1576 sein Vaterland und führte von nun an in der Schweiz, in Frankreich, England und Deutschland ein wanderndes Gelehrtenleben. In Genf hielt er sich zu den Calvinisten, bis ihn ihr Dogmatismus abstiess, in Toulouse und Paris predigte er vom Docenten- stuhl gegen Aristoteles, in London schrieb er seine be- rühmten italienischen Dialoge, in Deutschland, wo er vor allem in Marburg und Wittenberg weilte, seine lateinischen Schriften, zum grossen Theil in tadellosen Hexametern. Ausgangspunkt ist auch ihm die Subjectivität der Erfahrung, die Trüglichkeit der sinnlichen Wahrnehmung. Wie der Horizont bei jeder Aenderung des Standortes ein anderer wird, so auch vor allem die Grössenverhält- nisse. Könnte es gelingen, sich zu dem Mond, zu den Sternen zu erheben, so würden diese eine Erde, die Erde ein Stern scheinen. Von da aus bekämpft er nun uner- müdlich die Weltansicht des Aristoteles mit ihren Sphären und ihrem extramundanen Raum, die durch Begriffscon- structionen alle Bewegungen und die Stellung der Erde im Mittelpunkte erklärt und beweist und doch zuletzt auf der sinnlichen Anschauung ruht. Copernicus hatte den Mangel gefühlt, die Sonne in die iMitte gerückt und so das Epicyklen-Systcm der Planeten in einen einfachen, grossen Causalzusanimenhang gebracht; nachträglich erst, 74 NaturwisserLschaftliclie Wocheuschrift. XV. Nr. 7. wie er sagt, fand er, dass auch einige Alten von der Be- wegung der Erde gewusst hätten. Giordano fasste die Lehre des Meisters begeistert auf, ihrer Vertheidigung und philosophischen Begründung sind seine Schriften mit geweiht. Nicht immer freilich im Einzelnen folgte er be- dingungslos; so erschien es ihm undenkbar, dass inner- halb der Erde noch zwei Planeten die Sonne umkreisen sollten; er machte den Mercur zum Trabanten der Venus, und wies dieser eine Bahn an, gleichgross der der Erde, nur auf anderem Kreise derselben Kugelfiäche. Er hatte selbst astronomische Studien gemacht, hatte z. B. bei Tycho Brahe gelernt, und so waren ihm die scheinbaren Abweichungen der Planetenbahnen von der Kreisform be- kannt geworden; er behielt zwar die Kreisform bei, suchte ai)er mit anderen jene Erscheinung durch eine Bewegung der Sonne selbst um den Mittelpunkt des Systems zu erklären; erst Kepler hat bekanntlich die Lehre von der elliptischen Bewegung aufgestellt. Wo- durch aber Giordano am wesentlichsten von Copernicus abwich, war, dass er auch die letzten Grenzen des Welten- raumes zerriss. Jener hatte doch die Sonne wenigstens noch im Mittelpunkte belassen, Giordano erklärt: Auch die Sonne ist nichts anderes als ein Fixstern; jeder dieser unendlich fernen und unendlich zahlreichen Lichtpunkte ist das Centrum eines Sonnensystems, der Grund, dass wir ihre Planeten nicht sehen, ist einerseits deren Klein- heit, andererseits die grosse Lichtfülle ihrer Sonnen, in der sie untergehen. Thatsächlich hat auch nicht erst Galilei, wie behauptet wird, sondern Bruno bereits den Unterschied zwischen leuchtenden und nicht leuchtenden Gestirnen aufgestellt; er wusste, dass die Planeten und Monde nur das Sonnenlicht zurückwerfen; freilich suchte er noch nach einem besonderen Träger des Reflexes und glaubte ihn im Wasser zu finden, so dass bei ihm auch der Mond zum grossen Theil mit Wasser bedeckt sein musste. Für seine Lehre von der unendlichen Viel- heit der Welten braucht man wahrhaftig nicht das Vor- bild bei Demokrit und Lukrez zu suchen, den er aller- dings kannte. Sie beruht vielmehr auf einem Grund- gedanken seiner gesannnten Weltanschauung und ist wesentlich dynamisch; nicht eigentlich die Vielheit der Welten, sondern die Unendlichkeit der Welt ist es, was er behauptet, und zwar auf Grund des Kraftbegriffs, der kein Endliches duldet. Die Idee der Allbeseelung, die er fordert, verlangt auch, dass die wirkende Ursache alles Seins nicht ausser der Welt wohnt, sondern dass sie in ihr treibt und webt. Die Monadenlebre, die jedem Körper, jedem Gestirn einen geistig treibenden Willen zuschreibt, erhebt sich in der Naturbetrachtung folgerichtig zum Pantheismus. Und freilieh soüte nun diese einheit- lich belebte Allheit auch harmonisch und vernünftig or- ganisirt sein, so forderte es Giordano's schönheitsfreudiges Herz, und so entging denn der grosse Humanist auch nicht den Sirenenklängen pytagoräisch - alchymistischer Mystik, wie sie alle Geister beherrschte. Dass auch die Zahlenharnionie selbst und gerade die der Musik, dem subjectiven Empfinden angehöre, blieb auch von ihm ver- gessen. So war es hier die eigene, eigenartig wirkende Lebenskraft, die, in die Aussenwelt gegossen, das philo- sophische Princip durchbrach; sie war es auch in der Sittenlehre, die in dem Begriff des heroischen Affekts die pautheistische Auffassung verdrängte, die erst Spinoza in seiner Ethik auch auf diesem Gebiete durchführte. Sein Selbs*bewusstsein machte Giurdano zum schroffen Geistesaristokraten; er erklärte, der Wissende bedürfe der Zustimmung der Menge nicht, und wer die Weisheit nicht erfassen könne, möge ruhig im Dunkeln tappen. Deshalb auch erkannte er gern fremde Grösse an; beim Abschied von Wittenberg hielt er eine glänzende Lobrede auf Luther, obwohl dieser stets ein Feind der coperni- canischen Lehre, obwohl vor allem seine Epigonen die grössten Dunkelmänner waren. Giordano hatte auch im Auslande die Freiheit nicht gefunden, die er suchte, überall neidischen Hass und Kleinigkeitssinn. Italien zog ibn wieder an sich. Aber wenn bei seiner Geburt dort noch freier Geist wehte, Michelangelo noch wirkte, seit dem Tridentiner Concil war die Kirche wohl auch re- formirt, vor allem aber reorganisirt, Gegenreformation und Inquisition feierten ihre Orgien. Im Jahre 1592 fiel er in Venedig dem geistlichen Gericht in die Hände; da er sich standhaft weigerte zu widerrufen, wurde er endlich nach Sjähriger Haft am 17. Februar IGOO, vor nunmehr 3U0 Jahren, wegen Ketzerei und Bruchs des Ordeus- gelübdes in Rom öffentlich verbrannt, ein Märtyrer neuen Geistes und freier Wissenschaft. Fritz Graebner. Die Grube „Grossfürstin Alexandra" im grossen Schleifsteinthal bei Goslar. Beiträge zur Erzlagerstättenkunde des Harzes. Von Dr. Sohle. Topographie. 5 km südwestlich von Goslar liegt im Schleifsteinthal, das auf das Gosethal ausmündet, eine Grube, die zu der Gewerkschaft „Neue Kirche" zu Goslar gehörig, auf Nickelerz, Bleierz und Blende abgebaut wird; untergeordnet kommen Schwefel- und Kupferkies fein ein- gesprengt oder in kleinen, winzigen Krystallen ausge- bildet vor. Stratigraphie. Nach der Borcher'schen und auch nach der Lossen'schen Karte kommen zwei erzführende Gänge, von Klockmann*) Haupt- und Nebengang ge- nannt, in Frage; dieselben streichen von WNW. nach OSO. oder h. 7 bis 8, sind dicht nebeneinander gelegen und gehören nach Lossen dem Kerngebirge an. Das Nebengestein, in welchem die Erze auftreten, ist der dem Oberen- Uuterdevon angchörige Spiriferensandstein, ein *) S. d. 1893, S. 385. schieferiges bis gebanktes Gestein, das aus quarzitischen Massen besteht und von gelblich-brauner Farbe ist. Sein Streichen ist von NO. nach SW. bezw. h. 2 bis 3, sein Einfallen nach SO mit (50° bis 65°. Geschichte. Seit dem Jahre 1845 im Betrieb kam die Grube öfters zum Erliegen, bis sie in den 60er Jahren dieses Jahrhunderts wieder in Angriff" genommen, von dieser Zeit ab regelmässig abgebaut wurde. Mineralogisch-Chemisches. Vor dem Jahre 1893, in welchem Jahre Klockmann seinen Aufsatz über das Nickelerz am Oberharz veröffentlichte, war das Vorkommen von Nickelerz unbekannt und wurde allein auf Bleiglanz und Blende geschürft. Durch das Auffinden des Nickel- arsenerzes wurde aber nicht bloss die Grube weiteren wissenschaftlichen Kreisen bekannt, sondern es gestaltete sich auch in Folge des hohen Kaufwerthes des Nickel der Ertrag bedeutend günstiger. XV. Ni Naturwissenseliaftliche Wochenschrift. 75 Betreifs der näheren Analyse verweise ich auf die obige Ahiiandlung-, wonach ein Nickeisulfaisenit, der Formel des Gersdorffite.s entsprechend, vorliegt. Hauptschlichte. Den Gesamrataufbau und damit zugleich die Lagerung der Erze beherrscht eine Schlichte oder Verschiebung, nicht ein Sprung, wie K lock mann will; sie streicht h. 4—5 und fällt SO. mit 37°— 38° ein, weswegen die Annahme von Klockmann 1. c. S. 386, dass die Lettenkluft mit 75° nach SO., entgegen- gesetzt dem Einfallen des Nebengesteins, einfalle, unhalt- bar ist. Die Schlichte ist besten Falles 1 m mächtig und führt einen lettigen Besteg in sich, der etwa einige Centi- meter Mächtigkeit besitzt, demgcmäss weniger mächtig als die entsprechenden Lettenbestege in den SchHchten des Rammelsberger Erzlagers ist. An die Schlichte ist das Auftreten des Blei- und Nickelerzes geknüpft und durch eben dieselbe werden beide in ihrer Richtung abgelenkt und verschoben. Abhängigkeit der Erze von der Haupt- Schlichte. Von Osten her setzt das Bleierz auf dem Neuen Tagesstollen der 14 und 42 mSohle, das Nickel- erz dagegen am Tage an die Schlichte heran; an dieser sind die Erzschichten um 22 m nach NW. und schräg nach oben unter einem Winkel von 60° verschoben, wo- bei die Erzpartikelchen in der Schlichte für die Art des Schubes sprechen. Während östlich der Schlichte das Nickelerz das Bleierz überlagert, tritt westlich derselben insofern eine Aenderung ein, als das Nickelerz wie von Ueberbruch des Neuen TagesstoUeu auf der zweiten Querbühne, vom Tagesstollen aus gerechnet, sichtbar plötzlich am Liegen- den des steiler einfallenden Bleierzes auskeilt und dabei schnell an Mächtigkeit verliert. Alter des Nickel- und Blei.erzcs zu einander. Da das Bleierz in dem von genanntem Ueberbiuche ab- gehenden Querbruche ungestört von einer Wange zur anderen tibersetzt, so ist anzunehmen, dass es jünger als das Nickelerz ist. Relatives Alter der Hauptschlichte und deren Verhalten im Ueberbruch des Neuen Tagesstollen. Demgegenüber fällt ihre Bildung in eine noch spätere Zeit, da sie, an die das Vorkommen des Nickelerzes an eben genannter Stelle gebunden ist, das Bleierz durch- quert, ohne in ihrer Richtung abgelenkt zu werden. Auffallenderweise -finden sich im Querschlage obigen Ueberbruchs weder Blejglauz- noch Nickelerzpartikelchen in ihrer zerriebenen, lettigeu Masse. ümbiegung des Nebengesteins an der Haupt- schlichte. Zum Beweise dafür, dass wir es mit einer Verschiebung zu thun haben, genügt anzuführen, dass eine ümbiegung der Schichten des Nebengesteins und Aus- bildung von Harnischen auf denselben im Neuen Tages- stolien an der Hauptschlichte nachzuweisen war. Auftreten der Erze. Das Bleierz ist östlich und westlich der Hauptschlichte an einen Gang, das Nickel- erz westlich an einen Gang oder ein Lager, östlich der- selben wahrscheinlich an ein Lager gebunden. Das Bleierz streicht westlich der Haupt- Schlichte h. 12 und fällt nach S. 65° ein und kennzeichnet sich im Grossen und Ganzen schon durch seinen compacten Habitus, der sehr gegen das meistens stark geschieferte Nebengestein ab- sticht. Der Gang enthält ausser dem grossblättrigen Blei- glanze krystallinische, braune Blende. Auf der Ostseite der Schlichte ist der Bleierzgang von den Alten auf der oberen Sohle, 14 m unter dem Tagesstollen bis an die Verschiebungskluft, d. h. von Osten her bis an diese heran aufgefahren, sodann in Folge der neueren Arbeiten auf der 22 und der 42 m-Sohle, auf welch letzterer nach Aussage des Herrn ßetriebs- führers ein Gang bis zu 2 m mächtig (0,50 derbe Erze) auf der Schlichte bei 16 m Entfernung von „dem Ab- sinken nach der 42 m-Sohle" bei einer saigeren Höhe von 14 m aufgefahren wurde; der Gang legt sich direct an die Schlichte und ist bis jetzt auf 12 m verfolgt worden. In dem gesammten Zwischenräume zwischen dem üeherbruche und der 14 m-Sohle, sowie zwischen dieser und der 22 m Sohle und zwischen dieser wiederum und der 42 m-Sohle fehlen die Aufschlussarheiten auf dem Bleierzgange, ein reiches Feld demnach für die Zukunft. Was das Nickelerz, welches im reinsten Zustande 35 "/o Ni enthält, angeht, so ist es in letzter Zeit mittelst oben schon erwähnten üeberbruches — cfr. Grundriss „Nickelerzgang neu" — in einem stark zersetzten und mit Brauneisenstein imprägnirten Nebengesteine und in einer schmierig gelben oder schwarzen Lettenmasse, fein eingesprengt in schwarzen Krystallflitterchen, in nächster Nähe des Bleierzganges 5—6 m unter Tage angefahren und tritt es nach Mittheilung des Herrn BetriebsfUhrers in edler Beschaffenheit mit einer Gang- niächtigkeit von 1,20 m mit 0,20 m derben Nickelerzen auf. Dabei fällt, wie auf der ersten Querbühne sichtbar, das Nickelerz in flachen Lagen ein, getrennt von dem Bleierze durch eine wenig mächtige, stark in sich gespaltene und gestörte Grauwackenpartie; die Hoff- nung, das Erz mittelst obigen üeberbruches bis zu Tage abbauen zu können, hat sich als eitel erwiesen, da die Erze, specicU das Nickelerz, nicht in abbau- würdiger Menge angeti offen sind. Der Herr Betriebs- führer erklärt das Vorkommen des Nickelerzes westlich der Hauptschlichte als an einen Gang gebunden, da es h. 8 streichen soll ; mir leuchtet diese Behauptung nicht ein, da das Streichen des Nickelerzes zu beiden Seiten der Verschiebungskluft einander parallel und annähernd dem der Schichten des Nebengesteins gleichgerichtet zu sein scheint. Oestlich der Hauptschlichte ist früher das Nickelerz in der Tiefe gewonnen, cfr. Grundriss „Nickelerze"; es ist von stahlgrauer P^arbe, metallisch glänzend und durch- gehends krystallinisch ausgebildet, und tritt entweder im quarzigen Spiriferensandstein selbst oder in den Letten einer der zahlreichen Ruschein — eine grosse Anzahl der- selben cfr. Grundriss „Verschiebung" durchsetzt gleich der Hauptschlichte das Grubenfeld — fein eingesprengt auf. Ein ständiger Begleiter des Nickelerzes ist der Ocker, welcher aus Schwefelkies, der in untergeordneter Menge vorkommt, entstanden zu sein scheint. Das Auffinden des Nickelerzes ist verhältnissmässig leicht, da es sich meistens schon durch das lichtgrüne Nickelsulfat, seltener durch die blaugrüne Nickelblüthe venäth. Sicher ist indessen, dass das Nickelerz, abgesehen von dem oben Angeführten, von dem Bleierze streng räumlich getrennt ist. Ein grosser Theil von jenem ist abgebaut, der Ge- winnung bleibt das Erz zwischen dem üeberbruche im Neuen Tagesstollen und der westlich davon gelegenen „Verschiebung (cfr. Riss)" westlich der Hauptschlichte, sowie östlich derselben vom Tage abwärts unter einem Winkel von 65° nach S. geneigt übrig. Ausbildung des Bleierzes. Zwei Arten Bleiglanz sind zu unterscheiden: 1. der grossblättrige und 2. das sehnig-streifige Stuflferz. Der Bleierzgaug mit seinem grobkrystallisirten, gross- blättrigen Erze ist gemäss seinem Streichen zur Haupt- schlichte unter einem Winkel von 125° resp. 55° geneigt, Xa turwis senscha ft liehe Wo ch enschrif t . XV. Nr. 7. er ist daher an dieser auf allen bis zu 70 m reichenden Sohlen cfr. Grundriss angetroffen und zwar so, dass dort, wo die Verschiebungskluft au ihn heransetzt, der Uebergang in die zweite Art Bleiglanz deutlich zu con- statiren ist. Sehlussfolgerung. Daher ist die Annahme be- rechtiji:t, dass, weil der Bleistuff in der lettigen Masse der Hauptsclilichte in einzelnen Partieen wieder aufzufinden ist, und wir es mit einer Verschiebung zu thun hal)en, der Bleistuö' nichts anderes als ein von neuem aufge- arbeitetes Erz des Ganfces ist. Einiges über die Schlichten. Gleich dem oben Ge- Linie zum Vergleich in Frage kommt, bestehen in Fol- gendem: 1. In dem Vorkommen des Nickelerzes, welches makroskopisch im Rammeisberg nicht nachgewiesen ist. 2. In dem Auftreten von streifig-sehnigem Bieiglauze, der im besten Falle 75 »,o, meist aber 65 7^ Pb. enthält. 3. In dem starken Zurücktreten des Kupfer- und Schwefel- kieses. 4. Im Fehlen der Schieferung. 5. In der be- ständig wechselnden Streichrichtung des Nebengesteins auf kurze Entfernungen, so dass es äusserst schwierig ist, zu sagen, was Gang, was Lagergang, was drittes Lager bei den Erzen ist. Dazu kommt das tiefere Niveau des Spiriferensandsteins gegenüber dem der Goslarer Scbiefer, von den Bauen (/er (f'ru/fe , , , „^ . , ^^ ^^^^^^ CroMür^t//hi/exa/idm ''' J*LJ^ ^^^T^^l^'!^' ^^ i /Vzg.-AMe/erzg&ng M^X k^Af^ l/l \r # r XeuerSdidUii] k\5'''/y ir 1 51'' ' \ßureau u. VA5(Ji/'nen- raum \1 ^^ sagten geht aus dem soeben Mitgetheilten hervor, dass die Hauptschlichte jüngeren Datums als die eigentliche Erz- biidungist, weswegen jene unbekümmert um die Erze in die Tiefe fortzusetzen hat. Das Nämliche gilt für die übrigen „Verschiebungen", welche sich um so leichter bilden konnten, als der Spiriferensandstein in ganz eminenter Weise zusammengepresst und gefaltet ist, so dass auch ein Abweichen von der regelrechten Streichrichtung beim Nebengestein nichts Ausserordentliches ist. Nachträge. Irrig ist die Annahme von Klockmann 1. c,, dass die Nickel- sowie die Bleierze als Lager resp. Gang theils nach N., theils nach S. steil einfallen, wir haben es vielmehr, mit Ausnahme des Einfallens des Nickelerzganges (-lagers) im Ueberbruche des Neuen Tagesstollen (cfr. zweite Querbübne) nach N., stets mit einem S.-Einfallen zu thun. Die Haupt - Unterschiede gegenüber dem Rammelsberger Erzlager bei Goslar, das in erster und 6. in der „Nicht-Zunahme" der Blende nach der Teufe zu und dem Fehlen der Melirerze. Danach möchte ein Combinationsversuch, das Rammels- berger Erz nämlich mit dem des Schleifsteinthales in Be- ziehung zu, bringen, aussichtslos sein. Weiterer Verfolg der Erze nach Osten. Die Fortsetzung des Nickel- und Bleierzes ist wahrscheinlich östlich bis zum Winterthale zu suchen, wenigstens deuten die hier gefundenen Bleierze darauf hin. Nach Mark- scheider Ernst setzen die Gänge durch den kleinen Schleifsteinthaler Berg, an welchem noch einige Schürfe sind, nach dem Winterthale, von wo ab auf einem Gange ein jetzt verfallenes Feldort nach SO. getrieben ist (cfr. Aus dem Nachlasse des Markscheiders Ernst „Bergbau im grossen Schleifsteinthale.") Negatives Resultat nach Westen. Ebensowenig aber wie westlich des Gosethales für das Rammelsberger Erzlager ein Aualogon gefunden werden kann, ebenso XV. Nr. 7. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. wenig lässt sieh über die Fortsetzung der Erze von der Grube Alexandra nach Westen etwas Bestimmtes aus- sagen, da die directe westhciie Fortsetzung Eisenstein- vorkommen sind. •Bildungsbj^pothese. Wie zu Andreasberg und Harzgerode im Harz die Bildung des Niekelerzes mit dem in der Nähe anstehenden Diabase in Zusammenhang zu bringen ist, so möchte ich auch für das Schleifstein- thal einen Diabas, der bisher noch nicht aufgefunden ist, der aber die Goslarer Schiefer westlich des Gosethales durchbrochen hätte und etwa in flachen Lagen unter die Calceola-Schiefer und den östlich davon gelagerten Spiriferensandstein einfiele, für den Erzbringer ansehen, urasomehr, als nach Senfter*) Blei, Kupfer, Zink, Nickel, Kobalt, Antimon und Arsen in den Augiten der Diabase des Harzes gefunden sind. Ich möciite es hier nicht unterlassen, dem Herrn Generaldiiector Schmeisser in Goslar und dem Hern Be- triebsführer Baum ebendaselbst meinen verbindlichsten Dank für alle ihre Bemühungen auszusprechen. *) Neues Jahrbuch für Mineralogie 1860, S. 690. Eine neue Hörtheorie entwickelt J. Rieh. Ewald | unter der üeberschrift „Zur Physiologie des Labyrinthes" im 76. Baude von Pfluger's Archiv für die gesammte Physio- logie. Seit langem macht sich das Bedürfniss nach einer Umgestaltung der Helmholtz'schen Eesonanztheorie fühl- bar, da die Erkenntniss der Thatsache, dass viele der an den Gehörsempfindungeu gemachten Beobachtungen mit der Eesonanztheorie nicht im Einklänge stehen, in immer weitere Kreise dringt. Nach Helmholtz sind die einzelnen Abschnitte der sogenannten Grundmembran der- art verschieden abgestimmt, dass eine durch einen be- stimmten Ton hervorgerufene Erregung eines bestimmten Theiles derselben diesen in Schwingungen versetzt, durch welche besondere Fasern des Acusticus erregt und der so entstandene Reiz den Ganglienzellen der Hirnrinde zu- geführt wird. Unter denjenigen Thatsachen, welche mit dieser Annahme im Widerspruche stehen und durch die neue Hörtheorie eine Erklärung finden, sind besonders die folgenden hervorzuheben. Zunächst wird auf eine Er- regung von bestimmter Schwingungszahl nicht nur der auf diese Zahl abgestimmte, sondern es werden auch alle diejenigen Resonatoren, wenn auch in etwas schwächerer Weise, reagiren, welche hinsichtlich ihrer Schwingungs- zahl jenem Resonator sehr nahe stehen. Dies umsomehr, als auch bei einer in ein Medium eingebetteten Membran die Erregung sich nicht auf eine so kurze Strecke der- selben beschränken wird, dass nur eine geringe Anzahl von Acusticusfasern in Erregung versetzt wird. Des Weiteren giebt die Resonanztheorie, wie von Hermann nachgewiesen wurde, keine befriedigende Erklärung für die Intermittenz- und die Diflferenztöne, noch für den Unterschied zwischen den Tönen und Geräuschen. Wenn nach Helmholtz die Geräusche im Gegensatze zu den Tönen dadurch charakterisirt sind, dass bei ihnen eine grosse Anzahl von Resonatoren gleichzeitig erregt werden, so ist nicht zu verstehen, weshalb unmusikalische Per- sonen sowohl Geräusche als auch Stimmen von Personen mit Sicherheit erkennen, während sie in Bezug auf die Unterscheidung von Consonanz und Dissonanz im Zweifel sind. Wenn ferner. die letzteren sich durch die Schwe- bungen unterscheiden, so müssten Unmusikalische die Schwebungen weniger unangenehm empfinden, als musi- kalische Personen, was nach den Untersuchungen des Verf. nicht der Fall ist. Auch giebt die Resonanztheorie keine Erklärung für die Fähigkeit, die Unreinheit beim Zusammenklingen zweier durch ein kleines Intervall ge- trennter Töne wohl zu empfinden, ohne jedoch angeben zu können, welcher Ton von beiden der höhere ist, während wir bei etwas grösserem Intervall über den höheren Ton durchaus nicht im Unklaren sind. Endlich findet auch die Fähigkeit, in jeder Tonlage sofort eine bekannte Melodie zu erkennen, wie Mach angeführt hat, durch die Helmholtz'sche Theorie ebensowenig eine Er- klärung, wie die Thatsache, dass Gehörslücken bei sonst normal hörenden Personen überaus selten sind, was doch der Fall sein würde, wenn ein bestimmter Theil der Membrana brasilaris ausschliesslich einem kleinen Ab- schnitte der Tonreihe entspräche. Aus diesen zum Theil bekannten und anderen vom Verf. angeführten Bedenken gegen die Resonanztheorie folgert derselbe die Berechtigung für eine neue Hörtheorie. Die aufgestellte „Schallbild er "-Theorie wird den An- forderungen, die in Bezug auf die Erklärung der beob- achteten Erscheinungen zu stellen sind, dadurch gerecht, dass sie die dem Hören zu Grunde liegenden Vorgänge auf stehende Wellen zurückführt, ' welche auf der Mem- brana basilaris in der Längsrichtung derselben als quergestellte Wellen augeordnet sind. Dabei wird an- genommen, dass einem einzelnen Tone ein einziges be- stimmtes Welleusystem und dem Zusammenklänge mehrerer Töne die Vereinigung mehrerer, aus der Combination der Thciltöne entstehender Wellensysteme entspricht. Die Art und Weise, wie dieser Vorgang sich vollzieht, wird an dem Problem erörtert, welches ursprünglich dei- Sömme- ring'schen Telegraphie zu Grunde lag. Bei demselben handelte es sich um die Mittheilnng der einzelnen Buch- staben des Alphabetes durch der Zahl derselben ent- sprechende Aufgabe- und Empfangsapparate, die durch ebenso viele Drähte verbunden waren. Diese Aufgabe konnte in der Weise gelöst werden, dass jedem der 24 Systeme ein Buchstabe entsprach, so dass also bei- spielsweise dem Apparate I und seinem Drahte nebst Endapparat der Buchstabe A, dem Apparate II nebst Zu- behör der Buchstabe B entsprach etc., sodass jeder der 24 Apparate einen bestimmten Buchstaben darstellte. Wie ersichtlich, erforderte diese Anordnung, dass die ein- zelnen Buchstaben der zu übermittelnden Worte nach einander telegrapbirt wurden, da jedes einzelne Apparat- system einen bestimmten Buchstaben wiedergab. Sobald ein Anfangs- oder Endapparat, bezw. der beide verbindende Draht nicht functionirte, war die Möglichkeit aufgehoben, diesen Buchstaben zu übermitteln, während alle übrigen Buchstaben telegrapbirt werden konnten. Endlich war die räumliche Anordnung der Apparate sowie der Drähte unter einander völlig gleichgültig. Diese Ausführung des Sömmeriug'schen Problems, welche allerdings in Wirklich- keit in dieser Weise niemals zur Darstellung gekommen ist, entspricht nun der Helmholtz'schen Resonanztheorie, nach der jeder Ton dadurch zu Gehör gebracht wird, dass er einen einzigen, auf ihn abgestimmten Resonator erregt. Die für den beschriebenen Apparat geltenden Eigenthümlichkeiten finden also auch auf die Resonanztheorie Anwendung. Der Zahl der Acusticusbahnen entspricht die Zahl der Resonatoren; eine Functionstörung eines Resonators, einer Acusticusfaser oder eines Rindenelementes bewirkt den Ausfall des entsprechenden Tones; eine be- stimmte räumliche Anordnung der Resonatoren in der Weise, dass dieselben beispielsweise in einer der Ton- 78 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XY. Nr. 7. skala entsprechenden Reihe liegen, ist nicht uothwendig, da jeder Resonator, er möge liegen, wo er wolle, stets der Uebermitteluug desselben Tones dient. Eine andere Anordnung des Sönimering'schen Appa- rates würde nach verschiedenen Richtungen eine Ver- besserung in sich schliessen, durch welche die gerügten Unvollkommenheiten vermieden würden. Es würde ein wesentlicher Vortheil sein, wenn sämmtliche Buchstaben der zu übermittelnden Worte zu gleicher Zeit tele- graphirt werden könnten und wenn ferner die Functions- störung eines einen Buchstaben darstellenden Anfangs- oder Endapparates, bezw. eines einzelnen Drahtes nicht den Ausfall dieses Buchstabens zur Folge hätte. Diese Forde- rung lässt sich in der Weise erfüllen, dass der zu jedem Apparate gehörende Schlüssel nicht mit einem, sondern mit mehreren Apparaten so verbunden wird, dass auf das Niederdrücken desselben eine bestimmte Combination von Apparaten am Aufgabe- und Empfangsorte anspriclit. In diesem Falle würden die einzelneu Anfangs- und End- apparate nur relative Werthe darstellen, deren Vereini- gung zn einer bestimmten Verbindung das zugehörige Buchstabenzeichen darstellt. Sollte z. B. der Buch- stabe A mitgetheilt werden, so würde der Strom vielleicht durch die Anfangsapparate 1, ?>, 5, 7 etc. ver- mittelst des Schlüssels zum Endapparate geleitet werden, wo diese Combination anzeigt, dass der Buchstabe A über- mittelt wurde. Für den Buchstaben B würde man die Apparate 1, 4, 7, 10 etc. in Bewegung setzen u. s. f. Ausser diesen Zahlenreihen, welche aus durch gleiche Zwischen- räume getiennten Gliedern bestehen, könnten auch solche mit verschieden langen Perioden verwendet werden. Die Vortheile, welche aus dieser Anordnung erwachsen, sind folgende. Wenn ein Theil einer Leitung oder einer der zugehörigen Apparate nicht functionirt, so entsteht da- durch noch nicht die Unmöglichkeit, den betreffenden Buchstaben zu übersenden, da derselbe auch dann noch aus der Periode erkannt werden kann, wenn einzelne Glieder derselben fehlen. Ferner können die Buchstaben zu derselben Zeit übermittelt werden, da derselbe Strom zu den verschiedenen Apparaten geht und hier durch die bekannte Combination den zugehörigen Buch- staben erkennen lässt. Andererseits hat auch diese An- ordnung eine grosse Anzahl von Verbindungsdrähten, da- gegen eine feststehende Anordnung der Anfangs- und Endapparate zur Voraussetzung. Die Anwendung der angenommeneu Einrichtung auf das menschliche Ohr ergiebt sich nach dem oben Ge- sagten von selbst. Es fragt sich nur, in welcher Weise wir uns die Uebertragung der räumlichen Perioden auf das tonempfindende Organ vorzustellen haben. Verf. denkt sich die Erregung der Grundmembran durch stehende Wellen hervorgerufen, die auf der ein lang- gestrecktes, schmales Band darstellenden Membrana basi- laris der Länge nach angeordnet sind. An die Längs- seite der letzteren treten die Nervenfasern heran, welche durch die Impulse der einem Ton entsprechenden, ihrer Richtung nach quer gestellten Wellen erregt werden und diese Erregung dem Centralapparate als Ton zu- führen. Die Höhe desselben ist von der Länge der stehenden Wellen derart abhängig, dass die tiefsten Töne durch Wellen erzeugt werden, deren Knotenlinien den grössten Abstand von einander haben, so dass unter den bei der Grundmembran bestehenden Grössenverhältnissen für den tiefsten Ton von 20 Schwingungen 16 mm als Abstand zweier Knotcnlinien, für den hödisten Ton von 32 Tausend Schwingungen 100 Knotenlinien auf den Millimeter der Grundmembran in Betracht kommen würden, welcher Abstand im Verhältnisse zu der bei der Retina beob- achteten kleinsten Entfernung der einzelnen Elemente der Netzhautbilder nicht autfallend klein genannt werden darf. Besonders hervorgehoben wird der Umstand, dass die „Schallbilderzeichen" der tiefen und der hohen Töne sich nicht nur durch den grösseren oder kleineren Ab- stand der Schwingungsknoten bezw. der Wellenbänclie unterscheiden, sondern dass letztere, bei den tiefen Tönen auch länger sind als bei den höheren. Hieraus folgt, dass, da die an die Grundmembran herantretenden Nervenfasern nicht nur durch ein Maximum der Erregung in Function gesetzt werden, bei den tiefen Tönen die Erregungsstrecken eine breitere Zone umfassen, als bei den höheren. Da stehende Wellen nur durch periodische Be- wegungen hervorgerufen werden, so müssen die aperiodi- schen Bewegungen als Geräusche empfunden werden, und zwar auch dann, wenn sie länger andauernd oder so kurz sind, dass sie einwellig genannt werden müssen. In gleicher Weise werden alle Schallerregungen, welche das Auftreten stehender Wellen verhindern, als Geräusche em- pfunden werden, also auch diejenigen periodischen Luft- schwingungen, welche so schell aufeinander folgen, dass sie die Bildung gesonderter stehender Wellen durch die gegenseitige Störung derselben verhindern. Andererseits können schon zwei Schwiugungnn die Bildung stehender Wellen zur Folge haben. Die neue Schallbildertheorie nimmt für alle Fasern des Acusticus dieselbe Qualität an und führt die ver- schiedene Empfindung auf die durch die räumliche Ver- theilung der stehenden Wellen hervorgerufene Verschieden- heit der Erregung zurück, also auf dasselbe Princip, das dem Gesichts- und Ta.stsinne zu Grunde liegt, während die Resonanztheorie für jede einzelne Nervenfaser eine in Bezug auf die übrigen Sinnesgebiete ohne Analogen da- stehende Qualitätsverschiedenheit zur Voraussetzung hat. Ferner hat der Ausfall der Function einer Nervenfaser oder ihres Resonators, wie schon erwähnt, keine Functions- störung des diesem Tone zugehörigen Gesammtapparates zur Folge, da der Ausfall durch die übrigen zur Periode gehörigen stehenden Wellen gedeckt wird. Von be- sonderer Bedeutung für die neue Theorie ist die Er- klärung derjenigen musikalischen Erscheinungen, welche, wie die Consonanz und Dissonanz, die Intermittenztöne etc. bisher nur mit Schwierigkeit einer Deutung zugänglich waren oder für welche überhaupt keine Erklärung ge- funden ist. Die absolute Consonanz der Octave, welche in der ganzen Tonreibe insofern ohne Gleichen dasteht, als sie genau denselben Klang hat wie ihr Grundton, er- klärt sich daraus, dass die Periodicität durch das Hinzu- treten derselben zum Grundtone in keiner Weise geändert wird, da sie ebenso wie der letztere auf völlig gleichen Abständen der Wellen beruht und sie sieb von demselben nur dadurch unterscheidet, dass zwischen jedem Schwin- gungsknoten des Grundtones ein in gleichem Abstände von diesem befindhcher Knoten steht. In der Harmonie- lehre findet diese Sonderstellung der Octave dadurch einen Ausdruck, dass sie nur zur Verstärkung des Grund- tones dient, während alle übrigen Intervalle in den Zu- sammenklang ein mehr oder weniger fremdes Element tragen. Im Gegensatze zu den gleichen Zwischenräumen zwischen den Knotenlinien des Grundtones, bezw. der Octave treten bei allen übrigen Intervallen Verschiebungen der Knotenlinien derselben zu den Knotenpunkten des Grundtones auf, und dies um so mehr, je geringer die Consonanz ist, bis schliesslich bei den Dissonanzen keine Knotenpunkte mehr zusammenfallen. Wie man sieht, ist diese Erklärung der Consonanz und Dissonanz von dem Vorhandensein von Obertönen völlig unabhängig. XV. Nr. 7. Naturwissonschaftliche Wochenschrift. 79 Die lutermittenztöne entstehen, wie auch durch das Experiment nachgewiesen wurde, nach der Schailbilder- thcorie dadurch, dass bei der Bildung der stehenden Weilen durch eine periodische Schallerregung ein einzelner Impuls an einer bestimmten Stelle der Periode fortfällt, so dass der diesem Punkte entsprechende Knoten sich vor den übrigen in ähnlicher Weise auszeichnet, wie sich in einer Reihe weisser Streifen von gleichem Abstände ein weniger heller Streifen bemerkbar machen und den An- lass zur Bildung von grösseren Perioden geben würde. Durcli den in bestimmten Abständen wiederkehrenden Ausfall des Impulses wird aber nicht nur eine neue Periode, die als Intermittenzton bezeichnet wird, sich kundgeben, sondern auch der Charakter des ursprüng- lichen Tones geändert werden; derselbe wird, wenn auch seine Höhe keine Aenderung erfährt, geräuschartig und verliert zu gleicher Zeit an Intensität. Die Abhängigkeit der Tonstärke von der Amplitude der stehenden Wellen ergiebt sich ohne Weiteres. Die Intensität der Schwin- gungen ist indessen noch in anderer Beziehung von Be- deutung. Verf. beobachtete, dass bei den unten erwähnten Versuchen mit künstlichen Membranen die stehenden Wellen auseinanderrückten, sobald die Stärke der Schwingungen wuchs, ohne dass sich die Zahl der Schwingungen änderte. Diese Erscheinung kann nach der Schallbildertheorie nur in dem Sinne gedeutet werden, dass ein Ton an Tiefe zunimmt, sobald er lauter, und dass er höher klingt, so- bald er leiser wird. Diese Schlussfolgerung steht im Einklänge mit den von Broca und Bonnier gemachten Beobaclitungen, welche dasselbe Resultat ergaben. Die Anordnung der Töne zu bestimmten, als Ton- leitern bezeichneten Reihen erklärt sich nach der neuen Theorie aus der räumlichen Anordnung der Wellen. Die grössere oder geringere Fähigkeit, diese räumliche An- ordnung und die Entfernung der einzelnen Wellen von einander zu schätzen, macht sich nach der Ansicht des Verfassers bei den verschiedenen Personen durch das bessere oder schlechtere musikalische Gehör bemerkbar. Wie der Mangel des Augenmaasses auch bei sonst normal- sichtigen Personen in der Unfähigkeit besteht, die Lage- verhältnisse der Netzhautelemente zu einander scharf auf- zufassen, so fehlt den Unmusikalischen die Fähigkeit, die relative Lage der Schallbilder zu einander mit genügender Sicherheit zu beurtheilen, also wahrzunehmen, ob sich die Wellen der einzelnen Systeme decken oder sich decken würden, wenn dieselben über eine grössere Strecke ver- längert würden, bezw. in welchem Abstände die einzelnen Wellensysteme zu einander stehen. Die Unmusikalischen hören auch die Schwebungeu und empfinden sie als un- angenehm, können aber aus dem angeführten Grunde kein Urtheil über Consonanz und Dissonanz abgeben. Im Gegensätze zu ihnen vermögen Personen mit abso- lutem Tongefühl sogar beim einzehien Schallbilde den Abstand der Wellen von einander aus Erfahrung mit Sicherheit zu beurtheilen, während Personen mit gewöhn- lichem guten Gehör nur die relativen Abstände zu schätzen wissen. — Endlich erklärt die Schallbildertheorie auch die gleichmässige phylogenetische Entwickelung des Gehörorganes, da eine Anpassung des Ohres an be- stimmte, den Thieren bei der Erhaltung des Lebens nütz- liche Töne nach der neuen Theorie eine Vervollkommnung des ganzen Gehörapparates zur Folge haben wird, wäh- rend nach der Helmholtz'schen Theorie nur diejenigen Resonatoren sich besonders entwickeln werden, die im Leben der Thiere besonders viel benutzt und in Folge dessen ausgebildet werden. Nach dieser Auffassung müssten Gehörslücken auch bei Personen mit normalem Gehör sehr häufig sein, was, wie erwähnt, nicht der Fall ist. Die angeführten theoretischen Schlüsse sind durch den Verf. Ins zu einem gewissen Grade durch eine Reihe von Experimenten bestätigt worden, welche derselbe an laugen, schmalen, zwischen Rahmen ausgespannten Kaut- schukmembranen in der Weise anstellte, dass er durch in Schwingungen versetzte Stimmgabeln, deren eine Zinke gegen die Membran gedrückt wurde, stehende Wellen der beschriebenen Art hervorrief. Ein näheres Eingehen auf die experimentellen Einzel- heiten sei an dieser Stelle unterlassen, und nur diejenigen Erscheinungen mögen hervorgehoben werden, welche für die Theorie besonders wichtig erscheinen. Für das Zu- standekommen der stehenden Wellen ist, wie die Er- fahrung lehrte, eine besondere Bedingung, dass die „Schall- membran" in der Querrichtung stärker gespannt ist, als in der Längsrichtung, eine Forderung, die mit der Hensen- schen Beobachtung an der betreffenden Einrichtung des Gehörorganes übereinstimmt. Die stehenden Wellen wurden im übrigen nicht nur au in der Luft schwingenden Kautschukmembranen, sondern auch an solchen beob- achtet, welche sich in einem dichteren Medium, wie z. B. unter Wasser, befanden. Die reproducirten, nach Photo- graphieen hergestellten Abbildungen von auf die erwähnte Art erzeugten Wellensystemen lassen erkennen, dass einem Tone von doppelter Höhe eine doppelte Anzahl von SchwingungsbäuchL-n entspricht, welphe sich auf den- selben Raum vertheilen. So betrug: z. B. bei einer Stimmgabel von 180U Schwingungen die Strecke von vier Wellenabständen 11 mm. bei einer Gabel von 900 Schwin- gungen hatten vier Wellen eine Länge von 22 mm, wäh- rend einer Gabel von 450 Schwingungen eine Strecke von 44 mm entsprach etc., sodass also die Abstände der stehenden Wellen der Zahl der Schwingungen umgekehrt proportional sind. Ein zusammengesetzter Klang macht sich auf den Schallmembranen in der Weise bemerkbar, dass zu den Wellen des Grundtones die ent- sprechenden Wellen in selbststäudiger Ausbildung hinzu- treten, so dass der erregende Accord durch ein System stehender Wellen dargestellt wird, deren Abstände je nach dem Intervall mit den aus der .Schwingungszahl der Töne berechneten Verhältnissen übereinstimmen, so dass jeder Partialton ein seiner Höhe und Intensität entsprechendes Wellensystem erzeugt Da die verschiedeneu Systeme selbstständig nebeneinander zur Ausbildung gelangen, stellt die Schallmembran „gewissermaasseu einen Uni- versalresonator dar", welcher die Klänge in ihre ein- zelnen Compouenten zerlegt, sodass die Helmholtz'sche Klanganalyse auch auf die Schallbildertheorie Anwendung findet. Während die bekannte Thatsache, dass man durch kurze, in längeren Zwischenräumen erfolgende Impulse einen tiefen Ton auch dann nicht zu erzeugen vermag, wenn derselbe von der unteren Tongreuze noch nicht weit entfernt ist, durch die Resonanztheorie keine Er- klärung findet, da auch in diesem Falle durch anhaltende rhythmische Stösse ein tief klingender Resonator zum An- sprechen gebracht werden müsste, bietet diese Erschei- nung der neuen Theorie keine Schwierigkeit, da durch kurze Anstössc mit dazwischenliegenden grösseren Pausen keine stehenden Wellen erzeugt werden können. Nach einem Hinweise auf die anatomischen Grundlagen des Gehörorganes, welche namentlich durch die Regulir- barkeit der Spannungsverhältnisse der schwingenden Membran das Auftreten stehender Wellen begünstigen, sowie nach einer Darlegung der auf theilweise Exstir- pationen der Schnecke folgenden Ausfallerscheinungen geht Verf. zum Schlüsse näher auf den Einwand ein, dass, da nach der Schallbildertheorie die verschiedenen Tonempfindungen au die räumliche Vertheilung der Er- =cS S3:Si5cQca sSsScSSs n MilHererWerfh für Detii-sctiland. /ylinahsuiniticn »nJaniUP 1910 «31 98, 97. 96. 95. U-^Xi ' r 'i~ 1 u In III Den häufigen Winddrehungen in Deutschland ent- sprechend, waren auch die allgemeinen Luftdruckverhält- nisse Europas ziemlich Wechsel voll gestaltet. In den ersten Tagen des Monats zogen mehrere Minima von Ir- land nach Nordosten und wurden, als am 4. auf der skandinavischen Halbinsel ein Barometermaximum erschien, südostwärts nach Süddcutschland und Oesterreich abge- lenkt, wo sie, besonders in Istrien, ausserordentlich starke Regenialle verbreiteten, z. B. wurden am 5. Januar zu Abbazia 91, zu Lovrana 72 mm Regen gemessen. Bald darauf wurde das Maximum durch eine oceanische Depression nach Nordwestrusslaud verschoben, während ein zweites Maximum sich auf dem biscayischen Meere zeigte. Mitten hindurch zwischen beiden Hochdruck- gebieten schritt die Depression in einzelnen Theilen zum europäischen Continent, wo sich dieselben alsbald stark verflachten, bis am 11. das südwestliche Maximum rasch nordostwärts vorrückte und mit dem nordöstlichen in Ver- bindung trat. In den nächsten Tagen dehnte sich das gesamrate Maximalgebiet, in dessen Innerem strenge Kälte herrschte, über ganz Nord- und Mitteleuropa aus, aber schon am 15. Januar erschien ein neues tiefes Minimum nordwest- lich von Schottland, das wiederum in die Mitte Deutsch- lands einzudringen vermochte. Weitere oceanische De- pressionen schlugen seit dem 19. Januar in Begleitung stürmischer Südwestwinde die gewöhnlichere, nordöstliche Strasse nach dem norwegischen Meere ein. Erst am 28. begab sich abermals ein tiefes Minimum über die Nord- see in das Innere Deutschlands, wo es unter ausgedehnten Schneefällen bis zum Schlüsse des Monats verweilte. Dr. E. Less. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XY. Nr. 7. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurae: ordentlichen Protess graphie in Ainsterda und Petrograpliii' au undFal,-i.-nnr.il(.::i.- iii .Mra. Dr. Wlll-rlni S.M.ln.aiii Univi'r.-it:it-l.,Minil„.k /i, berg, l'riviitdncriir d.-r K schule zu Berlin zum Titi ordentlicher Professor d ausserordentlicher Professor der PI liehen Honorar-l'rofi'P<^orrn : Dr. H Professor der I'^v,■^,ar|■;- unJ !> der Hygiene 1 : Dv W e r t h e i in - S a 1 0 m 0 n s 0 n zum aus^er- ir der Neurologie, Elektrotherapie und Kadio- m; Dr. Bruhns, Privatdocent der Mineralogie d Dr. Tornquist, Privatdocent der Geologie r-Pi-ofess(U-; Dr. A. Bastian, ausser- Völkerkunde und Dr. G. Fritsch, ifsiologii' in Berlin zu ordent- E in Hl i n g h a u s , ordentlicher ina' Ulli Mr. S r li o t te I i US, Pivatdocent m /ii lluii.aihr,,: r.ibliotheks Hilfsarbeiter f..liililintln.k;,iin(;.,ttiiigen; Dr. F. Knauff, ordentlicher Professor der Hyf,'iene in Heidelberg zum (ieheimen Hofrath; Überförster E. Rom berg. Hilfslehrer für die forst- lichen Fächer an der landwirthschaftlichen Akademie in Hohen- heim, zum TitularProfessor; Dr. P. Fritsch, Privatdocent der Chemie in Marburg zum Titular-Profes.sor; Dr. F Bezold, ausser- ordentlicher Professor der Ohrenheilkunde in München zum Hof- rath; Privatdocent der pathologischen Anatomie in Krakau St. Ciechanowski zum ausserordentlichen Professor; Adjunkt der Eisenhüttenkunde an der Bergakademie Pribram K. Vambera zum Ordinarius; Dr. F. Ryba, Assistent der Geologie ebenda zum Adjunkten; Privatdocent der Mathematik in Agram V. Vari- cak zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: Dr. Julius Hann, ordentlicher Pro- fessor der Meteorologie in Giaz, als Professor der kosmischen Physik nach Wien; Dr. L. Knorr, Professor der Chemie in Jena, nach Freiburg; Dr. Th. H. Simon, Privatdocent der Physik in Göttingon, als Docent am Physikalischen Verein nach Frankfurt a M.; Dr. G. Fr. Freiherr v. Hertling, Professor der Philosophie in München, M. d. ß., nach Bonn. Abgelehnt haben: Dr. A. Käst, Professor der Pathologie in Breslau eiuen Kuf nach Halle; Professor der Augenheilkunde an der deutschen Universität Prag W. Czermak einen Ruf nach Graz. Es habilitirten sich: Dr. H. Stahr für Anatomie in Breslau; Dr. 0. Manz für Chirurgie in Freiburg; V. Lutoslawski für Philosophie in Krakau; A. Heverbch für Psychiatrie an der czechischen Univeisität Prag; M. Sachs für Augenheilkunde in Wien; A. Szekely für Infectionskrankheiten und C. Tellye- sniezky für Histologie in Budapest. In den Ruhestand treten: Dr. A. Claus, Professor der Chemie in Freiburg; Dr. H. Böse, Professor der Chirurgie in Es starben: Dr. J. Neuhäusev, ordentlicher Professor der Philosophie in Bonn; Hofrath Dr Hermann Schaeff er , Pro- fessor der Physik und Mathematik in Jena; Geheimrath Dr. Altum, Professor der Zoologie an der Forstakademie in Ebcrswalde; Pro- fessor der Heilkunde Gabriel T o u r d e s in Nancy ; Hofrath Dr. Philipp K n o 1 1 , ordentlicher Professor der Patliologie in Wien ; der bekannte Ohrenarzt Dr. Charles D e 1 s t a n c h e in Brüssel; Dr. J. Paetsch, Professor emeritus der Zahnheil- kunde in Berlin ; ausserordentlicher Professor der Mathematik an der deutschen Universität Prag K. Bobek. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Moritz Kronfeld, Bilder- Atlas zur Pflanzengeographie. Mit 21Ü Abbddungeu in Holzschnitt, und Kupferilzuug. Biblio- graphisches Institut in Leipzig und Wien. Iö99. — Preis geb. 2,5U Mk. Wie im Titel ausgedrückt ist, ordnet das neueste Glied aus der Reihe der Bilder-Atlanten des Bibliographischen Institutes das gebotene Pflanzenmaterial nach pflanzengeographischen Pro- vinzen an und gelangt auf diese Weise zu Gruppendarstellungcn, deren jede für sich ein einheitliches, geschlossenes Bild giebt. Der Te.\t ist anschaulich gehalten, geht auch auf das Pflanzen- lebeu ein und bringt zahlreiche culturgeschichtliche und technische Hinweise. Die Illustrationen, im Ganzen 216, und darunter eine nicht unbeträchtliche Menge von Vollbildern, bieten nicht nur wissenschaftlich treue Darstellungen der einzelnen Pflanzen und Ptianzentheile, sondern sind oftmals Landschaftsbilder. Die Ab- bildungen entstammen zum grössten Theil der 2. Aufl. des schönen Werkes von Anton Kerner von Marilaun „Pflanzenleben". Prof. Dr. K. W. v. Dalla Torre, Botanische Bestimmungs- Tabellen für die Flora von Oesterreich. und die angrenzenden Gebiete von Mitteleuropa, ziiiii (gebrauch beim Unterrichte und auf Excursionen. 2. umgearbeitete und erweiterte Auflage. Alfred Holder in Wien Ib'j'.l. — Preis 1,60 Mk. Für den Floristen, der, um die Erinnerung an Namen von Pflanzen aufzufrischen und gelKgentlich auch einmal eine neu ihm entgegentretende Art obi'rflächlich zu bestimmen wünscht, wird das bequem in der Tasche transportable Büchelclien Dienste leisten könmn; für den Anfänger ist es nicht recht geeignet, wenigstens wird es diesem nicht möglich sein, z. B. nach der Aii!;:'iliM auf der 1. Seite der Tabelle gleich sicher alle ..Crypto- naiiicn", \\\i- Verfasser immer noch sagt, von den Pliancrogaiiien zu liiit'M'.^rlii'iden u. s. w. Das ganze Buch ist eine einzige Be- Dr. G. Gross. Ingenieur, Die mechanische Wärmetheorie (Thermodynamik) unter besonderer Bertuksichtiguiig der Mole- kulanheorie. I. Band. Mit 47 Abb. im Text. Jena, H. Coste- noble. Ohne Jahreszahl. Preis 8 Mark. Das Buch behandelt den für Anfänger meist schwierigen Gegenstand mit sehr elementaren Methoden und in einer langsam Schritt für Schritt fortschreitenden Darstellung, so dass es in der That geeignet erscheint, im Sinne des Verf. jüngeren Studirenden namentlich des Ingenieurfachs, als vorbereitende Einleitung zu den schwierigen, klassischen Werken eines Clau.-iu^, Zeuner u. s. w. zu dienen. Leider enthält allerdings der er.-^te Theil, welcher die histori-che Entwickelung der Thermodynamik und die ausführ- liche Behandlung der beiden Hauptsätze zum Gegenstand hat, zahlreiche sinnstörende Druckfehler, die dem Verf. bei aufmerk- samer Correctur nicht hätten entgehen können. Einige uns auf- gestossene Fehler sind z. B.: Seite 82, vorletzte Zeile clQ stattj f/Q; S. 85, Zeile 10 von unten /w statt ^^ ; Seite 89, Zeile 1 von oben Zustanflsgleichung statt Hauptgleichung; Zeile 5 und 6 von nuten specifische Wärme für „constante Temperatur"; Seite 144, Zeile 8 von unten /u statt n. — Auch finden sich manche un- nöthigen Wiederholungen, wie z B die zweimalige Besprechung des Gay-Lussac-Joule'schen VriMudis .'^^.•ite 31 und 86. die doppelte Erläuterung des Canml -r\„n Ki .i^iiroce.-^ses Seite 55 bis 56 und 97-98. - Beim absnlutr,, Nnllpiinkt müsste nach S. 85 das Volumen gleich Null werden. I>a diis undenkbar ist, sollte lieber gesagt werden, dass der Druck auf Null sinken müsste, jedes Gas also aufhören würde, ein Gas zu sein. Die Bemerkung auf Seite 130, dass die durch die Schwere bedingten Dichtigkeits- unterschiede in kleineren Gasräumen nicht wahrnehmbar seien, lässt vermuthen, dass dem Verf. das hochempfindliche Variometer V. Hefner-Alteueck's nicht bekannt geworden ist, das die Luft- druckabnahme schon bei einer Erhebung um 1—2 dm zu erkennen gestattet. Der zweite Theil des Buches giebt einen recht leicht ver- ständlichen Abriss der kinetischen Gastheorie, die ja allerdings von den neueren Thermodynamikern zumeist verlassen worden ist, aber dennoch gewiss geeignet erscheint, das Studium der mechanischen Wärmetheorie anschaulich zu gestalten und zu be- leben. Auf Grund der kinetischen Gastheorie denkt sich Verf. ein „thermodynamisches Gaselement", d. h. ein einfaches Gas- molekel, das nach den Gesetzen des elastischen Stosses in einem durch einen Kolben geschlossenen Cylindt-r sich bewegt, und untersucht im letzten Abschnitt des Buches mit Hilfe dieser ein- fachen Fiction die Verwandlunsen von Makroenergie und Mikro- energie an der Hand einer Anzahl durchgerechneter Beispiele, deren Ergebnisse graphisch veranschaulicht werden. Warum dem Buche sowohl auf dem Titelblatt, als auch am Schluss der Vorrede die Jahreszahl\orenthalten worden sein mag, ist uns nicht verständlich. Sollte dies eine Gepflogenheit der Verlagshandluiig sein, so wollen wir nicht unterlassen, zu be- kennen, dass dieselbe einen wenig günstigen Eindruck macht. F. Kbr. Dr. Christian Gruber. Das Ries. Eine e'«.urapliiseh-\ olkswirth- schaftliche Studie. Mit 2 Kartenbeilai;.'!, u. U I .m illii^ii ationen. Forschiint^en zur deutschen La. .des- und N'nllv.-^kinid.' im .\iit'[rai;e der Centralcommissiou für wissenscliuftlicUe Laiidr^kiintle in Deutschland herausgegeben von Dr. A. Kirchhoft', Professor der Erdkunde an der Universität Halle. XII. Band, Heft 3. Stutt- gart. Verlag von J. Engelhorn. 1899. — Preis 10,50 M. Unter Ries versteht der Verfasser das weite Senkungsfeld im deutschen Jura, welches von der Wörnitz und ihrem Neben- flüsse Eger durchflössen wird und in seinem südlichen Theile die Stadt Nördlingen ais bedeutendsten Ort enthält. Es ist eine fast durchgängig sehr fruchtbare Landschaft, die bis auf einen kleinen im Westen gelegenen Theil {württembergisches Gebiet) zu Bayern gehört. Nachdem der Verfasser im ersten und zweiten Theile seiner Arbeit die Umgrenzung des Gebietes und die Herleitung des Namens Ries (von Rhaetia, pagus Retiensis) erörtert hat, be- spricht er im dritten „das Kies als geographische Individualität" und beschäftigt sich eingehender mit der Geologie desselben. XY. Nr. 7. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 83 hat. Dio ausgedehnte Verwendung von Eisenmassen in variablen magnetischen Feldern, wie sie bei allen elektrischen Strom- erzeugern und Motoren sich als nützlich erwiesen hat, führte mit Nothwendigkeit auf die Berücksichtigung der Zeit bei der Magno- tisirung und auf die Entdeckung der sogenannten Hysteresis. Andererseits war für die TiMlniik die Frage des Energieverbrauchs durch die Magncti>iriiiiu \"ii hervorragender Wichtigkeit; die Untersuchung dessi'llM'ii iVilm.' /,ui- Formulirung des Gesetzes von Steinmetz, das in der MonugrMphie eingehend behandelt wird. Den Schluss des Hefts bildet ein Rösume über die Theorie des Magnetismus, aus dem wir erfahren, dass die Ampfere'sche Theorie der Molecularmagnete in der ihr neuerdings von Ewing gegebenen Vervollständigung bislang noch das Feld beherrscht, und trotz mancher Schwierigkeiten, die ihr gewisse Einzelfragen machen, im Ganzen unsere Erfahrungsthatsachen gut zu erklären vermag. Das das Zeemann'sche Phänomen behandelnde Sammlungs- heft (Nr. 5) giebt eine sehr sorgfältig gesichtete und geordnete Darstellung des ausserordentlich grossen Complexes von Beob- achtungen über den Einfluss des Magnetismus auf das Licht. Durch die Zeemann'sche Entdeckung der magnetischen Spectrallinien- verdoppelung, über die wir an anderer Stelle dieses Blattes etwas eingehender referiren, ist die Wechselwirkung von Magnetismus und Licht, die sich bisher auf die von Faraday entdeckte Drehung der Polarisationsebone zu beschränken schien, von Neuem in den VordergrU'd des Interesses getreten, und von den verschiedensten Seiten ist unter Benutzung der jetzt zur Verfügung stehenden, starken magnetischen Felder, eine so grosse Fülle von Material zusammengetragen worden, dass die von Cotton, einem der Mit- arbeiter an dieser reichen Ernte, gebotene Aehrenlese hochwill- kommen sein muss. F. Kbr. Die Entstehung des Rieses ist auf tektonische Vorgänge zurückzuführen: im deutschen Jura sanken zur Zeit des Unter- und Mittel-Miocäns Schollen ab und es bildete sich eine Anzahl Senken heraus, deren bedeutendste das Ries ist. Die tektonischen Vorgänge lösten solche vulkanischer Natur aus, deren Erzeugnisse längs der Ränder des Rieses an zahlreichen Punkten auftreten, stets jedoch nur in Gestalt von lockeren Massen oder daraus hervorgegangenen Tuffen. Nirgends ist es zum Ergüsse von Laven oder Empordringen massiger Eruptivgesteine, wie im be- nachbarten Hegau oder in der Gegend von Urach, gekommen. Die eiuptiven wie auch die stehengebliebenen Schollen alt- krystalliner Gesteine sind, als mit dem Schlüsse des Mittelmiocäns die Herausbildung des Rieses als Einsenkung vollendet war, seit- dem einer intensiven Bearbeitung durch die Atmosphärilien, durch stellende und fliessende Gewässer ausgesetzt gewesen und von jüngeren und jüngsten Bildungen überlagert worden. Wäh- rend des Obermiocäns setzte sich eine ziemlich mächtige Schichten- reihe ab, der geringe Braunkohlenflötze eingelagert sind. Dazu kamen, allerdings lokal beschränkt, die Absätze heisser Sprudel- quellen zu derselben Zeit. Darüber legten sich dann die Bildungen der diluvialen Periode und der Jetztzeit, welche den so überaus fruchtbaren Boden des heutigen Rieses zusammensetzen. Ab- gesehen von den humosen Bildungen sind diese Ablagerungen als die Schuttkegel der zahlreichen das Ries durchziehenden Wasser- adern aufzufassen, in welche sich die letzteren wieder ihre heu- tigen Betten eiogenagt haben. Hierauf könnte Verfasser bei der Besprechung der Oberflächenformen des flachen Rieses mehr hin- gewiesen haben. Weiter bespricht Verfasser die Umrahmung und das Hinter- land des Rieses, seinen allgemeinen landschaftlichen Charakter und die Höhenverhältnisse des flachen Rieses. Die Höhenrücken und einzelnen, inselartigen Erhebungen, welche im südlichen Theile des Rieses iu die Landschaft eine grosse Abwechselung hinein- bringen, sind stehengebliebene Schollen älteren Gebirges. Am bedeutendsten unter ihnen ist der Nördlinger Höhenzug, durch den die Eger aus ihrem ursprünglich nach Südost gerichteten Laufe abgeleukt und zu dem grossen Bogen nach Norden an Nördlingen vorbei gezwungen wurde. In wirthschaftlicher Hin- sicht sind diese Erhebungen für die Riesbewohner von grosser Bedeutung; denn ihnen wird das Material zum Baue der Häuser entnommen. Nachdem die Gewässer und das Pflanzenleben noch kurz besprochen sind, wendet sich der Vei-fasser im vierten Theile dein Riescr Volke und seinen Siedelungen und im fünften den Erwerbs- verhältnissen im Riese zu und erläutert dieselben durch eine Reihe von Tabellen. Es sei hier nur kurz angedeutet, dass der Acker- bau den grössten Theil der Riesbewohner beschäftigt. Von den Karten giebt die erste eine Uebersicht des Rieses im Maassstabe 1:750U0. Die Uebersichtlichkeit derselben hätte nicht gelitten, wenn Verf. alle innerhalb des Kartenrahmens im Texte gebrachten Namen darauf verzeichnet hätte. Störend wirkt beim Lesen des Buches, dass der Verfasser so häufig über den Rahmen der Karte hinausgeht. Auf der zweiten Tafel werden auf drei Kärtchen die Erwerbsverhältnisse des gesammten Gebietes dargestellt und in einer Reihe von Profilen diejenigen für die einzelnen Orte. F. Kaunhowen. Scientia. Expose et Developpement des Questions scientifiques a l'ordre du jour. Paris 1899, Georges Carr^ et C. Naud. — Nr. 2: Ch. Maurain, Le Magnetisme du Fer. — Nr. 5: A. Cotton, Le Pheuomene de Zeemann. Preis jedes Bäudchens 'l Frs. Die kürzlich unter der Aegide der hervorragendsten, franzö- sichen Gelehrten ins Leben getretene Sammlung ^Scientia" bildet gewissermaassen ein Gegenstück zu Ostwalds Klassikern. Während die letztere T'nt.Tii.'liiiuuig das löbliche R.-^ticl)i-u verfolgt, die gi-undlegciKlni riililh'.ituinon der exacten Wiss.nsrli.ifton im Ori- ginal Jedi'iu .'iil;:iiuI:(Ii zu machen, will dp' „Scii nti.r' in kleinen Monograpliiccn diejfuigen Sondergebiete der \\issuiischaft zur zu- sammenfassenden Darstellung bringen, die in neuester Zeit eine umfassende Entwickelung erfahren haben und darum derart im Vordergründe des Interesses stehen, dass auch der dem Special- gebiet selbst ferner stehende das Bedürfniss einer übersichtlichen Orientirung empfindet. „Scientia" gliedert sich in eine physikalisch- niatheinalische und eine biologische Serie. Die beiden uns vorliegenden Nummern der physikalischen Serie sind geeignet, dem neuen, littorarischen Unternehmen volle Sympathie zu erwerben. Nr. 2 beschäftigt sich mit der Lehre vom Magnetismus des Eisens, die seit dem Aufschwung der Elek- trotechnik eine ungeahnte Bereicherung und Erweiterung erfahren Inhalt: Giordano Bruno. — Dr. Sohle: Die Grube „Grossfürstin Alexandra" im grossen Schleifsteinthale bei Goslar. — Eine neue Hörtheorie. — Eine neue Krankheit der Nelken. — Wetter-Monatsübersic'ht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteralur: Dr. Moritz Kronfeld, Bilder-Atlas zur Pflanzengeographio. — Prof. Dr. K. W. v. Dalla Torre, Botanische Bestiininungs- Tabellen für die Flora von Oesterreich. — Dr. G. Gross, Die mechanische Wärmetheorie (Thermodynamik). — Dr. Christian Gruber, Das Ries. — Scientia. — Liste. - Briefkaslen. Cohen, Dr. Ernst, Jacobus Henricus van't Hoff. Leipzig. — l,(;0 Mark. Faraday and Schoenbeln, Letters 1836—1862. Basel. — 12 Mark. Felici, Assist. Kiccardo, Ueber die mathematische Theorie der tiektroilynaini.schen Induction. Leipzig. — 1,80 Mark. Lendenfeld. Rob. v.. Die Hochgebirge der Erde. Freiburg i./B. — 17 .Mark. Marshall, Prof. Will., Zoologische Plaudereien. 3. Sammlung. Leipzi-. - .-> Mark. Messtischblätter des preussischeu Staates. Königl. preussische Landr^-nufMahme. 1:25,000. Nr. 929. Himmelpforten. — 1025. Mulsum. — 111.3. Kirchwistedt. - 1206. Kuhstedt. — 1208. Sei- singen. — 1209. Heeslingen. - 1211. Hollenstedt. — 1292. Kirchtimke. — 1293. Zeven. — 1375. Rotenburg in Hannover. — 1376. Ostervesede. — 1377. Schueverdingen. — 1454. Ahausen. — 1455. Kirchwalsede. — 1525 Riede. — 1528. Bendiugbostel. — 1529. Visselhövede. — 1546. Vilsen. — 1597. Hoya. - 1598. Dörverden. — 1599. Kirchboitzen. — 1600. Walsrode. — 1601. Fallingbostel. — 1666. Schwaförden. — 1737. Solingen. — UOS. Wagenfeld. — 1809. Ströhen. — 18Ut. Neudorf. — 1812. Husum Kr. Nienburg, Berlin. — 1 Mark. Briefkasten. Hr. A. M. in Lille. — 1. Eine Zeitschrift für öffentliche Chemie kennt unser Gewährsmann (Chemiker) nicht. Sollte es vielleicht die „Zeitschrift für angewandte Chemie" sein, die Sie im Auge haben ? Diese erscheint bei Springer und wird redigirt von Dr. L. Winghöffer, Berlin N., Friedrichstr. 115. — 2 Ein gross angelegtes und dominirendes Organ für Handel und Industrie existirD wohl in Deutschland nicht. Den Catalogen cntuelimen wir die folgenden: Bürgel's Industrie- und Haiidelsblatt. Fach- orgau für die Veröffentlichung des Bundes der Industriellen. Berlin. Jährlich 52 Nummern. 6 M. — Deutsches Handels-Archiv, Zeitschrift f. Handel und Gewerbe, herausgeg. im Reiciisamt des Innern. Berlin, Mittler & Sohn. Jährlich 12 Hefte, 18 M. - Deutsche Industrie. Wochenschrift für Industrie, Handel und Technik, Patente und Gebrauchsmuster Beilage zur Deutschen Warte. Jährlich 52 Nummern. 8 M. — Deutsche Industrie- Zeitung. Organ des Centralverbandes deutscher Industrieller zur Beförderung und Wahrung nationaler Arbeit. Zugleich Deutsche Consulats Zeitung, herausgeg. von A. Steinmann-Bucher. Jährlich 52 Nummern. 20 M. Berlin, W. H. Kühl. — 3. Das Wort Schapirograph (für einen Copir- Apparat) ist etymologisch aus dem Namen des Erfinders und dem bekannten griechischen Worte für schreiben gebildet. 84 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 7. R. f uess, Steglitz bei BerliB. Meeh. optische W^erkstätte. :WIKROSKOPE ir kl v-tiilli.srapliis.iic und petiogiaphische Studien Neue photogr. Camera D. R.G.-M., nat.Gr. zu jiilcin Mikni.i^kop passend nachlieferbar Für Format 7x7 coinplet = '60 Mark, 9x12 „ =^40 „ -< nal)nmiv «om ."snftmft bcr Jicte. Seil 2, 108 ©., geb. 0,ßü 9JU — ^ihiöicliiim-ic.fvait uiib (iicftriäität. 2eil 3, 12o @, geb. 0,60 91Jt — Sic iSlcüriäitiit in ibrcr iHutuenbung. Seil 4, 104 ©,, geb. 0,00 5Jft — SBbii bcii 6l)cini)cl)cii .Straften unb eiettrüd)cmie. Seil 5, lOS S gcb, 0,i;o iWf. — eiicniic, Jcil 6, 79©., geb. 0,50 3Kf. — Slngetoaiibtc ef)cmic, ^ynbcrfmibc. Seil 7, 1 16 ©,, geb. 0,60 SUf, — Sßom Sllter bcr livbc (Wcolüqic), S^on bcr llmbrct)ung ber (ärbe. Stc ®e jd)ii'iiibinfcit bcM l'irfitÄ. Seil 8, 152 ©., geb,'l «OJf. — Sa^ |)ül)nd)en im li-i, ^isom ,\>i)piuui-jmu^' Seil 9, 127©., geb. 0,80 ä«t. - S3ou unb Scbcii tum *i;|lnii;,c iinb Sier. Seil 10, 163 © , geb. 1 SKf. - Sag ©ciflcc-lcbcn boii aiiciijd) unb Sfiier. Seil U, 100 ©., geb. 0,60 SKt - *45)i)d)uli)gic mib iHluiung. Seil 12, 124 ©., geb. 0,80 9Kf. — /perj unb iHugc. Seil 13, 133 ©., geb. 0,80 9Kf. — 9lnleitung ä" cl)emi)cf)en ©jperimeiUeu. ^piattifdje Jpeiäuug. Seil 14, 192 ©., geb. 1 3JJI — DJaturtraft unb ®ciftesmalten. a?olBluirtfd)aftlid)Ciä, SSom ©pintiöniuö. Seil 15, 163 ©., geb. 1 SKf. — (Sine $l)antaficrcifc im SBcltall (Slftro"noinie). Seil 16, 271 ©,, geb. 1,60 9Kf. — Sie anftccfcnben trant^eiteu unb bic Batterien. Sic iPflouäemoelt unfrcr .^icinrnt fmi[t unb jegt. 2)ie ©pettralanaliiic unb bie giilterniüctt. Scill?, 178©., geb. 1 ä)!f. — 9lbftnmmitng§lcl)re unb 3)nriuini!amug, Seil IS, r28 ©., geb. 0,80 Wt — «üu bct grt)nltung bcr Straft. Seil 19, 104 ©., geb. 0,60 Wt — 3)ie (äntroidelnng ber 58clcud)tung§ted)mt. Mma-- tologie. Seil 20, 162 ©., geb. 1 Wt — 2)ic iRafurroiffeuid)nft im ©rmerb^^ebcn, SBiffenfdiaft unb '«bilofoabie. Seil 2l, 92 ©., aeb. 0,60 iWf. ifrt. Pümuilrro iIrrloBaliiidilioiililiiiiij in Scrlin SW, 12, gimmtrllr. 94. Dom ^aume bcr (£rfenutnis, }u ©tljik m\is 3Jfi)tij0logic au5 öcr |lllfltlttttrat«r, äelammdt xmi bcrauSgeoeben ton Dr. ^itttl von ®t;t|clti, iätaMtd)ulinjl.'cttor in Scvliii. I. ^flni>: ^runbprofifcmc. ärodte Slufloge. SOS @. gr, 8, II. |s5anö: Ptts 35cilJ. 786 ©. gr. 8. III. ^laitb: ^Ut Mltb ^iÖfe. 832 ö. gr, 8. ^tUx iöaub flcl). 7,"i() m , tu fcinftcm 2tcbOoficrl)ollifrttn,^ 10 Warf. PhAin'^'""P^''*'^*'® Apparate rUUIU u. Beclailsjjitiltel. Steckelmana's I'at Lagern der Rüben geringer wird. Die Zuckerfabriken sind deshalb auch nur während der unmittelbar nach der Ernte beginnenden sog. „Cam- pagne" auf 2—4 Monate in Betrieb. Auch für den Fiskus ist die Zuckerindustrie vou aller- grösster Bedeutung, da dieselbe ein sehr ertragsreiches Steuerobjekt bildet. Wie erheblich diese EinuahnieciuoUe für den Staat ist, lässt sich am besten aus den Statistiken ersehen. So betrug z. B. im deutschen Reiche im Jahre 1896/97 der vereinnahmte Netto-Ertrag der Abgaben für Zucker 103 701 000 Mark. Dies macht auf den Kopf der Bevölkerung 1,97 Mark. Interessant ist es, den Zuckerverbrauch in verschie- denen Ländern der Erde zu vergleichen. Es mögen daher einige Zahlen aus einer Statistik des Jahres 1895/96 er- wähnt sein. Nach derselben iieträgt der jährliche Ver- brauch an Zucker auf den Kopf der Bevölkerung in: Italien 2 Kilogramm Russlaud 4 „ Belgien 4,5 „ Oesterreich Ungarn 6,5 „ Schweden, Norwegen 9,5 „ Deutschland 12,7 „ Schweiz 14 „ Vereinigte Staaten von Nord-Amerika . 29 „ England 33,5 „ Victoria 46 „ Süd-Australien 51 „ Neuseeland 60 „ Ihrem Zuckerverbrauch nach sind daher die Australier als die grössten „Nascher" der Welt anzusehen. Speciell in Deutschland ist der Verbrauch an Zucker folgendermaassen gestiegen. Er betrug im Jahre 1840 — 45 . . . 2,5 Kilogrannn 1870 ... 5 1890,91 . . . 9,3 „ und jetzt etwa 13 Kilogramm auf den Kopf der Bevöl- kerung. Aus obiger Tabelle ersieht man, dass der Verbrauch an Zucker in den schwach bevölkerten Ländern am grössten ist, so dass ein weiteres Steigen der Gesammt- produetion angenommen werden muss, wenn der Consum in den dicht bevölkerten Ländern gleiche Höhe erreichen soll. Als Ausnahme hiervon erscheint England, welches von den europäischen Staaten weitaus den grössten Zuckerverbrauch aufweist. Dies ist um so auffallender, als England nur wenig Zuckerindustrie besitzt und daher fast ausschliesslich auf die Einfuhr angewiesen ist. Deutsch- land ist durch seine rege Industrie in der glücklichen Lage Zucker auszuführen. So wurden z. B. im Jahre 1896/97 12 380 000 Doppelcentner Rohrzucker exportirt und zwar besonders nach Nordamerika und England. Diese kurzen Andeutungen zeigen schon, von welch grosser volkswirthschaftlicher Bedeutung die Befriedigung unseres Süssebedürfnisses ist. An dieser Aufgabe, welche seither dem Zucker allein zufiel, betheiligen sieh heute aber noch anderweitige Stoffe, die, aus der Küche des Chemikers hervorgegangen, nun diesem wichtigen Nah- XV. Nr. 10. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. nuigs- und Geiiussmittel Concui-renz zu maclien suclien. Allerdings mag- gleich erwähnt sein, das« diese „künst- lichen Süsssloffe" nie die Bedeutung, welche der Zucker als Nährmittel besitzt, erlangen können, da sie eben keine Nährmittel in des Wortes strengster Bedeutung: sind, denn sie theilen sich mit dem Zucker nur in die Eigenschaft, auf unserm Gaumen den angenehmen süssen Geschmack hervorzurufen. In Folge dessen hat sich denn auch gezeigt, dass der beim Auftreten der künstlichen Süssstoife be- fürchtete Rückgang der Zuckerindustrie durchaus nicht eingetreten ist, sondern vielmehr ein weiteres Steigen der Jahresproduction an Zucker festgestellt werden konnte. Von den seither in den Handel gebrachten künstlichen Süssstoften hat das Saccharin seiner guten Eigenschaften wegen mannigfache Verwendung gefunden, während andere, wie z. B. Dulcin, Glucin, Surgarine etc. sich nur kurze Zeit ihres Daseins erfreut haben. Das Ausgangsniaterial, welches den wichtigsten künst- lichen Süssstotf, nämlich das Saccharin liefert, ist der Steinkohlentheer. Nur wenige haben daran gedacht, dass der Steinkohlentheer, jenes allgemein bekannte, schwarze, schmierige Product der Gasfabriken, als Ausgangsmaterial für die Herstellung eines Concurrenten unseres Zuckers benutzt werden könnte. Die Fülle der prächtigen Farb- stoffe und Heilmittel aber, welche aus dem gleichen Körper dargestellt wurden, hat uns gezeigt, dass die geschickte Hand des Chemikers in dieser Hinsicht geradezu Wunder zu vollbringen vermag. So entstammt also auch das Saccharin dem vSteinkohlentheer. Wie bereits hervorge- hoben wurde, ist das Saccharin kein Nährmittel, wie der Zucker, denn der Zucker verdankt diesen Vorzug seiner Eigenschaft als Kohlehydrat, welche er mit anderen für unsere Ernährung so wichtigen Stoffen, z. B. der Stärke, theilt. Das Saccharin ist ein Abkömmling der Benzoesäure und zwar führt es seiner chemischen Zusammensetzung nach den schönen Namen Benzoesäuresulfinid oder Anhydro- Ortlio-Sulfaminbcnzocsäure. Seine chemische Zusammen- ,S0,. Setzung lässt sieh durch die Formel CgH^x /NHaus- drücken, wodurch sich ergiebt, dass es aus den Elementen Kühlenstoff(C), Sauerstoff (0), Stickstoflr(N) und Schwefel (S) besteht. ' Saccharin wird heutzutage in grösstem Maassstabe auf chemisch synthetischem Wege fabrikmässig dargestellt. In Deutschland ist die bedeutendste Saecliarinfabrik, die von Fahlberg, List & Co. in Salbkc-Wcsterhüseu a./Elbe. Aber auch andere Fabriken, wie z. B. die Farbenfabriken von Bayer in Elberfeld, sodann von Heyden Naclif. in Radebeul bei Dresden, sowie die Chemische Gesellschaft der Rhonewerke vorm. Gilliard, Monnet & Cortier in Lyon u. A. stellen diesen Süssstotf in grösseren Mengen dar und bringen ihn unter den verschiedensten Namen in den Handel. Der Proccss zur Darstellung des Saccharins be- ruht auf einem sehr umständlichen Verfahren, das hier nicht näher eiörtert werden kann, da zu seinem Ver- ständniss eingehendere chemische Kenntnisse vorauszu- setzen sind. Die erste Nachricht über das Saccharin wurde im Jahre 1884 durch amerikanische Zeitungen gebracht, in- dem sie mittheilten, dass es an der .lohn Hnpkin's Univer- sity zu Baltimore dem Chemiker Dr. Constantin Fahlberg gelungen sei, ein Präparat darzustellen, das in Folge seiner enormen Süsskraft die Süssigkeit des Zuckers vollständig in Schatten stelle. In Europa wurden diese Mittheilungeu anfangs fast allgemein mit ungläubigem Kopfschütteln aufgenommen, und man versuchte vielfach diese Entdeckung ins Lächerliche zu ziehen. So wurde z. B. in ironischer Weise behauptet, dass der neue Köri>er nicht nur 300 mal süsser sei als gewöhnlicher Zucker, sondern durch Ver- gährung auch einen Alkohol liefere, dessen berauschende Wirkung ebenfalls 300 mal stärker sei, als diejenige des aus Zucker erhaltenen, so dass minimale Mengen davon ge- nügten, um die Menschheit in die gewisse, höhere Stimmung zu versetzen. Aber sehr bald zeigte sieh, dass diese Scherze völlig unangebracht waren, und es in der That gelungen war, einen chemischen Körper darzustellen, dessen Süsskraft diejenige des Rohrzuckers nicht nur erreichte, sondern dieselbe um vieles übertraf. Sobald aber über das Bestehen des neuen Süssstoffes kein Zweifel mehr herrschen konnte, und durch physiologische Untersuchungen die völlige Unschädlichkeit für den menschlichen Orga- nismus festgestellt wurde, fing man überall an, diesem wunderbaren Stoff das grösste Interesse entgegenzubringen. Aber es sollte der Körper noch mehrfach angefeindet werden. Zunächst entstand ein Prioritätsstreit über das Auffinden dieses unter Umständen so wichtigen Süssungs- mittels, dessen Verlauf natürlich nicht in den Rahmen dieser Besprechung gehört. Ohne Zweifel ist es aber unstreitig Fahlberg's Verdienst, zuerst diesen neuen Körper in den Handel gebracht und so der Welt näher bekannt gemacht zu haben. Die ersten Anmeldungen zum Patent wurden von Fahlberg und Adolf List's Erben in allen Kulturstaaten betrieben, und wurden auch diese mit grösster Energie zu hintertreiben gesucht, indem man den neuen Süssstotf als den Ruin der blühenden Zuckerindustrie hinstellte und dadurch den Untergang der Rüben bauen- den Landwirthschaft prophezeite. Diese vielfachen Anfein- dungen und Verdächtigungen brachten es aber nicht fertig, die Verbreitung dieses Körpers aufzuhalten, und wenn er auch nach dem ersten Enthusiasmus schwere Krisen zu bestehen hatte, so ist er heute sowohl im Handel und in der Industrie als auch in vielen Fällen des täglichen Lebens von grösster Bedeutung. In den Handel kommt das Saccharin als ein weisses, fast geruchloses, feinkörniges Pulver, welches dem Zucker gegenüber ein ganz enormes Süssigkeitsvermögen besitzt. Während das anfänglich im Handel befindliche Product nur etwa 300 mal so süss als Rohrzucker war, ist es jetzt durch vielfache Aenderungen bei der Darstellung gelungen, ein Handelsproduct zu schaffen, welches 550 mal süsser als Rohrzucker schmeckt. So ist man also z. B. durch diesen künstlichen Süssstotf in den Stand gesetzt, die einem Zuckerhut von 20 Pfund entsprechende Süssigkeit bequem in der Westentasche nachzutragen. Der Gehalt an Saccharin in einer Lösung zu bestimmen ist nicht so einfach, wie beim Zucker, dessen Lösung auf polarisirtes Lieht einwirkt, und deren Gehalt hierdurch bequem fest- gestellt werden kann. Saccharinlösung verändert das polarisirte Licht nicht, man niuss daher eine Gehaltsbe- stimmung mittelst der Zungenprüfung ausführen und zwar in möglichst verdünnter Lösung. In concentrirten Lösungen ist die Geschmaiksenqifindung so intensiv, dass, wie ein bekannter Gelehrter .sieh ausdrückte, die Geschmacks- nerven durch die Süsse des Saccharins so überreizt werden, wie etwa der Gesichtssinn durch sehr helles Lieht (z. B. Magnesiumlicht) oder der Gehörsinn durch sehr lauten vSchall (z. B. Explosion), so dass, anstatt einer angenehmen eine unangenehme Empfindung verursacht wird. Die Süssigkeit des Saccharins wurde durch verglei- chende Versuche mit Zuekcrlösungen von bestimmtem Gehalt festgestellt. Ein Unterschied zwischen Zucker- lösungen und solchen von Saccharin liegt aber darin, dass crstere dicke, klebrige Flüssigkeiten, letztere dagegen so dünn sind, dass sie auch hierdurch verschieden auf die Geschmacksnerven wirken. Stellt man aber mit Hülfe von indifferenten Mitteln eine der Consistenz der Zucker- hjsung ähnliche Saccharinlösung dar, so ist es selbst ge- 112 Xaturwissenschaftliclit' A\'ucliensclirifr. XV. Xi übten Zungen nicht möglich durch den Geschmack allein den Unterschied der beiden Lösungen festzustellen. Bei Getränken, die theils mit Zucker, theils mit Saccharin ver- süsst waren, wurde durch die consumirenden Personen kein Geschmacksunterschied wahrgenommen. Gerade die Eigenschaft, dass mit Saccharin versUsste Getränke nicht so dickflüssige Consistenz zu haben brauchen, wie solche mit Zucker, wird ihm vielfach zum Naehtheil angerechnet, doch dürfte sich diese Anschauung im Laufe der Zeit wohl noch ändern. Was gerade der Verwendung des Saccharins als Versüssungsmittel noch besonderen Vorschub leisten dürfte, ist folgendes. Bekanntlich sind gerade die zuckerhaltigen Flüssigkeiten in besonderer Weise dem Verderben aus- gesetzt, indem sie einen ausserordentlich guten Nährboden für Pilze aller Art bilden. Saccharin dagegen besitzt die hervorragende Eigenschaft, entgegen allen anderen Süss- stoffen, nicht allein nicht zu vergähren, sondern es wirkt auch noch in hohem Maasse gährungshemmend und fäul- nisswidrig. Hierdurch erscheint es ganz besonders ge- eignet, nicht nur zur Versüssung von Getränken, Kon- serven etc., sondern auch zur Konservirung derselben Ver- wendung zu finden. Daher auch seine weitgehende Ver- wendung in der Brauerei, Bäckerei und Gonditorei, die allerdings jetzt verboten ist. In allen denjenigen Fällen jedoch, wo zugleich mit dem Versüssen eine Quelle der Kraft durch zugesetzten Süssstoft' geboten werden soll, darf Saccharin keine Ver- wendung finden, denn es ist keineswegs ein Nährmittel. Ebenso wie Pfeffer und Salz eigentlich auch keinen Nähr- werth besitzen und nur zur Würze unserer Speisen dienen, soll auch das Saccharin gewissermaassen nur als Gewürz benutzt werden. Von einem Gewürz verlangt mau nun keineswegs, dass es zugleich Nährmittel sei und ist des- halb nicht einzusehen, weshalb nicht auch ein Mittel Ver- wendung finden soll, welches sich als Süsse-Gewürz eignet. Genau genommen spielt auch eigentlich der Zucker nicht gerade die Rolle eines hervorragenden Nahrungsmittels, denn auf die etwa 500 Gramm betragenden Kohlehydrate, die ein Mensch täglich zur Ernährung braucht, kommen in Deutschland nur circa 10 Gramm Zucker, woraus sich doch wohl ergiebt, dass dem Zucker ein nicht allzugrosser Antheil an unserer Ernälirung zugesprochen zu werden braucht. Allerdings könnte eine Ernährung mit Zucker durchgeführt werden, wie dies die interessanten Versuche über Heeresverpflegung mit Zucker im Kaisermanöver 1897 bewiesen. Saccharin wäre für solche Zwecke völlig unbrauchbar. Eine ganz besonders hervorragende Errungenschaft war die Auffindung des Saccharins für solche Personen, denen durch Krankheit Zuckergenuss zu verbieten war. Von diesen sind in erster Linie die Diabetiker und Fett- leibige zu nennen. Bekanntlich sollen solche Patienten möglichst alle Nahrungsmittel, welche Kohlehydrate ent- halten, vermeiden, denn diese werden im menschlichen Organismus in Zucker verwandelt. Da nun aber unsere Hausfrauen gewöhnt sind, bei vielen unserer Speisen den Zucker als Versüssungsmittel zu benutzen, so war es für die erkrankten Personen meist eine grosse Qual, als ihnen die Nahrungsmittel unter AVeglassung des allgewohnten Zuckers gereicht wurden. Nach dem bekannten Sprich- wort: „Verbotene Früchte sind die süssesten" gewinnt der süsse Geschmack des Zuckers vielfach für solche Personen erst dann einen besonderen Reiz, wenn ihnen der Genuss von Süssigkeiten, gegen den sie vielleicht früher eine gewisse Abneigung zeigten, verboten wurde. Durch Auffindung der künstlichen Süssstotfe ist nun diesen Personen dadurch eine grosse Wohlthat erwiesen, dass mau mit Spuren derselben alle Speisen in dem Maasse versüssen kann, wie es die seitherige Gewohnheit ver- langte. Gerade das Saccharin hat hierfür eine ausge- dehnte Verwendung gefunden, zumal es unverändert den Organismus wieder verlässt. Eine weitere, sehr zu schätzende Verwendung findet das Saccharin als Ge- schmackscorrigenz in der Pharmacie. In der Medicin werden vielfach bitter und unangenehm schmeckende Arznei- mittel verordnet, die von den Patienten nur mit grösstem Widerwillen genommen werden. Welche grosse Menge von Zucker wäre z. B. nöthig, um den bitteren Geschmack einer geringen Menge von Chinin zu verdecken, während eine verschwindend kleine Menge Saccharins hinreicht, diese Wirkung zu erzielen. So berichtet ein Arzt, der in seiner Kinderpraxis vielfach Chinin mit Saccharin ver- sUsst in Cacao in Form von Plätzchen verabreicht, dass ihn seine kleinen Patienten in der Erwartung, schöne Chokoladenplätzchen zu erhalten, mit Jubel begrüssten, während früher bei Eingabe jenes Arzneimittels reichlieh Thränen flössen. In Folge dieser unbestrittenen Vorzüge haben es die Fabriken nicht fehlen lassen, das Saccharin in einer handlichen Form in den Verkehr zu bringen. Besonders beliebt sind die Saccharintabletten verschiedener Grösse, die wie ein Stück Zucker bei Bedarf in dem betreffenden Nahrungsmittel aufgelöst werden. Zum Abmessen des pulverförmigen Saccharins werden Messlöffelchen von be- stimmtem Fassungsvermögen beigegeben, welche das um- ständliche Abwägen vollständig umgehen lassen. Der Preis des reinsten raffinirten Saccharins beträgt nach den neuesten Listen für 1 Kilo — an Süsswerth 500 Kilo Zucker entsprechend — nur noch 44 M., sonach würde die Süsskraft von 1 Kilo Zucker annähernd 8 Pf. kosten, während der Preis für 1 Kilo Rübenzucker sich immer noch auf ca. 60 Pf. beläuft. Kein Wunder also, wenn manche sparsame Hausfrau den Zucker theilweise durch das Product der ChemikerkUche ersetzt. Anleitungen hierzu findet man in den zu diesem Zwecke eigens heraus- gegebenen Saccharin-Kochbüchern. Es scheint vielfach im Interesse eines leichteren Ab- satzes gelegen zu haben, das Saccharin unter ver- schiedenen Namen — gleichsam incognito — in die Welt hinauszusenden. Einige der verschiedenen, für Saccharin eingeführten «Handelsnamen mögen hier erwähnt sein: Glusidum, Saccharinol, Saccharol, Sycose, Toluol-^üss, Zuckerin etc., und als besonders schöne Bezeichnung: Agucarina. Schneller als in Deutschland hat sich das Saccharin im Ausland eingebürgert, und es ist jetzt ein geschätzter Handelsartikel, welcher über die ganze eivilisirte Welt vertrieben wird. Anfangs begegnete das Saccharin zwar den verschiedensten Vorurtheilen, und die ersten Ver- suclie damit wurden unter dem Siegel der Verschwiegen- heit mehr aus Neugierde, als aus wirklicher Ueberzeuguug vom Werthe des Productes ausgeführt. Aber die Prophe- zeihung, dass das Saccharin als wissenschaftliche Kuriosi- tät bald der Vergessen lieit anheimfallen würde, hat sich nicht bestätigt, indem sein Verbrauch immer mehr zu- genommen hat. Die kräftig aufblühende Saccharin-Industrie erhielt aber in der letzten Zeit einen herben Schlag! Der Noth- stand, welcher zur Zeit in der Zuckerindustrie allgemein herrscht und welcher ohne Zweifel nur durch die gewaltige Ueberproduction hervorgerufen wurde, fordert zur Unter- suchung der möglichen Ursachen auf. In den künstlichen Süssstoffen wurden die „Sündenböcke" vermuthet, und insbesondere das Saccharin für die Zuckerkrisis verant- wortlich gemacht. Dieser Vorwurf wurde im Reichstag von gewisser Seite so energisch betrieben, dass ein mit dem 1. Oktober 1898 in Kraft getretenes Reichsgesetz XV. Nr. 10. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. erlassen wurde, welches die Verwendung' künstlicher Siissstoffe bei der Herstellung von Nahrungs- und Genuss- niitteln für den Verkauf vollständig verbietet. Ob aber durch dieses Gesetz wirklich das erhoft'te Aufblühen der Zuckerindustrie wieder eintritt, lässt sich bezweifeln, da die g-esammte Production an künstlichen Süssstoffen, dem öOOfachen Süsswerth entsprechend auf Zucker umgerechnet, kaum 1 "/o der Zuckerproduction und bei weitem nicht 1 7o r^iicliungfii. Mikrophotographische Apparate. Projectionsapparate '"■ "•"Ti'.?e"defLicb"' (Zeiss-AiKistigmate, Pia Teleobjoctive). rliUhtei- Plastik (Pi ismeu- system nacli Porro) und astro-optische In- strumente. Photographische Objective Neue Doppelfernrohre """ Astronomische Objective lUustrirte Cataloge gratis und franco. Genaue Bezeichnung des gewünschten Special-Catalogs erbeten. Specie//e Auskünfte in einschlägigen Fragen werden Interessenten gern ertheilt. In Ferd. 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Mit 10 Jlolz.scliiiitten. lieber die Meeresprovinzen der Vorzeit von Dr. F. Frech. Mit Aliliildunf;en und Karton. lieber Laubfärbungen von L. Kny. Mit 7 Holz- Ueber das Causalitätsprincip der Naturerschei- nungen mit Bezugnahme auf du Bois-Reymonds Rede: „Die sieben Welträthscl" von Dr. Euscn Drehe-. ,Jor,hi Die pflanzengeographische Anlage im Kgl. bota- nischen Garten zu Berlin von Dr. H. Potonie. >Iit ■-> Tal'eln. Untersuchungen über das Ranzigwerden der Fette von Dr. F.l. Kil.crt. Die Urvierfüssler (Eotetrapoda) des sächsischen Rothliegenden von Prof. Dr. lleriiianu Credner in Leiiizi-. .Mit vielen Abbildungen. Das Sturmwarnungswesen an den Deutschen Küsten von Prof. Dr. W. J. van Bebbcr. Mit \ Tafel und 5 Holzschnitten. Kalisalzlager von Otto Laug. Mit 4 Abbildungen. Die Metamorphose der Pflanzen Im Lichte palae- ontologlscher Thatsachen von Dr. 11. Potonie. Mit 14 Fio-uren. Pflanzenphysiologische Experimente Im Winter Die naturwissenschaftliche Culturlehre von L. Pro bell ins. Die morphologische Herkunft des pflanzlichen Blattes und der Blattarten von II. Potonie. Mit ]■_' Abbildun-vn. Versuch eines Ueberblicks über die Vegetation der Diluvialzeit in den mittleren Regionen Europas von Dr. C. A. Weber. Preis: Heft 1-4 a 50 Pf.. Heft 5—22 a 1 M. Vorautwori lieber Kedacteur: Hiigo Bernstein in Berlin. — Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfolde (P.-B.) bei Berlin, Potsdanierstrasse 35, für den Inseratentlieil: Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. - Druck; G. Bernstein, Beilin SW^. 12. maftl N\ocberise/iri//. ''v-^^^?^" Redaktion: 7 Dr. H. Potonie, Verlag: Ferd. Düuimlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94, XV. Rand. Sonntag, den 18 März 190U. Nr„ IL Abonnement: Man abonnirt bei aUen Buchhandlungen und Post- ^ Inserate; Die viergespaltene Petitzeile iO A. Grössere Aufträge eut anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jt 4.- ejö sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. In.seratenaunahine Bringegeld bei der Post 15 ^, extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. j[ bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdrnck ist nnr mit vollständiger Qnellonangabe gestattet. Weitere Beiträge zur Kenntniss der Thierfährten in dem Rothliegenden „Thüringens". Von Dr. W Pabat, Ciistos iim Herzoglichon Mii in Gotha.*) III. Versuch einer Eintheilung der Thierfährten in dem Rothliegenden „Deutsehlands". — Die Fährten des „brachydactylen" Typus in dem Rothliegenden „Thüringens". Die ersten Thierfährten in dem Rothliegenden „Deutsch- lands" wurden bei Friedrichroda in Thüringen gefunden und zuerst von Cotta in einer brieflichen Mittheilung an von Leonhard vom 10. November 1847 erwähnt. (N.J.f.M. 1848, S. 44.) — Pohlig- Bonn bezeichnete sie später, 1892, als Ichniotherium Cottae (vergl. diese Zeitschrift 1897, No. 27). Ausser diesen sind mit der Zeit bekannt geworden die von Geinitz als Saurichnites lacertoides, salamandroides, Leisneriauus und Kablicae beschriebenen Thierfährten in dem Rothliegenden von Hohenelbe in Böhmen und Rathen in der Grafschaft Glatz (vergl. Geinitz Dyas, Nachträge zur Dyas und Neues Jahrbuch für Mineralogie, 1863), die Thierfährten in dem Rothliegenden von Albendorf in der Grafschaft Glatz, von Goeppert-Breslau auf den Hand- stücken bezeichnet als Saurichnites lacertoides, salaman- droides, divaricatus und gracilis, die von Fritsch-Prag beschriebenen Fährten Saurichnites Rittlerianus, perlatus, caudifer, intermedius und eomaeformis (vergl. Sitzungs- berichte der Kgl. böhm. Ges. d. Wissensch.) und endlich die Thierfährten in dem Rothliegenden von Kabarz und Tambaeh in Thüringen (vergl. diese Zeitschrift 1896, No. 48; 1897, No. 7 und 27; 1898, No. 22 und 29 und Zeitsehr. d. Deutschen geol. Gesellsch. 1895, S. 507; 1896, S. 638 und 808, 1897, S. 701) Im Herzogliehen Museum zu Gotha befinden sich aber ausserdem noch eine Anzahl von Fährten aus dem Roth- liegenden von Friedrichroda, Kabarz (gefunden 1897 von *) Vergleichü diese Zeitschrift 1S98, No. 22, 29. I Herrn 0. Scheller-Eisenach) unbekannten Fährtenarteu, i und Tambaeh mit „neuen", I dass die Zahl der in dem Rothliegenden „Deutschlands" vorkommenden Thierfährten nicht unwesentlich vergrössert wird. Im Folgenden soll nun zunächst der „Versuch einer Eintheilung" dieser Fährten veröffentlicht werden. Nach- dem das gesammte von Goeppert gesammelte Albendorfer Fährtenmaterial — im Ganzen 64 Fährtenhandstücke — und die Geinitz'schen Originalplatten in bereitwilligster Weise zur Verfügung gestellt worden sind, während es leider nicht gelang, von den Fritsch'schen Fährten eine genaue Abbildung oder Originalplatte zu erlangen, liegt hierfür ein selten umfangreiches Material von 268 Fährten- platten und Fährtenhandstüeken aus dem Rothliegenden Deutschlands vor (64 Albendorfer, 11 Geinitz'sehe, 29 Friedriehsröder, 21 Kabarzer und 143 Tambacher Platten und Handstücke). Entsprechend meinem wiederholt präcisirten Stand- punkt gegenüber der Untersuchung „fossiler" Fährten, soll versucht werden, diese nur nacTi ihren Merkmalen „an sich" zu bestimmen und zu benennen, und dabei jede Rücksicht auf ein zu den Fährten gehöriges „mögliches" Thier ausser Acht gelassen werden. Willkommene Anhaltspunkte zur Aufstellung von „Fährtenmerkmalen" geben hierbei 1. die Grösse der Einzelfährten, 2. die Ausbildung der Ballen und Zehen in den „Einzelfährtenabdrücken", 3. die relative Länge der Zehen zum Ballen, 4. das dadurch bedingte Grössenver- hältniss zwischen „Länge" und „Spannweite" der Einzel- fährten, und in der „zusammenhängenden" Fährte: 5. diezur Erscheinung kommende Gangart der zugehörigen Fährteu- thiere und endlich 6. die Bestimmung, ob diese „Zwei"- oder „Vierfüsser" gewesen sind. — Wenn somit versucht wird, den Begriif der „Fährten- art" zu schaffen, so möge hier nochmals ganz ausdrück- Naturwissenscliaftliche WochensL-lirift. XV. Nr. 11. lieh hervorgehoben werden, wie dies bereits wiederholt geschehen ist, dass der Begriff der „Fährtenart" sich nicht deckt mit dem Begriff einer, einer bestimmten Fährtenart etwa zugehörigen, „Thierart". Es ergiebt sich vielmehr aus der Entstehung der Fährten — wie man sich leicht bei dem Studium der von recen- ten „bekannten" Thieren hiuterlassenen Fährten überzeugen kann — dass zu einer Fährten- art zu zählende Fährten von verschiedenen Thierai'ten hinterlassen worden sein können, und „ein und die- selbe" Thierart „ver- schiedene" Fäbrten- arten erzeugte. Ferner- hin ist es unmöglich, den Begriff der Fährteu- art so bestimmt durch Merkmale abzugrenzen, wie den „Artbegrifl"" überhaupt. Daraus folgt, dass zu seiner Ab- grenzung Merkmale zu verwenden sind, die bei dem „Artbegriff"" im Allgemeinen nicht als Artenmerkmale dienen, wie vornehmlich die Grösse der Einzel fähr- ten, und Fährten „ver- schiedener "[Fundorte, selbst der gleichen geologischen Horizonte, nur eine bedingte Ueber- einstimmuug aufweisen können. Wenn trotz aller dieser Einschrän- kungen, die sachgemäss der Begriff der Fährten- art erfahren muss, dennoch versucht wurde, ihn einzuführen, so liegt dies in der Annahme begründet , dass der nach den Eigenschaften der fossilen Fährten „an sich" gebildete Begriff einer „Fährtenart" eher zu einem erspriess- lichen Ergebniss bei ihrer Untersuchung führen kann, als wenn man die fossilen Fähr- ten, wie bisher immer geschehen ist, mit nur in der Phantasie ihrer Bearbeiter vorhandenen Fährtcnthieren, wie „Chirothcricn" und „Ichniotherien" in Zusammenhang zu bringen sucht. Denn eine ein- gehende Untersuchung fossiler Fährten zwingt unbedingt die Richtigkeit des Satzes auf: „Keine Thierart ist nach ihrer Fährte zu construiren!" Alle diese Erwägungen waren bestimmend in dem weiter unten veröffentlichten „System der Thicrfährten in dem Ro thl i cgcn den Deutschlands", diese mit I Falirteniiluttc ('7,„ cm) ihren zuerst ilmen gegebenen Benennungen aufzuführen und den zu einer Fährtenart gehörigen Fährten ver- schiedener Fundorte stets eine örtliche nähere Be- zeichnung beizufügen. Nur wenigen bereits bestimmten Fährten ist, aus leicht ersichtlichen Gründen, eine anderweitige Be- nennung mit einem „sciiicet" beigegeben. Die bekannten Fährten des Rotliliegen- deu lassen sich nun zunächst in zwei Hanpt- gruppen oder Typen trennen: 1. in die Haupt- gruppe der Fährten von „kurz'/ehigem" Typus, die „Kurzzeh- fährteu": Brachy- dactylichnia, Einzel- fährten mit breiten Ballen und kurzen Zehen, mit in der Regel gerundeten, klumpig vcrdickteu Eudigungen, in der Regel ohne Be- wehrung durch einen Nagel. — Die Spann- weiten der Einzelfährten entweder gleich ihren Längen oder grösser. 2. die Hauptgruppe der Fährten von „laug- zchigem" Typus , die „Langzehfährten": Do- lichodactylichnia, Einzelfährten mit lan- gen schmalen, oder wenig entwickelten Bal- len und langen Zehen, mit in der Regel spitzen Eudigungen, in der Regel mit Bewehrung durch einen Nagel. Die Längen der Einzelfähr- ten stets grösser als ihre Spannweiten. Die zu diesen llauptgruppen gehöri- gen Fährten können eingetheilt werden in eine Anzahl „Fährten- untergruppen", Unter- typen, deren im Ganzen neun zu unterscheiden sind, sämmtlich abge- grenzt nach der Aus- bildung der Zehen in dem Einzelfährtenab- druck. Von diesen ge- hören 5 zur ersten, 4 zur zweiten Hauptgruppe, deren Benennungen die Hauptmerkmale der zugehörigen Fährten angeben und die so angeordnet sind, dass zuerst Fährten- untergruppen einander folgen von „abnehmender" rela- tiver Grösse der Zehen, dann solche, die sich durch „besondere" Zehenmerkmale auszeichnen. Es sind dies die L Untergruppe : P a c h y d a c t y 1 i c h n i a : „Pliuiipzehl'ährten", Kinzelfährtcn mit breiten Ballen und XV. Nr Natiu-wissrn.scliaftliche Wocliciisclirift. 123 kurzen, (lriin:;einMi Zclicn, mit ^'criuuleten, klumpig verdickten Endii;angen, ohne Bewehrung- durch einen Nagel. Die Spannweiten der Einzelfährten um 1 bis 1,5 cm grösser als ihre Längen. 2. Untergruppe: Brachydactylichnia: „Kurzzeh- falirten" im engeren Sinn, Einzelfährten mit massig ent- wickelten Ballen und kurzen, schwach keulig anscliwellen- den Zehen, mit spitzen Endigungen, so dass eine Bewehrung tlurch einen Nagel nicht ausgeschlossen erscheint. Die Spannweiten und Län- gen der Einzelfährten nahezu gleich gross. 3. Untergruppe: Anakolodactylich- n i a : „Gekürztzehfähr- ten", Einzelfährten sehr klein, mit breiten Ballen und sehr kurzen Zehen, mit schwach klumpigen Endigungen, ohne Be- wehrung. Die Spann- weiten und Längen der Einzelfäbrten nahezu gleich gross. 4. Untergruppe: Sphaerodactylich- uia: „Klumpzehfähr- ten", Einzelfährten mit breiten Ballen und kurzen Zehen mit deut- lich klumpigen, kugel- förmigen Endigungen, ohne Bewehrung. Die Spannweiten der Einzel- fährten um 1 bis 2 cm grösser als ihre Längen. 5. Untergruppe : Rhopalodactylich- nia: „Keulzehfährten", Einzelfäbrten mit breiten Ballen und kurzen, deutlich keulig an- schwellenden Zehen mit runden Endigungen, ohne Bewehrung. Die Spannweiten der Ein- zelfäbrten gleich ihren Längen. 6. Untergruppe : Akrodactylichnia: „Spitzzebfährten", Ein- zelfährten mit langen, schmalen Ballen, mit deutlich abgesetzter Ferse und sehr langen, spitzeudigenden Zehen, igcs Eiiizcllahiteiipaar kegelförmig sich verjüngenden mit Bewehrung durch einen Nagel. Die Längen, der Einzelfäbrten um 2 bis 9 cm grösser als ihre Spannweiten. 7. Untergruppe: Tanydactylicbnia: „Gestreckt- zebfäbrten", Einzelfäbrten mit wenig entwickelten Ballen und langgestreckten, von einander abgespreizten, sich verjüngenden, spitzendigenden Zehen, mit Bewehrung durch einen Nagel. Die Längen der Einzelfäbrten grösser als ihre Spannweiten. 8. Untergruppe: Dolichodactylichnia: „Langzeh- fährten" im engeren Sinn, Einzelfäbrten mit wenig ent- wickelten Ballen und langen, schwach keulig anschwellenden Zehen mit wieder verjüngten Endigungeu, ohne Bewehrung. Die Längen der Einzelfäbrten grösser als ihre Spannweiten. y. Untergruppe: Ganipsodactylichnia: „Krumm- zebfährtcn", Einzelfäbrten mit wenig entwickelten Ballen und sehr langen, schlanken, stark nach einwärts ge- krümmten Zehen, mit schwach klumpigen Endigungen, ohne deutliche Bewehrung. Die Längen der Einzelfäbrten grösser als ihre Spannweiten. — Zu jeder Untergruppe gehört zunächst eine „typisch entwickelte" Fährten art, für deren Bezeichnung die übliche Benennung durch ein Substantivum nebst bei- gesetztem Adjectivum gewählt wurde , das gleichzeitig die Zuge- hörigkeit der Fäbrten- art zur Untergruppe ausspricht. Es sind dies die neun, den neun Untergruppen ent- sprechenden , typischen Fährtenarten : 1. Ichnium pacby- dactylum: „typische" Klumpzehfährte, 2. Ichnium brachy- daetylum: „typische" Kurzzehfährte, 3. Ichnium anako- lodactylum: „typische" Gekürztzehfährte, 4. Ichnium sphaero- dactylum : „typische" Klumpzehfährte, 5. Ichnium rhopa- lodactylum: „typische" Keulzehfährte, 6. Ichnium acro- dactylum: „typische" Spitzzehfährte, 7. Ichnium tany- dactylum: „typische" Gestrecktzehfährte, 8. Ichnium dolicbo- dactylum : „typische" Langzehfährte und 9. Ichnium gampso- dactylum: „typische" Krummzehfährte. Ausser diesen „ty- pischen" Fährtenarten giebt es aber fernerhin eine Anzahl Fährten, deren Meikmale ihre Zugehörigkeit zu einer der neun Untergruppen nicht zweifelhaft er- die aber von den „typischen" Fährten- Diese sind bezeichnet durch Ijuchyd.aetylmn. (Naiürl. Gr.) scheinen lassen arten verschieden sind, ein appositioneil dj. Artbeuennung beigelugtes Adjec- tivum. Es soll dam t angedeutet werden, dass diese Fährten die Merkmale der betreffenden Untergruppe be- sitzen, von den typischen Fährtenarten aber unterschieden und ohne jeden Zusammenhang mit ihnen sind. Von ihnen ist mit Bestimmtheit anzunehmen, dass sie von „anderen" Thicrarten, als die „typischen" Fährten- arten der gleichen Untergruppe hinterlassen wurden. Sie als selbstständige „Fährtenarten" aufzustellen, war nicht möglich , da sie mit den „typischen" Fährtenarten die diese bestimmenden Merkmale theilen. Es sind dies die beiden „Plumpzehfährten": 124 Natm-wissenschaftliche Wochensrlnift. XV. Nr. 11. la. Ichnium pachydactylnni, ungulatuni: Plumpzeh- fälirte „mit Krallen", Ib. Ichuium pacbydaetylum, minus, „kleine" Plump- zehfährte, und die „Krummzehfährte": 9a. Ichnium gampsodactyluni, teuue. Krumnizeh- fährte „mit dünnen Zehen". Im Gegensatz zu diesen kommen endlich noch einige Fährten vor, die mit den „typischen" Fährtenarten in einem entschiedenen Zusammenhang stehen, der sich schon in dem Vorkommen am gleichen Fundort ausspricht, ohne mit ihnen völlig übereinzustimmen. Diese Fährten sind als „Unterarten" der „typischen" Fährtenarten bezeichnet und benannt worden. Sie sind aller Wahrscheinlichkeit nach von denselben Thierarten, wie die „typischen" Fährtenarten zurückgelassen worden. KUirteiiplatte ("/« i Es sind dies die Untciart der „typischen" Klump- zehfährte: 4. a. Iclniium sphaerodactylum subspecies minor „mit kleinen Einzelfährten," die drei Unterarten der „typischen" Spitzzehfährte: 6. a. Ichnium acrodactylura subspecies alternans mit „alternirendem" Gang, 6. ß. I. acrod. subsp. dispar. „mit ungleich grossen Einzelfährten", 6. r- I- acrod. subsp. curvata. mit gekrümmten Zehen und cndlicli die zwei Unterarten der „typischen" Krumm- zehfährte : 9. ct. Iclinium gampsodactylum .subspecies minor „mit kleinen Einzeifährtcn, 9. ß. I. gampsod. subsp. graeilis mit „schlanken" Zehen. Es wären somit drei in verschieden engem systematischen Verhältniss zu ein- ander stehende „Fährtengruppen" zu unterscheiden: 1. die zu einer .,typischen" Fährten- art gehörigen untereinander nahe zu völlig übereinstimmenden Fährten der verschiedenen Fundorte, 2. die mit den „typischen" Fährten- arten in einem morphologischen und möglicher Weise auch genetischen Zu- sammenhang stehenden „Fährtenuntcr- arten," und B. die mit den „typischen" Fährten- arten in keinem Zusammenhang stehen- den Fährten, die mit jenen nur die Gruppenmerkmale gemeinsam haben, ohne einen möglichen genetischen Zusammen- hang mit jenen zu besitzen! Unter Be- rücksichtigung aller im Vorhergehenden erörterten Gesichtspunkte, erhielten wir mithin folgendes: System der Thierfährten in dem Rot h 1 i e g c n (1 e n Deutschlands. Für die in ihr stets eingehaltene Reihenfolge der Fundorte: Hohenellie, Albendorf, Rathen, Friedrichroda, Kabarz, Tambach, war ihre örtliche Zusammen- gehörigkeit bestimmend, und sind inner- halb der örtliciien Gruppen die Fund- orte „historisch" angeordnet. So reprä- sentiren: Hohenelbe (erster Fährtenfund 1860) und Ober-Kalna (1865) einerseits, mit Albendorf (1861) und Rathen (1862) andererseits, das Böhmisch - Schlcsisehe Rothliegende: Friedrichroda (1847. 1885. 1897) mit Kabarz (1840. 1897) = mittleres Rotliegendes: Oberhöfer Schichten und Tambach (1887. 1892) = oberes Roth- liegendes: Tambacher Schichten, das Thüringische Rothliegende. Schliesslich sei darauf hingewiesen, dass die hier versuchte, auf die Ge- staltung der Zehen in den Einzelfährten- abdruck gegründete Einteilung der Fährten des Rothliegenden, vollkommen mit der von Geinitz zuerst richtig er- kannten Trennung der B^ährten in sala- mandroide und lacertoide übereinstimmt. Denn die Brachydactylichnia haben ent- schieden salamandroiden, die Dolichodac- XV. Nr. 11. Natui-wisscnscluiftliclie Woclii'uschrift. 125 tyliclinia, lacertoidcn Habitus. Es wären mithin, wenn linn einmal aucli ein Wort über die Natur der zu den I'^ährten des Rothliegenden gehörigen Tbicre gesagt sein nuiss, salamandroide und laeertoide Thierformen ge- wesen, die diese interessanten Thierfährten hinterlassen hätten, wie Geinitz bereits bei ihrer ersten Beschreibung zutreifend ausgesprochen hat. System der Thierfährten in dein Uothliescnden „Deutschlands". I. Hauptgruppe: Fährten von brachydactylem Typus: Brachydactylichnia : ,,Kurzzehfäh.rten". I. Untergruppe: Pachydacty lichnia: „Plumpzehfährten". 1. Iclmivm pachydactijlum: „typische" Plumpzehfährte. 1. I. p. von Albendorf. •2. Saurichnites Leisnerianus, Geinitz, von Ruthen, (zum Theil). 3. I. p. von Friedrichi-oda. la. Ichnium pachydactylum, umjnlntum: Phunpzelifuhrte „mit Krallen". 4. I. p. ung. von Albendoi-f. 5. Saurichnite.s Leisnerianus, Geinitz, von Rathen, • (zum Theil). 1 h. khnhim paclti/daciylum^ minus: „kleine" Plump-' zehfährte. 6. I. p. min. von Albcn- dorf. ■2. Untergruppe: Brachydac- tylichnia: „Kurzzehfährte" im engeren Sinne. 2 Iclmivm brachydacti/lum: „typische" Kurzzehfährte. 7. Saurichnites Kab- licae, Geinitz, von Hohenelbe. (Ober Kalna). 8. I. b. von Kabarz. il. I. b. von Tambach. o. Untergruppe: Anakolodac" t y ] i c li n i a : „Gckürztzeh- fi'ihrtcn". 3. Icliiuvm aiuikokiilartijluiii: „typische" Gekürztzeh- fährten. 10. I. tetradactylum von Kabarz, sc. I. ana- kolodactylum. 4. Untergruppe: Sphaerodac- ty lichnia: „Klumpzehfährte". 4. Ichnium sp/iaerodae(i/him: „typische" Klumpzeh- fährte. HauptgTuppe: Fährten von dolichodactylem Typus: Dolichodactylichnia . . Langzehfährten' ■. 6. Untergruppe: Akrodacty 1 ic Imia- „Spitzzehfährto". 6. Iclinium aeroJactijlum: „typische" Spitzzehfährte. IS. I. a. von Tambach. k) Subspecies: alteruans: mit „aUernirendüm" Gang. lil. 1 acrod. subsp. alt. von Tambach. ß) Subspecies: dispar: mit „verschieden grossen" Einzelfährten. ■20. I. acrod. subsp. d. von Tambach. )•) Subspecies: curvata: mit „gekrümmton" Zehen. 21. I. acrod subsp. c. von Tambach. 7. Untergruppe: Tanydacty lichnia: „Gestrecktzehfährten". 7. Ichninia tanydactyium: „typische" Gestrecktzehfährte. 22. I. t. von B'riodrichroda. 2o. I. t. von Kabarz. 8. Untergruppe: Dolichodactyl ichni a: „Langzehfälu'ten" im engeren Sinne. 8. Milium doliohodactylum : „typische" Langzehfährte. 24. I. d. von Friedrichroda. 2'). I. d. von Kabarz. II. I. S] dort 12. Dn Alben- Ichniotherium Cot- tae. Pohlig, von Friedrichroda. 13. I. sph. von Kabarz. 14. I. sph. von Tambach. (i) Subspecies: minor. 15. I. sph. subsp. m. von Kabarz. 16. I. sph. subsp. m. von Tambach. 5. Untergruppe: Rhopalodac- ty 1 ichnia: „Keulzehfährten". 5. Iclinium rliopalodactylum: „typische" Keulzehfährte. 17. Saurichnites sala, maudroides, Geinitz. von Hohenelbe; sc- Ichnium rhopalodac- tyluni. k'lniium bracli; Natiirwissrnscliaftliclu' \\ XV. Nr. 11. 26. I. microdactyluiii vou Tambach; sc. I. doliclio- dactylum. *) 9. Untergruppe: Gampsodacty liclinia: „Krummzeh- fährten". 9. Iclinium gampsodaclyhim: „typische" Krummzehfiihrte. 27. Saurichnites lacertoides, Geinitz, von Hohenelbe, (zum Theil). 28. I. gamps. von Albendorf; sc Saurich lacertoides, Goeppert. 29. Lg. von Friedrichroda : sc. Protritonichinites lacertoides, Pohlig. 30. J. g. von Kabarz. ß) Subspecies: minor: mit , kleinen" Einzolfiibrlon. 31. Saurich. lacert. Geinitz, von Hohenelbe, (z. Thoil). 32. I. g. subsp. m. von Albendorf; sc. Saurich. di- varicatus, Goeppert. 33. I. g. subsp. m. von Kabarz. ß) Subspecies: gracilis: mit „tchlankcn" Zehen. 34. I. g. subsp. g. von Albendorf; sc. Saurich. gra- cilis, Goeppert. 9A. Iclinmm f/ampsodactij/um, teiivc: Krummzehfiihrte mit „dünnen" Zehen. 35. I. g. ten. von Friedrichroda. *) Der Widerspruch, der in der Zuthcilung der Tambacher „Kleinzehfährte": Ichnium microdactylum zu der Untergruppe der Dolichodactylichnia: „Langzehfahrten" im engeren Sinne liegt, ist nur ein scheinbarer ! Bei Eintheilung und Benennung der Fährten in ihrem System ist nur das „relative" Längenverhiiltniss der Zehen zum Ballen im Einzelfährtenabdruck maas.'-gebend ge- wesen. Die nur nach „Millimetern" inc-siMulc Tninliai-liin- Fährte, wurde bei ihrer ersten Beschreibuiit; (sidu' diit^r /'■it,'inzel- fährten sind nahezu gleich gross. Die Einzelfährten von Vorder- und llinterfuss sind auffallend verschieden gross, sie messen 2,5 und 3,5 cm. Der Gang ist altcrnirend, und beträgt die Schrittlänge: 9 cm. — Die „typische" GekUrztzehfährte, Ichnium anakolodactylum, kommt allein in Thüringen vor. Sie ist bereits (siehe diese Zeitschrift 1897 No. 8) als „Ichnium tetradactylum von Kabarz" (4) besehrieben worden. Ihre Einzelfährten sind die kleinsten, die bisher beobachtet wurden; sie messen nur 7 bis 8 mm! Es wird als Synonym tür diese Fährte „lehn, anako- lodactylum" {ivaxiüloc abgekürzt) vor- gesehlagen, wegen einheitlicher Benennung sämmtlicher Fährten des Rothliegcnden nach dem relativen Ijängenverhältniss der Zehen im Einzelfährtenabdriick und weil auch noch andere Fährten „vierzehig" zu sein scheinen. Es ist überhaupt die Anzahl der Zehen fossiler Fährten nur schwierig genau zu bestimmen, da häufig, iu Folge ungünstig erfolgten Abdrucks der "''"' Einzelfährte, diese wenigerzehig wird, als dem anatomischen Bau des Thieres that- sächlich entspricht und nicht selten auch die Gangart eine gewohnheitsgemässe „Nichtabformung" sämmtlicher Zehen bedingt. Es erscheint daher gerathen auf die Zehenzahl im Einzelfährtenabdruck weniger systematisches Gewicht zu legen, als auf andere Merkmale der Einzclfährten und jene nur nach einer ,, möglichst grossen" Anzahl von Ver- gleichsstüeken endgiltig zu bestimmen. Die ausgezeichneten „Klumpzehfährten" Thüringens : Ichniotherium Oottae l'ohlig von Friedrichroda (5), Ichnium sphaerodactylum von Kabarz und Tambaeh (6 u. 7), sind gleichfalls schon "(vergl. diese Zeitschrift 1896 No. 48, 1897 No. 8 u. 27, 1898 No. 22) eingehend besprochen worden, weshalb hier nur noch die Abbildungen zweier besonders typischer Vorkommen (Fig. 5 u. 6.) folgen. Schliesslich ist als 8te u. 9te „brachydactyle" Thier- fährte Thüringens: „Ichnium sphaerodactylum subspecies minor" von Kabarz (8) und Tambaeh (9) zu erwähnen, deren Einzclfährten gleich denen von lehn, sphaer., nur bedeutend schwächer, gebaut sind, und die nur bis 5,5 cm „Hiüterfusseinzeltiüirte'* messen, im Gegensatz zu jenen, deren Längen 6 bis 14 cm betragen. *) *) Wiihreiu! des Druckes vorliegenden Aufsatzes erhielt ich ganz zufällig durch Herrn Dr. Fr. Krantz-Bonn Kenntniss von einem weiteren Vorkommen von Thierfiihrten in dem Eothliegen- den Deutsehlands und zwar von Rossitz bei Brunn in Mähren. Nach vorläufiger Bestimmung nach den mir vorliegenden Hand- stücken gehören diese Fährten zu Ichnium pachydactylum, I. gampsodactylum und I. g. subsp. minor und gracilis, fügen sich also dem oben aufgestellten „System" ein, Genauei-es über sie mitzutheilen wird erst möglich sein, wenn das gesammte vor- handene Material dieses Fundortes zur Untersuchung zur Ver- fügung gestanden hat. Willielm Haucliecoi-ne f. — Am 15. Januar ver- schied plötzlich in Folge Herzlähmung der Begründer und erste Leiter der Königlichen geologischen Landes- anstalt und Director der Bergakademie, Geheimer Ober- bcrgrath Dr. Wilhelm Hauchecorne. Allen iMitffliedern der beiden vereinigten Anstalten wird der Morgen unver- gesslich bleiben, an welchem sich vollständig unvermuthet die bestürzende Nachricht verbreitete, dass der von ihnen allen hochverehrte Mann nicht mehr unter den Lebenden weile. ll'S Xatnr\viss('iis< il'tli A\', •liril't. X\'. Xi 11. Wilhelm Haucliecorne war am 13. August 1828 iu Aachen geboren. Dass der Knabe in der von der Natur begünstigten und an Schätzen des Bergbaues reichen Gegend aufwuchs, ist mitbestimmend für seinen späteren Lebenslauf geworden. Nachdem er das Gymnasium in Köln absolvirt, studirte er in Bonn und Berlin und wid- mete sich dem Bergfache. Als Bergexpectant schied er 1851 aus dem Staatsdienste und übernahm die Leitung der Kupfererz bauenden Gesellschaft am Firneberge bei Rheinbreitbach, welche er bis 1857 behielt. In diesem Jahre trat er in den Staatsdienst zurück und fungirte bis 1859 als Berggeschworener in Maien am Laacher See. Aus dieser Zeit stammt seine Werthschätzung des in jener Gegend in grossartigem Maassstabe gewonnenen Gesteins- niateriales, welches dann später auf seine Veranlassung beim Bau des Dienstgebäudes der Königlichen geologischen Laudesanstalt und Bergakademie und anderer hervor- ragender Bauten Berlins reiche und schöne Verwendung gefunden hat. 1859 kam er an das Oberbergamt nach Bonn, wurde Bergreferendar und ging 1863 als Berg- assessor nach Saarbrücken, wo er mit der Verwaltung des Handelsbureaus der dortigen Bergwerksdirection be- traut wurde. . Nachdem er Ende 1865 als Hilfsarbeiter in das Ministerium berufen worden, übertrug ihm der damalige Oberberghauptmann Krug von Nidda am 15. Ja- nuar 1866 die Leitung der Bergakademie in Berlin. Damit war Haucliecorne au den Platz gestellt, wo er nahezu ein ganzes Menschenalter hindurch seine ausser- ordentlichen Geistesgaben zu voller Geltung bringen konnte und in der That auch Grosses geleistet hat. Die Bergakademie, welche erst wenige Jahre vorher gegründet war, ist durch Haucbecornc auf eine solche Höhe gebracht worden, dass sie heute ihren weit älteren, be- rühmten Schwesteranstalten in Freiberg und Clausthal mindestens gleichsteht. Viele Hunderte von tüchtigen Bergleuten, über alle Länder der Welt zerstreut, sind aus ihr hervorgegangen. Die geologische liandesanstalt ist erst durch Hauchecorne's Mitwirkung ins Leben gerufen. Obwohl er selbst Bergmann war, ermöglichte es ihm sein scharfer Verstand doch, sich mit dem ihm ferner liegenden Gebiete der Geologie vertraut zu machen und den Ge- danken an eine geologische Durchforschung des Landes in seiner ganzen Weite zu erfassen; seine ausserordent- liche Umsicht führte die darauf gerichteten Bestre- bungeu endlich der Verwirklichung entgegen. Dank dem Entgegenkommen des Ministers konnte er endlich seinen und seines gelehrten Mitarbeiters Ernst ßeyrich's Plan zur Wirklichkeit werden sehen in der Errichtung der geologischen Landesanstält im Jahre 1872. Und was er aus diesem ursprünglich bescheidenen Institute gemacht hat, das beweist die Thatsaehe, dass dasselbe heute eine vielgliedrige Behörde ist, die nach verschiedenen Seiten hin mustergiltig für viele Anstalten anderer Länder ge- worden, und deren Beamtenstab sich unter seiner Leitung nahezu vervierfacht hat. Wenn Preussen zuerst unter allen Ländern die geologische Kartirung in dem grossen Maassstabe 1 : 25 000 für die ganze Monarchie angenommen hat, so verdanken wir dies allein der Energie Hauche- corne's, der die von Beyrich erprobte Methode voll an- erkannte und ihre grosse Wichtigkeit gerade für das praktische Leben betonte. Die höchste Anerkennung sprach ihm wohl der zweite internationale Geologen- congress zu Bologna im Jahre 1881 dadurch aus, dass er ihn und Beyrich mit der Leitung der Ausführung der internationalen geologischen Karte von Europa betraute. In den beiden seiner Leitung unterstellten Anstalten, denen sich noch die chemisch-technische Versuchsanstalt zugesellte, war Hauchecorne wie kaum ein zweiter be- wandert: er wusste ül)erall darin Bescheid. Das statt- liche Gebäude in der Invalidenstrasse, in welches die geologische Landesanstalt und Bergakademie 1878 aus den beschränkten Räumen der alten Börse am Lustgarten übersiedelte, ist seine eigenste Schöpfung; nicht weniger aber hat sich sein Schaffen auch im Innern des neuen Hauses kundgethan. Das berg- und hüttenmännische Museum im Lichthofe und auf der Galerie der geologischen Landesanstalt, das die Erzeugnisse des vaterländischen Bergbaues, Hütten- und Salinenbetriebes in grosser Voll- ständigkeit und Reichhaltigkeit enthält, hat er gegründet. Die von Althans für die Pariser Weltausstellung ausge- führte Blockproductionsdarstelluug des preussischen Montan- wesens ist durch ihn nebst vielen anderen Gegenständen für das Museum erworben. Ganz besonderes Interesse brachte er der Vervollständigung der Mineralien- und Krystallsammlung entgegen, ohne dabei die anderen Sammlungen hintanzusetzen. Neben seiner grossen Gabe zu organisiren, besass Hauchecorne eine ganz ungewöhnliche Arbeits- und Schaffenskraft, die sich allerdings weniger auf rein wissen- schaftlichem Gebiete bethätigte, als vielmehr in den ausser- ordentlich umfangreichen Verwaltungsgeschäften der ihm unterstellten Institute, die nach seines Mitarbeiters Bey- rich's Tode allein auf ihn entfielen. Ausserdem erstreckte sich seine Thätigkeit in erfolgreichster Weise auch auf andere Gebiete. Während des deutsch-französischen Krieges wurde er als Civilcommissar nach Strassburg berufen und ver- waltete auch die dortige Kaiserliche Tabaksmanufactur. In hervorragender Weise wirkte er bei der Regulirung der deutsch-französischen Grenze mit. Hier ist es sein spe- ciellcs Verdienst, dass die grossen lothringischen Eisenerz- felder an Deutschland fielen als Theil der Gegenleistung für die Ueberlassung von Beifort an Frankreich. Durch die Verleihung des Eisernen Kreuzes für Nichtcombattanten dankte ihm sein König dafür. Bei der 1890 tagenden Arbeiter-Schutzconferenz betraute ihn Kaiser Wilhelm II. mit dem Vorsitz in der Commission für die Arbeit in den Bergwerken. Wichtigen Antheil nahm er an den Be- rathungen über die Goldwährung, für welche er auch die Statistik aufgestellt hatte. Mehrere Jahre leitete er ferner die Verhandlungen der Schlagwettercommissiou und bis zu seinem Tode war er Mitglied des Wasser- ausschusses, der statistischen Ccntralcommissiou und des Centraldirectoriuins der Vermessungen. Seit langer Zeit gehörte er dem Vorstande der Deutschen geologischen Gesellschaft an und war seit mehreren Jahren ihr erster Vorsitzender. Unter allen diesen Arbeiten war seine Erholung der Gcnuss der Natur, die Pflege der Pflanzen in seinem Garten, welcher er mit liebevollem Eifer oblag. Wie hoch er die Naturwissenschaften schätzte und wie wichtig er sie für die Erziehung des Volkes hielt, dafür spricht seine rege Betheiligung an den Bestrebungen des Vereins für volksthümliche Naturkunde, dessen Leitung ihm Jahre lang anvertraut war. Hervorragendes Verständniss be- sass er ferner für Musik und Malerei. Eine Kreidezeich- nung von seiner Hand aus frühereu Jahren verräth ein mehr als gewöhnliches Talent und sein feines Farben- verständniss ist in erster Reihe der internationalen geo- logischen Karte zu gute gekommen, deren Farbengebung geradezu als musterhaft bezeichnet werden muss. Trotz seines ernsten und gemessenen Wesens in allen dienstlichen Angelegenheiten war Hauchecorne privatim seinen Beamten gegenüber stets ein hilf bereiter, sorgender Freund, der au ihrem Freud' und Leid wärmsten Antheil nahm. Es ist selbstverständlich, dass dies schaffensreiehe Leben auch reich an Ehren war. Die Universität Ileidel XV. Nr. II Niiturwis.seuscliai'tlifl 129 licig- promovirte Hauchecorne 1886 zum doctor pliilo- sophiae honoris causa. Sein König verlieh ihm 1888 den Rothen Adierorden III. Klasse mit der Schleife und 1897 den Kronenorden II. Klasse. In voller Rüstigkeit und Arbeitsfreudigkeit raffte der Tod ihn uns zu friili hinweg. F. Kaunhowen. Der Kiiulenwiokler, Graptolitlia wöberiana W. V. ist ein schon seit der ersten Hälfte des VX Jahrhunderts wohlbekannter Schädling der Obstbäume, der sogar nach Boisduval (1867) in Deutschland an Kirschen und Pflaumen sehr grossen Schaden thun soll. Wohl in Folge der ver- steckten Lebensweise seiner Raupe hat er aber die Auf- merksamkeit weniger auf sich gelenkt, so dass er in der neueren pliytopathologischeu Litteratur kaum erwähnt wird. Es ist daher umso mehr zu begrüssen, wenn V. Schilling aufs Neue auf ihn aufmerksam macht und seine zum Theil niclit genügend bekannte Naturgeschichte eingehend schildert. (Frakt. Rathgeber Obst- und Gartenbau 1900, No. 4 und 5.) Der Schädling hat, wie schon Schmidberger behauptete, Taschenberg aber bestritt, 2 Generationen im Jahre. Der Falter fliegt zu- erst im Mai, dann nochmals Mitte Juli. Das Weibchen legt seine 1 — 3 Eier an eine Knospe oder einen Spross. Nach kurzer Zeit kriechen die Räupchen au.s, die sich an Ort und Stelle in die Rinde einbohren und im Splint spiralig um die Knospe, bezw. den Spross fressen. Raupen finden sich das ganze Jahr über; v. Seh. fand erwachsene Raupen im März, Juni und Dccember, junge vom Mai au den ganzen Sommer über. Die Raupe ist erwachsen etwa 10 mm lang, schmutzig-grünlich, ins Graue spielend, ganz schwach und hell beborstet; zur Frasszeit schimmert der bräunliche Darm als Rückenlinie durch. Auf jedem Segmente stehen 8 kleine, graue, linsenplatte Wärzchen. Der Kopf ist glänzend gelbbraunroth, Nacken- schild und Afterklappe sind hell bräunlich. Die Raupen der ersten Generation verpuppen sich Mitte Juni und Juli, die der zweiten überwintern und verpuppen sich im nächsten April. Die Winterruhe suchen sie in älteren, trockenen Frassgängen, in denen sie eine Stelle schlauch- förmig erweitern; hier ruhen sie mit dem Kopfe nach unten, von Bohrmehl umhüllt. Die Puppen wiege ist ähnlieh, nur kleiner, halb in den Splint eingefressen. Die glänzend hellbräunliche Puppe liegt immer so, dass der Kopf des auskommenden Falters leicht nach aussen gestossen werden kann. Dieser sieht dem Apfel- wickler etwas ähnlich; er unterscheidet sich aber sehr scharf von ihm durch 5 kommaähnliche weisse Häkchen am Vorderrande des Vorderflügels. — Der Wickler befällt nach den älteren Quellen namentlich Steinobst, wie Prunus- Arten, Kirschen- und Mandelbäume, nach v. Seh. nament- lich Apfelbäume, in erster Linie feinere Tafeläpfel. Er soll sich in den letzten Jahren in Süd- und Westdeutsch- land, wohl auch in der Schweiz, in Tirol und zum Theil auch in Mitteldeutschland beängstigend vermehrt haben. Sein Sc baden wird dadurch um so grösser, dass das Weibchen sehr träge ist, da, wo es ausgekrochen ist, sitzen bleibt, sich begatten lässt und seine Eier legt. Da- durch wiederholt sich der Frass in jedem Jahre an der- selben Stelle in erhöhtem Maasse. Die Raupen ziehen immer grössere Spiralen um die ursprüngliche Befalls- stelle, einen Spross, wodurch nicht nur dieser abstirbt, sondern auch eine Art offenen, brandigen Krebses ent- steht, indem Rinde, Sjjlint und Holz absterben. Bei den Steinfrüchten entsteht dadurch sehr heftiger Gummifluss. Nach 5-6 Jahren hat die Wunde dann den ganzen Ast, bezw. Baum umfasst, der nun abstirbt. Verzögert wird dieses Ende dadurch, dass die von den Raupen gezogenen Spiralen in der Längsrichtung des Astes gestreckt sind, so dass die Wunde also viel höher als breit ist. v. Seh. glaubt, dass Vio ^^^'^^ sogenannten „offenen oder brandigen Krebses" nicht von Pilzen, sondern vom Rindenwickler herrühre. Zu erkennen ist der Frass des Rindenwicklers an dem feinen, zuerst rothbräunlichen, später fast schwarzem Wurmmehle in der Rinde. Die Bekämpfung ist im ersten Befalls-Stadium einfach: Man sägt die befallenen Knospen in einem keilförmigen Stücke heraus und ver- brennt sie. Bei älterem Befalle verklebe man die ganze Stelle mit einem Mörtel aus Lehm, Kalk und Kuhmist, der porös genug ist, dass die Raupe darunter athmen kann, aber zu fest, als dass der Schmetterling sich heraus- arbeiten könne. Noch später muss man den Ast hand- breit unter dem Schaden absäeen. Reh. Wetter-Monatsübersicht. — Februar. Der ver- gangene Februar war in seinen Witterungsverhältnissen ziemlich wechselvoll gestaltet und schloss namentlich hin- sichtlich der Temperaturen bedeutende Gegensätze in sich. Zu Berlin herrschte, wie der obere Theil der bei- stehenden Zeichnung ersehen lässt, während der ersten Hälfte des Monats grösstentheils leichter Frost, nur um den 5. und 13. überstiegen die Mittagstemperaturen um mehrere ^^rrr] "■ 1 1 1 1 ° 1 1 1 1 ' '^--x ^ / \\ ^ .«•'""~-"^~" ■^__j ' N 0- -^ fcs ^^»l-..i-J>ft-i ..,..,« vt,.H-t},(\H.-tiPtU. Grade den Gefrierpunkt. Nachdem dann am 16. früh das Thermometer bis — 9°C. gesunken war, fand schon am Nachmittage dieses Tages ein plötzlicher Umschlag zu Thauwetter statt, und die Erwärmung setzte sich darauf mit einer kurzen Unterbrechung bis gegen Schlnss des Monats fort. Sein letzter Sonntag (der 25. Februar) und die beiden ihm benachbarten Tage zeichneten sich durch die mildesten Frühlingslüfte und sehr hellen Sonnen- schein ganz besonders aus, doch sollte der Februar nicht ohne euien nochmaligen Kälterttckfall zu Ende gehen. Die Häutigkeit seiner Sonnenstrahlung, welche im ganzen letzten Monat zu Berlin 58 Stunden umfasste, war, wie schon im Januar, verhältnissmässig gering, aber keines- tiii'wissensci Woe XV. Nr. 11 weg'S in ebenso ausgesprochenem Maasse. Und die mitt- lere Lufttemperatur tibertraf sogar um einen halben Grad das normale Februarmittel, da zwar nur die kleinere Hälfte der Tage, davon jedoch mehrere sehr erheblich wärmer als im vieljährigen Durchschnitte waren. Im Allgemeinen gilt dies für den ganzen Nordosten Deutschlands, etwa bis zur Elbe hin, wogegen die nord- westlichen Landcstheile durchschnittlich etwas zu niedrige Temperaturen hatten. Dort trat nämlich der Frost, wie das Beispiel von Hannover zeigt, im Binnenlande zwischen dem 7. und 11. Februar recht strenge auf. Die grösste Kälte kam allerdings mehrere Tage später im Ostsee- gebiete vor, besonders am 16. Februar, an dem das Temperaturminimum zu Memel: — 20°, zu Königsberg: — 19° C. betrug. Am mildesten war das Wetter in Süddeutschland, wo das Thermometer in niedriger ge- legenen Gegenden nicht mehr unter — 9° C. herabging und Mittags schon am 13. zu Mülhausen i. E. 13°, später am 25. zu Bamberg und am 26. zu Friedrichshafen 20° C. erreichte. Daher lag dort auch die Mitteltempe- ratur des Monats, mit der normalen Februartemperatur verglichen, um I72 Grade zu hoch. Niederschläge fielen in Deutschland zwar während des ganzen Februar sehr zahlreich, jedoch waren sie in den ersten 10 Tagen desselben, der beistehenden Zeich- nung zufolge, wenig ergiebig. Desto grössere Erträge lieferten sie zwischen dem 11. und 21. Februar, in welcher Zeit Norddeutschland mehrfach, namentlich am 14. und 16., von heftigen Schneestürmen betroffen wurde, während gleichzeitig im Süden ausserordentlich starke Gussregen herniedergingeu. Seit dem 22. nahmen die Niederschläge überall erheblich ab und im Nordosten Deutschlands folgten darauf mehrere völlig trockene Tage, bis kvn'z vor Monatsschluss wieder neue Regen- und Schneefälle eintraten. Am 28. wurde zu Chemnitz eine Regenhöhe von 37 Millimetern gemessen. Die Monats- summe der Niederschläge, welche sich für den Durch- schnitt der berichtenden Stationen zu 50,5 Millimetern er- gab, war für einen Februarmonat ziemlich gross, sie war ungefähr viermal grösser als die entsprechenden Suramen, die der Februar 1891 und 1896 geliefert hatten, wurde jedoch innerhalb des letzten Jahrzehntes auch dreimal im Februar noch übertroffen. Während der vergangene Januar mit grossen Luft- druckunterschieden geendigt hatte, traten im Februar in der westlichen Hälfte Europas zunächst nur flache Baro- meterdepressionen und ebenfalls nicht sehr hohe Maxima auf. Jene befanden sich meistens im Süden, diese im Norden, so dass in ganz Mitteleuropa eine schwache Nordostströmung vorherrschen musste. Erst am 10. Fe- bruar erschien ein tieferes Minimum südlich von Irland, das nordostwärts über die südliehe Nordsee, Dänemark und die Ostsee nach Russlaud fortschritt und überall er- giebige Schneefälle um sich verbreitete. Dasselbe scheint jedoch nur ein Tlieil eines viel umfangreicheren, auf dem atlantischen Oeean lagernden Depressionsgebietes gewesen zu sein, welches in den folgenden Tagen verschiedene Minima nach dem europäischen Continent entsandte. Die- selben führten hier sehr unruhiges, unbeständiges Wetter mit mehrfachem Wechsel zwischen stürmischen Südwest- winden und ebenfalls sehr heftigen Nordostwinden herbei. Zu Paris wuchs der Wind in der Nacht zum 14. Februar zu der gewaltigen Geschwindigkeit von 33 Metern in der Secunde an, der höchsten Windgeschwindig- keit, welche daselbst je gemessen wurde, und die auch den grössten stündlichen Windgeschwindigkeiten nahezu gleichkommt, die während der schweren Orkane vom 12. Februar 1894 und 11. December 1891 an den deutschen Küstenstationen erhalten worden sind. Ganz ungewöhnliche Regenmengen gingen in dieser Zeit in Istrien und an der dalmatinischen Küste hernieder, z. B. ergaben sie am 13. Februar zu Abbazia 118, zu Lo- vrana 96, am 14. au beiden Orten 43, am 15. zu Ra- gusa 53 Millimeter Höhe. An vielen Orten hatten die Südwestwinde Föhncharakter und brachten daher ausser- ordentlich hohe Temperaturen mit sich, die Nordostwinde hingegen verursachten starke Abkühlung, da in Nord- skandinavien und Nordrussland noch ungewöhnlich strenge Kälte herrschte; beispielsweise hatte am 19. Februar Haparanda: — 36°, Wischni- Wolotschek (nordwest- lich von Moskau): — 37° C. Am 22. Februar rückte ein neues Barometermaximum von den Pyrenäen nach Mitteleuropa vor und verursachte hier eine sehr milde Südströmung, die mehrere Tage an- hielt. Denn die Minima verblieben in dieser Zeit auf dem atlantischen Ocean, und erst am 27. vermochte eines wieder in den Continent einzudringen, worauf in Nord- deutschland alsbald eine sehr rauhe Nordströmung zur Herrschaft gelaugte. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Eruannt wurden : Dr. Kühne mann, Privatdocent der Philo- sopliie in Marburg, zum ausserordentlichen Professor; Dr. A. Reissert, Privatdocent der Chemie in Berlin zum ausserordent- lichen Professor; Dr. Täubor, Privatdocent der Farbstoffchemie an der technischen Hochschule in Berlin, zum Titular-Professor; Dr. H. Mendthal, Bibliothekar an der königlichen Universitäts- bibliothek zu Königsberg, zum C>berbibliothekar; Dr. J. Zemau, Professor der mechanischen Technologie, und Dr. A. Ernst, Professor des Maschinenzeichnens an der technischen Hochschule in Stuttgart, zu Oberbauräthen; Dr. C. Hin terlechner Assistent an der deutschen technischen Hochschule in Brunn, zum Sektions- geologen der geologischen Reichsanstalt daselbst; ausserordent- licher Professor der Dermatologie in Genf H. Oltramare zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: Dr. Drude, ausserordentlicher Professor der Physik in Leipzig, als ordentlicher Professor nach Giessen; Dr. Hugo Ribber t, ordentlicher Professor der pathologischen Anatomie und Director des pathologischen Instituts in Zürich als ordentlicher Professor nach Marburg; Dr. Sommerfeld, Pro- fessor der Mathematik an der Bergakademie in Clausthal, auf den Lehrstuhl für Mechanik an der technischen Hochschule in Aachen als Nachfolger Prof. Ritters; Kreisthierarzt J. Imminger aus Würzburg als ordentlicher Professor der Chirurgie an die thier- ärztliche Hochschule in München; Ingenieur A. Stör aus Brunn als ausserordentlicher Professor der technischen Mechanik und allgemeinen Maschinenl)aukunde an die Borgakademie Pribram. XV. Nr. 11. Naturwisscnsi-h Abgelehnt haben: Dr. G. Freiherr von Hertling, ordent- lielier Professor der Philosophie in München, M. d. R., einen Ruf nach Bonn; Dr. L. Knorr, ordentlicher Professor der Chemie in Jena, einen Ruf nach Freiburg als Nachfolger von Prof. Klaus; Dr. A. Werner, Prof. der Chemie in Zürich, einen Ruf nach Wien als Nachfolger des verstorbenen Prof. Weidel. Es hiiliilitirt.'ii sich: Dr. J. Eidmann für Chemie und Dr. Fr. Best für ( t|ilitli:ilinoliigio in Giessen; Assistent Dr. A. Klages fiii- Chcmii' in Heidelberg; Assistent Dr. Wendel für Chiri ie in Marbui Uebergesiedelt sind: Dr. F. Streintz, ausserordentlicher Professor der Physik an der technischen Hochschule in Graz, nach Göttingen; Dr. A. Tschermack, Privatdocent der Physio- logie in Leipzig, nach Hallo. In den Ruhestand treten: Dr. A. von Hiinel, Professor des Brückenbaus au der techni,^chon Hochschule in Stuttgart; Dr. C. M. Reisz, Professor in der niedicinischen Fakultät in Kopenhagen. Es starben: Der Philosoph Dr. Eugen Dreher in Berlin; der langjährige Director der Hamburger Sternwarte Georg Rümkcr; Prof. Dr. 0. Widmann, Privatdocent der inneren Medicin in Lemberg; Dr. H. Zukal, ausserordentlicher Professor der Phytopathologie an der Hochschule für Bodencultur in Wien. Der Tuberkulose-Congress wird zu Neapel vom 2ü.— 28. Apri stattfinden. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Karl Eerg'mann, Die Volksdichte der Grossherzoglich Hessischen ProvinzStarkeuburg- aulGrund der Volkszählung vom 2. December 1895. Mit einer Karte. — Fdr.Mrhiiiitjcn zur deutschen Landes- und Volkskunde im Auftrage der Central- commission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland herausgegeben von Dr. A. Kirchhoff, Professor der Erdkunde an der Universität Halle. XIL Band, Heft 4. Stuttgart, Verlag von J. Engelhorn, 1900. — Preis 5,70 M. In der vorliegenden Arbeit, welche denjenigen Theil des Grossherzogthums Hessen behandelt, der zwischen Main, Rhein und Neckar gelegen ist und die Hauptstadt des Landes enthält, wird versucht, die Volksdichte dieses Gebietes auf Grund der Volkszählung vom 2. December 1895 zu ermitteln, kartographisch darzustellen und zu begründen. Ohne weiter die Gesichtspunkte zu erörtern, von welchen Verfasser bei seinen Untersuchungen ausgeht, seien hier nnr einige allgemein interessirende Ergebnisse derselben angeführt. Die grosse von Norden her über Frankfurt am Main, Darm- stadt nach Heidelberg und weiter nach dem Süden führende Verkehrsstrasse, deren längs des Westhanges des Odenwaldes führender Theil als Bergstrasse bekannt ist, stellt selbst eine stark bis sehr stark bevölkerte Zone dar, in welcher ein stetiges Dichterwerden der Bevölkerung von Darmstadt gegen Frankfurt zu beobachten ist, und scheidet das ganze Gebiet in zwei grosse Theile. Die Zone um die grosse Strasse Frankfurt— Darmstadt- Heidelberg verdankt ihre Volksdichte den überaus günstigen Verkehrsverhältnissen und in ihrem südlichen um die eigentliche Bergstrasse gelegenen Theile auch dem ausserordentlich günstigen Klima (bedeutender Weinbau etc.) und den meist guten Boden- verhältnissen. Der westlich dieser volksreichen Zone gelegene Theil von Starkenburg umfasst die Rheinebene und den westlichen Ab- schnitt der Mainebene und stellt ein meist schwach bis mittel- stark bevölkertes Gebiet dar, das an vier Stellen (im Süden um Lorsch, Lampertheim und Bürstadt, westlich und südwestlich von Darmstadt bei Pfungstadt und Griesheim, dann um Gross- Gerau und endlich im Norden zwischen Frankfurt und Mainz) ein Dichterwerden der Bevölkerung aufweist. Hier bedingen das Anwachsen der Bevölkerung die Nähe grösserer Städte, wie Mannheim, Worms, Mainz, Frankfurt, lokale Industrie und die Lage einiger Orte, z. B. Gross- Geraus im Mittelpunkte der nord- westlichen Rhoin-Mainebene. Der östliche Theil von Starkenburg umfasst die stark bis sehr stark bevölkerte Mainebene im Osten von Frankfurt und den schwach bis mittelstark bevölkerten Odenwald, in den\ sich das Gernsprenz- und Waschnitzthal. das Maiulingthal und die Thäler des Neckar und seiner Zuflüsse im allgemeinen wieder als dichter bevölkerte Gebiete erweisen. Im westlichen Odenwald bewirkt die Nähe der Bergstrassc und günstige Verkehrsverhält- nisse ein Dichterwerden der Bevölkerung, dann auch die dort theilweiso in grösserem Maassstabe betriebene Steinbruchindustrie. Forner sprechen hier ein giinstiL'crcs Klima und der bessere Boden mit, welche diesen Theil iIcs (;rl,ii-_,s t^'c^en den östlichen be- günstigen. Für den östliclim TIkiI il-i ^iainebene ist die Nähe der drei grossen Industrie-Sliullc l''];iiikfiut, Otfenbach und Hanau wichtig. Die dichtere Bevölkerung dos südöstlichen Odenwaldes (Neekargebiot) ist mit bedingt durch den ausgedehnten Eichen- schälwald betrieb. Eine Karte im Maassstabe 1 : "2.50000 gewährt ein recht über- sichtliches Bild der besprochenen Verhältnisse. F. K. Eric Gerard, Directeur de ITnstitut Electrotechnique Mpntofiorc: Lecons sur l'electricite. Tome premier. Theorie de l'Electricitö et du Magnetisme. — Electrometrie. Theorie et Construction des Gencrateurs et des Transformateurs clectriques. Avec 388 figures dans Ic te.xte. Si.xieme Edition. Gauthier-Villars et fils, Editeurs. Paris 1899. Das vorliegende umfangreiche Werk dürfte das vollkommenste und gründlichste von allen sein, die überhaupt von seiner Art exisliren. Klar und übersichtlich geordnet, durch treflflichen Styl ausgezeichnet, bildet das mit eminenter Sachkenntuiss von be- rufenster Seite geschriebene Werk das zuverlässigste Compendium der theoretischen Elektricitätslehre und der praktischen Elektro- technik. Der vorliegende erste Band behandelt die mathematische Theorie der Elektricität und Elektrotechnik, der zweite ihre praktische Anwendung. Schon allein die Thatsache, dass ein so umfangreiches Werk in wenigen Jahren 6 Auflagen erlebt hat, spricht für die Vor- züglichkeit des Gebotenen. Die Ausstattung dos Werkes ist eine vortreff'liche, wie es ja bei einer so wohlrenommirten Firma nicht anders erwartet worden kann. H. Annuaire pour l'an 1900, public par le bureau des longitudes. Avec des notices scientiflques. Paris, Gauthier-Villars et fils. — Prix 1 fr. 50 es. Der neueste Jahrgang des seit 1795 erscheinenden Pariser Annuaire enthält neben einem sehr reichhaltigen, astronomischen Kalendarium und der in ihrer Art einzigen Zusammenstellung physikalischer, chemischer, geographischer und nationalöko- nomischer Tabellen einen allgemeinverständlich geschriebenen und in umfassender Weise belehrenden Essay über dynamoelektrische Maschinen aus der Feder von A. Cornu, einen zeitgemässen, von Lippmann verfassten Bericht über die neuen Gase der Atmosphäre, einige kleinere Beiträge von Janssen, sowie die bei der Einweihung des Tisserand-Denkmals gehaltenen Reden. — Den handlichen Duodezband von 45 Druckbogen können wir bei dem äusserst billigen Preis jedermann zur Anschaft'ung dringend empfehlen. Astronomischer Kalender für 1900. Herausgegeben von der k. k. Sternwarte in Wien. Der ganzen Reihe 62. Jahrgang; der neuen Folge 10. Jahrgang. Wien, Carl Gerolds Sohn. — Preis geb. 2,90 M. Der in Liebhaberkreisen längst geschätzte Wiener astro- nomische Kalender bietet in seinem neuesten Jahrgang neben den wissenswerthen astronomischen Angaben und Verzeichnissen astronomischer Constanten eine instructive Anweisung zur Beob- achtung von Feuerkugeln und Meteoren von Prof. Weiss, einen umfangreichen, von dem Docenten für Chronologie an der Wiener Universität Dr. R. Schramm verfassten Artikel über die Con- struction und Einrichtung des cliristlirljcn Kalenders, einen orien- tirenden und von einer Kaitciiski/./.i' begleiteten Aufsatz des Dr. Palisa über die am 28. Mai I'-iihi stattfindende, in Südeuropa totale, Sonnenfinsterniss, und endlich den üblichen Bericht über neue Planeten und Kometen aus der Feder von Dr. Bidschof. F. Kbr. De-Toni, Dr. J. Bapt., Svlloge Algarum omnium hucusque cog- nitarinii. \'nl. IV. Flnrideae. Sectio IL Familiae I— IV. Pat.ivii. - -JU Maik. Egger, Ob.-Med.-R. a. D. Dr. Jos. Geo, Foraminiferen und Ostra- koden aus den Kreidemergeln der oberbayerischen Alpen. München. — 14 Mark. Hoff, Prof. J. H. van't, Untersuchungen über die Bildungsver- hältnisse der oceanischen Salzablagerungen, insbesondere des Stassfui-ter Salzlagers. Berlin. 0,50 Mark. Möllendorff, Dr. 0. F. v., Landmollusken. Wiesbaden. — 22 Mark. ■halt: Dr. Willi. Pabst: Weitere Beiträge Hauchecorne f. — Der Rindenwickler, Gr:i| Leben. — Litteratur: Dr. Karl Bergmann,,!) Volkszählung vom 2. December 1895. — Eri Kalender für 1900. — Liste. Kcnntniss der Thierfährten in dem Rothliegenden „Thüringens". — Wilhelm ha wöberiana W. V. — Wetter-Monatsübersicht. — Aus dem wissenschaftlichen i)lksilichte der Grossherzoglich Hessischen Provinz Starkenburg auf Grund der ■rard, Levons sur l'electricite. — Annuaire pour l'an 1900. — Astronomischer Naturwissensc liclii^ Wochensi_ XV. Nr. 11. Zur lieituiig; der natui'ftesi'liiehtliflieii Abtheiliing: unserer Lehrmittel-Anstalt suchen wir einen Herrn, welcher über entsprechende Kenntnisse aus den naturwissenschaftlichen Fächern (einschliesslich Chemie) verfügt und genug prak- tische Veranlagung besitzt, um sich in die ge- schäftlichen Obliegenheiten des Postens, welcher, den Anforderungen entsprechend, gut dotirt ist, rasch einzuarbeiten. 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Dümmlers Verlagsbuchhandlttng, Bcj nerstrasse 35, für den Inserntontlioil: Druck: G. Bernstein, Beilin SW. 12. ^^/VocbensefinT/. ^v^ xxcuai^nuii. r Dr. H. Potonie, Verlag: Ferd. DtLinmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94, Redaktion: XV. Band. Sonntag, den 25. März 1900. Nr. 12 Abonnement: Mau abonnirt bei aUen Buchhandlungen und Post- ,|. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist .^M.- Jg sprechenden Rabatt. BeUagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. X bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdrn«k ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Das massenhafte Absterben der Süsskirschen am Rhein. Von Prof. Paul Sorauer. Im Vordergrunde des luteresses steht augenblicklich das im vergangenen Jahre bemerkte Absterben grosser Kirschenpflanzuugen in einzelnen Theilen der Rheingegend. Am meisten gelitten haben die Orte Camp, Oberspay und Osterspay. Nach einem in der Deutschen Landwirthsehaft- lichen Presse vom 13. Decembcr v. J. veröffentlichten längereu Artikel des Landes-Oekonomieraths Goethe- Geisenheim hat die Regierung zu Wiesbaden durch die Landrathsämter feststellen lassen, wie weit die Erscheinung in besorgnisserregendem Maasse aufgetreten ist. Die ein- gegangenen Antworten ergaben, dass von allen Kreisen des Bezirkes die Kreise St. Goarshausen und Unterlahn am meisten gelitten haben. Während die Kirschen in dem dem Nordwinde zugänglichen Oberlahnstein nur wenig geschädigt wurden, erweisen sich die Bäume in dem gegenüberliegenden Niederlahnstein, das durch einen Höhenzug geschützt liegt, beträchtlich erkrankt. Das in einem Kessel liegende Ems soll den grössten Theil seiner Kirschbäume verloren haben und Geheimrath Frank, der zum Studium der Krankheit nach dem Kreise St. Goarshausen gekommen war, giebt den Verlust durch die Krankheit auf ein Viertel des gesammten Kirschbaum- bestandes an. Anscheinend auffällig war der Umstand, dass die Bäume noch meist reichlich Früchte getragen und dann mitten im Sommer abzusterben begannen, wobei gewöhn- lich Gummimassen aus den erkrankten Aesten oder Stämmen austraten. Um Wurzelerkrankung kann es sich nicht handeln, da Stämme mit bereits abgestorbenen Kronen noch lebende Wurzeln zeigen. Frank fand, dass das Absterben in der Rinde des Stammes oder der Aeste beginnt, und nach oben und unten, namentlich aber am Umfang der Achse fortschreitet, wodurch schliesslich der Tod des ganzen Theiles oberhalb der kranken Stelle herbeigeführt wird. Da ein Verpilzuugsprozess neben dieser Erkrankung beständig einhergeht, gewinnt die An- sicht, dass das Kirschbaumsterben eine durch einen specifischen Kirschenpilz verursachte Infectionskrankheit sei, für Frank sehr an Wahrscheinlichkeit. Da ausser- dem häufig an den Krankheitsheerden Bacterienmassen auftreten, glaubt er auch diese möglicherweise au der Erregung und Verbreitung dieser Krankheit betheiligt. Dem entsprechend empfiehlt er alle die Maassregeln der Vorsicht wegen, die bei Infectionskrankheiten üblich sind. Gegen diese Anschauung tritt nun Goethe in dem oben erwähnten Artikel auf. Er betont, dass der von Frank beobachtete Pilz nur von absterbenden Theilen bekannt sei und dass auch die Bacterien im vorliegenden Falle als Krankheitserreger nicht anzusehen wären, sondern dass die einzige Ursache dieser besorgniss- erregenden Erscheinung eine Saftstockung sei, die durch Frühjahrsfröste herbeigeführt worden. . Dem Einwurf Frank's, dass es darum sich nicht um Frostwirkung handeln könne, weil die empfindlicheren Aprikosen in jenen Gegenden gesund geblieben wären, begegnet Goethe mit dem Nachweis, dass die Aprikosen thatsächlich auch mehrfach gelitten haben. Es spricht ferner der Umstand für Goethe's Ansicht, dass die Bäume in freien Lagen weit weniger erkrankt sind und dass es Frank selbst so vorgekommen ist, als ob die Bäume auf weniger reichen Böden nicht so stark erkrankt wären. Wir wissen aber aus Erfahrung, dass unter sonst gleichen Umständen die geschützten Lagen weit mehr zu Frostbeschädigungen geneigt sind und dass üppig ernährte Exemplare frost- empfindlicher zu sein pflegen. Bei diesem Widerspruch in den Anschauungen habe ich versucht, an anderer Stelle meiner Ansicht über den vorliegenden P\all Ausdruck zu geben. Ich habe auf NaturwissenscliaftliL-lie Wochenschrift. XY. Nr. r; Grund von Untersuchungen kranker Kirschzweige aus der Rheingegeud mich auf die Seite Goethe's stellen müssen. Das mir zugegangene Material zeigt die mikroskopischen Merkmale der Frostbeschädigung auch an solchen Stellen, wo von den Pilzen keine Spur zu finden gewesen. Gegen den Einwurf, dass die beobachteten Beschädigungen nicht vom Frost herrühren, spricht ein zufällig zu anderen Zwecken ausgeführter Versuch über die Einwirkung schwacher Kältegrade auf im Hause angetriebene Kirschen. Ich erhielt dabei dieselben Merkmale, wie ich sie bei den rheinischen Kirschen aufgefunden habe, und wie sie mir auch aus anderen Gegenden Deutschlands bekannt ge- worden sind. Demgemäss erscheint mir das Absterben der Kirschen in den Kreisen St. Goar, St. Goarshausen und Uuterlahn nur als ein besonders intensiver Fall eines in den letzten .Jahren vielfach aufgetretenen Vorkommnisses. Hier sind es besonders die frühen Kirschsorten gewesen, die ge- litten haben, während die späten Süsskirschen und die Sauerkirschen verhältnissmässig weniger geschädigt worden sind. In anderen Fällen können andere Kirschensorten leiden. Es kommt nach meiner Ansicht wesentlich darauf an, welche Bäume zur Zeit des Eintritts der Frostwelle gerade in dem gefährlichen Entwickelungsstadium sich befinden. Als ein solch gefährdetes Stadium betrachte ich die Zeit der vorgerückten Knospenentfaltung. Zum Theil werden die jungen Vegetationskegel der sich er- schliessenden Knospen derart verletzt, dass sie alsbald absterben. Dann kann der Fall eintreten, dass die am weitesten fortgeschrittenen Triebe an der Spitze der Zweige sich weiter entwickeln, dagegen die tieferstehen- deu Augen nur wenig oder gar nicht mehr austreiben. In anderen Fällen ist die Frostwirkung nicht so intensiv, dass sie die jungen Orgaue tödtet, wohl aber innere Bräunungen, gummöse Gefässverstopfungen und Gewebe- zerklüftungen hervorruft, deren Folge die allmähliche Ausbildung des Gummiflusses ist. Diese Gummificirung der Gewebe schreitet langsam fort und wenn sie im Laufe des Sommers sich so weit gesteigert hat, dass sie an ein- zelnen Stellen einen grossen Theil des Zweig- oder Stammumfanges erfasst hat, beginnt das Absterben. In dieser Weise stelle ich mir den Vorgang der Er- krankung bei den frühen Süsskirschen in den Rheinthälern vor. Ein derartiger Fall ist höchst beklagenswerth und erfordert die ernstesten Anstrengungen, um einer Wieder- holung vorzubeugen; aber wissenschaftlich neu ist er nicht. Ich würde denselben auch nicht an dieser Stelle zur Sprache gebracht haben, wenn ich nicht einige allgemeine Gesichtspunkte im Interesse unseres Obstbaues erörtern wollte. Stellen wir uns einmal vor, was keineswegs aus- geschlossen ist, dass die Laboratoriumsversuche mit den bei den rheinischen Kirschen beobachteten Pilzen irgend einem Forscher die Ueberzeugung beibrächten, der Pilz vermöchte doch die Kirschen krank zu machen, und nehmen wir an, dass, wie bei der Monilia-Krankheit, nuu allenthalben die Bekämpfungsmethode vorgeschrieben wird, wie sie für Infectionskrankheiten üblich ist. Was würden wir damit erreichen? Die Obstzüchter vergeuden eine Menge Zeit und Geld und kommen schliesslich zu der Ueberzeugung, dass die ganze Methode werthlos sei. Sie schütten das Kind mit dem Bade aus und lassen miss- trauisch das Desinfectionsverfahren auch da bei Seite, wo es wirklich helfen könnte. Das ist aber der gerin- gere Nachtheil; der grössere ist der, dass sie durch den Glauben an eine Infectionskrankheit von dem richtigen Wege, der Wiederholung solcher Schäden vorzubeugen, abgelenkt werden. Nach meiner Auffassung liegen uns thatsächlicbe Beispiele dieser Art gar nicht fern. Ich betrachte als einen derartigen Fall die so viel besprochene Monilia- Krankheit, bei der es sich um das Absterben der Sauer- kirschen handelt. Ich bin weit davon entfernt, zu leugnen, dass durch die Ansiedlung der Monilia ein Absterben der Blüthen und von da aus ein Zurücksterben der Zweige erfolgen kann. Im Gegentheil, ich bin sogar der erste gewesen, der einen solchen Fall beschrieben hat. Aber was hat man aus diesen Vorkommnissen abgeleitet! Wenn die Sauerkirschzweige irgendwo abstarben und man fand dann die Monilia, so wurde dies Faktum ge- meldet. Durch die beängstigenden Schilderungen in den öffentlichen Blättern mehrten sich auch die wissenschaft- lichen Beobachter und suchten nach der Monilia — und fanden sie natürlich, da der Pilz einer unserer gemeinsten und verbreitetsten Obstschimmel ist. Da früher kaum jemand danach gesucht hat, so waren die Notizen darüber spärlich; jetzt, wo man eifrig suchte, wurde der Parasit allenthalben gefunden und aus diesem Verfahren baute sich der Beweis auf, dass eine Epidemie in schrecken- erregender Weise um sich greift. Es hat aber meines Wissens Niemand wissenschaft- lich die Frage geprüft, ob denn immer da, wo die Mo- nilia gefunden wird, sie die primäre Ursache des Zweig- absterbens ist und ob dort, wo sich ein Absterben der Zweige geltend machte, überhaupt überall Monilia zu finden war"? Wäre dies geschehen, so wäre man zu der Ueberzeugung gekommen, dass in vielen Fällen es sich gerade so um eine Frostbeschädigung gehandelt habe, wie jetzt bei den Kirschen am Rhein. Man würde nicht jene kopflosen Fälle zu beklagen gehabt haben, dass die Besitzer ihre Bäume imigeschlagen ; man wurde auch nicht zu dem Glauben gelangt sein, es handele sich um eine unsern Kirschenbau geradezu in Frage stellende Pilzepidemie. Sehr erklärlieh ist es, wenn nun vielfach die Er- fahrung gemacht wird, dass das empfohlene Bespritzen mit Bordeauxmischung nicht die gewünschte Wirkung hat. Aber auch in anderer Beziehung lässt sich nicht selten ein Zusammenhang zwischen Pilzerkrankung und Frostschäden nachweisen. So hat man in den letzten Jahren, und wahrscheinlich mit Recht, darüber geklagt, dass der Pilz des Apfelsehorfes, Fusicladium dendriticum, mehr wie früher sich ausgebreitet habe. Controliren lassen sich derartige Angaben nicht, da die Thatsache, dass viel mehr Erkrankungsfälle als früher zu unserer Kenntniss gelangen, auch dadurch erklärt werden kann, dass eben jetzt viel mehr Beobachter, auch aus praktischen Kreisen, auf die Erscheinung achten. Wenn man nun viel schorfkraukc Blätter untersucht, findet mau nicht selten in den Blattstielen, die gar nicht den Pilz besitzen, die Bräunungsersciieinungcn der Frost- beschädigungen. Es haben also solche Blätter in ihrer ersten Entfaltungsperiode von einem Frtthjahrsfroet zu leiden gehabt, der sie äusserlich nicht geschädigt, aber ihre Entwickelung verlangsamt haben wird. Nun ist aber gerade bei Fusicladium nachgewiesen worden, dass der Pilz nicht das fertige, ausgereifte, sondern das noch in der Entwickelung begriffene Blatt anzugreifen pflegt. Alle Faktoren, welche die Ausbildung des Blattes verzögern, es also länger im pilzempfänglichen Zustande erhalten, werden deshalb der Ausbreituug des Fusicladium Vorschub leisten. Nun haben wir in den letzten Jahren mit ihren milden Wintern und Kälterückschlägen im Frühjahr wiederholt solche Vegetationsstörungen durch Frostbeschädigungen zu verzeichnen gehabt, und dadurch wird es verständlich, wenn man über stärkere Ausbreitung des Apfelschorfes, zunehmendes Zweigabsterben und grössere Beschädigung durch andere Parasiten klagt. XV. Nr. 12. Natnrwissenseliaftlielie Wochenschrift. 135 Die hier angeführten und viele andere Fälle weisen, meiner Ansicht nacli, darauf hin, dass wir bei allen Pilz- epidemieen in erster Linie zu fragen haben, wo die begünstigenden Nebenumstände für die zeit- weilige Ausbreitung eines Parasiten liegen? Denn die meisten unserer krankheitserzeugenden Pilze sind alte Bekannte, die immer vorhanden sind. Warum sind sie denn aber nicht immer in gefährlicher Aus- breitung? Es müssen also zu Zeiten der Epidemieen gerade besonders günstige Umstände für die Vermehrung eines bestimmten Parasiten vorliegen, darunter häufig solche, welche in den die Pilzansiedlung erleichternden Schwäche-Erscheinungen der Nährpflanze bestehen. Diese disponirenden Zustände müssen wir ergründen, sonst wird die lokale Pilzbekämpfung wenig helfen. Natürlich wird es stets eine Anzahl von Fällen geben, wo wir plötzhch eintretenden, ungünstigen Witterungs- perioden und einer damit verbundenen besonders starken Ausbreitung von Parasiten nahezu machtlos gegenüber- stehen; aber andererseits werden wir auch nicht selten in der Lage sein, die zur Erkrankung disponirenden Zu- stände zu vermeiden. Zu solchen Vorbeugungsmaassregeln gehört in erster Linie die Vermeidung von Frostschäden, die nach meinen Untersuchungen viel häufiger sind, als wir gewöhnlich annehmen. Wenn wir auch den Herein- bruch einer Spätfrostwelle nicht abwenden können, so können wir doch widerstandsfähigeres Baummaterial heranziehen, indem wir in gefährdeten Gegenden die weichen Sorten und das zu üppige Wachstbum vermeiden und für die einzelnen Obstsorten die Lagen aus- suchen, die für sie erforderlich sind. Betreffs der Kirschen wurden wir, wie ich glaube, weit weniger über das Zweigabsterben zu klagen haben, wenn wir sie nicht häufig iu schwere Böden, in reich be- wässerte, stark gedüngte Gärten, iu warme Thäler oder sonstige geschützte Lagen brächten, sondern ihnen einen I freien, dem Winde zugänglichen, trockenen Standort auf ' durchlässigem Boden geben würden. W. Biedermann und P. Moritz: lieber die Fiiiik- tiou der sogenannten „Leber" der Mollusken. (Archiv für die gesammte Physiologie. Bd. 75, 1899). — Die vorliegende Arbeit gehört einer Reihe von Abhandlungen derselben Autoreu an, die unter dem Titel: „Beiträge zur vergleichenden Physiologie der Verdauung" in Pflügers Archiv erscheinen. Ihr Inhalt zerfällt in 3 Abschnitte. I. Die Morphologie der Leber: Die Gastropoden- leber ist eine zusammengesetzte, acinöse Drüse. Nur die untere concave Fläche des grossen Leberlappens ist von einer eigenen, zahlreiche Muskelfasern enthaltenden Mem- bran überzogen. Muskelstränge sind auch zwischen den einzelneu Follikeln vorhanden. In der Leber selbst lassen sich 4 Zellformen unterscheiden: 1. Bindesubstanz- zellen, die überall da bei den Gastropoden vorkommen, wo sich bei höhereu Thieren das Bindegewebe findet. 2. Sekretzellen, si& enthalten ein braunes Sekret. B. Resorptionszellen, sie sind nur bei Hungerthieren frei von Einschlüssen. 4. Kalkzellen, sie enthalten farb- lose, stark lichtbrechende Kügelchen von phosphorsaurem Kalk. Nur die Landpulmonateu besitzen Kalkzellen in der Leber. Der phosphorsaure Kalk findet bei der Schaleu- bildung und insbesondere bei der Ausbesserung von De- fekten der Schale Verwendung; er dient zur Herstellung des Winterdeckels und scheint bei den Nacktschnecken in dem zähen Sekrete, welches die Thiere zu ihrem Schutze abscheiden, eine wichtige Rolle zu spielen. Die Schneckenleber ist ein Speicherorgan: 1. Für enormen Mengen von Kohlehydraten in Form von Glykogen (vornehmlich in den Bindesubstanzzelleu, aber auch in den Resorptionszellen und Kalkzellen); 2. für Fett, das sich besonders in den Kalkzellen, auch in den Resorptions- zellen ansammelt; und 3. für Caleiumtriphosphat in den Kalkzellen. II. Die Leber als Verdanungsdrüse. In dem Darmtractus der Landschnecken finden sich z wischen den Speicheldrüsen und der sogen. Leber keine Drüsen. Auch die Schleimhaut des Magendarmkanals entbehrt der drüsigen Gebilde. Dieser Umstand, sowie der anatomische Befund der Leber lassen schon vermuthen, dass diese eine Verdauuugsdrüse ist, eine Vermuthung, die sich in der That als richtig erweist. Das braune Sekret der Leber enthält ein Stärke lösendes und ein sehr energisch wirken- des Celluloseeuzym, während ein Eiweiss spaltendes Enzym in dem extracellulären Sekrete ganz zu fehlen scheint. Im letzteren Befunde steht Biedermann im Gegensatze zu allen früheren Autoren. Zum Vergleiche wurden auch künstliche Verdauungs- j versuche mit dem Darmsafte der unter ganz gleichen äusseren Bedingungen lebenden, von denselben Pflanzen sich nährenden Raupen des Kohlweisslings angestellt, welche zu ganz überraschenden Ergebnissen führten. Bei den Schnecken wird der protoplasmatische In- halt der Pflanzenzelle trotz rascher und vollständiger Auf- lösung der Zellmembran und Herauslösung der Stärke- einschlüsse nie in merklicher Weise angegriffen. — Das Darmsekret der Raupen dagegen löst die Cellulose gar nicht. Daher gehen alle Pflanzenzellen, die nicht auge- bissen sind, unverletzt durch den Darm. Nur die ge- öffneten Zellen werden ihres Inhalts an Eiweiss und Kohlehydraten beraubt. Auch die dem Verdauungs- safte zugänglichen Stärkekörner der geöffneten Zellen werden zumeist nur in Erythrodextrin, ein kleiner Bruch- theil in Zucker verwandelt. I Das schwach wirkende amylolytische Enzym der Raupen ist also wesentlich verschieden von dem sehr energisch wirkenden der Schnecken. Dagegen arbeitet wieder das proteolytische Enzym der Raupen mit grosser Energie. Die beiden Verdauungsprozesse ergänzen sich dem- nach gegenseitig. Uebergiesst man ein Blattstück in einem Uhrglas mit Lebersekret der Schnecke, so werden die Zellmembranen und die Stärkekörner gelöst, die Pro- toplasmaschläuche mit den Chlorophyllkörnern bleiben unversehrt. Setzt man dann Darmsaft der Raupen hinzu, so wird der Rest gelöst bis auf die starke Epidermis und die sehr festen Gefässbündel. Die Ausnutzung der Nahrung ist also bei beiden Thierarteu eine recht unvollkommene. Das Verhalten der Schnecken dem Eiweiss gegenüber bedurfte noch eines weiteren Studiums. Eine Helix pomatia wurde mit einer gewogenen Menge Hühnereiweiss ge- füttert; die weissen Fäees wurden gesammelt und ge- wogen. Da zeigte sich denn ein immerhin erhebhcher Verlust. Die Schnecke musste etwa ein Drittel des Eiweisses verdaut haben. Alle künstlichen Verdauungs- versuche ergaben aber negative Resultate. Folgendes Experiment brachte schliesslich Klarheit. Zwischen die beiden Schnittflächen einer aufgeschnittenen frischen Schneckenleber wurde eine Fibrinflocke gelegt und die Leber, gegen Verdunstung geschützt, im Brütofen bei 30" 136 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 12. ant bewahrt. Die Fibrinflocke zeigte sich nach einiger Zeit weich und brüchig und zerfiel schUesslich zu einem gelben Detritus, d. h. wurde verdaut. Eine Erklärung dieses ümstaudes kann nur darin gefunden werden, dass eine direkte Berührung des testen Eiweisses mit der leben- den, resp. überlebenden Leberzelle die chemische Um- wandlung des Eiweisses ermöglicht. — Gelöstes Eiweiss wird von der Schnecke leicht resorbirt, ungelöstes Eiweiss wird dagegen nur in geringem Maasse ausgenutzt. III. Die Leber als Resorptionsorgan: Die Leber der Schnecken ist nicht nur morphologisch, sondern auch physiologisch nichts weiter als eine weit verzweigte, mit besonders dift'erenzirten Epithelzellen versehene Aus- stülpung des Darmes. Ein directes Eindringen der Speise durch die sehr weiten Lebergänge bis in die Follikel ist nicht nur mög- lich, sondern sogar der normale Vorgang. Man kann nach Freilegung der grossen, ziemlich transparenten Ausführungs- gänge der Leber das Ein- und Ausströmen des Nahrungs- breies direct beobachten. Die Leber enthält Muskeln, sie ist also contractu. Bei einer blossgelegten Leber sieht man, wie die einzelnen Abtheilungen des Organs sich ab- wechselnd contrahiren. Daher bietet die Hinausbeförde- rung des Breies aus der Leber keine Schwierigkeit. Dass Speisebrei in die Leber eindringt, ist sicher. Biedermann ist nun aber der Meinung, dass die ganze Nahrungsmasse die Leber passirt, und dass diese das einzige Resorptionsorgan der Schnecke ist. Die ganze anatomische Beschaffenheit des Darmes an den Mündungen der Lebergänge weist darauf hin, dass hier ein sphinkterartiger Verschluss des Darmes herbei- geführt werden kann, so dass dann der Darminhalt keinen anderen Weg zu nehmen vermag als den in die Leber. AVie leicht der Inhalt des Darmes geneigt ist diesen Weg einzuschlagen, zeigt übrigens ein Experiment: Schneidet man bei einer geöffneten Schnecke oberhalb der Leber den Darm durch, bindet eine Spritze ein und presst Mehl- brei in den Darm, so zeigt die folgende Untersuchung der Leber, dass diese prall angefüllt ist mit dem injicirten Brei. Die Leber resorbirt Kohlehydrate, Eiweiss und Fett. Erhält eine Schnecke stärkehaltige Nahrungsstoffe, so finden sich später in der Leber Stärkekörner in allen Verdauungsstadien. Füttert man eine Schnecke mit roth- gef'ärbtem Eiweiss, so findet sich solches nach einiger Zeit im Lumen der Leberkanäle. Aber auch die Re- sorptionszellen sind jetzt roth. Das beweist, dass sie ge- färbtes Eiweiss aufgenommen haben. Am leichtesten lässt sich für ein Thier der ()rt der Resorption des Fettes feststellen. Zellen, welche Fett resorbiren, müssen eben Fettkugeln als aufgenommenes Fett enthalten. Reiciit man einer Schnecke, welche längere Zeit gehungert hat, deren Leber deshalb fettarm geworden ist, eine fettreiche Nahrung, so zeigen bald darauf die Resorptionszellen grosse Fetteinschlüsse. Da somit die resorbirende Thätigkeit der Leber voll- kommen sicher gestellt ist, da es ferner mindestens zweifelhaft erscheint, ob die flimmernden Epithelzellen des Magendarmkanals überhaupt hinreichend resorptionsfähig sind — sie werden von demjeweiligen Stande der Ver- dauung in keinem merklichen Grade beeinflusst — so schliessen Biedermann und Moritz, dass die Leber der Pulmonaten das alleinige Resorptionsorgan dieser Thiere sei. C. Rengel. lieber die Korallenriff- Theorien sprach in der Sitzung der Geseilschaft naturforschender Freunde zu Berlin vom 19. Dezember 1899 Friedr. Dahl. Um die theilweise recht eigenthümlichen Formen der Koralleninsein zu erklären, haben verschiedene Forscher nacheinander Theorien über deren vermuthliche Bildungsvveise auf- gestellt. Welche von jenen Theorien die allein richtige ist oder welche von ihnen neben anderen Berechtigung hat, das lässt sich nur an der Hand eines möglichst umfassenden Thatsachenmaterials feststellen. Man muss an möglichst vielen Orten den Versuch machen, nach welcher Theorie sich die vorliegenden Bildungen am besten erklären lassen. Ich möchte nun im Vorliegenden die wichtigsten Theorien an der Hand der von mir im Bismarck- Archipel beobachteten Thatsachen beleuchten. Die ersten Autoren, welche sich über die Form der Korallenriffe Gedanken machten (Forster, Chamisso), wollten jene ausschliesslich und unmittelbar auf die Con- figuration des Meeresbodens zurückführen. Wenn der Rand der Riffe oft sehr steil abfällt, so sollte es sich um unterseeische Berge und Hochplateaus handeln, und wenn die Riffe und Inseln sehr oft Ringform besitzen, so glaubte man, dass die Korallen sich auf dem Rand unterseeischer Krater angesiedelt hätten. Bei dieser Erklärungsweise musste einerseits die grosse Zahl gleich hoher unter- seeischer Krater auffallen, und andererseits fanden die neben den Atollen sehr häufig auftretenden, sogenannten Barrierriffe, d. h. Riffe, welche in einer gewissen Ent- fernung die Küsten mancher Festländer oder grösseren Inseln begleiten, überhaupt keine Erklärung. Um diesem Mangel abzuhelfen, stellte Darwin eine neue umfassende Theorie auf. Auch Darwin ging, wie seine Vorgänger und Nachfolger, aus von der ursprüng- lichen Configuration des Bodens und suchte zu zeigen, wie sich aus einem Strandriff durch Senkung ein Barrier- rifif resp. ein Atoll entwickeln könnte. Hebungen und Senkungen hat man überall auf der Erde nachweisen können. Lässt man diese auf ein Ko- rallenriff einwirken, so kann man drei Möglichkeiten unterscheiden : 1. der Boden hebt sieh. Dann wird das Korallenriff, das wir uns als Küstenrifif denken wollen, sehr bald die Oberfläche des Wassers erreicht haben. Es wird erst bei Ebbe und dann dauernd auftauchen, die Polypen werden absterben und das Rift' wird den Küsten- saum erweitern. Derartige Küstensäurae, welche aus Koralleukalk mit fast unversehrten, recenten Korallen- stöcken in ihrer ursprünglichen Lage bestehen, sind weit verbreitet. Im Bismarck-Archipel kenne ich sie z. B. bei Kabakaul. 2. Der Boden bleibt stationär. Dann werden die Korallen bis zur Oberfläche weiter wachsen und wahrscheinlich schliesslich in ihren oberen Theilen ab- sterben. 3. Der Boden senkt sich. In diesem Falle können wir wieder zwei Möglichkeiten unterscheiden. a) Entweder die Senkung erfolgt schneller, als die Ko- rallenstöcke weiterwachsen können. Dann wn'd das Riff immer tiefer sinken. Schliesslich werden die Lebens- bedingungen immer ungünstiger werden, die Stöcke wer- den immer mehr und mehr verkümmern, wie es Basset Smith für die bis 90 m tiefe Macclesfield Bank nachge- wiesen hat, und endlich sterben sie gänzlich ab. Auch abgestorbene Riffe kennt man. Sie werden aber meist erst entdeckt, wenn sie durch Hebung wieder der Ober- fläche näher gerückt sind, b) Erfolgt endlich die Senkung nur so langsam, wie die Korallenstöcke weiter wachsen, und das wäre die letzte Möglichkeit, die neben anderen gelegentlich eintreten muss, so wird das Riff immer stärker werden und dabei doch immer in günstiger Tiefe unter dem Meeresspiegel und lebenskräftig bleiben. In diesem letzteren Falle werden sich, wie Darwin annimmt, je nach der Configuration des Bodens Barrierriffe oder Atolle bilden. Ist neben einem Festland oder einer grösseren Insel mit niedrigem Ufersaum ein Strandriff vorhanden, so XV. Nr. 12. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. wird der Ufcrsaiini bei einer HeuUmiy bald unter die Meeresfläche biiuibsiukeu. Dureii die neugeschaffene Wasserfläche ist Gelegenheit gegeben, dass sich das Riff nach dem Lande hin verbreitern kann. Es würde also ein Straudriff von grosser Ausdehnung entstehen. Der- artige breite, überall kräftige Riffe kennt man indessen nirgends. Man hat also Grund anzunehmen, dass in dem genannten Falle eine andere Rifftbrm entsteht, nämlich das Barrierrift, das durch einen mein" oder weniger breiten Canal von der Küste getrennt wird. Man kann nämlich die Beobacbtung machen, dass sich innerhalb des Riffes keine zusammenbängende kräftige Riffmasse bildet. Wohl findet man einzelne Korallenstöcke innerhalb des Riffes, auch vvohl kleine Gruppen von Korallen. Diese Korallen sind aber entweder sehr kümmerlich oder es sind besonders zarte Arten, die nur in Lagunen, d. h. im ruhigen Wasser leben. Ausnahmsweise fand ich freilich auch echte Ko- rallenriffe in einem fast völlig abgeschlossenen Meeres- theil. So kenne ich ein Riff mitten im Hafen von Mioko, ferner kommen Riffe in den innersten Theilen der Blanche- Bucht vor etc. In diesen Fällen aber fand ich die Stöcke stets relativ klein. Sie waren so recht zum Verschicken geeignet, während die Stöcke auf dem Korallenriff bei Ralum meist zum Verschicken zu mächtig waren. Die Erklärung für das geringe Wachstlium im abgeschlossenen Meerestheil ist leicht gegeben. Das Wasser innerhalb des Riffes enthält immer viele Fremdkörper suspendirt, die den Korallen offenbar nachtheilig sind. An Fluss- und Bachmündungen ist das Riff, das die Küste begleitet, deshalb immer breit unterbrochen. Es kommt hinzu, dass die in pelagischen Organismen bestehende Nahrung weniger gut zu dem inneren Theil des Riffes gelangen kann. Wie ein Strandriff neben einem Festland oder einer grosseren Insel nach Darwin durch Senkung des Bodens zum Barrierriff wird, genau in derselben Weise muss es neben einer kleinen, flachen Insel zum Atoll werden, so- bald jene Insel unter den Meeresspiegel hinab ge- sunken ist. Semper und Murray glaubten Thatsachen beobachtet zu haben, welche nicht mit der Darwin 'sehen Theorie vereinbar seien als eine wichtige Thatsache der Art er- schien ihnen folgende: In Gebieten mit Barrierriffen und Atollen, also nach Darwin in offenbaren Senkungsgebieten, fanden sie jüngeres vulkanisches Gestein und jüngeren Ko- rallenkalk über der Hochwasserlinie, also offenbare Zeichen einer jüngeren Hebung. Sie glaubten nun, dass Hebung und Senkung in einem so eng begrenzten Gebiete nicht neben einander vorkommen könnten und stellten deshalb eine Theorie auf, welche die verschiedenen Riffformen unab- hängig von Bodensenkungen erklären sollte. Die Semper- Murray'sche Theorie ist kurz folgende: Die Kalkschalen abgestorbener Hochseeorganismen sinken auf den Meeresboden hinab und bewirken eine langsame Er- höhung desselben. Da nun aber das Meerwasser die Fähigkeit besitzt, kohlensauren Kalk zu lösen und des- halb die Schalen um so weiter auflösen wird, je tiefer sie sinken, müssen Bodenerhebungen am Meeresgrunde stärker wachsen als ihre Umgebung und sich deshalb immer steiler gegen die Umgebung abheben. Die Er- hebungen werden schliesslich soweit gewachsen sein, dass sich Korallen ansiedeln können. Die Korallen wachsen dann bis zur Oberfläche empor und sterben in den mittleren Theilen wegen unzureichender Ernährung ab. Der todte kohlensaure Kalk dieser abgestorbenen Korallen wird vom Meereswasser gelöst und von den Wellen ab- gewaschen. Es entsteht also in der Mitte eine Lagune, während die seitlichen Theile üppich weiter wachsen. — In ähnlicher Weise, wie das Atoll, entstehen nach den ge- nannten Autoren die Barrierrifte durch Auflösen und Aus- waschen der inneren, dem Lande näheren Theile eines Strandriffes und durcii Ansiedelung neuer Korallen auf Bruchstücken die sich am Rande losgetrennt und am äusseren Abhänge abgelagert haben. In neuerer Zeit hat Agassiz noch eine weitere Theorie aufgestellt, die sich eng an die Semper-Murray'sche an- sch]iesst,aber doch noch erheblich abweicht. Man kann seine Theorie kurz folgender Maassen wiedergeben: Abgesehen von den durch die Conflguration des Meeresbodens unmittel- bar gegebenen Riffformen, entwickeln sieh Atolle und Barrierriffe an der Stelle flacher Inseln und flacher Küsten striche, aber nicht durch Senkung, sondern durch die Wirkung der Brandung. Am äusseren Rande der Land- massen siedeln sich Korallen und andere Thiere an und machen diesen Rand gegen die Brandung widerstands- fähiger. Die Theile, die oberhalb der Ebbelinie liegen, werden zur Fluthzeit von der Brandung weggewaschen und da sich auf den inneren Theilen wegen der un- günstigen Lebensbedingungen keine Korallen ansiedeln können, werden diese Theile immer tiefer ausgewaschen und zur Lagune. Der äussere Rand dagegen bleibt dauernd widerstandsfähig. Steile Abstürze, wie wir sie neben Korallenriffen kennen, können nach Agassiz im Meere ebensowenig auf- fallen, wie auf dem Lande und an korallenfreien Küsten. Der Haupteinwand, den Agassiz gegen die Darwin- sche Theorie geltend zu machen seheint, ist der von Rein zuerst aufgestellte; dass nämlich mächtige Korallenkalk- ablagerungen, wie sie die Darwin 'sehe Theorie uoth- wendig voraussetzen muss, nicht bekannt seien. Agassiz hat den Nachweis geführt, dass Korallen- kalkablagerungen, die man früher für alte Riffe hielt, vielfach äolischen Ursprungs, d. h. Dünenbildungen sind. Auf Bermuda sehen wir noch heute derartige Korallen- sanddünen entstehen. Durch Regenwasser wird ein Theil des Kalks gelöst und die ungelöste Masse durch die Lösung zu einem festen Gestein verkittet. Ich habe in einer früheren kleinen Arbeit die Agassiz'sche Theorie nicht berücksichtigt, weil ich aus seinen früheren Arbeiten entnehmen zu können meinte, dass er seiner Theorie nur eine lokale Bedeutung zu- schreibe. Aus seineu neueren Arbeiten aber scheint mir zweifellos hervorzugehen, dass er seine Theorie unmittel- bar an die Stelle früherer Theorien setzen und überall angewandt wissen will. Da muss denn allerdings auch der Versuch gemacht werden, wieweit die von mir im Bismarck-Archipel beobachteten Thatsachen mit ihr in Einklang zu bringen sind. Gehen wir aus von den mäch- tigen Korallenkalkablagerungen, welche ich auf der Insel üatom und namentlich an der Nordküste von Neu- Pommern am Fuss der Baining-Berge beobachten konnte. Agassiz hält derartige Ablagerungen für Dünenbildungen. Nun fand ich aber auf üatom 170 m hoch und an den Bainingbergen etwa 300 m hoch deutliche Koralleustöcke. Der höchste Punkt, den ich in den Bainingbergen er- reichte, war 570 m. Dort oben konnte ich allerdings keine Korallen auffinden. Ob die Korallenreste, die ich am Abhänge fand, Jungtertiär oder receut sind, konnte ich nicht mit Sicherheit entscheiden. Es ist das auch für die Frage vollkommen gleichgültig. Jedenfalls können die Korallenstöcke nicht 170 und 300 m hoch hinauf ge- weht sein. Es müssen sich also, wenn wir Agassiz folgen, erst Dünen gebildet haben, dann muss eine Senkung ein- getreten sein, die Korallen müssen sich angesiedelt haben und schliesslich, nachdem eine dünne Kruste von Korallen sich gebildet hatte, muss das Ganze sich wieder zu der- selben Höhe gehoben haben. Nach der Darwin' sehen Theorie würden wir mit einer Senkung und darauf- folgenden Hebung auskommen. Sie würde also die That- 138 Naturwissenschaftliche Wochensclirift. XV. Nr. 12. Sachen etwas einfacher erklären. Nach Murray würden wir sogar mit der Annahme einer einmaligen Hebung auskommen; Murray nimmt nämlich an, dass mächtige Koralleukalkablagerungen sich am äusseren, steilen Ab- hänge eines Korallenriffes durch Lostrennen und Hinab- stürzen der äusseren Randtheile und schliessliche Ansiede- lung neuer Korallen auf dem Trümmerhaufen gebildet haben können. Es kommt noch ein Punkt hinzu, der mir die Aggassiz'sche Dünentheorie für jenes Gebiet recht un- wahrscheinlich macht. Der Bismarck-Archipel ist sehr regenreich und deshalb ist der Boden überall bis hart ans Meer hinunter sehr dicht bewachsen. Dünenbildungen würden dort heutzutage geradezu als etwas Unerhörtes gelten können. Das kann ja freilich früher anders gewesen sein. Immerhin aber' müssten wir eine weitere willkürliche Annahme machen, während nach der Darwin'schen und Öemper-Murray'schen Theorie sich Alles unter den jetzt bestehenden Verhältnissen gebildet haben könnte. Während die Koralleukalkablagerungen des Bismarck- Archipels, so weit wir sie jetzt kennen, nicht mit Noth- wendigkeit auf die Richtigkeit irgend einer Theorie schliessen lassen, sondern nur die Agassiz'sche Theorie als unwahrscheinlich erscheinen lassen, giebt es noch andere Thatsachen, die entschieden für die Darwin 'sehe Theorie sprechen. An den Küsten vieler aus Korallenkalk aufgebauten Inseln sieht man, dass das Ufer von der Brandung unter- wühlt ist. Die Aushöhlung liegt normaler Weise so hoch, dass auch bei Hochwasser die zurückprallenden Wellen nach oben einen weiten Spielraum haben. Nur au einer Stelle auf der Insel Keravvara fand ich die obere Kante der Aushöhlung unmittelbar über der Hochwasserlinie. Und trotzdem fand ich das Gestein an dieser Kante nicht fester als anderswo. Ich weiss mir diese Thatsache nicht anders zu erklären, als dass sich hier der Boden in aller- jüngster Zeit gesenkt hat. Die Vermuthnng wurde bei mir zur Gewissheit, als ich erfuhr, dass neben dem be- nachbarten Theil der Insel Mioko eine Stelle jetzt von den Wellen bespült wird, die noch vor; 10 Jahren ein Haus trug. Das feste Kalkgestein tritt auf der schräg nach Westen sich abdachenden Insel Mioko fast unmittel- bar zu Tage und trägt die Häuser. Dass hier die oberen Schichten von den Wellen weggespült sein könnten, wie Agassiz vermuthen möchte, ist völlig ausgeschlossen. Zum Wegnageu des Gesteines fehlt die nöthige Brandung. Jene bricht sich schon an dem vorgelagerten Barrierriff. Es handelt sich also sicher um eine Senkung. Und durch diese Senkung ist die Lagune innerhalb des Barrierriffes in den letzten 10 Jahren verbreitert worden. Wir haben hier also mit andern Worten die Bildung eines Barrier- riffes durch Senkung unmittelbar vor Augen. Was nach Darwin Theorie ist, sehen wir als Thatsache vor uns. Ich glaube nicht, dass ein zweiter Punkt auf der Erde bekannt ist, der einen so unmittelbaren Beweis dafür Hefert, dass sich in der von Darwin vermutheten Weise ein Barrierriff bilden kann. Bemerkenswerth ist noch, dass bei der kaum 7 km von Kerawara entfernten, weiter östlich gelegenen Insel Muarlin die durch die Brandung bewirkte Aushöhlung des Gesteins von normaler Höhe, ja ich möchte fast annehmen, etwas über normal hoch ist, so dass hier keine Senkung, vielleicht gar in neuerer Zeit eine weitere Hebung vor sich geht. In vollkommener Uebereinstimmung mit dieser Annahme besitzt die ganze Ostseite der Neu- Lauenburg- Gruppe nur Strandriffe, während nach Keravvara hin das Strandriff allmählich in ein Barrierriff übergeht. Man sieht also, dass einer der Haupteinwände, welchen Semper und Murray gegen 1 die Darwin'sche Theorie geltend gemacht haben, unzu- treffend ist. Ob sich alle Barrierriffe in derselben Weise wie das neben Mioko hinlaufende durch Senkung gebildet haben, das ist freilich eine ganz andere Frage, deren Beant- wortung noch in weitem Felde liegt. Nur soviel steht fest. Im Bismarck-Archipel liegen manche Thatsachen vor, welche sich nach der Darwin'schen Theorie leicht erklären lassen, der Semper - Murray' sehen und Agassiz'schen Theorie aber mehr oder weniger zu widersprechen scheinen. Ueber die Vererbung der Wüchsigkeit durch aus- gewähltes Saatgut hat Dr. Clausen, Director der Landwirthschaftsschule in Heide, Untersuchungen ange- stellt (Journal für Landwirthschaft 1899), die nicht nur für den praktischen Landwirth, sondern auch für den Natur- wissenschaftler Interesse beanspruchen. Die in einem Zeiträume von 7 Jahren angestellten Versuche erstreckten sich einestheils auf Getreidepflanzen (Hafer, Gerste, Roggen) anderentheils auf Bohnenpflanzen. Auf Grund von Culturversuchen mit Getreidepflanzen zeigt sieh durch genaue Bestimmung des Körnergewichts, dass das bessere Saatgut bessere Pflanzen und Aehren erzeugt und den Körnerertrag erhöht hat. Die aus kleineren Körnern her- vorgegangenen Pflanzen scheinen mehr die Strohproduction zu begUustisen. Aus den zahlreichen Tabellen ist weiter ersichtlich, dass grosses und schweres Saatgut auch ver- bessernd auf die Getreidesorte einwirkt. Von hohem Interesse sind hier die aus zahlreichen Versuchen resul- tirenden zahlenmässigen Feststellungen, die sich auf Körner- und Strohgewicht beziehen, und aus denen folgt, dass mit zunehmendem Gesammtertrag sich das Körner- gewicht relativ stärker vermehrt, als der Ertrag an Stroh und umgekehrt. Versuche zum Zweck der Beobachtung der Ausbildung der Getreidekörner ergaben, dass durch das bessere Saatgut auch in der Ernte eine vollkommenere Körnerbildung erzielt wird. Aus alledem ist für den Landwirth der Beweis dafür erbracht, w;ie wichtig eine sorgfältige Körnerauswahl beim Saatgut ist. Eine grosse Zahl ähnlicher Versuchsreihen wurden mit Bohnen angestellt. Auch hier wird zahlenmässig festgestellt, dass die Nachkommen grosser Pflanzen mehr Korugewicht producirt haben, als die Nachkommen kleiner Pflanzen, ein Umstand, der wohl in erster Linie der von der Stammpflanze ererbten Wüchsigkeit, dann aber auch dem grösseren Gewicht der die Reservestoffe bergenden Saatkörner zuzuschreiben ist. Auch zeigte sich, dass die Grösse des Saatgutes von Einflnss auf den Ertrag war. Von Interesse sind die Untersuchungsresultate, welche die Vererbung der Wüchsigkeit betreffen. Erfolgreiche Versuche wurden angestellt mit grossen und kleinen Körnern, vielsamigen und w'enigsamigen Hülsen. An den angeführten Zahlen ist deutlich die Vererbung der grösseren Wüchsigkeit erkennbar. Bei den vielsamigen Hülsen zeigt sich dieselbe jedoch mehr im Gesammtertrag, als in der vermehrten Körnerzahl einer Hülse. Ferner er- giebt sich, dass die Zahl der Hülsen auf eiuer Pflanze und die Zahl der Körner auf einer Hülse bei den Nach- kommen grosser Körner sich günstiger stellen. Auch ist das Durchschnittsgewicht eines Kornes in diesem Falle ein grösseres. Durch Auswahl vielsamiger Hülsen und grosser Körner lässt sich also der Ertrag pro Pflanze steigern. Um für Bohnen eine durch Saatauswahl ge- erbte Wüchsigkeit constant zu erhalten, ist es zweck- mässig, die Bohnen isolirt anzubauen, um die Bestäubung seitens der Insekten mit Pollenkörnern geringwerthiger Bohnen möglichst zu verhüten. F. Schleichert. XV. Nr. 12. Naturwissenschaftliclie Wochenschrift. 139 Aufsuchung und Bestimmung; ganz kleiner Arsen- mengen, sowie deren Verbreitung in den Orgauen. Der Arsenspiegel erfreut sich bekanutlich in den Kreisen der analytischen und auch der forensisclien Chemiker des Ruhmes einer ungewöhnlich sicheren Bestimmtheit und P'einheit und mag es Vielen unmöglich dlinken, dass trotzdem Arsenmengen in Organismen der Bestimmung entgehen könne. Die Fehlerquelle, die Armand Gautier entdeckt hat, der seine Arbeitskraft mit Vorliebe der Aufsuchung äusserst geringer Mengen von Elementen widmet, und von dessen Nachforschungen nach der minutiösen Verbreitung des Jods erst neulich berichtet werden konnte, liegt denn auch aicht in der Darstellung des Arsenspiegels selbst, sondern in der vorhergehenden Verarbeitung des zu untersuchenden Materiales, bei der von Chlorgas oder Cblorwasserstoffsäure ausgiebiger Ge- brauch gemacht zu werden pflegt. Die Grundzüge seiner Methode hat Gautier schon vor Jahren veröffentlicht, im Laufe der Jahre hat er sie aber weiter vervollkommnet, sodass die Darleguug ihrer heutigen Ausbildung (in Comptes rendus vom 4. Decbr. 1899) angemessen erschien. Die Methode ist in negativer Weise dadurch gekenn- zeichnet, dass die Benutzung von Chlor oder Chlorgas bei der Zersetzung der organischen Massen vermieden wird; hierzu dient vielmehr nur Salpetersäure, Schwefel- säure und nochmals Salpetersäure; vom Anfang bis zum Ende wird also mit stark oxydirenden Mitteln gearbeitet und alle Chloride, die als eine der Hauptursacheu von Arsenverlusten in Gestalt flüchtiger Verbindungen gelten, werden gleich zu Beginn vertrieben. Auf lUO g frischen organischen Gewebes schüttet man. Je nach den Um- ständen, 30—60 g reiner Salpetersäure, fügt 1 g Schwefel- säure hinzu und erwärmt das Ganze in einem Porzellan- gefäss bis zur vollständigen Auflösung und Eindiekung; hierauf nimmt man es vom Feuer und giebt nur noch 8 — 10 g reiner Schwefelsäure hinzu. Dann erhitzt man es von Neuem ziemlich kräftig, nimmt es wiederum vom Feuer weg, schüttet auf die in der Zersetzung begriffene Masse zu wiederholten Malen geringe Mengen von Salpeter- säure, bis schliesslich, wobei man die Hitze soweit steigert, dass dicke Dämpfe der Schwefelsäure entweichen, iu der Porzellanschale "nur noch eine braune Flüssigkeit zurück- bleibt, die bei der Temperatur, in der die Schwefelsäure zu kochen beginnt, ziemlich unverkohlbar ist. In ge- wissen Fällen, wie bei Urinrückständen, Weinextracten und insbesondere bei der Schilddrüse, gelingt die Zer- setzung nur sehr schwierig und bedarf es der vielfach wiederholten Zugabe vou Salpetersäure. Uebt letztere fast gar keine oxydirende Wirkung mehr aus, so ver- treibt man sie schliesslich durch Erhitzung, lässt dann erkalten, fügt noch ein wenig Schwefelsäure hinzu und schüttet unter Umrühren die geringe Menge der rück- ständigen, braunen Flüssigkeit in 600 — 700 cbcm von destillirtem Wasser. Hierauf wäscht man nach dem Er- kalten die Porzellanschale aus und vereinigt alle Flüssig- keit in einem Recipienten. Auf dessen Boden schlägt sich da in dünner Vertheilung eine humöse Substanz nieder, überlagert von einer mehr oder weniger dunklen Flüssigkeit (wenn mau sich darauf beschränken wollte, die Masse zu verkohlen, würde sich in gewissen Fällen ergeben, dass man sich sehr beträchtlichen Arsenverlusten aussetze, da das kochende Wasser eine noch bituminöse Kohle nur unvollkommen auslaugt; das würde sich ins- besondere bei Analysen des Schilddrüsengewebes zeigen.) Darauf filtert man, fügt 1—2 ebcm einer Lösung von schwefliger Säure zu und lässt iu der Wärme und meh- rere Stunden lang einen Strom vou Schwefelwasserstoff durch die gesäuerte Fltissigkeit hindurchgehen. Da schlägt sich das Arsensulfid mit einem Ueberschuss von Schwefel nieder, der noch ein wenig von organischer Substanz einschliesst. Nach zwölf Stunden sammelt man diesen Niederschlag, wäscht ihn auf dem Filter und bringt das Filter mit dem Rückstande in eine Schale, iu der man ein wenig ammoniakalisches Wasser (1 Theil Am- moniak auf 20 Theile Wasser) darauf giebt. Nun lässt mau 30 — 40 Minuten lang bei 40 — 50° kochen und filtert danach. Die durch das Filter gegangene Flüssigkeit hinterlässt bei der allmählichen Verdampfung einen Rück- stand, den man durch ein Gemisch von Salpeter- und Schwefelsäure oxydirt; man erhitzt dabei bis zur Ent- färbung, indem man nöthigenfalls die Salpetersäure er- neuert. Schliesslich steigert man die Temperatur bis zum Auftreten reichlicher Schwefelsäuredämpfe, um selbst die letzten Spuren der Salpetersäure zu vertreiben, ver- dünnt mit Wasser und bringt nun die Masse allmählich iu den Marsh'schen Apparat. Die meist angewandte Methode zur Zersetzung der animalischen Massen, die zwar nach Fresenius und Babo benannt werde, in Wirklichkeit aber von Abreu herrühre und von Duflos und Millon verbessert worden sei und die darin besteht, die organische Substanz durch ein Ge- misch von ChlorwasserstoÖsäure mit Kaliumehloi-at zu zerstören, giebt dagegen, nach Gau ti er 's Urtheil, selbst bei Benutzung geschlossener Retorten und bei Anwendung von nur 50—60° Temperatur Anlass zu erheblichen Ver- lusten an Arsenik, das im chlorirten Zustande von den entstehenden Oxyden des Chlors verschleppt wird. So habe eine Prüfung ergeben, dass bei der Analyse der Schilddrüse der grössere Theil des vorhandenen Arseniks auf diese Weise verschwunden sei. Auch bei der vor- stehend angegebenen Methode sind in manchen, aller- dings seltenen Fällen, zu denen jedoch ebenfalls die Analyse der Schilddrüse gehört, Verluste an Arsenik nicht ausgeschlossen, falls man sich darauf beschränkt, die Masse zu verkohlen, ohne die grössere Partie der Kohle noch durch allmähliche Zugaben von Salpetersäure zu zerstören, weil da in dem kohligen Rückstande Arsenik verborgen zurückbleiben kann. Was die quantitativen Bestimmungen betrifft, so wiegt man womöglich den Arsenspiegel; dieser entspricht der Gesammtmenge des ursprünglich im untersuchten organi- schen Gewebe enthaltenen Metalloids, falls man mit der angerathenen Vorsicht verfährt. Die Ergebnisse, die Gautier mittels vorstehend an- gegebener analytischer Methode gewonnen, haben ihn nun zu der Schlussfolgerung geführt, dass Arsenik ein normaler Bestandtheil gewisser animalischer Organe ist. Mangelt es letzteteren an Arsenik, so sind sie krank und wird Arsenik in diesen Fällen zum Heil- mittel. Gautier weist darauf hin, dass das von jeher als starkes Gift bekannte Arsenik trotzdem auch immer als ein Heilmittel gegolten habe. Der Ofenbruch oder die an den Wänden von Oefen, in denen aus durchweg arsenhaltigen Erzen Bronzen hergestellt wurden, ange- setzten Massen wurden schon im Alterthum von Orientalen und Griechen gebraucht gegen Krankheiten der Augen oder der Haut, oder zum Verbinden der Wunden; aus späterer Zeit berichtete Plinius unter anderem auch, dass den von hartnäckigem Husten geplagten Kranken Erleichterung verschafl't werde, wenn man sie die Dämpfe einathmen lasse, die sich bei der Calcination von Auri- pigment mit Cedernholz entwickeln. Die Verwendung von Arsenik bei Krankheiten der Haut oder der Lunge und gegen gewisse specifische Fälle von Blutarmuth dauert seit jenen Zeiten bis zu imsern Tageu an, aber trotz dieses dreitauseudjährigen Gebrauches sind die ver- schiedenen Mineralpräparate des Arsens noch immer Heil- 140 Naturwissenscliaftliche Wochensclirift. XV. Nr. 12. mittel gebliebeu, die schwer zu handhaben, unsicher und mysteriös in ihrer Wirkung sind. Im letztvergangeneu Juni theilte Gautier der medicinisehen Akademie Ver- suche mit, die er seit einigen Jahren mit gutem Erfolg bei Brustkrauklieiten, Blutarmuth, Malaria u. a. m. an- gestellt hatte mit Gebrauch einer organischen Arsen- verbindung, nämlich der von Bunsen 1843 entdeckten und bisher unbenutzt gebliebenen Kakodylsäure As(CH3)ä02H. Diese in Wasser leicht lösliche und von Arsenik 54,3 "/o enthaltende Verbindung besitzt durchaus keine giftigen Eigenschaften und nichts von dem chemischen Charakter der übrigen Arsenverbindungen. Das Arsenik ist in ihr gewissermaassen „latent", und dennoch bewahrte es, wie Gautier fand, in sehr bedeutendem Maasse, aber in un- gefährlicher Weise die specifischen, köstlichen Heil- wirkungen. Als Einspritzung unter der Haut reizt die Kakodylsäure den Appetit, kräftigt die Verdauung (Assi- milation) und gestattet ganz besonders, die Krankheiten der Brust zu bekämpfen. Seit dieser Veröffentlichung Gautier's wird die bisher sogar in Laboratorien ziem- lich unbekannt gebliebene Kakodylsäure im Grossen her- gestellt in französischen und deutschen P'abriken und sind schon mehrere hundert Kilogramm davon in französischen Krankenhäusern und Polikliniken verbraucht worden. Bei der Ueberlegung des Mechanismus der Wirkung des Arseniks im Verfolg dieser Untersuchungen, sowie seines Einflusses in schweren Fällen von Blutarmuth und besonders bei der Basedow'schen Krankheit, einer Folge von fuuctioneller Veränderung der bekanntlich Jod ent- haltenden Schilddrüse, und indem er Rechnung trug der Beobachtung, dass sowohl Arsenik als auch Jod sieh als sehr wirksame Heilmittel bei Erkrankungen dieser Drüse erwiesen haben; indem er ferner damit in Verbindung brachte die Feststellungen der Mineralwasser-Chemiker, die in der Natur das Arsenik oft als Begleiter des Jod augetroffen haben; und endlich, weil er im Laufe seiner Untersuchungen von Algen das Arsenik oft neben Jod in diesen niedrigen Pflanzen gefunden hatte: ist Gautier zu der Ueberzeugung gelangt, dass möglicher- weise die Wirkung des Arseniks in den oben genannten Krankheiten sich daraus erkläre, dass dieses Metalloid ein Bestandtheil einiger von unseren Organen und zwar im Besonderen der Schilddrüse ist, in denen auch Jod verhältnissmässig reichlich vorkommt. Daraufhin forschte er der Gegenwart des Arseniks als normalem Bestandtheile des Thierkörpers nach und kann nun mittheilen, dass es sich in der That constant in der Schilddrüse von Pflanzen- und Fleischfressern sowie des Menschen in zwar geringer, jedoch wägbarer Menge findet, und dass es ferner, jedoch in noch klei- neren Quantitäten, in einigen anderen Organen vor- handen ist. Die normale Betheiligung des Arseniks in der Oekono- mie des Organismus scheint allen Versuchsergebnissen der Giftlehre zu widersprechen. Bei tausenden von Ver- suchen ist wirklich nichts von Arsenik in Menschen ge- funden worden. Diese Thatsache erklärt sich aber einer- seits aus den oben dargelegten Mängeln der analytischen Methode, andererseits aus dem von Gautier ebenfalls erzielten Befunde, dass das Arsenik wirklich in der Mehr- zahl der thierischen Organe fehlt. Einzig die Schild- drüse, der von vornherein besondere Beachtung geschenkt wurde, ferner ausser ihr, jedoch in bei Weitem geringerem Mengenverhältnisse, die Brustdrüse und das (bei dieser Untersuchung der Schleim- (?) und Zirbeldrüsen beraubte) Gehirn, und endlich, aber nur in Spuren, die Haut (148 g von Haaren und Fettgewebe befreite Schweinshaut) ent- halten regelmässig Arsenik; von der Schleimdrüse ist das noch ungewiss, weil sie ebensowenig wie Herz, Pankreas, Knochenmark, Haare, Urin und Fäces bisher daraufhin untersucht wurde. Arsenik wurde nachgewiesen in allen normalen Schilddrüsen, die zur Untersuchung kamen, und die von Mensch, Hund, Schwein, Schaf u. a. m. her- stammten, dagegen fehlt es immer oder war nur in un- auffindbaren Mengen zugegen in den anderen Organen, mit Ausnahme der Brustdrüse und des Gehirns. Zu diesem Zwecke und im Vergleich mit der Schilddrüse wurden geprüft 150 g Kalbsleber, 120 g Hammelleber, je 100 g Hunde- und Schweineleber, je 70 g Milz von Hund und Ochsen, 100 g. Schweinsniere, 100 g Hunde- fleisch, 250 g entfasertes Schweineblut, 70 g Menschen- hoden. Die analytische Methode gestattete in 100 g frischer Organmasse, weiche Quantität gewöhnlich zur Untersuchung genommen wurde, noch 0,005 mg oder ein halbes Hundertstel eines Milligramms Arsenik nachzu- weisen; trotzdem wurde in den vorgenannten Organen auch nicht die geringste Spur davon aufgefunden. Dagegen ist es stets zugegen in der Schilddrüse und konnte es trotz seiner geringen Menge gleich zu Beginn der Unter- suchungen in nur 5,2 g irischer Schilddrüsenmasse von 2 Hunden nachgewiesen werden, welche Quantität nur 1,3 g getrockneter Masse entspricht. Von frischer Schild- drüse des Schweins gaben 45 g einen Arsenspiegel von etwa 0,03 mg Gewicht, was 0,067 mg für 100 g Drüsen- masse entspricht oder gegen 7 Zehntel eines Milligramm auf 1 kg frischer und 3 Milligramm auf 1 kg getrockneter Drüsenmasse. Von frischer Schilddrüse des Schafs gaben 100 g einen 0,05 mg wiegenden Arsenspiegel, also 2 mg für 1 kg getrockneter Drüsenmasse. Doch sind diese Zahlen nicht genau, weil sie mittels noch mangelhafter analytischer Methode gewonnen wurden; nach deren Ver- besserung erhielt Gautier aus 127 g menschlicher Schilddrüsenmasse, die von 6 Individuen herstammte, welche während ihrer Krankheit kein metallisches und insbesondere kein arsenhaltiges Heilmittel bekommen hatten, einen fast 1 mg, nämlich 0,95 mg wiegenden Arsenikspiegel. Zu allen diesen Versuchen wurden parallelgehende ausgeführt und diente zur Vergleichung immer Hammelleber, die mit mindestens gleichen Mengen von Säuren behandelt wurde als wie es zur Zersetzung der Schilddrüsen bedurfte, jedoch fielen diese Vergleichs- versuche stets negativ aus. Mithin tritt wenigstens im normalen (gesunden) Zu- stande bei Pflanzen- und Fleischfressern Arsenik be- ständig in der Schilddrüse auf. Beim Menschen, auf den die Untersuchung erst nach der Vervollkommnung der analytischen Methode ausgedehnt wurde, wurde gegen 1 Milligramm metalloidisches Arsenik auf 127 g Drüse oder ',127 000 Gewiehtstheil der frischen Drüsenmasse oder ein Zweiunddreissigtausendstel des Trockengewichts ge- funden. Diese geringe Menge eines Elementes ist aber zweifellos nöthig, weil dieses sich beständig in der ge- sunden Drüse bei allen untersuchten Thieren findet, und genügt zur Erfüllung einer wichtigen vitalen Function; welche zwar noch unbekannt, doch sicher und unerlässlich ist, denn keine Schilddrüse existirt ohne Arsenik und keine Gesundheit ohne Schild- drüse. Das Thier findet dieses seltsame Element in einigen Nahrungsmitteln, wo es zweifellos von Eisen und Jod begleitet wird. Stein traf es in einer ziemlieh grossen Anzahl von Vegetabilien, in Spuren im Roggenstroh, in merkbaren Mengen in Kohl, Rüben, KartoflelknoUen u. a.m.; Gautier erkannte es von Jod begleitet in mehreren Algen. Wie gelangt nun das Arsenik von da in die Schilddrüse? Zu beachten ist da, dass im Blute nicht einmal eine Spur von ihm nachzuweisen war. Trotzdem muss das Arsenik, wie in den es zuführenden Nahrungs- XV. Ni Naturwisscnsclia l'tli "VVodionsclirift. 141 mittein, hier iu einem Zustande äusserster Verdünnung existiren, die noch über den 50 Millionsten Theil hinaus- geht, da dieser nach der augewandten Methode noch zur Erkennung kommen müsste. Aber selbst in diesem Zu- stande der Verdünnung und vielleicht noch in viel ge- steigerterer bemächtigt sich die Drüse des Arseniks und baut mit seiner Hilfe das „principe arsenical" auf, das zu ihrer Thäfigkeit (fonctionuenient) nöthig ist. Es liegt hier eine Thatsache der Auslese (selection) vor, für die wir keine rationelle Erklärung haben, und die an den von Raulin beobachteten Einfluss der Spuren von Zink auf das Wachsthum von Aspergillus erinnert; aber für die Schilddrüse ergeben die Untersuchungen die Fesselung des Arseniks im Gewebe, während für Asper- gillus nicht festgestellt ist, dass sich das Zink in der Pflanze festsetze, auf die es möglicherweise nur wie ein einfaches Reizmittel zur Nahrungsaufnahme einwirkt. In welcher Gestalt befindet sich nun wohl das Arsenik innerhalb der thierischen Organe? und welche Aufgabe ist ihm wahrscheinlich gestellt? Aus seinem Auftreten in der Schilddrüse war die Annahme abzuleiten, dass das Arsenik, weil es auch im üebrigen chemische Analogieen mit Phosphor aufweist, sich unter dessen activer Gestalt in den Zellen vorfinde, d. h. im Zustande von Kernchen (Nucleine), welche die Zellkerne und die basophile Körnung des Protoplasmas bilden. In Betracht kommt bei Verfolg dieser Hypothese nun ferner, dass schon zahlreiche Forscher erkannt zu haben glauben, wie die metallischen Substanzen oder allgemeiner die Stoffe von hohen Molekulargewichten sich bei ihrem Ein- dringen ins Blut vorzugsweise an die Substanz der Zell- kerne heften. Deshalb entschloss sich Gautier, die Kernchen (Nucleine) der Schilddrüse zu isoliren, um sie auf Arsenikgehalt zu prüfen. Zu diesem Zwecke dige- riite er mit Pepsin, dem die Kernchen bekanntlich wider- stehen. Von gehackter Schafs-Schilddrüse werden 100 g mit 0,5 g eines sehr kräftigen Pepsins und zu 1,5-tausendstel angesäuertem Wasser versetzt und ganz langsam bei 38° digerirt. Nach 56 Stunden verblieb ein von elastischen Fasern, Knorpelgewebe und ein wenig Fett gebildeter Rückstand, dem eine staubige, eisengraue und anschei- nend sehr jodreiche Masse beigemengt war. Dieser ganze Rückstand wurde von dem gleichzeitig entstandenen Pepton durch Filtern getrennt, gewaschen und bei 35° mit ganz verdünntem Ammoniak behandelt. Aus dem Filtrate wurden die Kernchen durch Essigsäure gefällt; darauf wurde filtrirt und ausgewaschen. Nach der oben angegebenen Methode wurde nun nach Arsenik gesucht einerseits in den entstandenen Peptonen, andererseits in den isolirten Kernchen (Nucleinen); jene erwiesen sich da vollkommen frei von Arsenik, diese dagegen verhält- nissmässig sehr reich an ihm sowie an Jod; schon 1,21 g Trockensubstanz, die aus den 100 g frischer Schilddrüsen- masse gewonnen worden waren, gaben einen schönen Arsenikspiegel. Demnach existiren in der Schilddrüse, und bei Ver- allgemeinerung in allen arsenhaltig befundenen Organen, im normalen (gesunden) Zustande arsenhaltige Kernchen („arsenucleines") zugleich mit den gewöhnlichen, Phosphor enthaltenden Nucleinen. Sie spielen in den Zellkernen und zweifellos auch iu den chromatophilen Körnungen des Protoplasmas dieser Organe eine wichtige Rolle, da das Arsenik im Gewebe stets gegenwärtig ist, und auch deshalb, weil bei Krankheiten dieser Drüsen die Verordnung von Arsenik erfahrungsgemäss als vortheil- haft erkannt worden ist, und weil endlich die an Arsenik bei weitem reichste Drüse, die Schilddrüse (mit ihrem Zubehör), nicht krank sein oder zerstört werden kann, ohne dass Störungen des Myxödemes eintreten, die be- sonders die drei Organe: Schilddrüse, Gehirn und Haut treffen, in denen das Arsenik angetroffen worden ist. Aber der Nachweis der normalen Existenz von Ar- senik im Kern gewisser Zellen ist nicht allein desshalb wichtig, weil die Gegenwait allein eines so seltenen Ele- mentes, wie Arsenik ist, in der Schilddrüse, Brustdrüse, Gehirn und vermuthlich auch Speicheldrüse genügt, um die chemischen und functionellen Relationen zu zeigen, welche diese Organe vereinigen, sondern dieser Nachweis klärt uns auch noch über einen allgemeineren Gesichts- punkt auf; er offenbart den Einfluss, den fast unendlich kleine Dosen von gewissen specifischen Elementen aus- zuüben vermögen auf die Thätigkeit der Gewebe und auf das Leben des ganzen Organismus. Eine menschliche Schilddrüse, die im Mittel 21 g wiegt und die gegenüber den anderen Schilddrüsen die reichste an Arsenik ist, enthält hiervon doch kaum 0,17 mg; für einen Menschen von 67 kg mittlerem Gewicht bilden diese 17 Hundertstel eines Milligramms etwa ein Vierhundertmillionstel der Gesamnitmasse. Und doch bedarf es dieses äusserst ge- ringen Gewichtsantheils und genügt derselbe, damit die Schilddrüse normal functionire und die allgemeine Ge- sundheit erhalten bleibe. Bei den andern Thieren reicht hierzu schon ein noch viel geringerer Gewiehtsantheil von Arsenik aus, bei gewissen Thieren ein Milliardstel. Aus diesen Untersuchungen lässt sich noch eine an- dere Folgerung ableiten, nämlich die, dass die zum Leben mehr oder weniger nothwendigen, mehr oder minder latenten, specifischen Functionen in den Organen erfolgen dank der Gegenwart gewisser activer Elemente, deren grösserer Theil jetzt zweifellos noch nicht fassbar ist. Eine solche Rolle scheint das Mangan zu spielen das in oxydirendem Fermente erkannt wurde, das Jod in, der Schilddrüse, das Arsenik in den Kernchen (Nucleinen), wo es den Phosphor ersetzt, das Fluor in Knochenzellen u. a. m. Es ist also heute in jedem Organe und mittels der delicatesten Methoden nach den verschiedenen Ele- menten zu forschen, die wie die vorstehend angeführten mit gutem Grunde für geeignet gelten dürfen, sich ihren chemisch Analogen zu substituiren, Elementen also, mittels welcher die Natur die lokale oder allgemeine Functioniruug mehr oder weniger tiefgreifend zu verändern vermag; so wenn Selen an Stelle des Schwefels, Schwefel an die des Sauerstoffs treten würde, wenn Kupfer, Zink oder Mangan das Eisen ersetzen oder Phosphor, Arsenik, Vanadium, oder Wismuth die Rolle des Stickstoffs über- nehmen. Das giebt ein ganze, neue, biologische Chemie, die nach Gautier 's Urtheil sehr schöne Erfolge zu zei- tigen verspricht. Diese allgemeinen Betrachtungen beschliesst Gautier mit einem Hinweise auf die grosse Tragweite seiner Ent- deckung für die Aetiologie und Therapeutik der Krank- heiten, sowie für die Lehre von den Giften. 0. L. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Eruannt wurden: Dr. Paul Strübing, ausserordentlicher Professor in der medizinischen Facultät zu Greifswald zum ordent- lichen Professor und Director der Poliklinik; Dr. Wilhelm Branco, ordentlicher Professor der Geologie in Berlin und Director der geologisch-paläontologischen Abtheilung des Museums für Naturkunde zum Geh. Bergrath; I>r. Friedrich Schnitze, ordentlicher Professor in der medizinischen Fakultät zu Bonn zum Geh. Medizinalrath; unser Mitabeiter Hermann Julius Kolbe, Kustos an der zoologischen Sammlung des Museums für Natur- kunde in Berlin, zum Professor. Berufen wurde: Dr. Klemens Baeumker, ausserordent- licher Professor der Philosophie in Breslau als ordentlicher Pro- fessor nach Bonn an die Stelle des Geh. Kaths Prof. Neuhiiusser. Es habilitirte sich: Dr. Max Abraham für Physik und Mathematik in Göttingen. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Es starben: Dr. Alfred Göldlin von Tiefenau, Vice- director der Hof bibliothek in Wien ; der Direetor der National- bibliothek in Neapel Vito Fornani; Dr. von Mosengeil, Professor der Chirurgie in Bonn; Dr. John Cargill Shaw, Professor der Neurologie am Long Island College Hospital zu Brooklyn; Dr. G. Pacetti, Privatdoeent für Xeiirologie in Rom; Medizinalrath Dr. Nieberding in V^irel (OMciibin- i ; Dr. Theo - dor Sauer, Assistent am pathnln^iMh.ii lu^tiiut in Bonn; Dr. Gustav Karsten, Professor der Physik in Ki.l; Dr. Elvin Bruno Christoffel, Professor der Mathematik in Strassburg. L i 1 1 e r a t u r. Verlag Ed. Lii Signor Saltarino , Abnormitäteu. Düsseldorf 1900. Das reich illustrirte Heft beschreibt — jedoch nicht im Sinne des Anatomen, sondern in dem des gebildeten Laien und Specialitäten-Bühnen-Liebhabers — eine Anzahl bekannter mensch- licher „Missgeburten", die sich, um Geld zu verdienen, zur Schau stellen, wie den bekannten armlosen Fusskünstler Unthan, das .,Bärenweib", das „Kameel-Mädchen" u. s. w. Einige „Attractionen" sind hineingerathen, die nicht zu den eigentlichen Abnormitäten gehören, die sieh jedoch durch körperliche Abweichungen von dem Ueblichen kennzeichnen. Dr. Fritz Kömer und Dr. Fritz Schaudinn: Fauna arotica. Eine Zusammenstellung der arktischen Tliierfurmcn mit be- sonderer Berücksichtigung des Spitzbergen-Gebietes auf Grund der Ergebnisse der deutschen Expedition in das nördliche Eis- meer im Jahre 1898. Unter Mitwirkung zahlreicher Fach- genossen herausgegeben. L Bd., 1. Lieferung: Einleitung, Plan des Werkes und Reisebericht. Von Fritz Römer und Fritz Schaudinn. 84 Seiten Text. Mit 2 Karten und 12 Abbildungen im Text. (Verlag von Gus^tav Fischer in Jena.) Von diesem Werke, das elien' zu ersoh.iiieii he-inut, liegt uns zunächst die einleitende Abtlieilinii; iler er-Lii l,i( leriing vor. In lieben.swürdig-frisclier Selii-eibart. die frei ist xuii jeglichem Sensationsbedürfniss, dafür mit packender Wärme von allem er- zählt, was Zoologenaugen interessant gewesen ist, schildern die beiden Verf., wie sie im Sommer 1898 auf freundliche Einhiduiig hin an einer ursprünglich zu Jagd- und Sportzwecken geplanten Expedition nach Spitzbergen theilgenommen haben, die sich aber alsbald — gerade durch ihr unermüdliches zoologisches Arbeiten — zu einer wissenschaftlichen Expedition ausgestaltet. Was diese Reisebeschreibung so werthvoll macht, sind neben der Mit- theilung der Beobachtungen und des Neuentdeckten vor allem die Nachrichten über die Art des Arbeitens und Reisens. Da- mit hat sie sich für alle Zeiten die Beachtung derer gesichert, die gerne an dem lernen, was Andere erprobt haben. Der Ausgangspunkt der Eismeerfahrt ist Tromsö. — Auf Rolfsö die erste Rast. Dort bat Ingebrigtsen, der durch Prof. Kükenthal's erste Expedition (1S86) in wissenschaftlichen Kreisen wohlbekannte Kapitän, eine Fabrik angelegt, in der er aus dem Speck der Wale Thran gewinnt, aus den Knochen Guano fabri- cirt, das Fleisch aber dörrt oder zu Futtermehl verarbeitet. Es wird gerade ein Riese von Wal um Ufer abgespickt. „Als der Brustkasten geöffnet war, konnten wir mit langen Gummistiefeln einsteigen und unser Laboratorium darin aufschlagen; mit Spiritus- lampen, Pincetten und kleinen Deckgläschen versehen, wateten wir bis über das Knie in dem dort angesammelten Blute und fertigten Ausstrichpräparate davon an." Ein deutsches Beefsteak vom Wal wird im Geschmack dem Rindfleisch ähnlich gefunden. — Auf der Bäreninsel fesseln vor allem die Vogelberge, die zu den reichsten Brutplätzen arktischer Vögel im Gebiete der Reise gehören. Schade, dass es dem ßef. der Raum verbietet, die ganze prächtige Schilderung davon hier wiederzugeben. „Die Vögel verbergen die Sonne, wenn sie auffliegen, sie bedecken die Felsen, wenn sie sitzen, sie übertönen das Donnern der Brandung, wenn sie schreien, sie färben die Felsen weiss, wenn sie brüten", hat trefflich der alte Faber gesagt, doch „Schnee und Hagelfälle, Sturmessausen und Lawinenstürze sind bessere Vergleichsohiecte." Den Proletariern gleich bevölkern den Staat in ungezählten Mengen die Alken und Lummen, während abseits vom Gedränge sich der philiströse, ewig mit den wichtigsten Problemen be- schäftigte Papageientaucher hält, und — feinsten Comfort im Nestbau gewöhnt und herrisch das gemeine Volk tyrannisirend, benehmen sich wie Aristokraten die Möven. — Dem öden, eisigen Innern der Insel gilt ein Besuch im Interesse der Süsswasser- forschung, dor sich die Reisenden überhaupt während der ganzen Dauer der Reise eingehend widmeten. Dass unter den Protozoen hier kein Fremdling gefunden wird, überrascht nicht, seit man weiss, auf wie vielerlei Wegen diese Thierchen verbreitet werden. Bald taucht auch der erste Eisfuchs auf, erwehren kann." [m Storfjord, in df ,emer jener ruppigen, lines Lachens nicht bisher nur wenig zoologisch gearbeitet war, wird im emsigen Sammeln eine reiche und mannigfache Fauna aufgefunden. Auf den flachen Inseln im Westen des Fj.Tds entfaltet sich ein anderes Vogelleben als auf der Bäi^niii . !: hiev treten die Vogelholme auf — Vogelcolonien auf eb-ii 1 IrJ. mit Enten und Gänsen als Charakterthieren ! - Nach K.iiii^ K.nis-Land geht die Sehnsucht, aber das Eis ist unerbittlich, ilalior unsere Polarfahrer sich lieber erst dem warmen Golfstrom anvertrauen und mit ihm nach Norden ziehen bis hin zur Rossinsel. Was auf der Fahrt an Säugern erbeutet wird, wird alsbald eingehendst untersucht, selbst bis in die tiefsten Gründe des Verdauungskanals hinein, denn selbst auf die Parasiten haben es die Zoologen abgesehen. — Endlich, unter den günstigen Eisverhältnissen, die die steigende Sonne und der Golfstrom mittlerweile geschaffen haben, wird König-Karls- Land doch noch erreicht und nach Kräfcon erforscht. Damit ist das letzte grö sste Räthsel im Spitzbergen-Gebiet gelöst. Die Eisbären leben dort „beinah in Rudeln; ihre thranigen Tatzen beweisen aber auch, dass es ihnen an Robben nicht gefehlt hat.** Von einem kleinen Eisbären, dem die Mutter erschossen wurde, wird erzählt: „Es war ein kläglicher Anblick, wie das kleine Vieh nicht von der gefallenen Mutter zu trennen war und ihr warmes Blut leckte, als wenn es dasselbe stillen wollte. Dass indess die Annahme derartiger Gefühlsregungen verfrüht war, mussten wir mit Schaudern wahrnehmen, denn bald darauf verschlang das kleine Ungeheuer das Fleisch seiner eigenen Mutter mit grösstem Appetit." Die Bären sind durehgehends feige. Nur ein einziger greift an, aber nur, weil er zuvor verwundet worden ist.— An der Gruat-Insel fällt die Ent- scheidung, Nordostland von Süden her ganz zu umfahren, und nach aufregungsvoller Fahrt durch dickes Packeis hindurch ge- lingt das kühne Wagnis. Damit hat zum ersten Male ein deutsches Sc hiff S pi t zb ergen ums,-,. lt. Hi,3r auf 81° 32', liart an der Festeiskante, wird pliit..li,li ,'iii,' Tiefe von über 1000 m gelothet, die sich der genau, i,'!! linter.-uchung als eine Rinne zu erkennen giebt. Und alsli,il,l f,ii-,|,rt in fieberhafter Arbeit die Dredge aus dieser Tiefe eine ganz eigenartige Thier- vvelt zu Tage, wie sie dem Spitzbergen-Gebiet sonst fremd ist — eine echte Tiefsee-Fauna. Die Rinne erhält den Namen Nansen-Rinne. In der Bismarckstrasse wird ein geradezu fabelhafter Reichthum an sitzenden Thieren entdeckt. Der wechselnde Gezeitenstrom, der die Strasse in reissender Sehnellig- koit durchzieht, führt ihnen in seinem flachen Bett eine unglaub- liche Menge ven |,,ela^is,hen Thieren als Nahrung zu. — Noch wird im Heliss,iiel .in, kleine Insel entdeckt, die dem hoch- verdienten S|,ii,',l., ri;, i,r.,i s,;her zu Ehren Kü ken th al - Ins el genannt wird, il.niii ali.i mahnt die sinkende Mitternachtssonne an den Aufbriuh. im-l «i.Mh'v wir,l Ti-omsö zugesteuert. Damit ist der erste ■rii,'il ,!,'!■ IIims,' /,, lunh'. Die zweit,- Faint iVihrf \,mi ■ri,,ms,. ins Weisse Meer bis Arch angel. Zwar maclien ,li, t,,lhM,|eii Herbststürme beinah alle zoologischen Arbeiten uiim,iuli,h. ,lai'üi- aber gewährt einen eigenartigen Reiz die Untersm Imni; , iii,s Relictensees an der Murmanküste, der sich aus einer .M,-,i ,-slmeht gebildet hat, die durch Hebung der Insel aufs Land v,il,i^,it w ,,r,len ist. Sonder- bar, wie sich in den bereits ausgesüsst,,, ,,1,, r,ii Wasserschichten noch Medusen tummeln, denen sich , l,,.ii Sii suasserkrebse zu- gesellen, während im stark salzhaltigei] Bodenwasser neben Dorschen, Ascidien und anderen Meeresthieren auch Mücken- larven leben. — In Archangel ist das Ziel der Reise erreicht. Aus dieser soeben mit wenigen kümmerlichen Zügen um- rissenen Reise heraus ist der Plan zu der \ ,.rli,'-,iia,"n Fauna arctica entstanden. Die an Arten und In,li\ i,l,i,'ii ungemein reiche zoologische Ausbeute, die noch dazu mit .,ii-.^erst,-r Sorg- falt conservirt worden ist. gab den beiden l;.i-eii,l,;ii ,l,is Recht, eine möglichst aii interessante Frage, wie das Rentliier nach Spitzbei;:< II ^eknuinien ist, entscheiden die Verf. einstweilen mit der Antwort: vielleicht von Nowaja Semija über Frunz- Josephsland. '6. Der Lemming kommt — gegenüber älteren An- gaben — nicht auf Spitzbergen vor. 4. Das Walrosa lebt nicht bloss von Muscheln, sondern auch von Fischen, selbst von« See- vögeln und Robben, wie die Verfasser auf Grund eigener Beob- achtungen und der sicherer Gewährsmänner feststellen konnten. 5. Von den '28 erbeuteten Vogelarten verdient besondere Beach- tung, das? 'lie Sc li w;i Ih en?ehwanzmöve (Xema sabinei) als Brutveud ;iuf Sint/Jici-rii -, tiinden worden ist. 6. Selbst in der Vogellaiiii:i iii:i-i. ^i,■ll ü^n^cii im Ei. Som §tipnott«mu«i. Seil 9, 127 ©., geb. 0,80 8»f. - »au unb Scbeit Don SjSflanäe uiib Sicr. Seil 10, 163 ©, geb. 1 SJtf. — Sag ®eiftcgleben Don 9Kcnidi unb Sl)icr, Seil 11, 100 ©., geb. 0,60 SJJf. — *^jfi)d)ologie unb SUmitug. Seil 12, 124 ©., geb. 0,80 SOlt. — §crä unb «ugc. Seil 13, 133 ©., geb. 0,80 mt — Slulcitung äu d)cmil"c£)en eipcrttnenten. *praftijd)e Jpetämig. Seil 14, 192 ©., geb. 1 9Kf. — 3f(itiu:traft unb ®eiftc§iDaIten. Sßolförairtfc^aftlidjcg. SBom Sptritigmuä. Seil 15, 163 ©., geb. l 9Rt. — Sine » gerade so hell, um S^ weniger hell." Am 7. Jänner wurde es erst gegen 6*» wahrnehmbar, wo es mit der (sehr schwachen) Milchstrasse gleiche Helligkeit hatte; um ö^ 22"^ war diese Helligkeit bereits doppelt so gross, um 6'/2^ nahm sie wieder ab (im Verhältniss), so dass sie um 7^ mit der Milchstrasse gleich war und bis 7V./ so blieb, worauf sie noch mehr abnahm. Am 10. Jänner erstreckte sich das Zodiakallicht bereits über den Widder hinaus; es war von G"" 20™ gleich hell wie die Milchstrasse, um 7'> doppelt so hell, aber um 8*" wieder ihr gleich. Am 13. Jänner war es interessant zu sehen, wie das Zodiakal- licht trotz des mitten in ihm stehenden Mondes (der 2 Tage alt war), doppelt so hell als die Milchsti-asse erschien. Am 1., 2. und 3. März wurde es erst um 6V2'' verrauthet, nahm aber dann so rasch an Helligkeit zu, dass es schon um 7'^ die Milchstrasse um das Dreifache, um S^ um das 8— 10 fache, um \}^ um das Fünffache übertraf. Um 8'' vermuthete ich auch den Gegenschein in der Jungfrau. Am 6. März notirte ich: „Zodiakallicht um 7"^ zuerst vermuthet, um 1^ 5™ deutlich (während die ersten Spuren der Milchstrasse erst um 7'' 7™ sichtbar wurden), um 1^ 10™ bereits doppelt, 7'' 15™ drei Mal, 7h 20™ vier Mal, 7^ 30™ fünf Mal, 8^ sechs Mal heller als die Milchstrasse zwischen den beiden Hunden. Gegen- schein vermuthet, aber nicht sicher." Am 7. März die- selben Wahrnehmungen, welche mich veranlassten, mit dem hiesigen Photographen wegen photographischer Aufnahme des Zodiakallichts zu sprechen. Es kam aber leider nicht zur Ausführung. Am 14. März wurde das Zodiakallicht wegen des mitten in ihm stehenden drei Tage alten Mondes erst um 7'' wahrnehmbar und wurde selbst um 8'^ nicht viel heller als die Milchstrasse. Am folgenden Abend war der Mond natürlich noch heller, weshalb auch die Milchstrasse um 7V2'', als ich das Zodiakallicht zu- erst wahrnehmen konnte, noch unsichtbar war. Aber auch um S'/o"^ war es noch äusserst schwach. Am 16. März stand der 5 Tage alte Mond bei den Ple jaden, trotzdem begann ich das Zodiakallicht schon um 1^ wahr- zunehmen, während die Milchstrasse auch noch um 8'' unsichtbar blieb. Um ly.,^ war das Licht, wenn man den Mond mit der Hand verdeckte, sogar sehr deutlich und Frau Manora machte mich auf deutliche grössere Helligkeit des Himmels au jener Stelle aufmerksam, wo der Gegenschein stehen sollte. Am 28. März war das sich bis zu den Zwillingen erstreckende Zodiakallicht um 7^ 4'' bereits vier Mal heller als die Milchstrasse, um 8^ sechs Mal und gleichzeitig wurde auch der Gegen- schein mit gleicher Helligkeit wie die Milchstrasse in der Cassiopeja gesehen. Andern Tags waren beide noch heller. Am 22., 23. und 24. November reichte das Zodiakallicht von 6—7*^ bis über den Steinbock hinaus und war unten so hell wie die Milchstrasse im Adler, jedoch im Steinbock höchstens halb so hell. Venus beobachtete ich nur ein einziges Mal (V4 Stunde), wobei ich eine Skizze aufnahm, welche einen an der Licht- grenze stehenden Streifen zeigt, der aber vielleicht nur ein Vil liger 'scher ßeleuchtungseffect sein könnte. Mars wurde noch 27 Mal (557^ Stunden) beobachtet und dabei 14 Zeichnungen und etliche Skizzen aufge- nommen, von denen in Fig. 2 — 13 12 reproducirt sind. Meine Zeit gestattete noch nfcht die Bearbeitung der XV. Nr. 13. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 147 Beobachtungen und die Anfertigung einer dieselben ver- sinnlichenden Karle; aber schon aus der provisorischen Prüfung geht hervor, dass ich trotz der ungtlnstigen Beob- achtungsverhältnisse zu den 171 von mir bisher gesehenen (bezw. 68 entdeckten) Canälen weitere zwei (von mir provisorisch „Harpyia" und „Porphyrion" genannt), sowie zu den 25 bisher von mir gesehenen (bezw. 13 entdeckten) Seen noch einen („Lacus Scodrensis" genannt) entdecken konnte. Verschiedene Messungen und Positions-Bestimmun- gen gelangen auch. Jupiter beobaciitete ich 27 Mal (30 V4 Stunden), wobei icli 20 Zeichnungen am Siebenzöller (siehe Fig. 14—25) und eine am 4V4 Zöller (siehe Fig. 1) aufnahm. Ueber das Resultat gedenke ich im nächsten Jahre der kaiser- lichen Akademie der Wissenschaften Bericht zu erstatten. Saturn beobachtete ich im Ganzen nur 13 Mal (73/4 Stunden), wobei ich vier Zeichnungen und 1 Skizze aufnahm (siehe Fig. 26—28). Im Ganzen war nicht viel zu beobachten, weil der Planet nahezu seinen tiefsten Stand (bezw. südlichste Declination) erreicht hatte. Immer- hin sah ich noch ziemlich viel Flecke (21 helle, 15 dunkle) und gelegentlich von den feineren Ringtheilungen die Encke-, Secchi- und Manora-Theilung. Von Kometen beobachtete ich nur den Kometen Swift 2 Mal (IV2 Stunden), doch verwendete ich 36 V4 Stunden auf Suchen nach Kometen. Fig. 2. Mars am 6. Januar um 8'/._,'i Mars am 16. Februar um 7h 8» Fig5. Mars am 17. Februar um 9'i 22 11. Fig. 6. Mars am 18 Februar um 6 Ji. Fig. 7. Mars am 23. Februar um 8'' Igm, Fig. 8. Mars am 2 März um 711. Fig. !i. Mars am 4. März um 6 V^li. Fig. lO! Mars am 16. März um eV^'i 148 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 13. Nebelflecke und Sternhaufen beobachtete ich 10 Mal (4 ',2 Stunden), wob&i ich im Eingnebel in der Leier mehrere neue Sterne wahrnahm. Doppelsterne sowie Fixsterne beobachtete ich 91 Mal (90 Stunden), letztere theilweise behufs Einstellung des Fernrohrs oder zur Zeitbestimmung, doch vermaass ich auch die Umgebung von «Lyrae. Den Mond beobachtete ich 24 Mal (28V4 Stunden), meist Hyginus und Linne, wobei ich bei ersterer Land- schaft noch mehrere Objecto entdeckte. Auf die Leoni den- Beobachtung verwendete ich IS'/i Stunden, aber mit geringem Erfolg. An Meteoren und Feuerkugeln notirte ich fol- gende : Am 6. März 7^ 26°' tauchte eine Feuerkugel unter a 0^ 40™ und tJ -+- 40° auf, zog langsam durch die An- dromeda und verschwand unter « 23^ 40"" d-|-44°. Fig. 11. Mars am 17. März um Fig. 12 Mars am 17. März um 9li 50in. Fig. 13. Mars am 18. März um S'i 40m. Fig. 14. Jupiter am 2. Juni um 8h 25'". Fig. 15. Jupiter am 2. Juni um 10h. Fig. 16. Jupiter am 3. Juni um 8h 1 Fjg. 17. Jupiter am 3. Juni um 9h 55in. Fig. 18. Jupiter am 4. Juni um 9 ' '; Fig. 19. Jupiter am 5. Juni um 91'. XV. Nr. 13. Naturwissenschaftliclie "Wochenschrift. 149 Frau Manora will auch einen Schweif gesehen haben, doch halte ich dies für Täuschung, da mir die Feuer- kugel nur wie eine kleine Kugel von der Helligkeit eines Sterns 2. Grösse erschien. Am 20. October 6^ 53"' tauchte bei r Cygni ein prachtvolles Meteor auf, welches nach etwa 2 Secunden zwischen a und ß Hercalis ohne Knall und Explosion verschwand. Am 22. October ö*» 14" blitzte bei ;' Bootis ein glänzendes Meteor auf, welches nach einer halben Sekunde zwischen Arctur und Cor Caroli verschwand. Am 4. November G*" 1"' zeigte sich unter Jupiter am 4, Juli um i Fig. 23. Jupiter am 5. -Juli um 8ii 2Ui Fig. '.'4. Jupiter am 11. Juli um 8'' 51n). Fig. 25. Jupiter am 12. Juli um Fig. 26. Saturu am 26. August \im S^. Fig. 27. Saturn am 5. September um 7'i40ii 150 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 13. etwa a 14^ 40'" und d-|- 62° ein Meteor von intensivem Glänze (vielleicht fünf Mal heller als Venus im hellsten Glänze), das nach 2—3 Sekunden knalllos unter etwa a M*" 10™ und d + 54° verschwand. Veröffentlichungen. Im Jahre 1899 schrieb ich folgende wissenschaftliche Abhandlungen und Notizen: Astronomische Nachrichten. Kiel. No. 3559. Ueber den Begleiter von /S-Orionis. ^ 3593. Bemerkungen zu den Mars-Beobachtungen in Juvisy. Astronomische Rundschau. Lussinpiccolo. No. ]. Saturn-Beobachtungen auf der Manora-Sternwartc 1898. (Mit 10 Bildern.) Karte des Mars (Mit 1 Tafel). Der neue Planet zwischen Erde und Mars, Eros. (Mit Bild.) Giovanni V. Schiaparelli (Mit Bild). No. Saturn am 28. August um S'i 2, 4, 7. u. 9. Bücherschau. Ein neuer Stern im Andromeda-Nebel. Die Luftverhältnisse in Lussin. Feuerkugel. Neue Granatflecke auf Jupiter. —5, 7, 10. Mondbeobachtungen auf der Manora-Sternwarte 1894-97. (Mit 84 Bildern.) Eduard Charles Pickering. (Mit Bild). Merope-Nebel. Meteoritenfall. Spenden. Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Begleiter des Rigel. Camille Flammarion. (Mit Bild.) Centralbergkrater. Meteor. Spende. Ladislaus Weinek. (Mit Bild.) Abplattung des Mars. Wilhelm Schur. (Mit Bild.) Umdrehungszeit der Venus. Abplattung des Mars. Ueber die Verdoppelung der Mars-Kanäle. Ueber die Färbung der Jupiter-Streifen. Eine intei-essante Jupiter-Beobachtung. 5. Kometenschweife und magnetische Ströme. Eine neue Sternwarte auf dem Schneeberge. 6. Mars-Beobachtungen auf der Manora-Sternwarte 1898 bis 1899. (Mit 14 Bildern.) 6—8. Jahresbericht der Manora-Sterawarte für 1898. 6—7. P. MüUer's Studien über die Venus-Rotation. 6. Sir William Huggins. (Mit Bild ) 7. Ueber die Färbung der Jupiter-Streifen. Grigory Levicky. (Mit Bild.) Ein eigenthiimlicher Unfall. Die Aetna-Sternwarte während des Ausbruchs. Spenden. 8—9. Jupiter-Beobachtungen auf der Manora • Sternwarte _ 1899. (Mit 20 Bildern.) 8. Die Definition eines kurzbrennweitigen Refractors und Hyginus N'. (Mit Bild.) Maurice Löwy. (Mit Bild.) Mars-Kanäle. 9. Zu den Mars-Beobachtungen in Juvisy. Der bevorstehende Leoniden-Fall. Nomenclatur der Jupiter-Streifen. (Mit Bild.) No. 9. AnnibaleRicc6.(MitBild.) ncrikanische' Mäcenc. t. Die Mars-Monde. „ lt(. Meteor. Aus.^er diesen Original- arbeiten nocli 197 Abhandlungen und Notizen, welche ich aus fremden Zeitschriften über setzte. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Berlin. No. 12. Thätigkeit der Manora- Sternwarte im Jahre 1898. (Mit 8 Bildern.) Bulletin de la Societc astronomiqne de France. Paris. No. 1. Los Canaux sur Mars. „ 12. Nomenclature des bah- des de Jupiter. Observatory. London. No. 275. Observing at thc Ma- nora-Observatory. Journal of the British ; Astronomical Association. London. No. 2. On the impossibility of the Martian hypothesis of Mr. Lowell. English Mechanic and World of Science. London. No. 1765. Work of the Manora-Observatory in 1898. Wenn man bedenkt, dass ich ausser diesen 269 wissen- schaftlichen Arbeiten noch 27 populär-astronomische in 20 Zeitschriften schrieb, wird man es begreiflich finden, dass bei dieser grossen schriftstellerischen Thätigkeit die beobachtende und rechnende empfindlieh leiden musste. Arbeitsprogamm für 1900. Soweit es meine Zeit gestattet, sollen heuer die Planeten Jupiter, Saturn und Mars, eventuell auch Mond, Sonne und Venus beobachtet werden. Ebenso trage ich mich mit dem Plane, zur Beobachtung der Sounenfinsterniss nach Algier zu fahren und bei dieser Gelegenheit auch auf mehreren ausländischen Sternwarten (Algier, Marseille, Nizza, Mai- land) zu beobachten. Viel wird natürlich davon ab- hängen, ob ich durch Unterstützung seitens des Staates und der kaiserlichen Akademie in die Lage versetzt werde, einen Theil der mich unnöthig belastenden, nicht- wissenschaftlichen Arbeiten von mir abzuwälzen. „Wie beeiiifliisst die Verdauung das Drehungs- veriuögeii einer EiweisslösungJ" ist der Titel einer Arbeit von August Gürber (Festschrift zur Feier ihres 50jährigen Bestehens, hergg. v. d. Physik, med. Gesell- schaft zu Würzburg, 1899), deren sehr interessante Re- sultate hier wiedergegeben werden mögen. Den Anstoss zu den Untersuchungen gab vornehmlich der von Poehl (inau.-Diss. Dorpat 1882) gegen die heutige XV. Nr. 13. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 1.^1 allgemeine Anschauung, nach welcher bei der Verdauung das grosse Eiweissmolekül in mehrere kleinere Moleküle zerfällt, erhobene Einwand, dass nach seinen Beobach- tungen bei der Verdauung das Drehungsverniögen einer Eiweisslüsung nicht zunehme, wns, sobald aus einem grossen optisch activen Molekül mehrere kleine, optisch gleichfalls active Moleküle entständen, der Fall sein mUsste, umsoniehr, als noch die Behauptung aufgestellt werde, dass die sämmtlichen Verdauungsproductc in gleichem Sinne optisch activ seien und ihnen zum Theil sogar ein höheres Drehungsvermögen zugeschrieben werde, wie dem unverdauten Eiweiss. • Verf. stellte seine Versuche mit einem aus Pferde- serumalbumin nach eigener Methode gewonnenen reinen Eiweiss an, das in Lösung schwach sauer reagirte. Von der üeberlegung ausgehend, dass die Eiweiss- stoffe zu den Araidosäurcn gehörten, die optisch activen Amidosäuren hinsichtlich ihres Drehungsvermögens aber von der Reaction ihrer Lösungen abhingen, hielt es G. für seine erste Aufgabe, festzustellen, inwieweit ein Zu- satz von Salzsäure oder Natronlauge das Drehungsver- mögen des Eiweisses beeinflusste, da ja auch die Pepsin- verdauung von der Gegenwart freier Säure abhängig ist, desgl. die Trypsinverdauung durch Alkali unterstützt wird. Dabei ergab sich nun, dass Säure- wie Alkalizusatz das Drehungsvermögen der Eiweisslösungen etwa gleich stark erhöhten. Bei Neutralisation ging das Drehungsvermögen wieder auf seine ursprüngliche Höhe zurück. Die Steige- rung des Drehungsvermögens nahm mit steigendem Säure- gehalt bis zu einem gewissen Maximum zu, darnach ab, und dieses Maximum war nach Zusatz von soviel Säure, als das Eiweiss zu binden vermag, erreicht, d. h. wenn gerade die Gttntzburg'sche Reaction auf freie Salzsäure aufzutreten begann. (Die Güntzburg'sche Reaction be- steht darin, dass 1 — 2 Tropfen des sog. Güntzbürg'schen Reagens (Phloroglucin 2,0, Vanillin 1,0. Alkohol 30,0) mit einigen Tropfen der betreftenden auf freie HCl zu untersuchenden Flüssigkeit in einem Porzellanschälchen gemischt und über einer Flamme sehr vorsichtig erwärmt werden. Ist freie HCl vorhanden, dann färbt sich der Rand der Mischung beim Eintrocknen schön carmoisinroth, während beim Fehlen freier HCl die Randzone braun- gelb wird). Bei dem Zusatz von Natronlauge verhielt sichs ähnlich. Nun handelte sichs darum, den Einfluss der Pepsinverdauung auf das Drehungsvermögen einer Eiweisslösung kennen zu lernen und dabei stellte sich im Widerspruch zu dem Einwände Poehls heraus, dass das Drehungsvermögen durch dieselbe zunahm. Darnach galt es, den Einfluss der Trypsinverdauung auf das Drehungsvermögen der Eiweisslösungen zu bestimmen und da zeigte sich, dass in neutralen Eiweisslösungen die Trypsinverdauung keinen nennenswerthen Einfluss auf das Drehungsvermögen ausübte, während bei einem Vergleich der alkalischen Lösungen vor und nach der Trypsinver- dauung eine erhebliche Abnahme der Drehung nach der Verdauung sich bemerkbar machte. Schliesslich stellte Verf. noch Versuche mit Pepsinverdauung und darauf folgender Trypsinverdauung an, die zu folgenden Ergeb- nissen führten. Das Drehungsvermögen einer Eiweiss- lösung nach vorausgegangener Pepsin Verdauung nahm unter der Einwirkung das Trypsin fast um denselben Be- trag ab, um den es unter dem Einfluss des Pepsin zuge- nommen hatte, es war also die Summe der Drehungsver- mögen von den Spaltungsproducten, die durch die beiden Arten der Verdauung entstanden waren, kleiner als das Drehungsvermögen des unverdauten Eiweisses. Ferner ging aus den Versuchen hervor, dass die Producte der Pepsinverdauung von denen der Trypsinverdauung durch- aus verschieden sein müssen und was ganz besonders wichtig erscheint, dass die Trypsinverdauung allein andere Producte lieferte, als wenn ihr die Pepsinverdauung vor- ausgegangen war. A. L. Die Fortpflanzung der Blattläuse gestaltet sich inj All- gemeinen so, dass aus den überwinterten, befruchteten Eiern im Frühjahr ungeflügelte Weibchen mit unvollkommenen Begattungs-Organen entstehen, die unbefruchtet lebendige Junge gebären, die ihnen gleichen und sich ebenso fort- pflanzen. Solcher „Ammen", wie mau sie früher fälsch- licher Weise genannt hat und wie sie die Phytopathologen auch heute noch nennen, folgen sich im Sommer eine ganze Anzahl von Generationen, die die ungeheure Ver- mehrung der Blattläuse bedingen. Erst im Herbste treten geflügelte, jungfräuliche Weibchen auf, die die Ver- breitung der Art besorgen und wieder parthenogenetisch uugeflügelte Junge gebären, die aber Geschlethtsthiere (6 und vollkommene 9) sind, die sich begatten, worauf die Weibchen die Wintereier legen. Nur bei einigen echten Blattläusen (Aphidiuen) hat man auch im Sommer geflügelte, jungfräuliche Weibchen gefunden, die der Ver- breitung der Art dienen, und wieder ungeflügelte, jung- fräuliche, lebendig gebärende Weibchen erzeugen. Bei der Blutlaus, einem der in Folge seiner Schädlichkeit am meisten studirten Insekten waren solche geflügelte Sommerweibchen nur gelegentlich erwähnt (Blath, die Blutlaus, Magdeburg 1899, S. 10); die meisten Autoren kennen sie nicht. Umso interessanter ist daher eine Mit- theilung von R. Thiele (Zeitschr. Pflanzenkrankh. Bd. 9, 1899, Heft 5), durch die auch hier solche Weibchen sicher nachgewiesen werden. Er fand im Juni oder Anfang Juli in den Blutlaus-Colouieen Nymphen, die sich nach ca. 12 Tagen zu geflügelten, partheno- genetischen Weibchen umbildeten. Diese fliegen oft an völlig windstillen Tagen als weisse Flöckchen in der Luft umher. Impf-Versuche mit solchen eingefangenen Weib- chen ergaben, dass sie neue Colonieen gründen können, indem sie ungeflügelte, parthenogenetische Weibchen ge- bären und zwar 15 — 20, also etwa die Hälfte so viel wie diese letzteren, zur Weit bringen. Davon kommen die 10 ersten Jungen sehr rasch, innerhalb einer halben Stunde zur Welt; dann verlangsamt sich der Gebäract; und das letzte Junge, das allein über eine Stunde zu seinem Austritte gebraucht, erscheint erst nach ca. einem halben Tage. " Reh. Ueber ägyptische Muschelkrebse als Luftschifl'er äussert sich M. Blanckenhorn im Aegyptischen Courier vom 25. Februar 1899. — Vor Kurzem machte eine eigen- thümliche Mittheihing die Runde durch europäische Blätter, die gerade für Aegypten von lokalem Interesse ist und hier schon dem „Journal du Caire" (14. Febr.) zu witzigen Bemerkungen willkommenen Anlass bot. Man hätte sie fast für einen Aprilscherz halten können, wenn eben dazu jetzt die Zeit wäre und nicht die Namen französischer Gelehrter und die Pariser Akademie genannt wären, vor der die Notiz in der Sitzung am 26. December 1898 als wissenschaftlicher Ernst vorgetragen ist. Der Lyoner Zoologe Lortet beobachtete am 24. Sep- tember 1898 in der Umgegend von Lyon einen Regen oder förmlichen Hagel von mikroskopisch kleinen Muschelkrebs- oder Ostracodenschalen. Soweit der thatsächliche Kern des Berichtes. Die Schlüsse, welche nun aus dieser Beobachtung gezogen worden sind, erinnern nur zu sehr daran, dass Frankreich das Vaterland Jules Verne's ist. Nach der Untersuchung sollen die gesammelten Körper der Gattung Cypridinia angehören, von denen einige Formen angeblich heute in ungeheuren Mengen in den Sümpfen 152 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 13. und Kanälen üuterägyptens leben, andere fossil sich reich- lich in den mächtigen Kreideschichten in den Wüsten der Umgebung- von Kairo, in dem Fayum und der Sahara finden sollen. Warme Luftströme hätten nun die Vio mm langen, hohen Schalen der Cypridinien in grosse liöhen getragen und über das Mittelmeer just nach Lyon ge- führt. Derartiger Staub ägyptischer Provenienz soll auch schon früher mehrfach in Lyon gefunden sein. Zunächst hat sich ein Druckfehler eingeschlichen, indem es keine Cypridinia giebt, vielmehr die Gattung Cypridiua heisst. Dieselbe ist eine echt marine Form des Planktons, d. h. sie lebt in grösseren Meerestheilen, kann also sicher nicht in den Kanälen des Nildeltas existiren. Das ist eine Verwechselung mit einer Süsswassergattung Cypris, die in mehreren Arten in den Gewässern Aegyptens vertreten ist. Drittens giebt es überhaupt keine Kreide- schichten im Fayum, und in der Umgegend von Kairo sind sie nur in geringer Ausdehnung im Nordwesten der grossen Pyramiden bei Abu Roasch nachgewiesen, ent- halten aber so weit bis jetzt bekannt, keine Ostracodenschalen. Wenn im üehrigen fossile Schalen von Cypridina, Cypris oder andere Ostracoden in den mächtigen Tertiärbildungen Aegyptens auftreten, so ist das jedenfalls nur in geringer Ausdehnung der Fall. Cypridinen sind bis jetzt nur aus einer Thonschicht des untersten Eocäns bei Theben bekannt, wo sie seiner Zeit von Delanoüe gesammelt und von d'Archiac untersucht wurden. Cyprisschalen setzen eine Kalkbank eines Hügels im Wadi Natrun in den dortigen Miocänschichten zusammen, wurden aber trotz Suchens an weiteren Plätzen noch nicht wieder ge- funden. An den Mosesquellen bei Suez sollen nach dem verstorbenen Professor 0. Fraas Cyprisschalen ein winziges Hugelchen, auf dem eine der dortigen Quellen herausquillt, aufbauen, eine Notiz, die in viele Lehr- und Reisehücher übernommen worden ist. Spätere Besucher dieser Lokalität haben festgestellt, dass das Hügelchen sich in Wirklichkeit ganz wie auch ein grosser Theil des dortigen Ufers des Suezgolfs aus gewöhnlichen kugeligen, sandartigen Kalkoolithkörnchen zusammensetzt, auf denen die Quelle noch Raseueisenstein und Algenreste, besonders Diatomeenpanzer, absetzt. Die ehemals in der Wasser- lache herumrudernden, hunderttausende von Pinselflöhen (Cypris delecta) sind heute, scheint's, hier ausgestorben. Also weder aus den nördlichen Wüstentheilen Aegyptens, noch vom Sinai können wohl solche Unmengen von Ostracoden stammen, dass sie die Luft als Staub er- füllen. Dazu kommt nun vor allem die Unwahrseheinlich- keit eines Luftstromes in SO. — NW.-Richtung von Ost- afrika nach Westeuropa schräg über das ganze Mittelmeer bis in das Herz von Frankreich. Die Meteorologen werden über diese Annahme den Kopf schütteln. Wohl tindet eine Zuführung von sogenanntem „Passatstaub" durch den Aequatorialstrom oder Gegenpassat aus Amerika, Teneriffa und Nordwestafrika nach Europa statt, aber senkrecht zu dieser Richtung ist das wenig glaubhaft. Uebrigens herrschte in Aegypten während des ganzen September 1898 nach den Monatstabellen der meteoro- logischen Stationen konstant Nordwind. Doch warum überhaupt in die Ferne schweifen, um eine nur scheinbar auffallende Erscheinung zu erklären, wenn das Gute, diesmal ein ganzes Lager fossiler Ostra- coden, so nahe liegt. Im Südwesten von Lyon enthalten die Oligocänschichten der Auvergne an mehreren Stellen Schalen von Cypris faba so massenhaft, wie sie sonst in Europa vielleicht nur im Ries in der fränkisch-schwäbi- schen Alp vorkommen. Könnten es also nicht einfach französische Pinselflohreste gewesen sein, die per Südwest- Wind den kurzen, noch dazu wiederholten Ausflug nach Lyon unternommen haben? In den Berichten Deutsch. Chem. Ges. Bd. 32, 1184, macht Franz Fleischer Mittheilungen über: „Digitoflavoii, ein neuer Körper aus der Digitalis purpurea." Digi- toxin kann nach Kiliani dem aus den Blättern gewonnenen Extracte mit Aether entzogen werden; das so bereitete Glykosid ist regelmässig von einer krystallisirenden Sub- stanz begleitet, die den Namen Digitoflavon erhalten hat. Dasselbe wird wie folgt gewonnen: Man lässt die zerkleinerten Blätter mit der dreifachen Gewichtsmenge öOprocentigen Alkohols 24 Stunden lang stehen, presst ab und dampft auf ein kleines Volumen ein. Die concentrirte Flüssigkeit wird wiederholt mit Aether ausgeschüttelt, die ätherische Lösung zur Reini- gung mit ',8 Volumen 1 procentiger Sodalösung behandelt, im Scheidetrichter abgehoben und verdampft; der resul- tirende Krystallbrei wird kurze Zeit mit wenig frischem Aether digerirt, abgesaugt und die lufttrocken gewordene Krystallmasse mit Chloroform extrahirt, in welchem Digitoxin leicht, Digitoflavon dagegen nur spurenweise löslich ist. Digitoflavon ist in den Blättern nur in geringen Mengen enthalten, und es war trotz wirksamer Unter- stützung der Firma C. F. Böbringer & Söhne in Waldhof nicht hinreichend Material zu erlangen, um die Unter- suchung in allen Punkten zum erwünschten Ende zu führen. Zur Entfernung anhaftenden Digitoxins und anderer Verunreinigungen wurde das Rohproduct anhaltend mit Chloroform extrahirt und dann aus VOprocentigem Alkohol umkrystallisirt. Das Digitoflavon ist in Aether wenig, in siedendem Eisessig oder Aceton massig, in siedendem Wasser äusserst wenig lösHch; es enthält Krystallwasser, das es gegen 150° vollständig verHert; beim schnellen Erhitzen schmilzt es bei circa 320°. Aus den bei der Analyse ermittelten Werthen ergiebt sich die Zusammen- setzung: CiäHioOg + H.iO. Das Digitoflavon ist kein Glykosid, das erhellt einerseits aus negativ verlaufenden Spaltungsversuchen und andererseits aus dem geringen Wasserstotfgehalt der analytisch festgelegten Formel; in Laugen, kohlensauren Alkalien und Ammoniak ist Digito- flavon löslich, in Ammoniumcarbonat unlöslich. Aus der ammoniakalischen Lösung wird das unveränderte Product schon durch Kohlensäure, aus den übrigen Alkalien durch verdünnte Mineralsäuren wieder abgeschieden. Digitoflavon verhält sich demnach wie ein mehrwerthiges Phenol und kann als solches scharf charakterisirt werden, denn es liefert ein Tribenzoat, ein Triacetat und schUesslich auch ein Tribenzolsulfonat. Digitoflavon tribenzoat. Entsteht beim Schütteln von Digitoflavon mit Benzoyl- chlorid und viel Sodalösung; das Product wird in Chloro- form gelöst und durch vorsichtigen Alkoholzusatz in feinen, farblosen Nadeln vom Schmelzpunkt 219° nieder- geschlagen. Digitoflavon triacetat. Kocht man Digitoflavon, Essigsäureanhydrid und Natriumacetat 10 Minuten und zersetzt das überschüssige Anhydrid mit Wasser, so erhält man das gewünschte Acetat, das aus Alkohol in weissen Nadeln vom Schmelz- punkt 221 — 222 krystallisirt. Digitoflavontribenzolsulfonat. Wird in analoger Weise wie das Tribenzoat mittelst Benzolsulfochlorid hergestellt; es krystallisirt aus Chloro- form-Aether in feinen weissen Nädelchen, die bei 189° schmelzen. Für das Digitoflavon hat sich mit Sicherheit die Zu- sammensetzung CigHioOe und die Anwesenheit von drei XV. Nr. 13. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 153 Hydroxylgruppen im Molecül ergeben, es sind nun aber eine ganze Ileihe von Verbindungen bei-rii-eliaften ge- recht zu werden. Aber auch ganz neue .Mi-rlmifti j-ind hinzu- gekommen, wie über „Ernährungsgenosseiiscliiilti.n der Pflanze" und über „insektenfressende Pflanzen", über „die Bewegung der Pflanzensiifte", über „die Gährung". So ist der Botanik in der 9. Auti. ihr Recht geworden; einige Aufsätze wurden, um Platz hierfür zu gewinnen, ausgemerzt. H. Berthold, Hauptmann a. D., Bado moja! Erzählungen aus Deutsch-Ostafrika. A. Helmichs Buchliandhing (Hugo Anders). Bielefeld (ohne Jahreszahl). — Preis 2 Mk. Sechs frisch geschriebene Erzählungen nach Erlebnissen in Deutsch Ostafrika im Dienste als Lieutenant. Dr. Robert Gradmann, Das Pflanzenleben der Schwäbischen Alb mit Berücksichtigung der angrenzenden Gebiete Süddeutsch- lands. Mit 50 Cliromotafeln aus der Kunstanstalt von J. F. Schreiber in Esslingen, 2 Kartenskizzen, 10 Vollbildern und über 200 Te.xtfiguren. Zweite Auflage. Verlag des Schwäbischen Albvereins. Tübingen 1900. Kommissionsverlag von Richard Hahn (G. Schnürlen). — 2 Bände (Taschenformat) geb. 9 Mk. Eine treffliche Flora! was man leider von der Mehrzahl der Bücher, die sich Führer durch die Pflanzenwelt zu sein anmaassen, nicht sagen kann. Der 1. Band entliält das Allgemeine, der 2. die systematische Vorführung des Pteridophyten- und Phanero- gamen-Pflanzen-Bestandes der Scliwäbisehen Alb. Der 2. Bd. ist also das, was man nach bisherigem Gebrauch schlechtweg als eine „Flora" zu bezeichnen pflegte, d. h. ein Bestimniuugsbuch der Arten unterstützt durch zahlreiche gute Original- und anders woher ent- liehene Abbildungen. Wenn es auch eine ganze Anzahl Freunde der Pflanzenwelt giebt, die nur um einer ästhetischen Freude willen sich mit der Flora ihrer Heimath beschäftigen, so werden doch auch diese bald bei einer eingehenderen Beschäftigung mit dem Gegenstände zu Fragen geleitet, die allmählich zu einer wissenschaftlichen Betrachtung hinüberführen, und so ein Bedürf- niss, hier geleitet zu werden, rege machen. Versuche, dieses zu befriedigen, sind nicht oft gemacht worden; als erster hat dies der Unterzeichnete in seiner „Hlustrirten Flora von Nord- und Mitteldeutschland" gewagt, dem später Kirchner in seiner Flora von Stuttgart gefolgt ist. Während diese beiden Werke jedoch die Belehrungen erwähnter Art soweit als möglich in dem Te.xt der Arten-Beschreibungen unterbringen, hat Gradmann das All- gemeine vollständig abgetrennt zu einem besonderen Bande ver- einigt. Die Bewohner der Schwäbischen Alb muss man um die Gradmann'sche Flora beneiden, die nicht nur geeignet ist, die einzelnen Pflanzen-Arten kennen zu lehren, sondern auch Aus- kunft über Eigenthümlichkeiten aus dem Leben derselben, in pflanzengeographischer Hinsicht n.s. w. ertheilt. Verf. zeigt hierbei, dass er die neueste Litteratur gut kennt und richtig ausgenutzt hat. Bobert von Lendenfeld, Die Hochgebirge der Erde. Mit Titel- bild in Farbendruck, 148 Abbildungen und 1.5 Karten. Gr. S". (XIV und 531 S.) Herdersche Verlagshandlung zu Freiburg im Broisgau. 1899. — Preis 14 Mk. Das vorliegende Werk bildet den neuesten Band der vom Verlag herausgegebeneu „Hlustrirten Bibliothek der Länder- und Völkerkunde", die bis jetzt 14 Bände umfasst. In dem vorliegendem Buche — sagt Verf. im Vorwort — sollen die Entstehungsweise der Oberflächenformen des Gebirges, der Berge, Thäler, Gletscher und Alpenseeon im Allgemeinen ge- schildert und die einzelnen Gebirge der Erde speciell behandelt werden. Es zerfällt demnach der Inhalt in einen allgemeinen und einen speciellen Theil. Unsere Kenntniss von den verschiedenen Bergmasssen der Erde ist eine sehr ungleichmässige; weit mehr als die Hälfte des ganzen Hochgebirges auf der Erde ist so gut wie gar nicht bekannt, und auch von den anderen — aussereuro- päischeu — Bergen wissen wir nur wenig. Das ist die Ursache XV. Nr, l;5. Naturwisscnsc'haftliclie Worhcnsclirift. 155 dci- Ungleichmässigkeit der Behandlung der einzelnen im speciellen Tlieilc zur Besprechung gelangenden Berggrupp_en. Diese Un- gleichmiissitrkf'it ist sowohl eiiio <|iinntitMtivc wie eine qualitative: quantitativ" ill^.:tVrn. nls die Ausfulirli.lik.il .l.r lU'srI.ndbung der einzelnen 0.'l.iiL's::rii].|H'ii vi.d ui.^lir v.ni .I.t K.nnuiiss, die wir von densrlli..;, . H.inul IkiIx'U, als ^•ii AlpiMi ni,.|,r ,d,j..Miv 1. ,•!.:. 11.1. dt sui.l, bei .Lt r..s.'linilH,„- ,1.4- (ll.ni^.'n G.diii-.-;ib..|' ;iiil' .li.' l'-.rl.^biii.-s.' .|.T K.'i-^.^ii.l.-ii .■iim.'j;;in-.'ii wir.l. Alle llaupt-.'bii-s-nii.pfu MH.I in :;n.ss.-,i Zii-,n topograpliiseh und geologis.'li -....dul.l.'rt ini-l .li.' « i-htii^st.-,, b.dcaunten Berge genauer beschrieb, ii. Das gut ausgestattete und iUustrirte Bueh wird sich sicher- lich viele Freunde erwerben.. Dr. Adolph Hansen. Professor der Botanik und Director des botanischen Gartens in Giessen, Fflanzengeographische Tafeln. 20 Tafeln in Original-Photographieu mit erläuterndem Text in 4 Lieferungen. Verlag der Neuen Photographischen Gesollselwift A.-G. in Steglitz-Berlin. 1899, 1. Lief. — Preis jeder Lieferung 10 Mk. Die Pflanzengeographio, für die nacli dem Auftreten ihres Begründers A. v. Humboldt (180r.) ein allgemeines 'Interesse leb- haft erwachte, das auch durch andere Arbeiten (von Scliouvv 1808, Meyen 1S36) genährt wurde, verlor im Laufe der Jahre die all- gemeine Anziehungskraft sichtlich und wurde mehr und mehr zu einem Spccialgebiet gelehrter Forschung. Diese thoilte die PHanzongeographic bald nach mehreren Ricditungen, die von einer ganzen Anzahl Forscher bearbeitet wiii.l.ii, ..Im.' dass davon viel in w.'iter.' Kr.'is.' gelangte. Auch (irisi'ba.li V zusammenfassende, meisterhafte Schilderung der Vegetation iler Knie hat nicht über botanische Kreise hinaus gewirkt; jetzt ist sie in mehr als einem Punkte veraltet. Nachdem jedoch durch Hervorhebung neuer Gesichtspunkte, namentlich durch Anwendung physiologischer und biologischer Grundsätze neben den klimatischen und geographischen, sich die Pflanzcngeographie wieder lebensvoller gestaltet, kann sie mit vollem Recht, wie früher, in weitere Kreise, namentlich auch in den Kreis des höheren Unterrichts, eintreten. Es ist kein Zweifel, dass, nachdem durch unsere junge Kolonialwirthschaft auch bei uns die Aufmerksamkeit auf die Vegetation anderer Länder gelenkt wurde, es zeitgemäss ist, die Pflanz. -ngeographio im botanischen oder geographischen Unti'iri.lit nicht bloss zu be- rücksichtigen, sondern sie neben der Pliysiol.iLii.' iin.l Biologie in er.ster Linie mit zu berücksichtigen. Dh^ Ve,i;.t.iti..ii spielt im Antlitz unsenn- Er.h' eine solche Rollo, ilass es geradezu sonderbar eisch.iiit, im geographischen Unterricht nur Uro- graphie un.l lly.lr.ii;iaphie berücksichtigt zu sehen, während von der Pflanzcii.l.'cke .1er Länder so gut wie gar nicht die Rede ist. Zu dieser Thatsache gesellt sich aber die Ueberzeugung, dass die Pflanzengeographie nur dann bildend wirken kann, wenn sie, wie andere naturwissenschaftliche Disciplinen, durch die An- schauung unterstützt wird. So drängte sich der Wunsch nach guten, ganz naturgetreuen Abbildungen der Pflanzenwelt auf, die in genügender Grösse als Lehrmittel dienen könnten. Solche Bilder fehlen bis jetzt voU- stän.lig. Die geographischen Landschaftsbilder, welche vorhanden sind, z, B. „Hülzel's geographische Charakterbilder" sind nur zum kleinen Theil Vegetationsbilder, Nur in botanischen Werken sind gute Abbildungen vorhanden, aber das Herumgeben von Büchern und kleineren Bildern erschwert den Unterricht, Die kleineren Abbildungen in manchen geographischen Lehrbüchern, die jeder Schüler in der Hand hat, z. B. dem von Seydlitz u. a. sind unvollkommene Phantasiobilder. Nur die photographische Technik vermag Bilder zu liefern, die die Pflanzenwelt richtig wiedergeben, sodass neben der hier durchaus angezeigten, ästhetischenWirkung auch wissenschaftliche Genauigkeit nicht fehlt. Anfangs war Hansen der Meinung, dass für den Unterricht ,eine geringe Abweichung vom natürlichen Bilde, ein geringes Schematisiren zweckmässig sei, nm die Klar- heit zu fördern. Jeder JVIaler weiss, dass Pflanzenwuchs immer ein Maass von Unklarheit besitzt. Aus diesem Grunde wurden zunächst nach Photographien von einem Maler Bilder in grossem Maassstabe hergeteilt, die in mancher Beziehung die Photographie zu übertreft'en schienen. Thatsächlich Hessen sich ja manche Un- vollkommenheiten einer Photographie in Bezug auf.,Ti.efe und Schärfe durch den Pinsel corrigiren. Es stellte sich aber doch immer mehr heraus, .las. ursprünglichen Bil.les .int gewährte, als ein kiuistl. nianchov Fin;c,'lheit..n .r \Vi- lorf;abe dos nnd Nutzen 11 weglassen Bild zwar .■hkeit und solche ge- c nicht zu. Di. Grösse iler Tafeln — uns liegt Tafel 1 \or: .'in.' in- structive und hübsche Baumfarn- Laiidschatt aus den (J.liirg.s- wäldern Ceylons — ist 1(10x75 cm; die Phot..gra|iliie in .li.s.M- Grösse bedeutet einen ganz erheblichen Fortschritt. Die Tafeln haben den Vorzug, dass sie auch in der Nähe betrachtet werden können und dass man an ihnen Studien der Einzelheiten machen kann. Den Tafeln ist eine kurze, sich nicht bloss auf die Bezeich- nung beschränkende Erläuterung beigegeben. Dr. Fritz Eisner, Gerichts- und Nahrungsmittelchemiker, Die Praxis des Chemikers bei Untersuchung von Nahrungs- und Gefiussmitteln, Gebrauchsgegenständen und Handelsprodukten, bei hygienischen und bacteriologischen Untersuchungen, sowie in der gerichtlichen und Harn-Analyse, 7,, durchaus umge- arbeitete und wesentlich vermehrte Auflage. Mit 183 Abbild, und zahlreichen Tabellen. Leopold Voss in Hamburg und Leipzig. l'jOtJ. — Preis 14 Mk. Die 6. Auflage wurde Bd. X (1896) No. 35, S. 427 besprochen. Da die Interessenten alle das treflFliche Buch kennen, erübrigt hier nur auf das Wesentlichste aufmerksam zu machen, das die neue Auflage gegenüber der alten Auflage auszeichnet. Nach dem Vorwort haben die „Vereinbarungen" öffentlicher Chemiker sowie alle amtlichen Verordnungen und Kundgebungen besondere Beachtung gefundon. Die Hauptabschnitte sind völlig umge- arbeitet, über die Verwendung der X-Strahlen ist ein neues Ka^ pitel eingeschaltet worden. Prof. H. Behrens, Mikrochemische Technik. Verlag von Leo- pold Voss in Hamburg und Leipzig. 1900. — Preis 2 Mk. Das Heft des bekannten Mikrochemikers ist wesentlich be- stimmt, eine Anleitung zur Herstellung von Dauerpräparaten zu geben. „Nicht allein — sagt Verf. — als ein bisher unerreichtes Bew;eis- und Identificirungsmittel haben sich die Dauerpräparate erwiesen, sondern auch als ein Lehrmittel von einer Anschaulich- keit und Zuverlässigkeit, die schwer zu übertreffen sein wird." Verfasser disponirt: 1. Utensilien für die Anfertigung von Dauer- präparaten, 2. Gefärbte Präparate, 3. Sublimate, 4. Krystalli- sationen, 5. Fällungen, 6. Auswaschen und Trocknen der Nieder- schläge, 7. Einschliessen der Präparate, 8. Metallpräparate. Fritz Kötter, Bemerkungen zu F. Klein's und A, Sommerfeld's Buch über die Theorie des Kreisels. 26 Seiten. Verlag von Mayer .t Müller, Berlin 1899. Der Verfasser unterzieht in seiner Schrift die Werth- schätzung, welche die Herren F. Klein und A. Sommerfeld in den bisher erschienenen Lieferungen ihres Werkes über die Theorie des Kreisels (B. G. Teubner, Leipzig) den einschlägigen Arbeiten einiger Matheuiatiker haben zu Theil werden lassen, einer eingehenden Kritik; sein Zweck ist: „die Behauptung des eigenen wissenschaftlichen Standpunktes gegen den Druck, welcher durch die ablehnende Haltung einer Autorität hervor, gerufen wird." Bis auf eine Stelle, die nicht frei von persön- licher Schärfe ist, hat sicli der geschätzte Verfasser zur Wahrung seines Standpunktes — des guten Rechtes eines jeden Forschers — rein sachlicher Ausführungen bedient, die im Verein mit den historischen Darlegungen und methodischen Bemerkungen das Interesse aller Mathematiker beanspruchen; handelt es sich doch um Untersuchungen, wie z. B. die von Jacobi und Frau von Kowa- levski, denen man, im Gegensatz zu den Herren Klein und Sommerfeld, wegen der eleganten analytischen Behandlung des Rotationsproblems die grösste Bewunderung zu zollen und eine ausserordentliche Bedeutung beizulegen pflegt. G. Inhalt: Lee Eiweisslö: Thätigkeit der Manora-Sternwarte. — Wie beeinflusst die Fortpflanzung der Blattläuse. — Ueber ägyptische Muschelkrebs dauung das Drehungsvermögen einer Luftschiffer. — Digitoflavon, ein neuer Körper aus der Digitalis purpurea. — Zur Kenntniss des Wolframs. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Ljtteralur: Hans Suck, Gesundheitsfibel. — Dr. M. Bach's Studien und Lesefrüchte aus dem Buche d Natur. — H. Berthold, Dado moja, Erzählungen Dr. Robert Gradmann, Das Pflanzeniebon der Schwäbischen Alb. — Robert von Lendenfeld, Die Dr Adolph Hansen, Pflanzengeographische Tafeln. — Dr. Fritz Eisner, Die Praxis des Chemikers. — ~ " T.'-.:i„ T^-ii, Bemerkungen zu F. Kleins und A. Sommerfeld's Buch über die aus Deutsch Ostafrika. Hochgebirge der Erde Prof. H. Behrens, Mikrochemische Technik. — Fritz Kött'e: Theorie des Kreisels. 156 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 13. 1* Steglitz bei Berlin. Mecti.-optisclie f erstatte. Projectionsapparate für alle Darstellungen und Zwecke „Eine ausanimenfasseiide Beschreibung aller meiner optischen Apparate ist in der im Verlag von W. Engelmann in Leipzig erschienenen Schrift: „Die optischen Instrumente der Firma R. Puess, deren Beschreibung, Justirung und An- wendung von C. Leiss" gegeben." a^~ Sielie auch das Inserat in vorletzter Nummer, "^m PATENTBUREAU airich R. JVlaerz Jnh: C. Schmidtlein.Jngenieur Berlin NW., Luisenstr. 22. li^lijilfli'HlilfiM'lliimhfiiiTiiT (jratis und franko liefern wir den 3. N^aclltrag (Juli 1897 bis Juni 1899) zu unaerem Verlapskatalog. Ferd Dümmlers Verlagsbnchh., Berlin S\V. 12, Zimmerstr. 94. Photo" dphische Apparate Bedarf t^artikel. Steckelraanii's ratent-Klappcamera mit Spiegel-Reflex „Victoria" i<;t die eintme klippcamera, welche Spiegel- Keflfx und kiiiic Metall- oder Holzspreizen (waikeli,) hat Die Camera besitzt Kooleau- VerkChlusB (ev auch Goen- AnschüU-Ter- HCliluss» umdiehbare Visirscheibe und lässt »II h eng zusammenlegen. 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Die systematische Zugehöriglteit der versteinerten Hölzer (vom Typus Araucarioxyion) in den palaeo- litischen Formationen von Dr. H. Potonie. Mit 1 Tafel. lieber die wichtigen Funl^tionen der Wanderzellen im thierischen Körper von Dr. E. Korscheit. Mit 10 Holzschnitten. Ueber die Meeresprovinzen der Vorzeit von Dr. F. Frech. Mit Abbildungen und Karten. lieber Laubfärbungen von L. Kny. Mit 7 Holz- schnitten. Ueber das Causalitätsprincip der Naturerschei- nungen mit Bezugnahme auf du Bois-Reymonds Rede: „Die sieben Welträthsel" von Dr. Eugen Drehe?-. Das Räthsel des Hypnotismus von Dr. Karl Friedr Jordan. 13. Die pflanzengeographische Anlage im Kgl. bota. nischen Garten zu Berlin von Dr. H. Potonie Mit -2 Tafeln. 14. Untersuchungen über das Ranzigwerden der Fette von Dr. Ed. Ritsert. 15. Die Urvierfüssler (Eotetrapoda) des sächsischen Rothliegenden von Prof. Dr. Ilennaun Credner in Leipzig;-. Mit vielen Al.bil.luiiiren. Itj. Das Sturmwarnungswesen an den Deutschen Küsten von Prof. Dr. W. J. van Bobber. Mit 1 Tafel und .5 Holzschnitten. 17. Kalisalzlagervon Otto Lang. Mit 4 Abbildungen. 18. Die Metamorphose der Pflanzen im Lichte palae- ontologischer Thatsachen von ür. H. Potonii'. Mit 14 Figuren. l'.i. Pflanzenphysiologische Experimente im Winter von F. Solilfichert. 20. Die naturwissenschaftliche Culturlehre von L. Frohen ins. 21. Die morphologische Herlen die männ- liche und weibliche Keimanlage mit gleicher Aussicht auf Entfaltung nebeneinander, gehen jedoch ein gewisses Austauschverhältniss zu einander ein. Beiden Keiman- lageu entsprechen im Arbeitsbieuenkürper zwei Drüsen- paare, von welchen das eine die männliche, das andere die weibliche Kcimanlage zur Entwickelung bringt, je nachdem unter normalen Verhältnissen das Ei in die Mutter- oder Drohnenzelle abgesetzt wird und hierdurch entweder die männlich oder die weiblich auslösende Drüse den nöthigen Anreiz zur Absonderung empfängt. Gelaugt dagegen das Ei in die Arbeiterzelle, so werden beide Drüsen zur Absonderung angeregt, und beide Keimanlagen gelangen dann in gewissem Grade zur Entfaltung, hemmen sich aber auch gleichzeitig in ihrer Entwickelung der- gestalt, dass noch im Larvenzustande des so beeinflussten Eies die ausgesprochenen Geschlechtscharaktere nach jeder Richtung hin ausschliesslich zum Durchbruch gelangen können, sobald das entsprechend auslösende Sekret allein der Larve zugeführt wird." Derartige Hypothesen halten wir für verfrüht, so- lange wir auf dem Wege der Beobachtung und des Ver- suchs in unserer Erkenntniss noch fortschreiten können, wie das hier thatsächlich der Fall ist, ja die Aufstellung der Hypothese kann sehr leicht verhängnissvoll werden, insofern sie nur allzuleicht verleitet, alle neuen Beob- achtungen und Erscheinungen in einseitiger Weise zu beurtheileu und mit der a priori aufgestellten Hypothese in Einklang zu setzen. Jedenfalls sind der Embryologie durch die neueren apistischen Forschungen werthvoUe Fingerzeige geg'eben. Ob sich die gewonnenen Feststellungen im Bien-Organis- mus verallgemeinern lassen, ist noch fraglich, insbesondere ob die Befruchtung allgemein nur den Zweck hat, das Ei lediglich cntwickelungsfähig zu machen, und dem Mutterwesen die Geschlechtsbestimmung zufällt-, diese Entscheidung erst wird auch feststellen, ob die geschlecht- licheu Einflüsse der Arbeitsbienen auf die Bienenbrut als Componenten der weiblichen oder männlichen (Tcschlechts- functionen aufzufassen sind, obwohl die F'rage nach der Ursache und dem Zweck dieser doppelten Form ge- schlechtlicher Arbeitstheiluug damit auch noch nicht ent- schieden ist. Vorerst gilt für die Entwickelung der drei normalen Bienenformen, dass mit der Entwickelung der streng dilfereuzirten Geschlechtscharaktere bis zur Fort- pflanzungsfähigkeit sich gleichzeitig und gleichmässig die dem betreifenden Geschlechtsträger zukommende ver- schiedene äussere Körperform entwickelt. Umgekehrt ist es eine allgemeine Erscheinung, dass Thiere, deren Ge- sehlechtscharaktere sich nicht bis zur Fortpflanzungs- fähigkeit entwickeln, einen anderen, äusseren Habitus zeigen, als Thiere, bei denen die Weiterentwickelung der Geschlechtsorgane nicht gehemmt ist, d. h. bei Nicht- entwickelung der primären Geschlechtscharak- tere kommen auch die sekundären Geschleehts- charakterc nicht zur Entwickelung. Die Bienen- königin hat als fortpflanzungsfähiges Weibchen eine an- dere Körpergestalt (schlankeren Bau, längeren Hinterleib, die Höhlen an den Hinterbeinen zum Einsammeln des Pollen fehlen), als die geschlechtlich unentwickelten, weib- lichen Arbeitsbienen. Ganz Aehnliches ist bei anderen Thiergattungen längst bekannt; werden z. B. einem jungen männlichen Rinde die Hoden entfernt, bevor die Fort- pflanzungsfähigkeit eingetreten ist, so bildet sich bei dem- selben in seinem weiteren Wachsthum eine ganz andere Körperform aus, als bei einem Thiere, welches seiner Zeugungskraft nicht beraubt ist: letzteres zeigt kurze Beine, breite Brust, breiten Nacken und Rücken, kurze, nach aussen wachsende, nur leicht nach vorn gekrümmte Hörner; beim Ersteren ist das Gegentheil der Fall, der ganze Habitus nähert sich mehr der weiblichen Form, oder bildet vielmehr eine Mittelform zwischen den männ- lichen und weiblichen Geschlechtsträgern: Werden junge Haushähne oder Hennen kastrirt, bevor sie geschlechts- reif sind, so hat deren Beraubung der primären Ge- schlechtscharaktere auch die Nichtentwickelung der secun- dären im Gefolge : der Kapaun hat nicht die Lebhaftigkeit des Gefieders und nicht den entwickelten Kamm des Hahnes, der Kamm der Poularde entwickelt sich gar nicht, und die Thiere sehen auf den ersten Blick gänzlich ver- schieden aus von den wirklichen Geschlechtsthieren. Ana- log lässt sich auch die Entstehung der besondern Körper- form der Arbeitsbienen als der nicht zur geschlechtlichen Entwickelung gelangten wirklichen Form erklären; wenn auch im Larvenzustande der Arbeitsbienen eine geschlecht- liche Difterenzirung noch nicht stattgefunden hat, so- dass noch jede der beiden Geschlechtsformen zur Ent- faltung kommen kann, so prävalirt doch offenbar die weibliche Keimanlage in der weiteren Entwickelung der- art, dass die ausgewachsenen Arbeitsbienen oflensichtlich als in der Entwickelung der Geschlechtscharaktere zurück- gebliebenen Weibchen anzusehen sind. Unter welchen Bedingungen und Einflüssen dennoch die Arbeitsbienen dahin gebracht werden können, als sogenannte After- königin oder Drohnenmutter unbefruchtete Eier zu legen, ist gleichfalls noch eines der der Aufklärung bedürftigen vielen Räthsel im Bien-Organismus, weil ein in seiner Ausbildung zurückgebliebenes Organ (hier die Eier- stöcke) nicht ohne Weiteres normale Functionen verrichten kann. lieber die Natur der physikalischen Bedingungen des Oeruchs haben Vaschide und Van Melle im letzten Hefte des Jahrgangs 1899 der Pariser Comptes rendus eine neue Hypothese veröffentlicht. Sie weisen zunächst darauf hin, dass die herrschende Lehrmeinung über dieses Verhältniss noch die der alten Griechen ist; als wesentliche Bedingung gelte, dass sich von den riechenden Körpern Theilchen ablösen, sich stetig in der Luft verbreiten und in innige Berührung mit dem Geruchs- schleimc kommen. Während die Physik an Stelle der Emission auf dem Gebiete des Gehörs und Gesichts seit langer Zeit die Uudulation gesetzt habe, gelte für den Geruch noch immer die Meinung Demokrits. Die Emissionshypothese ist experimentell nur auf Schlussfolgerungen begründet, deren Richtigkeit weit ent- fernt ist immer bewiesen zu sein, und die Untersuchungen von Huyghens und Papin, von Bened, Prevost, Venturi-Cloquet, Berthelot, Robiquet, Liegcois, Valentin, Wolff und Andern, die für entscheidend gelten, haben die Frage nicht sehr gefördert und durch- Naturwissi^nschaftliche Wochcnsi-hrift. 165 aus nicht festgestellt, wie der Geruch zu Stande komme. Die zu Gunsten der geltenden Hypothese sprechenden Bcweispnnkte lassen sich in zwei Hanptgruppen zusammen- fassen: 1. der Geruch wird von der Luft getragen und, um ihn zu craptinden, muss man die Luft nehmen, die das riechende Effluvium der Nase zuträgt, d. h. man muss dieses einathmen und es schnüfl'eln; 2. wenn man die rieclicndcn Substanzen in einer hermetisch ver- schlossenen Büchse verwahrt, sind sie nicht mehr für den Geruch zu empfinden. Diesen Beweismitteln begnügen sich die beiden ge- nannten Forscher einfach gewisse, ihrer eigenen Ansicht günstige Bemerkungen entgegenzustellen: L der Schall oder Ton wird auch vom Winde getragen, desgleichen unter gewissen Bedingungen die Wärme. Trotzdem lässt man bei diesen Erscheinungen die Hypothese von dem abgelösten Theilchen aus dem Spiele und führt jene auf Energieformen zurück, welche ihren Ort mittelst gewisser Medien wechseln; 2. wenn man in eine undurchsichtige Büchse eine Lichtquelle hermetisch verschliesst, sind deren Sinneswirkungen auch aufgefangen oder unterschlagen. Was für Lieht durchlässig ist, ist es nicht in gleichem Maasse für Wärme uud noch weniger für Röntgenstrahlen. Daher kann man die Forderung fast für unlogisch be- zeichnen, dass die Substanzen, welche die Fortpflanzung des Lichts hindern, sich rucksichtlicli der hypothetischen Geruchs-Strahlen anders verhalten sollen. Die neue Hypothese lautet nun dahin: Der Geruch rührt nicht her von einer unmittelbaren Berührung der von riechenden Substanzen entsendeten (detaschirten) Theilchen mit den Endungen der Geruchsnerven, sondern von einer indirecten Uebertragung mittels Strahlen von kurzen Wellenlängen analogen, aber nicht gleichartigen (semblablen), wie die von uns als Ursachen des Lichts, der Wärme, der RöntgenPhänomeue u. a. betrachteten. Die wichtigsten Umstände und Anschauungen aber, die nach Meinung der Autoren mit Entschiedenheit zu Gunsten ihrer Behauptung sprechen, sind folgende: 1. Die Geschichte der Wissenschaft lehrt, wie man, allmählich und unter dem Zwange der Entwickelung zur Erkenntniss gelangt ist, dass die Sinnesvvahrneh- mungen nicht unmittelbar von den Körpern herrühren, sondern vielmehr von dem „milieu ambiant." 2. Die Geruchsnerven haben denselben Ursprung oder Anfangspunkt im Gehirn wie die optischen Nerven und unterscheidet sie dieser besondere Umstand von den an- deren Siuncsnerven. Da diese Verwandtschaft des Ur- sprungs auch embryologisch festgestellt ist, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich gleicherweise ihre Functionen ähneln. 3. Riechende chemische Substanzen, die zu einer ge- meinsamen Gruppe zusammengehören, zeigen die Eigen- schaft, im Lichtspectrum Absorptionsbänder hervorzurufen, die sich um so mehr dem Endpunkte des Spectrums nähern, je hölieres specifisches Gewicht die Substanz be- sitzt (Nachweis von Ramsay). Gleichzeitig bemerkt man, nach Ramsay und nach Haycraft, dass die Gerüche dieser Substanzen sich gleichmässig an einander reihen, in derselben Aufeinanderfolge, wie die Absorptionsbänder. 4. Gerüche besitzen die Fähigkeit, strahlende Wärme zu absorbiren, was (nach Tyndall) für eine innige Be- ziehung zwischen diesen Gerüchen und den Wärmestrahleu spricht. 5. Die riechenden Stoffe verlieren weder an Gewicht noch an Volumen, oder der Verlust ist jedenfalls gering- fügig, wenn es sich nicht um eine flüchtige Substanz handelt. Diese Thatsache soll schon Haller festgestellt haben. 6. Es giebt viele Stoffe, deren Theilchen sich ab- | lösen, oder mit anderen Worten, zu Dämpfen umformen, aber dennoch nicht riechen, während von anderen Körpern, die starke Gerüche verbreiten, sich nicht nachweisen lässt, dass sich Theilchen von ihnen ablösen. Als bizarr be- zeichnen es die Autoreu, die unendliche Theilbarkeit durch die einfache Thatsache der Geruchseigenschaft be- weisen zu wollen. Eine einfache Messung würde die Alten haben überzeugen können, dass das Sehen nicht losgelösten Theichen verdankt wird. 7. Es giebt Stoffe, von denen jeder für sich einen ziemlich starken Geruch verbreitet, die aber zusammen ihre Gerüche wechselseitig vernichten, ohne eine neue chemische Substanz zu bilden. Ein Beispiel liefern der Kaffee und das Jodoform. Diese Erscheinung stellt eine Analogie dar zu dem Falle, in dem sich ein warmer und ein kalter Körper nahe bei einander befinden und in eiuem gewissen Sinne die Sinneswirkungen auslöschen, die jeder von ihnen gesondert ausgeübt hätte. 8. Der Einfluss der Farbe von Stoffen auf die Eigen- schaft, die sogenannten riechenden Effluvien zu fesseln, ist von Stark sowie von Dumeniel untersucht worden, die fanden, dass die Absorption von Gerüchen mit den Farben der Stoffe wechsele. 9. Ermüdung kann nur für einen Riechstoff eintreten, während der Geruch oder die Riechfähigkeit für andere Riechstoffe unberührt bleibt, gerade wie das Auge für rothe Lichtstrahlen übermüdet und doch noch sehr em- pfindlich für andere Strahlen sein kann (nach Ar onshon, Toulouse und Vaskide u. A.) 10. Die Luft ist nicht das einzige Beförderungsmittel für Gerüche. Vaskide und Toulouse ermittelten durch Versuche, dass mau auch vollkommen riechen kann, wenn man die Nasenlöcher voll von der den Geruch tragenden Lösung hat: Das dem widersprechende, 1847 von Weber ausgeführte Experiment entscheidet hierüber durchaus nicht, denn es beweist nicht, dass die Geruchs- empfindung physiologisch verschwinde, sobald die Nase von einer riechenden Flüssigkeit erfüllt wird; sie konnte sehr wohl nur psychologisch verschwinden, indem die physiologische Reizung nicht wahrgenommen werden konnte wegen der unangenehmen und neuen Empfindung. Diese ihre Hypothese halten die beiden Autoren für umsomehr gerechtfertigt, als sich ihr alle wissenschaftlich gewonneneu Angaben anpassen. Als einen Vorgänger fuhren sie Walther aus Landshut an, der 1808 vergeblich für die Möglichkeit einer dynamischen Geruchstheorie eintrat und sich dem Glauben an eine der des Lichtes, der Wärme, des Schalls u. a. ähnliche Fortpflanzung des Geruchs zuneigte, obwohl er übrigens die Natur der ge- nannten Erscheinungen nicht kannte. Zum Schlüsse theilen Vashide und Van Melle noch mit, dass sie schon seit 4 Jahren dieses Räthsel Studiren, erwägen und die Beweismittel formuliren; ihre Hypothese eröffne neue Horizonte und die Existenz einer Geruch erzeugenden Welle, die sie glauben physikalisch bald nächweisen zu können, führe die Geruchsfunction ein in das System der allgemeinen Undulation und Vibration, die die wesentliche Form des Lebens sei. Eine biologische Notiz über Rliododendioii maxi- mujii verdanken wir einer Arbeit von Harsh berger: Thermotropic movement of the Icaves of Rhododendron maximum L. in Natural sciences of Philadelphia, 1899, S. 219-224. Rhododendron maximum ist ein 2 — 2'/3 ni hoher Zier- strauch, der seine Heimath von Canada bis Karolina hat. Die Blätter dieses Gewächses reagiren schnell und deutlich auf Wärmewechsel. Bei höherer Temperatur, 166 Natui-wissonscliaftliflie Wochenschrift. XY. Nr. 14. (z. B. 15 — 20" C.) stehen die Blätter vom Stengel ab und sind flach ausgebreitet. Aber bei kalter Witterung (0'' und darunter) senken sie sich und rollen sich so ein, dass die Oberseite jedes Blattes die convexe Aussenseite einnimmt. Dadurch werden die auf der Unterseite liegenden Spaltöftnungen geschützt und somit die Blätter vor starker Verdunstung bewahrt. Dieser Umstand ist insofern von Wichtigkeit, als aus einem kalten, gefrorenen Boden keine Wasserzufuhr seitens der Wurzeln möglich ist. Wenn dann noch andauernd Wind über die Blattfläche hinstreicht, ist die Gefahr des Aus- trocknens um so grösser. Das Senken der Blätter ver- hindert auch, dass dieselben durch Schnee und Eis be- lastet werden. Interessant ist die Thatsache, dass das Senken und Einrollen der Blätter innerhalb 5 Minuten erfolgt, wenn man einen Topf mit der Pflanze aus dem Zimmer ins Freie setzt. Der umgekehrte Prozess dagegen, das Heben und Ausbreiten der Blätter, erfordert 10 Minuten. Verf. behandelt auch den Mechanismus, der diese Krümmungen zu Stande bringt. Er macht es wahrschein- lich, dass ein Wassertransport von der Unterseite des Blattes nach der Oberseite desselben stattfindet, und dass in ähnlicher Weise im Blattstiel das Wasser sich nach den Zellen der convex werdenden Seite bewegt. Dabei entstehen auf der concaven Seite des Stieles Runzeln, die also auf eine erhebliche Wasserabgabe schliessen lassen. R. K. Zusatz von H. Potonie. — Garten-Besitzern wird die geschilderte Erscheinung an Rhododendren bekannt sein, wenigstens ist sie an meinen Rhododendren verschiedener Herkunft, in meinem Garten zu Gr.-Lichterfelde bei Berlin, stets sehr auffällig, und ich habe mir das Zusammen- krümmen der Blätter ebenso erklärt wie Harshberger. In der Erwägung, dass die Stamm- Arten unserer Garten- Formen in ihrer Heimath Frost auszuhalten haben, wurden meine ins Freie ausgepflanzten Rhododendren nicht ge- deckt und sind seit 5 Jahren in strotzender Gesundheit durch den Winter gelangt, indem sie sich stets beim Eintritt von Frost resp. grösserer Kälte durch Einrollung der Blätter vor zu starker Verdunstung geschützt haben. Das sogenannte Erfrieren der Rhododendren dürfte im Wesentlichen auf übermässige Austroeknung bei Witte- rungsumständen (Kälte in Verbindung mit Wind) zurück- zuführen sein. Bekanntlich sterben auch Nadelhölzer bei uns im Winter durch Austrocknung unter dcu gleichen Bedingungen; auch hier pflegt der Laie anzunehmen, dass solche Exemplare „erfroren" seien. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Eruannt wurden: Prof. Dr. Karl Theodor Gaedortz, Bibliothekar an der königlichen Bibliothek zu Berlin, zum Ober- bibliothekar; Dr. A. Osann, Privatdocent für Geologie und Mineralogie in Basel, zum ausserordentlichen Professor; Dr. Ma- ryan Smoluchowski Ritter von Smolan, Privatdocent der theoretischen Physik in Lemberg zum ausserordentlichen Pro- fessor; Dr. Fünf stück, Privatdocent der Botanik an der tech- nischen Hochschule in Stuttgart zum ausserordentlichen Professor; Dr. Hermann Kobold, Observator der Sternwarte und Professor Dr. Hugo Hergesell, Director des meteorologischen Landes- dienstos, Privatdocenten in der mathematisch-naturwissenschaft- lichen Fakultät zu Strassburg zu ausserordentlichen Professoren; Dr. A. Carle, ausserordentlicher Professor der chirurgischen Pathologie in Turin zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: Prof. Dr. Paul Ernst, erster As.sistent am pathologischen Institut zu Heidelberg als Professor der patho- logischen Anatomie nach Zürich; Dr. Romberg, ausserordent- licher Professor für innere Medicin in Leipzig und erster Assistent am doi-tigen klinischen Institut als ordentlicher Professor und Leiter der medizinischen Universitäts-Poliklinik nach Marhurir an Stelle Prof. Krehls. Es habilitirten sich: In Petersburg Dr. Polijewtkow für Kinderheilkunde, Dr. Berestnew für Bakteriologie und Dr. Pol- jakow für Krankheiten der Athmungsorgane. In den Ruhestand tritt: Prof. Buchanan, Professor der Chirurgie in Glasgow. Es starben: Hofrath Prof. Dr. Hofmokl, Professor der Chirurgie in Wien; Prof Teichmann, ordentlicher Professor für Maschineningenieurwesen an der technischen Hochschule in Stuttgart; • »berbergrath Dr. Waagen, Professor der Paläontolo- gie in Wien; der Mathematiker Prof Kanonikus Hill in Sheering (Essex); der bekannte Meteorologe George James Symons in London; Dr. Hjalmar Kiärskon, Docent der Botanik und Inspector des botanischen Museums in Kopenhagen; Prof. Heinrich Gollner, Dekan der Fachschule für Maschinen- ingenieurwesen an der technischen Hochschule zu Prag; Dr. Franz Scoczynski, Privatdocent in der medizinischen Fakultät zu Krakau; Stabsarzt Dr. Steinbach von der Kaiser- Wilhelms- Akademie für das militärärztliche Bildungswesen in Berlin. L i 1 1 e r a t u r. Prof. Dr. J. liOrscheid, Lehrbuch der anorganischen Chemie mit einem kurzen Grundriss dei Mineralogie. Mit 221 Text- Abbild, und 1 Spectraltafel in Farbendruck. 14. Auflage von Oberlehrer Dr. F. Lehmann. Freiburgim Breisgau. Herderscher Verlag. 1899. — Preis 3,50 Mk. Nach dem Tode Lorscheid's hatte Hovestadt die Besorgung der Neu-Auflagen übernommen, jetzt erfolgt dies durch einen Schüler des Letztgenannten. Neu aufgenommen wurden Ab- schnitte über die erst kürzlich entdeckten Elemente Argon, Helium, Krypton, Neon und Metargon, was eine Umarbeitung der Abschnitte über die atmosphärische Luft und den Stickstoff zur Folge hatte, ferner kam hinzu eine Besprechung des Acetylen- gases. Auch sonst hat Verfasser die neuen Errungenschaften be- rücksichtigt. Dr. phil. Walter Herrn, Docent der Ciiemie am Technikum Alten- burg, Repetitorium der Chemie für Techniker. Kurzgefasstcs Lehrbuch, enthaltend eine Einleitung in die Chemie und eine Ab- handlung der wichtigsten Elemente und ihrer Verbindungen unter besonderer Berücksichtigung der technisch angewandtun Körper, ihrer Eigenschaften und Darstellungsmethoden. Mit Abbildungen. Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn in Braun- schweig, t900. - Preis 3 M. Das Buch will nur dasjenige vorbringen, was sich für den eigentlichen Techniker in einem Semester vorbringen lässt, um ihm einen genügenden Ueberblick über die Chemie zu geben. Die gebräuchlichen Lehrbücher enthalten in der That für den Techniker zu viel und sind fast alle für ein Specialstudiuni in der Chemie berechnet. Prof. Dr.F.Klockmann, Lehrbuch der Mineralogie fUrStudirende und zum Selbstunterricht. "SUt l'.is Figuven. 2. umgearbeitete Autl. Feidi.Kiii.l Enke in Stuttgai-t 19i)i). - Preis 15 Mk. Die vorliegende 2. Auflage des guten Buches ist sorgfältig verbessert worden und weist vielfach im Einzelnen Aenderungoti auf. Vor Allem hat die Eintheilung der Krystallforuien in 32 Sym- metriekliissen gebührende Berücksichtigung gefunden; um jedoch den Anschluss an die geschichtliehe Entwickelung zu wahren, hat Verf noch gewisse, dadurch überflüssig gewordene Begriffe nicht beseitigt, sodass der Uebergang für solche, die eine Neu-Orien- tirung wünschen, aber ihre Kenntnisse auf dem alten Wege er- worben haben, bequemer wird. Während in der vor 5 Jahren erschienenen 1. Auflage die Naumann'schen Zeichen vor den Miller'schon bevorzugt wurden, ist es in der vorliegenden Auflage umgekehrt, doch wurden — wiederum um des Anschlusses willen an das Frühere — die Naumann'schen Symbole bei der Beschrei- bung der einzelnen Mineralien jedes Mal hinzugefügt. Eine An- weisung zur Construction der Kugelprojection ist neu hinzu- gekommen. In der Hervorhebung der geologischen Seite des Buches sieht Verf mit Recht einen Vorzug desselben. — Das Buch umfasst jetzt 672 Seiten. Paul A. Thomas, Der longitudinale Elasticitätscoefficient eines Flusseisens bei Zimmertemperatur und bei höheren Tempe- raturen. Jena, 1^99. Verlag von Heruiann Costenoble. G9 S. 3 Theile. — Preis 2 Mk. Der Vert\ kommt zu folgenden Hauptresultaten: 1. Die longitudinale Elasticität ändert sich als Function der Temperatur proportinal einer Potenz n der {von der Temperatur in bekannter Weise abhängigen) Dichtigkeit des Materials. Für das unter- suchte Siemens - Martin - Flusseisen wurde u = .^- 10,4 gefunden. 2. Die Ursache, weshalb die älteren Untersuchungen diese Pro- XV. Nr. 14. Naturwissenscluiftliche Woulienschrift. 167 liortionalität nicht erkennen Hessen, liegt in iler Unvergleichbar- ki'it der Elastieitätswcrthe aus höheren Temperaturen mit den- jenigen aus Zimmertemperatur. 3. Diese Unverglcichbarkeit ist darin begründet, dass die Elasticität bei bestimmter Temperatur abhängig ist von der Zeitdauer, während welcher das Material der betreffenden Temperatur ausgesetzt war. (Auszug in Annalen der Physik. I9(¥l, Heft 2) F-s. Gerard (Eric), Directeur de l'Institut electrotechnique Montefiore, Lecons sur l'Electricite, professees k l'Institut Montefiore. 6e (Jdition, 2 volumes grand in-8; 1899—1900. (Librairie Gauthier- Villars, quai des Grands-Augustins, 55, ä Paris. — Prix de chaque volume: 12 fr. In dem neuerdings erschienenen zweiten Bande seiner Vor- lesungen über Elektricität giebt der bekannte französische Elektro- techniker eine kurzgefasste, recht vollständige Uebersiclit über (Ins Gesammtgebiet der Elektrotechnik. Der stattliche, vortrefflich ausgestattete Band von fast 800 Seiten beginnt mit der Behand- lung der Leitungsanlagen und der Vertheilung der elektrischen Energie. Es folgen dann umfassende Kapitel über die Telephonie und Telegraphie, über Motoren und Kraftübertragung, elektrisches Licht und elektrochemische Industrieen. In zahlreichen Fällen iiiiiunt der Verf. Bezug auf bekannte, im zufriedenstellenden Be- triebe befindliche elektrische Anlagen und rechnet gelegentlich einfache Zahlenbeispiele durch. Theoretische Rechnungen sind auf ein geringes Maass zurückgeführt und beschränken sich auf das Nothwendige. 387 Illustrationen, theils schematisch gehalten, theils perspectivische Abbildungen, unterstützen den einfach und flüssig geschriebenen Te.\t, sodass sich das Werk ebensowohl für Elektrotechniker, wie für alle physikalisch gebildete Laien eignen dürfte, die das Bedürfniss empfinden, sich einen Einblick in dasjenige Gebiet menschlichen Könnens zu verschaffen, das dem letzten Viertel des abgelaufenen Jahrhunderts die Prägung aufgedrückt hat. — Es möge schliesslich bemerkt werden, dass der zweite Band des Gerard'schen Werkes ein völlig selbst- ständiges Ganzes bildet, das als elektrotechnischer Ergänzungs- band zu jedem rein wissenschaftlichen Lehrbuchc der Physik treff- lich dienen kann, zumal der Preis im Verhältniss zur Fülle des gobotcuon Stoffes ein erstaunlich niedriger ist. F. Kbr. Prof. Dr. Pernter, Bin Versuch, der richtigen Theorie des Kegenbogens Eingang in die Mittelschulen zu verschafifen. ■J. Aufl. Mit einer Tafel und 1 1 Figuren im Text. Wien TJOÜ. C. Gerolds Sohn. - Preis 0,80 Mk. Die Besprechung des Regenbogens beschränkt sich in den physikalischen Schulbüchern durchweg auf die Ableitung des „wirksamen Strahls" nach der Methode des Descartes, während liöchstens andeutungsweise darauf hingewiesen wird, dass die „überzähligen" Farben von AiryaufBeugungserscheiuungen zurück- geführt worden sind. Dieses Verfahren ist nach dem Verf. des- halb unzulässig, weil die geometrisch-optische Betrachtungsweise nur den Verlauf der Lichtstrahlen bis zum Austritt aus dem Tropfen richtig zu verfolgen vermag, während die Entstehung der eigentlichen Regenbogen-Wahrnehmung unbedingt und aus- schliesslich als ein Beugungsphänomen im Sinne der Theorie von Airy dargestellt worden müsse. Dass diese streng richtige und auch experimentell geprüfte Theorie, die allein die wirklich beob- achtete Breite, Farbenvcrtheilung und Variabilität des Regen- bogens abzuleiten gestattet, auch den Schülern einer höheren Lehranstalt („Mittelschule" im Gegensatz zur „Hochschule") ver- ständlich gemacht werden kann, sucht Pernter in der vorliegenden Abhandlung ausführlich zu zeigen, die zuerst in der „Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien" 1898 erschienen war. Es hat sich an diese erste Veröffentlichung eine Discussion geknüpft, in welcher Maiss und Poske gegen die Bezeichnung der bisher in den Schulen vorgetragenen Lehre als „unrichtig" Verwahrung ein- legten, da dieselbe doch nur auf Grund der Vernachlässigung der Beugung als unvollständig und ungenau gelten könne, zumal sie das Wesentliche, die farbige Wiederspiegelung des Sonnenlichtes in Gestalt von Kreisen, welche den Gegenpunkt der Sonne in Abständen von 42° und 51° umgeben, völlig zutreffend und über- einstimmend mit der Airy 'sehen Theorie begründet. In einem Zusatz zur vorliegenden zweiten Auflage seiner Schrift antwortet Pernter auf diese Entgegnungen aus dem Kreise der Physik- Lclirer insofern zustimmend, als er zugiebt, dass man sich a.uf der Schule doch wohl häufig mit der Betrachtung der Vorbedin- gungen für die Entstehung des Regenbogens, also der Brechung des Lichts im Wassertropfen wird begnügen müssen und daran eine Beschreibung des wirklichen Aussehens eines Regenbogens anschliessen mag, unter Hinweis darauf, dass diese Erscheinung schliesslich durch Interferenz der verschieden gefärbten Licht- strahlen zu Stande kommt, welche den Tropfen in der Richtung der mindest gedrehten Strahlen verlassen. Es kann dann darauf hingewiesen werden, dass die „überzähligen" Farben besser secun- därc genannt werden, da sie dem Phänomen durchaus wesentlich zugehören, dass die Veränderlichkeit in der Breite, Helligkeit und Farben vertheilung des Regenbogens auf verschiedene Tropfengrösse zurückgeführt wird und dass sehr kleine Tröpfchen, die nicht Regen, sondern nur Nebel veranlassen, einen fast völlig weiss erscheinenden und bereits mehrfach beobachteten „Nebelbogen" bedingen. — So dankenswerth gewiss die lichtvolle, ausführliche Darstellung der modernen Regenbogentheorie ist, welche die vor- liegende Abhandlung den Fachlehrern in die Hand giebt, so scheint doch auch uns die eingehende Behandlung der Ueber- einanderlagerung der den verschiedenen Farben entsprechenden Beugungsstreifen auf höheren Schulen mit Rücksicht auf die Be- schränktheit der für die gesammte Optik zur Verfügung stehenden Zeit untliunlich. F. Kbr. Behrens, Prof H., Mikrochemische Technik. Hamburg. — 2 Mark. Bjerknes, Prof. V., Vorlesungen über hydrodynamische Fernkräfte nach C. A. Bjerkno's Theorie. I. Bd. Leipzig. — 11,50 Mark. Brick, Dr. C. , Das amerikanische Obst und seine Parasiten. Hamburg. — 1,50 Mark. Bubani, P., Flora pvrinaea per ordines naturales gradatim digesta. Mailand. — IG Ma"rk. Dieterich, Dir. Dr. Karl, Analyse der Harze, Balsame und Gummiharze nebst ihrer Chemie und Pharmacognosie. Berlin. - 7 Mark. Hansen, Prof. Dir. Dr. Adph., Pflanzengeographische Tafeln. Steglitz Berlin. — 40 Mark. Hartig, Prof. Dr. Hob., Lehrbuch der Pflanzenkrankheiten. Berlin. - 10 Mark. Jatta A., .Sylloge liehenum italicorum. Berlin. — 10,50 Mark. Kraepelin, Karl, Zur Systematik der Solifugen. — Hamburg. 2 Mark. Lassar-Cohn, Prof. Dr., Die Chemie im täglichen Leben. 4. Aufl. Hamburg. — i Mark. Michaelsen, Dr. W., Terricolen von verschiedenen Gebieten der lOrde. Hamburg. — 3 Mark. UColUer. S., Lieber die Statik und Mechanik des menschlichen Schultergürtels unter normalen und pathologischen Verhältnissen. Jena. — 10 Mark. Olbers, Wilh., sein Loben und seine Werke. 2. Bd. Briefwechsel zwischen Olbers und Gauss. Berlin. — 16 Mark. Rein, Prof. Dr. Johs., Beiträge zur Kenntniss der spanischen Sierra Nevada. Wien. — 5 Mark. Rothschild, Dr. Dav., Der Sternalwinkel (Angulus Ludovici) in anatomischer, physiologischer und pathologischer Hinsicht." Frankfurt a./M. —"2,60 Mark. Rückert, Prof. Dr. Johs., Die erste Entwickclung des Eies der Elasmobranchier. Jena. — 20 Mark. Sauer. Geologische Specialkarte des Grossherzogthum Baden: Blatt 100: Triberg, — 2 Mark. Schorr, R., Bemerkungen und Berichtigungen zu Carl Rümker's Hamburger Sternkatalogen 1836 0 und 1850.0. 2. Serie. Hamburg. - 2 Mark. Specialkarte, geologische, des Grossherzogthum Baden. 1 : 25,000. Heidelberg. — 2 Mark. Strasburger, Ed, Fritz Noll, Heinr. Schenok, A. F. W. Schimper, Proff. DDr., Lehrbucli der Botanik für Hochschulen. Jena. - 8,50 Mark, Treadwell, Prof. Dr. F. P., Tabellen zur qualitativen Analyse. Berlin. — 4 Mark. XJhlig, Prof. Dr. Vict., Lieber eine unterliasische Fauna aus der Bukowina. Prag. — 3 Mark. Volkmann, Prof. Dr. P., Einführung in das Studium der theore- tisehni Phv.sik, insbesondere in das der analytischen Mechanik. Leipzig. — 14 Mark. Warbiirg, Prof. Dr. O., Die Kautschukpflanzen und ihre Kultur. Berlin. — 3 Mark. Weber, Dr. C. A., Versuch eines Ueberblicks über die Vegetation der Diluvialzeit in den mittleren Regionen Europas. Berlin. — 1 Mark. Inhalt: SehiUer-Tietz: Die vermeintliche Parthenogenesis bei der Honigbiene. — Ueber die Natur der physikalischen Be- dingungen des Geruchs. — Eine biologische Notiz über Rhododendron maximum. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Prof. Dr. J. Lorscheid, Lehrbuch der anorganischen Chemie. — Dr. phil. Walter Herm, Repetitorium der Chemie für Techniker. — Prof. Dr. F. Klockmann, Lehrbuch der Mineralogie für Studirende und zum Selbstunterricht. — Paul A. Thomas, Der longitudinale Elasticitätscoefficient eines Flusseisons bei Zimmertemperatur und bei höheren Temperaturen. — Gerard (Eric), Leidens sur l'Electricite — Prof. Dr. Pernter, P"iu Versuch, der richtigen Theorie des Regenbogens Eingang in die Mittelschulen zu verschaffen, — Liste. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 14. Dr. Robert Muencke : Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. t Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate # und Geräthachaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. * >♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Ferd. Dümmlers Yerlagsbuehhandlmig in Berlin SW.12. Tabellen qualitativen Analyse bearbeitet von Dr. F. P. Treadwell, ProfcBBor Hm Eidgenössischen Püiytcclinikuni iu 2Uricb unter Mitwirkung von Dr. Victor Meyer, Vierte vermehrte und verbesserte Auflage, neu bearbeitet von Dr. F. P. Treadwell. Lex. 8". Preis kartonnirt 4 Mark. 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Ii»hter Plastik (Prismcu- system nach Ferro). und asti-o-optische In- strumente. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potoniö, Gr. Lichterfeldi Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbucii : (P.B.) bei Berlin, Potsilainorstrasse 35, für den Inserateiithei landluiig, Berlin SW. 12. - Druck: G. Bernstein, Beiliu SW 1: Verlag: Ferd. Dü-diinlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. ^onutjig', den 15. April 1900. Nr. 15 Abonhement: Man abonuirt bei allen Buchhandlungen und Post- anatalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M i.— Brinßegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 .A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft- Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdraek ist nnr mit vollständiger Qnellenang^abe gestattet. Die Farben in der Pflanzenwelt. Von M. Mo biua. Die Vegetation erfreut im Allgemeinen unser Auge um so mehr durch ihre Färbung-, je mannigfaltiger die- selbe ist: hellgrüne Wiesen zwischen dunklen Wäldern, bunte Blumen auf grüner Wiese, grell gefärbte Pilze auf dunklem Waldesboden, die grünen, gelben, braunen, rothen Töne des herbstlich gefärbten Waldes sind Beispiele solcher Bilder, die durch die Gegensätze oder die Ver- schiedenheit der Färbung ein ästhetisches Wohlgefallen erregen. Mannigfaltig nun, wie die Farben selbst, sind auch die Mittel, welche die Natur anwendet, um jene zu erzeugen: einen Ueberblick darüber zu geben, erscheint als eine lohnende Aufgabe und soll in Folgendem ver- sucht werden. Zunächst ist festzustellen, dass die färbende Substanz niemals ein ganzes Organ gleichmässig durchsetzt, dass also ein grünes Blatt nicht gleichmässig grün gefärbt ist, wie ein in grüne Farbe getauchtes Papier, wie es wohl für die naive Anschauung den Anschein haben mag. Vielmehr ist die Farbe bei den Pflanzen immer au be- stimmte Theile der Zellen gebunden, aus denen sich be- kanntlich jedes Organ autbaut. Und zwar sind hier drei, in der Natur auch verwirklichte Möglichkeiten vorhanden: 1. die Farbe ist in dem wässerigen Zellsaft gelöst, während die geformten Bestandtheile der Zelle farblos sind; 2. die Farbe ist an gewisse geformte Inhalts- bestandtheile der Zelle gebunden, 3. die feste Haut oder Membran der Zelle ist der Sitz der Färbung, während der ganze Zellinhalt farblos ist; an diesen letzten schliesst sich der nur selten vorkommende Fall, dass die färbende Substanz in pulveriger Form der Zellhaut äusserlich 'auf- sitzt. Diese einfachen Verhältnisse kann aber die Natur zunächst combiniren, indem z. B. in einem Blatt die einen Zellen rothgefärbten Saft, die andern grüngefärbte Chloro- phyllkörner enthalten oder auch indem beides in derselben Zelle neben einander auttritt. Es kann ferner dadurch, dass ungefärbte Zellenschichten über den gefärbten liegen, oder dass die Bekleidung mit Haaren oder reifartige üeberzüge die Färbung mehr oder weniger verdecken, eine grosse Variation in der Abtönung einer Farbe her- vorgerufen werden, sodass wir die Mittel der Natur zur Mischung und Abtönung der Farben mit den Künsten eines geschickten Malers vergleichen können und die wirklich zu beobachtenden Verhältnisse zu mannigfaltig sind, um einzeln beschrieben zu werden. Auch dürfte es nicht zweckmässig sein, sich nach diesen anatomischen Verhältnissen zu richten, wenn wir die verschiedenen Vor- kommnisse zu einem Ueberblick ordnen wollen, vielmehr werden wir besser thun, einzelne Gruppen von Pflanzen und von pflanzlichen Organen zu bilden und diese kurz nach einander zu besprechen. Wir beginnen mit den sogenannten niederen Pflanzen nnd betrachten zunächst die Pilze und Flechten. Bei den erstereu sind die eigentlichen vegetativen Theile, das Mycelium, gleich dem Wurzelwerke einer krautigen Pflanze, dem es ja auch in der Function entspricht, in der Regel ungefärbt, die Fruchtkörper und Sporen haben aber in den weitaus meisten Fällen eine charakteristische Farbe. Dieselbe hat ihren Sitz entweder in der Membran oder im Zellinhalt oder in beiden zugleich, seltener ist der Farbstoff aussen auf der Membran ausgeschieden. Die Pilzfarbstoffe*) sind meistens anderer Natur als die der höheren Pflanzen und noch keineswegs genügend er- forscht, sodass wir uns mit der Erwähnung einiger Bei- spiele begnügen müssen. Eine besondere Gruppe von Farbstoffen heisst Lipochrome oder Fettfarbstoffe, dess- wegen, weil die, meist gelben oder rothen, Farben an Tropfen fetten Oels im Innern der Pilzzellen gebunden sind', so z. B. in den Sporen der Rostpilze, die ja gerade dem rostrothen Aussehen ihrer Frucbtkörper ihren Namen ver- danken, in den Fruchtkörpern des gelben Horn- schwammes (Calocera viscosa) und des orange- farbenen Becherpilzes (Peziza aurantiaca). Von *) Nach W. Zopf, die Pilze (Breslau, IS'JÜ) S. 143 ff. 170 Naturwissenscbaftliclie Wochenschrift. XV. Nr. 15. Flechten gehört hierher Baeomyces roseus mit seinen gestielten, kopfförmigen Fruehtkörperu von rosenrother Farbe. Für das Vorkommen eines Farbstoffs im Zell- innern, der nicht au Fetttröpfchen gebunden ist, können wir als Beispiel den blutrotlien Becberpilz (Peziza sanguinea) anführen. — Häutiger sind die gefärbten Membranen Ursache der charakteristischen Farbe des rilzes oder der Flechte, so bei der rothen Haut, die den Hut des Fliegenpilzes (Amanita muscaria) überzieht, bei den rothen Hüten gewisser Täublinge (Russula-Artenj, bei dem fleischrothen Sporenlager der Nectria cinna- barina, den rothen Köpfchen der Korallenflechte (Cladonia coccifera), dem grünen Myceliuni der Peziza selbst aeruginosa, das das ganze yon ihm befallene Holz grün erscheinen lässt, beim M u 1 1 e r k o r n (Clavieeps pur purea), dessen hornförmige Sklerotien aussen dunkel-violett ge- färbt sind. Für die gelbgefärbte Flechte Nephoroma lusitanica dagegen ist nachgewiesen, dass der gelbe Farbstoff den Membranen in Form von kleinen gelben Krystallkörnchen aufgelagert ist. Wenn nun auch die Arten derselben Gattung oft in der Art und Weise des Auftretens des Farbstoffs übereinstimmen, so ist dies, wie uns schon die erwähnten Peziza- Arten zeigen, nicht immer der Fall, und man kennt noch keine Regeln für das Verhalten der Pilze in dieser Hinsicht, sodass jede Art speciell darauf zu untersuchen ist, ob der Farbstoff im Innern der Zelle, in oder auf den Zellwänden vorkommt und zu welcher Gruppe von chemischen Körpern er gehört. Ganz anders und durch die hier herrsehende Regel- mässigkeit in der Vertheilung der Farbstoffe viel inter- essanter verhalten sich die Algen. Erstens nämlich ist der Farbstoff hier immer an plasmatische Inhaltsbestand- theile der Zelle gebunden, zweitens sind die nach ihren morphologischen Verhältnissen und ihrer Fortpflanzungs- weise zu unterscheidenden Ordnungen von Algen auch durch ganz bestimmte Farben charakterisirt, und drittens ist als Farbstoff immer das Chlorophyll oder Blattgrün vorhanden, entweder allein oder mit einem anderen Farb- stoff" gemischt. Und so unterscheiden wir: 1. Cyanophyceen, bei denen neben dem Chloro- phyll ein meistens blaugrüner, seltener blauer, oliven- grüner, violetter, rosenrother, gelblicher oder bräunlicher Farbstoff vorkommt, der an die ganze äussere Plasma- schicht, die den farblosen plasmatischen Centralkörper umgiebt, gebunden ist. Der spangrüne, fädige Ueberzug, den man auf Blumentöpfen oder in schmutzigen Gräben findet, rührt von solchen Algen her. 2. Chlorophyceen, rein chlorophyllgrUne Algen, bei denen der Farbstoff, also hier das Chlorophyll, ohne alle Beimengung, an besondere, eigenthümlich und ver- schiedenartig geformte, protoplasmatische Träger im Zell- innern gebunden ist, wie bei allen Folgenden: man nennt diese Farbstoff träger Chromatophoren und hat in ihnen sehr wichtige Oigane für das Leben der Pflanzen er- kannt. Wohl jedermann hat schon diese grünen Algen in nnsern Bächen, Flüssen und Teichen oder in Aquarien beobachtet. 3. Diatomeen; das Chlorophyll wird hier durch einen gelbbraunen Farbstoff" verdeckt und deshalb bilden diese winzigen Algen, wenn sie in grosser Masse auf- treten, braune Ueberzüge auf Steinen oder Pflanzen in Bächen, Teichen und anderen Wasseransammlungen. 4. Hier würden sich noch die Peridineen mit einem braunen Farbstoff und einige andere kleinere Algen- gruppen ansehliessen, deren Vertreter aber im Allgemeinen zu vereinzelt auftreten, um in der Färbung der Vegetation eine Rolle zu spielen. Doch verdient erwähnt zu werden, dass die genannten einzelligen Peridineen in gewissen Meeresgebieten so massenhaft an der Überfläche des auftreten, dass es dadurch eine schmutzig braun- grüne Färbung annimmt. 5. Phaeophyceen oder Brauntange des Meeres. Wie bei den vorigen ist es ein brauner Farbstoff", der mit dem Chlorophyll in den plasmatischen Farbstoff- trägern vereinigt, diesen eine braune Färbung in ver- schiedenen Nuancen vom hellen Braungelb bis zum Dunkel- braun verleiht und dadurch die Algen in verschiedenen Tönen des Braun bis zum Olivengrün färbt, wobei noch andere in den Zellen vorhandene Stoffe eine gewisse Rolle spielen. 6. Rhodophyceen oder Rothtange des Meeres. Das Chlorophyll wird vollständig durch einen rothen Farbstoff verdeckt und die Chromatophoren zeigen alle Töne von rosa bis violett oder blauroth, sodass auch die Pflanzen selbst in den verschiedensten Nuancen des Roth gefärbt erscheinen und so als die Blumen des Meeres auf- treten, wess wegen sie auch Florideen genannt worden sind. Andererseits erinnert ihr Laub in manchen Fällen an die rothgefärbten Blätter gewisser Stauden und Holz- pflanzen, bei denen aber die rothe Farbe auf eine ganz andere Weise zu Stande kommt. Denn in den Blättern höherer Pflanzen, von den Moosen an aufwärts, finden wir nur rein grün gefärbte Chromato- phoren in Form kleiner Körner, die wir dann eben als Chlo- rophyHkörner bezeichnen.*) Das Grün, welches für die Vegetation so charakteristisch ist, wird also bei allen diesen Pflanzen dadurch hervorgerufen, dass in gewissen Zellen, besonders denen der Blätter, aus Protoplasma bestehende Körner vorhanden sind, die mit einem gewissen, Chloro- phyll genannten P^arbstoff von bestimmten chemischen Eigenschaften durchtränkt sind. Blicken wir aber nun in ein Gewächshaus oder in einen Park,**) in dem gerade durch die Mischung ver- schiedenartig gefärbter Bäume, dunkler Tannen, heller Birken, graner Weiden und anderer Sorten, effectvolle Gegensätze und Schattirungen hervorgerufen werden, so fragen wir wohl, wie ist es möglich, dass alle diese Nuancen durch dasselbe Chlorophyll erzeugt werden? Und doch ist es so, insoweit es sich wirklich um Grün bandelt, nicht um die rothen Töne, die wir an jungen Trieben im Frühling sehen, oder um die Blutvarietäten oder um die gelbe, braune oder rothe Herbstfärbung handelt. Unter- suchen wir ein hellgrünes, graugrünes oder dunkelgrünes Blatt unter dem Mikroskop, so sehen wir in allen Fällen dieselben Chlorophyllkörner von der gleichen grünen Farbe.***) Nur bei den panaehirten Blättern f) zeigen *) Es kommen auch farblose Chromatophoren vor. Bemerkens- werth ist, dass dieselben bei der Nestwurz (NeottiaNidus avis) braune Farbstofl'krystalle umschliessen und dadurch die bräun- liche Färbung der Pflanze erzeugen. Ob die braune Farbe der Orobanchen auf dieselbe Weise entsteht, scheint noch nicht unter- sucht zu sein. **) Noch grösser ist die Mannigfaltigkeit im tropischen Ur- wald, wie sie Haberlandt in seiner botan. Tropenreiae (S. 106) erwähnt: „es herrscht eine grosse Abwechselung der Farben- nuancen vom tiefen Schwarzgrün bis zu einem fahlen Grüngelb, ja selbst Weissgelb". ***) Es ist freilich sehr schwer, durch mikroskopische Unter- suchungen festzustellen, ob der Ton des Grüns bei den einzelnen Chlorophyllkörnern in dunkelgrünen und hellgrünen Blättern der- selbe ist, ich habe aber bei meinen Beobachtungen keinen Unter- schied wahrnehmen können und bin zu der Ueberzeugung ge- kominen, dass der wesentliche Grund für die Abtönung dos Grüns nicht in der Färbung der Chromatophoren, sondern in accessori- schen Eigenschaften der betreffenden Organe liegt. Meines Wissens hat noch Niemand die Sache untersucht, abgesehen von dem bekannten Einfluss der Wachsüberzüge, Haare, Luftein- schlüssB u. s. w., von denen nachher auch die Rede ist und die aus- führlicher besprochen sind in Kny 's interessantem Aufsatze: „über Laubt'ärbungen" in dieser Zeitschrift, 1889, Bd. IV, Nr. 14 und 16. t) conf. Zimmermann in der deutschen botan. Gesellschaft 1890, Bd. VIII, S. 95. XV. Nr. 15. Naturwissenschaftliclie Wochensclirift. 171 die Chroraatophoren in deu blassen Tiieilen auch selbst eine blassere Färbung-, indem alle Uebergänge von dem normalen Grün durch das Gelbliche bis zur völligen Farblosigkeit auftreten, sodass in den weissen Stellen auch ungefärbte und dabei kleinere Chromatophoren vor- handen sind. Die helle, rein grüne Farbe der Blätter im Frühling zeigt am besten die Eigenfarbe des normalen Chlorophylls, die dunkleren Töne werden dadurch hervorgerufen, dass mehr oder weniger undurchsichtige Schichten über dem eigentlichen grünen Gewebe liegen, abgesehen davon, dass die durch den Zuwachs der Zweige weiter ins Innere der Krone zu liegen kommenden Blätter durch die Beschattung von den äusseren Theilen her auch dunkler erscheinen. Besonders zu beachten ist, dass bei allen höheren Pflanzen, den Blüthenpflanzen insbesondere, die Chloropliyllkörner noch nicht in der obersten ßlattsehicht gefunden worden, sondern dass eine ungefärbte Epidermis über dem grünen Gewebe liegt. Bei den Farnen ist dies meistens nicht der Fall und schon deshalb zeigen dieselben so häufig ein lebhafteres Grün; zudem sind ihre Blätter dann auch zarter und durchsichtiger. An unseren Sträuchern und Bäumen ist die Epidermis des jungen Blattes zart und durchsichtig wie Glas, später aber werden die Membranen derber und nehmen wohl auch eine gelb- liche Farbe an: auch der Inhalt der Epidermiszellen kann trüber werden. So ist es auch mit den Zellwänden und dem Zellinhalt des übrigen Gewebes des Blattes und wenn solche Unterschiede auch mikroskopisch kaum zu sehen sind, so wirken sie doch in der Vereinigung, machen das ganze Blatt derber und undurchsichtiger und in Folge dessen erscheint das Grün dunkler. Je länger nun ein Blatt sich an seinem Zweige befindet, um so mehr Staub lagert sich auf ihm ab und es bildet sich allmählich eine Kruste, die auch durch den Reg'cn nicht abgewaschen wird. In der Nähe der Häuser ist viel Kohlenstaub vor- handen, und diesen findet man als eine ganze schwarze Kruste auf den Nadeln der Coniferen, wenn sie schon ein Jahr oder garmehrere Jahre am Baume sitzen: kein Wunder, dass sie fast schwarz aussehen: Jedoch werden sie nach dem Abwaschen immer noch nicht so hell, wie die Nadeln der jungen Triebe: es kommt eben die erwähnte geringere Durchsichtigkeit der älteren Gewebe hinzu und die un- ebene Oberfläche. Auch dieser letzte Punkt ist in Betracht zu ziehen: junge Blätter sind meistens viel glätter als ältere und die Runzlichkeit macht dunkler, sie bewirkt auch, dass der Staub in den Runzeln viel fester haften bleibt. Ausser diesem fremdartigen, unbeabsichtigten Ueber- zug von Staub kommt aber auch bei vielen Blättern ein normaler üeberzug vor, der aus einer Wachsaus- scheidung auf der Aussentläche der Epidermis besteht und in allen Abstufungen vom zarten Reif bis zur dicken, 5 mm starken, festen Kruste auftritt. Ihm verdanken viele der grauen Blätter ihr eigenthümliches Aussehen, z.B. die Silberweide (Salix argentea), während andere Blätter durch verschiedenartige Haare grau erscheinen. Treten diese Haare als feine Schüppchen auf, wie beim Sanddorn (Hippophae rhamnoides), so ist ein solcher üeberzug bei der Betrachtung mit blossem Auge leicht mit einem Wachsüberzug zu verwechseln. Wollhaare da- gegen, die einen dichten Filz bilden können, sind in der Regel leicht zu erkennen, sie lassen die Blattfläche manchmal fast weiss erscheinen, wie z. B. die Blattunter- seite des Huflattichs (Tussilago farfara). An und für sich sind ja die Haarzellen farblos und durchsichtig, allein ihre Zellen füllen sich mit Luft und alle diese Luftblasen bringen gerade so eine weisse Farbe hervor wie die Blasen, die deu Schaum des Bieres bilden. So spielt denn auch die in dem Blatt selbst zwischen den Zellen eingeschlossene Luft eine Rolle in der Blattfärbung; vor allem sehen wir deshalb die Blattunterseite häufig so matt gefärbt, weil im unteren Theile des Blattes, auf dem Durchschnitt gesehen, das Gewebe schwammartig aus- gebildet und mit vielen lufterfüllten Zwischenräumen durchsetzt ist, während oben die Zellen pallisadenartig aneinander schliessen. — Einen prächtigen, seideartigen Glanz mit goldigem Schimmer zeigen auf der Unterseite die Blätter der brasilianischen Malpighiacee Hetero- pteris chrysophylla; er wird dadurch hervorgebracht, dass die spitzen Haare in paralleler Richtung der Blatt- fläche angeschmiegt sind und dass die Membranen der Haarzellen theilweise eine gelbliche Färbung angenommen haben, alle Haare aber eine grosse glänzende Luftblase enthalten. Anders ist es bei den Gold- und Silber- farnen (Gymnogramme chrysophylla und tartarea), bei denen der Gold- resp. SilberUberzug auf der Unterseite der Wedel von einer durch besondere Papillen secer- nirten gelben oder weissen wachsartigen Substanz er- zeugt wird. Wenn die Haare vertrocknen, ihre Zellen collabiren und deren Wände sich bräunen, so erhalten wir eine mehr oder weniger intensive bräunliche Färbung der Blätter, die wiederum häufiger auf deren Unterseite auf- tritt, z. B. bei der rostfarbenen Alpenrose (Rhododendron ferrugineum). Gedenken wir schliesslich der wie mit Thautropfen Ubersäeten Blätter des Eiskrautes (Mesem- bryanthemum crystailinum), bei dem grosse blasenförmige, mit Wasser erfüllte Haare auftreten, so haben wir jetzt genug der Beispiele für die Modificationen in der grünen Färbung des Blattes. Eine besondere Abtheilung bilden die sogen, bunten Blätter*) der bei vielen als Zierde des Blumentisches oder Gewächshauses bekannten Blattpflanzen, wie Begonien, Dracaenen, Scitamineen u. a. Soweit hier nicht die schon oben erwähnte Panachirung in Betracht kommt, wozu auch die meistens fleckenweise auftretende Gelb- färbung zu rechnen ist, handelt es sich um rothgefärbte Blätter. Hierher gehören auch die Blutvarietäten ver- schiedener Bäume, wie der Hasel und Buche. Solche Blätter unterscheiden sich von den normalen nur dadurch, dass ihre Oberhaut roth gefärbten Zellsaft enthält, der das darunter liegende Grün nicht erkennen lässt. Ist nur die Unterseite des Blattes mit einer solchen rothen Oberhaut überzogen, so entstehen die auffallend zwiefach gefärbten Blätter, die mancher Pflanzenart, wie z. B. einer Tradescantia, den Namen discolor eingetragen haben. Doch kann sich die rothe Färbung des Zellsaftes auch auf die Zellen des mittleren Blattgewebes, die zu gleicher Zeit Chlorophyllkörner fuhren, erstrecken. Selten wird die rothe Farbe der Blattunterseite durch die ge- färbten Zellmembranen hervorgebracht, wie bei den schwirnmenden Blättern der bekannten Eichhornia (Pontederia) crassipes.**) Während man unseren Gärten besonders durch einen reichen Blumenflor eine rechte Farbenpracht zu verleihen sucht, scheint man in den Tropen viel mehr bunte Laub- blätter zu cultiviren, als bei uns, wenigstens ist dies Haberlandt, wie er in seiner botanischen Tropenreise berichtet (S. 16), in den Gärten und Parkanlagen von Ceylon und Java überall aufgefallen. In den Tropen *) Gute farbige Abbildungen findet man in den Arbeiten über die Farben bunter Laubblättev von C. Hassack (Botanisches Centralblatt, 1886, Bd. 28) und Tb. W. Engelmann (Botanische Zeitung 1887). **) Nach Hildebrandt in den Berichten der deutsch, botan. Gesellschaft, S. 883, Bd. I, S. XXVII. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 15. kommt dann noch ein anderer Umstand hinzu, der eine grössere Abwechselung in die Laubfärbung der immer- grünen Blaltmasseu bringt, nämlich die häufigere Roth- färbung der jungen Blätter. Wir beobachten auch bei uns diese Erscheinung, die besonders schön an manchen Eichentrieben am Boden des Waldrandes her- vortritt. Tropische Pflanzen zeigen es aber noch viel schöner, wie man z. B. beim Austreiben eines Zimmt- baumes sehen kann. Die zarten jungen Blätter haben schon fast ihre definitive Grösse erreicht, sie hängen aber noch schlaff herab und heben sich in ihrem prächtigen Rosa von den bellgrünglänzendeu älteren Blättern, mit höchst anziehender Contrastwirkung ab. Die Rothfärbung beruht darauf, dass die Zellen, welche später die meisten Chlorophyllkörner führen, die sogenannten Pallisadenzellen des Blattes, anfangs farblose Chromatophoren, aber einen rothgefärbten Zellsaft enthalten. Letzterer verschwindet sodann in dem Maasse, als die Chromatophoren sich grün färben und durch Theilung vermehren. Auch andere Zellen im inneren Blattgewebe verhalten sich ähnlich, während die Epidermiszellen von Anfang an farblos sind. Dieser hier nur an einigen Beispielen angedeuteten Frühlingsfärbung der Blätter, — wenn wir von unseren Verhältnissen diesen Ausdruck auch auf die tropischen übertragen dürfen — steht nun die Herbstfärbung des Laubes gegenüber, deren schönste Entfaltung in Nord- amerika beobachtet werden soll; vielleicht hängt dies mit dem Herrschen einer schönen und milden Witterung, des sogen, indian summer, vor dem Eintreten der winterlichen Ruhe zusammen. Natürlich ist überhaupt nur, wenn letztere vorhanden, von einer allgemeinen Herbstfärbung die Rede, nicht in den tropischen Gebieten mit constant gleich warmem und feuchtem Klima und nicht in den Gebieten, wo die Vegetation durch eine Trockenzeit unterbrochen wird: im letzteren Falle verdürren einfach die Blätter ohne sich zu verfärben. In Deutschland mag oft schon früh eintretende Kälte und häufiger Regen im Herbst die ür.sache sein, dass die Herbstfärbung nicht die Schönheit der nordamerikanischen erreicht. Bekanntlich verfärben sieh die grünen Blätter vor dem Abfallen oft in gelben, braunen oder rothen Tönen und die Vorgänge im Blatte sind dabei folgende. Bei der Gelbfärbung findet eine Zersetzung des Chlorophyllfarbstoffs unter gleichzeitigem Zerfall der Chromatophoren statt, sodass man kleine gelbe Körner nebst farblosen und gelben Oeltropfen an Stelle der früher dort vorhandenen grösseren grünen Körner liegen sieht. Wenn diese Desorganisation des Zellinhaltes gleich in stärkerem Grade eintritt, so bilden sich bräunliche, ballige Massen in den Zellen und man sieht die Blätter sich braun färben. Die Rothfärbung dagegen, wie wir sie so schön an manchen Eichen beobachten, wird, ebenso wie die Frühjahrsfärbung, durch das Auftreten eines rothen Zellsaftes in dem chlorophyllführenden Ge- webe hervorgebracht, auch hier ohne dass sich die Epidermis an der Färbung betheiligt. Hiermit glauben wir die wichtigsten Modificationen in der Färbung des ursprünglich rein grünen Laubblattes, wenn auch nicht beschrieben, so doch erwähnt zu haben. Es dürfte daraus hervorgehen, dass die Mittel, welche die Natur zur Hervorbringung dieser Modificationen ver- wendet, verhältnissmässig einfach sind, insofern von Farben eigentlich nur das gewöhnliche Chlorophyllgrün und der rothe Zellsaft verwendet werden, wozu noch die Bräunung der Membranen kommt, das Andere sind farblose Gebilde, wie die Haare, oder einfache Zerfallproducte des Chloro- phylls. In ähnlich einfacher Weise behilft sich die Natur bei der Bildung der so mannigfachen Blüthenfarben, die unser Auge entzücken und jetzt einer kurzen Betrach- tung unterworfen werden sollen.*) Während wir bei den Blüthen alle nur möghchen Farben vorfinden und, wenn wir dieselben in Gruppen bringen, immer noch unterscheiden können weisse und schwarze, braune, gelbe, rothe, blaue und violette Töne, so sind an der Hervorbringung desselben abgesehen vom Chlorophyll eigentlich nur zwei Stoffe betheiiigt, nämlich das Biumengelb und das Blumenroth und zwar wird dies auf folgende Weise möglich. Zunächst ist das Weiss auszuscheiden, weil die Natur zur Erzeugung desselben keiner besonderen Farbe bedarf, sondern Urgane, die aus farblosen Theilen bestehen und Luft eingeschlossen enthalten weiss erscheinen, und so finden wir bei weissen Blüthen zwischen den farblosen Zellen grosse, lufterfüllte lutercellularräume. Die gelben Farben sodann werden eigentlich durch zweierlei Stoffe erzeugt, von denen der eine aber über- wiegend häufig, der zweite so selten gefunden wird, dass er fast vernachlässigt werden kann. Dieser zweite, ein gelb gefärbter Zellsaft, kommt in hellgelben Blüthen derDahlien, den Blüthen von Verbascum nigrum, Antirrhinum majus und einigen echten Acacien vor. Meistens aber ist der gelbe Farbstoff, das Anthoxantin, wie das Chlorophyll, an besondere Chromatophoren gebunden, die als kleine Körnchen in grösserer oder geringerer Menge im Protoplasma der Zellen auftretend, dementsprechend dunklere oder hellere Töne erzeugen, so bei den vielen gelben Compositen, Papilionaceen u. a. Als eine Modifieation dieser gewöhnhchen Anthoxantinkörner können wir wohl die unregelmässig eckigen oder spindelförmigen orangenenFarbstoftkörper in den Blumenblättern der Kapu- zin erkresse (Tropaeolum majus) und der Feuerlilie (Lilium croceum) betrachten**). Ferner ist noch zu er- wähnen, dass bei den fettglänzenden gelben Ranunculus- blüthen die Körnehen zu einer ölartigen Masse zer- fliessen. Im Gegensatz zum Blumengelb ist das Blumenroth meistens nicht an Chromatophoren gebunden, sondern im Zellsaft gelöst, wie wir dies schon an den bunten Laub- blättern kennen lernten, und ist offenbar derselbe Stoff wie das Blumenblau und -violett, indem, wie beim Lakmus, die verschiedene Färbung durch die Anwesen- heit sauer oder alkalisch reagirender Körper bedingt wird, daher man auch alle diese Farben mit dem Namen A n - thocyan bezeichnet. Bekanntlich kann man rothbiiihende Hortensien durch Zusatz alkalischer Eisensalze zu dem Erdboden in blaublühende verwandeln. Alle Töne vom Roth durch Violett in Blau werden also durch denselben Stoff her- vorgerufen, der theils selbst diese verschiedenen Töne an- nimmt, theils die Mischfarbe Violett dadurch erzeugt, dass Zellen mit rothem, blauem und violettem Saft an der- selben Stelle durcheinander gemengt auftreten, wie z. B. bei der dreifarbigen Winde (Convolvulus tricolor),***) theils rothe und blaue Zellschichten übereinander liegen, wie ich es z. B. bei Viola odorata im unteren Kronblatt fand, dessen Epidermis blauen und dessen hypodermale Schicht rothen Zellsaft enthält. Nun kommen aber noch andere Verhältnisse in Be- tracht. Zunächst ist es klar, dass je nach der Concen- tration des Zellsaf'tes beim Anthocyan und, wie schon erwähnt, der Anhäufung von Anthoxanthinkörnern hellere und dunklere Töne entstehen werden: so rufen *) conf. A.Hansen, Die Farbstoffe der Blüthen und Früchte Würzburg 1884. **) conf. Strasburger, das botanische Practicum (1884). S. 59. ***) Oder bei Iris sibi rica, für die es Dodel-Port auf der betreffenden Wandtafel sehr schön abbildet. XV. Nr. If). Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 173 Zellen mit sehr concentrirtem violettem Zellsaft in meh- reren Lagen über einander die schwarzen Töne hervor, die wir in einigen Fällen beobachten, z. B. an den schwarzen Flecken in der Blüthe der Saubohne (Vicia faba). Ferner entsteht ein Unterschied im Ton, wenn der Farbstoft' in der Oberhaut enthalten ist oder in den tieferen Zell- schichten und durch eine farblose Oberhaut gedämpft ist, überhaupt wenn niu' eine Zellschicht oder wenn mehrere Schichten gefärbt sind. Hier kann auch erwähnt werden, dass die Gestalt der Oberhautzellen insofern von Eiufluss ist, als papillenförmig verlängerte, sich in der- selben Richtung neigende Zellen das sanimetartige Aus- sehen der gefärbten Blumenblätter bewirken. Drittens ist von grosser Wichtigkeit die Conibination von Farben, denn feuerrothe Töne wie bei Tulpen und manchen Mohn arten können nicht durch das carminrothe Antho- cyan allein entstehen, wohl aber, wenn neben demselben noch Anthoxanthin auftritt und zwar kann, z. B. bei Tulipa Gesneriana, dieselbe Zelle rothen Saft und gelbe Körnchen enthalten. In entsprechender Weise ent- steht natürlich Rothgelb oder Orange, wenn zu dem Anthoxanthin noch Anthocyan im Zellsaft kommt. Aber auch blaues Anthocyan kann sich mit dem Anthoxanthin combiniren und ruft dann die ins Bräunliche oder Grünliche spielenden violetten Töne hervor. Dagegen werden grüne Blüthen nicht etwa durch Mischung von gelben und blauen Farben gefärbt*), sondern durch das gewöhnliche Chlorophyllgrün, das aber nun auch wieder Mischfarben erzeugen kann, wenn es neben den anderen auftritt, z. B. neben Gelb oder Roth. So kommt z. B. die bräunliche Farbe der Stachelbeerblüthen dadurch zu Stande, dass die Oberhautzellen mit rothem Zellsaft erfüllt sind, die darunterliegenden Zellen aber Chlorophyll- körner enthalten, und ebenso fand ich es bei den braunen Flecken auf grüngelbem Grunde an den Blüthenblättern einer Orchidee (Oncidium unguiculatum), während in anderen Fällen eine ähnliche braune Farbe durch Zu- sammenwirken von violettem Zellsaft mit gelben Antho- xanthinkörnern hervorgebracht wird (z. B. bei einer braun- gefleckten gelben Epidendron-Blüthe). Die Farbstoffe der Früchte, besonders soweit es sich um Beeren und andere fleischige Früchte handelt, schliessen sich so eng an die der Blüthen an, dass die tür letztere gemachten Angaben im Wesentlichen auch für die ersteren gelten können. Es handelt sich also auch hier meistens um gelbe, durch Anthoxanthin gefärbte Chromatophoren und das im Zellsaft gelöste Antho- cyan, um die Conibination dieser beiden mit einander oder mit dem gewöhnlichen Chlorophyll. Eine Ausnahme macheu gewisse schar lachrothe Früchte, wie die von Crataegus coccinea, eines aus Nordamerika einge- führten Weissdorns, die der Hagebutte, des Spargels, der Tomaten: sie enthalten spindelförmige oder un- regelmässig eckig ausgezogene oder auch rundliche Körper, welche mit einem orangefarbenen oder feuer- rothen Stoff tingirt sind, die sich also an die oben er- wähnten Farbstoffkörper in der Blüthe der Kapuziner- kresse anschliessen.**) Wie ferner bei Blüthen in einzelnen seltenen Fällen der blaue Farbstoff in fester Form auftritt, so kommt das auch bei blauen Früchten vor. So wird angegeben, dass in den Früchten eines Nachtschattens, Solanum americanum, intensiv violette Farbstoftkrystalloide in Form rhombischer oder sechsseitiger dünner Tafeln ge- *) Wenigstens kommt dies nur selten vor. wie z. B. an den grünlich gefärbton Spitzen der Kronblätterunterseiten von Ranun- culus Ficaria (wie ich im botanischen Centralblatt 1885, Bd. 23 erwähnt habe). **) Strasburger, 1. c. S. 64. funden werden und dass in fast schwarz gefärbten Brom- beeren ein fester tiefblauer Farbstoff sich in besonderen Bläschen abscheidet: es scheint, dass die Concentration des blauen Anthocyans in einigen Vacuolen, deren Zell- saft davon gefärbt ist, so weit geht, dass bei einer ge- ringen Altnahme des lösenden Wassers eine Ausscheidung des gelösten Farbstoffs in fester Form eintritt. Anderer- seits finden wir auch in gewissen Fruchten, wie bei ein- zelnen Blüthen die gelbe Farbe nicht durch Anthoxanthin, sondern durch einen gelben Zellsaft erzeugt, so ist es bei den Citronenschalen, deren Zellen also keine gelben Chromatophoren, sondern einen im Zellsaft gelösten gelben Farbstoff enthalten. So können wir denn jetzt die Farb- stoffe der Blüthen und Früchte, deren sich die Natur zur Hervorbringung der grossen Farbenmannigfaltigkeit derselben ausser dem Chlorophyll bedient, wenn wir von den Farben absehen, folgendermaassen zusammenfassen:*) 1. Blaue, violette und rosenrothe Farbstoffe, als Anthocj'an bezeichnet, sind im Zellsafte gelöst und nur zuweilen findet sich der blaue Farbstoff in Krystallen oder Körnern ausgeschieden, aber nicht an Chromato- phoren gebunden. 2. Orange- und ziegelrothe Farbstoffe kommen selten vor und zwar a) im Zeilsaft gelöst', b) in amorphem oder krystallinischem Zustande an plasmatische Träger gebunden, c) in Krystallen oder Krystalloiden, die frei im Zellsaft liegen. 3. Gelbe Farbstoffe treten in zweierlei Form auf imd zwar a) seltener im Zellsaft gelöst, b) gewöhnlich in amorphem Zustande an Chromatophoren gebunden, als sogenanntes Anthoxanthin oder Xanthin. Während also Blüthen und Früchte eine grosse Ueber- einstimmung hinsichtlich der stofflichen Ursachen, auf denen ihre Farben beruhen, zeigen, stehen zu ihnen im Gegensatz die Samenschalen, an welchen ja auch sehr oft lebhafte und intensive Farben auftreten. Im All- gemeinen nämlich können wir sagen, dass hier die Fär- bung häufiger ihren Sitz in der Membran der Zellen als in dem Inneren derselben hat. Ueber die Beschaffenheit der verschiedenen in Betracht kommenden Stoffe sind wir noch wenig unterrichtet und können darum auch weniger allgemein Gültiges aussagen. Von den weniger häufigen Inhaltsbestandtheilen der Zellen können wieder flüssige und feste unterschieden werden. Von den flüssigen wiederum kommt zunächst einer vor, der an das Anthocyan erinnert, indem er in rother und violetter P^ärbung auftritt und bei starker Concentration auch eine schwarze Farbe hervorruft; er soll bei Papilionaceen besonders häufig sein und wir finden ihn z.B. in den Samen von Abrus precatorius, den sogenannten Paternosterbeeren, in deren hellrothem Theile die Zellen von einem ebensolchen Zellsaft erfüllt sind, während in dem schwarzen Fleck der Zellsaft eine dunkelviolette Farbe angenommen hat, und, da man bei der pallisadenförmigen Gestalt der Zellen durch eine hohe Schicht hindurchsieht, den Eindruck von Schwarz hervor- ruft; die Zellen wände sind hier farblos. In ähnlicher Weise kommt die Färbung an den bunten Samen gewisser Gartenbohnen (Phaseolus) zu Stande. Für die rothen Samen des Spindelbaums (Evonymus japonicus) da- gegen wird angegeben, dass ihre Oberhautzellen brennend oraugegelbe Körperchen und ebenso gefärbte Oeltropfen fuhren: erstere sollen wirkliche Chromatophoren und letztere die Zerfallsproducte derselben sein. Dagegen findet man die braunen Farbstoffe im Innern der Zellen als feste farblose Massen, die eine Säurenatur zu haben scheinen, z. B. in den Leinsamen (Linum usitatissimum). *) Man vergleiche die Arbeit von Courchet in den An- nales des Sciences naturelles. Botanique. Sei-. VII, T. 7. Naturwissenscliaftliclie Wochenschrift. XV. Nr. 15. Ferner sind bei den Samen der Purpur winde (Ipomoea purpuvea) die Epidermiszellen mit einer sepia- braunen Farbstoflfmasse angefüllt und so fand ich es auch bei den Ricinussamen, bei denen aber auch stellen- weise die Membranen braun gefärbt sind. Ueberhaupt sind ja braune Töne von hellbraun bis schwarz bei Samen häufig, werden aber in den meisten Fällen dadurch er- zeugt, dass die Membranen von gewissen Farbstoffen durchtränkt sind, deren chemische Natur nach ihrer Auf- löslichkeit in Wasser, Alkohol und Alkalien eine ver- schiedene ist. Als Beispiele solcher bräunlicher Samen seien nur angeführt die des Tabaks (Nicotiana Langs- dorfii Weinm.), des Löwenmauls (Antirrhinum majus L.), und der Gartenbalsamiue (Impatiens Balsamina L.) nach Claudel*) und von schwarzen die des neu- holländisehen Flachses (Phormium tenax) [nach demselben Autor], deren Wände mit einem schwarzen, nur unter Druck in concentrirter Kalilauge auflöslichen Pigment imprägnirt sind. Bei ganz wenigen Pflanzen, wie der Blelone (Cucumis Melo) und der Waldsimse (Luzula silvatica) sind Chlorophyllkörner angetroffen worden, und gerade dadurch, dass wirkliche Chromato- phoren nur ausnahmsweise in den Samenschalen vor- kommen, treten diese hinsichtlich ihrer Färbungsursachen in den schon erwähnten scharfen Gegensatz zu Blüthen und Früchten. Diesen wiederum schliessen sich die Gebilde an, welche man als Samenmantel oder Arillus bezeichnet, wie sie von vielen Papiliouaceen, von der Muscatnuss, der Eibe (Taxus) bekannt sind, indem hier die Farbstoffe im Zellsafte gelöst oder an plasmatische Substanzen gebunden vorkommen. Man sieht also, dass sich das Verhalten der Pigmente nicht nach der morphologischen Natur des betreffenden Organs, sondern nach seiner äusseren Beschafl'enheit richtet, so- dass weiche, fleischige oder häutige Körper unter sich gleichartige, aber andere Farbstoffe besitzen als feste, leder- oder holzartige. Darum können wir denn auch beobachten, dass die Färbung der Samenschalen auf ähn- lichen Principien beruht, wie die des Holzes und der Rinde und können von jenen nun zu diesen übergehen. Im lebenden Baume sehen wir die der Zuwachs- schiebte oder dem Cambium zunächst liegenden, also die jüngsten Jahresringe des Holzes immer ungefärbt, die weiter innen liegenden Ringe heben sich aber von jenen durch eine dunklere Färbung ab, wie es schon bei der Eiche (Quercus robur), Walnuss (luglans regia), der Pflaume (Prunus) und Robinie (Robinia Pseudacacia) deutlich hervortritt: man kann hier also das junge farb- lose Holz als Splint von dem älteren, dunkleren, als dem Kernholz unterscheiden, während bei der Birke (Betula) und Tanne (Abies), das ältere Holz sich nicht dunkler färbt und die Bäume daher als Splintbäume be- zeichnet werden. Immer sind es nun im Holze die Wandungen der Zellen oder der Gefässe, auf deren Färbung das dunklere Aussehen des Kernholzes beruht, ja sie allein können es auch sein, weil der Zelleninhalt in diesen älteren Holztheilen verschwindet und nur die festen Gerüste, die Membranen, übrig bleiben, welche da- bei eben aus ihrem ursprünglichen Zustande, in dem sie aus Cellulose bestehen, in den der Verholzung über- gegangen sind. Die Färbungen, welche dabei auftreten, sind gelb, braun, roth und schwarz in verschiedenen Tönen, hervorgerufen durch eigenthümliche, verschiedene chemische Stoffe, welche sich extrahiren lasseu. Dieser Farbstoffe wegen, die aus ihnen zu gewinnen sind, oder aber ihrer schönen dunkelen Färbung, die durch Politur *) In Comptes rendus des si^ances rle l'Acadöinie des sciences, Paris 1889, T. CIX S. 238-241. noch erhöht wird, selbst wegen, benutzt man solche Hölzer und nennt sie Farbhölzer. So gewinnt man gelben Farb- stoff aus dem sogenannten Fisetholz von Rhus Con- tinus L. und Morin aus dem Gelbholz von Maclura aurantiaca Nutt., rothe Farbstoffe aus dem Fernam- bukholz von Caesalpinia echinataLam. oder brasi- liensis Sw. (daher der Farbstoff Brasilin genannt), das Santalin aus dem rothen Santeljiolz von Ptero- carpus santalinus L., das blaue Haematoxylin aus dem Campecheholz (Haematoxylon campechianum L.) und dergleichen mehr. Andererseits wird wegen seiner natürlichen dunkelen Färbung zu Tischlerarbeiten und Aehnlichem verwendet das Kernholz der Eiche und der Walnuss, des echten Mahagoni (Swietenia mahagoni L.) und verschiedener anderer, ein ähnliches Holz liefernder Bäume, das Atlas- oder Satinetholz von Ferolia guianensis Aubl., das Palisanderholz von Jacaranda brasiliensis, das Ebenholz von Diospyros ebenuni Retz. und anderen Diospyros- Arten und viele andere mehr. üeber die Bildungweise dieser Farbstoffe ist noch weniger bekannt als über ihre chemische Natur. Es ist indessen anzunehmen, dass beim üebergang des Splintes in Kernholz die Membranen des letzteren von den noch lebendigen Zellen aus mit einem Stoffe infilfrirt werden, der durch äussere Veränderungen, vielleicht durch eine Oxydation, eine Färbung und ein Dunklerwerden erleidet. Dass dieser letztere Process nicht von der Lebensthätig- keit der Zellen abhängt, geht schon daraus hervor, dass er in den abgestorbenen Theilen des Holzes noch fort- schreitet, indem die inneren Theile des Kernholzes dunkler als die äusseren zu sein pflegen. Beim Ebenholz und den verwandten gefärbten Kernhölzern finden wir alle Ele- mente von einer dunkelen Masse erfüllt, welche dadurch entstanden ist, dass sich die inneren Schichten der dicken Zellwäude in Gummi umwandeln und dieses durch einen Humificiruugsprocess seine dunkele Färbung erhält. Mit grösserer Sicherheit kann man die Entstehung der Farbstoffe durch Oxydation für die Rindenfarb- stoffe oder Phlobaphene angeben. Sie sehen immer nur braun oder roth aus und sind theils in den Zellen- wänden der Borke oder Baumrinde, theils im Innern der Zellen abgelagert und sollen entstanden sein aus den Gerbstoffen, welche die Rindenzellen, so lange sie noch lebend waren, in ihrem Inneren enthielten. Aus den ver- schiedenen Gerbstoffen gehen auch verschiedene Phloba- phene hervor, aus denen wieder für die Technik ver- schiedene Farbstoffe gewonnen werden. Die Färbung der Rinde ist aber auch charakteristisch für den Baum, wie die rothbraune für die Kiefer (Pinus silvestris), die graubraune für die Eiche, die silbergraue für die Roth- buche (Fagus silvatica), wenn wir nur an einige der gewöhnlichsten Beispiele denken wollen. Die weisse Farbe der Birkenrinde*) entsteht dadurch, dass die Mem- branen der Korkzellen ungefärbt bleiben und die in den abgestorbenen Zellen eingeschlossene Luft das auffallende Licht weiss reflectirt. Natürlich spielen nun hier S ehmutz- partikelchen eine noch grössere Rolle, als bei den oben erwähnten grünen Blättern, indem sie die Aussenseite der Rinde dunkler färben; denn die Rinde ist, je rauher ihre Oberfläche ist, um so geeigneter. Staub und alle mög- lichen Desorganisationsproduete, die herabfallen oder vom Winde in die Höhe gewirbelt werden, festzuhalten und zu einer sie tiberziehenden Kruste zu vereinigen. Hier müssen wir aber noch der Ueberzüge aus lebenden Pflanzen *) In den Zellen ist auch ein feinkörniges, farbloses Harz (Be tili in) enthalten. Man vergleiche die Beächreibuug der Birken- und Kiefern- Borke in Strasbnrger's botanischem Practicum (I884J S. 218-220. XV. Nr Naturwissenschaftliche Wochenschrift. gedenken. Denn öfters sieht ein Stamm ganz grün ans, weil die winzigen Zellen und Zellencolonieen einer ein- zelligen grünen Alge, des Pleurococcus vulgaris, in unermesslicher Menge die Rinde bedecken. Auch die dünnen Krusten gewisser Flechten können den Anschein erwecken, als ob es sich um die wirkliche Eigenfarhe der Rinde handelte, während grössere Flechten und Mdose sich bei genauerer Betrachtung leicht als fremdartige Organismen erkennen lassen und nur in der Entfernung den Eindruck hervorrufen, als ob ihre Farbe die des Baumes sei. Schliesslich hätten wir noch der Wurzeln zu ge- denken. Unterirdische Organe, wie es die meisten Wurzeln sind, pflegen nun im Allgemeinen einer besonderen Fär- bung zu entbehren, schon deshalb, weil die Vortheile, welche in der Luft wachsende Organe von der Färbung haben, bei den im dunkeln Erdreich wachsenden nicht in Betrachtung kommen. So sind denn auch bei den meisten Pflanzen die jungen Wurzeln weiss und bräunen sich nur allmählich, was theils auf dem Absterben der äusseren Zellschichten, theils auf dem Anhaften kleiner Boden- partikelchen beruht. Um so auffallender ist es, dass gelbe, rothe, braune und schwarze Farben gar nicht selten regelmässig bei den Wurzeln angetroffen werden. Jedermann wird hier zunächst an die rothe und gelbe Rübe denken. Erstere (Beta vulgaris L. var. rapa- cea Koch rubra) ist anzusehen als eine sogenannte Blut- varietät, bei der sich die rothe Farbe nicht nur auf die Blätter, sondern auch auf die Wurzeln erstreckt und zwar sind letztere, bekannter aber merkwürdiger Weise, durch und durch blutroth gefärbt, indem die Zellen einen rothen Farbstoff gelöst enthalten, der wahrscheinlich mit dem Anthocyan identisch ist. Die gelbe Rübe oder Möhre (Daucus CarotaL. var. sativa) ist viel merkwürdiger, denn hier tritt mit einem Mal bei der Culturform ein Körper auf, den man sonst in den Pflanzen, wenigstens in solcher Gestalt, nicht wiederfindet. Es sind nämlich in den Zellen orangerothe krystallinische Farbkörper vorhanden, die zum geringeren Theil aus Plasma, zum grösseren Theil aus dem auskrysthUisirten Farbstoff, dem Carotin, bestehen und, da sie Stärkeköruer erzeugen, den Chromatophoren zuzurechnen sind. Ebensowenig, wie wir die biologische Bedeutung dieser Carotinfarbkörper in der Möhre er- klären können, sind wir auch im Stande, die rothe oder violette Farbe zu deuten, durch die manche normale Wurzeln ausgezeichnet sind. Sehr verbreitet sind sie in den Familien der Pontederiaceen und Haemodora- ceen und bei der bekannten Eichhornia crassipes; die im Wasser fluthenden Wurzeln fallen durch ihre dunkelviolette Farbe auf, die hier auf der Färbung der Membranen beruht.*) Auch bei manchen Cyperaceen finden sich purpurne Wurzeln und zwar sind hier die Wurzeln auch in der Erde roth gefärbt. Sonst aber tritt die rothe Farbe vornehmlich an Wurzeln auf, wenn die- selben sich ausserhalb des Erdreichs entwickeln. Regel- mässig soll sich dies beim Zuckerrohr (Saccharum officininarum L.) beobachten lassen, wo die Zellen der Wurzelhaube und die äussersten Rindenschichten unter der Epidermis mit rothem Zellsaft erfüllt sind.**) Aber auch sonst beobachtet man es gelegentlich an anderen Pflanzen und ich sah z. B. an einer indischen Feige (Ficus indica) im Gewächshaus scbarlachrothe Beiwurzeln aus dem Stamm über der Erde heraustreten. Die Unter- *) Vergl. die Aufsätze von P. Ascherson und F. Hilde- brand in den Berichten der deutschen botan. Gesellschaft, 1883, Bd. I., S. 498 und S. XXVII. **) F. Benecke, Over de bordeaux-roode kleur der suikerriet- Wortels. Mededeelingen van het Proefstation „Midden-Java" te Semarang. 1890. suchung ergab hier, dass viele Zellen der Rinde, besonders an deren innerer und äusserer Begrenzung, einen rothen Zellensaft enthalten, während die Epidermis ungefärbt bleibt. Auch bei Erlen (Alnus), die am Uferrand eines Ge- wässers stehen, sieht man die Wurzeln roth gefärbt, wenn sie seitlich aus dem Ufer hervorkommen. Ob hier wirklich in der rothen Farbe ein Schutzmittel gegen die Wirkungen des Lichts vorliegt, möchten wir noch be- zweifeln, da ja der Schutz gegen das Licht besonders von dem Chlorophyll in Anspruch genommen wird, das- selbe aber in den betreffenden Wurzeln fehlt. Die eigent- lichen Luftwurzeln jedoch, die bei epiphytischen und kletternden Pflanzen gebildet werden, enthalten wohl regel- mässig Chlorophyll, sind deshalb auch mehr oder weniger intensiv grün gefärbt, je nachdem die grüne Rinde durch- scheint, bekommen aber, wenn sie älter und stärker werden, eine braune Korkhülle und verhalten sich in der Färbung wie Stammorgane. Die weisse Farbe mancher Orchideenluftwurzeln ist bedingt durch die aus luft- erfüllten farblosen Zellen bestehende Wurzelhülle, be- ruht also auf einer ähnlichen Erscheinung wie die der weissen Birkenrinde; wird bei jenen die Luft durch Wasser ver- drängt, so wird die Hülle durchscheinend und die grüne Rinde sichtbar. Manche Erdwurzeln sind von Anfang an dunkel ge- färbt, wie z. B. beim japanischen Lackbaum, indem dicht hinter der Wurzelspitze die Membranen der Epi- dermiszellen eine rothbraune Farbe bekommen. Am auf- fallendsten ist es wohl bei den Wurzeln der meisten Farne, die aus einem analogen Grunde ganz schwarz aus- sehen, bis auf die hellgelbliche Wurzelspitze, und zwar sowohl die Erdwurzeln wie auch die oberirdischen ; so kommen z. B. aus der Stammbasis der Marattia cicuti- folia bleistiftdicke Wurzeln von kohlschwarzer Farbe heraus. Auch sonst kommen schwarzgefärbte Wurzeln vor, wie bei der schwarzen Niesswurz (Helleborus niger L.), die davon ihren Namen hat, aber doch mehr vereinzelt, und bei den Blüthenpflanzen, wie es scheint, nicht so charakteristisch für ganze Gruppen, wie das bei den Farnen der Fall ist. Blaue Farben dürften wohl niemals an Wurzeln auftreten, ebensowenig als an Stamm- organen. Auch bei Samen ist die blaue Farbe sehr selten*) und selbst bei Früchten, wenigstens ein reines Blau, wie es Schlehen und Pflaumen zeigen, während viele blau- genannten, wie die Blau- oder Heidelbeeren (Vacci- nium Myrtillos) mehr ins Violette spielen. Ebensowenig giebt es blaue Blätter und nur an Blüthen ist die blaue Farbe häufiger vertreten, obgleich auch hier roth und gelb unzweifelhaft überwiegen.**) Wenn wir auch den Grund dafür nicht kennen, so sehen wir doch den Vor- theil für die Pflanzen ein, da es sich bei der Färbung der Organe um Contrastwirkungen handelt und das Blau zu der grünen Grundfarbe der Vegetation den geringsten Contrast bewirken würde. Von den in der Vegetation überhaupt auftretenden Farben und den ihnen zu Grunde liegenden stofflichen Ursachen haben wir im Vorhergehenden nur einen Ueber- blick zu geben versucht, im Bewusstsein, dass es viel zu weit führen würde, wenn wir uns bestreben wollten, den *) Höchst auffallend ist der glänzend himmelblaue Samen- mantel, der sich bei dem „Baum der Reisenden", Ravenala mada- gascariensis findet und verdient, auf seine Färbungsursache hin genauer untersucht zu werden. **) Nach Kern er (Pflanzenleben, 1. Auflage, Bd. I, S. 178) entfallen von jenen Pflanzen der baltischen Flora, welche in der Bliithenregion neben Grün noch eine andere Farbe zur Schau tragen, auf Weiss 33, auf Gelb 28, auf Roth 20, auf Blau 9, auf Violett 8 und auf Braun 2 Procent. Nach Haberlandt (bo- tanische Tropenreise S. 124) treten im indomalayischen Tropen- wald blaue Blumen verhältnissmässig selten auf. 176 Natm-wissenschaf tliche Wochenschrift . XV. Nr. 15. ganzen Reichthum in der Farbenmannigfaltigkeit der Pflanzenwelt zu erschöpfen und dass wir uns begnügen müssen, einestheils die Haupttypen, anderentbeils einzelne Beispiele anzuführen. Dafür sei es uns gestattet, zum Schlnss noch eine kurze Vergleichuug zwischen den pflanzlichen und thieri- schen Pigmenten anzustellen, wobei sich, wie wir gleich sehen werden, zwar einige Uebereinstimmuugen, aber noch mehr Verschiedenheiten ergeben werden.*) Von den Farbstoffen, die sowohl bei Pflanzen als auch bei Thieren auftreten, sind besonders die Fettfarbstotfe oder Lipochrome und die Substanzen der Indigogruppe zu er- wähnen. Ferner wird die weisse Farbe auch bei den Thieren vielfach durch farbloses, mit vielen Lufträumen durch- setztes Gewebe erzeugt, wie wir es schon für die Pflanzen kennen gelernt haben. Dagegen ergeben sich wesent- liche Unterschiede, besonders in morphologischer Be- ziehung, die darauf beruhen, dass die Zellen der thierischen Gewebe so ganz anders beschaffen sind, als die der pflanz- lichen. Da bei erstereu feste Membi-anen und grössere Safträume in der Zelle fehlen, so können bei ihnen natür- lich auch keine in den Membranen abgelagerten oder im Zellsaft gelösten Farbstoffe vorkommen. Es fehlen aber auch im Allgemeinen bei den Thieren die sogenannten Chromatophoren, d. h. besondere protoplasmatische Körper, die als Farbstofifträger dienen und bei allen Pflanzen, mit Ausnahme der Pilze und Spaltalgen, gefunden werden. Vielmehr tritt in der thierischen Zelle das Pigment in Gestalt kleiner fester, im Protoplasma vevtheilter Körperchen, oder als eine dasselbe durchtränkende Lösung auf. Eine grosse Rolle spielen ferner bei den Thieren Structur- und Oberflächenfarben, die also nur auf physikalischen Eigen- schaften der betreffenden Organe ohne die entsprechenden chemischen Farbstotie beruhen. So scheinen die schönen Farben vieler Flügeldecken von Käfern Oberflächenfarben zu sein, die durch die eigenthümliche Natur der Chitin- haut entstehen, während die Structurfarben durch Inter- ferenz in Folge feiner Längsstreifung erzengt werden, wie bei Schmetterlingsflügeln und Vogelfedern; im letzteren Falle können auch Längsstreifung und Pigmente sich coinbi- nireu, indem z. B. die blaue Farbe vieler Vogelfedern durch die eigenthümliche Structur der über schwarzen *) Von zusammenfassenden Arbeiten über thierische Pig- mente sind mir nur C. Fr. W. Kruke nberg's „Grundzüge einer vergleichenden Pliysiologie d^r Farben und Farbstoffe" (Heidel- berg 1884) bekannt geworden. Pigmentzelleu liegenden oberflächlichen Schicht entstehen soll. Derartige Structurfarben sind bei Pflanzen sehr selten; vielleicht gehören einige der blauschillernden Eryngien hierher und jedenfalls die auch von Kny (1. c. S. 124) erwähnte Selaginella caesia, ein Moos- faru, dessen grünes Laub auf der Oberfläche einen blau- rothen Metallschimmer zeigt. Mit den gefärbten pflanzlichen Membranen können am ehesten noch die gefärbten Eier- und Muschelschalen verglichen werden, insofern beide ihren Farb.stoff durch eine von lebendigen Zellen ausgehende Absonderung in- filtrirt erhalten, wobei aber wohl zu beachten ist, dass es sich bei den pflanzlichen Zellmembranen um einen Theil der Zelle selbst, bei jenen Schalen um Ausschei- dungen des ganzen Körpers oder ganzer Orgaue handelt. Mit den pflanzlichen Chromatophoren dagegen dürfen wir mit noch mehr Recht die Blutkörperchen vergleichen, wenn auch letztere nicht, wie die ersteren, in den Zellen selbst auftreten. Sind nun schon die Chlorophyllkörner und die Blutkörperchen in morphologischer Hinsicht ver- gleichbar, so treten ausserdem zwischen ihren Farbstoffen noch merkwürdige Beziehungen zu Tage. Zunächst denkt man daran, dass Grün und Roth complemeutäre Farben sind und dass die alkoholische Lösung des Chlorophylls bei auffallendem Lichte roth wie Blut erscheint. Aber auch wirkUche Uebereinstimmuugen sind vorhanden, denn Tschirch*) hat gezeigt, dass die aus dem Chlorophyll dargestellte Phyllopurpurinsäure und das aus dem Blut dar- gestellte Haeniatoporphyrin dieselben Absorptionsbänder im Spectrum geben, und dass durch die chemische Unter- suchung die sich aus der spektroskopischen ergebende Ver- muthnug bestätigt wird, dass in beiden Körpern derselbe Atomcomplex steckt, nämlich das Pyrrol. Nun aber ist das Chlorophyll und seine Derivate ebenso auf die Pflanzenwelt beschränkt, wie das Haemo- globin und seine Derivate auf die Thierwelt. So können wir diese mikroskopischen Theilchen, die Chlorophyll- körner und die Blutkörperchen, auf denen sozusagen der Lebeusprocess einerseits der Pflanzen, andererseits der Thiere beruht, zwar als Antagonisten gegenüber- stellen, aber auch durch gewisse Eigenschaften mit ein- ander verknüpfen und dürfen darin eine Erscheinung von hoher Bedeutsamkeit erblicken. *) Berichte der deutscheu botan. Gesellschaft 189G, Bd. XIV, 77-94. Neue Untersuchungen über den Köcherbau der Phrj'ganeidenlarven stellte Wolfgang Ostwald aus Leipzig an; er berichtet darüber in der „Zeitschrift für Naturwissenschaften" 1899, Heft 1-2, S. 49—86, mit 2 Figuren. Der Verfasser richtete sein Hauptaugenmerk auf die Abäuderungsfähigkeit der Köcher. Der Vorgang beim Bau eines neuen Köchers ist etwa der folgende. Die Larve läuft erst unruhig auf dem Boden umher, sucht aber bald ein vermoderndes Pflanzenblatt auf, um unter demselben ihren nackten Körper zu schützen. Hier häuft die Larve Sandkörner resp. Pflanzentheilchen an, welche durch den Stoff der Spinndrüsen an einander geklebt werden und nun schleierartige Gebilde darstellen; diese Schleier bilden die Grundlage des neuen Köchers. Zu- erst stellt die Larve aus den Schleiern ein ringförmiges Gebilde her, in welches sie bis zur Hälfte ihres Körpers hineinkriecht. Der Ring wird sodann an seinem Vorder- ende durch Ansetzen von Sandkörnern, Holzstückchen, Stengeltheilen und dergl. verbreitert; in dem Maasse, als der Ring nach vorn wächst, kriecht das Thier immer weiter in denselben hinein, und das Anfügen von Bau- material wird so lange fortgesetzt, bis der ganze Körper in der neu gebauten Röhre Platz findet. Nach dem gewöhnlichen Gebi-auch unterscheidet Ost- wald zwei Gruppen von Phryganeidenköchern: solche, die aus Sandkörnern gebaut werden, und solche, die aus Pflanzentheilen bestehen; letztere enthalten freilich immer eine mehr oder weniger grosse Menge von Muschel- und Schneckenschalen, Sandkörnchen und kleinen Steinen, wie es auch vorkommt, dass in Köchern der sandbaueu- den Larven sich Partieen aus Pflanzentheilen vorfinden. Als Versuchsthier der saudbaueuden Phryganeiden- larven benutzte Ostwald den überall häufigen Limnophilus griseus L Er gab den Larven entweder verschiedene Erden und Sandarten, wie gewöhnliche Ackererde, ge- reinigten Flusssand, gereinigten rothen Kies und weissen Sand, oder aber fremdartige, körnige Stoffe, nämlich Asche, Braunkohlenstückchen, Ziegelsteinraehl, Glimmer- XV. Nr. 15. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. scliieferstückclien, Gypsmehl, gestossene Kreide, zerstosse- uen Bleig-lanz und Schwefel, Glaspulver und Metallspäne. Bei der ersten Versuchsreihe, bei der den Larven erd- artige Stoft'e gegeben wurden, erzielte Ostwald die günstigsten ResuUate. In allen Fällen bauten die Larven mehr als einen neuen Köcher, wenn ihnen der alte ge- nommen wurde, zwei Larven fertigten sogar nach ein- ander je 15 Stück an. Die erhaltenen Köcher waren von normaler Länge und Breite, nur war die Aussenseite etwas unebener und unregelmässiger gestaltet als bei den in der Freiheit gebauten Gehäusen. Von der Ackererde wurde nicht etwa der feine, schwarze Humus zum Bau verwendet, sondern die Larven suchten aus derselben kleine Steinchen und Körnchen und fertigten daraus ihr Futteral. Bedeutend schwieriger für die Larven war die Anferti- gung der Köcher aus den oben aufgezählten fremdartigen Stoffen. Hierbei wurde anfangs fast stets erst ein Hülfs- köcher aus Pflanzeuthcilen gebaut, der der Larve den nöthigen Schutz gewährte. Aus Kohle, Ziegelraehlkörnchen, Glimmerschiefer, Schwefel und Glas wurden die Gehäuse anstandslos gebaut, oft von einer Larve mehrere Stück, aus Asche, Kupfer- und Messingspänen baute nur je eine Larve einen Köcher, Gyps, Kreide und Bleiglanz wurden niemals zum Bau verwendet. Das Baumaterial muss also von körniger, fester Beschaffenheit sein, darf sich im Wasser nicht auflösen oder sonstwie verändern und darf vielleicht auch nicht zu schwer sein. Von den pfianzenbauenden Phryganeidenlarven sind zuerst diejenigen anzuführen, welche zum Bau der Köcher Holzstückchen verwenden. Als Versuchsthier diente hier Phryganea striata L. Die Larven bauten auch hier eine ziemliche Anzahl neuer Köcher, die im wesentlichen den in der freien Natur gebauten glichen, im Anfange be- nutzten sie aber Httlfsköcher aus grünen Pflanzentheilen. Als Baumaterial wurde jede im Wasser sich nicht auf- lösende oder sich sonst stark verändernde Substanz an- genommen, wenn sie von stengel- oder stäbchenförmiger Gestalt war oder aber aus groben Körnern bestand. Zwischen die Holzstückchen wurden oft andere Materialien eingebaut, so Samenkörner, Steine, Schneckenhäuser. Von fremdartigen Baustoffen benutzten die Larven Stücke von Aluminiumdraht, während sie Kupfer-, Messing- und Eisen- draht verschmähten, ferner dünne Glasstäbchen resp. -fäden. Eine andere Gruppe der pflanzenbauenden Phry- ganeidenlarven sind diejenigen, welche verweste Pflanzen- blätter von ziemlicher Grösse oder Stücke davon zum Bau benutzen. Alle Köcher, die Ostwald von diesen Larven untersuchte, waren in der Dreizahl gebaut, indem die äusseren Blätter so an einander gelegt wurden, dass sie drei etwas concave Seiten bilden. In der Mitte dieses prismatischen Gehäuses befindet sich eine aus kleinen Pflanzentheilen und Spinnstoff hergestellte Röhre; die Zwischenräume zwischen dieser Röhre und den Wänden des Köchers sind oft ebenfalls mit Pflanzentheilen aus- gefüllt. Diese Larven stellten aus den Theilen ihrer eigenen zerstörten Köcher in Zeit von 1 — 2 Tage V(j11- ständig neue Köcher her, nahmen auch zum Bau frische, grüne, noch nicht vermoderte Blätter, auch Zeitungspapier und Stanniolpapier, wiesen jedoch unbiegsame Blechstücke zurück. Andere Larven bauen aus Rohrstückchen und an- deren vermodernden, langgestreckten Pflanzentheilchen einen zusammengesetzten Köcher, der aus einer Reihe in einander gesteckter abgestumpfter Kegel besteht. Auch derartige Köcher wurden neu hergestellt, nur war die Gliederung derselben in die einzelnen Kegelabschnitte nicht so deutlich. Gegebenen Falles verwendeten die Larven auch grüne Blätter, Zeitungs- und Stanniolpapier, Strohhalme, Stücke von Gummischlauch und Glasröhren zum Bau der Köcher. Eine letzte Gruppe bilden die Larven, die ein ein- faches hohles Pflanzenstück als Köcher benutzen. Der- gleichen Larven nahmen als Wohnung an : eingerollte Baumrinde , Strohhalme, StUcke von Gummischlauch, Stanniol- und Metallröhreu, sowie Glasröhren, deren Innenwand durch Eintauchen in Spirituslack oder durch Ansatz von Algen rauh geworden war. S. Seh. „Untersuchungen über das Gold" und zwar: Zur quantitativen Bestimmung des Goldes und über seine Trennung von Platin und Iridium haben L. Vanino und L. Seemann angestellt und die Resultate in den Berichten Deutsch. Chem. Gesellsch. .32, 1968 niedergelegt. Der in neuerer Zeit vorgeschlagenen Methode, Gold mit alka- lischer Formaldeiiydlösung quantitativ zu bestimmen, stellen Verfasser ein Verfahren zur Seite, das darauf gegründet ist, dass Goldchloridlösung mittels Wasserstoffsuperoxyd und Kali- bezw. Natronlauge zu metallischem Gold redu- cirt wird. Der Verlauf der Reaction ist ein augenblick- licher und selbst in der Kälte in wenigen Minuten be- endet. Nach älteren Angaben wirkt Wasserstoffsuperoxyd in neutraler Lösung auf Goldchlorid wie folgt ein: 2 AuClg + 3 H.O, = 2 Au + 60 + 6 HCl. Diese Reaction, die einer längeren Zeitdauer bedarf, ist nach quantitativer Richtung hin noch nicht untersucht worden. In alkalischer Lösung aber scheidet sich das Gold bereits in der Kälte quantitativ als schwarzer Nieder- schlag ab, der sich beim Erwärmen zusammenballt und eine rothbraune Farbe annimmt. Nebenbei beobachtet man eine äusserst stürmische Sauerstoffentwickelung. Der Vorgang lässt sich folgendermaassen formuliren: 2 AuClg + 3 H.Og + 6 KOH = 2 Au + 60 + 6 KCl + 6 H,0. Arbeitet man mit verdünnten Lösungen, so erwärmt man nach der Fällung kurz und fügt dann zur Erleichte- rung der Filtration Salzsäure hinzu. Die mitgetheilten analytischen Belege erweisen die Brauchbarkeit der Methode. Da die Bestimmung des Goldes im Auro-Natrium-Chloratum nach den ofticinellen Angaben auf praktische Schwierigkeiten stösst, wurden Versuche nach dem neuen Verfahren angestellt; die Re- sultate waren hier nicht befriedigend, während die Methode mit Alkali und Formaldehyd glatt verläuft. Aus einer beigegebenen Tabelle, die die relative Empfindlichkeit der wichtigsten Goldreactionen anzeigt, ergiebt sich schliesslich, dass Wasserstoffsuperoxyd und Kalilauge in der That sowohl ein vorzügliches Reagens auf Gold als auch ein zuverlässiges Mittel zur quantita- tiven Bestimmung desselben sind. Gleichzeitig wurde versucht, das Silber mittels Wasser- stoffsuperoxyd und Kalilauge quantitativ zu bestimmen; auch hier wurden gute Resultate erhalten. Da Platin von Wasserstoffsuperoxyd und Kalilauge in der Kälte nicht gefällt wird, so lag es nahe, die Reaction auf ihre praktische Brauchbarkeit zur quanti- tativen Trennung von Gold und Platin zu prüfen. Fällt man das Gold auf die oben beschriebene Weise und be- stimmt im Filtrate das Platin, indem man es mit Schwefel- wasserstoff abscheidet, glüht und als metallisches Platin zur Wägung bringt, so erhält man analytische Daten, die die Verwerthbarkeit der Methode allgemein darlegen. Auf dieselbe Weise kann auch Gold von Iridium ge- trennt werden, während Ruthenium sich nach der gleichen Methode nicht trennen lässt. Dr. A. Sp. 178 Naturwissenschaftliche Wochenschiift. XV. Nr. 15. Wettei'-Monatsübersicht. (März.) — Der diesjährige März war währeud des grössten Theiles seines Verlaufes unfreundlich und kühl. Während der ersten Tage des Monats herrschte, wie die beistehende Zeichnung- erkennen lässt, in ganz Deutschland Frost, der erst sehr allmählich nachliess. Zu Berlin trat am 11. eine stärkere Erwärmung ein, und es waren dieser und der 12. März die beiden einzigen Tage des Monats, in deren Mittagsstunden die Temperatur ziemlich weit über 10° C. hinausging. Nach- dem es sich dann rasch wieder abgekühlt hatte, wurde nur noch einmal, um den 21., die Normaltemperatur ^^einpcrahiriTn in\J^\ür2 idOO. Tagesmiftel^normal. Mittlere Temperaturen versehiedener Grte. März. 6. 11 16 21. ^6. 31 1 lieber Winde, weniger die allerdings gerade in den Mittags- ! stunden oft sehr starke Bewölkung die Schuld trug. Die ! Anzahl der Sonnenscheinstunden, deren Berlin in den j sieben letzten Märzmonaten durchschnittlich 106 ver- zeichnete, betrug diesmal 99 und es blieb namentlich vom I 15. bis 20. die Sonne fast gänzlich aus. j Da die Winde im Allgemeinen aus nördlicher oder I östlicher Richtung wehten, so gab es im vergangenen ! Monat nicht viel Regen, und die Schneefälle waren auch I nur in beschränkteren Gebieten sehr ergiebig. Der bei- stehenden Zeichnung zufolge fielen in den ersten fünf I Tagen des März die Niederschläge in der östlichen Hälfte I Deutschlands ziemlich reichlich. Die Lausitzer Neisse PiederöJljlagö^olyn im if^äri 1900. ^^sli, ^-'^ "s^^l "^^ MirrlererHVepth Püi i|lJ|l^ll|cJll|ff| Deufschland ^Bla-Il ^ i il'^S ? = SS^ ii Monifssummen im Hin tSiliTiÄj^^c aaisSmm SSitriajS nicht unwesentlich überschritten. Während aber in der Regel innerhalb der letzten Märztage die Temperaturen sich merklich zu heben pflegen, blieben sie diesmal bis zum Schlüsse gleichmässig niedrig, und die Mitteltempe- ratur, die vom Februar zum März nach fünfzigjährigem Durchschnitt um 2,7° wachsen soll, unterschied sich im diesjährigen März um nicht mehr als einen Zehntelgrad von der des vorangegangenen Monats. Wie in Berlin, so wurde auch in allen westlicheren Gegenden Norddeutschlands die kühle Witterung zweimal durch einige milde Tage unterbrochen, von denen die früheren, um den 12. März, etwas wärmer als die späteren waren. In Südwestdeutschland nahm die Wärme beide Male ungefähr in gleichem Maasse zu; so betrug z. B. in Wiesbaden der in den unteren Curven wiedergegebene Mittelwerth zwischen dem nächtlichen Temperaturminimum und täglichen Maximum 9° am 12. und 9'/2° am "-2. März. Ziemlich verschieden hiervon war der Temperaturverlauf im Osten und Südosten des Deutschen Reiches. Dort trat zu Beginn des Monats der Frost erheblich strenger als im Westen auf; beispielsweise sank das Thermometer in der Nacht zum 4. in Grünberg auf — 15, in der folgenden Nacht in München auf — 18 und in der Nacht zum 8. in Königsberg sogar auf — 21° C, eine Kälte, die auch im eigentlichen Winter nicht übertroffen worden ist. Späterhin stiegen dafür die Temperaturen in den östlichen Landcstheilen etwas stärker als in den westlichen an. Die Mitteltemperatur des Monats war in ganz Norddeutsch- land um zwei, in Süddeutschland um volle drei Grade zu niedrig, woran hauptsächlich das Fehlen milder Südwest- "ui :i ■ , _ 'Dl : 1 1 1-5 "är. , 1 10 - 1 zJBiJjiiiJ TT! , 1 1 1 , , a -10 kki„, . ; , . 30 — ^ LLL- B^— «'j , : ; ■— t. 13.- IS am Hin iamlul.111 20.-31. Mära. ^LJal^QÜllil ,M«9Hna35. BERLINER wfrreRBtigmj^, und obere Spree traten aus ihren ufern aus und rich- teten durch Ueberschwemmungen vielfachen Schaden an. Nach einer grösstentheils trockenen Woche folgte sodann eine gleich lange Zeit mit zahlreichen Regen-, Schnee- und Graupelfällen, die durch heftige Nordwest- stürme an der Küste eingeleitet wurde. Seit dem 20. März Hessen die Niederschläge in Nord- westdeutschland wieder erheblieh nach, vermehrten sich aber noch in Süd- und Mitteldeutschland. Namentlich gingen am 23. und 24. im Süden sehr starke Regengüsse hernieder, die zu Karlsruhe an beiden Tagen zusammen eine Regenhöhe von 47 Millimetern ergaben. Bald fiel jedoch abermals Schnee, der gegen Ende des Monats zu Chemnitz einen Decimeter hoch lag. Der Ge- sammtbetrag der Niederschläge war in den nordwestlichen Landcstheilen weniger als halb so gross wie östlich der Elbe und kaum ein Dritttheil von demjenigen in Süd- deutschland. Für den Durchschnitt der berichtenden Stationen belief er sich auf 38,9 Millimeter und war zwar bedeutend grösser als 1899, aber kleiner als im März der meisten früheren Jahre. In den allgemeinen Witterungsverhältnissen Europas vollzogen sich die Veränderungen innerhalb des vergangenen Monats langsamer, als es gewöhnlich während der kälteren Hälfte des Jahres zu geschehen pflegt. In den ersten Tagen des März lag ein barometrisches Maximum auf dem atlan- tischen Ocean bei Sehottland, mehrere umfangreiche De- pressionen durchzogen Russland, wo sie ausserordent- lich starke Schneefälle und Schneeverwehungen zur Folge hatten. Vom 8. zum 10. rückte das Maximum sUdostwärts nach der Balkanhalbinscl vor. und es er- XV. :Nr. Ux Naturwissensfhaftliclie Wochenschrift. schien bald darauf ein sein- tiefes Minimum im Norden der skandinavischen Halbinsel, das unter schweren Stürmen nach Süden zog. Dem ersten Minimum folgte sogleich ein zweites in etwas westlicheren Gegenden nach, dann aber änderte sich die Druckvertheiluug vollständig, indem ein Gebiet sehr hohen Luftdruckes von Sibirien weit nach Westen vordrang, während eine Depression am 18. März sieh in Irland zeigte. Ganz allmählich schritt die letztere in Begleitung trüber, regnerischer Witterung südostvvärts fort, am 23. lag sie erst in Westfrankreich, am 25. in Oberitalien. In Italien vereinigte sie sich mit anderen, von verschiedenen Seiten gekommenen Depressionen und wandte sich am 29. nach Nordosten. Bei ihrem Durch- zuge wurden in der Umgebung des adriatischen Meeres ausserordentlich grosse Regenmengen, z. B. am 28. in Lesina 81, am 29. in Abazzia 52, am 30. in Ragusa 78 mm gemessen. Nördlich der Alpen fanden in ganz Oesterreich anhaltende und sehr dichte Schneefälle statt, die zu Wien in den drei letzten Tagen des Monats zusammen eine Niederschlagshöhe von 56 mm ergaben und besonders in Böhmen und Mähren vielfache Ver- kehrsstörungen mit sich brachten. Auch zu Nizza fiel gegen Ende des März noch Schnee. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Eruaiint wurden: Dr. Virchow zum etatsmässigen Chemiker au der geologischen Landesanstalt und Bergakademie zu Berlin; Dr. Peter Po ppert, ausserordentlicher Professor der Chirurgie in Giessen zum ordentlichen Professor und zum Director der dortigen chirurgischen Klinik; Dr. Karl Eckstein, Titular-Professor der Zoologie an der Forstakademie zu Eberswalde, zum Professor; Pro- fessor der Elektricitätslehre W. Hallwachs an der technischen Hochschule in Dresden zum Nachfolger des in den Ruhestand tretenden Professors der Physik A. Toepler daselbst; ebenda Privatdocent der Geologie W. Bergt zum ausserordentlichen Professor; Assistent 0. Gras an der deutschen technischen Hoch- schule zu Prag zum Adjunkten an der Lehrkanzel für allgemeine und analytische Chemie. Berufen wurden: Dr. Ramann, Professor der Bodenkunde und Agriculturchemie an der Forstakademie zu Eberswalde, an die Universität München; Prof. O. Bürger, Privatdocent der Zoologie in Göttingen an das Landesmiiseum in Santiago. Abgelehnt hat: Dr. A. Föppl, Professor der technischen Mechanik an der technischen Hochschule in München einen Ruf nach Dresden als Nachfolger Prof. Mohrs. Es habilitirten sich: Dr. E. Buchner, Professor der Chemie an der landwirthschaftlichen Hochschule in Berlin, für Chemie an der Universität Berlin; J. Lern berger für Pharmakologie in Krakau ; V. Mladejovsky für Balneologie und Klimatologie an der czechischen Universität Prag. Es starben: Geh. Regierungsrath Dr. Robert Schneider, ausserordentlicher Professor der Chemie an der Berliner LTniversi- tät und Professor an der Kriegsakadraie; Prof. Wilhelm Schulz, Professor der Bergwissenschaften an der technischen Hochschule in Aachen; Honorar-Professor der Pathologie A. v. Tschurtschen- thaler in Innsbruck. L i 1 1 e r a t u r. W. Johannsen, cid. Loctor der Pflanzenphysiologie an der Kgl. diinisclu'ii landwirthschaftlichen Hochschule in Kopenhagen, Das Aether-Verfahrea beim Frühtreiben mit besonderer Berüoksiclitigung der Fliedertreiberei. Mit 4 Figuren. Gustav Fischer in Jena, IIHHI, - Pr.is ii.sii Mk. Ein Schriftclien von nur L'S Seiten, das zwar besonders für die gärtnerische I^raxis bestinnnt ist, aber auch den Botaniker interessirt. Wenn man Pflanzen, nachdem sie ihre übliche Ruhe liinter sich haben, ästhetisirt (das Verfahren beschreibt Verf. hin- reichend, um es praktisch ausführen zu können), so treiben sie — insbesondere an dem Hauptversuchsobject, Syringa vulgaris, er- probt — früher aus, als es sonst geschehen wäre. O. Hübner's geographisch-statistische Tabellen aller Länder der Erde für das Jahr 1899. 48. Ausgabe. Herausgegeben von ITniversitäts-Professor Dr. Fr. von juraschek, Hofratli und Sekretär der k. k. österreichischen statistischen Central- Commission in Wien. Heinrich Keller in Frankfurt a. M. Die berühmten Hübner'schen Tabellen werden von dem Neu- Herausgeber geschickt in dorn ursprünglichen, so bewährten Geiste fortgesetzt, wie auch die vorliegende, nunmehr 48. Ausgabe be- weist. Die Einrichtung des Werkchens ist so bekannt, dass wir auf dieselbe hier nicht einzugehen brauchen. Durch Angabe der wichtigsten benutzten Quellenwerke ist demjenigen, der noch speciellere Orientirungen wünscht, als sie die Tabellen bieten, das Mittel gegeben, sich weiter zu unterrichten. Katalog über Dünnschliffsammlungeu von Mineralien und Gesteinen für Schulen und Anfänger der Firma Voigt & Hochgesang (Inhaber R. Brunce) in Göttingen. — Der vorliegende Katalog der wohlbekannten Firma umfasst zwei Sammlungen, von Dünnschliffen, die durch Professor Rinne von der technischen Hochschule in Hannover zusammengestellt sind. Die erste Sammlung (Sammlung IV der Gesammtreihe) zum Preise von 2.5 Mk. umfasst 15 Dünnschliffe, an denen die wich- tigsten optischen Eigenschaften (z. B. die Arten der Brechung, die Lage der Auslöschungsrichtungen, die Interferenzerscheinungen im convergenten polarisirten Lichte etc.) der Krystalle unter dem Mikroskop demonstrirt werden sollen. Die zweite Sammlung (Sammlung V der Gesammtreihe) ist nach System Rosenbusch zusammengestellt, umfasst 2.5 Dünn- schlifl:"e besonders wichtiger Mineralien und kostet mit Erläute- rungen 35 Mk. Die Erläuterungen, denen eine Tafel mit 25 Ab- bildungen beigegeben ist, bringen zunächst allgemeine Bemerkungen über Stärke der Brechung, optische Isotropie und Anisotropie. Ein zweiter Abschnitt enthält specielle Bemerkungen über die bei der optischen Bestimmung in Betracht zu ziehenden Eigenschften der in den Gesteinen dieser Sammlung vorkommenden Mineralien ; in einem dritten werden bei den einzelnen Schliffen die wichtigsten darin vorkommenden Mineralien aufgeführt. Die Sammlung ent- hält unter anderem Granit von Baveno, Syenit vom Plauen'schen Grunde, Gabbro von Wolpersdorf in Schlesien, Liparit von Apati in Ungarn, Phonolith vom Brüxer Schlossberge, Andosit von der Wolkenburg im Siebengebirge, Limburgit von Gasbach am Kaiser- stuhl, Amphibolit von Liebenstein im Erzgebirge, Marmor von Carara etc. Nach der Art der Auswahl der Gesteine, der Zusammen- stellung und bekannten Exactheit in der Ausführung der Präpa- rate von Seiten der Firma zu urtheilen, versprechen auch diese beide Sammlungen vorzügliche Hilfsmittel für den Unterricht zu werden. F. K. Annuaire de l'observatoire municipal de Paris, dit obser- vatoire de Montsouris, pour l'annee 1900. (Analyse et travaux de 1898). Meteorologie, Chimie, Miorographie, Applications k l'Hygifene. Librairie Gauthier- Villars, Paris. — Prix 2 Francs. Der vorliegende Jahresbericht erscheint seit I87'i. Die Ar- beiten des Observatoriums zerfallen — wie im Titel angedeutet — in 3 Haupt-Sectionen, die bei rein wissenschaftlicher Behand- lung und Forschung doch in erster Linie der Klimatologie und Hygiene von Paris gewidmet sind. Die Section für Mikrographie, welche sich mit den Bacterien beschäftigt, ist in hygienischer Be- ziehung ganz besonders wichtig. Wir finden in dem kleinen, aber voluminösen (578 Seiten) Büchelchen eine grosse Zahl Artikel aus den Gebieten der Meteorologie, Chemie, Mikrographie und Hygiene, ihre Aufzählung im Inhalts - Verzeicbniss beansprucht nicht weniger als 14 Seiten. Carte geologique de la Suisse, publiee aux frais de la confede- ration, par la commission geologique de la Societe helvetique des Sciences naturelles. 1:100 0UÜ. Bern. — 8 Mark. Hagen, Dir. I, G. S. I., Atlas stellarum variabilium. Berlin. — 55,20 Mark. Herrn, Doc. Dr. Walt.. Repetitorium der Chemie für Techniker. Braunschweig. — 3,50 Mark. Lesser, Dir. 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Ueber die Meeresprovinzen der Vorzeit von Dr. I'\ Freeh. Mit Abbildungen und Karten. Ueber Laubfärbungen von L. Kny. Mit 7 Holz- Ueber das Causalitätsprinoip der Naturerschei- nungen mit Bezugnahme auf du Bois-Reymonds Rede: „Die sieben Welträthsel" von Dr. Eugen Drehe-. Das Räthsel des HYpnotlsmus und seine Lösung ^o» Dr. Karl Friedr. Jordan. Heft 13. Die pflanzengeographische Anlage im Kgl. bota. nischen Garten zu Berlin von Dr. H. Potonie Mit -1 Tafeln. Untersuchungen über das Ranzigwerden der Fette von Dr. Ed. Ritsert. Die Urvierfüssler (Eotetrapoda) des sächsischen Rothliegenden von Prof. Dr. Hermann Credner in Leipzig. Mit vielen Abbildungen. Das Sturmwarnungswesen an den Deutschen Küsten von Prof. Dr. W. J. van Bebber. Mit i Tafel Kalisalzlager von Ütto Lang. Mit 4 Abbildungen. Die Metamorphose der Pflanzen im Lichte palae- ontologischer Thatsachen von Dr. 11. Potonie. Mit 14 Figuren. Pflanzenphysiologische Experimente im Winter von F. Sclileicdiert. Die naturwissenschaftliche Culturlehre von L. Frobenius. Die morphologische Herkunft des pflanzlichen Blattes und der Blattarten von 11. Potonie. Mit 22 Versuch eines^Ueberblicks über die Vegetation der Diluvialzeit in den mittleren Regionen Europas von Dr. C. A, Weber. 23. Die Mathematik der Oceanier von L. Frobenius. 24. Die Schilde der Oceanier von L. Frobenius. 25. Die Lebewesen im Denken des 19. Jahrhunderts von 11. Potoni/'. .Mit U Bildni.ssen. 14. 15. IG. 20. 21. Preis: Heft 1 4 a 50 Pf.. Heft 5-11 a 1 M, Heft 12 ä 1,20 M., Heft 13—25 ä 1 M. Hugo ße eher Redacteu ein in Berlin. Dr. Henry Potoni(5, Gr. Lichterfelde (P.-B.) bei Berlin, Potsdauierstrasse 35, für der Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Inseratentheil: Beiliü SW 12. Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dütnmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. »^onntag, den 22 April ]yOU. Nr, 16 Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M ^.— Bringegeld bei der Post 15 ,A extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. Inserate; Die viergespaltene Petitzeile 40 .A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagennach üebereinkunft. Inseriitenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdrnrk \^t nur mit vollständigei' Qaelleiiaiii;abe gestattet. Die Leoniden des Jahres 1899. Von Adolf Ilnatek (Wien). Die gros.scii Vnrbereitnng'cn, welche an allen Stern- warten g-etroften worden waren, nm das Leonidenpliae- nomen bei seiner im November 1899 erwarteten Wieder- kehr möglichst ausgedehnt beobachten zu können, sind durch das fast gänzliche Ausbleiben des Sehwarmes auf sehr unangenehme Weise übcrdüssig gemacht worden. Der Umstand, dass wohl alle Sternwarten sich an der üeberwaehung des Himmels l)cthciligt hatten, ist sehr geeignet, zu bekräftigen, dass das Nichteintreffen der Leonidenmeteore nichts weniger als vcrmnthet kam. Um so sonderbarer niuss es erscheinen, wenn nachher Stimmen laut wurden, die behaupteten, dass der Misserfolg zu er- warten war. Leider kommen Prophezeiungen dieser Art immer viel zu spät und verlieren dann eben den Charakter einer Voraussage, und damit auch ihren Werth; diesmal aber kamen sie noch obendrein von einer Seite, wo man sich bisher nur sehr wenig oder vielleicht gar nicht um die Erscheinungen am Himmel gekümmert hatte, sodass nur zu leicht durchzublicken ist, wie sehr sie nur eine Ausgeburt blinder Spottsucht sind, der man mit Vernunft- gründen nicht beikommeu kann. So seien denn mit diesen wenigen Worten die Angriffe seitens eines Wochenblattes auf die Wiener Akademie und die Wiener Sternwarte wegen des Misserfolges der indischen Expedition zurück- gewiesen. Sapienti sat! Wenn man die bis jetzt veröffentlichten Berichte verschiedener Sternwarten zusammenstellt, so findet man, dass die Zahl der Leoniden, welche in den kritischen Nächten des 14., 15. und 16. November aufleuchteten, nicht einmal so gering ist, als man auf den ersten Blick anzunehmen geneigt wäre. Ein Umstand jedoch verdient besondere Erwähnung. Während bei den vergangenen Erscheinungen in den Jahren 1799, 1833 und 18GG, so- gar auch bei den im Jahre 1898 beobachteten Vorläufern fast alle Meteore heller als 2. Grösse waren und zahl- reiche Feuerkugeln beobachtet worden waren, erreichte diesmal nur die Minderzahl der Leoniden die erste Grösseuklasse. Dass das Mondlicht bei solchen Um- ständen äusserst beeinträchtigend wirken musste, ist klar nnd daraus Hesse sich vielleicht erklären, warum die Zahl der Meteore während der Zeit, wo der Mond noch über dem Horizont stand, gering blieb. Als sich mit dem Untergang des Mondes die Himmelsdeckc wieder ver- dunkelte, wurden überall weit mehr Meteore gezählt, an manchen Sternwarten wurde sogar eine zehnmal grössere Zahl von Leoniden constatirt, als kurz vorher bei Mond- dämmerung. Leider brach jedoch dann kurz nachher der Tag au und das Morgengrauen löschte die schwachen Meteore vollends aus. Bevor wir zur Besprechung der ßeobaehtungscrgebnisse übergehen, sei noch der photo- graphischen Thätigkeit einzelner Stationen gedacht. — Nenneuswerthe Erfolge wurden wohl nirgends errungen, doch gelang es immerhin an einigen Orten, eines oder das andere Meteor auf einer Platte festzuhalten. Am Sonnwendstein und Hochschneeberg wurde keine einzige Platte exponirt, da das Spiel zu wenig lebhaft oder eigentlich die Meteore viel zu lichtschwach waren nnd zu weit vom Radianten aufleuchteten, um Aussieht auf Erfolg zn gewähren. Die Beobachtungen waren an einigen Sternwarten schon sehr zeitig begonnen woi'den, am frühesten wohl au der Sternwarte zu Kalocsa in Ungarn. Dort war schon am 3. November mit der Wache begonnen worden, doch konnten erst am 9. Leoniden beobachtet werden (2 Leoniden, 5 andere Meteore). Die Tage vorher wurde die Thätigkeit eines Radiationspunktes im Sterubilde Lynx constatirt, doch gab derselbe in den Nächten des 3., 4., 5. und 6. November zusammen nur etwa 9 Meteore. Glücklicher war Prof. AI. Herschel zu Slougli-Bncks in England, welcher in der Nacht des ö. November in der Natm-wissenschaftliche "Wochonst^lirift. XV. Nr Zeit von 14^ — H*" 27 Meteore (nur 6 waren von 1. bis 3. Grösse, die anderen insgesammt lichtschwäcber) und in der Nacht des 8. November zwischen 13^ 40™ und 15h 40m 18 Meteore (8 Meteore heller als 3. Grösse) zählte, leider war keine Leonide darunter. Am 9. No- vember wurden auch auf der Sternwarte in Pola die Wache aufgenommen. Drei Beobachter, welche sich den Hinmiel getheilt hatten, zählten in der Zeit von 12'' bis !.'■)'• 30 Meteore, darunter 10 Leoniden. Am 10. November war es wieder zu 81oug-h heiter und Professor Herschel beobachtete von IS*" — 15'' 30'" 19 Meteore. Auch unter diesen waren nur zwei heller als 1. Grösse. In Utrecht wurde unter Leitung von Prof. A. A. Nyland ebenfalls in dieser Nacht mit den Beob- achtungen begonnen. In der Zeit von 13'^ 27"" bis 16'' 7"" zählte man dort 18 Sternschnuppen, worunter 5 Leoniden waren. Sowie die vorangehenden Nächte war auch die Nacht des 1 1 . November nicht besonders ergiebig. Der bekannte Sternschnuppeuforscher Denning in Bristol (England) sah gegen 14'' öO" in einem Zeitraum von 35 Minuten nur zwei lichtschwache Leoniden und 3 andere Meteore. In Kalocsa leuchteten wohl 5 Meteore auf, aber keines aus Leo. Immerhin war dies jedoch noch mehr, als man in Ham- burg beobachten konnte, wo man überhaupt keine Stern- schnuppe sah. In Utrecht ergaben die Zählungen, die über den Zeitraum von einer Stunde (14'' 30'" bis 15'' 25'" ausgedehnt worden waren, im Ganzen 7 Meteore, darunter 4 Leoniden. Drei der Meteore zogen Schweife hinter sich. Auf dem Durham observatory sah man nur eine einzige Sternschnuppe, ebensowie in Prag, wo es während der ganzen Leonidenperiode anhaltend trüb war, und nur zeitweise durch Wolkenlücken beobachtet werden konnte. Mit dem 12. November begannen sich die Stern- warten allgemein an den Beobachtungen zu betheiligen. Eine grosse Zahl derselben war durch schlechtes Wetter in ihrer Thätigkeit lahm gelegt. In Slough-Boucks, wo es sehr nebelig und meist bewölkt war, sah Prof. Herschel eine Leonide von Siriusgrösse durch leichte Wolkenschleier hindurch und noch ein anderes Meteor, das jedoch nicht aus dem Leonidenradianten kam. Kalocsa mit 3 Leoniden und 2 anderen Meteoren lieferte noch das günstigste Er- gebniss, soweit man hier noch von einem Ergebniss .sprechen kann, denn dort, wo es nicht bewölkt war, also z.B. in Hamburg, sowie dem National Argentine observatory, sah man gar nur 1, resp. 0 Leoniden und je 2 andere Meteore. In letzterer Station war es vollkommen klar. Obwohl nach diesen kurzen Darlegungen die Aus- sichten für die nahe bevorstehende Zukunft durchaus keine besonders guten genannt werden konnten, so war man doch nicht sonderlich verblüfft über diese geringe Zahl, da ja noch drei volle Tage zum Maximum waren. Man hatte übrigens für die Zeit vom 13. November von vorn- herein nicht viel erwartet und aus diesem Grunde hatten auch die meisten Sternwarten erst mit dem 13. November ihre Beobachtungsthätigkeit aufgenommen. Auch auf den beiden Hochstationen, die von der Wiener Sternwarte be- setzt worden waren, Sonnwennstein und Hochschneeberg, bedeutete die Nacht des 13. November den Anfang der Beobachtungen oder hätte eigentlich denselben bilden sollen, wenn nicht die Ungunst des Wetters dort alles Beobachten vereitelt hätte. Am 13. November war es in England fast an allen Beobachtungsstationen bewölkt oder nebelig und nur hin und wieder konnten Herschel und Denning eine Stern- schnuppe durch Wolkenlückeu beobachten, die schwache Zeugenschaft ablegte von der Thätigkeit des Leoniden- stromes. In Pola zählte man von Mitternacht bis gegen Igh 45m 25 Leoniden und 13 andere Meteore. Leider bewölkte es sich gegen das Ende dieser Zeit, so dass kein Schiuss auf den Moment des Maximums möglich ist, da gerade gegen das Ende der Beobachtungen das Spiel etwas lebhafter zu werden schien. Auch in Indien wurde in dieser Nacht beobachtet, doch erblickte man dort in den Morgenstunden nur etwa 10 oder 12 kleinere Meteore auf jeder Station der Doppelexpcdition.*) Von den vor- liegenden Berichten mögen noch zwei ausgewählt werden, welche das schönste Resultat lieferten: Lemberg, wo man von 10'' bis IG'' 30"' 50 Meteore, darunter etwa 30 Leoniden beobachtete, und Catania, wo die Zahl der in der Zeit von 14'' bis 17'' gesehenen Sternschnuppen sogar auf 125 stieg. Merkwürdig ist, dass nur 15 derselben aus dem Leonidenradianten gekommen sein sollen. In Lemberg war eine interessante Wahrnehmung gemacht worden, die jedoch eine einfache und leichte Erklärung zulässt. Während vor Mitternacht alle Leoßiden lange Bahnen hatten und fast sämmtlich der ersten Grössenklassc und von weisser Farbe waren, hatten sie nach Mitter- nacht eine röthliche Färbung und waren bei nur kurzer Bahnlänge nur mehr zweiter Grösse. Die Deutung dieser Thatsaehe, ergiebt sich aus dem Umstände, dass vor Mitternacht das Sternbild des Löwen im Horizont stand, so dass nur die grössten Meteore und unter diesen wieder nur diejenigen, welche weitab vom Radiationspunkt auf- leuchteten, gesehen werden konnten. Daher die intensiv weisse Färbung, die lauge Bahn und verhältnissmässig grosse Helligkeit. Von den anderen in Lemberg beob- achteten Meteoren Hessen sich noch acht auf einen Ra- dianten nahe bei ;' Geminorum zurückführen. In der Nacht des 14. November waren die ersten Platten exponirt worden, um das Phänomen photo- graphisch festzuhalten. Auf beiden Stationen in Indien gelang es je ein Meteor zu photographieren, darunter ein nahezu stationäres der zweiten Grösse (Safdar Yonng). Auch in München wurde photographirt, jedoch ohne Er- folg, da ein ungünstiger Zufall es wollte, dass gerade, als ein helles Meteor durch die vom photographischen Appa- rate überstrichene Himmelsgegend flog, die Platten ge- wechselt wurden. In Berlin war seitens der Urauiastei'n- warte ein Simultandienst behufs Anstellung correspon- dirender Beobachtungen organisirt worden. Die eine Station unter Leitung von G. Witt bildete die Urania- sternwarte, die andere war 7 km südlich davon im Hofe der optischen Anstalt von C. P. Görz in Friedenau bei Berlin errichtet worden, wo die Herren Baltin und Reichwein beobachteten. Beide Stationen waren telephonisch mit einandei' in Verbindung gesetzt. Es gelang jedoch nur in Friedenau, ein Meteor auf eine Platte zu bekommen. In Basel hatte ein Schüler Prof. Riggenbach's das Photo- graphiren übernommen und es dürften dort zwei Meteore eine merkbare Spur auf den Platten gezogen haben. Bevor wir die Zählungen durchgehen, welche in dieser Nacht augestellt worden sind, sei noch eines Hülfsmittels gedacht, das bis jetzt nur wenig in den Dienst der Himmelskunde getreten ist, welches in dieser Nacht und in der folgenden zu Meudon und Strassburg benutzt wurde, um über eine auf der Erdoberfläche lagernde Nebel- und Wolkenschicht hinauszukommen, des Luftballons. Von Meudon (bei Paris) aus stiegen die Herren TickholV und Lespieau in der Nacht des 14. November nach Mitter- nacht auf und hatten alsbald klaren Himmel über sich. Bis zum Anbruch des Tages, wo die Landung bewerk- stelligt wurde, zählten sie etwa 80 oder 100 Meteore. *) Die eine Station war in Pyrgli.aib lici l^cllii, die andere bei Safdar Yoiings Mausoleum, 9,G km südlich von der crstoren, errichtet worden. \ XV. Nr. 1() Niitui'wisscnsi/linftlii-lu' Wo» ift. IS.", In Strassburg hatte sich Dr. Tetens bereit erklärt, an einer Ballonfahrt theilzunehmen, und stieg in der Nauht des 15. November, wo es ziemlich stark bewölkt war, gegen 12'^ 40"" vom Exerzierplatz bei Strassburg auf. Nach einer halben Stunde war der. Ballon bereits über den Wolken und bei der in Folge der dünneren und reineren Luft grossen Dunkelheit des Himmels konnte man trotz des Mondlichtes bequem Sterne 5. Grösse seilen. In der ersten und zweiten Stunde fiel jedoch kein Meteor, dann zählten Dr. Tetens und seine zwei Begleiter etwa 10 Meteore. Nach fast zehnstündiger Fahrt landete der Ballon ungefähr 30 km südöstlich von Dijon in Frank- reich. Nachdem wir durch Erwähnung der Tetens'schen Ballonfahrt eigentlich etwas vorgegriffen haben, da die- selbe erst in der Nacht des 15. November unternommen wurde, so kehren wir zu den Beobachtungen des 14. No- vember, die ziemlieh ausgiebig waren, zurück. Anstatt die einzelnen Berichte einer langwierigen Besprechung zu unterziehen, sind dieselben in der uachfolgenden Tabelle zusammengestellt worden, wobei Verfasser die Zeiten des Maximums, soweit dies möglich war, bestinmit hat. Nur einiges Weniges über einige Nebenstationen soll noch vorausgeschickt werden. In München beobachtete Pro- fessor Seeliger an der dortigen Sternwarte, während Dr. K. Schwarzschild mit seinem Bruder 1 km östlich von der Sternwarte Aufstellung genommen hatte. In Genf ^varen noch mehr temporäre Stationen errichtet worden, nämlich in Savatan, Salvan, Aiguille. Auch Hamburg hatte mehrere kleine Expeditionen in die um- liegenden Ortschaften entsendet und zwar nach Poppen- büttel, Fuhlsbüttel, Ahrensburg und Süllberg bei Blanke- nesc. In derselben Absicht wie die beiden Expeditionen der Wiener Sternwarte auf den Sonnwendstein und Hoch- schneeberg hatten .sich Dr. Kobold und Ebell auf den 13S)0 m hohen grossen Beleben, den höchsten Vogesen- gipfel, begeben, um dort womöglich über die auf der Erdoberfläche lagernden Dünste, Nebel und niederen Wolkenschichten hinauszukommen. Im Gegensatze zu den bei grösseren Sternsehnuppenerscheinungen vergange- ner Jahre angestellten Beobachtungen, wo man sich be- strebte, möglichst viele Flugbahnen zu bestimmen, um daraus eine genaue Position des Radianten abzuleiten, war man im Vorjahre bestrebt, die Möglichkeit corre- spondircnder Beobachtungen zu begünstigen, da die Ge- nauigkeit der photographisehen Methoden eine geradezu ideale genannt werden muss, welche es nicht mehr uoth- wendig macht, dem Resultate durch Vergrösserung der Beobachtungszahl Genauigkeit und Gewicht zu verleihen. Nach diesen kurzen Bemerkungen möge nun die schon erwähnte Tabelle Platz finden. Aus dieser kleinen Tabelle kann man ersehen, dass an manchen Orten ganz hübsche Beobaehtungsreihen er- halten wurden. Leider sind die Zählungen nicht von allen Sternwarten in einer Form gegeben, welche die Ab- leitung der Zeit *des Maximums gestattet. Aus den hier- für verwendbaren Berichten berechnet sich das Maximum jedoch ziemlich übereinstimmend auf: 1899 November 14. 171^ 50"° M. Zt. Berlin. Die Steigerung, welche das Leonideuphänomen in der Nacht des 14. November erfahren hatte, hielt auch in der Nacht des 15. November an, ohne jedoch eine uennenswerthe Höhe, welche ähnlichen Fällen vergangener Jahre nur annäherungsweise entsprochen hätte, zu er- fahren. Ein grosser Theil der Stationen, welche während der Nacht vorher vom Wetter begünstigt worden waren, hatte Bewölkung, so dass entweder gar nicht beobachtet werden konnte, oder doch die Zählungen so wenig Meteore ergaben, dass wir sie als den Charakter des Phänomens nicht zum Ausdruck bringend, wohl gerechtfertigter Weise übergehen können. In Berlin Urania und Friedenau ge- lang eine Simultanbeobachtung auf photographischeni Wege, welche wohl eine genaue Radiationsbestimmung, sowie die Ableitung der Höhe des Meteors ermöglichen wird. Auch auf der Bülowsternwarte zu Bothkamp war photographirt worden, jedoch ohne Erfolg, da keine Meteorspur auf eine Platte kam. Denselben Misserfolg hatte die Hami)urger Sternwarte zu verzeichnen, wo 34 Platten mit je 15 Minuten Expositionszeit verarbeitet worden waren. Nach dem dortigen Bericht waren nur etwa 10 Meteore erster Grösse und drei davon sogar von Venusgrösse, die meisten jedoch gehörten der zweiten oder dritten Grössenklasse an. In der Tabelle sind die Beobachtungsergebnisse in derselben Form zusammen- gestellt, wie dies für den 14. November in der ersten Tabelle geschehen ist. Die wenigen Berichte, welche für die Bestimmung der Zeit des Maximums geeignet sind, geben dafür: Maximum: 1899 November 15: 17'' 35"i M. Zt. Berlin. Beobachtungsstation Beobaclitungszeit in mittlerer Ortszeit Leoni- den andere Me- teore Zal.l der Meteore über- haupt M. Zt. Berlin des Maximums Anmerkungen Oordoba Genf: a) Sternwarte 14h Om bis 14h 14m 11 0 19 0 11 0 19 0 U 0 19 0 11 0 19 0 14 0 17 4.5 12 30 18 0 15 0 18 30 14 45 18 30 13 15 18 1.^ 12 25 13 45 12 40 18 0 12 0 16 30 14 0 18 0 10 45 18 33 13 15 18 15 12 30 k; 30 13 0 15 30 14 0 17 0 49 143 211 92 4Ü— 50 10 47 - 62 17 147 20 100 53 62 10 15 8 19 30 25 3 40 17 19 50 12 110 5 57 162 241 117 132 IG- SO 60 102 164 20 105 119 103 22 125 17li 30m 17 30 17 30 17 30 18 30 (V) 17 15 18 30 18 3U 17 30 17 15 18 30 bewölkt zuletzt bewölkt von Mondnntergang bis zur Däinnieru zuerst wechselnd bewölkt wechselnd bewölkt zuerst wechselnd bewölkt mit kurzen Pausen beobachtet mit kurzer Pause c) Aiguille d) Salvan llanipstead Heatli*) Hochschneeberg 'S Oxford: a) university-obsorvatory b) Radcliffe - observatory c) Littlemore**) München: (Schwarzschild) .... Pohl Princetown, New-Jersey Strassburg (grosser Beleben) . . . Utrecht Taschkent • Basel Catania *) Beobachter: W. H. Daw. Die Zdit waluei („English Mechanic" vom 24. November 1899.) **) Beobachter: W. J. Herschel, (Prof. AI. Hers welcher die 40 oder 50 Leouiden fielen, waren ungefähr 40 Minuten, lels Bruder). 184 Naturwissenscliai'tliche. Woelienschrift. XV. Nr. 16. Beobachtungsstation Beobachtungszeit in mittlerer Ortszeit 1 |s 111 M.Zt. Berlin des Maximums Anmerkungen Bayport on long Island . . . Biisel (Hochblauen) Chicago - bis - Ilh 0"' 1811 Om 14 0 IG 0 18 0 17 0 12 0 18 45 10 30 18 30 12 30 15 35 12 30 18 30 17 10 18 25 gegen Morgen 11 0 lii 0 11 0 19 0 gegen Morgen 16 23 18 15 - 48 111 6 77 25 110 11 11 17 14 24 38 — 38 ■) 6 12 59 72 30 7 G3 26 149 Gl 43 64 115 60 16 23 102 10 26 17h lOm 17 45 17 45 17 45 bewölkt alle Meteoro wahrend '/,h nach IGh beobachtet, verlier nichts wechselnd bewölkt Durham observatory Hamburg: a) Sternwarte . b) Fuhlsbüttel . c) Poppenbüttel Harvard College Kalocsa . Luud zeitweise Regen Pyrghaib . . Romsey (Hampshire) bewölkt Aiguille bewölkt Philadelphia Strassburg (Ballonfahrt) . . Utrecht Der 16. November brachte nur wenig Neues mehr, die Zahl der Meteore war bedeutend gesunken und der Procentsatz an Leoniden wurde in dieser Nacht, sowie in den folgenden, fortwäiirend geringer, sodass der Charaiiter einer gewöhnlichen Steinschnuppennacht bald wieder her- gestellt war. Ein merkwürdiger Umstand hat sich während der voi-jährigen Pciiode so häutig wiederholt, da.ss er un- möglich hier übergangen werden darf. Mehrere Male findet sich nämlich ausdrücklich erwähnt, dass die grosse Mehrzahl der aufgezeichneten Meteore während eines nur kleinen Theiles der Beobachtungszeit gefallen sind, wäh- rend vorher oder nachher, oft Stunden hindurch, kaum hie und da ein Meteor aufleuchtete. Dieses stossweise Er- scheinen der Sternschnuppen äusserte sich besonders schön zu Hampstead-Heath in England nach dem Berichte des Beobachtei's H. H. Daw, welcher am 14. November in der Zeit von ungefähr 40 Minuten 40 oder 50 Leoniden aufleuchten sah. In unseren Tabellen finden sich Stationen, wo während der ganzen Nacht nicht so viele Meteore ge- zählt werden konnten, wie in Hampstead-Heath während dieser kurzen Zeit von etwas über einer haU)en Stunde. Noch auffallender trat diese interessante Erscheinung am 15. November auf, wo zu Denver während drei Stunden {Vd^ — 16*^) nur äussei'st wenig, dann aber in einer Viertel- stunde 63 Meteore aufleuchteten.*) Eine ähnliche Beob- achtung machte Prof. Simony von der Hochschule für ISudencultur in Wien. Derselbe hatte sich auf die Josefs- VVarte bei Perchtoldsdorf in der Nähe von Wien begeben, um dort die Hauptnacht des Phaenomens zu durchwachen. Da es nun so constant bewölkt war, dass die Aussicht auf klaren Himmel immer geringer wurde, machte er sich kurz nach 3 Uhr Morgens auf den Weg nach Wien. Die Wolkendecke war nun an einigen Stellen gerissen, und Hess einige Tlieile des Himmels frei. Simony beobachtete dann durch Wolkenlücken in den ersten Morgenstunden einen äusserst reichen Sternschuuppenfall, während weniger Minuten ungefähr 200 Meteore.**) Hier müssen noch zwei *) „Times" vom 18. XL 1899. **) Wie ich nachträglich erfahre, sollen dieselben sämmtlich von röthlicher Farbe gewesen [sein, ein Umstand, der die Beob- achtung etwas zweifelhaft macht, da die Leoniden gewöhnlich eine weissliche Farbe haben. Doch würde obige Bemerkung über die Farbe der in Lemberg gesehenen Leoniden damit überein- stimmen. Beobachtungen dieser Art erwähnt werden, welche an- fänglich zwar etwas unwahrscheinlich schienen, jetzt aber, wo Aehnliches auch von anderwärts gemeldet wird, wenigstens in dem einen Falle, nicht mehr zu den Un- möglichkeiten gerechnet werden können. Von zuver- lässiger Seite wurde aus Holstein gemeldet,*) dass dort am 15. November Vormittags Sternschnuppen gefallen waren und zwar in sehr grosser Anzahl. Ebenso soll nach den Berichten einiger Personen, welche gegen 2 Uhr Nachmittags desselben Tages in England das Phänomen beobachten, „die Luft mit kleinen silberglänzenden Bällen erfüllt gewesen sein", die ähnlich wie Sternschnuppen über den Himmel zogen. Zu dieser Zeit stand aber der Radiationspunkt der Leoniden unter dem Horizont und die Erscheinung konnte daher unmöglich eine Folge seiner Thätigkeit sein. Anders steht es mit der Holsteini- schen Beobachtung. Zu dieser Zeit (Vormittags) konnte der Radiationspunkt noch sehr wohl seine Thätigkeit ent- falten und die Beobachtung von Feuerkugeln am hellen Tage wäi'c an sich nicht unmöglich, wenn nicht die an- geblich so grosse Zahl derselben Zweifel erregen würde. Vielleicht haben wir es mit einer ähnlichen Erscheinung zu thun, wie mit den bekannten „Flocken vor der Sonne". Fragen wir nun, wieso es kam, dass sich das Leo- nidenphänomen im vei-gangenen Herbst nur so schwach geäussert hat, so müssen wir zwei Umstände in Erwägung ziehen, die grossen Störungen, welche gerade der Theil des Schwarmes, mit dem die Erde zusaiumentrefi'en wollte, seitens Jupitei-s und Saturns erfahren hatten, sowie die Eigenthümlichkeit, dass bei der Umlaufszeit von rund 33 '/g Jahren nach zwei vollen Umläufen einmal 34 Jahre verstreichen müssen, bis die Erde wieder mit einem dich- teren Theil des Stromes collidirt. Wir wollen beides in Erwägung ziehen. Berberich hat sich der Aufgabe unterzogen, die Jupiter- und Satiirnstörungen für den Schwann zu be- rechnen.**) Wir wollen die Resultate dieser Rechnung benützen. Während im Jahre 1866 der Schwärm un- gefähr 604 000 Meilen (0,0065 Erdbahnradien) von der Erde entfernt an der inneren Seite der Erdbahn vorüber- gegangen ist, hatte sich diese Grösse dank der Störungen Jupiters und Satuins nach Berberieh's Rechnung für die *) „Naturw, RiindKchau" 1899, No. 51. '■') A N 3526. XV. Nr. 1* issensuhaftliche WoL-henschrift. Leoniden des vorigen Jahres auf rund 1 000 000 Meilen (0,0113) vcrgrössert. Dieses Anwacliseu der Entfernung der Meteore von der Erde um 0,0048 Erdbabnliaibnies.ser kann also möglicher Weise die geringe Anzahl der Meteore veranlasst haben. Allerdings hält es schwer, ein striktes ürtheil abzugeben, weil über die Dicke des Schwarmes keine genauen Angaben vorliegen und noch die zweite der oben erwähnten Möglichkeiten den Ausfall des Phä- nomens verschuldet haben kann. Jedenfalls aber wird sich, wenn die Zahl der Leoniden auch heuer gering bleiben sollte, schliessen lassen, dass der Durchmesser des Stromes geringer sein muss als 0,0226 Erdbahnradien. Die Besprechung der zweitenMöglichkeit wird die ent- scheidende Rolle, welche das heurige Jahr in dieser An- gelegenheit zu spielen berufen ist, erklären. Nehmen wir nämlich au, dass die Erde im Jahre 1833 mit einem der dichtesten Theile des Schwarmes zusammen- getroffen ist, so würde im Jahre 1866 derselbe Theil des Schwarmes wegen seiner Umlaufszeit von 33 Jahren und 4 Monaten erst 4 Monate nach dem November, also erst März 1867 die Erdbahn durchschnitten haben. Der reiche Fall von 1866 widerlegt diese Ansicht durchaus nicht, da die Erde noch nicht so weit vor seinem dichtesten Theil passirte, dass sie auf meteorarme Gegenden stosseu musste. im Jahre 1899 kamen aber weitere 4 Monate hinzu, um welche die Erde dem Schwärm voran war, der erst Juli 1900 den Knoten erreicht. Dort aber, wo die Erde im November 1899 stand, dürfte die Dichte des Meteor- schwarmcs nur mehr gering sein, so dass die Zahl der Meteore, welche durch unsere Atmosphäre zogen, nicht bedeutend werden konnte. Dafür gelangt aber die Erde im November 1900 in einen Theil des Stromes, der, in Zeit ausgedrückt, 4 Monate hinter dem Kern des Leo- nidenschwarmes liegt. Für diesen Theil bietet das Jahr 1866 ein Analogon, allerdings für die entgegengesetzte also vordere Seite des Slromkernes, so dass wohl ein reicherer Fall im November dieses Jahres zu erwarten stünde. Uebrigeus ist es aus verschiedenen Gründen wahrscheinlich, dass gerade der dem dichtesten Theil des Schwarmes folgende Theil des Metcorsfromcs eine weit grössere Ausdehnung besitzt, als der vorangehende, so dass nach den schlinnnen Erfahrungen des vorigen Jahres die Wahrscheinlichkeit für heuer bedeutend wächst, da die Beobachtungen des verflossenen November für die Richtigkeit dieser Ausführung zu sprechen scheinen. Jeden- falls aber wird das heurige Jahr die Entscheidung bringen, so dass wir auf dieselbe nicht allzulange werden warten müssen. Nun möge noch eine Folgerung erwähnt werden, welche aus den Berberich'schen Störungswerthen in Ver- bindung mit den Beobachtungen gezogen werden kann. Die Beobachtungen geben keinen besonderen Unterschied für die Häufigkeit der Leoniden in den beiden Nächten des 14. und 15. November, daher kann auch von einem Vorläufer und einem Hauptstrom nicht die Rede sein. Ueberdies waren die Nachläufer so schwach, dass sie kaum als solche in Betracht kommen, und man die Er- scheinung füglich als auf zwei Tage beschränkt, an- nehmen kann. Das ist aber ein Unterschied gegenüber früheren Erscheinungen der nicht ohne weiteres über- gangen und ignorirt werden darf. Vielleicht findet er in folgender Theorie seine Erklärung. Man nimmt an, dass der Schwärm aus drei Theilen besteht, die in parallelen Bahnen nebeneinander um die Sonne laufen, den Vor- läufern, welche die Erde zuerst trifft, dann den eigent- lichen Hauptschwarm und den Nachläufern, mit denen das Spiel endet. Die Thätigkcit dehnt sich über drei Nächte aus, so zwar, dass zwischen je zwei Theilen ein merk- bares Minimum constatirbar ist. Nach den Erfahrungeu des vorigen Jahres scheinen nun Vorläufer und Nach- läufer ein Ganzes zu bilden, welches den Hauptschwarm cylindrisch uragiebt. Nach den Beobachtungen, die über die Bildung der Kometenschweife gemacht werden (Halley's Kometj, dürfte diese Ansicht keinen allzugrossen Schwierig- keiten begegnen, obwohl es, vielleicht nicht mit Unrecht, gewagt erscheinen mag, diesen Theil der Himmelskunde, der noch in den Kinderschuhen steckt, in Rechnung zu ziehen. Jedenfalls würde aber eine solche Anordnung auf diese Art nicht ohne Analogon sein, wenngleich viel- leicht die Ursachen grundverschieden sind. Nehmen wir nun, was ja Berberich's Rechnung zur Gewissheit erhebt, an, dass die Erde durch diesen so geformten Schwärm nicht centrisch, sondern ziemlich stark excentrisch, also gerade durch die Randpartien, durchgegangen ist, so er- klärt sich die Erscheinung des Jahres 1899 vollkommen. Der Sternschnuppent'all musste bei dem Durchgange der Erde durch den Randtheil des Schwarmes jedenfalls eine Verkürzung seiner Dauer erleiden und ausserdem mit ziemlich gleichbleibender, aber gegen andere Erschei- nungen bedeutend herabgesetzter Stärke anhalten, da die Erde nicht den Kern oder dichteren Theil passirte, sondern nur die dünnere Umhüllung desselben, welche nicht so grosse Dichtedifierenzen aufweist. Es möge dahingestellt bleiben, ob diese Ansicht der Wahrheit entspricht, und dabei zugleich betont werden, dass sie nur eine von den vielen Möglichkeiten darstellen will, welche die vorig- jährigen Beobachtungen zu ihrer Erklärung zulassen, immerhin aber kann nicht geleugnet werden, dass sie keinen Umstand unerklärt lässt, und die Constitution des Leonidenstromes vielleicht etwas natürlicher erklärt, als dies die drei getrennten Schwärme, die nebeneinander herlaufen, thun können. Nun noch einige Worte über die Beobachtungen im Allgemeinen. An vielen Orten war das Bestreben zu Tage getreten, durch Besteigung hoher Berggipfel so- wohl den störenden Einfluss des Mondlichtes, als auch den Mangel an klarem Himmel oder schönem Wetter zu paralysiren. Sogar Ballonfahrten wurden zu dem Zwecke unternommen. Unstreitig ist ja auch die Luft in grossen Höhen bedeutend besser, es wäre aber trotzdem verfehlt, wollte man deswegen für eine Sternwarte auf einem hohen Alp.n- oder Voralpengipfel Propaganda machen.*) Man darf doch des einen Vortheiles wegen nicht die vielen Nachtheile übersehen, die ein solches Unternehmen erfahren musste. Allerdings darf man das Project auch nicht aus dem Grunde verdammen, weil während der letzten Leonidenbeobachtungen sowohl Sonnwendstein als Schnee- berg fast beständig Schneesturm hatten ; wenn man jedoch hört, dass zum Beispiel auf dem Sonnwendstein häufig im Winter der Schnee Monate hindurch so hoch liegt, dass nur die Wipfel der Bäume herausragen, so drängt sich die Vermuthung auf, dass eine Sternwarte auf einem solchen Berggipfel nicht bloss in ihrer Thätigkeit lahm- gelegt, sondern noch obendrein mit ungeheuren Ver- proviantirungsschwierigkeiten zu kämpfen hätte. Wie will man ferner das Arbeitsprogramm eines solchen Ob- servatoriums festlegen? Rieseninstrumente, die vornehm- lich einer guten Luft bedürfen, wird man schwerlich in solchen Höhen den verschärften Gegensätzen des Wetters aussetzen wollen, und kleinere Fernrohre machen den Unterschied nicht so merklich, um sie deswegen durch Aufstellung auf hohen Berggipfeln unzugänglich machen zu müssen. Es bliebe also nur die photographische Thätigkeit. Für eine solche wären allerdings die Bedin- gungen günstig, wenn das Haupterforderniss, geeignetes Wasser — und nicht jedes Wasser ist zu diesem Zwecke *) Dr. K. Kostersitz: Eine Sternwarte auf dem Schneeberg. Sirius 1899. Natiirwissenscluiftl icliP Woi- verwendbar — auf leichte Weise zu beschaffen wäre. Schon der Umstand, dass in solchen Höhen oft derselbe Preis für ein Glas Wasser wie in der Ebene für dasselbe Quantum Bier oder Wein gezahlt werden muss, spricht deutlich genug, üebrigens würde ein solches Unter- nehmen zu allererst erfordern, dass Prüfungsstationen er- richtet werden, um zu entscheiden, welche von den Sta- tionen die meisten vom astronomischen Standpunkte aus guten Beobachtungsabende aufweisen würde und ob über- haupt das Mehr au Bcobachtungsnächten gegenüber der Ebene so bedeutend ausfällt, um deswegen Leute auf einsame Berggipfel unnöthigerweise zu verbannen zu den- selben Arbeiten, die mit viel weniger Kosten bei ge- eigneter Wahl des Standpunktes in der Ebene aus- geführt werden können, wo die Leichtigkeit des wissen- schaftlichen Verkehres und Meinungsaustausches als Vor- bedingung für erfolgreiche Thätigkeit den einen Vortheil der Hochstation, der noch überdies gewiss durch sorgsame Auswahl des Beobachtungsortes wett gemacht werden kann, wohl gänzlich aufhebt. Zur Frage nach der Entstehiiiig der Denkfornien. In einem neuerdings von Dr. Konstantin Gutberlet heraus- gegebenen Werke „Der Kampf um die Seele, Vorträge über die brennenden Fragen der modernen Philosophie" (Mainz, Fr. Kirchheim 1899) findet sich auf Seite 178 f. die Be- merkung: „vor kurzem trat Potonic ziemlich schüchtern in einem Aufsatz der „Naturw. Wochensehr." mit dem Versuche auf, die Denkformen darwinistisch zu erklären." Die nähere Illustration zu diesem Satze hat Gutberiet schon früher in dem von ihm herausgegebenen Philo- sophischen Jain-buch 1891, S. 338 if. unter der Spitzmarke „Die Züchtung der Denkformen" gegeben. Der betreffende Aufsatz Potonic's, des Herausgebers der „Naturw. Wochen- sehr.", findet sich in ihrem sechsten Bande No. 15 (vom 12. April 1891); er ist überschrieben: „Ueber die Ent- stehung der Denkformen". Wir stehen nicht auf dem von Pütonie in diesem Anfsatz vertretenen Standpunkt, seine Ausführungen kommen unseres Erachtens über das Hypothetische zunächst noch nicht hinaus; gleichwohl sehen wir nns gezwungen, so einseitige Angriffe wie die Gutberlet's im Interesse der Sache zurückzuweisen. Der scholastisch - katholische Standpunkt, welchen Gutberiet einninnut, hindert ihn leider allzusehr, die litterarischen Erscheinungen der Gegner sine ira et studio zu betrachten, so dass so ungerechtfertigte Bemerkungen zu Tage kommen, wie die in oben genannten Büchern. Da Potonic's Anfsatz unseres Erachtens nicht ohne Bedeutung für die logische Forschung ist, die sich mit seinen Gedanken :jothwendig befassen und auseinandersetzen muss, geben wir für diejenigen, welche den Aufsatz nicht kennen und die betreffende Nummer der „Naturw. Wochensehr." nicht zur Verfügung haben, zunächst einen kurzen Ueberblick seiner Grundgedanken. Die Principien des Darwinismus gelten nicht nur für die körperliche, sondern auch für die geistige Entwicke- king der Organismen. Auch bei den geistigen Aeusse- rungen bedarf es nur des Vorhandenseins einfachster Denkregungen, um die Entstehung säramtlicher jetzt that- sächlich vorhandener Formen des Denkens begreiflich zu finden. Potonic nimmt diese Denkregungen als gegeben an und lässt die Frage nach ihrer Herkunft in der Schwebe. „Mag man mit Darwin annehmen, dass die ersten Organismen, von denen alle übrigen abstammen, von Gott erschaffen wurden, also auch die geistigen Eigenthünilichkeiten derselben, oder sei man eher ge- neigt, mit Haeckel an eine Urzeugung der ersten oder des ersten Wesens zu glauben, und somit auch hier die Entstehung der einfachsten Denkregungen an eine Zeit ge- knüpft sich vorzustellen, oder neige man endlich zu der An- sicht, dass das Leben, das Plasma, mithin auch das geistige, in den Organismen von Ewigkeit her sei, — so eminent erstrebenswerth die Lösung dieser Aufgabe auch ist, es scheint mir nicht, dass dieselbe vorläufig genügend lösbar ist." Dass aber die geistigen Fähigkeiten sich erst all- mählich zu ihrer heutigen Ausbildung entwickelt haben. ist zweifellos, und wie und warum die Entwickelung der geistigen Fähigkeiten gerade in dieser Weise erfolgt ist, wie sie heute sind, scheint mir sehr wohl der Beant- wortung fähig, wenn wir von den einfachsten Denk- regungen ausgehen." Potonic giebt dabei vollständig zu, dass die Entwickelung keineswegs leichter begreiflich ist, als die Erschaffung, aber jene sei deshalb vortheilhafter als diese, weil sie eruirbaren Thatsachen entspreche. Das llauptresultat der Untersuchung gipfelt in dem Satze, dass die sämmtlichen Denkformen ebenso im Kampfe ums Dasein entstanden sind wie die Formen der or- ganischen Wesen. Was man aprioristischc Anschauungen nennt, sind ererbte, schon von den denkenden Urorganismen gebrauchte, uns daher jetzt zwar ohne Weiteres in der Anlage gegebene, aber dennoch ursprünglich aus der Erfahrung gewonnene. Olnie Erkenntniss von Raum und Zeit z. B. ist eben keine Handlung möglich, so dass die Vorstellung von ihnen wold die älteste, also besonders aprioristisch erscheinende ist. Potonie sucht diese Sätze noch deutlicher zu machen, zunächst allgemein aus der Völkerpsychologie. Er macht sich hier die Ausführungen des Forsebers Tb. Achelis zu eigen, welcher in seinem Werke „Ethnologie und Philo- sophie" S. 812 f. sagt: „Ohne das umfangreiche Material eines Tylor, Bastian u. a. anzuführen und zu zergliedern, darf wohl soviel daraus entnommen werden, dass durch die Theorie des Animismus (d. h. der bei den Natur- völkern beobachteten Neigung, die ihnen unerklärlichen Erscheinungen der Natur sich durch Annahme seelischer Kräfte oder handelnder Persönlichkeiten in den Dingen begreiflich zu machen) der unanfechtbare Beweis ge- liefert ist, dass der gesammte Apparat des Apriori aus einer allmählichen, unwillkürlichen und vielfach unbe- wussten Vergeistigung sinnlicher Erscheinungen hervor- gegangen ist. Mit Recht hat deshalb Goring, der sich speciell an die Ausführungen Tylors hält, in seiner Unter- suchung über den Begriff der Erfahrung dieses Moment nachdrücklich hervorgehoben; diese empirische Kenntniss des Ausgangs- und Mittelpunktes, von dem aus der Mensch sich allmählich seine unsinnliehen Wesenheiten erschafft, berechtigt vollkommen zur Aufstellung des schon von Aristoteles auf die platonische Ideenlehrc angewandten Satzes: das Unsinuliche ist das Sinnliche noch einmal." Potonie fügt diesem allgemeiueren Argument speeiellere hinzu. Wie die körperlichen Eigenthümlichkeiten der Wesen sich mit Hülfe darwinischer Principien aus den Ein- flüssen der Aussenwelt erklären lassen, nämlich durch Selection, durch Auswahl im Kampfe ums Dasein, genau ebenso lassen sieh die Eigenthümlichkeiten des Geistes in leichtester Weise durch Anpassung erklären. Wie die organischen Wesen in ihren Gestaltungsverhältnissen nach allen Richtungen variiren uud von den Variationen nur die passenden, nur die lebenfördernden oder doch die nicht lebenstörenden erhalten bleiben und sich daher schliesslich vererben können, genau ebenso können von XV. Nr. 16. Natnrwisspnschaftliclie Wochonschrift. den zunächst nach allen Richtungen hin zielenden Denk- leguiigen nur diejenigen erhalten hleiben, im Kampfe ums Dasein ausgelesen und in Folge deisscn vererbt werden, die nicht zu lebengetahrdendcu Handlungen t'üliren. Die Variationen im Kampf ums Dasein sind tbeils nützlich, theils indifferent, llicils schädlich. Die crstcren werden häufig geübt, wodurch sie sich zu Gewohnheiten ent- wickeln und vererben. Die indifferenten, d. h. nicht gerade unzweckmässigen, deren Voihandensein oder Fellleu von keinerlei Bedeutung für das Lebewesen ist, führen zu keinen festen Gewohnheilen, sodass auch keine Uebereinstinimung in Bezug auf sie unter den Menschen besteht. Die schädlichen Variationen gehen zu Grunde. Werden die Denkweisen im Allgemeinen dann nothwendig übereinstimmen, wenn Handlungen aus ihnen folgen, die das Leben hindern oder gefährden, so werden sie andrer- seits oft dann bei den verschiedenen Individuen keine Uebereinstimmung zeigen, wenn der Kampf ums Dasein keine Veranlassung hatte, klärend zu wirken, weil diese Denkweisen nicht zu lebengefährdenden Handlungen führen öder weil der Inthum in praktisch gleichgültigen Dingen unschädlich ist. Es ist die Rücksicht auf die Erhaltung des Lebens das einzig Ausschlaggebende für den Bestand geistiger Eigenthümlichkeiten, abgesehen, wenn es sich um indifferente Erscheinungen handelt. Dieser Satz ist deshalb so wichtig, weil wir aus ihm heraus verstehen lernen, woran es liegt, dass die Menschen bei ihren geistigen Beurtheilungen in manchen Punkten alle zn den gleichen, in anderen zu verschiedenen Resultaten ge- langen. Wir fügen noch ein Wort über Potonie's Gedanken, betreffend das Ziel der wissenschaftlichen Erkenntniss hinzu. Potonie sagt: Wir erfahren die Dinge und Kräfte zunächst nnr, soweit ihre Kenntniss für unser Leben von Wichtigkeit resp. nothwendig ist. Alles Dahiuterliegende, das Ding an sieh, das Wesen der Dinge und Kräfte zu erkennen, hat für unser Leben keine Bedeutung, und wir bemühen uns daher vergeblich, hier eine Einsicht zu ge- winnen, dieses Wesen der Dinge zu enthüllen. Umgekehrt ist das Wesen der Dinge das, was wir mit unserer Er- fahrung nicht erreichen können. Nur Dasjenige nicht für unser Leben Nothwendige können wir erkennen, was sich durch unsere aus Alltagserfahrungen abstrahirte Logik behandeln lässt. Diese Denkformen sind gleichsam ein Spiegelbild der uns nützlichen Weltkenntnisse und wenn man zugiebt, dass die Kenntnisse, die wir für das Leiien nothig haben, sehr verschwindend sind im Vergleich zu dem, was erkannt werden könnte, so liegt der Gedanke nahe, dass unsere Denkformen nicht die möglichen Be- ziehungen in der Welt erschöpfen. Wir können demnach mit unserer jetzigen Logik die Welt nicht ganz erkennen, sondern haben nur die Hoffnung übrig, dass unsere Sinne genügen möchten, derartige Erfahrungen zu sammeln, dass unsere jetzigen Denkformen ergänzt werden. Das sind in grossen Zügen die Grundgedanken des „ziemlich schüchternen" Potonie'schen Aufsatzes. Wir haben nicht die Absicht, diese Gedanken des Näheren zu beleuchten. Wir haben schon anfangs ausgesprochen, dass wir ihnen im Princip widersprechen. Dennoch ist es für den unbefangenen Forscher fraglos, dass dieser Aufsatz „Ueber die Entstehung der Denkformen" seine grosse Bedeutung hat und alle Beachtung verdient. Die von Potonie aufgeworfene Frage ist bisher weder von Philosophen noch von Naturforschern nachdrücklich unter- sucht. Potonie ist der erste, der ihrer Lösung nachgeht. Dass er die Frage als Schüler Darwins im Sinne der Descendenzlehre zu beantworten sucht, sollte nicht weiter befremden oder gar zu spöttischen Bemerkungen veran- lassen, wie wir sie in Gutberlets gleich folgender Bcur- theihmg vor Augen haben. Der unbefangene Denker wird diese Gedanken prüfen und unstreitig manches Be- herzigenswerthe darin finden, was für die Logik von eminenter Wichtigkeit und Bedeutung ist. Wir kommen vielleicht in einem anderen Zusammenhange darauf zurück. Was sagt nun Gutberief? „Nachdem Diiprel die 1511- düng der Sternsysteme, Prej'cr die Entstehung des Lebens, Weismann das Auftreten des Todes, Münsterberg die Ent- wickclung des sensorischmotorischcn Apparates durch die darwinistisehc Selection zu erklären versucht, fehlte nur noch die Züchtung der aprioristischen Denkgesetze. Dieses Abenteuer hat nun H. Potonie in der „Naturw. Wochen- sehr." bestanden. Er stellt die These auf: Die „sämmt- liclien Denkformen sind ebenso entstanden im Kampf ums Dasein, wie die Formen der organischen Wesen." Gntberlet nennt diese These eine Ungeheuerlichkeit. Aber noch mehr ärgert er sich über die Ausführungen über die Macht der Gewohnheit. Dass Potonie die Worte MoUs („Der Hypnotisraus" S. 35) citirt: „Einen jungen Katho- liken werden fortwährend die Dogmen voi'getragcn und eingepflanzt; später sitzen sie ihm fest und beeinilusscn sein ganzes Handeln", — hat Gutberiet arg verschnupft. Er giebt Potonie darauf die niederschmetternde Aut- wort: „Allerdings lassen sich die unter den Natur- forschern so epidemisch auftretenden darwinistischen An- schauungen kaum anders als durch die Macht der Ge- wohnheit erklären (also doch!!!). Der Katholik glaubt, indem sich seine Vernunft auf die wichtigsten Gründe stützt, welche ihm die Göttlichkeit der Offenbarung be- weisen; die Darwinisten aber müssen ein vollendetes Opfer ihres Verstandes bringen, wenn sie, den aben- teuerlichen Einfällen ihrer Stimmführer durch Dick und Dünn folgend, solchen Unsinn hinunterschlucken. Potonie giebt selbst zu, er werde bloss von Naturforschern ver- standen werden, denen der Darwinismus in Fleisch und Blut übergegangen." Gutberiet geht dann mit wenigen Worten an eine Widerlegung. Wir können leider in ihnen nichts Stiebhaliii^es gegen Potonie finden. Doch hören wir ihn sellist: „Wenn auch die Entstellung der Arten nach ihrer körperlichen Seite darwinistisch erklärt werden könnte, so wäre die hier versuchte Entstehung der Denk- gesetze eine Absurdität; wir fragen: Kommt den Denk- gesetzen ausser ihrer subjectiven durch Gewöhnung er- zeugten Nothwendigkeit auch eine objective Seins-Noth- wendigkeit zu oder nicht? Kommt ihnen keine zu, dann ist die ganze Ausführung Potonie's ein Spiel mit sub- jectiven Formen, die auf objective Berechtigung keinen Anspruch erheben können. Ist aber in den Deiikgcsetzen eine von unseren Denken unabhängige Nothwendigkeit enthalten, dann kann dieselbe nicht lediglich durch die Gewohnheit erklärt werden. Es ist ja auch sonnenklar, und wir können nicht anders urtheileu, als dass objectiv z. B. zwei mal zwei vier giebt, dass durch keine ent- gegengesetzte Gewohnheit dieser Satz für uns falsch werden kann. Nach unserem Darwinisten (d. i. Potonie) wäre es leicht möglich, dass der Satz: zwei mal zwei ist drei von uns nothwendig gedacht werde. Für Viele wäre es im Kampfe ums Dasein viel wünsehenswerther, wenn zwei mal zwei bloss drei gäbe, dass z. B. für zwei Schoppen nicht das Doppelte, sondern einfach oder l'/o Mal bezahlt werde. Wenn sich dieser Gedanke den armen Familien durch mehrere Geschlechter hindurch wiederholte, wurde er schliesslich eine aprioristische Noth- wendigkeit erlangen!" Was soll man nun zu solcher Widerlegung sagen? Anstatt in wissenscliaftlich-untersuchender Weise auf die Sache einzugehen und Potonie's unstreitig beachtenswerthe Erörterungen sachlich zu prüfen, wird in einer Weise der Stab darüber gebrochen, welche an bitterer Ironie 188 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 16. nichts zu wünschen übrig lässt. Freilich, das entspricht durchaus dem Gutberlet'schen Princip, dem er auch sonst gelegentlich einen Ausdruck verliehen hat. Uns liegt gerade eine Besprechung des Werkes „Die ewigen Welt- räthsel" (v. Kud. v. Wiehert) aus Gutberlet's Feder vor, (Philos. Jahrb. IV, H. 447) ft'.) Wir lesen auch hier, dass solche „abenteuerlichen Einfälle, wie sie der Dar- winismus bringt, verdienen, mit sarkastischem Humor zurückgewiesen zu werden." Dass der Darwinismus tiefe Wahrheitsmomente in sich birgt, kann heute tiotz alles Protestes kein redlich denkender Forscher mehr leugnen. Das Princip der fortschreitenden Lebensentwickehiiig aus kleinsten Anfängen zu immer vollkommneren Gestaltungen im organischen wie geistigen Leben wird im Naturhaus- lialt beinahe täglich neu bewiesen. Jedes keimende Saat- korn, jeder wachsende Baum, jede Keim- und Frucht- cntwickelung der Lebewesen in ihrem Muttersehoosse, alle geistige Ausbildung, ja die Entwickelungsgeschichte der Erdrinde mit den versteinerten Resten der Vorwesen in den anfstcigenden Flötzgebilden bezeugen die allmäh- lich fortschreitende Lebeuseutwickelung. Auch die Er- fahrungsthatsache der Vererbung der Eigenthümlichkeiten der Eltern auf ihre Kinder und Kindeskinder ist ebenso unleugbar wie das Gesetz der Anpassung der Geschöpfe an die Verhältnisse der Ausscnwelt und die Möglichkeit der allmählichen Gewöhnung und Uebung der Einzelwesen im Verkehr mit ihrer Umgebung. Dass freilich daneben noch wichtige andere Factoren maassgebend bei der Wesen- und Wesensbildung sind, soll hier nur angedeutet werden. Umsomehr ist es die Pflicht theologisch-philosophischer Spekulation, nicht achselzuckend oder spöttelnd an den sicheren Erkenntnissen der naturwissenschaftlichen For- schung vorüberzugehen, sondern sich dieselben zu eigen zu machen, um sie bei der Constrnction des Gesammt- bildes der Wirklichkeit am rechten Platze zu verwerthen. Nur so wird eine gegenseitige Achtung der wissenschaft- lich interessirten Kreise möglich sein. Ein philosophisches System, das sich um die Naturwissenschaft nicht kümmert, ist stets unhaltbar. — Wir geben Gutberiet den wohl- gemeinten Rath, in seinen Ausdrücken in Zukunft massiger sowie in seinen Studien der Schriften seiner Gegner gründlicher zu sein; wie er es jetzt macht, kann er nur sich und der von ihm vertretenen Sache Schaden thun. Wir aber wollen nicht verfehlen, Herrn Dr. Potoni6 auch an dieser Stelle nochmals unsern Dank zu sagen für alle Anregung, die dieser Aufsatz „Ueber die Entstehung der Denkformen", uns gebracht hat. Möchten diese Zeilen dazu d'enen, die von ihm angeregte Frage wieder in Fluss zu bringen und ihrer schliesslichen Lösung näher zu führen. Dr. Otto Sichert, Fermersleben. lieber die Doppeltaiine des Berliner Weilinachts- marktes, über die wir uns schon früher in der „Naturw. Wochenschr." geäussert haben, veröffentlicht Regierungsratli Dr. C. von Tubeuf in der „Illustrirten Landwirthschaft- lichen Zeitung" einen Aufsatz. Nach einer Mittheilung von H. Potonie („Naturw. Wochenschr." 1889, S. 85) — sagt von Tubeuf u. A. — warf Herr Prof. Dr. Wittuiack am Schluss der Sitzung des Botanischen Vereins der Pro- vinz Brandenburg vom 8. Januar 1886 die Frage der Abstammung der auf den Weihnachtsmärkten in Berlin als Doppcltanne l)ezcichneten Fichte von unserer gewöhn- lichen Fichte oder Rothtanne (Picea exelsa) auf. In der hierauf folgenden Debatte konnte keine Einigung der An- sichten über die Entstehung der fraglichen Abart herbei- geführt werden. Am meisten schien die Erklärung Potonie's Anklang zu finden, dass die Verschiedenartig- keit beider Bäume durch mehr oder minder grosse Be- lichtung derselben hervorgerufen sei. Diese Vermuthung bedürfe jedoch noch der Beobachtung im Walde und der Bestätigung der Forstleute. — Potonie regte in seiner Mitthciiiuig an, die Frage zu einer definitiven Lösung zu bringen. — Iin Verfolg dieser Frage schickte der da- malige Berliner Botaniker Dr. Taubert, welcher der Sitzung des Brandenburger botanischen Vereins am 8. Januar bei gewohnt hatte, einen Ast der „Doppeltanne" mit der Bitte um nähere Bestimmung an Herrn Prof. Dr. Luerssen. Kr bezeichnete dabei die fragliche Fichte als eine durcii Stellung der Nadeln und abweichenden Habitus charak- terisirte Varietät. Zugleich bemerkte er, dass diese Fichtenvarietät auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin als Doppeltanne verkauft werde und auch den doppelten Preis der gewöhnlichen Fichten, die der Berliner als „Tannen" bezeichnet, erzielen. — Luerssen hielt dann in der nächsten Sitzung desselben Vereins am 21. Februar 1866 einen Vortrag „Ueber die Doppeltanne des Berliner Weihnachtsmarktes". Er sagt in seinem Vortrage: So- weit meine hiesigen Hilfsmittel reichen und soweit sich aus einem Zweigstücke ohne Kenntniss des Gesammt- habitus des Baumes, der Zapfen u. s. w. auf die Fichten- varietäten schlicssen lässt, möchte ich die mir übersandte „Berliner Doppeltanne" zur var. nigra London ziehen oder doch als dieser äusserst nahestehend bezeichnen. Luerssen citirt die Diagnose Loudon's und Will- komm's und bemerkt, dass er eine entsprechende Form im botanischen Garten der Eberswalder Forstakademie nicht gefunden habe, sich aber erinnere, ähnliche Formen im Walde gesehen zu haben. Er schliesst sich der ihm durch Taubert mitgetheilten Auffassung Potonie's an, dass bei der Entstehung dieser Form wesentlich Beleuchtungs- and Ernährungsverhältnisse gewirkt hätten. Das übersandte Fragment der „Doppeltanne" zeigte nach Luerssen's Beschreibung Folgendes: „Die matt roth- braun gefärbten einjährigen Zweige sammt den Nadel- kissen waren kurz, aber ziemlich dicht behaart. Die derben, bis 18 mm langen und 1,5 mm dicken, im Quer- schnitt fast quadratischen Nadeln besitzen die gleiche, mehr oder weniger säbelförmige Krümmung, wie sie bei Murray bcsw. Lawson in der Holzschnittfigur 21 entgegen- tritt. Sie sind ferner ebenso stumpf, zum Theil sogar noch stumpfer (bis am Ende einfach gerundet) als die am anderen Orte gezeichneten Nadeln und jedenfalls (wenigstens an dem mir vorliegenden Zweige) nicht stehend. Dass die Zweige in Folge der dichten Stellung und säbelförmigen Krümmung der Nadeln auf der Unter- seite Hach, auf der Oberseite bürstenförmig benadelt er- scheinen, ist charakteristisch und bringt diese Varietät in eine Stellung zur typischen Form, wie sie unter den Tannen etwa Abies Nordmanniana zur Abies pectinata zeigt. Unterdessen hat Prof. Dr. Schröter in Zürich eine Monographie über die Vielgestaltigkeit der Fichte ge- schrieben. In derselben wird unter Picea excelsa Link, hisus (oder var.?) nigra Willkomm = Abies excelsa nigra London die Dopjjcltanne des Berliner Weihnachtsmarktes nach den Mittheilungen Luerssen's beschrieben. Schröter fügt dem bei: „Ueber die Berechtigung dieser Varietät kann nur auf ürund weiterer Untersuchungen geurtheilt werden; die Beschreibung stimmt vollständig auf üppige Triebe der Normalform. Seitdem ich meinen Weihnachtsbaum in Berlin ein- kaufe, habe ich auch Gelegenheit, die „Berliner Doppel- tanne" auf dem Christbaummarkte, durch den alle freien Plätze der Stadt in einen grünen Wald verwandelt werden, in zahllosen Exemplaren zu sehen. Auch heute noch werden Fichten, auf welche die Beschreibung XV. Nr. 1(3. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 189 Luerssen's passt, als Doppeltanne feilgeboten und meine Fran hatte mich beim ersten Berliner Weilinacbten mit einer solchen grossen und sogar zapfentragenden Doppel- tanne überrascht. Ich fand allerdings den Preis für einen „Fichten-Gipfel" etwas hoch. Die Berliner Doppeltanne ist nämlich, wie ich mich leicht überzeugte, kein junges Exemplar einer Varietät oder Form, sondern nichts anderes als der Gipfel einer älteren Fichte. Bekanntlich sind die Nadeln der Coniferen je nach den Beleuchtungsverhältnissen und dem Bauraalter ganz verschieden gestaltet. Insbesondere zeigen junge Nadel- hölzer und specieil Fichten eine andere Nadelgestalt und eine andere Stellung am Zweige wie solche in der Krone älterer Bäume. Diesen Unterschied kann sich jeder be- betraehten, welcher auf dem Berliner Weihnachtsmarkte einkauft. Die jungen Fichten sind regelmässiger beastet, die Zweige stehen weit ab und das ganze Bäumchen hat eine breitere Basis, eine spitzere Krone. Die Gifeistücke sind schlanker, pyramidaler, die Aeste sind derber, we- niger abstehend. Die Nadeln der jungen „Tannenbäum- chen" sind schmal, spitz, im rhombischen Querschnitt höher wie breit, sie sind gerade und in der Hauptmenge nach zwei Seiten vom Zweige abstehend. Die Nadeln der sogenannten Doppeltannen sind sehr derb, dick, säbelig aufgekrümmt, bedecken den Zweig auch oberseits, sind mehr stumpf und im Querschnitt mehr breit wie hoch. Zuweilen hängen auch Zapfen an diesen Gipfeln. Dieser Umstand allein hätte schon zur Vermuthung, iu den „Doppeltannen" nur Gipfel älterer Bäume vor sich zu haben geführt, da ja die Fichte erst spät und haupt- sächlich in der Krone weibliche Blüthen, also auch Zapfen trägt. An jungen, auch vollständig freistehenden Fichten findet man aber niemals die charakteristische Nadelform alter Bäume. Für den Forstmann ist es vortheilhafter, die Gipfel hiebreifer Bäume zu verkaufen, als junge, zuwachsfreudige Fichten aus den Culturen zu hauen. Da letzteres ungerne geschieht und gerade die etwas frei erwachsenen Bäum- chen, welche sich nach allen Seiten hin gleichniässig ent- wickelt haben, besonders schön und gesucht sind, werden die Weihnachtsbäume einerseits vielfach gestohlen, an- dererseits den weniger forstmäunisch betriebenen, lückigen Bauernwaldungen entnommen. Die Fichteugipfel dagegen können überall im Staats- walde gerne abgegeben werden, da sie sonst ja nur als ganz geringwerthiges Reisig verwendet würden. Die Fällungen im Fichtenwalde finden mit Ausnahme des Hochgebirges, wo Sommerfällung herrscht, im Winter statt. Es liegt daher zu Weihnachten schon eine Anzahl Stämme im Walde. Die Gipfel dieser Bäume als Weihnachts- bäume verkaufen zu können, wird dem Forstmann will- kommen sein. (Allerdings sollen auch solche Gipfel schon am stehenden Baume Gegenstand des Diebstahles sein.) Nachdem nun auch der findige Berliner Verkäufer diese Gipfel als kostbare „Doppeltanne" an den Mann zu bringen weiss, kann dieser Handel nur begriisst werden. Er trägt zur Schonung der werthvollen Jungwüchse bei und vermehrt gleichzeitig die Einnahmen der Forstkasse und der Händler. lieber die Bildung der Adipinsäure aus der um 80" siedenden Naphtenfraction des russischen Petro- ! leumäthers" hat Ossiau Aschan in den Ber. Deutsch, i Chem. Ges. 32, 1769 publicirt. Bereits 1892 hat Ver- j fasser bei Untersuchungen über die niedrigeren Naphten- säuren des bakuanischeu Erdöls die Ansicht geäussert, dass diese Säuren keine Abkömmlinge der in demselben Material vorkommenden Naphtene sind, falls letztere aus- schhesslich als Hexametylenverbindungen (Cyclohexane) aufgefasst werden. Für diese Ansicht sprachen von Mar- kownikofif durchgeführte Verwandlungen der Naphtene in Benzolderivate; doch wurden die Umwandlungen bei höheren Temperaturen ausgeführt, glückten sie bei niedri- gen, dann war die Ausbeute nicht erheblich. Man musste daher annehmen, dass unter den Naphtenkohlenwasser- stofleu ausser den Cyclohexanen noch andere Polymethylen- typen wie Pentaniethylene, Tetraraethylene etc. vorhanden sind, die dann als Stammkörper für die Naphtensäuren gelten könnten. Spätere Untersuchungen verschiedener Autoren erwiesen in den Naphtenen ganz bestimmt das Vorkommen von Pentamethylenen und machten das von Hexamethylenen wahrscheinlich. Im letzten Herbst trat Bruhn dann mit der Ansicht auf, dass die Naphtene ausschliesslich Pentaniethylene seien, so dass es wünschenswerth erschien, die Frage über das Vorkommen von Hexamethylenen einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Beobachtungen nach dieser Richtung liegen schon vor; so hatte Marko wnikoff durch Oxydation des von ihm als Hexanaphten bezeichneten bei ca. 80' siedenden Kohlen Wasserstoffs CgHia mit Salpetersäure eine Säure er- halten, die er für Adipinsäure hielt. Durch die vor- liegende Arbeit wurde die Vermuthung Markownikofif's bestätigt, das Vorkommen von Hexamethylen unter den Naphtenen endgültig bewiesen. Da die Adipinsäure ein überaus schwer zugänglicher, dabei ein synhtetisch wichtiger Ausgangskörper ist (Handels- preis 5 Mk. pro 1 g) hielt Verfasser es für zweckmässig, zu gleicher Zeit eine ergiebige Methode zur Darstellung von Adipinsäure auszuarbeiten. Darstellung von Adipinsäure. Als Rohmaterial diente ein von der Firma Gebrüder Nobel in Baku bezogener Petroleumäther, die erst sieden- den Antheile der Naphta, der auf specielles Verlangen weder mit Schwefelsäure noch mit Lauge behandelt worden war. Zur Gewinnung des gewünschten Products wurde der Petroleumäther in Portionen von 5—10 Liter mit einem Dephlegmator destillirt, der Vorlauf 68—70* und der Rückstand für je 4" aufgefangen und diese Fractionen von Neuem 5—6 Mal durchfractionirt, bis sie einigermaassen constant siedeten. Aus 20 Liter der ur- sprünglichen Flüssigkeit werden so etwa 15 Liter der Fraction 78—82" erhalten. Das specifische Gewicht be- trug dj| = 0,752. Der so gewonnene Kohlenwasserstoff wird mit der zehnfachen Menge conceutrirter Salpetersäure s^ 1,42 er- hitzt. Hellen die entweichenden Gase nach etwa 50 bis 60 Stunden auf, dann wird auf V4— Vs abdestillirt und der Rückstand auf dem Wasserbade verdampft; er er- starrt zu einer weissen, krystallinischen Masse, die mit dem gleichen Volumen Wasser verrieben und nach 12 Stunden abgesaugt wird. Die Krystalle werden in 25procentigem Ammoniak gelöst, die Lösung zweimal ausgeäthert, zum Sieden erhitzt und mit conceutrirter Salzsäure bis zur sauren Reaction versetzt. Beim Erkalten krystallisirt die Adipinsäure in grossen, glanzlosen Blättern, die, aus heissem Wasser umkrystallisirt, bei 149,5" schmelzen. Die Elementaranalyse der Substanz ergab die für die Adipinsäure erforderlichen Daten; um sie weiter zu identificiren, wurde sie mittels Phosphortrichlorid in das Chlorid und dieses in das Amid, C4H8(C0 • ^E-^h ver- wandelt. Letzteres krystallisirt in kleinen, selbst in "heissem 190 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XY Wasser schwer löslieben Gebilden, die den Schmelzpunkt 222» besitzen. Die Ausbeute hängt natürlich von dem Gehalt der angewandten Fraction an Cyclohexan ab, der seinerseits von dem specifiscben Gewicht angezeigt wird. Verfasser erhielt im Allgemeinen aus 100 g Kohlenwasserstoff 1 fj rf — 0,752, 17—18 g Säure. Verwendbar ist selbstver- 15 ständlich jeder Petroleuniäther, der aus naphtenreichen Erdölen stammt, wie beispielsweise das hannoveranische und galizische Erdöl. Für die Fetrolcumraffinerieen dürl'te es lohnend sein, die Fraction 78—82" für die Adipinsäuredarstellung heraus- zudestilliren und vorräthig zu halten. Dr. A. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden : Stadtbauinspektor Friedeuiann in Mainz zum ordentlichen Professor an der teclinisclien Hoeliscliule in Braunscliweig; Dr. Goppert, Privatdocent der Mediein in Heidel- berg zum ausserordentlichen Professor; Dr. August Gramer, zam Director der Irrenanstalt in Göttingen und zum Professor der Irrenheilkunde an der dortigen Universität an Stelle des v r- storbenen Prof. Ludwig Meyer; Dr. Brüning zum Assistenten am pathologischen Institut der Universität Bonn. Berufen wurden: Dr. Bolzmann, Professor der Physik in Wien nach Leipzig; Prof. Nebel thaii, Oberarzt der medizinischen Poliklinik in Marburg nach Halle als Director der medizinischen Poliklinik au Stelle Prof. von Merings, der Director der dortigen medizinischen Klinik geworden ist; Dr. Zindler. Privatdocent der Mathematik an der Universität und an der technischen Hoch- schule zu Wien als ausserordentlicher Professor nach Innsbruck. In den Ruhestand tritt: Geh. Medizinalrath, Regiorungsrath Dr. Wiebecke, Director der Provinzial-Hebammenlehranstalt in Frankfurt a. O. Es starben: Der bekannte Mathematiker Prof. Joseph Bertrand, ständiger Sekretär der Acadömie des sciences in Paris; Dr. George Mivart, Prof. emeritus der Biologie in Löwen, ein bekannter Vertreter des Auti-Darwiuismus in London; Kapitän Scott, der letzte Ueberlebende der antarktischen JamesRoss- Expeditiou von 1843, in London. L i 1 1 e r a t u r. Konstantin Gutberiet, Der Kampf um die Seele. Vorträge über die brennenden Fragen der modernen Psychologie. Franz . Kirchheim. 501 Seiten. — Preis 7 Mk. Den Inhalt dieses Buches bilden 9 neben einander gestellte Vorträge. Sie behandeln 1. den gegenwärtigen Stand der Psycho- logie, 2. die Frage, ob die Seele Thätigkeit oder Substanz sei, 3. das Ich, 4 den psychophysischen Parallelismus, 5. den Sitz der Seele, 6. Neues und Altes über das Gefühl, 7. die psychologische Religion, 8. den Spiritismus als ein psychologisches Problem und 9. den Detel-minismus als ein materialistisches, pantheistisches Vorurtheil. Dass diese Vorträge manche lehrreiche Gedanken enthalten, -wird man von einem Gelehrten wie Gutberiet nicht anders erwarten können; jeder Leser wird aus diesen neun Vorträgen etwas zu lernen vermögen. Es sind aber mit den Vorzügen dieses Buches Mängel verbunden, welche sich einem vorurtheilsfreien Denken nicht verbergen können. Wenn Gutberiet in der thomisti- schen Scholastik den Höhepunkt wissenschaftlicher Forschung er- blickt und in Thomas von Aquino auch seinerseits den Doctor angelicus sieht, so ist das seine Sache. Wenn sich nur dieser katholisch-scholastische Standpunkt nicht allenthalben in oft un- angenehmer Weise hervordrängte und Gutberiet an einer un- befangenen Beurtheilung hinderte! Aber in sämmtlichen Aufsätzen zeigt er sich erfüllt von den Vorurtheilen der scholastischen Philosophie. Wer seine Ansicht nicht theilt, erregt seinen grössten Zorn, dem er manchmal in recht gehässiger Weise Luft macht. So haben z. B. Avenarius und seine Schule schwer zu leiden. Seine „Wortklaubereien" haben Gutberiet ein wenig das Gruseln gebracht. Warum hat aber auch Avenarius für Herrn Gutberiet nicht deutlicher geschrieben! Auch der Herausgeber der „Naturw. Wochenschrift" hat — wie wir in dem voran- gegangenen Aufsatz dieser Nummer gesehen haben — seine Zu- rechtweisung bekommen. Heymann'a lehrreiche Untersuchungen werden als Einfälle und idealistisch-monistische Ungereimtheiten bezeichnet. Männer wie Vv'undt, Paulsen und Eucken werden in einer Weise angegriffen, dass man merkt, dass ihre Schriften nicht in solcher Weise studiert sind, wie es von einem Forscher und Kritiker zu erwarten ist. Das hier gegebene Bild ihrer wissenschaftliehen Anschauungen ist zum Theil sehr ungenau. Besonders aber sollte Gutberiet in seinen Ausdrücken eine grössere Massigkeit walten lassen und seinerseits nicht so thun, als ob er die Wissenschaft gepachtet hätte! Wir gehen hier nicht im Ein- zelnen auf Gutberlet's Vorträge ein. Im Allgemeinen müssen wir bemerken, dass wir in diesem Buche eine besondere Bereicherung der Litteratur und Förderung der psychologischen Forschung nicht erblicken können. Dr. Otto Siebcrt, Fermersleben. Dr. Theodor Jaenscb, Der Zucker in seiner Bedeutung für die Volks-Ernährung. Berlin, Verlagsbuchliandlung Paul Parey, 1900. — Preis 1 Mark. Nach einigen einleitenden Abschnitten, die gewissermaassen eine kleine Ernährungslehre darstellen, geht der Verfasser in all- gemein-verständlicher Darstellung zum Haupl-Gegenstande über. Besonders ist hier u. a. die wichtige Rolle geschildert, die die thierischo Stärke (Leberstärke, Glykogen) und der Traubenzucker im Stoffwechsel und Kraftwandel des lebenden Körpers spielen; im Zusammenhange damit finden sich die Versuche des französi- schen Gelehrten Chauveau mit ihren so auffallend zu Gunsten des Zuckers sprechenden Ergebnissen erläutert. Weitere Ab- schnitte behandeln die Wirkungen des Zuckers auf die Muskel- Leistungen und die sich daraus für seine Anwendung im Heere, in der Arbeiterernährung, im Sportwesen, auf Reisen u. s. w. er- gebenden Folgerungen; der Verfasser giebt auch eine iiiti'ressaiite Anregung zu planmässigen Versuchen, bezw. zur Selli^tl I.aclitiuig hinsichtlich seines etwaigen Einflusses auf die gii-ti-' AiIm ils- fähigkeit. Aus dem eingehenden Kapitel über Nührwirth und Nährpreis (Nähr-Geldwerth) wird man u. A. mit Ueberraschung entnehmen, dass sich der Zucker heutzutage — wenn man von einem gewissen Mindestbedarf des Körpers an den sogenannten Eiweissstofl'en absieht — in Beziehung auf seine Wirkungen im Durchschnitt als etwa 43 mal so billig wie Rindfleisch, also als ein wahres Volks-Nahrungsmittel darstellt, das in dieser Beziehung sogar dem Pferdefleisch und der Milch überlegen ist. Der Zucker erweist sich nämlich in seinen physiologischen Nährwirkungen als ein Sparmittel ersten Ranges; er ist ein Fett- und Eiweiss-Sparer und ein Kräfte-Schoner des Körpers in ^einer Person. Die an- gebliche Schädlichkeit des Zuckers für die Zähne in der land- läufigen Volksmeinung, deren Grundlosigkeit schon so oft von den hervorragendsten Physiologen nachgewiesen worden ist, findet eine neue und nun wohl endgültige Widerlegung durch die vom Ver- fasser zum ersten Male mitgetheilten Versuche drj Cht'iiiikcrs Dantine. Auch die von Profesa. Jaeger aufgeworfVin- , r,l;iuiini;s- Frage". die nährwerthlosen und von dem Zucker cliiiui^cli nimz- lich verschiedenen künstlichen Süssstoffe (Theer- und llarnzucUcr), insofern sie zu Verfälschungen u. dergl. — z. B. in der Bier- brauerei — dienen, finden Erörterung. Ein Anhang behandelt die inneren und äusseren Heilwirkungen des Zuckers, die neuerdings grossentheils in unverdiente Vergessenheit gerathen zu sein scheinen, obwohl ihn noch Hufeland in seiner „Makrobiotik" als „eines der ersten Stücke in unserer Haus-Apotheke' bezeichnete. Dr. Adolf Pahde, Oberlehrer am Realgymnasium zu Krefeld, Erdkunde für höhere Lehranstalten. 1. Theil: Unterstufe, Mit 16 VoUbildeiTi und 14 Abbild, im Text. Carl Flemming in Glogiiu, 1899. - Preis 1,80 Mark. In dem Buch ist Verfasser in Einzelheiten methodisch vor- gegangen, also von der strengen Systematik abgewich^^n uad hat ferner „den alten Telegrammstil" vermieden. Trefl'liche Copieen von IG der bekannten Hölzel'schen geographischen Charakter- bilder gereichen dem Buche zur besonderen Zierde: Verfasser hat sie gebracht, weil er es für wesentlich hält, „dass die Illustra- tionen des Schulbuches den in der Classe befindlichen — und nicht überall benutzten — Wandbildern gleiche". Prof. Dr. Karl Fritsch, Schulflora für die österreichischen Sudeten- und Alpenländer (mit Anschluss des Küstenlandes). Schulausgabe der „Excursionsflora für Oesterreich". Verlag von Carl Gerold's Sohn in Wien 1900. — Prei 3,60 Mark. Das handliche Taschenbüchlein wird der Florist in den österreichischen Sudeten- und Alpenländern nicht versäumen mit- zunehmen, sei es zur Auffrischung des Gedächtnisses, sei es um eine entgegentretende Pteridophyte oder Phanerogame bestimmen zu können; es wird daher ganz gewiss nicht auf die Schule, für die es zunächst geschrieben ist, beschränkt bleiben. XV. Nr. 1(>. NaturwissPiischaftliehe Wochenschrift. 191 ihrer Peter Münch, Lehrbuch der Physik. 11. Aufl., nach den Lehrplänen von 1892 in 2 Theilen beHrbeitet von Obei Dr. H. Lüdtke. I, Theil. Vorbereitender Lehrgang. Mit einem Anhange: Von den chemischen Ei-scheinungen. Mit 209 Abbild. Herder'scho Verlagsbuchhandlung, Freiburg im Breisgau 1900 - Preis 1,80 Mark. Der Titel ist so ausführlich, dass kaum über die Absichten des Buches für den Referenten noch etwas zu sagen übrig bleibt. Der vorliegende erste Theil ist ein beträchtlicher Auszug aus dem alten Lehrbuch mit Weglassung der mathematischen Entwicke- lungen, jedoch sind natürlich Veränderungen nöthig gewesen; auch in pädagogischer Hinsicht hat Verfasser geändert, indem er den Grundsatz von Münch, dass das Gesetz dem Versuch voTan- gehen müsse, nicht aufrecht erhalten hat. Prof. Dr. C. Mach, Die Principien der Wärmelehre. Historisch- kritisch entwickelt. Mit 105 Figuren und G Porträts. 2. Aufl. Johann Ambrosius Barth in Leipzig, 1901). — Preis 10 Mark. Eine zweite Auflage des trefflichen Mach'schen Buches, das erst 1896 zum ersten Mal erschienen war! (Vergl. Naturw. Wochenschr. 1897 S. 275.) Eine durchgreifende Neubearbeitung, sagt Verfasser, wird man nach so kurzer Zeit nicht erwarten; er macht jedoch in dem Vorwort zur 2. Auflage auf ein Werk J. B. Stallo's „The eoncepts of modern physics" aufmerksam, das er seinen Lesern als ein aufklärendes, gehaltvolles Buch an- gelegentlichst empfiehlt, weil auch dieser Autor wie Mach sich bemüht, aus der Wii :'haft die latenten metaphysischen Elemente auszuschalten. Maeh's Buch über die Wärmelehre strebt wie sein Buch „Die Mechanik in ihrer P]ntwickelung" nach „erkenntniss-kritischer Aufklärung der Grundlagen" wie in dem letzteren der Mechanik ^o in ersterem der Wärmelehre. Dabei ergiebt sich die Entfernung müssiger und überflüssiger Vorstellungen ausser der schon er- wähnten Beseitigung unberechtigter metaphysischer Ansichten. Besonders ans Herz derjenigen Naturforscher legen, die ihren Be- ruf aus philosophischen Neigungen ergriffen haben, möchten wir die Schlusskapitel des Buches, welche allgemeineren und abstract erkenntniss-theoretischen Inhaltes sind. A. Wüllner, Lehrbuch der Experimentalphysik. .5. Auflage, ly. Band. Die Lehre von der Strahlung. 2. Halbband. Mit 152 in den Text gedruckten Abbildungen und Figuren und 3 lithographischen Tafeln. Leipzig 1899. B. G. Teubner. WüUner's Experimentalphysik ist seit einer langen Reihe von Jahren bereits bei der studirenden Jugend wegen seiner klaren Darstellungsweise und des tiefen Eindringens in theoreti- sche Betrachtungen sehr beliebt. Es ist daher dankbar zu be- grüssen, dass der Verfasser das Buch durch wiederholte neue Be- arbeitungen auf der Höhe des wissenschaftlichen Fortschritts zu erhalten weiss. Wie gross die hierbei geleistete Arbeit ist, wird schon aus der Angabe erhellen, dass die Optik in der neuesten Auflage anstatt 111 Paragraphen deren 141 zählt. Es wäre zu weitläufig, hier die vielen, neu hinzugekommenen Kapitel im Ein- zelnen aufzuführen; sie fügen sich nach Darstellungsart und Um- fang den älteren Theilen des Werkes harmonisch ein. Die an- gewandte Optik, im besonderen also die Lehre von der Construc- tion der optischen Instrumente, hat Verfasser auch in der neuen Auflage von der Behandlung in seinem rein physikalischen Lehr- buche ausgeschlossen. — Als bedauerlich müssen wir es bezeichnen, dass die auf Tafel II und III reproducirten Kirchhoff'scht^n Zeich- nungen des Sonnensj'stems noch mit der alten, willkürlichen Skala versehen sind, die doch längst durch die Angabe der Wellenlängen hätte ersetzt werden sollen. Aiich würde es sich empfehlen, den Figuren der Tafel I eine erläuternde Unterschrift zu geben oder wenigstens auf die Stelle des Buches, an der Er- läuterungen zu finden sind, hinzuweisen. Die zahlreichen litte- rarischen Quellenangaben würden wesentlich werthvoUer sein, wenn ihnen durchweg die Jahreszahl der betreffenden Publication beigefügt worden wäre. F. Kbr. Die Fortschritte der Physik im Jahre 1898, dargestellt von der physikalischen Gesellschaft zu Berlin. 54. Jahrgang. 1. Abth . Physik der Materie, redigirt von R. Börnstein. — Preis 26 Mark. 2. Abth. Physik des Aethers, redigirt von R. Börnstein. — Preis öi Mark. Braunschweig, F. Vieweg und Sohn. 1899. Der neueste Jahresbericht über die Fortschritte der Physik bietet wiederum neben der sehr vollständigen, besonders auch die ausländische Litteratur berücksichtigenden üebersicht über die im Berichtsjahre erschienenen Publicationen eine Anzahl werthvoUer Tabellen über die neuesten Beobachtungsergebnisse. So finden wir die von der Commission zur Festsetzung der Atomgewichte veröffentlichte, neueste Atomgewichtstabelle abgedruckt, ferner Entflammbarkeitstabellen für verschiedene Dämpfe, Tabellen über Dissociation organischer Säuren, specifische Wärmen und Mineral- härten. Schwerebestimmungen an verschiedenen Orten u. a. ni. Einen breiten Raum von fast 200 Seiten nimmt die physi- kalische Chemie ein. In der Mechanik hat das Flugproblem noch immer das Interesse zahlreicher Forscher gefesselt, die Akustik weiss von einer Reihe wissenschaftlicher Verwerthungen des Phonographen zu berichten, hervorragend wichtige Entdeckungen waren aber besonders der Spectralanalyse beschieden, sodass der Bericht über die Untersuchungen der neuen Gase der Luft, sowie über den Einfluss des Druckes und des Magnetismus auf die Lage der Spectrallinien einen beträchtlichen Umfang annahm. Bei weitem die bedeutendste Arbeitsleistung der heutigen Physiker vollzieht sich aber noch immer auf dem Gebiete der Elektricität und des Magnetismus. Mehr als ein halbes Tausend Druckseiten mussten daher in der zweiten Abtheilung des Werkes diesem Forschungszweige gewidmet werden; die ausserordentliche Reich- haltigkeit der hier vorliegenden Ergebnisse, die sich zum grossen Theil auf Detailarbeit beziehen, verbietet es, einzelne derselben hier besonders hervorzuheben. F. Kbr. Dr. J. Soheiner, ausserordentlicher Professor der Astrophysik an der Universität Berlin, Observator am Kgl. Astrophysikalischen Observatorium zu Potsdam. Strahlvmgr und Temperatur der Sonne. Leipzig, Wilhelm Engelmann. 1899. — Frei 2,40 Mark. Vorliegende, 99 Seiten starke Monographie muss als eine musterhafte bezeichnet werden. Das behandelte Thema ist nach allen Richtungen hin in scharfsinniger, klarer Weise bearbeitet worden, und die reichhaltige vorliegende Litteratur darüber so gründlich und vollständig, als es nur möglich ist, durchgearbeitet und nebst allen einschlägigen Beobachtungen und Berechnungen citirt worden. Die Auseinandersetzungen sind kurz, trefi'end und leichtverständlich ; kurze mathematische Ausführungen sind reich- lich eingestreut — doch kommt bei der Lektüre auch der auf seine Rechnung, der nach mathematischen Formeln nicht verlangt. Die übersichtliche Kapitel-Einleitung, giebt am besten ein Bild von der gründlichen, allseitigen Behandlung des Stoffes: Die Absorption in der Erdatmosphäre. — Die Lichtstrahlung der Sonne. — Die Wärmestrahlung der Sonne. — Indirecte Methoden zur Bestimmung der Sonnentemperatur. — Periodische Aenderungen der Sonnentemperatur. — Die Sonnenstrahlung chemischer Wirk- samkeit. — Die electrodynamische Strahlung der Sonne. — An- hang: Der Durchmesser der Sonne. H. O. Fort und O. Schlömilch, Lehrbuch der analytischen Geo- metrie. Zweiter Theil: Analytische Geometrie des Raumes, von <>. Schlömilch. Sechste Auflage. Bear- beitet von R. Heger. VIII und 338 Seiten, 85. Mit in den Text gedruckten Holzschnitten. Verlag von B. G. Teubner, Leipzig. 1898. — Preis 5 Mark. Die analytische Geometrie der Ebene des zu besprechenden Werkes erschien 1893 in sechster Auflage und ist in der Naturw. Wochenschrift IX S. 455 angezeigt worden. Bei dieser Gelegen- heit sind die Vorzüge des ganzen Lehrbuches der analytischen Geometrie ausführlich gekennzeichnet worden, von denen nur die klare Darstellung und die gute Disponirung hier nochmals er- wähnt werde. Die Aenderungen, welche bei der gegenwärtigen Auflage der analytischen Geometrie des Raumes Platz gegriffen haben, erscheinen uns durchweg zweckmässig. Das Fort- Schlömilch'sche Lehrbuch der analytischen Geometrie wird daher nicht nur sich weiterhin bei seinen alten Freunden in Gunst erhalten, sondern sich auch neue Freunde gewinnen. G. Hach, Prof. Dr. E., Die Principien der Wärmelehre. Leipzig. -- 11 Mark. Möbius, M., Der japanische Lackbaum, Rhus vernicifera DC. Frankfurt a. M. i Mark. Inhalt: Adolf Hnatek: Die Leoniden des Jahres 1899. — Zur Frage nach der Entstehung der Denkformen. — Ueber die Doppeltanne des Berliner Weihnachtsmarktes. — Ueber die Bildung der Adipinsäure aus der um 80° siedenden Naphtenfraction des russischen Petroleumäthers. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Konstantin Gutberiet, Der Kampf um die Seele. — Dr. Theodor Jaensch, Der Zucker in seiner Bedeutung für die Volks-Ernährung. — Dr. Adolf Pahde, Erdkunde für höhere Lehranstalten. — Prof. Dr. Karl Fritsoh, Schulflora für die österreichischen Sudeten- und Alpenländer. — Prof. Dr. C. Mach, Die Principien der Wärmelehre. — A. Wüllner, Lehrbuch der Experimentalphysik. — Die Fortschritte der Physik im Jahre 1898. — Dr. J. Scheiner, Strahlung und Temperatur der Sonne. — O. Fort und Schlömilch, Lehrbuch der analytischen Geometrie. — Liste. 192 Naturwissenschaftliche Wochenschifift. XV. Nr. 16. Herdersche Verlag-sliaudluug', Freiburg- i. Br. Soeben ist erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Babylonische Mondrechnüng, Zwei Systeme der Chaldäer über den Lauf des Mondes und der Sonne. Aut'Grund mehrerer vouJ.N. Strassmaier 8. J. copirten Keilinscbriften des britischen Museums von Franz Xaver Kiigler S. J. Mit einem Anhang über chalJäische Planetentafeln. Lex.-S». (XVI u. 214 S. u. 13 Tafeln.) M. 24. : Dr. Robert Muencke t t Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. t ^ Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate # ♦ und Geräthachaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. ♦ «♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Ferd. Düminlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Die Charakteristik der Tonarten. Historisch, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. voD Richard Hennig. 130 Seiten Octav. — Preis 2,40 Mark. Gratis >> > franko liefern wir den 3. Nachtrag (Juli 1897 bis Juni 1S99) zu unserem Verlagskatalog. Ferd. Dümmlers Verlagsbnchh., BerUn SW. V2, Zii Botanisir- Büchsen,- Spaten und Stöcke Lupen, Pflanzenpressen, Drahteiitterpressen M. 2,25 und M. .''.— zum Umhängen M. 4,50. mit Dnickfedern M. 4,M. - Botanische Lupen 70, lUO, 130 Pfg. 111. Preisverzeichniss frei. Frietlr. Gaiizenmüller r Dr. Wasserstoff Sauerstoff. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. I DIiaIa^^'^p'^^^'^^® Apparate rUUlU u. Bedarisartikel. Steckelmann's Pateiit-Klappcamera mit Spiegel-Reflex „Victoria" ist die einzige Klappcamera, welche Spiegel- Beflex uud keine Metall- oder Holzspreizen (wackelig) hat. 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Die systematische Zugehörigkeit der versteinerten Hölzer (vom Typus Araucarioxylon) in den palaeo- litischen Formationen von Dr. H. Potonie. Mit 1 Tafel. 8. lieber die wichtigen Funktionen der Wanderzellen im thierjschen Körper von Dr. E. Korscheit. 9. lieber die Meeresprovinzen der Vorzeit von Dr. F. l'icili. .Mit Aliliililiingen und Karten. 10. Ueber Laubfärbungen v(ui L. Kny. Mit 7 Holz- .schnitten. 11. lieber das Causalitätsprincip der Naturerschei- nungen mit Bezugnahme auf du Bois-Reymonds Rede: „Die sieben Welträthsel" von Dr. Eugen Drehe-. 12. Das Räthsel des Hypnotismus und seine Lösung Non Dr. Karl Friedr. Jordan. lo. Die pflanzengeographische Anlage im Kgl. bota- nischen Garten zu Berlin von Dr. H. Potonie. Mit ■-' Tafeln. 14. Untersuchungen über das Ranzigwerden der Fette von Dr. Ed. Ritsert. 15. Die Urvlerfüssler (Eotetrapoda) des sächsischen Rothliegenden von Prof Dr. Hermann Credner in Leipzig. Mit vielen Abbilduntren. lU. Das Sturmwarnungswesen an den Deutschen Küsten von Prof Dr. W. J. van Bebber. Mit : Tafel und 5 Holzschnitten. 17. Kalisalzlagervon Otto Lang. Mit 4 Abbildungen. 18. Die Metamorphose der Pflanzen im Lichte palae- ontologischer Thatsachen von Dr. H. Potonie. Mit 14 Figuren. 19. Pflanzenphysiologische Experimente im Winter von F. .Schh'ichi'rt. Die naturwissenschaftliche Culturlehre von L. Proben ins. Die morphologische Herkunft des pflanzlichen Blattes und der Blattarten von H. Potonie. Mit 20, Abi Versuch eines Ueberblicks über die Vegetation der Diluvialzeit in den mittleren Regionen Europas von Dr. U. A. Webrr. Die Mathematik der Oceanier von L. Frobenius. Die Schilde der Oceanier von L. Frolienius. Mit 19 AbbihUingen. Die Lebewesen im Denken des 19. Jahrhunderts von II. Pot.uiie. Mit 11 BiUlni.«en. Preis: Heft 1—4 a 50 Pf.. Heft 5-U a 1 M, Heft 12 ä 1,20 M., Heft 13—25 ä 1 M. Verantwortlicher Redacteur Hugo Bernstein in Berlin. - Dr. Henry Potonie, Gr. Liehterfelde (P.-B.) bei Berlin, Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. L' af), für den Inseratentlit G. Bernstein, Berlin SW '"^-^-^"" Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düuxmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. Sonntag, den 29. April 1900. Nr. 17. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Aufträge eut- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinliunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständiger <(nellenangabe g;estattet. Zur Psychologie der Einzelligen. Eine kritische Studie von Dr. S. Prowazek. Die moderne vergleichende Psyeliologie lenkte ihr Augenmerk früli/citig auch dem Studium der Thierwelt /u und bereicherte in diesem Sinne in kurzer Zeit die Litteratur mit vielen diesbezüglichen werthvollen Arbeiten, es sei mir auf die Schriften von VVundt, Romanes, Körner, Vignoli, Houzlau, Morgan, Flügel, Strümpell, Flourens, Espiuac, Lubbock, Dahl, Gross u. A. — der alten Werke von Bonet, Schullin u. A. gar nicht zu gedenken — hingewiesen; von be- sonderem Interesse erschien aus leicht erklärlichen Gründen auch in diesem Sinne eine Untersuchung der Protistenwelt, und thatsächlich finden sich bald allerdings nur gelegentliche Angaben in den Specialschriften zahl- reicher Mikrographen, die in erster Linie Vervvorn in seinem Werke „Psyehojjhysiologische Protisteustudien". Experimentelle Untersuchungen, Jeua 1889 in übersicht- licher Weise zusammengestellt hat, so dass auf die be- treffenden Citate hier nur hingewiesen werden soll; ausser dieser eben genannten Schrift Verworn's erschien in Halle 1892 eine Uebersetzung der 2. Auflage von A. Binet's La vie psychique des Microorganismes, die Dr. W. Medicus besorgte, sowie eine mii- leider nicht zugänglich gewesene Schrift von Jules Joury: La Psychologie Physiologique des Protozoaires in der Revue Philos. 1891. Die hierbei angewandte Methode war die durch Schlüsse am Analogiewege, indem man von der Annahme ausging, dass uns unsere subjeetiven Zustände in erster Linie gleichwie ihre objectivenAeusserungen bekanntsind, dass wir ferner die diesbezüglichen objectiven Aeusserungen einer Mikroorganismengruppe am Wege der reinen Beobachtung gewinnen können und so schliesslich im Stande sind, auch die letzte Grösse dieser Proportion, die psychischen Zustände der Protisten, oder um uns eines kurzen Aus- drucks von Huxley zu bedienen — die Psychosis zu er- Verworu gab als ein besonderes Kriterium des Psychischen die Bewegung au und. verfeinerte die Methode noch insofern, als er zu dem Untersuchungs- mittel der reinen Beobachtung noch die Methode der Untersuchung des Verhaltens unter künstlich gegebenen Bedingungen und die des operativen Eingriffs in den lebenden Organismen gesellte. Die erstgenannte allgemeine Methode leidet aber unter dem Mangel, dass sie von der Ansicht ausgeht, als ob die subjeetiven Zustände uns am nächsten stünden und uns am besten bekannt wären, wogegen uns nur eine „Metaphysik der Seele" bekannt zu sein scheint, nicht aber die eigentlichen Elemente der Psychosis." Erst jetzt scheint man endlich zu der Einsicht zu kommen, dass unsere „Seele" etwas viel Räthselhafteres und Complicirteres ist, als man bisher annahm, und so viel- fach die wissenschaftlichen Gedankenwege der Pbrenö- logen wandelte, indem man eben bestimmte eindeutige Gebilde von elementarer Natur vor sich zu haben ver- meinte, während sie sich als viel complicirter erweisen — ein Fehler, in dem auch die Positivsten des Straf- rechtes der italienischen Schule allen aber voran Sam- broso verfielen. Die moderne Lehre von den „Gestalt- qualitäten" von Ehrenfels und die von fundirten Inhalten von Meinong wird wohl weiter verfolgt und ausgebaut den „Seeleubegriff" wesentlich umgestalten und seine viel zusammengesetztere Natur theilweise enthüllen*), wenn auch das eigentlich Psychischindividuelle in seiner ganzen Mannigfaltigkeit einer Erschliessung immer spotten wird. Das Wesen kann eben nicht zugleich Subject und Object sein, und andererseits kann ein blosses Erleben eines innerlichen Zustandes noch immer nicht ein Gegenstand *) Vergl. bezüglich der „Geschwindigkeit" die Abhandlung von Höfler „Die abgeleiteten physikalischen Grössen und ihre Dimensionen". Zeitschr. f. physik. u. ehem. Unterricht. 12. .lahrg. I. Heft, 1899. 194 iS^aturwissenschaftliclie Wochenschrift. XV. Nr. 17. einer wissenschaftlichen Ausbeute sein, wogegen wiederum die indirecte Wahrnehmung so viele reflective verworrene metaphysische Momente in das Wesen des Ganzen hinein- bringt, dass es fürwahr nicht wunderlich erscheint, wenn gerade ein Positivist wie Aug. Comte, dann Maudsley und Brentano denWerth einer Selbstbeobachtung gänzlich negirten — doch kann ihrer aus leicht absehbaren Gründen die Psychologie niemals ganz entbeliren, wenn sie gleich- zeitig mit ihrer Anwendung den Charakter des streng Exacten einbüsst. Die Annahme von einer gleichsam grösseren „Nähe" und Vertrautheit des Psychischen bildet einen Irrthum vieler modernen Philosophen] das Psychische, wie wir es uns denken, ist aber eben eine derartige Hilfsgrösse, ein heuristisches Moment gleich dem der Atome zum Zwecke einer Harmonisirung der Thatsachen- raannigfaltigkeit; eine Aufstellung entspringt einem ästhe- tisch wissenschaftlichen BedUrfniss. Das Psychische kann nicht etwas Primäres sein, weil es als solches erst zu einem qualitätenführenden Element durch das Materielle, da es gleichzeitig determinirt werden kann — es wird erst dann zu etwas „Primärem" und das Materielle, an sich ein X, erst erschlossen, sofern man in dem „Ding an sich" Wahn begriffen ist und sich auf der Substanz- jagd beöndet. Alle weiteren Annahmen einer Concrescenz dem Entstehen des Parallelprocesses der Psychosis und Neurosis die Identitätsconstructionen, sind nichts anderes als unfruchtbare metaphysische Gedankenspiele und Pro- blemstellungen, die man Renan zufolge am besten löst, indem man sie nicht löst. Wenn man eine solche Proportion der Methodik auf- stellt, so setzt man auch stillschweigend voraus, dass man schon die Möglichkeit einer Proportion annimmt und die Voraussetzung macht, dass in der Bewegung der Protisten thatsächlich schon eine objective Aeusserung der Psyche vorliegt, was noch keineswegs der Fall sein muss und was man auch erst untersuchen will. Aber auch von einem andern Standpunkte erscheint es höchst gewagt, psychische Erscheinungen, die man in der bekannten Weise an sich „beobachtet" und „er- schlossen" hat, auf so ganz anders organisirte Thiere auch nur per Analogien zu übertragen; denn die Ciliatenzelle ist morpliologisch genommen ganz anders beschaffen, als jede andere Zelle, die die Metazoen zusammensetzt, bei denen sich in Folge der Arbeitstheilung die Organi- sation der jedesmaligen Zellen gleichsam in einer Rich- tung bewegt. Die Protistenzelle ist nicht einfacher, sondern gerade viel complicirter gebaut, und in ihr vollzieht sich auch der Stoffwechsel schneller und in ab- geänderter Art; am wenigsten könnte man die Ciliaten noch in dem Sinne in Betracht ziehen, denn sie sind wegen ihrer 2 Kernarten eigentliche Heteroplastiden, die ein Cytostom, Myophanbildungeu u. A. m. besitzen und höchst complicirte Leistungen ausführen. Am ehesten wären noch gewisse Flagellatengruppen zu berücksichtigen, die den polar difterenzirten Zellen mancher Metazoen bis zu einem gewissen Grade entsprechen und auch von an- deren Gesichtspunkten aus von hoher phylogenetischer Be- deutung sind. I. Am wenigsten darf man die Functionen, die mit unserer Sehvorstellung im Znsammenhang stehen, auf so niedere Thiere ohne Weiteres übertragen, wie dies von Seite älterer Protozoenforscher und zum Theil auch von Binet geschah und so sich den Vorwurf des Anthropo- morphismus zuziehen. Unsere lehvorstellung ist einerseits gewonnen aus der hohen Differenzirung einzelner Sinnes- organe wie vornehmlich des Getastes und Gesichts und insbesondere weiter auf Grund unseres Tastsinnes aus- gebaut, ohne dessen Existenz sich der Mensch als der Inhalt seiner Empfindung seihst halten würde anderer- seits ist sie zurückzuführen auf die Wiederkehr gewisser Inhalte, die der Mensch erkennend eine Art von Spaltung in seiner allgemeinen Vorstelluugmasse durchführt und sich selbst erfasst — Vignoli meinte mit Recht, dass die weitere Entwickeinng durch eine Art Selbstentzweiung, Verdoppelung in Ich und Aussenwelt vor sich geht. Schliesslich war bei der „Ichbildung" im hohen Grade die (jrganprojection in der Art der Werkzeugeschaffung, sowie bei den Naturvölkern der Traum und endlich die Sprache thätig. Man ersieht, dass es zahlreiche Momente, die im Laufe langer Zeitepochen sich entwickelten, waren und dass bei niederen Thieren von etwas derartigem kaum die Rudimente vorhanden sein dürften. II. Man trat der Annahme zufolge, dass ein jedes Atom eine Art von Psyche besitzt, auch eine solche in höher entwickelter Form den Protisten zuzuschreiben ver- sucht und nahm eine Zellseele an; schon Treviranus definirte den Punkt als eine Empfindung des kleinsten organischen Elementes, und Haeckel glaubt annehmen zu müssen, „dass die Zellseele das Fundament der em- pirischen Psychologie, selbst wieder zusammengesetzt ist, nämlich das Gesammtresultat aus den psychischen Thätig- keiten der Protoplasma-Moleküle, die wir kurz Plastidule nennen. Die Plastidulseele wäre demnach der letztere Factor des organischen Seelenlebens"; auch er acceptirt aber noch eine Atomseele. Rindfleisch schreibt in seiner „AerztHchen Philosophie" 1888: „Für's zweite be- tonte Virchow bei aller Anerkennung des Mechanismus auch in der lebenden Natur eine gewisse „Autonomie der Zelle", vermöge deren sie z. B. bei der Nahrungsauf- nahme wählt, was ihr dienlich und verschmäht, was ihr schädlich ist. Dieser Zell will e wird allerdings durch das Bedürfniss des Gesammtorganismus geregelt und ein- geschränkt, immerhin schliesst er als letzte Consequenz die persönliche Freiheit ein, welche der starre Materialis- mus niemals zugeben kann" etc. Die Idee von einer Atomseele ist alt und tauchte vielfach in jedesmal ver- änderter Gestalt im Mittelalter und seit Leibnitz auf und erfuhr besonders im vorigen Jahrhundert eine besondeie Ausgestaltung. Auch Buffon nahm an, dass die Or- ganismen aus lebenden Molekülen aufgebaut sind, und Robinet stattete ein jedes Stofflheilchen mit Empfindung aus. Mau nimmt eben zu oft, da man nicht alles mecha- nisch erklären kann — wiewohl das Gelingen eines solchen Versuches a priori unwahrscheinlich ist, da die Mechanik nur ein unbedeutender Ausschnitt aus der Erscheinungsmannigfaltigkeit ist und nur den Vorzug ehr- würdigen Alters besitzt — zu psychischen Momenten die Zuflucht, als ob belebte Atome sich nicht gerade so be- wegen und aggregiren müssten als unbelebte, sofern man nicht ein Wunder der Einwirkung des Psychischen auf das Physische anzunehmen geneigt ist. Die angedeutete Anschauung muss vielfach auch zu der unbeweisbaren ja widerspruchsvollen Annahme von unbe wussten psychi- schen Erscheinungen ihre Zuflucht nehmen. Ferner: wie concrescirt etwas so rein Intensives wie das Psychische mit dem räumlich ausgedehnten Atom, was heisst das, „das Atom hat eine Psyche" wie ist dies haben zu verstehen, sind 2 Existentiale auf einem Ort, durchdringen sie sich, dabei doch ihre Selbstständig- keit bewahrend, oder wie sonst? wie erheben sich diese durch leere Räume getrennten Atomseelen später zu einer Einheit des Bewusstseins, die doch alle nach verschiedenen Richtungen und Zielen gleichsam streben, was ist ihr psychischer Inhalt, da sie absolut getrennt im leeren Räume schweben, und wie können sie dann zu einer eigenen Einheit in simultaner und successiver Beziehung sich erheben — ja es ist nicht mehr als ein Wortspiel, etwas, wenn auch nur entfernt unserer Psyche Analoges, XV. Nr. 11 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 195 an die Feuer- und Gewaltvorgänge des Allorganischen linüpfen zu wollen? Die Psyche erscheint uns nur an die morphologische Formgestaltung geknüpft zu sein, und wir dürfen sie nieiit an die widerspruchsvolle Einheit, das Atom, fesseln. — Trotz all der principiellen Schwierigkeiten und ihrer geringen Fruchtharkeit im Sinne der Erklärung Hesse sieh die besagte Annahme immerhin unter dem Gesichtspunkte des l'arallelprocesses consequent durchführen; viel weiter aber geht man, sobald man das Psychische aus dem Physischen heraus zu construiren sich bemüht und die Psychologie der Physiologie einfacher unterstellt, wogegen diese die objective, jene die subjective Seite, diese die dynamischen Systeme vom energetischen Standpunkt, jene die Phänomene des Bewnsstseins und ihre Formen einzig und allein folgerichtig untersuchen kann. Im Sinne einer derartigen Metaphysik klingt Verworn's Alternative, ent- weder sind jene "psychischen Processe im Protistenreich — — — identisch mit den molekularen Vorgängen im Protoplasma oder es ist bei den Protisten überhaupt noch keine Psyche vorhanden" aus, und noch deutlicher erhellt dies aus dem Satze S. 204, so muss man in Hin- sicht auf die bisherigen Ergebnisse unserer Untersuchung sagen, dass die primitivsten psychischen Vorgänge molekulare Processe in den Protoplasma-Elementartheil- chcn sind." III. Mehrfach — auch von Seite der Psychologen — wollte man den niederen Thieren nicht eine bewusste Seele zuschreiben, und man construirte sieh den vielfach brauchbaren Begriff der unbewussten psychischen Processe; doch bei genauerer Analyse stellt sich alsbald heraus, dass man mit einem unbewussten Bewusstsein nicht viel anfangen kann, ja dass es im Grunde genommen unver- stcllbar ist. Sobald etwas Gegenstand des Bewnsstseins ist, „ist" es in Bezng auf ein piäsentatives Moment, wenn auch noch so verdunkelt, in Folge des Ueberv.-iegens an- derer Processe — fehlt dies, so ist es überhaupt nicht bcwusst und nicht unbewusst, wo man vom letzteren spriclit, denkt man doch nur an blosse Nerven- und Plasma- erregungen, die momentan von keinem snbjectiven Phä- nomen begleitet sind, aber unter günstiger Bedingung gleich in die Sphäre des Psychischen gehoben werden können; die einzelnen Bewusstseinszustände sind in Folge ihrer inneren Spannung, dem Gedächtniss bis zu einem gewissen Grade inlamittirend, der vitale Vor- gang aber continuirlich, ohne dass er immer von einer psychischen Parallelcrscheinung begleitet wäre. IV. Als ein besonderes Criterium des Psychischen wurde die Bewegung angegeben; in diesem Sinne sprach sich schon Christian August Crusius aus. Perty wies darauf hin, dass wir in den Infusorien subjectives Gefühl, Willen, Seele zu sehen glauben, wenn sie die für ihre Idee und Lebensstufe nöthigen Bewegungen machen, wenn sie Angst bei der Abnahme des Wassers, schmerz- hafte Zusammenziehungen im Tode zeigen. Wundt geht noch weiter und nimmt an, dass die bewegte Substanz zugleich Trägerin des psychischen Eleraentarphänomens des Triebes ist, in ihm liegt auch die Beziehung zu der physischen Elementarerscheinung — zur Bewegung. Jede Bewegung kann vom psycho- logischen Standpunkt als Triebäusserung aufgefasst werden. In dem Atom ist die elementarste Triebform vorgebildet; eine Art Triebanlage. Die Bewegung kann aber vom energetischen Standpunkt stets nur als eine Aenderung im Ortsspeciessystem in Folge einer äusseren Kraft, die einer Verhältnisssetzung zugänglich ist, aufgefasst werden, die Ursache muss ausserhalb des Bewegten gelegten sein, und man darf sie nie aus solchen dunkelen Momenten wie einer Triebäusserung, die doch ein Atom zielsetzender Richtung in sich anticipirt verbirgt, zu erklären trachten. Die besagte Anschauung entspringt eben dem Bestreben, alles auf eine Gruudfunction des Willens und Triebes zurückzuführen, wobei oft der ursprüngliche Begriff" sich als wenig ausreichend und zu enge erweist, und so mannigfach neue Momente in ihn hineingetragen werden müssen, ein Vorgang, dessen sich auch Wähle u. A. mit ihren Grundfunctionen schuldig gemacht haben. Ist ferner nicht der „Trieb" eine dunkle, wenig analysirte, höhere Regung und entspringt nicht die ganze Problemstellung der Annahme, dass wir eben im Willen und Triebäusse- rung etwa die Causation direct spüren und wahrnehmen, eine Annahme, die trotz Hume's „Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand", immer wieder gemacht wird. V. Verworn stellt besonderen Reizbewegungen die spontanen Bewegungen der Protisten gegenüber. Doch er meint selbst, dass es nicht leicht ist, von einer Be- wegung zu entscheiden, ob sie wirklich spontan oder ob ihre Veranlassung in einem nicht wahrnehmbaren Reize liegt (S. 28); allerdings schreibt er auf S. 33, dass ja nichts leichter ist, als spontane Bewegungen bei Pro- tisten zu beobachten, auch könnte später einmal die eine oder die andere von den spontanen Bewegungen als eine Reizbewegung erkannt werden, doch ist damit immer noch nicht die Existenz wirklicher spontaner Bewegungen in Frage gestellt. Auch auf S. 58 scheint er wieder mehr feine Reize annehmen zu wollen. „Von vornhinein ist man zwar nicht berechtigt, aus der Thatsache, dass keine Lichtwirkung wahrnehmbar ist, den Schluss zu ziehen, dass überhaupt jede Wirkung fehlt. Es könnte ja eine Wirkung des Lichts geben, die sich unserer Wahrnehmung auch bei den schärfsten Mitteln, mit denen wir unsere Sinne unterstützen, entzieht". — Spontan soll die Bewegung der Bacterien, das Abwechseln in der Bewegung dieser sowie das Umhertasten der Geissein der Euglena, Aslasia, Peranema etc. sein. Wirken aber hier vielleicht doch nicht feine Strömchen im Wasser, auf die Sachs in „Ueber Emulsionsfiguren und Gruppirung der Schwärmsporen im Wasser" Flora 1876, 17 aufmerksam gemacht hat, sind nicht Spannungsänderung und Druekverschiedenheiten von Seite der Detritustheilchen im Spiele, oder offenbart sich in der ersten Art von Be- wegungsänderung eine noch nicht erforschte bis zu einem gewissen Grade regelmässig Aenderung in der Rhythmik des plasmatischen Zerfalles? Kassowitz meint in seiner interessanten Allgemeinen Biologie, I. Bd, 1899, S. 274 bis 275, dass man zur Erklärung der sogenannten „spon- tanen" Bewegung noch folgende Momente heranziehen müsse: 1. in jedem Tropfen wird durch die Lebensthätig- keit eines jeden Organismus eine ungleiche Vertheilung des Sauerstoffs in der Flüssigkeit bewirkt, was eine Aende- rung der Schwimmrichtung nach sich zieht, 2. Unterschiede in der Intensität der Belichtung, 3. Teraperaturdifferenzen, die sonst in den einzelnen Regionen des Mediums vor- herrschen und die durch die zahlreichen vitalen Oxydations- processe angeregt werden, 4. rheotaktische Bewegungen, 5. nach Jensen können schon geringfügige Differenzen des hydrostatischen Druckes als Reiz wirken, 6. für manche Bewegungen der Monocellulaten mit dicht ge- drängt stehenden Cilien muss auch die Reizwirkung mecha- nischer Berührung durch fremde oder eigene Körpertheile in Betracht gezogen werden. Bei der Betrachtung der Bewegung kamen die trophischeu Wirkungen der Reize vornehmlich in Betracht, und diese wohl zuerst im Sinne habend, leugnet auch Loch das psychische Epiphänomen den Protisten ab. Luciani (Biol." Centralblatt XIII) erblickt allerdings in diesen Bewegungen wieder psychische Aeusserungen, doch 196 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 1' wird damit gar nichts erlilärt, denn man erfährt nicht gerade, warum dieser eine Reiz augenehm wirkt, wenn er auch die Thiere tödtet (Verworn S. 139), und dann erhalten wir auch keine Auskunft über das Wirken des Psychischen auf gerade die eine oder andere Auslesung der Bewegung. Wenig glücklich erscheint auch die Be- trachtung von Horl in seiner Psychologie 1896, S. 38. „Alle diese Erscheinungen (Irritabilität, Heliotropismus, Geotropismus etc.) dürften als reale Zwischenstufen zwischen physikalisch-chemischer und psychophysischer Bewegung aufzufassen sein; und so wenig es angeht, diese primi- tiven Reizvorgäuge schon als Eniptindungen zu bezeichnen, so sicher erscheint die Fähigkeit psychischer Reaction im eigentlichen Sinne wenigstens vorgebildet in den genannten Eigenschaften, welche thierischen und pflanzlichen Gebilden gleichmässig zukommen. VI. Auch das Kriterium der Zweckmässigkeit für bewusste Vorgänge kann nicht als ein ausschliessliches gleich dem der spontanen Bewegungen aufgefasst werden, da auch andere sicherlich ganz unbewusst ablaufende Phänomene mit dem Schein des Zweckmässigen behaftet sind, wie uns ja sonst höchst teleologische Einrichtungen entgegentreten können; gerade in dieser Hinsicht finden wir bei Verworn ganz ausgezeichnete Auseinandersetzung auf Grund einzelner Versuche. VII. Ein anderes Kriterium der Psychoris wurde in Lebeusäusserungen, die unseren bewussten Handlungen mit unseren anticipirten Zwecken und Erfolgen ähnlich sind — in der Art der Nabrungswahl und der Möglichkeit Hindernissen auszuweichen erblickt — einer beim ersten An- blick gewiss bestechend wirkende Aufstellung von Merkmalen. „Das Unterscheidungselement des Geistes ist Bewusst- sein, das Zeugniss des Bewusstseins ist das Vorhandensein einer Wahl, und der Beweis für die Existenz der Wahl liegt in dem voraufgehenden Schwanken zwischen zwei oder mehreren Alternativen". — „Eine Amoeba vermag zwischen nährenden und nicht nährenden Theilchen zu unterscheiden und einen dementsprechenden Anpassungs- akt auszuführen, sie ist im Staude, die nährenden Theil- chen zu umfliessen und zu verdauen, während sie die nicht nährenden ausstösst" (Roman es. Die geistige Ent- wickelung im Thierreich). „Das Wesen der psychischen Fähigkeit besteht in der spontanen und bewussten Ord- nung der Mittel zu einem Zwecke." T. Vignoli, Ueber das Fundamentalgesetz der Intelligenz im Thierreiche, Leipzig 1879. Bin et fasste zum Merkmal der Thätig- keit einer Nahrungswahl noch das der Wahl bei der Paarung, ja er schreibt sogar: „Man findet bei den ein- fachsten Lebeformen die er.sten Spuren von jenen ästhe- tischen Kundgebungen wieder, welche den Zweck haben, die geschlechtliche Vereinigung zweier Thiere vorbereiten." Gerade aber für die niedersten Mikroorganismen hat Rhumbler in der letzten Zeit in seiner interessanten Schrift „Physikalische Analyse der Lebenserscheinungen der Zelle, I. Bewegung, Nahrungsaufnahme, Defäkation, Vacuolenpulsation und Gehäusebau bei loboren Rhizo- poden, Archiv für Entwickelungsmechanik, 7. Bd. Diese scheinbar so complicirten vitalen Erscheinungen, auf ein- fache physikalische Erscheinungen der zähflüssigen Proto- plasmamasse und ihrer verschiedenen Oberflächen- und Spanngesetze, zurückgeführt und war im Stande, z. B. die Nahrungsaufnahme in der täuschendsten Weise auch künstlieh zu erzeugen; dabei giebt er aber noch zu, dass bei der Reaction auf äussere Einwirkungen ausser der Art und der Intensität der Einwirkung auch noch eine „innere Position", die zunächst als unbekannte, aber nicht als eine mystische, a priori unergründbare Kraft gelten soll, in Betracht gezogen werden niuss. Für die höheren Formen vermochte in allerdings unzulänglicher Weise Charlton Bastian die Nabrungswahl aus einer Beziehung in der chemischen Zusammensetzung des Or- ganismus und der betreffenden Nahrungssubstanz zu er- klären; vornehmlich hat aber Maupas die scheinbare Nahrungswahl einerseits auf die verschiedene Cytostom- gestaltung der räuberischen Protisten, andererseits aber auf die verschiedenen Schutzmittel der Beutethiere (z. B. der Rückenschild des Coleps trirtus, der von der Podo- phrya hier nicht angenommen wird), zurückgeführt, und Verworn macht im gleichen Sinne auf die Stellung der Wimperorgane zu verschiedenen Zeiten, auch auf die Richtung des Strudels und die Art sowie Grösse der Reizung, der adoralen Wimperzone durch die Nahruugs- theilchen aufmerksam. Verschiedene chemotaktische Wir- kungen, die Art der Rhythmik in dem plasraatischen Zer- fall der Wimperorganoide, die eigene Bewegungsfähigkeit der Beutethiere sowie ihre Anordnung im Nahrungsstrudel und Störung dieses durch andere Strömungen mögen noch andere Eventualitäten Anlass zu den verschiedenen Täuschungen geben. Die Protisten weichen auch Hinder- nissen nicht aus; auch hier täuschen Chemotropismen und die Umkehr der Sehlagrichtung der Cilien in Folge an- derer stärkerer Reize oder in Folge vom Auftreten ge- wisser Ermüdungsstoft'e aus neueren Dispositionen mancher- lei vor; ein Coleps, eine Halteria schwimmen so lange an ein Hinderniss an, bis sie zufällig vorbeikommen, ganz in derselben Weise wie etwa ein seines oberen Schlund- ganglions beraubter Rosskäfer. VIII. Als ein besonderes Kriterium des Bewusstseins stellte in jüngster Zeit J. Loeb in seiner Einleitung in die vergleichende Gehirnphysiologie und vergleichende Psychologie 1899, die associative Gedächtnissthätigkeit auf. „Dabei verstehe ich unter associativem Gedächtniss diejenige Einrichtung, durch welche eine Reizursache nicht nur die ihrer Natur undderspecifischenStructurdes reizbaren Gebildes entsprechenden Wirkungen hervorbringt, sondern ausserdem auch noch solche Reizwirkungen anderer Ur- sachen, welche früher einmal nahezu oder völlig gleich- zeitig mit jenem Reiz an dem Organismus angriffen." Gewiss ist das associative Gedächtniss eines der Haupt- merkmale höheren Bewusstseins, in ihm ist die Quelle eines jeglichen Schmerzes, der Zeitempfindung des Urthcilens und Schliessens zu suchen, es giebt aber wohl noch ein- fachere Momente, die auch der Psychosis angehören, wie die Empfindungen an sich, die aber dann nicht be- rücksichtigt werden. Auch lässt Loeb die Unterscheidung zwischen primärem und secundärem Gedächtniss zwischen denen wieder den bestehenden Lehrmeinungen zufolge ein Grad- oder specifischer Unterschied bestehen soll, un- berücksichtigt. „Ein sehr wesentlicher Bestandtheil der Geistesthätigkeit ist das Gedächtniss, welches man als die conditio sine qua non allen geistigen Lebens bezeichnen könnte" (Romanes). Ziehen in seinen Vorlesungen der physiologischen Psychologie ist auch der Ansicht, dass es ein berechtigter Wahrscheinlichkeitsschluss ist, wenn wir solchen Thierhandlungen, welche nur aus der Mit- wirkung der Residuen früherer Rindenerregungen im Leben des Individuums erklärt werden können, psychische Parallel Vorgänge zusprechen. Romanes vertritt mit R i b o t die Anschauung, dass das Gedächtniss schon an das Protoplasma gebunden ist — er spricht auch geradezu von einer Summining der Reize, die überall da vorkommt, wo lebendes Protoplasma ist. Die Vorstellung Herings vom Gedächtniss als einer allgemeinen Function der Materie möge hier übergangen werden, da es sich in diesem Sinne mehrfach um Processe bandelt, die von keinem psychischen Parallelphänomen ersichtlich begleitet sind; es ist ein Zurückhalten, kein Rcproduciren vielfach im Spiel. XV. Nr. 17. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Einmal beohacbtete ich einen Coleps birtus in grös.serer Anzahl, der eine abgestorbene Araoeba lebhaft umsebwärnite und dann sie schliesslich in seiner charakteristischen Art von allen Seiten aussaugte; er entfernte sich oft, um wieder aber auf denselbeu Ort zum leckeren Mahle sich einzufinden. Man könnte diese Erscheinung als eine Art von Ausfluss einer Gedächtnisthätigkcit auffassen, doch ist es möglich, dass zuerst durch die Saugwirkung und Nabrungsaufnahme eine Aenderung der inneren Disposition, die sich in der Fortbewegung äusserte, ausgelöst wurde, dass aber dann, sobald sich das Tiiier entfernte, nach kurzer Zeit der cbemotropischen Wirkung des Nahrungs- tliieres wieder überwog. Eine gewisse Zunahme der Reiz- leituugsfähigkeit in der Reihe der Protisten, die schnelle Reaction des Springens bei der Halteria und Stylonychia, die Ausbildung einer Rhythmik in der Bewegung gewisser Organoide und die Bevorzugung sowie specielle Art mancher Bewegungen weisen immerhin auf eine innere erworbene „Babnung" hin, die mit einer Vor- stufe eines Gedäcbtnisphänomens verbunden sein könnte. Zum Schlüsse möge noch auf die Difterenzirung ge- wisser Organoide, die wenn auch in nicht einer so aus- gedehnten Art und Weise, wie es bis jetzt gescbah, mit einer Tastfunction in Zusammenhang gebracht werden können, hingewiesen werden, die danu gleichfalls ver- muthlich zu p.sycbischen Momenten in Beziehung stehen (llh-fte. Die Function gewisser Fasern der Cilien ist noch zu unbekannt, um weitere Schlüsse daraus ziehen zu können und den Kern oder die äussere Plasmaschicht als einen besonderen Sitz von Vorgängen der Psychosis auf- zufassen ist, eine durchaus willkürliche und unbewiesene Annahme. Vom monistischen Standpunkt ist man geneigt, doch den niederen Lebewesen entschieden eine Psyche zn- scbreiben zu müssen — denn wo, wann und wie sollte eine so ganz anders geartete Erscheinung in die Thier- reihe eingeführt worden sein? Die Annahme einer conti- nuirlichen aufsteigend gedachten Entwickelung der psychi- schen Phänomene scheint viel plausibler und natürlicher zu sein, und mau befreundet sich viel lieber mit der von Meynert so benannten pananthropologischen als mit der panzoologischen Auffassungsart, die von der physiologischen Reflexbewegung äuge fangen zu den höheren psychischen Erscheinungen die Entwickelung vorschreiten lässt, wäh- rend für die erstere die Psychosis gleich mit der belebten Substanz verknüpft erscheint. Muss aber alles gleichsam präfomirt angelegt sein und sich nur aus sich heraus entfalten, kann nicht auf einer bestimmten Entwickelungsstufe mit besonderen ein- tretenden Bewegungszuständen und Energieumsetzungen ein neues Phänomen auftreten; ursprünglich existirte eine grosse Zahl, wenn auch nicht eine Unzahl von Be- wegungen, an denen erst die weit reichere Mannigfaltig- keit ausgelöst wurde; wie gross ist nur die Mannigfaltig- keit, die in Erscheinung tritt, sobald die wenigen Elemente in verschiedene Beziehungen zu einander treten, ohne dass sie doch nothweudigcr Weise in ihnen vorgebildet wäre. Die mannigfache Gestaltung der geometrischen Raumgebilde bei alimäbhcher Aenderung, das Entstehen der Melodie, die mehr ist, als eine blosse Summe von Tönen, in denen sie nicht gleichsam vorgebildet ist, über- haupt die moderne Lehre von den „Gestaltqualitäten" würde uns viele analoge Beispiele liefern, falls wir sie nicht lieber dem Gebiete der Physik und Chemie ent- lehnen. Eine Art von Stufenfolge in der Verschiedenheit der Erscheinungen tritt uns zuerst in der Physik entgegen, wo die Vorgänge nach dem einfachen Bilde des Gefälles, Temperaturgefälles, Leitung etc. continuirlich ablaufen; eine weitere Stufe finden wir in der Chemie ausgebildet, deren Erscheinungen discret sind und die neuen Phä- nomene plötzlich ohne Zwischenstufen auftreten, die Er- scheinungsmannigfaltigkeit des Organischen ist wieder mit dem Charakter einer Periodicität und Rhythmik be- haftet und erseheint mit einer Activität ausgestattet, die bezüglich ihrer Intensität und Beschaffenheit auf die formale Anordnung der Elementartheile zurückzuführen ist — eine Anordnung, die rüeksichtlich der Verschieden- heit der Organismen, der Yerscliiedenheit der Fortpflan- zungs- und Somazellen, selbst bei gleicher Ernährung, so wie rücksichtlich des Verhaltens der verschiedenen Reiz- wirkuugen, höchst complicirt und mannigfach sein muss. So wüuschenswerth es vom Ständpunkt einer ein- heitlichen Auffassung wäre, das psychische Parallel- phänomen für die Protisten nachzuweisen, so sind wir bis jetzt nicht im Stande, ein bestimmtes Kriterium anzugeben, wir fanden es weder in den Bewegungen noch in den sonstigen vitalen Vorgängen oder selbst in ge- wissen morphologischen Vorbedingungen. Auf Grund aber der doch complicirten Umsetzung der Energie und ihrer Formen kann man höchstens nur vermuthen, dass auch bei den Protisten eine subjective Abhängige als Psychosis eine gewisse Gliederung erreichen könnte, und dies umsomehr als man bei gewissen Protisten einige Organoiddiflferenziruugen vorfindet, sowie auch gerade von Verworn, in dessen Schrift wohl alles Material, das im Sinne der aufgeworfenen Frage von Werth erscheint, zu- sammengetragen ist, ein verschiedener Grad der Reiz- barkeit und Reizleitungsfähigkeit bei den verschiedenen Gruppen der Mikroorganismen, besonders auf Grund von Versuchen mit mechanischen Reizen nachgewiesen wurde, der sogar auf eine Entwickelung des psychischen Epi- phänomens ein gewisses Licht wirft. Dies dürfte aber wohl auch alles sein. Die Hautfarbe der Neugeborenen bei den Neger- völkern. — Es ist auffallend, dass die umfangreiche Reise- litteratur über Afrika nur ungemein spärliches Material zu dieser Frage liefert, und daher erklärt sich auch das grosse Befremden und die Ungläubigkeit des Publikums gegen- über den kflrzlichen Mittheilungen in der Tagespresse, dass die Negerkinder eigentlich weiss geboren würden. Ver- fasser hat indessen schon 1890 in den „Mittheilungen der Nachtigal-Gesellschaft für vaterländische Afrikaforschung" (No. 33) auf die Thatsache hingewiesen, dass die Neger- kinder — wenn auch nicht ausgesprochen weiss, so doch — hellfarbig zur Welt kommen und erst in mehr oder minder langer Zeit nach der Geburt die dunkelbraune Farbe des betreffenden Stammes bekommen. Bei den helleren Negervölkern (Mangbattu, Sandeh, Bongo) haben die Neugeborenen, wie Seh weinfurth be- obachtet hat, ein hellröthliches Braun und sind in der ersten Zeit mit feinen, dichten, sammtartigen Haaren be- deckt; im ersten und zweiten Lebensjahre geht die Farbe dann in schiefergrau und zuletzt in braun über. Bei den südlicher wohnenden Völkern (Matoka, Ma- rutse) hat Holub beobachtet, dass die Neugeborenen eben- falls eine sehr lichte Hautfarbe hatten, von der weichen, sammtartigen Haut aber berichtet er nichts. — Emin 198 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 17. Pascha hat bei den Völkern der Aeqnatorial-Provinz die gleiche Beobachtung- g-emaclit, wie Schweinfurth und be- merkt noch, dass die Neger sowohl bei der Geburt als auch in der ersten Behandlung der Neugeborenen mit der grössten Rücksichtslosigkeit, wenn nicht zu sagen Roheit verfahren. V. Hellwald behauptet auch, „das Negerkind i.st bei der Geburt hellgrau, erst nach der Geburt entwickelt sich das Pigment; in Nordafrika ist dasselbe im dritten Jahr vollkommen entwickelt, .südlicher viel früher, zum Theil schon nach einigen Tagen-: die saninitartige Haut ist nach ihm auf die starke P>nt\vickclnng- tics Drüsenapparates zu- rückzuführen; bezüglich der Pigmentbildung war man viel- fach der Ansicht, hier eine Erscheinung zu beobachten, ähnlich der nachträglichen Chlorophyllbildung bei ur- sprünglich ctiolirten Pflanzen. R. B. Morrison (Med. News, LV.) hat über den Gegenstand mannigfach bei Aerzten Umfrage gehalten und auch selbst die Haut eines abgestorbenen achtmona- tigen Fötus schwarzer Eltern, desgleichen die eines 3(3 Stunden vor der normalen Geburt abgestorbenen Kindes untersucht. In beiden Fällen war unter dem Mikroskop deutlich Pigment zu erkennen, weshalb Morrison glaubt, dass Kinder echter Neger nicht pigmentlos geboren werden. „Wahrscheinlich wird die allgemeine Hyperämie der Haut und die dünne Beschaffenheit der Epidermis, welche die Gefässe der Papillarschicht um so deutlicher erkennen lässt, dazu führen, dass das Pigment übersehen wird, während es in Wirklichkeit schon vorhanden -ist. Die Negerkinder besitzen also thatsächlich wenigstens einen Monat vor der Geburt eine Pigmentablagerung in der Haut, was sogar mit blossem Auge zu erkennen ist." Vollständig weiss wie ein Kind der weissen Rasse sind übrigens die Neugeborenen der Neger niemals, die Farbe derselben nähert sich zwar mehr oder weniger der Farbe der Neugeborenen der weissen Rasse, ist ebenso verschieden, wie die Hautfarbe der verschiedenen Neger- stämme. Deshalb trifft auch die von anderer Seite auf- gestellte Behauptung, dass die Negerkinder bei der Geburt die Farbe besitzen, die ein Mensch mit ',\, Negerblut und ■^4 europäischem Blute aufweist, in ihrer Allgemeinheit nicht zu. Die rcinblütigen Negerkinder der Eingeborenen des Warri- Bezirkes an der englischen Negerküste sind z. B. bei der Geburt rosig wie junge Ratten, dunkeln aber bald nach und sind in drei bis vier Monaten schwarz. — Auch von den Kaftern berichtet der englische Reisende Wood: „Das neugeborene Kind eines Kaffern ist fast so hell wie das eines Europäers, und die schwarze Farbe entwickelt sich erst allmächlich". üeber die Frage, was den Neger schwarz färbt, haben die Amerikaner Abel und Davis Untersuchungen ange- stellt. (Journal für experimentelle Medicin.) Es ist ihnen angeblich gelungen, durch ein besonderes Verfahren ans Haut und Haaren von Negern den Farbstoff zu isoliren und in jeder gewünschten Menge daraus zu gewinnen und löslich zu machen. Nach den Genannten bestehen die Pigmeutkörnchen aus einem farblosen Grundstoffe, dem eigentlichen Farbstoffe und einer bedeutenden Menge an- oiganischer Substanz (u. a. von Calcium, Magnesium, Eisen, Kieselsäure, Phosphor- und Schwefelsäure); auch der eigentliche Farbstoff soll noch eine Spur von Eisen ent- halten und bei Erwärnnmg auf 260° von den übrigen Stoffen der Pigmentköriier abgesondert werden können. Ein Neger von gewöhnlicher Grösse führt angeblich in der Haut seines ganzen Körpers nur etwa 1 g des eigent- lichen Farbstoffes, während die Pigmentkörner (welche den eigentlichen Farbstoff enthalten) etwa 3,3 g wiegen, wobei angenommen wird, dass diese Körner beim lebenden Menschen ß57u Wasser und 57o mineralische Bestand- theile enthalten. Der Farbstoff" in der Haut und den Haaren des Negers ist nach den Untersuchenden wahr- scheinlich derselbe wie in den dunklen Haaren der weissen Rasse, sodass in dieser Hinsicht der Unterschied zwischen dem Neger und dem Weissen nur ein quantita- tiver wäre. Aus einem Missionsberichte von den Kabylen (Gott will es, IV. 1892, 13) entnehme ich noch folgende Ge- sprächsstelle (in dem sogenannten Sahir, einem sonder- baren Gemisch von arabischen, kabylisehen, spanischen und französischen Wörtern): „Der Kabyle führte uns zu seinem Hause. Sein Sohn war ein hübscher kleiner Knabe und recht weiss. Du siehst sehr wohl, der da ist blanco. — Alle muscbascho (Kinder) sind blanco, aber herange- wachsen alles negro, macasch (nicht) bono." Eine ganz vereinzelt dastehende und noch unaufge- klärte anthropologische Thatsache ist es. dass nicht allein die in die Tropen gewanderten Portugiesen dazu neigen, ihre weisse oder helle Hautfarbe zu verlieren, sondern dass ancli ihre dort geborenen Kinder stets dunkler als die Eltern werden, eine Erscheinung, die sich bei den Gliedern anderer Nationen nicht einstellt. Man glaubt häufig bei dem Anblick vollkommen reinblütiger Portu- giesen wirkliche Mischlinge vor sich zu haben, und zwar solche, die aus Goa stammen (Dr. Emil Jung). Dieselbe Thatsache beobachtet man auch an der Guineaküste, wo man häufig recht auffallend hellfarbene Neger findet. Dr. Ernst Henrici hält dieselben für die Nachkommen aus alten portugiesischen Adelsfamilien, welche vor fünf- hundert Jahren in Massen als blinde Abenteurer nach Afrika strömten, und die schliesslich nicht wieder nach der Heimath zurückkonnten, verwahrlosten und ver- wilderten und sich mit den Eingeborenen vermischten. Hn-e heutigen Nachkommen zeichnen sich durch grössere Intelligenz aus, haben auch gewöhnlich noch au das Por- tugiesische anklingende Namen und sonstige daran an- klingende Bezeichnungen in ihrer Sprache, und aus ihren Lebcnsbcschreil)ungen und Erzählungen erklingt nicht selten noch eine dunkle Ahnung von hoher, unbekannter Herkunft. Um übrigens die eigenartige Thatsache der Haut- farbeänderung der Portugiesen in Afrika zu erklären, muss auf die Zusammensetzung der Bevölkerung Portugals zurückgegriffen werden, und die Thatsache der maurischen Einwanderung und Vermischung dürfte den Schlüssel liefern; denn maurisches Blut ist vielfach in Portugal ver- treten, nicht zum wenigstens beim Adel (vergl. z. B. den Namen des ehemaligen Botschafters am Berliner Hofe, Grafen Benomar = Ben Omar = Omarsohn), sodass die Verdunkelung der Hautfarbe der in den Tropen ver- bliebenen Portugiesen jedenfalls als atavistische Erschei- nung aufzufassen ist. Schiller-Tietz, Klein Flottbek b. Hamburg. „lieber die Wirkung liochgespaunter Ströme auf das Blut" handelt eine Arbeit von L. Hermann (Archiv für die gesamrate Physiologie, 74. Bd., 1899), die des- wegen ganz besonderes Interesse verdient, weil sie sich mit der Erklärung einer Reihe von Erscheinungen befasst, die schon vor mehr als dreissig Jahren Gegenstand ein- gehendster Untersuchungen gewesen sind. Bevor wir des Näheren hierauf eingehen, sei noch mit einigen Worten des Vcrsuchsmateriales, des Blutes, gedacht. Das Blut der Wirbelthiere besteht aus dem Blutplasma und darin suspendirten morphologischen Elementen, nämlich den rothen und weissen Blutkörpern, Bhitplättcben oder Haematoblasten und Pigmentschollen, von welchen jedoch XV. Nr. 17, Naturwissenschaftliche Wochenschrift. die rothen Bhitkörper, die dem Blut ja auch seine charak- teristische Farbe verleilieii, an Menge bedeutend iiltev- wiegen. Was die chemische Zusammensetzung zunächst des Blutplasmas angeht, so besteht dasselbe in der Haupt- masse aus Wasser und enthält nur etwa 8,2 "/q teste Stoffe im Mittel, von welchen etwa 6,9 "/o auf Eiweiss- stotfe (besonders Globuline, zum kleinereu Theil Sernui- albumin) und der Rest von 1,3 "/q auf andere Bestandthcile konnnen, wie Harnstoff, Lecithin, Cholesterin, Fette, Fett- säuren, Traubenzucker, ein gelber Farbstoff (Lipochrom) und Salze, unter denen das Ciilornatriuni vorwiegt. Die Zusammensetzung der feuchten, rothen Bhitkörper des Menschen ist (nach Hoppe-Seyler) folgende: Oxyhae- raoglobin (die 0-Verbiudung des Haeraoglobins oder Blut- farbstoffs einer Fe-haltigen Eiweissverbiudung) 40,4 " 'ü, Wasser 57,7 » q und Stronia 1,9 "/n? gebildet durch das Gemenge der übrigen Bestandthcile, unter denen zu nennen sind ein Globulin, Lecitiiin, Cholesterin, Fett-, Kali- und Phosphovsäureverbinduugen, während Natron keins oder nur wenig vorkommt. Besonders reich an rothen Blutkörpern ist das Blut der Fleischfressei-, sehr avni daran dagegen dasjenige der Kaltblüter. Die rothen Blutkörper des Menschen und der Säugethiere sind runde (nur Kameel und Lama haben elliptische), biconcave, kernlose, sehr elastische Scheiben, diejenigen der übrigen Wirbelthiere sind ellip- tisch (nur Petromyzon hat runde), biconvex, kernhaltig und auch grösser (die grössten bekannten Bhitkörper hat Proteus sanguineus) als die des Menschen und der Säuge- thiere. Die rothen Bhitkörper des Menschen haben einen Flächendurchmesser von 7,5 jj,, die des Elcphanten, des Walrosses und der Edentaten sind grösser, die unserer einheimischen Säugethiere kleiner (unter ihnen hat der Hund die grössten mit 7,3 /i) als die des Menschen. Versuche über die Einwirkung der Elektricität und zwar des galvanischen Stromes auf das Blut sind schon von Schübler (1811), Dutrochet (1832) und Job. Müller (1832 und 1835) angestellt und veröffentlicht worden. Dieselben ergaben, dass an der positiven Electrode sich Säure abschied, die das Bluteiweiss gerinnen machte, und dass das gebildete Gerinnsel verschrumpite und ver- zerrte Blutkörper einschlösse während sich daneben noch einige Gasblasen entwickelten. An der negativen Elec- trode schied sich Alkali ab, eine reichlichere Entwickelung von Gasblasen fand an derselben statt, und es wurden die Blutkörper in der Nähe der Electrode aufgelöst und dadurch das Serum roth tiugirt. Die Veränderungen voll- zogen sich au den Polen und trafen, wenn sie nur einiger- maassen von einander entfernt waren, nicht zusammen. Spätere von RoUett (Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Mathem.-naturw. Classe, 47. Bd., Wien 1863) mit dem constanten Strom angestellte Versuche führten zu den.selben Resultaten. Es wurden, wie R. sich ausdrückt, immer nur Erscheinungen der Elektrolyse beobachtet. Von E. Neumann (Archiv für Anatomie und Physiologie 1865) über denselben Gegen- stand mit dem constanten Strom angestellte Untersuchungen ergaben, dass Steigerung der Stromstärke den Zeitverlauf der Erscheinungen beschleunigte, dass die Wirkung bei den den Polen zunächst liegenden Blutkörpern begann und sich gegen das Centrum der zwischen die beiden Pole eingeschalteten Blutschicht hin fortsetzte, ferner ein Durchsichtigwerden dieser Blutschicht an beiden Polen lind gleichzeitig damit eine Entfärbung am positiven Pol. Speciell am Froschblut kamen folgende Einzelheiten zur Beobachtung. Am positiven Pol trat vom Pol nach dem Centrum zu fortschreitend Eiweissgerinnung auf, und bald darnach fand eine mit der erwähnten Aufhellung cinhergehende Auflösung des Eiweisscoagulums statt. An den Blut- körpern wurde anfänglich nur ein Deutlicher- und Glänzend- werden der Kerne wahrgenommen, dann aber rundeten sich die Körper selbst ab und entfärbten sich, sodass ihr Umriss einer feinen, glänzenden Linie glich. Das Serum war farblos wie liei unverändertem Blut. Gasblasen ent- wickelten sich nicht. Am negativen Pol traten in den Blutkörpern zunächst glänzende Punktchen auf, dann aber verloren sie selbst ihre plattovale Gestalt und wurden zu unregelmässig gestalteten, vielfach nach Art der Ganglien- zellen in Fortsätze auslaufenden Figuren. Besonders bc- merkenswerth war bei der Bildung dieser verschiedenen Formen, dass fadenförmige, farblose Anhänge sichtbar wurden, die aus einer zähschleimigen Substanz zu bestehen schienen und bei der Umwandlung der Blutkörper sich in Bewegung befanden. Weiterhin verloren die Körper wieder diese fadenförmigen Anhänge und wurden zu ovalen Gebilden von stärkerem Glanz und gesättigterer Farbe, jedoch kleinerem Umfange als die unversehrten Blutkörper. Diese Ovale gingen dann in glänzende Kugeln über, welche schliesslich plötzlich verschwanden. Durch Zusatz der üblichen Reagentien gelang es nicht, die Con- turen der Blutkörper resp. ihrer Kerne wieder sicht- bar zu machen, so dass es, wie N. annimmt, hier- bei um eine wirkliche Auflösung sich handelte, in Folge deren das Blut zu einer homogenen, durchsichtigen, gelben Flüssigkeit wurde. Bhitkörper vom Menschen und Kaninchen nahmen am positiven Fol zunächst Kugelform an, wobei geld- roUenähnliche Anhäufungen perlschnurartig wurden, dann erblassten die Kügelchen, und es blieben schliessHch ring- förmige, hie und da etwas ausgezackte, entfärbte Gebilde zurück. Die Veränderungen am negativen Pol entsprachen zunächst denen des Froschblutes, darnach aber ging die biconcave (die Nai)f-) Form zunächst in eine unregel- mässig eckige (die Rosetten-j Form über, dann in die sogenannte Stechapfelform, und schliesslich blieben nur lebhaft glänzende, stark gelb gefärbte Kugeln zurück, die endlieh auch verschwanden, um, wie N. sagt, sich in dem Serum aufzulösen. Wir kämen nun zu den mit der Leydener Flasche resp. Inductorien angestellten Versuchen. Die von RoUeft (Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissen- schaften, Mathem.-naturw. Klasse, Bd. 47, Wien 1863, Bd. 50, Wien 1865) mit Entladungsschlägen angestellten Untersuchungen ergaben Folgendes. Die Entladungs- schläge einer Leydener Flasche hellten das in einem 4() bis 50 mm langen Glasröhrcheu von 5 mm Lichtweitc befindliche Blut auf und verwandelten es in eine lack- f arbige, durchsichtige Flüssigkeit. Die Aufhellung trat an den Platinelektroden zuerst auf und setzte sich mit zunehmender Geschwindigkeit gegen die Mitte der Bluf- säule fort. Bei der specifischen Resistenz erwiesen sich bei gleicher Intensität der Entladungsschläge die Bhit- körper des Schweins widerstandsfähiger als die des Menschen und die des Kaninchens wieder widerstands- fähiger als die des Schweins. Durch Zumischung nicht zu concentrirter Salzlösung zum Blute wurde die specifische Resistenz der Blutkörper vermehrt, durch Zumischung con- centrirter Salzlösung wurden dieselben gegen die Ein- wirkung des Entladungsstromes unempfindlich gemacht, und es trat keine Aufhellung mehr durch Eutladungs- schläge ein. Einer eingehenden Schilderung der bei der Ein- wirkung elektrischer Schläge auf die Bhitkörper an diesen sich successive abspielenden Veränderungen begegnen wir in der 1865 erschienenen Arbeit. Zur Untersuchung kam Blut vom Menschen, Schwein, Kaninchen, Meerschweinchen von der Katze und vom Frosch, und es stellte sich dabei 200 Naturwissenschaftliclie Wochenschrift. XV. Nr. 17. heraus, dass die successiven Veränderungen der Blut- körper der angeführten Säugetliiei'c und des Menschen voll kommen übereinstimmten. Die Veränderungen selbst waren folgende. Unter dem Einfluss der langsam auf- einander folgenden Schläge nahmen die napfförmigen Pjhitkörpcr zunächst Rosettenform an, indem sie am Rande grüsseic Einkerbungen erhielten; nuter sichtbarer Ver- kleinerung des Durchmessers ging diese Form in die so- genannte Älaull)eerform über, indem die anfänglich grossen Zacken sicli durch neue Einkerbungen vervielfältigten, während gleichzeitig neue kleinere Zacken selbstständig auf der Oberfläche der Blutkörper sichtbar wurden. Weiterhin entwickelte sich die sogenannte Stechapfelform, indem einzelne Zacken in das Innere des Blutkörpers ein- gezogen wurden, andere Zacken sich von der Spitze her verschraächtigten, so dass schliesslich ein mit feinen Stacheln besetzter, rundlicher Körper resultirt. Endlich gingen auch diese feinen Fortsätze verloren und der Blut- körper zeigte bei ziemlich intensiver Färbung ein glattes Aussehen. Auf diesem Stadium beharrten die Blutkörper am längsten, und das mit nahezu gleich grossen Kugeln angefüllte Gesichtsfeld bot ein durchaus gleichmässiges Aussehen dar. Dann aber begann, successive alle Blutkörper er- greifend, die Farbe der Kugeln zu verblassen und an Stelle der gefärbten Kugeln blieben schliesslich nur blasse, runde Gebilde von sehr schwachen Conturen zurück. Die successiven Veränderungen bei geldrollenartig auf- gereihten Blutkörpern gestalteten sich folgendermaasseu. Die Seitenansicht der Blutkörper verbreiterte sich und erhielt gleichzeitig nach den anstossenden Blutkörpern hin zackige Ausläufer. Diese anfangs ziemlich breiten Zacken wurden kleiner, der Breitendurchmesser der Blutkörper wurde grösser, und schliesslich nahmen sie sämmtlich die Kugelgestalt an. Die Entfärbung ging genau so vor sich, wie an den isolirten Blutkörpern. Auch die an Froschblutkörpern eintretenden Veränderungen sind von Rollet beschrieben worden, da hierüber aber noch ge- nauere Untersuchungen von Neumann (1. c.) existiren, so sollen deren Resultate im Folgenden wiedergegeben werden. Neumann wandte den inducirten Strom statt der Leydener Flasche an und beobachtete bei Einwirkung des- selben schon makroskopisch nach einer allein in unmittel- barer Nähe des positiven Pols auftretenden, durch Eiweiss- gerinnung hervorgerufenen leichten Trübung alsbald eine von beiden Polen gegen das Centrum der stromdurch- flossenen Blutschicht liiu fortschreitende, schliesslich also das ganze Blut ergreifende Aufstellung. Die mikro- skopische Beobachtung zeigte, dass die Veränderungen an beiden Polen in übereinstimmender Weise vor sich gingen, nur dass die Umwandlung vom negativen Pol schneller vorrückte wie vom positiven. Befanden sich in dem Blute zwischen den Elektroden zufällig Luftblasen, dann traten die Veränderungen an den im Umfange der- selben befindlichen Blutkörpern ganz besonders schnell ein, ja sie eilten sogar den Veränderungen der an den Polen liegenden Blutkörper voraus. Die erste Erscheinung war nun die, dass die Blutkörper am Rande feinzackig, gezähnelt wurden und dass an Stelle der gleichmässigen Färbung farbige und farblose Partiecn im Innern auf- traten und zwar in der Weise, dass eine belle, sternförmige Figur von einer zwischen die Sternzacken sich hinein- schiebenden farbigen Randschicht eingeschlossen erschien. Der Kern trat etwas deutlicher hervor und zeigte einen zackigen Umriss. Darnach wurde der Rand wieder glatt, die Färbung des Inneren unter Verschwinden der stern- förmigen Figur wieder gleichmässig, während der Kern ein glänzendes, ovales Gebilde darstellte. Nunmehr be- gann die Umwandlung der ovalen in die kugelige Form. Solche Kugeln waren gleichmässig blassgelb gefärbt und enthielten einen rund oder oval erseheinenden granu- lirten, stark glänzenden und mit scharfen Umrissen ver- sehenen Kern. Ausserdem beobachtete N. noch das Aus- treten von Kernen aus den Kugeln, was mit einer kurzen, zuckenden Bewegung des Kernes geschah, und ferner auch das Zusammenfiiessen solcher Kugeln. Zwei und mehr Kugeln traten mit einander in Verbindung und ver- schmolzen allmählich mit einander, wobei anfangs noch aus der Zahl der Einschnürungen und der Kerne auf die Anzahl der verschmelzenden Kugein ein Schluss gezogen werden konnte, während weiterhin die Einschnitte sich immer mehr ausglichen, um schliesslich vollkommen zu verschwinden. Darnach kam das Stadium der Ent- färbung der Blutkörper, sowohl der isolirt gebliebenen, kernhaltigen wie kernlosen, als auch der zusammen- geflossenen, während das Blutserum durch die Aufnahme des Blutfarbstoffes gelb wurde. Die Conturen der Blut- körper wurden immer undeutlicher, schliesslich unsichtbar, und zuletzt sah man im Gesichtsfelde nur noch die glänzenden Kerne. Eine Auflösung schien jedoch nicht stattzufinden, da durch Jodzusatz um die Kerne herum wieder die Umrisse der Blutkörper auftraten. Die Er- scheinung am Menschenblut waren den soeben beschrie- benen sehr ähnlich, wie N. constatiren konnte. Die Untersuchungen Hermann's führten im Wesentlichen zu den gleichen Resultaten und bringen nur noch einige kritische Ergänzungen. So macht Hermann zunächst auf eine gewöhnlich auftretende, Rollett noch unbekannte, aber von Weyl bereits (Archiv für Anatomie und Physio- logie 1876) beschriebene Aufreihung der Blutkörper auf- merksam; er weist ferner darauf hin, dass die verblassten ßlutkörperreste niemals vollkommen verschwinden, sondern stets noch bei sehr eng gesteUter Irisblende oder schiefer Beleuchtung erkennbar sind, und dass die Hanptwirkung des inducirten Stromes auf die Säugethierblutkörpcr in einer Aufschwellung derselben zu Kugeln und einem darauffolgenden Verblassen der letzteren unter Austritt des Farbstoffes besteht und dass in diesem Moment auch die makroskopische Aufhellung auftritt. Hinsichtlich der ovalenFroschblutkörper betont H. besfjuders, dass die Kerne vor der Einwirkung der Ströme fast unsichtbar sind und meistens nur einen sehr undeutlichen, elliptischen Contur im Inneren des Blutkörpers wahrnehmen lassen und dass nun (entgegen Rollett's Angaben, aber übcreiustinjuiend mit den Beobachtungen Naumann's), die erste Wirkung einer wenn auch nur ganz kurzen Durchströmung aus- nahmslos in einer ungemein deutlichen Contourirung des Kerns besteht, der dabei zugleich kleiner und rund wird. Dann folgt der Uebergang der Ovale in Kugeln, in deren Centrum der Kern liegt, und endlich ein Verblassen dieser Kugeln, das sich makroskopisch durch eine Auf- hellung der Blutschieht markirt, sodass die Froschblut- körper sich nun als entfärbte, relativ kleine Kugeln mit einem runden, stets stark körnigen Kern dem Auge dar- stellen. Betrachten wir nun noch die Wirkungen, welche die Wärme an den Blutkörpern hervorruft. Diesbezügliche Versuche stammen auch bereits von Rollett her. Dieselben hatten für die Säugethierblutkörper eine Reihe von Ver- änderungen ergeben, die zwischen 40° — 45° C. vollendet und deren Endresultat gefärbte Kugeln waren, während bei den Froschblutkörpern die Veränderungen mit ca. 40° C. eintraten und erst bei 60° C. beendigt waren. Die Um- wandlung war dieselbe wie beideiEinwirkungdes inducirten Stromes und ging auch in der dort angegebenen Reihen- folge vor sich, jedoch kam niemals ein Lackfarben- werden und eine Transparenz wie dort zur Beobachtung. Ausser Rollett hat dann besonders Max Schnitze (Archiv XV. Nr. 1^ Naturwissenschaftliche \\k)chenschrift. 201 l'iir mikroskopische Anatomie Bd. I, 1865) UntersuchuDgen über den Einliiiss der Wärme auf rothe Bhitkörper angestellt. Er land, dass das Blut bei ca. 60° C. lacktarben, transparent wurde, eine Beobachtung, die von Hermann mit aller Bestinnnflieit bestätigt wird. Hermann tuiirte seine Vei-suehe nicht wie Rollett mit grösseren im Wasserbade erwärmten Blutmengen und auch nicht wie Schultzc auf dem heizbaren Objecttisch, sondern in viel vereinfachterer Weise auf dem Objectträger unter directer Erwärmung über einer kleinen Flamme aus. Nicht zu wenig mit physiologischer Kochsalzlösung (0,6 7o'g) stark ver- dünnten Säugethierblutes wird auf einen recht dünnen Objectträger gebracht, ein Deckglas darauf gedeckt und lue an den Rändern desselben hervorgetretene Flüssig- keit mit Fliesspapier abgesogen. Diese Flüssigkeitschicht, die ein leicht opakes Aussehen zeigt, wird nun äusserst vorsichtig durch öfteres, immer nur Bruehtheile einer Sekunde dauerndes, Hineinhalten in eine kleine Spiritus- liammc erwärmt und dabei in einem bestimmten Zeit- punkt — allerdings meistens nicht gleich in der ganzen Fläche — durchsichtig. Nimmt man in diesem Zeitpunkt nun eine mikroskopische Untersuchung vor, dann sieht man, dass die Blutkörper an den noch opaken Stellen zu farbigen Kugeln geworden sind, dass sich an den lack- farbenen Stellen aber nur noch blasse, schwer erkennbare Stromata finden. Hält man darnach noch einen Moment in die Flamme, dann werden auch die bisher noch opaken Stellen ganz durchsichtig, und das Mikroskop zeigt nun nur noch Stromata. Bringt man das Präparat in jedem Stadium der Einwirkung unter das Mikroskop, dann kann man constatiren, dass die durch die Wärme hervorgerufeneu Veränderungen in ihrer Art und Reihenfolge vollkommen mit den durch den elektrischen Strom erzielten überein- stimmen. Höchst interessant sind die Beobachtungen au Froschblut uud besonders bemerkenswerth erscheint, dass die Vorstadien, die bei der Einwirkung der Wärme auf- treten, etwas verschieden von denjenigen sind, die bei der Einwirkung des elektrischen Stromes zur Beobachtung kommen. Die elliptischen Froschblutkörper werden näm- lich würstförmig, selbst stabförmig, oft biseuitförmig und geben dann unter entsprechender Abnahme ihres Durch- messers in die Kugelform über. Der meist schon vor diesem Stadium etwas deutlicher gewordene Kern hat im Kugelstadium sehr schwache Conturen und ist granulirt. Das nun folgende Endstadium der Umwandlung besteht in einer plötzlichen Entfärbuug und Verblassuug des Stroma, stimmt also vollkommen mit dem bei der Elektri- sirung auftretenden übereiu. Nicht selten bemerkt mau auch ein Contiuiren mehrerer Kugeln, wie solches Neu- mann (siehe oben) und auch Hermann bei ihren Unter- suchungen mit dem Inductionsstrom beobachtet haben. Noch weiteres Erhitzen führt zu Eiweisscoagulationen und Eintrocknung. Wie steht's nun mit den von den einzelnen Forschern filr ihre Beobachtungen gegebenen Erklärungen? Bei der Aehnlichkeit der Umwandlung der Blutkörper durch Elektrisircn und Wärme lag es für Rollett sehr nahe, zu untersuchen, inwieweit die Wärmevvirkung des Stromes sieh beim Elektrisiren geltend machte; er kam dabei zu dem Schluss, dass die ganze Reihe von Veränderungen eine Wirkung des Elektrisirens sei, da — wie er aus- führt — die Wärmewirkungen elektrischer Entladungen, (1. h. die durch letztere hervorgerufenen Temperatur- erhöhungen verglichen mit den durch directe Erwärmung erzielten Temperaturen nach seinen Beobachtungen zu gering seien, als dass sie gleiche Wirkungen wie diese aus- zuüben vermöchten. Neumann betrachtete die Wirkungen des constauten Stromes als eine Folge der bei der Durch- strömung am positiven Pol freiwerdeuden Säure und des am negativen Pol freiwerdenden Alkali, also als eine Folge der Elektrolyse, konnte aber ftir die Wirkungen des inducirten Stromes keine genügende Erkliu'ung geben, ja trug aus verschiedenen Gründen Bedenken, hier gleich- falls eine elektrolytische Wirkung anzunehmen. Wir kämen nun zu der Erklärung Hermann's, die gleichzeitig eine Kritik der Rollett'schen Auffassung enthält. Rollett i)eobachtete beim Elektrisiren am Thermometer ein An- steigen der Temperatur von 17,5° C. auf 21° C, also um nur 3,5° C. und zog daraus eben seine oben ange- gebenen Schlüsse. Gegen diese erhebt H. zunächst den wohl ohne Weiteres einleuchtenden Einwand, dass das Thermometer ein viel zu grober Wärmemesser ist, der wohl im Stande ist, die sehr geringe summarische, d. h. durch eine grössere Anzahl von Schlägen hervorgerufene Erwärmung der Flüssigkeit anzuzeigen, nicht aber die enorm viel höhere durch den einzelnen Entladungsschlag, und sagt des Näheren: „Die Erhitzung ist untrennbar mit der Durchströmung verbunden, und es hat für den Physiker durchaus nichts Widersinniges, dass ein Entladungsstrom für einen äusserst kurzen Moment die Temperatur der Flüssigkeit auf mehrere hundert Grade steigert. Von Verdampfung, Coagulation u. dergl. kann für die mini- male Entladungsdauer nicht die Rede sein und noch weniger von einer Wirkung auf das Thermometer, selbst wenn die Quecksilbermasse verschwindend klein wäre gegen diejenige der durchströmten Flüssigkeit." H. war bei seinen elektrophysiologischen Versuchen die durch Inductionsströme in dünnen Flüssigkeitsschichten hervor- gebrachte starke Erhitzung, die durch Wasserverdunstung sehr leicht ein Beschlagen der Frontlinse bewirkte, auf- gefallen. Dieses Beschlagen nun trat auch bei seinen Auf- hellungsversuchen am Blut ein, ja es liess sieh die that- sächliehe Erhitzung auch direct durch den auf das Deck- glas aufgelegten Finger durch das Gefühl feststellen. Um gleichwohl noch einen objectiven Beweis für die wirkliche Erwärmung der Blutschicht durch den Strom zu liefern, brachte H. sehr kleine Partikelchen eines bei 55° C. schmelzenden Paraffins mit dem Blute unter das Deckglas. Wenn diese Paraffintheilehen bei der folgenden Durchströuuuig dann schmolzen, musste eine Temperatur von 55° C. in der Blutschicht vorhanden sein. Und so geschah es. Als Folge der Wärmewirkung des Stromes erfuhren die Paraffinstückchen, während die Blutkörper die ersten Stadien der Veränderung zeigten — also noch vor dem Aufhellen --, unzweifelhafte Raudveränderungen, sie schmolzen aber bei starken Strömen, die das Blut aufhellten, indem ihre ihre unregelmässige Gestalt zuerst gerundete Formen annahm, bis sie schliesslich zu völlig runden, scharf conturirten Tiopfen wurden. Wie aus den ausführlichen Beschreibungen ersichtlich ist, wurden die mannigfachen Deformationen, wie sie im initialen Schmelzungsstadium auftraten, nur bei der Einwirkung des constanten Stromes beobachtet, nicht jedoch bei An- wendung der Leydener Flasche oder des luductoriums. Diesen Punkt hält aber H. nicht für genügend, um die Ansicht zu widerlegen, dass das Elektrisiren nur durch die Erwärmung wirkt, und meint vielmehr, dass die Er- wärmung durch die Inductionsströme schneller nnd vor Allem gleichmässiger vor sich geht, als diejenige durch die Flamme, wobei die Wärme erst indirect durch den Objectträger zugeleitet wird, dass demnach bei Ein- wirkung des Stromes durch die Gleichmässigkeit der Er- wärmung der ganzen Schicht jede Art von Flüssigkeits- strömung unter dem Deckglase ausgeschlossen ist uud damit ein directer und ungestörter Uebergang des er- weichten Körpers in die Tropfenform nur gefördert wird, während bei der directcu Erwärmung Flüssigkeitsströmun- 202 Natui-\viss(:'ni^.haftlic'he Wochenschrift. XV. Nr. 17. gen unvermeidlich sind und durcli dieselben das Auftreten der in Rede stehenden Deformationen nur begünstigt werden kann. Somit spricht nach H. Alles dafür, dass die Aufhellung des Blutes durch Entladungs- und In- ductionSöChläge nur auf f^rwärmung beruht. Zum Schlüsse sei noch erwähnt, dass die Schmelzbarkeit der rothcn Blutkörper durch Wärme in Verbindung damit, dass die- selben in Aether, Chloroform, Alkohol, Schwefelkohlen- stoff löslich sind, nach H. von neuem darauf hinweist, dass in der Constitution der Stromata Fettkörper (Leci- thin, Cholesterin) eine erhebliche Rolle spielen, während die Kerne der kernhaltigen Blutkörper wohl vorzugsweise Eiweiss- und Nucleinstoflfe enthaUen. A. L. Altes und Neues über die Angelica. — In dem ehe- maligen Bergflecken Bockau z.wischen Aue und Eibenstock in Sachsen werden noch heute allerlei Arzneikräutcr an- gebaut und nach allen europäischen Ländern hin versendet. Die chemischen Fabriken von Leipzig, Dresden u. s. w. entziehen den Kräutern die heilkräftigen Stoffe, uud die Bockauer Arzneihändler wandern mit den Mischungen der- selben in die weite Welt hinaus; nur die Schweiz ist ihnen selbst, wenn auch nicht ihren Kräutern, verschlossen. Be- sonders ist es die Angclica (Angelica satira), die in Bockau und Lauter im Grossen angebaut wird und den Land- wirthen zuweilen eine gute Einnahme bringt. Mancher Fremde mag schon durch Bockau gegangen sein, ohuc von der Angclica etwas gesehen zu haben; denn die Au- gelicafelder sehen in der Form den Kartoffeläckern ähn- lich. Die Angelica gehört aber zu den Schirmblüthern, wie man in der Nähe bemerkt und ähnelt in ihrem Aus- sehen dem Sellerie uud der Postinacke. Sie treibt einen hohen, hohlen Stengel mit vielen Aesteu. Die breiten Blätter sind fliederspaltig, und der Rand ist gesägt. Die Angelica w-ächst wild in dem nördlichen Europa und Asien, in Deutschland kommt sie nur vereinzelt vor. An einigen Stellen wird sie kultivirt, besonders bei König- see in Thüringen und in Bockau und Lauter im Erzgebirge. Nach dem ersteren Orte erhalten die umherziehenden Arznei- händler den Namen Königseer. Früher standen sie beim Volke in hohem Ansehen und man lauschte ihrem Rufe: Trinkt Baldrian, da kommt der Tod nicht 'ran; Trinkt Pimpernelle, da kommt der Tod nicht schnelle! Früher wurde nicht bloss Angelica sativa, sondern auch Archangelica ofticinalis in der Medicin verwendet. Die Samen der Angelica säet man im F^rühjahr in die Gartenbeete. Ende Juni werden die jungen Pflanzen aus dem Garten auf das Feld verpflanzt und behandelt wie das Kraut; nur muss man sie öfter behäufeln. Zur Herstellung des Pflanzloches genügt nicht der Finger, sondern die langen Wurzeln machen die Verwendung eines Eisenbolzcns mit Holzgriflf nöthig. Besonders kräftige Pflanzen bleiben im Garten zum Samentragen zurück. Das Ausziehen der Pflanzen erfolgt im Spätherbst des folgen- den Jahres nach der Kartoffelernte. Die grossen Blätter werden getrocknet und wandern in die Lohmühle, um hier zu Pulver zerstampft zu werden. Sie finden Verwendung als Kuhpulver, weil die darin enthaltenen Stoffe die Ver- dauung anregen. Bei Krankheiten sollen die im Zimmer angezündeten Blätter wirksam gegen Ansteckung sein. Zweifellos verbreiten sie einen angenehmen Geruch, der in früheren Zeiten, als das Ventiliren der Zimmer nicht Mode war wie jetzt, von angenehmer Wirkung gewesen sein mag. Der Wurzelstoek, der aus einer Hauptwurzel und vielen Nebenwurzeln besieht, reicht 15—20 cm. in die Tiefe. Die beschwerlichste Arbeit bei der Angelicaernte ist (las Reinigen der Wurzeln von erdigen Anhängseln, weil das Wasser um diese Zeit schon empfindlich kalt ist. Die sauber gereinigten Wurzeln erhalten durch In- einanderflechten ein zopfartiges Aussehen. In dieser Ge- stalt kommen sie in den Handel. Frisch giebt die Wurzel einen gelblichen Milchsaft. Getrocknet ist der Wurzelstock innen schwammig und weisslich. Die Wurzelrinde zeigt gelbe, glänzende Balsam- schläuche oder Oelbehälter. Das Holz der Wurzel ist fleischig und hat dichte, weisse Markstrahlen und unregel- mässig gekrümmte Gefässbündel. Alle Wurzeltheile schmecken süsslich scharf uud dann bitter, aber stark balsamisch. Während die frische Pflanze von Insekten gemieden wird, nmss man doch die trockene Wurzel beim Aufbewahren vor dem Bohrkäfer Anobium paniceum schützen. Die Bestandtheile der Wurzel sind ausserordentlich zahlreich. Die Chemie hat folgende nachgewiesen: Harz, Wachs, Zucker, Stärkemehl, Bitterstoff", Gerbstoff, Apfel- säure, Baldriansäure, Angelicasäure, phosphorsaure Erde, apfel- und pektinsaure, schwefelsaure, salzsaure Salze, Kieselsäure und Eisenoxyd. Die Verwendung der Angelica ist eine vielseitige. Man stellt besonders aus ihr Magenelixire und Liqueure her, die belebend und magenstärkend wirken, benutzt sie aber auch zu Bädern und Kräuterkissen. Aus 16 Theilen zerschnittener Augelicawurzel, 4 Theilen Baldrianwurzel, 4 Theilen Wacholderbeeren, 75 Theilen Weingeist und 125 Theilen Wasser bereitet man Angelicaspiritus (Spiri- tus Angelicae compositus), der äusserlich und innerlich au- gewendet wird. Aeusserlich dient er zur Einreibung bei Lähmungen, Gicht und Rheumatisnms und wird auch in die Bäder gegossen, innerlich ist er ein belebendes, magen- stärkendes, schweisstreibendes Mittel. Angelicaliqueur wird besonders in Bockau, aber auch sonst noch hier und da bereitet. Wenn es nicht auf Feinheit des Greschmacks bei der Branutweinbereitung abgesehen ist, so kann man selbst das ätherische Oel der zerschnittenen Wurzel durch Spiritusaufguss entziehen. Auch aus den frischen Blättern und Zweigen wird unter Zusatz von anderen aromatischen Stoffen ein Angelicaliqueur bereitet. Ich ziehe die An- gelica im Garten und stelle meinen Angelicaliqueur selbst her. Der berühmte Liqueur de la Grande-Chartreuse oder Elixir vegetal de la Grande- Chartreuse besteht aus Me- lissenkraut, Pfefterminzkraut, Augelicawurzel, Zimmtkassie, Saffran, Muscatblüthe, Citronschale, Weingeist, Zucker und Der Universalmagenbitter hat zu seinen Hauptbestand- theilen Euzian und Angelica und wird als Präservativ- mittel gegen Cholera benützt. Das Elixir of Celery von Dr. Wilkinson wird bereitet aus Wachholderbeeren, Angelica, Liebstöckel wurzel, Pomeranzenblüthenwasser, Rosenwasser, Spiritus und Honig. Au.sserdem bildet Angelica einen Bestandtheil vieler Balsame und Tincturen, wie uns alu umfassendsten das berühmte Werk von Dr. Hoger, „Das Handbuch der phar- maceutischen Praxis", angiebt. Die heilkräftigen Wirkungen haben der Angelica den Namen „Heiligegeistwurzel" eingetragen. Die Cholera in den Jahren 1891 — 1893 in Hamburg u. s. w. rief eine bedeutende Preissteigerung der Angelica hervor und machte deren Anbau wieder lohnend. Seit welcher Zeit Bockau Arzneigewächse baut, ist nicht bekannt. Die Chronik von Bockau, die von dem im Jahre 1773 am Hungertyphus gestorbenen Pastor Körner begonnen worden ist, berichtet viel über den früheren Berg- segen der Gegend, enthält aber nichts von dem ersten Anbau der Arzneigevyächse. Erst seit dem Jahre 1819 XV. Nr. 17. Naturwissenschaftliche. Wochenschrift. wird in derselben alljährlich der Preis der Angelica an- gegeben. In dem genannten Jahre kostete der Centner derselben 15 Mk., 1888 18 Mk., 1889 23 Mk. und 1890 nur 14,50 Mk. 1891 stieg er jedoch auf 50 Mk., 1892 auf 60 Mk. und 1893 sogar auf 72 Mk. Jetzt kostet die Doppelladung Angelicawurzel 5000 Mk. und die Doppel- ladung Augciicabiätter 4—5000 Mk. Für den Anbau der Angelica ist zu beachten, dass der Samen nur zwei Jahre keimfähig ist. Ausser der Angelica werden in Bockau noch verschiedene andere Kräuter kul- livirt, wie Baldrian, Liebstöckel, Pimpernelle, Huflattich, Quendel, Thiniiau u. s. w. Aus 17 Kräutern stellt die Firma Brückner in Bockau den vorzüglich magenstärkenden Branntwein „Stock- dumm" her. Aus den zahlreichen Arzneikräutern, die in Bockau angebaut werden, bereitet man allerlei wohlriechende und balsamische Essenzen, Eäucherpulver und den sogenannten Schnccberger Schnupftabak, der, wie der Volksmund sagt, den Schwindel nehmen und den verloreneu Verstand wieder- bringen soll. Wer die wohlthätige Wirkung der Angelica in irgend einer Weise an sich erfahren hat, der wirft zweifellos bei einer Fahrt auf der Linie Chemnitz- Aue-Adorf einen dank- baren Blick nach dem Heilkräuter erzeugenden Bockau- thale hin. Ich habe Samen von selbst gezogenen Pflanzen an die Landwirthe des Vogtlandes vcrtheilt und letztere be- iciten nun Branntwein aus den Angelicawurzeln. L. Herrmanu, Ocisnitz i. Vogtl. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurdon: Der Königliche Bez Z inuiiorniann zum Könifflieh in-eussiselioii der liil- ■ - - ^ " ' ind .ge,dogo Dr. E iindesgeologen ilfsg-eologe Dr. Curt Gagel zum Kiiniglich preiissischen Bezirksgeologen; Dr. Gustav A schaffenbarg, Privatdocent der Irrenheilkunde in Heidelberg zum ausserordentlichen Pro- fessor; Dr. Theodor Münster, Bibliothek- Assistent am Reichs- tage, zum Bibliothekar; Dr. Karl von den Steinen, ausser- ordentlicher Professor der Ethnologie in Berlin, zum Directorial- Assistenten bei den Königlichen Museeen in Berlin; Dr. Mathias Schlegel, Privatdocent und Assistent an der thierhygienischen Abtheilung des liygienischen Institus der Universität Froiburg, zum ausserordentlichen Professor. L i 1 1 e r a t u r. Festschrift zur Feier der Enthüllung des Gauss-Weber- Denkmals in Göttingen. Herausgegeben von dem Fest Comite. B. G. Teubnor in Leipzig. 1899. — Die vorliegende Festschrift enthält '2 besonders paginirte Abhandlungen, nämlich 1. D. Hil- bert: Grundlagen der Geometrie (92 Seiten) und 2. E. Wiochert: Grundlagen der Elektrodynamik (112 Seiten). Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft. 17. Jahr- gang. Bd. XVII. Berlin, Gebrüder Bornträger. 18;i9, — 1. E. Ule: lieber einige neue und interessante Bromcliaceen. — 2. J. Rcinke und E. Braumüller: Untersuchungen über den Einfluss des Lichtes auf den Gehalt grüner Blätter an Aldehyd. (Ana dem Botanischen Institute in Kiel.) — 3. 0. V. Darbeshirc: Chan- transia endozoica Darbish., eine neue Florideen-Art. (Mit Tafel I). — 4. A. Rimbach: Beiträge zur Physiologie der Wurzeln. (Mit Tafel II.) — 5. E. Ule: Ueber einen experimentell erzeugten Aristolochienbastard. (Mit Tafel III.) - 6. B. Frank: Berichti- gung B. Wehmer, Monilia fructigena Fers. — 7. Hngode Vries: Ueber die Periodicität der partiellen Variationen. (Vorläufige Mittheilung.) — 8. E. Ule: Ueber spontan entstandene Bastarde von Bromcliaceen. (Mit Tafel IV.) — 9. E. Palla: Ueber die Gattung Phyllactinia. (Mit Tafel V.) — 10. C. Wehmer: Ent- gegnung auf die „Berichtigung" von B. Frank, Monilia fructig(;na betreffend. — 11. Ernst Küster: Ueber Derbesia und Brvopsis. (Mit Tafel VI.) - 12. Hugo de Vries: Ueber Curvonseioetion bei Chrysanthemum segetum. (Mit Tafel VII). — 13. C. Stein- brinck: Ueber elastische Schwellung (Entfaltung) von Geweben und die muthmaassliclio Saugwirkung gedehnten Wassers. — 14. P. Magnus: Ueber die Gattung Uropyxis Schroet. — 1.5. F. Hegelmaier: Ueber convolutive Cotylodonen. (Mit Tafel VIII.) — 16. R. Olto: Wasserculturversucho mit Kohlrabi zur Erforschung der für die Kopfausbildung dieser Pflanze nöthigen Nährstoffe. — 17. P. Magnus: Ein bei Berlin auf Caragana'ar- borescens Lam. epidemisch auftretender Mehlthau. (.Mit Tafel IX.) — 18. N. Prianischnikoff: Eiweisszerfall und Eiwei.ssrück- bildung in den Pflanzen. (Vorläufige Mittl Schröder: Planktoupflanzen aus Seeen Tafel X.) — 20. Fried ri ' mg). - 19. Bruno r'on Westproussen. (Mit Hildebrand: Die Keimung der Samen von Anemone apenuiua. (Mit Tafel XI.) — 21. F. Cza- pek: Zur Biologie der holzbewohnenden Pilze. — 22. C. Stein- brinck: Zum Vorkommen und zur Physik der pflanzlichen Cohä- sionsmechanismen. — 23. P. Magnus: Ueber die bei verwandten Arten auftretenden Modificationon der Charaktere von Uridinoen- Gattungen. (Mit Tafel XIL) — 24. P. Sorauer: Zur Monilia- Krankheit. — 25. J. Baranet/.ky: Ein neuer Rogistrirapiiarat (Mit Tafel XIIL) - 26. A. Weberbauer: Ueber Bildungs- abweichungen in den-Blüthenständen einer Eiche. (Mit Tafel XIV.) — 27. Wl. Belajeff: Ueber die Centrosome in den spermatogenon Zellen. (Mit Tafel XV). - 28. H. C. Schollenberg: Ueber die Sklerotienkrankheit der Quitte. (Mit Tafel XVL) - 29. F. Schutt: Ein neues Mittel der Colonicbildung bei Diatomeen und seine systematische Bedeutung. — 30. F. Heydrich: Einige neue Mc- lobesien des Mittelmeere.s. (Mit Tafel XVII.) — 31. Hans Mo- Ijisc h: Ueber das Vorkommen von Indican im Chlorophyllkorn der Indicanpflanzen. (Mit Tafel XVIII). — 32. Bengt Lidforss: Ueber den Chemotropismus der Pollenschläuche. (Vorläufige Mit- theilung.) — 33. B. Leisering: Ueber die Korkbildung bei den Chcnopediaceen. (Mit Tafel XIX) - 34. Georg Bitter: Zur Anatomie und Phj'siologle von Padina Pavonia. (Mit Tafel XX.) — 3.5. W. Kothert: Ueber parenchymatisclie Tracheiden und Harzgänge im Mark von Cephalotaxus-Arten. (Mit Tafel XXI.) — 36. E. Schwabach: Zur Kenntniss der Harzabscheidungen in Conifeiennadeln. (Mit Tafel XXII.) — 37. F. Noll: Die ge- formten Proteine im Zellsafto von Derbesia. — 3S. E. Hein- richer: Ein Fall beschleunigender Wirkung des Lichtes auf die Samenkeimung. (Vorläufige Mittheilung.) — 39. Boliuniil Nemec: Die Mykorrhiza einiger Lebermoose. (Mit Tafel XXIV.) ~ 40. A. Schorf fei: Phaeocystis globosa u. sp. (Voi'läuHge Mittheilung.) — 41. W. Kinzel: Beitrag zur Keimung von Cus- cuta. — 42. A. Nest 1er: Ueber das Vorkommen von Pilzen in Wachholderbeeren. (Mit Tafel XXV.) — 43. C. Steinbrink: Ueber die Verdrängung der Luft angeschnittener Pflanzenzellcn durch Flüssigkeiten. — 44. A. Nestler: Die Secrettropfeu an den Laubblättern von Paseolus multiflorus Willd. und der Malva- ceeu. — 45. P. Magnus: Beitrag zur Kenntniss der Melampso- rella Caryophyllacearum (DC) Schroet. (Mit Tafel XXVI.) - 46. A. Weisse: Ueber Veränderung der Blattstellung au auf- strebenden Axillarzweigen. (Mit Tafel XXVII.) — 47. R. Kolk- witz: Ueber die Verschiebung der Axillartriebe bei Symphytum officinale (Zweite Mittheilung.) — 48. Hans Solered er: Zur Morphologie und Systematik der Gattung Cercidiphyllum Sieb et Zucc, mit Berücksichtigung der Gattung Eucommia Oliv. (Mit Tafel XXVIII.) — 49. F. Brand.- Ueber einen neuen Typus der Algen-Chlorophoren. — 60. C. Correns: Untersuchungen über dieXenienvonZcaMays. (Vorläufige Mittheilung.) — 51. K. Fritsch: Ueber eine von Welwitsch in Angola entdeckte Art der Gattung Streptocarpus. — 52. Dtto Müller: Kammern und Poren in der Zellwand der Bacillariaceen. II. (Centrifugales Dickenwachsthum und extramembranöses Plasma. (Mit Tafel XXIX und XXX). — 53. Douglas H. Campbell: Die Entwickelung des Embryo- sackes von Pepcromia pellucida Kunth. — 54. Paul Sorauer: Ueber Infuraescenzen. (Mit einem Holzschnitt.) — 55. M. Tswett: lieber die Verknüpfung des äusseren und des inneren Loptoms der Solanaceen durch markstrahlenständige Lemptombündel. — 56. F. W. Neger: Beitrag zur Keuntniss der Gattung Phyllactinia (nebst einigen neuen argentinischen Erysipheen). (Mit Tafel XXIII.) — 57. Eduard Buchner: Ueber Zymasegährung. — fi8. E. Hein - richev: Zur Entwickelungsgeschichte einiger grüner Halbschma- rotzer. (Vorläufige Mittheilung.) — 59. R. Kolkwitz: Beiträge zur Biologie der Florideen (Assimilation, Stärkeumsatzung und Athmung. — Bericht der Comniission für die Flora von Deutsch- land über neue Beobachtungen aus den Jahren 1892—95. Vor- gelegt von ihrem Obmanne. Inhalt: Dr. S. Prowazek: Zur Psychologie der Einzelligen. — Die Hautfarbe der Neugeborenen bei den Negervölkern. — Ueber die Wirkung hochgespannter Ströme auf das Blut. — Altes und Neues über die Angelica. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteralur: Festschrift zur Feier der Enthüllung des Gauss- Weber Denkmals in Göttingen. — Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft. — Liste. 204 Naturwisswiscliaftliche Woclienschrift. XV. Nr. 17. |gbcrmrttm ft\n ftflcngr gLitmultt giii wirftid) ^raftifdjee JWcdjtSbMcf) fin Ztatt uiiii t'aii& in Berlin SW. 12 unter ^l'nl Jitct eben in 5-cr6. ^Xnminlcr« 5ßcrlaii^bud)()niiMunrt giii praftijcficr, aüijemeiii uerftftnbtidjer afntflclu'v für '^äerjoiieii nüer Stntibo-, mc[d)er bie midjiigiteti für bic 9icd)täiUer^äItniffe bcS tngliri)i'r ücbcus in S8c'trad)t fonimciibcn i8orfd)riften bcr SRcldjeiicfciic ciit!|ii[t, erläutert uiib jur Slmüeiibmig bringt. Jperau§gcge6en Don Slratäfleviifttärni Dr. 9){cnjcn. Wa mcl)x nls 40ü gormiilnrcn iinb 2ad)rcgiftcr. Ha. 160t) Snictfcitcu gr. 8". 3u bc,5iff|cn in 32 n)öd}entlid)cn S'icfcrimgci h 30 *t>f. biird) jcbc S3ud)f)anblimg. .&cft 1 und) ,5uv *Jlu|"irf)r. 'gfVofVetkf ficgf öev ßetttigeit glvttnmct' C^ci. L !♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦»♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦»♦»♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦«■ von Poncet Glashütten -Werke 54, Köpnickerstr. 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Nr. 18. Abonnement: Man aboniürt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jl 4.— Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 -A. Grössere Aufträge euli- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdrark ist nnr mit voll8täncIis:er Qnellenangabe g;estattet. Ueber die Verbreitung des Springfrosches (Rana agilis) in Deutschland. Von Dr. W. Wol ters t orff, Custos ain naturwissenscliaftlichen Museum zu Magdeburg. Als ich vor fast 10 Jahren den ersten sicheren Fund- ort für Rana agilis Thom. in Böhmen, Cundratitz bei Prag, beiiannt gab*), war das Vorkommen dieser hochinter- essanten Form des Südens auf reichsdeutschem Boden mit Sicherheit erst von 2 Orten, Strassburg und Würzburg, nachgewiesen. An ersterem Orte war die Art in einem Exemplar im Rheinwalde von dem jetzigen Direktor des Römermuseums in Hildesheim, Prof. Ach. Andreae, er- beutet**), an letzterem entdeckte Prof. Franz Leydig, der Altmeister der deutschen Herpetologen, die Art eben- falls in wenigen Individuen bei Höchberg und Veitshöch- heim***). Wiederum in nur einem Exemplare wurde der Springfrosch von Frl. Troger, lt. Determination Professor Böttger's, bei Matzing nahe Traunstein in Oberbayeru gefunden, vergl. Brehm's Thierleben, Bd. Kriechthiere, neubearbeitet von Prof. Böttger, 1892, S. 678, wo alle obigen Fundorte zusammengestellt sind. DUrigen giebt in seinem Werkef) auf S. 462 hauptsächlich Böttger's und Bedriaga'sft) Angaben wieder, dagegen ist ihm eine ganze Reihe wichtiger neuer Fundorte entgangen, trotz der ihm zur Verfügung stehenden reichen litterari- schen Hilfsmittel der Berliner Bibliotheken! So sammelte Fr. Leydig den Springfrosch ferner bei Rothenburg (Tauber f ff), M eis heimer stellt das Vorkommen dieser *) Zoologiseher Anzeiger Nr. 335, 1890. **) O. Böttger, Ein für Dentschland neuer Frosch, Zool. Anz. 1880, S. 651, und Böttger, Ueber die wichtigsten Unter- schiede der fünf deutschen Rana-Arten, Zool. Garten 1885, Jahr gang XXVI, S. 245. ***) Triton helveticus und Rana agilis. Verhdl. Phys.-Med. Ges. Würzburg 1888, S. 202, und Zool. Anz. 1889, Nr. 299. t) Deutschlands Amphibien und Reptilien. Magdeburg, Creutz'sche Buchhandlung. 1897 (abgeschlossen Sommer 1896). tt) J. V. Bedriaga, die Lurchfauna Europas. 1. Anura, Frosch- lurche. Bull. Soc. Imp. Nat. Moscou, Nr. 2, 3, 1899. Sonderab- druck S. 114. ttt) Springfrosch, Rana agilis: Ellritze, Phoxinus laevis. Zool. Garten XXXIII. 1892. Art für Linz am Rhein in den Jahren 1890 und 1893 mit Sicherheit fest*), er fing im Ganzen wenigstens ein Dutzend Exemplare, während eine grössere Anzahl dem Netze entrann. Er wie Leydig hatten das Vorkommen am Siebengebirge und in seiner Umgebung schon längst vermuthet, ohne doch Belegstücke erlangen zu können. Zu derselben Zeit ward der Springfrosch auch aus dem Südosten und dem äussersten Südwesten Deutschlands angegeben! In der Umgebung des Zobten fing Karl Knauthe**) 2 Exemplare bei Schlaupitz und Jentsch- witz (Determination von Boulenger bestätigt!), augeregt durch meine Mittheilung im Zoolog. Anzeiger, wie er selbst schreibt. Durch diesen Fund erhält meine 1890 ausgesprochene Vermuthung, das Vorkommen der Art im südöstlichen Zipfel Schlesiens, selbst noch im König- reich Sachsen, könne jetzt nicht mehr für unmöglich gelten, erwünschte Bestätigung! In der That dürfte jetzt die Entdeckung des Südländers auch im Königreich Sachsen nur noch eine Frage der Zeit sein. Und vom Kaiserstuhl (Baden) signalisirt G. Normann Douglass***) den Fund von 3 Exemplaren im Jahre 1889 (Determ. von Leydig bestätigt), während er einen früheren Fund bei Karlsruhe aus dem Jahre 1884 in Ermangeluug der Beleg- stücke zweifelhaft lässt. Diesen Angaben, welche in Boulenger's trefflichem, noch viel zu wenig gewürdigten Werke The tailless Batrachians of Europef), welches in knapper und klarer Form alles Wesentliche bringt, sorg- *) Verhdlg. Nat. Ver. Rheinlande, Correspondenzblatt 1890, S. 82, und 1893, S. 44. **) Zeitschr. f. ges. Naturwiss., Organ naturw. Ver. Sachsen u. Thüringen, Bd. 67, 1894, S. 120, und Zoolog. Garten, XXXV, 1894, S. 286. ***) On the Herpetology of the Grand Duchy of Baden (reprin- ted from „the Zoologist", 1894, with Corrections etc.). 1894. London, Adams Brothers, S. 45. t) Ray Society, printed by Adlard and son, London auch separat käuflich. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 18. fältig zusamrueugestellt wurden*), vermag ich heute einige weitere Fundorte anzuschliessen; München und Frankfurt a. M., ferner die Umgegend von Linz a. Donau in Oberösterreich und Salzburg, üeber den Fund bei München scbreibt mir Herr Thiermaler Lorenz Müller- Mainz in München, selbst eifriger Herpetolog, etwa Folgendes: „Das vorliegende Exemplar, ein erwachsenes Weibchen, wurde im Juli des Jahres bei Ganting, einer Ortschaft etwa halbwegs zwischen München und Starnberg, gelegentlich einer Excursion des Vereins für Aquarien- und Terrarienkunde „Isis" in München erbeutet und von dem Vorsitzenden H. Lankes sofort mit Sicherheit als Rana agilis erkannt. Weitere Nachforschungen blieben bisher erfolglos." „Bei der Entfernung von München — 4 Weg- stunden — ist Versebleppvuig ausgeschlossen, auch hat ausser mir noch Niemand in München Spring- frösche lebend besessen." Der in Rede stehende Frosch, ein prächtiges, ge- sundes Individuum, hat mir lebend zur Controlbestimmung vorgelegen und konnte ich mich von der Richtigkeit der Determination überzeugen. Er misst 65 mm Körperlänge, die Gesammtlänge mit ausgestreckten Hinterbeinen be- trägt aber mindestens 175—180 mm. Die Hinterbeine überragen, nach vorn umgebogen, mit der Gelenkverbin- dung der Tibia und des Tarsus die Schnauze beträcht- hch. Die Gelenkhöckcr sind gut ausgebildet, knopfförmig, rotb gefärbt. Der Metatarsaltuberkel ist wohl entwickelt. Die Färbung der Oberseite ist schön röthlich oder rosa, fast fleischfarben, ähnlich wie bei manchen Rana tem- poraria und arvahs. Die Schenkel sind mit dunkeln Querbinden versehen, der Bauch weiss, die Kehle rosa angehaucht. Durch die Färbung der Oberseite weicht das Exemplar, worauf mich H. Müller hinwies, von dem typischen Aussehen der Exemplare z. B. von Turin ab. Gleichzeitig theilt mir Herr Prof. Böttger mit, dass es ihm gelungen sei, den Springfroseh nunmehr auch in der Umgebung Frankfurts a. M. an der Ober- und Uuter- schweinstiege sowie bei Schwanheim a.M. nachzuweisen**). Diese 3 Fundorte sind südlich vom Main im und am Waldeomplexe des weitausgedehuten Frankfurter Waldes, meist auf hügeligem Terrain, belegen — waldiges Hügel- land, Waldwiesen sind es, wo der Springfrosch am Ersten anzutreffen ist! — doch wurde je nur ein Exemplar be- obachtet. Ohne Zweifel ist die Art also auch bei Frank- furt recht selten. Mir selbst ist im Sommer 1890 und April 1891, wo ich gelegentlich zahlreicher geologischer Exkursionen in dieser Gegend nebenbei auch nach Ba- trachiern eifrigst spähte, nie eine Rana agilis zu Gesichte gekommen, während ich z. B. Rana arvalis mehrfach be- obachtete. Es muss bei dieser Gelegenheit darauf hin- gewiesen werden, dass C. Koch (in Formen und Wand- lungen der ecaudaten Batrachier des Untermaingebietes etc., Ber. Senckenb. 1872, S. 141) von Enkheim a. Main nahe bei Frankfurt, am nördlichen Ufer der Altwässer des Mains eine var. gracilis des Grasfrosches, Rana tem- poraria, erwähnt, die er der Rana agilis Thom. vergleicht. Die Beschreibung ist nicht recht klar, wenn auch die Länge der Hinterbeine, die „fast fleischfarbene Färbung" und anderes für Rana agilis sprechen. Nachdem sich die Art inzwischen in diesem Gebiet mehrfach gefunden hat, *) Im Gegensatz zu Dürigens Werke finden wir die gesaininte Litteratiir, auch die deutsche, bis 1897 aufgeführt! **) Böttger hat den Fund an der Oberschweinstiege, wie er mir freundlichst mittheilt, im Ber. Senckb. für 1898, S. XXXIX und LXXXyil kurz angegeben. Manch' andere versteckte An- gabe aus Sitzungsberichten , Zugangs-Katalogen mag mir ent- ist kaum noch daran zu zweifeln, dass schon C. Koch den Springfrosch bei Frankfurt erbeutet hat. Endlich constatirte Herr Emil Angele, Realschüler, im vorigen Jahre Rana agilis bei Liuz a. Donau und Hess mir 2 Belegstücke zukommen. Wie er mir jetzt schreibt, findet sich die Art um Linz au mehreren Orten, einmal wurden 10 Stück bemerkt. Auch im Mtthlviertel hat er sie bei Neufelden, nur ca. 5 Meilen von der Reichsgrenze bei Passau, und, in vorerst nur einem Exemplar, bei Salzburg am Fuss des Unterberges gefangen. Bisher war der Springfrosch in den Erzherzogthümern nur aus der östlichen Hälfte Niederösterreichs, besonders aus der Um- gebung Wiens, und vom Wiener Wald nachgewiesen.*) Aller Wahrscheinlichkeit nach bedeuten die genannten Fundorte nur die bisher festgesteUten Etappen der einstigen oder jetzigen Verbreitung der Rana agilis in Deutschland und den angrenzenden Gebieten. Dass sie einst von Süd- osten und Südwesten einwanderte, ist nicht zu bezweifeln. Von Wien aus lässt sich die „Etappenstrasse" im Norden bis Prag und zum Zobten, nach Westen über Linz a. d. Donau, Salzburg und Traunstein bis München verfolgen. Am Ober- und Mittelrhein ist der Springfrosch sicher all- gemein verbreitet, wenn er auch vielerorts fehlen wird und nie häufig ist, vergl. das Vorkommen am Kaiserstuhl und bei Karlsruhe, Strassburg, Frankfurt a. M. und Linz a. Rh. Da er in den Cantonen Genf, Bern, Zürich z. B. bereits nachgewiesen ist, vergL Boulenger, 1. c., fehlt nur noch der Nachweis in der Gegend von Basel oder Schaff- hausen, um einen der Wege für Einwanderung aus dem Süden klar zu stellen. Es bedarf aber gar nicht dieses Nachweises, Rana agilis kann eben so wohl auch in der Gegend des Rhone-Rhein-Canals, wo sie im Departement Doubs nachgewiesen wurde, vorgedrungen sein.**) Zwischen Strassburg und Linz a. Rh. ist allerdings bisher erst Frankfurt als Fundort beglaubigt. Mit den Vorkomm- nissen bei Frankfurt a. M. stehen wieder die Oertlich- keiten Würzburg und Rothenburg a. Tauber in Verbindung. Bei emsigen, jahrelangen Nachforschungen wird die Art den Lokalsammlern sicher noch öfter in die Hände fallen, insbesondere seien die Mitglieder der Vereine für Aquarien- und Terrarieukunde hierauf hingewiesen.***) Flüchtige Durcbstreitung einer Gegend reicht zur Entscheidung der Frage, ob Rana agilis in ihr vorkommt oder nicht keines- wegs aus! Leydig hat im Siebengebirge und Tauberthal früher lange vergeblich gesucht, Böttger und Anderen ist der schon 1873 für Frankfurt angezeigte Frosch bis vor Kurzem entgangen, umgekehrt hat ihn seit 1880 kein Strassburger Zoologe aus dortiger Gegend angegeben. So kann es auch nicht befremden, wenn Fr. Müller bei Basel, Geisenheyner bei Kreuznach der Art nicht be- gegneten. Bei seiner Springfertigkeit wird er wohl auch öfter als Kröten z. B. Wanderungen unternehmen und seineu Wohnsitz wechseln, namentlich bei Cultivirung des Terrains und Wassermangel. *) Vergl. u. a. Dr. Franz Werner, die Reptilien und Amphi- bien Oesterreich-Ungarns etc. Wien 1897, Verl. von A. Pichlers WittM-e u. Sohn. *•■) In Französisch-Lothringen, überhaupt im nordöstlichen Berg- land Frankreichs, soll sie fehlen. Ich wage, trotz Bedriaga's und Boulenger's Angaben, meine bescheidenen Zweifel auszusprechen. Vielleiclit ist sie auch dort selten und daher bislang übersehen. Am Ersten dürfte sie sich noch in den grösseren Flussthiilern finden. Im Uebrigen kann das Fehlen bezw. die grosse Seltenheit des Springfrosches in diesem Gebiet nicht Wunder nehmen, da er in der Nordhälfte seines Verbreitungsbezirkes in den kälteren Gebirgsgegenden im Allgemeinen selten ist, wie schon Boulenger, 1. c, andeutet. Das Vorkommen bei Linz a. Rh. liegt weit nörd- licher als Lothringen, aber in warmer, geschützter Lage nicht hoch über dem Meeresspiegel. ***) Die Erforschung der Heimath und ihrer Fauna ist eine dankbare Aufgabe der V ereine für Aquarienkunde, des jüngsten, aufblühenden Zweiges populärer Naturwissenschaft! XV. Nr. 18. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 207 Mir lag heute voniemUch an dem Nachweis, dass in der scheinbar regellosen Vertheilung der Fundorte doch eine gewisse Gesetzmässigkeit unverkennbar ist. Ob das schöne Thier in der Jetztzeit im Aussterben, wie Leydig annimmt, oder im Vorrücken, wie ich früher glaubte, be- griffen ist, darüber werden vielleicht künftige Beobach- tungen im Laufe des nächsten Jahrhunderts Aufklärung bringen. Jedenfalls sind Leydig 's CTründe beachtens- werth, da er sich auf langjäbrige Beobachtungen und Er- fahrungen auch an anderen südlichen, jetzt um Würzburg aussterbenden Thieren, stützt, wie an Mantis religiosa, welche im Süden so häufig den Aufenthalt mit dem Spriugfrosch theilt. Es würde sicii um die Feststellung handeln, ob in den einzelnen Gegenden eine Vermehrung oder Verminderung der Art eintritt, von lokalen Verhält- nissen — Zerstörung der Laichplätze durch Trockenlegung und Flussregulirung einerseits, Verschleppung z. B. durch Hochwasser anderseits — abgesehen. Knauthe ver- muthet für das Auftreten am Zobteu Einwanderung in neuester Zeit. Seine Annahme, es möge Verschleppung des Laichs durch Schwimmvögel (Anhaftung am Fuss) stattgefunden haben, scheint mir jedoch nicht stichhaltig, d. h. sie wäre ja in diesem oder jenem Fall möglich, es bedarf aber Heranziehung dieser Theorie garnicht. Jeden- falls erscheint unter diesem Gesichtspunkte sorgfältige Buchung und Controlle jedes einzelnen Fundes durch Kenner von doppeltem Werth.*) Vor der Hand besitzen wir iji Betreff der Häufigkeit folgende Daten: Rana agilis ist um Wien noch immer verbreitet, trotz massenhaften Fangs durch die Sammler, um Linz a. Donau und Prag lokal ziendich häufig, in ganz Süddeutschland dagegen sehr selten, erst bei Linz a. Rhein etwas häufiger. Unter klimatischem Gesichts- punkt betrachtet hat das Vorkommen in den warmen, weingesegneten Strichen der oberrheinischen Tiefebene und des Mittel- und Untermaingebietes, bei Rothenbuig, nichts Auffallendes. Auch Prag, Linz a. Donau besitzen ein ziemlich warmes Klima. Die klimatischen Verhält- nisse Matzings bei Traunstcin sind mir nicht näher be- kannt, doch dürfte die Temperatur des Thaies unter dem Schutze der umliegenden Berge noch immer milder sein als auf der rauhen, allen Winden ausgesetzten Hochfläche von München. Unter Berücksichtigung der kalten Lage Münchens hat das Vorkommen der Rana agilis hier in der That etwas Räthselhaftes. Möglich, dass in diesem speciellen Falle Einwanderung vom Nordfuss der Alpen oder von Osten in neuester Zeil stattfand, möglich auch, dass eine Münchener „Lokalrasse" sich dem Klima an- passte. Es ist jedoch zu beachten, dass gerade Ganting sehr geschützt im Thale der Wurm liegt, deren Wasser selbst bei kälterer Witterung im Gegensatz zur Isar lau und mild ist, da sie durch das Becken des Starnberger Sees lemperirt wird! Auch in anderer Hinsicht bietet die herpetologisch scheinbar so arme und reizlose Munchener Gegend den Zoologen auffallende Erscheinungen. Ich erinnere hier an den Fund der Knoblauchskröte, Pclobates fuscus im Dachauer Moor, welchen wir ebenfalls dem rührigen Lokalforscher Herrn Lankes, Vorsitzenden der „Isis", verdanken. Auch dies Thier ist eine grosse Seltenheit ■') Zur Prüfling solcher Fuiule bin ich stets gern erbötig. bei München und ist der Fundort um so bemerkens- werther, als Pclobates bis vor wenigen Jahren in der weiten Umgebung von München entschieden verraisst wurde, von ganz zweifelhaften Angaben abgesehen, und als echte Tieflandsform gilt. In meinem Aufsatze „die geographische Verbreitung der Amphibien Deutschlands, insbesondere Württembergs"*), wo zum ersten Male eine durchgreifende Scheidung der deutschen Amphibien, namentlich der Anuren, nach thiergeographischen Ge- sichtspunkten versucht wurde, indem ich neben den bereits bekannten West- und Südformen (Alytes, Triton palmatus, Rana agilis), Bergformen, Tief landsformen und Allerwelts- bürger unterschied, bezeichnete ich Pclobates fuscus nebst Rana arvalis, Rana esculcnta ridibunda, Bombinator igneus als echte Tieflandsfoi-men, mit dem Zusätze, dass Pclobates und Rana arvalis die grossen Flussthäler auf- wärts am weitesten in Süddeutschland, bis Basel und Nürnberg, vordringen. Weitere Forschungen auch von anderer Seite haben die Richtigkeit meiner damals nur kurz begründeten An- sicht vollauf bestätigt, insbesondere lässt sich die Schei- dung in Berg- und Tief landsformen nach Werner und V. Mehely im Allgemeinen durch ganz Oesterreich- Ungarn bis nach Siebenburgen verfolgen! Um so auf- fallender erschien mir Dürigen's Angabe, welcher in seinem oben citirten umfassenden Werke meine oben aus- gesprochene Ansicht, S. 430 ff., adoptirt, ohne freilich meinen Namen zu erwähnen, dass Pclobates fuscus bei München vorkommt, da man doch diese Hochebene von 520 Meter Meereshöhe unmöglich zum Tiefland rechnen kann! Siehe 1. c, S. 580 und 656. Meine Zweifel waren um so mehr gerechtfertigt, als im Augsburger Museum Erdkröten unter der Bezeichnung Kuoblauchskroten, Pclo- bates, ausgestellt sind und auch als solche irrig von J. F. Leu und A. Wiedcmann angezeigt werden. In- dessen legte mir H. Lankes vor 2 Jahren ein selbst- erbeutetes Exemplar von Pclobates aus der Münchener Gegend vor, so dass an seinem Vorkommen in Ober- häusern nicht mehr zu zweifeln ist! Wahrscheinlich ist die Art aus dem Wiener Becken über Linz, von wo sie mir Herr Angele meldet, und über Regensburg, wo sie auch vorkommen soll — ich erhielt von mehreren Seiten Mittheilung über ihr Vorkommen, nie aber Belege — nach München vorgedrungen, vielleicht ist sie auch in Bayern weiter verbreitet als ich bisher annahm. Das, übrigens seltene. Vorkommen wird sich, bei dem unzweifel- haften Fehlen der Kuoblauchskröte in typischen Gebirgs- gegenden, aus der Sonderstellung der oberbayrischen Hochebene, welche weder Tiefland noch Bergland im eigentlichen Sinne des Wortes ist, erklären lassen. Ihre weiten Moore, ihre waldlosen Distrikte tragen theilweise den Charakter der Tiefebene und ermöglichen anscheinend die Anpassung mancher sonst für das Tiefland bezeich- nenden Thiere, während anderseits aus dem nahen Alpcn- gebiet häufig echt alpine Formen eindringen werden. Es wäre von Interesse, festzustellen, ob sich ähnliches nicht auch bei anderen Thierklassen und den Pflanzen wiederfindet. Umgekehrt sei auf die Seltenheit bezw. das Fehlen der Salamandra maculosa, eines typischen Bewohners der Gebirgswälder, um München hingewiesen. *) Jahreshefte Ver. vaterliind. Naturkunde in Württ. 1890. 208 Naturwissenschaftliclie Wochenschrift. XV. Nr. 18. Assimilation des atmosphärischen Stickstoffs. Von E. Bohl ig in Eisenach. Nachdem bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts die i lation des atmosphärischen Stickstoffs, soweit der elelirische Funke nicht im Spiel war, von den Chemikern immer verneint worden war, schien es 1858—59 dem Prof. Schönlein gelungen zu sein, eine neue Quelle der Bildung von Stickstoffverbindungen aus dem Stickstoff der Atmosphäre zu entdecken. Er wies salpetrige Säure nach au allen den Luft ausgesetzten Gegenständen, Holz, Glas, Erden, Metallen, kurz, alles was in freier Luft von Regen getroffen werden konnte und wieder trocken geworden war, sollte salpetrige Säure enthalten, und diese zwar gebunden an Ammoniak als salpetrigsaures Salz. Die Formel für die Bildung dieser Verbindung bei jedem Wasserverdampfungsprozess, wie es da meist hiess, macht ja keine Schwierigkeit, da man 2N mit 2HoO zu- sammenlegen kann zu NH4NO2. Zu jener Zeit mit Untersuchungen beschäftigt über den Ammoniak-Gehalt der atmosphärischen Luft, wurde ich von Justus Liebig veranlasst, meine Versuche zu- gleich auf die verwandten Schönbein'schen über Salpeter- säure auszudehnen, welche soeben in den Annalen der Chemie veröffentlicht werden sollten. Aus diesen vielfachen Versuchen ging unzweifelhaft hervor, dass salpetrigsaures Ammoniak in vielen Regen- wässern, sowohl natürlichen wie künstlichen, also auch in der Luft, enthalten sein müsse und konnte dieselbe viel- fach, wenn auch meist in sehr schwachen Spuren, nach- gewiesen werden. Den Nachweis, dass das Ammoniak der Atmosphäre meist an eine stärkere Säure als Kohlensäure gebunden sei, erbrachte ich damals zuerst mittels Quecksilberchlorid- lösung. Diese giebt mit dünnen, ganz neutralen Ammoniak- salzen stärkerer Säuren — keine Reaction, diese tritt aber sofort oder bei sehr grosser Verdünnung kurze Zeit darauf ein, wenn man die zu untersuchende Flüssigkeit mit etwas kohlensaurem Kalke oder Magnesia vorher digerirt hat. Kohlensäure oder doppeltkohlensaure Alkalien statt Kalk und Magnesiacarbonat zu verwenden, muss man vermeiden, da, zu stark angewandt, erstere leicht eine rothe Färbung durch sich abscheidendes Quecksilber- oxychlorid, letztere eine dem Ammoniak ähnliche Reaction hervorrufen können. Der Nachweis der salpetrigen Säure geschah in be- kannter Weise mittels Jodkaliumstärke und Schwefel- säure. Die Bildung des salpetrigsauren Ammoniaks nach Schönbein bei jeder Verdampfung in der Luft, der auch vor Allem Liebig das Wort redete, spielte keine unbe- deutende Rolle zu jeuer Zeit, als die vermittelnde Thätig- keit der Bacterien noch nicht bekannt war, welche das Dünger-Ammoniak in Salpetersäure überführen, oder, wie in den Wurzelknötchen der Leguminosen die Assimilation des Luftstickstoffs besorgen. Ob seit jenerZeit der Liebig-Schönbein'schen Hypothese der Salpetersäurebildung weitere Versuche gemacht worden ^ind, ist mir nicht bekannt. Factum aber ist es, dass diese Annahme, „bei jeder Wasserverdampfung an freier Luft bilden sich kleine Mengen salpetrigsauren Ammoniaks", bis auf den heutigen Tag noch in manchem chemischen Lehrbuch figurirt. Ich selbst wurde vorigen Herbst auf diesen Gegen- stand wieder aufmerksam bei Gelegenheit der Ausarbeitung meiner neuen, sehr einfachen Nachweisung und quanti- tativen Bestimmung der Salpetersäure*) und stellte zahl- reiche Versuche an, deren Resultate ich in Kürze folgen lassen will. Ein Kalkstein, der sehr porös war und, da er als Umfassung eines Gartenbeets gedient hatte, in seinen Poren viel Erde einsehloss, wurde an einem Faden im Laboratorium frei aufgehängt, mit reinem destillirten Wasser begossen und damit solange fortgefahren, als das gesammelte Ablaufwasser, welches anfangs sehr reich an Salpetersäure war, solche noch enthielt. Nachdem jede Spur einer Reaction verschwunden war, Hess man den Stein an der Luft antrocknen, wiederholte das Anspritzen mit destillirtem Wasser und Trocknenlassen verschiedene Tage lang. In der ersten Zeit konnte man in den Ab- waschwässern ganz winzige Spuren Salpetersäure nach- weisen, später verschwanden auch diese. Ein Control- Versuch mit einem glatten, zuvor völlig abgewaschenen Quarzstein zeigte bei derselben Behand- lung dieselben negativen Ergebnisse, ebenso indifferent verhielt sich die Sache, wenn das zum Anspritzen ver- wendete Wasser schwach alkalisch oder sauer, ozonisirt oder erwärmt angewendet wurde. Es ist noch zu bemerken, dass Ammoniak nie nach- gewiesen werden konnte, auch dann nicht, wenn man glaubte, dass die Salpetersäure-Reaction genügend sei. Aus diesen Versuchen geht zur Genüge hervor, dass die Bildung von salpetrigsaurem Ammoniak im Wasser und Stickstoff beim Verdampfen an gewöhnlicher Luft nicht stattfindet und daher die in den chemischen Lehr- büchern noch allenthalben figurirenden Angaben auf Irr- thum beruhen. Ueberall, wo man Salpetersäure in der Atmosphäre nachweisen kann (und in grossen Mengen ist sie nach- zuweisen) rührt dieselbe von Verbrennungen, dem elek- trischen Funken oder, wie in den allermeisten Fällen, von dem Boden her, in welchem sie während der Vege- tationszeit — bei Gegenwart von genügenden Mengen von „kohlensaurem Kalk" — aus dem Auzoninat des Bodens durch die Bacterien in enormen Mengen gebildet wird. Vom Wind wird der Bodenstaub überall hingetrieben, und es kann nicht Wunder nehmen, wenn alle Gegen- stände, die der offenen Luft ausgesetzt sind, Salpetersäure enthalten. Dieses Urtheil wird in ganz besonderer Weise ge- kräftigt durch einen sehr ausführlichen Aufsatz von P. P. Deherain.**) Aus dessen sehr ausführlichen Ver- suchen***) und Nachweisuugen geht hervor, dass das Verdienst zuerst die Bacterienthätigkeit in den KnöUchen der Leguminosenwurzeln nachgewiesen zu haben „Berthe- lot" gebührt, während in Deutschland Prof. Heliriegel und Wilfahrt genannt werden. (Rohrmässler, Zeitschr. „Natur", März 1900.) Es geht ferner hervor, dass ein Schüler des Pasteur- schen Instituts, M. Maze, diese Bacterien zuerst rein ge- züchtet hat und nachwies, dass diese Bacterien von den organischen Stoffen der Pflanze leben und bei diesem Assimilations-Prozess Stickstoff' aus der Luft mit verar- beiten. Maz6 hat ferner nachgewiesen, dass es bestimmt nur *) Fresenius, Analyt. Zeitschrift. **) Le chaulage et le marnage. Revue dos ileu-x mondes, 1900. ***) Academie des sciences Tom. XX. Revue agronomique Tou). X. XV. Nr. 18. Natiirwissenschaftliclie Woeliensohrift. zwei besondere Arten von Bacterien giebt, die getrennt von einander leben.*) Auf scbieferthonigen Böden, wie in der Sartbe et Ma- jenne, wo jeder Kalk feblt, lebt in den KnöUchen des Stecbginsters, Buchweizens eine Art, die ebenfalls Stick- stoff assiniilirt, aber in ganz unbedeutenden Mengen gegenüber der zweiten Art von Bacterien auf Kalkböden, in Klee, Luzerne, Esparcette etc., die ersteren sind sozu- sagen die Gäbruugserreger in sauren, die letzteren in schweren alkalischen Kalkböden. Es ist deshalb die in Deutschland verbreitete (Nobbe) Annahme nicht richtig, dass jede Leguminose nur mit einem bestimmten Bacterium in Symbiose lebe. — Ge- stützt auf diese unrichtige Ansicht, welche schon vor 12 Jahren von Sahlfeldt aufgestellt wurde, unternahm es vor einigen Jahren ein deutscher Physiologe, Nobbe, die Reinzucht der diversen Bacterien für die verschiedenen Leguminosen in die Praxis einzuführen, und sollen, wie Rossmässler neuerdings in der „Natur" berichtet, die Höchster Farbwerke mit der technischen „vielversprechen- den" Einrichtung beschäftigt sein. Unglücklicher Weise ist aber durch französische Forscher und Agronomen bereits nachgewiesen, dass •) Qu'une espece de bacteries vivant sur une legumineuse do sols ealcaire3 convient ä boaucoup d'autres plantes de la memo famille, ayant ce memo habitant, il n'y aurait en realite que deux grandes familles de bacteries productrices de nods, Celles de torres calcaires et Celles depourvus de ehaux. diese künstliche Bacterien-Reinzucht höchstens für die Bacterien - Züchter gewinnbringend werden könnte, für die Landwirthschaft aber ohne jede Bedeutung bleiben muss. Deherain sagt hierüber*), dass die Vorbedingung zum erfolgreichen Klee-, Esparcette- und überhaupt Legu- minosenbau stets die günstige Beschaffenheit des Bodens, hinsichtlich dessen Gehalt an Kali, Phosphorsäure, or- ganischen Dungstoffen, vor Allem aber an kohlensauren Kalk sei, denn wo letzterer, wie auf Schiefer und Granit- böden, ganz fehlt, da nützt es nicht das Geringste, wenn künstlich gezüchtete Bacterien für theures Geld herbei- geschafft werden. Wo aber diese Bedingungen, eine ge- nügende Menge kohlensaurer Kalk vor Allem, vorhanden ist oder gegeben wird, da stellen sich sofort die in der Luft zur Genüge enthaltenen Bacterien ein, die betreifenden Pflanzen gedeihen aufs Beste. Man möchte also den Landwirthen zurufen, sorgt für die gute Vorbedingung eurer Felder, vor Allem für den nöthigeu kohlensauren Kalk, dann könnt ihr das Geld für Bacterienankauf, Nitragin sparen, die Natur liefert die Bacterien, wenn auch nicht gerade in Reinzucht, aber kostenlos. *) L'ensemensement des bacteries de sols calcaires n'est mgme pas necessaire pour fairo reussir les legumineuses en terrains chistaux ou granitiques, le chanlage suftit. Le inoindre nuage de poussiere entraine des millions, et aussitot que ^graines et germes trouvent un milieu favorable, ils s'y installent'et s'y pro- pagent. lieber die Bildung von Eiweiss aus den Peptonen unter dem Einfluss de.s Labfer«iente.s. — Noch inmicr nicht sind die Untersuchungen über die Art und Weise der Eiweissverdauung als abgeschlossen zu betrachten, was jedoch nicht befremden kann, wenn man die äusserst complicirte Zusammensetzung des Eiweissmolecüls berück- sichtigt und nicht die grossen Schwierigkeiten unterschätzt, die es auf sich hat, den Gang der Eiweissverdauung im Thierkörper zu verfolgen, sodass mau sich oft damit be- gnügen muss, durch auf künstlichem Wege gewonnene Verdauungsproducte sich annähernd Einsicht zu ver- schaffen. Früher nahm man an, dass der Resorption der Proteinsubstanzen eine Peptonisation im Darmkanal voraus- gehen müsste, man vertrat die Anschauung, dass das Wesen der Eiweissverdauung darin läge, dass die nicht diff'usiblen, nativen Eiweisskörper in neue diffusible Körper, in die sogenannten Peptone umgewandelt würden, die nun auf dem Wege der Osmose durch die Darmwand hindurch- wanderten, um weiterhin in die Blutbahu zu gelangen. Demgegenüber wurde dann durch eine Reihe von Ar- beiten der Nachweis geliefert, dass mit wenigen Aus- nahmen die Eiweisskörper auch ohne vorausgegangene Peptonisation resorbirt wurden und dass mit gewissen Ausnahmen gelöste Eiweissstofife sich sogar in ziemlicher Menge direct in die Blutbahn injicireu Hessen, ohne dass alsbald ihre Ausscheidung durch den Harn erfolgte, was zweifellos der Fall gewesen wäre, wenn sie Fremdkörper in der Blutbahn dargestellt hätten, da die Nieren be- kanntlich ausserordentlich zuverlässige Regulatoren für die Zusammensetzung des Blutes sind. Anders jedoch verhielt sich's mit den Peptonen, die, in die Blutbahn gebracht, sich durchaus nicht indifferent zeigten, sondern wie fremde Körper durch die Niereu ausgeschieden wurden und in grösserer Menge sogar giftig wirkten. Damit Hess sich nun die weitere That- sache, dass Peptone direct vom Darmkanal aus resorbirt würden, ohne die geringsten toxischen Wirkungen aus- zuüben, nur vereinigen, wenn man voraussetzte, dass die Peptone in der Darmwand eine Umformung, und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach eine Rück Verwandlung in Eiweiss erführen, bevor sie ins Blut gelangten. Dass dem wirklich so ist, haben die Untersuchungen von C. Ludwig und Gaetano SalvioH, desgleichen diejenigen von Franz Hofmeister bestätigt, die ergaben, dass das Pepton während seiner Wanderung vom Darmlumen zum Blut eine Umwandlung erleidet, sodass mau es darnach als Pepton nachzuweisen nicht mehr im Stande ist. Da- mit befinden wir uns vor der Frage, welche Agentien bei der in Rede stehenden Umformung wohl thätig sein mögen. In der 2. Auflage des geschätzten Lehrbuchs der physiologischen Chemie von R. Neumeister (Jena 1897) lesen wir auf S. 311: „Die Veränderung der Peptone bei diesen Versuchen (nämlich denen von Ludwig und SalvioH) muss im Wesentlichen auf unbekannte vitale Kräfte zurück- geführt werden, welche in den Epithelien der Schleimhaut ihren Sitz zu haben scheinen" und S. 312: „Ueber die Natur der Peptonuniformung seitens der Schleimhaut- epithelien der Darmwaud ist etwas Sicheres nicht be- kannt. Sie ist auf eine Rückverwandlung in Eiweiss be- zogen worden, ohne dass jedoch ein directer Beweis für diese Ansicht erbracht werden konnte." Nun hat Dr. Okunew in einer 1895 veröffentlichten Arbeit den Nachweis geliefert, dass eine Peptonlösung unter dem Einflüsse des Labfermentes einen Eiweisskörper giebt. Wenn man hieran anschliessend und im Hinblick darauf, dass der Magensaft und wahrscheinlich auch der Darm- saft Labferment enthalten, die Ueberlegungen in Er- wägung zieht, die W. W. Sawjalow in seiner Arbeit: „Ueber die Bildung von Eiweiss aus den Peptonen unter dem Einfluss des Labfermentes" (Sitzungsberichte der Naturforscher - Gesellschaft bei der Universität Dorpat. XIL Bd., 1. Heft, Dorpat 1899) angestellt hat, dann kann man denselben eine Bedeutung für die Beantwortung 210 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XY. Nr. IS. der oben angezogenen Frage durchaus nicht ab- sprechen. Es ist nach unseren heutigen Kenntnissen schwer zu begreifen, weshalb der gesunde Organismus, der doch recht rationell zu arbeiten pflegt, bei der Verarbeitung der Eiweissstofte unmittelbar nach einander zwei einander entgegengesetze Prozesse vor sich gehen lässt, nämlich die Spaltung, die Peptonisation derselben und dann eine Rückverwaudluug der Spaltungsproducte in Eiweiss. Nun ist bekannt, dass nicht jedes Nahrungseiweiss in der Blutbahn circuliren kann, dass z. B. Hühnereiweiss, Kasein, Haemoglobin unzersetzt durch die Niereu ausgeschieden werden. Die angeführten Eiweissstoflfe sind also für den Organismus Fremdkörper, können demnach unverändert dem Zwecke der Ernährung und des Aufbaues des Körpers nicht dienen. Die Veränderung nun, die sie, um ver- werthbar zu werden, erfahren, besteht darin, dass das complicirte Molecül eines nativeu Eiweisskörpers durch die Peptonisirung in neue, einfachere Molekel, in die so- genannten Albumosen und Peptone zerfällt, und diese letzteren sind es dann, aus denen ein neuer Eiweisskörper gebildet wird, ein Eiweisskörper, der den Lebensbedin- gungen des Organismus entspricht und also am besten den nutritiven und plastischen Zwecken desselben zu dienen fähig ist, wobei noch besonders von S. darauf hingewiesen wird, dass die verschiedensten Sorten von Nahrungseiweiss auf dem angegebenen Wege sämmtlich in einen einzigen neuen zweckentsprechenden Eiweiss- körper übergeführt würden. Das sind inKürzedieAusführungenvonSawjalow, denen nun eine genaue Angabe der Resultate folgen möge, die er bei seinen Untersuchungen über den unter dem Einfluss des Labfermentes aus den verschiedensten EiweissstoflFen gewonnenen neuen Eiweisskörper erhielt. Eieralbumin, Myosin, Kasein und Fibrin wurden zu- nächst mit Hülfe des künstlichen Magensaftes peptonisirt und die dabei erhaltenen Mischungen von Albumosen und Peptonen der Einwirkung des Labfermentes ausgesetzt. Die durch die letztere erhaltenen Producte wurden isolirt und auf ihre Reactionen geprüft. Es ergab sich dabei nun, dass diese Producte von den Eiweissstoflfen, aus denen sie gewonnen worden, vollkommen verschieden, unter einander aber ganz identisch waren. Zunächst musste das durch die Labfermentbehandlung erhaltene Eiweiss behufs Reinigung noch einige Zeit ge- waschen und darnach noch mehrmals in verdünnter Natron- lauge gelöst und durch Neutralisation der Lösung mit Essigsäure wieder ausgefüllt werden, bis schliesslich ein Körper resultirte, der in Wasser unlöslich, in verdünnten Säuren und Alkalien aber sehr leicht löslieh war. Die Lösung in Alkali hatte eine neutrale (auf Phenolphtalein) Reaction und gab folgende Reactionen: 1. Beim Aufkochen trat Gerinnung ein. Ohne ihre Durchsichtigkeit zu verlieren, erstarrte die Lösung in ihrer ganzen Masse zu einer zähen, aus dem Probier- gläschen beim Umwenden desselben nicht herausfliessen- den Gallerte, die für den gewonnenen Körper sehr charak- teristisch ist. 2. Alle Farbenreactionen der Eiweisskörper traten ein. 3. Bei der Neutralisation der Lösung mit Essigsäure fiel der Körper aus, um bei geringem Ueberschuss au Säure sich alsbald wieder aufzulösen. 4. Essigsäure, in solcher Menge zugesetzt, dass der anfangs entstehende Niederschlag sich wieder auflöst, be- wirkte auch eine Gallertbildung. Solche Gallerten gaben auch: 5. die Carbonate, Chloride, Sulfate und Nitrate der Alkalien, 6. die löslichen Salze der alkalischen Erden Ba, Ca, Sr, Mg, 7. die Salze der Schwermetalle. In allen Fällen wurde die Gallertbildung durch eine Erwärmung auf 40° C. begünstigt und war von einer gewissen Concentration der Lösung abhängig, indem aus einer verdünnten Lösung keine Gallerte, sondern ein feiner Niederschlag durch die genannten Reagentien aus- gefällt wurde. Der nach der Fällung und darauf folgen- den Behandlung mit Alkohol und Aether getrocknete Körper hatte nicht den für die Albumosen so charak- teristischen unangenehm bitteren Geschmack und fiel aus der Lösung auch nicht wie diese in der Form zäher, harziger Massen, sondern in der Form halbdurchsichtiger, seifenähnlicher Flocken aus und gehörte, wie sich des weiteren herausstellte, zu den nativen Eiweisskörpern und zwar zu den Globulinen. „Nach seinen physikalischen Eigenschaften, nach seiner Durchsichtigkeit und gallert- artigen halbflüssigen Consistenz erinnert das Gerinnsel des beschriebenen Körpers an das Protoplasmaeiweiss." Der Umstand, dass der Körper so ausserordentlich leicht aus dem gelösten in den ungelösten gallertartigen Zu- stand übergeht, ist dem Verf. ganz besonders beachtens- werth, da er ihm darnach von allen bekannten Eiweiss- körpern zu den plastischen Zwecken des Organismus der geeignetste zu sein scheint, so dass er ihm den Namen Plastin geben möchte. Hinsichtlich der Eiweissverdauung stellt S. zum Schluss folgendes Schema auf: 1. Eiweiss, 2. Albumosen und Peptone, 3. Plastin. A. L. Die Resultate der im Jahre 189J> ausgeführten Versuchsflscherei im Kaiser Wilhelm -Kanal. — Wie schon aus früher von mir in der „Naturw. Wochenschr." veröffentlichten Nachrichten bekannt sein wird, ist von dem Königlichen Oberfischmeister Hinkelmann in Kiel eine Vesuchsfischerei im Kaiser Wilhelm-Kanal ins Werk gesetzt worden. Der Kanal ist bekanntlich die Verbindungsstrasse zweier Meere mit gar verschiedenem Salzgehalt. Er ist daher, wie das auch bei dem Suez-Kanal der Fall ist, ein für die zoologische Wissenschaft sehr dankbares Feld ma- ritimer Forschung geworden. Neben der Hauptbedeutung des Kanals erkannte man recht bald eine mit Hinsieht auf ihren Werth nicht zu unterschätzende Nebenbedeutung des- selben. Man lernte nämlich die volkswirthschaftliche Be- deutung desselben als Schonrevier für die Nutzfische kennen. Was aber noch von grösserer Bedeutung war, das war der Umstand, dass festgestellt werden konnte: Der Kanal ist ein Laichplatz für Heringe. Dass Heringe im Kanal vorkamen, wusste man schon längst. Hinkelmann ent- deckte bereits im Juni 1896 das Vorkommen derselben im Schiernauer-See. (Bei km 70.) Diese Heringe hatten, wie die vorgenommene Untersuchung ergab, abgelaicht. Fortgesetzte Beobachtungen ergaben, dass wiederholt ganze Schwärme von Heringen, dazu auch solche von Sprotten, im Kaiser Wilhelm- Kanal vorgefunden wurden. Als man nun auch gar Heringslarven im Kanal antraf, da durfte Herr Hinkelmann mit Fug und Recht auf den Gedanken kommen, dass die Heringe im Kaiser Wilhelm-Kanal ge- laicht hatten. Dass diese Vermuthung auf der vom Herrn Oberfischmeister Hinkelmann vorgenommenen Versuchsfahrt im April 1899 ihre Bestätigung gefunden hat, berichtete ich bereits in meinem Artikel „Das Laichen unserer Küsten- heringe" (siehe „Naturw. Wochenschr." No. 31 vom 30. Juli 1899). Die vorhandenen Laichplätze liegen bei km 74 (bei Sehestedt). Dort sind zur betreft'enden Zeit die Stein- böschuugen, d. h. die Steine derselben und die dort wach- XV. Nr. 18. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 211 senden Pflanzen geradezu mit Heringseiern bedeckt. Man hat interessante Zählungen veranstaltet und gefunden, dass auf einer Fläclie von zehn Quadrat Ccntiuieter die Summe von 5500 Heringseiern vorbanden ist. Was aber für den Naturforscher von l)esondercr Wichtigkeit ist, das ist der Umstand, dass er hier den in seiner Nähe im durchsich- tigen Wasser laichenden Hering nach Wunsch beobachten kann. Im April, Juni, August und Oktober hat Herr Ober- iischmeister Hiukelmann mit dem ihm zur Verfügung stehen- den Dienstfahrzeug- „Neptun" Untersuchungsfahrten auf dem Kaiser Wilhelm-Kanal unternommen. Wer sich ein- gehend über die Sache orientiren will, der findet in den „Mittheiluugen des deutscheu Seelischer- Vereins" (Februar- lieft d. J.) einen genauen Bericht über den Verlauf der vorjährigen Versuchstischerei. Es sei mir gestattet, an dieser Stelle nur die wichtigsten Resultate jener Versuchs fischerei in aller Kürze dem freundlichen Leser zur Keunt- niss zu bringen. Man war und ist bei diesen Versuchsfischereien alle- mal besonders gespannt über die Beobachtungen der Heringe im Kanal. Da konnte denn wieder ein neues Moment con- statirt werden. Es wurde nämlich festgestellt, dass auch die Mai-Heringe in den Kanal gehen, um ihren Laich in demselben absusetzen. Die Mai-Heringe sind nichts anderes als eine Lokal varietät unseres Küsten- Herings. Man er- kennt die Repräsentanten dieser Varietät an dem meer- grünen Rücken derselben. Es sind diese Thiere identisch mit den sich eines besonderen Rufes erfreuenden Schlei- Heringen. Diese Fische gehen nämlich auch in die Schlei hinauf, um in derselben zu laichen. In grossen Schwärmen gehen die Schlei-Heringe in die Schlei hinauf, und in Massen fallen sie dabei den ihnen nachstellenden Fischern zur Beute. Am 9. Juni 1899 fing man bei km 65 am Nordufer des Kanals unmittelbar vor dem Laichen stehende Heringe. Sie waren in einem so laichreifen Zustande, dass sie sogar beim Einholen der Netze ihren Laich abgaben. Es gelang dem Herrn Oberfischmeister, einen laichreifen Hering so vorsichtig in ein Gefäss mit Wasser zu setzen, dass der- selbe dort ungehindert das Laichen fortsetzte. Da konnte man denn das Geschäft des Laichens noch genauer be- obachten. Der Hering schwanmi munter in dem Gefäss hin und her, dabei seine Eier in Form einer Perlenschnur von sich gebend. Hierbei traten immer Unterbrechungen ein. In diesen Pausen sah man deutlich fünf oder sechs Luftblasen nach oben steigen. In einem Zeitraum von 20 Minuten wurde der Hering mit seinem Laichgeschäft fertig. Dabei war der Hering selbst aber sehr matt ge- worden. Bald nach dem vollendeten Laichgeschäft legte er sich auf die Seite und starb. — Wie die mit dem grünen Rücken versehenen Mai-Heringe selbst kleiner (aber fetter) sind als ihre stahlblauen Verwandten, so sind auch ihre Eier kleiner als die Eier dieser. — Bei km 85 be- obachtete man auf der Oktoberfahrt einzelne, aber nicht sehr viele Herbst-Heringe, welche mit stark entwickelten Eierstöcken versehen waren. Sehr interessant ist es auch, zu erfahren, dass man am 17. April 1899 bei 65,5 Sprotten mit fliessendem Laich fand. — Gegen Ende des Jahres hat man ganze Schwärme von jungen Heringen im Kanal beobachtet. — Es steht somit fest, dass der Kanal als Heringslaichplatz von besonderer Bedeutung ist. VVas die vorherigen Untersuchungen hinsichtlich des Aalbestandes in dem Kanal ergeben haben, das wurde durch die letztjährigen Versuchsfischereien durchaus be- stätigt. Es ist und bleibt der Aalbestand in dem Kaiser Wilhelm-Kanal ein ganz vorzüglicher. Die Aale haben im Kanal, namentlich aber im Audorfer See, ganz bedeutend an Grösse zugenommen. Bei der Versuchsfischerei im Juni v. J. fing mau mit einem Zuge (bei km 65) 41 Aale, von welchen einer die ansehnliche Länge von 90 cm auf- weisen konute. Am Ring-Kanal bei Flemhude sowie vor der Schiruauer-Mühle wurden viele kleine Aale beobachtet, die als „Aalmonte" vom Meere kommend das Süsswasser zu erreichen suchten. An beiden Stellen wird ihnen der Aufstieg durch Aalleiter erleichtert. Die Beobachtung der jungen Aale fand im Monat Juni statt. Pleuronectes Flesus, Struf hutt oder Plunder auf Deutsch genannt, die reichlich gefangen wurden, sind auch im letzten Jahre gut gediehen. An den lehmigen Kanten der Aus- buchtungen der Kanalrinne scheinen sie sich am liebsten aufzuhalten. Oft waren die gefangenen Exemplare mit dickem Lehme behaftet. Wie in den Vorjahren, so fiel es in diesem Jahre auch wieder auf, dass die Zahl der links- köpfigen Strufbutte bedeutend vorherrschte. Auch fand man Blendlinge in besonders grosser Zahl. Unter Blend- lingen versteht man Butt, welche nur mit einer rauhen Rückennaht versehen sind. Wegen der rothbraunen Flecke und der sonst glatten Haut sind diese sonst dem Goldbutt sehr ähnlich. Deshalb gaben sie auch s. Z. die Veran- lassung zu der Nachricht, dass der Goldbutt selbst im Kanal vorkommt. Dieser scheint das Brakwasser zu meiden und deshalb den Kanal verlassen zu haben. Der Struf butt wird hinsichtlich des Werthes seines Fleisches meistens noch unterschätzt. Bereits im Jahre 1898 betonte man es ausdrücklich, dass der im Kanal gefangene Struf- butt dem Goldbutt an Geschmack kaum nachsteht. Es ist deshalb nur zu bedauern, dass man über den Werth seines Fleisches noch so viel am alten Vorurtheil festhält. — Auch der Butt hat im Kanal wahrscheinlich eine Laichstätte gefunden. Das erhellt schon aus dem Umstände, dass man soviele junge Butt in dem Kanal angetrotfen hat. — Die Versuchsfischerei im Jahre 1898 ergab, dass im Oktober Dorsche im Gewicht von V2 ~3 kg in Schwärmen den östlichen Theil des Kanals durchzogen. In diesem Jahre wurde festgestellt, dass sie sich bis Rendsburg hinauf verbreitet hatten. Ich komme jetzt zu den Süsswasserfischeu. Hecht, Barsch, Zander, Plötz u. a. Süsswasserfische sind auch im letzten Jahrgang vorzüglich gediehen. Das beweist mit- hin, dass diese Fische einen hohen Grad der Anpassungs- fähigkeit an das salzige Lebenselement besitzen. (Bald nach der Eröffnung des Kanals erblindeten, in Folge des Zuströmens des Seewassers die Hechte in demselben.) Jetzt kommt es schon vor, dass Süsswasserfische aus dem Kanal in das Meerwasser hinaustreten. In der mit der oifenen Ostsee in Verbindung stehenden Kieler Bucht haben Fischer aus Eilerbeck u. a. einmal 30 Zander (Luciopera Sandra) gefangen. Auch in der entfernteren Eckernförder Bucht, woselbst man früher keine Zander angetroften hat, fing man am 3. December 1899 grosse Exemplare dieser Fischart. Diese müssen unbedingt ihren Weg von dem Kieler Hafen nach der Ostsee und von dieser in den Eckernförder Hafen gefunden haben. In den Kieler Hafen sind sie aber zweifellos aus dem Kanal gekommen. Die Feststellung dieser Thatsache verdient es unbedingt, ganz besonderes Interesse zu finden. P. Andresen. Aufsuchung neuer Fischgründe durch den deut- schen Seeflscliereiverein. Der deutsche Seefischerei- verein, die frühere Section für Küsten- und Hochseefischerei, ist in den letzten Jahren bemüht gewesen, neue Fisch- gründe der deutschen Hochseefischerei zu erschliessen. Hochseefischerei mit Dampf - Schleppnetzfischerei wurde bisher von Deutschland aus ausschliesslich in der Nordsee betrieben, in der Ostsee fand sie bisher nicht statt. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 18. Während im Jahre 1884 die Dampt'-Grundschleppnetz- fischerei von Deutschland aus nur mit einem Dampier mit 428 cbm Raunigehalt und 10 Manu Besatzung betrieben wurde, beschäftigte dieselbe 1899 126 Dampfer mit 52 491 cbm Raumgehalt und einer Besatzung von 1322 Mann. Das Zunehmen der neuen Betriebsmethode hatte die ernstesten Angriffe von Seiten der Interessenten der Segelfischerei zur Folge, in denen behauptet wurde, dass diese Art des Betriebes die Fischbestände der Nordsee durch Ueberfischung und durch Massenveruichtuug von Fischen, welche nicht genügend ausgewachsen waren, gefährde. Der deutsche Seefischereiverein, gewiss der kompetenteste Richter in der betreffenden Angelegenheit, will in dem neuesten Berichte über seine Expedition in das nördliche Eismeer im Jahre 1899 keine endgiltige Entscheidung über die Berechtigung dieser Angriffe fällen, giebt aber in einer geschichtlichen Vorbemerkung einen Ueberblick darüber, in welcher Weise er in Verbindung mit der Kommission zur wissenschaftliehen Untersuchung in Kiel versucht hat, „das Seegewerbe zu heben durch Aufsuchung und Untersuchung von Fischgründen." Zunächst wurden mehrere Untersuchungsfahrten in der Ostsee und Nordsee unternommen. Im September 1887 wurde mit dem Dampfer „Hol- satia" eine Forschungsreise durch die Ostsee gemacht, welche sich vom Stettiner Haff nach Memel, dann zur Hoborgbank (südlich von Gotlaud), Mittelbank und Stolper Bank bewegte und überall Fischereiversuche und wissen- schaftliche Beobachtungen anstellte. Die Expedition des Fischdampfers „Sophie" im August und September 1889 diente P'ischereiversucben in der Nordsee und bezweckte hauptsächtlich die Aufsuchung von Heringsfanggründen. An sie schloss sich im August und September 1890 die Expedition des Fischdampfers „A. Bröhan" in der Nordsee. Die Forschungen beider Schiffe bewegten sich in der Deutschen Bucht bis zur Jütlandsbank, Doggerbank und bis nach Holland. Die Expedition des Fischdampfers „Dr. Ehrenbaum" im Februar, März und April 1895 sollte in erster Linie die Menge der in der Nordsee treibenden Fischeier und Fischchen bestimmen, um einen Einblick in die vor- handene Fischmenge nnd das Vorkommen der Laichfische zu gewähren. Auf drei Fahrten durchkreuzte die Ex- pedition die Nordsee bis fast zur englischen Küste und bis zur Breite der Südspitze von Norwegen. Kleinere Versuchsfiscbereieu fanden im Dollart, in der Emsmündung bis in See vor den ostfriesischen Inseln im Frühjahr 1892 und in den folgenden Jahren statt. Den ersten Anlauf zur Nutzbarmachung der Oceane bezeichnen die Verhandlungen, 1886/87 zur Aufstellung eines Programms für eine Expedition an die Küste vor dem deutsch gewordenen Augra Pequena. Die Hoffnungen derselben gründeten sich auf die That- sache, dass vor der sUdwestafrikanischen Küste ein für die Fischerei günstiger, flacher Meeresabschnitt mit Tiefen von kaum mehr als 80 Faden sich erstreckt, und ähnlich wie an der Küste New Foundlands bricht hier ein kalter Polarstrom in das Gebiet der warmen Strömungen herein. Durch dringlichere Aufgaben der Afrikaforschung wurden aber die in Aussicht genommenen Mittel mit Beschlag be- legt, und so kam der ganze Plan nicht zur Ausführung. Daneben führten eingehende Studien das Interesse einem Gebiete zu, wo schon früher eine grosse deutsche Fischerei geblüht hatte. Als im Sommer 1898 S. M. S, „Olga" eine Ueberfahrt nach dem nördlichen Eismeer antreten sollte, wurde die günstige Gelegenheit, praktische Fischereiversuchc daselbst auszuführen, nicht versäumt, indem eine Kommission mit Dr. Hartlaub von der Bio- logischen Anstalt auf Helgoland sich auf der Olga ein- schiffte und an der Westküste Spitzbergens und auf der Spitzbergenbank bis zur Bäreuinsel Fischereiversuche und hydrographische Beobachtungen anstellte und namentlich Notizen über das Auftreten der Wale machte. Die günstigen Resultate der „01ga"-Expeditiou hatten zur Folge, dass 1899 eine neue Expedition ausgerüstet wurde. Dieselbe bestand aus dem Fischdampfer „August", dem Waldampfer „Elma" und dem als Kohlenschiff dienen- den Dreimastschoner „Vigilant". Als eins der inter- essantesten Ergebnisse der Expedition ist jedenfalls die Beobachtung von Lachsen auf der Bäreninsel anzusehen. Das gesammte Ergebniss der Versuchsfischereien betrug 390 Fässer, 65 681,5 kg Walspeck, 1 Fass Seehunds- thran, 4 Fässer Seehundsfelle, 2 Fässer Seehundsspeck, 4 Fässer Haifisehthran, 1 Fass Kabliau-Medicinalleber- thran, 22 Fässer (3307 kg) Laberdan, 2 Fässer Rotbarsch, 1 Fass Cattisch, 1 Fass Heilbutt, 10 Säcke Fischguano und 16 Säcke Barten. Hätte nicht vor Allem die ganze Umgebung der Insel auf ihren Reichthura an Thranthicren und Fischen untersucht werden müssen, hätte fortgesetzt gefischt werden können, so wäre jedenfalls der 10 fache Ertrag des Fischfangs und der dreifache Ertrag des Wal- fajges sicher gewesen. Das praktische Resultat der Versuchsfischereien geht dahin, dass auf den von der Expedition geschaffenen Grundlagen sich eine aussichtsvolle Walfischerei von der Bären-Insel aus durch deutsche Seefischerei aufbauen lässt. In Bezug auf die Frischfischerei ist das Resultat nicht so günstig. Der Frischfischfang wird nur als Nebenbetrieb der Walfischerei Aussicht auf Erfolg haben. Die Angel- fischerei mit Handangel und norwegischen Tiefangeln für Kabliau und Heilbutt wurde verschiedentlich betrieben, jedoch ohne Erfolg. Die Grundschleppnetzfischerei ergab nur für den Kabliau einen guten Ertrag. Die Olga- Expedition des Jahres 1898 scheint mit dem Grundschlepp- netz bessere Resultate erzielt zu haben, vielleicht in Folge der etwas günstigeren Eisverhältnisse des Jahres. Die angestellten Versuche haben ergeben, dass es unmöglich ist, den Kabliau auf der Bären-Insel zu dörren, da die Luft zu feucht ist. Zwar trockneten die Fische in der ersten Hälfte des Juli recht gut, in Folge Regens und Nebels weichten sie aber später auf und fingen Ende Juli an zu schimmeln. Um Klippfische zu bereiten, ist die Zeit, während deren auf der Insel gearbeitet werden kann, zu kurz. Nur als Salzfisch wird der Kabliau von hier aus versandt werden können. Dieser hat jedoch in Deutschland keine grosse Aussicht auf Absatz und müsste deshalb entweder in Norwegen verkauft oder über Deutschland exportirt werden. A. Lorenzen. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Prof. Dr. Gerhard Schmidt zum zweiten Professor der anorganischen Naturwissenschaften an der könig- lichen Forstalvademie zu Eberswalde und zum Dirigenten der chemisch-physikalischen Abtheilung des forstlichen Versuchswesens; Dr. Reineboth, Oberarzt der medizinischen Klinik in Halle, der aus seiner Stellung ausscheidet, zum Professor; Dr. Janui, Privatdocent der Mineralogie und Geologie in Basel, zum ausser- ordentlichen Professor; Privatdocent Dr. Pert in München zum Docenten am zahnärztlichen Dniversitätsinstitut daselbst. Berufen wurden: Dr. Fr. Poe k eis, ausserordentlicher Pro- fessor der Physik an der technischen Hochschule in Dresden, an die Universität Heidelberg; Dr. Kuhnt, Professor der Augen- heilkunde in Königsberg nach Würzburg als Nachfolger Professor Michels; Prof. Dr. Berten aus Würzburg nach München als Leiter des zahnärztlichen Uniyersitäts-Instituts; Hofzahnarzt Dr. Walk hoff aus Braunschweig als Docent an dasselbe Institut; Dr. Steuer, Privatdocent der Geologie in Jena, als Landes- geologe nach Darnistadt. Es habilitirten sich: Dr. Scheven für Psychiatrie in Rostock; Dr. Hasenöhrl und Dr. Meyer für Physik in Wien; Realschul- profcssor ür. Oppenheim für theoretische Astronomie an der deutschon Universität Prag. XV. Nr. 18. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Es starben: Sir William Priestley, Professor der Frauen- heilkunde am Kings-College und leitender Arzt am Hospital dieses Colleges in London; Dr. Wildner Professor der Thierheilkunde in Innsbruck. Vom IS. bis -23. Juni findet ein internationaler Congress für Bergwissenschaft und Metallurgie in Paris statt. Ks sollen folgende (;c!;eiistiin(lr zur Krörtcniii- kuuiineii: n..i-;li:iii: Cebraiudi von Kx|il.isivst..irei. in On.l)eii; (Icl.r; I, d.T 1 ■Jcktiirili.t in Gruben; Hri"b.-iu in .'rossen ihrer Ai ,vendung Der nächste deutsche Aerztetag wird am 22. und 23. Ju in Freiburg in Baden stattfinden. Als Verhandlungsgegei ,1. Mrialliiigie: l'oKseliritfe m rl'er Metallurgie im Allgemeinen: Fortschritte in der Metallurgie des Eisens und Stahls seit 1899; Anwendung der Elektricität auf Metallurgie; Fortschritte in der Metallurgie dos Goldes. rtiii HU. uun Mit L' 4 in den Ti'xt eedruckton Fiiiuren uml 1.^ Tafeln i'ii Farben. Ini.k. IT. und 7u7 Seiten, 4". IUI, <"l Das W'. Heimath eine Summe von Beobachtungen und Thatsaehen nieder- gelegt, welche die allergrösste Bewunderung verdient. Dank seiner begeisterten und unermüdlichen Thätigkeit sind wir jetzt über die Anthropologie von Baden besser orientirt, als über die irgend eines anderen Deutschen Landestheiles. Von rund 30 000 Menschen wurde die Farbe der Augen, der Haare und der Haut festgestellt, dann die Länge und die Breite des Kopfes, die Gesainmthöhe des Körpers und die Höhe im Sitzen. Ausserdem w^urde natürlich der Name, der Geburtsort und die Beschäftigung oder der 3eruf aufgezeichnet. Begonnen wurden die Arbeiten zunächst bei Soldaten ganzer Truppen- kniiMi-, Ammon wurde aber bald darauf aufmerksam, dass es /.wai nn'aidlich bequem ist, einfach Soldaten zu untersuchen, dass ■ s aller durchaus unstatthaft sei, aus dem Befund an diesen ohne weiteres auf die Bevölkerung ihrer engeren Heimath zu schliessen; es ist ja klar und eigentlich schon von vornherein selbstverständ- lich, dass die Soldaten nur eine Auslese von besonders tüchtigen Leuten aus einer minderwerthigen Umgebung darttellen, und dass es zu völlig falschen Ergebnissen führen würde, wollte man z. B. aus der Körpergrösse der Soldaten auf die durchschnittliehe Körpergrösse ihrer Landsleute schliessen. So gelangte man bald dazu, die Arbeit an Soldaten auf- zugeben und sie in grossem Maassstabe an den zur Musterung erscheinenden Wehrpflichtigen vorzunehmen. Gleichzeitig wurde das Schema erweitert und auch der Geburtsort des Vaters der Pflichtigen, die Entwickelung des Bartes, die der Achsel- und Schamhaare, die Farbe aller Körperhaare, ebenso wie die Verhält- nisse der Umwandlung der Stimme aufgezeichnet. In einzelnen Jahren und an einzelnen Orten wurden auch die Brustdurchmesser, der Kopfumfang, Höhe und Breite des Gesichtes, einzelne Beckcn- und Schultermaasse, Höhe und Breite der Nase ermittelt, und auf das Vorkommen überzähliger Brustwarzen, Darwin'schcr Knötchen u. s. w. geachtet. All das lunsste wälireud der Mnste- rung geschehen und das Königl. Kriei;siiiini>l'iinni liaiir au-.lni.k- lich jede Verzögerung des Musterunus^i.'M halt.-, als nnznlas^;;: be- zeichnet! Nur wer selbst viel an Lebemlen gianessi-u hat, kann sieh eine ungefähre Vorstellung davon machen, wie gros.se An- forderungen eine derartige Eile an die Nerven der Messenden stellt und ein wie hoher Grad von sittlicher Kraft, von Begeiste- rung für die Sache und von idealer Aufopferung dazu gehörte, um das Unternehmen trotzdem zu Ende zu führen. Es unterliegt für mich nicht dem geringsten Zweifel, dass Herr Ammon das ihm erreichbare Material bis an die äusserste Grenze der Möglich- keit ausgenützt hat und dass Niemand im Stande gewesen wäre, unter den gegebenen Umständen wesentlich mehr zu leisten, als er in der That geleistet hat. Dies zugegeben, muss ich allerdings sagen, dass seine Arbeit noch lange nicht erschöpfend ist, und dass wir vielleicht schon in wenigen Jahrzehnten die Bescheidenheit belächeln werden, mit der wir sein Buch jezt als eine grosse und bahnbrechende Leistung anstaunen. Es ist mit grosser Sicherheit vorauszusehen, dass über kurz oder lang sehr bedeutende staatliche Mittel flüssig ge- macht werden müssen, um Arbeiten, wie sie Ammon an jugend- lichen Wehrpflichtigen in Baden begonnen, in erossem Maassstabe an erwachsenen Männern und Frauen ganz I i.ufsrlilands durch- zuführen. Genau so, wie man es heute als srlh>i \ < i siaihllali hc- trachtet, dass etwa für Volkszählungen (ein- Im -r.,|of;is(lic Landesaufnahmen ein grosser staatliclier Appaiai in ijeweguiig gesetzt wird, genau ebenso wird man dann auch die Bedeutung einer grossen staatlichen Volksaufnahine einsehen und begreifen. Ueber die technischen Einzelheiten in der Methode enier solchen kann man heute vielleicht noch zweifeln, aber die Auf- gabe selbst ist schon jetzt ganz klar zu stellen; es wird sieh darum handeln, ein möglichst grosses Material an W'irklich er- wachsenen Menschen bei thunlichstem Ausschlüsse joder Art an störender Auslese anthropologisch zu li.'srhreiljeu nnd zu \ia- gleichen. Neben den von Ammon liau|it-a(lilieli b.aueksirlitiutrn Angaben und Maassen wird dann jedentalls ainli dir Klatt.aw eiti' in Betracht kommen, die Höhe des Gesichts ( Xasrnw m /.el-Kiun) und die grösste Jochbreite. Auf die EnU.inii unteren Wangenbeinwinkel von einander (17 Wci 1 ständigung) wird man hingegen leicht verzieht, n augenblicklich noch sehr fraglich, ob dieses M sehr grossen Werth hat und es ist ganz zweifellos, dass Lebenden nicht mit der Sicherheit und Genauigkeit gemessen r Ver- Es ist überhaupt 214 Naturwissenschaftliclie Wochenschrift. XV. Nr. 18. werden kann, welche der Ernst der Sache erfordert. Hingegen besitzen wir jetzt in einem von Haman in Friedenau ausgeführten Parallelogramm-Zirkel mit drittem medialem Schenkel ein Werk- zeug, das die genaue Messung der Ohrhöhe des Kopfes gestattet. Die Arbeit mit diesem Instrument ist noch immer schwierig und erfordert etwas Aufmerksamkeit und Uebung, aber das Maass selbst ist so wichtig, dass wir es nur schwer entbehren können. Auch sonst wird das von Amnion benützte Instrumentarium bei den grösseren Mitteln künftiger Aufnahmen erweitert und modi- ficirt werden können, aber das ist alles Sorge für später — einst- weilen wird für lange Jahre das Ammon'sche Buch in Deutsch- land fast einzig in seiner Art dastehen, und neben den gross- artigeo Arbeiten von Li vi und denen von de Lapouge die ernste Beachtung der Fachleute und des gebildeten Publikums fordern, handelt es sich doch bei einem derartigen Unternehmen nicht etwa bloss um einzelne lokale Thatsachen, sondern um all- gemeine wissenschaftliche Probleme, die zum Theil theoretisch wichtig sind, zum Theil auch nur grosse sociale Bedeutung haben. Zu den letzteren gehören vor allen die Fragen, die sich mit der Aus- lese beschäftigen und die thoilweise auch dem Gebiet der Hygiene angehören. Unter den ersteren sind die Lehren von der Kassen- kreuzung und von der Entstehung neuer Rassen und Typen durch Kreuzung der alten sicher von der grössten theoretischen Wichtigkeit. Was Ammon an thatsächlichem Material mittheilt, kann natürlich nur in seinem Buclie nachgelesen werden; hier will ich nur einige seiner I>gebnisse und einige seiner Ansichten kurz andeuten. Er lässt die Bevölkerung von Baden im wesentlichen aus drei Urtypon zusammengesetzt sein: 1. Der mittelländische Typus, langköpfig, klein bis niittelgross, dunkel von Augen, Haaren und Haut. 2. Der nordeuropäische Typus, langköpfig, gross blau- äugig, blond und von heller Haut. 3. Der alpine Typus, rundköpfig, mittelgross, dunkel von Augen, Haaren und Haut. Leute mit derart weit von einander abweichenden körper- lichen Eigenschaften haben sich seit Jahrhunderten, vielleicht seit Jahrtausenden unter einander verheirathet. Das schliessliche Er- gebniss aus Millionen solcher Zwischenheirathen ist das gegen- wärtige „Volk". Veranlasst durch die gefährliche, ja offen gesagt, ganz wahnwitzige Methode der Mittelzahlen war man früher der Meinung, dass ein solches Endresultat immer ungefähr dem arith- metischen Mittel aus den Urtypen entsprechen müsse, also eine echte Mischrasse darstelle, in der die einzelnen Individuen, soweit sie überhaupt normal sind, einander gleichen und eine Mittolform zwisclien den Stammtypen repräsentiren. In Wirklichkeit liegen die Dinge freilich völlig anders; jede grössere Aufnahme lehrt uns, dass sich stets einzelne Individuen finden, welche die Eigen- schaften eines der Urtypen treu und unverfälscht bewahrt haben und dasselbe sehen wir, wenn wir die Kinder und Enkel eines Ehepaares betrachten, dessen beide Glieder zwei ganz verschiedenen Typen angehören. Das ist ähnlich, wie wenn man etwas weissen und schwarzen Sand vermengt. Das Gemenge wirkt grau, aber bei näherer Betrachtung kann man doch die beiden Bestandtheile leicht erkennen und mit dem nöthigen Fleisse sogar wieder von einander trennen. Ganz anders ist die Sache, wenn man weissen und rothen Wein vermischt; da wird Niemand je mehr im Stande sein, das ursprüngliche Verhältniss wieder herzustellen. Im ersten Falle sprechen wir von einem Gemenge, im zweiten von einer Mischung. Nuu ist es sicher eine der wichtigsten naturwissenschaft- lichen Fragen, ob die Kreuzung zwischen verschiedenen Typen zu einem Gemenge oder zu einer Mischung führe. Wie bereits erwähnt, war man früher, durch eine ganz irrige und durchaus verwerfliche Methode verleitet, der Ansicht, dass da stets eine wahre Mischung zu Stande käme. Ich selbst bin durch sehr aus- gedehnte Untersuchungen in Vorderasien zu einer ganz entgegen- gesetzten Anschauung gelangt; für mich schien es sich stets nur um ein Gemenge, niemals um eine Mischung zu handeln. Trotz Jahrtausend langer ununterbrochener Kreuzung zwischen den extrem kurzköpfigen Urbewohnern und den langschädligen semi- tischen Einwanderern sind die ursprünglichen Typen noch bei einem sehr grossen Theil der Bevölkerung rein vertreten und be- sonders die Untersuchung innerhalb einzelner Familien hat mir immer und immer wieder von neuem schlagende Beweise für die „Energie der Vererbung" geliefert. Dass, wenn beide Eltern e-xtrem kurzköpfig sind, auch die Mehrzahl der Kinder dieselben kurzen Köpfe haben, ist ja von Haus aus selbstverständlich; ebenso wird es uns nicht überraschen, dass wenn das eine der Eltern einen e.\trem kurzen, das andere einen extrem langen Kopf hat, ein Theil der Kinder ganz nach dem Vater, ein anderer Theil ganz nach der Mutter schlägt und nur ein dritter Theil unreine oder sagen wir „Mischform" aufweist. Ich habe aber noch weiter gefunden, besonders in Adalia, BCrut und Damascus, wo ich sehr zahlreiche Familien messen und oft durch drei Generationen ver- folgen konnte, dass sehr oft Kinder von Eltern, die beide ganz ausgesprochenen „Mischtypus" im Gesammthabitus wieder z hatten, in ihrer Schädelform und den reinen ursprünglichen Typen zurückschlugen. Das schien mir ein evidenter und durchaus ein- wandfreier Beweis für die Vererbung auch der latenten E|igenschaften. Freilich steht eine solche Vererbung im Wider- spruch mit mancherlei landläufigen Vorstellungen, aber sie deckt sich im Grunde doch wieder mit unseren alten Begriffen von Atavismus und Rückschlag. Um so überraschender ist es, dass Ammon auf Grund eines so grossen Materials — er hat in Badeu etwa zehnmal so viel Menschen untersucht, als ich in Vorderasien — zu Anschauungen und Ergebnissen gelangt, die von den meinen wesentlich ab- weichen. So handelt er S. 109 von den „Kurven für gekreuzte Bevölkerungen" und sagt wörtlich: „Die an den äussersten Aus- läufern der Gemenge-Kurve befindlichen Individuen können sich sowohl mit ihresgleichen als mit allen übrigen, d. h. mit mittleren und mit äussersten der entgegengesetzten Seite paaren. Nur (sie, der Referent) im ersten dieser drei Fälle ist Aussicht, dass wieder ähnliche Individuen entstehen. Die Paarungsmöglichkeiten be- dingen die Wahrscheinlichkeit der Verbindungen, und da ist es denn augenfällig, dass die äussersten Individuen nur geringe Wahrscheinlichkeit haben, sich mit ihresgleichen zu paaren, weil die mittleren und entgegengesetzt-äussersten, die sie zur Ver- fügung haben, zusammen weitaus die grösste Zahl ausmachen. Es wird also eine geringere Anzahl von äussersten Individuen in der nächsten Generation zum Vorschein kommen. Bei der Paarung äusserster und mittlerer Individuen entstehen vorwiegend mittlere, verschiedener Grade. Bei der Paarung entgegengesetzt-äusserster wiederum mittlere. Alles wirkt sonach daraufhin, durch die Kreuzung eine Verschmelzung des Gemenges zu Staude zu bringen. Die mittleren Individuen werden von Generation zu Generation häufiger, die äussersten müssen entsprechend abnehmen." Später, Seite 196, heisst es: „Grosse blonde Leute werden nicht bloss durch grosse blonde Eltern erzeugt, sondern solche können auch durch wiederholte Kreuzungen entstehen. Haben sich nämlich durch Verschränkung der Merkmale grosse braune und kleine b Ion de Leute gebildet, so kann eine abermalige Verschränkung den ursprünglichen Zustand wieder her- stellen: Grösse und Blondheit, Kleinheit und braune Farbe treffen dann aufs neue zusammen und es entsteht ein Gebilde, welches auf die ursprünglichen Vorfahren zurückweist, obschon man dabei nicht nöthig hat, au einen Rückschlag im eigentlichen Sinne zu denken: Es ist nur eine nochmalige Neukombination der vorhandenen Elemente. Auf die erste Stufe der Ver- schränkung der Merkmale folgt also leicht eine zweite mit Wiederherstellung ursprünglicher Beziehungen. Auch diese ist nur ein üebergang: Das Ende ist die scheinbar wahl- lose Mischung aller Typenmerkmale, ohne irgend eine Bevor- zugung." Ich kann mich nicht mit allen diesen Ansichten und Folge- rungen einverstanden erklären; aber es ist immerhin eine That- sache, mit der dauernd gerechnet werden muss, dass Ammon für Baden eine viel weiter gehende Vermischung festgestellt hat, als ich sie für einzelne Gebiete von Vorderasien annehme. Bei der Lückenhaftigkeit meines Materiales und vor allen wegen seiner ganz ungleichmässigen Vertheilung über ein räumlich so selir aus- gedehntes Gebiet kann von einer einigermaassen genauen Statistik der Mischfornien für Vorderasien nicht entfernt die Rede sein; aber meine Messungen an etwa 3000 Lebenden und die genauen Untersuchungen von etwa 300 Schädeln Hessen mich annehmen, dass in Vorderasien die Zahl der reinen und die der gemischten Typen ungefähr gleichgross ist. Dabei will ich gerne zugeben, dass eine genauere Durcharbeitung des Materials diese Zahlen noch etwa so weit verschieben könnte, dass man zu rund 40 pCt. reinen und 60 pCt. gemischten Typen kommen würde. Für Baden findet Ammon aber uuter den Wehrpflichtigen über 98 pCt. Misch- linge mit untypischen Merkmalen in den verschiedensten mög- lichen Zusammenfügungen und nicht ganz 2 pCt. reine Typen, nämlich 1,45 pCt. für den nordeuropäischen, 0.39 pCt. für den alpinen und nur 0,09 pCt. für den mittelländischen Typus. Ich habe gegenwärtig keinerlei sichere Erklärung für dieses weite Auseinandergehen unserer Ergebnisse. Zum Theil aller- dings muss da der Umstand berücksichtigt werden, dass man es im Orient fast nur mit brünetten und dunkelhaarigen Leuten zu thun hat und dass das blonde Element da sehr stark zurücktritt. Blonde und fast blonde Individuen bilden im Orient sicher weniger als 10, in Baden mehr als 50 pCt. der Bevölkerung. Ebenso ist es wahrscheinlich, dass Zuchtwahl und Auslese die Vererbungs- verhältnisse in Baden sehr viel mehr beeinflussen, als im Orient; vielleicht kommt auch in Betracht, dass die physischen Eigen- schaften der Orientalen älter sind und sich mit grösserer Energie vererben, als die der Europäer — aber all das sind völlig un- sichere Annahmen, sicher ist nur das grosse Auseinandergehen unserer Ergebnisse und die Nothwendigkeit durch weitere Auf- nahmen, sowohl in Europa als im Orient, diese Verhältnisse definitiv aufzuklären. Vor allen müsste da die Höhe des Kopfes, XV. Nr. 18. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 215 lind der Breiten-Hölien-Index genügend berücksichtigt werden ; sowohl im Orient als für Oceanien hat sich mir gerade das Ver- hältniss von Breite zur Höhe des Schädels als eines der aller- wichtigsten Hilfsmittel erwiesen; in Europa hat man es bisher fast überall und wie auf Verabredung bei Seite gelassen und sich dadurch eines der werthvollsten Kriterien begeben. Auf weitere Einzelergebnisso des Ammon'schen Buches hier einzugehen, würde wohl zu weit führen. Ich darf hier vielleicht nocli hervorheben, dass Wechselbeziehungen zwischen Farben und Kopfform nicht nachweisbar sind. Ebenso ist von ganz all- gemeinem Interesse, dass es vor rund 40 Jahren (zwischen 1840 und 1864) fast in ganz Baden weniger Grosse und mehr Kleine gab. Die eingetretenen Aenderungen sind sehr bedeutend und können nur der Verbesserung der Ernährung und dem rascheren Wachsthum der jungen Leute zugeschrieben werden. Die durch- schnittliche Körpergrösse hat ebenfalls zugenommen, in einzelnen Bezirken bis zu 3 cm und mehr, im Durchschnitt etwa 1,2 cm. Sowohl Bezirke, die fast ausschliesslich Landwirthschaft treiben, als solche mit lebhafter Industrie nehmen an dieser Verbesserung Antheil". Dass die eigentlichen Mittelpunkte der Langköpfigkeit die Städte sind, und dass Ammon die Städte nicht als Ausstrahlungs- mittelpunkte, sondern als Anziehungspunkte der Langköpfe be- trachtet, ist schon aus anderen Publicationen des Verfassers be- kannt. Es ist das ein Gebiet, auf das ich ihm nicht ohne Be- denken folgen möchte; ich glaube, dass hier das Material noch zu gering ist, als dass ein abschliessendes Urtheil gestattet wäre. Ausserordentlich verdienstvoll ist, dass Ammon die jüdischen Wehrpflichtigen ganz besonders behandelt; leider ist Baden sehr arm an solchen, so dass im ganzen nur 266 gemessen wurden, darunter nur 207 von Ammon. Das so gewonnene Material ist zu gering, um weitgehende Schlüsse zu gestatten, aber es ist sowohl an sich, als im Vergleiche mit dem von den übrigen Wehr- pflichtigen sehr interessant. LJeborraschend ist mir besonders die verhältnissmässig grosse Einheitlichkeit der Kopfform unter den Badischen Juden; wirklich semitische Formen sind unter ihnen noch viel seltener, als unter den Juden im Orient und unter den sonstigen Syrern. Bei über 80 pCt. Brachycephalen und Hyper- brachycephalen überwiegen weitaus die Formen der vorsemitischen Urbevölkerung Palästinas. Das wärmste Lob verdienen die fünfzehn dem Werke bei- gegebenen Karton. Aehnlich wie bei Livi gestatten sie rasche Orientirung und bilden eine fast unerschöpfliche Quelle der Be- lehrung und Anregung. Ueberhaupt zähle ich das Werk zu den wichtigsten Bereicherungen der anthropologischen Litteratur in den letzten Jahren. Ich weiss wohl, dass es Fachgenossen giebt, die es nicht gelesen haben und es auch nicht lesen wollen; das mögen sie mit sich selbst abmachen; für mich bedeutet das Werk von Ammon nicht nur an sich eine grosse und wichtige Leistung, sondern auch den ersten Anfang einer langen Reihe ähnlicher, aber noch sehr viel weiter ausgedelinter Untersuchungen. Augenblicklich freilich weht besonders in Süddeutschland ein starker Wind gegen die messende Anthropologie. Eine Dissertation (Wohlbold, 1899), die allerdings von grosser Unreife des Urtheils Zeugniss ablegt, wendet sich diroct gegen die Crauio- logie und in der M. A. Z. ergoss noch vor kurzem Buchner die volle Schale seines Zornes über die Anthropologen. Dem Ver- fasser der Dissertation möchte ich keinen Vorwurf machen; er würde ihn nicht einmal verdienen und könnte ihn mit Fug und Recht auf denjenigen seiner Lehrer weiterwälzen, der ihm für seine Schrift ein Thema vorgeschlagen, dem weder Lehrer noch Schüler gewachsen waren. Aber auch das verdammende Urtheil Herrn Buchners wird unserer Sache nicht arg schaden können, um so weniger, als Herr Buchner zwar viel Geist und Witz an seine Arbeit verschwendet hat, aber doch meist nur Positionen angriff, die von den jüngeren unter den Anthropologen ohnehin aufgegeben sind. Sicher befinden sich auch in dem neuen Buche von Ammon Stellen, die Herr Buchner auf das heftigste angreifen würde und gegen die auch sonst mancherlei einzuwenden sein möchte. Deshalb bleibt Ammon's Leistung aber doch eine höchst verdienstliche und durchaus bewundernswerthe, zeigt sie uns doch eine der Richtungen, nach denen sich die Anthropologie der Zu- kunft entwickeln muss. v. Luschan. Prof. Dr. Felix B. Ahrens, Die Entwickelung der Chemie im 19. Jahrhundert. Vortrag, gehalten im Humboldtverein zu Breslau zur Jahrhundertwende. Ferdinand Enke in Stultgart. 1900. Ein inhaltvoller Vortrag auf 39 Octav-Seiten, der über die Entwickelung der Chemie im 19. Jahrhundert gut orientirt. M M. Richter, Lexikon der Kohlenstoff- Verbindungen. Zweite Auflage der „Tal)ellrn i\rv Kuhlonstoft'- Verbindungen nach deren empiri.scher Zusanimciiscfzung geordnet". Leopold Voss in Hamburg. 1900. Gross-Octav und 2482 Seiten. — Preis 70,20 Mark. Das Lexikon bildet ein vollständiges Verzeichniss aller be- kannten organischen Verbindungen, geordnet nach den empirischen Formeln. Während die erste Auflage rund 16 000 aufführt und im Beilstein (3. Aufl.) etwa 57 000 beschrieben sind, verzeichnet dieses Lexikon etwa 67 000 Verbindungen. Das Werk zerfällt in folgende Abschnitte: Einleitung, System und Nomenklatur — das Verzeichniss der Verbindungen und die Procentzahlen — Re- gister der Eigennamen — Zahlentabellen zur Auffindung der pro- centualen Zusammensetzung. Wenn Verfasser im Vorwort sagt, dass er zur Fertigstellung seiner wichtigen, unentbehrlichen Zusammenstellung 10 Jahre ge- braucht hat, so ist das in Berücksichtigung dessen, dass er ja anderweitig noch reichlich beschäftigt ist, ohne weiteres begreif- lich. Dabei verdient aber noch sein Fleiss und seine Sorgsam- keit alle Bewunderung und man muss ihm dankbar sein, dass er sich der Mühe unterzogen hat, eine so wichtige Arbeit zu unter- nehmen. Verfasser sagt im Vorwort: „Dem Wunsche des Herrn Geheimrath Professor Beilstein nach Ergänzung des Werkes durch Aufnahme der procentualen Zusammensetzung gewisser Formel- typen ist Rechnung getragen durch die Ausdehnung der Procent- tabellen auf die Formen CHO — CHN und GHON, insgesammt auf etwa 20 000 Formeln. Wie diese Erweiterung sich als nütz- lich erweisen soll, so hofi'e ich auch, durch die Beifügung der „Beilstein-Notiz" die Zustimmung der Fachgenossen zu finden. Diese „Beilstein-Notiz" hat schon während der Bearbeitung des Lexikons, gleichsam als Wegweiser auf den verschlungenen, ja vielfach verworrenen Pfaden unserer Wissenschaft, für mich so reiche Früchte getragen, dass meine zu Anfang gehegten Be- denken, mich einer vielleicht unfruchtbaren Mehrarbeit unterzogen zu haben, in jeder Weise zerstreut sind." Nicht nur der Chemiker, auch der Biologe wird das mächtige Nachschlagewerk oft benutzen. Apstein, Friv.-Doc. Dr. C, Die Alciopiden und Tomopteriden der Plankton-Expedition. Kiel. — 16 Mark. Bergholz, Prof. Dr. Paul, Die Orkane des fernen Ostens. Bremen. — 10 Mark. Berwerth, Prof. Dr. Fritz, Mikroskopische Structurbilder der Massengesteine in farbigen Litiiographien. 4. (Schluss-)Lfg. Christ, Dr. H., Monographie des Genus Elaphoglossum. Zürich. Basel. — 6,40 Mark. Foerster, Sternw. Dir. Prof. Dr. W. u. Dir. E. Blenck, Populäre Mittheilungen zum astronomischen und chronologischen Theile des preussischcn Normalkalenders für 1901. Berlin. — 1 Mark. Halacsy, E. de, Conspectus florae graecae. Vol. I. Fase. 1. Leipzig. — 5 Mark. Kneser, Prof. Adf., Lehrbuch der Variationsrechnung. Brauu- schweig. — 8 Mark. Lassar-Cohn, Prof. Dr., Ueber das Ungeeignete der neuerdings für die Berechnung der Atomgewichte vorgeschlagenen Grund- zahl 16,000. Hamburg. — 0,60 Mark. Iiommel, weil. Prof. Dr. E. v., Lehrbuch der Experimentalphysik. Leipzig. — 7,20 Mark. Reinke, Prof Dr. Johs.. Die Entwickelung der Naturwissen- schaften insbesondere der Biologie im 19. Jahrhundert. Kiel. — 1,40 Mark. Riehl, Prof Alois, Giordano Bruno. Leipzig. — 1,20 Mark. Rupp, Laborator.-Vorst. Prof. Gust., Die Untersuchung von Nahrungsmitteln, Genussmitteln und Gebrauchsgegenständen. Heidelberg. — 7 Mark. Sammlungen, die. des kaukasischen Museums. Im Vereine mit S|>eciiilt,'elelivti'u bearbeitet und herausgegeben von Director 1)1-. (!ut.t. Radde. Tiflis. - 30 Mark. Saussure, Dr. H. de, Orthoptera. Frankfurt a./M. — 7 Mark. Schiffner, Prof Dr. Vict., Die Hepaticae der Flora von Buiten- zorg. 1. Bd. Leiden. — 5 Mark. Schreiber, Prof. Dr. Paul,- Die Meteorologie in der Landwirth- schaft. I. Der Sonnenschein. Chemnitz— Leipzig. — 0 Mark. Struck. Dr. R., Lübeckische Trichopteren und die Gehäuse ihrer Larven und Puppen. Lübeck. — 2,50 Mark. Voeltzkow, Dr. A., Beiträge zur Entwickelungsgeschichte der Reptilien. Frankfurt a./M. — 30 Mark. Inhalt: Dr. W. Woltersdorff : Ueber die Verbreitung des Springfrosches (Rana agilis) in Deutschland. — E. Bohlig: Assimilation des atmosphärischen Stickstoffs. — Ueber die Bildung von Eiweiss aus den Peptonen unter dem Einfluss des Labfermentes. — Die Resultate der im Jahre 1899 ausgeführten Versuchsfischerei im Kaiser Wilhelm-Kanal. — Aufsuchung neuer Fischgründe durch den deutschen Seefischereiverein. — Aus dem wissenschaftlichenLeben. — Litteratur: Otto Ammon, Zur Anthropologie der Badener. — Prof. Dr. Felix B. Ahrens, Die Entwickelung der Chemie im 19. Jahrhundert. — M. M. Richter, Lexikon der Kohlenstoff-Verbindungen. — Liste. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. IS. ^erberfr^c ^crfofls^an&rung, §»reieurg im SreiJgau. Socficn fiiib crjri)icncn iiiih burd) alle iBurfifiaiibdiiiflen ,^u bcäicftcii: -iotfi^cib, Dr. ^., i'clirburi) bcr niiornnuifriicii (fl)cmic mit einem fursen Wniiibfifi ber llJiiifvaliHiie. '.Uüt 2-'l in bcn 2c);t (\c- brncften i)lt)Lnlbnnqcn nnb einer Spcftvciltiifel in ArtvDenbrnrt. !isier = jelintc Vlufhuie Don Dr. ?;■■ Sefimann. gv. 8°. (VIII u. 342 2.) M. .-'..SO; geb. iii .s>i(blcber M. 4. 5iTÜn«^, Dr. ■^., i.'cl)rburt) bcr f\]\]iit. eifte X'luftagc, nadj bcn prcnf',ijd)en ^einplanen uüu 1892 in ätnci Seilen bc» arbeitet mm I »r. f|. £iibtlif. 3iBcitrv 2 eil "JluSüiljrlidicr Se^rgan«. 9Jfit einem Wnfinngc: Jiie (yrnnblcl)rcn bcr niatlii'matiirtu'u Weogra^liie. S'ehrnitfgnbe ber £bcrfetunbrt nnb '4>'i"ii"' ln'hiirv Veliviinflaltcii. ''Jiii '.'.".•; in ben Jej-t gcbrndteu VUumIDiuuv'ii iiiiö nun- 5,H-tir,ilMul iii rynrbenbnict. gv.8". (XVI ii.:j:;n 2.) J/.ö; get> iii.yalUlebei .1/. ö. i.i. Stüöec ift fitcbieueii : @r ttev Seil: !8i)tl)preiteiiier_ Sicfttamis. ?D!it einem Stnßaufl: SSon bell teil Jeyt aetrutftcii SlbtMlbuiificn seb. ■fialblcbei- M. 2,15. Rabenhorst's Kryptogamen Flora 2. Aufl. ist für ca. 230 Mk. zu verkaufen. Die bis Ende 1899 erschienenen Lieferungen sind vollzählig und tadellos vorhanden. Jetziuer Lad.-„,,r..is 340 Mk. An- gebdtrinid Anti:i-.ii unter P.:!204 an Haasenstein & Vogler, A.-G. Chemnitz. PÄt ENTBUREAU Ölrich R. JVlaerz Jnh. C. Schmidtlein.Jngenleur Berlin NW., Luisenstr.22. f^ von Poncet Glashütten -Werke 54, Köpnickerstr. BERLIN SO., Köpnickerstr. 54. - ^^ Fabrik und Lager — ^ ~^>?\ aller Gefässe und Utensilien füi- ^-,,^ ^^^,.^' / clieni., pharm, physical., electro- ^-^ — ____^-- j u. a. techn. Zwecke. 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Dümmlers Verlagsbuc (l'.B.) bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den luseratentheil: landlung, Berlin SW. 12. — Druck: Q. Bernstein, Berlin SW. 12 ►-^wvs^ Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düinmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. Sonntag, den 13. Mai 1900. Nr. 19. Abonnement: Man abonnirt anstalten, wie bei der Expedit Bringegeld bei der Post 15 A lei allen Buchhandlungen und Post- m. Der Vierteljahrspreis ist Ji 4.— 3stra. Postzeitungsliste Nr. 5301. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 Ji. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. luserateuannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdrnt'k ist nnr mit vollständig^er Qaellenang;abe gestattet. Einiges über die geographische Verbreitung der Rostpilze. Von Dr. P. Dietel. Wohl jeder unserer verehrten Leser hat schon einmal die kleinen rostbraunen oder gelben Htaubhäufcbeu an den Blättern und Halmen des Getreides beachtet, die man mit dem Namen „Rost" bezeichnet, nnd wird vielleicht auch wissen, dass dies die Sporen parasitischer Pilze, der Rost- pilze oder Uredinccn sind, welche mit ihrem Mycel in den betreffenden Nährptianzen leben und sich von ihren Saften ernähren. Rostpilze kommen auf den verschiedensten Pflanzen vor, und ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich über die ganze Erde, soweit geeignete Nährpflanzen vor- handen sind. Von Grönland bis Feuerland, rings um den ganzen Erdball herum und bis an die Schneegrenze der Hochgebirge sind sie allenthalben gefunden worden, wo ihnen Beachtung geschenkt worden ist. Es ist wohl von vornherein zu erwarten, dass die verschiedenartigen klimatischen Bedingungen, die in diesem weiten Verbreitungsgebiete eine so verschiedenartige Pha- nerogamenflora hervorgebracht haben, auch auf die Ge- staltverhältnisse dieser Parasiten nicht ohne Einfluss ge- blieben sein werden, dass also in der Vertheilung der Arten und Gattungen sich der Einfluss des Klimas wieder- spiegeln werde. Das ist in der That der Fall, jedoch in weit geringerem Maasse als bei den Gefässpflanzen; denn von den verschiedeneu klimatischen Factoreu scheint nur der verschiedene Grad der Luftfeuchtigkeit eine directe Einwirkung auf die morphologischen Verhältnisse der Uredineen ausgeübt zu haben. Bei vielen Arten trockener Standorte und Klimate treffen wir Eigenthümlichkeiten an, die wohl nur als Schutzeinrichtungen gegen ein vorzeitiges Austrocknen der unreifen Sporen gedeutet werden köniien. Während nämlich die reifen Teleutosporen derselben eine derbe, meist sehr dunkel gefärbte Membran besitzen, zeigen dieselben im unreifen Zustande unter dem dünnen Exospor eine dicke, weiche, wasserhaltige farblose Schicht, die als Wasserspeicher dient. Mit der Reife giebt diese I Schicht den grossten Theil ihres Wassers ab, wird in Folge dessen dünner und fester und nimmt gleichzeitig eine dunkelbraune Färbung an. In manchen Fällen tritt aber auch eine Ditterenzirung dieser Membranpartie in eine dunkle innere Schicht und eine wasserreiche farblose Hüllschicht ein, welch letztere an abgefallenen Sporen austrocknet, bei Beuetzung mit Wasser aber oft über das ursprüngliche Volumen aufquillt. Derartige Formen kommen in der Gattung Puccinia vor und werden unter dem Gattungsnamen Uropyxis zusammengefasst. Mög- licherweise spielt bei ihnen die im gequollenen Zustande kleisterartige Aussenschicht auch bei der Keimung der Sporen eine Rolle als Wasserspeicher. Aus unserer heimischen Flora sind 'als Arten mit einer derartigen Organisation der Sporenmembran — aber ohne deutliche hyaline Aussenschicht — die zierlichen Phragmidien auf Rosen- und Brombeersträuchern zu nennen, deren Nährpflanzen ja vorwiegend trockene, sonnige Abhänge bewohnen. Bei ihnen ist eine wasser- reiche Membranschicht auch in den Stielen vorhanden und füllt dieselben bis auf einen schmalen Längskanal in der unteren Stielhälfte ganz aus. Von ähnlicher Beschalfen- heit und im reifen Zustande oft gänzlich mit der wasser- reichen Substanz erfüllt sind auch die Sporenstiele vieler Arten von Puccinia und Uromyces. Besonders reich an solchen Arten ist die Flora von Mexico, und auch unter- der nicht sehr grossen Zahl von Uredineen, welche aus dem niederschlagsarmen Gebiet von Erythraea am rothen Meere bekannt sind, zeigen verhältnissmässig viele die in Rede stehenden Eigenthümlichkeiten, z. B. Puccinia Euphorbiae P. Henn., Pucc. Cucumeris P. Kenn., Uromyces Barbeyanus P. Henn., Urom. Pazschkeanus P. Henn u. a. Als diejenige Uredineengattung, welche mehr als eine andere der Anpassung an eine andauernde oder regel- mässig wiederkehrende Trockenheit des Klimas ihre 218 Naturwissenscliaftliche Wochenschrift. XY. Nr. 19. eigenthümlichen Formverhältnisse verdankt, ist die Gattung- Ravenelia zu nennen. Der Flora Europas ist dieselbe gänzlich fremd, in allen übrigen Erdtheilen kommt sie in den wärmeren Gegenden vor und zwar ausschliesslich auf Legnminosen, besonders Mimosaceen und Caesalpiniaceen, und einigen baumartigen Euphorbiaceen (PhylJanthus), also auf Pflanzen, die vorwiegend in trockenen, mitunter wlisten- oder steppenartigen Gegenden zu finden sind. Die Te- leutosporen von Ravenelia sind in grösserer Zahl zu brot- förmigen oder halbkugeligen Köpfchen vereinigt, die von einem meist zarten, aus mehreren Hypheu bestehenden Stiele getragen werden. An ihrem Scheitel sind die Einzelsporen gewöhnlich stark verdickt, und an der Unter- seite des Köpfchens befinden sich herabhängende kugelige oder dem Köpfchen anliegende, bei den einzelnen Arten verschieden gestaltete sterile Zellen mit einem kleister- artigen Inhalt. Im Jugendzustande bilden die zusammen- schliessenden, wasserreichen Scheitelverdickungen eine schützende Hülle über dem Köpfchen, während später, kurz vor der Reife die sterilen Cysten an der Unterseite sich mit ihrem wasserhaltigen Inhalte füllen. Ueberblicken wir nun im Gegensatz zu den bisher besprochenen Formen die Uredineen solcher Gegenden, die durch eiuen hohen Grad von Luftfeuchtigkeit ausge- zeichnet sind, so fällt uns der Reichthum an Arten auf, welche in der Systematik der Rostpilze als Leptoformcn bezeichnet werden. Es sind dies Arten, welche nur Te- leutosporen erzeugen, und bei denen diese sofort nach der Reife keimfähig sind. Solche Arten, namentlich der Gattung Puccinia angehörig, sind besonders häufig in tropischen Gebieten. Die feuchtwarme Luft bietet da- selbst den Pilzsporen zu jeder Zeit die für ihre Keimung günstigen Bedingungen, und zugleich befinden sich auch die Nährpflanzen in einem für die Infection geeigneten Zustande. Auch von der Rostpilzflora höherer Gebirgs- lagen und nordischer Gegenden machen die Leptoformen einen nicht unerheblichen Bruchtheil aus. Hier wird aller- dings die für ihre Entwickelung günstige Jahreszeit durch eine lauge Zeit der Winterruhe unterbrochen, es bilden daher die in kälteren Gegenden lebenden Leptopuccinien neben den sofort keimenden Sporen noch solche aus, die erst nach der Ueberwinterung keimen und als solche meist an einer dunkleren Färbung der Sporenmembran kenntlich sind. Bei vielen Arten, die in Gegenden mit kurzer Vege- tationsdauer leben, ist aber die Fähigkeit der sofortigen Sporenkeimung soweit zurückgetreten, dass gekeimte Sporen neben ungekeimten nur mehr gelegentlich ge- funden werden, wie z. B. bei Puccinia Cruciferarum Rud. auf alpinen Cardamine-Arten, Puccinia Saxifragae Sehlechtd. u. a., während man sie bei anderen für ge- wöhnlich überhaupt nicht findet. Derartige nur Teleuto- sporen bildende Arten werden als Mikroformen bezeichnet. Während unter 78 Puccinia -Arten der Flora Schlesiens 22, also 28% iß die Sectionen Mikro- und Leptopuccinia gehören, führt Magnus aus dem Kanton Graubünden unter 38 Puccinien, 21, d. s. 55 % Mikro- und Lepto- formen auf. Es wurde oben darauf hingewiesen, dass die Gattung Ravenelia auf die wärmeren Länder beschränkt ist, und zwar erstreckt sich ihr Verbreitungsgebiet in Amerika nördlich bis zum 44.° und südlich bis zum 37.°. Diese äussersten Grenzen werden nur von einzelnen Arten er- reicht und auch in den anderen Erdtheilen nicht über- schritten. Dies ist nun nicht etwa darauf zurückzuführen, dass die Organisation jener Pilze ihnen das Fortkommen in einem kälteren Klima unmöglich machte, sondern viel- mehr darauf, dass sie nur innerhalb jeuer Grenzen die geeigneten Nährpflanzen finden. Aus demselben Grunde sind auch einige andere Rost- pilzgattungen auf bestimmte Gebiete beschränkt. Dies ist z. B. der Fall mit der Gattung Chrysomyxa, deren bi.s jetzt bekannte Arten sämmtlich in Europa, Nordamerika, dem nördlichen Asien und dem Himalaya gefunden worden sind. Sie leben nur auf Picea-Arten und Ericaceen, sind aber auf Ericeen bisher noch nicht beobachtet worden, sodass also die Gattung möglicherweise von Südafrika ausgeschlossen ist. Die Chrysomyxa-Arten entwickeln sich entweder als Leptoformen auf Picea (Chrj'somyxa Abiotis [Wallr.] auf Picea vulgaris, Chrysomyxa Piceae Bare), auf Picea Morinda im Himalaya) oder einer Ericacce (Chrysomyxa himalensis Barcl. auf Rhododendron im Hi- malaya), oder als wirthswechselnde Arten, die in der Aecidiumform auf Picea, in der Uredo-Teleutosporenform auf einer Ericacce leben, wie z. B. der in den Alpen so häufige Rost der Alpenrosen. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Gattung Coleo- sporium, deren Verbreitungsgebiet ziemlich mit demjenigen der Gattung Pinus zusammenfällt. Alle Arten derselben haben Pinus-Arteu als Nährpflanzen, nämlich das nord- amerikanische Lepto-Coleosporium Piui Gallow. für die Teleutosporen, die übrigen, durchweg wirthswechselnden Arten für die Aecidiumform. Die üredo- und Teleuto- sporen dieser Arten leben auf Pflanzen aus sehr verschie- denen Familien, vorwiegend auf Dicotyledouen (Compositen, Campanulaceen, Scrophulariaceen u. a.). Nur an einer Stelle wird das Verbreitungsgebiet der Kiefern wesentlich überschritten von Coleosporium Elephautopodis (Schw.). Von der in Nordamerika mit 14 Arten heimischen Com- positengattuug Elephantopus kommt eine Art auch in Süd-Amerika vor, nämlich Elephantopus scaber, und auf ihr ist daselbst auch der genannte Parasit gefuuden worden. Wahrscheinlich pflanzt er sich dort nur durch die Uredo fort, zumal auch nur diese Sporenform in Süd- Amerika gefunden worden ist. Als Beispiele von Gattungen, deren Verbreitungs- gebiet streng mit demjenigen einer Phanerogamengattung zusammenfällt, seien genannt Phragmidium auf Rosaceen und Gymnosporangium auf Cupressaceen, in der Aecidium- form auf Pomaceen lebend. — Werfen wir nun einen vergleichenden Blick auf die Uredineen der einzelnen Erdtheile mit besonderer Rück- sicht auf die durch gemeinsame Arten zum Ausdruck kommenden gegenseitigen Beziehungen, so zeigt sich, dass in vielen Fällen das Verbreitungsgebiet einer Uredinee dasselbe ist, wie dasjenige der betreffenden Gattung, welcher die Nährpflanze angehört. So z. B. ist Puccinia Geranii silvatici Karst, auf verschiedeneu Geranium-Arten gefunden worden in den Alpen, den Gebirgen Turkestans, dem Himalaya, Russland, Scandinavien, in dem nord- amerikanischen Staate Colorado und in den Anden Süd- amerikas; Uromyces Aconiti Lycoctoni (DC.) kommt vor in Italien, den Alpeuländern, Scandinavien, Russland, Sibirien und dem Westen Nordamerikas. AVenn nun an- genommen werden muss und aus den Darlegungen von Prof. Ed. Fischer und dem Verfasser hervorgeht, dass wenigstens manche Uredineen ursprünglich nicht so streng wie jetzt mit ihrer Entwickelung an bestimmte Nähr- pflanzen gebunden waren, so muss diese engere Anpassung erst im Laufe der Zeiten erfolgt sein. Beispiele wie die angeführten beweisen uns aber, dass diese Anpassung be- reits in den Zeiten bestanden haben muss, welche für die heutige Vertheilung der Gefässpflanzen maassgebend ge- wesen sind. Es weisen denn auch noch verschiedene andere Umstände darauf hin, dass die Entwickelung der Rostpilze mit derjenigen ihrer Nährpflauzen Hand in Hand ging, sodass die geographischen Verhältnisse früherer Erdperioden in der jetzigen Verbreitung dieser Parasiten ebenso, wenn auch in beschränkterem Maasse, zum Aus- XV. Nr. 19. Naturwisseiischiiftliclie Wochenschrift. 219 (h'iick konitneii müssen, wie in der geographischen Ver- breitung der Gefässpflauzen. Wie von vornherein zu erwarten, ist die Zahl der gemeinsamen identischen Arten besonders gross in Ge- bieten, deren Phaneroganienfloren nahe mit einander ver- wandt sind. Innerhalb der gemässigten Zone der ganzen ntirdhchcn Hemisphäre ist daher in Europa, Asien und Amerika eine üredineenflora von- sehr gleicbmässigem Charakter mit vielen identischen Arten verbreitet. Für Europa und Nordamerika beträgt die Zahl der gemein- samen Species nach Ausscheidung aller Species, die etwa durch den Menschen verschleppt sein könnten, noch über 30% von der Zahl der europäischen Arten, nämlich 128 von nicht ganz 400 Species. Unter diesen gemeinsamen Arten ist besonders stark das arktisch-alpine Element vertreten, denn es kommen von jenen 128 Arten 108, also über 84 % in Skandinavien und dem nördlichen Kussland vor, während von den der mitteleuropäischen Flora angehörigen Arten nur wenig über 60 7o so weit nach Norden gehen, und dieser Procentsatz noch erheb- lich niedriger wird, wenn wir auch die südeuropäischen Arten in Betracht ziehen. In Japan und der Mandschurei finden wir neben vielen endemischen Arten und einer kleinen Zahl solcher S|)ecies, die auf der ganzen nördlichen Halbkugel ver- breitet sind (wie Puccinia Convolvuli [Pers.], Pucc. Poly- goni Alb. et Schw., Uromyces striatus Schrot., Crom. Orobi [Pers.] u. a.) eine Mischung nordamerikanischer Arten (wie Puccinia mesomegala Berk. et Gurt, auf Clintonia, Uromyces Lespedezae [Schw.], Aecidium Sambuci Schw., Aecidium Dicentrae Trel. u. a.) mit europäisch-sibirischen (wie Phragmidium carbonarium [Schlechtd.j, auf Sangui- sorba, Puccinia Hemerocallidis v. Thüm. u. a.). Auf- l'allenderweise linden sich hier auch einzelne Arten, die auf die südlicheren Theile Amerikas hinweisen, wie z. B. Puccinia Elytrariae P. Henn., welche bisher nur in Bra- silien und Mexico gefunden worden ist. Diesen Elementen gesellen sich nun auch noch Arten aus dem Himalaya hinzu. Wir nennen als solche Puccinia Urticac Barcl., Pucc. Eidaliae Barcl., Coleosporium Clcma- tidis Barcl., Aecidium Mori (Barcl.), Aecidium infrequens Barcl. auf Geranium nepalense, sowie die eigenthümliche Pucciniostele Clarkiana (Barcl.) auf Astilbe, einer Saxi- fragacee, die einzige Species dieser Gattung. Auch die zuerst aus dem Himalaya bekannt gewordene Gattung Phakopsora ist in Japan durch zwei Arten (Ph. Vitis [Thüm] und Ph. Ampelopsidis Diet. et Syd.) vertreten. Dieser Austausch der Arten ist, wenn wir der Darstellung Engler's in dessen „Entwickeluugsgeschichte der extra- tropischen Florengebicte der nördlichen Hemisphäre" folgen, dadurch möglich gewesen, dass zur Tertiärzeit die Gobi mit Wasser bedeckt, und eine Wanderung von Pflanzen gemässigter Klimate längs der Gebirge möglich war, welche vom Amurland in südwestlicher Richtung rings um die Gobi bis nach Tibet sich hinziehen. In den beiden vom Aequator durchschnitteneu grossen Kontinenten Afrika und Südamerika sind innerhalb der verschiedenen klimatischen Zonen die Gattungen und Familien der Phanerogamen so verschiedenartig, dass auch die auf ihnen parasitirenden Rostpilze sehr ver- schieden sind, allerdings weniger der Gattung nach, als der Art nach. Für Afrika ist allerdings ein Ueberblick wegen der grossen Unvollständigkeit der Erforschung der parasitischen Pilze zur Zeit unmöglich. Wir beschränken uns daher darauf, einige Arten namhaft zu machen, die auch anderwärts gefunden worden sind. So z. B. wurde der sonst nur aus dem Himalaya bekannte Uromyces Cunninghamianus Bari, auf Jasminum auch im Somal- land gefunden, und das auf Ceylon auf Diospyros lebende Aecidium rhytismoideum B. et Br. tritt in Abyssinien auf Maba abyssinica in einer var. Mabae P. Henn. auf. Puccinia Abutili B. et Br. (= Pucc. carbonacea Kalchbr.) kommt auf verschiedenen Arten von Abutilou und auf Sida rhombifolia in Abyssinien, im Caplande und auf Ceylon vor. Eine weitere Beziehung zur Flora Indiens haben wir in Puccinia ferruginea Lev., auf Smilax Kraussiana im Caplande vorkommend, die der auf Smilax aspera im Himalaya aufgefundeneu Puccinia Prainiana Barcl. sehr nahe verwandt ist. Pucc. Lycii Kalchbr. wurde im Kaplande und l)ei Jericho, Uromyces Aloes (Cke.) in Natal und Erythnaea gefunden. Mit der Flora Europas hat diejenige des Caplandes ausser einigen wahr- scheinlich mit Cultur- oder Zierpflanzen eingeführten Species, wie Puccinia Pruni Pers. auf Pfirsich, Phrag- midium subcorticium (Schruk.) auf Rosen nur wenig Arten gemein; wir nennen Puccinia Menthae (Pers.) und Uro- myces Scillarum (Grev.). Viel grösser ist natürlich die Zahl solcher Arten in den Ländern der Nordküste. Es wird nicht nöthig sein, dies durch Beispiele zu belegen. Spärlich, aber darum erst recht interessant sind die Fälle, in denen es sich um das Vorkommen identischer oder näehstverwandter Arten im nördlichen Afrika oder im Mittelmeergebiet und Amerika handelt. Derartige Species sind Puccinia Euphorbiae P. Henn. in Abyssinien, Californien und Mexico ; Puccinia Pilocarpi Cke. in Algerien und Südamerika (Brasilien, Paraguay), Puccinia Jlessnieriana Thüm. auf Rbamnus alaternus in Portugal und Rhamnus crocea in Californien mit einer nächstver- wandten Art (Puccinia Sehweinfurthiana P. Henn.) in Abyssinien; Uromyces Glycyrrhizae P. Magn. in den Mittelmeerländern und den Vereinigten Staaten von Nord- amerika; Uromyces Euphorbiae (Schw.) in Norditalien und Nord- und Südamerika. Wenn es hiernach scheint, dass das Mittelmeergebiet oderdas nördliche Afrika früher einmal in westlicher Richtung mit Amerika verbunden gewesen sei, so ist doch anderer- seits diese Verbindung auch in entgegengesetzter Richtung über das südliche und mittlere Asien denkbar. Durch diese Annahme würde das Vorkommen von Ravenelia indica Berk. und Uromyces Vignae Barcl. in Indien und Mexico, sowie von Uromyces Blainvilleae Berk auf Ceylon und in Brasilien eine einfache Erklärung finden. Auch das Vorkommen südamerikanischer Arten in Japan, die Nordamerika fehlen, oder nicht weiter nördlich als bis Mexico gehen, sowie die Verwandtschaft einiger ost- asiatischer Gattungen mit solchen, die in Südamerika endemisch sind (wie Coleopuccinia und Didymopsora, Stichopsora und Chrysopsora) ist wohl in diesem Sinne zu deuten. Die Zahl der Arten, welche Südamerika mit Nord- amerika gemein hat, ist keine allzugrosse. Wir finden diese Arten hauptsächlich im Westen, wie Ravenelia appendiculata Lagerh. et Diet. auf Phyllanthus in Ecuador und Mexico, Puccinia appendiculata Wint. auf Tecoma von Californien bis Ecuador, Puccinia Baccharidis Diet. et Holw. in Cali- fornien und Chile, Puccinia graminella (Speg.) ebenda, aber ausserdem in Argentinien, Puccinia subnitens Diet. in Montana und Chile u. a. Längs der hohen Gebirge des Westens war auch die Einwanderung von arktisch- alpinen oder anderen der nördlich gemässigten Zone an- gehörigen Arten möglich. Bemerkenswerth ist das Vor- kommen einer ziemlich grossen Anzahl endemischer Gat- tungen in Südamerika. Als solche sind zu nennen: Alveo- laria, Trichopsora, Chrysospora, Anthomyces, Dietelia, Didymopsora, Sphenospora, Mikronegeria; auch Pucci- niosira überschreitet nach Norden nicht weit die Grenzen des südamerikanischen Contineuts. Die Üredineenflora Australiens ist noch recht wenig Naturwissenseliai'tliLlip WoL-licnselirift. XV. Nr. 10. erforscht. Von den daselbst aufgefundenen Arten istPucciuia Dichondrae Mont. in Südamerika (Chile, Patagonien, Argentinien, Brasilien verbreitet, während der eigenthüm- liche Uromyces Tepperianus Sacc. auf Acacia auf Java vorkommt. Besondere Erwähnung verdient Phragniidium Barnardi Plowr. et Wint. auf Rubus parvifolius. Auf der- selben Nährpflauze kommt nämlich in Japan ein Phrag- niidium vor, das dem australischen in fast allen Stücken gleich ist. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Teleutosporen des australischen Pilzes 6 — 9, meist 7 Sporenzellen haben, diejenigen des japanischen dagegen nur 3 - 6, meist 4. Beide stammen zweifellos von der- selben Stammform ab, haben sich aber im Laufe langer Zeiten an ihren getrennten Standorten auf derselben Nähr- pflanze zu zwei deutlich verschiedenen Formen weiter ent- wickelt, die man am besten als Varietäten einer und dersell)en Art betrachten wird. Wir dürfen unsere Betrachtungen nicht schliessen, ohne der eigentbümlichen Wanderung der Puccinia Malva- cearum Mont. wenigstens kurz gedacht zu haben. Von seiner Heimath Chile aus, von wo ihn Montagne 1845 zuerst beschrieb, gelangte dieser Malvenrost Ende der 60er Jahre (1869 zuerst beobachtet) zunächst nach Spanien, von da nach Frankreich, Belgien und Holland. Nach England wanderte er 1873 wahrscheinlich direct aus Chile oder von Australien her, wohin er ebenso wie nach dem Caplande mit englischen Schiffen gelangt war, ein. Von den westlichen Ländern aus verbreitete er sich bald über alle Theile Europas und wurde bereits 1877 in Griechen- land beobachtet, überall grosse Verheerungen unter den wilden und angebauten Malven anrichtend. An dieser Wanderung ist es nicht sowohl die Schnelligkeit der Aus- breitung, die uns räthselhaft erscheint, denn dieselbe ist bei einer Leptopuccinia mit grosser Keimuugsenergie wohl erklärlich, als vielmehr der Umstand, welcher diesen Pilz veranlasst haben mag, die Grenzen seines Heiniathlandes zu überschreiten. Denn wenn in so kurzer Zeit, wie oben angegeben wurde, eine zweimalige Verschleppung des- I selben erfolgt ist, so dürfen wir wohl annehmen, dass auch schon früher rostkranke Malven in andere Länder gelangt sind, ohne dass jedoch der Pilz daselbst festen Fuss gefasst hätte. Einen Reform Vorschlag bezüglich der Nomenclatur der Natiirkörper hat Alfonso L. Herrera, Professor der Zoologie am National-Museum zu Mexico, der dortigen „Sociedad Cientifica Antonio Alzate" gemacht. Dieses Project bespricht Kavier Raspail ans Gouvicux (Frank- reich) in den „Memorias" obiger Gesellschaft, T. XII, indem er einige kleine Abänderungen proponirt. Aus- gehend von der unbestreitbaren Thatsache, dass das menschliche Gedächtniss nicht im Stande ist, die un- zähligen Namen auf dem Gebiete der Zoologie, Botanik und Mineralogie zu behalten, schlägt Herrera in Artikel 1 vor, jedem Gattungsnamen eine bestimmte Endung an- zuhängen, und zwar den Thiernamen die Endung us, den Pflanzen a und den Mineralien i; für letztere Endung schlägt Raspaii um vor. Von einschneidender Wirkung würde der Artikel 2 sein, der besagt: die Gattungsnamen der Thiere werden für den gewöhnlichen Gebrauch aufgehoben und dafür neue Namen eingeführt, die die betreftenden höheren Gruppen ergeben, die Gattung selbst muss dann in Special- werken aufgesucht werden, Als Beispiel führt der Ver- fasser den Namen Inscoccidus (für die Schildlausgattung Ceroplastes) an; aus diesem Namen ist zu ersehen: es ist ein Thier geraeint, denn der Name hat die Endung us, ein Insekt, das deutet die Vorsilbe ins an, und endlich ein Coccide. Raspaii folgt diesem Vorschlage nicht, weil derselbe gegen eine Hauptregel des Internationalen Congresses für Zoologie verstösst (in den Regeln der Deutschen Zoologischen Gesellschaft 5^ 12: Jede Art wird mit einem Gattungs- und darauf folgenden Artnamen be- zeichnet), nach ihm ist der Gattungsname beizubehalten und dadurch etwas verständlicher zu machen, dass ihm die Anfangssilbe der höheren Gruppe (welcher?) vor- gesetzt wird, es muss hier also heissen Insceroplasteus. Artikel 3 lautet nach Herrera: Den Gattungsnamen der Pflanzen wird die Abkürzung der Familie vorgesetzt, (die bei den Thieren nicht genügt), so dass der Name Rosaspiraea lobata angicbt: eine Pflanze (Endung a), die Familie Rosaceae (Vorsilbe Rosa) und die Gattung Spiraca. Diesem Vorschlage folgt Raspaii ohne Ein- schränkung. Schwierigkeiten, die sich bei gleich oder ähnlich anfangenden Familiennamen ergeben, z. B. bei Polygalaceae und Polygonaceae, Lycopodiaceae und Lyco- perdaeeae u. s. w. lassen sich gewiss leicht beseitigen. Raspaii führt noch folgende Beispiele an: aus Ceutropogon wird Lobcentropogona (Endung a, Familie Lobeliaceen), aus Alstroemeria wird Amalstroemeria (Familie Amarylli- deen), aus Odontoglossum wird Orchodontoglossa (Familie Orchideen). Artikel 4 bezieht sich auf das Mineralreich und lautet: Die Mineralien erhalten einen Gattungsnamen, der ge- bildet wird aus den Abkürzungen der zusammensetzenden Elemente, z. B. Sulfurzinci. Auch diesen Artikel nimmt Raspaii an mit der schon oben erwähnten Aenderung der Endung in um. Zu diesen Reformvorschlägen, speciell zu Artikel 2, mögen einige Bemerkungen des Referenten gestattet sein. Dieser Artikel (im Original) ist nach unserer Meinung völlig unannehmbar. Die Zoologen sind jetzt glücklich so weit, bestimmte Regeln für die Benennung der Thiere aufgestellt zu haben und so eine einigermaassen stabile Nomenclatur zu besitzen, wenn auch noch nicht für alle Klassen und Ordnungen. Unveränderlich fest stehen die Namen sowieso nicht, da nach dem Gesetz der Priorität leicht ein Wechsel in der Naniengebung eintreten kann (vergl. g 14, Abschnitt b der „Regeln"). Nun kommt der mexicanische Professor mit dem Vorschlag, die fest- gesetzten Namen zu streichen und au ihre Stelle Namen höherer Gruppen zu setzen. Für die Praxis wird sich dies als unmöglich herausstellen. Nehmen wir ein Bei- spiel an. In der relativ kleinen Käferfamilie der Cleriden, die jetzt gegen 1800 Speeies umfasst und nach Herrera die Gruppe Inscleridus bilden würde, führen 13 Arten verschiedener Gattungen (von den Varietäten und Syno- nymen abgesehen) den Namen apicalis, und zwar haben 4 Autoren diesen Namen je zweimal angewandt, 10 Arten heissen bicolor, 8 gracilis, 7 abdominalis. Werden nun die Gattungsnamen aufgehoben, so muss ja in der neuen Gruppe Inscleridus ein heilloser Wirrwarr entstehen, oder aber es müsste eine ganze Anzahl von Arten neue Namen erhalten, was die Fatalität nur vergrössern würde. Raspaii will denn auch die Gattungsnamen beibehalten, aber auch sein Vorschlag hat nach unserer Meinung wenig Werth; denn durch das Vorsetzen der Anfangssilbe der höheren Gruppe wird für das Verständniss so gut wie nichts ge- wonnen, wer die betreffende Gruppe nicht studirt hat, wird sich z. B. bei einem Namen Insacrepus eben nicht mehr denken können als bei Acrepis, nur dass er weiss, das Thier gehört zu den Insekten, von denen über 280 000 Arten beschrieben sind. S. Seh, XV. Nr. 1! Naturwissenschaftliche Woclienschrift. In den menschlichen Körper irgendwie liinein- i^eliingte Fremdkörper wandern bisweilen bekanntlich und finden sich nicht selten an ganz anderen Stellen wieder, indem sie sich gewöhnlich in der Richtung der Schwere fortbewegen. Einseitig zugespitzte Gegenstände können sich aber auch in der Richtung der Spitze des Gegenstandes im Körper fortbewegen; gelegentlich ver- lassen sie auch den Darm, wobei man dann überrascht ist, zn finden, dass sie nicht eine Perforations-Bauchfell- Entziindung erzengen, sondern zuweilen Darratheile durch- setzen, ohne wesendiche Entzündungen zn machen, höchstens eine adhäsive Entzündung unter Bildung von fibrösem Binde- gewebe. Hauptsächlich machen das Nadeln und Fisch- gräten. So zeigte Hansemann in der Berliner medicini- schen Gesellschaft am 19. Februar d. J. eine Fischgräte, welche er bei einem jungen Menschen ausserhalb des wurniförmigen Fortsatzes, durch neugebildetes Binde- gewebe fixirt, gefunden hatte. Stecknadeln bleiben nicht selten im Darm sitzen mit ihrem Knopf, mit der Spitze ragen sie in die Umgebung hinein. Sehr bekannt ist es ja, wie Geschosse oder Stücke derselben, noch nach einer langen Reihe von Jahren plötzlich an ganz anderen Körpertheileu Beschwerden machen, als wo sie einge- drungen sind. Ein eigenartiges Präparat zeigt Hansemann in der genannten Gesellschaft vor. Es handelte sieh um eine Frau, die am Kindbeltfieber gestorben war und bei welcher er die Spitze eines grünen Rohrblattes von etwa () cm Länge fand, welches mit dem 5 mm breiten Ende im Mediastinum an dem Herzbeutel durch einige Binde- gewebsstränge fixirt war, während die Spitze ganz frei beweglich nach oben ragte. Das dicke Ende lag also nach unten, die Spitze nach oben, nach der Aorta zu. Eine Eingangspforte für das Blatt Hess sich trotz ein- gehenden Suchens nicht finden, weder eine Narbe, noch eine Perforation, noch ein Weg, der durcii eine Entzündung angegeben gewesen wäre. Dass das Gebilde durch die äussere Haut eingedrungen ist, ist höchst unwahrschein- lich. H. glaubt auch nicht, dass das Blatt aus der Mund- schleimhaut oder aus dem oberen Theil der Speiseröhre durchgedrungen ist, denn es zeigte mit der Spitze nach oben. Er nimmt daher an, dass es in der Richtung der Spitze gewandert ist, also von unten hergekommen sein muss, und dann bleibt nichts übrig, als ein weiter unten gelegener Abschnitt der Speiseröhre. Wahrscheinlich reichte das Blatt mit seinem breiten Ende in den Magen liinein und ist durch die Contraction des Magens durch die Schleimhaut der Speiseröhre hindurch gestossen. A. Mz. Znr Erklärung der Färbung des Feuersalamanders (Salaniandra maculosa) sagt Dr. Schnee in „Natur und Haus" Berlin 1900, S. 249 — 250, nachdem er das aus- nahmsweise Vorkommen von Thieren mit zwei continuir- lichen gelben Längsstreifen auf dem Rücken betont hat, das Folgende: Die erwähnte Streifenzeichnung unseres Feuersalamanders darf man wohl als Rückschläge auf- fassen. Die Annahme Hegt alsdann nahe, dass diese Art von ursprünglich einfarbig gelben Thieren abstammte. Man könnte sich die Entwickelung ungefähr so vorstellen: Durch irgend einen Umstand, z. B. Kälterwerden des Klimas, wurde ein Wärmeschutz nöthig. Um die für die wehrlosen Geschöpfe so wichtige Trutzfarbe nicht auf- zugeben, trat das wärmende Schwarz zuerst an den Seiten, dann auch längs der Rückenmitte auf, das Thier war somit zu einem gestreiften geworden. Diese Streifen lösten sich dann in längliche Flecke auf, wodurch trotz Beibehaltung des warnenden Gelb eine möglichst grosse Heizfläche erzielt wurde, wenn man so sagen darf. Ein gewisser Beweis, dass die Sache so verlaufen sein wird, liegt in dem Umstand, dass der in den Alpen lebende Vetter unseres Feuersalamanders sein leuchtendes Gelb ganz eingebüsst hat und gänzlich schwarz erscheint. Für die hohe Lage, in der er lebt — unter 1000 m kommt er überhaupt nicht vor — ist der Wärmeschutz ein so nöthiger, dass die Warnfärbung dagegen zurücktreten musste. Den Gartenschläfer, Eliomys nitela Wagn., als Vogelfeiud, bespricht der bekannte Oruithologe Xavicr Raspail aus Gouvieux (Frankreich) in dem „Bulletin de la Societe d'AccHmatisation de France" 1899, S. 105 bis 112. Der Gartenschläfer, auch grosse Haselmaus oder Eichelmaus genannt, ist in ganz Mitteleuropa heimisch und kommt auch in bewaldeten Gegenden Deutschlands, z. B. im Harz, recht häufig vor. In Frankreich dringt das gewandte Thier bis mitten in die Dörfer und kleineren Städte vor und wird daselbst zuweilen durch seine Näsche- reien an allerlei Obst in hohem Grade schädlich. Uebcr- all findet es etwas zu nagen und zu fressen und seine Verdauungsorgane sind so eingerichtet, dass der Garten- schläfer die verschiedensten Substanzen nach und durch einander vertragen kann; eine besondere Vorliebe zeigt er für Seife und Talglichte, und die Excremente sind immer von gleicher Beschaffenheit, mag das Thier Fleisch, Eier, Früchte oder Seife verspeist haben. Die ganze Nacht streift der Gartenschläfer Nahrung suchend umher, er durchstöbert das dichteste Gebüsch, erklettert die höchsten Bäume und selbst steile Mauern, und so fallen ihm all- nächtlich eine ganze Anzahl Vögel und Eier zum Opfer. Raspail kannte ein Nest der Schwarzamsel, das in einer so dichten Dornenhecke angelegt war, dass die Katzen nicht dazu gelangen konnten. Die Eier waren schon so weit bebrütet, dass die Jungen binnen kurzem ausschlüpfen mussfen; da fand der Verfasser eines Tages statt des brütenden Weibchens einen Ballen Moos in dem Neste; er vermuthete sogleich das Richtige, schoss in das Nest hinein und tödtete einen starken Gartenschläfer, der das Nest geleert und sich gleich darin zum Schlafen und Verdauen niedergelegt hatte. Die Räuber leerten ferner 21 Nester der Singdrossel, die der Autor bei Gouvieux beobachtete. Seit mehreren Jahren tödtet und fängt Raspail in seiner Heimath jährlich eine Menge Garten- schläfer, aber dieselben nehmen an Zahl durchaus nicht ab, es scheint im Gegenfheil, als ob ihrer immer mehr würden. Den Grund sieht Raspail darin, dass die nütz- lichen Nachfraubvögel im Abnebmen begriffen sind, und dass alle alten Bäume in den Gehölzen, die sonst dem Gartenschläfer zur Wohnung dienten, entfernt werden, so dass die Thiere in die Nähe der menschlichen Wohnungen kommen. Der gewandte Räuber stiehlt sogar brütenden Hühnern und Fasanen die Eier unter dem Leibe weg. Findet er ein Nest mit Jungen, so beisst er dieselben der Reihe nach todt und frisst von dem und jenem ein Stück; dies geschieht aus reiner Mordlust, nicht aus Hunger, denn niemals frisst er einen jungen Vogel ganz auf. So ist der Gartenschläfer für die Vögel eins der schädlichsten Thiere und es wäre nöthig, dass für die Vernichtung einer bestimmten Anzahl dieser schädlichen Nager Prämien ausgesetzt würden, zumal das Thier ver- hältnissmässig ohne Schwierigkeit gefangen werden kann. Der Gartenschläfer geht leicht in Fallen, die mau mit irgend einem Köder ausgestattet hat. Nach dem Winter- schlafe, im April, kannn man sie oft in Anzahl in ßaum- löcheru antreffen; so fand Raspail einmal in einem Loch in einer Zitterpappel 11 Stück, von denen nur eins ent- wischte. Später sieht man auf alten Bäumen das Nest Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 19. des Gavtenscbläfers, das er aus Moos, Wolle und Haaren baut und in dem er den Tag verbringt; wird er auf- gestört, so verlässt er dasselbe, und klettert behend in die Krone des Baumes, wo er sich gewöhnlich in einer Astgabel aufhält, dem Jäger ein leichtes Ziel bietend. _^ S. Seh. Eine neue Theorie der Ameisenpflanzen (vergl. hierzu „Naturw. Wochenschr." Bd. IV, No. 2 vom 7. April 1889) stellen L. Buscalioni und J. Huber in den Bei- heften zum Botanischen Centralblatt (Cassel 1900) auf. Sie sagen u. A.: Von allen Ameisenpflanzen beanspruchen diejenigen unser lebhaftestes Interesse, welche den Ameisen nicht nur Nahrung, sondern auch ständige Wohnung ge- währen und deshalb mit mehr Recht als die übrigen als myrmekophil bezeichnet werden können. Die Untersuchungen Schimper's über die südbrasi- lianischen Cecropien haben für diese Pflanze dargethan, dass hier das Zustandekommen der Symbiose das Schutz- bedürfniss des Baumes gegenüber den Blattschneider- ameisen der Hauptfactor gewesen sein dürfte, dass es sich also um eigentliche Anpassung der Cecropien an Schutz- ameisen handle. Auch für andere Pflanzen mit Myrmeko- domatien sind specielle Anpassungen als höchst wahr- scheinlich nachgewiesen worden, sodass die Schimper'sche Theorie über die Ameisenpflanzen gegenwärtig als die herrschende bezeichnet werden kann. Diese Theorie genügt jedoch nicht, um das ursprüng- liche Auftreten und besonders gewisse Eigenthümlichkeiten in der Verbreitung der Ameisenpflanzen zu erklären. Sie scheint sogar oft — und zwar gerade im Fall von Cecropia — mit den Thatsachen im Widerspruch zu stehen. Bekanntlich finden sichnänüieh in denperiodisch überschwemmten Inseln und üferniederungen des Amazonas ganze Wälder von Cecropien, die alle von Ameisen bewohnt sind, obwohl an diesen Standorten, wie schon a priori einleuchtet, keine Blattschneiderameisen zu fürchten sind, da die- selben ja so wie so durch die Ueberschwemmungen an der Anlage ihrer unterirdischen Bauten verhindert werden. Nun ist ja nicht ausgeschlossen, dass den Ameisen hier eine Schutzfunction gegen andere Feinde der Cecropien zukommt, doch ist darüber noch nichts Näheres bekannt. Dagegen scheint uns ein anderer Umstand nicht nur in diesem Fall, sondern auch bei der Verbreitung anderer Ameisenpflanzen von hervorragender Bedeutung zu sein. Unabhängig von einander sind die Vertf. im Laufe ihrer Reisen im Amazonasgebiet darauf aufmerksam geworden, dass hier die von Ameisen bewohnten Pflanzen fast aus- schliesslich auf gegenwärtig oder früher periodisch über- schwemmte Standorte beschränkt sind. Schon einem Reisenden, welcher nur den Hauptstrom bereist und in den Varzeas (Üeberschwemmungswäldern) des Amazonas die Millionen von Exemplaren von Ameisenpflanzen (nament- lich Arten von Cecropia und Triplaris) sieht, muss diese Verbreitung auffallen, umsomehr als hier mehr als viel- leicht im Süden von Brasilien die in den Capueiras (Nach- wuchs an gerodeten Stellen) vorkommenden Cecropien als blosse versprengte Vertreter jener Inselvegetation er- scheinen. Aber nicht nur in den Varzeas des Haupt- stromes, sondern bis in die entferntesten Nebenflüsse hinauf lässt sich die Anhäufung der Ameisenpflanzen in den periodisch überschwemmten Landstrichen nachweisen. Ein bemerkenswerthes Beispiel für diese charakteristische Verbreitung myrmekophiler Pflanzen im Amazonasgebiet ist einem von uns am Rio Ucayali vorgekommen. Bei einer Excursion durch das hügelige Waldgebiet, welches sich von Canchahuaya aus östlich gegen die Quellen des Javary hin erstreckt, wurde während eines sechstägigen Marsches niu- eine einzige Ameisenpflanze (Triplaris sp.) angetroffen. Nach dieser Zeit gelangte die Expedition in das Thal eines kleinen Flüsschens, dessen Ufer sehr flach und anscheinend öfteren Ueberschwemmungen aus- gesetzt waren. Hier fanden sich in kürzester Zeit auf beschränktem Raum und z. Th. gesellig wachsend nicht weniger als vier verschiedene Pflanzen mit Myrmckodo- matien, nämlich zwei Arten von Cecropia (in nicht über- schwemmtem Wald kamen zwei ameisenfreie Cecropien vor), der Leguminosen-Baum aus dem Genus Tachigalia, mit hohlen, von furchtbar bissigen Ameisen bewohnten Blattstielen, und schliesslich noch ein grosser Strauch (wahrscheinlich Simarubacee) mit gefiederten Blättern und hohlen, von Ameisen bewohnten Zweigen. In gewissen Niederungen zwischen Ucayali und Huallaga, die sicher während eines Theiles des Jahres überschwemmt oder wenigstens versumpft sind, wurden streckenweise als fast einziges Unterholz zwei Arten von Ameisen beherbergen- den Melastomaceen beobachtet. Aehnliche Verhältnisse wurden am Rio Tocantius für einen „Pajaü" genannten Baum (wahrscheinlich Cocco- loba latifolia), für eine Tococa und für Cordia nodosa, sowie für einen „Canudo de S. Joao" genannten Strauch (wahrscheinlich eine Cassia) constatirt. Alle diese Ameisen- pflanzen waren stets in der Nähe des Stromufers oder im Ueberschwemmungsgebiet irgend eines Igarapes zu finden. Das vorzugsweise Vorkommen der Ameisenpflanzen au periodisch überschwemmten Standorten deutet darauf hin, dass irgendwie Beziehung zwischen dem Auftreten der Myrmekophilie und den Ueberschwemmungen bestehen muss. Dies erscheint auch auf den ersten Blick voll- kommen erklärlich. In früheren geologischen Zeiten wurden gewiss im ganzen Amazonasgebiet noch beträcht- lich grössere Landstrecken als jetzt periodisch über- schwemmt. In diesen schon zum Theil mit Wald be- deckten Partien mussten die Ameisen während der Ueber- schwemmungszeit sich auf die Bäume und Sträucher zurückziehen. Natürlich wurden dazu vorzugsweise die- jenigen gewählt, welche irgendwie geeignete Hohlräume zum Unterbringen der Larven boten. Dass die betreffenden Pflanzen die Ameisen durch extrauuptiale Nektarien an- locken, muss nicht einmal nothwendig angenommen werden, haben ja doch gerade die Pflanzen mit Myrmekodomatien meist keine echten extranuptialen Nektarien, sondern bieten den Ameisen andere Nahrung speciellerer Art, deren Ab- sonderung vielleicht ursprünglich sogar der directen Ein- wirkung der Ameisen oder der von ihnen gezüchteten Aphiden oder Coceiden zuzuschreiben ist. Dass den be- treffenden Pflanzen jedoch durch die Ameisen auch ein Schutz erwuchs gegen allerlei Schädlinge und dass in Folge dessen eine allmähliche Auswahl der myrmekophilen Merkmale bewirkt wurde, ist sehr wahrscheinlich. Als die Ströme ihr Bett allmählich verengerten, mögen manche der Ameisenpflanzen die in den Uebcrschwemmungszeiten erworbenen Eigenschaften auch auf einen trockneren Stand- ort übertragen haben, einerseits weil nun an diesem trock- neren Standort vielleicht die Sehutzwirkung der Ameisen intensiver seleccionirend sich geltend machte (wegen des Auftretens der Blattsehneideramcisen), andererseits, weil die mja'mekophilen Eigenschaften schon so weit gediehen waren, dass die Schutzameisen trotz der nun nicht mehr vorhandenen Nothwendigkcit eines Schutzes gegen Ueber- schwennnungcn doch die bequeme und praktische Pflanzen- wolnnnig einem freieren Leben vorzogen (Cecropia). Die meisten myrmekophilen Pflanzen blieben aber ihren edaphi- schen Existenzbedingungen treu, d. h. sie blieben auf periodisch überschwemmte Standorte beschränkt. Auf diese Weise erklären wir uns das Vorkommen der meisten Ameisenpflanzen des Amazonasgebietes in Ueberschwem- mungsniederungen. XV. Nr. 19. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Eine Verbindung des Baltischen mit dem Weissen Meer emptiehlt, nach einer im „Centralblatt der Bauver- waltung'" veröffentlichten Notiz, der russische Ingenieur Timonow in der „Zeitschrift des russischen Ministeriums der Verkehrsanstalteu." Die Newa besitzt, mit Ausnahme weniger Stelleu, bereits überall Seetiefe. Durch Baggerarbeiten au diesen wenigen Stellen, vor allem an der Ausflussstelle der Newa ans dem Ladogasee, der sogenannten Koschkinschen Rhede, wäre der Ladogasee unschwer den Seeschiffen zugänglich zu machen. Der Verbindnngsfluss des Ladoga- uud Onegasees, der Swir, wäre zu vertiefen und mit Schleusenwerken zu versehen, um auch den Onegasee für Seeschiffe erreichbar zu machen. Der Neubau einiger Kanäle und die Reguliruug einiger Flüsse auf der Wasser- scheide zwischen beiden Meeren würde alsdann die ge- plante Verbindung zwischen dem Finnischen Meerbusen und dem Onegabusen im Weissen Meer vervollständigen, welche sehr bedeutende wirthschaftliche und militärische Vortheile darbieten würde. Eine Verbindung zwischen beiden Meeren besteht für Schiffe von geringem Tiefgang bereits in dem System der Ladogakanäle („Marienkanal"), doch bedarf diese Verbindung zur Zeit dringend des Ausbaues. Timonow weist nun nach, dass dieser Ausbau kostspielige!- sein würde als die von ihm empfohlene Neuanlage. Berück- sichtigt man ferner, dass für die Beförderung der aus dem Wolgagebiet anlangenden wichtigen Getreidefrachten nach dem Norden allein eine Zeitersparniss von ca. zehn Tagen pro Fracht und eine jährliche Geldersparniss von ca. 1 Mill. Rubel durch die Verwirklichung Timonow's Plan erzielt werden kann, dass weiterhin den russischen Kriegs- schiffen in der Ostsee der Weg nach dem Eismeere offen stände u. a. m., so lässt sich nicht leugnen, dass der Timonovv'sche Vorschlag ernstester Erwägung werth ist. H. Eine auf die Principien der modernen Petrographie sich stützende Eintheiliing' der Meteoriten giebtE. VVein- schenk in einer Arbeit: „Zur Classification der Meteorite" in dem Sitzungsbericht der kgl. bayer. Akademie der Wissenschaften der mathematisch-physikal. Klasse vom ß. Mai 1899. Während in dem bisher geltenden System, das 1864 von Gustav Rose aufgestellt, seither von Tschermak und Brezina erweitert war, zunächst die Eisenmeteorite von den Steinmeteoriten geschieden wurden, war namentlich die Eintheilung der letzteren eine rein äusserliche, wie z. B. nach Farbe und Structur. Da die Steinmeteorite nun alle der Gruppe der Magnesiasilikatgesteine augehören und sich so in der Mineralzusammensetzung kein Eintheilungs - Prinzip er- giebt, nimmt Verf. die Mikrostructur derselben zu Hülfe. Er kommt dabei zu dem Resultate , dass sämmtliehe Chondrite krystallinisch sind, oder es doch mindestens gewesen sind. In letzterem Falle hat entweder durch Druck eine allgemeine Zermalmung, verbunden mit einer Auflockerung des ganzen Grefüges stattgefunden, oder beim Durchfallen unserer Atmosphäre hat durch die ent- standene Schmelzung der Rinde eine starke Injection dieser schwarzen Schlacken in die Spalten und Risse des Gesteins hinein stattgefunden. Ein weiteres Trennungs- merkmal ist das mehr oder minder häufige Vorhanden- sein der Chondren, jener kugeligen Bildungen, die diesen Meteorsteinen den Namen gegeben haben, sowie die Art der auftretenden Zwischenklemmungsmasse. Verf. kommt so zu folgendem System: A. Eisenarme Meteorsteine: I. Anormale: a) Eukrit: feldspathreich mit ursprünglich ophistischer Structur. b) Chladeit: / Vorherrschend [ '•l'0'"''f '»^r | ^ c) Augrit: ( l^ nionoklmer | -^ d) Chassiguit: vorherrschend Olivin mit körniger Structur. e) Bustit: feldspathfreics ] Gestein mit Olivin und f) Ilowardit: feldspathhaltiges J Pyroxen. II. Normale: 1. Meteorsteine mit gleicher Basis und Krystallskeletten. 2. Meteorsteine mit PlagioklasausfüUung. 3. Mit schwarzer schlackiger Masse injicirte Ste>ne. B. Eisenreiche Meteorsteine. 1. Mit Chondren. 2. Ohne Chondren. A. Klautzsch. „lieber Spaltpilzgährungen" theilt 0. Emmerling Untersuchungsergebnisse in den Ber. Deutsch. Chem. Ges. 32, 1915 mit. Wiederholt ist die Zersetzung organischer Säuren durch Spaltpilze Gegenstand von Untersuchungen gewesen. Neben den Arbeiten Pasteur's „Ueber die ^'er- änderungen der Weinsäure und Milchsäure" sind vorzugs- weise zahlreiche Publikationen von A. Titz hervorzuheben, so die Gährungen der Weinsäure, Milchsäure, Apfelsäure, Citronensäure etc. ; in mehreren Fällen konnte er specifischc Gährungserreger beschreiben, obgleich die damaligen Me- thoden der Reincultur nicht einwaudsfrei sind. Häufiger sind die Fälle, in denen die verschiedenen Gährproducte durch Bacteriengemische erzeugt waren. Mit Vorliebe hat man die reducirenden Eigenschaften von Fäulniss- bacterien benutzt, um sauerstoffreiche organische Ver- bindungen auf physiologischem Wege in sauerstoffärmere überzuführen, doch nur in wenigen Fällen hat man die specifischen Gährungserreger selbst isolirt. Verfasser beschreibt einen Gährungsproeess, den die Aepfelsäure unter dem Einflüsse eines rein cultivirten Mikroben erleidet. Aepfelsäure lässt sich bekanntlich rein chemisch durch Reductionsmittel leicht in Bernsteinsäure überführen, auch mit Spaltpilzen erreicht man dasselbe. Fitz konnte aepfelsaures Calcium nach drei Richtungen vergähren: Ein kleiner dünner Bacillus lieferte Beriisteinsäure, Essig- säure und Kohlensäure, ein kurzer Bacillus hauptsächlich Propionsäure und ein dritter Pilz endlich Buttersäure. Schützeuberger zerlegte aepfelsaures Calcium in Milchsäure und Kohlensäure; fauler Käse oder Bierhefe producireu aus Aepfelsäure Bernsteinsäure. Als Emmerling eine neutralisirte mit Nährsalzen ver- setzte Lösung von 8 g Aepfelsäure in 150 g Wasser mit faulender Fleischflüssigkeit impfte und mehrere Tage bei 37° aufbewahrte, trübte sich die Flüssigkeit und liess einen zähen Schlamm zu Boden sinken. Mikroskopisch konnten zahlreiche, meist unbewegliche Bacterieu erkannt wex-den. Bei wiederholtem Abimpfen in neue Aepfel- säurelösung schien eine Art vorherrschend zu werden. Mit Hülfe des Platten Verfahrens wurde ein kurzer, dicker Bacillus isolirt, der unbeweglich war und scharf als der von Escherich entdeckte Bacillus lactis aerogenes charak- terisirt werden konnte. Die Aepfelsäure, in der das ursprüngliche Pilzgemisch gewachsen war, hatte Veränderungen erlitten, es hatten sich viel Kohlensäure, ausserdem flüchtige Säuren und Bernsteinsäure gebildet. Zu untersuchen blieb, ob der Bacillus aerogenes in reinem Zustand die gleiche Veränderung hervorruft. Zu Naturwissenschaftliche Wochenschiift. XV. Nr. 19. diesem Zweck wurde eine Lösung von 20 g Aepfelsäure in 500 g Wasser mit Natriumearbonat schwach aiiiaHsch gemacht, mit 0,2 Pepton, 0,1 Kaliumpliospliat, 0,05 Magne- siumsulfat und 2 Tropfen einer Chidrcaleiuuilösung ver- setzt, sterilisirt und mit einer Spur des Spaltpilzes geimpft. Nach 14 Tagen war die Aepfelsäure vollständig ver- schwanden und der Kolbcniubalt mit schleimigen Pilz- häuteu durchzogen. Das Filtrat wurde destillirt; Alkohole hatten sich nicht gebildet; es waren entstanden 4,5 Kohlen- säure, 3,2 g Essigsäure und Spuren von Ameisensäure. — Aus dem Destillationsrückstaud wurden 11,5 Bernstein- säure gewonnen. Der Vorgang lässt sich wie folgt formuliren: SC^HeOä = 2C4H6O, + C,H,Oo + 2C0, + H^O. Auf 20 g Aepfelsäure berechnet, ergiebt sich darnach : 2,9 g Essigsäure, gefunden wurden 3,2 g 4,3 „ Kohlensäure, „ „ 4,5 „ 11,7 „ Bernsteinsäure, „ „ 11,5 „ Kleine Nebenreactionen sind bei derartigen biologischen Vorgängen, wie die Bildung von Ameisensäure beweist, natürlich nicht auszuschliessen. Verfasser stellt schliesslich die in den Lehrbüchern ver- breitete Ansicht, dass auch Bierhefe Aepfelsäure zu Bern- steinsäure reducirt, dahin richtig, dass reine bacterienfreie Hefe eine solche Thätigkeit nicht ausübt. Die leichte Ueberführung der Aepfelsäure in Bernstein- säure legte die Vermuthuug nahe, dass beispielsweise auch die Weinsäure einer ähnlichen Umwandlung fähig sei; so gelang es König, mit Hülfe von Gährungserregern, die unter dem Sammelnamen Bacterium Termo zusammen- gefasst werden, aus derselben grosse Mengen von Bern- steinsäure zu gewinnen; über die näheren Vorgänge bei dieser Gährung ist nichts bekannt. Der Bacillus aerogenes scheint indessen hier nicht in Betracht zu kommen, sondern Zersetzungen anderer Art zu bewirken. Dr. A. Sp. „lieber die Aiifschliessung der Silicate durch Bor- siiiireanliydrid" machen P. Jan nasch und H. Weber in den Ber. Deutsch. Chem. Ges. 32, 1670 weitere Mit- theilungen. Schon vor einigen Jahren (Ber. 28, 2822) publicirte Jannasch gemeinschaftlich mit H. Heidenreich ein Verfahren zur Aufschliessung von Silicaten durch Zu- sammenschmelzen derselben mit Borsäure. Zu diesem Zweck wurde das feingepulverte Silicatpulver mit der fünf bis s_eehsfachen Menge entwässerter Säure gemischt, und das Ganze 15 — 20 Minuten kräftig geglüht. Die er- haltene Schmelze ist entweder fast vollständig oder unter Hinterlassung grösserer Mengen Kieseisänreflocken in heissem Wasser und Alkohol löslich. Die Lösung wird wiederholt unter Znsatz von starker Salzsäure und Methyl- alkohol zur Verjagung der Borsäure zur Trockne gedampft und die Analyse in üblicher Weise zu Ende geführt. Eine Reihe gut stimmender Analysen erwiesen alsbald die all- gemeine Brauchbarkeit der Methode, aber schon damals beobachtete Jannaseh eine merkwürdige Ausnahme bei dem Disthen (Cyanit), einem Aluminiumsilicat der Anda- lusitreihe. Weder stundenlanges Glühen des Materials mit Bor- säure noch die Verwendung von Gemischen des Bortrioxyds mit Ammoniumcarbonat, Ammoniumsulfat oder Ammonium- borat lieferten positive Ergebnisse. Selbst bei specielleu Aufschliessungsversuchen des Disthen's mit Flusssäure- Schwefelsäure gelang es nicht, ihn zwecks vollständiger Analyse auch nur annähernd hinreichend zu zersetzen. Was aber durch verschärfte chemische Angriffsmittel nicht zu erwingen war, das wurde durch Steigerung der Schmelztemperatur unter Benutzung eines Leuchtgas- Sauerstoft'gebläses mit geradezu überraschendem Erfolge erreicht. Zur Aufschliessung des feinstgepulverten Silicates schmilzt man 0,5 desselben mit 15 g zerkleinertem Bor- säureanhydrid zunächst über der gewöhnlichen und am Ende über dem Luftgebläse bis zum ruhigen Fluss zusammen, überschichtet dann mit ,2 — 39 feinem Bortrioxydpulvei' und glüht nunmehr über einer starken Sauerstofl'gebläse- flamme, die durch Leuchtgaszufuhr aus wenigstens 5 bis 6 Hähnen und einem Sauerstoftstrom aus einer Eisendruck- bombe gespeist wird, bis eine vollständig durchsichtige, glasklare ISchmelze resultirt, was bei normalen Versuchs- bedingungen in 10 — 15 Minuten erreicht wird. Nach Ab- kühlung des noch glühend heissen Tiegels in kaltem Wasser lässt man die Schmelze in eine geräumige Porzellan- schale fallen, deckt eine Glasplatte darüber und über- schüttet sie mit Salzsäure-Methylester. Unter Ersatz der verdampfenden Flüssigkeit und Umrühren erhitzt man nach Entfernung der Bedeckung über freier Flamme zum Sieden, bis klare Lösung erfolgt und dampft das Ganze auf dem Wasserbad zur Trockne; der Rückstand wird, um die letzten Reste noch vorhandener Borsäure zu ver- flüchtigen, wiederholt mit Salzsäure -Methylester über- schichtet und eingetrocknet. Der im Platintiegel ver- bliebene Rest der Schmelze wird schnell auf dem Wasser- bade in wenig Salzsäuremethylester gelöst und der Hauptflüssigkeit zugefügt. Folgend sind die Resultate zweier auf diesem Wege ausgeführten Disthen-Analysen aufgeführt, es sind das wohl die ersten vollständigen Analysen solcher Silikate, die sogar einer Aufschliessung mit Ammoniumfluorid widerstehen und bislang nur durch Kaliumcarbonat zer- setzt wurden, was natürlich die gleichzeitige Bestimmung der Alkalien ausschliesst. Ausserdem sind noch zwei Analysen des im Schwarzwald sehr verbreiteten Quarz- porpiiyrs heigegeben. Analyse des Disthens von Lincoln Co. (N. -Carolina). I. Analyse IL Analyse Si(X =37,21 pCt. 37,11 pCt. Al.,0.j = 60,78 „ 61,00 „ CaU' = 0,33 „ 0,34 „ K.,(> = 1,35 „ 1,34 „ NÄ.,0= 0,52 „ 0,41 „ 100,19 pCt. 100,20 pCt. nalyse eines Quarzporphyr.«- aus dem Kinzigt I. Analyse II. Analyse SiO., =71,84 pCt. 71,68 pCt. TiO., = Spuren Spuren A1.,Ö3 = 16,56 pCt, 16,60 pCt. Te,03= 1,67 „ 1,84 „ CaO = 0,69 „ 0,66 „ MgO = 0,83 „ 0,82 „ K.,0 = 5,06 „ 5,02 „ NÄ.,0 = 0,60 „ 0,44 „ KoÖ = 2,63 „ 2,58 „ 99,85 pCt. 99,64 pCt. II. Die Aufschliessung des Topases. 0,5 g des feinstgepulverten Minerals werden zunächst mit 5 g Borsäure über dem Bunsenbrenner und schliess- lich über dem Luftgebläse zusammengeschmolzen; die er- kaltete Masse wird mit 7 g Borsäure pul ver überschiehtet und neuerdings über der Sauerstoffleuchtgasflamme er- hitzt. Nach durchschnittlich 10 Minuten ist die Reaction beendet. Die erhaltene glasklare Schmelze löst sich in 15 Minuten ohne Rückstand in Salzsäure-Methylester auf. XV. Nr. 10. Naturwissonscli; Woclionsclirift. 225 Die quantitative Analyse der Lösung- ergab die werth- volle Thatsache, dass unter den angegebenen Versuclis- bcdingungcu keine Kieselsäure verloren geht, dass aber alles Fluor des Topases in Form von Borfluorid entweichen nuiss. Da die Siliciunibestimmungen des Topases nach den früheren Methoden einerseits unsichere und anderer- seits nur in der Hand des erfahrenen Fachanalytikers genaue Resultate geben, so ist die weitere Anwendung der Borsäureschmelze auch auf natürliche Kieselfluoride und Fluoride als ein willkommener Fortschritt für eine wirklich exacte, chemische Erforschung dieser wichtigen Verbindungen und ihrer Gemische zu betrachten. Zwei Kieselsäure - Bestimmungen im Topas von 8chncckenstein aus Sachsen ergaben folgende Daten: Analyse I. Analyse II. Gefunden 33,39 pCt. SiO^ 33,35 pCt. SiO^. Mit der Aufschliessung des Disthens und Topases durch Borsäureanhydrid ist die letzte Schranke gefallen, die der allgemeinen Anwendung des Verfahrens noch iiin- dernd entgegenstand. Die in der neuen Methode liegenden Vortheile sind, was Zeitersparniss und genaue Arbeiten anbelangt, so gross, dass ihr Eintreten in die Stelle der älteren Verfahren nur eine Frage der Zeit sein kann. Dr. A. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Berufen wurden: Dr. Hess, Professor der Augenheilkunde in Marburg als Nachfolger Prof. Miehels nach Würzburg; Prof. Dr. Eichiiaum, Director der Veterinäranstalt der Universität Gies.sen zum ordentlichen Professor. In den Ruhestand tritt: Dr. August Toepler, Professor der Physik an der technischen Hochschule in Dresden. Es starb: Der bekannte Zoologe und Paläontologe AI phonse iVIilne Edwards, Director des Museums und Mitglied des Institut Franc ais in Paris. L i 1 1 e r a t u r. Wilhelm His, Protoplasmastudien am Salmonidenkeim. B. G. Toubner in Leipzig 1899. - Preis 5 Mk. Die mit 3 Tafeln und '21 Textfiguren versehene Abhandlung ist im XXV. Bande der Abhandlungen der mathem.-physik. Klasse der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften er- schienen. Die eindringende Arbeit, deren Ergebnisse der Verf. in IS Sätze am Schlüsse zusammenfasst, ist für die Zellenlehre von besonderer Wichtigkeit. Sie betrifft die Protoplasma-Bewegung und -Structur, Morpho- und Hyaloptama, das heisst das Plasma von körniger und klarer Beschaffenheit ist schon im unbefruchteten Ei vorhanden „Das Verhältniss beider wechselt je nach dem Ent- wickclungszustaud." Dr. F. W. Hillerbrand, Praktische Anleitung zur Analyse der Silicatgesteine nach den Methoden der geologischen randes- anstatt der Vereinigten Staaten, nebst einer Anleitung ent- haltend einige Principieu der petrographisch - chemischen Forschung von Prof. F. W. Clarke und Dr. W. F. Hillerbrand, übersetzt und für den Gebrauch im Laboratorium herausgegeben von Dr. E. Zschimmer. Mit einer Figur Jim Text. Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann. 1899. — Preis 2 Mk. Nach einer kurzen Uebersicht der grossen Anzahl von Ana- lysen der verschiedenen Gesteinsgruppen im chemischen Labora- torium der geologischen Landesanstalt in Washington betont Prof. Clarke in der Einleitung zunächst die Wichtigkeit genauer Analysen für den Petrographen. Es sollen nicht allein bloss die an der Zusammensetzung eines Gesteines hauptsächlich botheiligten und meist schon makroskopisch nachweisbaren Bestandtheile fest- gestellt werden, sondern auch die nur in geringen Mengen, häufig nur in Spuren vorhandenen. In der ersten Richtung bewegten sich meist die Untersuchungen der alten Methode. Dadurch sind Irrthümer leicht möglich geworden, wie die angeführten Beispiele beweisen. In einem zweiten Abschnitte erörtert Dr. Hillerbrand sodann die Ziele und Wege der modernen chemischen Petro- graphie. Seiner Ansicht, dass, wenn irgend möglich, der chemischen Analyse eine gründliche mikroskopische Untersuchung des Gesteins im Dünnschliffe vorangehen sollte, kann man nur beijiflichten. Im speciellen Theile werden zunächst die einleitenden Ar- beiten zur Analyse besprochen; die Bestimmung des specifischen Gewichtes, die Herstellung der Analysen-Probe und die anzu- wendenden Substanzmengen. Die nächsten Abschnitte behandeln das hygroskopisch vorhandene Wasser und das Constitutions- wasser. Bei der Besprechung des letzteren hat der Ueborsetzer eine Abbildung und kurze Darstellung des von Gooch erfundenen gekrampten Platintiegels hinzugefügt. Es folgt sodann die Auf- zählung sämmtlicher in den Silicatgesteinen bisher bekannter Verbindungen und Elemente und die Darstellung ihrer Unter- suchungsmethoden. Es würde hier zu weit führen, näher darauf einzugehen und wir müssen uns beschränken, auf den sehr aus- führlichen Text selbst zu verweisen. Von den Schlusskapiteln seien hier erwähnt dasjenige über speciell petrographische Operationen, in welchen der Verfasser die Entdeckung von Neysalin bei Gegenwart von Olivin und die Bestimmung löslicher Kieselsäure bespricht, ferner der Abschnitt über die Bestimmung minimaler Spuren gewisser Bestandtheile, über die Zusammenfassung der analytischen Resultate und über die Reinheit der Reagentien. Ein ausführliches Register ermöglicht das schnelle Auffinden des Stoffes und erleichtert die Benutzung des schätzensworthen Buches. Wir können dem Uebersetzer nur Dank wissen, dass er durch seine Uebertragung der Arbeit ins Deutsche dieselbe einem grossen Kreise zugänglicher gemacht hat, und wir zweifeln nicht, dass das Buch eine recht weite Verbreitung finden wird. F. K. Dr. F. Dannemann, Director der Realschule zu Barmen, Leit- faden für den Unterricht im chemischen Iiaboratorium. 2. Autlage. Hahn'sche Buchhandlung in Hannover, 1899. — Preis 1 Mk. Das Heft enthält Uebungen, eine Anleitung zur qualitativen Analyse und eine zur Darstelhing von Präparaten. Als Grund- lage für den Schulunterricht dürfte es sich zweifellos gut eignen, es strebt „eine gründliche Kenntniss des chemischen Prozesses, nicht aber einen systematischen Ueberblick über das Gesammt- gebiet der Chemie" an. lieber das Ungeeignete der neuerdings für die Berechnung der Atomgewichte vorgeschlagenen Grundzahl 16 für O. Vor- trag, gehalten in der chemischen Sectiou der physikalisch-öko- nomischen Gesellschaft zu Königsberg i. Pr., von Professor Dr. Lassar-Cohu in Königsberg i. Pr., Hamburg und Leipzig, Verlag von Leopold Voss, 19O0. Es ist bekannt, dass die Deutsche Chemische Gesellschaft auf Ansuchen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes eine Commission für die Festsetzung der Atomgewichte vor einigen Jahren schuf. Die drei Mitglieder dieser Commission waren die Hen'en Pro- fessoren Landolt-Berlin, W. Ost wald-Leipzig, K. Seubert in Hannover. In dem am 31. Oktober 1898 eingegangenen Com- missionsberichte wurde der Vorschlag gemacht, dass als Grund- lage für die Berechnung der Atomgewichte das Atomgewicht des Sauerstoffs gleich 16 angenonunen werden soll. Die Atom- gewichte der anderen Elemente sollen auf Grund der unmittelbar oder mittelbar bestimmten Verbindungsverhältnisse zum Sauerstoff berechnet werden. Dem Wasserstoff kommt hiernach das Atom- gewicht 1,01 zu. Gegen diese Festsetzungen wendet sich Verfasser in einer kleinen Schrift obigen Titels. Gewiss kann jede Zahl als Grund- zahl für die Atomgewichtsberechnung benützt werden — so führt Lassa r-Cohn aus — nur will es ihm scheinen, dass die Zahl 16 ,für Sauerstoff ebenso ungeeignet hierzu wie 15 oder 17 ist. Die Zahl 16 sei doch weiter nichts als ein ungerecht- fertigter Compromiss zwischen dem, was die Chemiker im Herzen alle wünschen, und der rauhen Wirklichkeit. Wäre das Verhältniss zwischen Wasserstoff und Sauerstoff im Wasser genau wie 2 : 16, so gäbe es ja die ganze Frage über- haupt nicht. Verfasser spricht auf das Wärmste für die Beibehaltung der AHomgewichtszahl 1 für Wasserstoff, besonders auch aus didakti- schen Gründen, weil es unmöglich ist, von der Grundzahl 16 aus- gehend, Chemie für jüngere Hörer verständlich vorzutragen. Man kann Lassar-Cohn nur Recht geben, wenn er sagt: „Wir sind heute in der glücklichen Lage, Chemie in ganz klarer Weise doziren zu können, indem wir davon ausgehen, dass das Gewicht des Atoms Wasserstoff, des leichtesten aller Körper, als Einheit der Atomgewichte benützt wird. Wie soll ein sich der Chemie betleissigender Anfänger aber Zutrauen zur Chemie be- kommen, wie soll er in ihr nicht eine Art von Zufallswissenschaft sehen, wenn sie alle ihre Berechnungen darauf aufbaut, dass sie nicht die sich ergebenden Zahlen auf 1 als Grundlage bezieht, sondern lieber eine andere Zahl, die ihr als Bruch nicht bequem liegt, auf 16 abrundet und so 16 zur Grundlage aller Berechnungen 226 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 10. macht. Für den Anfänger inuss es inimcr unbegreiflich bleiben, (las3 die gegenwärtigen mangelhaften Leistungen der analytischen Chemie, die doch allein die Gefahr der etwaigen Umrechnung der gesammten aus den Oxyden der Elemente berechneten Atom- gewichte möglich erscheinen lassen, die Ursache sind, dass man an den Sauerstoff eine Zahl hängt, die ihm als solche sicher nicht zukommt, und dass man dann auf diese durch nichts ge- rechtfertigte Zahl alles bezieht." Lassar-Cohn und mit ihm eine grössere Anzahl Chemiker wünschen, dass eine Revision des Commissionsbeschlusses geschehe. Das steht übrigens in Aussicht. Verf. hofft, dass die neue, be- reits ernannte, internationale Commission Wasserstoff als 1 wieder in seine bisherigen Rechte einsetzt. Thoms. Roisel, Essai de Chronologie des temps prehistoriquea. Felix Alcan, editeur k Paris V.m. Es kommt bei der Frage nach der Chronologie der vor- historischen Zeiten die Diluvialzeit der Geologen in Betracht und Verfasser versucht für die Zeiten bestimmtere Zahlen zu finden, welche die ersteren in Jahren ausdrücken. Er theilt das Diluvium in 7 Zeitporioden, nämlich 1°, l'äge chelleen; 2°, Tage mousterien; 3°, l'ä^e solutreen; 4°, l'äge magdalenien; "i", l'ägc robenhausien; 6°, Tage de bronze; 7°, Fägo de actuel. Dr. Albert Wohlrab, Das Vogtland als orographisches Indi- viduum. Eine Studie zur deutschen Landeskunde. (Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde Bd. XII, Heft 2.) Stutt- gart, Engelhorn 1899. Mit 1 Uebersichtskarte, 7 Lichtdruck- tafeln und 12 Textillustrationen. 89 Seiten. — Preis 6,40 Mk. Der Verfasser hat sich die Aufgabe gesetzt, die landschaft- liche Individualität seines Heimathlandes ursächlich (geologisch) zu erkennen, zahlenmässig (orometrisch) und beschreibend festzulegen und auf ihren Einfluss auf Verkehr und Siedelung hinzuweisen, und man kann sagen, dass ihm diese Aufgabe im ganzen recht gut gelungen ist. Er versteht unter Vogtland vor allem das heutige sächsische Vogtland, dehnt aber den Umfang bis zu der Linie Weida- Ziegenrück - Hof-Eger-Falkenau-Graslitz-Eibenstock- Reichenbach-Greiz aus, sodass Plauen gerade im Mittelpunkt liegt — Für den geologischen Theil stand die fast fertige säch- sische und preussisch-thüringische Specialkarte und eine reiche Litteratur zur Verfügung, die den Verf. wohl auch veranlasst hat, hier ausführlicher zu sein, als der Zweck erfordert hätte, — die ihn aber auch verleitet hat, die Bedeutung der paläozoischen Tektonik zu überschätzen, dagegen den der ehedem wohl ganz sicher in sogar erheblichem Maasse auch hier vorhanden gewesenen, jetzt ja allerdings ganz fehlenden mesozoischen (vielleicht auch dyadi- schen) ungefalteten Gesteine und den davon wieder zu trennenden Einfluss der Alttertiärzeit, sowie die daraus hervorgehende Jugend des Hochilächencharakters, der das Vogtland im grossen Ganzen auszeichnet, zu verkennen. Die Flussverläufe z. B., die ich in der Hauptsache für epigenetiseh ansehen möchte, werden, womög- lich überall und allein, auf die paläozoische Tektonik bezogen. Durchaus zutreffend ist allerdings, dass die landschaftliehen kleinen Einzelheiten ganz vorzugsweise petrographisch^ bedingt sind; aber erst insofern die verschiedenartig wirkenden Sediment- und Eruptivgesteine durch den (zufolge ursprünglicher Unregel- mässigkeiten und zufolge Faltungen und Verwerfungen) äusserst verwickelten Gebirgsbau (den Verf. drastisch aber richtig mit einer „Riesenbreccie" vergleicht) in ihre besondere Lage ge- kommen sind, hat dieser Bau Einfluss auf das Landschaftsbild. Die Schichtensättel und -mulden, sowie die Verwerfungen kommen an sich landschaftlich nur selten zur Erscheinung. Hauptsächlich also auf dem angegebenen Umwege bringt der Gebirgsbau die land- schaftliche Individualität des Vogtlandes gegenüber seiner einfacher gebauten Umgebung zu Stande! — Die eigentlich orographische Dai-stellung der Berg- und Thalgliederung, der Höhenstufen-, Richtungs- und Gefällsverhältnisse und ihre zahlenmässige Be- rechnung ist in der üblichen Weise ausgeführt und giebt zu be- sonderen Bemerkungen keinen Anlass; schade jedoch, dass dem Verf. die in dem amtlichen Werk über die Hydrographie Sachsens niedergelegte sehr erhebliche Vorarbeit ganz entgangen ist. — Der dritte Theil des Buches, die landschaftliche Schilderung der einzelnen Gebietstheile (Granitgebiete im Osten, — Schieferdiabas- gebiet im Westen, und dies wieder mit der Unterscheidung von Höhenbild und Thalbild, die in der That grell von einander abweichen), ist besonders anziehend und gut gelungen. Nicht minder ist dies im vierten Theile der Fall, wo aus den orographischen Verhältnissen des Vogtlandes an sich und im Vergleich zu den Eigenthümlichkeiten der näheren und ferneren Nachbarländer seine Befähigung als Durchgangsgebiet des Ver- kehrs im Kriege und im Frieden hergeleitet wird; da werden denn auch die Pässe, alten und neuen Strassen und die Eisen- bahnen nach Verlauf und Höhenlage dargestellt und der Einfluss der Verkehrslage auf die staatliche Zugehörigkeit behandelt. Den Schluss bildet die Besprechung von Lage und Form der Siede- lungen, und dabei wird die ringförmige Dorfanlage nicht immer als Charakteristikum slavischen Ursprungs, sondern als Wirkung der orographischen Verhältnisse gedeutet. — Die vortrefflichen Lichtdrucktafeln stellen einige für besondere Theile des Vogt- landes typische Landschaftsbilder dar, die Textbilder Quer- und Längsschnitte einiger Flussthäler. — Dem Geographen, wie auch jedem geographisch interessirten Leser wird das Buch lehr- reich und werthvoll sein. E. Z. Analytische Geometrie der Kegelschnitte mit Berücksichtigung der neueren Methoden. Nach George Salmon frei bearbeitet von Dr. Wilhelm Fiedler, Piofossor am Eidgenössischen Poly- technikum zu Zürich. Erster Theil. Sechste Auflage. XXV und 441 Seiten, 8». Verlag von B. G. Teubner, Leipzig 1898. — Preis 9 Mark. Die Salmon-Fiedler 'sehen Handbücher der verschiedenen Gebiete der analytischen Geometrie erfreuen sich seit 40 Jahren einer ausgezeichneten Beliebtlioit und Werthschätzung. Den Stu- direnden, welche sich die moderne Auffassungs- und Darstellungs- weise der analytischen Geometrie aneignen wollen, und welche zugleich bis zu den gegenwärtig von der Wissenschaft bearbeiteten Theilen vorzudringen wünschen, ist Salmon-Fiedler stets als zuverlässiger Führer zu empfehlen, während für den Lehrer und Forscher die compendiöse Zusammenstellung der Resultate und der Litteratur von nicht geringerer Bedeutung ist, als die Fülle von mehr oder minder durchgeführten Aufgaben. In der Ge- schichte der Mathematik der letzten Decennien spielen die be- zeichneten Handbücher in der That eine ganz hervorragende Rolle, und namentlich in den deutschen Bearbeitungen von Wilhelm Fiedler erkennt man deutlich, wie die zahlreichen Anregungen, die von den trefflichen Büchern ausgegangen sind, Früchte getragen haben, die der geschätzte Verfasser mit Geschick zu ernten beflissen ist. Jede neue Auflage ist ein Beweis dafür. . Von der analytischen Geometrie der Kegelschnitte, deren erster Theil in [sechster Auflage vorliegt — für ein compendien- artiges Handbuch eines Gebietes der Mathematik ein ausserordent- licher Erfolg! — , sei bemerkt, dass sie sich von der vorigen Auf- lage wesentlich nur durch eine Reihe von Zusätzen und durch eine Vermehrung der Beispiele (die Zahl derselben belauft sich gegenwärtig auf 627) unterscheidet. Ein sehr eingehendes Inhalts- verzeichniss erleichtert die Uebersicht und die Benutzung-^ des vorliegenden Theiles, während ein das Ganze umfassendes Sach- register dem zweiten Theile beigegeben werden soll. Hoffentlich wird dieser bald zur Ausgabe gelangen. G. Prof. Dr. August Haas, Lehrbuch der Integralrechnung. Zweiter Theil: Anwendung der bestimmten Integrale auf Quadratur. Rectification, Complanation und Cubatur, sowie auf Aufgaben aus der Mechanik und Technik. Mit 246 vollständig gelösten Aufgaben, 163 Figuren und 137 Erklärungen, nebst ausführlichem Formelverzeichniss. VIII und 2S4 Seiten. 8». Verlag von Julius Maier. Stuttgart 1900. — Preis 9 Mk. Das vorliegende Buch bildet einen Theil der Kleyer'schen ,,Encyklopädie der gesammten mathematischen, technischen und exacten Naturwissenschaften." Die katechetische Behandlung, welche dem sogenannten „System Kleyer" zu Grunde liegt, lässt ihre Vorzüge, besonders aber auch ihre Nachtheile, wie bei allen Bänden der Kleyer'schen Sammlung, so auch in dem gegenwärtigen, deutlich zu Tage treten. Das sind aber Eigenthümlichkeiten dir gewählten Methode, und wir haben an dieser Stelle nicht zu untersuchen, ob dieselbe gewinnbringender ist, als eine freie, fliessende Darstellung, aus welcher die Probleme natürlich und logisch hervorwachsen, und welche zugleich einen hohen ästheti- schen Reiz besitzt. Lässt man einmal die Methode zu, so wird man sagen dürfen, dass der Verfasser der vorliegenden Anwendung der Integral- rechnung, soweit sich dies ohne Kenntniss der Lehrbücher der Differential- und Integralrechnung derselben Sammlung beurtheilen lässt, seiner Aufgabe gerecht geworden ist. Die Mängel sind nicht ihm, sondern dem System zur Last zu legen. Uebrigens liegt bei dem vorliegenden Bande, wie auch der Herr Verf. be- tont, der Schwerpunkt in der reichen Sammlung gelöster Auf- gaben, unter denen sich auch numerische Beispiele finden, neuerdings etwas vernachlässigt worden sind. G. XV. Nr. in. N;itiir\vissensfliai'tlich(^ Woe'lirnsclirift. Eugen Netto, Vorlesungen über Algebra. Zweiter Band. Mit (.ingedruckten Holzschnitten. XII und 519 Seiten. 8". Verlag von B. G. Tenbner, Leipzig, 1900. — Preis 16. Mk. Die günstige Meinung, welcher „Naturw. Wochenschr." XII, S. f<3, bei Gelegenheit des Erscheinens des ersten Bandes Aus- druck verliehen ist, gewinnt man auch bei der Durchsicht des neuen Bandes; in der Tluit ist auch dieser durch eine sehr klare und bestininiti.' 1 larstillung ausgezeichnet, so dass man das ganze Werk uubcdin^it reiferen Studirenden empfehlen kann und muss, umsoniehr, als dir Herr Verf. auch die Litteraturaugaben mög- lichst vollständig beigefügt hat. Der Leser wird so zu den Quellen geführt, und damit zur eigenen Weiterarbeit hingeleitet. Ucberhaupt suchen die Vorlesungen, ohne zu sehr in die Breite zu gehen, möglichst weit bis zum gegenwärtigen Arboitsfelde vor- zudringen. Indem bezüglich des Inhaltes des ersten Bandes auf die Be- sprechung vorwiesen wird, sei von dem im vorliegenden Bande be- handelten Stoff und dessen Gliederung nur Folgendes kurz an- gegeben: Band II beginnt mit dem vierten Abschnitt des gosammten Werkes, der von den Gleichungen mit mehreren Unbekannten handelt; es werden darin zunächst die Functionen mehrerer Variablen untersucht, daran schliesst sich ein längerer Theil über Elimination und ein kurzer Schlusstheil über den Hilbert'schen Irroducibilitätssatz. Bemerkenswerth ist u. a. an diesem Abschnitt, dass der Herr Verf. • in Anlehnung an die englischen Forscher sorgsam zwischen „Resultante" und „Eliminante" unterscheidet. Der fünfte und letzte Abschnitt betrifft die allgemeine Tlieorie der algbraischen Gleichungen unter Verwendung der Suljstitutionen- gruppen. Die Gruppen- und Substitutionentheorie ist dabei nicht vollständig entwickelt worden, sondern wesentlich nur soweit, als diese Gebiete sich in unmittelbare Beziehung zu den algebraischen Gleichungen setzen lassen. Beaclitenswcrth ist der Versuch, die Schwerfälligkeit und Mannigfaltigkeit der Bezeichnungen, die in .Gebrauch sind, durch eine neue Nomenelatur zu ersetzen. Die Tlieile zu bezeichnen, in denen der Herr Verf. eigene Forschungen oder ihm eigene Dai-stellungen gegeben hat, würde hier viel zu weit führen; das Werk ist keineswegs eine Zusammenstellung, sondern besitzt bei aller Berücksichtigung fremder Forschungen ein charakteristisches Gepräge. Bei einer — voraussichtlich bald nöthigen — neuen Auflage überwindet der Verf. vielleicht doch seine Bedenken gegen die Aufnahme der Modulsysteme, deren Untersuchung freilich noch nicht abgeschlossen ist, aber durch eine Darstellung aus der Feder des Verfassers diesem Ziele näher- geführt werden dürfte. — Am Schluss des Bandes findet sich ein Namen- und Sachregister für das ganze Werk. G. Arthur Korn, liehrbuch der Potentialtheorie. Allgemeine Theorie des Potentials und der Potentialfunctionen im Räume. Mit 94 in den Text gedruckten Figuren. XIV und 415 Seiten. 8°. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchh. Berlin 1899. — Preis 9 Mark. In klarer und übersichtlicher Darstellung führt das vor- liegende I elirbuch von den Grundlagen der Potentialtheorie zu den neueren tiefgehenden Forschungen über die Randwerthauf- gaben; es dringt also bis zu dem gegenwärtigen Arbeitsfelde vor und kommt damit einem Bedürfniss entgegen, das sidi schon lange fühlbar machte. Denn die klassischen Lehrücher der Potential- theorie wenden den höheren Theilen — dem damaligen Stande gemäss — nur sehr wenig Aufmerksamkeit zu, und man musste diese daher aus den Originalarbeiten kennen zu lernen suchen. Dies erleichtert zu haben, ist ein nicht geringes Verdienst des Verfassers, und schon allein deshalb empfehlen wir das vorliegende Lehrbuch der Potentialtheorie aufs Wärmste zur Einführung in dieses liochinteressante Gebiet. Aber auch abgesehen von diesem mehr didaktischen Vorzuge beansprucht die ganze Art des Aufbaues und der Behandlung des Stoffes das besondere Interesse des Mathematikers und Physikers. Es lässt sich davon jedoch, ohne in mathematische Entwicke- lungen einzutreten, kein zutreffendes Bild geben, und es muss der Fachmann auf das Buch selbst verwiesen werden. Zur Orien- tiruug sei noch bemerkt, dass sich der Verfasser auf die Theorie des gewöhnlichen (Newton'schen) Potentials im gewühnliclien Rauriie beschränkt. Unter Potentialfunctionen versteht übrigens der Verfass.er die Lösungen der Laplace'schen Differentialgleichung, die in einem gegebenen Raumgebiet mit ihren .\bleitungen end- lich, eindeutig und stetig sind. Hin und wieder dürfte sich die Entwickelung, bei der stets nach Strenge der Beweisführung gestrebt wird, vereinfachen lassen. Vielleicht könnte bei einer neuen Auflage die Poincare'sche Balayago-Methode, obwohl sie sich dem Aufbau nicht gut ein- fügen lässt, angesichts ihrer Bedeutung und im Interesse der Vollständigkeit doch wenigstens in einem Anhang dargestellt werden. Ferner ist noch die Zufügung eines Sachregisters sowie von Kopftitelu auf den Seiten sehr zu wünschen. In typographi- scher Beziehung fällt auf, dass die Buchstaben in den Figuren nicht gedruckt, sondern anscheinend genau nach dem handschrift- lichen Original hergestellt sind, was bei der Einfachheit iler Figuren gewiss nicht nöthig war. Hoffentlich wird das künftig verbessert. Auch sollten in den Formeln nicht fast durchweg Antiqua verwendet werden ; die Formeln sehen sonst ganz fremd- artig aus. G. Edgar-F. Smith, ProfesseuT de Chimie a l'Universite de Penn- sylvanie, Analyse electrochimique, par Joseph Rosset, In- genieur civil des Mines. Librairie Gauthier-Villars a Paris. 1900 — Un volumo in- 18 iesus de XVI-'i03 pages, avec 27 figures. - Pri.x 3 fr. Die vorliegende Uebersetzung ins Französische ist auf (irund des vom Autor durchgesehenen Textes der zweiten Antiare seiner Originalschrift erfolgt, sodass erstere als Neu-Autiago der letzteren anzusehen ist. Das gute zweckdienliche Buch gliedert sich in der folgenden Weise: Introduction. Ire Partie. L Action du courant electrique sur les acides et les sels. — II. Ohm. Volt. Ampere. — III. Sources du courant electrique. — IV. Reduction du courant. — V. Mesure des courants. Voltamctre. Arapferemfetre. — VI. Historique. Ile Partie. I. Determination des differents metaux. — II. Separation des metaux. — III. Dosage de l'acide azotique par voie electrolytique. — IV. Oxydation par le courant (5lectrique. Tableaax d'analj'sc i51ectrolytique. Renseigneraents practiques. Poids atomiques et equivalonts electrochimiques. Tableau dos volumes de gaz tonnant degagös et des intensites du courant en omperes. Forces electromotrices des piles etalons. Resistance des fils de cuivre ä 0° C. Index alphabetique. Index biblio- graphique. Beckmann, Ernst, Neue Vorrichtungen zum Färben nicht- leuchtender Flammen. Leipzig. — 2 Mark. Bütschli, Prof. O.. Untersuchungen über Mikrostrukturen des erstarrten Schwefels. Leipzig. — 11 Mark. Dalla-Torre, C. G. de et H. Harms, DD., Genera Siphonogamarum, ad .systema Englerianum conscripta. 1 Fase. Leipzig. — 6 Mark. Dölp, Prof. Dr. H., Aufgaben zur Differential- und Integral- rechnung. Giessen. — 4 Mark. Engler, A. u. Ii. Diels, Combretaceae excl. Combretum. Leipzig. — 12 Mark. Oamaleia, Dr. N. , Elemente der allgemeinen Bakteriologie. Berlin. — 7 Mark. Gätke, weil. Heinr., Die Vogelwarte Helgoland. Braunschweig. — 18 Mark. Groebel, Prof. Dr. K., Führer durch den königlichen botanischen Garten in Miiiichon. München. — 1 Mark. Klaussner. Prof. Dr. Paul, lieber Missbildungen der menschlichen Glie,|ina.iss.-ii und iliro Entstellungsweise. Wiesbaden. — 8 Mark. Kugler, Frz., Xav., S. J., Die babylonische Mondrechnung. Freiburg i./Br. - 24 Mark. Mahne, Gust. O. A., N: Die Compositon der ersten RegnellV.hen Expedition. Stockholm. — 7,50 Mark. Mansion, Prof. Dr. P., Elemente der Theorie der Determinanten. Leipzig. — 2,(;() Mark. Plate, Priv.-Doc. Dr. L., Ueber Bedeutung und Tragweite des Darwin'sclien Selectionsprincips. Leipzig. — 2 Mark. Scupin, Hans, Die Spiriferen Deutscidands. Jena. Thompson, Prof. Silvanus P., D. Sc, Michael Faradays Leben untl Wirken. Halle. - 8 Mark. Inhalt: Dr. P. Dietel: Einiges über die geographische Verbreitung der Rostpilze. — Einen Reformvorschlag bezüglich der Nomenelatur der Naturkörper. — In den menschlichen Körper irgendwie hineingelangte Fremdkörper, — Zur Erklärung der Färbung des Feuersalamanders. — Der Gartenschläfer, Eliomys nitela Wagn., als Vogelfeind. — Eine neue Theorie der Ameisenpflanzen. — Eine Verbindung des Baltischen mit dem Weissen Meer. — Eintheilung der Meteoriten. — Ueber Spaltpilz- gährungen. — Ueber die Aufschliessung der Silicate durch Borsäureanhydrid. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Wilhelm His, Protoplasmastudien am Salmonidenkeini. — Dr. F. W. Hillerbrand. Praktische Anleitung zur Analyse der Silicat- gesteine nach den Methoden der geologischen Landesanstalt der Vereinigten Staaten. — Dr. F. Dannemann, Leitfaden für den Unterricht im chemischen Laboratorium — Ueber das Ungeeignete der neuerdings für die Berechnung der Atomgewichte vor- geschlagenen Grundzahl IG für O. — Dr. Albert Wohlrab, Das Vogtland als orographisches Individuum — Roisel, Essai de Chronologie des temps pröhistoriques. — Analytische Geometrie der Kegelschnitte. — Prof. Dr. August Haas. Lehrbuch der Integralrechnung. — Eugen Netto, Vorlesungen über Algebra. — Arthur Korn, Lehrbuch der Potentialtheorie. — Edgar F. Smith, Analyse electrochimique. — Liste. 228 NatLu\visscnscliaftlich(? Wochenschrift. XV. Nr. irt. Gute Ausführung inikrosk. etc. Zeichnuugen bei J. Schlimm, Frankfurt a. M. Gratis «"J franko liefern wir den 3. Bfaelltrag (Juli 1897 bis Juni 1S99) zu unserem Verlagskatalog. Ferd. Dfimmlers Verlagsbnchh., licrün SW. 12, Zimmerstr. 04. PÄTENTBUREAU Qlrich R. ]Vlaerz Jnh.C.Schmidtl.ein.Jngenieur Berlin NW., Luisenstr.22. SB HH Ferd. Dümmlers Verlagsbji. jerün. Kalisalzlager Otto Lang. 48 Seiten mit 4 Abbildungen. Preis 1 Mark. 3)fts Uudi Icfus. 35ie Ureüaiigelieti. 9icu burdjge» (et)en, neu überfegt, georbnet uiib iiiiS bell Urfprcid)eii cvtlävt üoii Polfsans firdtbaitt. Oftflü-Slulgobe 184 S. 1,50 m., eleg. geb. 2,25 9JJ. a?oIfg = Sliiggabe 156 i£ gebunbcn 70 ißfcnnig. JUtts teWß lefus? 3ttiei Ureüdiigelien. SSon piolf- gnns f ird)bn'di. 256 (Seiten Dh tnu 5 9.li., eleg. gebiuiben tj IK. Ferd. Dümmlers Yerlagsbachhaiidlung in Berlin SW. 12. Chemisches ^il|sbuch. Atomgewichte und deren Multipla, Um- rechnungsfaktoren und massanalytische Constanten. Von Dr. Jovan P. Panaotovic, Assistent am teehnolog. Institut der Universität Berlin. 70 Seiten kl. Oktav. In bieg;sameni lieinenbaiid 2 Mark. R. f UCSS, Steglitz k\ Berlin. Mech.-optische "Werkstätte. miKROSKOPE tür krystallograplüsche und petrograpliisclie Studien '5 Neue photogr. Camera D. R.G.-M., Gr. i!u jedem Mikroskop passend nachlieferbar. 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Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: Ü. Bernstein, Berlin SW. 12. ''^- ^^v<-=^ Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düuimlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Rand. «oiintag. den 20. Mai 1900. Nr» 20. Abonnement: Mau abonnirt bei allen Huchhandlungen und Post- nnstaltcn, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jl 4.— lirinRegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inscn-itenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. •AlulrncU ist nnr mit vollstänflis;er Quellenangabe gestattet. Künstlicher Moschus. Von Dl-. Sclidii lange war bekannt, dass unter dem Eiufluss von Salpetersäure sich gewisse organische Snl)stan/,en in Produkte überführen lassen, denen ein mehr oder minder starltcr Moschusgcrucli eigen ist. Diese Beob- achtung reicht sogar schon bis auf das Jahr 1759 zurück. Seither finden sich in verschiedenen Mittheilungen über organische Chemie wiederholte Erwähnungen ülier den Moschus ähnlichen Geruch gewisser Körper,' ohne dass jedoch einmal einer dieser Körper da7Ai verwendet worden wäre, den natürlichen Moschus zu ersetzen. Die erste industrielle Herstellung von künstlichem Moschus lallt in das Jahr 1888, in welchem Jahre A. Baur ein deutsches Reichspatent zur Herstellung von künstlichem Moschus nahm. Dieser von Baur dargestellte nach Mosebus riechende Körper war der erste künstliche Moschus, dessen chemische Zusammensetzung vollständig aufgeklärt war. Die Erfindung Baur's vertrieb denn auch bald die früheren Darstellungsmethoden von künstlichem Moschus, welche darin bestanden hatten, Bernsteinöl mit Salpetersäure zu behandeln (zu nitrircn), welche Methode übrigens in der Parfnmindustrie nie einen Erfolg erreicht hatte. In den letzten Jahren sind noch verschiedene andere Patente zur Herstellung von künstlichem Moschus genommen worden, so dass man gegenwärtig eine ziemlich beträchtliche Anzahl von Körpern kennt von sehr starkem Mosebusgeruch. Es sind dies mehrfach substituirte Benzole, die 2 oder 3 Nitrogruppen enthalten, und zwar scheinen die riechenden Eigenschaften dieser Körper abhängig za sein von der Gegenwart d^r Nitrogruppe in den 2 Molekülen R R wo R ein alkoholisches Radikal CnHo„+ i, gewöhnlich ("H.j, R' eine der Gruppen 0(011^)^, CäH,, oder CgH-, R" ent- weder ein Alkoholradikal CII^ oder eine Phenoläthergruppe OCnH.,,, + , darstellt. Die Nitrogruppen nehmen in den :3faeh nitrirten Moschuskiirpern die symmetrisciie Stellung ■2, 4, 6 ein. Ersetzt man in der Formel C!H, NO., NO. 3 R' NO, das letzte noch nicht substituirte Wasserstoffatom in Stellung 5 durch gewisse Elemente oder Gruppen, so erhält man auch nach Moschus riechende Körper, ebenso wenn man eine Nitrogruppe durch ein Element oder andere Gruppen ersetzt. Man gelangt dann so zu den 2 Nitrogruppen enthaltenden Moschuskörpern. Die zuerst entdeckten künstlichen Moschuskörper waren das Trinitrobutyltoluol (I) und das Trinitrobntylxyinl (II) OH, GH., NO., NO, XXCH3);, (H) NO./ CH,v NO2 C(CH,,)3 NO., NO, und diese sind auch heute noch vom industriellen Stand- punkt aus die wichtigsten. Seitdem diese beiden K('irper unter dem Namen Moschus Baur im Handel erschienen sind, ist, was Qualität und Stärke des Parfüms anbetrifft, noch nichts Besseres gefunden worden. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. In seinen späteren Arbeiten wies Baur als interessante Thatsache nach, dass die Anwesenheit der 3 Nitrogruppen und der CXCHgja Gruppe allein im Renzolmolekül noch keinen Moschusj^eruch hervorruft, so ist das Trinitrobutyl- benzol kein nach Moschus riechender Körper. Die bis jetzt bekannten künstlich dargestellten Moschus- k(irper kann man in zwei Klassen eiutheileu: 1. Mosehnskörper, welche 3 Nitrogruppen enthalten, 2. Mosehnskörper, welche 2 Nitrogruppen enthalten. Diese beiden llaujjtklassen zerfallen wieder in mehrere Serien. Zn der ersten Klasse gehört : 1. Serie des Trinitrobutj'ltoliiol CH, NU., NOä GH, fV,H (NO2) C,H,,, 0,H« NO.-, Ersetzt man in diesem Beir/.olriug das einzige freie Wasserstotfatom durch ein Alkoholiadikal, so gelangt man zur 2. Serie des Trinitnibntvlxvhd CH, NO., CH3 NOo C4H,, (CH3), Cß (NO,), C4H, N(J Die dritte Serie besteht aus denjenigen dreifach nitrirten Benzolkohlenwasserstoffen, welche ausser der Gruppe C^Hg noch eine Seitenkette an den Benzohing angeschlossen enthalten, wie das Trinitrobutylhydrinden CH.,-CHo NO./' ^CH, NO2 , C,H, NO., Ce (N0.,)3 C4Hg Ersetzt man in den Körpern der ersten Serie das freie Wasserstoffatom durch ein Halogen (Chlor, Brom oder Jod), so gelangt man zu 4. der Serie des Trinitrobrombutyltoluols CH, NO.. 'NO NO, CH3 o (NÖ.,)3 Br Endlich ersetzt man in den Körperu der ersten Serie das freie Wasserstoffatom dnreh eine Phenoläthergruppe OR, so gelangt man ö. zur Serie des Methyläthers des Trinitrobntyicresol CH' CH., NO/ NO, c« (NO,), OCH., ClljOv^ .C^H'' C,H,; NOo Die zweite Klasse der kiinslliehon Moschuskörper kann nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kennt- nisse ebenfalls in fünf Serien geschieden werden. 1. Serie: Halogenderivate des Dinitrobiitvlxvlol CH; . (CH,)o r (NO.,)., C,H„ Ol NO., Cii,.^ 0,11, NO, Ersetzt man im Trinitrobutyltoluol eine Nitrogrnp])e durch einen Sänrerest, so erhält man 2. die .Serie des Dinitrohutylxylylketon CH, (CH3)., e (NO,)., CH, C.H„ ' ^^^'^ NO, Durch Ersatz einer Nitrogrupi)e durch die Aldehyd- gruppc gelangt man 3. zur Serie des Dinitrobiit\ltolvlnldelivds ('H.,CO NO., CH, CHO'' ' NO, CH, CHc, NO. (CH3), P (N0.,)o ^''' C.Hc, CIK» Tritt an Stelle einer Nitrogruppe die Cyangrup))e, so erhält man 4. die Serie des Dinitrocvanbutvitoluol eil, CN NO, CH, ;, C4H,, NO-, C,i (CH,), (N0.,),> C4H:, " CN' Schliesslich durch Ersatz einer Nitrogruppe durch die Azimidogruppe N/ 'i\ gelangt man ur Serie des Diniti obutylxyl >lazimid CH, |>n/'\no, N^ K i Cü (CH,)., CH, 'C4H, NOo (N0,)3 C4H9 Von allen erwähnten Moschuskürpern, welche von dem Hause de Laire & Co. in Paris und den Fabriques de Thann et de Mulhouse patentirt sind, finden sich im Handel hauptsächlich nur die drei folgenden: das Trini- trobutyltoluol, das Trinitrobutylxylol, diese beiden unter dem Namen Moschus Baur, und der Ketonmoschus (Moschus Mallmann). Die Herstellung des Moschus Bäur geschieht in folgen^Jer Weise: Zunächst wird das ßutyltoluol dar- gestellt. Man erhitzt zu diesem Zwecke am Riiekfluss- kühler ein Gemenge von Toluol und Isobutylchlorid oder Bromid unter Zusatz von etwas Aluminiumchlorid. Es sei gleich an dieser Stelle bemerkt, dass das Isobutylchlorid unter dem Einfluss von Alumininmchlorid in das tertiäre Putvlchlorid nnigewandclt wird. XV. Nr. 20. \:itur\vissens(.'liaftliche Wochenschrift. CH, CH, ^CH -CH5CI V CH.J— C— Gl CII3 ' 1 OH3 .so ciass also der entstehende Moschu.sk(ir])er die tertiäre I5iityij;-rupiJC und nieiit die Isobntyli^iupiio enthält. Die.s i^-iit für alle Mosciiuskürper, weiche mittelst Isobutylchlorid bei Gegenwart von Aluminiuniclilorid dargestellt werden. Man erhitzt das oben genannte Gemenge bis die Salzsäureentwiekeliiug aufhört, versetzt das Reactions- product langsam mit Wasser, destillirt mit Wasserdampf und unterwirft dann das Produkt der fractionirten Destillation Man sammelt das bei 170—200" übergehende Produkt. Dieses wird dann in einem Gemisch von Salpeter- säure und Schwefelsäure bei niederer Temperatur nitrirt, das erhaltene Produkt mit Wasser gewaschen und aus Alkohol umkrystallisirt. Man erhält so gelblich weisse Krystalle, welche bei 96—97" schmelzen und einen starken Moschusgeruch besitzen. Die Constitution des so erhaltenen Körpers entspricht der Formel CH3 NOo :N(J„ C(CH3)3 N02 Nach derselben Methode wird auch das Trinitrobutyl- xylol dargestellt, nur dass man anstatt vom Toluol, vom Xylol ausgeht. Die halogenisirten Moschuskörper erhält man aus den entsprechenden halogenisirten Toluolen; indem man in diese durch Isobutylchlorid und Aluminiumchlorid die Butylgruppe einfuhrt und die so erhaltenen Körper nach- träglich nitrirt. Der Moschus Mallmann wird auf folgende Weise er- halten: Man lösst Rntyltoluol in Schwefelkohlenstoff auf, giebt etwas Aluminiumehlorid hinzti und nachher Acetyl- chlorid. Mau erhält so einen öligen Körper vom Siedepunkt 255 — 258". Durch Behandlung mit Salpetersäure unter geeigneten Bedingungen erhält man dann ein Dinitro- derivat vom Schmelzpunkt 131" und von intensiven Moschus- geruch. Die Azimido Moschuskörper werden erhalten, indem man z. B. im Dinitrobutyltoluidin die Amidogrnppc durch Diazotiren und Behandlung mit Brom durch die Azimido- gruppe ersetzt. Fast alle dieser künstlichen Moschuskörper haben einen so penetranten Moschusgeruch, dass es nothwendig wurde, sie vor der Verwendung mit einer geruchlosen Substanz zu verdünnen, und zwar verwendet man hierzu gewöhnlich Aeetanilid. üeber die chemische Natur des natürlichen Moschus ist bis jetzt noch nichts Sicheres bekannt. Uebor o.stafrikanisclie Nectariiiieiibliinien und ihre Kreuzuiigsvermittler sprach in der April-Sitzung des butanischen Vereins der xMark Brandenburg Emil Werth. Es ist eine langumstrittene Frage, welche Bedeutung- gewissen in den Tropen der alten und neuen Welt regel- mässig (bestimmte Blumen besuchenden Vögeln als Kreu- zungsvermittler dieser Pflanzen zukonunt, und in wieweit diese Thierc eine Rolle spielen, wie sie in unserer heimi- schen ISiiiiiicnwelt ausschliesslich Blüthennahrung suchen- den liiscctcii Norbehalten ist.*) Speciell für die die anieiikiuiiscliiu Kolibris in den Tropen der alten Welt vertretenden Honigvögel oder Neetarinien ist diese Frage in letzter Zeit ihrer definitiven Lösung bedeutend näher gerückt. Namentlich ist dies durch die Arbeiten Scott- EUiots geschehen, der während eines zweijährigen Aufent- haltes in Südafrika und Madagascar den dortigen vogel- blüthigen Pflanzen besondere Aufmerksamkeit schenkte. Fast zu gleicher Zeit, wie Scott-Elliot veröffentlichte auch Galpin einige beachteuswerthe Mittheilungen über ornitho- l)hile Pflanzen des Kaplandes. Die Untersuchungen beider wurden wesentlich ergänzt durch eine Arbeit Volkens über die Ornithophilie in der Flora des Kilimanjaro. Die Veröft'entlichungen dieser Forscher waren mir nicht bekannt, als ich mich während meines Aufenthaltes in Ostafrika mit blüthenbiologischen Untersuchungen be- schäftigte. Um so mehr hat es mich gefreut, jetzt nach meiner Rückkehr zu sehen, dass das AUgemeinergebniss ihrer Untersuchungen mit dem der meinigen im wesent- lichen übereinstimmt. Namentlich schliesse ich mich ihnen an in der Ansicht, dass den Honigvögeln in der afrika- nischen Flora eine hervorragende Rolle als Kreuzungs- verraittler zukommt. Ich will nun zunächst einige ornithophile Blumen- typen vorführen und dieselben durch je ein oder einige *) Vergl. diese Zeitselirift, Band Vltt (1898) N... 2(iund XIV (isyii) No. 40. Beispiele zu erläutern suchen, und zum Schluss dann auch kurz auf Organisation und Lebensweise der Bestäuber eingehen. Als Beispiel des ersten Typus wähle ich die Myrtaeee Jambosa vulgaris DO. Die grossen, breit- troddelförmigen Blüthen dieser Pflanze sind schräg abwärts gerichtet (Fig. 1, Blüthcnlängsschnitt.). Die relativ kleinen Kronblätter verschwinden hinter den zahlreichen weissen Staubfäden, welche als Schauapparat wirken. Aus der Mitte der Blüthe ragt der lange Griffel hervor, der an "ym seiner Spitze die Narbe trägt. Innerhalb eines quadra- tischen Ringwalles um die Basis des Griffels wird m reichlicher Menge Honig abgesondert, welcher durch die Staubfäden, die an der Peripherie der Blüthe zwar stark divergiren, im Centrum derselben aber über dem Nectar- behälter um den Griffel dicht zusammen neigen, gegen honigsaugende kleinere Insecten geschützt wird. Nur ein Thier, dessen Körperdimensionen der Grösse der Blüthe entsprechen, und dessen Saugorgan an Länge die Staub- fäden überragt, wird den Honig naschen können. Ein solches Thier wird beim Anfluge zuerst die vorstehende Narbe berühren, und, wenn es bereits eine andere Blüthe besucht hatte, mit deren Pollen belegen, also Fremdbe- 232 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XY stäubuug bewirken. Darnach wird es erst mit den Staub- beuteln derselben Blüthe in Berührung kommen, und sich von Neuem mit Pollen behaften, der beim Besuche einer dritten Bliithc auf deren Narbe übertragen wird. Eine ganz analoge Blütheneinrichtung wie Jambosa zeigt auch die verwandte Barringtonia racemosa (L.). Doch ist hier insofern eine weitere Differenzirung einge- treten, als zwischen den Staubgefässen eine Arbeitstheilung stattfindet, indem die centralen kürzeren und staubbeutel- losen nur dazu dienen, den Honig in noch wirksamerer Weise, als bei der vorigen Pflanze gegen unnütze Besucher zu schützen, während der grossen Menge der üebrigen die KoUe als Schauapparat und die Pollenabgabe zufällt. Als Besucher beider Pflanzen konnte ich Nectarinien beob- achten; dieselben tauchen, am Bliithenstande oder einem nahen Zweige augeklammert, den Schnabel in den Blüthen- grund ein. Zu dem Typus von Jambosa und Barringtonia, den man Myrtaceen-Typus nennen kann, gehören eine ganze Anzahl anderer, ohne Zweifel ebenfalls ornithophiler Myrthifloren, sowie die zusammengesetzten Blüthenein- richtungen gewisser Mimosaceen, z. B von Albizzia-Arten. Bei diesen letzteren hat, in ähnlicher Weise wie unter den Staubgefässen von Barringtonia, unter den Blüthen des Köpfchens eine Arbeitstheilung stattgefunden, indem die verwachsenen Staubfäden der Mittelblüthe ein Nec- tarium bilden, während diejenigen der übrigen keinen Nectar absondernden Blüthen als Schauapparat und zur Pollenabgabe dienen. Die Blüthenformen des Myrthaceentypus zeigen in gleicher Weise Anpassungen an Nectarinien und Falter, namentlich Nachtfalter und werden auch von beiderlei 'rhiergruppen besucht. Es kann uns dies nicht weiter wundern, da unter allen blüthenhesuchenden Insecten die Falter an Körperumfang und Länge des Saugorganes den Blüthennahrung suchenden Vögeln am Nächsten stehen. Als Vertreter eines zweiten Typus, den ich Hibiscus- Typus nenne, führe ich Hibiscus rosa sinensis an (Fig. 2, Blüthenläugsschnitt.). Die wagerecht stehenden Blüthen sind von glockenförmiger Gestalt mit weit aus- gebreiteten Saumlappen und besitzen eine prächtig rothe Farbe. Ein fleischiger Ring (Fig. 2, n) im Grunde des Kelches sondert den Honig ab. "Dieser ist dadurch, dass die Kronblätter an ihrer Basis niu- einseitig angewachsen sind, durch fünf Lücken, je eine zwischen zwei Kron- blättern, zugänglich. Aus der Mitte der Blüthe ragt die Staubfadensänle hervor, die in der oberen Hälfte zahl- reiche Antheren trägt. Diese werden von der fünftheiligen, fünf kugelige Narben tragenden Grift'elspitze überragt. Eine an die Blüthe anfliegende Nectarinie wird also zuerst die Narben berühren und dann erst die Antheren streifen, wenn sie frei schwebend den Schnabel in den Blüthen- grund eintaucht. Kreuzbestäubung verschiedener Blüthen ist auf diese "Weise gesichert. Ich sah Hibiscus rosa sinensis von Cinnyris gutturalis besucht. Zu demselben Typus gehören eine Reihe anderer grossblättriger Hibiscus- und verwandter Arten anderer Malvaceengattungcn (Hibiscus tiliaceus und esculentus, Thespesia populnea etc.). Alle diese zeigen im wesent- lichen dieselbe Blütheneinrichtung und sind ohne Zweifel ebenfalls ornithophil. Einen weiteren Typus bilden röhrenförmige, mehr oder weniger herabhängende Blüthen, mit eingeschlossenen oder wenig vorragenden Geschlechtsorganen. Eine Aloe sp. von der Insel Sansibar möge zur Erläuterung desselben dienen. Im ersten Bluthenstadium (Fig. 3, links) ist der Griffel noch unentwickelt und ragt kaum aus der Blüthe hervor (xf); die Staubbeutel dagegen sind aufgesprungen tind mit Pollen belegt (Fig. 3, «)• Ein seinen Sehnabel in die Blüthe steckender Honigvogel wird sich am Kinn mit dem Blüthenstaube bepudern. Fliegt derselbe sodann zu einer alteren, im zweiten Stadium befindlichen Blüthe (Fig. 3. rechts), so muss er die jetzt weit vorragende reife Narbe (-/! berühren und somit Fremdbestäubung bewirken. Die Autheren sind in diesem zweiten Stadium meist schon ihres Pollens entledigt und die Blüthe rein weiblich. Aber auch wenn bei spärlichem Besuche noch ein Thcil des Blüthenstaubes erhalten geblieben ist, ist dennoch durch die vorragende Stellung der Narbe Kreuzbefruchtung be- günstigt, üeber den Nectarinienbcsiieh von Aloe-Arten liegen in der Litteratur eine Reihe von Notizen vor. Eng schliesst sich hier die verwandte Gattung Kniphofia an, bei welcher von Volkens die Oruitho- philie nachgewiesen wurde. Auch die vogelblüthigen Erica-Arten der KapHoia lassen sich dem Aloe-Typus anreihen. Zygomorphe Blüthcnfurmen sind für die beiden fol- genden Typen charakteristisch, und zwar bilden solche, deren Geschlechtsorgane den Besucher von oben berühren, den Lippenblumentypus, dessen Eigcnthümlichkeiten uns die Blüthe derKigelia aethiopica vorführen soll (Fig. 4.). Die röhrig glockige, in charakteristischer Weise gekrümmte Krone ist fast wagcrccht, nur wenig schräg aufwärts, ge- richtet und breitet ihren prächtig purpurfarbigen Saum w^eit aus. Der Giitfel mit den gespreizten Narbenästen (k/) ragt etwas aus der Blüthe hervor, während die gleich- zeitig reifen Antheren .sich ungefähr im Schlünde derselben befinden (Fig. 4, «). Von einem fleischigen Ringe, der im Grunde der Röhre die Basis des Fruchtknotens uni- giebt. wird der Nectar abgesondert; derselbe sammelt sich in der Blüthenröhre an und wird durch Haare, welche die Staubfäden oberhalb des Safthalters tragen, gegen kleine Insecten geschützt. Dem Schnabel einer Nectarinie dagegen gelingt es leicht, durch den Haarkranz hindurch bis zum Honige vorzudringen. Der Vogel berührt beim Besuche der Blüthe mit Kopf und Nacken die Geschlechts- organe, und zwar die vorragende Narbe zuerst. Diese verträgt nur eine einmalige Berührung und legt nach der- selben sofort ihre Schenkel zusammen. Es ist hierdiuch Selbstbestäubung ausgeschlossen und Fremdbestäubung ge- sichert, zumal die Blüthen eifrig von Nectarinien besucht werden. Von anderen Lippenblumen gehören als vogelblüthige Formen Arten der Gattung Salvia und Leonotis hierher, ferner grossblüthige Lobelien, z.B. Lobelia Volkensii und Deckenii, deren'Ornithophilie durch Volkens nachgewiesen XV. Nr. 20. Naturwissenscliaftliche Wochenschrift. wurde. Von Bicuenbhmien des gleichen Typus unter- scheiden sich alle diese, ausser durch ihre Grösse und die meist purpur- oder scharlaclu'otlie Farbe, durcii die Reduction der jUnteriippe. Den Bienen dient die letztere als Anflugs-» und Sitzplatz, den Honigvögeln dagegen, welche ihrer Grösse entsprechend an einem Zweige oder am Blüthenstande festgeklammert, oder aber frei schwebend den Honig- saugen, würde die vorstellende Unterlippe nur iiindcrlich sein. Zu diesem Lippenbluthentypus möchte ich auch die Hlüthen der Mnsa-.4rten rechnen. Fig. 5 stellt diejenige der Kulturbananc (Mnsa paradisiaca) dar. Die drei '^:^^ äusseren Kronblatter sind mit zwei der inneren zu einer schräg aufwärts gerichteten Fahne vereinigt. Das dritte unpaare des inneren Bltitiienhüllkreises ist nach vorn ge- richtet und zu einem kahnförmigcn Nectarbehälter (Fig. 5, II) geworden. Der kräftige Griffel ragt mit der Narbe (.>f) aus dem oberen Theil der Blflthe hervor. Kürzer sind die 8taubgefässe, von denen fünf sich um den Griffel gruppireu und ihre Spitzen meist etwas abwärts neigen. Das sechste Staubgefäss dagegen ragt vorn über dem Nectarbehälter vor. Ein die BlUthe besuchender Honig- vogel berührt beim Eintauchen des Schnabels in den Honig mit dem Oberkopfe in der für Fremdbestäubung günstigen Reihenfolge die Narbe und die oberen Staubgefässe. Das sechste Staubgefäss wird dagegen von der Kehle des Vogels gestreift. Da diese jedoch in keiner Blüthe mit der Narbe in Berührung kommt, so ist dieser Staubfaden der Pflanze auch von keinerlei Nutzen, indireet schädlich wird er derselben aber dadnrch, dass er bei seiner Stellung über dem Honigbehälter dem die Kreuzung vermittelnden Hlüthenbesuchcr hinderlich ist. Es kann uns daher nicht wundern, dass das sechste Staubgefäss der MusabliUhe im Schwinden begriffen ist. Sehr vielen Blüthen der Culturbanane fehlt es vollständig, bei anderen treffen wir es in allen Stadien der Verkümmerung an. Den beschriebenen Blüthenapparat der Mnsa para- disiaca können wir nur als eine von den Voreltern er- erbte Einrichtung ansehen, von der die Culturbanane keinen Gebrauch mehr macht. Diese hat, ohne Zweifel durch die fortgesetzte ungeschlechtliche Fortpflanzung in der Cultur des Menschen, die Geschlechtlichkeit verloren, die Staubbeutel produziren keinen reifen Pollen mehr, und der Fruchtknoten ist schon zu einer 15 cm langen, freilich keine reifen Samen enthaltenden Frucht geworden, ehe sich die Blüthen öftnen. Da die wilden Bananen-Arten eine im Wesentlichen gleiche Blütheneinrichtung zeigen und ohne Zweifel auch ornithophil sind, so ist es wahrscheinlich, dass auch den Voreltern der Cultnrform der Blüthen- mechanismus von Vortheil war, der jetzt nur noch den besuchenden Honigvögeln als willkommene Nahrungsquelle dient, der Pflanze selbst aber von keinerlei Nutzen mehr ist. Zygomorphe Blüthenformen mit den Besucher von unten berührenden Gescblechtsorganen zeigt uns der Eiythrina-Typus, welcher durch Erythrina indica vor- geführt werden mag. Bei den mehr oder weniger wagerecht gestellten Blüthen dieser Leguminose (Fig. 6j ist das grosse seharlachrothe hintere Kronblatt als Fahne schräg- aufwärts gerichtet. Die übrigen Kronblätter sind klein und unscheinbar und dienen vornehmlich zur Sicherung des im Blütheng-rundc abgeschiedenen Honigs. Sie schliessen derart dicht zusammen, dass sie vorne nur einen schmalen Spalt zwischen sich lassen, der eben ge- nügt, um dem Schnabel einer Nectarinie Einlass zu ge- währen. Ein solcher Vogel berührt beim Besuche der Blüthe mit der Keble die Geschlechtsorgane, welche die aus der Figur ersichtliche Stellung einnehmen; und zwar beim Senken des Kopfes zuerst die Narbe (ßi), darauf die An- theren (a), also wiederum in der für Kreuzbestäubung günstigsten Reihenfolge. Die Blüthen der Erythrina indica, welche vor der Entwickelung des Laubes den Baum schmücken, sah ich von Anthotreptes hypodila besucht. Scott -Elliiit und Galpin konnten Nectarinienbesuch hei Ery thrina caffra und Volkens solchen bei Erythrina tomentosa nachweisen. Zu dem gleichen Typus gehören ferner eine An- zahl groi3sblüthiger Caesalpiniaceen: Intsia, Vouapa, Poinciana regia, Caesalpinia pulcherrima u. s. w., deren Blüthen meist ebenso wie die der Erythrina-Arteu durch brennend rothe Farbe ausgezeichnet sind. Wie die Blüthen des Myrtaceen-Typns, so zeigen auch die der Erythrina-Form zugleich Aopassungen an Honigvögel und Falter. Letztere benutzen die vorgestreckten Geschlechts- organe als Anflngsstangen und Sitzplatz. Als Vertreter eines letzten Typus möchte ich noch einige Polleuexplosionsblumen anführen und deren Bliithen- mechauismus erläutern. Hierher gehören zunächst viele Loranthus-Arten. Fig. 7 stellt eine Blüthe von Loranthus D reg ei dar. Rechts sehen wir dieselbe sweit geöffnet, wie es ohne Zuthuu einer von aussen kommenden Kralt möglich ist. Die langen schmalen Zipfel der Blüthen- rölire haben sieh nur unten von einander getrennt und zwischen sich fünf Zugänge zu dem im Blüthengrunde ausgeschiedenen Honige geschaffen Eine Nectarinie, welche versucht, durch einen dieser Schlitze den Schnabel einzuführen und beim Niederbeugen mit dem Kopfe die Spitze der Blüthe berührt, wird die letztere zur Explosion bringen. Die fünf Krongipfel trennen sich blitzschnell und "fahren auseinander, die Stäubfäden rollen sich nach innen spiralig auf, brechen dabei an einer vorgezeichneten Stelle ab und werden mit Heftigkeit fortgeschleudert; der leichtbewegliche Pollen bepudert dabei den Besucher. Die Blüthe ist'jetzt rein weiblich (Fig. 7, links), die ihrer Autheren entledigten Staubfadenreste (a) ragen wenig aus der Blüte hervor, die Narbe ist entblösst und nimmt die gunstigste Stellung ein, um von einem die Blüthe be- suchenden Vogel berührt zu werden, welcher, wenn er bereits eine jüngere Blüte zur Explosion gebracht hat, Kreuzung bewirkt. 234 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 20. Die erhebliche Spannung der Blütbeutheile, welche durch die Berührung eines Besuchei.s plötzlich aufgelöst wird und die Explosion herbeiführt, kommt auf folgende Weise zu Stande: Die Staubfäden zeigen in Folge un- gleichmässigen Wachsthums das Bestreben, sieh nacii innen einzurollen; sie würden dabei aus dem obersten Theil der ßlütbe nach unten durchgleiten, wenn sie nicht die Verengerung der Röhre unter der etwas geschwolleneu S])itze hieran hindert. So üben sie einen starken Druck auf die Blutenhülle aus und bewirken, dass die letztere sieh da, wo ihre linealeu Zipfel am wenigsten fest mit einander ver- bunden sind, öffnet (Fig. 7, rechts). Die Kronzipfel haben entgegen den Staubfäden das Bestreben, sich nach aussen umzubiegen, haften aber an der Spitze so fest zusammen, dass erst ein äusserer Anstoss die Verbindung zu lösen vermag und sie auseinanderfabren lässt. Damit sind aber plötzlich die Staubfäden aus ihrer Zwangslage befreit, sie rollen sich ein, brechen dabei ab, und ihre obersten Theile mit den bereits geöffneten Antheren werden ura- hergeschleudert. Für verschiedene weitere Loranthus-Arten ist Nec- tarinienbesuch ebenfalls nachgewiesen worden. Des- gleichen für eine Reihe von Protea-Arten, deren Blüthen- mechanismus auch auf eine Explosion des Pollen hinzielt. Hier ist es das nachträgliche Längenwachsthum des Griffels, welches die nöthige Spannung der Perigonzipfel bewirkt. Wesentlich anders ist die, ebenfalls ein x\usstreuen des Pollen hervorrufende Einrichtung der Blüthen von Ravenala niadagascariensis. Wenn die grossen weisslich-creamgelben Blüthen sich geöffnet haben, sind Griffel und Staubfäden noch vollständig von den ver- wachsenen zwei seitlichen Blättern des inneren Blüthen- hüUkreises eingeschlossen. Die legitimen Besucher der Ravenala-Blüthe sind Nectarinien. Wenn eine solche ver- sucht, mit Kopf und Sehnabel zum Blüthengrunde vor- zudringen, wo in reichlicher Menge ein schleimiger Neetar abgesondert wird, so stösst sie unvermeidlich an das die Geschlechtsorgane umschliessendc Futteral; dasselbe rcisst der Länge nach auf, indem die beiden Blätter sich an den äusseren Rändern trennen, und die linealen Autheren die bisher diclit dem Griffel aulagen, fahren auseinander und streuen einen Theil des Pollen umher. Der auf diese Weise bestäubte Vogel wird, wenn er jetzt zu einer älteren, berreits explodirteu Blüthe übergeht, dort zuerst n)it der die Antheren überragenden freigelegten Narbe in Berührung kommen, und dieselbe mit dem an seinem Ge- fieder haftenden Pollen belegen. An den Staubbeuteln haftet jedoch auch in diesem zweiten Blüthenstadium noch genügend Pollen, um eine abermalige Mitnahme des- selben und die Bestäubung einer weiteren Blüthe zu er- möglichen. Aehnlich ist die oft beschriebene Blütheneinrichtung der ebenfalls ornithophilen Strelitzia reginae. Sie stellt in vieler Hinsicht eine höhere Entwickelungsstufe der erstereu dar: Die Blüthen von Strelitzia haben präch- tige Farben angenommen, und sieh auch in ihren Dimen- sionen enger ihren Bestäubern angepa.sst. Nachdem wir hiermit einige Haupttypeu ostafrikani- scher Nectarinienblumen kennen gelernt haben, mag uns ein kurzer Rückblick diejenigen Charakteie vorführen, welche dieselben anderen Blumen gegenüber besonders auszeichnen. Zunächst bietet uns da die Färbung ein auffallendes Merkmal. Es sind zumeist brennende, namentlich rothe Farbentöne, welche den ornithophilen Blumen zukommen. Rothe Blüthen besitzen Aloe, Kniphofia-, llalleria- und Erica-Arteu, ferner Kigelia aethiopica, Arten von Leonotis- nnd Erythrina, sowie viele Lorantlius-Arten. Gelb sind die Blüthen von Salvia aurea und die vielen Hibiscus-Arten. Gerade diese Farben sind es auch, welche häufig im Gefieder der männlichen Honigvögel auftreten und dieselben den unscheinbar gefärbten Weibchen gegenüber auszeichnen. Es ist dies gewiss ein doppelter Beweis für den hervor- ragenden Farbensinn dieser Vögel, mit deren Hülfe nicht nur jene Blumen gezüchtet, sondern durch geschlechtliche Auslese auch das Putzkleid des Männchen erworben wurde. Bei einigen der betrachteten Blüthenformen jedoch scheint die thatsächliche Färbung nicht mit der ange- deuteten Farbenliebhaberei der Nectarinien in Einklang zu stehen. So sind die Blüthen des Myrtaceentypus meist weiss. Wir finden hierfür jedoch sogleich eine genügende Erklärung, wenn wir uns erinnern, dass diese Blüthen nicht nur von Nectarinien, sondern auch von Faltern, zu- mal Nachtfaltern, besucht werden. Es kann uns daher nicht wundern, dass dieselben eine Farbe angenommen haben, die mehr als alle anderen, auch in der Dämme- rung und des Nachts sich bemerkbar macht. Eine solche zweiseitige Anpassung hat jedoch bei Ravenala mada- gascariensis nicht stattgefunden. Hier macht vielmehr die grosse Ursprünglicheit der Blüthe, die sich in der Form ihrer Glieder unzweideutig zu erkennen gicbt, auch de« Mangel jeder auffallenden Färbung verständlich, zu- mal wir die fortgeschrittenere Form der Strelitzia auch in dieser Beziehung vervollkommnet sehen. Was die Gestaltung der Nectarinienblumen angeht, so ist zunächst für die röhrenblütliigen Formen des Aloe- Typus bemerkenswerth die bestimmte Länge der Blttthen- röhre, welche der Durchschnittslänge des Nectarinien- schnabels entspricht; röhrenförmige Bienenblumen sind stets kürzer, röhrenförmige Falterblumen oft länger, meist aber bedeutend enger, entsprechend dem nadeldUnnen Saugorgane dieser Thierc. Häufig zeigen die ornitho- philen lirdircnblunien eine charakteristische, der Form des Nectariniensclinabils cutsprechende Krümmung, wie Kniphofia-, Halleria- und Erica-Arten. Bei den lippen- blüthigen Formen (Kigelia, Salvia, Leonotis etc.) be- merkten wir schon das Fehlen eines Anflugsplatzes, welcher die bienenblUthigen Formen dieses Typus aus- zuzeichnen pflegt. Alle Nectarinienblumen fallen durch ihre Grösse auf, sofern sie nicht, wie z. B. die Loranfhus- und Protea-Arten, in grossen Mengen dicht zusammen- stehen. Ein weiteres charakteristisches Merkmal gewisser Nectarinienblumen, welches von Volkens besonders hervor- gehoben wird, ist die erhebliehe mechanische Festigung der Blüthentheile, welche bei Loranthus, Protea und Ravenala vorkommt, und ohne Zweifel in Beziehung steht zu der nicht unbedeutenden Kraftäusserung der Vögel, welche den auf Explosion eingestellten Blüthcnapparat in Function setzen. Wir hätten bisher stillschweigend angenommen, dass die Nectarinien, gleich den blnmenbesuchenden Insecten, wirkliche Blumennahrnng, und zwar Honig, zu sich nehmen. Dies wird nun in neuerer Zeit, namentlich von zoologischer Seite, bestritten, und behauptet, dass die Nectarinien die Blüthen lediglich der darin enthaltenen kleinen Insekten wegen aufsuchen. Wie ich schon früher*) dargethan habe, kann ich dieser Ansicht nicht beipflichten, glaube viel- mehr beweisen zu können, dass unsere Vögel in hervor- ragendem Maasse von Blumeuhonig leben. Zunächst spricht hierfür die Thatsache, dass die Nectarinien einen vollendeten Saugapparat besitzen: Ober- und Untersehnabel, welche luftdicht aufeinander passen, bilden bei leichter Vcrj;!. Sitziiiigsbei I. 3. XV, Nr. 20 Naturwisspnschaftliclie "Woclienschrift. Lüttiiiii;- der Splinabelspitze ein Saugrohr, durch welclies der vdii der vorstreekbaren, z\vpis))it7,ii;eii Zunge aufge- leckte Honig in den SciiUuid hclVinlcrt w'wi]. Es ist dies eine Einriclitung, die ganz dem Säugrüssel der Bienen entsiiricht. iiei welclienr die liei(l( n Sciinaheliiälften dnreli die iiiin:eliil(leten KielVrladeii und I;i|i|)ciitaster ersetzt werdeil. Ferner lässt dir Vorliel,.' inisereV Vögel für andeiweilige SUssigkeiteu keinen Zweifel daran, dass sie auch in den lilnnien dem Honige nachgehen. Nicht nur sah ich gefangene Vogel vorgehaltenen Syrup saugen, sondern ich konnte auch wiederholt l)eot)achtcn, wie Neetarinien im Freien in den Coeosbaumen den Palmwein naschten. Auch das Gebahren der Vögel an den ßlüthen läs.st nur die Annahme zu, dass sie es auf den Honig abgesehen haben. Das zielbewusste Eintauchen des Schnabels in die den Neetar_ bergende Blüthenmitte auch bei weit offenen Formen," wie die des Myrtaeeentypus, ist gar nicht zu vergleichen mit dem unruhigen Benehmen eines Vogels, der Insekten sucht. Auch das Zustandekommen der hochgradigen Anpassungen, wie wir sie an den Nectariuieublunien eben kennen gelernt haben, ist nur ver- standlicli, wenn den Vögeln ein stets an bestinnnter Stelle der üliillii" sich findendes Genussmittel geboten wird, da nur dann der ISesucher gezwungen w.ird, stets in gleicher Weise, in gleicher Körperhaltung, bei der Ausbeutung desselben vorzugehen. Nun hat man angenommen, dass durch die Ausscheidung von Honig kleine Insekten lange genug an der Nectarquelle gefesselt würden, um von den Neetarinien) regelmässig hier aufgeJcsen zu werden. Einer solchen Deutungsweise widersprechen aber viele Ein- richtungen der Blumen selbst. Wie wir bei Kigelia sahen, ist der Safthalter oft durch einen Kranz von Haaren gegen Insekten geschützt. Bei Jambosa, Barringtonia und anderen wird die gleiche ^\'irkung• durch die dicht stehenden centralen Staubfäden erzielt. Bei den Hibiseus- und verwandten Arten ist der Honig so versteckt, dass nur die intelligentesten Blumen-Insekten ihn aufzufinden \crnnigen. Hier sehen wir ausserdem häufig sogenannte extranuptiale Nectarien, welche kleinere Insekten von den Biiithen ableiten. Auch die hi den Nectarinien- blumen abgeschiedene Menge von Honig ist oft so gross, dass kleinere Insekten einfach darin ertrinken, und steht durchaus im Verhältniss zur Körpergrösse der Vögel selbst. Alle diese Thatsachen scheinen mir hinreichend zu beweisen, dass die Neetarinien Blumenhonig geniessen und vorwiegend seinetwegen die Biiithen aufsuchen. Da- mit aber waren sie erst befähigt, eine maassgebende Rolle in der Schöpfungsgeschichte der Blumenwelt zu spielen. Dass sie dieses gethan haben, dafür konnten meine Darstellungen nur den bescheidensten Beweis er- bringen, die Bedeutung der Neetarinien für die Blumen- welt voll und ganz zu würdigen, bleibt der zukünftigen Forschung vorl)ehalten. Im Vertrauen auf die Resul- tate derselben wage ich jedoch heute schon die Be- hauptung auszusprechen, dass die Vögel als Kreir/Aings- vcrmittlcr tropischer Blumen ebenso wichtig sind, als die in dieser Beziehung hervorragendsten (iruppen der In- sekten. Der Igel in Norwegen. — In seinen reichhaltigen Bemerkungen über die Säugethierfauna Norwegens (Nyt Magazin for Naturvidenskaberne , Bd. 36) in d'en Jahren 1882—1897 stellt Professor R. CoUett fest, dass Erina- ceus europaeus L. im 18. Jahrhundert ungleich häufiger gewesen ist und auch weiter verbreitet war als im 19. Jahr- hundert. In den Berichten über die Naturverhältnisse der be- tretfenden Kirchspiele, welche die Civilbeamten im Jahre 174.5 an die dänische Canzlei einlieferten und welche sich im Original in den KaU'schen Sammlungen in Kopenhagen, in Abschrift in der üniversitäts-lübliothck in Ghiistiania befinden, ist sein Vorkonnnen bestimmt constatirt für Gran auf Hedeland, Norderhov auf Kingerike, Lier, Eker, Land und ^'alders und für Vaale in .larlsbcrg. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts kam der Igel in den meisten süd- östlichen Theilen des Landes, namentlich in der Umgegend von Mjüsen und am (.'hristinia-Fjord vor. Von der West- küste des Landes ist er nie erwähnt, und er scheint dort niemals wild vorgekommen zu sein. Nach und nach scheint der Stamm an den meisten Stellen ausgestorben zu sein, und im Anfang des 19. Jahr- hunderts kam er nur sporadisch vor. Nocli in den ßOer Jahren war er nach den Angaben von Professor Rasch in dessen Vorlesungen auf die Gegenden östlich von Glommen beschränkt, wo er jedoch auch im Ganzen selten war. Erst in den 70 er Jahren begann er wieder sich in der Umgegend von Christiania zu zeigen. Einige Indivi- duen, welche vielleicht ursprünglich eingeführt und als- dann verwildert waren, wurden in derselben Zeit bei anderen Städten in den südlichen Theilen des Landes beobachtet, so bei Christiausand und Stavanger. Späterhin hat er sich mehr und mehr verbreitet, und speciell in den letzten Jahrzehnten hat er in mehreren Gegenden ganz erheblich au Zahl zugenommen. Er kommt gegenwärtig an vielen Stellen im Süden des Landes, so- wie an der schwedischen Grenze bis nach Kongswinger hinauf vor. Ebenso ist er bei Christiania recht häutig. Aus den Gegenden nördlich von Mjösen hat Collett bisher keine Angaben über sein Auftreten; dagegen ist er vereinzelt bei Trondhjem gefunden worden, so einmal im Mai 1879 ausserhalb Trondhjems und im Juli 1893 ver- einzelt beim Johnsvand. Wahrscheinlich sind diese Exem- plare jedoch eingeführt oder stammen von solchen ab. Im Frühling 1894 beobachtete Fischerei- Inspector einen Igel im Freien am 11. März. Da sein Winterlager, welches sich in einem Hügel in einem Garten bei Chri- stiania befand, nass geworden war, musste er in den Schnee hinauswandern, um einen kleinen Haufen Laub zu erreichen, in dem er sich vorläufig niederliess. Sein Winterlager lag in einei' Vertiefung unter einem Stein und bestand im Wesentlichen aus Moos und Gras. Die Wurfzeit fällt in der Regel in den Juni. Ein bei Fredrikstad eingefangenes Exemplar warf am "26. Juni zwei Junge. Sie waren ca. 60 mm lang. Das eine Junge war fast nackt, das andere war ziemlich vollständig mit ungefähr 4 mm langen Stacheln bedeckt. A. L. Die südliche Verbreitungsgrenze des Terek- Wasser- läufers (Totanns terekins, Latli.). — Die westeuropäi- schen Ornithologen halten den Terek- Wasserläufer für eine Form, welche nur im hohen Norden der paläarktischen Region nistet, obwohl sein Nistgebiet sich wenigstens im europäischen Russland weit nach Süden erstreckt, was auch mehrere Angaben in der russischen ornithologischen Litteratur beweisen. So hat Professor M. Bogdanoff noch im Jahre 1870 das Nisten desselben längs der Kama und der Wolga bis zu der starken Krümmung der Wolga bei Samara unter 53° n. Br. verfolgt. 1891 erbeutete P. P. Suschkiu zwei Exemplare im Thale der Bjolaja unterhalb Ufas unter ca. .55° n. Br. Am Ural geht er noch weiter nach dem Süden. 1882 wurde ein nistendes Pärchen unweit Orenburgs (52° n. Br.) gefunden. Auch nach Westen geht er über die Länge Archangels hinaus, indem er 1879 im Borowitschen Bezirk des Nowgorod- selten Gouvernements unter ni" w. Gr. erbeutet wurde. 236 Naturwisspnsrliaftliohe "Woi/lienschrift. XY. Nr. 20. 1896 wurden zwei Männchen von N. N. Malisclieff bei Kassimow im Gouvernement Rjiisan im Flussthal der Oka erbeutet. Es gelang ihm aber weder Eier noch Junge zu erlangen, obwohl oder vielmehr weil das eine von den Jungen ablockte. Im Jahre 1897 wurde M. Chaniakoff (Bull. Soc. Imp. des Nat. Moscou. 1898. Nrs. 2 3) zum Zweck ornithologischer Forschungen iu das Rjäsaner Gouvernement entsandt und namentlich, um das Nest des Totanus terekius aufzusuchen. In verhältuissmässig kurzer Zeit (8./20. — 17./29. Juni) gelang es ihm, neun erwachsene Exemplare, ein volles Eiergelege und ein Junges im Dunen- kleidc zu erbeuten. Bei dem Kirchdorfe RUbetzkoje ist er besonders zahlreich. Auf Grrund des Mageninhaltes stellt Chaniakoff fest, dass die Nahrung dieses Wasserläufers aus rostigem Schlamm, kleinen Stücken verfaulten Grases, Blättern und Insekten besteht. Sowohl bei Riibetzkoje als bei der Fabrik Laschma traf er Brüten und einzelne Wasser- läufer nur dort, wo der Schlamm oder der nasse Sand eine Ikimischung von Eisensalzen besass, sodass das sporadische Vorkommen desselben vielleicht eine Folge von dem Vorhandensein oder dem Fehlen des Sumpferzes ist. Chaniakoff hat weder den Frühlingsanflug noch den Herbstabflug beobachten können; da er aber Mitte August (alten Stils) dort keine Terek- Wasserläufer mehr vorfand, so schliesst er, dass der Herbstabflug jedenfalls Anfang August beendigt ist. Der Fund des T. terekius im Rjäsaner Gouvernement erweitert das Nistgebiet desselben beträchtlich in süd- westlicher Richtung, und ist der erste nachgewiesene Fall seines Vorkommens in dem Thale eines rechten Zuflusses der Wolga. Die südliche Grenze seines Nistgebietes steigt in der Richtung von Osten nach Westen allmählich nach Norden hin: im Orenburger Gouvernement liegt sie .52" n. Br., dagegen im Borowitschen Bezirk des Nowgorodschen Gouvernements 58" n. Br. In dieser Beziehung stimmt ihr Verlauf mit demjenigen für alle sibirischen Vögel überein, deren Nistgebiete in das europäische Russland eindringen. A. L. Röhrig, G., Prof. Dr., Mageiuintersuchiuigen laiul- uiul forstwirthscliaflHcli wichtiger Vögel. (Sonderab- druck aus „Arbeiten aus der Biologischen Abtheilung für Land- und Forstwirthschaft am Kaiseil. Gesundheitsamte, Band I, Heft 1. 1899. Verlag von Julius Springer in Berlin.) Um sieh ein richtiges Bild über den Nutzen oder Schaden einer Vogelart zu verschaffen, ist neben der Be- obachtung im Freien eine Untersuchung des Mageninhaltes und die Anstellung von Futterungsversuchen unerlässlich. In vorliegender treftlicher Arbeit R.s liegt nun ein werthvoller Beitrag zur ökonomischen Ornithologie vor. Der Verfasser, der schon ähnliche Untersuchungen zugleich über den Nahrungsbedarf inseetenfressender Vögel veröffentlicht hat, bietet uns in übersieh thcher, überzeugender Weise das Ergebniss von nicht weniger als 1735 Magenunter- suchungen, die sich beziehen auf Raubvögel, Würger, Rabenvögel, Wandelkrähe, Eisvogel, Kuckuck, Spechte, Hühnervögel, Sumpf- und Wasservögel, endlich auch eine Anzahl Kleinvögel, eine Fülle von Material, wie sie wohl selten einem Forscher zu Gebote stand. Erwähnenswerth dürfte sein, dass R.s Untersuchungen zur Evidenz die Nützlichkeit der Eulen beweisen, denn von 91 Eulen hatten nur zwei Exemplare Vogelreste im Magen. Auch die Nütz- lichkeit der Bussarde und Thurmfalken geht aus des Ver- fassers Arbeit klar hervor. Referent steht nicht an, den R.'schen Untersuchungen die weiteste Verbreitung in die Kreise der Land- und Forstwirthc zu wünschen und fügt nur noch die .Bitte hinzu, dass der geschätzte Verfasser auch den Star, der nur mit 20 Magenuntersuchungen ver- treten ist und die Amsel, die garnicht vertreten ist und über deren Nützlichkeit oder Schädlichkeit gerade jetzt lebliafter Streit entstanden ist, in den Kreis seiner Be- trachtung ziehen möge. Dr. Koepert. Nochmals „Linne" und Innare Veräudeniiigeii. — Nachdem bereits 1895 in dieser Zeitschrift die Frage j, Linne" durch Dir. L. Brenner einer eingehenderen Be- leuchtung unterworfen worden ist, dürfte es angezeigt sein, auch einen neuen, wesentlichen Beitrag zur Lösung derselben an diesem Orte zu veröffentlichen. Die ersten Mondforscher, welche für alle Zeiten werthvolle Dokumente schufen, waren Afädler und Lohr- mann; ihre Generalkarten von 3 Fuss Durchmesser geben das Relief des Trabanten treffhch und übersichtlich wieder. Längere Zeit blieb das Studium der Mond- gebirge sodann liegen, und erst J. Schmidt widmete sich .speeiell dieser Arbeit von 1840 an. Seine Bemühungen waren, wie sein Riesenwerk „Charte der Gebirge des Mondes" (6 Fuss Durchmesser) ausweist, vornehmlich darauf gerichtet, das in zwei gleichwcrthigen General- karten überlieferte Detail zu speeialisiren: daher fand er viele neue Objecte, verbesserte an vielen Stellen die alte Auffassung und klärte somit Irrthümer auf. Im Falle Linne aber blieb er nicht bei der Correctur stehen, ,1 sondern glaubte sehliessen zu dürfen, der heutige Linne ■! sei gegen den der 30er Jahre verändert. j Es erübrigt bei dieser Gelegenheit kurz einiger l\ Punkte zu gedenken, die in der einschlägigen Litteratur bisher gar nicht oder kaum andeutungsweise in die De- batte gezogen wurden. Aus dieser Unterlassung erklärt es sich auch, wie es kommen konnte, dass Klein bis hente die eingehende Veränderung verthcidigt, Prinz 1893 (Ciel et Terre) dieselbe rundweg als höchst unwahrscheinlich erläutert und Brenner 1895 trotz genauer Kenntniss der Formation — oder gerade wegen derselben — die Frage nicht entscheiden will. Ich habe Linne seit 10 Jahren unter vorzüglichen Bedingungen hundert Mal gesehen und kann, was das Beobaehtungsdetail anlangt, Brenner völlig beipflichten, besonders in der Behauptung, dass das Ob- ject im Vergleich zu den Dingen, die man heute als Minima der Erkennbarkeit bezeichnet, sehr leicht ist. Zunächst hat Schmidt 1866 eine Veränderung des- wegen vermuthet, weil er dem Altmeister Mädler einen Irrthum gröberer Art nicht glaubte zumuthen zu dürfen. Hierzu bemerke ich, dass es nach der ganzen Natur der erstmaligen topographischen Aufnahme der diesseitigen Mondfläche — einer riesigen Sammelarbeit — ohne Ir- rungen und Auslassungen überhaupt nicht abging. That- sächlich bedurften eine ganze Reihe von Objecten der Correction in Lage, Grösse, Färbung oder Charakter. Es ist bei den Tausenden von gleichartigen Formen vor- gekommen, dass einige im Sinne des zur Regel gewordenen Aussehens auch dann interpretirt wurden, wenn sie nur die in reifer Erfahrung wohlbegründete Schluss- folgcrung zuliessen, was bei hellen Fleckchen kleinsten Durchmessers heute noch so lange erlaubt ist, bis weitere, durch diese Vermuthung geleitete Untersuchung in diesem oder jenem Sinne entscheiden lässt. Zudem ist keines- wegs sicher, dass sich ältere, aus ähnlichen Erwägungen entsprungene Auffassungen nicht schon bei Lohrraann und Mädler als die eigene Ansicht unbewusst beeinflussend geltend gemacht haben; denn schon Riccioli hat 1651 Ijiune als Kratei' angegeben, und Sehröter ist ihm 1788 XV. Nr. 20. Nrtturwisscnscl laftliche Wochonsi/ ift. liierin gefolgt. Der Umstand, dass Mädler die Formation al.s Fixpunkt bei seinen Positionsmessungen wählte und sogar mit dem Namen des berühmten Naturtorsehers be- zeichnete, ist ganz und gar unauffällig, denn der helle Fleck ist unter lauter besclicidencn Objceten des öst- lichen mare serenitatis sowohl an Grösse und guter l>e- grcnzung, als au Glanz liervurra^end und zu Mädler's Zweck vorzüglich geeignet gewesen. Zweitens musste der erste, kritisch prüfende Beob- .achter, dessen Ziel eine speciellere Erkenutniss unseres Trabanten war, mit Naturnoth wendigkeit auf den Irrthuni Mädler's aufmerksam werden, konnte und durfte ihn nicht übersehen; somit sehen wir denn Schmidt, den gewiegten Selenographen, sofort constatiren, dass Linne ein anderer sei, als Mädler und Lohrniann überliefern. Aber statt den naheliegenden Schluss zu ziehen, lässt sich der Corrector durch seinen Autoritätsglauben, den die ewig denkwürdigen Kartenwerke der beiden älteren .Selenographen erzogen und gefestigt haben, bestimmen, eher die Veränderung des Linne als eine Irrung seiner Meister anzunehmen — mit Recht!, denn die Grunde, -die heute dagegen sprechen, kannte Schmidt nicht. Drittens beweisen die Nachrichten, welche 1867, 68 und 69 von mehreren Astronomen über Linne gebracht werden (Secchi, Buckingham, D'Arrest, Wolf, Huggins, SehjcUerup, Knott u. a.), dass man eben nach und nach an und in dem Flecke schrittweise die Details erkannte, wie sie heute noch bestehen. Die Meldungen geben nicht den Verlauf eines Werdeprozesses auf dem Monde, sondern eines solchen der Er- kenntniss und des Verständnisses an; ausserdem wäre man viel eher und unzweideutiger zum Ziele ge- laugt, wenn in solchen Beobachtungen geschulte Leute hätten prüfen können. Heute ist sicher, dass schon vor mehr als 30 Jahren „Spuren des Ringes von einem sehr niedrigen Krat«r rings um den Kraterkegel des Linne und von etwas grösserem Umfange als der Krater bei Mädler" gesehen worden waren, wie sie heute noch vor- handen sind. (1877 wiederholt constatirt. Sirius 1877, S. 98 f.) Die Frage aber hat keine Beantwortung ge- funden, ob wirklich Aenderungen stattgehabt haben; Jeder Forscher hat bloss diese Lösung der Widersprüche als die wahrseheiidielic anerkannt. Dass man aber nicht liMchten Herzens eine solche Erklärung bestehen lassen kann, geht schon aus der einfachen Betrachtung hervor, dass der durch P^insturz steiler Ilängfe nach innen demo- lirte Linne ein entschiedenes Missverhältniss von Grösse und Höhe besass, etwa 50:1; man sieht schon äusser- lich, dass so etwas nicht das Resultat eines „Einsturzes" steiler Umwallung sein kann! Aus oben behandelten Gründen, und weil ich er- kenne, dass der Autoritätsglaube hier fast allein vermocht bat, eine kleine Litteratur zur Stütze einer an sich wenig wahrscheinlichen Annahme entstehen zu lassen; ferner weil ich aus genauer Kenntniss der Situation des Linne meine begiündcten Zweifel geschöpft habe, unternehme ich es, zunächt den blinden Glauben als nicht berechtigt hinzustellen, um den Anhängern der bisherigen Meinung eine Bekehrung zu der natürlicheren Anschauung zu er- leichtern. Ich weise also einfach nach, dass Linne noch Kollegen hat. In der That muss es den Kenner der Verhältnisse sehr wundern, dass immer nur über Linne und nicht auch über mindestens noch ein Object, ja so- gar über noch drei andere geschrieben wird! Kein Ei kann dem anderen mehr gleichen, als die Objeete Linne und Alpetragins d einander ähneln au Grösse, Helligkeit, Bau und — irriger Auffassung! Beide sind nahe kreisrunde, gleich grosse, sehr helle Flecken; beide dürften eine leichte, nnr mit grösstcr Mühe erkennbare 1 Bodenanseh wellung enthalten; beide besitzen je inmitten ein feines Kraterchen, das bei Linne noch besser zu sehen ist als bei dem anderen Objeete; beide sind von Mädler, statt als Flecke auf dem Mondboden, als Krater von be- trächtlicher Grösse gezeichnet worden; beide Objeete hat Schmidt als nicht mehr jener Auffassung entsprechend erkannt, wobei er im Linne die Senke fand, im Fleck Alpetragius d aber nicht, weil sie viel feiner ist. Der eine und allereinzigste Unterschied ist nur der, dass man bisher von jenem recht viel Aufhebens gemacht hat, von diesem aber nicht! Es wäre aber doch eine ungemein missliche Sache, nunmehr an zwei so absolut gleich liegenden Funkten die gleichen V^eränderungen des Moud- bodens in wenigen Jahrzehnten vertheidigen zu wollen. Ist aber schon durch einen analogen Fall von Irrthum das bisherige Urtheil über Linne stark ins Wanken ge- kommen, so wird es wohl völlig der ungezwungenen Er- klärung weichen müssen, wenn mehrere derartige Fälle zu finden sind. Und diese sind vorhanden, wenn sie auch nicht mit solcher Evidenz zur Sache Linne sprechen, wie Alpetragins d. Zunächst führe ich zur Stutze meines Nachweises von einfachen Irrungen in obigen zwei Fällen (Irrung im Sinne von falschem Rückschlüsse von hellen Flecken auf deren Kraternatur, wahrscheinlich beeinflusst durch Vor- gänger) das Object an, welches Nelson auf Karte XIV mit Birt c bezeichnet, das aber auch auf den Karten von Mädler, Gaudibert und Elger enthalten ist, auf ersterer sogar grösser als das benachbarte Kraterchen b: es ist ein Krater an derjenigen Stelle, wo in höherer Beleuch- tung ein heller Fleck bemerkt wird, ein Krater, den aber kein Mondbeobachter gesehen hat, der sogar officiell ge- strichen wurde. Gleichwohl befindet sich an der Stelle, eine äusserst feine Einsenkung und noch zwei andere, die ich vor längerer Zeit auffand, die aber mit der hier beredten Sache nichts zu thun haben. Sodann nenne ich ein Kraterobject nördlich von Cauchy (Jansen A), das zweite von diesem aus, welches Mädler und dann natürlich auch Nelson verzeichnet; zu- fällig oder aus demselben Grunde (M.'s Autorität) hat es auch Gaudibert. Da mir die Situation Cauchy bis in entferntere Strecken von diesem selbst aufs genaueste bekannt ist, weiss ich, dass dort ein weisses Fleckchen liegt; die westliche Cauehyrille gabelt sich dort und der westliche Arm derselben erweitert sich noch einmal, ehe er schnell sehr fein wird und sich nach Südwesten verliert: die kraterartige Erweiterung und der Fleck fallen zusammen; jene aber hat noch kein anderer Selenograph gesehen. Es ist also erwiesen, dass auch hier der Fleck von Mädler als Krater angesehen worden ist. Schmidt hat dort kein Detail. Zuletzt kenne ich noch ein Object, das in oti'en- baieni Kiickschlussc von Gaudibert als Krater gezeichnet wurde und dessen Anführung in obigem Zusammenhange gerechtfertigt erseheinen mag, weil es beweist, dass auch der gUicklichste französische Mondspecialist einen glän- zenden Fleck ;' östlich von Fosidouius (Mädlers Berg y) für einen grösseren Krater gehalten hat, bezw. vielleicht wie im -Falle Birt und Cauchy selbstständig den Mädler- schen Fehlschluss nachahmte! Auch hier habe ich allen Grund, die Existenz einer äusserst feinen Einsen- kung anzunehmen, die aber zum Diffieilsten gehört, was ich je am Monde wahrgenommen habe. Ich beabsichtige, weiteren Fällen ähnlicher Fehlschlüsse nachzugehen, da- mit noch klarer und zwingender die Nothwendigkeit er- kannt wird, unsere bisherige Anschauung von eiuer statt- gefundenen Veränderung beim Linne dahin umzuändern, dass nur ein Auffassungsfehler seitens Riccioli, Schröter, Lohrmann und Mädler vorliegt. Ph. Fauth. : •^.^p Naturwissenschaftliche Woclu'uschrift. XV. Nr. 20. Wetter-Monatsttbersicht. (April.) ~ Im grösseieii Theile des diesjährigen April entsprach das Wetter in Deutschland recht gut seinem sprichwörtlichen Charakter. Zu Beginn des Monats war es sehr kühl und veränderlich, die Temperaturen lagen, wie das Beispiel von Berlin in der beistehenden Zeichnung ersehen lässt, um ß bis 7 Grade unter ihren normalen Werthen. In den Nächten herrschte noch überall Frost, der in verschiedenen Gegenden — 7" C. erreichte. Bald begann zwar eine merkliche ^ Tcmperaturoi im^pril 1900. TagesuiiftK. (lormal. c._i,. .^_ TaglictiesMaximum.bfi Mmimum. '^^'^"" Tagesmirei, 190rf. 9^ *B-"I. 6. 1 16. 21. ^6 : . , 1 M , 1 ■ ""T^- ' ^ ! j /V— ^ ■ -A^ ^ ^^^r ^^^ y^2 .....^ ..„^ '^ '^ ^^ f^ iS i„/ 1 >-* "^^ / •«K^ ^ , M It" 1 1 1 1 1 1 1 i 1 Mittlere Temperafuren versehiedener Op^e. i./lprii. 6. 11. 16. Erwärmung, die aber in der westlichen Hälfte Deutsch- lands schon am 6. April nachliess, worauf eine Reihe sehr trüber Tage mit zunächst recht gleiehmässigen, später uuregelmässig hin und her schwankenden Temperaturen folgte. Im Osten hingegen fuhren die Temperaturen bis Mitte des Monats langsam zu steigen fort. Nach ein paar wiederum etwas kühleren Tagen er- folgte um den 19. April eine neue allgemeine, zum Theil sehr schnelle Erwärnning. In den meisten Gegenden Norddeutsehlands fanden sich die höchsten Tempe- raturen des Monats schon am 21., in Süddeutschland am 22. vor, in welchen nahezu wolkenlosen Tagen das Thermometer in vielen Gegenden des Binnenlandes bis auf 25", zu Bamberg auf 26" C. hinanstieg. Dann trat abermals eine ziemlich erhebliche Abkühlung ein, die fast bis zum Schlüsse des Monats andauerte. Die Mittel- temperaturen des Monats waren im Vergleich mit ihren Durchschnittswerthen allgemein zu niedrig und zwar im nordwestlichen Deutschland ungefähr um l'/s, in Süd- deutschland sogar um 2 Grade, während die Abweichung nordöstlich der Elbe nicht mehr als einen Grad betrug. Die Dauer der Sonnenstrahlung, die sich z. B. in Berlin auf 178 Stunden belief, war ungefähr so gross, wie sie im April der letzten Jahre im Mittel gemessen wurde. Der Ertrag der Niederschläge, der sich für den Durchschnitt der berichtenden Stationen zu 41,1 Milli- metern berechnete, war zwar, der beistehenden Zeichnung zufolge, nicht unerheblich kleiner, als in den voran- gegangenen vier Aprümonatcn, die jedoch alle viel zu nass waren. In der ersten Woche des diesjäbrigen April setzten sich die Schneefälle von Ende März zunächst noch fort und gingen seit dem 5. in Regen über, die aber nur in Stiddeutschland etwas reichlicher fielen. Eine sehr lange anhaltende, ausserordentlich nasse Zeit begann mit der zweiten Aprilwoehe. In den ersten Tagen derselben fanden fast unuuterbroehene Regenfälle statt, die bald im Gebiete der Oder und Elbe an vielen Stellen Hoch- wasser zur Folge hatten. Später wechselte hingegen sehr häufig Sonnenschein mit Regen-, Schnee- und Hagel- schauern ab, die seit dem 13. von stürmischen West- winden und am 16., dem Ostermontage, zu Hamburg und Neufahrwasser von Gewittern begleitet waren. Am 20. April hörten die Niederschläge in ganz Deutsch- land auf und innerhalb der nächsten fünf Taae fiel nur liieder^cÜias^hö^ea im ^pri\ 1900. - S 'ri,"'^^^.Ä'?h) MittlererWerfti für 1 f li^ ^ll-i i-f^ifl. Iifllll.lll.il TL. .26. -30. April. u_- 1 L-L'»B- U - ai Deufsehlanl mmi9l9l 96.95. .. :-,..LM M 1 1 1 H ?5ffL)NEf? wtiitfi Bureau-. im Süden etwas Regen, während gegen Ende des Monats die Regenfälle in Norddeutsehland, besonders längs der Küste, wieder allgemeiner, indessen wenig ergiebig waren. Nachdem eine zu Beginn des Monats in Westrussland gelegene flache Barometerdepression sich unter zahlreichen Sehneefällen südostwärts entfernt hatte, erschien am 3. Ai)ril ein lieferes Minimum auf dem atlantischen Ocean we.5tlich von Irland, das in den folgenden Tagen ver- schiedene Tlieilminima über England nach Mitteleuropa entsandte. Eines derselben vereinigle sich mit einem bereits in Italien befindlichen Minimum und rückte dami am 8. auf der der Hochwassergefahr besonders aus- gesetzten Strasse, durch Ungarn, Böhmen und Schlesien weiter nach Norden vor, verderbliehe Ueber- schwemmungeu um sich verbreitend. Schon am fol- genden Tage erschien eine neue Depression auf dem norwegischen Meere; nachdem sie sieh langsam nach Osten begeben hatte, folgten ihr andere an derselben Stelle nach, die alle ihr Gebiet weit hin nach Süden er- streckten, so dass die Witterung in Deutschland einen sehr unbeständigen Charakter annehmen musste. Diesem machte am 19. April ein hohes Barometermaximum ein Ende, indem es von der Biscayasee rasch nach Mittel- europa vorrückte. Zwar wurde dasselbe am 22. durch eine in Nordrussland erschienene, sehr umfangreiche und tiefe Depression wieder nach Westen zurückgedrängt, aber die weiteren bis zum Schlüsse des Monats im Norden auftretenden Depressionen vermochten auf die Witterungs- verhältnisse Deutschlands nur noch vorübergehenden Ein- fluss zu gewinnen. Dr. E. Less. XV. Nr. 20, Naturwisst-ns< liaftlicho Wochenschrift. 239 Aus dem wissenschaftlichen Leben. Obfi-bergriith S c h ni .■ i s s <■ r zu Claiistli: im ;Di-.A Titul; ügeii zum il W hriuuint oi-sten Director der geologischen Landesanstalt und der Bergak; mie in Berlin; Geh. Medicinah-ath Dr. Albert Eulenberg, früh urdentliehcr Professor in der niedieiniKchcn Facultät der Ui ver.'^ität zu Ürcifswnld, bisher Privatdoeent in Berlin zum aussi ordentlichen Professor; Dr. Biilou , l'ri\ at.l.K .'iit iler rheruie u Assistent am ehemischen Institut iler liii\ei,' ausserordentlichen Professor; Dr. SpreiiL;'-!. Wissenschaft an der landwirlhschaftlichen AI; dorf zum Titular-Professor; Dr. Sickenberge Philosophie am Lyceum inPassauzum Professor Privatdoeent der Chemie in Berlin, zum Dr. .1. von Michel, Professor der Ophthalmologie in Berlin zum (ich. .Medicinah-ath; Professor der Hüttenkunde J. Wurm an der technischen Hochschule in Berlin zum Geh. Rcgierungsrath; Privatdoeent der Erdkunde W. Götz an der terlm; > l:.i. H.ieh- tchule in München zum Honorar-Professor; KegieiH i' r Schwend in Metz zum Professor für Brücknj : (n- klopiidio der Ingenieur-Wissenschaften an der teeliii-.ln ii II(mI, schule in Stuttgart; Privatd...Tiit .hv inuerenMediein A. llirsehler in Budapest zum ausserordiMitlirbiii Professor. Berufen wurden: Dr. 11. an, l'rixatdocent der Mathematik an d. r tnlnisc' en Hochschule iu Berlin als Professor au die Ber,u,iU,ia-ii,; in Clausthal; Lyceiim-Professor der Philosoiihio L. il,i:i.- ;iiii LM-eum in Passau an das Lj'ceum in Bamberg; au^^riMi.Iciii!. li.T Professor der Botanik K. Fritsch in Wi.'U als ord.'Htlieln r iitnlar-Profcssor nach Graz. .Mig.l.lint haben: Prof. Posner in Berlin einen Ruf als ordeiitlielier Professor der Krankheiten der Harnorgane nach Kom; Dr. E. Siemerling, Professor der Psychiatrie in Tübingen einen Ruf nach Göttingen; ordentlicher Professor der Chemie Z. H. Skraup in Graz einen Ruf nach Wien als Nachfolger Prof VVeidels. Es habilitirten sieh: Dr. Hartmann. Assistent in der eliirur- gisehen Klinik der ÜJiiversitiit Jena in d.r niedieuiisehen Fakultät; Dr. Rabe, Assistent am eliemisehen Institut derselben Universitiit für Chemie; Dr. Alexander Steuer, Landcsgoologe in Darui- stadt, für Geologie und Paläontologie an der dortigen technischen Hochschule; Dr. H. Danneel für Elektrochemie an der tech- nischen Hochschule in Aachen; Dr. B. Neumanu für Elektro- chemie an dei 'celmiselien Hochschule in Darmstadt; Dr.N.Scheven für Psyeliiafrie, A^si.-teut Dr. E. Erich für Chirurgie iu Rostock. In [den llulie.-la ii.l treten: Dr. A. von Rothmund, Pro- fessor der ( »pblliabridlogie und Leiter der Augenklinik in München; Dr. G. Sclimidt, Privatdoeent der Physik in Erlangen. Es starben: Dr. A. Claus, Professor emeritus der Chemie in Freiburg: Dr. Rudolf Ritter von Limbcck, Professor der inneren Tiledii'in und Oberarzt am Krankenhause der Rudolf- stiftuiig in Wien: Ludwig Kvui, Professor der Philosophie in Züiieh; C..li. ."^anitätsratb Dr.' Heinrich Laudahn, Director der städtisehen Irrenanstalt zu Lindenburg bei Köln; Prof Gri- uiauN, Mitglied des „Institut de France", früher Professor der Chemie an der polytechnischen Hochschule in Paris; Professor der mechanischen Technologie E. H artig an der technischen Hochschule in Dresden; ordentlicher Professor der Ohrenheilkunde J. Gruber in Wien; der ehemalige Professor für chemische Technologie J. Pohl an_der technischen Hochschule in Wi Privatdoeent der Physik n. H. Wyi Zürich. Ein Congres international de medecine professionnelle et de deontologie medicale wird in Paris in den Tagen vom 23. bis 28. Juli stattfinden. \'orsitzeuder des Organisationscomites dieses Congresses ist L. Lereboullct, Generalsekretär der Association generale des Medecins de France; Generalsekretär ist Jules Glover. Um den nach Paris kommenden Fremden Ge- legenheit zu geben auch den 13. internationalen medi- cinischen Congres s besuchen zu können, ist beschlossen worden, die beiden Congresse unmittelbar nach einander abzuhalten, so dass der allgemeine Congress in der auf den Congress für Standes- angelegenheiten folgenden Woche stattfindet. Ein internationaler Congress für medioinische Elektrologie und Radiologie wird in Paris vom 27. Juli bis 1. August statt- finden. Das vorbereitende Coinit.'- besteht aus den Herren Weiss (Präsident), Apostoli und Oudin i \ie.'präsidenten), E. Douraer (Generalsekretär), Montier (Sekretär), Boisseau de Rocher (Schatzmeister), Bergonie, Bouchacourt, Branly, Larat, Radiguet, Villeniin; Beitrittserklärungen sind an Dr IVIoutier, Paris 11 rue Mirowoscil zurichten. Auskunft ertheilt der General- sekretär Prof E. Doumer, Lille, .57 rue Nicolas Loblanc. Kaiserlich-Königliche geologische Reichsanstalt in Wien. -- Seit der Gründung der k. k. geologischen lieicbsanstalt ist ein halbi'S Jahrliundi-rt verflossen. Wie seiner Zeit unter der Direction l'iaii:'. \i>ii II 1 s der Abschluss der ersten fünfundzwanzigjährigen 'riiaii_l.' I 1 le der Anstalt gefeiert wurde, so soll auch der eiitpi' . i.. il , iiiiifzigjährige Abschnitt in der geologischen Er- l'urseluuig ilei usturreicbischen Monarchie durch Veranstaltung einer festlichen Jubiläumssitzung beschlossen werden. Diese Jubiläumssitzung der k. k. geologischen Reichsanstalt findet Samstag den 9. 'Juni d. J. im grossen Saale der Anstalt (Wien, III. Bezirk, liasumotfskygasse 28), Vormittags 11 Uhr statt. L i 1 1 e r a t u r. L. Plate, Privatdoeent an der Universität Berlin, Ueber Be- deutung und Tragweite des Darwin'schen Selectlonsprincips. \Vilbclm Engelmann in Leipzig 1900. - Preis 2 .M. Vorliegende Schrift ist zur Oriontirung über den gegen- wärtigen Stand des Darwinismus trefflich geeignet, selbst dann, wenn ein Biologe nicht auf der Seite des Verfassers stehen sollte der gleich im Vorwort sagt: „Für die Harmonie, welche zwischen den Existenzvcrhältnissen der Organismen und ihren morphologi- schen und physiologischen Eigenschaften besteht, giebt es zur Zeit keine andere naturwissenschaftliche Erklärung, als das Se- leetionsprinzip." Verf. bemüht sich denn auch, alle Einwände, die ,L;enen die Wirksamkeit der Selection zur Hervorbringuug neuer Arten sprechen, zu beseitigen. Es wäre bei der nusser- ordentlichou Bedeutung des Darwinismus^ für di.^ -i-er.-' i •ti2:e Biologie sehr wichtig, eine klärende und die Einw .m : il-nu iide Darstellung zu besitzen, bei der jedoch die in Üeii 1; : r.v^n- deu wesentlichen Begriffe ganz genau philosophi-rh i. -i - i i. |l,.n wären. Das ist für den heutigen Naturforscher nicht ganz leielit, der sich noch nicht daran gewöhnt hat, sich mit derjenigen Seite der Philosophie zu beschäftigen, die zur Behandlung der principiellen Punkte seiner Wissenschaft nicht ausser Acht, gelassen werden kann. Schon auf Seite 8 und 9 der vorliegenden Abhandlung veimisst man eine solche genaue Begriffsfeststellung für .,Zwcck- mässigkeif, und es ergeben sich daraus, dass das unterlassen worden ist, denn auch sofort für denjenigen Unklarheiten, der tiefer eindringen will. Der Einwand gewisser Autoren gegen die Selectionslehro: „Die Zweckmässigkeit der Organismen ist kein Forschungsproblem", den Plate widerlegen will, ist durchaus richtig, sofern nämlich die Autoren damit die Annahme einer absoluten Zweckmässigkeit meinen. Ist das nun in der That die Meinung dieser Autoren oder nicht? Es fehlt hier eine ge- naue Begriffsbestimmung. Plate selbst sagt in seiner Erwiderung gegen diesen Satz, dass der Zweckmässigkeitsbegrifi' sehr wohl als Forschungsprdblem anzuerkennen sei. Auch er hat Recht, falls er nämlich den relativen Zweckmässigkeitsbegriff meint. Das ist aber gar nicht ventilirt worden, sondern der Begriff der Zweck- mässigkeit findet bei Plate keine Definition. Dadurch bleibt denn auch die Aeusserung P.'s undurchsichtig, na(di der die Haupt- schranke zwischen der organischen und der ■n:.ii";:iiii=ehen VVelt darin beruhen soll, dass crstere zweel * :■ iVu- die Er- haltung des Lebens bestimmte Einrichtmu n ii. i n. Reagirt etwa ein Granitblock nicht in genau dem-' Men ^mii.'^ zweck- mässig, mit Rücksicht auf seine eigene Erhaltung'.-' Wenn ich auf denselben schlage, so setzt er seiner Zerstörung einen Wider- stand entgegen, ebenso wie die Organismen den^ nicht zu weit gehenden Angriffen der Aussenwelt gegenüber. Ein principiellcr Unterschied ist hier nicht zu sehen. Mag nun aber auch der Unterzeichnote genaue Definitionen der Grundbegriffe vermissen -- Andere wird das gewiss nicht stören — , so ist dodi der Vortheil, den die vorliegende Abhand- lung durch Berücksichtigung und Vorführung der Einwände auf Grund guter und eingehender Kenntniss der Littoratur und durch Besprechung dieser Einwände bietet, nicht zu unterschätzen. Zur Kenntnissnahmc alles Wesentlichen, was für und wider die Selectionstheorie gedacht worden ist, ist die Schrift zweifellos werthvoll. H. P. [nhalt: Dr. H. Buss: Künstlicher Moschus, — Ueber ostafrikanische Nectarinienblumen und ihre Kreuzuugsvermittler. — Der Igel in Norwegen. - Die südliche Verbreitungsgrenze des Terek-Wasserläufers (Totanus terekius, Lath.). — Magenuntersuchungen land und forstwirthsehaftlich wichtiger Vögel. — Nochmals ,Linne" und lunare Veränderungen. — Wetter-Monatsübersicht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: L Plate, Ueber Bedeutung und Tr.agweite des Darwin'schen Selectionsprmcips — Natuiwissensohaftliche Wochenschrift. XV. Ni Ernst H. L. Krause, Nova Synopsis Euborum Germaniae et Virginiae. Pars I. 4" mit V2 Tafeln, kann gegen Einsendung von 10,50 Mark diroct vom Ver- fasserbezogen werden. Prospekte gratis. Dr. med. Ernst H. E. kraii.sc in Saarlouis. (jratis "" ' franko liefern wir den 3. Nachtrag' (Juli 1897 bis Juni Itd'J) zu unserem Verlagskatalog. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchh., Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. : Dr. Robert Mueucke t t Luiseustr. 58. BERLIN NW. 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Ueber die Meeresprovinzen der Vorzelt von Dr. F. Frech. Mit Abbildungen und Karten. . Ueber Laubfärbungen von L. Kny. Mit 7 Holz- schnitten. Ueber das Causalitätsprincip der Naturerschei- nungen mit Bezugnahme auf du Bols-Reymonds Rede: „Die sieben Welträthsel" von Dr. Eugen Drehe-. Das Räthsei des HYpnolismus und seine Lösung ' von Dr. Kui-I Friedr. Jordan. I Heft i:'.. Die pflanzengeographische Anlage im Kgl. bota- nischen Garten zu Berlin von Dr. 11. Potoiiiu Mit -I Tafeln. ,. U. Untersuchungen über das Ranzigwerden der Fette von Dr. Kd. Pitsert. 15. Die Urvierfüssler (Eotetrapoda) des sächsischen Rothliegenden von Prof. Dr. Hermann Crednor in I.eiiizig. Mit vielen AljbiMungen. ., 1(!. Das Sturmwarnungswesen an den Deutschen Küsten V..I1 Pr(,f. Dr. W. J. van Bebber. Mit i Tafel und '< lldlzs.'hnittoM. „ 17. Kalisalzlagervon (J t to Lang. Mit 4 Abbildungen. „ 18. Die Metamorphose der Pflanzen im Lichte palae- ontologi'scher Thatsachen von Dr. H. Potonic. Mit 14 Figuren. „ III. Pflanzenphysiologische Experimente im Winter „ 20. Die naturwissenschaftliche Culturlehre von L. „ 21. Die morphologische Herkunft des pflanzlichen Blattes und der Blattarten von 11. Potonie. Mit 1-.' Abhil.luiiu.'ii. „ 'J2 Versuch eines Ueberblicks Über die Vegetation der Diluvialzeit in den mittleren Regionen Europas von Dr. ('. A. WrlM.r. „ 23. Die Mathematik der Oceanier von L. Fn.benius. , 24. Die Schilde der Oceanier von L. Frobenius. Mii i;i Alibilduiigcn. „ 25. Die Lebewesen im Denken des 19. Jahrhunderts von H. rotonii'. .Mit 11 Bildnis.'^en. „ 20. Die Farben in der Pflanzenwelt von M. Miiljin.-^. Preis: Heft 1-4 a 50 Pf.. Heft 5-11 a 1 M, Heft 12 a 1.20 M., Heft 13 1 M. naiitwortliclier Uedacleur Ingo Bernstein in Berlin. - Dr. Henry Potonie, Gr. Licbterfelde (P.-B.) bei Berlin, I'otsdameratr: den Inseratentheil Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ft^^^ ^^''^- ^.x^--"- Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düaimlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. 8onntaff. den 27. Mai 1900. Nr. 21. Abonnement: Man abonuirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Brinsegeld bei der Post 15 A extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Nidologisches. ine Zu .J)a.s Nest des Vogels ist gewisscrmaassen der voll- ständige Abklatsch seiner Person; es giebt seine Form, seine unmittelbarste Arbeit" — sagt ,1. Micbelet in seinem „Leben der Vögel". Und wer auch nur oberfiäcblicii das Vogelleben kennt, weiss, dass die verschiedenen Vogel- artcn eine ganz bestimmte Form und ganz bestimmte Punkte zur Anlage ihrer Nester auswählen. Das ist Regel. .Aber keine Regel ohne Ausnahme. Man muss nicht glaul)cn, dass jede Vogelspecies eine feste, von der Natur vorgeschriebene Hauordnung hat, von der sie nie ab- weichen darf. Im Gegentheil! Wie die Herren der Schöpfung, so haben auch die Segler der Lüfte mitunter Launen, und das Launeuhafte führt sie dann zu allerlei Wunderlichkeiten in der Wahl der Niststätte sowohl, als auch in der des Materials. Wenn auch für manches Vogelpärchen durch lokale Ereignisse eine veränderte Nistweise bedingt werden mag, so kommen docli auch Fälle vor, und zwar nicht wenige, dass der nistende Vogel trotz der zur normalen Nestanlage vorliandeiien Bedingungen zu einem abweichenden Nest- bau schreitet. So nistete ein Pärchen des grauen Fliegen- fängers etwa 1' 2 ni lioeli auf den zweitobersten Quirl- ästen einer zwölfjäiirigen Kiefer und ein Buchfink bezog ein altes Schwalbennest, das an dem Balken eines Scliuppens angebaut war, obwohl in beiden Fällen die sonst von diesen Vogelartcn lievorzugte Nistgelegenheit (Ställe und Schuppen einerseits, schöner Wald andrerseits) vorhanden war. Als höchst merkwürdig niuss auch das Verhalten von Melanerpes forndcivorus gelten. Dieser in Nordamerika sehr häufige Rothkopfspecht schlug nach Spechtart seine Wohnung in hohlen Bäumen auf. Seit- dem aber in Californien und Mexiko das Telegraphcnnetz sich ausspannt, hat er sich durch die grossen Pfähle mit Eisendrähten verführen lassen und sucht sie i)egierig auf. , Schoiiklins-I'i-c'vAt. Er benutzt sie auch lauge Zeit und höhlt sie so gründlieh aus, dass die leiseste Brise genügt, sie eines schönen Tages umzublasen. Der Melanerpes legt nämlich nicht weniger als drei Arten von Höhlungen in diesen Stangen an, einen Aufenthaltsort für das Männchen, die eigentliche Bruthöhle und eine Vorrathskammer, welche der „Specht- schmiede" unserer Spechtarten entspricht. Noch ein merk- würdiger Fall soll hier nicht unerwähnt bleiben. Er be- trifft ein Amselpärchen, das sich sein Nest zwischen in einem Holzstall lagernden Reisigbündeln einrichtete. Der Stallraum wurde durch eine Lattenthür, deren Theile in zwei Finger breiter P'ntfernung befestigt waren, nur wenig erhellt. Das Wunderbarste dabei aber ist, dass sieh fünf Schritte vor dem Stall ein grosser, von dichter Hecke um- schlossener Garten ausdehnt, in dessen Sträuchcin und Bäumen mehrere andere Amselpärchen, auch Grasmücken, Fliegenfänger, Rothschwänzchen und Feldsperlinge ihre Nester haben. In diesem Falle wurde die abweichende Nistweisc allerdings durch die Gegenwart von Katzen be- dingt, die nächtlicherweile plündernd den Garten durch- .streifPeh und wahrscheinlich die Brut des in Rede stehen- den Pärchens, vielleicht auch die Alten selbst, bedroht hatten. So nisten auch verschiedene Entenarten, die doch sonst bodcnbrOtig sind, an Lokalitäten, wo sie von vier- füssigen Feinden bedroht werden, auf Bäumen. Ebenso, bringen auch seit einiger Zeit die Möven an der Küste von Labrador ihre Nester auf Bäumen an, um sie vor Plünderung zu schützen; selbstverständlich haben sie in dem Falle auch« eine andere Arcbitectur wählen müssen. In einem Theile Irlands, in dem man den Elstern eifrigst nachstellt, fand man ein Nest dieses Räubers in einer sehr dichten Hecke, wäiircnd es doch sonst recht auffällig im Wipfel hoher, schlanker Bäume thront. Eine in Natal lebende Art des Wiltwenvogels brachte bisher ihr Nest Natui-wissenschaftliclip Wochenschrift. XY. Nr. 21. als hängende Wiege in den Banmkronen an. Wie die Nester vieler Webervögel hat auch dieses den Eingang am unteren Tbeile, um Affen und Baumschlangen das Berauben unmöglich zu machen. Seitdem der Telegraph dort crriclitet wurde, hängen die Wittwenvögel ihre Nester ampelartig an die Leitungsdrähte und nehmen diese Nist- weise immer mehr an, da mit der Cnitiviruug des Landes die Zahl der gutbelaubten Bäume empfindlich abnimmt. Höchst interessant ist nun die Thatsache, dass die an Telegrapheudrähten befestigten Nester das Flugloch nicht mehr am Grunde haben, sondern an der Seite; ein Beweis, dass die Vögel wohl wissen, dass die Nest- plünderer nicht mehr zu ihren Nestern gelangen können. Dass auch unser Sperling sich in solchen Fällen zu helfen weiss, lehrt folgendes Beispiel. In einem Gehöft hielt eine Krähe alljährlich unter der Sperlingsbrut furchtbare Musterung. Eine Spatzenfamilie hatte bereits zwei liruten verloren, und, um nicht ohne Nachkommenschaft dazu- stehen, begann sie zwischen den Blumentöpfen, die auf einer äusseren Fensterbank standen, zu nisten. Die Be- wohnerin des Zimmerehens, eine junge Dame, fegte mit grösstem Unwillen das herbeigeschleppte Material weg. Es half nichts. Die Spatzen gingen von Neuem ans Werk, trotzdem die Dame die grösste Conscquenz be- wahrte. Schliesslich ergab sie sich. Kaum war das Nest halbwegs vollendet, da barg es auch schon ein Ei. Nun war die ehemalige Spatzenfeindin gänzlich bekehrt und liess die Spatzen familie gewähren. Das Nest wurde zu einer Hohlkugel mit seitlichem Eingang vollendet und die Jungen, fünf, glücklich aufgebracht. Seltener als durch solche Nachstellungen werden die Vögel durch elementare Gewalt zu einer Verlegung des Nestes gezwungen. So beobachtete man, dass Vögel, die sonst gewohnt sind, im Wiesengras zu brüten, ihre Nester auf Bäumen und Sträuchern anlegten, wenn wiederholt Frühjahrsüberschwemmungen in dem Gebiet vorkamen. Pässler erzählt z. B. von einem Sehilfsänger, der sonst tief drinnen im Schilfwald nistet, dass er sein Nest in einer Höhe von 2^,'^ m angebracht habe, weil im vorher- gehenden Jahre seine Brut durch einen ungewöhnlich hohen Wasserstand vernichtet worden war. Auch FrUh- jahrsstürmc, die während der Bauzeit eintreten, bewirken nicht selten, dass Vogelarten Aenderungen in der Nest- anlage vornehmen. Es wurde beobachtet, wie ein Edel- tinkennest, das dem Ostwind ausgesetzt war, vom Weib- chen zersaust und an einei- geschützten Stelle aus dem- selben Material — nur mit neuem Spinnweb zum Heften und Wirken — angelegt wurde. Man sieht, die Vögel nehmen bei Anlage des Nestes nicht nur auf die Lage der Oertlichkeit bezüglich der Witterungseiiaflüsse Rück- sicht, sondern sie corrigiren sich selbst und wählen andere Plätze aus, wenn wider Erwarten eingetretene ungünstige Umstände einen Wechsel rathsam machen. Auch unter den Finken, die sonst im Allgemeinen zäh an den einmal erwählten Niststellen beim Bauen festhalten, kommen Aus- nahmen vor, die mit der wechselsüchtigen Eigenthümlichkeit der Grasmückenarten bei Beginn der Nestanlage zu ver- gleichen sein dürfte. Was aber jenes Zaunkönigpaar veran- lasste, die Nestmulde statt mit Federn mit Erde auszukleiden, wie es von Adolf Müller beobachtet wurde, ist nicht erklär- lich. Dieses Zwergvogelnest, welches in einem Wachholder- busche stand, war bis auf die innere Auskleidung dem nor- malen Neste gleich. Jene bestand nebst Vorbau, Flugloch und Ueberbau aus lehmii;cr Walderde, in welche ganz feines Wurzelwerk der gemeinen Heide, einiges, wahrscheinlich mit dem Erdstoff zugleich aufgenonmienes Genist und dünne Grashälmchcn eingewirkt waren, so dass das Nest im Zwischenbau dem der Schwarzamsel glich. Eine noch grössere Seltenheit fand derselbe Beobachter in einem | anderen Neste des Troglodyten. Es stand lose in der Gabel, welche zwei junge Bäumchen in der Nähe des Bodens bildeten, hatte eine Unterlage von Buchen-, Ahorn- und anderen Laubblättern, Stengeln und Strohhalmen, war auch äusserlich ans diesem Material gebaut, aber im Innern mit Fiehtennadeln und feinen Würzelchen ausge- polstert und hatte das Flugloch oben. Da in beiden Nestern Eier gefunden wurden, können sie nicht als so- genannte Spielnester, welche von den Männchen gebaut werden und wahrscheinlich der F'amilie zur Nachtruhe dienen, angesehen werden. Schliesslich werden die Vögel gezwungen, von der althergebrachten Nistweise abzuweichen, wenn sie keine eigentliche Wahl haben. In Hollands baumlosen Dünen brüten Krähen, in den russischen Steppen Falken auf der Erde, und in ausgedehnten Sumpfgegenden, wie sie sich in Russisch-Polen finden, horstet selbst der Uhu im Schilf. Unsere ge\v(ihnliche Haus- oder Stadtschwalbe soll nach Pallas Beobachtungen in den Steppen Russlands nach Art ihrer Cousine, der Uferschwalbe, in selbstgegrabenen Erdlöchern brüten. Und bekannt dürfte es sein, dass derselbe Vogel sein Nest auch an Felsen klebt, wie z. B. an die Kreidefelsen von Stubbenkammer auf Rügen und der Insel Moen und an die Granitfelsen Bornholms. Es ist auch ein Fall bekannt, dass die Hausschwalbe, nach- dem ihr Nest wiederholt von einem Wohnhause abgestosscn wurde, Einzug in einen sehr hellen und geräumigen Stall hielt. In demselben brüteten einige zwanzig Paar Rauch- schwalben. Diese schienen den Zuzug nicht gern zu sehen, denn je mehr Hausschwalbenpärchen sich mit den Jahren in dem bewussten Stalle einnisteten, desto mehr Rauchschwalbenpäi'chen blieben fort. So wird auch durch diesen Fall die Ansicht bestätigt, dass die Rauchschwalbe von der Hausschwalbe überall verdrängt wird. Erwähnt sei noch, dass letztere ihre Vollnester genau so an die Balken klebten wie jene ihre Halbnester. Hier sei auch der Ringeltaube gedacht, die in Deutsehland allerwärts als scheuer Vogel bekannt sein dürfte. In Ostfriesland, bei Emden, hat sie sich in Ermangelung geeigneter Nist- plätze dem Menschen so genähert, dass sie auf dem Lande nicht nur in unmittelbarer Nähe der Wohnungen, in nie- drigen Apfel- und Birnbäumen brütet, sondern sich auch ganz ungenirt auf den Gehöften zwischen dem Haus- geflügel umhertreibt. In Böhmen wurden eigenthi\mliche Nistplätze der Kohl- meise beobachtet. In den weitaus meisten Fällen finden sieh die Nester dieser Vögel, wenn sie auch in Erd- und Mauerlöchern u. s. w. erbaut werden, in der Nähe von Bäumen, denn an diese ist die Kohlmeise gebunden und hat ursprünglich gewiss nur in Astlöchern und Baum- höhlungen gebrütet. Ein namhafter Vogelkenner Böhmens beobachtet nun seit einigen Jahren, dass Kohlmeisen in den noch nicht meterhohen, eisernen, hohlen Strassen- pfeileru, welche eine Königgrätz berührende Chaussee theilweise flankiren, trotz der Belebtheit der Strasse, nisten und brüten, wiewohl die Strasse durch ein gänzlich baumloses Gelände führt und Bäume nur in weiter Ent- fernung zu finden sind. Wie das Zunehmen der Stein- bauten in den Dörfern der Stadtschwalbe sehr willkommen ist, scheint dies in manchen Gegenden dem Sperling weniger angenehm zu sein, denn nicht selten bringt er seine Nester auf Bäumen an. Die Nester sind dann gross und unförmig, überwölbt, durch liederliche Bauart hin- reichend gekennzeichnet und gewähien nur durch ein seitlich angebrachtes Flugloch Einlass. Nach der Form kann man zwei Arten dieser Baumuester unterscheiden. Die Stammnester sitzen sicher und fest in den Astgabeln am Stamme, sind also Witterungsunbilden nicht ausgesetzt, wohl aber den lüsternen Blicken der Raubthierc, deren XV. \r. 21. Naturwissenschaftliche Wochensclirift. 243 Aufmerksamkeit durch den anspruchsvollen Umfang der Nester noch besonders herausgefordert wird. Dieser Ge- faln- sind die instig im Gezweig baumelnden Zweignester allerdings nicht ausgesetzt, dafür aber den Angriffen des Wetters. Im Gegensatz zu jenen haben sie eine kugelige Form, wodurch ihre Widerstandsfähigkeit jedenfalls erhöiit wird. Trotzdem findet man sie aber weit häufiger als jene nach beendeter Brut zerstört. Es ist bereits augedeutet worden, dass der Vogel bei Verlegung des Bauplatzes nicht selten auch eine Aende- ruug der Architektur vornimmt. Ein eclatantes Beispiel für diese Thatsache bilden die auf dem „langen Werder" liei Wismar nistenden Feldlercheu. Diese kleine Insel ist eine trockene Viehweide und entbehrt sonst jeglicher Vegetation, sodass die Seewinde ungehindert darüber hinweg streichen können. Die in Gesellschaft von Möven, Seeschwalben und Strandvögeln nistenden Feldlerchen suchen sich nun in der Weise vor dem rauhen Nordwest zu schützen, dass sie nach dieser Richtung hin die Hälfte des Nestes mit einem backofenförmigen Aufbau versehen, der dem brütenden Weibchen und der jungen Brut aus- reichenden Schutz gewährt und den Nestern in den Ge- treidefeldern bekanntlich fehlt. Es liegen noch andere interessante Beobachtungen vor, nach welchen der Vogel, auch wenn er seiner Natur nicht zusagende Nistgelegen- heit benutzt, dem angeborenen Triebe wenigstens einiger- maassen gerecht zu werden versucht. So bezog ein Rauchschwalbenpärchen ein verlassenes Rothschwanznest, das auf einem Brettcheu in einer Veranda erbaut war. Nach dem Ausfliegen der jungen Schwalben fand man, dass der Rand des weichen Nestes durch Lehmmörtel abgestellt war. Noch interessanter als dieses Nest ist dasjenige, welches sich in der Nestersammlung des Museums zu Detaiold befindet. Es wurde eingeliefert durch Schacht, jenen bekannten Ornithologen des Teuto- hurgerwaldes. Das Nest eines Mehlschwalbenpaares fiel von einem hervorstehenden Balken ab. Die Nestjungen blieben unverletzt. Schacht machte ihnen einen sogenann- ten Harzbauer zurecht, aus dem er seitwärts zwei Sprossen zum Durchgang für die Alten genommen hatte uud hing das Bauer am Hause auf. Die Eltern flogen sogleich Futter tragend ab und zu. Als der Vogelfreund sich nach einigen Tagen nach den Jungen umsehen wollte, fand er, dass das Bauer von allen Seiten ummauert war. — Anschliessend daran sei noch eines anderen Nestes, welches im Naturhistorischeu Museum zu London aufbe- wahrt wird, gedacht. In einem Restaurationsgarten trug ein alter Baumstamm einen grossen Pilz, unter dessen breitem Hute ein Vogelpärchen sein Heim aufschlug. Der Curiosität halber wurde das seltsame Nest getreu der Natur nachgebildet uud im genannten Museum aufbewahrt, wo es das lebhafteste Interesse der Besucher erregt. Dass ferner ein Halsbandregenpfeifer sein Gelege auf einer Wiese nicht, wie gewöhnlich, in einer Mulde von Kiesel- steinchen unterbrachte, sondern auf einem Lager von trockenem Seegras, beweist ebenfalls, dass der Vogel seine Nistvveise abweichend von der sonstigen Gewohn- heit dem Charakter der Lokalität sehr wohl anzupassen versteht. Das dunkle Seegras bietet in dem grünen Rasen entschieden einen wirksameren Schutz als die hellen Kieselsteiuchen. Erstaunliches in der Auswahl einer merkwürdigen Niststätte leisten aber die Rothschvväuzchen und Meisen und es Hessen sich mit diesem Kapitel ganze Bücher aus- füllen. Wohin hätten sie nicht schon genistetV In der Nähe von Briinn wählte ein Meisenpaar den inneren Hohlraum eines Brunnengehäuses zur Brutstätte, obgleich der einzige Zugang dazu der Ausschnitt war, in welchem sich der eiserne Brunnenschwengel bewegte. Noch kalt- blütiger war ein Kohlmeisenpaar in Schwanheim. Die bewegliche Eisenstange der Pumpe ging durch sein Nest hindurch und doch wurden die Jungen regelrecht aus- gebracht. Ein anderes Kohhneisenpaar nistete in dem Rohre einer Kellerpumpe, die mitten auf dem Gemeinde- platze eines Dorfes stand. Während das Atzung tragende Männchen nur oben, neben der Stiefelstange in das Rohr schlüpfte, wählte das Weibchen den kürzeren Weg, näm- lich den durch das Ausflussrohr. Glücklicherweise war die Inbrauehsetzung der Pumpe nicht nöthig. Lieben die Kohlmeisen mehr ländliche Idyllen, so bevorzugen andere excentrisehe Nestbauer die Einrichtungen städtischer Ge- meinwesen. Fliegenschuäpperpaare haben wiederholt ihr Heim in Strassenlaternen aufgeschlagen und Sumpfmeisen gelegentlich einen Briefkasten zum Nistort auserkoren, so in dem ungarischen Dorfe Skegoess und in dem belgischen Maxenzeele. Trotzdem die brütenden Weibehen manch- mal unter den Briefen verschwunden waren, brachten sie hier wie dort iin-e Jungen aus. Uebertroffen wurden diese Sumpfmeisenpärchen jedenfalls durch ein Blaumeiseupaar, das auf einem Querbalken über dem dampfenden Bier- würzkessel einer Brauerei in Colchester nistete. Trotz des unaufhörlichen Geräusches, und trotzdem die Vögel täglich stundenlang in undurchsichtige Dampfwolken ein- gehüllt waren, welche von der siedenden Brauwürze auf- wirbelten, und ungeachtet der Störungen, die ihnen jeder Morgen durch die Anhäufung der abgenutzten Hopfen- massen in dem Atzungsgeschäft brachte, nistete das Pär- chen vier Jahre hinter einander an derselben Stelle und zog jedesmal eine gesunde Brut gross. Es ist übrigens beobachtet worden, dass „Grossstadt- Vögel" nicht immer, wie man wohl anzunehmen geneigt ist, zur Anlage ihrer Brutstätten die stillen und abgelegenen Strassen und die Schmuckplätze und Gärten, sondern mit Vorliebe geräusch- volle Orte auswählen. Unter Eisenbahnbriicken und an der Ueberdachung der Untergrundbahnstationen kann man Vogelnester sogar häufig erblicken. So nistete ein junges Araselpärchen in einer ganz niedrigen Maueröflfnung eines Hauses so auffällig, dass das brütende Weibchen von jedem Passanten gesehen werden konnte. Der sonder- barste Umstand an der Sache war der, dass die Vögel mit dem Nestbau begannen und das wichtige Geschäft des Brütens besorgten, als das betrefiende Haus renovirt wurde und die Arbeiter den ganzen Tag über in unmittel- barer Nähe des Nistortes lärmten und polterten. Ruheliebend war jedenfalls jenes Rothschvvanzpärchen, das in die Kirche zu Ilampton eindrang und dort sein Nest an der aufliegenden Kirchenbibel befestigte. Der thier- freundliche Vicar wollte von einer Störung der Vögelchen nichts wissen und benutzte zu seinen Amtshandlungen eine andere Bibel. Zwei Jahre nistete das Pärchen in der Kirche. Aber die Prophezeiung der alten Weiber wegen der geduldeten Kirchenschändung trat ein — der Geist- liche starb bald nach dem Abzug der Vögelchen — er war nämlich neunzig Jahre alt. Ein anderes Hausioth- schwänzchen fand es für gut, sein Nest in dem knieförmig gebogenen Abzugsrohre einer kleinen Grude, die in einer Gartenlaube stand, unterzubringen. Die Menge des Nist- materials, die man bei der Oeffnung der Grudenthür fand, Hess schliessen, dass es dem Vögelcheu nicht gelungen war, einen festen Halt für die eingetragenen Hähnchen, Federchen u. s. w. zu finden. Erst ein herbeigetragener stärkerer Hahn ermöglichte den Nestbau. Das Vögelchen war trotz der Mühen, die ihm nicht nur beim Nestbau selbst, sondern auch beim Gehen und Kommen durch die sonderbare Lage des Nestes jedenfalls nicht erspart ge- blieben sind, von der Herrlichkeit seines Heims so über- zeugt, dass es dasselbe im folgenden Jahre von Neuem bezog. Ein anderer Hausrothschwanz wählte als Nist- 244 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 21. Stätte eine G-iesskanue, die l'/a m boch über dem Roden hing. Unsägliche Arbeit wird das Pärchen gehabt haben, das Gefäss zu zwei Drittel mit Wurzelfasern, Stroh, Federn u. s. w. zu füllen, um dann die eigentliche Mulde herzu- stellen. Zwei Jahre bewohnte es dieses Nest; im dritten kam es nicht wieder, aber ein Gartenrothschwanzpärchen zog ein. In einem Gartenhause hatte ein Rothschwänzchen sein Nest in einer ampelartig aufgehängten Cocosnuss- schale hergerichtet. Als aber ein Spatzenpaar in einer zweiten solchen Schale im selben Räume seine Wohnstätte aufschlagen wollte, wurde es von den Rothschwänzchen mit aller Energie bekämpft — es mochte von solcher Nachbarschaft wahrscheinlich nichts wissen. Auch die Schwalben scheinen solch friedlich stille Nistplätze zu lieben. Das beweist jenes Pärchen, welches in dem Muschelaufsatz eines Himmelbettes sein Nest augebracht hatte. Die Besitzerin des Bettes, ein Grossmütterchen, war duldsamer als jene Hamptonschen Weiber: sie erhob keinen Einspruch — denn sie befand sich auf einer Reise zu ihren Enkeln. Aber auch nach ihrer Rückkehr liess sie die Thierchen gewähren; nur musste Meister Tischler das Himmelbett iu ein zweistöckiges umwandeln. Die Rauchschwalbe scheint überhaupt die Nähe des Menschen zu lieben wie kein anderer Vogel. Eimöglicht eine zer- schlagene Fensterscheibe ihr den Zutritt, so baut sie eben so gut wie im Stalle, auf dem Schüttboden, im Hausflur, auf dem Gange, selbst in der Gesindekammer, wie in der Schmiede- und Wagnerwerkstatt ihr Nest, unbekümmert, ob neben oder unter ihr gelärmt, gehämmert und geklopft wird, ob Menschen ein- und ausgehen. Jemehr sie be- lauscht uud beobaclitet wird, desto zutraulicher wird sie. Bei regnerischer Witterung kommt sie oft während des Unterrichts in die Lehrzimmer der Schulen, fängt dort- sclbst trotz der vielen auf sie gerichteten Augeni)a:irc die Fliegen zusammen, setzt sich selbst (dnie Scheu auf die Schultafel oder auf ein anderes Gestell und zwitschert der gespannt lauschenden Jugend etwas vor, um sodann oder bei stärkerem Geräusche im directen Fluge durch das offen stehende Fenster wieder zu entfliehen. Die Mehlsehwalbe ist im Allgemeinen weniger zutraulich, doch kommen auch bei ihr recht sonderbare Capricen vor. So nistet in meiner Heimath (Naumburg a. S.) schon seit drei Jahren ein Sehwalbcnpärchen über dem Billard eines Restaurationszimmers. Trotz des kühlen Wetters war das Pärchen beieits während der Ostertage eingetroffen. Sollte es sich, wohl wissend, dass es von der Unbill des Wetters nicht zu leiden hat, freiwillig zu Fourirdiensten hergegeben haben? Steinschmätzer und Bachstelzen bevorzugen geräusch- volle Orte. Dass sie ihr Nest in dem Herzstücke eines Schienenwegs oder gar in Achsenschenkeln und Unterge- stellen eines nicht gebrauchten Eisenbahnwagens anlegen, ist nichts Ungewöhnliches. Noch unempfindlicher gegen Lärm und Getöse schien allerdings jenes Spatzenpaar zu sein, welches seine Kinderwiege in der Zündertasche eines Neunpfiinders zu Woolwieh etablirte, wiewohl aus diesem Geschütze täglich Mittags und Abends Sigualschüsse ab- gegeben wurden. Ein Blaumeisenpärchen, das friedlieben- der war, benutzte als Wohnstube eine hohle Kanonenkugel, die einem Steinhaufen in einem vielbesuchten Restaurations- garten als Schnmck aufgesetzt war und brachte während mehrerer Jahre, trotz der Streifereien der Katzen, die Brut glücklich durch. In einem Restaurationsgarten zu Offen- bach a. M. richtete ein Amselpaar seine Kinderwiege gar auf den Spitzen des Gartenstaketes her, brachte auch die Jungen aus und der Besitzer des Gartens, welcher eine Plünderung des Nestes durch zwei- oder vierbeinige Räuber verhüten wollte, stellte seine Ulmer Dogge als Wächter, bis die Brut ausgeflogen war. Ebenso merkwürdig ist der Nistplatz eines Amsel- pärchens. Es benutzte als Niststätte eine Leiter, die an einer Giebelwand hing und bis zum Boden herabreichte. Zur Anlage des Nestes wurde die zweite Sprosse von oben auserkoren. Jedenfalls fand das Amselpaar den Nistort unübertrefflich, denn es zog auch die zweite Brut in diesem Neste gross. Ein anderes Schwarzdrossel- paar legt sein Nest auf einem aus einer Erdwand hervor- ragenden Steine an und benutzte dasselbe drei Jahre lang. Als der Stein herabgesunken war, führte das Pärchen eine zwei Fnss hohe Säule aus Moos auf, um das Nest an der alten Stelle wieder unterbringen zu können. Einen ferneren Beweis dafür, dass die Vögel trotz der vorhandenen geeigneten Nistplätzc von ihrer Gewohn- heit abweichen , liefern auch die an den Havelseeen nistenden Eisvögel. So ist mir liekannt, dass diejenigen Individuen, welche den Griebnitzsee befischen 600 und mehr Meter weit ab von dem Gewässer ihre Nisthöhlen anbringen. Und in der Umgebung Kassels ist das Haus- rothschwänzchen zu einem Waldgebirgsvogel geworden. Obwohl der Vogel in der gebirgigen Gegend wie im Flachlande an und in Häusern, auf Balken, in Kirchen, Thürmen und sonst in der Nähe des Menschen nistet, so wird er doch auch, und zwar nicht selten, fern von menschlichen Niederlassungen in Steinbrüchen und sogar in grossen Entfernungen im AValde in alten Bäumen nistend gefunden. Selbst Skelette, die so manche zartbesaitete Dame zum Entsetzen bringen können, dienten schon Vögeln zu Nistplätzen. Ein Zaunköniupaar nistete in dem Knochen- gerüst eines Reihers, wclclics an eine Mauer gelehnt war und ein anderes Pärchen derselben Art in den üeber- resten einer Saatkrälie, die man als Schreckmittel für ihresgleichen aufgehängt hatte. Ein Aniselpändien nistete in dem von einem Pi-äparatur aufgehängten Kohskelett eines afrikanischen Sfrausscs uud ein Uirundo nistica- Pärchen, welches Zugang zu einem Schlatzinnncr hatte, brachte sein Nest in dem Balge eines Uhu, bestehend aus Kopf, Fliigeln, Schwanz und der diese Thcile verbinden- den Rückenparthie derart an, dass nur Schnabel uud Augenhöhlen des Uhu sichtbar blieben. Selbst die irdische Hülle der Krone der Schöpfung ist nicht geeignet, brüte- lustige Vögel zu schrecken. In Druiscy Nook iu Lincoln- shire tötete ein gewisser Tom Otter seine Geliebte. Er wurde zum Lohn dafür am Galgen aufgeknüpft. Der Mund des Todten stand auf und ein Blaameisenpaar siedelte sich während zweier Jahre in der Mundhöhle an und brachte beide Male seine Jungen gross. Pallas er- zählt, er habe einmal in der Steppe ein Wiedehopfnest mit sieben Jungen im Brustkasten eines menschlichen Skelettes gefunden. Da, wo einst ein von Freude und Hoffnung geschwelltes, von Kummer und Trübsal ge- drücktes Mensehenherz schlug, das Nest eines Vogels und noch dazu eines Wiedehopfs I Freilich treffen manche Vogel bei ihren Extravaganzen hin und wieder auch einmal eine recht imglückliche Wahl. Was soll man zu dem Kuckucksweibchen sagen, das sein Ei in einen Starkasten oder in ein Schwalbennest prak- tizirt. Was zu jener Glucke, die ihr Nest auf dem Heu- boden, was zu jenem Rebhuhn, das einen Habichtsbau auf einer hohen Kiefer bezogen hatte? Wenn wir schon darüber staunen, dass die Stockente ihre Jungen aus den alten Raubvogelhorsten, in welchen sie bisweilen brütet, bis zum nächsten Gewässer völlig unverletzt im Schnabel fortträgt, so ist doch völlig unverständlich, wie jener Storch, der auf der Wiese nistet, seinen Jungen das Fliegen lehrt! Etwas glücklicher war noch ein Star- pärchen daran, das sich in dem Rettungsboote eines zwischen der deutschen Ostseeküste und den dänischen XV. Nr. 21. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. ■24.5 Vor der Abfahrt des Schiffes wurden die Jungen mit Euer gefüttert und während der Fahrt sah man keinen Inseln kursirenden Passagicrsehiffes angesiedelt hatte. Erst als das Schiff in Fahrt gesetzt worden war, be- merkte man die Anwesenheit der Vögel. Da bereits 1 der alten Vögel. Als aber das Schiff nach dreistündiger .fange VDrhanden waren, liess man sie ungestört und war Reise an der jenseitigen Küste anlegte, waren wenn nicht nur auf ihr Verhalten gespannt. Das Elternpaar wusste i beide Alten, so doch einer von ihnen zur Stelle, um die allerdings die ihm gestellte Aufgabe schnell zu lösen. | Jungen zu füttern. Messung der OeschinackseiupfiiHliuigeu. — Die beiden Gelehrten Ed. Toulouse und X. Vaschide, von deren Bemühungen zur Begründung einer neuen Geruehs- Theorie neulich berichtet werden konnte, haben auch die Geschmacksempfindungen eingehender geprüft, und da sie an den bislang übliclien Bestimmungen, bei denen die geprüfte Substanz in Pulverform oder Lösung mittels des Fingers, des Pinsels, eines Schwammes oder einer Röhre auf die Zunge gebracht oder der Reiz elektrisch erregt wurde, den Mangel einer einheitlichen und systematischen Methode zu rügen fanden, thcilen sie nun zunächst eine solche im .,Comptes rendus" vom 19. März mit. Als Normalstoffe, mit denen andere zu prüfende Substanzen in Vergleich zu bringen sind, stellen sie hin für salzigen Geschmack: Natriumchlorid (Kochsalz); „ süssen „ : Saccharose; „ bitteren „ : Dibromhydrat von Chinin; „ scharfen ., : Citronensäure. Diese Stoffe kommen in wässerigen Lösungen zur An- wendung, die in decimalen Verhältnissen (1 : 10; 1 : 100 u. s. w.) hergestellt werden und wegen der möglichen Zer- setzungen im Alter von über 14 Tagen nicht mehr ver- wandt werden sollen; jede decimale Lösungsserie lässt sich durch Mischung mit bestimmten Mengen der nächsten Serie wieder in neun schwächere Lösungen gliedern. Vor dem Gebrauch werden die Lösungen im Wasser- bade auf 38° erwäinit, um die Erregung eines Kälte- oder Wärmegefühis auszuschliessen, und bringt man sie durch einen Tropfenzähler, der Tropfen von Vöo cbcm, in ge- wissen Fällen von Vioo cbcm Grösse liefert, auf die beob- achtete Zungenstelie. Man beginnt die Versuche mit äusserst dünnen, nur eben noch empfindbaren Lösungen, was für salzigen und süssen Geschmack Verdünnungen auf 1:10 000, für bitteren und saueren auf 1:100 000 verlangt, und wechselt dabei ohne geregelte Reihenfolge, um Negativprüfungen zu erzielen und zu sichern, mit ebenso grossen Tropfen von reinem destillirtem Wasser; nach und nach steigt man zu concentrirteren Lösungen auf, l)is die ^'ersuchsperson erklärt, eine unbestimmte Ge- schmacksempfindung zu haben; aus zehn analogen Ver- suchen wird dann das Mittel für die Geschmacksempfind- liehkeit des beobachteten Punktes der Zunge gezogen. So erhält man auch Kenntniss vom Minimum, das zur Geschmacksempfindung einer Substanz nöthig ist. Nach jedem Versuche muss sich die Versuchsperson den Mund mit etwa 5 cbcm destillirten Wassers von 38" Temperatur ausspülen und sich genügend lange ausruhen, um den empfundenen Geschmack wieder verschwinden zu lassen, wozu es bei salzigem, süssem und saurem Geschmack un- gefähr drei Minuten, bei bitterm fünf Minuten bedarf. Zum Studium der „Gernehsgeschmäcke" (saveurs- odeurs), womit solche gemeint sind, die man bei ge- schlossener Nase nicht bestimmen kann, dagegen sofort erkennt bei deren Oeffnung, und die den Einfluss des mit dem Geschmack vergesellschafteten Geruchs bezeugen, so- wie über dessen Function unterrichten, wenden die beiden Gelehrten lolgende Normalstoffe an, die Erregungen liefern, welche stärker als die zu nur einer (Geschmack oder Ge- ruch) Wahrnehmung nöthigen sind: Orangenblüthen Wasser ; Kirschlorbeerwasser ; Gemisch von Wasser mit Anisessenz, mit Pfeftermünz- essenz, mit Knoblauchessenz, wobei immer ein Tropfen Essenz auf 30 cbcm Wasser zu nehmen ist; Wässrige Lösung von eau camphree; Essig; Wässrige Lösung von Eisensulfat (?); Rum ; Oel. Das sind alles allgemein zugängliche und bekannte, aber nicht genau nach ihrem Bestände bestimmte Waaren; sie müssen von normalen Versuchspersonen erkannt werden, denn ihr Geschmackswerth, der nach ihrer Qualität wechselt, ist dennoch in allen Fällen stärker als das überhau[it wahr- nehmbare Minimum. Man sucht ja hierbei nicht zu er- mitteln, welche Intensität zum Mindesten nöthig ist, um ihre Geschmacksempfindung hervorzurufen, sondern nur den Entwickelungszustand des Gedächtnisses und des Ur- theils, die beide mit der Geschmacksübung verbunden sind. Die wässrigen Gemische der Essenzen, die vor der Be- nutzung gehörig zu schütteln sind, wurden statt der Alko- hollösungen gewählt einerseits, um keine Störungen durch den Alkoholgeschmack hervorzurufen, dann aber auch des- halb, weil das Wasser mechanisch auf die feine Verthei- lung der Essenzsubstauz hinwirkt, die im reinen Zustande zu stark reagiren würde. 0. L. Die Bedeutung des phosphorsaureu Kalkes für Menschen und Thlere. — Wenn früher ein kleines Kind krumme Beine bekam, so trösteten sich die Eltern ge- wöhnlich damit, dass ihr Krummstiefel sich schon noch gerade aufrichten lernen werde und thateu gewöhnlich nichts, um das Uebel zu heben. In besseren Familien zieht man jetzt in solchen Fällen stets den Arzt zu Hilfe, und zwar oft für lange Zeit, aber die unbemittelten Leute achten noch heute gewöhnlich nicht auf diese krankhafte Erscheinung. Sie wissen gcwöhnlieii nicht, woran es fehlt und noch weniger, was da zu thun ist. Und doch ist diese Sache vollständig aufgeklärt, und es ist auch nicht schwer, sie zu beseitigen. Diese Kinder leiden an Knochenerweichung, der englischen Krankheit (Rhachitis). Diese Krankheit tritt auf, wenn den Kiudern durch die Nahrung nicht die genügende Menge phosphorsauren Kalkes zugeführt wird. Was ist hier zu thunV Man gebe dem Kinde eine leicht verdauliche, proteinreiche Nahrung mit einem Zusatz von etwas pbosphorsaurem Kalk, und das Leiden wird in 1 bis 2 Monaten gehoben. Es erstarken durch den phosphorsauren Kalk nicht nur die Knochen, sondern auch die Muskeln erhalten die erforder- liche Festigkeit. Das Kilogramm chemisch reiner phos- phorsaurer Kalk kostet in der Apotheke 4 Mk., aber die Ausgabe bleibt trotzdem gering, weil die tägliche Gabe nur einige Gramm betragen darf. Sodann verkaufen die Droguenhandlungen einen nicht ganz chemisch reinen phosphorsauren Kalk das Kilo für 40 bis 50 Pfennige. Den Centner des letzteren verkauft die chemische Fabrik von M. Brockmann in Leipzig- 246 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV, Nr. 21. Eutritzsch für 9 Mk. Diejeuigeu Droguisteu, die als Apotheker gelernt haben, wissen selbstverständlich alle, dass mit phosphorsaurem Kalk die Knochenweiche, wie die Knochenbrüchigkeit l)ei Menschen und Thieren zu heben ist und crthcileu den Hilfesnchenden auch keinen anderen Rath. Arme Leute, die kein Geld für den Arzt haben, und sich selbst zu helfeu suchen, werden diesen Wink benutzen; denn wenn sie Eierschalen auch noch so fein pulverisiren und dem Kinde im Essen geben, so er- reichen sie ihren Zweck nur sehr langsam, weil von dem kohlensauren Kalk der Eierschale nur ein kleiner Tbeil im Jlagen löslich ist. Sonderbar bleibt es, dass derselbe Landwirth, der seine Hausthiere mit phospliorsaurem Kalk so rasch von der Knochenweiche befreit, sich bei seinem Kinde, das an derselben Krankheit leidet, nicht zu helfen weiss. Früher hatte man für eine ganze Anzahl von Thier- krankheiten keine Erklärungsgründe, jetzt aber hat sie die Chemie gebracht. Als man z. B. bei dem epidemischen Auftreten der Knochenweiche und Knochenbrüchigkeit das Futter der kranken Thiere untersuchte, stellte sich heraus, dass dieses einen viel zu niedrigen Kalkgehalt aufwies. Die Ursache der Krankheiten war also der niedrige Kalkgehalt minderwerthigen Futters gewesen, den man besonders in den trockenen Jahren 1893 und 1894 fest- stellte. Recht gefährlich wird diese Krankheit, wenn sie beim Milchvieh auftritt; denn wenn wir jeden Tag der Kuh in der JMilch phosphorsauren Kalk wegnehmen, ohne ihr in der Nahrung einen Ersatz dafür zu gewähren, so muss der Kalk von ihren Knochen genommen werden, die nach und nach ihre Stärke und Festigkeit verlieren und zuletzt das Gewicht des Körpers nicht mehr zu tragen vermögen. Die an Knochenbrüchigkeit erkrankten Thiere können aber nur dann gerettet werden, wenn ihnen die auf die Milchabsonderung günstig wirkenden Futterstoffe entzogen und z. ß. durch Erbsen- und Wickenschrot er- setzt werden. Die im Futter fehlenden Kalksalze müssen wir täglich durch 30 bis 50 g phosphorsauren Kalk er- setzen. Da in den genannten Jahren die Niederschläge im Sommer fehlten, so wurden die mineralischen Bestand- theilc des Bodens, die sonst an die Pflanze abgegeben werden, nicht gelöst und die Pflanzen blieben kraft- und saftlos und arm an phosphorsaurem Kalk. Ein Land- wirth theiite mir in diesen Jahren mit, dass nach einander zwei innge Pferde nicht stehen lernten und darum ge- tödtet werden mussten. Als er dann auf meine Veran- lassung hin der Stute kleine Mengen phosphorsauren Kalk gab, trat dieses Leiden nicht wieder auf. Bei einem an- deren Landwirth brachen die Kühe bei geringen Anlässen die Beine — sie litten an Knochenbrüchigkeit, weil er in Folge der Vernachlässigung seiner Wiesen schlechtes Futter baute. Nur durch besseres Futter und Futterkalk konnte das über den ganzen Viehstaud des unbemittelten Mannes hereinbrechende üebel gehoben werden. Ich zeigte ihm, wie er durch einige Gräben seine saueren Wiesen entwässern und durch Benutzung einer Wiesen- egge, die er durch mich geliehen erhielt und durch AViesendünger (Kainit und Thomasmehl) ein gutes Futter hervorbringen könne. Bei der Knochenweiche der Schweine, die besonders da auftritt, wo diese Thiere nur Kartoffeln und keine Körner bekommen, sah ich ebenfalls, wie der Futterkalk von vorzüglicher Wirkung war. Solche Fälle veranlassten mich, dem Futterkalk meine besondere Auf- merksamkeit zu schenken und mich vor allen Dingen mit den Erfahrungen der Thierärzte bekannt zu machen. Der Bezirksthierarzt Oppel in Arnstadt schreibt: „Seit 6 Jahren benutze ich alljährlich den M. Brockmann'schen Futter- kalk in grossen Mengen, weil hier die Knochenweiche und Knochenbrüchigkeit fortwährend auftritt. Die Knochen- weiche, die wegen des sehr starken Kartoffelbaues im hiesigen Bezirk besonders unter den Schweinen stark auf- tritt, und von den Laien als Krampf bezeichnet wird, habe ich nach dem Verfüttern von phosphorsaurem Kalk regelmässig im Verlauf von etlichen Wochen verschwinden sehen, wobei gleichzeitig die bei Kuochenweichc meist im Wachsthum zurückbleibenden Thiere sich ungemein schnell entwickelten, sodass sich viele Landwirthe dazu entschlossen haben, Jahr aus Jahr ein an ihre Schweine phosphorsauren Kalk zu verfüttern. Als 1893 die Knochen- brüchigkeit, verbunden mit Lecksucht hier in erschrecken- der Weise auftrat, habe ich ebenfalls mit Futterkalk glänzende Resultate erzielt. Selbst dann, wenn die Thiere nicht ohne fremde Hilfe aufstehen konnten, wurden sie durch Futterkalk in 6 bis 8 Wochen gelieilt. Auch an völlig gesunde Thiere und au das Jungvieh (Fohlen, Kälber, Ferkel und Lämmer) habe ich phosphor- sauren Kalk verfüttern lassen, um das Knochenwachsthuui zu befördern und dabei sehr befriedigende Resultate er- zielt " Amtsthierarzt Krummbiegel in Hainichen schreibt, dass er nicht nur mit dem Futterkalk sehr gute Resultate bei Knochenweiche, Knochenbrüchigkeit, Lecksucht, Holz- nagen u. s. w. bei den Hausthieren, sondern besonders bei der Aufzucht des Jungviehes zu vcrzeichuen habe. Ausführlich berichten hierüber die thierarzneilichen Werke und die landwirthschaftlichen Zeitungen. Beachtenswerth erscheint ferner die Erfahrung, dass bei Kalkfütterung der Milchertrag gesteigert wird. Wenn gute Milchkühe abmagern, so kann man ihnen durch Futterkalk das volle Aussehen wieder verschaffen, denn der phosphorsaurc Kalk geht auch in die Muskeln über. Ich erinnere mich aus meiner Jugend, dass unsere beste Milchkuh die magerste war. Ihr würde der Futterkalk das wohlige Aussehen wieder gegeben haben. Mau muss berück- sichtigen, dass in jedem Liter Milch, den das Thier giebt, ilim 15 g phosphorsauren Kalkes verloren gehen. Wird dieser Verlust durch das Füttern aber nicht vollständig ersetzt, so magert sein Körper ab. Das Füttern mit phosphorsaurem Kalk steigert beim Geflügel den Eier- ertrag. Will man schon im Februar Eier haben, so muss man nur regelmässig noch etwas Grünes, wie zerschuitzelte Rüben oder Ki-autstrünke, füttern. Den Rindern, Schafen, Schweinen und dem Geflügel giebt man den Futterkalk mit der angefeuchteten Kleie oder im Saufen, den Pferden im angefeuchteten Hafer und den Hunden im Futter. Prof. Dr. Zürn in Leipzig giebt für den weltberühmten Brockmann'schen Futterkalk folgende Gaben an. Ein Pferd bekommt täglich 15 — 30 g, ein Rind 25 — 40 g, ein Mastochse 40 — 50 g, ein Schaf 10 — 20 g, ein Schwein 10 bis 20 g, Fohlen und Kälber erhalten 8—15 g, Lämmer und Ferkel 3 — 6 g, Hunde 1 — 5 g, junge Hunde ^^ bis Va g, junges Geflügel '/ä — 1 g "ud älteres Geflügel 1 bis 2 g. Man würde nun aber stark irren, wenn man glaubte, dass alle die Präparate, die als Futterkalk in den Handel kommen, von gleicher Wirkung wären. Für Futterzweckc ist nur der zvveibasisehe phosphorsaure Kalk (der welt- berühmte M. ßrockmann'sche Futterkalk) zu empfehlen. Nach den Analysen von Prof. Dr. Fresenius in Wiesbaden lösen sich z. B. von dem dreibasischen phosphorsauren Kalk, den gemahlenen Knochen, dem Knochenmehl, nur 18 "/(, in dem Darme der Thiere, während von dem zwei- basischen Futterkalk (dem echten Futterkalk) 98,18 */o citratlöslich sind. Ebensowenig wie der dreibasische, phosphorsaure Kalk eignet sich der vierbasische phosphor- saure Kalk für Futterzwecke. Ganz unbrauchbar für Futterzwecke ist der in der Natur vorkommende phosphor- saure Kalk, der Phosphorit, wenn er selbst noch so fein gemahlen ist. XV. Nr. 21. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Das bereits erwähnte Knoclienmehl ist nicht nur wenig- verdaulich, sondern erhält ausserdem zuweilen Krankheitskcinie. Zu Futterzwecken eignet sich nur der aus Lösungen gefällte phosphorsaure Kalk, das Futter- präcipitat. Wenn der Lieferant unter dieser Bezeichnung den Futtcrkalk liefert, so muss es auch wirklicli Präcipitat sein; docli ist auch beim Präcipitat nocii ein grosser Uuteiseiiicd vorhanden. Es giebt ein Präcipitat für die Düngung und eins für Fntterzwecke. Bei beiden werden die Ivnoclicn in Salzsäure gelöst und die Lauge wird dann mit Kalk gefällt. Die rohe Salzsäure enthält aber be- deutende Mengen von Arsenik, das mit ins Präcipitat übergeht, weshalb der Futtcrkalk mit gereinigter Salz- säure behandelt werden nuiss. Diese Reinigung ist aber mit grossen Kosten verbunden. Da äusserlich das Futter- präcipitat nicht vom Düngerpräcipitat zu unterscheiden ist, so kann das letztere leicht für Futterzwecke verkauft werden. Der Käufer wird sich darum Sicherheit ver- schaffen müssen, ob er auch wirklich Futterpräcipitat be- konmit. Wollte man indessen die Salzsäure in solcher Keinlieit wie für mediciiiiscbe Zwecke anwenden, so würde der Futtcrkalk viel zu hoch zu stehen kommen. Man muss sich darum damit begnügen, dass im Futter- kalk noch Spuren von Arsenik vorhanden sind und auch etwas Chlorcaicium, das übrigens auch dem Viehsalz an- haftet, aber keinen Schaden bringt. Das Bestreben, einen sehr hohen Gehalt an Phosphorsäure im Futterkalk er- zielen zu wollen, ist zwecklos, weil das krystalliniscbe Präcipitat schwer verdaulich ist. Der weltberühmte pliosphorsaure Kalk für Futterzwecke (gereinigtes Präci- pitat) ist erwiesenermaassen leicht verdaulich, sehr wirk- sam und verhältnissmässig billig. Er enthält 30 — 32 "/o Pbosphorsäure. Futterkalk mit 40 — 42 % Pbosphorsäure ist gar nicht zu empfehlen, weil er schwer löslich ist. Zur Herstellung des weltberühmten Futterkalkes von M. Brockmann in Leipzig-Eutritzsch kommen nur gute Röhrenknochen, die zunächst von allen Fleischlheiien ge- reinigt und sorgfältig mit einer Maschine gewaschen werden. Die sauberen Knochen werden alsdann mittels ge- reinigter Salzsäure aufgeschlossen, wodurch man die Plidsphoisäurc als Lauge gewinnt. In diese Lauge bringt man Kalkmilch und zwar soviel, dass die Lösung ziemlich neutral wird, aber immerhin noch schwach sauer reagirt. Der gefällte Kalk ist Calciumdiphosphat (CaHP04) die übrigbleibende Lauge Chlorcaicium. Dieses Präparat ist frei von Arsen, wenn man die Knochen mit arsen- freier Salzsäure aufschliesst. Letztere ist aber zu theuer, und so verwendet man die sogenannte gereinigte Salz- säure. Doch ist der in dem M. Brockmaun'sehen Futtcr- kalk vorhandene Gebalt an Arsen so gering, dass er sich i|uantitativ kaum noch bestimmen lässt (nach Professor Dr. Zürn sind es 0,002—0,0044 7o Arsenik). Das Chlor- caicium, das bei der Fabrikation entsteht, wird durch Waschen entfernt. Hierauf kommt die Masse in Kuchen- form und wird in Oefen getrocknet, dann zerkleinert und fein gemahlen. Das Trocknen hat sehr vorsichtig zu ge- schehen, denn durch allzuscharfcs Trocknen erhält man zwar einen hohen Phosphorsäuregehalt, aber die Phosphor- säure ist dann als PhosphorsäurepyrophosphKt (Ca2P.207) vorhanden, das im Magen ebenso schwer löslich ist wie Calciumtriphosphat (Ca3(^P04).2), der gewöhnliche phosphor- saure Kalk. Letzterer wird durch Brennen und Mahlen der Knochen oder auch durch in der Natur vorkommende Phosphate, wie Phosphorit, ebenfalls durch Mahlen ge- wonnen. Solche Präparate haben einen Gehalt von 40—42 'Vo Phosphorsäure, sind aber für Ffitterungszweckc unbrauch- bar. Kaum dürfte es nothwendig sein, den Nachweis zu führen, dass die kleinen Mengen von arseniger Säure, die im gereinigten Futterkalk vorkommen, den Thieren selbst oder auch den Menschen, die das Fleisch der mit solchen Präparaten gefütterten Thiere geniessen, durchaus nicht nachtheilig sind. Denn abgesehen von den Ver- suchen, die folgende FIcrren anstellten: Kopitz mit Ver- fütterung von arseniger Säure an Pferde (Preuss. Annalen d. Landw. 1872, S. 601) und Körte, der Mastochsen steigende Dosen Arsenik, von 1 — 6 Gran (1 Gran = 0,06 g) täglich für ein Thier, während der Dauer einer sehr langen Mastperiode, und zwar ohne Eintrag des Wohlbefindens, wohl aber zum Vortheile der Thiere, gab (Meyer's Er- gänzungsblätter 1869, S. 184), haben Weiske, Schrodt, P(jtt und Kellner (Tagebl. der Naturforscherversammlung zu Graz, 1875) durch Verabreichen von anfangs 0,005 bis 0,016 g arseniger Säure für ein Thier auf den Tag, während eines 20 Tage andauernden Versuches „bessere Ausnutzung des Futters und Vermehrung des Körpergewichtes, durch Fleisehansatz" bei Schafen erzielt und solches nach allen Richtungen hin wissenschaftlich erwiesen. lieber die etwaige Gefährlichkeit des Genusses von Fleisch solcher mit Arsenik gefütterten Thiere äussert sich Weiske : „ Das Fleisch solcher Thiere, die kleine Dosen arseniger Säure er- hielten, enthält ganz unbedeutende Spuren von Arsen und ist ohne Nachtheil zu geniessen." Dr. Schmid sagt: „Da die Maximalgabe des Arseniks bei Menschen (zu Heilzwecken) 0,005 g beträgt, dieser aber wohl selten mehr als 0,5 kg Fleisch verzehrt, so kann der Genuss des Fleisches von Thieren, die mit Arsenik gefüttert worden sind, wohl kaum Nachtheile im Gefolge haben." In Musspratts Chemie, übersetzt von Karl und Stoh- mann, 1874, S. 837 ist zu lesen, dass Fresenius im Ab- satz des Kochbrunnens in Wiesbaden 0,0945 bis 1,736 Arsensäure, in der Elisabethenqaelle zu Homburg von der Höhe im Wasser nur geringe Spuren, im Schlamm der- selben aber 0,081 7o Arsenik gefunden hat, Blum und Leddin dasselbe Gift dann zu 2,72 Theilen in 10 000 Theilen Karlsbader Sprudelsteines nachgewiesen, Becker Arsen im angeschwemmten Lande, in der Nähe des Wesergebirges, Stein aber in verschiedenen Ptlanzen, z. B. in 10 000 Theilen Strohasche 2 Theile — also 0,02 "/o Arsen — fanden. Professor Hoffmann in Leipzig giebt an, dass in dem eisenhaltigen Absatz der Leipziger Wasserleitung Arsen, und zwar in 1 Liter etwas trüben Wassers derselben 6,8 Milligramm Eiseuoxyd und 0,0018 Milligramm arseniger Säure enthalten waren. Es ist somit vollständig gefahrlos, wenn wir unseren Hausthieren gereinigten Futterkalk verabreichen. Iehen Ver- suchsstation zu Tharand zum k;u,-' ilirli.n l,'.'::irriiiiu-ratli und Mitglied des Gesundheitsamtes; I »r. i is r ai Sa in t r r . l'iivatdoccut in der niedieinischen Fakultät zu KcHiiüshiiu /.tun i'rofessor; Dr. Alois Birnb acher, auss-riuflrntlicliüi- Professor der Augen- heilkunde in Graz zum ordnitlii-hrii I'iot'essov; Dr. Gustav Kossinna, Bibliothekar au der köuit;liilion Bibliothek zu Berlin, zum Professor; Dr. August Blau, üibliothokar an der königlichen Bibliothek zu Berlin, zum Oberbibliothekar; Dr. Clemens Hart- laub und Dr. Krnst Khrenbaum, Cu.stodeu an der biologischen Anstalt zu Berlin, zu Professoren; Dr. M. ^Meissner, Assistent bei der zoologischen Sammlung des königlichen Museums für Naturkunde zu Berlin zum Cnstos: Dr. C. Strübing, ausser- ordentlicher Pr.ili'^sor der inneren Medicin in Greifswald, zum ordentlichen Piof'äsor. Bmufen wurden: Medicinalrath Dr. Hermann Lindnev leitender Arzt am A'jgustahospital in Berlin, als dirigirender Arzt der ersten chirurgischen Abtheilung an das Stadtkrankenhaus in Dresden; Dr. Stephan Bern heim er, Privatdocent der Augen- heilkunde in Wien als ordentlicher Professor nach Innsbruck: Dr. Wilhelm Altmann, Bibliothekar an der königlichen Oni- versitiits-Bibliothek zu Greifswald als Oberbibliothekar an die königliche Bibliothek zu Berlin; Dr. Julius Lippert, Hilfs- bibliothekar an der königlichen Bibliothek in Berlin als Bibliothekar an das Seminar für orientalische Sprachen in Berlin. Es habilitirten sich: Dr. med. et phil. Paul Ehrenreich für Anthropologie in Berlin. Es starben: Sanitätsrath Dr. Eduard Heinrich Lehmauu, Leiter des Krankenhauses Bethanien in Polzin (Pommern); Dr. Heinrich Böse, vormaliger Director der chirurgischen Klinik in Giessen. Verein zur Förderung des Unterrichts in der Mathematik und den Naturwissenschaften. - I'ir diesjährige Hauptversamm- lung (h's \-,Tri„s wird in d.-n Tai;.'!! von. 4.'bis 7. Juni in Hamburg statttinden. Der Vei-rin, der mit fast ;iOO Mitgliedern gegenwärtig wohl den dritten Theil der an den höheren Schulen Deutschlands wirkenden Lehrern der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer in sich schliesst, hat bereits mehrfach einen erkennbaren Einfluss auf die Gestaltung des Lehrbetriebs in diesen Fächern ausgeübt. So hat er vor einigen Jahren ein demnächst von der Preussischen Unterrichtsverwaltung angenommenes Verzeichniss der Apparate herausgegeben, die für einen gedeihlichen Unter- richt in der Physik unerlässlich sind; an der durch die neue Lehramtsprüfung getroffenen Bestimmung, welche einen Theil des mathematisch -naturwissenschaftlichen Studiums auf den Tech- nischen Hochschulen zu absolviren gestattet, hat er durch die XV. Nr. 21. Xatiirwissenscliaftliche "Wochenschrift. wiederholte nacluh-iickliche Betoming ilieser Foideiiing auch einen gewissen Antheil. Auf der bevorstehenden Versammlung wird or sich mit Aufstellung eines Lehrplanes für die darstellende Geometrie, d. i. den für die Anwendung auf die Technik be sonders in Betracht kommenden Zweig der Mathematik be- schiiftigen und damit der Erziehung der künftigen Techniker und Ingenieure schon auf den für den Hoclischuluntorricht vorbe- reitenden Schulen voraussichtlich wirksame Dienste leisten. Das Programm der Vorträge ist das folgende: Schotten (Halle a. S.): Wissenschaft und Schule. — Böger (Hambm-g): Die Geometrie der Lage im Schulunterricht. — P i e t zk e r (Xordhausen): Bericht über den Entwurf eines Lehrplaus für den Unterricht in der darstellenden Geometrie. — ^^'ernicke (P.rauuschwoig): Schul- aufgaben aus dem Gebiete der .Mechanik, unter besonderer Be- rücksichtigung der Technik. — Kiessling (Hamburg): Dar- stellung künstliclier Nebel. — Vo Her (Hamburg): Ueber neuere Strahlungsuntersuchungon(Becquerel-Stral]len). —Derselbe: Ueber- tragung langwelliger elektrischer Schwingungen (drahtlose Tele- graphie von Braun). — Classen (Hamburg): Versuche mit Hüssiger Luft. — F. Ahlborn (Hamburg): Ueber den Wider- stand flüssiger Mittel. — Derselbe: Ueber den Vogelflug. — Schwalbe (Berlin): Der internationale naturwissenschaftliche Katalog — Krebs (Hagonau i. E.): Unterrichtsausflüge in päda- gogischer und hygienischer Beziehung. — Schwalbe (Berlin): Die Naturmerkwürdigkeiten Deutschlands und die Erhaltung dieser Naturdenkmäler. Kiel Der zweite Feriencursue für Lehrer wird an der Universität t --'S. .luli iibnehalten. Zur Theilnahme berechtigt ist jeder Leiirci ; alicr ,iii. Ii Lehrerinnen, sowie Damen und Herren aus anderen Bi i ul.-kiii.-ni ist der Besucl] fast aller Vorlesungen gestaltet. Das soeben aufgestellte Programm kündigt folgende naturwissenschaftliche Vorlesungen an: Privat-Dooent Dr. Benecke, Biologie der Waldbäume; Professor Dr. Haas, aus- gewählte Kapitel aus der Geologie mit besonderer Berücksichtigung unserer Heimath; Professor Dr. Krümmel, ausgewählte Ab- schnitte der Meereskunde (Tiefseeforschung, Meeresströmungen etc); Privat-Docent Dr. Lohmann, ausgewählte Kapitel aus der Bio- logie der Thiere, etwa: Wie der Bau und die Lebensweise der Thiere beeinflusst wird: a) durch das Medium ihres Aufenthalts (Art der Fortbewegung, der Athmung, der Vermehrung etc.), b) durch die Temperatur, das Licht und die chemische Beschaffen- heit des Wassers (Winterschlaf, Sommerschlaf, Thiere in warmen Quellen, unter dem Eise, auf Gletschern, Tiefsee- und Höhlen- tliiere etc.), c) durch die umg-ebende Pflanzen- und Thierwelt (Pflanzenfresser, Räuber, Allcsfresser, Parasiten, — Vertheidigung, Liebe zur Nachkommenschaft etc.), d) durch den Menschen (Zucht, Zähmung, Einsperrung, Ausrottung, — die Hausthiere und ihre Herkunft); Dr. Kistenpart, allgemeine Astronomie; Professor Dr. Weber, Lichtmessungen und Beleuchtung in Schulzinimern. Ausserdem werden die Herren Dr. Benecke und Dr. Loh mann auf einer Dampferfahrt in See Schleppnetzzüge veranstalten und dabei das Pflanzen- und Thierleben in der Ostsee demonstriren. .\usführliche Prospekte sind von dem Lehrer Dreyer (Kiel, Knooper Weg 178) zu bezichen. Anmeldungen sind ebendaselbst thunlichst bald zu bewirken, wobei diejenigen Vorlesungen zu bezeichnen sind, auf die in erster Linie Gewicht gelegt wird, damit persönliche Wünsche bei der Vertheilung der Vorlesungen berücksichtigt werden können. Für die zur Theilnahme an sämmtlichen Vorlesungen und Hebungen berechtigende Theil- nehmerkarte sind 20 Mark zu entrichten. Neben den zu Demon- strationszwecken zu unternehmenden Excursionen sind u. a. ge- meinschaftliche Ausflüge zu Wasser und zu Lande geplant, wofür die Sonnabende freigehalten werden. Der „Ausschuss zur Vor- bereitung des Ferienkursus", aus Vertretern der Universität und des Kieler Lehrervereins bestehend, hat dafür Sorge getragen, dass den Theilnehmern die Sehenswürdigkeiten Kiels, soweit möglich unter sachkundiger Führung, zugänglich werden. Preisaufgabe. — Die Naturforschende Gesellschaft zu Danzig setzt den bei der Feier ihres 150jährigen Bestehens von der Provinzial-Commission zur Verwaltung der AVestpreussischeu Provinzial-Museen ihr zur Verfügung gestellten Betrag von „Ein- tausend Mark'" als Preis für die beste neue Arbeit aus, die einen in sich abgeschlossenen wesentlichen Beitrag zur Keuutniss der norddeutschen Diluvialgoschiebe, mit besonderer Berücksichtigung des in Westpreussen vorkommenden Materials, liefert. Zum Wett- bewerb werden nur unveröfl'entliclite Arbeiten zugelassen; die- selben sind, in deutscher Sprache abgefasst und leserlich ge- schrieben, bis zum 1. April 1902 an den Secretär für auswärtige Angelegenheiten der Naturforschenden Gesellschaft in Danzig einzusenden. Der Name des Verfassers ist in einen versiegelten Umschlag einzuschliessen, welcher dasselbe Motto trägt, wie das Manuscript. Die preisgekrönte Arbeit nebst den etwa zugehörigen Originalzeichnniiyn ist auf Wiinsrli frei als Eigenthum der Natur- forschenden Gi's.llschal't 7.111 \'.'r.i(fiiflirliiing zu überlassen. Das Preisgericht sel/.t sirli, \ (.i lirh.ili lidi riner etwaigen Cooptation aus dem Directur und dem .Secniiii- t'iii- auswärtige Angelegen- heiten der Naturfurschenden Gesellschaft in Danzig, sowie Herren Geheimen Regierungsrath Professor Dr. Branco in Berlin zu- sammen. Die Preiskrönung bedarf der Bestätigung der Natur- forschenden Gesellschaft. Danzig, den 2. Mai 1900. Der Director. M o m b e r. Der Secretär für auswärtige Augelegenhcitc Con wen tz. L i tt e r a t u r. Prof. Dr. Johannes Reinke. Die Entwickelung der Natur Wissenschaften insbesondere der Biolog'ie im 19. Jahrhundert Rede zur Feier des Jahrhundertswechs.ls gehalten am lä. Jauuai 1900 in der Aula der Universitiit zu Kiel. Universitäts-Buch handlung (Paul Toeche). Kiel, l'.IOl». Die Rede bietet im Wesentlichen eine lichtvolle Darstellung der Assiuiilations- und Dissimilations-\'orgänge der Pflanzen unc beschäftigt sich eingehender mit der Descendenz-Theorie, Die übrigen Punkte, die als bemerkenswerthe Errungenschaften in 1'.». Jahrhundert erwähnt werden, werden nur mehr gestreift. Dr. Faul Wossidlo, T'irector des königl. Realgymnasiums zu Tarnowitz, Leitfaden der Botanik für höhere Lehranstalten. Mit 535 Text-Abliildun-eu. 1(5 Tafeln in Farbendruck und einer Karte der Vecjetatiou.'^iii'liiete in Buntdruck. 8. verb. Auflage. Weidmann'sche Buclili.andlung in Berlin, 1900. — Preis 3,30 M. Das bekannte Buch unterscheidet sich vor Allem auffällig in seiner vorliegenden 8. Auflage von den früheren Auflagen durch 16 neue Tafeln in Dreifarbendruck, welche hübsch und charakteristisch den Habitus einer Reihe von Pflanzenarten in ihren natürlichen Farben wiedergeben. F. Klein in Göttingen, Ueber die Neueinrichtungen für Elektro- technik und allgemeine technische Physik an der Universität Göttingen. Mit einer Antwort auf die von Pr.d'essor Shiby in der Sitzung des Preussischen Herrenhauses vom 30. .März 1900 gehaltene Rede. B. G. Teubner, 1900. Das Schriftchen enthält zunächst einen Wiederabdruck eines Aufsatzes, der im December vorigen Jahres in der physikalischen Zeitschrift (Leipzig, Hirzel) erschienen ist und in welchem dar- gelegt wird, wie sich in Göttingen gewisse Ergänzungen des her- kömmlichen physikalischen Unterrichts nach technischer Seite mit Hilfe weitgehender Unterstützung von Seiten hervorragender Grossindustrieller haben durchführen lassen. Neuerdings hat nun HeiT Slaby in der Sitzung des preussischen Herrenhauses vom 30. März besagte Einrichtungen einer ziemlich ungünstigen Kritik unterzogen. Hierauf antwortet der Verfasser in zusammenhängender W^eise. Nachdem er bisher durchaus für das, was man die Emanzi- pation der technischen Hochschulen nennen könnte, eingetreten ist, sieht er sich nunmehr veranlasst, daneben für die Selbst- ständigkeit und das Selbstbestimmungsrecht der Universitäten zu plädiren. Ahrens,- Prof. Dr. Fei. B., Die Entwickelung der Chemie im 19. Jahrhundert. Stuttgart. — 1 Mark. Blochmann. Rieh. Herrn., Physik. Stuttgart. — 5 Mark. Dehn, Max, Die Legendrc'schen Sätze über die Winkelsumme im Dreieck. Leipzig. — 1,20 Mark. Frobenius, L., Die Mathematik der Oceanier. Berlin. — 1 Mark. .- Die Schilde der (oceanier. Berlin. — 1 Mark. Hanausek, Prof. Dr. T. F.. Lehrbuch der technischen Mikroskopie. 1. Lfg. Stuttgart. - 5 Mark. Köhler. Oberbergr. Prof. Dir. G., Lehrbuch der Bergbaukunde. Leipzig. — 20 Mark. Inhalt: Schenkling-Prevni: Nidologisches. — Messung der Geschmacksempfindungen. — Die Bedeutung des phosphorsauren Kalkes für Menschen und Thiere. — Chlorophyllbildung in der Finsterniss. — Vorweltliche Bacterien und deren geologische Thätigkeit. — Die hydrographischen Verhältnisse des nordatlantischen Oceans im Jahre 1898 auf Grund von Schiffsbeob- achtungen. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Prof. Dr. Johannes Reinke, Die Entwickelung der Naturwissen- schaften insbesondere der Biologie im 19. Jahrhundert. — Dr. Paul Wossidlo, Leitfaden der Botanik für höhere Lehranstalten. — F. Klein, Ueber die Neueinrichtungen für Elektrotechnik und allgemeine technische Physik an der Universität Göttingen. — Liste. 252 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 21. /^er&crfdic fierrafls^nnbfunfl, grrcißurg im SSreiägau. 'Siicl'cii ift cr[d)iciicn uiib bitvrf) alle ^}3nrfifiaiiMitiuicn 31t tic,vc()oii: laljrliiKl) kx !lntiiriMiffiif(l)nftfii 3or)riimifl 1899—1900. G'iitljnltcnb bie fjcruo tra gcubftot gorif cCjrittc nuf bell (äcbictcn: 'Vtim'if, Ghemic itnb djemifcfic JcdjiiDlogtc; nn= gcmniible aüccijanit; Hictcorologie uiib pf)i)iiCalifd)c Ocogrnptiic; -Jlflroiiouüc ititb inalE)eiiiQliicfic ®cograpf)tc; Soologic unb S3d= taiiif; Ain-']t-- iiiib S'aiibanrtljfdjaft; Diliiiieratogic iiitb (Seologie; Üliilln-opologic, gtf)iiologie uiib lU-gefc()id)te; (ÜefuiibfieitÄpflcge, JJicbi.^iii iinb 'iUjm'ioIogie; Sciiiber= unb Süöltertunbe; Snbuftrie unb iiibiiftiieücSecljiiiE. Jvuiifäctjnter 3a()rgang. Uiilcr^Jiitiutrfimg 0011 (vadjiiininieiru tjcrau^gcgefaen Doit i)v. gan.r pSil'bfvuiaitn. a'fit .j3 in bcu lej,'! gebrudtcii Slbbilbimgeit. Sicbi't einem ?lii = (jnngc; Wciieralrcfliftcr über bic 3at)rgänge lS!jj/;)i; -IS'.IO, l'.iOO. gv S". (XII u. 572 ©.) ,)J. 6; in cleg OriginaKSinbnnb: i'eimonnb mit SecCenpreffung M. 7. — ®ie Sinbanbbedc bc= fonber'3 70 Pf. rviiilltrc onlii-näiisr te« .;„i(nlMiclH'C' ter ')f,itiini'iiieniclwitfu " foiuieii luid). bciOflf» ii'cvtcii, iiiib ;ii\u Silin lii'i'i'e ton je M. 6; iKt. -"- 7. - ö,etec ;"saliriiiiiifl (mit äUic.ruil'iiif tec fi[teii, bcv l-crfliitfcii ift) i(t ciuitiu ,ii biU'Cii. Photo graphische Apparate Bedarf «iiartikel. Makelmann's Patent-Klappcaiiiei'ii mit Spiegel-Reflex „Victoria" 1 t die eiuzige Klappcamera, welche Spiegcl- 1SpIU\ und keine IMetall- oder Holzspreizen (nackelig) hat. Die Camera besitzt Uonleau- \crsclilii8s (cv. auch Goen- Anschüt/.-Tir- scliluss). umdrehbare Visirscheibc und lä.«sl sich eng zusammenlegen. V oriiint 0/1^ und lU/lO'/, cm Max Steckelmann, Berlin Bl, Markgrafenstrasse 35. Ferd. Dfiniinlers Terlagsbiichhandlupg in Berlin SW.12. Soeben erschien: Julien Offray de Lamettrie. Sein Leben und seine Werke. J. E. Poritzky. 364 Seiten. 8". 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In bieg'saiiieiu Leineiibaiiil "A ]Uai-k, Tabellen qualitativen Analyse bearbeitet von l)r. F. P. Treadwell, unter Mitwirkung von Dr. Victor Meyer, I'rolV«8oi nn der Univci-ailiit Hoidclbivs _ Vierte vermehrte und verbesserte Auflage, neu bearbeitet von Dr, F, P. Treadwell, Lex. 8'. Preis kartonnirt 4 Blark. Verantwortlieher Redacteur: Dr. Henry Potoni(5, Gr. Liehterfelde (P.B.) bei Berlin, Potsdanierstrasse 35, für den luserateutheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlera Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. f{ ^^^' Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Däinmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94, XV. Band. Sonntag, den 8. Juri 1900. Nr. 22. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- y Inserate; Die viergespaltene Petitzeile 40 Ji, Grössere Aufträge eut- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.- gjö sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme BrinBegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. i bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdi-nt-k ist nnr mit vollstäniliger Qnellenangabe j;e»itattet. F a r a d a y. •^) Von Leopold Katscher Dieses neueste Buch des hcrvorragciulen Pli3'sikers bildet die seiir interessante Geschichte des Lebens und Wirkens eines noch bedeutenderen Physikers: Faradays, den man „Vater der modernen Elektricität" zu nennen pflegt, weil er deren Pfadtiiidcr war. I. Autodidakten haben stets Anspruch auf Achtung; was sie sind und was sie wissen, verdanken sie sich selbst — das ist immer ein hohes Verdienst. Einer der berühm- testen „self-made men" aller Zeiten war der 1791 zu London geborene Faraday. Der Vater, ein armer Schmied, konnte kaum das Nöthigste verdienen und niusste daher seine Söhne zu Handwerkern bestimmen. Der junge Michael kam, nachdem er die Volkssclmle verlassen hatte, im Alter von 13 Jahren zn einem Buchbinder in die Lehre. Musste er aber die Segnungen des höheren Unterrichts ent- behren, so suchte er sieh anderweit zu entschädigen. Er pflegte nämlich das Innere der Bücher, denen er in seinem neuen lierufe ein Aeusseres zu verleihen hatte, zu lesen. Als er später ein kleines Gehalt bezog, verwendete er einen bedeutenden Theil desselben auf den Ankauf wissen- schaftlicher W^erke. Besonders zogen ihn Chemie und Physik an. Nach einiger Zeit ersann er allerlei mehr oder weniger primitive Apparate, mit denen er schlecht und recht die Experimente ausführte. Wenn irgend Jemand, so war offenbar er ein echter Autodidakt. Das Prineip der Elektricität interessirte ihn ungemein und er machte mehrere Versuche, darauf beruhende Ma- schinen zu erfinden. Die erste, allerdings sehr mangel- P. Thompson. 1 Fnraday: „His lifti and wovk.' London 1899. Cassell & Co. By Sil hafte, bestand aus zwei Hölzern und einer Flasche; die zweite war schon besser, und bald wurde die Wohnung des jugendliclien Buchbindergehilfen zur Bibliothek und Werkstätte, in der Faraday die Aussenwelt Aussenwclt sein Hess und nur seinen Ideen lebte. Das Glück war ihm günstig. Ein Mitglied der Royal Society — diese Aastalt spielt in England die Rolle einer Akademie der Wissenschaften — wurde durch Michaels Meister von dessen Kenntniss-Durst unterrichtet und führte ilm in die Royal Institution of Great Britain zu den Vorlesungen, mit denen damals Sir Humphry Davy, der berühmte Er- finder der bergmännischen Sicherheitslampe, sein Audi- torium hinriss. Hier empfing Faraday einen so mächtigen Eindruck, dass er innig wünschte, sein Handwerk aufzu- geben und sich der Wissenschaft gänzlich widmen zu können. Sich ein Herz fassend, schrieb er an Davy, ihn bittend, ihm zur Erfüllung dieser Wünsche zu verhelfen. Zugleich sandte er an Davy einen Manuscripten-Band, in dem er nach dessen Vorlesungen Notizen gemacht hatte. Die Antwort, datirt vom 24. December 1812, dünkte ihm das erdenklich liebenswürdigste Weihnachtsgeschenk. Der grosse Gelehrte dankte darin dem armen Jüngling für sein Vertrauen, bemerkte, dass die Notizen starkes Gedächtuiss und gespannte Aufmerksamkeit verrathen, und lud deren Schreiber zu einer Besprechung ein, die bald statthatte. Davy nahm den schüchternen Neuling sehr freundlich aut und bot ihm die Stelle eines Hilfspräparators in der Royal Institution an. Faraday griff entzückt zu und trat schon im März 1813 in seine neue Sphäre, in seine eigentliche wissenschaftliche Laufbahn. Diese begann und beendete er in Alberaarle-Strcet; er hat die Royal Institution so zu sagen nicht mehr verlassen, sondern ist ihr bis ans Ende seiner Tage treu geblieben. In ihrem Laboratorium ist er zu dem hohen Rang aufgestiegen, den er für ewige Zeiten 254 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 22. behaupten wird — sowohl als Manu der Wissenschaft wie als Wohlthäter der Menschheit. Der Sohn des Schmiedes von Newington hatte in seinem neuen Wirkungskreis vollauf Beschäftigung. Während der ersten Jahre verwendete Davy ihn mehr zn mechanischen Aiheiten; er wurde eben als guter Ge- hilfe betrachtet, dessen Bäume nicht zu rasch in den Himmel wachsen sollten. Es hiess sogar, Davy sei eifer- süchtig gewesen auf das Wohlwollen, welches das Publi- kum dem aufstrebenden Präparator bezeigte; doch hat Faraday, zu dessen hervorragendsten Tugenden die Be- scheidenheit gehörte, davon nirgends eine Erwähnung ge- macht. Sei dem wie immer, es bleibt wabrscbeinlich, dass Faraday ohne Davy wohl nicht geworden wäre, was er wirklich wurde. Kaum hatten die beiden sieben Monate zu- sammengearbeitet, nahm der Meister seinen Assistenten auf eine grosse Reise mit. Zuerst ging es nach Paris, wo der hocherfreute Anfänger die Bekanntschaft von Cuvier, Gay- Lussac, Laplace, Humboldt und anderen Celebritäten machte. Im Deccmber besuchten sie die ausgebrannten Vulcane der Auvergne, dann Neapel und den Vesuv. In Mailand kamen sie mit dem damals bereits ganz alten Volta zusammen. Den Sommer 1814 brachten sie in Genf zu, wo das einnehmende Wesen Faradays ihm die wärm- sten Sympathien der Gelehrtenkreise eintrug. So wie er damals war, blieb er immer: ein bescheidener, edler Charakter. Die kalte Jahreszeit über setzten sieh die Reisenden in Rom fest; nachdem sie noch die Tiroler Alpen durchstreift und Deutsehland besucht hatten, kehrten sie im April 1815, nach anderthalbjähriger Abwesenheit, in die englische Hauptstadt zurück und nahmen ihre alte Thätigkeit wieder auf Faraday arbeitete fünf Jahre ganz im Stillen. 1820 trat Davy zurück und Faraday nahm seinen Platz ein. Zur selben Zeit trat der Präparator zum ersten Male vor die Oeflfentlichkeit, indem er seine Ent- deckungen über die Chlorverbindungen des Kohlen- stoffes publicirtc. Darauf basirte er zahlreiche Ex- perimente über die bei der Composition von Leucht- gasen vorherrschenden Principien. Zwei Jahre später be- schäftigte er sich eingehend mit neuen Stahl-Zusammen- setzungen und es gelang ihm, den Stahl durch Beisatz von Piatina, Rhodium, Silber u. s. w. weicher zu machen. Derlei Stahlarten werden noch heute zuweilen erzeugt und führen des Erfinders Namen. Aus derselben Periode stammen Faradays glänzende Entdeckungen über die Ver- dichtung der Gase, zu denen er durch eine lange Reihe der lebensgefährlichsten Experimente gelangte. 1823 wäre er beinahe erblindet; eine Explosion verbrannte ihm das ganze Gesicht. Diese Forschungen führten ihn aber bald dahin, zum ersten Male die Identität zwischen Gasen und Dämpfen festzustellen. Er ersann Apparate von merk- würdiger Einfachheit, mit deren Hilfe es ihm gelang, die Zahl der der Verdielitung noch widerstehenden Gase be- trächtlich zu vermindern. In Folge der Veröftentlichung der betreffenden Resultate ernannte die Pariser Akademie der Wissenschaften Faraday zum correspondirendeu Mitgliede. 1827 Hess Faraday, der allmählich in allen prak- tischen Arbeiten seines Faches eine ausserordentliche Geschicklichkeit erlangt hatte, eine „Abhandlung über chemische Manipulationen" erscheinen, welche einen immensen Erfolg hatte und den deutlichsten Beweis dafür lieferte, wie sehr deren Verfasser mit allen Zweigen der Experimental-Chemie auf vertrautem Fusse stand. Nach weiteren drei Jahren wurde das Publikum durch eine Arbeit Faradays über die Erzeugung optischer Gläser überrascht; sie war das Ergebniss der Forschungen, die er als Mitglied eines behufs Vervollkommnung der Gläser für astronomische Instrumente berufenen Comites angestellt I hatte. Er hatte im Verein mitDollond und John Herrschel gearbeitet und die Anwendung von Borsäure bei der Er- zeugung des Flintglases empfohlen. Damals fand dieser Vorschlag keine gute Aufnahme; es hat sich jedoch ge- zeigt, dass das Prineip richtig war, denn seine Gläser werden heute allgemein gebraucht und zeichnen sich durch Klarheit aus. Mittlerweile hatte unser Gelehrter, der sieh bereits eines sehr guten Rufes erfreute, die Chemie etwas ver- nachlässigt und sich mehr auf die Elektricität, sein Lieb- lingsstudium, geworfen; auf diesem Felde sollte er seine schönsten Lorbeern erringen. Von 1831 datirt die Ent (leckung der Induction. Seine diesfälligen Forschungen präsentirte er im November der Royal Society und im December der Pariser Akademie. Alsbald erkannte ihm die Oxforder Universität als besondere Auszeichnung den Ehren-Doktortitel zu. Die Entdeckung der Induction be- zeichnet den Markstein einer neuen Aera in der An- wendung der Elektricität und ist auch vom philosophischen Standpunkte aus von grosser Wichtigkeit. Sie hat auch die Ansichten Amperes über die Identität der elektrischen und magnetischen Kräfte bestätigt, üeberhaupt waren alle Bestrebungen des grossen englischen Physikers dahin gerichtet, die intimen wechselseitigen Beziehungen zwischen den verschiedenen Formen der Kraft greifbar nachzuweisen. So hat er auch die Beziehungen zwischen der Schwere und der Elektricität untersucht, und es gelang ihm, darzuthun, wie das Licht von magnetischen Einflüssen beherrscht werde. Eine andere wichtige Entdeckung Faradays ist der „Diamagnetismus"; auf diesen kam er, nachdem er gefunden hatte, dass alle Körper den magnetischen Kräf- ten unterworfen sind. Durch jenes Wort wird besagt, dass ein Theil der Körper — wie das Eisen, das Nickel, der Kobalt, der Sauerstoff u. s. w. — vom Magnet ange- zogen, der Rest davon abgestossen wird, wie das Gold, das Silber oder das Antimon oder der Wasserstoff'. Die letztere Klasse bezeichnet Faraday als „diamagnetisch". Zwar hatten einige Physiker schon ein halbes Jahrhundert vorher die magnetische Polarität einzelner Stoffe erkannt, aber Faraday war es vorbehalten, den Diamagnetisraus theoretisch zu begründen und an allen Gegenständen nach- zuweisen. Diese Theorie diente zur Klarstellung vieler Dunkelheiten. Ein ferneres, sehr werthvolles physikalisches Gesetz fand Faraday 1833; es betrifft die elektrischen Equivalenzen und lautet etwa: „So oft eine dynamische Elektricitäts-Einheit einen Körper durchströmt, den sie zersetzt, befreit sie ein dem Gewichte des Metalles ent- sprechendes Equivalent von Metalloiden oder Säuren." Dieses Gesetz ist für die Theorie der Weehselseitigkeit der Kräfte von hoher Wichtigkeit. Faradays Forschungen über die Elektricität sind in drei Bänden erschienen. (Publications of the Royal Society, 1839, 1844, 1845), in denen sieh so recht die entschlossene Energie und aus- dauernde Zähigkeit des Forschers zeigt, der keine Sache verlässt, ohne sie nach allen Riehtungen gründlich be- handelt zu haben. Er ist, man sieht es unaufhörlich, kein Mann der Halbheiten; wenn er an die Thatsachen eine Frage richtet, verlangt er „Ja" oder „Nein" als be- stimmte Antwort. Mit trefflicher Strategie geht er vor, wenn er ein Problem auf dem Wege des Experimentirens j)rüft. Er wendet bei seinen Arbeiten die inductive Methode höchst geschickt an. II. Auch als Professor besass Faraday hervorragende Eigenschaften. Von 1829—1842 war er Lehrer an der Militär-Akademie zu Woolwich. 1833 gründete Füller an der Royal Institution einen neuen Lehrstuhl für Chemie, den er Faraday übertrug. Des letzteren Vorlesungen zogen XV. Naturvvisseuscl Wochcnst-hnft. stets ein begeistertes Aiulitoriiini tm. Genau und streng war er in der Entwickeiuni;- seiner Ideen, gewisseuliaft in der Form, sein Unterricht war durchaus ernst. Während das Meiste, was er schrieb, bei aller Gedankenfülle unklar, weitschweifig, aller Eleganz bar und oft peinlich lang- weilig war, konnte man seiner Sprechweise volle Deutlich- keit und Knappheit nachrühmen. Er sprach langsam, in gewählten Ausdrücken, mit fasslicher Argumentation und ausgezeichneter Exposition. Er war, mit einem Worte, ein vollendeter Professor. Er hatte auch etwas Begeistertes in seinem Aeusseren. Das gewöhnlichste Experiment nahm unter seinen Händen eine Interesse erweckende Gestalt an; alte Chemiker vergassen, dass sie selbst es unzählige Male ausgeführt hatten und betrachteten es mit dem Ver- gnügen junger Neulinge. Ihm gelang Alles wie einem geübten 'raschenspieler. Seine unfehlbare Geistesgegen- wart bewies, wie sehr er Herr seines Gegenstandes war. Wenn ihm im Laufe eines Vortrages zufällig etwas Un- vorhergesehenes dreinkam, machte er eine geschickte Ab- lenkung, um bald wieder auf das Hauptthema zurückzu- kommen, ohne dass Jemand etwas merkte. Man konnte sehen, dass er in seinem Fache für sein Fach lebte, und sein Eifer wirkte ansteckend. Gleich Davy war er Meister in der Kunst, einen trockenen Gegenstand so zu behandeln, dass das Publikum durch seinen Vortrag ebenso elektrisirt war wie durch seine Maschinen. Dabei opferte er nie- mals das Geringste dem Wunsche, zu gefallen; er suchte keinen Beifall und geizte nicht nach Ehrenbezeugungen. Trotzdem erhielt er deren viele; einige haben wir erwähnt. Ausserdem machte ihn 1844 die französische Akademie der Wissenschaften zu ihrem wirklichen Mitgliede, und als er 1855 Paris zum zweiten Male besuchte, wurde ihm das CommandeurKreuz der Ehrenlegion verliehen. Alle lucra- tiven Stellen, die man ihm anbot, verschmähte er; er wollte seine geliebte Royal Institution nicht verlassen. Und als Füller ihm den Lehrstuhl daselbst mit der Concession übergab, er sei zu keiner dandt verbundenen Mühe ge- zwungen und er brauche keine öffentlichen Vorlesungen zu halten, machte er von diesen Begünstigungen nicht den nnndcsten Gel/i-auch. 1834 gewährte die Regierung Faraday eine Pension von ;500 Pfund Sterling, wodurch sich seine Lage sehr verbesserte. Reich ist er nie gewesen. 1858 wies ihm die Königin einige Gemächer in ihrem Paläste zu Ilamp- ton Court als Wohnung an. Von da ab sah man den alten Mann zwischen seiner neuen Residenz und dem La- boratorium von Albemarle-Street hin- und herfahren. ISGI gab er seine Tliätigkeit als Professor und Forscher gäuz- licii auf und erschien in der Royal Institution nur mehr als Zuhörer. Sein Riesenrteiss hatte seine starke Gesund- heit untergraben. Auch wurde sein Gedächtniss auffallend sehwach. Dabei blieben seine Geistesl^riifle lelihaft und klar. Einer seiner letzten Vorträge über die „climii.sciic Geschichte einer Kerze" war noch ein schdiics Muster von Eleganz und Deutlichkeit. Er fühlte, dass für ihn die Zeit gekommen sei, sich zurückzuziehen und jüngeren Kräften Platz zu machen; mit einer Vorlesung, über das Piatina verabschiedete er sich von seinem trauernden Auditorium am 22. Februar 1861, nachdem er ein halbes Jahrhundert an derselben Stelle gewirkt hatte. Er starb am 18. August 18(37 im Alter von 76 Jahren. Faradays ganzes Leben war ruhig gewesen ; kein heftiger Schmerz, kein böses Ercigniss störte seinen Seelen- frieden. Zu diesem wohlverdienten Glücke gesellte sich das Bewusstsein, der Mit- und Nachwelt unendlich nütz- lich gewesen zu sein, sein Leben nicht verschwendet, sondern wohl ausgefüllt zu haben. Die Hälfte der von ihm gemachten Entdeckungen würde genügt haben, ihn unsterblich zu machen. Indem er die Gesetze der elek- trischen Induction klarlegte, schenkte er der Welt beinahe eine neue Kraft, deren Anwendung sehr mannigfaltig ist. Die elektrische Beleuchtung, die Ausbeutung der Stein- brüche, die Sprengung von Minen sind durch Anwendung inductiver Wellen erleichtert worden. Faradays For- schungen legten den Grund zu den grossartigen elektro- maguetischcn Maschinen, die wir heute besitzen. Die Physik verdankt ihm ihre schönsten Experimente. Nicht minder ist die Heilkunst seine Schuldnerin für jene Appa- rate, deren wunderbare Wirkungen zahllosen Leidenden die Gesundheit wiedergeben; für wie viele ist die „Fara- disation" eine Wohlthat! So sind denn die Spuren der segensreichen Thätigkeit des grossen Geistes auf Schritt und Tritt zu finden. Und zweifellos wird die Zukunft auch die rein philosophische Tragweite seiner Forschungen und die Ausdehnung der Consequenzen seiner Lehren von der Einheit der Kräfte einer eingehenden Würdigung theilhaftig werden lassen. Seine Arbeiten gehören zu jenen, die ewig bestehen werden; alles, was er erdacht, ist der Wissenschaft definitiv einverleibt. Aber nicht nur als Gelehrter, sondern auch als Mensch gehörte Faraday zu den Besten. Er war ein grosser Mann und hatte dennoch keine Feinde — das will etwas heissen. Seine Bescheidenheit war geradezu ungewöhnlich; trotz- dem er wusste, wie populär er war und dass man ihn zu den hervorragendsten Geistern Englands zählte, benahm er sich stets derart, dass sein Ruhm bei Niemandem böse Gefühle erwecken konnte. Der Neid selbst hätte an dieser edlen, reinen Natur keinen Makel finden können. Als man ihm den in England so sehr umworbenen Baronets-Titel anbot, lehnte er ihn mit dem Bemerken ab, derselbe könne ihm nicht von Nutzen sein, da er ihn (den Titel) nichts lehren könne. Die grosse Beliebtheit Faradays rührte nicht nur von der Erhabenheit seines Charakters her und nicht nur von der Sympathie, die er allen mit ihm in Be- rührung Kommenden einflösste, sondern auch von der praktischen Richtung seines Geistes. Seine Entdeckungen, seine Problem-Lösungen kamen gerade zur rechten Zeit, in Momenten, da alle Bedingungen, daraus Nutzen zu ziehen, vorhanden waren. Seine Theorien gingen un- mittelbar in Fleisch und Blut über und wurden sofort praktisch angewendet. Er gehörte zu jenen Forschern, die die Zeit nicht mit unnützen Spekulationen vergeuden. Seine theoretischen Ansichten sind nicht immer allgemein anerkannt worden, aber die von ihm entdeckten Fakta wurden stets adoptirt und trugen ohne Zögern Früchte. Er baute seine Lehrsätze auf die Grundlage reeller Be- weise, die er äusserst logisch zu ordnen wusste. Faraday spielte ein wenig die Flöte. Er war äusserst gutmüthig und naiv, heiteren Temperaments und stets gleicher Laune. Wer von ihm einen Rath oder eine sonstige Gefälligkeit verlangte, konnte sicher sein, das Gewünschte zu erhalten. Eine der schönsten Seiten seines Charakters war die Loyalität, mit der er stets bereit war, die Rechte anderer anzuerkennen, wo er das Zusammen- treffen einer Priorität oder auch nur den Anschein einer solchen vorhanden glaubte. Er liess seinen Vorgängern gewissenhaft Gerechtigkeit widerfahren; dadurch schützte er sich selbst vor ernsten Vorwürfen und Angriffen. Eine Eifersucht, wie man sie Davy zuschrieb, war Faraday fremd. Er pflegte täglich bis drei Uhr im Laboratorium der Royal Institution zu bleiben und still zu arbeiten, nur selten die Hilfe seines Assistenten in Anspruch nehmend. Die berühmtesten Staatsmänner, bis hinauf zum Prinz- Gemahl Albert, besuchten ihn dort und begegneten ihm mit jener achtungsvollen Vertraulichkeit, die das Zeichen vollkommener Ebenbürtigkeit ist. Faraday war seit 1824 vcrhcirathet, starb aber, wie Davy und Berzelius, ohne Kinder. Seine Frau war die Tochter eines Juweliers, der 256 Naturwissenschaftliche Wochenschiift, XV. Nr. 22. derselben religiösen Sekte angehörte wie der Gelehrte selbst. Es sind das die Sandemanier — nach Robert Sandeniann — oder Glassiten (nach ihrem Gründer Glass). Die Mitglieder dieser Sekte heirathen nur untereinander und — laden niemals Jemanden zum Speisen ein; an dieses Princip hat sich Faraday getreulich gelialten. Später wurde er das Haupt dieser Sekte und fungirte als ihr Grosspriester. Seine ununterbrochenen Forschungen im Gebiete der exakten Naturwissenschaften verhinderten ihn nicht, bis au sein Lebensende rehgiösfromm zu bleiben. Während er als Mann der Wissenschaft fortwährend kritisch- analytisch thätig war, verzichtete er als Sektirer vollständig auf jede Prüfung und Untersuchung des In- haltes der Bibel, die den unverrückbaren Leitstern der Glassiten bildet. Ueber diese macht Thompson sehr lesens- werthe und eingehende Mitthciluugen. Faraday wohnte dem Gottesdienste stets mit grösster Regelmässigkeit bei und predigte oft selbst; auch hielt er zuweilen in der Provinz Congregationen ab. Die Sekte macht wenig von sich sprechen und zählt gegenwärtig kaum 2000 Anhänger. Zum Schlüsse einen höchst charakteristischen Zug aus Faradays Leben. 1H51 kam der damals noch ganz junge französische Chemiker Ebelmen nach London und besuchte Faraday. Als er sich empfahl, lud ihn dieser ein, der letzten diesjährigen Vorlesung, die in einigen Tagen in der Royal Institution stattfinden werde, beizu- wohnen. Natürlich verfehlte Ebelmen nicht, zu erscheinen und er musste an des Meisters rechter Seite sitzen. Wie gross war sein Erstaunen, als letzterer dem glänzenden Publikum mittheilte, den Gegenstand seiner Vorlesung würden die Forschungen bilden, die „der junge französi- sche Gelehrte an meiner Seite" vor Kurzem über die künstliche Erzeugung von Edelsteinen angestellt habe. Auf solch' feine Weise nahm ein Faraday einen Anfänger unter den Schutz seiner wirksamen Empfehlung, und so stellte er einen Fremden, den dessen eigenes Land noch kaum gewürdigt hatte, seinen Landsleuten vor. Er lobte ihn nicht mit Worten, sondern zeigte, was er Lobens- werthes geleistet. — Thompsons Buch können wir als ebenso lehrreich wie anziehend wärmstens empfehlen. „Das Problem des Serapeums von PozzuoH." — In der „Natur", Zeitung für Verbreitung wissenschaftlicher Kenutniss etc. etc., befindet sich in No. 48 vom 26. No- vember 1891) ein Aufsatz von Prof. W. Ule, der mir leider erst jetzt zu Gesichte kommt, weshalb ich auch nun erst den Schlusspassus, der über die Ruinen des „Serapeums von Pozzuoli" handelt, berichtigen kann. Als Frau meines Mannes, des am 1. Dccember 1893 verstorbenen Professors Dr. David Brauns, fühle ich mich verpflichtet, angesichts dieses Artikels, welcher die Ueber- schrifthat: „Und sie bewegt sich doch!", auf die That- sache zu verweisen, dass in der Wissenschaft die alt- hergebrachte Meinung — als könnte der „Tempel" des Serapis seine Bohrmuschelspuren durch Hebung und Senkung der Erdoberfläche nur in der Weise bekommen haben, dass der „Tempel" zeitweilig sich unter dem Meeresspiegel befunden habe — längst widerlegt worden ist. Was die vorgefasste Meinung eines Tempels betrift't, so möchte ich hier gleich bemerken, dass es sich bei den Ruinen des „Serapeums von Pozzuoli" keineswegs um einen Tempel handelt. Nach den Untersuchungen compe- tenter Alterthumsforscher wurde diese Ansicht schon früh widerlegt und bei Seite geschoben Selbstverständlich wurden alle dabei maassgebenden architektonischen Grundbedingungen auf das Schärfste ins Auge gefasst, und so gelangte die Untersuchung zu dem Schiuss, dass die Ueberreste des „Serapeums" keinesfalls auf einen Tempel zurückzuführen sein. In der Gelehrtenwelt wiu'de diese Ansicht schon zu früher Zeit acceptirt; wenn dagegen der Laie noch öfter von einem „Serapeustempel" spricht, so ist das wohl durch die Gewohnheit zu erklären und Niemand wird darauf Gewicht legen; aber unverständlich dürfte es wirken, wenn ein Gelehrter vom Fach sich dieses Fehlers schuldig macht. Der Verf. des Artikels in der „Natur": „Und sie be- wegt sich doch!" geht aber noch weiter. Er zieht die ganze Angelegenheit des Problems des „Serapeums von Pozzuoli" in den tiefen Sumpf zurück, in dem dieselbe allem lebhaften Interesse und eingehenden Untersuchungen zum Trotz, lange, lange Jahre verharrte. Es ist an dieser Stelle uumögHch, alle Gelehrten namhaft zu machen, die das „Serapeum" zum Gegenstand ihrer Unters.uchungen mach- ten und es ist wohl nicht zu viel gesagt, wenn man be- hauptet, dass die gesammte Wissenschaft sich daran be- theiligte, sobald das hochinteressante Problem in den Gesichtskreis irgend welches Gelehrten trat, dessen freier Blick über die Specialwissenschaft hinausführte. Selbst Goethe hat es nicht verschmäht, der Angelegenheit seine Beachtung zu schenken und hat in einem Aufsatze über den vermeintlichen „Serapistempel von Pozzuoli", unter dem Titel: „Ein architektonisch -historisches Problem", im letzten Bande der 40 bändigen Ausgabe seiner Werke, einen durchaus nicht zu unterschätzenden Beitrag ge- liefert. Indess gehen mehf oder weniger alle Gelehrten, welche Veröffentlichungen über den fraglichen Gegen- stand machten, von der althergebrachten, vorgefassten Meinung aus, dass das „Serapeum von Pozzuoli" grossen Schwankungen des Erdbodens unterworfen war, die das Bauwerk zeitweilig in das Meer versenkten. Der Grund zu dieser Annahme schien in dem höchst eigenthümlichcn Umstände berechtigt, dass eine Stelle au den Säulen, etwa 3^4 m vom Erdboden entfernt, bis zu 6 m Höhe, von Bohrlöchern bedeckt ist, die von der Bohrmuschel, Litho- domus lithophagus (Linnc) herrühren. Diese Bohrmuschel lebt aber nur im Meere und da jeder Zweifel ausge- schlossen ist, als könne das Thier auch ausser der See existiren, so lag es allerdings sehr nahe, au Boden- schwankungen zu denken, welche die Säulen des „Sera- peums" zeitweilig unter den Meeresspiegel versenkt hielten, um sie nach gegebener Frist sammt dem Mosaikboden, auf dem sie stehen, wieder aufsteigen zu lassen. Es würde zu weit gehen, wollte man hier alle Gründe anführen, welche sich die Forschung für diese Ansicht geleistet hat, und wie selbst die berühmten Geologen Lyell und Roth daran festhielten. Da nun aber in jeder Angelegenheit schliesslich, früh oder spät, die Hypothesen schwinden und da es auch vernünftiger Weise nicht wohl denkbar war, daran festzuhalten, dass an gegebener Stelle so gewaltige Bodenschwankungen stattgefunden, ohne dass aus historischer Zeit Beglaubigungen irgend welcher Art davon vorliegen, so darf man sich wohl oder übel der Ansicht nicht verschlicssen, dass das „Serapeum" auf natürliche Weise seinen Untergang und dass auf ebenso natürliche Weise Lithodomus Gelegenheit fand, sich um die Säulen herum anzusiedeln. Dr. David Brauns, Professor der Geologie an der Universität Halle- Wittenberg (gest. den 1. December 1893) war es vorbehalten, nach jahrelanger Forschung und XV. Nr. 22. Naturwissenscluiftliclie Woclienstihrift. naclulem er an Ort und Stelle die Angelegenheit einer pcinlicljen Untersiicliung unterworfen hatte, zu dem Re- sultat zu gelangen, dass das „Serapeuni" ganz einfach zu wirthschaftlichen Zwecken erbaut war und gedient hatte. Und zwar zu nichts anderem, als zu grossen Bassins, welche mit Meerwasser gefüllt wurden, um darin Seetliicrc aller Art und namentlich Fische aulzuhewahren. Vor allen Dingen sprach dafür dci' ünistaud, dass noch Fi'agmcnte von ßöhrenleitungen au den 8äulen vorhanden sind, welche den Beweis liefern, dass man es mit einer Wasserleitung zu thun hat, die offenbar dazu bestimmt war, das Seewasscr zuzuführen und abzuleiten. Hier waren denn aber auch auf höchst einfache Weise die Spuren der Bohrmuschel erklärt. Dieselbe war offenbar mit dem Meerwasser, sei es zufällig, sei es mit Absicht hineingebracht, und hafte sich um die Säulen lierum an- gesiedelt, Es ist erwiesen, dass Lithodonius sich nur dicht unter der Oberfläche des MeerWassers aufhält und sich hier an den Gegenständen, die sich ihr darbieten, festsetzt. Und dadurch erklärt sich die Zone der augebohrten Löcher an einer Stelle der Säuleu vou selbst. Ganz natürlich entstand sie da, bis wo das Wasser dieselbe bedeckte, und Hess den darunter befindlichen Raum frei. Brauns schreibt in seinem Opus: „Das Problem des Serapcums von Pozzuoli", Separat-Abdruck aus: Leo- poldina, Amtliches Organ der Kaiserlichen Leopoldinisch- Caroliuischen deutschen Akademie der Naturforscher, Heft XXIV S. 14: „Wollte man gegen die hier entwickelte Ansicht den Einwand erheben^ dass eine Anlage, die uns überaus auf- fällend und luxuriös erscheinen niuss, in den Schriften der Alten nirgends erwähnt wird, so Utsst sich dagegen sagen, dass derartige Bauten aus der Römerzeit, die bekannten „Piscinen", keineswegs zu den Seltenheiten gehören — gerade in der Umgegend Pozzuolis sind sie in grösserer Zahl und in einer gewissen Auswahl vor- handen — und dass sie dennoch wenig oder gar keine Beachtung in der Litteratur der Alten gefunden haben. Vor allen Dingen dürfte hier der grosse Wasserbehälter von Mlseno zu erwähtien sein, die Piscina mirabile, wie sie das Volk nennt, welche wahrscheinlich von der Wasser- leitung des Sireno gespeist ward und aus Gewölben be- steht, die von 48 in einer Reihe angeordneten Pfeilern getragen werden. Selbst dieses grossartige, mehr als 1600 qm umfassende Bauwerk ist nirgends von den römischen Schriftstellern beschrieben, sodass wir sogar hinsichtlich seiner eigenthümlicheu Bedeutung theilweise auf Muthraaassungen angewiesen sind. Dagegen ist die Bestimmung der in nächster Nähe des grossen Amphi- theaters von Pozzuoli befindlichen Piscinen von keiner Seite angezweifelt, der Piscina Cardito, des Labirinto di Lusciano und der Piscina Lusciano. Diese Anlagen sind zwar minder grossartig, als die Piscina mirabile, aber doch immer imposant genug; bei länglichem Grund- riss ia der Fläche etwa dem Innenraum des „Serapeums" gleich. Sie dienten sämmtlich zur Aufbewahrung von Fischen für den Bedarf der Pozzuolaner und namentlich der Besucher des Amphitheaters, das, obgleich nicht zu den grössten derartigen Anlagen zu rechnen, doch immerhin eine gewisse Bedeutung beanspruchen kann. Ihrer Lage nach waren diese im oberen Theile Pozzuolis belegenen Piscinen sicherlich Süsswasserbassins und ihnen gegen- über hatte ein Seewasserbassin, welches man natürlicher Weise nahe dem Meere zu errichten hatte, seine volle Berechtigung, umsoniehr, als die Küste Campaniens schon damals eine hochentwickelte Austernzucht hatte und Ostrearien sogar auf den aus dem Alterthum auf uns ge- kommenen bildlichen Darstellungen der Küste des Golfes von Bajä eine Rolle spielen. Mochten es Austern und andere Muscheln, vielleicht sogar Lithodonius selber, oder mochten es Seefische oder aucli beides sein, was man zu Tafelzweckeu verwenden wollte, jedenfalls ist das Vor- handensein eines Behälters, der solche Thiere im lebenden Zustande jederzeit bereit hielt, an der betreffenden Stelle ausreichend erklärt. Sobald man sich also nur von dem trotz aller Wider- legungen immer noch weit verbreiteten Irrthum losmacht, dass das „Serapeuni" ein Tempel gewesen sei, lässt sich ohne Schwierigkeit das hier vorliegende Problem in einer Weise lösen, welche die Entfaltung des antiken Lebens in der Gegend Pozzuolis in gebührender Weise berück- sichtigend, alle unnatürlichen Hypothesen beseitigt. Nament- lich befreit sie uns von der durchaus unhaltbaren An- nahme einer Landsenkung und Wiedererhebuug, deren Geschwindigkeit alle analogen, wohlbeglaubigten Vor- gänge der Art um etwa das Hundertfache übertreffen würde, und deren Ergebniss mit dem Mangel all und jeder darauf bezüglichen historischen Ueberlieferung- in schreiendem Widerspruche steht." Das Ergebniss dieser seiner Forschung hatte Brauns am 11. November 1882 in der naturforschenden Gesell- schaft zu Halle zur Sprache und in dem betreffenden Sitzungsberichte zum Ausdruck gebracht. Der Inhalt desselben ward nachmals in der „Natur" — von Dr. Karl Müller herausgegeben — in No. 47 des Jahrganges 1886 reproducirt. Also in derselben Zeitung, welche jetzt kalt- blütig alle die Irrthümer citirt, welche damals widerlegt wurden. Zur Zeit der grossen Naturforscher- Versammlung zu Wiesbaden im Jahre 1887 wurde der Gegenstand in der Section für Geologie eingehend zur Sprache gebracht und so viel ich mich erinnere, wurde kein Zweifel gegen die einfaelie natürliche Erledigung der Angelegenheit erhoben. C. W. E. Brauns. Diejenigen niorphohologischen Veränderungen, die aus der Reaction der Pflanzen auf Eingriffe von Thiercn und Pflanzen entstehen, die sogenannten Gallen, versucht Otto Appel in seiner Arbeit über Phyto- und Zooiiiorplioseii (Ptlauzengallen) in den Schriften der physikalisch-öko- nomischen Gesellschaft zu Königsberg i. Pr., Jahrgang XXXIX, 1899, von einem einheitlichen Gesichtspunkt aus zu betrachten unter Sichtung der bisher zur Frage der Pflanzengallen gemachten zahlreichen Einzelbeobachtungen. Den formativcn Gestaltungsreizen durch Einwirkung des Lichtes, der Schwerkraft, der umgebenden Luft oder des umgebenden Wassers u. s. w., die J. Sachs als Photo-, Bary- etc. Morphosen bezeichnet, gliedert Verf. obige Aenderungen als Phyto- resp. Zoomorphosen an. Die drei Grundformen der Gallbildung sind Gewebe- veränderungen, Gewebewucherung und Haarbildung: sie finden sich bei allen Gallen, meist aber in den ver- schiedensten Combinationen. So entstehen an Blättern, z. B. je nach dem Orte, wo das erzeugende Thier ge- sessen hat, Kräuselungen, Faltungen, Einrollungen und Taschen. Umgekehrt aber können auch durch Ver- kürzungserscheinuiigen Gallbildungen entstehen, durch Stauchung der Äsen mit auftretender Zweigsucht, wie sie ihren Höhejiunkt in den sogenannten Hexenbesen er- reichen. Im Allgemeinen geschieht dieses dadurch, dass die Pilzmycelien in das Innere des Stamm- oder Zwcig- theils eindringen und dort zunächst eine Hypertrophie des Gewebes veranlassen, so dass der betreffende Theil sich verdickt und seine Rinde tief aufreisst. Aus den vorhandenen Knospen ent.stehen dann auswachsende Triebe. Während bei derartigen Formen sich mehr oder we- niger leicht Gewcbcwuchcrung als Ursache der Gallbildung 25S Naturwissenschaftliche Woc XV. Nr. 21'. crkenucii lässt, liegt die Sache schon schwieriger bei den eigeutlichen „Galleu", die gewissermaassen einen von der iV1utter])flanzc scharf abgesetzten Körper bilden und viel- fach mit ihr nur noch durch einen dünnen, kurzen Stiel verbunden sind. Ihrer Entwickelung nach, die sie aber sicher als gleichfalls durch Wucherung entstanden erkennen lässt, unterscheidet Verf. zwei Typen: Beutelgallen und Kamnier- gallen. Heutelgallen kommen vornehmlich nur -awi' Blättern vor und entstehen dadurch, dass das ganze über der ge- reizten Stelle liegende Gewebe sich an der Gallbildung betheiligt. Stets ist bei ihnen ein Eingang vorhanden, der von der einen Blattseite durch die ganze Dicke des Gewebes hindurch in die auf der anderen Seite sich er- hebende Galle führt. Als erste Wirkung des Reizes be- merkt man ein Concavwerden der betreffenden Stelle, dem eine Aufwölbung auf der anderen Seite entspricht. Im weiteren Verlauf bilden sich diese Wölbungen zu kleinen Pusteln, Köpfchen, Körnchen etc. aus, bis schliess- lich als höchst individualisirte Beutelgallen die bekannten, an Ulmenblättern durch die Blattlausgattnngen Tetraneura und Schizoncura erzeugten Gallen entstehen; Kammer- gallen entstehen stets durch ein in das Gewebe gelegtes Ei, um welches, resp. um die später sich darin entwickelnde Larve herum durch Gewebewuchcrnug eine kleine Kammer sich bildet, die einen Eingang nicht erkennen lässt. Der- artige Gallen sind weit verbreiteter, als erstere: sie finden sich fast an allen Pflanzentheilen. Entwickelungsgeschicht- lich kann man bei ihnen noch zwei Abtheilungen unter- scheiden, die jedoch bei den reifen Gallen nicht mehr aus- einander zu halten sind. Entweder nämlich legt das Mutterthier das Ei in das Gewebeiunere, um welches herum dann die Gallbildnng vor sich geht, — oder das Ei wird an die Gewebeoberfläche angekittet und von dem Gewebe um- und allmählich überwallt. Die Formen der reifen Kammergallen sind dann weiterhin sehr mannig- fache: von einfachen, höckerartigen Wucherungen schreiten sie fort zu sich deutlich vom unterliegenden Gewebe ab- hebenden Bildungen, die platten-, teller-, Schüssel- und eiförmig bis kugelig sein können. Andere wieder zeigen einen ganz anderen Typus. Während jene den Charakter von Neubildungen haben, erscheinen diese als Umbildungen der befallenen Organe, indem sie sich aus den Stoffen aufbauen, aus denen eigentlich die Pflanzentheilc hätten entstehen sollen. Des Weiteren wendet sich der Verf. den gallenerzcugen- den Thieren zu und bespricht die von den einzelnen Thier- gattungen erzeugten Formen und ihre Entstehung. Im Wege des Experiments konnte er nachweisen, dass Milbengallcn, die an schon differenzirten, sich streckenden Organen typische Gallen erzeugen, auf das embryonale Gewebe nicht in gleicher Weise an- regend wirken, sondern dasselbe entweder tödten oder wenigstens sein Weiterwachsen unterdrücken. Gleich- zeitig ergab sich dabei, dass der von dem Thier aus- gehende Reiz nicht nur in nächster Nähe wirkt, sondern auch eine Fernwirkung hat Eine weitere interessante Thatsaclie ist die, dass bei den Blattläusen, die bekannt- lich eine Reihe von Generationen (bis zu fünf), erzeugen können, von denen jedoch nur eine geschlechtlich ist, verschiedene Generationen verschiedenartige Gallen er- zeugen (wie z. B. bei der Reblaus) und dass an manchen dieser Galleu von ihrer Entstehung bis zu ihrer Vollendung mehrere Generationen sich bctlieiligen. Die Lebensdauer solcher Gallen hängt wesentlich von ihren Bewohnern ab. Wurden die Insassen durch Chloroformdampf getödtet, so starben auch allmählich die Gallen ab, im umgekehrten Fall blieben sie frisch. Die Fähigkeit, Gallbildung zu erregen, verlieren die Altmntter nach des Verfassers Ver- suchen durchschnittlich, wenn sie die zweite Haut ab- gelegt haben. Normaler Weise aber wird wohl schon nach der ersten Häutung kein Verlassen der Galle mehr stattfinden, da sie dann nach des Verf.'s Erfahrungen sehr empfindlich gegen Temperatureinflüsse sind. Was die gallenerzeugenden Pflanzen anlangt, so zeigen diese Phytomorphosen weit weniger charakteristische Formen. Die einfachsten Formen herrschen hier vor: sie bestehen lediglich in einer Zellvergrösserung resp. Zellvermehrung, die sich als Verdickung kenntlich macht, und wie wir sie bei fast allen Parasiten, aber auch z. B. bei Viscum album finden. Wie bei den Zoomorphosen finden sich dann auch hier Uebergänge bis zu höher differenzirten Formen. Als höchst entwickelte Pilzgallen erscheinen schliess- lich die sogenannten Hexenbesen, jene bekannten durch Accidien veranlassten Zweigwucherungen. Charakteristisch für sie ist, dass sie in ihrer Lebensdauer von der des Pilzes abhängen. Verf. bespricht dann auch hier wieder die einzelnen Erzeuger der Phytomorphosen und den Eut- wickelungsgang derselben. Unter anderem sei hervor- gehoben, dass in den sogenannten Bactericnknöllchen der Leguminosen der bisher einzige Fall vorliegt, dass Gallen- erzeuger nicht Parasiten sind, sondern in Symbiose mit den von ihnen befallenen Pflanzen leben. Dabei leben in diesem Fall (auch bei einigen anderen pathogencn Bac- terien ist es so), die Bactcrien intracellular: ihre Wohn- räume sind also schizogenen Ursprungs. Was die gallentragenden Pflanzen anlangt, so liegt zunächst die Frage nahe: „Ist jede Pflanze einer Morphose fähig?" Theoretisch lässt sich dieses bejahen, denn, wenn der Verf. definirt: „die Phyto- und Znonnirphoseu der Pflanzen werden veranlasst durch flüssige oder gas- förmige Stoffe, welche als Product der Lebenstliätigkcit einei- grossen Anzahl von Lebewesen entstehen und welche die Eigenschaft haben, das Wachsthum der Pflanzen in ganz, bestimmter Weise zu beeinflussen" — , so ist keiner Pflanze die Fähigkeit der Gallbildung abzusprechen. In Wirklichkeit aber sehen wir doch, dass eine gleichmässige Vertheilung der Gallbilder über das gesammte Pflanzen- reich nicht vorhanden ist, sondern das bestimmte Pflanzen und Pflanzeugruppen darin bevorzugt sind. So werden z. B. von nahe verwandten Arten die einen aufgesucht, die anderen gemieden. Eine zweite Frage nach Be- ziehungen zynischen Gallencrzcugern und bestimmten Pflanzenformen lässt sich dahin beantworten, dass wohl solche bestehen. So lässt sich das bekannte Rhizobium Leguminosarum z. B. nicht von einer Papilionaceenart zur anderen übertragen, sondern nur von Stöcken der einen zu Exemplaren derselben Art. Ebenso weist das reich- liche Vorkonnnen der Gerbsäure in den höher organisirten Gallen und den sie tragenden Pflanzen darauf hin, dass eben diese in den Pflanzen vorhandene Gerbsäure die Gallbilder anzog, da sie ein Schutzmittel gegen äussere Angriffe darstellt. In Betrert" der histologischen Verhältnisse der Gallen zeigte auch der anatomische Aufbau eine grosse Mannig- faltigkeit, jedoch ist stets ein gewisser Zusammenhang zwischen den einfachen und complicirten Formen erkennbar. Besonders ist dieses der Fall bei dem Gallenplasten. Während dieses im einfachsten Fall mit dem theilungs- fähigeu Gewebe der normalen Pflanze zusammenfällt, ist es bei den nächst höheren Gallen eine Art Rückbildung: eben diff'erenzirtes Gewebe geht wieder in ein sich leb- haft theilendes über. Bei den höchst organisirten endlich wird ein völlig selbstständiges Theilungsgewebe gebildet. Anhangsweise giebt der Verf. noch seine Studien über die Entwickelung der Galle von Horniomya Fagi und über die „Wirrzöpfe" der Weiden. XV. Nr. 22. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 259 Die gesammte Entwickehiug jener Galle zerfällt in folgende Phasen: 1. Bildung eines Seliutzwalles um das Ei v(in der Unterseite des Blattes her, 2. Entstehung eines ])lasteiiartigen Gewebes im Blattinncru, 3. Dificrenziriuig zweier Sehiehten, einer äusseren Schutz- und einer inneren Nälirschicht, 4. Längcnwachsthum der sieh auf der Blatt- nheiseite erhebenden Galle, 5. Dickenwachsthum, Ver- liolzun;; und Abschnürung derselben von dem sie tragenden lilalt. Die „Wirrzöpfe" der Weiden sind die an den Zweig- enden oder an den Stellen, wo Seitenzweige erwartet werden könnten, auftretenden Nester von kleinen Zweigen, die in ihrem Längcnwachsthum beschränkt, dafür aber etwas dicker sind. Dabei sind die Acstcheu reich ver- zweigt und beblättert, oder es treten in blumenkohlartiger Häufung grünliche Höcker auf, zwischen denen grössere und kleinere Blättchen stehen. Die Entwickeluug dieser Deformation geschieht nach dem Verf. aus den weiblichen Blüthenkätzehen, deren Fruchtknoten zur Blüthezeit von Aphis amenticola Kalt, befallen sind. Der Fruchtknoten wird dadurch in Blätter umgewandelt und es entwickelt sich im Grunde desselben ein Vegetationspunkt, aus dem dann in regelrechter Folge sich ein kleiner beblätterter Zweig entwickelt, der sich seinerseits wieder verzweigt. Jedoch hört bald das Wachsthum der Achse auf und es entstehen nur noch Blattanlagen, so dass sieh eigenartige, köplehenförmige Gebilde an den Enden der Zweige finden. Gleichzeitig damit entwickeln sich ausserhalb der Frucht- blätter an Stelle der Drüsen und am Fruchtknotenstiel krümelige, blumenkohlartige Wucherungen, die eine Häufung von Vegetationspuukten mit kleinen, hötkerartigen Blattan- lagen darstellen, welche sich nicht weiter entwickeln. Zum Scbluss stellt der Verf. noch einmal die haupt- sächlichsten Resultate der bisherigen und seiner Gallen- forschungen zusammen und kommt dabei zu folgenden Sätzen : 1. Viele Gallenerzeuger sind im Stande, schon diffe- renzirtes Gewebe in eine ursprüngliche Form zurück- zuverwandeln, aus somatischen wieder embryonales zu bilden. 2. Die Möglichkeit, hochdift'erenzirte Morphosen zu bilden, ist am grössten am Vegetationspunkt und nimmt nmsomehr ab, je weiter sich die Anlagestelle der Mor- phose von denselben entfernt. Ob diese Möglichkeit aber ausgenutzt wird, hängt ganz von dem Reiz des Erzeugers der Morpbose ab. 3. Morphosen, bei deren Anlagen die vorhandenen Stoffe nicht allseitig ausgenutzt werden, können unter Umständen auch an weniger jungem Gewebe entstehen, (dme dass dadurch eine Aenderung ihrer Gestalt be- dingt wird. 4. Um den Vegetationspunkt in der geschlossenen Knospe richtig zu treffen, sind besonders ausgebildete Fähigkeiten nöthig: man kann daher also biologisch z. B. von gallentüchtigen und gallenuntüchtigen Insekten sprechen. 5. Die Ursachen der Morphosen sind zweifellos chemischer Natur. Die Constitution dieser Stoffe fest- zustellen, ist bisher jedoch noch nicht gelungen, jeden- falls aber müssen sie den in der Pflanze vorhandenen Wuehsenzymcn ähnlich sein. A. Klautzsch. Studien über die Tniulra-Forinatioiien in scliwe- (lischen Gebirgsgegenden, insbesondere über die Dicra- num-Tundren veröffentlicht R. Sern an der (Öfversigt K. Sv. Vetensk.-Akad. Förhandlingar. 55.). Er zieht die Grenzen für den Begriff der Tundra noch enger als Grisebacb und betrachtet als Tundren diejenigen For- mationen — namentlich der continentaleu arktischen Ge-. biete — auf trockenem, wenigstens nicht stark versumpftem Untergrunde, deren Grundschicht durch eine zusammen- hängende Decke von Moosen und Flechten gebildet wird, während eine etwa vorhandene obere Schicht aus aufrecht stehenden Plianerogamcn besteht. Je nach dem Ucbcr- wiegen der Moose oder der Flechten nntcrscheidct man Moostundren und Flcchtentundren. Die Dieranum-Tundra gehört zu den Moostundren, denn die Grundschiclit besteht aus Dicranum elongatum, D. tenuincrve und D. scoparium, zwischen die noch andere Moose und Flechten eingestreut sind. Die Phauerogamen sind in erster Linie Sträucher, namentlich Empetrum, die vorkommenden Kräuter und Gräser sind oft steril. Die Dieranum-Tundra ist schwach torf bildend, kommt aber nicht auf eigentlich sumpfigem Untergrunde vor. In ihrer Entwickelungsgeschiehte spielt die Flechte Lecanora tartarea eine hervorragende Rolle, da dieselbe sich oft über grosse Pafthicen der Dicranum Decke breitet und diese unter ihrer Kruste erstickt. In Folge dessen ent- stehen unter der Einwirkung von Dürre oder Frost Risse, welche es den Winden ermöglichen, grössere Stücke der Tundra herauszuziehen und den Untergrund blosszulegen. Wenn diese Blossen wieder bewachsen, so bilden Leber- moose die Vorposten, und erst allmählich breiten sich die Reiser von den erhalten gebliebenen Parthiecn der Um- gebung über sie aus. Zwischen denselben wachsen Laub- moose und Lanbflechten empor, und zuletzt erseheinen die Strauchflechten. Die Formation steht wieder fertig da, und wenn abermals Lecanora tartarea überhand nimmt, können die Winde sie wieder aufreissen, und der Ent- wickelungsgang kann von Neuem beginnen. Derartige Dicranum- Tundren hat A. 0. Kih Iniann von der Halbinsel Kola beschrieben. R. Sern ander hat sie auch auf einigen skandinavischen Gebirgen in Jämt- laud und dem Härjeaathal oberhalb der Baumgrenze bis in eine Höhe von 1350 m gefunden. Eingehend beschreibt er ein Vorkommen auf Graastöten, einem Sparagmitberge am nordöstlichen Abhänge des zwischen Norwegen und dem Härjeaathale liegenden Rut-Fjäll. Sernander glaubt nicht, dass dieselbe als ein Relikt oder ein Ueberrest der Tundren-Bildungen anzusehen ist, welche während der Abschmelzperiode des Inlandeises und unmittelbar nach- her sicherlich einen ausgedehnten Bestandtheil der skan- dinavischen Vegetatiousdecke bildeten. Die Baumgrenze der Birke liegt nur ungefähr 20 m unter dem untersten Theile der Formation und so nahe, dass die Früchte der- selben in die Formation hineingestreut sind. Diese Grenze hat aber nach der Eiszeit höher gelegen, und kaum hätte sich eine * alte Dicranum - Tundra, welche von Wald- formationen umgeben war, unverändert erhalten können. Es ist aber nachgewiesen, dass späterhin, während der sogenannten Littorina - Periode ein Rückschritt der Temperatur statthatte, und diese Verschlechterung des Klimas bewirkte, dass die Gebiete der glacialen und der subglacialen Floren erheblich erweitert wurden. Wahr- scheinlich rückten während dieser Periode die Tundra Formationen vor und die Wälder sehritten zurück; als aber wieder die Temperatur stieg und das Klima das Hinaufrücken der Baumgrenze gestattete, da mussten die Tundren zurückweichen, und die gegenwärtigen Vor- kommen in der dortigen Gegend sind als Ueberreste der durch diese Verbesserung des Klimas zersplitterten Pflanzengemeinschaften zu betrachten. Bei der Bildung der Formation spielten die Flechten eine im Vergleich zur Gegenwart untergeordnete Rolle in der üppigen Moosdecke, und viele Anzeichen lassen darauf schliessen, dass die Strauehflechten in Zukunft 260 Naturwissenscliaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 21. eine immer grössere Rolle spielen werden. An einigen Stellen lassen sich deutlich zwei Schichten unterscheiden: eine untere Moosschicht und eine obere Strauchflechten- dccke, und in einigen kleineren Parthieen wird die obere Schicht so dicbt, dass Dicranum und Nephroma in der unteren Schiebt im Aussterben begriffen sind. Die grosse Lebenskrai't der Moosdecke lässt es jedoch zweifelhaft erscheinen, ob die Entwickelung jemals zu einer Flecbtentundra oder Flechtenheide tuhren wird. Eine Stärkung erfahren die Moose, wenn Lücken in die obere Decke gerissen werden, und dies kann durch die Fusstiittc der Thicrc, z. B. der Rennthiere, und auch bei' anhaltender Diiirc durch den Wind geschehen. Lorenzen. Die .iiiaritiinen Vermessungen unter Island und den Far-Öern wurden im Jahre 1898 von dem dänischen Schoner „Diana" unter Kapitän G. Hohn in Angriff ge- nommen, und im Jahre 1899 unter Kapitän R. Hammer fortgesetzt. Vorher waren zwar von den Stationsschiffen Lothungen zwecks Correctnr der Seekarten vorgenommen, aber an eine geordnrtc Aufnahme war nicht zu denken gewesen, sodass die Kennliiiss der Tiefenverhältnisse an den isländischen Küstni, s|Kci(H an der Ostküste, gleich Null war, was unisomrlii- iRMlanril werden musste, als hier jährlich viele hundeit ]''is( herlahr/A uge in diesigem und nebligem Wetter verkehren. Nach dem von R. Hammer (Geografisk Tidskrift. Bd. 15. Heft 3/4) erstatteten Be- richt ist es in den zwei Jahren gelungen, die grossen und ausgedehnten Untiefen und Fischbänke au der Ost- küste Islands von Langenäs bis vor Beru-Fjord und fast alle Förden an der Ostküste zu kartiren und die Boden- verhältnisse und den Fischbestand zu untersuchen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Untiefen von weni- ger als 100 Faden Tiefe sich an mehreren Stellen 50 bis ()0 Seemeilen von der Küste hinaus erstrecken, dass sie aber häufig von Rinnen durchschnitten werden, welche oft bis in die Nähe des Ufers über 100 Faden tief bleiben. Auf den zwischen den Tiefen liegenden unterseeischen Rücken liegen die ausgedehnten Fischbänke, welchen Island seinen Fischreichthum verdankt. Eine genaue Kcnntniss der Lage dieser Bänke ist aber von grossem Wcrth für die Fischerei, und mittelst der neuen Karten wird den Schiffen die sichere Ortsbestimmung und Navi- girung selbst dann ermöglicht sein, wenn Nebel das Land verhüllt. Sehr erschwert wurden die Messungen durch die unruhige und unbeständige Witterung um Island, und namentlich legten die häufigen Nebel erhebliche Hinder- nisse in den Weg. Nach den Aufzeichnungen des däni- schen meteorologischen Instituts kommen am Beru-Fjord durchschnittlich 212 Nebeltage auf das Jahr und auf die drei Sommermonate Juni, Juli und August (92 Tage) 67 Nebeltage. Der Sonuner 1899 war verhältnissmässig ungünstig. Im Mai waren Schneestürme häufig, und späterhin setzte eine Nebelperiode ein, welche ununter- brochen vier Wochen hindurch dauerte. In den drei Monaten, da die „Diana" den Vermessungen oblag, waren nur insgesammt 9X24 Stunden derart, dass Vermessungen in grösserer Entfernung vom Lande vorgenommen werden konnten. Einen Ausgleich bewirken jedoch die hellen Nächte, sodass einmal sogar die Messungen ununterbrochen 3X24 Stunden hindurch fortgesetzt werden konnten. Iki den Vermessungen bediente man sich des von dem dänischen Kapitän Rung construirten Universal- Batho- meters, mit dem in der dänischen Marine in den letzten Jahren gegen 100 000 Lothungen vorgenommen sind. Als Princip liegt demselben die Messung des Drucks der ; Wassermassen am Boden zu Grunde. Um den Apparat i schnell zum Sinken zu bringen, ist er an einer dünnen I Stahldrahtleine aufgehängt, welche über eine Rolle auf- j gerollt ist, von der sie ohne erheblichen Widerstand ab- ; laufen kann. In der Regel ist der Apparat jedoch derart I installirt, dass er mit Handkraft eingeholt werden muss, ! bei Messungen auf 100 Faden Tiefe eine mühsame Arbeit. I An Bord der „Diana" kam daher ein von Leutnant z. S. A. Nielsen cnnstrnirter Ajjparat zur Anwendung, durch den der Lothapparat hei der Einholung mit der Schraubcn- welle in Verbindung gebraclit wurde, sodass die Schiffs- maschine die Einholung und zwar in der halben Zeit betrieb. Nach Beendigung der Aufnahmen bei Island begann die „Diana" im letzten Monat die Vermessungen bei den Far-Öern, wo die Vermessungen am Lande durch den Geueralstab im Laufe des Jahres zum Ahschluss gebracht waren. Lorenzen. Eine kartometrisclie Bestimmung der deutschen Nordseewatteu hat Reinhold Haage in seiner Leipziger Inaugural- Dissertation „Die deutsche Nordseeküste in l)hysikalisch-geographischer und morphologischer Hinsicht" (S. A. a. Mittheilungen d. Vereins f Erdkunde, Leipzig 1900.) vorgenommen. Dass Wattenbildungen an der Ostseeküste fehlen, erklärt er daraus, dass eine grosse Menge von Meeressaizen zur SchliCkbildung nöthig ist. Die Basen derselben, Kalkerde und Talkerde, verbinden sich mit der Hunmssäure, die das Flusswasser gelöst enthält, und liefern so den Schlamm, das wichtigste Bindemittel für die Sandmassen und die übrigen Stoffe, die Meere und Flüsse an den Mündungen anhäufen. Die humussauren Salze bilden den Hauptfaetor für die Entstehung der Watten und der Marschen. — Das Wattengebict an der deutschen Nordseekuste repräsentirt darum das gesammte deutsche Wattengebiet. Abgesehen von den 0,6 qkm um- fassenden Watten um Helgoland beträgt das Gesammt- Areal der deutschen Wattenzone 3655,9 qkm. — Die Tiefe oder Priele, welche im Wattengebiet parallel der Festlandsküste verlaufen und darum als Längspriele von den mehr oder weniger rechtwinklig zur Küste ver- laufenden Querprielen unterschieden werden, bilden die Grenzen zwischc« den Festlands watten und den Insel- watten. Die Watten beiderlei Art, welche sich direct dem Festlande, bezw. den Inseln anlehnen, werden nach Eugen Träger's Vorgang als Watten erster Ordnung von den an diese Watten sich ansetzenden kleineren, halb- inselförmigen Watten zweiter Ordnung unterschieden. Von den eigentlichen Watten können die Sande oder Wattinseln unterschieden werden, welche an allen Seiten vom Meere umflossen werden und an keiner Seite an dauernd ti'ockenes Land grenzen. Die Sande kommen jedoch nur innerhalb der 5 m- Tiefenlinie vor, und je nachdem, ob sie in der Nähe der luselwatten oder der Festlandswatteu liegen, werden sie diesen oder jenen zugetlieilt. Das Areal der amphibischen Wattenzone beträgt demnach A. vor der Küste Schleswig-Holsteins . . 2023,4 (|km I. Festlandswatten . . . 1218,3 (|km a) I.Ordnung 998,7 qkm b) 2. Ordnunii- 126,8 „ c) Sande 92,8 „ II. luselwatten 805,1 „ a) I.Ordnung 780,9 qkm b) 2. Ordnung 6,1 „ c) Sande 18,1 „ XV. Nr. 21'. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. B. vor der Küste Hannovers und Oldenhurgs 1 682,5 qkm I. Festhindswatten . . . lo53,G qkiu a) 1. Ordnung 883,7 (jkm b) 2. Ordnung 416,2 „ c) Sande 53,7 „ II. luselwatten 278,9 „ a) 1. Ordnung 149,3 qkni b) 2. Ordnung 121,7 „ c) Sande 7,9 „ Auf der einen Seite wird der amphibische Watten- sauni von dem trockenen Lande durcli die Hochwasscr- Küsteniinic, auf der anderen Seite von dem Meere durch die Niedrigwasser-Küstenlinie abi;egrenzt; zu beiden Enden des Saumes verlaufen die territorialen Grenzen durch den amphibischen Wattensaum. Die gesammtc Greuzlänge des deutschen VVattengebiets ausschliesslich der Helgoländer Watten misst 4240,3 km. Davon sind trockene Grenzen 1232,9 km, nasse Grenzen 2986,1 „ amphibische Grenzen (gegen Dänemark und die Niederlande) 21,3 „ Es besteht also ein beträchthchcr Unterschied zwischen der Länge der trockenen und der der nassen Grenzen. Sielit man aber von den Räudern der Enklaven und der Exklaven ab und betrachtet die eigentliche peripherische Grenzlinie des geschlossenen Wattensaumes für sich, so wird der Unterschied noch bedeutend stärker. Auf eine Länge von 630,5 km grenzt der Wattensaum an Land- tläcbeu, mit 22SS,6 km an Wasserflächen, sodass das Verhältniss des trockenen Randes zum nassen Rande 2 : 7 beträgt, oder die festländische Niedrigwasser-Küstenlinie bedeutend stärker gegliedert erscheint als die festländische lioehwasscr-Küstenlinie. Lorenzen. „Ueber das ätherische Oel der Pappelkiiospen" berichten Fr. Fichter und E. Katz in den Ber. Deutsch. Chem. Ges. 32, 3183. Ricard hat vor ca. .30 Jahren die Pappelknospcn eingehend untersucht; das Hauptergebniss seiner Untersuchungen waren die Auffindung des Chrysins und eines ätherischen Oels, des sogenannten Pappelöles, das durch die folgenden Angaben von den Verfassern näher charakterisirt wurde. Zur Reinigung wurde das Pappelöl bei 12 — 14 mm Druck destillirt, es theilte sich hierbei in 1. einen kleinen Vorlauf, in dem sich der angenehme Duft des Oels zu concentriren scheint, 2. die Haui)tfraction , das Pappelölterpen , das von 132—137" bei 13 mm und von 263—269« bei ge- wöhnlichem Druck überging, 3. höher siedende, etwa von 170 — 200" übergehende Antheile, die in der Vorlage butterartig erstarrten. Das Pappelölterpen. Wie aus der Dampfdichte erhellt, besitzt das Pappel- ölterpen die Moleculargrösse eines Sesquitcrpens; zur engeren Charakterisirung wurde eine Reihe von Derivaten hergestellt. Nitrosochlorid, aus Pappelölsesquiterpen mit Aeth3'l- nitrit und Salzsäure, ist ein krystallinisches Pulver, das mit Piperidin ein Nitrolpiperidin und mit Benzylamin ein Nitrolbenzylamin bildet. Behandelt man das Pappelölsesquiterpennitrosochlorid mit Natriumäthylat, so verliert es Chlorwasserstoff unter Bildung eines Nitrose- bezw. Isonitrososesquiterpens, das sieh zu einem Aminosesquiterpen reduciren lässt. Das Nitrosit wird aus Pappelölsesquiterpen mit salpetriger Säure, das Nitrosat aus Pappelölsesquiterpen mit Salpetersäure erhalten. Aus vergleichenden Betrachtungen ergiebt sieh, dass das Pappelölsesquiterpen wahrscheinlich mit dem von Chapman aus dem Hopfenöl isolirten Humulen identisch ist; folgende Tabelle lässt die Uebereinstimmung am besten erkennen: Pappelölsesquiterpen Humulen Nitrosochlorid . . . Schmp. 164-170« 164—165" Nitrolpiperidin . . „ 151—152« 153« Nitrolbenzylamin . . „ 132» 136« Nitrosat „ 162—163« 162—163» Nitrosit „ 127» 120« Sicher enthält das Pappelölsesquiterpen Humulen, doch besteht es nicht ausschliesslich aus demselben, wahr- scheinlich dürfte im Pappelölsesquiterpen ein Gemisch von Humulen mit einem anderen Sesquiterpeu vorliegen, das aber mit keinem der bisher bekannten identisch zu sein scheint. Die höheren Fractionen des Pappelöls enthalten ein Gemenge homologer Paraffine, deren einzelne Fractionen, aus Alkohol crystallisirt, steigende Schmelzpunkte auf- weisen. Analysen und Schmelzpunkte weisen auf die Zusammensetzung Co^H^o und höhere Homologe hin. Das Vorkommen von Paraffinen oder Stearoptenen im Pappelöl ist nichts Aussergewöhnliches, verschiedene andere ätherische Oele enthalten homologe Paraffine. Die Menge der Stearoptene im Pappelöl ist sehr gering: sie beträgt nur '/a »/o. Dr. A. Sp. Die Frage der Ausdehnung decimaler Eintheihuig auf das Winkelmaass steht zur Zeit auf der Tages- ordnung der Discussion unter den Vertretern der ver- schiedenen Wissenschaften und Berufszweige, die an einer etwaigen Aenderung der bisherigen Winkeltheilung prak- tisch interessirt sind. Noch im laufenden Jahre soll näm- lich eine von der französischen Regierung einzuberufende Commission einschlägige Beschlüsse fassen, da sieh eine energische Strömung zu Gunsten der vollständigen und consequenten Durchführung des decimalen Eintheilungs- princips auch für Winkel- und Zeitgrössen bemerkbar gemacht hat. Bereits im vorigen Jahre hat aus diesem Grunde die deutsche Mathematiker-Vereinigung den Standpunkt der deutschen Fachmänner durch eine Reihe von referirendcn Vorträgen nebst sich anschliessender Discussion zum klaren Ausdruck gebracht. Dem von Prof. Gutzmer über die betreffende Sitzung verfassten Bericht sind die fol- genden Angaben über die Stellung der einzelnen Wissen- schaften zu dem hochwichtigen Gegenstande eutnomn^en. Zunächst unterliegt keinem Zweifel, dass an sich eine decimale Eintheilung bei allen Massen sehr wesent- liche Vereinfachungen des Rechnens ermöglicht, da unser ganzes Zahlensystem auf dem decimalen Stellenwerth- priueipe bernht. Gälte es daher, eine völlig neue Maass- einheit in Untertheile zu zerlegen, so würde heute die Wahl einstimmig auf die Zehntheilung fallen, und es ist wunderbar genug, dass bei sämmtlichen älteren Maassen die bessere Theilbarkeit der zwölf, beziehungsweise sechzig diesen Zahlen den Vorrang bei der Bildung der Unterabtheilungeu gesichert hat. Nachdem im Jahre 1585 (auffallend spät!) die Decimalbrüche durch Simon Stevin erfunden waren, hätte eine ausserordentliche Ver- einfachung des gesammten Rechnens Platzgreifen können, wenn man bereits damals durchweg zu decimal getheilten Maasssystemen übergegangen wäre. Denn das gesamrate 262 Natui-wissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 22. Rechnen mit mehrfach benannten Zahlen sowie ein grosser Theil der Bruchrechnnng brauchte alsdann überhaupt nicht mehr gelernt zu werden und die dadurch im Ele- mentarunterricht verfügbar werdende Zeit würde für wich- tigere, vom moderneu Leben geforderte Unterrichtsstoffe verwendet werden können. Der Gedanke einer decimalen Einthe^ilung unserer Mäasse tauchte jedoch erst am Ende des achtzehnten Jahrhunderts auf. Der Berliner Geheime Oberbaurath J. C. Schulze spracii 1783 auf Anregung von Lagrange zuerst den Vorschlag aus, den Quadranten nicht in 90, sondern in 100 Grade zu theileu und' 1799 erschienen daraufhin die ersten von Hobert und Ideler berechneten trigonometrisclien Tafeln für die Decimaltheiluug des Quadranten. Auch in Frankreich ging man zur gleichen Zeit im Anschluss an die Einführung des metrischen Maasssystems vielfach zur decimalen Wiukeltheilung über, und es wmxlcn im Auftrage der Regierung unter Prony's Leitung die berühmten „grandes tables trigon-ometriques decimales du Oadastre" berechnet, die jedoch erst 1891 auszugsweise als achtstellige*) Tafeln vom Service geo- graphique de l'arnxee gedruckt worden sind. Die Nützlich- keit dieser neuen Tafelweike, denen später noch zahl- reiche andere gefolgt sind, hat sich in dem seither ver- flossenen Jahrhundert namentlich bei den ausgedehnten, von mathematisch nicht besonders vorgebildeten Rechnern zu bewältigenden Arbeiten der Catasterverwalfungen der- art bewährt, dass die neue Theilung gegenwärtig in der niederen Geodäsie fast allenthalben entweder ausschliess- lich im Gebrauch, oder doch wenigstens facultativ zu- gelassen ist. Was nun die Stellung der einzelnen, exaeten Wissen- schaften zur Frage etner allgemeinen Durchführung der neuen Winkeltheilung und der Ausdehnung der decimalen Eintheüung auch auf die Tageseintheilung betrifft, so ist dieselbe trotz aller eben angedeuteten Vorzüge der neuen Theilung doch vorwiegend ablehnend ausgefallen. Als warmer Fürsprecher ist in der vorjährigen Sitzung der Mathematiker- Vereinigung nur der Wortführer der vou dieser eingesetzten Tafelcommission, Prof. Mehmke in Stuttgart, aufgetreten, dessen Bericht durch die Anfügung höchst dankenswerther historischer Nacliweisungen zu einem bedeutsamen Aktenstück in der vorliegenden Frage geworden ist. Dagegen hat die Astronomie durch ihren Sprecher, Prof. Bauschinger, gegen jede Neuerung ni der Eintheüung von Zeit- und Bogenmaass entschieden Ver- wahrung eingelegt. Diese Wissenschaft ruht allzusehr auf der historischen Continuität ihrer Arbeiten, als dass so grundstürzende Aenderungen heute noch angängig er- scheinen. Nicht nur, dass alle kostbaren und mit vieler Mühe in Bezug auf ihre Theilungsfehler untersuchten Messiustrumente Kreise mit alter Theilung besitzen, auch der unermessliche Schatz früherer Beobachtungen, aut den in der Astronomie fortwährend zurückgegangen werden muss, sowie die mit unsäglicher Ausdauer verfertigten Sternkataloge und Tafelwerke der AstJ-onomie haben sieh durchweg der althergebrachten Gradeintheilung bedient, so dass eine Umänderung hier schlechterdings nicht mehr ausführbar erscheint. Dazu kommt, dass die alte Grad- eintheilung Gemeingut aller gebildeten Völker ist und dass diese nicht zu unterschätzende internationale Ein- heitlichkeit der ßogenmessung um keinen Preis geopfert werden dürfte. Besser ein weniger praktisches, aber ein- heitliches Maass auf dem ganzen Erdenrund, als eine mit Zersplitterung erkaufte, wenn auch noch so wünschens- werthe Reform! *) Die Sinus der Prony'schen Tafeln sollten mit 22 Stellen und 5 Differenzen gedruckt werden, die übrigen Tafeln mit 12 bis U Stellen. ^ Hat doch das so genial ersonnene metrische Maass- system im Verlaufe eines Saeculums noch nicht einmal ganz Europa erobern können, sodass wir, was die üni- formität betrifft, beim Längenmaass noch heute nicht auf der Stufe stehen, die das Bogen- und Zeitmaass seit vielen Jahrhunderten errungen hat. Diese Einheitlichkeit preiszugeben, um mit Neuerungen zu experimentiren, scheint daher vielen als ein verhängnissvolles Beginnen. Unter diesen Umständen wird es zweckmässiger sein, die alte Eintheüung des Quadranten in 90 Grade bei- zubehalten, wotür auch die Professoren Seeliger, Förster, Boltzmann, M. Schmidt und Schülke votirten. Der letzt- genannte, der die Frage spceiell vom Standpunkte des mathematischen Unterrichts aus beleuchtete, ist dagegen mit aller Energie für die durchgängig einzuführende deci- male Eintheüung des Grades eingetreten, durch welche ein erheblicher Theil der Rechen-Erleichterungen des decimalen Maasssystems ohne radikalen Bruch mit dem Althergebrachten erzielt werden kann. Mehrere ver- breitete Logarithmentafeln , wie z. B. die fünfsteUigen von Bremiker und von Westrich, die vierstelligen von Schülke und Rohrbach sind auch bereits mit decimaler Gradeintheilung versehen, sodass sieh die Anempfehlung dieses Mittelweges bereits auf eine hinlänglich lange, praktische Erfahrung stützt. F. Kbr. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Prof. Dr. Siegmund Gabriel, erster Assistent am ersten chemischen Institut der Universität Berlin und Pvivatdocept Dr. Karl Dietrich Harri es, Assistent an deniselbenlnstitut zu Abtheilungsvorstohern; Dr. Edmund Lange, Hifsbibliothekar au der königlichen Universitätsbibliothek zu Greifswald zum Bibliothekar. Es starben: Geheimer Modicinalrath Dr. Reinhold Long; Mitglied des Medicinalkollegiums der Provinz Brandenburg; Dr. S. S. Korssakow, Professor der Psychiatrie in Moskau; J. G. F. Ravaisson-Mollien, Professor der Philosophie in Rennes und General-Inspector der öffentlichen Bibliotheken. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Walther Schönichen und Dr. Alfred Kalberlah: B. Eyferth's einfachste Lebensformen des Thier- und Pflanzenreiches. Naturgeschichte der mikrosko]iisclH'n .Siisswasserbewohncr. Dritte, vollständig neubearbeiteti' und vciniclirte Auflage. Mit über 700 Abbildungen auf 16 Tat.l,, i,, I.i.litdruck mit Zerich- nungen von Dr. A. Kalberlah, Assittcnten am Königlichen botanischen Garten zu Halle a. S. Benno Goeritz in Braun- schweig, 1900. — Preis 20 Mark. Die erste Auflage vom Jahre 1877 war ein Heft mit nur einer Tafel, 1878 nahm aber Eyferth eine Erwilfcruim .lor Arbeit vor (mit 5 Tafeln), welche als die eigcntlicln' i i>i.. Auflage der vorliegenden anzusehen ist. Ein Nachtrag lAl'riii- vou 1879 ,(mit 2 Tafeln) behandelte die Schizophyten mi^i Fl.igi'lhitpn. Die • zweite Auflage erschien 1886, die nun vergrift'en ist, sodass die Arbeit des nunmehr verstorbenen ersten Verfassers für die vor- liegende dritte Auflage in andere Hände gelogt werden müssto. Es ist demjenigen, der sich auch nur oberflächlich mit der mikro- skopischen Lebewelt beschäftigt, klar, dass die Neubearbeiter l>i'i der Uebernahme des Werkes die Bewältigung einer beträchtlichen Arbeit übernommen haben, da auf dem Gebiet vielseitig uiul eindringlich fortgestrebt wird und gerade in unserer Zeit viel Neues gefördert worden ist, das Berücksichtigung evhcisclite. Eine Beschäftigung mit der mikroskopischen Ijebewelt hat eiui-u besonderen Reiz, steht man doch gewisserraaassen bei dem Studium derselben dem Born des Lebens näher, da es sich um die „ein- fachsten", aber für unseren Wunsch nach Einsicht doch immer noch so sehr complicirten Organismen handelt. Alle Arten sind in dem Buch nicht aufgeführt worden, jedoch fast säramtliche Gattungen, sodass das Buch als in den Gegenstand einführendes Beatimmungsbuch sehr gut geeignet ist. Das Buch ist gut aus- gestattet, und die Tafeln sind gut gelungen: die Abbildung klar und deutlich. XV. NaturwissenscliaFfclicliH WooluMisclirift. Er. Beizung', Doeteur es sciences, Profeaseur agrcgö des sciences natiiicllos au Lycöe Charlcinagno, .Anatomie et Physiologie vegetales, ii l'usago des ctiidiants en Sciences naturelles des Uiüveiöitcsj, des (5I6ves do l'institut agronouiique, des Ecoles d'agricuUure etc. etc. 1 fort vol. in-8" dr lo28 pages, avce 1700 iJ-ravures dans le texte. Feli.x Alcan, .'ditonr, 108 Boule- vard Saiut-Gerinain. Paris 1900. — Prix 2ü Frcs. Das gut illustrirtc Werk dürfte als Lehrbuch wohl geeignet sein, d. h. wenn man von einem solchen verlangt, dass iu ihm die üblichen, zur Zeit verbreitetsten Anschauungen der Discipliu wiedergegeben sind. Stellenweise hat Verf. die Herkunft der Abbildungen angegeben, aber nicht überall: Fig. 364 z. B. stammt von Kny, ohne dass dies vermerkt wird. Es ist eben nicht Jeder- manns Sache, ein Li etwa seiner Zeit Julius Sacli: den Stimmen der Majniitai gehendste Kenntniss uml 1) verbunden mit hohem u issent das vieles Neue enthielt, da lirciben, in dem Sinne, wie das ;lian hat, der keineswegs nach l)citet hat, sondern durch ein- di-ingung seines Gegenstandes, tlichen Sinn ein Lnhvbncli schuf, jetzt ganz geläufig ,i.;i'«ui(l.ai i.-t. Nun solche Bücher sind selten und man erwartet neu erscheinende Lehrbuch die Höhe einnehme, wie si^imi- Zeit das Sachs'sche. Wenn aber noch immer in einem Lehrbuch wie dem vorliegenden behauptet wird, dass die „Gefass-Kryptogamen" durch den Mangel an „Blüthen" ausgezeichnet seien, so geht die Anlehnung an das Althergebrachte, aber nun wenigstens h^i den Einsichtigen Ueberwundene, doch zu weit. Für il'ii Anf-iiiL^'r, — und für diesen ist das Buch docli bestiiiuiit — kl.ill'r diin-li eine so schiefe Begriffsbestimmung der Blüthc w ie si<' sich daraus ergiebt, dass den Gefäss-Kryptogamen wie den Kc|uisotaceon und Lycopodiales eine solche abgesprochen wird, sofort eine tüchtige Lücke im Verständniss. P. Prof. Dr. Ferdinand Pax, Prantl's Lehrbuch der Botanik. Mit 414 Figuren. Elfte, verbesserte und vermehrte AuH. Wilhelm Fngolmann iu Leipzig, IIJOO. — Preis 4,60 Mk. Das beliebte Buch ist gegen die frühere Aufl. um 48 Seiten und 27 Abbildungen vermehrt worden; die Erweiterung bezieht sich namentlich auf die Anatomie und die „Kryptogamen". Als ein wesentlicher Fortsciu'itt ist es zu begrüssen, dass sich Verf. bemüht hat, die Darstellung der anatomischen Verhältnisse in Einklang mit der Schwendener'schen Auffassung zu bringen. Wilhelm Haacke und Wilhelm Kuhnert, Das Thierleben der Erde. 3 Bände. Mit 620 Textillustrationen und 120 chromo- typischen Tafeln. 40 Lieferungen zu je 1 Mark. Martin Olden- bourg in Berlin, 1. Lieferung. Auf dem Gebiete des Unterrichtsfaches der biologischen Naturwissenschat't.'ii hat sich in Theorie und Praxis seit den letzten .laliiz.liiiiiai .an lir.I,aitniii;s\ olln- methodischer Umschwung geltiaid u.anarlil. Au iillftin de l'Acad. de Pctersbourg 1898) Untersucluui^en, die soviel Ueberraschendes an den Tag brachten, sind dnrch neuere Befunde bestätigt worden. Beide hatten gezeigt, dass bei der Befruchtung von Lilium einmal eine Kernkopulation zur Bildung eines Embryos, gleichzeitig damit aber auch eine solche zur J]ntstehung des Endosperms (Nährgewebes) im Samen stattfinde, dass also, wenn man schon jetzt verallgemeinern dürfte, von einer Doppelbefruchtung gesprochen werden könnte. Die neuerdings veröifentlichten Arbeiten von Hugo de Vries: (Comptes rendus, Paris 1899) und Corrcns (Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. 1899) beschäftigen sich mit der Bastardbildung, die natürlich ein besonderes Interesse bot, nachdem die oben genannten Thatsachen auseinander- gesetzt waren. Ganz besondere Vortheilc zum Studium der ein- schlägigen Verhältnisse bietet der Mais, weil dessen Nähr- gewebe bald mehlig (stärkehaltig), bald mehr durch- scheinend (zuckerhaltig) ist. Diese Difierenz im chemischen Gehalt des Endosperm ist schon dem blossen Auge deutlich. Die Kreuzungen zwischen solchen Maissorten zeigten nun, dass ein Bastardembr3'0 und ein Bastardendosperm entstanden. Dieses Endosperm besitzt aber die höchst beraerkenswerthe Eigenthümlichkeit, dass es immer nur die Eigenschaften eines der beiden Eltern zeigt, d. h. nur stärkehaltig oder nur zuckerhaltig ist. R. K. Die „deutschen Grossstädte der Erde", d h. die- jenigen Städte, welche unter ihren Einwohnern mehr als lOUÜOO Deutsche aufweisen, stellt Langhans in seinem „Alldeutschen Atlas" (Gotha, Justus Perthes' Verlag) zu- sammen, wobei allerdings vorweg bemerkt werden muss, dass er den Begriif des Deutschthums sehr weit fasst. Es giebt 53 derartige Grossstädte, von denen 30 im Deutschen Reich selbst liegen. 3 finden sich in Oester- reich-Ungarn (Wien, Budapest, Graz), 7 in Belgien und in den Niederlanden (Amsterdam, Brüssel, Rotterdam', Antwerpen, Haag, Gent, Utrecht), 2 in der Schweiz (Zürich, Basel), 2 in Russland (Lodz, Riga) und nicht weniger als 9 in den Vereinigten Staaten (New-York, Chicago, Philadelphia, St. Louis, Milwaukee, Cincinnati, Buffalo, Clcveland, Baltimore. 13 Städte, von denen nur 7 innerhalb des Deutschen Reiches selbst liegen, haben mehr als 300 ÜÜU deutsche Einwohner. Es sind dies die folgenden: Berlin 1 650 000 Deutsche Wien 1 146 000 „ Hamburg .... 626000 „ New-York .... 583 000 „ (38 v. H.) Amsterdam . . . 513 000 „ Brüssel 458 000 „ München .... 411000 „ Chicago .... 407 000 „ (37 v. H.) Leipzig 400 000 „ Breslau 376 000 „ Dresden .... 333 000 Cöln 319 000 Rotterdam .... 309 000 „ H. Die Ursachen der atmospliärischen Elektricität haben bereits zu zahllosen Theorien und Versuchen Ver- anlassung gegeben, ohne dass es bisher gelungen wäre, eine definitive Erklärung für die Entstehung der atmo- sphärischen Elektricität zu geben. Neuerdings sind nun Elster und Geitel einerseits, Thomson und Wilson andererseits durch einwandfreie Versuche unabhängig zu den gleichen Resultaten gekommen, die somit einen sehr bedeutenden Fortschritt auf dem Wege zur Lösung jener Frage darstellen. Einerseits halben die genannten Forseher nachgewiesen, dass ultraviolettes Licht die Luft „ioni- sirt", d. h. in eine gleiche Anzahl von positiv und nega- tiv elektrisch geladene Theilchen zerlegt; andererseits "ist festgestellt worden, dass etwaige Feuchtigkeit der Luft sich nur um die negativ geladenen Theilchen zu Wasser verdichtet. Die neue Theorie besagt demnach, dass die Atmo- sphäre zunächst durch die ultravioletten Strahlen des Sonnenlichts ionisirt wird. So lange nun die Luft trocken ist, kann sich wegen der Gleichheit der beiden Elektrici- tätsmengen -eine merkliche elektrische Spannung nicht entwickeln. Sobald aber der Wasserdampf aus irgend welchen Gründen, z. B. durch Abkühlung der Luft zur Verdichtung gelangt, reissen die Wassertropfen beim Niederfallen die elektrisch negativen Lufttheilchen, um welche sie sich gesammelt haben, mit sich, und die zurück- bleibende positive Elektricität giebt zu grossen Spannungen und in der Folge zu elektrischen Entladungen Anlass. Es muss hierzu bemerkt werden, dass die vorstehende Theorie im Wesentlichen nur für die sommerlichen Hitze- gewitter Geltung haben kann. Für die meist im Winter auftretenden sogenannten Wirbelgewitter, welche in Be- gleitung heftiger Stürme und besonders gern des Nachts auftreten, wo also an eine unmittelbare Wirkung der Sonnenstrahlung nicht zu denken ist, reicht die gegebene Erklärung noch nicht aus, wenigstens so weit die Trennung der Elektricitäten in Frage kommt. Das Herabreissen der negativ geladenen Theilchen durch die stürzenden Regentropfen und Schneeflocken geht dagegen in beiden Fällen in genau gleicher Weise vor sich, denn die starken Niederschläge sind sowohl für die Hitze- wie für die Wirbel-Gewitter gleich charakteristisch. H. Das Problem der Eisheiligen des Mai behandelte Prof. Dr. Viktor Kremser vom Königl. Preussischen Meteorolog. Institut am 8. Mai in einem Vortrag des Ber- liner Zweigvereins der Deutschen Meteorologischen Gesell- schaft. Er gewann dabei der oft untersuchten Frage wieder einige neue Gesichtspunkte ab. Er theilte die Epoche vom 2. — 31. Mai in zehn Perioden von je drei Tagen ein und zählte für eine Beobachtungsstation des Meteorologischen Instituts, welche relativ häufig Maifröste aufweist, Marggrabowa im masurischen Seeengebiet, die Zahl der Frosttage aus, welche im Zeitraum 1884 — 1898 auf jede der zehn Triaden entfielen. Dabei zeigte sich, dass die Triade der „Eisheiligen" Mamertus, Pankratius, Servatius (11. — 13. Mai) thatsächlich weitaus die grösste Zahl von Frosttagen aufwies (19). Ein anderer 15-jähriger Zeitraum, 1878—1892, an einer anderen ostpreussischen Station, Klaussen, ergab ein ganz ähnliches Resultat. Auch die Zahl der Tage mit einem Temperaturminimum unter zwei bezw. unter vier Grad war für die Triade des 11. — 13. Mai am grössten. Damit schien die Existenz der „Eismänner" gesichert zu sein. Als K. jedoch für dieselbe Station Klaussen die Statistik der Minimaltemperaturen in gleicher Weise auf den 50-jährigen Zeitraum 1848—1897 erstreckte, zeichnete 274 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 23. sich bemerkenswerther Weise die Zeit vom 11.— 13. Mai in lieiner Weise melir vor den übrigen Triaden aus, viel- mehr fiel die Häufigkeitscurve bestimmter Temperatur- minima gleichniässig vom Monatsanfang bis zum Monatsende ab, d. h. in langjährigen Mitteln machen die Eismänner sich nicht mehr bemerkbar. K. constatirt demzufolge, dass etwa seit dem Jahre 1878 die Tage vom 11. — 13. Mai stark zu Temperatiirerniedrigungen neigen, dass jedoch in den 50er, 60er und 70er Jahren von einer Sonderstellung jener drei Tage nicht die Rede sein konnte. Da nun Dove s. Zt. an der Hand des Be- obachtungsmaterials der 30er und 40ei- Jahre des 19. Jahr- hunderts die Frage nach der Berechtigung des bekannten Volksglaubens bejaht hatte, spricht K. mit aller Vorsicht die Vermuthung aus, ob das häufigere Auftreten des Kälterückfalls in den Tagen des 11.— 13. Mai vielleicht an eine bestimmte lange zeitliche Periode gebunden sei, welche die Eisheiligen nur zeitweilig gefährlich erscheinen lässt, sodass auf einige Jahrzehnte grösserer Gefährlich- keit einige weitere iblgen, in welchen sie durchaus harmlosen Charakter tragen. . H. Ueber weitere Eigenschaften der flüssigen Luft hat Prof. Linde nach einer Mittheilung des „Polytechn. Centralblatts" der Bayerischen Akademie der Wissen- schaft in einem Vortrag Mittheilungen zukommen lassen, von denen einiges hier mitgetheilt sein mag. Wenn man Kohleupulver mit flüssiger Luft tränkt, verpufft es wie Schiesspulver, sobald es mit Feuer in Be- rührung kommt und explodirt schon in der Flamme eines Zündhölzchens. Diese Erscheinung ist sehr auffallend, da sie bei einem Kältegrad von — 180° vor sich geht, und unsere Anschauungen von der Natur der Explosionen dürften sich in Folge dessen wesentlich zu ändern haben. Tränkt man die gepulverte Kohle noch mit retnilenm, so explodirt die Mischung ohne weiteres, sobald man die flüssige Luft darüber giesst. Diese Explosion ist noch heftiger, als die der Sprenggelatine, denn die Detonation einer mit dieser Mischung gefüllten Patrone vermag an- dere Sprengpatronen im Umkreis von 25 cm ebenfalls zur Explosion zu bringen, wozu kein anderer Sprengstoff im Stande ist. Trotz der niedrigen Temperatur der flüssigen Luft würde diese also in einer Mischung mit Petroleum den stärksten Gasdruck hervorrufen, der je bei einer Explosion beobachtet worden ist. H. L i 1 1 e r a t u r. Paul Gerhardt. Handbuch des Deutschen Dünenbaues. — Im Auftrage des Königlich Preussischon Miiiisteriiuns der öti'ent- liehen Arbeilen und unter Mitwirkung von Dr. Johannes Abromeit, Paul Bock und Dr. Alfred Jentzseh heraus- gegeben. Mit 445 in den Text gedruckten Abbildungen. Berlin (Paul Parey), 19011. 65ii Seiten. — Preis 28 Mark. Ein äusserst wichtiges und umfassendes Werk, welches nicht nur das im Titel genannte urafasst, sondern eigentlich eine Mono- graphie der Deutschen Düuenformatiou der Ostsee genannt werden kann. Wenn auch der Dünenbau selbst den breitesten Raum einnimmt, finden wir daneben doch Alles, was über die Dünen Wissenswerthes und Interessantes zu sagen ist. Die Geologie der Dünen ist ebenso eingehend berücksichtigt als die Flora der Dünen, nur die Thierwelt, als für den eigentlichen Zweck des Buches unwichtig, ist nicht besprochen. Der erste Abschnitt behandelt die „Geologie der Dünen" und ist vom Landesgeologen Prof. Dr. A. Jentzsch bearbeitet. Jcntzsch war früher lange Zeit in Königsboi'g, ist Preusse, und hat dort die Düuen seiner Heimat kennen gelernt. Nach einer kurzen Einleitung über den Begriff der Dünen und über die Verl)reitung der Dünen folgt ein Kapitel über das Material der Dünen, indem genau verfolgt wird, aus welchen verschiedenen Elementen sich der Dünensand zusammensetzt, von welchen Gesteinen oder Erd- raassen, die an den betreffenden Meeren der Erosion oder Abrasion durch das Meer ausgesetzt sind, die einzelnen Theile stammen. Genaue Analysen sind gegeben übor die Zusammensetzung des Dünensandes, über die Grösse der Sandkörner u. s. w. — Das näeh-te Kapitel „die Gestaltung der Dünen" ist ausserordentlich interessant. Es zeigt, unter welchen Bedingungen die Düne ent- steht, wie sie aus den it-Lh \ ni'iiij.'n ..],■]) ausbildet. Aus einer ursprünglich gerade, wjllir ,: \ itlung bilden sich diese so verschiedenen uml eii^i n, i ■ ,_ mdcrsamen Gebilde aus, wie wir sie in den I KiihiiKri - n i -u .sehen gewohnt sind. Wie durch wechselnde Luft^i i "Umuil:- n. iluich Sinimii; an einer Stelle Buchtenbildungen eizni-f h.i.Ii,. ^^\,^ -jrl, Windrisse, Windmulden oder Kieswüsten, ww -ieli ..., llie.-li.ii ^mze Wind- bahnen ausbilden und wie die fieliuehteleM Wauilerdiinen ent- stehen, die ganze Ortschaften und Wälder durch ihr langsames, aber stetes Fortschreiten zerstören. — Das dritte Kapitel „Struk- turen und Nebenerscheinungen" behandelt den inneren Bau der Düne und gicbt Erkl:iruii^eii für die häufiger oder seltener an aufgebrochenen odm- ilmeln i^Miien Dünen zu beobachtenden Er- scheinungen, wie Diaiicjiinlseiiielitnngen, alte Waldböden, Heide- narben und KuUursehielitun, von denen besonders die Heidenarben häufig sich als .Streifen schwarzen Heidesaudes auffällig machon, Blitzröhren und viele andere Dinge. Das letzte Kapitel bespricht dann die „Bedingungen des Wachsthums der Dünen", den Einfluss der verschiedenen Faktoren (Wind- und Küsten- richtung, Klima, Pflanzendecke etc.) auf die weitere Ausbildung der Formation. Im zweiten Abschnitt behandelt ßaurath P. Gerhardt die Küstenströmungen und d.i^ Wainlein der IXine. Beim Kapitel der Küstenströmuiiiir'n \\ irJ da.-; Waiileni d,- .'-^.iiides in der See, werden die Temperatur uiel \\iiiil>u-oiiiiii]e(ii, Wi.' Neigung, Breite und Höhe des Strandes bes|)ruclien. Das Rnpitel „Wandern der Düne" ist wieder höchst interessant. Der reiche Inhalt kann hier natürlich nur ganz kurz wiedergegeben werden. Verf. bespricht die Bedingungen des Wanderns und die Art des Vorrückens, indem er die Anschauungen der verschiedenen Forscher über diese merk- würdige Naturerscheinung erwähnt, und giebt dann eine Reihe von Beispielen von Wanderdünen, die in der einen oder der andern charakteristischen Weise das oft verderbliche Vorrücken bewirken. Recht eingehend und umfangreich ist der von Dr.J. Abromeit bearbeitete botanische Theil, der dritte Abschnitt „Dünenflora". — X leli einer Kiideitung über die wichtiesteu Werke ülier die Dünen- Hera, in (leie-ii natürlich in erster Lini" .lie \oii \\"a r ni ing ge- naimr sind, sprielit Verfasser über (ha, .allgemeinen ( Miarakter der il eeht d;inn zum ersten Kapitel der „Ijinlogischen •in n Veilniltiiisse der Dünenpflanzen- über. "Durch iildniiuc II IM laiiterinl, beschreibt er den Bau, der bei Dün und eil dies arti IIa.' t 11 ZI \\' äehsei oft die eigen- zoigt. und weit krieclieu sie umher, da die Nahrung au einem Platze für dichte Rasen zu gering ist — Das zweite Kapitel „Gliederung und geographische Verbreitung der Dünenpflanzeu" behandelt die Gliederung der Dünenflora: die Vegetation des Sandstrandes, die der weissen oder Wanderdüne, die der festliegenden oder grauen Dune und bespricht schliesslich die geographische Verbreitung einiger pflanzengeographisch bemerkenswerther Dünenpflanzeu. \'ert'asser giebt eine tabellarische Uebersiclit iibi-r da-^ Vurkeiniiien der betreffenden Arten an den pflanzengeoei:i|dii-i li liekininte.^ten Tlieileii der deutschen Küsten. Ein umfani;i > nie - l\i|iiil it lie- titelt „Kulturpflanzen der Dünen". Von all denjem^, n l'ilaii/eii, ili.' von den I »iinenbauern, sei es zur Befestigung der Dünen, sei es ,^111- Nnt/iing, gezo,gen werden, wird eine eingehende Be- scln eiliiiiie und eine gute Abbildung gegeben. Gräser, Cyperacoen und Geholze geliöien liierher. Im letzten Kapitel: ..Einige auf der Düne wildwaelisende rflaii/.eu" wird nun die eigentliche Dünenflora besprochen, W.,ld alle auf den Dünen einigermaassen häufige Pflanzen sind ansliilnlieh besprochen und abgebildet in der systematischen Reihenfolge von Englcr Syllabus. Die nächsten Abschnitte sind mehr technischer und forst- wissenschaftlicher Natur und können deshalb hier kürzer be- handelt werden, wenngleich sie nicht minder interessant als die vorhergehenden sind. Der vierte Abschnitt Zweck und Geschichte des Dünenbaues zerfällt in eine Reihe von Kapiteln, in denen z. Th. sehr ausführlich die Anschauungen früherer Autoren über den Dünenbau besprochen und dann ilii; verseliiedenen Kiiltiir- methoden in den einzelnen l'ro\ ln/,en eil.auteit \\a rden. nntei drni'U besonders der in Ostpreussen uliliehe M^dns rinw.dn nii-tc l'.i iin-k- sichtigung erfährt. Der fiintle .Miselmitt lautet: ..Festlaeeiaing des Dünensandes" und ist fast rein bautechnisclier Natur. Natur- wissenschaftlich bemerkenswerth ist dann noch der sechste Ab- schnitt ..Aufforstung der Dünen" von Forstrath P.Bock, der von der ursprünglichen Bewaldung ausgehend, die früheren Auf- XV. Nr. 23. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. forstung.s- und Kiilturveifahren beleuchtet und schliessliidi die finzolnen gceiiineten und empfohlenen Baiim.arten eingehend be- spviclit. -- LV'i- siebente, sehr unifangi-eiche Abschnitt behandelt die „Stvnmlbefostigiing". Das fiaiizc Buch ist von so ausserordentlichem Werth und (liircli dio zalilreiclien wmidei-vollen Abbild iingon worden selbst die bantecluiischni l)\un>- d.jn L;ii.'Ti vrr.strmdlirl, i;vinaclit, diis.s das Werk si-l,r zm- Ansrlinlluni: .■ \\,h\ru » .M.lrn k;n,ii. IJrfcn.nt meint, dass er. mucIi :~ri,,,.|i l'lal/, in den ( ;M,iii;isi:illiililiiillM-krii in den Orten dur (Jstsuclviisti'ii linden mii^sfi', wo rs grosses Interesse erregen wird. Abi'i- ::iic li il'n- riiiiiirnl.indri- wird es mit Nutzen lesen, weil ja auch im i'.iiiin nlnidi^ i^n um llmlini grosse Uünenbildungen keine Selti-iihiii sind, i las iMn/.inc, was Referent bemängeln möchti-, ist, dass in di 'xin llaiidlmcii des „ den tschon " Dünenbaues all.' I\n>tiMiiir(i\ iii.'.ii gegen Ustprcussen ausser- ordentlich stiitniiiti.ili.il li..|i:in.li.It sind, eine Thatsachc, die wohl iliren Gniml in di'n Wnliiisitzen der Verfasser findet. P. Graebner. Dr. Eugen Traeger, Die Rettung der Halligen und die Zu- kunft der Schleswig - holsteinischen Nordseewatten. Mit U) Abbild, und Skizzen. Mobbing .^ Buchte in .Stuttgart IStOO. - Preis 1,'JO Mk. Verf. ist schon früher mit Wärme und Kenntniss der in Be- tracht kommenden Verhaltnisse für die Erhaltung der — geo- logisch gesprochen — Ueberbleibsel der ursprünglichen Küste Schleswig-Holsteins eingetreten (viM'Ld. z. B. „Natiirw. Wochenschr." Bd VIT [itSMi'l No -i:i, S. .(P'.i), ,1. I, .1..1- Jrtzig.n nordfriesL-chen Inseln und ll.illiiji.ii, j.n.'r nj.-lit mir tili- .Imi Naturforscher, sondei-n ancli tur ii..|rn Laien, .Im- di.i- .Xatiir nur einiges Interesse entgegenbringt, so anziehenden, in stetem Kampfe lebenden Welt von Land und Wasser, die demjenigen, dem auch nur etwas Verständniss für dieselbe aufgegangen ist, eine liebevolle, dauernde Erinnerung bleibt. Das voiliei,'..iid.. 11. .ft ist allen diesen vielen Freunden Nord- frieslands ans llr:z zu legen; es beschäftigt sich in erster Linie mit den grcssartigeii .Srliutzmaassregeln, dio die preussische Re- gierung den ilalligeu aiigedeihen liisst und mit der Zukunft, die sich ihnen dadurch eröftnet. P. Aug. Föppl, Vorlesungen über technische Mechanik. Vierter Band: Dynamik. Mit (J9 Figuren im Te.xt. XXIV und «US 8". Vorlag von B. G. Teubner in Leipzig, 1899. — Preis ge- bunden 12 Mark. Gelegentlich der Besprechungen des ersten und dritten Bandes (Naturw. Woclienschrift XIII, S. 383: XIV, S. 295) der Vorlesungen über technische Mechanik von Professor Föppl in München ist auf die den Kreis der Schüler des Verfassers weit überragende Bedeutung des grossen Werkes und das specielle Interesse des- selben für die Mathematiker, denen ja nach dem bisher üblichen Bildungsgange die Mechanik fast ausschliesslich als „analytische Mechanik" bekannt geworden ist, so ausführlich und nachdrücklich hingewiesen worden, dass eine Wiederholung nicht mehr am Platze ist. Ganz wie in Aussicht genommen, ist jenen beiden Bänden zunächst der vierte über Dynamik gefolgt, so dass noch Band II aussteht. Gleich in der Einleitung zum vorliegenden Bande weist der Verfasser darauf hin, dass es sich nicht um eine auch nur an- nähernd erschöpfende Behandlung des Gegenstandes, sondern mit Rücksicht auf die zur Vorfügung stehende Zeit und die Schwie- rigkeit mancher Betrachtungen nur um eine sorgfältige Auswahl handeln könne. Mit Recht betont er, dass hierbei ausser der un- mittelbaren Anwendung in der späteren Berufsthätigkeit des Ingenieurs auch die tiefere Einsicht in die Bewegungsvorgänge in Betracht komme, weiche oft wenigstens eine ungefähre Ab- schätzung ermögiiciit, wenn eine genauere Untersuchung aus irgend welchen Gründen nicht durchführbar ist. Das ist ein echt mathematischer Gedanke, dessen Wichtigkeit noch lange nicht genug von den Pr.iktiktrn erkannt worden ist, sonst würden sie anders von dem \\'i rtli theoretischer Untersuchungen denken — ein Fehler, in d.ii tV.ilieli die Mathematiker ihrerseits vielfach in Bezug auf die Metlioihui der Ingenieure verfielen, weil ihnen diese unbekannt waren. Dieser Mangel gegenseitigen Verständ- nisses ist ohne Zweifel eine der LTrsachen, vielleicht sogar die einzige, der in den letzten Jahren mehrfach hervorgetretenen Gegensätze zwischen Ingenieuren und Mathematikern, um nicht zu .=agcn zwischen Universitäten und Technisclien Hochschulen. Uebrigens hat der Verfasser seine Stellung zur Ausbildung von Ingenieuren und technischen Physikern im Vorwort dargelegt, und OS ist zu hoffen, dass diese offene und besonnene Meinungs- äusserung ihre klärende Wirkung haben werde. Doch zurück zum Gegenstande des vorliegenden Bandes. Inhaltlich ist das Buch in folgende fünf Abschnitte getheilt: 1) Dynamik des materiellen Punktes', 2) Dynamik des starren Körpers und des Punkthaufens, 3) dio Kelativbewegung, 4) Dy- namik zusammengesetzter S}'steme, 5) Hydrodynamik. Auf den Inhalt der Abschnitte im einzelnen eingehen, hiesse den zur Ver- fügung stehenden Raum arg überschreiten; es mag deshalb bei einigen Bemerkungen sein Bewenden haben. Bereits früher ist darauf hingewiesen worden , dass der Verfasser die Coordinaten- geomotrie möglichst vermeidet und mit Vectoren arbeitet. Das gilt auch von der Dynamik. Indessen ist das nicht so zu ver- stehen, dass die Coordinatendarstellung verbannt wird — _ man kann von einer Durchsetzung der letzteren mit der Theorie der Vectoren sprechen. Interessant ist auch, dass der Verfasser wie- derholt auf die Nützlichkeit des Plächensatzes hinweist, nament- lich bei der Behandlung des neuerdings vielfach theoretisch untersuchten Problems der Massenausgleichung bei Schiffs- mascliinen nach dem Schlick'schon Verfahren, das einen wichtigen Fortschritt im Bau der Oceandampfer herbeigeführt hat. Höchst beaehtenswerth sind auch dio Darlegungen über Hydrodynamik im fünften Abschnitt. Bekanntlich stimmt gerade in diesem Ge- biete das unter vereinfachton Voraussetzungen gewonnene theo- retische Resultat rocht wenig zu den thatsächlichen hydrodyna- mischen V^orgängen; es sei auf den Vortrag des Verfassers über „Ziele und Methoden der technischen Mechanik" auf der Braun- schweiger Naturforscher-Versammlung (Jahresbericht VI der Deut- schen Mathematiker- Vereinigung, herausgegeben im Auftrage des Vorstandes von G. Hauck und A: Gntzmer, Verlag von B. G. Teubner, Leipzig, 1898) hingewiesen. Natürlich liegt der bezeichnete Mangel an Uebereinstimmung daran, dass die Eigen- schaften der Flüssigkeiten in den theoretischen Voraussetzungen nicht genügend zum Ausdruck kommen. Dio Anregungen, welche der Verfasser nach dieser Richtung giebt, sind äusserst dankens- werth. Dass sich bei der Lektüre des Buches hin und wieder auch etwas Opposition rege macht, sei nicht verschwiegen; indessen ist das Ganze ohne Belang und erhöht höchstens noch den Reiz, den mit seiner originalen Dar.stellung ohnehin das interessante Buch auf den Leser ausübt. G. Andre Broca, Professeur agrege de Physique a la Faculte de .Medicine, La telegraphie sans Als. Paris 1899. Gauthier- Villars, Imprimeur libraire. Vorliegendes Werk ist in einer Sammlung von „Actualites scientifiques" erschienen und hat sich das Ziel gesteckt, die viel- besprochene Telegraphie ohne Draht, insbesondere natürlich die Marconische Erfindung dem Verständniss des Laien näher zu bringen. Dieser Plan ist geschickt durchgeführt. Mit gründlichster Sachkenntniss und umfangreichem, historischem Wissen ausgestattet entwirft der Verfasser ein anziehendes Bild von der Vorgeschichte der Telegraphie ohne Draht und bemüht sich, in gemeinverständ- licher Weise die Grundlagen der sensationellen Versuche Marconis populär darzustellen. Von den ersten Anfängen der Telegraphie von Lesage, Ampere und Morse führt uns der Weg der Dar- stellung mit zahlreichen Abschweifungen in die parallelen Er- scheinungen der Optik langsam zu Fizeau, Siemens, Thomson, zu Maxwell, Hertz, Righi u. v. a. Diese Darlegungen enthalten sich jeden mathematischen Beiwerks und sind für jeden, der nur die elementarste, physikalische Vorbildung besitzt, durchaus leicht verständlich. Wie eingehend und gewissenhaft Broca die Vorgeschichte der Telegrapliio ohne Draht behandelt, erhellt am besten daraus, dass von den 195 Seiten de.« Buches nur die letzten 30 das im Titel genannte Thema behandeln. Vielleicht ist die Vorgeschichte doch etwas gar zu umfangreich gerathen, immerhin wird der, der sich wirklich gründlich und nach allen Richtungen über dio drahtlose Telegraphie unterrichten will, dafür nur dankbar sein können. 15 Seiten behandeln dann die praktische Telegraphie ohne Draht und wägen ihre Vortheile und einstweiligen Nachtheile ge- schickt gegen einander ab; die letzten 10 Seiton enthalten als „Anhang" einige theoretisch-mathematische Ausführungen. Das Büchelchen sei hiermit bestens empfohlen. H. [illialt: Prof. V. Faussek: Die Autotomie und die Schmerzempfindlichkeit im Thierreicho. — H. Chr. C. Mor te nsen : Einige Wahrnehmungen über den Einfluss der Temperatur auf Mäuse. — Die Befruchtungsvorgänge bei den Phanerogamen. — Die „deutschen Grossstädte der Erde". — Die Ursachen der atmosphärischen Elektricität. — Das Problem der Eisheiligen des Mai. — Ueber weitere Eigenschaften der flüssigen Luft. — Litteratur: Paul Gerhardt, Handbuch des Deutschen Dünenbaues. — Dr. Eugen Traeger, Die Rettung der Halligen und die Zukunft der schleswig-holsteinischen Nordseewatten. — Aug. Föppl, Vorlesungen über technische Mechanik. — Andre Broca, La telegraphie sans fils. 276 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 23. 7\jiz%%y Steglitz bei Berlin. Meeh.-optisehe W^erkstätte. MIKROSKOPE 1 krystallogiaphisclK- iiud pctrugi.ipliische SUirtieu Neue photogr. Camera Ü. R. G.-M., 7int.Gr. s!" .ji-'doin Miki-oskop passend naclilieferbiii- Für Format 7x7 coiiiplet = 30 Mark, „ '-'xlS , =- 40 „ Gewicht Keues IjupenniiUroskop Tür directe Beob- achtung und fllr Photographie. 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Potonie unh Dr. ^. §mm^- 9JJit 40.5 ^Uuftrntioncii 21 Srilt in 4 §i. hxelit. 12 Park, in 4 ritg. frinrnliii. 16 Pnrii. aUid) in nadiftcl)enbcn ®onber=9hi§ga6en ä" ße^iefien: ®er 3ufnnniiciil)niui her 'üfahtrträftc. aßittcrung^funbe. SBIüte unb grudit «ahniugömiticl, Jcil 1, 174 S., gc6. I m. — Sie (Sr= iuil)rnug. S.Hnn .^iiftiuft bcr Jicre. 2cil 2, 108 S., geb. 0,ßO 3Dft. — i!luäiel)imgc'fratt unb C£-lcftriäitnt. Seit 3, 12.i if. — Sine itibnutafiereiie im Söcltaü (9l[troiuimie). Seil 16, 271 ®., geb 1,60 9JU. — Sic anftcdcuben Sraiifbciteii iiub bie 'Snfterien. Sie *Jvfhin,ieniuett unfrcr §eimat fünft uiib jeyt. 3)ic ©pcftrnliiurtUiie unb bie ('^■ij;ftcrnraclt. Seit 17, 178 ©., geb. 1 9JJf. — 9tbftnmmuugJlel)re unb T^iirluini-smus;. Seit 18, 128 ©., geb. 0,80 93». — %m bcr ts-rljaltimg ber .Sh-aft. Seit 19, 104 ©., geb. 0,60 Wt. — 'I"'ie 6iifmirfclnng ber i8eleud)timg-5tcd)nit. Stlinia» iülügie. Seil 20, 162 ©., geb. 1 9Jit — ®ie 9caturiDiffeuid)aft im (JrliH'rb'ölebcu. äBiffenicbaft iuib i5bilüjopl)ie. Seil 21, 92©., geb. Verantwortlicher Hedacteur: Dr. Henry Potoniö, Gr. Lichterfeldo-West bei Berlin, Potsdamerstrasae 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ts.. QmmmnsdisffliM Redaktion: Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düüimlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. IS, Zimmerstr. 94. XV. Band. Honiitag. den 17 Juni 1900. Nr. 24 Abonnement: Mau abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- y anatalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jt 4.- gjB Bringegeld bei der Post 15 A extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. JL Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 Ji. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. BeUagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdintk ist nnr mit vollständig^ei • Qiiellenang^abe gestattet. Lieber Terpenalkohole. Dr. II. Biiss. In der Industiic der kiiiistlielicii Rieelistoftc spielen einige der Klasse der Terpenalkohole angeliörige Körper und ihre Derivate eine bedeutende Rolle. Es sei hier z. ß. an das Rosenöl erinnert, dessen flüssiger Theil zu 90 % aus Terpenalkoholcn besteht, lerner an das Terpineol, welches mit anderen Körpern gemengt die Grundsubstanz des so 'beliebten Maiglöckchen -Parfüms bildet. Diese Körper werden entweder aus den ätherischen Oelen, in welchen sie sich vorfinden, isolirt, oder aber sie werden auf chemischem Wege künstlich dargestellt. In den ätherischen Oelen finden sie sieh aber nur in complieiiten Gemischen mit anderen ehemischen Verbin- dungen vor, um sie daraus rein zu erhalten, werden je nach den Eigenschaften des zu gewinnenden Körpers ver- schiedene Wege eingeschlagen. In den meisten Fällen genügt es, die Terpenalkohole durch einfache fractiounirte Destillation zu trennen. Ist der Alkohol fest, wie z. B. das Menthol, so kann derselbe auch durch Ausfrieren aus dem rohen Produkte gewonnen werden. Sind die Siede- l)unkte der verschiedenen Bestandteile so nahe beieinander, dass sie durch fractiounirte Destillation nicht genügend gereinigt werden können, so führt man oft den Alkohol in einen Ester über, dessen Siedepunkt dann genügend verschieden ist von den andern Bestandtheilen. Dies wird z. B. ausgeführt bei einem Gemisch von Borneol und Campfer, welches sich in vielen ätherischen Oelen vor- findet, oder man führt den Campfer in sein Oxim über, welches mit Wasserdampf nicht flüchtig ist und treibt dann das Borneol mit Wasserdampf über. Das Geraniol kann z. B. sehr leicht rein erhalten werden durch seine Eigenschaft, mit Chorcalcium eine feste Veibindung zu bilden. Eine ziemlich allgemein ver- werthbarc Methode zur Extraclidu von Terpcnalkoholen aus Gemischen stammt von Tiemann her. Sie besteht darin, dass man die Alkohole mit zweibasischen Säuren so behandelt, dass man die sauren Ester erhält, welche in alkalischem Wasser löslich sind und so von den nicht alkoholischen Bestandtheilen leicht getrennt werden können. Man verwendet hierzu Bernsteinsäureanhydrid, oder Camphersäureanhydiid, oder Phtalsäureanhydrid. Diejenigen Alkohole, welche ohne Zersetzung eine höhere Temperatur ertragen, werden entweder für sich allein, oder in einem Kohlenwasserstoff gelöst mit der theoretischen Menge Phtalsäureanhydrid erhitzt. Allein einige Alkohole, wie Linalol, Terpineol, wiu-den sich bei dieser Behandlung theihveise zersetzen. In diesem Falle j stellt man zunächst das Natriumsalz der betreffenden Alkohole dar durch vorsichtiges Auflösen von Natrium in Fadenform in den betreffeu'den Alkoholen bei niederer Temperatur, und lässt dann erst auf das gebildete Natrium- salz bei niederer Temperatur das Phtalsäureanhydrid ein- wirken. Nachdem sieh der saure Ester gebildet hat, wird er in alkalischem Wasser aufgelöst, die wässerige Lösung mit Aether ausgeschüttelt, um alle nicht alkoholi- schen Bestandtheile zu entfernen, durch Ansäuern der wässerigen Lösung mit verdünnter Schwefelsäure wird der saure Ester in Freiheit gesetzt und mit Aether extra- hirt. Erhitzt man nun nach Abdestilliren des Aethers den sauren Ester mit alkoholischem Kali, so wird er verseift, d. h. er zerfällt in seine zwei Bestandtheile, in Phtaisäure, welche als Natriumsalz gelöst bleibt, und in den Alkohol, welcher extrahirt und fractionnirt wird. Auf künstlichem Wege können die Terpenalkohole dargestellt werden ; 1. durch Wasscranlagerung (Hydratisirnng) an die Terpene ; 2. durch Reduction der entsprechenden Aldehyde oder Ketone. 27S Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 24. Die Terpene besitzen die Eigenschaft, die Elemente des Wassers zu fixiren an zwei durch eine doppelte Bin- dung verbundene Kohlenstoifatomc und zwar so, dass sich ein Wasserstott'atom au eines der beiden Kohlenstoftatome und die Hydroxylgruppe OH sich an das andere anlagert. Terpene mit den Atomgruppirungen — C= oder — C — I II CHg CHo scheinen zu dieser Wasseranlagerung besonders geeignet zu sein, und zwar geht die H3'droxylgruppe immer an das weniger hydrogenisirte Kohlenstoftatoui, also an dasjenige, wclclies mit — CHg oder ^CHg verbunden ist. Die Bedingungen, unter welchen diese Wasser- anlagerungen vor sich gehen, sind je nach den Terpenen verschieden. Man behandelt z. B. die Terpene in der Killte mit Ameisensäure oder Essigsäure. Man erhält dann zunächst den Ameisensäure- oder Essigester des gesuchten Alkohols, durch Erwärmen des Esters mit alkoholischer Kalilauge erhält man dann den Alkohol selbst. Ferners kann man die primären Alkohole durch Re- duction der entsprechenden Aldehyde und die secundären Alkohole durch Reduction der entsprechenden Ketone er- halten. So geht z. B. das Citral durch Behandeln in alkoholischer Lösung mit Natrium in den entsprechenden Alkohol, das Geraniol, über, das Citronellal in Citrouellol, der Campfer in Borneol, das Menthon in Menthol. Von den in der Natur sich vorfindenden Terpenalko- holen lallen für die Riechstoffindustrie besonders iu Be- tracht: Borneol, Isoborneol, Terpineol, Liualol, Geraniol, Citronellol, Menthol. Das Borneol, auch Camphol, Borneocampfer genannt, findet sich auf Borneo und Sumatra in den Stämmen von Dryobalanops camphora, ferners im Rosmarinöl, Rainfarnöl, als Ester in vielen L^ichtenholzölen. Das in der Natur vorkommende Borneol stellt sich im Preise höher als das durch Reduction von Campfer künstlich dargestellte, denn um es aus den Stämmen von Dryobalanops extrahiren zu können, ist es nothvveudig den ganzen Baum, welcher eine Höhe von 100 — 150 Fuss besitzt, umzuschlagen, wodurch denn auch dieser Baum immer seltener wird. Für die Industrie kommt deshalb nur die Darstellung des Borueols aus Campher entweder durch Natrium oder nach Berthelot durch Bebandeln bei 180" mit alkoholischem Kali, in Betracht, ferner auch die Hydratisirung des Camphens. Das Camphen wird aus dem Terpentinöl dargestellt, ferner wird es auch als Nebenproduct bei der Darstellung des Geraniols erhalten. Man mischt Camphen mit Eisessig und etwas Schwefelsäure, erhitzt während einigen Stunden auf dem Wasserbad auf 50—60" unter häufigem Schütteln, bis eine klare Lösung entstanden ist. Dann füllt mau durch Wasserzusatz das erhaltene Iso- bornylacetat aus und verseift dieses durch Erwärmen auf dem Wasserbad mit alkoholischem Kali. Das so aus dem Camphen gewonnene Product ist Isoborneol, dem Borneol isomer. Das Borneol ist ein fester Körper vom Schmelz- ))unkt 204", sein Geruch erinnert an den Geruch des Camphers und des Pfeffers, sein Geschmack ist brennend. Das künstlich dargestellte Borneol, das Isoborneol, zeigt geringe Unterschiede gegenüber dem natürlichen. Es schmilzt bei 212'^, seine Löslichkeit in den verschiedenen Lösungsmitteln ist eine etwas geringere. Das Borneol wird in der gewöhnlichen Parfumerie und für therapeuti- sche Zwecke verwendet, auch zum Einbalsamiren von Leichen. Von seinen Derivaten ist am wichtigsten das Bornylacetat, welches durch Behandeln von Bo'T.eol mit Eisessig erhalten wird. Es schmilzt bei 29" und hat einen ausgesprochen charakteristischen Geruch nach Tannen- nadeln. Das Terpineol findet sich in der Natur in verschie- deneu ätherischen Gelen, wie z. B. im Cardamomenöl Cajeputöl, Kessöl u. s. w., doch ist das im Handel sich vorfindende Terpineol stets künstlich dargestellt. In der Industrie wird es aus Terpin dargestellt. Das Terpin wird aus Piuen dargestellt, indem man an ein Molecül Pinen zwei Molecülc Wasser anlagert durch Steheulassen eines Gemisches von Pinen (Terpentinöl), Alkohol und Salpetersäure. Der Alkohol dient hierbei nur als Lösungs- mittel, die Salpetersäure wirkt isomerisirend, indem durch sie das Pinen zunächst in Limouen und dieses in Terpin- hydrat übergeht. Durch Behandeln dieses letzteren Pro- ductes mit heissen, sehr verdünnten Säuren geht es in Terpineol über, welches mau durch Destillation mit Wasserdampf isolirt. Oft wird das Terpineol auch nach Bertram und Walbaum durch Einwirkung von z. B. Essig- säure auf Pinen bei Gegenwart von wenig Schwefelsäure dargestellt. Hierdurch entsteht Terpineolacetat, welches mit verdünntem alkoholischen Kali erwärmt Terpineol liefert. Das Terpineol ist einer der am längsten be- kannten künstlichen Riechstoffe, die Litteratur über das Terpineol ist eine sehr umfangreiche, und seine Durch- forschung ist, da dasselbe in mehreren Isomeren aufzu- treten vermag, noch nicht beendet. Das Terpineol kommt sowohl als zähe Flüssigkeit wie auch in Krystallform in den Handel, das feste Terpineol riecht nicht so intensiv, wie das flüssige. Das flüssige ist aber wahrscheinlich kein chemisches Individuum, sondern ein Gemisch von Terpineol mit Terpenen (Terpinolen und Dipenten). Das feste Terpineol schmilzt bei 35'^. In beiden Formen kommt dem Terpineol ein stark fliederartiger Geruch zu. Es mnss in dunklen Flaschen gut verkorkt aufbewahrt werden, da es sich leicht verändert und dann einen terpenartigen Geruch annimmt. Wenn mau nach Voiry und ßouchardet Terpinhydrat mit Vio procentiger Schwefelsäure erwärmt, so soll man stets nur festes Terpineol erhalten. Das Terpineol wird in vielen Parfum- mischungen verwendet, wie z. B. Lila, Maiglöckchen, sehr oft wird es mit Heliotropin gemischt, da sich das Aroma beider Körper sehr gut vereinigt, ebenso mit Liualol, Geraniumöl, Cananga und Santalöl. Sehr viel wird es in der Seifenfabrikatiou verwendet, da es gegen Alkalien und auch gegen Säuren der Seife sehr beständig ist. Das Liualol wurde von Marin im Linaloeöl entdeckt, seither wurde seine Gegenwart constatirt im Bergamottöle, Lavendel und Petitgrainöle u. s. w. Es findet sich in diesen Oelen stets als Gemisch der beiden Isomeren Links- und Rechtslinalol, doch ist im Allgemeinen das Links- liualol vorherrschend. Das Linkslinalol wird aus dem Linaloeöle dargestellt, das Rechtslinalol aus demCoriander- öl. Die schnellste und billigste Methode der Isolirung des Linalols aus diesen ätherischen Oelen ist die fiactionnirte Destillation, da man unter gewöhnlichem Druck destilliren kann, ohne dass hierdurch das Liualol eine schädliche Veränderung erleidet. Ist neben dem Linalol kein anderer Alkohol vorhanden, so kann man es auch mit Hülfe seines sauren Phtalsäiireesters isoliren und rein erhalten, docii kann man diesen Ester nicht einfach durch Einwirkung des Phtalsäureanhydrids iu der AVärme auf das Linalol darstellen, da sich erstens das Linalol sehr leicht de- hydratisirt und zweitens unt er dem Einfluss von Säure- anhydriden sich in Geraniol umlagert. Man stellt deshalb zuerst das Natiiumsalz des Linalols dar, reinigt dieses und lässt dann erst auf dieses in kleineren Portionen das fein pulverisierte Phtalsäureanhydrid einwirken. Von wissenschaftlichem Interesse ist, dass der von Power und Kleber entdeckte Kohlenwasserstofl" Myrcen durch Hydratisirung in Linalol übergeht. Das Linalol besitzt einen sehr augenchnicn Geruch, in sehr verdünntem XV. Nr. 24. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 279 Zustande angeblich maibhimenartig. Gegen Alkali ist es sein- beständig-, vveslialb es sieh vovtheilhaft in der Seifen- tabiikation verwenden lässt. Von seinen Estern ist be- sonders das Acetat von Bedeutung, welcbes sich als „Bergamiol" im Handel vorfiüdet und als Ersatz für das Bergamottöl dient, das Bergamottöl verdankt auch der Gegenwart des Linalolacetats seinen Geruch. Das Linalol ist ein flüssiger Körper vom Siedepunkt 194 — 198", ebenso das Linalvlacetat, welches bei einem Drucke von 15 mm bei 99—105" siedet. Im Jahre 1871 wurde von Jacobseu im indischen Geraniumöl das Geraniol entdeckt, später wurde seine Gegenwart aucb im deutschen unfl französischen Geranium- öl nachgewiesen, ferner im Rosenöl, Ylang-Ylang, Lemou- gras, Citronellaöl und in verschiedenen Eucalyptusölen. Im Grossen w'ird es dargestellt aus indischem Geraniumöl und aus Citronellaöl. Das erstere enthält ausser Geraniol keinen anderen Alkohol, somit ist das Geraniol sehr leicht daraus zu isoliren, indem man die vorhandenen Ester des- selben zunächst durch Erwärmen mit alkoholischem Kali in ihre Bestandtheile zerlegt und dann nach dem Ver- dünnen mit Wasser das Oel mit Wasserdarapf abdestillirt. Um das Geraniol aus dem Citronellaöl zu gewinnen, müssen zuerst die aldehydischen Bestandtheile durch Be- handeln mit Bisulfit entfernt werden. Dann kann mau das Geraniol schliesslich rein gewinnen durch fraetionuirte Destillation, oder durch Ueberführung in den sauren Phtalsäureester. Die beste Methode seiner Eeinigung ist jedoch diese, welche auf seiner Eigenschaft beruht, mit Chlorcalcium eine feste Verbindung zu bilden, eine Eigen- schaft, welche weder dem Citronellol noch dem Linalol, welche das Geraniol häufig in Geraniiimölen begleiten, zu- kommt. Zu diesem Zwecke mischt man in einem Mörser die geraniolhaltige Essenz mit neutralem (also salzsäure- freiem), frisch geschmolzenem Chlorcalcium, welches fein pulverisirt ist. Wenn die Mischung fest geworden ist, kühlt man sie in einem Exsicator einige Stunden ab, x.crstösst dann das Product im Mörser und wäscht es mit absolutem Aether aus, wodurch die Verunreinigungen ent- fernt werden. Gicht man nun warmes Wasser zu, so wird die Chlorcalciumverbiudung wieder zersetzt und reines Geraniol in Freiheit gesetzt, welches nur einmal destillirt werden muss. Es siedet bei 110— 111° bei einem Drucke von 10 mm. Bei diesem Verfahren muss man hauptsäch- lich eine Eiwärmung von solchem Geraniol vermeiden, welches noch nicht vollständig von Chlorcalcium befreit ist, da sich sonst organische Chlorverbindungen bilden, deren Geruch ein sehr unangehmer ist. Bei höherer Temperatur geht Linalol beim Behandeln mit Essigsäureanhydrid in Geraniol über, doch hat diese Thatsache einstweilen nur wissenschaftliche Bedeutung. Die in den Handel gebrachten Geraniolarten sind im Ge- ruch verschieden. Ganz reines Geraniol erinnert an den Itoseugeruch. Allein wenn auch Geraniol und Citronellol den Haiiptbestandtheil des Rosenöls ausmachen, so ist doch sehr wahrscheinlich, dass der süsse Duft von andern, das Geraniol begleitenden Verbindungen herrührt, deren Natur uns einstweilen noch nicht genau bekannt i.st. Das Geraniol kommt nicht nur chemisch rein in den Handel, es wird auch über Rosen, Hyazinthen und Reseda- blütheu destillirt und als Rosen-, Hyazinthen- und Reseda- geraniol verkauft. Mit Citronellol vermischt, kommt es als Ersatz für Rosenöl unter vielen Namen in den Handel. Die Ameisensäure- und Essigsäureester des Geraniols riechen bergamottähnlich. Neben dem Geraniol findet sieh im Rosenöl und den verschiedenen Geraniumölen ein Alkohol, welcher von Tieraann und Schmidt als der dem Aldehyd Citronellal entsprechende Alkohol erkannt und als Citronellol be- zeichnet wurde. Nach Tiemann sind in den nach Rosen riechenden Oelen keine anderen Alkohole als Geraniol und Citronellol enthalten, und zwar enthält der alkoholische Bestandtheil des türkischen Rosenöls 75»/u Geraniol und 25% Citronellol. Das Citronellol i.st, wie das Geraniol, ein flijssiger Körper, in ganz reinem Zustande besitzt es einen sehr angenehmen aber schwachen Geruch nach Rosen. Trotzdem sich sein Herstellungspreis ziemlich hoch stellt, ist das Citronellol ein Handelsartikel geworden. Die als chemische Individuen beschriebenen Körper wie Reuniol, Rhodinol, Roseol etc. sind keine einheitlichen Ver- bindungen sondern sind Gemische von Geraniol und Citronellol mit Verunreinigungen. Als Ersatz für das w'irkliche Rosenöl haben diese Verbindungen für einige Zeit die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, doch ist heute ihre Verwendung eine ziemlich beschränkte. Erfolgreich ist ihre Anwendung bezüglich des Aromas dann, wenn man dieselben mit etwas wirklichem Rosenöl vermischt. Hierdurch erhält man Mischungen von sehr angenehmem ßouquet. Das Citronellol wird aus den ätherischen Oelen zunächst durch Behandeln mit Phtalsäureanhydrid extra- hiert, wie dies beim Geraniol beschrieben wurde. Man erhält so ein Gemisch von Citronellol und Geraniol. Aus diesem Gemisch wird der grösste Theil des Geraniols durch Chlorcalcium entzogen, allein es bleibt hierbei stets noch etwas Geraniol zurück. Um ganz reines Citronellol zu erhalten, müssen die ihm noch anhaftenden kleinen Mengen von Geraniol zerstört werden. Dies kann schon durch einfaches Erhitzen mit Wasser unter Druck geschehen im Autoclavcn, das Geraniol wird hierdurch zerstört und das Citronellol kann dann durch fraetionuirte Destillation ganz gereinigt werden. Nach Tiemann und Schmidt kann das Geraniol von dem Citronellol dadurch getrennt werden, dass man das Gemisch mit Phtalsäureanhydrid auf 200" erhitzt. Das Geraniol geht dann in einen Kohlenwasserstoff über, während das Citronellol in das entsprechende phtalsaure Salz übergeht. Ist das Citronellol mit viel (leraniol ver- mengt, so behandeln Tiemann und Schmidt das Gemisch in ätherischer Lösung in der Kälte mit Phosphortrichlorid. Alsdann bildet das Citronellol ein phosphorigsaures Salz, welches durch Sodalösung aufgelöst werden kann, durch Extraction mit Aether wird das aus dem Geraniol ent- standene Geranylchlorid neben einem Kohlenwasserstoff entfernt, durch Erwärmen mit Alkali wird dann aus dem Citronellyl-phosphorigsauren Salz das Citronellol in Frei- heit gesetzt, welches dann durch Destillation mit Wasser- dampf gereinigt wird. Ein Terpenalkohol, welcher neben seiner Verwendung in der Parfumerie aucb vielfach arzneiliche Verwendung findet, ist das Menthol, welches sich theils in freiem Zu- stande, theils als Ester hauptsächlich im japanischen Pl'efferminzöl findet. Aus diesem kann es gewonnen werden, indem man dasselbe zuerst mit einer alkoholischen Kalilüsung erwärmt, wodurch die Ester des Menthols ver- seift werden, man wäscht mit Wasser und reinigt das Menthol schliesslich durch fraetionuirte Destillation. Einfacher ist die Methode des Ausfrierens. Das Menthol ist ein fester Körper, welcher beim energischen Abkühlen des Pfeffermiuzöles auskrystallisirt und durch Ausfrieren gereinigt werden kann. Die abgeschwungenen flüssigen Theile enthalten das eut.sprechende Keton Men- thon , welches durch Behandeln mit Natrium in absolut ätherischer Lösung in Menthol übergeführt und wie be- schrieben gereinigt werden kann. Will man das Menthol absolut rein gewinnen, so muss es einer Serie von Krystalli- sationen oder der Behandlung von Phtalsäureanhydrid unterworfen werden. Das Menthol kommt in Form von 280 Natur^^•issenschaftHche Wochenschrift. XV. Nr. 24. feinen weissen Nädelchen in den Handel, es besitzt einen starken Pf'eifermiuzgevuch und einen frisclien Geschmack. Es ist unlöslich in Wasser, dagegen löslich in den ge- wöhnlichen organischen Lösungsmitteln. Oft wird es ge- fälscht durch Zusatz von Maguesiumsulfat, dessen Krystalle denen des Menthols sehr ähnlich sind. Diese Fälschung ist leicht nachzuweisen dadurch, dass man das verdäch- tige Product mit Chloroform schüttelt, das Menthol löst sich darin auf, Magnesiumsulfat aber nicht. Die Ver- wendungen des Menthols sind ausserordentlich zahlreich, abgesehen von seiner häufigen Anwendung in der Par- fumerie, für Zahnpulver, Zahnwasser, Liquors etc. wird es auch für therapeutische Zwecke verwendet. 80 haben die aus ihm dargestellten Antimigraininstifte einen ge- wissen Erfolg errungen. In alkoholischer Lösung wird es ferner gegen Krankheiten des Zahnfleisches, gegen Zahn- weh, gegen die Entzündung der Schleimhäute des Halses verwendet. Mit Collodium gemischt dient es dazu, Quetschungen zu heilen. Gegen Kopfweh wird eine Lösung von Menthol und Terpentinöl in Alkohol empfohlen, man giebt einen Kaffeelöffel voll dieser Mischung in eine Tasse heissen Wassers und athmet die Dämpfe ein, die Dämpfe des Menthols sollen gegen Congestionen der Nasenschleimhäute ebenso wirksam sein wie das Cocain, ohne dessen schädliche Nebenwirkungen zu besitzen. Von 162 Frs. i)ro Kilo im Jahre 1883 ist der Preis des Menthols auf 23 Frs. pro Kilo im Jahre 1898 gefallen. Die Autotomie und die Schmerzempfindlichkeit im Thierreiche. Von l'i-of. V. Faussck (Petersburg). Aus dum Kussischen übersetzt von S. Tsehulok (Zürich). (Schluss.) IV. Um uns oinigerniaassen klar zu machen, wie sich im Thierreiche bei den Vertretern der verschiedenen Gruppen eine so merkwürdige Anpassung ausbilden konnte, wollen wir zunächst die einfachsten elementaren Lebensformen, die Urthiere, betrachten, deren Studium zur Lösung mancher schAvieriger biologischer Probleme beigetragen hat. In seinen „Vorlesungen über Entzündungen" schildert Metschnikoff' die Reaction der Myxoniyceteuplasmodien auf einige Reize. Die Plasmodien der Myxomyceten oder Schleimpilze, (welche von einem Theil der Naturforscher zu den Pflanzen, von einem anderen zu den Tliieren ge- stellt werden), stellen ein gewisses Stadium in der Ent- wickelung dieser Organismen dar und erscheinen als eine Anhäufung grosser Massen nackten, bewegungsfähigen Protoplasmas. Bestreicht man den Rand eines solchen Plasmodiums mit Silbernitrat, wodurch das Protoplasma an dieser Stelle getödtet wird, so löst sich das Plas- modium von dieser abgestorbenen Partie seines Proto- plasmas los und entfernt sich von der Stelle, wo es durch den Reiz gestört wurde, während das abgestorbene Stück natürlich liegen bleibt. Dieser Verlust eines Theiles des Protoplasmas hat keinen Einfluss auf die allgemeine Lebensthätigkeit des überall homogenen Plasmodiums, es lässt den betroffenen Theil einfach auf seinem Wege liegen. In diesem Fall haben wir es mit dem Abwerfen eines bereits abgestorbenen Theiles zu thun, aber mit derselben Leichtigkeit können viele Urthiere auch noch lebende Partien ihres Leibes aufgeben. Die Rhizopode Difflugia, welche aus ihrem aus zusammengekitteten Sandpartikelchen bestehenden Gehäuse ihre langen feinen Pseudopodien aussendet, pflegt die- selben bei der geringsten Reizung zu contrahiren, um sie in die Schale zurückzuziehen. Da nun die Pseudopodien mit ihren etwas keulig angeschwollenen Enden an den Gegenständen ankleben, mit denen sie einige Zeit in Be- rührung waren, so werden diese Enden bei einer plötz- lichen Contraction sehr häufig abgerissen (Verworn). Auch in diesem Falle erklärt sich die Leichtigkeit, mit welcher das Thier auf einzelne Partipn seines Körpers vci'zichtet, durch die homogene Structur und die Leichtig- keit des Ersatzes. Das Thier verliert ja dabei kein Organ, sondern nur einen Theil der Substanz, aus welcher CS aufgebaut ist; das verloren gegangene ist leicht zu er- setzen, da das Thier fortwährend im Processe der Assi- milation immer neue Mengen Protoplasma erzeugt. Die zuletzt angeführten Beispiele stellen keine typische Auto- tomie dar, wie die eingangs erörterten; sie sollen uns nur zeigen, mit welcher Leichtigkeit ein Organismus einige Theile aufgiebt, wenn er homogen gebaut ist und rasch das verlorene zu ersetzen vermag.*) Diese beiden Merkmale, Homogenität der Structur und grosses Regenerationsvermögen, sind aber unter den verschiedenen Gruppen der niederen Thiere weit ver- breitet und daneben finden v.'ir bei ihnen das weitgehendste Selbstamputationsvermögen, ja sogar die Fähigkeit, in viele Stücke zu zerfallen. Von den zahlreichen Beispielen aus dem Stamme der Coelenteraten mag hier ein be- sonders prägnanter Fall angeführt werden. Die Actinicn sitzen mit ihrer breiten, sohlenförmigen Fussscheibe au den Steinen des Meeresbodens fest auf. Nach den Beobachtungen von Anders legen sich die Ränder der Fussscheibe der Unterlage so dicht au, dass bei einer Contraction der Fussscheibe, welche unter an- derem jedesmal geschieht, wenn das Thier über die Unter- lage hinwegkriechen soll, häufig Stücke der Fns.sseheibe abgerissen werden und au der Unterlage haften bleiben. Aus diesen abgerissenen Stücken bilden sich bald kleine aber vollständige Actinicn**). Unter den Würmern zeichnen sich viele Nemertiuen und Anneliden durch ein eben so hohes Regenerationsvermögen aus. Borsalia (eine Nemertine) zerfällt im Aciuarium in viele Stücke, von denen ein jedes wieder zu einem voll- ständigen Individuum werden kann. Viele Anneliden, deren Körper aus Ringeln aufgebaut ist, zerfallen so leicht in Stücke, dass es schwierig ist, ein unversehrtes Individuum zu bekommen. Wir gehen hier auf den *) Als eine typische Autotomie ist unter Jen Urthiereii, wie es scheint, das Abwerfen des Goissels durch einige Geissei- infusorien zu betrachten, welches nach Bfltschli durch verschiedene Reizmittel leicht herbeizuführen ist. ■ **) Citirt bei Lang: Ueber den Einfluss der festsitzenden Lebensweise auf die Thiere und über den Ursprung der unge- schlechtlichen Fortpflanzung durch Theilung und Knospung. Jena 1888. XV. Nr. 24. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 281 innigen Zusammenhang- zwischen Regeneration inid unge- schlechtlicher Fortpflanzung durch Theiluug und Knospung nicht ein. Eine Menge interessanter Angaben über diese Frage findet der Leser im oben citirten Werk von Prof. A. Lang. So ist z. B. die Ablösung der Proglottiden bei den Bandwürmern nach meiner Jleinung nichts anderes, als eine periodische Autotomie mit darauf folgender Regene- ration der verloren gegangenen Partien. Auch bei den Seesternen ist die Autotomie zu einer ganz ordinären Erscheinung geworden. Den Natur- forschern längst bekannt, wurde sie in neuerer Zeit von Preyer an den Seesternen des Golfes von Neapel ein- gehend studirt. Viele Asteroiden (z., B. Asterias tenui- spina) verlieren bei jeder Reizung einen, zwei oder mehr Arme, an deren Steile dann wieder neue sich bilden. Nur sehr selten finden wir bei einem Seestern alle Arme in gleicher Ausbildung, gewöhnlich sind die Spuren eines Verlustes und daraufgefolgten Regeneration eines oder mehrerer Arme darin zu erkennen, dass die regenerirteu Arme kleiner sind, als die ursprünglichen. Das Regenerationsvermögen dieser Thiere ist geradezu er- staunlich: nicht nur werden die verlorenen Arme regcue- rirt , sondern ein einziger abgelöster Arm (für einige Formen, darunter Asterias tenuisi)ina, ist das mit Sicher- iieit bewiesen) stirbt nicht ab, sondern regenerirt bald die centrale Mundscheibe und 5 — 7 neue Arme. Das Thier wird in diesen Fällen durch die Autotomie gar nicht beeinträchtigt; im Gegentheil: indem es von Zeit zu Zeit einige Arme verliert und dann regenerirt, ersetzt es die alten abgenutzten Organe durch neue jüngere und leistungsfähigere, es verjüngt sich gleichsam bei dieser Operation. Dazu kommt noch, dass die abgeworfenen Arme selbst zu neuen Thieren auswachsen können und so leistet die Autotomie unter anderem auch der Fort- pflanzung einen guten Dienst. Noch energischer erfolgt die Autotomie der Arme bei den sehr beweglichen Schlangensternen und bei den See- lilien (Crinideen, Comatula). Die langen beweglichen Arme dieser Thiere lösen sich sehr leicht vom Körper ab. Ein ganzer, vom Körper abgelöster Arm behält das Selbst- aniputationsvermögen bei (decenlralisirter Reflex wie bei den Siphonen des Soleeurtus). Auch bei diesen Thieren findet eine Regeneration der verlorenen Arme statt, aber iler abgelöste Arm kann nicht mehr zu einem vollständigen Individuum werden. Wird eine Comatula in Meerwasser von 37 — 38° C. eingetaucht, so macht sie noch einige Bewegungen mit den Armen, rollt sich oft zu einer Kugel zusammen und zerbricht dann in viele Stücke; jeder ihrer 10 Arme zerfällt dann in mehrere Stücke und verliert seine Anhänge, die Pinnulae. Bei der todteu Comatula sind dagegen die Arme lange nicht so zerbrechlich, wie man nach obigem Versuche glauben würde — eine Erscheinung, die wir bereits von den früher besprochenen Beispielen her kennen. Die Fähigkeit, bei einer Reizung in Stücke zu zerfallen, ist auch bei den Holoturien (Seewalzen) l)cobachtet worden und auch hier ist sie von einem ausser- ordentlich hohen Regenerationsverniögen begleitet. Als eine besondere Eigenthümlichkeit ist hier hervorzuheben, dass die Holoturien im Staude sind, auf starke Reize hin den ganzen Verdauungskanal und andere P^ingeweide auszuspucken, gleichsam sich selber auszuweiden. Die verlorenen Eingeweide werden nach und nach regenerirt. Ein ähnliches Ausspucken des Darmes hat neuHch Willey bei einer Ascidie des stillen Oceans beobachtet. Die angeführten Thatsacheu lassen eine Gesetzmässig- keit erkennen; es ist der Parallelismus, welcher in der Ausbildung des Regenerationsvermögens einerseits und des Selbstamputationsvermögens andererseits besteht. Zwar giebt es auch Ausnahmen — ■ so besitzt z. B. der Regen- wurm ein sehr hohes Regenerationsvermögen, ist aber zur Selbstamputation unfähig, und umgekehrt findet bei den erwachsenen Insekten, wie wir bereits gesehen haben, eine Autotomie ohne Regeneration statt — trotzdem ist aber der Parallelismus unverkennbar und eine einfache Ueberlegung zeigt, dass er sogar nothwendig bestehen muss: so lange der Organismus einen verlorenen Theil leicht ersetzen kann, ist es ihm von Vortheil, im Kampfe mit den Feinden einzelne Partien zu opfern, um das Ganze zu retten. Solange der thierische Organismus die ursprüngliche Homogenität in seiner Organisation bewahrt, — mögen ein und dieselben Organe den Körper seiner ganzen Länge nach durchziehen, wie bei den Nemertinen, oder mag das Thier aus vielen analogen, d. h. gleich funetionirenden Organen bestehen, wie die Anneliden und Seesterne, — ist für ihn der Verlust eines Theiles mit keiner Lebensgefahr verbunden, da die bei ihm zurück- gebliebenen Organe sein Leben zu erhalten vermögen, bis der verlorene Theil wieder regenerirt ist. In dem Maasse aber als die Organismen complicirter werden, sich immer mehr differenziren und immer weniger analoge Organe besitzen, sondern im Gegentheil aus verschiedenen, aber streng untereinander coordinirten Organen aufgebaut werden, wird der Verlust eines Theiles immer bedenk- licher, denn ein Organ kann in seiner Function von keinem anderen ersetzt werden. Demgemäss sehen wir im Thierreiehe mit steigender Organisationshöhe das Regenerationsvermögen der Organe und damit im Zu- sammenhang die Fähigkeit zur Autotomie in stetiger Ab- nahme begriffen; kommt bei höheren Thieren die Auto- tomie und Regeneration von Organen vor, so beschränkt sie sich immer nur auf Organe, die entweder ent- behrlich (Schwänzende der Eidechsen) oder in grösserer Anzahl vorhanden sind (Beine der Krebse, After- spinnen). Alle niederen Thiere, bei denen nur eine unvoll- kommene Coordination der Organe und Functionen be- steht, zeichnen sich ferner dadurch aus, dass ihre ein- zelnen vom Ganzen abgetrennten Theilc ein sehr zähes Leben haben. Monticelli schnitt bei Cucumaria plauci, — einer Seegurke mit hohen Regenerationsvermögen, kleine Stücke aus der Haut heraus und stellte fest, dass ein jedes dieser Hautstücke sich zu einem Röhrchen zusammenrollte, dessen Räuder zusammenwuchsen, und dass diese Röhrchen mit Hülfe der auf der Oberfläche der Haut zerstreuten Füsschcn noch nach 2 — 3 Monaten am Boden des Aquariums herum- kriechen konnten. Dabei sind an diesen Röhrchen keine Regenerationsvorgänge beobachtet worden und sie sind doch endlich sämmtlich dem Tode anheimgefallen, merk- würdig ist aber die erstaunliche Lebensfähigkeit dieser Hautstücke und der hohe Energievorrath, der in ihnen enthalten ist (dauerndes Bewegungsvermögen ohne Nah- rungsaufnahme). Und solange als sich im Thierreiehe das Selbstamputations und Regenerationsvermögen erhalten haben, blieben auch die vom Körper abgelösten Partien mit einem erstaunlich zähen Leben begabt: beim Seestern liefert ein einziger Arm sogar einen ganzen neuen See- stern; die Ringel der Siphonen von Soleeurtus fahren fort, noch mehrere Tage nach ihrer Ablösung vom Sipho sich zu contrahiren; und ist nun die Autotomie der Organe bei den höheren Thieren — Krabben und Eidechsen — nur der letzte Rest eines unter den niederen Thieren weit verbreiteten Vermögens in Stücke zu zerfallen, so sind die krampfhaften Zuckungen der Beine der Afterspinne und des Eidechsenschwanzes die letzten Andentungen der physiologischen Selbstständigkeit, welche den einzelnen Naturwissenschaftliche Wochenschrift . XV. Xr. 24. Theilen der niederen Thiere in so hohem Grade zu- kommt.*) Nun ist es klar, dass es sehr unzweckmässig wäre, einen Organismus mit dem Selbstverstümmelungsvermögen auszurüsten, wenn er nicht mehr im Stande ist, die ver- loren gegangenen Organe zu regeneriren. Es musste tolglich mit der Abnahme des Regenerationsverraögcns auch eine Abnahme der Fähigkeit zur Autotomie Hand in Hnnd gehen. Es musste sich im Organismus ein hemmendes Princip entwickeln, welches die Autotomie hintanhalten würde; da diese aber immer durch energische Muskelcontraction bewerkstelligt wird, so musste das hemmende Princip sich in der Weise äussern, dass eine Muskelcontraction verhindert werde, sobald dieselbe die Integrität der Gewebe gefährdet. Worin konnte nun dieses hemmende Princip bestehen? Mir scheint, dass es sich in der allmählichen Ent- wickelung der Schwerempfiudlichkeit bei den Thieren äusserte. Die Frage, ob alle Thiere in derselben Weise wie wir den Schmerz empfinden, ist für uns ein Buch mit sieben Siegeln. Wir können freilich mit voller Sicherheit behaupten, das der Affe, der Hund, die Katze, das Pferd, ja sogar alle Säugethiere und Vögel ungefähr dieselben Schmerzempfindungen haben wie wir selbst. Aber schon bei der Betrachtung der wechselwarmen Wirbelthiere sehwindet diese Sicherheit unseres Urtheils in einem ganz erheblichen Maasse und wenn wir gar die wirbellosen Thiere ins Auge fassen, so verlieren wir jedes sichere Criterium zur ßeurtheilung der wahren Natur ihrer Em- pfindungen. Die guten Seelen denken zwar ganz anders und sind bereit, die menschlichen Leiden und Schmerzen nicht allein sämmtlichen Thieren, sondern auch den Pflanzen zuzu- schreiben, indem sie so den Vegetariern jeden Weg zur Rettung absehneiden. Ihre Schlussfolgerungen stehen aber auf sehr schwachen Füssen und verraten nur einen rohen Anthropomorphismus, eine naive Uebertragung der Qualitäten des menschlichen Geistes auf die gesammte Natur. Wir streifen damit eine interessante Frage der Moral : die Frage nach den Grenzen des Mitleidsgefühls — auf die wir aber hier nicht näher eingehen können. Zwar giebt es Leute, darunter sogar Philosophen von Fach, welche ein „universelles Mitgefühl" predigen; ihre Forde- rung ist aber ebensowenig durch stichhaltige Beweise begründet, wie ihre naive Vorstellung von der Schmerz- empfindlichkeit aller lebenden Wesen. Unser geistiger Verkehr mit der Thierwelt ist nur auf einige wenige Vertreter derselben (z.B. denHund) beschränkt und auch bei diesen doch noch so gering, dass wir uns über den Grad ihres Bewusstseins, sowie überhaupt über ihre Seelenthätigkeit nur eine unklare Vorstellung zu bilden vermögen. Und wenn wir ein Thier in einer Lage sehen, welche in uns Schmerzempfindungen hervorrufen würde, so können wir über dessen subjeetiven Empfin- dungen nur auf Grund seines Benehmens, hauptsächlich seiner Bewegungen urtheilen.**) ''■) Unter den Wirbelthieren scheint die Fähigkeit zur Auto- tomie nur noch bei den Eidechsen sich erhalten zu haben. Was Frenze! vom Abreissen der Haut am Schwanzende des Sieben- schläfers (Mnscardinus avellanarius) angiebt, scheint mir noch sehr zweifelhaft; viel eher könnte die Ablösung der sogenannten hinfälligen Haut (Decidua), d. h. einer gewissen Partie der Gebär- mutterschleimhaut, nach der Geburt der höheren Säugethiere mit einem gewissen Rechte als eine Selbstamputation aufgefasst werden. **) Das gilt natürlich für den gegenwärtigen Stand unseres Wissens, und ich möchte damit nicht gesagt haben, dass die Haben wir nun Gründe genug, um unter diesen Um- ständen unser Mitleidsgefühl ohne Einschränkung auf die Thiere zu erstrecken? Eine derartige Antwort auf diese Frage lässt sich zur Zeit nicht geben; es sollen aber im Folgenden eine Reihe von Thatsaehen angeführt werden, welche uns einige Anhaltspunkte zur Beurtheilung der Schmerzempfindlichkeit der Thiere liefern werden. Zahlreiche Beobachtungen zeigen, dass bei Insekten die schwersten Verletzungen die normale Thätigkeit der Thiere nicht stören; sie zeigen ein Benehmen und Hand- lungen, welche, von unserem subjeetiven Standpunkt aus beurtheilt, bei heftigen Schmerzempfindungen ganz un- möglich wären. Schon im vorigen Jahrhundert beob- achtete Charles Bpnnet, dass eine entzweigeschnittene Ameise, oder eigentlich die vordere Hälfte derselben, noch in ganz normaler Weise 8—10 Pup])eu zu trans- portiren vermochte. Eine Hummel mit abgeschnittenem Abdomen fährt fort Honig zu lecken; der Hornisse (vespa crabro) kann man das Abdomen abschneiden, während sie Honig saugt, ohne dass sie dabei ihre Mahlzeit unter- bricht; eine Minute nach dem Abschneiden eines Fühlers, also eines besonders empfindlichen Organs, beginnt sie wieder an einer Birne zu saugen. Geköpfte Insekten (Fliege, Gottesanbeterin) sind noch zur Paarung befähigt; bei einigen Insekten wird das Männchen während der Paarung von irgend einem anderen räuberischen Insekt — bei der Gottesanbeterin (Mantis religiosa) sogar vom Weibehen selbst nach und nach verzehrt; trotzdem findet darin das Männchen keinen Anlass, um seine Beschäfti- gung, die Begattung, zu unterbrechen. Die Grille be- ginnt an ihrem Abdomen zu nagen, wenn man ihn dem Munde nahe bringt. Einige Geradflügler (Ephippigera Vitium, Saga serrata u. a. m.) verzehren ihre eigenen Vorderbeine, wenn sie in Gefangenschaft gehalten werden.*) Alle derartige Erscheinungen stehen offenbar im Zu- sammenhang mit der schwachen Centralisation des Nerven- systems bei den Inseeten; dasselbe ist bekanntlich in eine Reihe von Eiuzelknoten aufgelöst, die auf die Körper- segmente vertheilt sind; und wenn auch die Schlund- ganglieu dem Anschein nach die Rolle eines höheren Nervencentrums spielen, welches in einem gewissen Grade dem Gehirn der Wirbelthiere analog ist, so bleiben doch die Empfindungen nur sehr schwach centralisirt; man kann annehmen, dass die Schmerzempfindungen des einzelnen Segmentes nicht in genügendem Maasse vom Ganzen empfunden werden. Es wäre also irrthümlich, anzunehmen, dass alles Möglichkeit, in das psychisclie Leben der Thierwelt einen tieferen Einblick zu gewinnen, für immer ausgeschlossen ist. Die Ge- schichte der Wissenschaften zeigt viele Beispiele dafür, dass Probleme, die einer Generation als unlösbar erschienen, von der nachfolgenden Generation vollständig gelöst werden. *| Die angeführten Thatsaehen sind den Arbeiten von Künckel d'Herkulais, Wasmann und W)ad. Wagner entnommen. Uebor Orthopteren vergl. Werner „Die -Selbstverstümmelung bei Heu- schrecken", Zoolog. Anzeiger XV, 1892. Dass die Thiere in Ge- fangenschaft ihren normalen Appetit verlieren, ist begreif lieh; wenn sie aber dabei sich selbst zu verzehren beginnen, so deutet das auf eine geringe Schmerzempfindlichkeit. Es gehört ferner hierher die Beobachtung, welche Eisig in Neapel an den Kraken gemacht hat; im Zustande der Erschöpfung, welcher nach voll- zogener Fortpflanzung sich einstellt, fressen diese Thiere ihre eigenen Arme ab. Dabei verschmähen sie jede ihnen gereichte Nahrung und gehen bald zu Grunde. Die Kraken sind mit aus- gezeichneten Sinnesorganen und einem sehr centralisirten Nerven- sy.stem ausgestattet. Hier ist also der Satz von der Autonomie der einzelnen Körpertheile, durch welche diese Erscheinungen bei den Gliederfüsslern sich erklären Hessen, nicht anwendbar. Ausserdem scheint diesen Thieren ein relativ hoch entwickeltes Seelenleben zuzukommen. Das Abfressen der Arme geschieht aber hier nur im krankhaften Zustande, in welchem die Empfindlichkeit ab- geschwächt und die Seelenthätigkeit unterdrückt ist: Eisig schildert ihr Benehmen in diesem Falle geradezu als „verrücktes Thun." XV. Nr. 24. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 283 lebendige den Schmerz empfinde, und da.ss überall, wo ein Nervensystem ausgebildet ist, aucli die Schmerz- empfindlichkeit entwickelt sei. Ebenso irrtliümlich ist es, die Reaction eines Thieres auf eine Verletzung, besonders die heftigen Bewegungen desselben als einen Beweis für seine Scbmerzenipfindliehkcit anzusehen. Drückt man mit dem Finger auf einen kriechenden Regenwurm, so beginnt er sich mit dem ganzen Körper zu krümmen und zu winden. Man würde glauben, er empfinde dabei einen Schmerz. Schneidet man aber denselben Wurm entzwei, so zeigt nach den Beobachtungen von Normann nur die hintere Hälfte die auffallenden, heftigen Krümmungen, während der vordere Theil ruhig seinen Weg fortsetzt. Sollen wir denn annehmen, dass gerade die hintere Körperhäli'te den Selimer/, empfindet, während die vordere empfindungs- li)s ist.^'; Wiederliiilen wir den Versuch, indem wir die lihiterc ilälilc des Wurmes wieder halbiren, dann zeigt sich dieses auffallende Verhalten der Stüi^ke von neuem: die hintere Hälfte, also jetzt das hinterste Viertel des Wurmes contrahirt sich heftig, während der vordere Theil sich ruhig vorwärtsbevvegt. Jede Reizung ruft eine Muskel - contraction hervor, welche zur Fluchtbewegung führt; wenn aber der Reiz selbst von der Art ist, dass er eine geordnete Bewegung stört (und das ist hier während der Ol)eratiou für die hintere Körperhälfte der Fall), so resul- tirt statt der coordinirten Fluchtbewegung eine unregel- mässige krampfhafte Contraction verschiedener Muskeln. Dass aber eine heftige Muskelcontraction, durch eine lokale Reizung verursacht, an und für sich noch nicht auf eine Schmerzempfindung hindeutet, wissen wir aus Erfahrung: Beispiele: Husten, Niesen, Kitzeln. Welche heftige, krampfhafte Bewegungen ruft das Kitzeln bei einem Kinde hervor! — und doch wissen wir, dass seine Empfindungen mit dem Sehmerz nichts zu thun h^ben. Zur Erleichterung des Verständnisses eines solchen Zustandcs von Organismen, bei denen die Empfindungen der einzelnen Theile nicht zum Bevvusstsein des Ganzen ge- langen, sollen uns Experimente dienen, die an höheren Wirbelthieren angestellt wurden. Goltz und Ewald stellten am Hund folgenden Versuch an : es wurde das Rücken- mark an zwei Stellen quer durchschnitten, in der Hals- regioii unterhalb der Austrittsstelle der Athmungsnerven (sonst wären die Athembewegungen gestört) und in der Lendenregion oberhalb der Stelle wo die Nerven der Hinterbeine aus dem Rückenmark austreten. Das weiter unten liegende Stück des Rückenmarks wurde ganz entfernt. Die Operationen wurden natürlich unter tiefer Narkose und mit allen nothwendigen Vorkehrungen vorgenommen. ) Ich beschränke mich au dieser Stelle darauf, den Zu- hang klarzulegen, welcher zwischen Schmerzempfindiichkeit und Selbstamputationsvermögen nach meiner Ansicht besteht. Es lag mir durchaus fern, alles anzuführen, was für und gegen die Annahme der Schmerzempfindlichkeit der Thiere ausgesprochen wurde. Derartige Angaben finden sich gewiss in grosser Menge schon bei den älteren Autoren sowie in psychologischen Werken zerstreut. So legt Laujarck in seiner „Philosophie zoologique" eine scharfe Grenze zwiticlu-n Reizbarkeit (irritabilite) und Era- pHndlichkcit (sensibilite) der < )rganismen; letztere schreibt er nur Organismen mit hochentwickeltem Nervensystem zu; „vivre ce n'est pas pour cela sentir". Lewes behandelt in seinen .,Studien am Mcercsstraudo" diese Frage etwas ausführlicher und kommt zum Schlüsse, dass die Sehmerzempfindlichkeit eine specifische Em- pfindungsform darstellt, welche den niederen Thieren abgeht. Die hier vertretene Ansicht schliesst sich also an diejenige von Lewes an und stellt eine weitere Entwickelung derselben dar; ich muss übrigens bemerken, dass diese Skizze bereits vollendet war, als mich ein Freund auf die Betrachtungen von Lewes auf- merksam machte. Lewes citirt unter anderem einen Artikel des Dr. Jumann, der betitelt i.st: „Es giebt keinen Schmerz bei den niederen Thieren" und in den „Proceedings of the Liverpool Literary and Philosophical Society" XIV, 1S48 veröfi'entlicht wurde. Leider konnte ich diese Zeitschrift in Petersburg nicht linden. Die Wunden vernarbten bald, das Thier ernährte sieh ganz normal und konnte bei guter Pflege ziemlich lange am Leben bleiben. Der Theil des Rumpfes, welcher unter- halb des Rückenraarksdui'chschnittes lag, war natürlich paralysirt; da seine Verbindung mit dem Gehirn geh'ist wurde, so wurde dieser Theil vom Thiere nicht em- pfunden. In functioneller Beziehung bestand ein solches Thier aus drei Theilen. Der vordere Theil des Thieres ass, trank und athmete für sieh und für die hinteren Partien, ohne von deren Existenz die geringste Ahnung zu haben. Denn keine Empfindungen des hinteren Körper- theiles konnten dem vorderen übermittelt werden; also auch ein Schmerz im Rumpf oder in den Hinterbeinen konnte vom Thier nicht empfunden werden. Die mittlere Partie des Thieres, diejenige, welcher noch ein RUekenmarksabschnitt erhalten blieb, war noch zn einigen Reflexen befähigt: kratzte man eine Stelle des Rückens, so begann die Haut zu zittern, dieses Zittern ging aber weder auf die vordere noch auf die hintere Körperpartie über. Der hintere Rumpf- abschnitt, aus welchem das Rückenmark cxstirpirt wurde, war vollständig paralysirt*) und seine Muskeln degene- rirten rasch. Ein solches Thier ist also aus verschiedeneu Theilen zusammengesetzt, und trotzdem das Herz, die Lunge und der Darm für das ganze Thier ihre Arbeit verrichten, so werden doch die Reize, die von den ein- zelnen Theilen empfangen werden, nicht in eine Em- pfindung des Ganzen umgesetzt. Ein ähnliches Bild muss die Nerventhätigkeit eines Seesterues oder eines Ringel- wurmes darstellen. In einem Versuche von Goltz wurde der Schnitt in der Halsregion so hoch geführt, dass auch die Vorder- beine vom Gehirn nicht mehr innervirt werden konnten und paralysirt wurden. Wie wenig das Thier die Existenz seiner Beine als Theile seines Körpers empfunden hatte, zeigte folgendes Ereigniss: als das Thier sich erholte, begann es einmal in froher Stimmung seine eigene Vorder- tatze zu benagen, und brachte es soweit, dass das Bein amputirt werden musste. Es konnte nicht durch Hunger dazu veranlasst werden, denn es wurde geradezu ge- mästet. Man musste dem Versuchsthiere einen Maulkorb anlegen. Diese Beobachtung führt zum Schlüsse, dass selbst bei einem geistig so hochbegabten Thiere das Be- wusstsein der Integrität des Organismus nur durch seine Empfindungen fortwährend aufrechterhalten wird: DerHnnd „erkennt" sein Bein nicht, wenn er dasselbe nicht empfinden kann. Die Grille, die ihr Abdomen benagt, die Heu- schrecke, die ihre Beine verzehrt und die Kraken, die im krankhaften Zustande ihre Arme auffressen, bieten eine völlige Analogie zu dem eben geschilderten Fall. Was nun den Mechanismus der Schmerzemptindung anbetriö't, so gehen die Ansichten der Physiologen in diesem Punkte noch sehr auseinander. Nach der einen Auffassung (Ziehen) stellt der Schmerz keine specifische Empfindungsform dar, sondern einen jede starke Reizung der seusibeln Nerven begleitenden „Gefühlston" der Em- pfindung; die über eine bestimmte Grenze ausgehende Reizung eines sensibeln Nerven wird schon als Schmerz empfunden. Auch Wundt misst dem Schmerz nicht die Bedeutung einer selbstständigeu Empfinduugsform bei: jede gewöhnliche Sinnesempfindung wird, wenn sie eine bestimmte Stärke erreicht, zum Schmerz.**) Nach dieser Ansicht ist also der Schmerz nur das Resultat einer Ueber- reizung irgend eines Sinnesnerven. Allein wenn wir auch von den specifischen Sinnesnerven der höheren Sinncs- *) Eine merkwürdige Ausnahme bildete der hintere x\bschnitt des Darmes. Doch können wir hier auf diesen Gegenstand nicht näher eingehen. **) Grundzüge der physiologischen Psychologie. 4. AuHage, Seite 436. 284 Naturwissenscliaftliclie Wochenschrift. XY. Nr. 24. Organe absehen, bei deueu keine noch so starke Reizung eine Schmerzempfindung hervorruft (die stärkste Reizung des Sehnerven giebt nur eine Lichtempfindung), so existirt noch eine Reihe von Beobachtungen, welche uns zur An- nahme zwingen, dass die Schmerzempfiudliehkeit eine ganz besondere specifische Function des Nervensystems bildet, für welche die Physiologie auch gesonderte Bahnen und Centra im Nervensystem postuliren niuss. Durchschneidet man bei einem Säugethiere das Rücken- mark oberhalb der Austrittsstelle der Lendennerven in der Weise, dass nur die hinteren Büschel der wei-ssen Substanz intact bleiben, so stellt sich in der hinteren Rumpfpartie eine Analgesie (Verlust der Schmerzcmiifindlichkeit) ein, trotzdem diese Körperpartie die Ta.stempfindlichkeit bei- behält: bei Berührung eines Hinterbeines zuckt das Thicr mit den Ohren und zeigt ganz deutlich, dass es die Be- rührung empfindet; wird aber dasselbe Bein zerschmettert, so bleibt das Thier ganz ruhig und gleichgültig. Es werden folglich dem Gehirne durch die hinteren Büschel der weissen Substanz des Rückenmarkes die Tast- empfindungen, nicht aber die Schmerzempfiuduugen zu- geführt. Aehnliche Beobachtungen wurden auch an Menschen gemacht, in pathologischen Fällen, besonders bei Rückenmarksstörungen. Ausser der Analgesie wird in solchen Fällen manchmal eine grosse Differenz in der zur Leitung der einzelnen Empfindungen erforderlichen Zeit beobachtet: die Sehmerzempfindungen verspäten meist gegenüber den Tastempfindungen. Es ist ferner bekannt, dass bei der durch Narkose (Chloroform uud Aether) hervorgerufeneu Analgesie die Tastempfindlichkeit noch eine Zeit laug erhalten bleibt, nachdem die Schmerz- empfindlichkeit bereits geschwunden ist. Und umgekehrt lässt sich durch Injectiou gewisser Substanzen (Sapouin) eine Unterdrückung der Tastempfindungen unter Bei- behaltung der Schmerzemfindhchkeit erzielen. Alle diese Erscheinungen veranlassen einige Physiologen zu der An- nahme, dass „wenigstens vom Rückenmark an eine Trennung der Bahnen und Apparate für Tast- und Schmerzempfindungen stattfindet" (Funke), es ist aber sehr wahrscheinlich, dass diese Trennung auch schon in den peripherischen, reizpercipirenden Apparaten — also schon in den Nervenendigungen existirt. Darüber sind aber die Ansichten der Autoren noch nicht einig. Die einen nehmen an, dass alle Sinuesnerven zur Vermittlung von Schmerzempfindungen befähigt sind, und dass die Bahnen für Schmerz- und Tastempfindungen sich erst im Rückenmark scheiden. Die anderen glauben, dass die Nervenendigungen, welche die Temperaturein- drücke vermitteln, für sich eine Gruppe bilden, während die Nervenendigungen für Tast (-Druck) Empfindungen zugleich auch die Schmerzempfindungen vermitteln. Und endlich giebt es Forscher, welche die Existenz gesonderter Endigungen und Leistungen zur Vermittelung von Wärme, Kälte, Druck und Schmerz zu beweisen suchen. Nach den Beobachtungen von Frey dienen zur Pereeption voij Schmerzempfinduugen besondere Schmerzpunkte, welche auf der Körperoberfläche zerstreut sind und durch sorg- fältige Untersuchung der Empfindlichkeit der Haut ge- funden werden können. Dabei giebt es Stellen — ge- wisse Theile der Körperoberfläche oder Haut — , welche die eigentliche Tastempfindlichkeit vollständig entbehren und in welchen jede Berührung schon als Schmerz em- pfunden wird : hierher gehören die Hornhaut des Auges "(Cornea), das Dentin und die Zahnpnlpa. Die Unab- hängigkeit der Druckpunkte und Schmerzpunkte von ein- ander sucht Frey mit der Existenz von Nervenendigungen von verschiedener Form in Beziehung zu bringen; die freien Nervenendigungen müssen nach seiner Ansicht zur Aufnahme von Schmerzempfindungen dienen, während anders geformte Nervenendapparate den Temperatur- ujprt Drucksinn vermitteln. Es müsste dann für die Schmerz empfiudungen ein besonderer selbstständiger nervöser. Apparat im Organismus existiren und mau könnte dann von Schmerznervensprechen, ebenso wie man z.B. von Sehnerven spricht. Der Schmerz wäre dann als eine specifische Empfindung aufzufassen, welche von anderen Arten von Empfindungen qualitativ verschieden sein müsste. Frei- lich harrt diese Frage noch auf ihre endgültige Lösung. Wenn aber die Schraerzempfindlichkeit eine specifische Leistungsform unseres Nervensystems darstellt, so sind wir berechtigt, auzuuehmen, dass auch diese Funktion sich erst entwickeln müsste und nicht schon auf den untersten Stufen des organischen Lebens in derselben Form existirte. Und es drängt sich der Gedanke auf, diese Funktion des Nervenlebcns zum mehr oder weniger hoch entwickelten Regenerationsvermögen der Organe in Beziehung zu bringen. Alle Functionen unseres Organismus haben irgend einen Nutzen. Folgt auch diese Funktion dem Nützlichkeitsprincipy Und worin besteht ihr Nutzen für den Organismus des Thieres? Diejenigen Leser, welche das Zahnweh aus Erfahrung kennen, werden vielleicht bei dieser Frage höhnisch lächeln! Und doch lässt sich durch eine einfache Ueberlegung der ungeheure Nutzen des Schmerzes evident machen. Der Schmerz ist ein Signalapparat, welcher uns über die Integiität und Un- versehrtheit unseres Organismus in Kenntniss setzt. So- bald den Geweben des Körpers an irgend einer Stelle eine Verletzung droht, werden wir durch diesen Signalapparat davon unterrichtet uud veranlasst zur Abwendung der Gefahr Maassregeln zu treffen. In der Mehrzahl der Fälle werden diese Maassuahmen reflectorisch ohne Mitwirkung des Bewusstseius und Willens getroffen; versuchen Sie einen Finger ins Feuer zn stecken, Sie werden sich bald überzeugen, wie exact dieser selbstthätige Apparat ar- beitet. Stellen wir uns jetzt vor, dass wir bei derselben Feinheit und Angreifbarkeit unserer Gewebe die Schmerz- emptindlichkeit entbehren würden: wir würden die Gefahr laufen, uns jeden Augenblick zu verbrennen, die Knochen zu brechen, die Haut und Muskeln zu zerreissen — und ein bewusstes Vermeiden all dieser Gefahren würde einen solchen Aufwand von Willen und Aufmerksamkeit erheischen, dass bald das Leben selbst zur Unmöglich- keit werden müsste. Nehmen wir aber einen Organismus, dessen Gewebe, wenn auch ebenso fein uud leicht zerstörbar, einen hohen Grad von Regenerationsvermögen besitzen, so ist für einen solchen Organismus der Nutzen des Schmerzes ein viel geringerer. Ein solches Thier braucht die Zerstörung oder den Verlust einiger Theile nicht so sehr zu be- fürchten, es wird ja dieselben sofort wieder regeneriren. Es hat sogar einen Vortheil, indem es auf den angegriifeuen Theil verzichtet, um die Gefahr nicht auf das Ganze zu lenken. So verfährt die Difflugia nach den Beobachtungen von Verworn, und auf dem Boden dieser Bestrebungen zur Sicherheit des Organismus entstand und entwickelte sich die Autotomie im Thierreich. Eine stark entwickelte Schmerzempfindlichkeit wäre für ein solches Thier nicht nur nutzlos, sondern geradezu nachtheilig. Complicirt sich aber die Organisation des Thieres und sinkt sein Regenerationsvermögen, dann ist das Ver- hältniss ein ganz anderes. Der Organismus muss bestrebt sein, seine Gewebe intact zu erhalten und eine Autotomie zu verhindern. Diese neue Verrichtung fällt natürlich dem Nervensystem zu; dieses bildet eine neue Function — die Schmerzempfindlichkeit, aus, welche zum Antagonisten der Autotomie wird und den Signaldicnst für alle Gewebe und Organe übernimmt. Im Einklang mit der Lehre von der specifischen Energie der Sinueszelleu müssen wir ein XV. Nr. 24. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 285 Auftieten besonderer Schmerzzellen im Organismus an- ' limen. Da alle diese Veränderungen erst allmählich in den Organismen stattfinden mussten, so ist es klar, dass auch die Sehmerzempfindiichkeit nicht plötzlich aufgetreten ist lind auch jetzt noch bei verschiedenen Thieren einen ver- schiedenen Ausbildungsgrad besitzt. Und bei Thieren, bei denen, wie in der laugen Reihe der angeführten Bei- spiele das Vermögen der Autotomie und Regeneration nur noch einzelnen Organen zukommt, müssen v?ir diesem Itleengang zufolge eine Sehmerzempfindiichkeit zwar an- nehmen, aber den Vorgang der Autotomie selbst als schmerzlos betrachten. Die Leichtigkeit, mit welcher die Autotomie in all diesen Fällen stattfindet, und die Gleich- gültigkeit, mit welcher sich das Thier zu diesem Vorgang verhält, schliesst die Vermuthung aus, dass das Thier dabei Empfindungen habe, welche etwa denjenigen, die wir bei der Amputation auch nur eines einzigen Fiuger- gliedes haben, ähnlich sind. Nun könnte mau den Einwand machen, dass das Regcnerations- und Selbstamputationsvermögen in der Thierwelt nur sehr ungleichniässig, sporadisch verbreitet ist: während z. B. dieses Vermögen bei den Seesternen ihre höchste Entwicklung erreicht, ist eine Autotomie bei den Seeigeln meines Wissens noch niemals beobachtet worden.*) Im Einklang mit der hier entwickelten Anschauung sollte dann den Seeigeln eine Schmerzempfindlichkeit zu- kommen, welche den Seesternen abgeht. Was hindert uns aber, diese Annahme zu machen? Giebt es denn nicht innerhalb sehr enger Verwandtschaftskreise Formen, die vollkommen blind sind, neben solchen, die ausgebildete .Viigen besitzen? Warum könnten nicht einige Thierformen schmerzempfindlich algetisch, die anderen unempfindhch analgetisch sein? Wenn bei einer so weiten Verbreitung des Sehorgans in der Thierwelt doch auch die Existenz von blinden Formen möglich ist, warum soll ein solches Verhältniss in Bezug auf Schmerzempfindlichkeit aus- geschlossen sein? Es ist aber einleuchtend, dass die Sehmerzempfind- iichkeit eine wesentliche Rolle bei der Entwickelung der Vorstellung von der Integrität des Organismus, von der Zusammengehörigkeit seiner einzelnen Theile gespielt haben muss, in der Ausbildung des „Ich"-Bewusstseins, insofern ein solches bei den Thieren angenommen werden kann. Sehen wir auch ab von solchen Thieren, wie die Actinien mit völlig aufgelöstem Nervensystem oder wie die Siphonophoren, bei denen die einzelnen Organe eigentlich nur verschiedene Individuen sind, die zu einer polymorphen Colonie verbunden sind, welche sehr leicht zerfällt, so kann doch auch noch bei viel höher organi- sirteu Thieren — wie die Anneliden, die mit der grössten Leichtigkeit Dutzende von Segmenten verlieren — von einer Empfindung der Integrität des Organismus gar keine Rede sein; wir sahen, wie schwach diese Empfindung auch noch bei den Insekten ist, welche bereits aus ver- schiedenen diflferenzirten und nicht mehr regenerirbaren Segmenten zusammengesetzt sind. Von den Seesternen meint Preyer, dass, falls denselben überhaupt eine Seelen- thätigkeit zuerkannt werden soll, man einem jeden Arm eine separate, selbststäudige Seele zusehreiben müsste, und somit ein Seesteru als ein fünfseeliges Wesen zu be- *) Möglicherweise ist es durcli die allgemeinen Körperformen der Seeigel bedingt und durch die Ausbildung des zusammen- hängenden Hautskeletts, das ein mechanisches Hinderniss dazu bildet. trachten wäre. Ein Seestern könnte aber auch keine Empfindung von seinem „Ich" haben, denn er ist eben aus fünf solcher „Ich" zusammengesetzt. Der Verlust des Regenerations- und Selbstamputationsvermögens, die Ausbildung der Sehmerzempfindiichkeit musste dazu führen, dass die Reizung eines einzelnen Theiles vom Ganzen empfunden wurde. Dann konnte sich beim Thiere das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit seiner Organe ent- wickeln; wie schwach aber dieses Bewusstsein werden kann, wie sehr es durch die Empfindlichkeit der einzelnen Theile aufrechterhalten wird, das beweisen die oben an- geführten Versuche von Goltz, und speziell der Fall, in welchem der Hund sein eigenes Bein verzehrte. Eine ähn- liche Rolle muss die Schmerzempfindlichkeit auch noch beim Menschen spielen. Ein Säugling betrachtet seine eigenen Arme und Beine wie alle anderen Objekte aus der Umgebung; es kann kaum bezweifelt werden, dass gerade die Sehmerzempfinduugen im Verein mit dem Tastsinn den Säugling von der Zusammengehörigkeit seiner Organe unterrichten und ihn nach und nach zur Vorstellung von seinem „Ich" führen. Litteratur: L. Fredericq. Sur l'autotomie, ou mutilation par voie reflexe comme moyen de defense chez los animaux. Archives de Zoologie expeiimentale. 1883. — Derselbe. Les miitilations spontanees ou l'autotomie. Revue Soientifique. 188G. — Derselbe. L'autotomie ou la mutilation active dans la. regne animal. Bulletins de l'Acadömie royale de Belgique. 1893. Diesem Artikel ist auch die ganze Litteratur bis zur Zeit der Veröffent- lichung desselben angefügt. — Derselbe. Nouvelles recherches sur l'autotomie chez le crabe. Archives de Biologie T. XII. 1892. — Contejean: Sur l'autotomie chez la sauterelle et le lezard. Mem. Acad. Sciences de Paris T. 91. 1890. — ßordage. Phe- nomenes d'Autotomie observös chez les nymphes de Monandrop- tera C. R. Acad. Sc. Paris. 1897. — Giard. L'autotomie dans la Serie animale. Revue Scientifiqne T. 39. — Frenzel. lieber die Selbstverstümmelung (Autotomie) der Thiere. Pflüger's Archiv Bd. 50. 1891. — Willcy. Zoological observations in the South Pacific. Quart. Journ. Microsc. Science. Vol. 39. 1896 (das Aus- .spucken des Darmes bei den Ascidien). — V. Faussek. Biolo- gische Beobachtungen an Lamellibriauchiaten. Travaux de la Societc des Naturalistes de St. Petersb, T. XXVIII Livr. 2, 1897 (russisch). — Metschuiko w. Vorlesungen über vergleichende Pathologie der Entzündung. St. Petersburg 1892 ("russisch). — Verworn. Allgemeine Physiologie. 2. Aufl. 1898. — Lang. Ueber den Einfluss der festsitzenden Lebensweise auf die Thiere und über den Ursprung der ungeschlechtlichen Fortpflanzung durch Theibing und Knospung, Jena 1888.— Preyer. Ueber die Bewegungen der Seesterne. Mittheil, der Zool. Station Neapel. 7. Bd. 1887. -- Monticelli. Süll' autotomia de la Cucumaria planci. Atti della R. Academia dei Lincei, Ser. V Vol. V. 1896. — Künckel & Herculais. Merveilles de la Nature. Les In- sects. — Wasmann. Instinkt und Intelligenz im Thierreich. 1897.— Wl ad. Wagner. Fi agen der Zoopsychologie. St. Petersb. 189G (russisch). — Werner. Selbstverstümmelung bei Heu- sohrecken. Zool. Anzeiger XV. 1892. — Eisig. Biohigisehe Studien, angestellt in der Zool. Station in Neapel. Kosmos. 14. Bd. — >formann. Dürfen wir aus den Reactionen niederer Thiere auf das Vorhandensein von Schmerzemptin- dungen schliessen? Pflüger's Archiv für gesammte Physio- logie. Bd. 67. 1897. — Goltz & Ewald. Der Hund mit ver- kürztem Rückenmark. Pflüger's Archiv Bd. 63. 1896. — Ziehen. Leitfaden der physiologisclien Psychologie. 3. Aufl. Jena 1896. — W u n d t. Vorlesungen über die Menschen- und Thierseele. II. Aufl. — Derselbe. Grundzüge der physiologischen Psycho- logie. 4. Aufl. Leipzig 1893. — Funke. Physiologie der Haut- empfindungen und Gemeiiigefühle in Hermann's Handbuch der Physiologie. III. Bd. 1880.— Goldscheider. Neue Thatsachen über Hautsinnesnerven. Du Bois-Reymond's Archiv für Physio- logie. 1895. Suppl — Derselbe. Ueber den Schmerz in phy- siologischer und klinischer Hinsicht. Berlin, Hirschwald, 1894. Frey, Beiträge zur Physiologie des Schmerzsinnes. Berichte über die Verhandl. der K. Sächsischen Gcsellsch. der Wissenschaften zu Leipztg. 46. Bd. 1894. — Nichols. The origin of pleasure and pain. Philosoph. Review. Bd. I. — v. Frey. Beiträge zur Sinnesphysiologie der Haut. 3. Mitth. Berichte der Sächsischen Gesellsch. der Wissensch. Math.-Phys. Kl. 1895. 286 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 24. Der Name „Hvitaabildungeii" beruht nach K. J. V. Steenstrup (Geol. forli. Stockhulai, 21, 2) auf eiuem Missverständniss. Unter Hvitaabildungen versteht mau die von den Gletscherbächen abgelagerten Schlammmassen, welche zwar im Gneissgebiete weiss oder weisslichgrün sind, in Basaltgebieteu dagegen fast niemals weisslich sind. Der Name ist zum ersten Mal von Prof. Toreil in „Spitzbergens Molluskfauna" benutzt, und seine Anwendung beruht auf der Annahme, dass die meisten der isländischen Gletscherbäche als Hvitaaer bezeichnet werden. Diese Annahme ist nicht zutreffend. Die den Gletschern oder Jökeln entspringenden Bäche heissen auf Island Jökuls- elfe. Die Farbe des Wassers derselben wechselt je nach der Art der Schlammbeimengungen zwischen braun und gelb. Hvitaaer heissen nur wenige isländisclie Gletscher- bäelie, und zwar weil sie vorzüglich klar und weiss sind, indem sie bei grossem Wasserreichthum nur geringe Schlammmengen führen, da sie viel Oberflächenwasser aufnehmen. Der Name Hvitaa bezeichnet also auf Island keinen Gletscherbach, sondern eher einen Gegensatz zum isländi- schen Gletscherbaeh, dem Jökulelf. Wenn aber der Name auch für Island nicht stimmt, so ist es doch anderwärts so, dass die meisten Gletscherelfe von Gebirgen kommen, welche weissen Schlamm geben, wie dies auch bei den Hvitaaer Islands der Fall ist. An diesen Umstand hat aber Prof. Torell bei der Aufstellung des Begriffes der ,,Hvitaabildungen" nicht gedacht. A. Lorenzen. Wetter-Mouatsüber.sicht. (Mai.) — Nur selten treten innerhalb eines Monats in den Wärmeverhältnissen so starke Gegensätze auf, wie es in ganz Deutschland im vergange- nen Mai geschah. In seinen ersten Tagen stiegen, wie ans beistehender Zeichnung ersichtlich ist, die Tenipera- Yempcvahvütt im Mai 1900. Temperatur- Maxima verschiedenen Ofte. 11. -18 21. 2 B[miMERW[nERBlHiW nJ turen bedeutend an. Aber am 9. Mai wurde durch einen lieftigen Nordoststurm, der alsbald an der Nordsee- und westlichen 0.stseeküste Hochwasser hervorrief, ein ausserordentlich starker Temperatursturz eingeleitet, und die Witterung blieb dann bis zum 20. sehr unfreund- lich und kühl. Besonders zwischen dem 11. und 16., also in der Zeit der von den Landwirthen, den Wein- und Gartenbauern so gefürchteten „Eisheiligen" und etwas nach derselben kamen in einem grossen Theil des Landes Nachtfröste vor, welche den Sommersaaten, den Frühkartüfteln und den Wiesen grossen Schaden thaten, namentlich aber für das durch die vorangegangene Wärme zur reicbsten Blüthe entwickelte Obst verderblich wurden. Selbst innerhalb der Stadt Berlin ging das Thermometer in der Nacht zum 16. bis fast auf den Ge- frierpunkt herab, und auch die Mittagstemperaturen er- hoben sich um die gleiche Zeit an verschiedenen Orten nicht über 5" C. Seit dem 21. Mai wurde es in ganz West- und Mittel- deutschland wieder erheblich wärmer und der Rest des Monats verlief dann unter geringeren Wärmeschwankungen. Im Osten trat die Erwärmung etwas später, aber nach- haltiger ein, dort folgte jedoch nochmals ein stärkerer Temperaturrückgang. Die Mitteltemperatur des dies- jährigen Mai war in den meisten Gegenden Norddeutsch- lands um P/g bis 2, in Süddeutschland sogar um 3 ürade zu niedrig. Verhältnissmässig gering war der Wärme- mangel noch in Berlin, wo die Temperatur im Durch- schnitte nur um 0,5" C. hinter ihrem fünfzigjährigen Mittelwerthe zurückblieb und auch die 228 betragende Zahl der Stunden mit Sonnenschein der mittleren Dauer der Sonnenstrahlung während der letzten sieben Mai- monate sehr nahe kam. Kaum weniger ungünstig als der starke Käiterückfail von Mitte des Monats erwies sich für die Entwickelung der Pflanzenwelt der in unserer zweiten Zeichnung her- vortretende Mangel an Niederschlägen, weil es schon seit Ende des Winters dem Boden an Nässe sehr gefehlt hatte. In den ersten zehn Tagen des Mai war es be- sondersnordöstlich der Elbefast andauernd trocken, während im Westen und Süden verschiedentlich Gewitterregen her- niedergingen. Während innerhalb der nächsten zwölf Tage umgekehrt in den westlichen Landestheileu die 'Dk^e.rßd^ha^^öf^en im Mai 1900 b -^ .^1 c^ Mittlerer Werrtifiir -^ M M 1 1 1 1 ' ! 1 i 1 — 1.-10. Mai. -VfH ll 1 1 i I-JbIh iilaA 1 llld ■m— tLUd liUil Deufschland. Monal-ssiimmen im Mai MW 98, 97, 96, 95.3'f. 90;-- - ' 80p M-4- J I I nl BiBLiNER wtiresBugj/m»^^ Niederschläge sehr selten waren, kamen in Ost-, Mittel- und Süddeutschland zu wiederholten Malen Regen-, Schnee- und Ilagelsehauer vor, die zwar nur an wenigen Orten nennenswerthe Niederschlagshöhen erbrachten, aber doch, besonders in Württemberg, den Obstplantagen und Wein- bergen ausserordentlichen Schaden zufügten. Seit dem 23. war das Wetter im ganzen Lande ziemlich trübe und XV. Nr. 24. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 287 regnerisch, und wiederum fielen die Regen in Mittel- und Süddeutscbland am reichlichsten. Die Monatssumme der Niederschläge belief sich für den Durchschnitt der be- richtenden Stationen nur auf 39,1 Millimeter, gerade so wie im Mai 1896 und in demjenigen des ungewöhnlich trockenen Frühjahrs 1893, während die übrigen Mai- monate des letzten Jahrzehntes bedeutend grössere, zum 'IMieil mehr als doppelt so grosse Niederschlagshöhen geliefert hatten. Die allgemeinen Luftdruckverhältnisse Europas waren im vergangenen Mai sehr wechselvoll, wiederholten sich jedoch mehrmals in ihren Hauptzügen. Am Anfange des Monats rückte ein barometrisches Maximum von West- nach Mitteleuropa vor, während eine tiefe Depression auf dem norwegischen Meere und gleich darauf eine zweite west- lich von Schottland erschien. Die letztere blieb, während das Maximum nach Russland verschoben und alsbald durch ein neues von Südwesten her ersetzt wurde, eine Reihe von Tagen au ihrer Stelle, bis sie am 7. in zwei Hälften getheiit wurde, von denen die eine südwestlich von Irland verschwand, die andere in den nächsten Tagen mitten durch Deutschland hindurchzog. Da sich gleichzeitig auf dem norwegischen Meere ein neues Hoch- druckgebiet zeigte und schnell südostwärts ausbreitete, ging die bis dahin vorherrschende Südströmung in Nord- dcutschland in sehr kalte Nordostwinde über, welche zeitweilig zu Stürmen anwuchsen. So hatten sich die Lagen des Maximal- und Minimalgcbietes in Europa nahezu mit einander vertauscht und am 10. und 11. Mai befanden sich der höchste und niedrigste Luftdruck unge- fähr an denjenigen Stellen, beide nur Avenig östlicher, welche der für die Kälterückfälle des Mai Cha- rakter i s ti s c h e n L u ft d r u c k v e r t h e i 1 u n g entsprechen . Während in der folgenden Zeit das harometrische Maximum mit grosser Beständigkeit bei den britischen Inseln verharrte, zogen verschiedene Minima theils von der iberischen Halbinsel über Frankreich und Süddeutsch- land nordostwärts, theils von Nordscandinavien über die Ostsee südostwärts und sammelten sich alle schliesslich in Westrussland. Erst am 20. Mai wurde durch eine tiefe oceanische Depression der höchste Luftdruck schnell nach Südosten gedrängt, sodass die Luftdruckvertheilung der- jenigen vom Anfange des Monats sehr ähidich wurde. Aber am 25. erschien ein neues Maximalgebiet auf dem biscayischen Meere und setzte sich nach verschiedenen Wanderungen und Umbildung'eu allmählich wieder bei den britischen Inseln fest. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Dr. Erieli Harnatk, ordentlicher Pro- fessor in der medicinischen Falcultät zu Halle a. S., zum Ge- heimen Medicinahath; Professor Dr. Max Wolff, Leiter der Universitäts-Polyklinik für Lungeukrankheiteu in Berlin, zum Geheimen Medicinahath; Dr. Julius Hirschberg, ausser- ordentlicher Professor der Augenheilkunde in Berlin, zum ordent- lichen Honorarprofessor. Es starben: Medicinalrath Dr. Berger, Chefarzt des Ivoburgor Landkrankenhauses; Geheimrath Dr. Karl Eigen- brodt, bekannter Mediciner und Leibarzt des Grossherzogs von Hessen, in Darmstadt. L i 1 1 e r a t u r. H. W. Vogel, Prof. Dr., Handbuch der Photographie. III. Theil: Die ph o tographische Pr ii.xis. Abtheilung II: Die photo- graphischen Copirverfahren mit Silber-, Eisen-, Chrom- und Uransalzen. Vierte, gänzlich umgearbeitete Auflage mit 32 Textfiguren. Format 8". X und 158 Seiten. Verlag von Gustav Schmidt, Berlin. — Preis geh. 4,50 Mk., geb. fi,00 Mk. Die Herausgabe dieser Abtheilung des bekannten photo- graphischen Handbuchs ist nach dem fast vollendeten Manuskript des verstorbenen Prof. Dr. Vogel besorgt durch Herrn Hauneke, Assistent am photochemischen Laboratorium der Kgl. Technischen Hochschule zu Berlin. Von ihm stammen Einfügungen und Er- gänzungen der Kapitel über die Lichtpausverfahren. Der vor- liegende Band umfasst überhaupt diejenigen Ponitivverfahrcn, bei welchem das Licht das Copiren nach einem Negativ besorgt. Vorweggeschickt wird ein Kapitel über die Negativretouche, in welchem die Ausführungen über die Porträtretouche dem im gleichen Verlage erschienenen Buche „die Retouche von Photo- graphieen" von Grasshoff, herausgegeben von Hartmann, entlehnt sind, ein Abschnitt, den man wohl eher in dem vierten Theile des Handbuchs in der „photographischen Kunatlehre" suchen dürfte. Am ausführlichsten wird sodann das Silberpositivverfahren be- handelt, hier finden sich wohl die meisten eigenen Erfahrungen des Verfassers niedergelegt, besonders aufmerksam zu machen ist auf die von ihm selbst ausgearbeitete Methode der Silbergehalt; prüfung der Bäder, S. 52. Auf S. 60 wird als Lichtquelle für Vergrösserungsapparale das Zirkonlicht empfohlen. Den im Linne- mann'schen Brenner verwendeten theuren Zirkonstiften oder Platten ist, was die actinischen Strahlen angeht, das nicht erwähnte Magnesiumstäbchen überlegen und dabei ist dieses 20—40 mal so billig als Zirkon. Die S. 65 erwähnte Expositionszeit für Chlor- bromsilberplatten bei Herstellung von Diapositiven ist .je nach der Herkunft des Fabrikats ausserordentlich verschieden, besonders die Platten deutscher Fabrikanten sind meistens und nicht zu ihrem Schaden, weniger empfindlich als z. B. die englischen Fabri- kate, es kann die dortige Angabe über die Expositionszeit sich nur auf die empfindlichsten Sorten beziehen. Vermisst wird an dieser Stelle die Beschreibung der Herstellung von Diapositiven für Projection und Stereoskopbilder durch abziohbares Chlorsilber- papier, wie es z. B. die Fabrik Schütze & Noack, Hamburg liefert. Auf die Besprechung der neueren und n uesten Silberprocessc folgt die Beschreibung des Pigment- und Gummidrucks. Die Aus- führungen über den letzteren sind ausschliesslich Arbeiten von Packhani, auch Henneberg und Watzek entnommen, offenbar war der Verfasser kein Freund dieser modernsten photographischen Kunstrichtung. Die Eisenpausprocesse, der Platindruck, das Copir- verfahren mit Uransalzen und auf Gewebestoffen schliessen das eigentliche Thema ab. Erörterungen über die Ursachen der Ver- änderung von Silbercopieen durch Beschaffenheit der als Unter- lage benutzten Kartons und einige anhangsweise gegebenen Reeeptc bilden eine willkommene Zugabe dieses Bandes, der mit einem ausführlichen Sach- und Namenregister versehen ist. Wünschens- werth wären wohl für ein Handbuch von dieser Bedeutung aus- führlichere Litteratuvangaben, die nur in geringer Zahl und nur gelegentlich gemacht sind. Bühring. Bich. Herrn. Blochmann, Physik. Gemeinverständlich dargestellt in 3 Bänden. I. Mechanik, Akustik. Mit 87 Abbildungen. Ver- lagsbuchhandlung von Strecker & Schröder in Stuttgart, 190O. — Preis geb. 5 Mk. Unter diesem Titel liegt der erste Band eines litterarischen Sammelunternehmens vor, welches das grosse Gebiet der Natur- wissenschaften in einer vor allem dem grossen Kreis der Nicht- fachleute verständlichen Art zur Darstellung zu bringen beab- sichtigt. Die Disposition des vorliegenden Bandes ist die folgende: I.Mechanik, Einleitung. 1. Mechanische Grundbegriffe. 2. Mechanik der festen Körper. 3. Mechanik der flüssigen Körper. 4. Mechanik der gasförmigen Körper. IL Die Lehre vom Schall oder die Akustik. Einleitung. 1. Die Entstehung des Schalles. 2. Von der Fortpflanzung des Schalles. 3. Von der Reflexion, der Brechung und Beugung des Schalles. 4. Von den Schwingungen begrenzter Massen. 5. Das menschliche Gehörorgan. — Das Buch ist dem Anfänger und Laien, der sich mit den Grundlagen der Physik vertraut machen möchte, durchaus zu empfehlen. Bergmann, Jul., Untersuchungen über Hauptpunkte der Philosophie. Marburg. — 8 Mark. Eder, J. M., System der Sensitometrie photographischer Platten. Wien. — 4 Mark. Fritsch, Prof. Dr. Karl, Beitrag zur Flora von Constantinopel. Wien. - 4,30 Mark. Potonie, H., Die Lebewesen im Denken des 19. Jahrhunderts. Berlin. — 1 Mark. Inhalt: Dr. H. Bus.s: Ueber Terpenalkohole. — Prof. V. Faussek: Die Autotoinie und die Schmerz reiche. — Der Name „Hvitaabildungen". — Wetter-Monatsübersicht — Aus dem wissenschaftlichen Leben. Handbuch der Photographie. — Rieh. Herrn. Blochmann, Physik. — Liste. •mpfindlichkeit im Thier- — Litteratur: H.W.Vogel, Naturwissenschaftliclie "Wochenschrift. XV. Nr. 24. Dr. Robert Mueucke t Luisenstr. 58. BERLIN NW. Loisenstr. 58. # Teciiuiaches Institut für Anfertigung wisseuschaftlicher Apparate ♦ und Geräthachaften im Gesammtgebiete der Naturwissenscliaften. Verlag von — t« US Den gie|gn Pgs^dtmggres. Schilderungen von der denisclien Tietsee-Expedilion. : )(erausgegcben von Carl ChUH. ^^^=^^:^ Mit 6 Chromolitliogr.ipliien, 8 [Icliogravnien, 32 als Tafeln gcdnickten YoUbilclern und etw.a 180 Abbildiingen im Text. Erscheint in 12 Lieferungen zum Preise von je M. 1.50. Preis des im November vollständig werdenden Werkes broscJ-'ert M.18.—. elegant gebunden M. 20.— . Ausführliche F-iOspekte durch jede Buchhandlung zu erhalten. I Dr. Wasserstoff Sauerstoff. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. I Ferd. DümmlereVerlaf,'sl)ueliliaii(l]ung in Berlin SW. 12. Lehrbuch der Potentialtheorie. Allgemeine Theorie des Potentials und der Potentialfunktionen im Räume, vou Dr. Arthur Korn. rrivatdozent an iler königl. Universität München. —— Mit 94 in den Text gedruckten Figuren. — — •27 Hogon sfross üctav. Preis 9 Mk.. gebuiKlcii 10 Mk. Lehrbuch der Pflanz enpalaeontologie mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse des Geologen. Von H. Potoniö, tragt mit Vorlesungen Kgl. 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Sein Leben und seine Werke, J. E. Poritzky. 3ti4 Seiten. 8». Preis geheftet 4 Mark, gebunden 5 Mark. |frb.piiminlfro|lfrlng6tiuil)lj(iiiblunBinÖtrliuSW.12, |iininfiHr.l»4. 3ii 1111 jf vom iH'vliuir cvjiliinu-ii: 9iatumiffeuf(fjnftltrfjc SPii(f-g6ücljci\ fünfte, tci($ ifftt^rictte ilitffagf. ©urdigeiefieii uiib Dcrliciicrt Dr. ^. Hotottte unb Dr. |{, ^fnuig. Wxt 40.5 ^Uuftrntioiicn 21 gtiic in 4 ^b. brufilj. 12 Pavk, in 4 clfj. ftiiiciibb. 16 IHnrh. 3lucl) in nad)ftel)eiiben ©ünber=?(ii'5ga6cn ju beäie^eii: Ser 3ufamineuf)aiu] bi-r SJntuvhiiftc. Säitterung^hmbe. Salute itiib ?fnid)t. 9fiit)ntiuvomittol. Seil 1, 174 @., ge6. 1 TOf. — ®ie er= iuif)nmg. «ütii ^-^uftiiift ber Jicrr. Seil 2, 108 @., ged. 0,60 9Rf. — \'lii5icl)muv>fvait iiub t«lofht,',itat. Seil 3, 120 @ , geti. 0,60 TOt. — l-ic ü"lcthi,vtät iit il)rov '^linucubuiuv Seil 4, 101 ©., geb. 0,60 TOf. — iniii bou i-lH'miid)t'u .Wrnftcii iinb li1rftrüd)eiiiie. Seil 5, 108 ©., geb. o.tiOaiif. — tilicmie. Seil 0, 7!» =,, geh. 0,50 9(«f. — «IngeiDanbte «liemie, iiäbeifuiibe. Seil 7, 116 Z., geb. 0,60 50». — «Lim 9ntcr ber Ci-vbe (©eologic). S8oii ber llmbrel)uiig ber ©rbc. Sie (55e= jdiU'inbigteit be'3 Sid)tsi. Seil 8, 1.52 5 . geb.'l 5Kf. — Sn« .'pül)iid)eu im Cfi. iri,viiig. Seil 14, 192 e., geb. 1 mt. — ^ii'atiirfnift uub ('•IciftecdDaUeii, 'iHilfc-mirtirbaitlidiev. Inun ©piritiSmuiS. Seil l.'i, IC.y S., geb. I auf. — (iiiie ^iliaiitaiiereiic im SSeltnll ('•.Hflrtuuuuie). ieil iC, 271 ©,, geb. 1,60 Wd. — Sie lUiftecteubcu .Stniufiieiteu uub bie *iiafterieii. Sie *4>|lau,]eimieU iiujrer .vieiiiml foufl uub jelU. Tie SpeftnilaimlDfe uub bie AiJltevmuelt. Seil 17, 178 ©., geb. 1 m. — iHbftaiumuugslel)re uub Tiaruüuic.miio. Seil 18, 128 ©., geb. 0,80 mt — «ou ber ertjnltuug ber Shaft. Seil 19, 104 ©., geb. 0,60 9Kf. — 5)ic entroictoluug bcv 58clcurl)tiiug«tcd)uit. tlima= tülogie. Seil 20, 162 ©., geb. 1 9Rf. -- a5ie gfctturmiffeufdinft im (SrroerbÄlebeu. 3Ki)'feni"d)nft uub $f)ilü)'i.i)jl|ie. Seil 21, 92 ©., geb. (1,6(1 Wf. \eniiit«ortlicher Redaeteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde Hugo Bernstein in Berlin. — VeiHag: Ferd. Dummlers Verlag.9buchh West bei Berlin, Potsdamerstrasse 3'), für den Inseratentheil mdlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12 SIe. Redaktion: Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düinmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. Sonntag, den >4. Juni 1900. Nr. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jl 4.- BrinRegeld bei der Post 15 A extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grossere Aufträge ent ■ sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinliunft- Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur uiit vollständiger Qaellenangabe ge!«tattct. Naturwissenschaft und Erkenntnisstheorie im Hochschulunterricht. Vhi, Dr. H.ui. Als in der Neuzeit, ziuiial iin 17. Jalirlniiulcrt, die Wisscuscliaftcn ihren grossen Auiseiiwiing' nahmen, blieben die Unjveri5itäten davon beinahe unberührt, sowohl als Lehi'- und Erziehungsanstalten wie auch als Forscher- stätten. Als dann die Wissenschaften, zumal seit Ende der ersten Hälfte des 19. .Tahrhundcrts, sieh neuerdings aufschwangen, wurden die deutschen Universitäten davon ganz wesentlich berührt: sie nahmen an diesem Aufschwung tiieils schaftcnd und theils empfangend so lebhaft Antheii, dass sie als Forscherslättcu auf eine vielbewuuderte Höhe kamen. Nicht so als Lehr- und Erziehungsanstalten: ihre Fortschritte in der Unterrichtskunst und gar erst ihr theo- retisches Interesse an dieser blieben hinter jenen Fort- schritten weit zurück, und ihre erzieherische Aufgabe wurde mehr und mehr vergessen. Dieses Missverhältniss erscheint um so schlimmer, je beträchtlicher die päda- gogischen Fortschritte unserer sonstigen Schuhveit sind, und hat in den letzten Jahren zu der Forderung einer eigenen „Hochschulpädagogik" und zum Entfalten der sogenannten hochschulpädagogischen Bewegung ge- führt. Auf der einen Seite treten Professor Ernst Bern- heim in Greifs wald und die dortige Vereinigung aller Lehrer für ein Befruchten des Universitätsunterrichts mit den Errungenschaften der gegenwärtigen Lehrkunst ein; auf der anderen Seite will der Verband für Hoch- schulpädagogik (Gesehäftsadresse: Dr. HansSchmid- kunz, Berlin -Wilmersdorf) die Gesammthcit der Probleme fördern, die sieh aus der Anwendung des heutigen Standes der Pädagogik auf das Uebermitteln der Wissenschaften und Künste als solcher ergeben. Insbesondere sorgen regelmässige Vorträge für eine allmähliche Durcbwande- rung dieses Gesammtgebietes. Zwei solche ans der jüngsten Zeit dürften sanimt den Hauptpunkten der an sie an- geschlossenen Discussion hier von besonderem Interesse sein. — ;elniiidki,nz. Am 17. März sprach Dr. Rudolf Steiner über „Methoden, das Gesetz von der Erhaltung der Kraft im Hochschuluntcrricht zu behandeln"; er führte kurz Folgendes aus. Die gcschiclitiiche Ent- wickelung dieses Gesetzes zeigt, welchen Antlieil an Der- artigem das empirische Forschen hat; und dennoch ist CS auch eine Musteraufgabe für den Philosophen. Ge- wöhnlich wird sein Gebiet stiefmütterlich und nur in der Physik ausreichend behandelt ; allein es gehört auch z. B. in die Physiologie und ist vor allem ein grundlegendes Problem der Philosophie. Der Factor m in der Formel W" w^ liat so viele Missverständnisse verschuldet; die Frage nach seiner Bedeutung für den Naturforseher wird meist ganz unbefriedigend beantwortet und ist wohl nur im philosophischen Denken zu beantworten. Dass Wärme in eine zahlenmässig ausdrüekbare Arbeit umgewandelt wird, zeigt uns nur die Möglichkeit der Verwandlung einer Kraftform in eine andere und die Constanz der Zahlenverhältnisse dabei. Dem Physiker besagt kein Einzelfall etwas anderes. Jul. Rob. Meyer's Deduction des Gesetzes hingegen geht zurück auf unser nrsprihii:- liches Geistesbedürfniss, ein Element, allen Ein/(lfrs( lici nungen gemeinsam, zu finden. Nun zeigt gerade dieses Gesetz so recht, dass wir seinen Erkenntnisswcrth nicht fassen können ohne genaue Unterscheidung, was der menschliche Geist in seinen Erkenntnissen giebt, und was er darin empfängt. Lebendige Kraft kann in Arbeit um- gesetzt werden sowohl durch ein fallendes Gewicht als auch durch Wärme. Hier messen wir die „vernichtete" Wärme divect an der Arbeit, ohne einen Rest constatiren zu können; dort ist immer noch etwas Wägbares, das Gewicht als solches, vorhanden. Dort beziehen wir die Arbeit auf eine klar umschriebene Entität; hier nielit. Hier beziehen wir, obschon wegen der prineipiellen Gleichheit beider Fälle auch im zweiten ein solches Agens Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XA^ Nr. 25. angeuomiueu werden darf, nicht den B^actor m, sondern die Wärmemenge ein. Rein empirisch vergleiche ich dort eine analysirte, hier eine nicht analysirte Entität und kann in beiden Fällen nur die zahlenmässige Constanz fest- stellen, ohne Gemeinsames zu finden. Darüber hinaus .sind nur Hypothesen möglich, z. B. das triumphirend auf- tretende Axiom du Bois', alle Vorgänge seien zuletzt mechanisch, während J. R. Meyer eine Beweguugsform der Wärme ablehnte. „Verwandlung" bestellt ja gerade darin, dass eines ein anderes wird- allein dass beideni noch etwas weiteres zu Grunde liege, ist ein Geistespostulat, lloclischulpädagogisch handelt es sich nun erstens darum, alle das Gesetz vorbedingenden Thatsachen em- pirisch kennen zu lernen, was Sache der einzelnen Wissen- schaften ist; das Gesetz muss alles Wissen von den niedersten bis zu den höchsten Erscheinungen beherrschen. Zunächst ist, schon für den Physiker selber, die rationelle Mechanik zu behandeln, als Grundlage aller ßewegungs- nieehanik; über diese, über das rein physikalische Zu- sammensetzen von Bewegungen hinaus führt nur philo- sophische Discussion. Hier erst beginnt die Frage nach den „Kräften"; der Physiker muss z. B. den Gegensatz begriffen haben zwischen dem Parallelogramm der Be- wegungen und dem der Kräfte. Die Wärmelehre war und ist ein Zwischenglied zwischen jener reinen Mechanik und den darauf gebauten Tlieilen der Physik; die Zu- sammenhänge suchen wir freilich innner noch. Parallel dem empirischen Unterricht muss mit ihm — zweitens — ein philosophischer auf dem fraglichen Gebiet zusammen- wirken. Angesichts der Urtheilslosigkeit der heutigen naturwissenschaftlichen Specialisten darin ist ein philo- sophischer Unterricht an der rechten Stelle für jeden durchaus nöthig, insbesondere damit der Erkenntnisswerth der Formeln begriffen und damit — gerade an diesem Gesetz — gezeigt werde, wo in unserem Wissen das Hypothetische und wo die bleibende Einsicht beginnt. Komisch ist z. B. das Verlangen, jede wirkliche Ver- änderung in der Aussenwelt nur als Ortsveränderung zu begreifen, widrigenfalls mit Neuentstehen und Zugruude- gehen von Energie gerechnet werden müsse. Ist aber Qualitätsveränderung schwierig zu fassen, so auch Be- wegungsveränderung. Wie man am „Lebensrad" und „Kinetoskop" sieht, wo blosse Formveränderung als Orts- vcräuderung gedeutet wird, ist auch Bewegung nur als subjective Qualität, nicht als objeetives Phänomen zu constatiren. In dem Zurückführen aller Erscheinungen auf blos Mechanisches sind zwar die Induetiouen, nicht aber ihre Interpretation richtig. Haben wir einmal die Farbe, der nach der Induction Bewegung zu Grunde liegen soll, als subjectiv gefasst, so kommen wir aus der Subjectivität überhaupt nicht mehr heraus. So ist neben der empirischen Wissenschaft Ausbildung des philosophi- schen Sinnes als eines regulativen Princips, als einer Selbsterkenntniss, nöthig. Günstige Anfänge sind gemacht; nur muss die Erkenntnisstheorie von solchen ausgebaut werden, die selber naturwissenschaftlich geforscht haben, und über ihre Probleme handeln kann nnr, wer auf dem Boden der zcitgenüs.sise-hen Erfalirungswissenscliaften steht. Dass die Naturforscher nicht |iliil(>sopliisfli arbeiten, lässt den naturwissenschaftlii'lieii, uinl dass die l'liilo.sophen nicht naturwissenschatiliili ailirilcn, den phildsophischen Unterricht leiden. Kii^rluii^s: ein soluhcs zweiseitiges Gesetz Aveist auf die Ptlicht der Hochschulpädagogik hin, die einzelnen Wissenschaften in eine richtige Lehr- systematik zu bringen. Die Hörer dieses Vortrags vereinigten sich vor allem in der üebereinstimmung, wie nöthig hier ein Eingreifen der Hochschulpädagogik ist. Von naturwissenschaftlicher Seite wurde eine i)ctr;ichtlichc Schuld den Naturforschern gegeben, die ihre philosophische Schuldigkeit nicht er- füllen, besonders den grossen, die sich nicht genug der inneren Durchdringnng ihrer Methoden widmen, ausge- nommen einen (Boltzmann), der zumal dem rein mathe- matischen rohen Symbolismus das Gebührende gesagt. Da keiner das Bedürfniss habe, zu Ende zu denken, müsse der Philosoph disjecta menibra verbinden; die jungen Leute stehen oft rathlos da und gerathen da- durch in Nihilismus u. s. w. Von theologischer Seite wurde die Tragweite dieser Dinge auch für den Theologen betont. Die Materialien für den Unterricht seien heute gegeben; doch komme es mehr darauf an, dass einer in den metaphysischen Lehren zu Hause sei, als da.ss er naturwissensehaftlieh geforscht habe, sdwie darauf, dass die jungen Leute auf all diese Schwierig keiten aufmerksam gemacht werden. Besonders bctnut werden müsse die Nothwendigkeit, ein Continuum in der Natur vorzustellen, sowie die Forderung der Naturwissen- schaft, die Intervalle zwischen den Erscheinungen foit- schrcitend zu verkleinern, genau wie beim Kinetoskop. Der Vortragende resumirte dies alles dahin: nur unmittel bare Anschauung führe zu einem solchen Begriff, dessen Inhalt man wirklich beherrscht, und um- (li'wiihnuug helfe hier dazu, so zu definiren, wie der Xaturlmsclier zu defi- niren gezwungen ist. — Sachlich wurde dem Vortragenden entgegengehalten, dass schon beim Kinetosko]) wirkliche Bewegung da sei (die aber, wie replieirt wird, nicht die wahrgenommene sei), und dass dann iiborall in der Physik gar zu gut die auf Bewegung fülncmlr Imlin tioii lie- gründet, die Theorie durch Voraussagiiimni ln'sliiti^l sei: so halte die Natur, was der Geist verspricht. Alles an- dere sei nur eine ästhetische Ilarmduisirung und unser Operiren nur eben nöthig, damit wir uns in eine haruKnii- sirte Beziehung zu den Ei-schcinungen setzen; (hieh schliess- lich geben unsere psychischen Xachbilduiigen eine ge- steigerte Objectivität. Der Vortragende wies sehliesslieli noch hin auf die Nöthigkeit, Grundüberzeugungen zu bilden, die das Subjective und das Objective in der Er- kenntniss auseinanderhalten lassen. Trotz der Unmöglich- keit jeder rein spekulativen Philosophie gelte es doch, die Erkenntniss zur Natur in Verhältniss zu setzen. Künstlerisches sei hier nur soweit anzunehnien, als auch Mathematik n.s.w. in dieses hineingehört; allerdings komme dem ihm zu Grunde liegenden thatsächlichen Act, ein- schliesslich unserer Idealgebildc, zuletzt kosmische Be- deutung zu. Diese Gedankengänge fanden nun eine interessante Ergänzung durch den am 19. Mai gehaltenen Vortrag Geheimrath Professor Dr. Wilhelm Foerster's: „Zur Erkenntnisstheorie im Hochschulunterricht". Nur discursiv, weit entfernt von festen Linien, sollte diesmal dieses Thema behandelt werden, bei dem ja Grand- bestimmungen zu fehlen scheinen. Schon das Schema der Unterscheidung von „Geistes"- und „Naturwissen- schaften" ist schwankend geworden und nun gänzlich aufzugeben, allerdings mit einer noch zu erwähnenden Berichtigung. Das Erkennen hat hier wie dort gleiche Gestalt, und die psychischen Erscheinungen dürfen nicht aus dem Naturznsammenhang herausgehoben werden. Die schon jetzt zu behauptende Mechanik der psychischen Erscheinungen wurde nur eben durch Idenlilieirung mit den groben kinematischen Erscheinungen der .Aussenwelt discreditirt, jedoch seit 3—4 Jahrzehnten durch Erweite- rung unserer Kenntnisse gerechtfertigt. Die Impondera- bilien wurden nahe ans Ponderiren herangebracht, und es wurden „typische Formen der Selbstbehaup- tung'' gefunden, in deren Beständigkeit sieh die Vor- züge der astronomischen Theorien wiederfinden. Von dem, was der Geist verspricht, hält die Natur so viel, XV. Nr. 25. Xati dass liier im Kleinsten eine Nachbildung des Grössten möglich wurde. Wenn wir näher zusehen, was unser Gehirnorganismus birgt, so müssen wir annehmen, dass im psychischen Leben noch mehr werde zu finden sein. Die Wandellosigkeit und Harmonisirung in dem Zuführen der Sinnescindrücke zeigt die Psyche mitten drin stehend im Naturganzen. Heute würde du Bois unter den Ersten sein, die jene Grenze des Erkennens — die der Bewusst- seinserscheiuungen — fallen lassen würden. Mit dem tieferen Zusammenhang des Mechanischen stecken wir freilich noch überall in der Kindheit. Ist also kein Grund da, den Erscheinungen des Kosmos die psychischen eut- gcgenzuset/.en, so muss im Hochschulunterricht die Schei- dung beider Gebiete fallen. Wenn wir aber doch noch bei dem Gedanken von zwei Welten — einer inneren und einer äusseren — bleiben, so stellen sich die grossen Thaten des menschlichen Zusammenarbeitens als zwei grosse Hauptfunctionen zwischen Mensch und Kosmos dar. Die eine ist die Thätigkeit des Menschen, welche die ihm einströmenden Erscheinungen der Aussenwelt un- ablässig zu harmouisiren sucht, und zwar nicht nur durch Ausgleichen der Vorstellungsinhalte, sondern auch dadurch, dass sie mit dem steten Einwirken der Aussenwelt und mit der Verfeinerung der Sinneswahrnehmungen zu thun hat. Das Eingeströmte ist in dauernden Energien ver- körpert und repräsentirt kosmische Energie. Allein das Zuströmen zwingt zu fortwährenden Neubildungen. Immer wieder klopft die Bereicherung an die festen Vorstellungs- gebilde an, verlangt Einordnung in das Vorhandene, dringt ein, strebt nach Geltung; und immer Neues, Fremdes heischt Einlass. Der Process der Einführung dieser Fremdlinge ist das grosse Theater unseres Be- wusstscius; diese eindringenden Fremdlinge zu beschreiben ci-giebt sich als Forderung im Sinne Kirchhoff's. So koumit durch Gesetze, Theorien, Hypothesen u. s. w. all- mählich die Nachbildung der Aussenwelt in der Innenwelt zu Stande. Keineswegs herrscht hier Identi- tät — wie vieles aus der Fülle der Erscheinungen, das doch mit dem uns Zugänglichen gleichzeitig ist, entgeht uns! Allein die Expansion unseres Bestrebens nach jener Nachbildung hat keine Grenze. Nun werden von jener unvollkommenen Nachbildung Bestätigungen in der Aussen- welt einerseits gesucht, andererseits geschaifen; es wirkt die „Selbstbehauptungskraft des hochentwickelten Vor- stellungslebcns" in der Aussenwelt. Insbesondere das Vorausbilden und Bemeistern der Erscheinungen führt uns dazu, unsere Ideale in der Aussenwelt zu verwirkliehen. Waren neue (icbilde im Innern geschaifen und draussen bestätigt, so beginnt jetzt das Schaffen barmonisirter Ge- bilde draussen (z. B. durch die äu.ssere Verwirklichung der Tektonik der Mathematik), und es entwickelt sieh die Fähigkeit, Inneres auch draussen zu schaffen, weiter; rein deductive, innerlich eonsequcnte Bauformen geben reinere Formen in der Aussenwelt, als diese schon hat. So ist die zweite grosse Hauptfunction zwischen Mensch und Kosmos die Nachbildung der Innenwelt in der Aussenwelt. Die Processc dieser verlaufen erst unabhängig von uns, und dann verlaufen sie nach unserem Verlangen. Dies sind die beiden grossen Typen, die un- ablässig in einander greifen, und die nicht möglich wären, reichte uns nicht die „strenge Kunst" Maassgebildc dar. Es giebt nun auch Projectionen von innen nacb aussen — und zwar in Eede, Schrift, Ton — die bloss ein den Intellccten zugängliches Leben führen, Energieaufspeiche- niiigen, niedergelegt zu Nutz und Frommen der gesammten Menschheit. Das Höchste sind hier Metaphysik und Religion. Sie haben die gleichen Functionen wie jedes andere Kunstwerk, setzen die innere Nachbildung des Woi Kosmos in die fernste Aussenwelt und lassen sie uns von dort wieder zu Gute kommen. Diese beiden Typen sind also im Hochschulunterriclit zu lehren. Wie und mit welcher Terminologie? „Er- kennen" soll bezeichnen die Nachbildung der Aussenwelt in der Innenwelt. „Kunst" (tsxvrj) in ihren verschiedenen Stufen soll bezeichnen die Nachbildung der Innenwelt in der Aussenwelt. Doch erschöpft der Ausdruck „Kunst" diese Nachbildung nicht recht, besonders wo die Aussen- welt nur die Verbindung zwischen den einzelnen Intellecten zu geben hat. Im Erkennen walten unablässige Irrungen; doch beständig erfrischt uns die Aussenwelt, die „FremdHnge" bewahren uns vor Erstarrung, die Fülle der Correcturen aus dem Kosmos und der unabhängigen Erscheinungen in der Aussenwelt erhält uns gesund. Sofern die Natur nicht hält, was der Geist verspricht, und sofern uns keine Antwort kommt, erfüllt die Expansion unserer Gebilde das Menschengeschlecht mit beständiger Wehmuth; um so grösser die Seligkeit, wenn Antwort kam. Stimmt dieser Zusammenhang der Dinge, so ist es eine der grössten Aufgaben des Hochschullebens, ihn klar und einfach zu bestimmen; und in der That wird diese Zusammenfassung vom grössten Werth für die Hoch- schulpädagogik sein. Hier vereinigen sieh Kunst und Wissenschaft; und diese Vereinigung ermöglicht das Durch- führen des hochschulpädagogischen Postulates, das gegen- seitige Verstand niss des Erkennens und der ts'/j't/, der Wissenschaft und der Kunst, zu pflegen. Die angekündigte Berichtigung gegenüber dem ge- forderten Aufgeben des alten Schemas von Geistes- und Naturwissenschaften besteht in Folgendem. Die Erkennt- uiss der Aussenwelt ist nicht beschränkt auf den Kosmos, sondern erstreckt sich auch auf unsere Producte. Diese — also Sprache, Kunst, Archäologie u. s. w. — sind die Aufgabe einer sogenannten Geisteswissenschaft als eines ,,Nebenzweiges des rein kosmischen Erkennens". — Be- züglich der höchsten Projectionen, der menschenähnlichen Gebilde im Kosmos, ist Selbstbescheidung nöthig; von eigentlichem Erkennen kann hier nicht die Rede sein. Das philosophische und religiöse „Erkennen' hat nur deshalb keine Grenzen, weil es keine Realität hat. Diese jahrtausendelangen Harmonisirungen sind nur im Intellect; allein als Diener des Kosmos und dessen, dem der Kosmos dient, haben diese künstlerischen Functionen die höchste Bedeutung. Eine künftige universale Hochschule wird beide Typen von Functionen einander aufs innigste durchdringen lassen. — Es werden jetzt Körper bekannt, die mit nicht geringer P^nergie unablässig strahlen, jedoch , ohne dass Veränderungen au ihnen feststellbar wären. Sie zeigen, wie die Welt voller Energien ist, wie wir vom .\ether nur einen Theil derselben bisher empfingen, und wie viel mehr es noch giebt. Nimmer aber dürfen wir eine Reali- tät dort annehmen, wo nicht feste Maassbestimmungen sind; mit der Normalität des menschlichen Intellects ist es dort zu Ende, wo nicht diese schärfste Kritik waltet. Allein wenn wir von Körpern erfahren, die auf einmal leuchtend, von feinsten Aetherbewegungen, die auf einmal unserer Mess- barkeit zugänglich werden, so sehen wir die Möglichkeit des Bemeisterns der Aussenwelt wachsen; und gerade in der neuesten Zeit ist die Entwickelung hierin ausserordent- lich reich. — Lambert hatte gegen Kant den inneren Zeitsinn bestritten: nur wann ein Nacheinander aus der Aussenwelt komme, konmie auch ein gesetzmässiges Nach- einander in der Innenwelt zu Stande, jedoch unabhängig von der Folge in der Aussenwelt. Verbinden wir das äussere Gesetz mit den inneren Associationen, so bekommen wir auf einmal Licht. Die Himmelsdrehung giebt uns Zeitmaasse; allein zu den naUirlichen Zeitphänomenen treten künstliehe hinzu. So entstehen also auch der Naturwissenschaftliclie Wochenschrift. XV. Nr. 2.5. Begriff der Zeit und das Wesen der Zeitmessung aus der Verbindung des Aeusseren mit dem Inneren. — Anknüpfend an diesen Vortrag wurde zunächst von dem „vcrleinerten Materialismus" gesprochen, auf den das Vorgetragene hinauskomme, und als Ergänzung der du Bois'scben Unvergleichbarkcit von Bewusstsein und Materie der „psycbophysische rarallelismus" erwähnt. Indessen sei dieser kein eigentlicher Parallelismus, da ja die psychische Causalität mit ihrem schöpferischen In- tellect eine andere als die physische sei. Einer Bemerkung, die Wissenschaft zerreisse die Aussenwelt, wurde ent- gegengehalten, dass dies nur von einigen geschehe, durch künstlich geschaffene Abstractionen wie z. B. die von du Bois. Einem Hinweis auf dauernde Bedeutung des „Ignorabimus", d. i. einem Nachweis der Unmöglichkeit, das Disparate zu vereinigen und selbst von aller Vervoll- kommnung im Sinn des Laplace'schcn Geistes zum Be- wnsstsein zu gelangen, wurde entgegengehalten, dass diese ganze Fragestellung überhaupt von der Meinung herrühre, wir hätten in unserer Erkenntniss mit zwei Linien zu thun. Vielmehr kommen wir aus der einen Linie nicht heraus und bleiben mit all unsern berech- tigten Methoden in Einer Welt, die sich vom Elementarsten bis zum Complicirtesten erstreckt und nirgends Grenzen hat, wenn wir sie nicht selber schaffen; die Einsicht darin dringe jetzt immer mehr vor. Wird wissenschaft- lich gearbeitet, so sei mau sich dessen am meisten bc- wusst. Immer weiter dringe das skeptische Zugeständniss vor, dass von den frülieren Kriterien des Erkcnnens das durch Deutlichkeit und Natürlichkeit bevorzugte Kirch- hoff's, wir kämen übers Beschreiben nicht hinaus, als das einzige Kriterium übrig geblieben sei. Nach einer wei- teren Polemik gegen diese Auffassung als eine inconsc- ([uente und einem Hinweis auf die gerade durch den Vortrag nahegelegte Ersetzung des Begriffs der „Geistes- wissenschaft" durch den der „Culturwissenschaft" (der auch die Mathematik als ein Culturproduct umschliesse), kehrte die Erörterung zurück zu den Ansprüchen des Hochschulunterrichts. Gerade dieser solle — wie von theologischer Seite bemerkt wurde — im Gegensatz gegen den Köhlerglauben einerseits und gegen den Schulunter- richt andererseits die Jünger darauf hinweisen, wie dieses Problem eine derartige Erkenntnissgrenze bilde, dass man sich in jedem Augenblick bescheiden muss, beide Ge- dankengänge, den dualistischen und den monistischen, im Auge zu behalten; alles Schulgezänkc u. dgl. würde dann schwinden, du Bois sei zur Lösung des Problems garnieht gebildet gewesen: über ihn hinaus müsse der Werth der Sprache berücksichtigt werden als einer Selbstoffenbarung des Geistes und damit des Wesens der Dinge {si> aQxfJ ijv 6 Xöroi;). Monistisch sei man gemäss dem Vorgetragenen auch in der Theologie: selbst hier zweifle Niemand, dass sich das eine wie das andere Erkennen nach derselben Methode vollziehen müsse. Ist aber zwar alles, was aus der materiellen Welt zu stammen scheint, als Erkenntniss- object auch materiell, so bleibe doch — wogegen sich allerdings Widerspiuch erhob — als das Wunder der Wunder die absolute Subjcctivität, das Fichte'schelch übrig. Sobald man's fassen will, sei es schon nicht mehr das, was zum Vorstellen anregte; und darin liege ein Dualis- mus, zwar nicht einer der Wissenschaft, wohl aber einer des Lebens. Dem Gedanken von jenen zwei Typen haben .Männer wie Schleiermacher („Ueber Naturgesetz und Sittengesetz", 1825) vorgearbeitet. Sind wir in der Wissenschaft rcproductiv, in der Kunst productiv, so haben wir in Metaphysik und Religion die gesuchte Ver- einigung, die uns nicht mehr blos das eine oder das andere sein lässt. Die Sprache sei das schöpferische Organ, durch das der Mensch zum Gott wird. Deshalb sei auch nicht jene Wehnuith zuzugeben und damit ein Dualismus, an dem wir laborirten. Selbst in der theo- logischen Entvvickelung sei man hierin noch nicht weit genug consequent. — Der Frage nach Eingliederung des Vorgebrachten in den Lehr plan einer Hochschule antwortete der Vortragende, ihm sei es darauf an- gekommen, zu zeigen, dass aus dieser Universaibe- trachtuug heraus das Verständniss des Zusammen- wirkens von Wissenschaft und Kunst ein wichtiges j Moment der Einrichtung der Hochschulstudien dar- I l)ietet. Ueberall müsse einheitlich vorgegangen, auf allen Stufen in diesem Sinn erkcnntuisstheoretisch gear- beitet, diese Weise überall in die Seelen gelegt werden. Von anderer Seite wurde als selbstverständlich erklärt, dass dies nicht am Anfang des Hochschulunterrichts ge- bracht werden dürfe, sondern erst, wann gewisse Voraus- .setzungen erfüllt sind. Wer habe sonst eine Vorstellung von der Confignratiou der Materie? wer werde den treff- lichen Begriff der Selbstbehauptung in seiner erkenntuiss- tbeoretischen Tragweite recht würdigen? Es genüge ferner nicht, dass man mit dem hier Vorgebrachten alle Unterrichtsstufen durchdringt; vielmehr sei dafür noch etwa ein ganzer Semestercurs am Ende der Studien an- zusetzen. Insbesondere aber gehöre dies ins hoch schul pädagogische Seminar, das von der Hochschulpäda- gogik gefordert wird. Kein künftiger Docent solle seine Vorbildung ohne einen solchen Curs Neue Planeten und Kometen des Jahres 1899. Von Adolf Hiiatek (Wien.) Unsere Kenntniss von den Gliedern des Sonnensystems wurde im abgelaufenen Jahre wieder durch eine ziemliche Anzahl von Entdeckungen kleiner Planeten und Kometen bereichert. Speciell die ersteren stellten ein grosses Contingcnt bei, denn nicht weniger als zwanzig Planeten- entdeckungen waren der Centralstelle in Kiel angezeigt worden. Doch macht sich jetzt bereits der Umstand äusserst unangenehm fühlbar, dass nicht alle der nun schon auf die stattlii'lie Zahl von 451 gekommenen Planetoiden mit jener voilkonnnenen Schärfe vorausgerechnet sind, wie sie bei astronomischen Arbeiten und Rechnungen wünschenswerth und usuell ist. So muss es kommen, dass bei manchen dieser Himmelskörper eine so grosse Differenz zwischen Beobachtung und Rechnung auftritt, dass die Vernuitliung aufkommen kann, man habe statt des alten bereits be- kannten Planeten ein völlig neues Glied dieser Gruppe beobachtet und entdeckt. Unter den im Jahre 1899 ge- lungenen 2ü Entdeckungen sind nicht weniger als 7 aus diesem Grunde zu streichen. In jedem dieser Fälle glaubte der Entdecker ein neues Glied der Planetoiden- zoue vor sich zu haben, während es thatsächlicli ein be- kannter Himmelskörper war, den der Beobachter wieder aufgefunden hatte. Die Differenz zwischen dem beob- achteten und vorausberechneten Ort war jedesmal so gross, dass die erste, allerdings irrige Vermuthung seiner Neuheit nur gerechtfertigt schien und nur durch weitere XV. Nr. 25. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Bcobacbtung- in ihrer Uiirichtii^keit dargcthau werden konnte. Diese Unsicherheit in einem Theilc der astronomischen Kecinnmgen, der einer hervorragenden Genauigkeit fähig ist, mag vielleicht manchem sonderbar vorkommen. Man denke jedoch nur an die grosse Zahl dieser Körper und vergegenwärtige sich zugleich die ungeheure Summe von Ziftern, welche die Bahnbestimmung und Vorausberechnung auch nur eines einzigen dieser kleinsten Kinder unserer Sonne erfordert, und man wird sofort einsehen, wie schwer es für die Astronomen ist, neben der Unzahl anderer Arbeiten noch diese obendrein ziemlich mechanische Rcchenarbeit zu leisten, — mechanisch aus dem Grunde, weil, mit nicht allzu vielen Ausnahmen, dieselbe Rechnung für jeden der 451 Planeten mit nur veränderten Zahlen zu wiederholen ist. Unter den Entdeckungen des Jahres 1899 ist nur eine nach der alten Methode gelungen, nämlich durch Einzeichnen der Sterne in ein'c Sternkarte und aber- maliges Vergleichen dieser mappirten Karte mit dem Himmel in der nächsten Nacht. Die Entdeckung geschah durch Coggia in Marseille am ol. März. Alle anderen Planeten wurden auf photographiscliem Wege aufgefunden, und zwar sieben von Wolf und Schwassmann auf der neuen Sternwarte in Heidelberg, einer von Charlois in Nizza und einer von Coddington auf der Licksternwarte. Diese letzte P]utdeckung zeigt liotfentlich an, dass man in Amerika wieder begonnen hat, diesem Felde astrono- mischer Entdeckuugsthätigkeit Beachtung zu schenken, nachdem nun fast zehn Jahre verstrichen sind, ohne dass Amerika das geringste beigetragen hätte zur Erweiterung unserer Kenntniss der kleinen Plancteu. Die letzte Ent- deckung, die auf amerikanischem Boden gelang, machte der damalige Director der Clintoner Sternwarte, C. H. F. Peteis mit der Auffindung des Planeten Nephthjs. Der von Coddington entdeckte Planet erwies sich allerdings, wie übrigens Prof. Kreutz in Kiel sofort bemerkt hatte, identisch mit einem Asteroiden, der bereits im Februar 1896 von Wolf aufgefunden worden war, damals jedoch nur wenige Beobachtungen, die über einen Zeitraum von nur acht Tagen vertheilt sind, hatte anstellen lassen, so dass die Bahnbestimmung äusserst ungenau geblieben war. Coddingtous Fund kann daher mit voller' Rechtfertigung als Xeucntdeckuug genommen werden. Drei der 1899 entdeckten Planeten konnten überhaupt nicht weiter ver- folgt werden und müssen daher als verloren gegeben werden. Was die Sichtbarkeitsverhältnisse der 13 neuen Himmelskörper betrifft, so waren mit Ausnahme des letzten von Charlois entdeckten wohl alle ziemlich lichtschwach. Eine Anzahl der von Wolf in Heidelberg entdeckten Asteroiden war lichtschwächer, als in dem ersten Bericht des Entdeckers angegeben war. Dieser Umstand verdient Beachtung, weil er geeignet ist zu zeigen, wie sehr die Arbeiten eines astronomischen Institutes von den Luft- verhältnissen abhängen. Da nicht angenommen werden kann, dass die Helligkeitsschätzungeu Wolfs plötzlich ungenau geworden sind, so kann die Ursache der un- richtigen Schätzung nur darin gesucht werden, dass sich bei den durch die günstigere Lage der neuen Sternwarte bedeutend verbesserten Luftverhältnisseu , die Stern- scheibchen auf der photographischen Platte durchaus grösser gestalten, als dies auf der alten Sternwarte wegen der schlechteren Luft der Fall sein konnte. Daher wurden auch die Helligkeiten nach der Grösse des Sternbildes auf der Platte grösser geschätzt. Die Bahnelemente der neuen Planeten zeigen nur wenige EigenthUmliehkeiten. Einige Aehnlichkeiten mit den Elementen bereits bekannter Planeten Hessen sich zwar constatiren, doch geht dieselbe niemals weit und verschwindet gewöhnlich in einem oder dem anderen Bestimmungsstück der Bahn gänzlich. Die erste Koraetenentdeckung des Jahres 1899 gelang dem amerikanischen Astronomen Swift zu Echo-mountain in Californieu durch Auffindung eines ziemlich hellen Haar- sternes am 2. März. Der Komet nahm später an Licht so sehr zu, dass er im Mai sogar dem unbewaffneten Auge sichtbar wurde. Interessant war das Object wegen seiner Helligkeitsschwankungen, die anfangs Juni con- statiert wurden und welche besonders von Dr. J. Holetschek in Wien und Pokrowsky in Dorpat genau studirt wurden. Wenige Tage nach der Entdeckung dieses Objectes, am 5. März, meldete Prof. Wolf die photographischc Wiederauffindung des Kometen Tuttle in seiner vorig- jährigen Erscheinung. Auf der nördlichen Halbkugel ge- langen jedoch nur wenige Beobachtungen, da die Bewegung des Kometen stark südlich gerichtet war und ihn bald unter den Horizont verschwinden Hess. Ungefähr zwei Monate später, am 6. Mai, fand Perrine, ein Astronom der Licksternwarte, den zweiten Tempel'schen Kometen hart an dem Orte wieder auf, den Schulhof vorausberechnet hatte. An demselben Tage fand Perrine gemäss der Vorausberechnung von Zwiers auch einen zweiten Kometen, der bei seiner Entdeckung im Jahre 1892, durch die sonderbaren, äusserst energischen Lichtausbrüche lebhaftes Interesse erweckt hatte, den Kometen Holmes. Im Vor- jahre blieb der Komet jedoch nur in den grössten Re- fractoren sichtbar und übertraf überhaupt nie die Hellig- keit eines Sternes 14. Grösse. Die letzte Entdeckung eines Kometen meldete Gia- cobini, der rührige Kometenjäger der Nizzaer Sternwarte, am 29. September. Dieses Object ist ein bisher unbe- kanntes Glied unseres Sonnensystems, ebenso wie das von Swift zu Beginn des' Jahres im März entdeckte. Die Bahnelemente des Kometen Giacobini bieten nur das eine interessante, dass die Ebene, in welcher sich der Hinnnels- körper um die Sonne bewegt, nahezu senkrecht auf der Ebene der Erdbahn oder Ekliptik .steht. Im Ganzen wurden also im Jahre 1899 fünf Kometen beobachtet, eine Zahl, die im Vergleich mit den acht Kometen, die ihre Sonnennähe im Jahre 1898 erreicht haben, nicht gerade gross genannt werden kann. Ueberdies waren nur zwei der Objecte neu, während drei derselben bereits bekannt und berechnet und auf Grund eben dieser Rechnung wiedergefunden worden waren. Nichts desto- weniger darf man jedoch mit dem Resultate zufrieden sein, denn gerade diese letzteren, periodischen Kometen sind immer äusserst interessant und geben Anlass zu einer Reihe von Untersuchungen, so dass das Jahr 1899 in dieser Hinsicht wohl auch als ergiebig bezeichnet werden kann. Bei den Sprachstörungen unterscheidet man blosse Functionsstöruug der Muskeln, Anarthrie, und gehinderte Sprachbildung bei völlig intactem Muskelapparat, Apha- sie. Anarthrie beruht auf Störung des verlängerten Marks, der Medulla oblongata. Bei der Aphasie ist zu unterscheiden, ob der Kranke gesprochene Worte gut auffasst und nur an der Ueber- traguug des richtig Gedachten in die Sprache gehindert ist — motorische oder ataktische Aphasie — , oder ob ihm das Verständniss der Sprache verloren gegangen ist, sodass er den Sinn der vorgesprochenen Worte nicht versteht und selbst nicht im Stande ist, Wortbegrifife her- 294 Naturwisscnschaftliclii' \\'oLh('nsi.-hi'il't. XV. Nr. 25. vorzubriiig-en — sensorische und amnestische Apha- sie. Der Sitz der motorischen Aphasie ist die dritte linke, die Broiia'schc Stirnwindnng, der Sitz der sensorischcu die erste linicc Schläfenwiudung. Es kommen dabei mannig- faclie Variationen vor, auf weiclie wir hier nicht näher eingehen, sondern nur anführen wollen, dass z. B. das willkürliphe Sprechen aufgehoben, das Nachsprechen und Lautlescn erhalten sein kann. Bei demselben Zustand kann das willkürliche Schreiben aufgehoben, das Copiren und Diktat-Schreiben erhalten sein. Dann wieder giebt es Fälle, in denen willkürliehe Sprache, das Nachsprechen und Lautlesen, sowie das Leseverstäudniss aufgehoben, das Wortvcrständniss erhalten ist. In den gleichen Fällen kann Schreibstörung, Agraphie, für willkürliches und Diktat-Schreiben bestehen, Copiren dagegen möglich sein. .\ucli die niusikali.sclieii Ausdrucksbewegungen können zu- sannneu mit der Sprache, zum Tlieil auch unabhängig von derselben gestört sein. Einen sehr interessanten Fall von hochgradiger Aphasie und erhaltenem musikalischen Gcdächt- niss stellte v. Leyden im April d. ,1. im Verein für innere Medicin in Berlin vor (Deutsche nicdic Woehensebrift vom 10. 5. 1900.). Das SprachvcrnKigen des 4-Jjälnigcn Kranken war bei seiner Aufnahme in die Cliaiitr aufs Aensserste beschränkt. Er konnte eigentlidi niii ., hiuue-, „ja" und „ah" sagen, undeutlich sprach er aiicli noch den Namen „Clara" aus, den Namen seiner Frau. Laut lesen konnte er nicht, auch nicht auf gedruckte Worte hin- deuten. Dagegen bemerkte er sofort SL-Iueiblclilcr an seinem Namen an der Tafel. Zeitungen und lUklier las er anscheinend mit Interesse. Befclile einfachster Art, z. B. „Geben Sie mir Ihre linke Hand", führte er nicht ans, verstaud sie also nicht. Aber dieser mit fast vollstän- tligem Verlust der Sprache behaftete Patient hatte das mnsikalischc Gcdächtniss in fast vollständigem Grade be- lialten und, was ganz besonders interessant war, er sang nicht nur musikalisch vollkommen richtig, sondern auch mit den deutlich ausgesprochenen Worten des Liedtextes. Ohne zu singen vei mochte er von dem Text nichts zu recitiren, auch nicht nachzusprechen, wenn man ihm vorsagte. Auf Geheiss sang Patient eine Reibe von Liedern mit Text: „Morgenroth, Morgenroth", „Ich hatt' einen Kameraden", „Komm' Karlineken, komm", „Zu Mantua in Banden", „0 Strassburg, o Strassburg". Um die Thatsache zu erklären, ist man zu der An- schauung gekommen, dass das musikalische Gcdächtniss und der musikalische Ausdruck mit dem. sprachlichen parallel steht, aber doch von ihm getrennt ist, sodass das eine oder das andere für sich verloren oder eihalten bleiben kann. Wernicke hat besonders die Lehre von der Aphasie ausgebaut und auch ein Schema dafür aufgezeichnet, in welches v. Leyden ein Schema für den musikalischen Ausdruck mit den entsprechenden Ccntralpunkten hiuein- zeichnet. Dem Verlust des Wortgedächtnisscs geht parallel der Verlust des musikalischen Gedächtnisses. Der Wortblindheit steht gegenüber die Notenblindheit, der Worttaubheit steht gegenüber die Unfähigkeit, Melo- dien aufzufassen. Eine Linie für die Musik, eine andere für die Sprache vereinigen sich am Ohr. Vom Ohr geht der Schall nach den Hörcentren, und zwar einerseits nach dem Wortcentrum, anderseits nach dem musikalischen Centrnm. Schwieriger ist die Erklärung: wie konnnt es, dass Jemand, der zwar sein musikalisches Gedächtnis be- halten, aber das Wortg.(l;i' um 10,19 Uhr und C um 10,20, Uhr. .1 erhob sich sogleich ausserordentlich rasch in der Richtung nach Nordwesten und erreichte bald eine grosse Höhe;; hier beschrieb sie einige weite Kreise, wobei sie sich noch höher erhob, und nach einei- Orientirung von etwa 3 Minuten flog sie auf ungefähr dei-sellien luiute zurück, auf der sie die l;eise im Ki>enliahnw,-,-eii /.nriiek.-vlegt hatte, also ji'tzt nach Osten. Die l'aube B llug nach der entgegen- gesetzten Richtung auf, erreichte ebenfalls schnell eine grosse Höhe und wandte sicrh nach Osten, beschrieb dann zwei oder drei Kreise und versehwand in südöstlicher Richtung. Die dritte Taube C stieg langsam auf, sie wandte sich ebenfalls nach Osten, ging aber längst nicht so hoch wie die beiden anderen, beschrieb mehrere Kreise, stieg mehrmals in der Luft auf und nieder und verschwand endlich nach einer Orientirung von ungefähr 4 Minuten in östlicher Riehtnng. Die erste Taube, welche in S|)aa ankam, war C, sie traf 11,35 Uhr ein; die normale Taube A kam gegen Mittag an, aber die Taube B, welcher die Nasen- löcher verstopft worden waren, kelutc erst am Abend des 7. September zurück, also melir als drei Tage nach dem Aufstieg, und zwar war sie äusserst mager, die Nasen- löcher waren jedoch offen. Die grosse Magerkeit hatte wohl ihren Grund darin, dass die Taube eine lange Reise gemacht hatte. Durch die Verstopfung der Nasenlöcher eines ihrer Orientirungsmittel beraubt, schlug sie gleich nach dem Aufstieg eine falsche Richtung ein, sie ist dann wohl mehrere Tage auf der Suche nach dem richtigen Wege umhergeirrt und konnte diesen erst wiederfinden, als die Nasenlöcher wieder frei wurden. Es scheint also, dass das Geruchsorgan für den Zweck der Orientirung eines Vogels von Bedeutung ist. Um dies sieher festzustellen, müssen freilich noch viele diesbezüg- liche Experimente vorgenommen werden, der Verfasser denkt seine Versuche in diesem Sommer wieder aufzu- nehmen. Am Schlüsse seiner Arbeit giebt de Cyon noch einige, allgemeine Bemerkungen. Nach seiner vorläufigen Annahme besitzen die Nasenschleimhäutc der Taube die besondere Fähigkeit, die für das Thier ,i;iinstigen Winde zu unterscheiden, welche im Stande sind, e- an den hei- mischen Taubenschlag zurückznlciten. Der \erlasser fasst das Resultat seiner bislieri;;en rntersnelumgen in folgenden Sätzen zusanniien. Die Oiientiiung der Thiere auf weite Entfernungen ist eine zusannnengesetzte Erscheinung, bei welcher die Sinneseraptindungen der Netzhaut des Auges und der Nasenschleimhäute, vielleicht auch der Schleim- häute der Hirnhöhlen, eine wichtige Rolle spielen, dazu kommt ein ausserordentlich starkes Ort-erinneiaings- vermögen. Die halbkreisförmigen Kanüle i\^->~ Laliviinlhs spielen dabei nur eine Hülfsrolle, indem sie dem Thiere 296 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 2- gestatteii, die nöthigen solinellen und wechselnden Bewe- gungen anszufiUiven. Wie schon Cnvier zeigte, besitzen alle Thiere, die einer besonders schnellen Bewegung fähig sind, wie Brieftauben, Fledermäuse, Hasen, Kaninchen, Antilopen, Hirsche u. a., ein ausserordentlich entwickeltes Labyrinth. S. Reh. lieber den Nutzen der Plio.si»hoi-escenz bei den Thieren der Tiefsee spricht C. C. Nutting im October- heft 1S99 des „American Naturalist". Die Bewohner der Tiefe des Meeres können in zwei Kategorien getheilt werden: bewegliche und sitzende Formen. Zur ersten Gruppe gehören die Fische, die Mehrzahl der Crustaceen, der Mollusken, Würmer und Stachelhäuter, ein Theil der Coelenteraten und die meisten Protozoen, zur zweiten Gruppe der grösste Theil der Coelenteraten, die Actinien, Peunatuliden u. a. Es ist dabei in Betracht zu ziehen, dass alle Glieder dieser Tiefseefauna von thierischer Nah- rung leben. Der Verfasser nimmt nun an, dass die Phosphorescenz den Thieren dazu dient, sich gegenseitig herbeizurufen und ferner andere Thiere herbeizulocken, die ihnen als Nahrung dienen sollen. Viele Cruster ge- hören zu den phosphorescenten Thieren, und mehrere be- sitzen sehr entwickelte Augen. Das Licht, welches sie hervorbringen, dient ihnen dazu, ihre Umgebung zu be- leuchten und so die Beute zu bemerken. Bei gewissen Cephalopoden ist selbst das Leuchtorgan sehr vollkommen, denn es ist mit einem Reflector versehen. Die sehr be- weglichen Thiere sind in grossen Tiefen fast immer mit Phosphorescenz ausgestattet, aber auch bei weniger leb- haften Thieren findet sich dieselbe, z. B. bei einigen kleinen Schlangensternen, die zwischen den Armen von gleichfalls leuchtenden Gorgonien umherkriechen und so, da letztere wohl vielleicht gar keine Fe'inde haben, eines trefflichen Schutzes geniessen. Bei Coelenteraten und Protozoen hat die Phosphorescenz den Zweck, dass sich die Thiere gegenseitig bemerken und auflinden. Die Phosphorescenz der frei bewegliehen Tiefseethiere dient also als Schutzmittel oder als Mittel der gegenseitigen Anziehung. Auch bei den festsitzenden Thieren ist mitunter die Phosphorescenz sehr stark, und diese Thiere haben meist keine Sehorgane. Hier dienen die Leuchtorgane dazu, andere bewegliche Thiere herbeizulocken, welche als Nahrung dienen sollen, so kleine Crustaceen und deren Larven, Protozoen u. a. Nach dem Verfasser würde also die Phosphorescenz für die damit ausgestatteten Thiere stets von Nutzen sein, und zwar auf verschiedene Weise. S. Seh. Die Beziehungen zwischen Ernährung und Waehs- thnni bei den Seesternen hat A. D. Mead studirt, er berichtet darüber im Januarheft 1900 des „American Naturalist." Vor mehreren Jahren halte Alexander Agassiz das Alter von Seesternen schätzungsweise nach ihrer Grösse angegeben und daraus berechnet, dass die Seesterne nach etwa 14 Jahren zur vollkommenen Ent- wickelung gelangten. Er fand nämlich am Meeresufer auf einer ausgeworfenen Laminarienwurzel eine Anzahl j'unger Scesterne von drei verschiedenen Grössen, ohne dass zwischen ihnen Uebergänge existirtcn ; indem er nun die kleinsten als die jüngsten,, die grössten als die ältesten ansah, kam er zu obigem Resultat. Durch die neuen Untersuchungen von Mead, die dieser im Jahre 189S austeilte, wird die Theorie von Agassiz völlig ge- stürzt. Mead sammelte eine grosse Anzahl junger Sce- sterne, die erst einige Tage alt waren, und hielt dieselben in einem schwimmenden Behälter, wo er sie vom Juni bis November beobachtete. Die steeknadelkopfgrossen Thiere hielten sich sehr gut. Von Zeit zu Zeit wurden sie hinsichtlich ihres Wachsthunis geprüft. Dabei fiel zu- nächst, entgegen der Berechnung von Agassiz, die grosse Schnelligkeit auf, mit der die Thiere wuchsen; Socstcrnc, die Ende Juni noch nicht 1 mm gross waren, maasscn Ende October 54 mm. Daneben entwickelten sich aber einzelne Thiere recht langsam. Ende August wurden S Individuen verschiedener Grösse gemes.scn, welche fol- gende Maasse ergaben: 7,5 mm, 8,5 mm, 10,5 nun, 12 nun, ll'« nnn, 14,5 mm, 16 mm und 18 mm. Der wesentliche Factor, der bei der Grössenzunahme in Betracht kommt, ist die Ernährung. Hat das Thier viel Nahrung, so kann es viel assiraiiiren und sieh gut entwickeln. Fehlt dagegen die Nahrung, so hört es auf zu wachsen; es wird noch Monate lang leben und allem Anschein nach gesund sein, doch ein Wachsthum wird nicht mehr coustatirt werden können. Einem Scestern von 18 mm Länge wurde am 18. August das Futter ent- zogen; bis zum 26. September nahm derselbe nicht nur nicht au Grösse zu, sondern er wurde sogar etwas kleiner, wogegen einer seiner Genossen iu derselben Zeit seine Dimensionen verdoppelte. Von zwei anderen gleich grossen Seesteruen erreichte der eine, der sehr reichlieh gefuttert wurde, 50 mm Durchmesse)', der andere dem nur sehr wenig Nahrung geben wurde, brachte es kaum auf 3 mm. Hat der Seestern eine gewisse Grösse er reicht, dann wird er geschlechtlich reif. Also auch die sexuelle Reife ist von der Ernährung abhängig. S. Seh. Nidologisches. — In No. 21 der „Naturw. Wochen- schr." befindet sich ein Anfsat/. vnu Sciicnkling-Prevöt unter dem Titel „Niddlogisclics". — Auf Seite 2'r2 wird erwähnt, dass einmal Hausschwalben i n einem Stalle ihre Wohnung aufgesehlagen hatten. Gerade das Um- gekehrte kann ich von einer Rauchschwalbe berichten. Als ich mich nämlich vor einigen Jahren in Steinach an der Brennerstrasse aufhielt, bemerkte ich und zwar im Gasthause zum „Steinbock" daselbst vor dessen Hinter thür das Nest eines solchen Vogels, der sich, wahrschein- lich wegen Mangels an Platz im Hause — denn dort ist alles mit derartigen Nestern angefüllt — , draussen an- gesiedelt hatte. Deutlich sah ich, wie die rothkehligen Thiere ihren im Neste harrenden Jungen Futter zutrugen. Auf derselben Seite des betreffenden Aufsatzes heisst es ferner von der Ringeltaube, in Ostfriesland niste der sonst so scheue Vogel in der Nähe der menschlichen Wohnungen u. s. w. Dem Herrn Verfasser scheint das Verhalten dieser Thiere in unserer Gegend hier völlig un- bekannt zu sein. In Bautzen z. B. haben wir die Ringel- tauben im Frühling regelmässig iu den Gärten und den Anlagen der Stadt, und fast jedes Jahr nistet ein Pärclien im Garten des Gymnasiums trotz des Lärmens und Tobens der lustigen Schuljugend. In Görlitz habe ich die V(igel ebenfalls und zwar in ziemlicher Anzahl in den dortigen doch gewiss sehr besuchten Anlagen gesehen, und von Dresden wird mir berichtet, dass sie sich auf den Bäumen der Bürgerwiese und des Grossen Gartens oft in Menge ein fänden. Aus dem sonst so scheuen Waldvogel scheint also (wie das ja bei der Amsel längst der Fall ist) ein menschenliebender Gartenvogel zu werden. Dr. phil. R. Ncumann, Bautzen. XV. Nr. 25. Xaturwissenscliaftlichc Wochenschrift. 297 Ueber radioactives Barynm macht Bela v. Leiigyel Mittlicilnngcn in den Ber. Deutsch. Cheni. Ges. 33, 1237. Nach P^ntdeckung- der Uran strahlen durch Bequerel und den Beobachtungen Schmidt's, dass die Thoriumverbin- duugen ähnliche Strahlen aussenden, fand das Ehepaar Curie im Uranpeclierz eine radioactive Substanz, deren Strahlung die des Urans um das 400 fache übertrifft. Sie vermuthen in der Substanz ein bisher unbekanntes Ele- ment, dass in seinen chemischen Eeactionen mit dem Wismuth übereinstimmt, und das sie Polonium nannten. Es gelang ihnen nicht, das Polonium vom Wismuth zu scheiden. In Gemeinschaft mit Beinont isolirten dieselben Forscher noch im nämlichen Jahre eine weit activere Substanz aus der Pechblende, die sie für ein ebenfalls unbekanntes Element: „Radium" ansprechen. Radium gleicht chemisch dem Baryum und lässt sich von ihm nicht trennen. Die spectralanalytischen Unter- suchungen des radioactiven Baryums durch Demarcey er- gaben "neben den intensiven Linien des Baryums eine fremde Linie, welche dem Radium eigen zu sein scheint. Das Atomgcwiciit des activen Baryums fand Frau C!urie um 8 Einheiten höher als das des inactiven Baryums. F. Giesel erhielt aus 1000 kg Pechblende 15 g radioactives Baryumpräparat, er fand auch das Polonium, und zwar an Blei haftend. Debierne isolirte aus der Pechblende eine äusserst activc Substanz, deren Eigenschaften denen des Titans gleichkommen. Wir kenneu derzeit radioactive Körper, die von fünf verschiedener Herkunft sind: die Verbindungen des Urans, Thoriums, Poloniums, Radiums und des Debierne'schen, dem Titan ähnlichen Körpers. Uran und Thorium sind chemisch gut definirte Körper, während die drei letzt- genannten zur Zeit nur hypothetische Elemente sind, unter ihnen ist Radium am besten charakterisirt; doch kommt man durch eine objective Beurtheilung kaum zu der Ueberzeugung, dass Radium ein existirendes Element ist. Für seine Existenz kommen zwei Factoren in Betracht, das höhere Atomgewicht des radioactiven Baryums und das Spectrum desselben. Aus dem Atomgewicht des radioactiven Baryums, das um 8 Einheiten höher liegt, als das des inactiven, folgert Frau Curie, dass das Radium cxistiren müsse. Nimmt man an, dass das Radium zwei- werthig ist und ein ebenso hohes Atomgewicht hat wie Uran und legt das von Frau Curie gefundene Atomgewicht des radioactiven Baryums (145,8) bei der Berechnung zu Grunde, so ergiebt sich, dass das Präparat, mittels welchem das Atomgewicht des radioactiven Baryums be stimmt wurde, circa 2 7o Radiumchlorid hätte enthalten müssen. Es lässt sich schwer einsehen, dass eine so be- trächtliche Menge eines fremden Elementes sich während der verschiedenen chemischen Umsetzungen nicht verrathen liaben sollte. Selbst bei der Annahme, dass Radium und Baryum mittels der gewöhnlichen analytischen Methoden nicht ge- trennt werden können, hält es schwer, das Radium als existirendes Element aufzufassen. Nach Demarcey besitzt das Spectrum des radioactiven Baryums nur eine Linie, welche neben den intensiven Baryumlinien sichtbar ist und nicht dem Baryum angehört. Die Spectra des Calciums, Strontiums und Baryums bestehen aus scharfen Linien und verwaschenen Streifen, für das Radium sollte daher Aehnliches zu erwarten sein. Auch darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass diese neuen Elemente, stets an wohlbekannten, chemischen Elementen haftend, gefunden worden sind. Curie's fanden das Polonium an Wismuth, Giesel an Blei haftend; Radium haftet an Baryum, Debierne's Element an Titan; all' diese radioactiven Körper haben dieselbe Quelle, das Uraupecherz, aus welchem sie auf analytischem Wege abgeschieden wurden. Die Ansicht von der Existenz von Elementen, die sich selbst in ihren Verbindungen nur durch ihre Radioactivi- tät unterscheiden, ist schwer zu begründen. Verfasser ist diesen Fragen experimentell näher ge- treten, und zwar wählte er den synthetischen Weg, denn es ist klar, dass die Frage, ob Radium ein existirendes, chemisches Element ist, verneint werden muss, wenn es gelingt, gewöhnliches, inactives Baryum in radioactives zu verwandeln. Die Versuche ergaben ein positives Resultat; so zeigte sich, dass man gewöhnliches Baryum in radioactives ver- wandelnkann, welches alle die von verschiedenen Forschern beobachteten Eigenschaften des radioactiven Baryums zu besitzen scheint. Zur Darstellung des radioactiven Baiy umsulfats schmilzt man Uranyiuitrat mit 2 — 3 ", ^ Baryumnitrat zusammen, ver- jagt die Salpetersäure durch (Uühen möglichst und schmilzt die hinterbliebenen Oxyde im elektrischen Bogen. Die Schmelze wird in Salpetersäure gelöst, die Lösung ein- gedampft, wobei sieh ein grosser Theil des Baryts als Nitrat abscheidet, die heisse I^ösung von den Krystallen abgegossen, mit Wasser verdünnt und das radioactive Baryumsulfat mit Schwefelsäure gefällt. Aus 20 g Baryum- nitrat erhielt Verfasser nur 3—5 g Sulfat, das zweifellos noch mit gewöhnlichem Baryumsulfat verunreinigt war; von Lengyel hat bis jetzt drei radioactive Verbindungen hergestellt: Das radioactive Baryumsulfat, aus diesem das Chlorid und das Carbonat. Radioactives Baryumsulfat fällt aus der Lösung als feiner, weisser Niederschlag beim Versetzen der sauren Lösung mit Schwefelsäure oder einem schwefelsauren Salz. Der Niederschlag, mit heissem Wasser gut ge- waschen, getrocknet und geglüht, ist weiss mit einem Stich ins Gelbliche, vielleicht von einer Spur Uran. Die Substanz wurde in ein kleines Gefäss geschüttet, dessen Boden ein dünnes Glimmerblättchen bildete, und das Ge- fäss auf eine in schwarzes Papier gehüllte, empfindliche photographische Platte gestellt. Nach zwei Stunden wurde die Platte entwickelt, und es erschien ein dem Querschnittdes Gefässes entsprechender, kräftiger schwarzer Fleck. Das Präparat war also radioactiv und die Activi- tät desselben nahm nach mehreren Tagen zu. Bekanntlich durchdringen die Radiurastrahlen dünne Metallschichten, das vom Verfasser dargestellte Baryum- sulfat zeigte dieselben Eigenschaften. Eine Kupfermünze wurde zur Hälfte so dünn abgefeilt, dass die Dicke des abgefeilten Theiles ungefähr '/g so stark war, als die andere Hälfte. Die Münze wurde zwischen das actives Baryumsulfat enthaltende Glasgefäss und die in schwarzes Papier ge- hüllte empfindliche Platte gelegt und das Ganze 3 Stunden stehen gelassen. Die Stelle, die der dickeren Kupfer- schicht entsprach, blieb nach der Entwickelung auf der Platte weiss, die Stelle, die der dünneren Kupferschicht entsprach, war grau, und das Bild der Kupfermünze mit einem intensiiv schwarzen Rande umgeben. Dieser schwarze Rand war von Strahlen erzeugt worden, die die Platte ausserhalb der Kupfermünze direct trafen. Radiumstrahlen erleuchten den Baryumplatincyanid- Schirm und machen die Luft zum elektrischen Leiter, das vom Verfasser dargestellte Präparat zeigte dieselben Eigenschaften; auch das Chlorid und Carbonat haben sich als activ erwiesen. Obgleich die angestellten Versuche die l^'rage, ob 29S Naturwissenschaftliche Wochenschril't. XV. Nr. 25. Kadiuni elementarer Natur ist oder nicht, noch nicht ge- nügend erhellen, so ist die Existenz des Radiums zum mindestens dadurch stark zweifelhaft geworden; zur end- gültigen Entscheidung der Frage setzt von Lengyel seine Versuche fort. Dr. A. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Dr. med, Hermann Cliristian Tjaden 7,um Regierungsrath und Mitglied des kaiserliclien Gesundheits- amtes; Dr. Otto Messer er, ausserordentlicher I'rnfessor der gerichtlichen Medicin zu München, zum nnlfiiilirlnn Professor; Professor der Geodäsie K. Koppe und rmf, ,.,ir J,.;- Tcchnologio A. Lüdicke an der technischen Hochsriinh' ,,11 i;r:nnisi.'li\veig zu Geheimen Hofräthen; Privatdocent des .M;i.-.rbiiieHl.aiies ebenda O. Denecke zum ausserordentlichen Titular-Profossor; Honorar- Docent für physikalische Chemie an der deutschen technischen Hochschule in Prag L. Storch zum ausserordentlichen Professor; Professor der Laryngologie in Wien 0. Chiari, bisher provi- sorischer Leiter der lary ngologischen Klinik, zum wirklichen Leiter; Dr. Ernst Jeep, Hilfsbibliothekar an der königlichen Bibliothek zu Berlin, zum Bibliothekar; Dr.Ph. Losch, Assistent ;ui d. r riiiv.'i.Mtiit (n.ttiiigen zum HilfsbiiilinthrU:ir ;iii 'Icr l'iii ver-if.il (uvlisual.l; Hr. Fritz Cohn, Pri\ anlnr.nt ,i.-y \.^u,nu,- SU:i-n\\:uh-;''Vvn{?\i. M ü un ich'm i'v'e r . l'i iMit.lormt <\rv Astru nomie in Bonn zum Observator an (Irr St.iii« arti-; Dr. A.dlt. I'n Cent der pathologischen Anatomie au 'K 1 1 lii( 1 aiztlirliin IIorli:iiat Leipzig ins Leben gerufenen Instituts für gerichtliche M. .lirin. Berufen wurden: Dr. Hoelsehf r, l'iivatiloecnt der Chirurgie zu Kiel, als Oberarzt an die chirurgische Abtliciliuig des städti- schen Krankenhauses zu Köln; Dr. Westp hah 1 , l'iivatdorent in der medicinischen li'akultät und Assistent an iler Irrenklinik der Charite zu Berlin, vertretungsweise als Leiter der |i;^\ehia Irischen Universitätsklinik nach Greifswald; ausserordentlicher Professor der technischen Physik in Göttingen E. Meyer als Professor der Mechanik au die technische Hochschule in' Bcilin; Privatdocent der technischen Meelianik au der teeluiiöidieu Hoch- schule Berlin M. Grübler. 1 MsM.-elier SlaatM-alli nn:l oide.itlieher Professor a. D., als ordentlirl,,.,' l-p,te>-(.i- an die terlmiselie Hoch- schule in Dresden; Dr. Sciiu.ibel, rrofessur der cheini.sclion Technologie an der Bergakademie zu Clausthal, an das kaiserliche Patentamt in Berlin; Dr. O. Minkowski, ausserordentlicher Professor der inneren Medicin in Strassburg, als Oberarzt an das Stadtkrankenhaus in Ivöln. Es habilitirteu sieh: Dr. Schäfer in der medicinischen Fakultät zu Berlin; Dr. Schi eck für Augenheilkunde in Halle; Dr. Oswald für medicinische Chemie in Zürich; Dr. L. Dicls für Botanik in Berlin; Dr. A. Birch -Hirschfeld und Dr. A. Bielschowsky für Ophthalmologie und Dr. M. Bodenstoin für Chemie in Leipzig; Dr. H. Landolt für Augenheilkunde und Dr. A. Funke für Geburtshülfe in Strassburg; Dr. J. Schmidt für Chemie an der technischen Hochschule in Stuttgart; J. Bu- kowski für Dermatologie an der czeehischen Universität Prag; F. Kossmat für Geologie und A. Elzholz für Psychiatrie in Wien; H. Pawek, Privatdocent an der Bergakademie Leoben, für Elektrochemie au der technischen Hochschule in Wien. In den Ruhestand tritt: Dr. Ferdinand Fuhr, ausser- ordentlicher Professor der Chirurgie und Leiter der chirurgischen Univorsitäts-Poliklinik in Giessen. Es starben: Dr. Moritz Locw, Professor der Astronomie und Sektionschef am preussischen. geodätischen Institut in Berlin; Dr. Karl Lange, ordentlicher Professor der pathologischen Anatomie in Kopenhagen; Dr. Karl von Kraatz-Koschlau, Ptaatsgeologe und Director des naturwissenschaftlichen Museums zu ParJi in Brasilien und Privatdocent in der philosophischen Fakultät zu Halle a. S.; Dr. Friedrich Brosin, früher erster .Assistcut an der pathologischen Universitätsanstalt in Halle, dann praktischer Arzt für Frauenkrankheiten in Dresden (durch Ab- sturz in der sächsischen Schweiz); Prof. Reinhold Hoppe, Privatdocent der Mathematik in Berlin; Dr. K. Zeller, Privat- docent der Astronomie an der deutschen technischen Hochschule in Brunn; Geheimrath Dr. Kühne, Professor und Director des physiologischen Instituts zu Heidelberg. Jeneneer Feriencurse. — Auch in diesem Jahre sollen in Jena Ferioncurse abgehalten werden, und zwar vom Montag, den ii. August ab. Die Curse zerfallen in verschiedene Abtheilungen, sowohl dem Inhalt, wie der Dauer nach. Dem Inhalt nach werden unterschieden (soweit es .sich um |naturwissenschaftliche Fächer handelt) 1. Allgemeine Curse für Herren und Damen. Dazu ge- hören u. a.: Botanik, Geologie, Physiologie. •>. Pädagogische; Curse: Psychologie dos Kindes, Pädagogische Pathologie n. s. w. 3. Spracheurse und Litteraturcurse für Ausländer. 4. Besondere Fortbildungscurse für Lehrer der Naturwissenschaften an höheren Schulen und Lehrerbildungsanstalten: Astronomie, Botanik, Geo- logie, Mineralogie, Physik, Zoologie. Ein Theil dieser Curse nm- fasst je ü Vorlesungen, ein anderer je 12, wieder ein anderer je 24. Die Eröffnung der Curse findet Sonntag, den 5. August, Abends 8'/.^ Uhr, im Burgkeller statt. Programme, die alles Nähere enthalten, werden versendet dnrch das Sekretariat. Frau Dr. Schnetger, Gartenstrasse 2, Jena. Das Comiti' des IV. internationalen Congresses für an- gewandte Chemie versendet das vorläufige Programm der dies- jährigen Zusammenkunft in Pari.-; am 23.-28. Juli l'JOU. Vor- sitzender: H. Moissan; Bein n: ei !J,i, Mugen mit einem Mitglieds- beiträge von mindestens L'n ; , ,, , ; I an den Generalsekretär, Fr. Dupont. Boulevard d W . ',•. : .;. zu richten. Es sind in Aussicht genommen, öffcuilieln -n ,iiii;en, Gesammtsitzungen, Abtheilungssitzungon, Confcrcnzen, endlich Besichtigungen ge- werblicher Anlagen und Werke sowie Ausflüge. 10 Abtheiluugen sollen sich bilden, nämlich 1. analytische Chemie und genaue Apparate. 2. Chemische Verarbeitung unorganischer Stoffe. o .Metallurgie, Borgwerke und Sprengstoffe.^ 4. Chemische Ver- • iilieituiie organischer Stoffe. ■">. Zuckerbereitung. 6. CTährungs- elieinie. (. Agrikulturchcmie. 8. Hygiene, medicinische und liharmaceutische Chemie, auch Nachweis von Nahrungsmittel- Verfälschungen. 0. Photographie. 10. Elektrochemie. Malariaconferenz. Vom 25.-28. Juli findot in Liverpool uiter dem Vorsitze Listers eine Malariaconferenz statt. Essoll ibcr die Zoologie der Plasmodien, die Pathologie, Diagnose, der Malaria verhandelt ..Das Schaeffer-BIuseum in Jena" ist eine Mittheilung im neuo.stou Ibd'te der lloffmann'schen Zeitschrift für mathematischen und iiaturw i;-.senschaftlichen Unterricht betitelt, dem wir folgende .\ngalien entnehmen: Der kiiizlicli ver.sloilieju' Pr.d'.ssoi- iler Mathematik und Physik an der .leuaei- I „iveisi^^at. llutVatl, Ih-. Heniiiuu Sel,.,eirei-, hatte in seiner l.iuee,, l.aun.alm al> Lehrer an die-er Hnrliseliule und an dem mit ilir v.a l.nndeneu hiudwiitlisehaltlieheu lu.stitut eine ansehnliclie Sammlung physikalischer, astronomischer uud technischer Instrumente und Modelle aus privaten Mitteln zu- sammengebracht, von der er für seinen Unterricht in den ver- schiedenen Zweigen der reinen und angewandten Mathematik den ausgiebigsten Gebrauch zu machen wusste. Das Charakteristische dieser Sammlung bestand darin, dass sie neben den bekannten, dem Unterricht oder der Forschung dienenden Instrumenten einerseits der historischen Entwickelung der Wissenschaft auf allen von ihm gepflegten Gebieten derselben nach Kräften Rech- nung trug, anderei-seits war es der pädagogische Gesichtspunkt, der bei Schaeffer, wie bei seinem Wirken im Allgemeinen, so auch in seinem „Museum" mehr und mehr allen anderen voran- trat. Aufmerksam verfolgte er die Fachzeitschriften, unermüdlich war er auch selbst bestrebt, Apparate und andere Hilfsmittel zu ersinnen, die geeignet sein konnten, seinen Schülern einen Natur- vorgang klar zu machen, einen complicirten Mechanismus auf seine einfachsten wesentlichsten Elemente zurückzuführen, oder auch nur — sei es durch ein geistreiches Paradoxon, sei es auf irgend eine andere Weise — dem gedächtnissmässigen Festhalten des Wissensstoffs zu Hilfe zu kommen. Und hier war wiederum das Streben nach Einfiichheit der angewandten Mittel ganz eigen- thümlich für Schaeffer. Mag ihn hierzu auch die Beschränktheit seines „Dispositionsfonds" von vornherein genöthigt haben (Seh. war, wie oben schon gesagt, ganz auf sich allein angewiesen, er- hielt weder von der Regierung noch von sonst einer Seite irgend welchen Zuschuss zu seiner Sammlung), so entsprang dieser Zug nach Einfachheit doch ganz gewiss auch dem innersten Wesen Seh. 's, dem feinen pädagogischen Takte, der ihn von Anbeginn seiner Wirksamkeit an ausgezeichnet hat. Erst sehr spät sind ihm Andere gefolgt in der Erkenntniss, dass für den Anfänger, für die Erkennung der grundlegenden Gesetze die Beschäftigung mit den feinen und complicirten, der Forschung dienenden Appa- raten nicht bloss Verschwendung von Kraft, Zeit und Geld be- deutet, sondern geradezu ein Hinderniss des Fortschritts ist, dass hier vielmehr nur die von Schaeffer so genannte „Physica paupe- rum" am Platze ist: dass Hantiren mit Apparaten der aller ein- fachsten Art, die womöglich von Praktikanten selbst, oder vom Handwerker in der Stadt nach unmittelbaren Angaben des Schülers oder Docenten hergestellt sind. Derartiger Instrumente besitzt die Sammlung eine Unzahl, und mit Stolz pflegte Seh. den Besuchern scdche Stücke vorzuführen, deren Herstellungs- XV. Nr. 25. Naturwissenschnftlicho "Wochenschrift. kd.sli'ii mii- einen winzigen Bruchthcil desjenigen von bekannten kiiiifliflien x\pparaten gleiclien Zwecks betrugen, und die für den Sfliiiler dabei offenbar sehr viel instruktiver waren oder doch uiiiulostcns ebensoviel leisteten als jene. Neben den der Mathematik oder der eigentlichen Naturlehrc ilienendcn Apparaten waren dann nocli besonders zahlreiche Stücke, welche die jir-ikti-rli.' Anw iMulunii. .li^' Vi'rwrri liung eines Natur- gesetzes oder rincs 1 i'cliniscliri. X'crf.iliLi'Us .ml' irgend welchem Gebiete der luilusiri.- ,.,1. r Kunst /,u \ ri .m^c hauliehen bestimmt waren. Hier luini ScliaeH'er der ii.-ih.- |icis,,nliclio Verkehr zu Gute, den er auf seinen zahlrcirli.n \\'aiH|,.iiin_t;rn duirli Thüringen pflegte und ,l,r ihn mit all.',, Grlnrtm .ler /.ahhaicheu, dort gepflegten Indiistrieen in \'erliiii'liiiiL;- lirachte. .Su erfuhr er nicht nur Vieles, was Anderen verborgen blieb, sondern dem „guten alten Schaett'er" wurde meistens oline Entgelt oder um ein Geringes überlassen, wofür Fremde liolu' Summen zu zahlen hatten. Zweifellos hat er so auch selbst anregend auf diese In- dustrioen gewirkt, denn mit seinem ^^'issen hielt er Niemand gegenüber zurück, und einen Kunst- und Scherzartikel mit der Miltheilung eines anderen zu bezahlen, war bei ihm etwas sehr gewöhidiclies. So haben sie Alle, von der Glasblasekunst bis zur Fuppenindustrie, ihre Beiträge zum Sehaeffer-lVIusenm entrichtet unii diesem eine ganz eigenartige Phj'siognomie aufgeprägt. Schaeft'er, dem niclits mehr am Herzen lag als diese seine Saunnlung, wurde von der Befürchtung, sie möchte nach seinem Tode zersplittert oder in verständniss- und liebloser Weise brach gelegt werden, noch in seinem letzten Lebensjahr befreit dadurch, dass die Carl Zii.^.s Stiftung*) in Jena die Sammlung im Ganzen käuflich erwarb and .Siliaetfer für dieselbe nicht nur eine ange- messene Unti'rlnin-iuii:-, sondern auch jede sonstige Fürsorge zusicherte. In der Tliat hatte Schaeffer noch die Freude, zu er- leben und mit anzusehen, wie das Museum aus dem ihm tVülicr im Ihiiversilätsgeliäude eingeräumt gewesenen Lokal unter sach- kundiger Leitung in eine eigens gemiethete, grössere l'rivat- wohnung übergeführt und wie dort mit deren Instandsetzung und (.trdnung begonnen wurde. Sie soll, nachdem diese Prozeduren genügend weit fortgeschritten sind, wieder dem Unterricht und der Belehrung nutzbar gemacht werden, und zwar nicht sowohl der akademischen Kreise als — dem Charakter der Sammlung wie dem der neuen Eigcuthümerin entsprechend — mehr der- jenigen weiterer Bevölkerungsschichten, insbesondere der indu- striellen Arbeiterschaft. Für die Zukunft des Schaetfer-Musoums erscheint die baldige tiewiniumg eines geistigen Leiters wichtig, weil ein solcher gerade jetzt, bei der ersten Ordnung des Materials für Befolgung riclitiger Grundsätze sorgen könnte, und demnächst ein besonderes Hans für ilas Museum gebaut werden soll, auf dessen Bauplan nur ein sachverständiger luteressirter den richtigen Eintluss nchnirn könnte. Nähere Angaben über diese Stellung, für welche ziHiäclist ein noch leistungsfähiger, im Ruhestand befindlicher Lehrer ins Auge gefasst ist, finden sich in der eingangs genannten Zeitschrift. L i 1 1 e r a t u r. Dr. W. Herz in I'.reslan, Ueber die Molekulargrösse der Körper im festen und flüssigen Aggregatzustande. Aus der Sannu hing chemischer und clienusch-technischer Vorträge, lieraus- yegeben von Prof. Dr. F. B. Ahrens. IV. Bd , 10. Heft. Stuttgart, Verlag von Ferdinand Enke, 1899. — Preis 1,20 Mk. Als Gesanimtergebniss der in diesem Heft angestellten Be- trachtungen formulirt Verfasser, dass weder dem flüssigen noch dem festen Aggregatzustande eine besondere Molokulargrösse zu- kommt, dass vielmehr die Unterschiede der Aggregatszustände besser durch Bewegungsunterschiede der Moleküle erklärt werden. Sehr viele — vielleicht die meisten — Körper haben im flüssigen und gasförmigen Zustande dieselbe Molekulargrösse, andere zeigen *) Die Carl Zeiss-Stiftung wird vom Cultusdepartemcnt des Grossherzogl. Sächsischen Staatsministeriums verwaltet; die Vor- stände der „Stiftungsbetriebe" haben aber daneben entscheidenden Einfluss auf die Verwendung der Stiftungsmittel auch zu Zwecken wie dem vorliegenden, die das Interesse der Betriebe nicht un- mittelbar angehen. Die Carl Zeiss-Stiftung ist bekanntlich die Inhaberin der unter der Firma Carl Zeiss betriebenen mechanisch- optischen Werkstätte sowie Mitinhaberin des am gleichen Orte bestehenden Glaswerks mit zusammen gegen 1500 Arbeitern. als Flüssigkeiten grössere Molokularcomplexe. Ebenso sind im festen Zustand sowohl Körper bekannt, die die Molekulargrösse ihrer Gasmoleküle beibehalten haben, als auch solche, die Poly- merisationen zeigen. Ueber die Grösse der Polymerisation, den Associationsfactor, ergaben die bekannton Methoden für den flüssigen und festen Aggregatzustand nur einen ungefähren Anhalt. Es ist ein Genuss den Ausführungen des Verfassers, welche die vorstehenden Ergebnisse geliefert haben, durch das Heftchen zu folgen. Thema. Dr. W. Manchot, Privatdoceut für Chemie an der Universität Göttingen, TTeber freiwillige Oxydation. Beiträge zur Kenntniss der A u to.xy dation und Sauorstof fakti vi- rung. Leipzig, Verlag von Veit & Comp. 1900. — Preis 1,50 Mark. Verfasser will durch die Veröffentlichung dieser kleinen Schrift, die im Octobcr vorigen Jahres zum Ab.schluss gelangte, mit dazu beitragen, dass die Erinnerung an Schönbein, dessen lOOjähriger Geburtstag auf den 18. October vorigen Jahres fiel, neu belebt werde. Narli .-in.M- liistovis.'hLMi Kiiil.aliin-, in w-U-her die Verdienste Sc h''in Im_. i n s , M. Tra u he 's mal \' a n ' t II .> l'l" s um die Deutung der ll\y.hiii,,ii,\a>rti.ini;v linr Wnialii^uiig gctiinden, bespricht Ver- fasser insbesondere die Autoxydation der Piienole und der Hydrazo- körper, und knüpft einige theoretische Betrachtungen hieran, die zu erwähnen den Rahmen dieser Anzeige überschreiten würde. Zum Schluss erörtert ^'erfasser den Einfluss des Alkalis auf die Auto.wdation. Thoms. Dr. Max Scholtz. Privatdoceut au der Universität Breslau, Der Einfluss der Raumerfüllung der Atomgruppen auf den Ver- lauf chemisch'r Reactiouen. Aus der Sammlung chemischer und cln-nnscli tr.hnischci- Vortrüge, herausgegeben von Prof. Ur. F. B. Ahrcus. IV. Bd., ü. Heft. Stuttgart, Verlag von Ferdinand Enke, 18'J'J. — Preis 1,20 Mk. Nur sehr langsam hat man bei synthetischen Arbeiten in der organischen Chemie Gesetzmässigkeiten aufgefunden, die sich darin zeigen, dass das Vorhandensein gewisser Atomgruppen auf den Verlauf chemischer Reaktionen bestimmend einwirkt. Erst als mau begann, der räumlichen Lagerung der Atome in organi- schen Verbindungen Aufmerksamkeit zu schenken, wurden auch die Fälle näher studirt, in denen es sich um das Ausbleiben oder die Erschwerung chemischer Reaktionen bei sonst als reaktions- fähig bekannten Atomgruppen handelt, welche aber durch die räumlichen Verhältnisse des Moleküls der Fähigkeit, in der ihnen sonst eigentbümlichen Weise zu reagiren, beraubt worden. Die hierher gehörigen Erscheinungen sind in der Neuzeit von vielen Seiten studirt worden und haben unsere Kenntniss von der Reaktionsfähigkeit organischer Körper ausserordentlich bereichert. Es ist ein Vordienst Scholtz", dass er die Erfahrungen auf diesem Gebiete zusammengefasst und in dem vorliegenden Bändchen klar unil anscliaulich dargestellt hat. Thoms. Taschenflora des Alpen-Wanderers. 207 colorirte und lü schwarze Abbildungen von verbreiteten Alpenpflanzen. Nach der Natur gezeichnet und gemalt von Ludwig Schröter, naturwissen- schaftlicher Zeichner. Mit kurzen botanischen Notizen von Dr. C. Schröter, Professor der Botanik am medicinischen Polytechnikum. Siebente, vollständig umgearbeitete und ver- mehrte Auflage. Zürich, Albert Raustein. — Preis elegant geb. 6 Mk. Die vorliegende Neu-Auflage des von uns schon wiederholt angezeigten hübschen Büchleins hat 26 (statt bisher 18) Tafeln mit -207 colorirten und 10 schwarzen Abbildungen. Wie gut der Gedanke der Herausgabe desselben war, beweist der stetige Ab- satz desselben: wer die Alpen zur Erholung aufsucht, wird un- fehlbar von ihrer verlockenden Pflanzenwelt angezogen, und wünscht wenigstens den Namen der autfallenderen Arten zu er- fahren. Dies vermittelt die Taschenflora in bequemster Weise dui'ch die gelungenen Abbildungen und den kurzen, begleitenden Text zu jeder derselben, soweit es sich um die häufigeren und auffälligeren Arten handelt. Böse, Emil, u. Max Schlosser, Ueber die mittelliasische Brachio- podenfauna von Südtyrol. Stuttgart. — 10 Mark. Inhalt: Dr. Hans;^ Schmid kuuz: Naturwissenschaft und -Erkenntnisstheorie im Hochschulunterricht. — Adolf Hnatek: Neue Planeten und Kometen des Jahres 1899. — Sprachstörungen. — Fremdkörper. — Ueber die Befruchtung der Blüthen auf Neu- seeland. — Die Orientirung der Brieftaube auf ihrem Fluge. — Ueber den Nutzen der Phosphorescenz bei den Thieren der Tiefsee. — Die Beziehungen zwischen Ernährung und VVachsthum bei den Seesternen. — Nidologisches. — Ueber radioactives Baryum. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — LItteratur: Dr. W. Herz, Ueber die Molekulargrösse der Körper im festen und flüssigen Aggrogatzustande. — Dr. W. Manchot, Ueber freiwillige Oxydation. — Dr. Max Scholtz, Der Einfluss der Raum- erfülluug der Atomgruppen auf den Verlauf chemischer Reactioneu, — Taschenflora des Alpen-Wanderers. — Liste. Natuvwissenscbiiftlicho "Wochenschrift. XV. Nr. 2.5. ♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦ • von Poncet Glashütten -Werke 54, Köpaickerstr. 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PATENTBUREAU airich R. jVlacrz Jnh.C.Schmidtlein.Jngenieur Berlin NW:,Luisenstr. 22. umm «94 tciiungen i.nrt Zwecke ! hxh. DüDimlfro !lfrlnssliuil|l)oiiblniis in gfrlin SW. 12, giiniiifrltr. 94. I iiK /US iiiiini iil iss( ii(l( Beschreibung- aller meiner .iplis(h(n \pp,iiate ist in der im Verlag von W. Engelmann in Leipzig erschienenen Schritt: „Die optischen Instrumente der Firma R Puess, deren Beschreibung, Justirung und An- wendung von C. Leiss" gegeben." 11^" Siehe auch das Inserat in vorletxtei' Nummer. ""Äß #rfafjtuttg0n tmS P^R^tmfnilTir. D. Dr. aMlI)cIm Sriirnbcr, t«d' ClH-r.MeoifviiiiijC'VCitl) iinb .simatov bor lliiirevfit.it jii f>Mt. 284 Seiten gross Oktav. Geheftet 3 M.. gebunden 4 M. In Ferd. Düraraler.s Verlag-sbuchhandlung in Berlin sind erschienen: Allgemein-verständliche naturwissenschaftliche Abhandlungen. (Separatalidrücke aus der „Naturvvissensdiaflliclieii WocUeii.sclirift.") Ueber den sogenannten vierdimenslonajen Raum Das Rechnen an den Fingern und Maschinen von I>ro(. Dr. A. .Sd.ubert. Die Bedeutung der naturhistorischen, insonderheit der zoologischen Museen von Professor Dr. K.arl Anleitung zu blütenbiologischen Beobachtungen von Prof. Dr. K. L(je\v. Das „glaziale" Dwykakonglomerat Südafrikas von Dr. F. iM. StaptV. Die Bakterien und die Art ihrer Untersuchung von Dr. l!..b. Alitünann. Mit is llolz.'^chnifteii. Die systematische Zugehörigkeit der versteinerten Hölzer (vom Typus Araucarioxylon) in den palaeo- litischen Formationen von Dr. 11. Potonie. Mit Ueber die wichtigen Funktionen der Wanderzellen im thierischen Körper von Dr. E. Korscbelt. Mit 10 Holzsebnitten. Ueber die Meeresprovinzen der Vorzelt von Dr. F. Frech. Mit Abbildungen und Karten. Ueber Laubfärbungen von L. Kny. Mit 7 Holz- .seliniltcn Ueber das Causalitätsprincip der Naturerschei- nungen mit Bezugnahme auf du Bois-Reymonds Rede: „Die sieben Welträthsel" von Dr. Fugen Drchit-, Das Räthsel des Hypnotismua und seine Lösung von Dr. Karl Friedr. Jordan Die pflanzengeographische Anlage im Kgl. bota- nischen Garten zu Berlin von Dr. 11. Potonir. Mit -2 Tafeln. Untersuchungen über das Ranzigwerden der Fette von Dr. Ed. Ritsert. Die Urvierfüssler (Eotetrapoda) .des sächsischen Rothliegenden von Prof. Dr. Hermann Credner in Leipzig. Mit vielen Abbildungen. Das Sturmwarnungswesen an den Deutschen Küsten von Pr..r. Dr. W. .1. van Bobber. Mit 1 Tafel und .-, ilul/,s,-lniitt,.n. Kalisalzlager v')]i Otto Lang. Mit 4 Abbildungeti. Die Metamorphose der Pflanzen im Lichte palae- ontologischer Thatsachen von Dr. H. Potoniü. Mit 14 Figuren. Pflanzenphysiologische Experimente im Winter von F. SLddoiolii'rt. Die naturwissenschaftliche Culturlehre von L. Frobouius. Die morphologische Herkunft des pflanzlichen Blattes und der Blattarten von II. l'otunir. Mit ]■> Abbildung. 'H. Versuch eines Ueberblicks über die Vegetation der Diluvialzeit in den mittleren Regionen Europas von Dr. C .\. \Veb,.r. Die Mathematik der Oceanier von L. Frobenius. Die Schilde der Oceanier mui L. Frobenius. Mit 1'.) Al.hilduiigi'ii. Die Lebewesen im Denken des 19. Jahrhunderts von H. Potonir. .Mit 11 Bildnissen. Die Farben in der Pflanzenwelt von M. Möbius. Preis: Heft 1—4 ä 50 Pf.. Heft 5-11 a 1 M, Heft 12 a 1.20 M., Heft 13—26 a 1 M. Verantwortliolier Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Licditorfeld.'AVest bei Berlin, Potsdainerstrassc 80, für den Inseratentheil Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ford. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12 Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düüunlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Rand. »Sonntag, den 1 Juli 1900. Nr. 26. Abonnement: Man abounirt bei allen BuehhamUungen und Post- ^ anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreiä ist Jl 4.- X BrinKegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. jL Inserate; Die viergespaltene Petitzeile 40 .,*. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenaunahmu bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdi-nck ist nnr mit vollstäniligrer Qnellenani>;al>e gestattet. Zur Geschichte der Verbreitung der Reblaus in Deutschland. Von R. Bcyei Im vcillo.sscncn Jalirc cr.scliien das zwanzigste Jalu-cs- lieft der vmii lieichsanit des Innern licransgegcbcncn „Denkschrift, betreffend die l'.ckämpfung der Reblanskrankheit." Ein Fünftel Jabilinndert ist damit seit Beginn des Kampfes mit dem lieimtiickiselistcii und gefiilirlichsten Feinde der Rebcultur in Dcutscliland vor Hossen — eine Spanne Zeit, die wohl dazu bcroclitigt, einen Rückblick zu tluin, darzulegen, was bi.slier in un- serem Vatcrlande zur Unterdrückung des^ vcrdcrliliclicn Insekts gescbab, und welchen Erfolg der haitniickig fortgesetzte Krieg hatte. Die Geschichte des Einfalles der Phylloxera in die deutschen Weinberge giebt uns zu- gleich ein anschauliches Bild von der kolossalen Ver- wüstung, die diese winzige Wurzellaus anzurichten ver- mag, von der uuermüdlicheu Hartnäckigkeit, mit der der Kampf gegen sie geführt werden muss, wenn der Mensch der Sieger bleiben will, endlich von de« Unsummen an Nationalvermögen, die dieser Feind verschlingt. Bei der grossen Bedeutung des Weinbaues in vielen deutsehen Gauen dürften diese Darlegungen für Jedeimann interessant sein, der am Wohl des Vaterlandes Antheil nimmt. Das Deutsche Reich hat bei einer Gesainmt-Oberfläche von 540 658 Quadrat-Kilometern und jetzt über 55 Millionen Einwohnern nur etwa 162000 ha Weinland"'), dessen Boden- werth schon gegen Mitte der 70cr Jahre dieses Jahr- hunderts auf wenigstens 351 Millionen Mark geschätzt wurde.**) Im Mittel soll ein Hectar Weinland bei uns *) Nach Hübnor's goograpliiscli-statistischen TaboUou fiii- 1899 nimmt der Weinbau 3 pro Mille der Gesammttläclie des Reiches ein, also 162 000 ha. Hiernach scheint die Ciiltiir des Weinstocks im letzten Jahrzehnt betr.ächtlich zugenommen zu haben; denn nach Dr. J. Moritz, „die llebenschädlinge, vornehm- lich die Pliyllo.\era vastatri.\ PL", 2. AuH., Berlin 1891, S. 27 be- trägt sie nur 120 000 ha. **) Nach einer Berechnung dos Regierungsraths Beck zu Trier; vergl. David, die Wurzellaus des Weinstocks, Wies- baden 187Ü. ]iro Jahr 17 — 18 hl Wein liefern, sodass die jährliche Froduction auf 2 800 000 hl (soviel 1897, 1898 'dagegen nur 1800 000 hl) zu berechnen ist, deren Werth schon in den 70er Jahren auf jährlich 104 Millionen Mark*) ge- seJiätzt wurde. Diese Schätzung hat übrigens bei der ausserordentlichen Verschiedenheit der Ertragsfähigkeit und des Weinpreises in den einzelnen Weinbaugebieten und Jahren nur sehr bedingte Zuverlässigkeit. So soll ein Hectar Weinland in Bayern im Durchschnitt 24% hl Wein liefein. Manche Weinberge am Rhein tragen zwar nur 14 — 15 hl pro ha, das Hectoliter kann aber in günstigen Jahren einen Preis von mehr als 16tJ0 Mark erzielen. — Bei dem plötzlichen Erscheinen der Reblaus in Frank- reich in den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts waren die Ansichten der dortigen Autoritäten über deren Herkunft durchaus getheilt. Zwar erklärten Viele nach dem Vorgange des Italieners Belenghi, dass das schäd- liche Insekt aus Amerika stamme; doch erschien keiner der dafür beigebrachten Gründe absolut zwingend und stich- haltig, obwohl sich allerdings auch das Gegentheil nicht beweisen Hess.**) Die Gegner jener Annahme stützten sich z. B. darauf, dass die Cultur amerikanischer Reben durchaus nicht überall verhänguissvoU für den inländi- schen Weinbau geworden sei. So ständen z. B. in nächster Nähe der Weinberge von Baveno am Lago Maggiore zahlreiche alte Stocke von Vitis labrusca, ohne dass sich daselbst auch nur eine Spur der Infection gezeigt habe. Gegenwärtig zweifelt aber wohl Niemand mehr daran, dass Nordamerika wirklich die Heimath der Reblaus sei. *) Nach Fatio, ,Etat de la question Phyllo.xerique en Eu- rope en 1877." Gencve. **) Vergleiche dazu den „Bericht der im August 1875 zur Erforschung der Phylloxora-Epidemie nach dem südlichen Frank- reich deputirteu wissenschaftlichen Commission" in der ersten Denkschrift 1875—77, S. 30. Uebor die gegentheiligo An- sicht siehe z. B. Moritz, a. a. O. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 26. Das Tliier ist dort schon 1854 entdeckt und beschrieben worden und findet sich besonders in den Thäleru des Mississippi und Missouri sehr verbreitet. Die amerikani- schen Reben, auf deren Wurzeln und Blättern das Insekt ursprünglich lebte, werden durch die Angriffe des Thieres nicht getütet. Der Kampf, welcher zwischen beiden vielleicht seit unvordenklichen Zeiten herrscht, führte zur Ausbildung widerstandsfähiger Eeben. Indem von den befallenen Weinstöcken hauptsächlich solche znr Ver- mehrung gelangten, die wegen irgend einer Eigenthüm- lichkeit dem Verderben länger Trotz boten, und indem sich solche Eigenthümlichkeiten vererbten und verstärkten, entstanden schliesslich Reben, die gegen die Gefahr völlig gefeit sind. Dagegen musste der gegen den heim- tückischen Feind gar nicht gerüstete, vielleicht auch durch tausendjährige Cultur verweichlichte europäische Wein- .stock ihm beim ersten Angriff erliegen.*) Daher ver- stehen wir leicht, warum die wiederholt in Nordamerika eingeführten em-opäischen Weinstöcke daselbst stets wieder eingingen, so 1620 in Virginien, 1690 in einer Schweizer Colonie und noch neuerdings auf der Insel Kelley im Erle-See, bei welcher Gelegenheit die Vernichtung der Reben durch das Insekt direct bewiesen wurde. Der Weinbau gelang in Nordamerika nur in Californien, also jenseits der Felsengebirge, wo die Reblaus ursprünglich nicht vorhanden war. Es sind also nicht, wie noch Grisebach**) vermuthet, unbekannte klimatische Ur- sachen, die den Weinstock im gesammten Nordamerika nur in Californien gedeihen lassen, sondern allein das Fehlen der Reblaus in diesem Gebiet. In den Jahren 1858 — 62 begann man amerikanische Wurzelreben auch nach Europa einzuführen. Gegen das Jahr 1865 wurde nun gleichzeitig in verschiedenen Gegen- den des südlichen Frankreichs eine Rebenkrankheit beob- achtet, bei der die Triebe und Blätter vertrockneten und die schliesslich die Reben zum Absterben brachte. An- fangs glaubte man an eine vorübergehende, durch lokale Einflüsse verursachte Erscheinung, die nicht besonders beunruhigend sei. Aber das üebel nahm zu, breitete sich epidemisch aus, und hatte sich schon 1866 an ver- schiedenen Orten in den Departements Gard (Plateau von Pujaut bei Roquemaure), Vaucluse, Bouches du Rhone und Gironde (Floirac bei Bordeaux) eingenistet. Herr Delorme, ein Rebenzüchter im Departement Bouches du Rhone, erkannte die Krankheit zuerst als neu und be- schrieb sie. Ihre Ursache fand aber erst 1868 Professor Planchon aus Montpellier, als Mitglied einer zur Unter- suchung der Verwüstungen bestellten Commission der Ackerbaugesellschaft des Departements Herault in einer neuen auf den Wurzeln der Reben lebenden Laus, die er Phylloxera vastatrix nannte. 1872 fand man die Reb- laus sodann in Oesterreich- Ungarn auf und zwar in Klosterneuburg bei Wien, wohin sie durch 1868 aus den Vereinigten Staaten über Weinheim eingeführte Reben verschleppt worden war. 1874 erschien das Uebel auch in der Schweiz zu Pregny bei Genf. Es war dorthin durch Treibhausreben gelangt, die für das Gewächshaus des Herrn von Rothschild aus England bezogen waren. Es ist nicht möglich, hier die kolossale Ausbreitung, die das Insekt seitdem in diesen und anderen Ländern gewann, auch nur in gedrängter Kürze zu verfolgen. Das würde den Raum, der uns zur Verfügung steht, weit überschreiten. Die kurzen, vorstehenden Bemerkungen müssen zur Einführung genügen. In Deutschland wurde die allgemeine Aufmerksam- *) Vergl. David a. a. 0. i **) Grisebach, Vegetation der Erde, Bd. 2, S. 251 Hg. l Jetzt ist die Reblaus übrigens, wie in fast alle Weinländcr der Erde, so auch in Californien eingedrungen. | keit zuerst 1872 durch den Weinzüchter-Congress zu München auf das in Frankreich verheerend auftretende Insekt gelenkt. Die Gefahr, die dem deutschen Weinbau durch Einschleppung von Reben aus inficirtcn Ländern drohte, veranlasste die Regierung, am 11. Februar 1873 eine Kaiserliche Verordnung zu erlassen, durch welche die Einfuhr von Reben zum Verpflanzen, (Wurzel- und Blindreben, Flechser u. s. w.) in das Deutsche Reich ver- boten wurde. Vom 26. October bis 1. November 1874 fand in Montpellier ein Weinbaucongress statt, der die Reb- lausfrage in erster Linie auf die Tagesordnung setzte. Die deutsche Reichsregierung entsandte dazu 3 Herren, Professor Kirschbaum aus Wiesbaden, Forstrath Nördlinger aus Hohenheim und Dr. David ans Geisenheim, mit der Aufgabe, dem Congress beizu- wohnen und im südöstlichen Frankreich, darauf auch in Klosterneuburg bei Wien die neue, diu-eh eine Wurzel- laus hervorgerufene Krankheit des Weinstocks zu studircn. Das Resultat dieser Reise war ein von Dr. David ver- fasstes Büchlein, die Wurzellaus des Weinstocks, das alles bis dahin über das verderbliche Insekt bekannte in populärer Form zusammenstellte. Das erste Gerücht, dass die Reblaus auch in Deutsch- land eingezogen sei, entstand durch die Behauptung des französischen Weinbauers Reich in Arnicilleres bei Arles, dass er aus den Königlichen Gärten zu Potsdam inficirte Reben erhalten habe. Auch in Rebschulen von Erfurt und Celle sollte sich das verderbliche In.sekt nach französischen Angaben finden. Wirklich nachgewiesen wiu-de die Reblaus in Deutsch- land zuerst am 11. December 1874 in einer der Akademie Poppeisdorf gehörigen Parkanlage auf dem südlich von Bonn gelegenen Annaberge durch Professor Koer- nicke und Dr. Kreusler. Die Infection ist durch 1867 aus Washington eingeführte amerikanische Reben ver- anlasst worden. Im Januar 1875 fand Dr. Moritz das Insekt sodann an zwei Weinstöcken in Karlsruhe auf, ein Vorkommen, das Dr. Blankenhorn bestätigte. Der Ursprung dieser Infection ist nie aufgeklärt worden. Auf Initiative des Reichstagsabgeordneten Dr. Buhl, selbst Weingutsbesitzer in Deidesheim, schritt die Re- gierung nun zu weiteren gesetzgeberischen Maassnahmen. Am 6. März 1875 erschien ein Gesetz „Maassregeln gegen die Reblauskrankheit betreffend". Es ermächtigt den Reichskanzler, im gesammten deutschen Weinbaugebiet Ermittelungen über das Auftreten der Reblaus anzuordnen, gestattet den mit dieser Aufgabe betrauten Beamten auch ohne Einwilligung der Besitzer den Zutritt zu den mit Reben bepflanzten Grundstücken, die Entwurzelung einer zweckentsprechenden Anzahl von Rebstöcken und die Vernichtung der mit der Reblaus behaftet befundenen an Ort und Stelle. In zweiter Linie bezweckt das Gesetz überdies, Untersuchungen über Mittel zur Vertilgung des Insekts zu veranlassen. Die Kosten der Untersuchungen und der etwa erforderlichen Entschädigungen werden aus Reichsmitteln bestritten. Zur Ausführung dieses Gesetzes berief der Reichs- kanzler Ende April 1875 eine Commission aus 17 Mit- gliedern, Fachgelehrten und Weingutsbesitzeru unter Vor- sitz eines Verwaltungsbeamten nach Berlin. Sie war beauftragt, über eine Anzahl gestellter Fragen ein Gut- achten abzugeben, sowie aus eigener Anregung Vorschläge zu machen, um der Regierung eine Grundlage für weiter zu erlassende Anordnungen zu verschaffen. Diese Fragen bezogen sich auf die beste Art der Ermittelung etwaiger weiterer Infectionen in Deutschland, die zweckmässige Ausführung der Untersuchungen und die Entschädigung XV. Nr. 26. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 303 von der Reblaus betroffener Besitzer, endlich auf die Prüfung- der Mittel zur Abwehr und Vertilgung. Auf Grund der Vorschläge dieser Commission wurde das gesammte deutsche Weinbaugebiet zunächst in vier- zehn Aufsichtsbezirke getheilt, wovon drei auf Preussen kamen. Jeder dieser Bezirke ward einem ständigen Auf- siclitskommissar unterstellt, dem in sechs Bezirken noch ein bis zwei Sachverständige zur Seite standen. Die Aufsichts- kommissare haben ihre Bezirke in Betreff des Auftretens der Reblaus zu überwachen. Sie nehmen die einlaufenden Meldungen in Empfang und wirken bei den durch die Sachverständigen vorzunehmenden Ermittelungen und Untersuchungen mit. Sie sollen ferner die Interessenten durch geeignete Belehrung veranlassen, etwa in ihren Weinbergen bemerkte verdächtige Erscheinungen baldigst zu melden. Durch Instructionscurse und private Belehrung sollen sie eine Anzahl grüadlicher Kenner der Reblaus- krankheit heranbilden, die die Aufsicht über die Wein- berge übernehmen können. Endlich haben sie die Ent- schädigung der betroffenen Grundbesitzer zu regeln und den Behörden die erforderlichen Anzeigen und Berichte zu machen. Eine Ausdehnung des Einfuhrverbots vom 11. Februar 1873 hielt die Commission nicht für wünschens- werth, da die Rebe nach den bisherigen Erfahrungen die alleinige Nährpflanze der Reblaus sei. Einige Fälle, in denen das Insekt sich an Wurzeln von Obstbäumen fand, die zwischen Reben standen, widersprechen dieser An- nahme niclit. Doch sei es aus diesem Grunde wünschens- werth, die Erde an den Wurzeln lebend eingeführter Obst- bäume zu desinficiren. . Ferner beantragte die Commission, Sachverständige nach Oesterreich, der Schweiz und Südfrankreich zu ent- senden, um die äusseren Erscheinungen der Krankheit näher zu studiren und die Ausführung und den Erfolg der daselbst üblichen Desinfectionsmethoden kenneu zu lernen. Demgemäss wurden Forstrath Prof. Dr. Nörd- linger und Dr. Moritz nach Klosterneuburg bei Wien und Pregny bei Genf entsendet und Dr. Nörd- liuger begleitete sodann die Professoren Gerstäcker und Dr. Maercker im August 1875 nach Lyon, Mont- pclliei, Cette, Toulouse, Bordeaux u. s. w. In Kloster neu bürg werden die oberirdischen Theile der inficirteu Rebeil, nach dem von den Sachverständigen ab- gestatt(!ten Bericht, abgeschnitten und die Wurzelstöcke sowie der Boden mit Schwefelkohlenstoff desinficirt. In Pregny wird die gesammte verseuchte Fläche von Reben entblösst, diese in Petroleum getaucht und verbrannt und die im Boden zurückgebliebenen Wurzeln mit der von Dumas empfohlenen Lösung von Kaliumsulfocarbonat (per Quadratmeter 40 ccm == 25 g Salz, ausserdem 20 ccm pro Stock) desinficirt, der Boden festgestampft und mit einer etwa 2 cm dicken Schicht Gaskalk (aus den Reinigern der Gasfabriken) überschüttet, um ein Entweichen beflügelter Individuen zu verhindern. Im folgenden Winter wird dann der ganze Weinberg rigolt und alle darin befindliehen Wurzeln in Petroleum getaucht und verbrannt. Auch alle Reben auf eine Entfernung von 100 Metern um die ergriffene Weinbergsfläche werden schonungslos ver- nichtet. Aus dem ausführlichen Bericht der nach Südfrank- reich entsandten Commission geht hervor, dass anhaltende Dürre, wie sie auf dem Kalk- und Thonbodcn in der Umgegend Montpellier 's herrscht, eine rapide Zunahme der Epidemie bewirkt, während die Verheerung auf dem feinsandigeii, wasserreichen Boden des Bordelais äusserst langsam fortschritt. Dem entspricht die günstige Wir- kung, die Herr Faucon in Graveson bei Tarascon durch alljäin-liche 30— 40tägige Unterwassersetzung seiner Weinberge nach Beendigung der Lese erzielte. Bei un- seren meist regenreichen Frühlingen dürfte daher die Verwüstung der Weinberge durch das Insekt kaum je in dem Maasse eintreten, wie es im südöstlichen Frankreich der Fall ist. Weiter beobachtete die Commission, dass die Weinpflanzungen in leichtem Sandboden den Angriffen der Reblaus bedeutend besser widerstehen, wie in schwerem Thonboden. Herr Espitalier zu Mas le Roy in der Camargue (Rhone-Delta) bringt daher in jedem Frühjahr 20 bis 30 Liter Sand an jeden Weinstock und hat ihre Er- tragsfähigkeit dadurch erhalten, obwohl alle Wurzeln stark mit Rebläusen besetzt sind. Der Weiustock scheint sich in solchem Boden kräftiger zu bewurzeln. Auch die widerstandsfähigen amerikanischen Reben sind durch eine äusserst starke Wurzelentwickelung ausgezeichnet. Be- sonders wichtige Beobachtungen machte die Commission über die Wirkung des Kaliumsulfocarbonats. Der Wein- stock kann dies Mittel in ziemlich starken Dosen (bis 60 Gramm pro Stock) ohne Nachtheil vertragen; dagegen ist es kein absolutes Schutzmittel gegen die Reblaus. Insbesondere scheinen die Eier des Insekts dem Gifte zu widerstehen. Auch die gleichmässige Verbreitung des Salzes in alle Theile des Bodens ist schwierig. Interessante Mittheilungen machte die Commission ferner über die von der Berliner April-Comraission eben- falls empfohlenen Culturversuche mit verschiedenen ameri- kanischen Reben, die nach den in Frankreich zuerst 1869 von dem Gutsbesitzer La lim an gemachten Erfahrungen, wenn auch in verschiedenem Grade, gegen die Angriffe der Reblaus widerstandsfähig sind. Allerdings ist der von den meisten dieser Reben selbst gelieferte Wein wegen seines fuchsigen Geschmacks kaum geniessbar. Die amerikanischen Reben werden aber auch nicht als Tragholz, sondern als Unterlage zum Aufpfropfen euro- päischer Sorten verwendet. Die Commission wünscht, dass in deutschen Weiubauschulen u. s. w. Samenzuchten und Studien über das Bewurzelungsvermögen und Ge- deihen der verschiedensten Rebsorten, sowie Veredelungen nach verschiedenen Methoden, mit verschiedenen Unter- lagen und Edelreisern vorgenommen werden möchten. Da es hier an Raum mangelt, die auf Grund dieser Vor- schläge erzielten Resultate ausführlich zu besprechen, beschränken wir uns darauf, wenigstens kurz die zur Zeit bestehenden Anlagen im Deutschen Reiche zu erwähnen, in denen nach obigem Plan Versuche mit der Anzucht amerikanischer Reben gemacht werden. Nachdem eine solche schon 1882 in Württemberg begründet worden, aber verunglückt war, nahm die preussische Regierung, durch die inzwischen erfolgte Ausbreitung der Reblaus- krankheit in Deutschland veranlasst, mit Beginn der neunziger Jahre die Begründung von Rebenveredelungs- stafionen in die Hand. Seit 1891 wurden, neben einer nur zur Gewinnung von Setzholz dienenden Anpflanzung in Giebichenstein bei Halle, solche Stationen zunächst in Eibingen bei Geisenheim, in Engers am Rhein und in Trier ins Leben gerufen, weiterhin auch in Zschci plitz in der Provinz Sachsen und in Cues an der Mosel. Mit den Veredelungsstationen wurden später Versuchsweinberge verbunden, welche zur Zeit in zehn Gemarkungen vorhanden sind. Im Elsass gewann der Aufsichtscommissar Oberlin in Bebeinheim in um- fassenden Anzuchtsversuchen ein höchst wertbvolles und reichhaltiges Material. In Württemberg wird jetzt in der Gemarkung Weinsberg eine Veredelungsstation be- gründet. Auch im Königreich Sachsen giebt es schon einige kleinere derartige Aulagen. Indem wir nun die Besprechung der in Deutschland beobachteten Infeetiouen wieder aufnehmen, scheint es empfehlenswerth, der Ausbreitung des Insekts nicht streng chronologisch zu folgen, wie die eingangs erwähnte Denk- 304 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 26. Schrift, die Hauptquellc für unsere Studien*), thut. Es würden dabei langwierige Wiederhohingen nicht zu ver- meiden sein. Wir halten daher die historische Reihen- lolge der Entdeckung von Verseuchungen nur im All- gemeinen fest, verfolgen aber die Ausbreitung des Insekts au jedem Orte der ganzen Entwickclung nach, resp. bis auf unsere Zeit. Die Verseuchung auf dem Annaberge bei Bonn wurde durch sofortige Verbrennung der dortigen Wein- stöcke und Desinfectiou des Bodens zu tilgen ver- sucht. Trotzdem fand Dr. Moritz daselbst 1878 noch ciuzelue wieder ausgeschlagene, mit dem Insekt behaftete Reben vor, die eine erneute Vernichtung erforderlich machten. Nach dem Verbrennen der aufgefundenen Wurzel- stöcke wurde die ganze Fläche mit Petroleum übergössen. 1875 wurde die Reblaus nur noch auf dem Gute Neu-Schöueberg bei Berlin (jetzt zu Schöneberg gehörig) von Prof. Gerstäcker an einer alten, trockenen Rebwurzel im Zustande des Absterbcns aufgefunden. Auch hierher ist das Insekt durch amerikanische Schnittreben verpflanzt worden. 1876 entdeckte Dr. Moritz die Reblaus an Wein- stöcken, die aus der Erfurter Handelsgärtuerei von Haage und Schmidt bezogen waren, und kam dadurch einem der gefährlichsten Heerde im Deutschen Reiche auf die Spur. Der Reichskauzier ernannte eine Commission zur Untersuchung der in Erfurt vorhandenen Rebschulen, die dort im Juni 1876 in den drei Handelsgärtnereien von Haage & Schmidt, Platz & Sohn und von M. F. A. Haage zum Theil sehr ausgedehnte, mit ameri- kanischen, theilweise vielleicht auch englischen Reben eingeschleppte Verseuchungen feststellte. Insbesondere erwiesen sich bei Haage & Schmidt von 92 probe- weise untersuchten Reben 54 in sechs verschiedenen Par- zellen von 300 — 600 qm Ausdehnung inficirt und zwar die europäischen in demselben Verhältniss wie die ameri- kanischen. In geringerem Grade waren die 550 qm grosse Rebschule von Platz & Sohn vor dem Krämpfer- thor, sowie zwei kleine M. F. A. Haage gehörige Reb- pflauzungcu verseucht. Die Kommission empfahl eine vollständige Vernichtung der befallenen Rebschulen nach dem zu Preguy üblichen Verfahren, da eine Handels- gärtnerei Reben nach allen Theilen Deutschlands ver- sende und daher die Gefahr einer Verbreitung der In- fection nach den Weinbau treibenden Gegenden sehr dringend sei. Da indess das Reblausgesetz vom 6. März 1875 zu einer solchen totalen Vernichtung von Wein- bergen und Rebschulen nicht ermächtigt und die Besitzer der iuficirt befundenen Gärtnereien ihre Einwilhgung da- zu nicht ertheilten, so wurde ihnen zunächst polizeilich jede Abgabe von Reben, Rebtheilen u. s. w. bei Strafe verboten. Die Commisson beantragte sodann, die Verseuchung von Erfurter Rebschuleu zu öffentlicher Kenntniss zu bringen und vor dem Bezüge ausserdeutscher Reben über- haupt allgemein zu warnen, auch bei dem Bezüge von inländischen die sorgfältigste Untersuchung anzuempfehlen. Sie verpflichtete die Inhaber der inficirten Rebschulen, soweit möglich anzugeben, welche Abnehmer von ihnen in letzter Zeit Reben bezogen hätten, um der dringenden Gefahr einer weitereu Verbreitung der Reblaus nach Kräften vorzubeugen. Endlich schlug die Commission dem Reichskanzler noch vor, schleunigst auch alle übrigen deutschen Rebschulen und zwar zunächst diejenigen, in denen ausserdeutsche Reben gebaut werden, auf das Vor- ■') Nobon derselben wurde noeli insbesondere das gelialt- roiche, schon oben erwähnte Büclilein von Dr. J. Moritz, die Rebenachädlinge u. s. w. benützt. Es ist Alien, die sich für die Kenntniss der Reblaus interessireu, nicht genug zu empfehlen. kommen der Reblaus untersuchen zu lassen. Im Mai 1877 nahmen Haage und Schmidt die iu 4 verseuchten Parzellen cultivirten Rebstöcke heraus, reinigten und des- inficirten sie sorgfältig und pflanzten sie auf einem bisher nicht zur Rebcultur benutzten P^eldgrundstück wieder ein, während sie die Reben der beiden übrigen verseuchten Parzellen mit verschiedenen Desinfectionsmitteln behan- delten. Letztere fanden sich bei erneuter Untersuchung im August dieses Jahres bis auf einen Abschnitt stark in- ficirt, während an ersteren, die ein kümmerliches Wachs- thum zeigten, Rebläuse nicht gefunden wurden. Dabei erwies sich aber auch die siebente, 1876 allein reblausfrei befundene Parzelle der Rebsehule an einer Stelle von der Krankheit ergriffen. Bei Platz & Sohn erschien der Zustand gegen das Vorjahr nicht wesentlich verändert. Bei dieser Sachlage schien es dringend nothig, durch ein erweitertes Gesetz die Möglichkeit zu schaffen, auch gegen den Willen der Besitzer von der Reblaus befallene Reb- schulen und Weinberge unschädlich zu machen. Ein solches wurde für Preusscn am 27. Februar 1878 erlassen. Es verbietet die Abgabe, ja selbst die P2ntfernung von Reben, Rebtheilen und anderen Pflanzen von inficirt be- fundenen Rebcnlturen, gestattet deren Vernichtung und die Desinfection des Bodens und untersagt die Benutzung des letzteren zum Weinbau für einen bestimmten Zeit- raum. Gegen diese vom Oberpräsidenten anzuordnenden Maassregeln kann binnen einer bestimmten Frist Beschwerde beim Minister der landwirthschaftlichen Angelegenheiten eingelegt werden. Das Gesetz sieht auch vor, dass noch andere, etwa erforderlich scheinende Maassregeln zur Unterdrückung einer Infection getroffen werden können. Die Kosten der Vernichtung und Desinfection trägt der Staat, der dem Betroffenen auch eine angemessene P^nt- schädigung für die Vernichtung von noch nicht iufi- cirt befundenen Reben gewährt. Zuwiderhandlungen gegen die getroffenien Anordnungen werden mit Strafe bedroht. Auf Grund dieses Gesetzes wurden im Herbst 1878 die verseuchten Erfurter Rebstocke vernichtet und der Boden mit Schwcfelkohlenstoft' desinficirt, da sich die Reben nach wie vor stark mit der Laus besetzt fanden. Bei Platz & So Im ermittelte man das Insekt bei der erneuten Untersuchung auch auf einigen alten Stöcken in einer für seuchenfrei gehalteneu Rebenrabatte, die vor 6 — 7 Jahren von einem Weinbergsbesitzer in Naumburg bezogen waren. Bei der überaus starken Verseuchung in den erwähnten Gärtnereien ist es nicht zu verwundern, dass noch 1879 und 1880 theils verseuchte Reben, theils mit Rebläusen be- setzte Wurzelreste daselbst gefunden wurden. 1878 fand Dr. Moritz in Erfurt das bisher in Deutschland noch nicht beobachtete geflügelte Insekt und ein von diesem gelegtes Ei. Bis dahin hatte man vielfach geglaubt, dass sich die geflügelte Form der Phylloxera in unserem Klima nicht ausbilde. Durch Bezug von Reben aus den inficirtju Gärtnereien ist natürlich eine Reihe von Verseuchungen veranlasst worden und zwar fand man von 1879 bis 1883 sechs verschiedene in Erfurt selbst und Umgebung. 1879 wurde die Reblaus in den Weinbergen zweier Besitzer am Rothenbergc bei Erfurt, des Handelsgärtners Kolbe und des Klempnermeisters Langenthai entdeckt. Kolbe hatte vor etwa vier Jahren von Platz & Sohn verseuchte amerikanische Reben bezogen und dadurch die mittleren Terrassen seines 1 V4 Morgen umfassenden Wein- berges stark inficirt. Von hier aus ist auch die benach- barte, etwa 454 Reben enthaltende obere Terrasse des 6—7 Morgen grossen Laugentharschen Grundstückes, wohl sicher durch geflügelte Rebläuse befallen. 1880 wurden in der Lorenz 'sehen Gärtnerei vor dem Jo- XV. Nr. 26. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 305 liannistlioie 16 inficirte amerikanische Reben nachgev (leren Hcrkuntt nicht zu ermitteln war. Ferner fand s;ich in einem Garten des schon erwähnten Handelsgärtners Krtlbe in Ilversgehofeu bei Erfurt ein Beet mit 70 anieriUanisclicn dreijährigen Rebpflanzen verseucht, bei einer zweiten Untersuchung auch noch eine einzelne von jenen angesteckte Rebe. Die Sachverständigen folgern daraus, dass beim Auftreten der Reblaus auf einem Grund- stück es nicht genüge, die befallenen und einige benach- barte Reben zu vernichten, sondern dass man den ge- .>ammten Rebenbestand auf dem betroffenen Grundstück be- seitigen müsse. Endlieh wurden 1880 auch noch ziemlich viele Reben an mehreren Stellen im Garten des GemUse- gürtners J. G. Haagc im Dreienbrunnen in Erfurt inficirt befunden. Wegen dieser weiter aufgefundeneu Verseuchungen wurde wiederum die Ausfuhr von Reben und Rebtheilen aus den Gebieten von Erfurt und llversgchofen bei Strafe verboten. Die Desinfections- arl)eitcn in Erfurt erwiesen, dass man eine räumlich liescinänkte Infection gründlich und nachhaltig auszu- tilgen vermag, dass zu diesem Zweck aber das blosse Ausroden und Verbrennen der Rebstöcke nicht genügt, sondern dass der Boden alsdann noch mit Schwefel- kohlenstoff behandelt werden muss. Es ist ausserdem \on wesentlicher Bedeutung für den Erfolg der Vernieh- lungsarbeiten, dass die befallenen Rebwurzeln möglichst vollständig aus dem Boden entfernt werden. Die Unter- suchungen ergeben nur dann sichere Resultate, wenn sie nicht zu spät vorgenonmien werden. 1881 erwies sich in Erfurt nur noch der zuletzt erwähnte Haage'sche Garten im Dreieubrunnen an einer bis dahin reinen Stelle verseucht, wo die Spalierreben unter einer aus Backsteinen errichteten Futtermauer hindurch ihre Wurzeln bis unter den Kiesweg und benachbarte Saatkästen er- streckten. 1883 wurde eine kleine Infection im Garten des Handelsgärtners Martin Fritz auf der Schmidt- stedter Flur dicht bei Erfurt ermittelt. Die inficirten Heben waren vor 8 Jahren von Haage und Schmidt bezogen worden. In demselben Jahre entdeckte man wiederum eine umfangreichere Verseuchung in einer Par- zeile („Steinbruch") der Weinberge des Rentners Langeu- tiiai aul dem Rothenberge bei Erfurt. Das Areal des Heordes bildete eine quadratische Fläche von 144 qm. Seit seiner Vernichtung ist im Gebiet der Stadt Erfurt keine weitere Verseuchung aufgefunden worden.. Es wurden also vom Jahre 1876 l)is 1883 in Erfurt und Um- gegend Verseuchungen bei acht verschiedenen Besitzern entdeckt und beseitigt. Auch an anderen Orten wurden schon 1876 einige durch verseuchte Erfurter Reben veranlasste Tochter- infectionen aufgefunden. Unter anderen hatte das Kgl. preussische Pomologisehe Institut zu Proskau in Schlesien im Kreise Oppeln für seinen Rebenversuehsgarten Wein- stöcke von Haage und Schmidt in Erfurt bezogen. Als das Kgl. Ministerium das Institut auf die bei seinem Lieferanten vorhandene starke Verseuchung aufmerksam machte, entdeckte das Personal des Instituts die Reblaus auch in dem erwähnten Garten. Die Infection wurde unter gleichzeitiger Desinfection des Bodens sofort ver- nichtet. Trotz seitdem alljährlich wiederholter vergeb- licher Untersuchung scheint sich das Insekt daselbst doch noch weiter erhalten zu haben. Denn 1884 wurde es wieder an 2 Stellen an 2 amerikanischen und .'i euro- päischen Weinstöcken aufgefunden. Seit der Austilgung dieser Verseuchung ist dort keine weitere verdächtige Er- scheinung beobachtet worden. Sodann erwiesen sich 187G je eine Rebe, die der Privatier Andreas Müller in Koburg, Baron v. Erffa in Ahorn bei Koburg und Dr. Mohr zu Ariesberg bei Gotha besasseu inid die von Platz & Sohn in Erfurt bezogen waren, als verseucht und 2 dem Bank- Kommissar Heinrich in Koburg gehörige als verdächtig. Diese kleinen Infectionen wurden sehneil getilgt. Im Januar 1876 erschienen dem gräflich Stolberg- schen Hofgärtner Lipsius in Wernigerode die Wurzeln eines von ihm herausgenommenen Weinstocks in einem Weinhause des gräflichen Küchengartens so reblausver- dächtig, dass er sie wohlverpackt an Professor Taschen- berg zur Untersuchung einsandte. Da sie sich in der That als verseucht erwies, untersuchte Taschen berg auf Ersuchen der gräflich Stolberg'schen Regierung das betreffende Weinhaus, fand aber das Insekt an keiner anderen Rebe auf. Bei der günstigen Lage des Wein- hauses wurde die Desinfection nach der in Südfrankreicli erfolgreich angewendeten Methode der Unterwassersetzung versucht. Die befallene Parzelle des Weinhauses wurde über einen Monat der Inundation unterworfen, so dass das Wasser handhoch über dem Erdreich stand und das Verfahren in demselben Herbst, sodann auch noch im Frühjahr 1877 und 78 auf je 5—6 Wochen wiederholt. Bei nun erfolgender gründlicher Untersuchung der Be- stände dieses Weinhauses im August 1878 fanden sich auch einzelne Reben in anderen Abtheilungen desselben verseucht, und ein Jahr später waren die meisten Reben des Hauses von dem Insekt befallen. Es wurde be- schlossen, im Herbste 1879 durch wochenlange Unter- wassersetzung des ganzen Hauses, sowie durch reichliche Düngung mit einem von Frau Sottorf in Hamburg em- pfohlenen Geheimmittel gegen die Reblaus — wie sich später herausstellte, Russ — die Infection zu beseitigen. Auf Grund einer weiteren Untersuchung im Februar 1880 glaubte Prof. Taschenberg den Heerd aucii erloschen, da er nur todte Rebläuse auffand. Trotz der alljährlichen Wiederholung der erwähnten Desinfeetionsmethoden fand er aber im August 1883 wieder eine Reblaus an einer jugendlichen Wurzel. Da das verderbliehe Insekt auch 1884 noch vorhanden war, ordnete die Landesregierung doch noch die Vernichtung der prächtig entwickelten Reben- bestände in dem betreffenden Weinhause an. Die vom Hofgärtner Lipsius inficirt befundene Rebe war aus der Handelsgärtnerei von James Booth und Söhne in Klein-Flottbeek in Holstein unweit Hamburg bezogen worden. In Folge dessen wurden Professor Gerstäcker und Stadtrath Thräuhart be- auftragt, die Rebenbestände dieser Gärtnerei zu unter- suchen. Sie fanden dabei — ■ im Juli 1876 — in der zur Cultur im Freien bestimmten Rebschule 3 verschiedene amerikanische Rebsorten und in einem Glashause auch in Töpfen cultivirte zweijährige europäische Weinstöcke mehr oder minder stark befallen. Schon im Herbst desselben Jahres zeigten die inficirten Reben eine so wesentliche Abnahme in ihren Wachsthumsverhältnissen, dass sich die Besitzer entschlossen, ihre gesaramte Weincultur auf- zugeben, bis auf einige ältere, völlig unverdächtige Reb- stöcke für den eigenen Bedarf Sie Hessen unter dem Widerstreben ihrer Gärtner sämn)tlicho Reben, 2000 Stück, mit den Wurzelballeu aus den Töpfen nehmen und zur Vernichtung in eine tiefe Wassergrube versenken. Dabei wurde keine einzige gesunde Pflanze mehr angetroffen. Die meisten waren über und über mit Rebläusen besetzt. Nur einige Töpfe wurden als Beobachtuugsobjecte unter Verschluss abgesondert aufbewahrt. Von diesen war die Mehrzahl im Frühjahr schon eingegangen, der Rest trieb kümmerlich aus und starb im Laufe des Sommers ab. Mit Rücksicht auf die hier gefundene starke Ver- seuchung schien auch die Untersuchung der übrigen, sehr zahlreichen Rebanlagen in und um Hamburg geboten. Gerstäcker und Thränhart fanden dabei im August 306 Naturwissenschaf tliclie "Wochenschrift. XV. Nr. 26. 1876 auch in der Rebscliiile des Haudelsgärtners Julius Rüppel (Fiima Peter Smith und Co.) in Berge- dorf bei Hamburg eine höchst bedenkliche Infection, sowohl in einem Glashause wie bei in Mistbeeten ge- zogenen einjährigen Reben. Der Besitzer Hess alsbald alle inficirt befundenen Pflanzen verbrennen und die Geräthe, das Treibhaus u. s. w. peinlich desinficiren, verpflichtete sich auch, so lange seine Rebschule noch icblausverdächtig sei, keine Weinstöcke weiter zu ver- kaufen. Trotzdem griff" die Infection schon in nächster Zeit immer weiter um sich. Daher vernichtete Rüppel im Frühjahr 1877 seinen ganzen Bestand, der eine sehr grosse Zahl europäischer Sorten enthielt, durch Feuer mid behielt nur eine Anzahl ganz unverdächtiger, älterer Kcbstöeke und etwa 300 von diesen entnommene, in Töpfen cnltivirtc Ableger. Die erneute Untersuchung bestätigte den gesunden Zustand der Anlage. Einige im Mai 1876 beobachtete verdächtig erschei- nende Anschwellungen an amerikanischen Reben in dem Königlichen Lustscldosse Wilhelma bei Cannstadt in Württemberg und in der Königlichen Villa Berg bei Stuttgart führten den Aufsichtscommissar Forstrath Dr. Nördlinger zur Entdeckung einer recht gefährlichen Infection, gefährlich schon deshalb, weil die verseuchten Stellen noch nicht eine Viertelstunde von den nächsten Weinbergen entfernt liegen. Merkwürdigerweise hatten die Amerikaner ihre europäische Nachbarschaft noch nicht angesteckt, obwohl sie schon mindestens 13 Jahre standen und zweifellos seit ihrer Anpflanzung mit Läusen besetzt waren. Vielleicht war die starke Grundfeuchtigkeit der Anlage die Ursache davon, vielleicht die Thatsache, dass die befallenen, äusserst üppig vegetirenden amerikanischen Reben den Insekten so reichlich Nahrung gaben, dass diese keinen Grund hatten, weiter zu ziehen. Die be- flügelten Individuen entwickeln sich ja bei den Pflanzen- iäusen überhaupt eist, wenn ihnen die Nahrung im Spät- sommer oder durch Verkümmerung der befallenen Pflanzen knapp wird. Dass dieser Umstand aber nicht dazu führen darf, die Gefahr zu unterschätzen, ist aus verschiedenen (iri^inden sicher. Ein einziges ungewöhnlich trockenes .lahr kann eine plötzliche, gefährliche Verbreitung des Insekts zur Folge haben. König Karl von Württemberg iicfahl sofort die Infectionsheerde zu vernichten. Anfang August 1876 zeigte auch der Oekonomierath Bosser t an, dass er in seinem, in der Gemarkung Stutt- gart gelegenen Weinberge Rebläuse gefunden habe. Die Untersuchung bestätigte diese Angabc. Die Infection war durch eine Anzahl 1866—1870 ans den Vereinigten Staaten bezogener Reben veranlasst worden, hatte sich aber auch schon auf einige europäische ausgedehnt. Un- verzüglich wurde der ganze inficirte Theil des schon stark verseuchten Rebstücks vernichtet. In allen diesen Fällen licss man die Reben am Boden abschneiden, in Petroleum tauchen und verbrennen. Dann wurden an jeden Wurzelstock 5 g Schwefelkohlenstoiif gegeben und dieser eine Stunde später möglichst sorgfältig — um das fatale spätere Wiederaussehlagen von im Boden verbliebenen Wurzehesten zu verhindern — ausgegraben und ebenfalls mit Petroleum verbrannt. Endlich wurden auf jeden Stock 2 etwa 1 m tiefe Löcher mit einem eisernen Pflästerer- bolzen in den Boden geschlagen, in jedes 5(( g Schwefel- kohlenstoff eingefüllt, und nachdem sie möglichst schnell wieder mit Erde verschlossen, die ganze Fläche gleich- massig mit Gastheer übergössen. Bei der 1877 vorge- nommenen erneuten gründlichen Untersuchung der dem vorjährigen Heerde benachbarten Reben in dem Bossert- schen Weinberge fanden sich noch 3 verseuchte ein- heimische Reben. Auf Vorsehlag des Comniissars wurde eine Fläche von 12 qm desinficirt und statt mit Theer, nach dem Vorschlage des Dr. Buhl mit Cement über- zogen. In allen drei erwähnten würtembergischen Reb- lausheerden wurde weiterhin trotz alljährlicher Revision keine weitere Verseuchung bemerkt, und der Aufsichts- commissar hielt sie daher für erloschen. Bedauerlicher Weise erwiesen sie sieh aber 1886 sämmtlich wieder in- ficirt und man muss annehmen, dass es sieh dabei um Ueberbleibsel, resp. Ausläufer der alten Heerde handelte. An der Wilhelma wurden schon in den auf die Des- infection folgenden Jahren zum Ersatz der Amerikaner deutsche Reben angepflanzt. Bis 1884 fanden sieh die- selben bei alijährlicher Untersuchung reblausfrei. Offen- bar näherten sich erst später die sich alljährlich weiter ausbreitenden Wurzeln dieser Stöcke einem noch mit Reb- läusen besetzten, der Desinfection entgangenen Wurzel- rest und wurden durch ihn angesteckt. Daraus folgert der Coramissar, dass sich solche Reste 10 Jahre und länger lebend im Boden erhalten können. An der Küehen- mauer der Wilhelma fanden sich allerdings nur zwei kranke Reben. Auf der Kgl. Villa Berg dagegen waren 2 Weinberge in der Nähe des alten Heerdes an der Veranda zum Theil hochgradig verseucht. Während noch vor 2 Jahren eine Untersuchung hier zu keinem Ergebniss gefühlt hatte, ermittelte man jetzt 64 von der Reblaus befallene Stöcke. Um das Ausschwärmen beflügelter In- dividuen zu verhindern, wurden die 5 Seuchenheerde der beiden Weinberge schleunigst desinficirt. Da hier von den Wurzeln des alten Heerdes nur völlig vermoderte, schwarzbraune Reste gefunden werden konnten, ist die Infection wahrscheinlich schon vor 1876 durch beflügelte Rebläuse erfolgt. Das Wiederaufleben dieser alten Heerde legte die Befürchtung nahe, dass auch der Bossert'sche Weinberg noch verseucht sein möchte. Noch während die Sachverständigen in den Königlichen Gärten beschäftigt waren, zeigte der nunmehrige Hofdomänenrath Bessert in der That an, dass er an einigen seiner Weinstöcke wieder Rebläuse gefunden habe. Bei sorgfältiger Unter- suchung wurden hier 10 kranke Stöcke ermittelt, die sieh auf 2 Heerde vertheilten. Einer davon griff" auf das be- nachbarte Bäcker Stumpp'sche Rebgelände über, in dem 5 inficirte Reben gefunden wurden. 1887 wurde auch in einem benachbarten Weinberge, der der Wittwe Rapp gehört, eine wahrscheinlich von dem Bossert- Stumpp 'scheu Heerde aus durch geflügelte Läuse hervor- gerufene Infection von 128 erkrankten Stöcken auf- gefunden und vernichtet. Weiterhin entdeckte man in der Gemarkung Stuttgart 1888 einen Hecrd mit 8 kranken Stöcken, 1889 einen mit 5 kranken Stöcken. Nach dem Wiederaufleben der Infection wurden also von 1886 bis 1889 in Stuttgart und Cannstadt zusammen 222 kranke Reben aufgefunden. Im October 1876 ermittelte der Aufsichtscommissar für Elsass- Lothringen, Bürgermeister und Weinguts- besitzer Oberlin bei einer Untersuchung der Rebschulen des Handelsgärtners Baumann in Bollweiler, Kreis Gebweiler im Ober- Elsass, dass 67 amerikanische Mutterstöcke, die 1863 oder 64 direkt aus New -York bezogen wurden, mehr oder weniger stark mit Rebläusen behaftet waren. Glücklicherweise hatte der Besitzer die Stöcke an einer abgesonderten Stelle, ziemlich fern von den europäischen Sorten, angepflanzt. Auch Weinberge beflnden sich nicht in der Umgegend. Die europäischen Reben waren denn auch reblansfrei. 1878 wurden 6 un- vorsichtigerweise auf den ehemaligen Heerd in einer Reihe angepflanzte Reben in derselben Rebschule befallen befunden. Offenbar waren also noch Läuse im Boden lebendig geblieben. Der Couimissar empfahl auf Grund dieser erneuten Infection der Reichsregierung, zu ver- XV. Nr. 2ß. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. ordnen, dass verseuchte Weiuberge 5— (1 Jahre nach der Desint'ection niclit wieder mit Reben bepflanzt werden dürfen. Als verdächtig- wurde auch eine Pflanzung- anieri- Ivanischer Reben zu Marlenheim bei Wasseluheim (Kreis Molsheim) im Untcrelsass betrachtet. Doch konnte hier trotz wiederlioiter Untersuchung- die Reblaus nicht aufgef'undeu werden. Das Jahr 1876 erwies somit die Anwesenheit von theilweise recht bedenklichen Reblausinfectionen in niclit weniger als 12 Gemarkungen der verschiedensten Theile Deutschlands. Es lag daher die Befürchtung nahe, dass auch andererorts Seuchenheerde bestehen möchten. Leider war diese Annahme nur zu begründet. Unter den von Haage & Schmidt in Erfurt ge- nannten Abnehmern von Reben befand sich auch der Rentier Reinicke in Rauschwitz bei Glogau in Schlesien. In Folge dessen untersuchte der Sach- verständige Dr. Gallus in Sommerfeld im October 1S77 den Weingarten Reinicke 's. Dieser hatte von seinen 56 Weinstöeken 36 im Frühjahr 1876 von Haage und Schmidt bezogen, und davon fanden sich 14 ver- seucht. Die beiden Reihen, in denen letztere standen, insgesammt 19 Stöcke, wurden gerodet, verbrannt und der Boden desinficirt. Die Untersuchung des Restbestandes durch den Kunst- und Handelsgärtuer Bronime in Grün- berg 1878 ergab indess, dass auch alle übrigen von Haage & Schmidt bezogenen Weinstöcke inficirt waren. Es mussten daher noch Aveitere 24 Stöcke vernichtet werden. Seitdem ist die Seuche unterdrückt. Durch Reben, die von James Booth & Söhne in Klein-Flottbeck bezogen waren, wurde die Reblaus auch in den Garten von L. F. Bio hm in Hamburg ein- geschleppt. Der intelligente Besitzer bekämpfte die von ihm aufgefundene Infection seit dem Sommer 1877 be- sonders mit xanthogeusaureni Kali. Dabei nahmen die Krankheitserscheinungen alljährlich ab und 1882 glaubte man den Feind ganz vernichtet zu haben und wandte daher kein Mittel an. 1883 aber Hess plötzlich ein Stock die Blätter hängen, die schnell gelb wurden, und die Wurzel erwies sich bei der Untersuchung mit zahlreichen Rebläusen besetzt. Sie wurde daher sorgfältig ausgegraben und verbrannt und der Boden desinficirt. Nun erst er- stattete der Besitzer Anzeige. Bei der Untersuchung durch die Professoren Reichenbach und Taschen berg wurde noch eine zweite inficirte Rebe aufgefunden. Da solche in dem seit dieser Zeit unter polizeilicher Aufsicht ste- henden Weinhause trotz wiederholter gründlicher Des- infeetion auch 1884 noch vorhanden waren, musste auch hier die Vernichtung der befallenen Bestände verfügt werden. Weit erheblicher und recht bedenklieh war ein In- fectionsherd, den der schon erwähnte Commissar für Elsass-Lothringen Anfang October 1877 in der Reb- schule von Louis Simon freres zu Plantieres bei Metz auffand. Genannte Rebschule war 1876 zweimal untersucht worden, da der Commissar auf einigen Wurzeln alte Nodositäten bemerkt hatte; doch konnte er darin keine Rebläuse ermitteln. Nun aber waren fast alle Amerikaner, sowie der grösste Theil der Bestände dreier benachbarter europäischer Rebpflanzungen, insgesammt 5273 Stöcke, mit dem Insekt behaftet. Die verseuchten Reben fanden sich fast über das ganze, mit mehreren hundert Varietäten bepflanzte Grundstück verbreitet. Zu- dem schienen 14 weitere Parzellen direkt von der Reb- laus bedroht, da der Weinberg der Gemeinde Phvuti eres direkt an die verseuchte Anlage angrenzte. Das Haus Simon hatte 1866 eine Sendung amerikanischer Wurzel- reben aus Cognae in Frankreich erhalten, die ohne Zweifel die Träger der Reblaus waren. Die Infection muss somit in der Rcbsehule mehr als zehn Jahre latent geblieben sein. Selbst noch bei der Untersuchung zeigten alle Reben der Pflanzung ein äusserst üppiges Wachs- thum. Die vier inficirten WeingeUuulc hatten, da pro (pn ein Stock gepflanzt war, zusammen eine Fläche v(ni 52,73 a. Die bedrohten Nachbarparzellen, 37,01) a um- fassend, wurden aber als Sicherhcitsgürtel ebenfalls ver- nichtet, so dass insgesammt 89,82 a Fläche zu desinficiren waren. Die Vernichtung wurde im Frühjahr 1878 vor- genommen und dazu 20 hl Schwefclkalium verwandt. 1885 wurde in Plantieres, nordöstlich von dem alten Heerde, in dem ziemlich umfangreichen Blai sc 'sehen Reb- berge durch das auffällige Zurückgehen der Rebstöcke eiue erneute, sicher durch Ansiedlung geflügelter Rebläuse entstandene Infection aufgefunden. Auf einer Fläche von 6,35 a fanden sich zusannnen 13 Heerde mit 635 kranken Stöcken. Um aber die Infection sicher zu unterdrücken, wurde der gesammte Weinberg nebst drei kleinen an- grenzenden Rebparzellen, zusammen 76,15 qm vernichtet. Zusammen wurden also in Plantieres 14 Heerde mit 5908 kranken Reben entdeckt und 165,97 a Weingeländc desinficirt. Auch von diesem gefährlichen Reblausheerde sind durch Verkauf von Reben verschiedene Infectionen ein- getreten, von denen einige schon 1878 entdeckt wurden. Unter den Abnehmern der Gebrüder Simon befand sich nach den Ermittelungen der Kaiserlichen Kreis- direction in Metz unter anderen A. ßaumann in Frank- furt a. M., der 1875 aus Plantieres, sowie nach seiner Angabe auch von Platz & Sohn in Erfurt amerika- nische Reben bezogen und in seinem Garten auf dem Sachsen häuser Berge eingepflanzt hatte. Bei der Untersuchung- wurden 16 mehr oder minder verseuchte Stöcke aufgefunden. Da ein Theil der ergriffenen Reben unmittelbar neben zwei benachbarten Weinbergen stand, mussten auch diese vorsichtshalber mit vernichtet werden, insgesammt über 2000 qm. Die Untersuchung im nächsten Jahre bewies die vollständige Ausrottung der Infection. Auch die Rebschule von Busse, vormals Goethe, zu Cannstadt in Württemberg hatte wiederholt aus Plautieres Reben bezogen, allerdings meist zum sofortigen weiteren Versand. Als die Nachricht von der Infection in P lautier es sich verbreitete, verbrannte der Besitzer sofort alle noch von dort bei ihm vorhandenen Pflanzen, und desinficirte die Stelle, wo sie gestanden hatten, mit Schwefelsäure. Doch entdeckte der Commissar noch ver- seuchte Topfreben in einem Holländerbeet. Sie wurden sofort vernichtet. Ferner war eine Rebe, die der Gärtner Busch in Kiel auf Umwegen aus Plantieres erhalten hatte, ver- seucht. Endlich mussten 1878 auch die Weinkulturen der Kgl. Gärtner-Lehranstalt bei Potsdam einer erneuten Unter- suchung unterworfen werden, da sie aus den verseuchten Rebschulen in Erfurt, Plautieres, Cannstadt und anderen Orten Wurzelreben bezogen hatte. Dabei erwiesen sich zwei europäische, von Haage und Schmidt in Er- furt erhaltene Reben als schwach inficirt, während alle übrigen gesund waren. 1887 wurde daselbst wieder eine einzelne verseuchte Rebe aufgefunden. Ehe wir zur Besprechung weiterer Infectionen über- gehen, ist es erforderlich, der auch für die weiteren gesetz- lichen Anordnungen im deutschen Reiche hochbedeut- samen internationalen Reblaus-Convention zu ge- denken. Schon 1877 hatte der Schweizerische Bundesrath einen internationalen Congress der Weinbau treibenden Staaten behufs Ergreifung gemeinsamer Maassregeln zur Bekämpfung der Reblauskrankheit nach Lausanne be- rufen. An diesem im August genannten Jahres unter dem 308 Naturwissenschaftliclie Woclieiischrift. XV. Nr. 26. Vorsitz des Biuulesraths-Präsidenten Droz tastenden Con- gresse nahmen Deutscliland, Oesterreicl)- Ungarn, die Schweiz, Frankreich, Italien, Spanien und Portugal Tiieii. Vom deutschen Reiche wurden dazu Geheimrath Wey- mann, Dr. Buhl und Forstrath Dr. Nördlinger delegirt. Der Cougrcss beabsichtigte, eine internationale Organi- sation zur Bekämpfung des gefährlichen Insekts herbei- zuführen. Zu diesem Zweck stellte er zunäch.st die bis- herigen gesicherten Erfahrungen hinsichtlich des Auftretens der Reblaus, ihrer Verbreitung und Bekämpfung zusammen und erkannte, dass letztere in den verschiedenen Ländern wegen der Unterschiede in den klimatischen und Boden- verhältnissen nicht überall dieselbe sein könne; sie müsse sich zeitlich insbesondere nach der Zeit und Dauer des Ausfliegens der geflügelten Reblaus in dem betreffenden Lande richten. Er wünschte, dass auf desinficirtem Boden vor Ablauf einer bestinmiten Frist Weinbau nicht betrieben werden dürfe, und zählte auf, was bisher über die Ersatzfähigkeit der europäischen durch amerika- nische Vitis-Arten sicher bekannt sei. Au organisatorischen Maassregeln forderte der Congress in allen Weinbau trei- benden Ländern die Einsetzung eines Ueberwachungs- und Bckämpfungs - Comitees, von Beobachtungsposten in verseuchten Weinbergen und von Uuterriehtsknrsen zur Ausbildung von Aufsichtseommissaren und- Sachverstän- digen. Schliesslich sprach er die Hoffnung aus, dass die von der Gesetzgebung der einzelnen Staaten zu erlassen- den Bestimmungen über die Ein- und Ausfuhr von Weiu- stöcken oder Theileu derselben, sowie von Gegenständen, die zur Kultur oder zum Transport von solchen dienen, die weitere Ausbreitung der Krankheit durch zahlreiche Verkehrsschranken authalten würden. Auf Grund bestimmter von diesem Congress gestellter Anträge wurde nun am 17. September 1878 zu Bern eine internationale Reblaus -Convention abgeschlossen, die zu- nächst vom Deutschen Reiche, Oesterreich-Ungarn, Frank- reich, Portugal und der Schweiz ratificirt ward. Da diese indess zu verschiedenen Beschwerden Veranlassung gab, wurde sie am 3. November 1881 abgeändert. Es genügt, hier den wesentlichen Inhalt dieser revidirten Convention kurz anzugeben. Die vertragschliessendeu Staaten ver- pflichten sich danach: Artikel 1, durch die innere Gesetzgebung ein ge- meinsames Vorgehen gegen die Eiuschleppung und Ver- breitung der Reblaus zu sichern, indem sie a) die Weinberge u. s. w. in Betreff" des Vorkommens der Reblaus überwachen lassen und die inficii't befundenen möglichst vernichten; b) die angesteckten und verdächtig erscheinenden Bezirke feststellen; c) den Versandt und die Verpackung von Reben u. s. w., von anderen Pflanzen und sonstigen Er- zeugnissen des Gartenbaues so regeln, dass eine Verschleppung der Krankheit im eigenen oder nach anderen Ländern verhütet werde; d) Strafandrohungen für den Fall der Verletzung dieser Maassregeln erlassen. Artikel 2, 4, 5 und 6 enthalten Vorschriften über die Versandtbedingungen von Trauben, Trestern u. s. w., Weinstöcken, Rebholz, Rebpflänzlingen, Schnittlingen, so- wie zwischen inficirten Reben gewachsenen Gemüsen. Artikel 3 ordnet die Ausstellung von behördlich be- scheinigten Ursprungszeugnissen bei der Einfuhr von Pflanzen an, aus denen hervorgeht, dass sie von nicht iuticirten Orten stammen, die weder Weinstöcke noch Rebcnniederlagen enthalten, und dass sie in einer Ent- fernung von mindestens 20 m V(ni den nächsten Wein- stöcken gewachsen seien. Artikel 7 verbietet die Verwendung von Theilen und Blättern von Reben bei der V^erpackung der zum inter- nationalen Verkehr zugelasseneu Sendungen. Artikel 8 fordert die Zurückseudungbeziehungsweise Vernichtung der diesen Bedingungen nicht entsprechenden oder inficirten Gegenstände. Artikel 9 verpflichtet jeden vertragsehliessenden Staat, allen übrigen mitzutheilen, welche Gesetze, Verordnungen, Uebcrwachungsmaassregeln u. s. w. er im Interesse der Reblausbekämpfung erlassen habe, ihnen jede neue Ent deckung des Anftretens der Reblaus unverzüglich anzu- zeigen, die Ausdehnung und womöglich auch die Ur.saclie der Infection anzugeben, auch zu berichten, welche Pflanzensendungen aus dem inficirten Gebiet in den letzten .Jahren stattgefunden hätten. Er solle ferner alljährlich Karten der inficirten und verdächtigen Bodenflächen an- fertigen, Verzeichnisse solcher Gartenbauanlagcn, Schulen u. s. w. anlegen und stetig ergänzen , die regelmässig amtlich untersucht werden, sowie neue Ergebnisse wissen- schaftlicher Forschung, praktischer Vernichtungsmethoden und sonstige für den Weinbau interessante Dinge bekannt machen. Endlich werden die vertragsehliessenden Staaten auch verpflichtet, Nichtvertragsstaatön keinenfalls günstiger zu behandeln, wie die vertragsehliessenden selbst. Anderen Staaten wird der Beitritt zur Convention vorbehalten. Von dieser Berechtigung machten zunächst Gebrauch Belgfen, Luxemburg und die Niederlande, 1883 Serbien, 1887 Italien, 1891 Spanien und 1892 Rumänien. Uebcr die Gesetze und Verordnungen, welche auf Grund dieser Convention im Deutschen Reiche ergriffen wurden, ist später zu berichten. Bereits im Herbst 1878 aber schaffte Preussen die seit 1875 im Deutschen Reich bestehende Organisation der Reblausbekämpfung für sieh ab, weil das schon er- wähnte neue preussische Gesetz vom 27. Februar 1878 ein weit wirksameres Vorgehen in dieser Beziehung er- laubte. An Stelle davon trat jetzt die folgende Organi- sation. Für jede weinbautreibende Gemeinde wurde eine Localcommission zur Ueberwachung der Weinberge, Weingärten und Rebschulen eingerichtet, die auch bei allen Neuaupflauzuugcn zu ermitteln hat, woher die neuen Reben stammen. Alle irgendwie verdächtigen Erschei- nungen werden den Aufsichtseommissaren gemeldet. Letz- tere sowie die Sachverständigen werden, und zwar nach Bedarf ein oder mehrere Commissare für jede Pro- vinz, vom Oberpräsidenten ernannt. Die Sachverstän- digen untersuchen im Auftrage und erforderlichen Falls im Beisein der Aufsichtscommissare die verdächtigen Reben. Aehnliche Gesetze und Verordnungen wie in Preussen wurden auch in Baden und Hessen erlassen. Für das ganze Deutsche Reich wurde das Einfuhr- verbot vom 11. Februar 1873 durch Verordnung vom 31. October 1879 dahin erweitert, dass auch die Einfuhr von Reb theilen, insbesondere auch Rebenblättern, ver- boten wurde. Zur Verpackung einzuführender Trauben dürfen daher Weinblätter oder Rebholz nicht mehr ver- wendet werden. Dies Gesetz wurde durch die Befürch- tung veranlasst, dass auch durch an Weinblättern sitzende Gallen und durch andere oberirdische Rebtheile Ver- seuchungen herbeigeführt werden könnten. Im August 1881 fand Professor Gerstäcker bei einer Untersuchung sämmtlicher Rebschulen in den Kunst- und Handelsgärtnereien Lübecks bei dem Handelsgärtncr Lindberg in der Vorstadt St. Jürgen 31 verseuchte Rebstöckc unter 18.ö Topfculturen in einem Glashause. Die betreffenden Reben wurden sofort durch Feuer ver- nichtet. Die Infection ist wahrscheinlich durch Bezug von Reben aus der Rehschule von Rüppel iuBergedorf (1873 XV. Nr. 26. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 309 oder 74) veranlasst worden, da die von Liudberg 1867 aus Augers (Maine et Loire) bezogenen Reben damals wolil sieber noch unverseuchtem Gebiet entstammten. 1881 erwiesen sich auch die Rebeubestände in der Handelsgärtnerei von Dreesen in Bonn stark inficirt. Hier waren, wie so häufig in derartigen Culturen, nicht allein die im Freien stehenden Weinstöeke befallen, son- dern in gleichem Grade auch die in Töpfen eingepflanzten Reben. Eine Einschleppung durch bewurzelte Reben war nicht nachzuweisen. Auch ein aus dieser Gärtnerei im letzten Frühjahr bezogener Weinstock im Garten des Ge- heimen Bergraths und Professors vom Rath in Bonn war schwach verseucht. 1882 erwiesen sich zwei Reben in dem am Ostufer des Rheinstroms gelegenen Garten des Rentners König daselbst ebenfalls inficirt. üeber den Ursprung dieser Verseuchung, die nach dem ürtheil der Sachverständigen erst etwa 1 Jahr alt zu sein schien, iiess sich nichts ermitteln. Endlich wurden 1885 in dem nördlich vom vorigen gelegenen Garten des Rent- ners Spiess 7 mit Rebläusen behaftete Reben ermittelt. Diese Infection hängt höchst wahrscheinlich mit der vor- erwähnten zusammen. Bisher hatte man allgemein geglaubt, dass, obgleich die Reblaus an den verschiedensten Punkten des Reiches aufgetreten war, doch das eigentliche Weinbaugebiet von ihr unberührt geblieben sei. Nicht gering war daher die Bestürzung, als Ende August 1881 im Herzen der Rhein- provinz, und zwar am linken Ahrufer, eine höchst ge- fährliche Infection entdeckt wurde. Sie befand sich im Kreise Ahrweiler im Bezirk der Gemeinde Heimers- heim bei Neuenahr. Der Bürgermeister von Neuenahr, Rittmeister a. D. llepke, wurde bei Gelegenheit eines Spazierganges von einem ihn begleitenden Bürger von Heimersheim auf eine kränklich aussehende Stelle in den Weinbergen am Südabhange der Lands kröne auf- merksam gemacht. Die Reben waren daselbst im Wachs- thum zurückgeblieben und hatten verkümmerte Triebe und mehr oder weniger gelbbraun gefärbte Blätter. Da er überdies hörte, dass die Erkrankung von Jahr zu Jahr zunehme, kam die Sache Herrn Hepke verdächtig vor. Er Hess durch einen Arbeiter Rebwurzeln von der be- zeichneten Stelle holen und sie vom Apotheker in Neuen- ahr, Herrn Boediker, untersuchen. Dieser fand die Reblaus daran auf, und der schleunigst zugezogene Sach- verständige, Königliche Garteninspektor in Engers, Herr Ritter, musste dies leider bestätigen. Die alsbald in den Weinbergen vorgenommene Untersuchung ergab, dass die Infection schon eine bedeutende Ausdehnung erlangt hatte. Ausser dem Hauptheerde wurden im Verlauf der Unter- suchung noch drei weitere Heerde entdeckt, so dass die Reblaus insgesammt in ö4 verschiedenen Weinbergs- parzellen aufgefunden wurde, in einem District, der mit Einschluss des circa 360 a umfassenden Sicherheits- gürtels 502,58 a umfasste. Auf dieser Fläche mussten insgesammt 44 688 Rebstöcke, darunter 3810 kranke, ver- nichtet werden. Da eine Anzahl Nymphen, bekanntlich das Vorstadium des geflügelten Thieres, aufgefunden wurde, erschien die schleunigste Austilgung des Heerdes unumgänglich nothwendig, besonders in den beiden wegen Bedrohung der umliegenden Weinberge gefährlichsten Heerden „oben auf dem Stocken" und „in der Holl". Es wurde zunächst das ganze Infectionsgebiet nebst Sicherheitsgürtel von einem l'/a m tiefen und 1 m breiten Graben umgeben, um die Zerstörung der an- grenzenden gesunden Reben durch die unterirdisch ent- weichenden Desinfectionsstofte zu verhindern. Darauf Hess man die Reben im Sicherheitsgürtel an der Erde abhauen und nebst den Pfählen mit Hülfe von Petroleum verbrennen. Dann desinficirte man den ganzen Sicherheitsgürtel mit Schwefelkohleustotf (wobei 200 g pro Quadratmeter in 1 bis 1', 4 m tiefe Löcher eingegossen wurden). Andere Arbeiter behandelten das verseuchte Gebiet selbst ebenso, aber unter Anwendung aller erdenklichen Sicherheits- maassregeln, um einer Verschleppung mit dem Arbeitszeug oder den Schuhen vorzubeugen. Aus eben diesem Grunde wurde von einem sofortigen Rigolen dieses Terrains Ab- stand genommen, die Erdoberfläche vielmehr zunächst nur noch mit Petroleum überbraust. Dagegen wurde der Sicherheitsgürtel sofort nach der Desinfection rigolt, d. h. der Boden auf 1 m Tiefe regelrecht umgewendet, die Wurzeln herausgenommen, genau untersucht und ver- brannt, darauf der rigolte Boden nochmals mit Schwefel- kohlenstoff desinficirt und mit Petroleum (l Fass = ca. 150 kg Petroleum auf je 75 qm) überbraust. Der Heerd selbst sollte erst im nächsten Frühjahr ebenso behandelt werden. Um ein Betreten der verseuchten Fläche und die dadurch entstehende Gefahr einer weiteren Verschleppung des In- sekts möglichst zu verhindern, wurde sie durch Verbots- tafeln polizeilich gesperrt und überdies durch Gensdarmen und Civilwächter ständig bewacht, später mit rothen Pflöcken markirt. Die Bevölkerung von Heimersheim wollte An- fangs nicht an das Vorhandensein der Reblaus und weiterhin nicht an deren Schädlichkeit glauben. Zwei Winzer baten sogar einen Wächter um ein inficirtes Rebwurzelstück, um es an ihre am Hause befindHchen Weinstöcke zu bringen, damit sie sich durch deren Ver- nichtung von der SchädHchkeit des Insekts selbst über- zeugen könnten. Natürlich wurden die angeordneten Maassregeln mit Widerwillen angesehen. Von 292 Be- sitzern verzichteten trotz eindringlicher Ermahnungen nur 94 nach erfolgter schriftlicher Mittbeilung auf die ihnen gesetzlich binnen zehn Tagen zustehende Beschwerde gegen die Vernichtungsmaassregeln. Ja einzelne suchten .sogar die Zustellung zu vereiteln, indem sie sich ver- steckten oder heimlich von Hause entfernten. Der Apo- theker in Neuenahr wurde mit Vorwürfen überhäuft, dass er vor der Ernte Anzeige erstattet habe. Selbst die bei der Desinfection beschäftigten Tagelöhner hatten sich über unfreundliche Behandlung zu beklagen. Die Un- keuntniss ging so weit, dass z. B. selbst der Ortsvorsteher von Heimersheim glaubte, die Reblaus sei hier an Ort und Stelle im Boden entstanden. Daher hielt Dr. Moritz in Ahrweiler und Heimersheim unter Vorzeigung von Präparaten stark besuclite populäre Vorträge über die Reblausgefahr, die eine lebhafte Diskussion zur Folge hatten. Dadurch wurde wenigstens bei einem Theil der Bevölkerung eine richtigere Auffassung angebahnt. Den anderen nützten die Belehrungen wenig; die Leute glaubten einfach nicht, was ihnen gesagt wurde. Trotz dieser Hindernisse war die Desinfection vor Eintritt des Winters beendet. Bei ihrer Wiederholung im Frühjahr 1882 ergab sich, dass an einzelnen Stellen noch lebende Rebläuse vorhanden waren in Folge der dort äusserst ungünstigen Bodenverhältnisse. Im Allgemeinen findet sich am Südabhang der Landskrone schwerer Lehm- boden mit Schiefer oder Basalt durchsetzt. An den er- wähnten Stellen aber fand sich theils in der Nässe völlig undurchlässiger Thonboden, theils staubtrockene, humus- reiche, sehr lockere Walderde. Im ersteren Falle konnte der Schwefelkohlenstoff überhaupt nicht verdunsten, in letzterem verdunstete er zu schnell und ohne Erfolg. Das zum Ueberbrausen verwendete Petroleum hatte eine über Erwarten günstige Desinfectionswirkung bewiesen, vor- züglich bei nassem Wetter und in nicht rigolteni Terrain angewendet. E.S war besonders an den Wurzeln entlang bis 2 Fuss tief in den Boden gedrungen und hatte diese nebst den daran sitzenden Rebläusen völlig getödtet. Die 310 Naturwisiäcnschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 26. Kosten der Untersuchung und Vernichtung der Heerde an der Landskrone in den Jahren 1881 und 1882 betrugen 96 913,81 Mark, die Entschädigungssumme an die Winzer für gesund befundene vernichtete Reben 40 837,31 Mark. Woher die Verseuchung stammte, blieb zunächst trotz der sehr eingehenden Untersuchungen ungewiss. Zwar waren wiederholt zahlreiche Blindreben, 1870 auch Wnrzelreben, besonders „blauer Portugieser" aus Klosterneuburg bei Wien bezogen worden und glaubte der Sachverständige daher anfangs, dass letzterer die Infection veranlasst habe. Anscheinend war die Krankheit aber auf einer Parzelle des Weingutsbesitzers Fabricius zuerst entstanden, die nebst einer benachbarten gegen 200 schon vollständig abgestorbene Reben enthielt und nach Angabe des Be- sitzers schon vor fünf Jahren ein Zurückgehen der Wein- stöcke hatte erkennen lassen. Die Infection hat demnach wahrscheinlich zwischen 1873 und 1875 stattgefunden. Auf dieser ausschliesslich mit sehr alten Stöcken der späten Burgundertraube besetzten Fläche soll nie eine fremde Rebe angepflanzt worden sein. Der Sachverstän- dige Ritter vennuthcte daher, dass die Verseuchung au der Landskronc aus einem benachbarten, zur Zeit noch unbekannten Infectionsgebiet herstamme, eine Annahme, die sich später leider bestätigt hat. Bei der weiteren Verbreitung der Reblaus von dieser Parzelle aus hat, nach der sprungweisen Infection zu schliessen, das ge- flügelte Insekt entschieden eine Hauptrolle gespielt. Die Leiter der Arbeiten an der Landskronc hielten es für unbedingt erforderlich, sämmtliche Weinberge im Ahrgebiet einer sorgfältigen Untersuchung zu unterwerfen. Denn wenn man sich auch der Hoffnung hingab, die Grenzen des bisherigen Infectionsheerdes erreicht zu haben, so lag doch die Möglichkeit vor, dass die Winzer vor Auffindung der Infection durch Schuhwerk oder Handwerks- geräth die Krankheit schon weithin verschleppt hatten. Im Sommer 1883 wurden denn auch leider sieben neue Heerde im unteren Ahrthal entdeckt, einer an der Lands- kronc, westlich von den früheren Heerden, vier in Lohrs- dorf, östlich von den genannten, endlich zwei auf dem Ehlinger Berge (Gemarkung Heimersheim) auf dem rechten Ahrufer. Bei der Desinfection dieser Heerde wurden abwechselnd 1 und V2 m tiefe Löcher zur Auf- nahme des Schwefelkohlenstofts geschlagen, um die Reb- läuse in den oberen Erdschichten besser zu treffen, ein Verfahren, das vorzügliche Erfolge hatte. Es würde zu weit führen, wenn wir die ferner im Kreise Ahrweiler entdeckten Heerde alle einzeln aufführen wollten. Wir beschränken uns daher darauf, die allmähliche Ausdeh- nung des verseuchten Gebiets kurz zu besprechen. 1884 wurde ein Heerd im Hellbachthale der Gemarkung West um (östlich von Heimersheim und Ehlingen am rechten Ahrufer), 1885 auch ein Heerd im District Heller- berg der Gemarkung Sinzig, östlich von Westum, und einer in der Gemarkung Nie derbreisig am Rhein, süd- lich von Sinzig, aufgefunden. Im Frühjahr 1885 konnte der Hauptheerd an der Landskrone den Besitzern zur Neuanlage von Rebculturen zurückgegeben werden. Das erfreuliche Gedeihen der jungen Reben zerstörte die sei- tens der Winzer gehegte Befürchtung, dass der Boden durch die Desinfectiousstoffe — Petroleum und Schwefel- kohlenstoff — entwerthet worden sei. Daher trat im Verhalten der Leute gegen die Untersuchungsarbeiten ein erfreulicher Umschwung ein. Statt ihnen Widerstand entgegenzusetzen, unterstützten sie sie vielfach. 1888 wurde ein Heerd in Westum in sehr schwerem, un- durchlässigem Boden versuchsweise nach starkem An- giessen mit Wasser durch Kaliumsulfocarbonat desinficirt (Oberlin'sche Methode), also ohne Anwendung von Schwefelkohlenstoff und Petroleum. Dieser Versuch hatte einen befriedigenden Erfolg. Alle Rebläuse waren todt und nur einige Eier hatten noch eine so natürliche hell- gelbe Farbe, dass es zweifelhaft schien, ob sie abgestorben wären. Wenn auch Schwefelkohlenstoff und Petroleum im Allgemeinen noch grössere Sicherheit bieten, kann Kalium- sulfocarbonat für so undurchlässigen Boden oder bei sehr nasser Witterung wohl zur Desinfection empfohlen werden. Dagegen bewährte sich ein Ueberbrausen des mit Schwefel- kohlenstoff desinficirten Bodens mit Kaliumsulfocarbonat- Lösung statt mit Petroleum nicht, da bei der Revision die Rebwurzeln noch ganz frisch und mit lebenden Rebläusen und Eiern besetzt gefunden wurden. Offenbar verdunsten die Zersetzungsproducte des Kaliumsulfocar- bonats — Schwefelkohlenstoff und Schwefelwasserstoff — zu schnell, um genügend wirken zu können. Schon nach 14 Tagen waren sie durch den Geruch nicht mehr wahr- nehmbar, während man Petroleum noch nach Jahresfrist riecht. 1891 erwiesen sich auch die Gemarkungen Boden- dorf (östlich von Lohrsdorf) und Remagen beim Dorfe Kripp am Rhein, beide auf dem linken Ahrufer, verseucht. 1892 wurde der wieder mit Reben bepflanzte Hauptheerd an der Landskrone zum ersten Male unter- sucht. Er zeigte ein äusserst üppiges Wachsthum und erwies sich als völlig reblausfrei. 1896 fand sich auch in Gimmingen, nördlich von der Landskrone, eine Infection. Die in diesem Jahre nach fünfjähriger Pause erneute Untersuchung der Rebenbestände des Ahrthals bewies, dass nur in der Umgebung der alten Heerde verhältnissmässig unbedeutende Infectionen noch vorhanden sind, dass die getrottenen energischen Vernichtungs- maassregeln aber die Reblaus von den werthvollercn Lagen an der Oberahr ferngehalten haben. Ueberhaupt wurden im unteren Ahrthale in den Ge- markungen Heimersheim (Landskrone und Ehlinger Berg), Gimmingen, Bodendorf, Remagen bei Kripp, Lohrsdorf, Westum, Sinzig und Niederbreisig am Rhein in den Jahren 1881 bis 1897 insgesanimt 277 Reb- lausheerde mit 7071 kranken Reben aufgefunden und 2252,84 a Weinbaufläche vernichtet. Dabei ist noch zu erwähnen, dass seit dem Jahre 1891 die Sicherheitsgürtel weiter als früher gezogen wurden, um einen erhöhten Schutz der übrigen Weinberge zu gewinnen. Die erneute Untersuchung des gesammten iuflcirten Gebiets war übri- gens 1897 noch nicht ganz beendet. (Fortsetzung folgt.) Die Ipecaciiaiiha, ein bekanntes Brechmittel, ist die Wurzel der zu den Rubiaceen gehörenden südamerikani- schen Cephaelis Ipecacuanha Willd.; E. Massat vom Naturhistorischen Museum zu Paris veröffentlicht über diese Pflanze und das daraus gewonnene officinelle Pro- dukt eine Arbeit im „Naturaliste" 1900, S. 104—106. Der Name Ipecacuanha ist ein brasilisches Wort, welches so viel wie „geringelte Wurzel" bedeutet (nach Glaser stammt das Wort aus dem Portugiesischen und ist die Etymologie desselben: i, klein; pe, am Wege; caa, Kraut; gone. Brechen erregend. Ref.). Die Cephaelis ist ein Strauch von 30 — 40 cm Höhe mit aufsteigendem, reben- artigem Stengel, ovalen, zugespitzten Blättern von schön grüner Farbe und kleinen, weissen, langgestielten Blüthen, die Frucht ist eine schwärzliche Beere von Erbsengrösse und enthält zwei weisse Kerne. Der Strauch wächst in allen am Meer gelegenen Provinzen Brasiliens, die Provinz Matto Grosso liefert die meiste Ipecacuanha für Europa. XV. Nr. 26. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. Die Ipecacuanha des Handels koniint unter der Form f,_25 cm langer, auf der Rinde tief geringelter Stücke von der Stärke eines Strohhalms vor. Ihre Wirkung be- ruht liauptsächlich auf den Bcstandtlieilcn der Rinden- schiclit, die aussen grauschwarz, innen heller und von harter, horniger Beschaffenheit ist; das Mark ist gelblich- wciss. Der Geschmack der Wurzel ist scharf, aromatisch, der (rcruch stark und ekelerregend. Es kommen mehrere Varietäten vor, eine hat röthiiclic Wurzeln von schwäche- rem (ieruch und Geschmack, die Rinde ist hornig, etwas durchscheinend und weist mitunter matte, mehlige Stellen auf. Im Handel kommen ausserdem einige geringere Sorten vor, die von anderen Pflanzen stammen, so die gestreifte oder schwarze Ipecacuanha von Psychotria cmetica Rieh., und die weisse oder gewellte Ipecacuanha von Richardsonia scabra Kunth, beide zu den Rubiaceen gehörend. Die Wurzel enthält Ipecacuanhasäurc, C,4Hg07, welche der Galläpfelsäure nahe steht, bitter schmeckt und an der Luft, besonders in der Nähe von Alkalien, sehr leicht oxydirt, und ferner als wirksamen Stoff Emetin. Von letzterem liefert am meisten die von der Cephaelis stammende Ipecacuanha, nämlich 16 "/oi wogegen die Varietäten und geringeren Sorten nur 6 — 9 % enthalten. Die Ipecacuanha wirkt besonders auf die Schleimhäute, wenn ihr Staub in die Augen, den Kehlkopf oder die Bronchien eindringt, so ruft er daselbst einen sehr inten- siven Lokalrciz hervor. Der in der Luft verbreitete Staub ruft bei manchen Personen Erstickungsanfälle hervor, die jedoch zum Glück bald vorübergehen. Das Ipecacuanha- pulvcr wird äusserlich als Ilautreinigungsmittel, innerlich als Vomitiv verordnet; in zu grossen Gaben wirkt es giftig, indessen ist die Maximaldosis noch nicht festge- stellt, als Gegenmittel wird Tannin gegeben und darauf der Magen ausgepumpt. Das wirksame Prineip der Wurzel, das Emetin, wnrde zuerst 1817 von Pelletier und Magendie gewonnen. Es ist ein weisses, etwas ins Gelb- liche scheinende Pulver von schwach bittereVn Geschmack; es färbt das durch eine Säure geröthete Laekmuspapier wieder blau. Es lost sich sciiwer in kaltem Wasser, leiclit in Alkohol und nimmt, wenn es der Luft ausgesetzt wird, eine bräunliche Färbung an. Das Emetin wirkt als Brechmittel schon in der Dosis von tl,003 Milligramm, doch wird ihm allgemein die Ipecacuanha vorgezogen. S. Seh. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ei-naunt wurde: Dr. .). Joacliim, Assistent an <\rv Uiii- vcrsitiits-Bibliotliek in Gottiiigeii. zum Hilt'sbibliothekar. Berufen wurden: Prof. ß. Bess, Hilfsbibliotliekar au der lluiversitätsbihJiothek zu Göttingeu, an die königliche Bibliothek zu Berlin; Dr. A. Vahlen, Assistent an der Uuiversitäts-Biblio- thek in Göttingen, als Hilfsbibliothekar nach Bonn; Dr. H. Henne- berg, Hilfsbibliothekar an der Univer-sitäts-Bibliothek in Bonn, als Bibliothekar an die königliehe Bibliothek in Berlin; Privat- docent der gerichtlichen Mediciu in Budapest (). Schwartzer, zum Hofrath. Abgelehnt hat: Dr. Peter Poppert, ordentlicher Professor der Cliirurgie und Director der chirurgischen Klinik in Giessen, einen Ruf nach Dresden als Leiter des dortigen Krankenhauses. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Hans Stockmeier, Vorstand der chemischen Abtheilung des Ijayerisclien Gewerbemuseums zu Nürnberg, Handbuch der Galvanostegie und Galvanoplastik. Halle a. S., Verlag von Wilhelm Knapp, 1899. Das vorliegende Werk soll in erster Linie praktischen Zwecken dienen. Es ist daher in populärer Weise verfasst und, wie gleich vorweg bemerkt werden mag, mit grossem Geschick. Vor der Besprechung der galvanischen Metallabscheidungen und der hier- zu nöthigen Chemikalien hat Verfasser eine Erörterung der für den Galvaniseur wichtigen elektrotechnischen Verhältnisse in ge- drängter Form vorausgeschickt. Dies ist in klarer und gemein- verständlicher Weise geschehen, so dass auch derjenige, welcher sich mit den wissenschaftlichen Grundlagen der Elektrochemie bisher nicht beschäftigt hatte, auf das beste in dieses Gebiet ein- geführt und mit dem Gegenstände insoweit vertraut gemacht wird, als es zur ju'aktischen Ausübung galvanostegischer und galvano- plastischer Arbeiten erforderlich ist. Stromquellen und Mess- apparate werden in dem Buche nicht beschrieben, sondern auf den IV. Band der Elektrochemie: , Primäre und sekundäre Elemente'', bearbeitet von Prof. Dr. Elbs und auf die im Bd. I von Prof. Dr. Nernst bearbeiteten „Grundbegriffe der Elektricitätslehrc und Messkunde" verwiesen. Eine werthvoUe Bereicherung des vorliegenden Buches besteht in der eingehenden "Berücksichtigung der Patentlitteratur. Die Kapitel des Buches über die mechanische Reinigung der Metalle, die chemische Behandhing derselben vor ihrer galvano- stegischon Behandlung sind vortrefflich geschrieben und enthalten sehr beachtenswerthe Winke für den Praktiker. In ausführlicher Weise sind dann die Versilberung, Vergoldung, Verkupferung, Vermessingung, Vernickelung, Verkobaltung, Verzinnung, Ver- bleiung u. s. w. erörtert. Auch die Kapitel über Galvanoplastik bieten dem Unkundigen eine reiche Belehrung. Thoms. Willielm Herzog, Chemiker an der Gilbacher Zuckerfabrik zu Wevelinghoven (Rheinland), Monographie der Zuckerrübe. Hamburg, Verlag von Leopold Voss, 1899. - Preis 3 Mark. Dieses dem auf dem Gebiete der Zuckerchemie praktisch und litterarisch hervorragend thätigen Director der Zuckerraffincrio in Halle a. S. Herrn Dr. 0. E. von Lippmann gewidmete Buch enthält die neuesten Forschungsresultate und Anschauungen auf dem Gebiete der Botanik und Chemie der Zuckerrübe. Es sind ihr Anbau und ihre Erkrankungen beschrieben, alles in knapper, ansprechender und leicht verständlicher Form. Verfasser will dem neu in die Zuckerindustrie eintretenden Landwirth, Techniker oder Chemiker, „dem es nur selten vergönnt ist, sich während seiner Ausbildungszeit mit dem Werden und Sein der Zuckerrübe eingehender zu beschäftigen", einen kurzen Ueberblick über dieses Gebiet geben. Und man muss dem Verfasser einräumen, dass ihm sein Vorhaben geglückt ist. • Im 1.. Kapitel werden die Botanik und Chemie der Zucker- rübe besprochen, im II. Kapitel die Kultur der Samenrübeu. Das m. Kapitel behandelt die Kultur der Zuckerrüben, und das Schlusskapitel enthält Erörterungen über die Krankheiten der Zuckerrübe. Es ist, wie erwähnt, hierbei auf die neuesten, nach dieser Richtung vorgenommenen Untersuchungen Bezug genommen. Das praktische Büchlein wird zweifelsohne seinen Leserkreis finden. Thoms. Abegg, Prof. R., u. Assist. W. Herz, DD., Chemisches Praktikum. Göttingen. — 3,00 Mark. Abhandlungen, philosophische. Tübingen. — 7 Mark. Brown, Campbeil, Ueber das Genus Hybodus und seine syste- matische Stellung. Stuttgart. — 9 Mark. Busse, Iiudw., Jiio Wechselwirkung zwischen Leib und Seele und das Gesetz der Erhaltung der Energie. Tübingen. — 1,20 Mark. Dilthey, Wilh., Die Entstehung der Hermeneutik. Tübingen. — OfiO Mark. Drude, Prof. Dr. Paul, Lehrbuch der Optik. Leipzig. — 1 1,20 Mark. Erdmann, Benno, Umrisse zur Psychologie des Denkens. Tubingen. — l,-20 Mark. Eyferth's B.. einfachste Lebensformen des Thier- und Pflanzen- reiches. Braunsehweig. — 20 Mark. Falckenberg, Rieh , Zwei Briefe von Hermann Lotze an R. Seydel und E. Arnoldt. Tübingen. — 20 Mark. Junge, Kurt, Ueber die magnetischen Kraftlinien Faradays. Leipzig. — 1,20 Mark. Krause, Priv.Doc. Prosekt. Dr. Rud., Untersuchungen über den Bau des Centralnervensystems der Affen. Berlin. — 3,50 Mark. Maier, Heinr.. Logik ulid Erkennntnisstheorie. Tübingen. — 1 Mark. Maurer, Dr. Hans, Erdmagnetische Beobachtungen in Deutsch- Ostafrika. Hamburg. — 2,.50 Mark. Mellmann, Bealsch.-Oberlehr. Dr. P., Chemie des täglichen wirth- schftftlichen Lebens. Leipzig. — 2,75 Mark. Biokert, Heinr., Psychophysische Causalität und psychophysischer Parallelismus. Tübingen. — 1 Mark. Inhalt: R. Beyer: Zur Geschichte der Verbreitung der Reblaus in Deutschland. — Die Ipecacuanha. — liehen Leben. — Litteratur: Dr. Hans Stockmeier, Handbuch der Galvanostegie und Galvanoplastik. Monographie der Zuckerrübe. — Liste. Aus dem wissenschaft- - Wilhelm Herzog, Natur\sdssonschaftliehe "Wochenschrift. XV. Nr. 26. Soeben erschieuen : Antiquar. Bücherkatalog Nr. 100: Mrdirin iind Natiirwissenschatleii •"—^ gratis und franko. ^^^ Paul Lehmann, BuchhaiuUunf!; u. Antiiiuariat, Berlin, Französischestrasse 33 e. 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Seite, 79©., geb. 0,50 3!Kf. - Jtngetüanbte ef)emie. SBüberhinbe. Seil 7, 116 ©., geb. 0,60 Wt. — Som Sllter ber ©rbe (®eotügic). Sßon ber Umbrct)nng ber gvbe. ®ie ®c= fc^winbigteit be§ SidjtS. Seil 8, 152 ©., geb.l mt. — ®n^ §üf|nrf)en im ei. ißom §t)t)notiginu^ Seit 9, 127 ©., geb. 0,80 »it. - S3ou unb Seben Bon ^fm^t unb Sier. Seit 10, 163 ©., geb. 1 50». — ®a§ ®eifte^teben Bon aKenfd) unb S^iet. Seit 11, 100 ©., geb. 0,60 SIKt. — $fi)c^otogte unb Sttmung. Seit 12, 124 ©., geb. 0,80 9Kf. - ©erj unb Stuge. Seil 13, 133 ©., geb. 0,80 mt — Stnteitung ju d|emtfdE|en (äl-pcrimentcn. *t5rafttfct)e Jpeiäung. Seil 14, 192 ©., geb. 1 SKt. — ^irtturfnift unb ©eiftcsiootten. SSolf§roirt|d)aftlid)e5. SJom ©piritiömuäi. Seil 15, 163 ©., geb. 1 9JH. — ©ine ^^antafiercife im SBeltall (^Jlftvoiuimie). Seil 16, 271 ©., geb. 1,60 Wt. — ®ic anftecfenben Stianftjciten unb bie SSoftcrieu. Sie *$flanäenn)ett nnfrer Jpetmot fonft unb iet3t. a5ie ©))ettralanali)(e unb bie gij|terntt)ett. Seit 17, 178 ©., geb. 1 Wt. — 9tbftammimgälel)rc unb 3)orroini§muä. Seil 18, 128 ©., geb. 0,80 9Kt. — «on ber Sr^attung bet Sraft. Seit 19, 104 ©., geb. 0,60 9Kt. — I)ie entmideinng ber S3elcn(^tnng§ted)nif. .tlima= tologie. Seil 20, 162 ©., geb. l 9JJt. — Die 9!atnriBiffenid)aft im erroerbSteben. SBiflenfcfjaft uub $f)ilofopt)ie. Seil 21, 92 ©., geb. 0,60 9Jif. V.) Die Erneuerung des Abonnements wird den geelirten Ahnelimern dieser Wochensclirif't -«^g liierdurch in geneigte Erinnerung gebracht. Die Verlagsbuchhandlung. ^^ für den Inseratentheil: n-nstein, Berlin SW. 12. twortlicher Redaeteur: Dr. Henry Potoniö, Gr. Lichterfelde-West bei Berlin, Potsdamersirasse 35 Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck; G. V*'''">- v::,^>^"" Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düüiinlers Verlagsbiichhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. HoiuiUii»'. den 8. Juli 1900. iS[r» 27. Abonnement: Man abonnirt bei allen liuchhamllungen und Post- y anataltPii, wie bei iler Expedition. Der Vierteljaln-spreis ist M 4.- gJö HriuKegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5:!ül. JL Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 .A. Grossere Aufträge eut sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinliunft. Inser.atenaunahine bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. AtMirnrk ist nnr mit vollstsiinliser ■ / K - l;at: Fortsetzung von „Natiirw. Wochensclir.'' XI\' I) S. Sl cinstimnningen in ein und derselben Gruppe wie in un- serem Falle in derjenigen der Filicalcs statttinden, so- dass z. B. in den natürlichen Pflanzenfaniilien sogar dieselben Namen für ganz Verschiedenes in demsell)en Bande wiederkehren müssten. Das giebt unter Umständen eine Verwirrung, die zu beseitigen ist. Da die reeente in den Natürl. Pflanzenfamilien I 4, S. i^^s, als Untergattung von Diplazium boliandelte Gattung Gallipteris Bory's(lS04, I, .S. 27° herab; es verlangsamt sieh der Pnlsschlag, das Herz schlägt immer matter, bis es zuletzt still steht. Wahr- scheinlich ist eine Temperatur von 36° die äusserste (irenze, bei welcher der Verbrennuugsprocess in den Lungen noeii in normaler Weise von statten gehen -kann. Dass diese Ansicht die richtige ist, beweist die That- sache, dass mit grossen Brandwunden bedeckte Patienten bei tage-, ja wochenlangeui Liegen in warmem Wasser genasen, während sie unter gevvöhulichen Umstäudeu rettungslos verloren gewesen wären. Durch die Poren der Haut vermögen leider Mikro- kokkeu, die Verbi'citer ansteckender Krankheiten, in das Blut zu gelangen. Nach Wasmuths Versuchen ist die Haupteingangspforte für diese gefährlichen Lebewesen der Raum zwischen Haarbalg und Haarscheide, also die Kopfhaut. Die Talgdrüsen vermitteln die Infection nicht, wohl aber die Sehweissdrüsen. Das Eindringen der Krank- heitserreger in das Blut auf diesem Wege ist das, was man neuerdings mit dem Namen Erkältung bezeichnet, die also nicht, wie man bisher allgemein annahm, im raschen Tcmperaturwechsel ihren Ursprung hat. Man sucht diese Ansieht durch Folgendes zu stützen: Starke und plötzliche Wärmeentziehung z. B. bei gründlicher Duichuässung, bei einem Sturz ins Wasser mit nachfoigendcMii Trockenwerden au der Luft, führen meist zu keiner Erkältungserscheinung, während ein andermal eine ganz geringfügige Ursache eine krank- machende Wirkung ausübt. Aerzte, welche häufig des Nachts gerufen werden, und schnell unangekleidet aus der Wärme des Betts au das Fenster gehen, um ins Freie hinaus mit dem Hilfesuchenden sprechen, ziehen sich dabei nur selten eine Erkältung zu. Das Heer von Bergsteigern im Sommer, die meist ohne vorangegangene Angewöhnung (Üetsciiertouren unternehmen und stark schwitzend mit ilurehuässteu frierenden Füssen auf dem eisigeu Boden dahinwanderu, liefern gemeiniglich nur sehr wenig an Er- kältung Leidende. Ballonfahrer, die im Nu aus der bodenwarmen Atmosphäre zu eisigen Höhen aufsteigen, wo die Kälte Sibiriens herrscht, erkälten sich nie. Der Aufenthalt an der See, wo die Somraerfrisciiler sich den Unbilden der Witterung oft genug ausgesetzt sehen, fiUirt eine vermehrte Neigung zu Erkältungen auch bei denen nicht herbei, die dort, wie z. B. Kinder, im nassen Sande gehen und spielen und sich bei Bootsfahrten gründlich durchnässen. Schifl['sreisende, nicht nur Seeleute, S(uulern auch nicht acclimatisirte sogenannte „Landratten" blieben in der Eegel auffallend versehout. Ein bedeut- sames Beispiel giebt der durch Erkältungskrankheit nie I getrübte Gesundheitszustand von Nansen und Genossen j bei ihrer Nordpol-Fahrt, trotzdem sie drei Jahre laug de für cme Erkältung günstigsten Bedingungen ausgesetzt waren. Desgleichen ist bei den Eskimos die Erkältung eine \i>\\\^ unbekannte Erscheinung. Während der im Winter 1888 herrschenden sehr scharfen Nord- und Nord- ostwinde war die Zahl der Erkältungskranken unge- w()hnlich gering; dagegen in dem vorwiegend mililen und trockeneu Winter von 1893 auffallend gross. Auf die Krankheitsträger scheint denuiach die Kälte einen lähmenden, wenn nicht tödtendeu EinHuss auszuüben. Dies hczieiit sich jedoch nicht auf die Clioleral)aciileu. Trotzdem sie Pietet in gefrorenem Sauerstoff bei — 213° Kälte längere Zeit eingeschlossen hieh, blieben sie nach Ueberführung desselben in den gasförmigen Zustand noch lebend und vermehrungslahig. Auch der Schnupfen ist weiter nichts als eine Infectionskrankheit, die man sieh überdies an den wärmsten Sommertagen zuziehen kann. Ausspülen der Nasenlöcher mit einer verdünnten Lösung von übermangan- saurem Kali erweist sich daher als ein sicher wirkendes Gegenmittel. Endlich hat man festgestellt, dass der Sounenschein eine entschieden bacterientödteude Wirkung hat. Li den Monaten, wo die Sonnenstrahlen am längsten und kräf- tigsten wirken, pflegen daher Erkältungserscheinungen am seltensten zu sein. Von grosser Wichtigkeit sind endlich auch die traubenförmigen, namentlich in der Nase zahlreich entwickelten Talgdrüsen, die gleichfalls von glatten Muskelfasern umgeben sind. Die Zusammendrüekung der- selben geschieht ganz ohne unseren Willen unter Einfluss der Kälte. Durch Druck entleert sieh der Hauftalg. Dieser bildet frisch abgesondert eine ölige, halbflüssige Masse, welche indessen auf der Hautoberfläehe, oder schon in den Ausführungsgängen der Drüsen bei zu ge- ringer Blutwärme zu einem weissen schmierigen Talg er- starrt. Uuter dem Mikroskop beobachtet man fett- haltige Zellen, freies Fett vermengt mit Epidermi s- blättchen und Cholesteriukrystallc. Da auch Seifen im Hauttalg enthalten sind, die im Blute sich nicht finden, so muss dieser wohl den Lymphgefässen ent- stammen, und so hätten die Talgdrüsen den Zweck, über- flüssiges Fett aus der Lymphe zu entfernen. Doch herrscht über diesen Punkt noch grosses Dunkel. Jedenfalls breitet sich die Fettschicht auf die Epidermis aus, am auffallendsten au der Stirn. Sie vermindert das Be- streben der Haut, Feuchtigkeit aus der Luft anzu- ziehen oder zu verdunsten und schützt sie dadurch vor der Austrocknung, erhält sie vielmehr, wie anch die Haare, geschmeidig. Eine geschmeidige, fettige Haut, von der das Wasser abläuft, gilt mit Recht für ein Zeichen der Gesundheit. Bei Leberkrankheiten und ernsteren Verdauungsstörungen ist die Haut meist trocken, rissig und abschülfernd. Kein Wunder, denn die Galle hat ja in erster Linie den Zweck, die dem Körper zugeführten Fette löslich zu machen und so der Lymphe znzufüin-en, während die ßauchspeichcl drüse sie verseift. Werden diese Organe in ihrer Funktion beeinträchtigt, so leiden auch die Talgdrüsen darunter, Auch das Vorkommen von Cholesterinkrysta ilcn im Hauttalg scheint auf eine Beziehung zu der Leber be- stimmt hinzuweisen. Wie der Hauttalg die Haut des Negers in dem hcissen Afrika vor Austrocknung und vor dem Schwitzen schützt, so den Grönländer gegen die grimmigste Kälte. Beider Haut ist in hohem Grade fettglänzend, strömt da- gegen einen so reichlichen Dunst aus, dass er für die Nase des Europäers geradezu unerträglich ist; denn die 320 Naturwissensehaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 27. Fette sind wolil undurcliläs.si'jj für Wasser, aber nicht für Gase, die sie im Gegeutheil begierig absorbircn nnd wieder abgeben. Auch die Haare gewähren Schutz gegen die Kälte; da sie aber bei den Menschen eine selir untei'geordnctc Rolle spielen, so sind wir genötliigt, un- sere Haut noch durch Kleidung gegen die Eiiiuiikung der Kälte zu sichern. Im V'crgleieh /,n den Pcl/.thiercn, die mit dem äusserst kleinen Haargewicht bis 70 g herab den grössten Wärmeseliutz erreichen, tiagcn wir geradezu ein Tanzerkleid; denn unsere Winterkleidun^' hctiägt gut 10 "/o unseres Körpergewichls, ohne deshalb so viel zu leisten wie der Haarwuchs im Pelze des Thieres. Dass die Haut bei so wichtigen Vorrichtungen stets rein gehalten werden niuss, ist nach allem selbstver- ständlich. Staub und Schmutz verstopfen die Poren der Haut, erleichtern die Ansteckung durch Bacillen und erzeugen nicht nur Unwohlsein verschiedenster Art, sondern auch Hautkrankheiten, von welchen die Lepra oder Aussatz die furchtbarste ist. Die Seife löst Fett und Schmutz und bewährt sich als vozüglicher Bacterien- tödtcr, zumal die Mandelseife wegen ihres Gehalts au Nitro benzol. Carbol, Schwefel und Theer sind unnütze, zum Thcil sogar schädliche ßeimengungen. Von allcr- grcisster Bedeutung für unser Wohlbefinden ist aber der öftere Weehset der Leibwäsche. Mit Recht sagt der berühmte Münchener HygieniUer Pettcnkofer: „Wir schicken statt unserer die Leibwäsche in ihis Bad." Nach den Untersuchungen von Seitz wimmelt es in getragener Wäsche und Kleidung geradezu von Bacterien. Der 1\yphusbacillus liess sich in Kleidungsstücken noch nach :> Wochen nachweisen. Nur die Tuberkelbacillcn seheinen durch den Schweiss nicht in die Kleidung überzugehen. Da die Sonne eine bacterieutödtende Wirkung ausübt, so ergiebt sich die Nothwcndigkeit des Lüftens der Kleider und Bettwäsche im Sonnenschein sanz von selbst. die Strümpfe öfter ge- die Fusssohlen die meisten der Talgdrüsen aber gänzlich Namentlich müssen wechselt werden, da Schweissdrüsen besitzen, entbehren. Von Bädern und kalten Aliroibungcii lässt sich sagen, dass der Gesunde sie enti) ehren kann, ohne Schaden zu leiden. Bei der letzten Volkszählung in Russland wui'den in den verschiedenen Gouvernements eine unge- wöhnlich grosse Anzahl von Leuten über 100 Jahren festgestellt. Sie befanden sich fast sämmtlieh in den dürftigsten Verhältnissen und besassen die Wasser- scheu der slavischen Rasse in oft ganz auffallendem Grade. Dies soll aber keineswegs zur Nachahnumg em- pfohlen werden, in dem Glauben, durch Unsaubeikeit ein hohes Alter erreichen zu können. Mit Wasser haben der Schlesier Pricssnitz und der Wörrishofer Pfarrer Kneipp P2rstaunliches zum Wohle der leidenden Menschheit ge- leistet. Nur sollte man bei allen solchen Kuren immer an die Worte Luthers denken: „Wasser thut's freilich nicht, sondern die Worte, so mit und bei dem Wasser sind, und der Glaube." So viel steht indess auch wissenschaftlich fest, dass das kalte Wasser anregend und belebend wirkt, nnd der Wärmeverlust durch die gesteigerte Wärmeproduction im Innern des Körpers ersetzt wird. Dies aber ist wiederum eine Folge davon, dass die chemischen Processe sich in beschleunigtem Tempo vollziehen, augeregt dazu durch die Nerven, und dass der ganze Stoffwechsel einen rascheren Verlauf nimmt. Dies verräth uns das gesteigerte Nahrungsbedürfniss und der gute Appetit nach einem kalten Bade. Dagegen gleicht das kalte Wasser bei manchen Herz- nnd Lungen- krankheiteu dem Gele, welches man ins verlöschende Feuer giesst. Die Lebenskraft flackert noch einmal auf, um desto rascher wieder zusammenzusinken und endlich gänzlich zu erlöschen. Die Höhen der europäiscluMi Waiiderdiincii. — Ueber die Höhen der Wanderdünen sind vielfach übertriebene Vor.stclluugen verbreitet. E. Reclus gab den Dünen der Gascogne eine Höhe bis zu 89 m. Nach Grand- jean sind sie nur 45—50 m hoch, und diese Angabe ist nach A. Jentzsch (Handbuch des deutschen Dünenbaues, Berlin 1900) durch Gerhardt, der im Auftrage des Ministeriums der ötfeutlicheu Arbeiten eine Studienreise dahin unternahm, zutreffend. Nach Gerhardt sind die Dünen bei Petten in den Niederlanden nur 35 m hoch, während Penek sie auf 60 m schätzte. Zwar sollen die Dünen in Andalusien 113 m hoch werden; diese Angaben scheinen aber nnr auf Schätzungen zu beruhen. Soweit sichere Messungen vorliegen, finden sich die höchsten Wanderdünen Europas nach Jentzsch auf der Kurischen Nehrung. Der Urbo-Kalns, welcher den Leuchtthurm trägt, reicht 50,52 m über das Mittel- wasser der Ostsee. Der Augo-Kalns, welcher 822 m nördlicher liegt, ist 57,99 m hoch. Die befestigte Wander- düne bei Station 9 zwischen Meniel und Schwarzort ist 5(),5 m hoch. Der Pctsehberg bei Pillkoppen, welcher 1890 befestigt wurde, erreicht ungefähr (52,5 m Höhe, und die noch unbefestigte Wanderdüne südlich desselben ungefähr 60 m. Die Dünen der Frischen Nehrung er- reichen im Kanalrücken bei Kahlberg 52 m. Die ])ommer- schen Dünen an der Stilobake östlich von Lci)a sind 45,4 m und diejenigen am Leuchtthurm von Scholpin (am Westende des LebaSees) 55,7 m hoch. Die übrigen Dünen der Ost- und Nordseeküste sind niedriger. Diejenigen auf der Halbinsel Heia sind nur 25 m, die jütländischcn ;'>ii m hoch. Die Dünen auf Sylt sind zwar bis 48 m IkicIi, ruhen aber auf diluvialem Kern. A. Lorenzen. Die A' ersiiikuiig der oberen Donan zn rheinischem FInssgebiet bespricht K. Endriss in einer Abhandlung (Stuttgart, A. Zimmer's Verlag). Zwischen den badi- schen Städten Immendingen und Möhringen beschreibt die Donau einen grossen, nach Südosten gerichteten Bogen. An dieser Stelle, im sogenannten „Brühl", durch- setzt sie hauptsächlich Kalkgebirge des Weissen Jura, welche stark zerklüftet sind, und hier zeigt sich die eigen- thümliche, seit Jalniiundeiten bekannte Erscheinung, dass das Wasser der Donau gäir/.lich versinkt und in die Tiefe strömt, sodass das Strombett gänzlich trocken gelegt wird und der Donaustrom sich erst wieder durch neue Zuflüsse (Krähenbach, Elta, Beeren etc.) erneuert. Nach 16jährigen Beobachtungen beträgt die jährliche Dauer der vollständigen Abströnmngen 77 Tage, das Maxinuim (1891) 154 und (1893) 172 Tage, und zur Hauptsache lallt sie in die Monate Juli bis Oetober. Die Versiukung findet hauptsächlich an 2 Stelleu statt, deren obere un- mittellinr im Scheitel des Bogens liegt, während die untere 5()(i ni weiter abwärts liegt. Kleine, trichter- fiirmiiic Vcrfiefuntren, zu denen sieh das Wasser in Rillen XV. Ni Naturwissenschaftliche ^\'ochellschl•ilt. 321 deu Weg bahnt und ein namentlich bei den Trichter- nischen vernehmbares, stark gurgehides Geräusch ver- ratben den Vorgang. Selbst bei niederem Wasser fördert die Donau nach deu angestellten Beobachtungen oberhalb Immendiugens 4()0() Liter in der Sekunde. Dieses ganze Quantum zieht auf dem Wege nach Möhringen in die Tiefe, und bei Hochwasser ist der Abzug in Folge des höheren Drucks noch grösser. Auch an anderen Stellen ist eine Versinkung direkt nachgewiesen; wahrscheinlich vollzieht sie sich allent- halben, wo das Grundwasser tiefer als der Donauspiegel liegt. Da nach starken Schneefällen oder beträchtlichen Regengüssen im Quellgebiete der Donau, wenn der Fluss in mächtiger gelbbrauner Fluth das Donauthal durchzieht, die sonst in der Regel krystallklare Riesenquelle des Hegauer Aach, welche dem ßodensee zufliesst und dem- nach zum Flussgebiet des Rheines gehört, trübe läuft und beträchtlichere Wassermengen zu Tage fördert, so nahmen die Anwohner schon seit langem an, dass hier die ver- sunkenen Donauwasser zu Tage treten. Erwiesen ist diese Annahme durch die Versuche des Geh. Hofraths Knop, der 1877 200 Centner Kochsalz in die Donau ein- führte. Bereits nach 20 Stunden trat die Versalzung der Quelle ein, erreichte nach 60 Stunden ihr Maximum und war nach 90 Stunden verschwunden. Die gleichzeitig angestellten Wassermessungen ergaben, dass die gesammte in die Donau eingeführte Kochsalzmenge in der Aach- quelle zum Vorschein kam. Da in der Sekunde 1700 1 Donauwasser einsanken, in der Aachquelle dagegen 3.500 1 austraten, muss die Aachquelle allerdings noch weitere unterirdische Zuflüsse haben. Die unterirdische Stromgeschwindigkeit ist nur gering. Die Entfernung des Einsinkimgs- von dem Ausmüudungs- punkte beträgt in gerader Luftlinie 12,5 km, das Gefälle 1,36%. Bei diesem Gefälle werden 12,5 km oberirdisch in einigen Stunden durchlaufen, sodass die unterirdische Strombahn an Reibungen, Versperrungen und daraus fol- genden Umwegen besonders reich sein muss, da nur eine Geschwindigkeit von 0,06 m erzielt ist. Als allgemeine Ursache des Uebertritts des Donau- wassers ist die ungleiche Höhenlage der beiden benach- barten Strombetten anzusehen. Die Donau liegt in der Immendinger Gegend 650 m über dem Meeresspiegel, der Rhein, in gerader Luftlinie nur 25 km entfernt, nur 394 m, so dass das Gefälle von der Donau zum Rhein auf 100 m Länge 50 cm, von der Donau zur Aachquelle gar 1,36 m, das der Donau dagegen nur 2,3 cm und das des Rheines 4 cm beträgt. Unter diesen Umständen muss, wenn der Grundwassercirkulation keine Hindernisse ent- gegenstehen, eine Abzapfung des höher liegenden Wasser- gebietes durch das tiefere stattfinden, und diese wird durch die Zerklüftungen im Weissen Jura zwischen der Donau und der Aach ermöglicht. Auf Grund der starken Beeinflussung der Aachquelle bei Veränderungen des Douauwassers, der Schwankungen im Ertrag, der Trübung bei Donauhochgang schliesst Eudriss auf das Vorhandensein einer unterirdischen Haupt- wasserstrasse, da nur ein einiicitliehcr Ilöhleuzug die Wasser so gesammelt zu erhalten vermöge. Die Ver- langsanmng der Strömung erklärt er durch die Annahme, dass die Wasser sich in den Ausbuchtungen des Höhlen- weges verfangen und ihr Lauf in den Einsturzgebieten desselben gehemmt werde. Die Bildung des Aachtopfes erklärt er aus der Versperrung durch Glacialschutt, da er annimmt, dass die Aachwasser früher frei im Gebiete des jurassischen Thalgrundes austraten, die Versinkung der Donau und der Austritt ihres Wassers zur Aach älter als die Ausfüllung im Aachtbale ist. A. Lorenzen. Die (luartären Thone Finnlauds mit organischen Resten sind nach Gunnar Andersson (Bull. Comm. Geol. d. Finlande, No. 8) von äusserst ungleicher Verbreitung. In den Küstengebieten sind sie allgemein, aber in den centralen Tiieilen, welche während der Quartärperiode nicht vom Meere bedeckt waren, sind sie sehr spärlich. Sie sind, wie auch die Sande, postglacial. Es kommen in Finnland 3 Hauptformen vor: Eismeerthon, Ancylus- thon und Litorinathon, an welche sich als vierte Form die Binnensee thone anschliessen. In dem Eismeerthon kommen in Finnland kaum Pflanzeureste vor; Gunnar Andersson gelang es aber, in dem Eismeerthon bei Jokola Spuren von organischen Leben in dem Meere, von dem er abgelagert ist, zu ent- decken. Es waren die Spuren von 2 oder 3 Thierarten, deren eine von Angehörigen der formenreichen Mücken- gattung Chironomus stammte, während die anderen bis jetzt noch nicht identificirt sind. Ancylusthone typischer Form kommen bei Viborg und an anderen Stellen in den südlichen Gebieten Finn- lands vor und sind reich an Fossilien. Sie sind durch das Fehlen jeglicher Schichtung charakterisirt. Wo sie fossilienfrei sind, ist ihre Natur kaum zu entscheiden, da sie dann einzig und allein Diatomeen-Fragmente ent- halten. Litorinathone bilden die Hauptmasse der auf der geologischen Karte als „äkerlera" bezeichneten Thone und kommen innerhalb der Küstengegenden Finnlands, sowie au dem finnischen und bottnischen Busen vor. Sie werden gewöhnlich als fossilienfrei angesehen, was aber nicht immer zutrifft. In Finnland und in Schweden sind sie vielmehr stellenweise sehr reich an Ueberresten von Salzwasser-Phanerogamen und anderen Pflanzenresten, wie Birkenfrüchten. Nur äusserst selten dürfte eine Probe ohne Reste höherer Pflanzen sein; es sei denn, dass diese gänzlich durch spätere Vermoderung zerstört seien. Zur Zeit ihrer Ablagerung war in geschützten Buchten eine reiche Vegetation vorhanden, deren Ueberreste zahl- reich erhalten sind, während die Ablagerungen, welche an offenen Steilen abgesetzt sind, nur zufällig Pflanzen- reste enthalten. Kleinere Becken, in denen nach der Thonablagerung eine Moosbildung stattfand, sind darum gute Fundplätze für derartige Fossilien, deren Reich- haltigkeit jedoch schnell mit der Tiefe abnimmt, so dass schon auf 0,5 m u. a. alle Ruppia-Früchte verschwunden sind. — Da alle Thone, welche nachweislich in Gewässern abgelagert sind, die in offener Verbindung mit dem Litorina-Meere gestanden haben, als Litorinathone be- zeichnet werden müssen, sind auch die verschiedenen Thone innerhalb des östlichen Finnlands, der Ladogagegenden, welche in Buchten mit süssem Wasser abgelagert sind, und darum eine typische Süsswasserfiora enthalten, hier- her zu zählen. Als Binuenseethone bezeichnet Andersson alle nach der Eiszeit gebildeten Thone, welche nicht im spätglacialen Eismeere, dem Aucylus-See, noch dem Litorina-Meere abgelagert wurden. Dieselben sind sehr verschiedenen Alters. Die ältesten Binuenseethone (die Dryas-Thone und glacialen Süsswasscrthone Nathorst's) sind von Lind- berg in Viborgs Län nachgewiesen, wo sie Dryas und Salix polaris iühren. Wahrscheinlich dürften diese, wie auch jüngere, auch an anderen Stellen in Finnland vor- kommen. A. Lorenzen. G. M. Tücke r und B. Tollens haben „Ueber den Gehalt der Platanenblätter an NährstolTen und die Wanderung dieser Nährstoffe beim Wachsen und Ab- sterben der Blätter" Untcrsuchnngen angestellt und die Naturwissens chaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 27 Ergebnisse in den Ber. Deutsch. Chem. Ges. 32, 2575 publicirt. I. Einleitung. Meist wird die Frage, ob die in den Blättern der Laubbäume enthaltenen Stoffe beim Absterben der Blätter im Herbste theilweise in den Stamm und in die holzigen Tlieile der Aeste zurückwandern oder nicht, dabin beantwortet, dass die besonders werthvollen Be- standtheile, d. h. Kali, Phosphorsäure und Stickstoff, in den Stamm, die Aeste, das Holz der Zweige zurück- wandern, Kieselsäure und Kalk dagegen nicht, sodass in den abgestorbenen Blättern sich diese letzteren in grossen Mengen vorfinden müssen, wohingegen Kali und Phosphor- säure nur in geringer Menge vorbanden sind; darin zeigt sich der praktische Haushalt der Natur, die die nütz- lichen Stoffe der absterbenden Blätter in den Stamm zurückführt, wo sie im nächsten Jahre wieder verwendet werden können. Weitere Folgerungen hat man hinsicht- lich des Nutzwerthes des abgefallenen Laubes für die Ernährung des Waldes hergeleitet, denn es leuchtet ein, dass das abgefallene Laub um so weniger Nährwerth besitzt, je mehr die nutzbaren Stoffe vor dem Abfallen ausgewandert sind. Hier sind besonders die Untersuchungen von Zöller, Eissmüller, Dulk und Hamann anzuführen; im Allgemeinen erhellt daraus, dass phosphorsäure-, kali- und stickstoff- haltige Stoffe in den Blättern gegen Ende des Sommers und im Herbst procentisch bedeutend abgenommen haben; indessen coustatirte Ramann bei einigen Baumarten den- selben Gehalt, ja selbst eine Zunahme an Kali in den ab- sterbenden Blättern. Wehmer vermuthet, dass diese Verminderung durch Auswaschen der löslichen ßestandtheile der Blätter, zu denen Kali, Phosphorsäure und Stickstoff gehören, durch den Regen verursacht sei, welche Ansicht dadurch be- gründet wird, dass die ßestandtheile absterbender Blätter dem Auswaschen nur geringen Widerstand leisten. Tucker trat diesen Fragen näher und nahm von einem Baume stets eine bestimmte Anzahl Blätter (500) in Zwischenräumen von etwa drei Wochen während des Sommers und Herbstes 1898 bis zum Absterben der Blätter; er wog, trocknete und analysirte letztere und schützte gegen Ende des Sommers einen Theil des Baumes vor Regen, um die hier entnommenen Blätter vor dem Auswaschen zu bewahren. Zur selben Zeit gepflückte Blätter wieder wurden von Stellen genommen, die dem Regen ausgesetzt waren. Als Versuchsobject diente ein Platanenbaum (Pla- tanus occidentalis) und zwar suchten Verfasser festzu- stellen : a) den Gesammtgehalt an Aschenbestandtheilen, ihre Zunahme oder Abnahme; b) den Gehalt an einzelnen Aschenbestandtheilen und auch an Stickstoff', und zwar wurden alle diese Bestaud- theile sowohl auf Procente des Blattgewichtes, als auch auf die jeweilig abgepflückten 500 Blätter sowie auf gleiche Oberflächen berechnet, um so die vor und nach dem Ab- sterben in den Blättern vorhandenen Quantitäten der ein- zelnen Bestandtheile zu ermitteln. II. Beschreibung und Gewinnung des Unter- suchuugsmateriales. — Die Untersuchungsperiode er- streckte sich vom 13. Juni bis zum 9. November, und zwar pflückte Tucker nur die zwei ältesten Blätter von einem Zweige, um möglichst gleichmässige Blätter zu er- halten. Nur am 9. November sind ,500 gedeckt gewesene und 500 nicht gedeckt gewesene junge Blätter gepflückt worden; das Pflücken selbst geschah stets an schön(^n, trockenen Tagen zwischen 11 und 12 Uhr. Um ei Theil der Blätter während der Absterbeperiode ge. das Auswaschen durch atmosphärische Niederschläge schützen, wurde ein Theil des Baumes durch ein wasser- dichtes, aufrollbares Zeltdach geschirmt. Vom 8. October bis zum 9. November wurde, sobald Regen drohte oder sich Nebel zeigte, dieses Zelt aufgerichtet und nachher wieder niedergelassen, auch war es zwischen Sonnenunter- und Sonnenaufgang angebracht. Gegen Regen gewährte das Dach vollkommenen Schutz, nicht aber gegen Nebel. Noch am 8. October waren die Blätter grün, doch fanden sich schon einzelne gelbe Flächen an den älteren Blättern, die zur Untersuchung herangezogen wurden. III. Behandlung der Blätter. — Die je ge- pflückten 500 Blätter wurden sofort gewogen und die Blattoberflächengrösse bestimmt, dann wurden sie zunächst in einem staubfreien Zimmer, schliesslich im Trocken- schrank weiter getrocknet, zerdrückt und in Flaschen zur Analyse aufbewahrt. IV. Analysen der Blätter. Von den getrockneten Blättern wurde der Gehalt an Reinasche sowie die Einzel- bestandtheile der Asche, SiO.„ TcO., -+- Al^Og, CaO, MgO, P2O5, SO3, H.,0, NaoO, Gl und ferner Stickstoff bestimmt. Die Veraschung wurde in einem Platinkesselchen aus- geführt, in welchem die zu veraschende Substanz in einem durchgetriebeneu, langsamen Luftstrom verbrannt wird. Um die Bildung von Silikaten, die durch Salzsäure schwer zersetzt werden, zu verhindern, wurde vor Ver- kohlung der Substanz eine stets gleiche Quantität einer Lösung von essigsaurem Kalk zugesetzt, die ausserdem eine Verflüchtigung nicht sehr feuerbeständiger Substanzen behinderte. In einer folgenden, ausführlichen Tabelle sind die Re- sultate der Analyse aufgeführt. V. Schlüsse aus den Zahlen, a) Procentgehalte der Trockensubstanz der Blätter an Reinaschc und an Einzelbestandtheilen : Die Procente an Reinasche nehmen bis zuletzt con- stant ab. Kieselsäure nimmt zu bis zum Absterben der Blätter, nachher etwas ab. Kalk nimmt bis zuletzt zu. Phosphorsäure nimmt regelmässig und stark ab (von 0,9 7o auf 0,3 "/,). . Schwefelsäure nimmt bedeutend zu (von 1 7o bis 2,7 o/„). Kali nimmt bedeutend ab (von 1,3 "/q bis 0,5%). Chlor nimmt bedeutend zu (von 0,17 •*/q bis 0,42 "/o- Stickstoff nimmt cou.stant ab (von 4 "/o bis 0,8 "/q.) Gehalt von 50ii Blättern an Trockensubstanz, ßein- asche und Einzelbestandtheilen: Die Trockensubstanz nimmt zu bis zum Absterben, nachher erheblich ab. Die Reinasche verhält sich ebenso. Die Kieselsäure verhält sich ebenso. Der Kalk nimmt zu bis zum Absterben, nachher etwas ab. Phosphorsäure nimmt besonders zuletzt ab (1,3 g am 13. Juni, 0,55 g am 5. November). Schwefelsäure nimmt bis zuletzt bedeutend zu (von 1,4 g bis 4,6 g). Kali nimmt zu bis zum 7. September von (1,9 g bis 2,2 g), nachher ab (bis 0,9 g). Chlor nimmt bis zuletzt bedeutend zu (von 0,3 g bis 0,7 g). Stickstoff nimmt bis zuletzt bedeutend ab (von 5 g bis 1,4 g). Aus dieser Zusammenstellung ergiebt sich, dass die Trockengewichte von 500 Blättern bis zum Absterben zu- genommen, dann aber abgenommen haben; der Gehalt von 500 Blättern an Reinasche hat bis zum Absterben XV. Nr. 27. Naturwissenschaftliche Wochonsthnlt. 323 (8. October) zugenommen, dann wenig abgenommen; ebenso haben .sich Kieselsäure und Kalk verhalten. Die Schwefelsäure hat sich bis zuletzt vermehrt und zwar auf ihr dreifaches Gewicht, Chlor desgleichen. Die weniger geachteten Pflanzennäbrstoft'e haben sich folglich bis zuletzt erheblich vermehrt oder doch bis zum Absterben und nachher nur wenig vermindert. Anders verhält es sich mit den besonders wichtigen Nährstotfen: Phosphorsäure, Kali und Stickstoff. Die Phosphorsäure von 500 Blättern hat sich bis zum Absterben (7. September) kaum vermehrt, und später hat sie sich auf weniger als die Hälfte vermindert (von 1,3 g auf 0,55 g). Das Kali hat sich ebenso verhalten. Der Stickstoff' von 500 Blättern aber hat sich von Anfang bis zum Ende constant vermindert, und zwar von 5,9 g bis auf 1,4 g, also auf weniger als 74- VI. Allgemeine Schlussfolgerungen. Hieraus ergiebt sich der Schluss, dass Kali, Phospborsäure und Stickstoff aus den Blättern auswandern, diese Auswande- rung ist entweder aufwärts in die jungen Blätter oder abwärts in den Stamm eingetreten. Die Analyse von jungen am 9. November gepflückten grossen Blättern ergab grosse Mengen von Kali, Phosphor- säure und Stickstoff, welche den Verlust der älteren Blätter völHg erklären könnten. Sicherlich ist ein Theil dieses Gehaltes durch das aus der Erde durch Wurzel -Stamm in den Zweig neu mitgebracht worden, ein anderer Theil dagegen ist höchst wahrscheinlich aus unteren Blättern, welche früher als die oberen abgestorben sind, einge- wandert. Denkbar wäre es sogar, dass der ganze Ver- lust an Kali, Phosphorsäure und Stickstoff, welchen die unteren Blätter erlitten haben, in die oberen Blätter ge- wandert ist, doch könnte ein Theil der verloren ge- gangenen Stoffe der unteren Blätter auch in den Stamm zurückgewandert sein; die letzte Annahme ist indessen unwahrscheinlich, denn es gehört zum Zurückwandern ein von den Blättern in den Stamm, also niederwärts gehender Strom und dieser ist in der Zeit des Absterbens der Blätter wohl geringer als zur Zeit der lebhaften Vege- tation der Blätter. VII. Der Schutz der Blätter gegen Regen. — Aus den aufgeführten, analytischen Daten ergiebt sich, dass das Bedecken der Blätter von wenig Wirkung ge- wesen ist und dass von einer grossen Wirkung des Aus- waschens der Nährstoffe ans den Blättern durch den Regen nicht die Rede sein kann. Aus den Versuchen ist vielmehr zu folgern, dass die Pflanzennährstoffe, welche beim Altern der unteren Blätter sich vermindern, nicht durch den Regen ausgewaschen und verloren werden, sondern wie oben erörtert ist, auswandern. Dr. A. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ei-nannt wurden: Dr. Giiniprecht. Professor in der medi- cinisohen Fakultät und Bezirksarzt zu Jena, zum vortragenden Rath für Medicinalangelegenlieiten im weimarisehen Ministerium, an Stelle des in den Ruhestand tretenden Gelunmen Medicinal- raths Dr. von Conta; Prof. Dr. Eberliard Rimbach, Privat- docent der Chemie in Bonn, zum Abtheilungavorsteher am chemischen Universitäts-Institut daselbst. Es habilitirte sich: Dr. Buschke in der medizinischen Fakul- tät zu Berlin. Es starb: Dr. Tomasi Crudeli, Professor der klinischen Medicin, in Rom. Auf Veranlassung des Königlichen Unterrichtsministeriums wird vom 1. — 13. Oktober im Physikalischen Verein zu Frank- furt am Main der vierte naturwissenschaftliche Feriencursus für Lehrer höherer Schulen abgehalten werden. Der Lehrplan umfasst wie früher Vorlesungen über die Fortschritte auf dem Gebiete der Physik und Chemie, elektrotechnische Vorlesungen nebst Praktikum, sowie Besichtigungen zahlreicher technischer Etablissements. L i 1 1 e r a t u r. Dr. P. Bräuer, i iberlehrer am Realgymnasium zu Hannover, Aufgaben aus der Chemie und der Physikalischen Chemie. Zum C.dinuu-h für die ., boren Klassen höliL-rer Schulen sowie zum Selbstunterricht, Ncl)st Auflösuuaeu. Lei|izig. Verlag von B. G. Teubner, 1900. Preis 1,40 M. Die Durchsicht des vorliegenden Büchleins hat dem Refe- renten Freude gemacht, denn es besitzt einen gi'ossen didaktischen Werth. Der Schüler muss das Gebiet der Chemie gründlich kennen gelernt haben, will er die Aufgaben, die dieses Büchlein ihm stellt, lösen können. Die Aufgaben sind so gestellt, dass der Schüler mathematische mit chemischen Kenntnissen verbinden muss. Die Aufgaben regen zum Nachdenken und Vertiefen in den Gegenstand an und bilden somit zugleich eine wichtige Repe- tition des Erlernten. Einige kleine Ungenauigkeiten in der Definition einiger chemischer Begriffe lassen sich wohl bei einer neuen Auflage be- seitigen. So sagt Verfasser auf Seite 1 : „Da die Herstellung ganz reinen Wasserslofl^s sehr schwierig ist, so ist is einfacher, die Atomgewichte nicht auf Wasserstoff = 1, sfindi'in inf Sauerstoff zu beziehen, dessen Atomgewicht man glei' li ]■ ~<'r.:r.- Nein, aus dem angeführten Grunde ist das nicht ae.--cliciicii. .sondern be- sonders aus folgenden Erwägungen heraus: Der SauerstofT bildet mit fast allen anderen Elementen Verbindungen, so dass deren Verbindungsgewicht mit Bezug auf den Sauerstoff meist unmittel- bar experimentell feststellbar ist. Dem Wasserstoff kommt diese Eigenschaft nicht zu; um bei der Dalton 'sehen Einheit bleiben zu können, muss man daher die Verbindungsgewichte in Bezug auf ein anderes Element (z. B. Sauerstoff) messen und dann mit dem Verhältniss zwischen dem Wassei'stoflf und diesem multipliciren. Da dieses Verhältniss nie fehlerfrei bestimmt werden kanu, so gelangen auf diese Weise in die Verbindungsgewichte Fehler, die nicht in der Natur der Sache liegen, sondern in der Wahl der ungeeigneten Einheit (s. Ostwald, Ber. d. deutsch, ehem. Ges. 31, 2763). Auch die Definition der Maassanalyse auf S. 8 des vor- liegenden Buches ist nicht genau, da nicht immer I g Molekül eines gelösten Stoffes in 1 1 Flüssigkeit enthalten, eine Normal- lösung ausmacht, sondern das Molekül muss auf Wasserstoff als Einheit bezogen werden. Von der Schwefelsäure und O.xalsäure beispielsweise als zweibasischen Säuren verwendet man zur Her- stellung von Normallösungen '/oO Molekül auf 1 1 Flüssigkeit. Thoms. Gattermann, Prof. Dir. Dr. Ludw., Die Praxis des organischen Chemikers. Lci|izig. — 6,80 Mark. Hug, Dr. Otto, Beiträge zur Keuntniss der Lias- und Dogger- Ammoniten aus der Zone der Freiburger- Alpen. Zürich. — 8 Mark. Karte, geologische, von Preussen und den Thüringischen Staaten. Berlin. — 67. Gradabtheilung 29. Nr. 31. Kreckow. — Nr. 32. Stettin. — Nr. 33. Gr. Chnstinenberg. - Nr. 37. Colbitzow. — Nr. 38. Podejuch. — Nr. 39. Al't-Damm. 18 Mark. — 76. Gradabtheilung 28, Nr. 32 Woldesk. - Xr. 33. Fahren- holz. — Nr. 52. Polssen. - Nr. 53. Pas.n Dr. Eugen Drelu-, Das Räthsel des Hypnotismus und seine Lösung \on Dr. K:irl Friodr. Jordan, Die pflanzengeographische Anlage im Kgl. bota- nischen Garten zu Berlin von Dr. H. Potoniii. Mit ■-' Tafeln, Untersuchungen über das Ranzigwerden der Fette von Dr. Ed. Pitsert. Die Urvierfüssler (Eotetrapoda) des sächsischen Rothliegenden \oii Pr,,f Dr. IliTiiiann Credner AI, 10. Das Sturmwarnungswesen an den Deutschen Küsten vni, Prüf Dr. W. .1. van Bobber. Mit \ Tafel .111.1 .-. liolzsrliiiitt.'n, 17, Kalisalzlagerv^n Otto Lang, Aiit 4 Abbildungen. 18, Die Metamorphose der Pflanzen im Lichte palae- ontologischer Thatsachen von Dr. II. Potoni.'. IIK Pflanzenphysiologische Experimente im Winter 20. Die naturwissenschaftliche Culturlehre von L. Frobiiiius. 21. Die morphologische Herkunft des pflanzlichen Blattes und der Blattarten von IL Potunic. Mit )k 22. Versuch eines Ueberblicks über die Vegetation der Diluvialzeit in dtn mittleren Regionen Europas \ on Dr. C. A. Wfli.r. 23. Die Mathematik der Oceanler von L. Frobenius. 2-1. Die Schilde der Oceanier \on L, Frobenius. Mit l'J Abl.iMuiig.Mi. 2.'). Die Lebewesen im Denken des 19. Jahrhunderts von IL l'utoiii,.. Mit 11 BiMiii.-.MMi. 2(! Die Farben in der Pflanzenwelt von M. Möbius, Preis: Heft 1-4 a 50 Pf.. Heft 5-11 a 1 M, Heft 12 a 1.20 M., Heft 13—26 a 1 M. A'orantwortlicher Kedacteur Hugo Bernstein in Berlin. Dr. Henry Potonie, Gr. 1, Verlag: Ferd. Dümmlers Ve: West bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentlieil mdlung, Berlin SW. 12. — Druck: G, Bernstein, Berlin SW, 12 _ Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düüimlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. Sonntag, den 15 Juli 1900. Nr. 2H. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- y Inserate; Die viergespaltene Petitzeile 40 -A. Grossere Aufträge eulf anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jl 4.- gJS sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringe'geld bei der Post 15 .Ä extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. JL bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Das allgemeine Gesetz der Volumen- und Temperaturänderungen der Stoffe. Von Rudolf Mewes. Die Beziehungen, welche zwischen dem Druck, dem Vohimen und der Temperatur der Stoffe bestehen, spielen in der Physik und Chemie eine selir wichtige Rolle. Die Gesetze, durch welche diese Grössen bisher in einen ge- meinsamen Zusammenhang mit einander gebracht wurden, sind unter dem Namen des Mariotte'schen und des Gay- Lussac'schen Gesetzes allgemein bekannt. Indessen haben die vorgenommenen Versuche von Regnault, Natterer und Amagat gezeigt, dass diese Gesetze nicht streng gültig sind. In Folge dessen wurden von Physikern wie Clausius, von Waals und Dühring in den letzten Jahrzehnten genauere Formeln für die Spannungs-, Volumen- und Tempe- raturbeziehungen der Stoffe aufgestellt. Der letztere der genannten Physiker leitet- aus der Grundannahme, dass die Temperatur nichts Anderes als ein Spanuungs- faktor und die Spannung demnach eine Grösse ist, die man als durch Multiplikation einer Constanten mit der Temperatur entstanden denken kann, eine Zustands- gieichung, welche für alle Aggregatzustände gelten soll, auf folgende leicht verständliche Weise ab. Aus der ge- wöhnliehen Formel pv, = RT folgt p = — • T, worin v, ein bestimmtes und constant bleibendes Volumen und daher jene Constante ist, zu der die Temperatur als Faktor hinzutritt. Die Constante R ist piV,, wenn man mit p, die Spannung bei !•* absoluter Temperatur bezeichnet, so dass die einfache Formel p = piT sich ergiebt. Mit Rücksicht darauf, dass man nach dem verbesserten Mariotte-Gay-Lussac'schen Gesetze die Spannungen und Volumenänderungen nicht auf das Gesammtvolnmen v, sondern auf das um das Molekülvolumen x verminderte Gesammtvolumen, d. h. auf das Zwischenvolumen v — x beziehen muss, erhält man bei constantem Druck für die Beziehung zwischen Volumen und Temperatur nicht die alte Formel v = v,T, sondern v — x = (Vi — x)T oder kürzer u = UiT. Unter dem Zwischenvolumen eines Gases, einer Flüssig- keit oder eines festen Körpers versteht man den von den Stofitheilchen nicht erfüllten Raum. Dieser Raum ist bei den Gasen sehr gross und ist z. B. für einen Kubikmeter oder 1000 Liter Luft gleich 1000 - 1 = 999 Litern, da der Rauminhalt der Lufttheilchen selbst etwa nur 1 Liter gross ist, wie durch die Verflüssigung der Luft durch Prof. Dr. Linde auch für weitere Kreise nach- gewiesen ist. Indessen befinden sich auch zwischen den einzelnen Flüssigkeitstheilchen der verflüssigten Luft noch kleine Poren oder Zwischenräume, deren Summe das Zwischenvolumen der flüssigen Luft ergiebt. Ebenso sind auch bei den festen Körpern zwischen den einzelnen Molekülen noch leere Poren oder Zwischenräume, welche mit blossem Auge allerdings nicht wahrgenommen und deren Vorhandensein nur durch die Zusammenziehung der Stoffe bei der Temperaturerniederung nachgewiesen werden kann. Bei den flüssigen und festen Stoffen sind die Poren und demgemäss der zwischen den Stofftheilchen liegende Zwischenraum oder das Zwischenvolumen sehr klein; beim flüssigen Quecksilber z. B. ist in einem Liter das Zwischenvolumen etwa 0,045 Liter, also rund nur gleich dem zwanzigsten Theil des Gesammtvolumens, während die Quecksilbermoleküle für sich allein etwa ^"/jo Liter Raum einnehmen. Bezieht man nun das Aus- dehnungsgesetz der Stofte durch die Wärme bei Tempe- raturerhöhung auf das Zwischenvolumen, so gilt die Formel V — x = (v, — x)T ganz allgemein für gasförmige, flüssige und feste Stoffe. 326 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Um nun die obige Formel p(v - x) = RT auch für den flüssigen und festen Aggregatzustand anwenden zu köuueii, führt Dühring die innere Spannung und die da- durch bedingte Anzahl der Atome u ein, welche auch als mit T veränderlich angesehen wird. Dadurch erhält er die statische Grundgleichung (p + r) (V - x) = bnT = bn(273 + t) 273 1 273 t • Bezeichnet man nun mit y das zu einem Molekül ge- hörige Zwiscbeuvolumen, so ist das ganze Zwischenvolumen V — x = nj'; folglich erhält man durch Einsetzen dieses Werthes in die vorstehende Grundgieichung, wenn man noch p -t- r = TT setzte, bn ny bind +at) oder bT = bi(l+«t). Die vorstehenden Darlegungen sind bis auf die von Gay-Lussac übernommene Annahme, dass die Volumen- zunahme bei steigender Temperatur der Temperatur proportional sei, vollkommen richtig und sachlich zu- treif'end. Gay-Lussac hat diesen Satz durch Versuche abgeleitet und gefunden, dass die Volumzunahme für alle Gase identisch sei. Demgeraäss hat die Gleichung v = Vo + Voat = Vo(l +a\) bezüglich v — x = (Vq — x) (1 + at), wenn man das Zwischenvolumen als maassgebend annimmt, ganz allgemeine Geltung und muss der auf das Zwischen- volumen bezogene Ausdehnungscoefficient a für alle Stoffe und Aggregatzustände denselben Werth besitzen. Dies ist aber thatsächlich nicht der Fall, wie genaue Ver- suche beweisen. Die Versuche von Gay-Lussac sind vielfach wiederholt worden und zwar am genauesten von Regnault, Magnus und JoUy. Diese Physiker fanden, dass das Gay-Lussac' sehe Gesetz nur annähernd richtig ist, in Wahrheit aber Spannungs- und Ausdehnungs- coefficient verschieden, für verschiedene Gase nicht identisch sind und dass jeder Coefficient nicht ganz constant, sondern von der Dichte des Gases und der Temperatur abhängig ist. Die Beobachtungen von Jolly und Regnault sind in der nachfolgenden Tabelle zusammen- gestellt: Jolly Rogr Ausdehnnngs- coefBcient 1 a u I t Spannungs- coeffieient H N 0 CO., S03 0,0036562 0,0036677 0,0036743 0,0037060 0,0038453 0,003661 0,003710 0,003903 0,003667 0,003088 0,003845 Luft nach Reg- nault: Druck mm Ausdehnungs- coefficient Druck mm Spannungs- coet'ficient 760 2 525 5 000 13 000 0,0036706 0,0036944 0,0037320 0,0038243 110 1678 3 655 0,0036482 0,003(5760 0,(i( )37091 Wenn auch bei den Gasen die Abweichungen von der Gay Lussac'schen Formel v = v^ (1 + at) bezüglich von der Formel v — x = (Vo — x) (1 + at) bei den Gasen ver- hältnissmässig gering sind, so müssen bei der Ableitung eines aligemeinen, für alle Stoffe gültigen Gesetzes die Grundlagen so sicher als nur irgend möglich gelegt und lediglich aus der Beobachtung abgeleitete Näherungs- regeln ausgeschieden und durch richtige Vorstellungen durchweg ersetzt werden. Gerade mit Rücksicht hierauf verdient die Einführung des Zwischenvolumens in die Gay-Lussac'sche Regel als ein wesentlicher Fortschritt mit Anerkennung und Beifall aufgenommen zu werden. Dass dies in den Lehr- und Handbüchern der Physik nicht in gebührender Weise geschieiit, ist im Interesse der wissenschaftlichen Ausbildung auf den Gymnasien und Realschulen sehr zu bedauern. Dasselbe gilt von der Annahme, dass die Volumen- zunahme bei steigender Temperatur einfach der Tem- peraturzunahme proportional sei, während doch die Beob- achtungen bereits gezeigt haben, dass dieser Satz weder für die Gay-Lussac'sche noch auch für die Dühring'sche Formel in Wirklichkeit Geltung besitzt. Wendet man die Gay-Lussac'sche Formel auf die Volumenverminderuug durch Abkühlung an, setzt also V = Vo(l - ßt), so wird das Volumen bei —273" gleich 0, was wegen des Rauminhalts der materiellen Theile nicht möglich ist. Uebrigens lassen sich die Ausdehnungskoefficienten der Flüssigkeiten und festen Stoffe, wenn sie nicht auf das Zwisehcnvolumen bezogen werden, nicht einfach der Temperatur proportional setzen, sondern sich nur durch eine Formel, welche auch höhere Potenzen der Tempe- ratur berücksichtigt, nämlich durch die Formeln Vt= Vt,(l 4- at + bt^ H- ct3) oder vt = v,(l + a(t - t) + b(t - %)'' + c(t - xf) bezüglich bei höherem Druck nach Hirn Vt = Vo(l + at + bt2 -+- et" + dt*), darstellen. Eine theoretische Begründung oder eine einfache Erklärung dieser durch die Beobachtungen nachgewiesenen Abweichungen habe ich bis jetzt in keinem physikalischen Lehr- und Handbuche gefunden, obgleich dieselbe sich ohne Weiteres aus einer strengen und folgerichtigen Auslegung der Annahme ergiebt, dass der Ausdehnungs- coefficient d. h. die Volumvergrösserung des Zwischen- volumens für 1" Temperaturerhöhung unveränderlich ist, gleichgültig ob man die Temperaturerhöhung von 0" an um 1" oder von einer beliebigen anderen Temperatur (etwa 100") an um 1" rechnet. Stellt man sich unter dieser Annahme den Vorgang der Volumzunahme von 0" bis 1" so vor, wie derselbe demgemäss sachlich vor sich geht, so wird das Zwischenvolumen V(, — x = u^ nach Erhöhung um 1" C, wenn a der Ausdehnungscoefficient ist, Ut = Uq + Uß« = Uö('l + a); erhölit man das letztere weiter um 1" C., so wird das Zwisehenvoluraen nach der Erhöhung der Temperatur um 2" Uo = UuU+a) + iio(l + «)« = Uo(l^-«)(l+a) = Uo(l+«)^ nach 3" u., = u„(H- «)», nach Erhöhung um t" C. also (I) Ut="o(l +«)'• Entwickelt man diese Formel in eine Reihe, so er- hält man (i.,„.^„.(,....':J'-"....M^LmizD........) XV. Nr. 28. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 327 oder, wenn man nach Potenzen von t ordnet, iit = Uo(l + at + bt^ 4- et'' + . . . .). Die letzte Formel stimmt mit den für feste und tliissige Stolfe durch die Beobachtung gefundenen Aus- delinungsfbrnieln übereiu. Mit Rücksicht auf Gleichung (I) lautet die auf das Zwisciienvolumen bezogene allgemeine Spannungsformel der Stoffe (Zustandsgieichung) (III) p(v • Po(Vo-x)(l+«)T, worin Vq — x das Zwischenvolumen beim absoluten Null- punkt beziehungsweise bei der höchst möglichen Dichte unter dem Drucke po, v - x das Zwischenvolumen hei der absoluten Temperatur T unter dem (inneren und äusseren) Druck p und a der auf das Zwischenvolunien bezogene coistante Ausdehnungscoefticient ist. Nimmt man an, dass p constant sein soll, so wird das Aus- dehuungsgesetz die Form annehmen (IV) V-X = (Vo-x)(l+a)T, In der Formel (IV) sind die Uebergangszustände vom flüssigen in den dampfförmigen Aggregatzustand mit inbegriffen; man hat die Verdanipfungswärme nur iu Temperaturgrade des betreffenden Dampfes oder Gases umzurechnen. Führt man in die Formel (III) noch die Molekülzahl ein, so erhält man ganz allgemein ähnlich wie oben (p + r) (v-x) = bn(l + u)^' oder Trn ■ y = bn(l + a}^ ny = h- (1 +a)'J Aus Gleichung (IV) erhält man als Grenzfall für Vq — X, wenn mau Unterkühlung annimmt, so dass eine Verflüssigung des Gases bei AbkUlilung bis unter den Siedepunkt nicht eintritt, beim absoluten Nullpunkt also, wenn man v — x = 1 setzt, (1 2,71828' will man jedoch die Verdichtung bei der Verflüssigung in Rechnung ziehen, so erhält man den Grenzwerth v^ — x nach Formel (IV), indem mau setzt (1 + «) «P worin w die Verflüssigungs- und Cp die specifische Warn des Gases ist, also für v — x = l. (!+«) "^ep Andererseits kann man auch von dem bei 0" ge- gebenen Zwischenvolumen v — x ausgehen und die Volum- verkleinerung wie oben die Volumvergrösserung ermitteln. In diesem Falle wird das Volumen nach- der Temperatur- abnahme um 1« gleich (v — x) — (v— x)a = (v - x) (1 - «), nach 2" Temperaturerniedrignng gleich (v — x) (1 - «)'', nach T" gleich (V) ^(v-x)(l-«)i Setzt man 1, so wird -x = (l-a)T oder, wenn man auch die Verdichtung bei der Verflüssigung mit berücksichtigt ;r + ^ Vq — X = (1 — a) "^p" Diese Formel muss für Vq — x denselben Grenzwerth ergeben wie die oben nach derselben Betrachtungsweise abgeleitete Formel 1 .TH- .- «) Aus den beiden Formeln ergiebt sich die Bezeichnung (l-«)i 1 (1 + «)T bezw. (1 — «) (1 dieselbe trifft mit sehr grosser Annäherung zu, da ist und die höheren Potenzen von a gegen a vernachlässigt werden können. Die von mir abgeleitete Definitionsgleichung v — x = (Vq — x) (1 + a)T bezw. Ut = Uo(l + a)^ führt jedoch, wie dies ja nicht anders zu erwarten ist, zu Widersprüchen mit den Beobachtungen, wenn man a nicht entsprechend der neuen Bediuguugsgleichung aus den Beobachtungs- thatsachen ableitet. Aus den Versuchen über die Aus- dehnung der Luft und der Gase folgt, dass das Volumen bei einer Temperatursteigerung von 273'* C. sich ver- doppelt. Nehmen wir an, dass innerhalb dieser Tempe- raturgrenze die Volumenzunahme der Luft noch genau ge- messen ist, so erhält man für den neuen Ausdehnungs- coefficienten a aus der Bedingungsgleichuug (1 + ccf^^ = 2 den Werth k = 0,00256. Aus theoretischen Gründen dürfte cc für alle Stoffe annähernd denselben Werth be- sitzen, wenn, wie dies ja schon oben betont wurde, die Ausdehnung lediglich auf das Zvvischenvolumen bezogen wird. Zur Prüfung der abgeänderten Zustandsgieichung p(vt - X) = Po(Vo - X) (1 + «)'^t- 'fo kann man aus dem Anfangszwischenvolumen Vq — x, dem Anfangsdruck p„, dem Ausdehuuugscoefficienten a und Volumen eines Volumen eines nung in Temperatur kg in cbm be- rechnet für ot Differenz Atmosphären obachtet = 0,00256 0,02 17,83 67,114 67,114 0,000 0,10 46,21 14,556 14,434 0,122 1,00 100,00 1,654 1,657 0,003 2,00 120,60 0,8598 0,8737 0,0139 3,00 133,91 0,5874 0,6014 0,0140 4,00 144,00 0,4484 0,4629 0,0145 5,00 152,22 0,3636 0,3783 0,0147 6,00 159,22 0,3065 0,3211 0,0146 7,00 165,34 0,2652 0,2706 0,0144 8,00 170,81 0,2339 0,2482 0,0143 9,00 175,77 0,2095 0,2235 0,0140 10,00 180,31 0,1897 0,2036 0,0139 328 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 28. dem Enddiuek Vohimen vt- und uud der Temperatur Tt- Po(Vo - X) (l+«)Tt-To berechnen und die gefundenen Zahlenwerthe mit dem durch Beobachtung gefundenen Dampfvokimen vergleichen. In der vorstehenden Tabelle ist dies geschehen; die ersten vier Reihen sind aus Rietschel's Leitfaden für Heizungs- und Lüftungsanlagen, Theil II, entnommen. Es ist gesetzt po = 0,02, Vo-x = 67,114, to = 17,83« C, « = 0,00256, log. (!+«) = 0,001 1. Dass die hier abgeleitete Zustandsgieichung auch für Flüssigkeiten von den niedrigsten bis zu den höchsten Temperaturen Gültigkeit besitzt, habe ich in der neben- stehenden Tabelle für Quecksilber nachzuweisen versucht. Die Beobachtungsdaten sind aus dem bekannten Tabellen- werk von Landolt und Börnstein entnommen worden Die Volumina Vt sind berechnet für x = 0,0689.532, V - X = 0,0046, V = 0,0735532 , « = 0,00256-, log (1 + «) = 0,00111 uud nach der Formel Vt = x + (v - x) (1 + «)'• Die Uebereinstimmung zwischen Theorie und Beob- achtung ist so gross, dass die Abweichungen durchweg in den Grenzen der Beobacbtungsfehler liegen. Spannung in mm Tempe- ratur Volumen 1 g Quecksilber in com beob- achtet Vj Volumeu 1 g Quecksilber in ccm ber. vj Differenz 0,0200 0 0,073553'i 0,0735532 0,0000000 0,0268 10 0,0736869 0,0736723 -0,00001-16 0,0372 20 0,0738207 0,0737944 - 0,0000263 0,0530 30 0,0739544 0,0739198 - 0,0000346 0,0767 40 0,0740882 0,0740484 - 0,0000419 0,1120 50 0,0742221 0,0741802 - 0,0000407 0,1643 60 0,0743561 0,0743154 - 0,0000357 0,2410 70 0,0744901 0,0744544 - 0,0000275 0,3528 80 0,0746243 0,0745968 - 0,0000057 0,5142 90 0,0747586 0,0747429 - 0,0000004 0,7455 100 0,0748931 0,0748927 + 0,0000004 1,5341 120 0,0751624 0,0752043 + 0,0000687 3,0592 140 0,0754325 0,0755321 + 0,0001346 5,9002 160 0,0757035 0,0758772 + 0,0002170 11,00 180 0,0759755 0,0762403 + 0,0003170 19,90 200 0,0762486 0,0766225 + 0,0003739 242,15 300 0,0776355 0,0788560 + 0,0011205 797,94 360 0,0784891 0,0804022 + 0,0019131 Zur Geschichte der Verbreitung der Reblaus in Deutschland. (Fortsetzung.) Am 3. Juli 1883 erliess das Deutsche Reich in Ausführung der Vorschriften der internationalen Reblaus- Convention ein neues, den Forderungen der Convention entsprechendes Reblausgesetz und weiterhin noch eine Reihe von Verordnungen, die Ein- und Ausfuhr von Pflanzen und Gegenständen des Wein- und Gartenbaues betreffend. Besonders wichtig ist in dem erwähnten Gesetz die Eiutheiiung der Weinbaugebiete des Deutschen Reiches in eine grössere Anzahl Bezirke (insgesammt 78, später 79, wovon 51, später 52, auf Preussen fallen) und das Ver- bot, bewurzelte Reben aus einem dieser Weinbaubezirke des Reiches in einen anderen zu versenden. Dadurch hofft man, der Infection noch nicht verseuchter Weinbau- bezirke aus inficirten wirksam vorzubeugen. Den Wein- bauern wurde bei Strafe und bei Verlust ihres Entschä- digungsanspruches die Pflicht auferlegt, etwaige in ihren Weinbergen bemerkte Anzeichen für das Vorhandensein der Reblaus sofort zur Anzeige zu bringen. Die Anord- nungen über die bei etwaiger Ermittelung des Insekts zu treffenden Maassregeln wurden den Landesregierungen überlassen, die auch die daraus erwachsenden Kosten zu tragen haben. Sie sind aber verpflichtet, dem Reichs- kanzler unverweilt Mittheilung zu machen und dieser hat die Ausführung der getroffenen Anordnungen zu über- wachen, erforderlichenfalls auch besondere Maassnahmen zu ergreifen. Mit den Nachbarstaaten Frankreich, Luxemburg und der Schwiz fanden Verhandlung statt, auf Grund deren seit 1884 die Einfuhr von Trauben Trestern, Compost, Weinpfählen u. s. w. in den Grenz- gebieten erleichtert wurde. Aehnliche Abmachungen erfolgten zwischen Oesterreich und Sachsen. 1884 wurde wieder durch Zufall eine zweite bedeu- tende Infection in der Rheinprovinz im Kreise Neuwied ermittelt und zwar in den Gemarkungen Linz, Linz- hausen und Ockenfels am rechten Rheinufer unweit des verseuchten Gebiets im unteren Ahrthale. Gelegent- lich der Versammlung des landwirtbschaftiichen Vereins für Rheinpreussen in Linz sollte nämlich die Reblaus- frage als Hauptgegenstand erörtert werden. Um nun das Interesse der Winzer dafür anzuregen, beschloss die Linzer Lokalkommission für üeberwachung der Weinberge, vor der Sitzung am 23. September alle Rebgelände der Gemarkung Linz aufmerksam zu begehen, alle dabei beobachteten krankhaften Erscheinungen zu notiren und in der Sitzung zur Sprache zu bringen. Dabei entdeckte der Vorsitzende dieser Kommission, Apotheker Mehlis, im District „auf der Rheinhölle", gerade gegenüber dem Linz er Bahnhofe, inmitten einer gesund aussehenden Parzelle eine Anzahl Stöcke mit auffallend gelblichem Laube und verkümmerten Trieben, die kreisförmig bei einander standen. Als er einen dieser Stöcke ausgrub, fand er die Wurzeln mit Rebläusen besetzt. Der davon in Kenntniss gesetzte Sachverständige Ritter bestätigte den Befund. Da eine Uebertragung aus dem Ahrthale nach der Liuzer Gemarkung durch die geflügelte Laus in Anbetracht der grossen Entfernung und der stets über dem Rhein herrschenden Luftströmung sehr unwahrschein- lich schien, vermutheten die Sachverständigen, dass sich vielleicht in der Nähe auf dem rechten Rheinufer noch ein grösserer Reblausheerd befinden möchte. Schon am folgenden Tage, 26. September, bestätigte sich diese An- nahme in unerwartetem Umfange, indem nach Auffindung von vier weiteren kleineren Heerden auf Linzhauseuer Gemarkung der umfangreiche, überaus stark verseuchte Hauptheerd auf dem ganzen Bergkegel, der die Ruine Ockenfels trägt, entdeckt wurde. Dieser grosse Heerd wies schon äusserlich, namentlich in der Umgebung der Ruine, die auffallendsten Krankheitserscheinungen auf. Der südliche Bergabhang bestand fast ausschliesslich aus sogenannten Drieschen, in denen die Wurzeln sämmtlicher noch nicht abgestorbener Reben dick mit Rebläusen be- setzt waren. Auch die sich in der Ebene zunächst au- XV. Nr. 28. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 329 schliessenden Rebpflanzungen erwiesen sich besonders gegen diese Drische zu stark verwüstet. Ferner war das Plateau um die Ruiue und der mit Reben bepflanzte Theil des Ostabhanges vollständig verseucht, der West- und Nordwestabhang besonders in den oberen Lagen. Nach dem Dorfe zn nahm die Infection allmählich ab. Dieser Hauptheerd hatte einen Umfang von 1069,31 a und ent- hielt (mit Einschluss von fünf kleineren, 20,73 a umfas- senden Nebenheerden) 18 008 befallene und 49 511 ge- sunde Reben. Insgesammt aber wurden 1884 in den drei erwähnten Gemarkungen 31 Heerde mit einem Flächen- inhalt von 1313,29 a aufgefunden. Merkwürdigerweise hatte .sich die Infection in südlicher Richtung auf Linz- hausener Gemarkung kaum 50 m vom Hauptheerde her ausgebreitet, während sie z. B. nach Norden hin ziemlich 1000 m weit reichte. Die Sachverständigen glauben, dass die alljährliche mehrwöchentliche Inundation durch das Hochwasser des Rheins die weitere Ausbreitung des In- sekts im Süden des Heerdes verhindert habe, wie man ja auch in Südfrankreich die Erfahrung machte, dass die Reblaus alljährliche mehrwöchentliche Uebersch wemmungen nicht verträgt. Sofort wurden natürlich auch Nachforschungen nach dem Ursprung der Infection angestellt. Sie ergaben Folgendes. Der verstorbene Vater des Besitzers der Ruine Ockenfels, Freiherr v. Gerold zu Linz hatte 1861 amerikanische Reben (Vitis Riparia und V. Labrusca) von Washington nach Linz geschickt, von denen die Vitis Riparia inmitten der jetzigen Driesche südlich von der Ruine durch den gegenwärtigen Besitzer angepflanzt wurden. Diese durchweg verseuchten Reben haben zweifellos die Infection veranlasst. Dass die Krankheit ein so langer Zeit (23 Jahren) noch nicht weiter um sich ge- griffen hat, erklären die Sachverständigen aus den meist massig warmen, mehr oder weniger feuchten Sommern des Rheinthals , derentwegen daselbst z. B. die Wasser- melone im freien Lande fast nie zur Reife kommt. Nur trockene Sommerhitze begünstigt überaus die Vermeh- rung und Ausbreitung des Insekts, wie der warme Sommer 1881 an der Landskrone zeigte. Dieser Annahme ent- spricht es, dass der früher an der Ruine wachsende vor- zügliche „Ocken felser Wein" schon seit mindestens zehn Jahren nicht mehr recht gedieh und dass die Wein- pflanzungen unterhalb der Ruine wahrscheinlich schon seit Mitte der 60 er Jahre zurückgegangen sind. Die Sachverständigen halten es weiter für wahr- scheinlich, dass auch die Reblaus -Invasion an der Ahr auf die Ocken felser zurückzuführen sei, da einer der Eigenthümer einer Parzelle im Hauptheerd am Ockenfelser Bergkegel, Viktor Haan zu Burtscheid, auch grosse Rebparzellen mitten im Hauptheerde an der Landskrone besitzt und wahrscheinlich Reben aus einem Weingut in das andere verpflanzt hat. Bei der Vernichtung der Heerde wurde der Kosten- ersparniss wegen von einem Rigolen des Bodens und von einer zweimaligen De.sinfection Abstand genommen, dafür aber sofort das doppelte Quantum von Desinfectionsstoffen verwandt. Die Reben wurden möglichst tief (etwa V2 Fviss) ausgehauen und nebst den Pfählen verbrannt, sodann in die noch erweiterten Wurzellücher je 3 kg Petroleum pro Quadratmeter gegossen, die Löcher zugescharrt und das Terrain geebnet. Darauf wurden abwechselnd 1 und V2 m tiefe Löcher in den Boden gestossen und pro Quadrat- meter 400 g Schwefelkohlenstoff eingegossen, die Löcher möglichst rasch geschlossen und schliesslich noch die Erd- oberfläche mit 1 kg Petroleum pro Quadratmeter über- braust. Dies Verfahren hat sich durchaus bewährt. Zur Revision im nächsten Jahre wurden in Entfernungen von durchschnittli<;h 10 zu 10 m 1—1 '/j m tiefe und '/.. — ^. m breite Gräben durch die inficirte Fläche gezogen und alle darin gefundeneu Wurzelreste sorgfältig gesammelt und untersucht. Dabei fanden sich dieselben fast durchgängig mehr oder weniger abgestorben, nur ganz vereinzelt noch frisch. Lebende Rebläuse wurden in den desinficirten Weinbergen nirgends gefunden. Nur in den Drieschen im Basalt am Südabhang des Ockenfelser Burgberges wurden unter Dornsträuchern verborgen und unter Felsen ver- schüttet eine Anzahl noch lebensfähiger Rebstöcke ent- deckt, deren Wurzeln mit Rebläusen besetzt waren, indem daselbst, weil man hier keine Reben vermuthete, garnicht oder nur mangelhaft desinficirt worden war. Der ganze Felsabhang wurde natürlich nochmals gründlich des- inficirt. 1885 erwies sich auch dieser grosse Seuchenheerd ausgedehnter, als mau im Vorjahre geglaubt hatte, indem ausser 44 weiteren Heerden in den Gemarkungen Ocken- fels, Linzhausen und Linz noch 1 resp. 2 in den nördlich davon gelegenen Gemarkungen Casbach und Ohlenberg, 3 in dem südlich von jenen gelegenen Leubsdorf aufgefunden wurden. Sie sind wohl sicher Tochterinfectionen des Ockenfelser Hauptheerdes und we- nigstens zum weitaus grössten Theil durch mechanische Verschleppung des Wurzelthieres durch die Winzer ent- standen, da in allen verseuchten Gemarkungen die gleichen Besitzer betheiligt sind. Die drei Leubsdorfer Heerde liegen aber merkwürdiger Weise ausschliesslich im hin- tersten Thal an der Waldgrenze. 1887 wurden bei den Revisionen der Heerde des Vorjahres in drei Heerden an je einem Stock noch lebende Rebläuse gefunden. Sie Sassen an sogenannten Ablegern, vom Hauptwurzelstock abgesenkten Schösslingen, die beim Ausbauen übersehen waren. 1892 entdeckte man eine grössere Infection noch weitere 5 km stromaufwärts in der Gemarkung Hön- ningen (südhch von Leubsdorf), etwa 2V2 ktn von dem linksrheinischen Heerde von Niederbr eisig ent- fernt. Bei der 1885 stattgehabten Untersuchung konnte dieser Heerd nicht entdeckt werden, weil der betreffende Weinberg kurz vorher auf Drieschboden neu angelegt war. Der Sachverständige Ritter machte bei dieser Ge- legenheit auf das Verderbliche der Drieschwirthschaft aufmerksam. Im unteren Ahrthal und auf beiden Rhein- ufern von Bonn bis Neuwied pflegt man fast durchweg abständig werdende Weinberge auf eine Reihe von Jahren sich selbst zu überlassen. Der Boden wird nicht mehr gegraben, die Stöcke nicht mehr aufgebunden, die Pfähle entfernt. Die Reben liegen daher wirr auf dem Boden und werden von Unkraut, Brombeer- und Dorngestrüpp überwuchert. Solche Stücke nennen die Winzer „Driesch". Der Boden soll dabei ruhen. Nach 4—5, ja oft erst nach 10 — 12 Jahren wird dann gerodet, die alten verwilderten Reben ausgehauen und unbewurzeltes Setzholz neu an- gepflanzt. Selbstverständlich kann aber bei diesem Ver- fahren von Bodenruhe keine Rede sein. Im Gegentheil wird das Erdreich durch die fortwuchernden Reben und das Unkraut völlig ausgesaugt. Es entstehen daher nur schwächliche Weinstöcke, die bald wieder abständig werden. Diese Driesche begünstigen die Entwickelung alles möglichen Ungeziefers, besonders des Heu- oder Sauerwurms (Conchylis ambiguella Hübu.). Sie erschweren die Erkennung einer Reblausiufection ungemein. Auf Grund dieses Berichts wurde die Drieschwirthschaft von der Behörde bei Strafe verboten. Auffäüig war es den Sachverständigen, dass die Infection in Hönningen wie die meisten bisher gefundenen gerade in den oberen Lagen von Bergabhängen oder in der Nähe von Wald- grenzen sich fanden. Da diese Erscheinung auch weiter- hin bei vielen Reblausverseuchungen beobachtet wurde, vermuthete der Sachverständige 1896, dass das Wild, be- 330 Naturwissenschaftliche \V ochenschrif t. XV. Nr. 28. sonders die Dachse, vielleicht auch Füchse, hauptsächlich die Reblaus verschleppen möchten. Die ungeheuer zahl- reichen Dachse in den Gebirgszügen auf beiden Seiten des Rheins, die oft meilenweit wechseln, wühlen mit Vor- liebe in den Weinbergen. An ihren breiten, starkbehaarten Tatzen bleiben Erde, wohl auch losgerissene Reb wurzel- stücke, hängen. Etwa darin befindliche Rebläuse können dadurch weit verbreitet werden. Es wäre daher zu empfehlen, die Dachse in Weinbaugegendeu schonungslos zu vernichten. 1893 wurde der Ockenfelser Ilauptheerd wieder zum Weinbau freigegeben, und die Neuanlage erwies sich 1896 bei sehr gründlicher Unter- suchung reblausfrci. 1893 ermittelte man einen Heerd in der südlich von Hönningen gelegenen Gemarkung Rheinbrohl. 1896 wurden auch südlich von Rhein- brohl in den Gemarkungen Leutesdorf, Ober- und Niederhammerstein zusammen 5 Heerde bei den Be- gehungen aufgefunden, wovon der Hauptheerd in Ober- h ammerstein mit 966 verseuchten Reben schon äusser- lich das sehr charakteristische Bild eines vorgeschrittenen Reblausheerdes bot — inmitten der Parzelle ein grosser, durch das Absterben zahlreicher Weinstöcke entstandener Kessel, der von einem Kreise mehr oder weniger ver- kümmerter Stöcke umgeben ist. Er hätte längst entdeckt werden müssen, wenn die Localaufsicht und der Sach- verständige, der hier die Begehungen im Jahre 1893 aus- führte, sorgfältiger gearbeitet hätten. Auch alle diese Heerde liegen wieder hoch oben an den Waldrändern. 1897 wui'de eine weitere grosse Infection imHönninger Schlossberge entdeckt, in Weinbergen, die erst vor 6 bis 8 Jahren durch den Grafen Villers angelegt waren. Ein Bezug fremder Reben war nicht nachweisbar. Wohl aber befanden sich mitten im Heerde stark begangene Dachs- fährten. Insgesammt wurde von 1884 bis 1897 in den Gemar- kungen Casbach, Ockenfels, Linzhausen, Linz, Leubsdorf, Hönningen, Rheinbrohl, Leutesdorf, Ober- und Niederhammerstein 258 Reblausheerde cutdeckt und dabei 3900,74 a Weinbauland vernichtet und desinticirt. Dabei wurden (abgerechnet die Heerde 7 — 31, für die die amtliche Denkschrift die betreffenden Zahlen nicht angiebt, also in 234 Heerden) 24 085 ver- seuchte Reben ermittelt. Die Entdeckung zweier so bedeutender Seuchenheerde in der Rheinprovinz veranlasste die Regierung, die Weinberge der Provinz von 1885 au von einer erheblich grösseren Anzahl von Sachverständigen sorgsam unter- suchen zu lassen. Im genannten Jahre erstreckten sich die Begehungen am linken Ufer von Andernach bis Bonn einschliesslich des Ahrthals, am rechten Ufer von Neu- wied bis Obercassel nebst allen Seitenthälern. Dabei wurde ein link.srheinischer Heerd in Friesdorf bei Bonn im Kreise Godesberg mit 128 kranken Stöcken auf 858 qm Fläche entdeckt. Nach der Angabe des be- treffenden Winzers scheint diese Infection durch Streu veranlasst zu sein, die vor etwa zehn Jahren von dem verseuchten Annaberge bei Bonn in den jetzt befallenen Weinberg gebracht wurde. Dieser Heerd ist nach zwei- maliger Desinfection anscheinend erloschen. Rechtsrheinisch entdeckte man in demselben Jahre zwei Heerde in Honnef im Siegkreise mit zusammen 329 infieirten Reben und 65,82 a Fläche. Einer dieser Heerde (nur zwei kranke Stöcke umfassend) ist anschei- nend durch von dem Rentnei- Lenders bei Honnef vor 12 bis 13 Jahren aus Annaberg bezogene amerikanische Reben veranlasst worden. Der Ui-sprung des grösseren, mitten im Weingebiet liegenden war dagegen nicht zu ermitteln. Vielleicht ist er durch amerikanische Reben, von denen in der Stadt Honnef zahlreiche gezogen werden, veranlasst. Die Entdeckung dieser Verseuchung veranlasste den Leiter, auf weitere Kostenersparnisse bei ihrer Des- infection Bedacht zu nehmen. Es wurden daher hier ver- suchsweise nur 60 cm tiefe Löcher zur Schwefclkohlenstoff- aufnahme gestossen und die Menge des zum Ueberbrausen verwendeten Petroleums auf Va fler bisherigen vermindert. Diese vereinfachte „Honnef'sche Methode" ergab noch so günstige Resultate, dass sie seitdem sehr vielfach an- gewendet wurde. 1896 führten die Begehungen zur Entdeckung eines neuen Heerdes inmitten des Weinbaugebiets der Gemar- kung Ober dollendorf, nördlich von Honnef und Königs- winter. Es wurden 47 kranke Stöcke entdeckt und waren 18,40 a Weinbaufläche zu vernichten. Die Rebenbestände stammen aus der Gemarkung selbst und sind etwa 25 Jahre alt. Die Infection ist anscheinend noch jung, also ent- schieden durch mechanische Einschleppung des Insekts entstanden. Die Nachforschungen blieben indess ohne Resultat. Zusammen wurden von 1885 — 1897 in Honnef und Oberdollen dorf 19 Heerde auf 292,33 a Fläche mit 642 kranken Reben entdeckt. 1886 wurden in dem bis dahin für verschont gehal- tenen Gebiet des Oberelsass zwei erhebliche Infectionen aufgefunden. In Lutterbach unweit Mühlhausen fanden sich 19 Heerde mit 1592 infieirten Reben auf 67,53 a Weinbaufläche. Der Ursprung dieser Heerde war nicht sicher zu ermitteln. Im ältesten sind die Reben angeblich schon seit 1880 zurückgegangen. Seine Besitzerin soll vor 12 Jahren Wurzelreben unbekannten Ursprungs auf dem Markt in Mühlhausen gekauft haben, die vielleicht verseucht waren. Der Heerd wurde durch die für die Ueberwachung der Weinberge eingesetzte Ortscommission entdeckt. Leider griff die Verseuchung iu den nächsten Jahren noch bedeutend um sich. 1892 und 95 fand sich auch in dem benachbarten Pfastatt je ein Heerd. Zu- letzt wurde noch 1896 ein Heerd in Lutterbach auf- gefunden. Von 1886 bis 1896 entdeckte man in Lutter- bach und Pfastatt zusammen 62 Heerde mit 2758 infi- eirten Reben auf 414,93 a Weinbauland. In Hegenheim zwischen Hüningen und Basel wurden 1886 direkt an der Schweizer Grenze ein grösserer und 20 kleinere Heerde entdeckt. Diese Infection ist wohl auf die früher in Boll- weiler befindliche Baumann 'sehe Rebschule zurückzu- führen. Auch sie breitete sich bis zum Jahre 1895 noch weiter aus, so dass in dieser Zeit insgesammt 46 Heerde mit 3785 infieirten Reben und 313,26 a zu vernichtender Bodenfläche vorhanden waren. Seitdem ist daselbst nichts verdächtiges mehr ermittelt worden. Leider brachte das Jahr 1887 einen sehr erheblichen Zuwachs zu den schon bekannten verseuchten Weingebieten des Deutschen Reiches, indem neue Infectionen in den preussischen Provinzen Hessen Nassau und Sachsen, den Königreichen Sachsen und Württemberg, sowie in Lothringen entdeckt wurden. (Fort.sot/.nng folgt.) Ueber fossile Meiisclieiiaffen findet sich ein sehr bemerkenswerther Aufsatz von dem bekannten Palä- ontologen M. Schlosser im Zoologischen Anzeiger No. 616. Danach sind in neuerer Zeit verschiedene Funde von solchen gemacht worden, die die Ansichten über sie richtiger gestalten lassen. Die wesentlichsten Gattungen derselben sind: Pliopithecus, Dryopithccus, Palaeopithecus und Pithecanthropus. Ihnen wurde von XV. Nr. 28. Naturwisstmscliaftliche Wocliensc-hrift. 331 Duhois noch die Gattung Pliohylobates hinzugefügt, die auf die bei Eppelsheini in Rheinhesseu gefundenen Reste gegründet ist. Schi, hält mit anderen Palaeontologen diese Gattung nicht für berechtigt und will die betreft'eu- den Ecste wieder wie früher zu der Gattung Dryopithecus gestellt wissen, wenn er auch zugiebt, dass sie Hylobates in vieler Beziehung ähneln. Letztere Gattung umfasst nach Seh. überhaupt die primitivsten Menschenaffen-, an sie scidiessen sich Plio- und Dryopithecus an; und aus dieser Gruppe, der vielleicht auch Pithecanthropus angehört, ist wohl auch der Mensch hervorgegangen. Aber sie alle sind keine direkten Vorfahren des Menschen. Früher galt Dryopithecus als solcher, und er ähnelt ihm auch mehr als alle anderen Anthroponiorphen, mit Ausnalnne des Pithecantropus. Aber er ist bereits so specialisirt, dass man den zum Theil einfacher gebauten Menschen nicht aus ihm herleiten kann. Neuere Funde ergaben in der Gattung Dryopithecus eine so weit gehende Variirung in constant werdende Rassen, dass man in ihnen be- ginnende Arten sehen muss; was aus ihucn geworden ist, weiss man nicht; Orang und Schimpanse sind wohl auf sie zurückzuführen, keineswegs aber Gorilla und Mensch, wahrscheinlich auch nicht Palaeopithecus und Pithe- canthropus. Der erste der beiden letztgenannten ist da- gegen ebenfalls nahe verwandt mit, wenn nicht Stamm- form von Orang oder Schimpanse. Aber auch Pithe- canthropus ist nicht ein direkter Vorfahre des Menschen, wenn er ihm auch bedeutend näher steht, als alle an- deren fossilen oder lebenden Menschenaffen; namentlich sind es das Schädeldach und das Femur, die sehr menschen- ähnlich sind, während die Zähne von denen aller anderen Anthroponiorphen abweichen. Die wahren Vorfahren des Mensehen haben sieh schon früher, von primitiven Anthroponiorphen, abgezweigt, von denen in divergenter Richtung auch die heute lebenden, menschenähnlichen Affen abstammen, die sich namentlich durch den länger werdenden Oberarm und die Gegenüberstellbarkeit der grossen Zehen vom Menschen unterscheiden. Der KoU- mann'schen Ansicht, dass die ältesten Menschen Pygmäen waren, tritt Schi, entgegen. Dagegen vertritt er die An- nahme der Existenz des Menschen zur Tertiärzeit, wenn auch nicht der recenten Species Homo sapiens, so doch einer anderen unbekannten und ausgestorbenen Art der Gattung Homo. Zum Schlüsse polemisirt der Verfasser energisch gegen die Stellung Virchow's zur Pithecanthropus- Frage. Reh. Ueber die ästhetische Bedeutung der Säugethiere hielt Prof. K. Mob ins einen sehr anregenden Vortrag in der Sitzung der Berliner Akademie der Wissen- schaften vom 15. März d. Js. Danach beruhen unsere ästhetischen Urtheile über sie auf ihrer Vergleichung mit uns selbst und mit anderen schönen Säugethiereu, die wir von Kindheit an häufig sehen, daher natürlich das Schönheitsideal bei verschiedenen Völkern ein ver- schiedenes ist. Durch diesen täglichen Anblick solcher Thiere entstehen bei uus unwillkürlich Musterbilder, mit denen wir alle andere Thiere vergleichen. Als solche Musterthiere kommen bei uns vor allem Pferd und Hund in Betracht. Als weitere höchst wichtige Grundlage für die ästhetische Beurtheilung gelten aber ferner noch die allgemeinen Eigenschaften, die wir von Kind auf an bei uns und an den uns umgebenden Gegenständen kennen lernen, besonders Schwere und Belastung, deren haupt- sächlichste Gesetze uns unbewusst so vertraut werden, dass wir ohne nähere Untersuchung, ohne Abmessen und Abwägen urtheilen. Jede Verletzung dieser Gesetze miss- fällt, ihre Befolgung gefällt. Angeborene Ideen schöner Säugethiere giebt es nicht. Als „Kriterien der Schönheit" fasst Möbius seine Ergebnisse zum Schlüsse in einigen Sätzen zusammen, von denen wir folgende wiederholen wollen: Die wichtigste Grundlage für die ästhetische Be- urtheilung der Säugethiere ist die Gliederung des Körpers in Kopf, Hals, Rumpf, Beine und Schwanz, bezw. deren richtiges Verhältniss. So verschönert ein reichhaariger Schwanz, der etwas kürzer als der Rumpf ist, da er ein Gegengewicht zur Hals- und Kopfmasse bildet. Sehr kurze Schwänze dagegen sehen zu leicht ans, sehr lange, nachschleppende zu schwer, lange, dünne, kahle zu leicht und krankhaft: sie alle sind hässlich. Bei einfarbigen Thieren tritt die Form deutlicher hervor, als bei gezeich- neten; Längsstreifen sind schöner als Querstreifen, weil sie in der Richtung der Körperachse verlaufen. Je deut- licher der Sieg über die Schwere der Körperraasse durch die Form und Haltung des Körpers sowie durch die Ge- wandtheit und Ausdauer der Fortbewegung hervortritt, umso schöner erscheint das Thier. Sehr wesentlich für die ästhetische Beurtheilung ist noch das psychische Moment, daher die Augen eines Thieres und seine Haltung eine grosse Rolle bei ihr spielen. Als schöne Thiere be- trachtet M.: Pferd, Hirsch, Reh, Gazellen, die grossen Wildhunde, Löwe, Eichliörnchen; als unschöne: Esel, Rinder, Marder, Hyänen, Affen, Fledermäuse, Ratten und Mäuse, Schweine, Nilpferd, Tapir, Nashorn u. s. w. Reh. In No. 25 der „Naturw. Wochenschr." ist eine Mit- theilung „über die Orientirung der Brieftaube auf ihrem Fluge" enthalten. Ich war verwundert, dort von den uralten Wahrnelmiungen über die Oi;ientirungsgabe der Tauben, Raben u. s. w. keinerlei Erwähnung zu finden. Aus der Geschichte der Schiffahrt und der Geo- graphie (siehe auch Arche Noah) ist doch längst bekannt, dass solche Vögel, die der Flug in grosse Höhen führt, die Pfadfinder der ältesten Schiffahrt, aber auch noch bei den Fahrten der Wikinger nach Amerika hinüber, ge- wesen sind, und zwar auf Grund des ausserordentlich weiten üniblickes, den sie in so grossen Höhen geniessen, und der Verwerthung dieses ümblickes durch sehr scharfen Gesichtssinn und ausgezeichnetes Ortsgedächtniss. Es ist erwiesen, dass der Condor bis in Höhen von 10 km und die Tauben und Raben auch bis in Höhen von nahe- zu 9 km emporsteigen können. Von dort aus haben sie ein Gesichtsfeld, dessen Durchmesser nahezu 700 km be- trägt, und entfernte Berge, deren Spitzen selber einen Umkreis von einigen hundert Kilometer Durchmesser be- herrschen, vermögen solche Vögel in jenen Höhen bis zu Abständen (Halbmessern des Gesichtsfeldes) von etwa 500 km zu erkennen. In solchen Höhen ist ja auch die Lichtfortpflanzung viel ungetrübter, und darunter liegende Wolkenschichten vereinfachen sogar die Orientirung nach den darüber hinausragenden fernen Bergen, die wie dunkle Inseln aus dem lichten Wolkenmeer emporkommen. Es kann doch eigentlich nicht der geringste Zweifel be- stehen,, dass in Umblicken solcher Art, die, wie gesagt, schon vor vielen, vielen Jahrtausenden von der Schiffahrt verwerthet worden sind, die Lösung des Räthsels der Orientirung von Wandervögeln im Wesentlichen gegeben ist. Die Schilderungen, die in dem eingangs erwähnten Artikel von dem Aufstieg der drei Tauben A, B, C und von dem Verlauf ihrer Reisen gegeben sind, stehen auch mit obiger Erklärung in keinerlei Widerspruch. Man kann es der Taube B und der Taube C gar nicht ver- argen, dass sie mit Pfropfen in den Nasenlöchern oder den Gehörgängen nicht im vollen Besitz ihrer Sinnes- schärfe und ihres Intellektes gewesen sind. Prof. Wilhelm Foerster (Sternwarte). 332 N aturwissenschaf tliche Wochenschrift. XV. Nr Ersatz erfrorener Frühlingstriebe durch aceesso- rische und andei-e Sprosse. — Im Mai dieses Jahres sind durch Spätfrost au unseren einheimischen P>ännien (wie den Eichen) und namenthch an Garten - Gehölzen Frostschäden durch Abtödtung- der Frühlingstiielie^ vor- g-ekommen, die glücklicherweise in den meisten Fällen durch nachträgliche Erzeugung neuer Triebe wieder aus- geglichen werden. Eine Anfrage aus dem Leserkreise, wie dieser Ersatz stattfindet, veranlasst uns, im Folgenden eine diesbezügliche Auseinandersetzung nach einem Vor- trag zum Abdruck zu bringen, die der Unterzeichnete in dem Sitzungsberichte des Botanischen Vereins der Provinz Brandenburg (Jahrgang XXII) vom 25. Juni 1880 gehalten hat, veranlasst durch ungewöhnlich späte und heftige Nachtfröste im Mai 1880, die im Königl. Bota- nischen Garten zu Berlin, an welchem ich damals Assistent war, Verwüstungen angerichtet hatten. Ich sage an dem angeführten Orte: An einigen dieser Pflanzen, wie z. B. an Rohinia psmiliicdciii L., sind nur verliältuissmässig wenige Früh- jahrstriebc erfroren; an anderen, wie z. B. bei Cercis siüqaastidm L. , Gijmnocladiis dioecus L., lÄriodendron tulipifera L. etc., ist wohl kaum ein einziges Blatt unbe- schädigt geblieben. Entweder waren die Blätter sammt den zugehörigen Sprossen zu Grunde gegangen, oder nur die Blätter nebst den Spitzen der zugehörigen Sprosse waren erfroren, während der untere Theil der letzteren lebensfähig ge- blieben war. Diesen letzten Fall fand ich nur bei Lirio- dendron. Die blätterlosen FrUhjahrssprosse trieben hier — wie man dies auch bei Sprossen beobachtet hat, die durch Insektenfrass ihre Blätter eingebüsst hatten*) — in den Achseln der unteren, verloren gegangenen Blätter gelegentlich die Winterknospen aus, die unter anderen Bedingungen erst im nächsten Sommer sich entwickelt hätten; allerdings blieben sie im Verhältniss zu den an- deren neu entstandenen Sprossen äusserst weit zurück, und es muss abgewartet werden, ob nicht vielleicht die Ueberreste der Frühjahrstriebe noch nachträghch zu Grunde gehen. Die Bäume, resp. Sträucher, deren sämmtliche Früh- jahrstriebe erfroren waren, sahen aus, als ob sie voll- ständig erstorben wären, so dass es den Anschein hatte, dass sie den Sommer über blätterlos verbleiben würden; jedoch haben sie sämmtlich neue Sprosse gebildet und sind bereits vollständig wieder belaubt. Eine nähere Betrachtung dieser Pflanzen ergab, dass die erfrorenen Sprosse bei den meisten durch accessorische Sprosse ersetzt worden waren, und ausserdem hatten sich noch, wie auch unter gewöhnlichen Umständen, Adventiv- sprosse und ruhende Knospen an mehrjährigen Zweigen und Stämmen entwickelt, die hier ausser Acht gelassen werden sollen. Bei nachfolgend aufgeführten Pflanzen waren die er- frorenen Sprosse fast ausschliesslich durch accessorische ersetzt worden: Calycanthus ßoridus L., Cercis siliquastrurn, Cladrastis lutea Mchx., Gymnocladus dioecus, Liriodendron tulipifera und Robinia pseudacacia. Ein Austreiben der accessorischen Sprosse findet bei diesen Gewächsen unter gewöhnlichen Umständen nur selten und an vereinzelten Punkten statt, am häufigsten wohl noch bei Cercis; jedoch ist es nicht unwahrscheinlich, dass die für Adventivsprosse angesehenen Triebe an mehrjährigen Zweigen häufig accessorischen Knospen ihren Ursprung verdanken. Ich habe die Anlagen der exogen entstehenden, accessorischen Sprosse bei all den genannten Pflanzen in den Achseln *) Siehe L. Kny, Ueber die Verdoppelung des Jahresringes. Verhandl. des Bot. Ver. Brandenburg. 1879. S. 5, 6. jüngerer Blätter beobachtet; besonders deutlich sind sie z. B. bei Gi/mnocladus *), Liriodendron u. a., schwieriger zu constatiren bei CalijcantJtus, Cladrastis, Robinia U. S. w., da in diesen letzten Fällen die accessorischen Knospen in den scheiden artigen Basen der Blattstiele eingeschlossen sind. Uebrigens treten sie nicht in allen Blattwinkelu auf, sondern finden .sich vorzugsweise in den Achseln der die Spitzen der Sprosse einnehmenden Blätter. Es sind serial angeordnete, in absteigender Folge sich entwickelnde accessorische Sprosse, deren Blätter die genannten Pflanzen neu belaubt haben, so dass überall der neue Spross zwischen dem Ueberrest eiües erfrorenen Sprosses und die Narbe eines vorjährigen Blattes zu stehen kommt. Nur bei Cladrastis uod Rohinia fand ich hin und wieder bis vier accessorische Knospen in einem Blattwiukel, bei den anderen Arten stets nur eine. Bei Robinia haben bereits Th. Damaskinos und A. Bourgeois („Des bourgeons axillaires multiples dans les Dicotyledones." Bulletin de la societe botanique de France 1858, p. 609) das Vor- kommen von vier accessorischen Knospen constatirt. Dem- entsprechend zeigte denn auch Cladrastis als Ersatz je eines erfrorenen Sprosses zuweilen unter demselben zwei neue, während bei den übrigen Gewächsen stets unter einem erfrorenen auch nur ein accessorischer Spross sich befand. Bei Robinia habe ich Aehnliches wie bei Cla- drastis nicht gesehen. Auch Gleditichia triacanlha L. entwickelte seitlich neben und unter den erfrorenen Sprossen einen oder mehrere neue. Obwohl ich wie Damaskinos und Bourgeois (1. c. p. 609) ebenfalls zwei seriale, absteigende accesso- rische Knospen an dieser Pflanze fand, so gelaug es mir nicht zu entscheiden, ob die ueueu Sprosse aus den ver- schobenen accessorischen Knospen, oder aus basilaren Seitenknospen der erfrorenen Hauptsprosse hervorge- gangen sind. Bei einer anderen Reihe von Pflanzen wurden die erfrorenen Triebe ersetzt durch rechts und links von diesen sich entwickelnde neue Sprosse, und zwar fand sich ent- weder nur auf einer der beiden Seiten ein neuer Spross, oder beide Seiten waren von je einem Spross eingenom- men. Dieser Fall fand sich bei Castanea sativa Mill., sowie mehreren Celtis- und Platanus- Arten. Hier ist es am wahrscheinlichsten, dass basilare Seitensprosse der erfrorenen die zerstörten Mitteltriebe ersetzen, da ich in den Blattwinkelu dieser Gewächse nur eine Axillarkuospe und nirgends eine Spur von einer accessorischen Knospe fand. Die Juglandaceen hatten sowohl accessorische als auch ruhende Knospen entwickelt. Bei allen von mir untersuchten habe ich, mit Ausnahme von Jaglans nigra L., hin und wieder, namenthch in den Winkeln der jün- geren Blätter der Stockausschläge, je eine absteigende accessorische Knospe gefunden. Auch für Jmjlans nigra wird von Damaskinos und Bourgeois (1. c. p. 610) das Gleiche augegeben; jedoch standen mir von dieser Pflanze keine Stockausschläge zu Gebote, die ich auf das Vor- handensein accessorischer Knospen hin hätte prüfen können; in den Achseln der Blätter der Baumkrone konnte ich keine auffinden. Vorwiegend accessorische Sprosse hatten sich entwickelt bei Carya amara Mchx. und Plero- carya fraxinifolia Lam., während bei ('anja glubra Mill. und Jaglans rupesiris Engelm. vorzugsweise schlafende Knospen in den Winkeln vorjähriger Blätter sich entfaltet *) J. de Lanessan giebt für Gymnocladus an (in H. Baillons „Dictionnaire de botanique." 1876. I, p. 4G8), dass die Axillar- knospen in den Bhittscheiden eingeschlossen seien; jedoch fand ich bei 0. dioecus dio Hauptaxillarknospe meist einige Mdlimeter von der Scheide entfernt und die accessorische allei-dings halb von derselben verdeckt. XV. Nr. 28. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 333 hatten. Accessorische Sprosse wurden vermisst bei Carya idba Mill., Jnglans cinerea L. und Ju(/Ians nigra. Wie bei den letztgenannten Juglandaceen ent- wickelten sich bei anderen geschädigten Pflanzen für die verlorenen Sprosse ebenfalls ausschliesslich ruhende Haupt- axillarknospcn an den vorjährigen Zweigen. So verhielten sich z. B. l\liiix-\y{c\\ und vielleicht auch Ailanthus ylan- ilido.fa Dcsl'. Ailiriii/iii^s- hatte ich leider übersehen: Hevr G. Ruhm er machte mich erst auf diese Pflanze aufmerk- sam, als bereits sämmtiiche erfrorenen Triebe abgefallen waren. Eine sichere Feststellung der Sachlage konnte hier daher nicht stattlinden. Audi bei den durch den Frost beschädigten Coniferen werden die erfrorenen Triebe durch spärlich und laugsam sich entfaltende ruhende Hauptaxillarknospen der vor- jährigen Sprosse ersetzt. H. Potonie. Wetter-Moiiatsübersicht. (Juni.) — Der vergangene Juni war bemerkenswerth wegen seines Reiclithums an Gewittern, welche meistens bald nach jeder stärkeren Erwärmung eintraten und sich noch fortsetzten, wenn die Luft sich bereits merklich wiederabgekühlt hatte. Grössere Hitze kam in ganz Deutschland, der bei- stehenden Zeichnung zufolge, allein in den Tagen bald nach Beginn und kurz vor Mitte des Monats vor, in denen das Thermometer jedoch auch nur an wenigen X^mperafurcn im ^utii Md. RgKlii^. WAk Maximum, b»Ji Uuni Tajfsimftel^rariwl. Orten bis 30° C. hinanstieg. Namentlich im westlichen Binnenlande fand, wie die Maximalteraperaturen von Hannover und Frankfurt erkennen lassen, ein beinahe rhythmischer Wechsel zwischen wärmerem und kühlerem Wetter statt, doch nahm die Grösse der Schwankungen während der zweiten Hälfte des Monats, in der der Himmel stärker bewölkt war und bei schwachen west- lichen Winden allgemein eine ziemlich gleichmässige Witterung herrschte, bis auf die letzten Tage mehr und mehr ab. Durchschnittlich lagen die Temperaturen vor Mitte Juni etwas über, nachher etwas unter ihren nor- malen Wertheu, so dass sie sich von diesen im allgemeinen Durchschnitt nur wenig unterschieden; in den nordwest- lichen Landestheilen und in Süddeutschland war die dies- jährige Junitemperatur ungefähr einen halben Grad zu niedrig, nordöstlich der Elbe um einige Zehnteigrade zu hoch. Auch die Dauer der Sonnenstrahlung, die zu Berlin während des ganzen Monats 255 Stunden erreichte, wich nicht sehr bedeutend von derjenigen der früheren Juni- monate ab. Nach dem verhältnissmässig trockenen Frühling war es für das Gedeihen der Saaten um so erwünschter, dass der Sommer mit sehr häufigen und ziemlich er- giebigen Niederschlägen begann. Während der ersten neun Tage des Monats hatte an denselben, wie aus der beistehenden Zeichnung ersichtUch ist, die Küste einen viel geringeren Antheil als das Binnenland, wo namentlich vom 6. bis 8. sehr heftige Gewitter hernieder- c^ Mittlerer WerHi Cup ' Deulschland. Monarssummen im Juni S^» Ss:S££S flnai^js 37 96. 95. B rll . ^1 ^1 1 i r 1 1 1 1 ■ 1 1 1 1 1 1 • L' i^-h 1 "II 1 1 W 1 teB..! 1 1 n-'zo. Juni'. 'i nliB -■ i ' ■ kfe — ^M 1 h ; iJL^ 1 "f - 21.-30. Juni. ■ ■ LI 1 J llih m ■^ ^^. Hllll ■ ■ 1 1 1 1 «.\MiiiwmuMmV J gingen, die freilich auch auf einzelnen Strecken, besonders am Oberrheiu, für die Sonimerfrüchte verderbliche Hagel- schläge mit sich brachten. Nach vier fast überall trockenen Tagen setzten kurz vor der Mitte des Monats in den nordwestlichen Landestheilen neue Unwetter ein, denen eine allgemeine längere Regenzeit folgte. Nur im Gebiete der Ostsee, wo schon seit Anfang April der Mangel au Regen sehr schwer empfunden wurde, hielt die Trocken- heit noch eine volle Woche an. Doch während des letzten Monatsdrittels nahmen die wiederum von zahl- reichen Gewittern begleiteten Niederschläge dort wie in ganz Nordeutschland erheblich zu. Am 24. Juni fiel zu Königsberg ein mehrstündiger, ausserordentlich starker Gussregen, der nicht weniger als 67 Millimeter brachte, 8 Millimeter mehr, als dort nach fünfzigjährigen Messungen die normale Niederschlagshöhe für den ganzen Monat Juni beträgt. DurchschnittHch war der Gesammtertrag der Niederschläge, der sieh für die nord- wcstHchen Landestheile im Mittel zu 97,6, für den Nord- osten zu 63,9, für den Süden zu 69,0 und für ganz Deutschland daher zu 76,8 Millimetern ergab, nur wenig grösser als in der Regel im Juni, doch wurden aus den letzten Jahren die Niederschlagshöhen von Juni 1893, 1897 und 1899 von denen des letzten Juni bedeutend übertroffen. In den allgemeinen atmosphärischen Verhältnissen Europas traten während des vergangenen Monats noch mehr, als es gewöhnlich im Sommer zu geschehen pflegt, die intensiven Luftgebilde gegen die schwach entwickelten barometrischen Maxima und flachen Minima, die Urheber der kurz vorübergehenden und auf engere Ge- biete beschränkten Witterungsstörungeu zurück. 334 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 28. In den ersten Tagen lag ein an Höhe abnehmendes Maximum auf dem norwegischen Meere und den britischen Inseln, während in Kussland und im Gebiete des Mittel- meeres Depressionen von massiger Tiefe verweilten, von denen Theilminima nach Centraleuropa ausgingen. Die hier durch die letzteren verursachten massigen Nordost- winde drehten sich rasch über Süd nach West, als am 6. Juni ein Minimum bei Schottland und gleichzeitig ein neues Maximum auf der Biscayasee erschien, welche beide nordostwärts weiter zogen. Das Maximum blieb dann längere Zeit, sich anfänglich erhöhend und dann wieder verflachend, im Inneren Deutschlands oder in Deutschlands Umgebung und erst gegen Mitte des Monats vermochte von Nordost her ein Minimum, der Ausläufer einer in Nordrussland befindlichen tieferen Depression, in das Gebiet der Ostsee vorzudringen. Diese bildete auch im weiteren Verlauf des Juni den hauptsächlichsten An- ziehungspunkt für die zahlreichen neuen secundären Minima, welche theils ein über Russland lagerndes um- fangreiches Depressionsgebiet nach Westen, theils das Atlantische nach Osten entsandte. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ei-iiamit wurdHu: Geh. Kef^ieruiiHsr^ith Prof. Kerdinand Freiherr von Richthofen, Mitj^lied der Akademie der Wissen- schaften, zum Direktor des neuen Museums für Meereskunde an der Universität Berlin; Prof. Dr. Litten, dirigirender Arzt des städtischen Krankenhauses iu der Gitschinerstrasse zu Berlin und Privatdocent der inneren jMedicin und Unfallheilkunde, zum ausser- ordentlichen Professor; Dr. mud. Karl Ludwig Schleich zum Leiter der chirurgischen Abtheilung des Krankenhauses des Kreises Teltow zu Gross Lichterfelde; Privatdocent der inneren Medicin J. Wiczkowski in Lemberg zum Primararzt des dorti- gen Landesspitals. Es habilitirten sich: Dr. A. Vierkandt für Philosophie und Dr. W. Busse für Botanik in Berlin. Es starb: Prof. Arnold Schell, früher Lehrer der Vete- rinärkunde an der landwirthschaftlichen Akademie zu Poppeisdorf. Der X. internationale Congress für Hygiene und Demo- graphie iindet vom 10. bis 17. August in Paris statt. Der (Jon- gri'.-f. Ii. sirlit ;nis /.wri .Mithi'ilnugen, einer für H3'giene und einer für I )iiin.m;iiilii''. I>i>- li\ -i' iiische Abheilung umfasst folgende SiTliciirii; ,MiLr,.lii..l..-i(' uiid l'arasitologie; Ernährungshygiene, Chniiiscli.s iumI \ rtcriiiarwissi-nschaftliches; Assanirung der Ort- schaften, Ingenieur- und Arcliitekturwissenschaftliohes; Individuelle und Massenhygiene (erste Kindheit, öttentliche Uebungen, Schulen, Krankenhäuser, Gefängnisse u. s. w.), Leichenverbrennung; In- dustrielle und Gewerbehygiene, Arbeiter Wohnungen; Militär-, Marine-, und Kolonialhygiene; Allgemeine und internationale Hygiene (Prophylaxis der übertragbaren Krankheiten, sanitäre Verwaltung und Gesetzgebung), Transporthygiene (Allgemeines, Eisenbahnen, Schifte, Omnibus, Strassenbahnen, Automobilen). Die demographische Abtheilung hat keine Unterabtheilungen. Generalsekretär: Dr. A. J. Martin. Paris, Rue Gay Lussac S. XIII. Internationaler medicinischer Congress in Paris, vom 2. bis 9. August 1900. Das Bureau des Congresses besteht aus dem Vorsitzenden Lannelongue, dem Generalsekretär Chauffard und dem Schatzmeister Duflocq, sämmtlich in Paris; dem Executivcomite gehören ausserdem noch Bouchard, Bouilly, Brouardel, Dieu, Gariel, Le Dentu, Malasscz, Nocart, Raymond, Rendu, Roux als Mitglieder, de Massory und L6on Weber als Sekretäre an; die Adresse des Bureaus ist rue de l'ecole de modecine 21 in Paris. Es sind folgende Congresssectionen bestimmt: Biologische Wissenschaften (1. Ana- tomie, 2. Histologie, 3. Physiologie, 4. Anthropologie); Medicin (L Allgemeine und experimentelle Pathologie, 2. Bacteriologie, 3. Pathologische Anatomie, 4. Specielle Pathologie, 5. Hygiene und Pädiatrie (!), 6. Therapie und Pharmakologie, 7. Neuropatho- logie, y. Psychiatrie, 9. Dermatologie und Syphiligraphie); Chirur- gie (1. Allgemeine Chirurgie, 2. Kinderchirurgie (!), 3. Chirurgie der Harnorgane, 4. Ophthalmologie, 5. Laryngologie und Rhino- logie, 6. Otologie, 7. Stomatologie); Geburtshülfe und Frauen- krankheiten (1. Geburtshülfe, 2. Gynäkologie); Oeffentliche Medicin (1. Forensische Medicin, 2- Kriegsmedicin und Kriegschirurgie). Ein erster internationaler Congress der Philosophie winl vom 2. bis 7. August in Paris tagen. Es siml vier Klassen vor- gesehen: 1. Allgemeine Philosophie und .Metaphysik, 2. Ethik, 3. Logik, 4. Geschichte der Wissenschaften und Geschichte der Philosophie. Internationaler Mathematiker-Congress zu Paris, 6. bis 12. August 1900. Das Organisationscomue di'S i;rnainiien Con- gresses hat soeben ein Circular versandt, dnu fuliirmli' Angaben entnommen sind: Der Congress gliedert sich in filgfiide sechs Sectionen: 1. Arithmetik und Algebra, 2. Analysis, :'.. Geometrie, 4. Mechanik, Himmelsmechanik und mathematische Physik, 5. Biblio- graphie und Geschichte, 6. Unterricht und Methoden. AU Sprachen sind bei den Verhandlungen officiell zugelassen: Deutsch, Eng- lisch, Französisch und Italienisch. Der Betiag für die Theil- nehmer beträgt 30 Francs und berechtigt zur Theilnahrae an allen Arbeiten, Sitzungen, Besuchen etc., sowie zum Bezüge von Theilnelimerkarten für Familienglieder zu je 5 Francs. Die Bei- träge sind spätestens bis zum 15. Mai d. J. einzuzahlen an das Bankhaus Claude-Lafontaine, Martinet et Cie., rue de Trevise 32, Paris, für Rechnung des Organisation.'icrimiti's des .Vlathematiker- Congresses. Den Theilnehmern di-r ( i.irji-.-M' (nirlit d>'ii I' niiilini- mitgliedcrn) gewähren die franzii,-i~< in ii r.i-rnli.ilm.i] r\itr l',r- mässigung von 50 pCt., jedoch nur. ».nn Ji^' .MeMuiii; und Zah- lung rechtzeitig geschieht und zugleich folgende Angaben gemacht werden: 1. Namen und Adresse jedes Theilnehmers, 2. Ort, von wo man zum Congress reisen wird, 3. Bahnhof, auf welchem man das französische Gebiet betreten wird. — Alle, denen das genannte Circular nicht zugegangen ist, die aber dem Congress beizuwohnen wünschen, wollen sich baldigst an den „President du Comitc d'organisation, rue des Grands - Augustins, 7, Paris" wenden, worauf ihnen das Circular und ein auszufüllendes Formular zu- gesandt werden. Ein Congres international de Physique findet in Paris vom 6. — 12. August statt. Der Vorstand des Congresses setzt sich in der folgenden Weise zusammen: Le President du Comite d'or- ganisation, Cornu, Membre de l'Institut, President de la Societe frani;aise de physique. Le Tresorier, G. de la Touanne, rue de Tournon, 8, Paris. — Les Secretaires: Ch.-Ed. Guillaume, au Pavillon de Breteuil, Scvres, (Seine-et-Oise). Lucien Poin- care, boulevard Raspail, 105 bis, Paris. Der 8. internationale Geologen-Congress tagt vom lö. bis 28. August 19U0 m Paris. — Auslührliclieres vergl. „Naturw. Wochenschr." Bd. IV, No. 4, S. 37. Dir 21. Jahresversammlung der französischen geographi- schen Gesellschatten wird vom 20. bis 24. August 19UU in Paris unter der Leitung der dortigen Geographischen Gesellschaft statt- finden. Der IV. internationale Congress für Psychologie wird vom -lO. bis 25. August 1900 in Paris statttinden. Vorstand: Ribot erster, Riebet stellvertretender Vorsitzender; Janet, Generalsekretär; Alcau, Schatzmeistor; dem deutschen Comite gehören Ebbinghaus, Flechsig, Hering, Lips, Schrenck- Notzing, Stumpf, Wundt an. Die Zahl der Sectionen ist auf 7 festgesetzt (Psychologie iu ihren Beziehungen zur Physio- logie, zur Philosophie; experimentelle Psychologie und Psycho- physik; pathologische Psychologie und Psychiatrie; Psychologie des Hypnotismus und der Suggestion; sociale und kriminale Psychologie; vergleichende Psychologie, Anthropologie, Ethnolo- gie). Beitrittserklärungen sind an Dr. Pierre J anet, rue Barbet de Jouy No. 21, Paris, zu richten. Vom 2li. August bis 1. September wird ein internationaler Congress für Ethnologie in Paris stattfinden. In 7 Sectionen sollen behandelt werden: Allgemeine Ethnologie, Soziologie und Ethik; ethnographische Psychologie; Religionswissenschaft; Lin- guistik und Paläographie ; Wissenschaften, Künste und Industrioen; beschreibende Ethnographie. Die Vornrbeiton für die 72. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in Aachen sind jetzt schon soweit grdi.dii'n, d.a>s das allgeuiciiii' \\ issi'iischaftliche Programm fest- steht. Montag, den 17. 'Seiii|iteniher, findet eine allgemeine Sitzung statt, in welcher ein Ueborblick über die Portschritte der Natur- wissenschaften und der Medicin im 19. Jahrhundert von hervor- ragenden Vertretern der Einzelfächer gegeben wird. - Es werden sprechen: XV. Nr. 28. Naturwisscnscliaftüclie Wochenschrift. I. van t'Hoff-Bei-lin, Ueber die anorganischen Naturwissen- scliiiften. — 2. 0. Hertwig-Berliii, Ueber die Entwickelung der Biologie. — 3. Niiunyn-Strassburg, Ueber die innere Medicin cinscliliesslicli Bakteriologie und Hygiene. — 4. Chiari-Prag, Ueber die pathologische Anatomie mit Berücksichtigung der äusseren Medicin. Eine zweite allgemeine Sitzung findet Freitag, den 21. Sep- tember statt, in welcher einige zur Zeit die wissenschaftliche Welt bewegende Fragen besprochen werden: 1. Julius Wolff-Berlin, Ueber die Wechselbeziehungen zwischen Form und Function der einzelnen Gebilde des Organis- mus (mit Demonstrationen). — 2. E. v. Drygalski-Berlin, Plan und Aufgaben der deutschen Südpolar-Expedition. — 3. D. Hanse- mann Berlin, Einige Zellprobleme und ihre Bedeutung für die wissenscliaftliohe Begründung der Organtherapie. — 4. Holz- ajifcl- Aaclien, Ausdehnung und Zusammenhang der deutschen Steinkohlenfeldor. Mittwoch, den 19. September, tagen die medicinische und die naturwissenschaftliche Hauptgruppe getrennt. — In der medi- cinischen Hauptgruppe wird über den heutigen Stand der „Neu- ronenlehre" in anatomischer, physiologischer und pathologischer Beziehung von den Herren Verworn-Jena und Nissl-Heidel- berg ausführlich referirt. — In der naturwissenschaftlichen Haupt- gruppe werden folgende Vortiäge gehalten: 1. M. W. Beyerink-Delft, Der Kreislauf des Stickstoffes im organischen Leben. — 2. E. F. D ürre- Aachen, Die neuesteu Forschungen auf dem Gebiete des Stahls. — 3. Pie tzk er-Nord- hausen, Sprachunterricht und Fachunterricht (vom naturwissen- schaftlichen Standpunkt). Die übrige Zeit ist der Arbeit in den 38 Abtheilungen vor- behalten. Es sind schon über 800 Vorträge dazu angemeldet. — Gleichzeitig tagt eine Reihe wissenschaftlicher Vereine: Die 5. Jahresversammlung des Vereins abstinenter Aerzte, der Verein für Schulhygiene u. A. — In Verbindung mit der Naturforscher- Versammlung findet eine Ausstellung physikalischer, chemischer und medicinischer Präparate und Apparate statt. liig gesündigt dass dies die L i 1 1 e r a t u r. R. Zeiller, Ingenieur en chef des .Mines, Professeur ä l'Ecole nationale superieure des Mines, Elements de Paleobotanique. Georges Carre et C. Naud, editeurs a Paris 1900. — Pri.>: 20 Francs. Das trefflich ausgestattete und mit 210 Figuren versehene Buch will in möglichster Knappheit eine Uebersicht über die wichtigsten Elemente unserer gegenwärtigen Kenntnisse über die fossilen Pflanzen bieten. Es ist das dem auf dem Gebiete der Pflanzeupaläonto'ogie so kenntnissreichen Herrn Verfasser treff- lich gehingen. Er macht keine Proiniuainla fiii- Thfoiicen und Hypothi.'sen, die nicht hinreichend lirLiiumh'l siiul: .^ i^\ das auf dem beliandelten Gebiet besonders hihn,,! h.-i\ .., /uh.lHii. weil in dieser Beziehung von den Paläophytnlugi'u il worden ist und zum Theile noch gesündigt vvii Folge gehabt hat, dass die Botaniker sich auch mit dem thatsäch- lich Bekannten nicht beschäftigt und die Thatsachen der Paläonto- logie nicht, aber jedenfalls wenn überhaupt, dann nur oberfläch- lich und unzureichend, beachtet haben. Was Herr Zeiller vor- bringt, ist alles abgeklärt und stützt sich auf genügend festgelegte Thatsachen. Nach einer kurzen Einleitung bespricht Verf die verschiede- nen Erhaltungsweisen der Fossilien, bringt sodann einen Abschnitt über die Classification und Nomeuclatur, um zu dem umfang- reichsten Abschnitt: der systeinatisclien Betrachtung der Haupt- typeu der fossilen lMl:in::'ii, ulMMZfijilHn. Am Schluss des Werkes findet sich ein kui/'i- Ali.-c hnitt uhrr die zeitliche Aufeinander- folge der Floren und über dii' l\liiuato und endlich ein solcher mit Schluss-Betrachtungen, der sich mit Fragen der verwandt- schaftlichen Beziehungen der Fossilien beschäftigt. Eine Litteratur- liste und ein Register beschliessen das gute Buch. P. Dr. Paul Wossidlo, Director des Kgl. Realgymnasiums in Tarno- witz. Flora von Tarnowitz und der angrenzenden Theile der Kreise Beuthen, Gleiwitz und Lublinitz. Zum Gebrauche auf Au^riiigeii, in der Schule und beim Selbstunterricht. Verlag von A. Knthu in Tarnowitz 1900. — Preis 0,80 Mk. Fast yo Jahre hindurch hat sich Verfasser, unterstützt von einigen anderen Floristen, bemüht, die Pteridophyten- und Siphonogamen-Flora des angegebenen Revieres festzustellen. Er legt das Resultat in dem vorliegenden Heft vor, das nicht eine blosse Liste der Arten mit Fundortsangaben ist. sondern im Interesse der Schüler und Botanophilen eine Bestimmungsflora des Gebietes ist. Oberlehrer Prof. Dr. Otto Wünsche, Die verbreitetsten Pflanzen Deutschlands. Ein Uebungsbueh für den naturwissenschaft- lichen Unterricht. 3. Aufl. Leipzig u. Berlin. B. G. Teubner 1900. - Preis geb. 2 Mk. Für das Gros der Schüler ist es zweifellos ein Ballast, eine Flora in die Hand zu bekommen, in der alle Arten der Pteri- dophyten und Zoidiogamen aufgeführt werden, da die seltenen und selteneren Arten in der Schule nicht in Betracht kommen und überdies die Bestimmungstabellen complicirter gestalten. Das vorliegende Buch passt sich in dieser Hinsicht ganz der Schule an und erleichtert dem Schüler die ersten Schritte, die er über das in der Schule Verlangte hinausthut. Beucke, Gymn.-Oberlehr. Dr. Karl. Ueber die optischen Täu- schungen. Beiliii. — 1 Mark. Brückner, Gymn.-Oberlehr. Dr. IHax., Vielecke und Vielflache. Leipzig. — IG Mark. Classen, Geh. Reg.-Rath, Prof. Dr. Alex., Handbuch der ana- lytischen Chemie. 5. Aufl. Stuttgart. — 10,80 Mark. Cohn, Prof. Emil, Das elektromagnetische Feld. Leipzig. — 1.5,60 Mark. Faerber, Oberrealsch.-Oberlehr. Dr. Carl, Irrationale Zahlen und \ ■'ihidtnissi^ inkommensurabler Grössen. Berlin. — 1 Mark. Feltgen, Dr. Joh., Vorstudien zu einer Pilzflora des Grossherzog- thum Luxemburg. Liuxemburg. — S Mark. Föppl, Prof. Dr. Aug., Vorlesungen über technische Mechanik. 3. Bd. Festigkeitslehre. Leipzig. — 12 Mark. Hess. Prof. Dr. Edm., Weitere Beiträge zur Theorie der räum- lichen Configurationen. Leipzig. — 25 Mark. Hertwig, Prof. Dr. Rieh., Lehrbuch der Zoologie. Jena. — 13,.^0 Mark. Holder, Prof. Otto, Anschauung und Denken in der Geometrie. Leipzig. — 2,40 Mark. Jaennicke, Frdr., Studien über die Gattung Platanus L. 1892 bis 1897. Leipzig. — 8 Mark. Kirchner, Prof. Dr. Osk., u. Kust. Jul. Eichler, Exkursionsflora für Wiiittrnil.erg und Hohenzollern. Stuttgart. — 4,80 Mark. Kittl. Ernst, 1 )in Gastropoden der Esinokalke. Wien. — 20 Mark. Lariol, P. de. Etüde sur les Mollusques et Brachiopodes de l'Ox- fordiiii inf.-rirur ou zone k Ammonites Renggeri du Jura bernois. G.Mu'-vr (Berlin). - 16 Mark. Meyer, Prof. Dr. Hans, Der Kilimandjaro. Berlin. — 25 Mark. Näbelek, Prof. Dr. Fr., Wandkarte des nördlichen Sternhimmels. Wien. — 23 Mark. Paulsen, Prof. Frdr., Einleitung in die Philosophie. Berlin. — 5,50 Mark. Schenck, Prof. F., u. Dr. A. Gürber, Assistenten, Leitfaden der Physiologie des Menschen für Studirende der Medicin. 2. Aufl. Stuttgart. — 6,U0 Mark. Sturm, Prof. Dr. Rud., Elemente der darstellenden Geometrie. 2. Aufl. L.dpzig. - 5,60 Mark. Schröter. Zeichn. Ludw., Taschenflora des Alpen- Wanderers. Zürich. — i; Mark. Briefkasten. Hr. Barford in Kiel. — 1. Litteratur über Basilisken finden sie in Boulengers Reptilien-Catalog de^ Britischen Museums. — 2. Ueber Trapa sind Notizen und Artikel in der „Naturw. Wochenschr." erschienen: a) 1891, Band VI, Nummer 42, Seite 426, b) 1892, „ VII, „ 38, „ 388, c) 1892, „ VII, „ 1, „ 7, d) 1893, „ VIII, „ 32, „ 337, e) 1893, „ VIII, „ 34, „ 362, f) 1894, „ IX, „ 16, „ 199, g) 1895, „ X, „ 28, „ 341, h) 1S96, „ XI, „ 40, „ 475. Hr. J. Müller, Lehrer in Toffen bei Bern. — Wenden Sie sich an Hr. M. Buysmanii in Middelburg (Holland), der ein Her- barium auch tropischer Pflanzen herausgiebt. Inhalt: Rudolf Mewes: Das allgemeine Gesetz der Volumen- und Temperaturänderungen der Stoffe. — R. Beyer: Zur Geschichte der Verbreitung der Reblaus in Deutschland. — Ueber fossile Menschenaffen. — Ueber die ästhetische Bedeutung der Säugethiere. — Ueber die Orientirung der Brieftaube auf ihrem Fluge. — Ersatz erfrorener Frühlingstriebe durch accessorische und andere Sprosse. — Wetter-Monatsübersicht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: R. Zeiller, Elements de Paleobotanique. — Dr, Paul Wossidlo, Flora von Tarnowitz und der angrenzenden Theile der Kreise Beuthen, Gleiwitz und Lublinitz. — Prof. Dr. Otto Wünsche, Die verbreitesten Pflanzen Deutschlands. — Liste. — Briefkasten. 336 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 28. Dr. Robert Muencke t Luiseustr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. ^ Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ♦ ♦ und Geräthschaften im Gesammtgebicte der Natiirwissenschafte: "*■ Ferd. Uiinimlers VoilansbuchliaiKlInnp in Berlin SW. T^ Lehrbuch der Potentialtheorie, Aiigemeine Theorie des Potentials und der Potentialfunktionen im Räume. Von Dr. Arthur Korn. l'rivatJozent an der königl. Universität München. Mit 94 in den Text gedruckten Figuren. 27 Bog'eu gross Octav. Preis 9 Mk., gebaiideu 10 Mk. Lehrbuch Pflanz enpalaeontologie mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse des Geologen. Von H. Potoniö, Kgl. Bezirksgeologen, beauftragt mit Vorlesungen über Pflanzenpalaeontologie an der Kgl. Bergakademie zu Berlin. iMit 3 Tafeln und fast 70O Einzelbildern in 355 Te.xtfiguren. 402 Seiten, gr. 8 '. Preis geh. 8. - M., geb. 9,60 M. Icrb. jliimniltrs jlf rlagsburiiljaiiblunB in jjcrliit SW. 13, Jimmcrftr. 94 3n unferem SSerlage erf^ienen: 9fatumuffcnfcfjaftlicljc S?oIf)§t)üd)cr. fünfte, rctr^ tlliifirtertc ^uffagc. 3)urct)gcii;I)cn uiifa Ucrlicüei't Dt: f). Potonte nb ür. |l. Mennig. Wtt 40.5 ^üiiftrotioncii •21 ffciic in i §i. litoldi. 12 Hlarli, in 4 eleu, fciiitutib. 16 fllnrk. 21iid) in nact|fte£)enben ©onber=^.!Juggaben ^n bcjic^en: ®cr 3uiammen£)ang ber SJaturfräfte. SBitterungSfunbe. SBIüte uitb gnidif 9?a^rung^mittcl. Seil 1, 174 jfrait inib Glcftrijität. Seil 3, 120 ©, geb. 0,60 Wt. — ®ie glcftri.vtiit in iljvcv Xiliiaioubimg. Seil 4, 104 ©., ^tb. 0,60 Ml — SBoii bcn cl)eniijd)en Srnftcu uiib ©lettroc^emte. Seil 5. 108 S., geb. 0,60 Tit. — et)cniie. Seil 6, 79 ©., geb. 0,50 Mt - Sinqeronnbte et)emie. Säberfunbe. Seil 7, 116 ©., geb. 0,60 9JJf. — SSom hinter bcv ©rbe (®eologie). 58tm ber Umbrc^ung ber (Jrbc. ®ie ®c= fci)iuiiibigfcit bc? i'irliM Sei! 8, L52 ©,, geb. 1 W. — SnS ,Siiil)iid)eu im &. thm .s>i)|,iiioti.Mmi^N Seil •■K 127 ©., geb. 0,80 TOf. - 33ou imb Sebcii luni iffluiiu' unh Ju'v. Jnl 10, 163 ©., geb. 1 9J». - ®ci§ ®eiite«lebeii uon HcViiifl) uiib Il)ier. Seil U, 100©., geb. 0,60 9M - *l!il)d)iiUnvc mib VUimnig. Seil 12, 124 ©., geb. 0,80 Wf. - §erä mb i'liuie. Seil 13, 133 ®., geb. 0,80 Tit. — Sdileitimg ju diemiid)eu ertu'rimciiteii. iUrtftijfbe .sjeiäung. Seil 14, 192 ©., geb. 1 9Jif. — iliuturfrnft uub ©ciftC'jiualteii. SSolKroirtiri)aftlidie'3. S8üm ©piritiSmiiö. Seil 15, 163 ©., geb. 1 Tit. — eine ili|)anhi)icrfifc im ai'eltnil (Stftrüiiomie). Seil 16, 271 ©., gcb 1,60 Vif — Sic anfterfeiihou .^\aiif£)citen unb bie Batterien. Sie ^ilanseimu-ll unfrev .s;ieimat um[t uub jclU. 2>ie ©))eftr(ilamili)ie uub bie ;\-ijliciimiolt. Seiri7, 178®., geb. 1 W. — 91bfhimmimg'Meln-e uiib T-nnmiiic.iiiit'J, Seil l.s, il>s ©., geb. 0,80 50». — )Sm\ ber Civtialtiiug ber .yivafl. ieil l'.i, 104 ©., geb. 0,60 Tit. — 1:k (Siituiidelimg ber ^i^eIcudifinuvMed)uif. iUima= tülügic. Seil 20, 162 ©., geb. 1 Tit. ~ ^Die 9Jaturmiifeii(ct)aft im (Srrocrbsleben. aBtffeiiid)aft imb *BfuIofoBbic. Seil 21, 92 ©., gcb, 0,60 9Kt. Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. I |fri>. Piimmifre ilfrlogaburiilinnblnns in Strliit SW. 12, 3imincrltr. 94. i8üu D. Dr. 2öiü)clin Srf)rnber, ©cb Cbeioliciiicriiiiaäi-atf) unb .«iitatov ber Uiiii'erfitat ju .&citle. 284 Seiten gross Oktav. Geheftet 3 M., gebunden 4 M. Julien öffray de Lamettrie. Sein Leben und. seine Werke. J. E. Poritzky. 364 Seiten. 8°. Preis geheftet 4 Mark, gebunden 5 Mark. PhnJnsi^^phische Apparate rUOlU u. Bedaifsaitikel. 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Abonnements - Preis pro Quartal Maik 1.50, für das Ausland per Kreuzband durch die Verlags -Buchhandlung Frankensteiu & Wagner, Leipzig, Salomon- strasse 14, pro Quartal Maik 2.20 = 2 Shilling 2 Pence = 2 Fr. 75 Cent. — Probenummern gratis und franco. — lusertionspreis pro 4gespalteue Borgiszeile Mark — .10. Verantwortlicher Kedacteur Hugo Bernstein in Berlin. - Dr. Henry Potoniö, Gr. Lichterfelde- West bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. y^v-^^v^"'- Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düaimlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Rand. Sonntag, den 22 Jnli 1900. Nr. 29. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anatalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jll 4-— BrinKegeia bei der Post 15 A extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. i Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. BeUagen nach Uebereinkunft- Inserateu.-innahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdrnck ist nur mit vollständiger <{nellenans;abe gestattet. Die Provinz Westpreussen und ihre Naturdenkmäler. Von Dr. C. Brick (Hamburg). Wohl au vveuigen Stellen unseres Vaterlandes wird 1 faunistischer Beziehung (Berichte 1878 — 1898), auf die den ücnkn>älern der Natur und der frühzeitigen I wissenschaftliche Thätigkeit des Fischerei Vereins (Mit- Cultur eine solche Aufmerk- samkeit geschenkt wie in der Provinz AVestpreussen , wo unter der unermüdlichen An- regung und rührigen Leitung der Direction des Westpreus- sischen Provinzial - Museums schon seit zwanzig Jahren eine eingehende Durchforschung der Provinz ausgeführt wird. Nm- einige der Schriften seien hier angeführt, in denen diese Forschungen der Oeffentlich- keit übergeben sind. Die Amt- lichen Berichte über die Verwaltung der naturhisto- rischen, archaeologischen und ethnologischen Sammlungen des Westpreussischen Pro- vinzial-Museums (mit zahl- reichen Textfiguren, 1880 bis 1899), Abhandlungen zur Landeskunde der Pro- vinz W e s t p r e u s s e n (I - XI), die Prähistorischen Denk- mäler der Provinz West- preussen von Lissauer, (mit prähist. Karte, 1887), Vor- geschichtlich e Wandtafeln für Westpreussen (6 Blatt in Buntdruck, 3. Aufl. 1899). Hingewiesen sei ferner u. a. auf die vom Botanisch- Zoologischen Verein unter- Fi;:, i. nommene Durchforschung der Wacholder, Junlperus communis. KöniRliche Oberförsterei .Tan n..^,,!.,., ir. fl,^..;Qf;o«l,«,. „r,,l Schutzbezirk Walddorf, Ja^en 95 a. Aus „ForstbotanischeaMerkb Provinz in lloriStlSCher und I. provlnz Westpreussen", S. 43, Fig. 13. theilnngen und Berichte 1886 bis 1899), auf die Sitzungs- berichte der Anthropolo- gischen Section (1872 bis 1888) sowie auf die von Göppert, Menge und Con- wentz ausgeführte Bearbei- tung der Flora des Bernsteins. Dieser Erfolg ist haupt- sächlich dem Umstand zu danken, dass die Provinz West- preussen nach Wiedererlangung ihrer Selbstständigkeit von vor- neherein auch die Bestrebun- gen auf dem Gebiet der Wis- senschaft und Kunst wirksam gefördert hat. Während das Provinzial-Museum damals neu ins Leben trat, wurden auch die bereits bestehenden wissen- schaftlichen Anstalten und Vereine, besonders die Natur- forschende Gesellschaft, durch reichliche Gewährung von Subventionen in ihren Arbeiten unterstützt. Auf diese Weise entfaltete sieh auf die- sem Gebiet in Westpreussen während der letzten zwanzig Jahre ein intensives Schaffen und Wirken, wie es in solchem Maasse in mancher anderen Provinz nicht vorhanden ist. Diese rührige Thätigkeit hat schon seit längerer Zeit die Aufmerksamkeit weiterer 338 Natuiwisseuschaftliclie Wochenschrift. XV. Nr. 29. Kreise auf diese Provinz des preussischen Staates ge- lenkt. So war auch von der Geschäftsführung des im vorigen Jahre in Berlin tagenden VII. Internationalen Geographen-Congrcsses gemäss den Gepflogenheiten früherer Versammlungen, Ausflüge nach Gegenden zu unternehmen, die von Interesse für die physische oder die Verkehrsgeographie sind, eine wissenschaftliche Ex- cursion nach Ost- und VVestpreussen vorbereitet worden. Den Theilnebmern auf der gewählten Route in Westpreussen unter Führung des Directors des West- preussisclien Provinzial Museums, Prof. Dr. Conwcntz, konnten verschiedene geographische Charakterbilder und schöne Panoramen, geo- logische Aufschlüsse und palaeontologische Funde, Reste prähistorischer und geschichtlicher Niederlassun- gen, sowie pflanzeugeogra- phisch interessante Vegeta- tionen gezeigt werden. Eine wie reiche Abwechselung geboten werden konnte, möge das Programm der Fahrt demonstriren. Nach Besichtigung Ost- preussens gelangte man nach einer Fahrt mit der Haffuferbahn dicht am Rande des Frischen Haffes entlang nach Tolkemit, dem ersten westpreussischen Orte, wo eine kleine Aus- stellung bemerkenswerther Fossilien und steinzeitlicher Altsachen aus jener Gegend vorgeführt wurde. Von dort ging es, an einem Burgwall vorbei, in die Forsten von Stellinen, Cadinen und Bank lau. In der Stel- liuer Forst wurde das ur- wüchsige Vorkommen der Fichte, Picea excelm, unweit ihrer westlichen Verbreitungsgrenze und in den Heiligen Hallen der Panklauer Forst ein ur- wüchsiger reiner Bestand astfreier Rothbuchen, F'agus silvatica, nahe ihrer öst- lichen Grenze als be art besichtigt. Gleichzeitig Forst der schönste von den vier in ganz Deutschland als urwüchsig bekannt gewordenen Bäumen der Trauer- fichte, I'icea exdsa f. pendula, und ausserhalb des Parkes Cadinen das stärkste Exemplar einer alten Stiel- eiche, Quercus peduncidaia, in Ost deutschl and von 8,75 m Stammumfang (in 1 m Höhe) in Augenschein ge- nommen. Nahe dem Dorfe Lenzen befindet sich auf dem Silberberge ein ausgedehntes Gräberfeld aus dem 5. bis 7. Jahrhundert n. Chr., sowie ein vorgeschichtlicher Burg- wall. Ein Besuch der Ziegelei H oben h äff bot mächtige frühglaciale Thonablagerungen dar, welche eine diluviale Eismeerfauna (Yoldia arctica, Pagophüus groeyilandicus, Gadus sp. u. a.), Reste eines grossen Waldbestandes und einer reichen Landsäugethierfauna (Elephax prlmi-yenius, Rldnoceros ticliorrjiinns, Ramilfer tarandus, Binon priscus), einschliessen. Weiter ging's zu Wasser über das Haff und den Elbingfluss nach El hing und von dort per Aus „Forstbotauisclies Merkbuch. I. Provinz Wtstpreussen' itand bilden de wurde in der B a u m - Stelliner Eisenbahn zur Besichtigung von Marienburg und seines berühmten Ordensschlosses. Mitteis Dampferfahrten wurden dann der Lauf der Weichsel, ihre Kanäle und Schleusen, ihre Ufer mit den Deich- und Biihnenbauten, der künst- liche, 1895 vollendete, 7,5 km lange Nehrungsdurchstich zwischen Nickelswalde und Schiewenhorst, der 1840 er- folgte Durebbruch bei Neufähr, die frühere, jetzt voll- ständig versandete und geschlossene Mündung bei Weichsel- münde und die zweite, neuere Mündung bei Neufahrwasser in Augenschein genommen. Eine eingehende Besichtigung erforderte die Stadt Danzig mit ihren Alterthüralich- keiten und hervorragenden Baudenkmälern, ihren reichen Sammlungen und der schönen Umgebung. Von einer der höchsten Anhöhen dicht bei der Stadt, dem Bischofs- berge, geniesst man einen Blick auf die Moränenland- schaft des Hochplateaus, auf die Niederung und die Küste mit den Weichselmündun- gen, sowie auf die Stadt selbst. Auf der Westerplatte bei Neufahrwasser wurde eine praktische Uebung zur Rettung Schitl'brüchiger mittels Raketenapparats vor- geführt und dann die Dan- ziger Bucht befahren, wo in der Nähe des Vorgebirges Adlcrshorst die nackte Steil- küste eigenartige geolo- gische Aufschlüsse zeigt. In dem Badeorte Zoppot wurde der am hohen Ufer belegene vorgeschichtliche Burgwall besucht, und an der Thalmühle genoss man die bemerkenswerthe Aus- sicht auf die Danziger Bucht und auf die Halbinsel Heia mit ihrem Leuchtthurm, und von dem Karlsberge bei Oliva eines der sehens- werthesten Panoramen des ganzen nordostdeutschen Flachlandes. Alle Theil- nehmer haben wiederholt ihre hohe Befriedigung über diesen Ausflug und die ge- troffenen Veranstaltungen ausgedrückt. Der Ortsausschuss hatte den Gästen als litterarische Festgabe ein Büchlein: Danzig mit besonderer Be- rücksichtigung der geographischen Verhältnisse (104 S. mit 1 Karte) gewidmet, um einen kurzen Bück in Geographie und Geschichte der Stadt und in das herr- schende geistige Leben zu geben. Ausserordentlich ge- schickt ist darin die Geographie von Danzig und Um- gebung durch A. v. Bockelmann geschrieben. Die Stadt selbst befindet sich in einer lebhaften Umgestaltung. „Erst seit dem Jahre 1878 ist Westpreussen eine selbst- ständige Provinz und Danzig ihre Hauptstadt geworden, erst seit kürzester Zeit ist ein Theil des Kranzes von Wällen, den Ueberresten der alten Befestigung der inneren Stadt, gefallen und ein grossartiges neues Bauterrain ge- wonnen, seit unseren Tagen erst hat die Industrie einen Aufschwung genommen, dem Handel sind neue Wege durch Erbauung von Eisenbahnen und durch Einrichtung eines Freibezirks in Neufahrwasser gewiesen, und der An den obersten Ti leben '^ackrau, Kreis Graudenz XV. Nr. 29. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Betbätigung des geistigen Lebens ist durch die Aussiebt auf die Errichtung einer tecbniscben Hocbscbule eine mächtige Förderung zu Tbeil geworden." Den geolo- gischen Bau des Geländes, welcher durch zahlreiche Bohrungen, viele Kies- und Thongruben und vortreffliche natürliche Aufschlüsse klar gelegt und in seinen Grund- zügen leicht verständlich ist, schildert 0. Zeise. Die Meteorologie ist bearbeitet von A. Momber, die Ge- schichte nach A. Bertliug (f) von R. Damus. Die hervorragendsten Bauten führt Stadtbaurath Fehlhaber auf, undConweutz giebt eine Uebersicht über die An- stalten, Sammlungen und Vereine, ihre Thätigkeit, Zwecke, Publicationen etc. Man gewinnt aus der Leetüre des Büchleins den Eindruck, dass die selbstständig ge- wordene Provinz Westpreus- sen mit ihrer Hauptstadt auch auf culturellem und wirth- schaftlichem Gebiete der Zu- kunft thätig und hoffnungs- voll entgegenstrebt. Eine weitere neue Litte- raturerscheinung, welche die Naturdenkmäler in West- prcussen behandelt, ist ein in dem bekannten Verlage von Gebr. Borntraeger in Berlin auf Veranlassung des preussischeu Ministers für Landwirthschaft, Domänen und Forsten herausgegebenes Büchlein, welches von Prof. Dr. Conwentz bearbeitet worden ist und den Titel führt: Forstbotanisches Merkbuch, Nachweis der beachtenswerthen und zu schützenden, ur- wüchsigen Sträucher, Bäume und Bestände im Königreich Preussen. 1. Provinz Wcstpreussen. (94 S. mit 22 Abbild.) Die von Conwentz diesem Büchelchen zu Grunde gelegten Ideen sind folgende: „Immer mehr wird das Antlitz der Natur in unserem Vaterlande, wie in anderen Ländern, durch die fortschreitende Cultur verändert. Der Boden, welcher durch das Wirken der Naturkräfte im Laufe der Zeiten hervorgebracht ist, wird von Menschenhand wesentlich umgestaltet und häufig auch ganz zerstört. Die urwüchsigen Bestände der Pflanzen- und Thierwelt werden vernichtet oder ihrer Lebensbedingungen beraubt, und künstliche Züchtungen treten an ihre Stelle. Soll nicht unser Volk der lebendigen Anschauung der Entwickelungs- stadien der Natur gänzlich verlustig gehen, so ist es an der Zeit, die übrig gebliebenen hervorragenden Zeugen der Vergangenheit und bemerkenswerthe Gebilde der Ge- genwart im Gelände aufzusuchen, kennen zu lernen und möglichst zu schützen." Wie der Staat die Denkmäler frühzeitiger Kunst und Cultur zu erhalten bestrebt ist, wie der Fischwelt und dem Wildstande Schonzeiten gewährt werden, wie gewisse Thierarten gehegt werden, so soll dieser Schutz jetzt auch auf die Denkmäler der Natur ausgedehnt werden. Fig. 3. Knollenkiefer, Pinus silvestris L. Königliche Obcrrörsterei Wirthy Schutzbezirk Hartigsthal, Jagen 204a. Ans „Forstbotanisclies Merkbuch I. Provinz Westpreiissen", S. 11, Fig. 4. Zu den am meisten bedrohten Gebieten gehört der Wald. Mit der planmässigen Forstwirthschaft, bei welcher nur wenige ertragreiche Holzarten, meist in künstlich erzogenen Stämmen, in unseren Forsten cultivirt werden, geht der natürliche Wald immer weiter zurück. Durch den in Deutschland jetzt vorherrschend geübten Kahl- schlag werden die urwüchsigen Bäume und Sträucher nahezu gänzlich vernichtet, und gleichzeitig werden an- deren Lebewesen aus dem Thier- und Pflanzenreiche die Lebensbedingungen entzogen. Seltene Bäume gehen all- jährlich durch elementare Gewalt, Unachtsamkeit und Willkür zu Grunde, und ganze Waldtheile fallen der Axt zum Opfer. Als zu treffende Maass- nahmen, um dieser Aus- rottung Einhalt zu thun, werden von Conwentz fol- gende vorgeschlagen : 1) In- ventarisiruug der Natur- denkmäler, Eintragung der bemerkenswerthen und zu schützenden urwüchsigen Sträucher, Bäume und Be- stände in die Bücher und Karten der Forstbeamten. Es soll hiermit durchaus nicht eine zu grosse Belastung der Revierverwaltungen etc. ver- bunden sein, und nicht jeder alte Baum hat Aufnahme zu finden, sondern nach ver- gleichender Beobachtung nur solche Arten, welche ein all- gemeines oder wissenschaft- liches Interesse beanspruchen können. 2) Für jede Provinz sollen Merkbücher heraus- gegeben werden, die eine gedrängte Uebersicht der Naturdenkmäler , womöglich mit Abbildungen und kurzen Erläuterungen , enthalten. Diese Merkbücher sind nicht in erster Reihe für den Bo- taniker, sondern für den Forstmann , Waldbesitzer und Verwaltungsbeamten bestimmt. 3) Im Gelände sind geeignete Schutzvor- kehrungen zu treffen, eine Einfriedigung gewisser Bäume ist herzustellen, die Ge- stattung der Waldweide ist aufzuheben, vom Hieb zu verschonende Bäume sind mit Merkzeichen zu ver- sehen etc. Einzelne Bäume mit ihrer Umgebung können schon vom Revierverwalter erhalten werden, bei grösseren Beständen ist durch Verfügung der obersten Behörde der Kahlsehlag fernzuhalten und eventuell die Bewirthschaf- tung gewisser Waldtheile als Plänterwald anzuordnen. Es ist zu hoffen, dass auch die nicht fiskalischen Forst- verwaltungen und Besitzer von Privatwäklern folgen werden, sobald der Staat hierin vorangeht. Für die Herausgabe eines solchen Buches war in Wcstpreussen durch die langjährigen Beobachtungen von Conwentz an Ort und Stelle, unterstützt durch die be- theiligten Kreise, der Boden besonders gut vorbereitet. Es mag hier nur an die von Conwentz früher heraus- gegebenen Abhandlungen: „Die Eibe in Wcstpreussen, ein aussterbender Waldbaum" (1892) und „Beobachtungen 340 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 29. über seltene Waldbäume in Westpreussen mit Berücksich- tigung ihres Vorkommens im Allgemeinen" (1895) erinnert werden. (Vergl. Naturw. Wochenschr. X, 1895, Nr. 52.) Von Westpreussen hat Conwentz seine Studien auch auf die Wälder der angrenzenden Theile von Pommern, der Mark Brandenburg, Posen und Ostpreussen, wie auch des russischen Nachbargebietes ausgedehnt, da die unweit der Grenze gemachten Beobachtungen häufig einen Fingerzeig bilden können, auf was im Gebiet selbst noch zu achten ist. Berücksichtigt in dem Merkbuch werden zunächst diejenigen Baumindividuen, welche duich eine ge schichtliche oder culturhisto- rische Bedeutung, durch hohes Alter oder durch ungewöhn- liche Grössenverhältnisse, durch Bildungsabweichuugcn u. dergl. m. ausgezeichnet sind. Aufgerührt sind sodann .seltene Baum arten und Spielarten, sowie solche Arten, die in Vergessenheit gerathen oder in raschem Schwinden begriffen sind. Ferner finden subfossile Holzrestc Er- wähnung, um auf ein re- centes Vorkommen der Art in der Gegend hinzuweisen. Schliesslich sind auch k lei- ne reWaldtheile bezeichnet, die sich durch charakte- ristische, urwüchsige Hölzer auszeichnen, ein geographi- sches Interesse darbieten, seltene Pflanzen und Thier- arten beherbergen oder von besonderem landschaftlichen Reiz sind. Auch ausserhalb des Waldes stehende einzelne urwüchsige Bäume sind in den Kreis der Betrachtung gezogen. Die Anordnung in dem Buchlein erfolgt nach Regierungsbezirken; in diesen wieder werden getrennt die königlichen nnd Fideicom- miss-Forsten mit ihren Forst- revieren und Schutzbezirken, die Staatsforsten mit den Forstiuspectionen, Oberför- stereien, Revierförster - Ab- theilungen und Schutzbezirken, dann die Gemeinde-, Stiftungs- und Genossenschafts- Forsten mit ihren Forst- verwaltungen, die Privatforsten mit ihren Oberförstereien und Schutzbezirken und schliesslich die Gelände ausser- halb des Waldes nach den einzelnen Städten, Orten, Gütern u. s. w. Vermisst werden wird in dem sonst so übersichtlichen und durch verschiedene Register leicht zugänglichen Büchlein von dem der Provinz Westpreussen ferner stehenden Leser eine Karte, auf welcher die er- wähnten hauptsächlichsten Namen zu finden sind. In den Forsten werden dann die einzelnen erwähnenswerthen Jagen hinsichtlich ihrer Bcstockung, ihres Wuchses, ihrei' beachtenswerthen und ihrer zu schützenden Bäume und Sträucher sowie ihrer sonstigen interessanten Flora, wie Epheu, besonders auch blühender, Sumpfheide, Stranddorn, kleinblättrige Mistel { Vismm album laxum), Trüffel etc., be- sprochen. Für die meisten der genannten Bäume sind ausführliche Messungen angegeben, die mit .stannens- Fig 4 Zweibeinigre Rothbuche, Fagiis silvatic Neustadt, Schutzt>ezirk Rekau. JaKen werthem Fleisse im Laufe der Jahre ausgeführt worden sind. Hier und da sind allgemein forstliche, cultur- geschichtliche und pflanzengeographische Bemerkungen aufgenommen, vorhandene Schutzvorrichtungen angegeben, ihre Abänderungen vorgeschlagen oder auf die Art und Weise des auszuübenden Schutzes hingewiesen. Auch Aussichtspunkte, landschaftlich schöne Gegenden etc. sind besonders hervorgehoben. Die Provinz Westpreussen ist pflanzengeogra- phisch u. a. dadurch ausgezeichnet, dass eine Reihe von Holzarten ihre Verbreitungsgrenze hier erreicht; es ist dabei inteiessant, dieselben in ihren Vorposten zu Studiren. Dabei hat sich gezeigt, dass sie sich an dieser Grenze gerade zu- meist in schönen, kräftigen Exemplaren sowohl in den Einzelindividuen als auch in den Gemeinschaften ent- wickeln und freudig ge- deihen. Die Fichte (Urea e.vcel.-ia Lk.) fehlt von Natur weiter westlich im deutschen Küsten- gebiete, und ihre westlichen Ausläufer als bcstandbildende Baumart sind die Waldungen von Cadinen, wo der ganze freudig gedeihende Bestand noch das urwüchsige Gepräge bewahrt hat. Es wäre daher von Werth für die Heiniaths- kunde und die Geographie der Pflanzen , wenn dieses Revier vom Kahlschlage ver- schont und thunlichst im ur- wüchsigen Zustande erhalten bliebe. Stellenweise rein findet sich die Fichte dann in dem unmittelbar westlich angrenzenden Panklauer Walde, sonst in einzelnen Stämmen in den Kämmerei- forsten der Stadt Elbing und in einem Bauernwald bei Dörbeck. Dieses Gelände, welches wegen seiner land- schaftlichen Schönheit im Volksmunde den Namen „Dör- becker Schweiz" führt, ent- hält das westlichste Vor- kommen einzelner Stämme der Fichte im deut- schen Küstengebiete. 80 km weiter westlich sind noch subfossile Holzreste im Wiesenkalk bei Rehhof, Kreis Karthaus, aufgefunden worden, als ein Zeichen dafür, dass ehedem der Baum hier urwüchsig vorkam. Ein weiter südlich gelegener Grenzpunkt des natürlichen Vorkommens der Fichte ist in einem Stamme im Schutzbezirke Neu- Werder der Oberförsterei Raudnitz gegeben. Für ein anderes Nadelholz, die Lärche (Lan'.r J<-ri- dua Mill.), bezeichnet das Auftreten einzelner ansehnlicher Stämme in Tomkowa bei Gross Pnlwiesk (Kreis Rypin, Gouv. Plock) als Ueberreste eines alten Bestandes in dem russischen Nachbargebiete, 1 km von der preussischen Landesgrenze entfernt, den äussersten Standort nach Norden. Auf preussischem Gebiete wurden Spuren der Art bisher nicht gefunden. Von Laubhölzern erreicht die Eisbeere (Firns tor- minalis Ehrh.) im Mendritzer Walde, Kr. Graudenz, die iuz Westpreussen' i.ünighche Oberfbrbterei Aus „Forstbotaiiisches , S. 21, Fig 7. XV. Nr. 29. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 341 Ostgrenze ihres Vorkommens überhaupt; es finden sich dort etwa 20 Stämme, welche bis 1 m umfang und 11 ni Höhe erreichen, und etwas Wurzelbrut. Der nörd- lichste Standort der Art in der Provinz ist bei Borschthal in der Oberförsterei Lorenz, Kreis Bereut. Der reichste und schönste Elsbeeren-Standort Westpreussens ist indess die Chirkowa der Oberförstereien Osche und Rehberg in der Tucheier Heide, ein gegen den umgebenden Kiefern- wald scharf abgegrenzter, schöner Laubholzbestand ver- schiedener Baumarten, besonders Weissbuche und Eiche. Die Eisbeere ist hier einzeln oder in kleinen Gruppen in mehr als 100 alten, meist fruchttragenden Stämmen von 1 — 2 m Umfang und 20 — 26 ni Höhe sowie in sehr zahlreichen Wurzelschösslingen und Säm- lingen vorhanden. An der Siidgrenze ihres natürlichen Vorkommens be- gegnen wir der Schwe- dischen Mchlbeere (Pirus succicd Gcke.), deren Haupt- verbreitungsgebiet in Schwe- den, Dänemark, Finland und den russischen Ostseeprovinzen liegt, in Westpreussen an vier Punkten, Oxhöft, Hoch-Redlau und Koliebken nördlich von Danzig und am südlichsten bei Karthaus. Die Holzart ist hier meist strauch förmig oder als Stockausschlag vertreten, und nur ein Karthäuser Baum besitzt 90 cm Umfang und 1 1 m Höhe. Von dem Feld a hörn oder M a a s s h 0 1 d e r (Acer cam- jicstre. L.) bezeichnet das Vor- kommen auf der Nonnenkämpe, einer Weichselinsel bei Kulm, d ie G r e n z e d e r V e r b r e i t u u g nach Osten. Die Holzart bildet hier, wie in der mittel- deutschen Auewaldungen, auf weite Strecke dichtes Unter- holz in einem Bestände aus Rüstern und zum Theil mäch- tigen Eichen, vereinzelt unter- mischt mit Silber- und Schwarz- pappel; aber es kommen auch hochgewachsene Stämme, die bis 1,02 m Umfang und 15 Ebendaselbst findet sich, als Deutschland vereinzeltes Fig. 5. Beutkiefer, Pinus silvestiiä L., unbewohnt. An der Strasse von Löbau nach Deutsch Eylau. Fürstlich Reussische Oberförsterei Raudnitz, Schutzbezirk Rosenkrug. Jagen 70. Aus „Forstbotanis.bes Merkbuch. I'rovinz Westpreui m Höhe erreichen, vor. ein im ganzen östlichen Vorkommen , eine geschätzte Speiset ruf fei (Juber aestivum Vitt. mescntericum E. Fisch.), welche früher mit Schweinen gesucht und zu einem hohen Preise auf den Markt gebracht wurde. Auf der Kiefer schmarotzt in den Forsten des Re- gierungsbezirks Marienwerder hin und wieder die klein- blättrige Mistel (Vlscinn allmm L. laxinn Boiss. et Reuter = mkrophyllum Casp.), welche sich von der Normalform durch kürzere und schmälere Blätter sowie durch kleinere, grünlichweisse Beeren unterscheidet. Im Regierungsbezirk Danzig und in der Provinz Ostpreussen ist diese Kiefernmistel nicht bekannt, dagegen ist sie im westlichen und südlichen Nachbargebiete nicht selten. Sie erreicht also im südlichen Theile der Provinz West- preussen anscheinend die Grenze ihrer Verbreitung im nordöstlichen Deutschland. Zu erwähnen wäie noch das Vorkommen der Roth- buche ( Fa(jii'< silvatira L. ), n a h e d c r 0 s t g r e n z e ihrer Verbreitung als Wald bäum in dem ausserordentlich schönen, geschlossenen , reinen Bestände der Gutsforst Panklau, Kr. Elbing, am Frischen Haff, wo dieselbe ge- rade, schlanke, bis auf 18 m Höhe astreine Stämme bildet, welche 2,20 m Umfang und 32 m Höhe eri-eichen, und deren Kronen sich 7A\ einem dichten Laubdach zusammen- wölben. Der Wald hat im Volksmunde, ebenso wie ein gleicher Bestand im sächsischen Reviere Tharandt, den Namen der „Heiligen Hallen" erhalten. Eine eingehende Berück- sichtigung findet ausser den genannten Holzarten ferner das Vorkommen der Eibe (Taxus haccata L.), in der Provinz, deinen aussterbende und daher um so mehr zu schützende Standorte sämmt- lich genau aufgeführt werden. Den reichsten Eibenstandort im preussischen Staate und weit darüber hinaus bildet als Oase in der Kiefernheide der Zies- oder Cisbusch (poln. eis = Eibe) in der Oberför- sterei Liudenbusch im Kreise Schweiz, eine ehemalige Insel im Mukrz-See. Neben der Kiefer treten dort Weissbuche, Birke, Eiche, Linde, Bei'g- ahorn, Kreuzdorn, Epheu und andere Holzarten auf. Die Eibe, Strauch- und baumförmig ausgel)ildet und freudig ge- deihend, durchsetzt einzeln oder horstweise als Unter- und Zwischenholz den ganzen Be- stand; im ganzen finden sich weit über 1000 erwachsene Exemplare bis zu 1,56 m Stammumfang und 13,10 m Höhe, zahheichc Stammaus- schläge und Wurzelbrut sowie junger Aufschlag von Säm- lingen. Der Cisbusch wird seitens der Forstvcrwaltung bereits geschont und plänter- artig bewirthschaftet. Die entlegene Gegend schützt die Bäume einigermaassen vor Beschädigung dui-ch Menschenhand. Solche Beraubung geschieht an anderen Orten vielfach, indem Eibenzweige zur Ausschmückung der Kirchen und zu Grabkränzen be- nutzt werden, ohne dass die Landbewohner diese Be- schädigung, des religiösen Zweckes wegen, für ein Ver- gehen halten. Aber auch dem Cisbusche hat wiederholt besondere Gefahr gedroht, indem man beabsichtigte, hier eine Schule anzulegen, ferner den Wasserspiegel des Sees um 1 m zu senken etc. Es steht zu hoflen, dass dieser in seiner Art einzige Bestand für alle Zeiten einen wirksamen Schutz geniesst. Das Vorkommen der Be- zeichnung Cis oder von Zusammensetzungen derselben in Ortsnamen oder ähnlichen lässt übrigens auf weiteres früheres Auftreten der Eibe schliessen. Als beachtenswerthe Bäume sind von den ver- schiedenen Holzarten eine Reihe von starken und alten Exemplaren mit ihren genauen Standoi-ten und ihrem Erhaltungszustand, der Umgegend etc. Fig. 342 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 29. aufgenommen. Von der Fichte sind Bäume von mehr als 2V2 m Stammumfang (stets in 1 m Höhe gemessen) und mehr als 30 m Höhe ziemlich häufig. Von der Kiefer werden mehrere Stämme von 3,20 — 3,68 m Umfang bei 24—33 m Höhe und bis 14 cm Inhalt erwähnt; auch Bäume von 4 m Umfang sind vorhanden. Das stärkste Exemplar dieser Art mit 4,56 m Umfang und 24 ni Höhe befindet sich auf freier Feldfläche im Schutzbezirk Baa- deln der Oberförsterei Finckenstein. Starke Bäume der Roth buche werden angegeben mit 4,18 m Stamm- umfang (am Boden 6,28 m) im Schutzbezirk Nadolle der Oberförsterei Neustadt und 4,40 m Umfang in der Gutsforst Rauschen im Kreise Neustadt, die stärkste Rothbuche mit 5,36 m Umfang und 23,5 m Höhe steht am Westufer des Klostersees bei Karthaus. Eine freistehende Buche, die „krause Buche", am Wege von Semhn nach Hoppen- dorf in der Oberförsterei Stangenwalde mit 4,20 m .Stamm- umfang zeichnet sich durch eine sehr dicht verzweigte Krone, die sich 28 m im Durchmesser ausbreitet, aus. Von den Eichen liefert die Stieleiche die stärksten Exem- plare, und zwar befindet sich ein Baum von 6 m Um- fang und 18 m Höhe auf einem Acker an der Strasse von Deutsch Eylau nach Löbau, welcher der Haltestelle Alteiche der Marienburg-Mlawkaer Eisenbahn den Namen verlieben hat. Ebenso hat die Haltestelle Alte Eiche der Eisenbahnlinie Schneidemühl — Stargard i. Pomm. nahe Deutsch-Krone von einer Eiche mit 7,43 m Stammumfang ihren Namen. Eine Eiche von 7 m Umfang und 20 m Höhe steht an der Weichsel im Schutzbezirk Kämpe der Oberförsterei Ostrometzko, Kr. Kulm. Eine der stärksten Eichen von ganz Deutschland ist der an der Strasse von Elbing nach Tolkemit ausserhalb des königlichen Parkes Cadinen befindliche Baum mit 8,75 m Umfang und 25 m Höhe; 11 Soldaten mit Gepäck haben in seinem hohlen Innern Platz. Von der Schwarz- und Silberpappel sowie der Rüster befinden sich starke Bäume auf der Nonnenkämpe, jener schon erwähnten Weichselinsel bei Kulm. Die einzelnen Rüsterstämme erreichen daselbst 2,85 m Stammumfang und 25 m Höhe, eine Eiche 4,80 m Umfang und 24 m Höhe; eine Silberpappel misst 4,90 m Umfang und ca. 28 m Höhe, eine Schwarzpappel 6,10 m Umfang und ca. 30 m Höhe. Noch stärker sind einige Silberpappeln im Ueberschwemmungsgebiet der Weichsel weiter südlich im Schutzbezirk Kämpe, sie messen bis 7,5 m Stammumfang und 30 m Höhe. Von der Esche werden für das stärkste Exemplar im Sehutzbezirk Dars- lub bei Putzig als Maasse 7 m Umfang und 30 m Höhe angegeben. Ihre Verbreitung in der Provinz scheint früher, nach gewissen Ortsnamen, wie Jascherrek u. ä. (polnisch jasion^Esche) zu schliessen, eine grössere gewesen zu sein. Bedeutende Maasse kann auch die Linde (TUia parvl- folia Ehrh.) erreichen. In der Gutsforst Faulen, Kr. Rosen- berg, steht ein Baum Ton 4,9 m Umfang und 26 m Höhe, in der Gutsforst Kl. Ludwigsdorf in demselben Kreise ein solcher von 5,80 m Umfang und 22 m Höhe; beide Bäume .«ind in der Krone mit zahlreichen Mistelbüschen besetzt. Bei der Mühle Klodtken im Kreise Graudenz misst eine Linde 6,80 m Umfang und 19,.50 m Höhe. Das stärkste westpreussische Exemplar dieser Baumart befindet sich jedoch am Bahnhof Sedlinen, südlich von Marienwerder. Bei Anlage des Bahnhofs musste das Terrain um IV2 m erhöht werden, und der Baum wurde mit einer leider nicht weit genug gebauten Ringmauer umgeben. Der Umfang des Stammes in IV2 m Höhe beträgt 7,5 m, seine Höhe 23 m. Dieser Baum ist wohl aus Stock- ausschlag im ehemaligen Walde erwachsen. Auch eine baumartige Ausbildung von einigen sonst nur als Sträucher auftretenden Gewächsen wird für Hasel und Wacholder berichtet. Im Schutzbezirk Kujan bei Flatow befinden sich mehrere baumartige Exem- plare der Haselnuss, deren Stamm am Boden 1,80 m, in 1 m Höhe 78 cm Umfang erreicht. Ein baumförmiger , Wacholder von 6,70 m Höhe und 82 cm Umfang (1,21 m am Boden) steht auf der Feldmark von Plietnitz, Kreis Deutsch Krone. Noch höher war der Wacholder im Schutzbezirk Walddorf der Oberförsterei Jammi, südlich von Marienwerder (Fig. 1)*); er erreichte 10 m Höhe bei 1,92 m Schaftlänge und 77 cm Umfang. Leider aber ist dieser merkwürdige Baum 1891 gefällt worden, und nur ein Stubben «on 1,22 m Umfang weist noch auf diese Seltenheit hin. Ferner wird eine Reihe von Varietäten und be- sonderen Formen unserer Waldbäume aufgeführt. Das hervorragendste Exemplar einer Trauerfichte (Picea excelsa Lk. f. pendula Jacq. et Her.), in der Stelliner Forst bei Elbing ist schon oben erwähnt und auch früher in dieser Zeitschrift (Naturw. Wochenschr. X, 1895, Nr. 52) besprochen und abgebildet worden. Eine Schlangeu- kiefer (Pinus silvestris L. virgata Casp.) ist in dem Schutzbezirk Neuhof der Oberförsterei Lutau, Kr. Flatow, vorhanden. Die Wuchsform hat zwar nicht ganz ihren früheren Charakter bewahrt, aber die Hauptäste sind wenig verzweigt, lang gestreckt und unregelmässig schlangenförmig gebogen. Nicht weit von ihr steht eine Pyramiden -Weissbuche (Carpinus ßetulus L. pyra- midalis Hort.) mit ziemlich steil abgehenden Aesten. Merk- würdig und sehr selten ist die kurznadelige Kiefer (Pinus silvt'stris L. parvifolia Heer = hrachijphylla Wittr., microphijüa Schwerin), von welcher sich ein 3 m hohes Stämmchen bei Sackrau im Kreise Graudenz findet (Fig. 2). Die reichlich verzweigten Hauptäste sind dicht mit auffallend kurzen, gewöhnlich nur 10 — 15 mm langen Nadeln besetzt; an den oberen Trieben sitzen stellenweise etwas längere Nadeln. In der Mark Brandenburg finden sich Exemplare dieser Varietät z. B. bei Weudisch- Wilmersdorf. Ein eigenartige^ Waldbild entsteht durch das reichliche, horstweise Auftreten der Knollen- oder Warzenkiefer (Fig. o), deren Stämme von unten bis oben, und selbst bis in die Aeste hinein, ringsum mit warzigen knolligen Auswüchsen von Faust- bis Kopf- grösse bedeckt sind, in dem Schutzbezirk Hartigsthal der Oberförsterei Wirthy. In einem Jagen stehen wohl 100 Stämme dieser sonderbaren Form, in einem anderen etwa 50, in einem dritten mehr als 30, in andern Jagen findet sie sich vereinzelt oder zu 3 — 4. Zahlrei'jhe Stämme der Knollenkiefer sind auch in der Oberförslerei Zander- brück und ein einzelnes ziemlich starkes (2,76 m Umfang) Exemplar in der Oberförsterei Eisenbrück vorhanden. Be- kannt sind 2 solcher Bäume ferner in der Oberförsterei Wolfgang im Regierungsbezirk Cassel, aber ein so reicher Standort wie in Hartigsthal ist sonst nirgends zu finden. Von Abnormitäten werden in dem Merkbüchlein die sogenannten zweibeinigen Bäume erwähnt; es sind dies zwei benachbarte Stämme, welche in einer ge- wissen Höhe zu einem vollkommen einheitlichen Stamme verwachsen sind. Solche Verwachsungen können von Natur entstehen, bisweilen sind sie aber wohl mit Zuthun des Menschen zu Stande gekommen. Beschrieben werden 2 zweibeinige Rothbuchen (Fig. 4), eine Eiche und 2 Kie- fern mit Zweibeinigkeit. Einem besonderen Zweck haben gewisse, meist starke Kiefern früher gedient, welche als Bienenbäume oder Beut- kiefern (Fig. 5) bezeichnet werden. In den Stamm der- selben ist eine tief in das Innere gehende Höhlung mit lang *) Die beigegebenen Figuren sind von der Verwaltung des Westjjreussischen Provinzit nl.so nach denselben Princi|)ien abgefasst wii.' (l,'l^~ I ,ilii Imh li. d. Ii.. es ist das „bio- logi.sche" Moment in den \ iiiilrr^^ruiid iiciiickt worden. Dem Leitfaden ist ein Abris-s einer „Menschenkunde und Gesundheits- lehre" hinzugefügt worden. Friedrich Jaennicke, Studien über die Gattung Platanus L. |.s9--'-I.s;)7. Nova Acta. Abhandl. der K.-iiscrl. Leop.-Carol. Deutschen Akademie der Naturforscher, Band LXXVII, No. 2. In Cominission bei Wilhelm Engelmann in Leipzig. Halle 1899. - Preis 8 M. . Die umfangreiche Abhandlung bringt nicht weniger als zelin Tafeln; sie erschöpft in systematischer Hinsicht so gut als es die derzeitigen Herbar-Materialien gestatten ihren Gegenstand und bildet daher eine vorzügliche Grundlage für weitere Studien und zum Bestimmen der Platanus-Arten. Von den allgemeineren Resultaten sei das Folgende erwähnt. Verf. reducirt die Arten auf im Ganzen C. I",r hat festgestellt, dass alle (vielleicht aber wenig walirschrinlicli mit Ausnahme von Platanus mexicana) Arten in \i, sich bis auf die einzelnen Individuen erstreckenden MiHlificationen der Belaubung auftreten, in einer ± stark gezähnten (fdiin.i (li'iifatii) und einer ganzrandigen oder nur dürftig gezähnten (f. iiitci;ril'iilia). Bei der heutigen Auffassung einer Anzahl von Paliiuntolugen, dass die Crednerien aus der mittleren und oberen Kreide ilie ältest-bekannten Vorfahren der Platanen sein dürften, eine Vermuthung, der auch der Referent in seinem Lehrbuch der PHanzenpaläontologie S. 328 Ausdruck verliehen hat, wird die vorliegende Monographie die genannte Gelehrton-Gruppc lusoiulrrs interessiren, umsomehr, als Verf. viele Lauldil.itt AMiiUnii-en bietet. Allerdings fehlen unter diesen geraile so], Im l'.hitter, welche — wie oft besonders auffällig die der Schiisslingv, Stock- ausschläge der Platanen — den Crednerien durch die eigenthüm- liche Aderung am Grunde der Spreiten und durch die Form der- selben gleichen. Nur hier und da sind Uebergangsformen zu solchen typisch crcdnerischcn Platanus-Blättern abgebildet. Verf. geht von der freilich zweifellos zu den Platanen gchiirigen l'lMtauus aceroides aus dem Tertiär aus; es wäre für den I'IIaii/,i-n]i.il;i(into- logen interessant gewesen, von einem Monographon der Cattung Platanus zu hören, wie er über die Zurechnung von Crodneria zu Platanus denkt. Ich werde in einem besonderen Artikel in der „Naturw. Wochenschr." auf den Gegenstand zurückkommen. P. Dr. J. A. Klimont, Wien, Die synthetischen und isoiirten Aromatica. Leipzig, Verlag von Eduard Baldaunis (Baldamus & Mahraun) 1899. Unter der Ueberschrift „Begriff der Aromatica" führt Verf. Folgendes aus: Riechstoft' im weiteren Sinne ist jede Substanz, welche auch durch den Geruchssinn wahrnehmbar ist; im engeren Sinne nur eine wohlriechende Substanz, eine solche, welche ein gewisses Behagen bei ihrer Geruchswahrnehmung hervorzurufen vermag. Es ist ja bekannt, dass eine grosse Zahl von Produkten unsere Nerven durch alle Scalen des Unbehagens bis zum Ekel erregen können. Die Riechstoffe — seit den urältesten Zeiten zu Luxus-, Kultus- und theilweise auch zu Heilzwecken benutzt, sind vegetabilischer Herkunft, nur der Moschus und die Ambra entstammen d<'in Thiorrciche. Sie kommen meist fertiggebildct im Pflanzcnorganismus als ätherische üele vor und lassen sich ihm auf mannigfache Weise durch Pressung, Extraction oder durch Destillation mit Wasserdampf u. s. w. entziehen. Die Be- schreibung dieser Stoffe und der zu ihrer Herstellung bevorzugten Verfahren finden sich in den verschiedenen Monographieen über ätherische Oele. Gegenstand der vorliegenden Schrift ist sie jedoch nicht. Vielmehr hat diese Abhandlung lediglich die Charakteristik solcher Riechstoffe, welche als chemische Individuen bereits erkannt sind, zum Zwecke. Die hierher gehörigen „Aromatica" gehören folgenden Classen an: den Kohlenwasserstoffen der Benzol- und Terpenreihe, den Alkoholen, Aldehyden und Ketonen der aliphatischen Benzol- und Terpenreihe, den Säuren, Säureanhydriden und Aethern, den Phenoläthorn und einigen Verbindungen mit den Substituenten N, NO-i, S, CN. Diese Körper werden in ihren wichtigsten Vor- tretern in dem vorliegenden Buche nach Darstellung, Eigenschaften und Verhalten besprochen. Klimont wagt dann ferner den Versuch, Beziehungen zwischen Aroma und chemischer Constitution aufzufinden. Er hat eine Reihe sogenannter „aromatophorer Gruppen" aufgestellt, zu welchen er die Alkdlml-, Acther-, Aldehyd-, Kdon-, Carlioxyl-, Carboxyläther- und I '.sIci-niiiiH', die Lacton-, l'licnnl , riimol- äther-. Nitro- und Sidlnc\ ,int;ruppc rechnet. Veit trill in Unter- suchungen ein über dm l-liidhiss der Zahl der Snlistitiicnt,<-ii .-luf das Aroma, den lüntluss doppelter und dreifacher Bindung auf das Aroma, die llumologie des Aromas, die Analogie desselben und die Intensität des Geruches. Man darf nicht erwarten, dass die Erörterungen über diese Dinge mehr als einen Versuch dar- stellen. Aber schon ein solcher dürfte anzuerkennen sein, wenn gleich die Resultate, die bei diesen spekulativen Forschungen herauskommen, bisher naturgemäss nur bescheiden ausfallen können. Das Klimont'sche Buch empfiehlt sieh zum Studium für die- jenigen, die sich praktisch oder wissenschaftlich mit ätherischen Gelen beschäftigen. Thoms. I. Viajes de Fray Francisco Menendez ä la Cordillera, publi- cados y comentados per Francisco Fonck. Valparaiso, C. Niemeyer, 1S9(;. 8". S. 111. II. Viajes de Fray Francisco Menendez ä Natuel huapi, pubh- cados y comentados por Francisco Fonck. Valparaiso, C. Niemeyer, 1900. 8". S. 528. Die Centenar-Feier der Reisen des Padre Menendez in die Cordilleren Südchiles giebt dem auf geographischem und archäo- logischem Gebiete seit lange thätigen Verfasser Gelegenheit, sein reiches und mannigf^iltiges Wissen auf dem angegebenen und auf naturwissenschaftlichem Gebiete in Form von ausführlichen, den oft mageren Text der Tagebücher begleitenden Noten einem grösseren Kreise zugänglich zu machen. Beide Bücher können mit Fug und Recht als ein Repertorium der älteren Litteratur zur südchilenischen Landeskunde gelten, welche auch von dem Naturforscher und Geographen mit Nutzen gelesen werden, welche nicht das südlichste Südamerika als Gebiet ihrer Studien gewählt haben. Ein sorgfältiges, dem zweiten Buch angehängtes Register lässt jede Einzelangabe schnell auffinden. K. Reiche, Santiago. Heck's Werk „Lebende Bilder aus dem Reiche der Thiere" kostet nicht wie Nr. 22, S. 263 augegeben 50 Mark sondern 10 Mark. Bartels, Realsch.- Oberlehr. W., Pflanzen in der englischen Folklore. 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Die systematische Zugehörigkeit der versteinerten Hölzer (vom Typus Araucarioxylon) in den palaeo- litischen Formationen von Dr. 11. Potonic. Mit 1 Tafel. Ueber die wichtigen Funktionen der Wanderzellen im thierischen Körper von Dr. E. Korscholt. Mit 10 ll.,lz>s,hiiitten. Ueber die Meeresprovinzen der Vorzeit vou Dr. F. P'rech. Mit Abbildungen und Karten. Ueber Laubfärbungen von L. Kny. Mit 7 Holz- schnitten. Ueber das Causalitätsprincip der Naturerschei- nungen mit Bezugnahme auf du Bois-Reymonds Rede: „Die sieben Welträthsel" vou Dr. Eugen Drehe-. Das Räthsel des Hypnotismus und seine Lösung \on Dr. Karl Friedr. Jordan. „ 23. Die Mathematik der Oceanii , 24. Die Schilde der Oceanier Mit I',) Alibil.Unigeii. „ 25. Die Lebewesen im Denken des 19. Jahrhunderts H. Potonie. Mit 11 Bildnissen. „ 2G. Die Farben in der Pflanzenwelt von M. Mol Preis: Heft 1-4 ä 50 Pf.. Heft 5-11 a 1 M, Heft 12 ä 1,20 M., Heft 13-26 ä 1 M. lo. Die pflanzengeographische Anlage im Kgl. bota- nischen Garten zu Berlin von Dr. H. Potonic Mit 2 Taieln. 14. Untersuchungen über das Ranzigwerden der Fette von Dr. Ed. liilsert. 15. Die Urvierfüssler (Eotetrapoda) des sächsischen Rothliegenden von Prof Dr. Herinann Crcdncr in Lciiizi^. Mit vielen Abbilduncon. Kl. Das Sturmwarnungswesen an den Deutschen Küsten von Prof Dr. W. J. van Bebber. Mit I Tafel und ."i lldlzscliiiitten. 17. KalisalzlagervondttoLang. Mit 4 Abbildungen. 18. Die Metamorphose der Pflanzen im Lichte palae- ontologischer Thatsachen von Dr. H. Potonic. Mit 14 Figuren. 19. Pflanzenphysiologische Experimente im Winter naturwissenschaftliche Culturlehre L. rob Die morphologische Herkunft des pflanzlichen Blattes und der Blattarten von H. Potonic. Mit 12 Abbildunncii, Versuch eines Ueberblicks über die Vegetation der Diluvialzeit in den mittleren Regionen Europas von A. \Vi L. Frubciihis L. Frolienius : \ Verantwortlicher Kedactour: Dr. Henry Potoniö, Gr. Lichterfelde- West bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratcnthci 1 : Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. - Druck; G. Bernstein, ßerlin SW^. 12, Verlag: Ferd. Düinmlers Verlagsbuchhandlung:, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. Sonntag, den 5. August 1900. Nr. 31 Abonnement: Mau abonnirt bei allen Buchhancilungen und Post- -^r Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40^. Grössere Auftrüge enJ- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist JC 4- ejö sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. j[ bei allen Aunoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdinok ist nur mit vollständiger Qnellenans;abe gestattet. Zur Geschichte der Verbreitung der Reblaus in Deutschland. Von R. Beyer. (Fortsetzung.) 1891 wurtlen neue Verseucliungen auch in den Ge- markungen Müncheroda nördlich von Zscheiplitz (4 Heerde mit 6549 kranken Reben auf 130,10 a Fläche) und Goseck östlich von Dobichau aufgefunden. Der Hauptheerd in Müncheroda und der in Goseck boten ganz das Bild alter Verseuchungen. In der Mitte fand sich ein Kessel von hunderten schon abgestorbener Rebstöcke, während die zunächst stehenden noch lebenden Reben nur ganz kurze Triebe und kaum noch Blätter getrieben hatten, und solche zählten in Müncheroda zu Tausenden. Obwohl der Ursprung letzteren Heerdes nicht sicher nachweisbar war, hängt er höchst wahrscheinlich mit denen in Zscheiplitz zu- sammen, da der nächste kaum 1 km entfernt ist. Trotz der Kälte des Sommers trat die Reblaus meist massen- haft auf, ein Beweis dafür, dass nur Nässe sie in ihrer Entwickelung hemmt. Die Distrikte Schweigen berge, 1891 mit 21056 qm, 1892 mit 10 817 qm, 1893 mit 10448 qm neu verseuchter Fläche, und Gerödigsberge, dessen neue Heerde 1891 = 1149 qm, 1892=1275 qm, 1898 = 1374 qm einnehmen, erwiesen sich immer mehr als verloren. 1892 erschien aber die Lage auch in den Distrikten Göhle und Kalteneckberge der Gemarkung Frey bürg, wie im Distrikt Heidenberge der Gemar- kung Eulau besorgnisserregend, weniger wegen des Um- fangs der Verseuchung als wegen der Gefahr der Weiter- verbreitung durch das geflügelte Insekt, welche durch die dort herrschenden von West nach Ost wehenden Winde veranlasst wird. Der Commissar befürchtete aus diesem Grunde, dass die nach Osten gelegenen Weinberge der Gemarkung Frey bürg dem Insekt sämmtlich 7Atm Opfer fallen mochten. Wirklich fanden sie sich im nächsten Jahre sämmtlich inficirt. 1893 wurden neue Verseuchun- gen in den Gemarkungen Schiebe ro da nordöstlich von Freyburg und Lobitzsch im Kreise Weissenfeis, östlich von Goseck entdeckt. Letztere sehr starke In- fection (10 Heerde mit 11046 inficirten Reben auf 173,92 a Fläche) im Weinberge der Wittwe Schied und deren Nachbarn wurde auf Anzeige des Lokalbeobachters zu Pödelist hin aufgefunden. In mehreren Heerden da- selbst war jeder Stock verlaust. Bedenklich erschien 1893 auch die Lage im Distrikt Hill graben der Ge- markung Zscheiplitz und ein neuer Heerd in der Ge- markung Nissmitz, durch den das verseuchte Gebiet um etwa l km nach der Saale zu vorgeschoben wurde. 1894 fand man im Distrikt Marienberge der Gemarkung Freyburg einen änsserlich erkennbaren Heerd, in dessen Mitte schon 4 Rebstöcke abgestorben waren. 1890 kann die Verseuchung hier noch keine sonderliche Ausdehnung gehabt haben, da diese Parzelle in jenem Jahre resultat- los auf den fünften Stock untersucht worden war. Diese Erfahrung beweist ebenfalls, dass die Reblaus auch bei uns unter Umständen befallene Weinstöcke schon in 4 bis 5 Jahren zu tödten vermag. 1895 entdeckte man in der Gemarkung Gross-Jena des Kreises Naumburg, west- lich von Dobichau gelegen, 2 umfangreiche Heerde, die schon 6 Tochterheerde gebildet hatten, mit zusammen 1035 kranken Reben auf 146,37 a Fläche (einschliesslich einer weiten Sicherheitszone von 82,02 a mit 11 010 Rebstöcken zum Schutz des noch intakten Weingebiets). Inmitten des grössten Heerdes fanden sich drei Exemplare der ameri- kanischen Rebsorte Isabella, von denen das eine trotz seines gesunden Aussehens stark befallen war. Die In- feetion ist wahrscheinlich durch Pflanzung bewurzelter kranker Reben entstanden. Ein neuer Heerd im Distrikt Schlagberge der Gemarkung Freyburg zeigte schon das charakteristische Bild einer Reblausverseuchung. Von 1895 an wurden die verloren gegebenen Weinberge sowie die 362 NaturwissenscliaftLiche Wochenschrift. XV. Nr. 31. erweiterten Sicherheitszonen, und zwar in diesem Jahre 170,38 a Fläche, nicht mehr vernichtet, sondern durch bh)sse Abräumuugsarbeit behandelt. Bei beiden Methoden wurden die Rebstöcke mit gleicher Sorgfalt tief ausge- hauen und verbrannt. Auf den Veruichtungsflächen aber verwendete man für jedes Stockloch 1,5 kg Petroleum und pro Quadratmeter (2 Löcher) 250 g Schwefelkohlen- stoff', auf den Abräumungsflächen dagegen für gewöhnlich nur 0,5 — 0,7 kg Petroleum und 80 — 100 g Schwefelkohleu- stoff. Nur da, wo man beim Aushauen der Stöcke Reb- läuse fand, wurde soviel Petroleum und Schwefelkohlen- stoff wie bei den Vernichtungsarbeiten augewendet. 1896 entdeckte man in der Gemarkung Rossbach des Kreises Naumburg — westlich von der Grossjenaer Verseuchung — 5 wohl durch Einpflanzung iuficirter Rcbenfechser ent- standene Heerde. Leider hatte die Krankheit auch im Kreise Querfurt iu diesem Jahre weitere gewaltige Fort- schritte gemacht. Im Distrikt Schweigeberge allein erwiesen sich noch 347,15 a verseucht. Nach den seit- her vorgenommenen Abräumungen war nur etwas mehr als die Hälfte der Weinberge dieses Distrikts noch vor- handen. Die Weinberge des verseuchten Distrikts Scheweholz der Gemarkung Müncheroda wurden in diesem Jahre durch Abräumung bis auf den letzten Stock beseitigt. Unrettbar verloren erschien 1896 auch der öst- liche Theil des Distrikts Göhle in der Gemarkung Frey- burg und aufs äusserste gefährdet der obere Theil des Distrikts Halteckberge derselben Gemarkung und der Distrikt Kirchberge der Gemarkung Eulau. Weiter verbreitet hatte sich die Reblaus endlieh auch in den Freyburger Distrikten Herrenberge und Ehrau- berge, wo ein zusammenhängende.^ Areal von mehr als 100 Morgen Weinland vorhanden ist. 1897 wurde in der Gemarkung Dorndorf des Kreises Querfurt ein grosser Reblausheerd mit 780 iuficirten Stöcken auf 33,22 a Fläche aufgefunden. Er ist wahrscheinlich durch das geflügelte Insekt von Müncheroda her entstanden, dessen Heerde in der Luftlinie etwa 3 km entfernt liegen. Der Eigenthümer glaubte, dass in seinem Weinberge der Blitz eingeschlagen und die totale Verkümmerung der Reben im Mittelpunkt des Heerdes veranlasst habe. Im grössten Seuchenheerde der Provinz Sachsen, dem Distrikt Schweigenberge, wurden weitere 271,98 a Weiu- baufläche abgeräumt, im angrenzenden Distrikt Hill- graben 3,26 a. Von beiden Distrikten blieben nur noch 12 Parzellen und Parzellentheile übrig, deren Vernichtung durch Abräumuug(im Distrikt Schweigenfelde noch etwa 47 000 Rebstöcke) ebenfalls geplant wird. Auch in der Gemarkung Rossbach wurden 2 Flächen von zusammen 58,83 a Fläche abgeräumt. Insgesammt sind von 1887 bis Ende 1897 in der Provinz Sachsen (mit Ausschluss der Gemarkung Kaulsdorf) 1250 Heerde mit 61663 kranken Reben entdeckt und 3508,06 a*) der Vernichtung und Abräumung anheimgefallen, wovon bisher zum land- wirthschaftlichen Betriebe mit Ausschluss des Weinbaues 3161,49 a wieder freigegeben wurden. Auf den Kreis Querfurt kommen davon allein 1173 Heerde mit 48 040 verseuchten Rebeu. Weiter wurde 1887 eine bedeutende Infection in Württemberg in der Gemarkung Neckar weihingen, Oberamt Ludwigsburg, an der rechten Thailehne des Neckar entdeckt. In dem 41 ha umfassenden Weinbergs- areal dieses Ortes wurden 34 Heerde mit 2973 kranken Stöcken aufgefunden. Obwohl die Sicherheitsgürtel der Ersparniss wegen nur etwa 3 m breit um die Heerde *) Nach den Einzelangaben der in den amtliclien „Denk- schriften" enthaltenen Berichte des Überleiters müssten insgesammt 350 872,6 qni vernichtet sein; es ist also die zu desintieirende Fläche Uücli nachträglicli etwas reducirt worden. gezogen wurden, mussteu 178,41 a Fläche vernichtet werden. In dem westlich von Neckarweihingen au der anderen Seite des Neckar gelegenen Hoheneck wurden 8 Heerde mit 627 inficirten Reben auf 23,34 a Fläche ermittelt. Leider war nichs Bestimmtes über den Ursprung und die Ausbreitung der jedenfalls schon lang- jährigen Verseuchung an diesen Orten zu ermitteln. Der Mutterheerd der gesammten Infection ist zweifellos in den Dr. Ebel'scheu Gärten in Hoheneck zu suchen. Der Besitzer Hess schon vor 10 — 14 Jahren einen Theil seiner Rebpflanzungen wegen unbefriedigenden Ertrages und des Absterbens der Stöcke an einzelnen Stellen aushauen. Er suchte die Ursache in ungeeignetem Boden, unpassen- den Rebsorten und dem von ihm verwendeten französischen Rebschnitt. Die noch vorhandenen Reste jener Gärten waren vollständig verlaust. Nach Neckarweihingen gelangte das Insekt wohl von Hoheneck aus, theils durch den hier herrschenden Westwind, theils durch Wurzel- reben. Ein von Dr. Ebel vielbeschäftigter Maurer soll von diesem Reben erhalten und auf seinem Grundstück in Neckarweiliingen angepflanzt haben. Auch hier wurde schon seit einer Reihe von Jahren ein auffälliges Zu- rückgehen der Weinberge beobachtet. [(Man hielt Alters- schwäche der Reben und einen zu nährstoffarmen oder zu trockenen Boden für die Ursache, baute daher auf den betreffenden Flächen andere Gewächse an, ohne den wahren Grund des Nichtgedeihens der Weinstöcke zu ahuen. Als aber im vergangenen Sommer in jungen, gut gedüngten und sorgfältig gepflegten Weinbergen hier und da trotzdem ein kümmerliches Wachsthum der Reben beobachtet wurde, während man auf benachbarten Grund- stücken die Rebstöcke wegen Nichtfortkommens hatte aushauen müssen, kam man endlich auf die Vermuthnng, dass die Reblaus den Rückgang veranlasst haben könnte. Der Weinbergbesitzer Paul Löckle erstattete beim Schult- heissenamt Anzeige, die zur Entdeckung der Inf'ectionen durch den Aufsichtscommissar, Prof. Dr. von Nördlinger führte. Unter Beachtung aller möglichen Vorsichtsmaass- regeln, um eine Verschleppung des Insekts zu verhindern, wurde den Winzern noch das Einheimsen der Trauben auf den Heerden gestattet und dann sofort zur Vernich- tung der Rebstöcke und der Desinfection des Bodens nach dem Honnef er Verfahren geschritten. Der nasskaite Winter 1887/88 und der ungewöhnlich feuchte Sommer 1888 waren wie überall auch in den zu- letzt erwähnten Seuchengebieten der Entwickelung der Reblaus nicht günstig, erschwerten aber auch die ge- planten eingehenderen Untersuchungen der Heerdum- gebungen. Trotzdem wurden in Neckarweihingen noch 33 Heerde mit 539 kranken Stöcken aufgefunden. Die Sicher- heitszonen wurden von jetzt au im Allgemeineu 5 m breit bemessen. Weitere Heerde entdeckte man in den folgenden Jahren. 1892 wurde auch in dem östlich von Neckar- weihingen gelegenen Poppenweiler, etwa 1,5 km vom bisher östlichsten Heerde jener Gemarkung entfernt, die Reblaus aufgefunden. Der Ursprung dieser anscheinend schon alten Infection in einer alten Pflanzung war nicht zu ermitteln. Sie konnte wegen der örtlichen Verhältnisse nicht wohl durch geflügelte Insekten, und wegen der peinlieh gehandhabten Vorsichtsmaassregeln auch nicht durch in Neckarweihingen beschäftigte Arbeiter veran- lasst sein. 1893 kam man zu der Erkenntuiss, dass eine nachhaltige Hülfe in den inficirten Weinbergen selbst bei Annahme sehr weiter Sicherheitsgürtel nicht zu erwarten sei. Man schritt daher zu einer umfassenden Desinfection der gesammten inficirten Weinberge. Es wurde eine Fläche von 305,12 a mit rund 30 500 Reben vernichtet, wobei auf- fallenderweise nirgends Rebläuse gefunden wurden. Doch entdeckte man aucli in den folgenden Jahren noch neue XV. Nr. 31. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 363 Heeide, ein Beweis dafür, dass die Grenzen des ver- nic'iiteten Areals noch zu eng gezogen waren. Insgesamnituni- l'asst die Infection von Neckarweihingen, Hoheneck inul Poppeuweiler in den Jahren 1887 — 1897 zusammen 169 Heerde mit 4682 kranken Stöcken. Vernichtet wurden ;V22,77 a Fläche. Davon kamen aher auf Neckarwei- hingcn allein 160 Heerde, 4011 kranke Reben und 493,22 a Weinbaugebiet, wozu indess noch die oben er- wähnten wegen vermutheter Verseuchung ausgetilgten 30.'), 12 a zu rechnen sind, iusgesammt also an allen 3 Orten 827,89 a Fläche. Endlich wurden 1887 noch zwei Seuchenheerde in Lothringen, darunter die zur Zeit wohl gefährlichste In- fection im Deutschen Reiche entdeckt. Sie befindet sich im Landkreise Metz zu Vallicres, unweit der früher verseucht geweseneu Gemarkung Plantieres und erschien schon zur Zeit ihrer Entdeckung nicht allein wegen ihrer räumlichen Ausdehnung, sondern besonders auch deshalb bedenklich, weil von Vallieres aus ein lebhafter Handel mit Wurzelreben betrieben wurde, den die Behörde natür- lich sofort verbot. In Vallieres wurden 11 Heerde mit 3421 inficirten Reben auf (mit Einschluss der Sicherheits- gürtel) 171,30 a Weinbauland entdeckt, in dem benach- barten St. Julien bei Metz 2 Heerde mit 44 kranken Reben auf 14,44 a Fläche. Da dem Besitzer eines der beiden letzteren Heerde auch ein in Vallieres gefundener gehört, ist ein Zusammenhang der Infectionen an beiden Orten wohl sicher. Nach vorläufigem Uebcrbrausen jedes Heerdes mit Kaliunisulfocarbonat oder Petroleum, um ein Entweichen geflügelter Insekten zu verhindern, wurden hier die Reben abgeschnitten und verbrannt und darauf zunächst die Desinfection des Bodens durch Schwefel- kohlenstoff' vorgenommen. Dann erst wurden die Wurzel- stöcke ausgehauen, verbrannt und in ein in die Grube gestossenes Loch weitere 100 ccm Schwefelkohlenstoff' eingegossen. Endhch wurde das Terrain eingeebnet und nochmals mit Petroleum überbraust (1 Liter pro Quadrat- meter). Um der Verschleppung durch Verkauf von Wurzel- reben in Elsass-Lothringen wirksamer zu steuern, wurde hier 1889 angeordnet, dass jeder Verkäufer von solchen ein vom Bürgermeister des Ursprungsortes auszustellendes Ursprungszeugniss beizubringen habe, auf Grund dessen die Marktpolizei dem Käufer ein Unverdächtigkeitszeug- niss, das die Zahl der gekauften Reben enthalten muss, ausstellt. Letzteres soll der Käufer dem Bürgermeister seines Wohnorts vor dem Einpflanzen der Reben vor- zulegen. 1889 wurden auch in den Weinbergen der Ge- meinde Scy-Chazelles bei Metz 3 Heerde entdeckt. Einer der dortigen Weinbergsbesitzer hatte seinen Wein- berg 1885 durch Ankauf von Wurzelreben in Vallieres inficirt. Wegen der trockenen Witterung während der Desinfectionsarbeiten erwies sich die Anwendung des Kaliumsulfocarbonats als unzweckmässig, da die Herbei- schaffung des erforderlichen Verdünnungswassers sehr kostspieUg wurde. 1890 wurde bekannt, dass die Be- völkerung von Vallieres die Reblaus böswillig oder doch fahrlässig durch Verpflanzen von Ablegern verbreite und den mit Reblausarbeiten betrauten Beamten und Arbeitern feindlich gegenübertrete. Winzer dieses Ortes haben auch wahrscheinlich die 1890 entdeckte Infection in Vantoux bei Vallieres veranlasst, da solche an beiden Oiten Wein- berge besitzen. Leider verbreitete sich die Reblaus von Jahr zu Jahr mehr. Schon 1892 befürchtete der Auf- sichtscommissar, dass die Weinberge von Vallieres und dem angrenzenden Theil von St. Julien, wo in 71 zerstreut liegenden Parzellen 592 kranke Stöcke aufgefunden wurden, unrettbar verloren wären und vielleicht am besten insgesammt (30,89 ha Weinbauland!) zu vernichten seien. 1893 war die Lage hier wie in Vantoux noch schlininier geworden. Die Entschädigungen, welche den Besitzern verseuchter Parzellen geboten wurden, waren vielfach höher wie die ortsüblichen Verkaufspreise der Weinberge, sodass z. B. ein Spekulant eine solche kaufte, um die höhere Entschädigungssumme einzu- stecken. Trotzdem weigerten sich die meisten Besitzer, ihre Weinberge gegen Entschädigung zur Vernichtung herzugeben. Es wurde daher am 12. Februar 1894 angeordnet, dass in den Weinbergen solcher Besitzer nur die verseucht befundeneu Stöcke, für die keine Entschädigung gezahlt wird, vernichtet werden sollen und höchstens im Falle dringender Ansteckungsgefahr noch ein kleiner Sicherheitsgürtel abzugrenzen sei. 1895 erschien die Lage noch trostloser. Die seit 1889 anscheinend erloschene Infection von Scy-Chazelles lebte mit 14 Heerden und 2034 inficirten Stöcken wieder auf, so dass 249,34 a Weinbaufläche daselbst zu ver- nichten waren. Aber auch in dem westlieh benachbarten Chätel-St. Gerniain fanden sich 2 Heerde mit 2853 kranken Stücken auf 83,13 a Fläche. 1896 hätte in den verseuchten Gemeinden eine Fläche von fast 100 ha pein- lich, zum Theil selbst stockweise untersucht werden müssen. Da sich diese Arbeit mit den zur Verfügung stehenden Kräften unmöglich bewältigen Hess, wurde nur die am dringendsten bedrohte Gemeinde Scy-Chazelles in dieser Weise behandelt, wobei 13 weitere Heerde mit 2660 verseuchten Stöcken auf 534,14 a Fläche aufge- funden wurden. Zwei dieser Heerde wurden als Spritz- infectionen eines noch unbekannten, westlich vom Dorfe Scy gelegeneu grösseren Mutterheerdes betrachtet. In Chätel-St. Germaiu erwies sich unter anderem auch das ganze Gelände zwischen dem alten Heerde und dem Orte Lessy als völlig verseucht und bot den Anblick einer langjährigen Infection. Von dem früheren Wein- gebiet Vallieres war nur noch wenig vorhanden. Auch ein zwischen Vallieres und St. Julien belegenes Wein- gelände erwies sich als fast vollständig verseucht. Auch in Vantoux hat sich die Verseuchung bis dicht vor's Dorf und bis an die Grenze der Gemarkung Mey ausgebreitet. Die Lage war in den verseuchten Gemeinden des Land- kreises Metz so ernst, dass eine Eindämmung der Seuche nur bei raschem Eingreifen mit Hülfe oines zahlreichen Untersuchungspersonals noch möglich schien. 1897 wurden in Scy-Chazelles, Chätel-St. Germain und der zwischen beiden gelegenen Gemarkung Lessy weitere, zum Theil umfangreiche und alte Heerde entdeckt, ein Heerd auch in dem Scy östlich benachbarten Longe- ville. Allein in Chätel-St. Germain wurden in diesem Jahre 34 518 verseuchte Reben gezählt. Bei St. Julien ist ein zweifellos durch Anpflanzung inficirter Wurzel- reben entstandener Heerd in nächster Nähe des Dorfes gefunden worden. Der Commissar berechnet, dass die Seuche in Vallieres sich alljährlich um 100 m nach Osten hin ausgebreitet habe. Das ganze Infectionsgebiet V allieres - St. Julien - Vantoux umfasst bisher 143 Heerde mit 7826 kranken Reben und eine infieirte Fläche von 5822,61 a. Das verseuchte Terrain von Chätel- St. Germain - Lessy - Scy-Chazelles - Longeville enthält bisher 65 Heerde mit 46 727 kranken Stöcken auf einer zu vernichtenden Fläche von 3174,35 a. Ein zweites Infectionsgebiet in Lothringen wurde 1887 zu Ancy an der Mosel (Canton Gorze) entdeckt, 5 Heerde mit 704 kranken Stöcken auf 9,97 a Fläche. Sie wurde durch aus Frankreich bezogene Reben veran- lasst. Auch diese Infection hat sich bis zur Gegenwart erhalten, aber im Gegensatz zu Vallieres auffallend ge- ringe Fortschritte gemacht, so dass z.B. 1894 in Vallieres 74,22 a, in Ancy erst 1,29 a der dortigen Weinberge in- ficirt waren (von den Sicherheitsgürteln etc. abgesehen). Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 31. Nun glaubte der Franzose Dej ardin gefunden zuhaben, dass der Boden bei grösserem Gehalt an Magnesia und Eisenoxyd widerstandsfähiger gegen die Reblaus wäre. Diese merkwürdige Beobachtung veranlasste das kaiser- liche Gesundheitsamt in Berlin zu Bodenanalysen der verschiedenen inficirten Weinberge Deutschlands. Dabei schien ein Vergleich der Bestandtheile des Erdreichs der in wenigen Jahren so enorm verseuchten Weinberge von Vallieres mit denen von Ancy besonders interessant. Derselbe ergab indess, dass unter den Reblausbeerden Elsass-Lothringens der anscheinend besonders widerstands- fähige Boden von Ancy gerade am wenigsten Magnesia, ' dagegen am meisten Eisenoxyd und Phosphorsäure ent- hält. Der Boden von Vallieres ist ebenfalls arm au Magnesia und reich an Eisenoxyd, enthält aber sehr wenig Phosphorsäure. Wenn somit den Bestandtheilen des Bodens überhaupt ein Einfluss auf die Widerstandsfähigkeit gegen die Ausbreitung des Insekts zukommt, so wäre nach diesen Analysen anzunehmen, dass die Phosphorsäure in dieser Beziehung die wichtigste Rolle spielt. 1897 fand man auch bei Ancy einige grössere Heerde, aus deren Lage der Kommissar auf einen noch unentdeckten, ver- muthlich nördlich von Ancy gelegenen Mutterheerd schliesst. In Ancy wurden von 1887 — 1897 zusammen 23 Heerde mit 2256 befallenen Stöcken entdeckt und 329,32 a Wein- bauland vernichtet. 1887 erliess das Deutsche Reich ein Gesetz über die Einfuhr bewurzelter Gewächse mit Ausnahme von Reben aus Ländern, die nicht zur internationalen Reblauscon- vention gehören. Aus solchen dürfen Pflanzen — wie beim Mangel von Ursprungszeugnissen auch aus den Ver- tragsländern — nur nach vorgängiger Untersuchung auf die Reblaus eingeführt werden, die auf Kosten des Ab- senders oder Empfängers bei den Zollämtern durch Sach- verständige ausgeführt werden sollen.*) 1890 wurde im Königreich Sachsen westlich von der Elbe auf dem Rittergute Scharfenberg bei Meissen durch einen Sachverständigen eine umfangreiche Infection von 2 Heerden und 3148 kranken Reben auf 60 lö,.^ qm Fläche entdeckt. Die Heerde umfassen den östlichen Theil des dem Rittergutsbesitzer 0 eh m igen gehörigen 170 a grossen Weinberges dieser Gemarkung. Die Ent- stehung der anscheinend schon über 4 Jahre alten Ver- seuchung war nicht zu ermitteln. Immerhin könnte die Ansteckung durch geflügelte Thiere von den gerade in östlicher Richtung nicht allzufern gelegenen Heerden von Naundorf und Zitzschewig her erfolgt sein. Weitere Heerde in der Umgebung sind seither nicht mehr beob- achtet worden. 1890 wurde ferner ein umfangreicher Heerd in der Provinz Hessen-Nassau am Loreleyfelsen in den Ge- markungen St. Goarshausen am Rhein und Bornich ent- deckt. Die dortige Infection besteht schon seit mindestens 10 — 12 Jahren und blieb 1885 bei der durch Sachver- ständige vorgenommenen Untersuchung der Weinberge zwischen Rossstein und Loreley unentdeckt, obwohl schon damals augenfällige äussere Krankheitserscheinungen vor- handen gewesen sein müssen. Der Heerd wurde dadurch bekannt, dass ein Winzer in St. Goarshausen die Anzeige machte, dass in seinem Weinberge der „Sang" — ein durch Sonnenbrand entstandener Schwund — vorhanden sei, der sich von seinem Nachbar her immer weiter aus- breite. Die sofort eingeleitete Untersuchung ergab das vollständige Bild einer alten, starken Reblausverseuchung. Eine Fläche von mehr als einem Morgen am Loreley- ■ *) Ueber bedauerliche Rigorositäten in der Anwendung dieser sehr verständigen Maassregel durch untere, unwissende Zollbeamte vergleiche „Naturw. Wochenschrift" Band IX, 1894, No. 47, S. 577 flg. felsen war fast Stock für Stock befallen. Eine grosse Anzahl von Reben in der Mitte des Heerdes war schon eingegangen und zum Theil durch jüngere, ebenfalls schon abgestorbene oder verwelkende Weinstöcke ersetzt. Um sie zeigten die nächsten Reben in ringförmiger Anordnung alle Stadien der Verkümmerung und Ver- färbung. An den abgestorbenen Weinstöcken in der Mitte waren Rebläuse nur schwer aufzufinden. Dagegen waren die Wurzeln der in Folge des sorgfältigen Anbaues und der guten Düngung sehr kräftigen und anscheinend völlig gesunden Reben am Rande des Heerdes dicht mit Läusen besetzt. Alle verwendbaren Sachverständigen (gleichzeitig bis 24) wurden schleunigst nach St. Goars- hausen berufen, um bei der Feststellung des Umfanges der Verseuchung verwendet zu werden. Der Hauptheerd grenzte unmittelbar südwestlich an den Loreleyfelsen. Er erstreckte sich vom Fuss des Felsens bis zum Rande des sich an seinen Gipfel anschliessenden Plateaus und lag eingebettet zwischen 2 zerklüfteten und unwegsamen, scharf vortretenden Felsvorsprüngen. Man unterschied darin, wegen der grossen Anzahl von Parzellen und Terrassenabschnitten, die durch Felsen und hohe Mauern getrennt sind, 36Heerdnummern, die zusammen 184,00 a um- fassten, wovon aber nur 150,00 a nutzbar und mit 15 963 Weinstöcken besetzt waren. Davon erwiesen sich 3301 inticirt. Die wärmsten und bestgepflegten Lagen waren am stärksten befallen. Die untersten Parzellen zeigten nur wenige vereinzelte Spritzinfectionen, von denen zwei durch Herabrutschen von Erd- und Mauerwerk entstanden waren. Auch in dem angrenzenden Gelände östlich vom Loreleyfelsen fand sich ausser zahlreichen verspritzten Einzelinfectionen noch ein grösseres, aus 5 Heerden be- stehendes Seucheugebiet, auch hier besonders in den mitt- leren und oberen Lagen des Berghanges. Ferner wurde aber noch ein grosses, aus 5 Heerden zusammengesetztes und mehrere kleinere Seuchengebiete am Riesslingberge am Südhange des Urbachthals, 2 km vom Loreley- felsen entfernt und südlich davon am rechten Rheinufer entdeckt. Auch hier muss die Infection, nach einer völlig abgestorbenen Parzelle zu schliessen, schon lange be- stehen. Die regelmässig geschnittenen Reben schienen weniger widerstandsfähig zu sein, wie die sich selbst überlassenen. Gute Düngung und sorgfältiger Bau er- höht die Widerstandsfähigkeit anscheinend etwas. Ein auf verseuchtem Boden neu angelegtes zweijähriges Reb- feld war Stock für Stock mit Läusen besetzt und zeigte schon deutliche Spuren der Verkümmerung. Zusammen umfassen die 1890 entdeckten Verseuchungen an der Loreley und im Urbachthale 66 Heerde mit 5919 kranken Reben auf 78 646,31 qm Weinbergfläche. Der Urspung der ältesten Seuchenheerde an der Loreley konnte trotz der sorgfältigsten Erkundigungen nicht ermitelt werden. Alle Besitzer und Arbeiter be- haupteten, stets nur Blindholz gepflanzt zu haben, das fast ausnahmslos in Wasser angetrieben wurde. Eine Einschleppung des Insekts dadurch ist somit unwahr- scheinlich. Ueber die Herkunft der Gutedel und Isabella, die die Bauern trotz ihres geringen Werthes gern wegen ihres schnellen Wuchses bauen, war nichts sicheres zu erkunden. Auch waren diese Stöcke entweder ganz ge- sund oder bildeten wenigstens nirgends den Mittelpunkt eines Heerdes. Selbst der Ort der ersten Infection war nicht genau zu bestimmen. Auch in der Folge ist etwas sicheres über den Ursprung der Infection nicht bekannt geworden. Der Leiter macht aber darauf aufmerksam, dass die Hauptbeerde aller grossen rheinischen Seuchen- gebiete sich an den höchsten und äussersten (dem Rhein zu gelegenen) Weinbergen nahe dem Hochplateau be- finden, die an den wie Coulissen in das Rheinthal vor- XV. Nr. Hl. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. springenden südlicheu Wänden der Nebenthäler liegen. Es siebt so aus, als wären geflügelte Rebläuse durch einen das Rheinthal entlang streichenden Süd-Süd-Ostwind hoch in die Lüfte geführt und an diese vorspringenden Punkte geworfen worden. Die weitere Verbreitung seheint hauptsächlich mit Gcräth und Schuhwerk stattgefunden zu haben. In beiden Seucheuheerden besitzen Born ich er 1891 wurden ausser neuen Heerden in den beiden Seuchengebieten an der Loreley und im Urbachthale noch -zwei weitere in der Nähe entdeckt, eins im Forst- bachthal in den Gemarkungen St.Goarshausen und dem östlich davon gelegenen Patersberg (8 Heerde mit 797 kranken Reben auf 225,49 a Fläche) und ein zweites in Nochern, nördlich von St. Goarshausen in einigen ui: Einwohner Weinberge und verrichten die meisten Arbeiten darin. Die Bewohner der betheiligten Ortschaften, besonders der hartbetrotfenen Gemeinde Boruich, verhielten sich musterhaft verständig und einsichtig und leisteten bei den erforderlichen Arbeiten die beste Hülfe. Bei der Des- infection explodirte trotz der grössten Vorsicht einmal das im Boden in grosser Menge angesammelte Gas, wahr- scheinlich durch einen Funken, der durch das Stossen eines Locheisens auf Quarzstücke hervorgerufen wurde. Die Explosion setzte sich ziemlich weit fort. Noch nach mehr als einer halben Stunde wurden einzelne Detonationen im Boden gehört. Beschädigt wurde Niemand. Stadt naheliegenden Weinbergen im Hasenbachthal, auf deren Verdächtigkeit der Nocherner Lokalbeobachter hin- gewiesen hatte. Hier wurden im Hauptheerde neben sehr zahlreichen völlig abgestorbenen und von den Rebläusen verlassenen Stöcken noch 612 befallene aufgefunden. Ferner wurden in der Gemarkung St. Goarshausen direkt am Rhein zwischen Loreley und Forstbachthal noch 2 ganz isolirte Heerde entdeckt, die wohl durch hier als Tagelöhner beschäftigte Borni eher Arbeiter, die an der Loreley inficirte Weinberge besitzen, mit Schuhwerk und Arbeitszeug entstanden sind. Ein einzelner Heerd wurde endlich weiter rheiuaufwärts in Ca üb, in der Luftlinie 366 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 31. 4 — o km südlich von dem Heerde im Uibachthale, ent- deckt. Der Besitzer des betreffenden Weinberges gab an, dass die Fücbse von der am meisten verseuchten Stelle regelmässig die Trauben wegholten. Diesen ist somit wohl die Verseuchung zur Last zu legen. 1892 entdeckte man in Caub unweit des erwähnten noch einen zweiten Heerd. Bei der Entstehung der übrigen, meist schwachen, also wohl jüngeren Herde, die 1891 entdeckt wurden und die oft ziemlich weit von allen Wegen entfernt liegen, scheint das geflügelte Insekt besonders betheiligt ge- wesen zu sein. Zur Vernichtung der Infectionen wurden die möglichst tief freigelegten Wurzelstöcke durch die Arbeiter aus der Erde gerissen, um tiefliegende Einleger, die so oft wieder ausschlagen, mit herauszubekommen. Dies Verfahren hat sich vorzüglich bewährt. Es wurde später noch dadurch vervollkommnet, dass man, um Kraft zu sparen, zum Herausreissen einen Hebebaum und eine besonders dazu construirte Zange gebrauchte. Da bei dieser Methode auch die unteren starken Seitenwurzeln völlig entfernt werden, konnte überdies an Petroleum, dass diese Wurzeln sonst zum Absterben bringen muss, und zwar pro Stock \., Liter, gespart werden. Auch die Menge des verwendeten Schwefelkohlenstoffs wurde ver- mindert (von 570 g auf 366 g pro Quadratmeter). Der Boden wurde nach dem Ausreissen der Stöcke, um das Verwehen von Erde und Rebläusen durch starke Winde zu verhindern, mit Petroleum besprengt, möglichst schnell geebnet, nochmals stark mit Petroleum überbraust und dann erst mit Schwefelkohlenstofl' desinficirt. Mit gutem Erfolge zog man jüngere Winzer und Winzersöbne zu den Reblausuntersuchuugscursen heran, um späterhin eine genügende Anzahl Hülfskräfte zur Verfügung zu haben. 1892 fand man einen neuen, aber wohl nur 4 bis 5 Jahre alten Heerd in Well mich am Rhein, nordwest- lich von St. Goarshausen. Die dortige äusscrlich nicht erkennbare Verseuchung war trotzdem ungewöhnlich stark. Nicht nur waren alle Wurzeln, wie auch die kleinsten, zwischen Steinen eingekitteten Fasern, sämmtlich dicht mit Läusen besetzt, sondern bei vielen Stöcken sogar der oberirdische Stamm bis 10cm über dem Erdboden mit solchen übersäet. Offenbar war der heisse, trockene Sommer der Entwickelung des Insekts überaus günstig gewesen. Der Ursprung dieser Infection war nicht sicher zu ermitteln. In den übrigen Heerden fanden sich 1892 wie in den folgenden Jahren nur unbedeutende Spritzinfectionen, so dass sich die Vernichtungsmethode hier vorzüglich be- währt hat. 1895 wurde eine weitere Verseuchung in Lierschied, nördlich von Patersberg, entdeckt, wieder auf Grund einer Anzeige des Lokalbeobachters. Die drei hier entdeckten Heerde sind wohl sicher durch Ver- schleppung der Laus mit Schuhwerk u. s. w. entstanden. Von 1890 — 1897 wurden in St. Goarshausen, Bornich, Patersberg, Nochern, Wellmich, Lierschied und Caub zusammen 199 Heerde mit 8926 kranken Reben entdeckt und 2614,2131 a Weinbaufläche vernichtet. Im Mai 1891 trat in Erfurt auf Einladung des Reichs- kanzlers eine Commissiou zusammen, um über einige Fragen in Betreff der Reblausbekämpfung zu berathen. Die wichtigste Resolution, welche hier gefasst wurde, war die, dass das Vernichtungsverfahren gegen die Reb- laus bis auf Weiteres beizubehalten sei, da, wenn es auch in einzelnen Fällen die Reblaus nicht völlig zu vertilgen vermochte, es sich doch durchaus bewährt habe, noch intakte Weinbaugebiete gegen die Einwanderung des Schädlings zu schützen. Ferner empfahl die Commission der Regierung, durch geeignete Personen Studien über die Cultur amerikanischer Reben im deutschen Weinhau- gebiet anstellen zu lassen, da in dieser Beziehung bisher nur sehr dürftige Erfahrungen vorliegen. In Folge dieser Anregung wurden die oben erwähnten Rebenveredlungs- stationen und Versuchsweinberge von der Regierung ein- gerichtet. 1892 wurde ein neuer Heerd im Königreich Sachsen und zwar in der Gemarkung Oberwartha, Amtshauptmannschaft Dresden, aufgefunden. Er ist viel- leicht durch einen Arbeiter veranlasst worden, der 1887 bei den Verniehtungsarbeiten an der Lössnitz betheiligt war und dann hier beschäftigt wurde. Der Heerd ent- hielt 88.5 kranke Reben auf 36,46 a Fläche. 1894 fand man auf eine Anzeige hin auch in Cossebaude, nord- östlich von Oberwartha, in dem hinteren fiskalischen und dem angrenzenden Otto 'sehen Weinberge 18 Reblaus- heerde mit 1384 kranken Reben auf 33,50 a Fläche. Sie sind wolil durch vom Winde von Oberwartha her verwehte geflügelte Insekten entstanden. 1895 wurden an beiden Orten zusammen 30 weitere Heerde entdeckt und insbesondere erwies sich ein zum Klostergut Oberwartha gehöriger Weinberg von etwa 2V2 lia Umfang völlig ver- seucht. Zusammen fand man an beiden Orten von 1892 bis 1895 49 Heerde mit 3533 verseuchten Reben auf 115,52 a Fläche. In Rufach im Oberelsass, wo schon früher einmal verdächtige amerikanische Reben vernichtet und der Boden desinficirt worden war, ohne dass man dabei Rebläuse auffand, entdeckte man 1892 einen grösseren Reblausheerd in dem von hohen Mauern umschlossenen Wohlfromm'schen Garten. Er enthielt 124 kranke Reben auf 32,42 a Fläche. Die Infection stammt nach den angestellten Ermittelungen wahrscheinlich aus Boll- weiler. Die Hoffnung, dass die Höhe der Mauern eine Verwehung des geflügelten Insekts von hier aus wohl verhindern möchte, wurde indess getäuscht. 1896 fand man in dem mit niedrigerer Mauer umgebenen Wein- garten des Fräulein Hofmeyer, nordöstlich von dem Wohlfromm'schen, d. h. in der Fluglinie des Insekts, acht inficirte Reben und 1897 wieder nordöstlich vom vorigen in einem anderen Garten 11 verseuchte Stöcke auf. Von 1892 — 1897 entdeckte man also in Rufach 3 Heerde i mit 143 kranken Reben auf 47,59 a Fläche. . Endlich wurde 1892 auch die erste Verseuchung im Grossherzogthum Hessen auf dem Finkenberge in den Gemarkungen Schimsheim und Wallertheim gefunden. Der höchstcharakteristische Hauptheerd enthielt aussereiner Anzahl abgestorbener Reben im Kessel 513 inficirte Stöcke. Von hier aus sind 2 kleinere Heerde offenbar durch ge- flügelte Thiere entstanden, darunter einer im Herren - wingert, der als eins der werthvollsten Gelände in der Gemarkung gilt. Insgesammt wurden 522 kranke Stöcke beobachtet und 405,23 a Fläche desinficirt. Mit Sicher- heit kann der Ursprung der Infection leider nicht fest- gestellt werden. Wahrscheinlich ist das Insekt durch vor etwa 10 Jahren heimlich aus Ungarn bezogene Reben eingeschleppt worden, obwohl jeder Bezug von solchen geleugnet wird. Dass der Besitzer Versuche mit ver- schiedeneu Rebsorten gemacht hat, geht daraus hervor, dass sich nahe den Infectionspunkten ausser Oesterreicher und Kleinberger auch einzelne Stöcke von rothem Velt- liner, Muskateller, Tokayer, Klebroth, Liverdon, sowie verschiedenem Gutedel fanden. Die Bevölkerung war an- fangs misstrauisch gegenüber den Verniehtungsarbeiten, beruhigte sich aber völlig, als der Grossherzog selbst den Heerd eingehend besichtigte und lebhaftes Interesse für die Arbeiten in ihm bezeugte. Weitere Infectionen wurden hier nicht aufgefunden, 1893 entdeckte man bei den Begehungen am Uuter- rhein eine neue Verseuchung am äussersten Ende des linksrheinischen Weinbaugebiets im Kreise Bonn in der Gemarkung Muffendorf bei Godesberg. Die Infection XV. Nr. 31. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 367 ist sicher durch bewurzelte amerikanische (Mallinger) Keben entstanden, die Ende der fünfziger und Anfang der sccbziger Jahre aus Erfurt bezogen und hier ange- pflanzt wurden. Zunächst ermittelte man einen grossen, im höchsten Grade verseuchten Heerd am Berge zwischen Mehle m und Godesberg mit 504 kranken Stöcken auf 74,88 a Fläche. Bei den nunmehr stockweise statt- findenden Untersuchungen wurden noch weitere, von jenem entsprungene Heerde entdeckt, insgesammt 21 mit 1403 inticirten Reben auf 200,38 a Fläche. In den nächsten Jahren fand man weitere Tochterheerde nicht nur in Muffendorf, sondern, zuerst 1894, auch einen mit 13 kranken Reben in dem benachbarten Launesdorf. Der Zusammenhang des letzteren mit dem Muffen dorfer Haupthcerde ergiebt sich schondaraus, dass Muffendorfer Winzer auch an ihm betheiligt sind. Leider nahm die Ver- seuchung in den vorzüglich gepflegten Weinbergen M uffeu- dorts immer mehr zu, weil ihr leichter Sandboden dem Vordringen des lusekts keine Hindernisse bereitete. 1897 erschien das ganze grosse Weinbauareal der Gemarkung — abgesehen von etwa 5 ha Fläche — durch und durch verseucht. Die vielen Gemüseländereien dicht an den Ileerden erschwerten die Untersuchung sehr, da es frag- lich blieb, ob diese nicht früher auch mit verseuchten Reben bestanden waren. Insgesammt fand man in Muffen- dorf und Lannesdorf von 1893 — 1897 56 Heerde mit 1682 kranken Reben und vernichtete 305,89 a Weinbau- land. Ebenfalls 1893 wurde bei den Begehungen am Unter- rhein auf linksrheinischem Gebiet auch eine Infection im Kreise Ahrweiler im Distrikt Willielmsberg bei Rolaudswerth am Rhein aufgefunden. Der ganze sehr alte, in den fünfziger Jahren isolirt mitten im Walde in guter sonniger Lage angelegte 126,88 a grosse Weinberg war so durch und durch verseucht, dass er vollständig in den Heerd einbezogen werden musste. Man fand insgesammt 1540 kranke Stöcke. Der Ursprung der Infection war nicht festzustellen; sie befindet sich indess, wie die meisten rheinischen Heerde, in den höchsten Wein- bergslagen. 1894 wurden in Rolaudswerth noclr2kleinere l'ochterinfectionen aufgefunden. Bei der Beendigung der Vernichtung des grossen Heerdes, die im Vorjahre nur theil- weise erfolgt war, verbreiteten sich bei der damals herrschenden Sommerhitze die übelriechenden Schwefel- kohlenstoff- und Pctroleunulämpfe in dem engen, gerade auf die Hotels und Villen von Rolandseek ausmündenden Thale und dessen Umgebung und hielten sich daselbst wegen mangelnden Abzugs zur grossen Belästigung der Bewohner von Rolandseck und Rolaudswerth wochenlang. Bei der Revision des Heerdes fand man 1895 und 1896 noch nahe dem Walde mit lebenden Rebläusen besetzte Wurzeln, so dass die betreffenden Stellen nochmals des- inficirt werden mussteu. Die 3 Rolands wert her Heerde enthielten insgesammt 1567 kranke Reben auf 151,08 a Fläche. Endlich entdeckte man 1893 bei den Begehungen am Oberrhein auch noch eine grosse Verseuchung in dem linksrheinischen Kreise St. Goar und zwar am untersten Ende des Heimbacber Thals bei Bingerbrück. Während Niederheimbach selbst sich reblausfrei erwies, wurde in der weiter thaleinwärts liegenden Gemarkung Ober- heimbach zunächst ein grösserer Heerd und bei den fortgesetzten Untersuchungen noch weitere zum Theil umfangreiche Infectionen ebendort, wie in dem nördlich benachbarten Oberdiebach aufgefunden. Insgesammt entdeckte man in diesen beiden Gemarkungen 11 Heerde mit 1152 inficirten Reben auf 86,67 a Fläche. 1894 und 1897 wurden an diesen Orten in nächster Nähe der alten weitere, meist kleinere Verseuchungen entdeckt. Dabei musste der weitere Ober- Heimbacher Heerd, obwohl er nur 51 kranke und 623 gesunde Weinstöcke enthielt, 39,19 a Ausdehnung erhalten. Hier wurden nämlich in verschiedenen, mit Klee bebauten Parzellen vereinzelte Stockausscbläge von ausgehauenen Weinstöcken bemerkt, die fast ausnahmslos stark verseucht waren. Aller Wahr- scheinlichkeit nach waren diese, natürlich in den Heerd einbezogenen Parzellen zuerst verseucht und haben die noch vorhandenen Infectionen veranlasst. Der Besitzer gab an, dass die hier ehemals vorhandenen Rebenbestände von der Mitte der 70 er Jahre an seiner Meiimng nach durch Frost zerstört worden seien und die Fläche daher umgerodet und mit Klee besät wurde. 1897 fand man in Oberheimbach auf Anzeige des Lokalbeobachters hin noch einen neuen Heerd mit 118 kranken Stöcken und zwar über 2 km weiter thaleinwärts in halber Höhe des linken, ganz mit Reben bestandenen Berghanges etwas oberhalb des Dorfes. Insgesanmit entdeckte man von 1893 bis 1897 im Heimbacher Thal 19 Heerde mit 1404 kranken Stöcken auf 185,82 a Fläche. 1894 wurden am Oberrhein im linksrheinischen Kreise St. Goar weitere Infectionen entdeckt. Der Lokalbeob- achter in Url)ar bei St. Goar hatte angezeigt, dass ein Weinberg in dieser Gemarkung seit vergangenem Jahre auffallend zurückgehe. Darauf wurde daselbst eine zwar nicht sehr umfaugreiche (140 kranke Reben auf 6,06 a Fläche), aber äusserst intensive Verseuchung ermittelt. Der mit 7 — 9 jährigen Reben bestandene Heerd bot das sehr charakteristische Bild einer Reblaus -Infection. In der unteren Terrasse und an der westlichen Längsseite der oberen zeigten die Stöcke noch den üppigsten Wuchs. In der Mitte und an der Ostseite aber waren sie dem Absterben nahe. Man fand die Wurzeln der Stöcke der- artig mit Rebläusen bedeckt, wie es bis dahin in Deutsch- land wohl kaimi beobachtet wurde; selbst die Erde schien während der heissen Tage zu Ende Juni förmlich mit Rebläusen durchsetzt. Die Reben waren nach Aussage des Besitzers als unbewurzeltes Setzholz bezogen. In keiner der Gemarkungen, aus denen sie stammten, auch in keiner der „verwandten Parzellen", d. h. in den übrigen, dem Besitzer des verseuchten gehörigen Weinbergen, wurde etwas Verdächtiges bemerkt. Es blieb somit für den Augenblick nur übrig, anzunehmen, dass die Infection mit dem gerade gegenüberliegenden grossen Seuchenheerde an der Loreley zusammenhänge, obwohl weder eine directe Ueberführung von Reben, noch die Ansteckung durch geflügelte Insekten wahrscheinlich schien. Bei Ge- legenheit der üntersuchungsarbeiten in Urbar bemerkte der Commissar, dass die Weinberge in der nördlich be- nachbarten Gemarkung Biebernheim sich in überaus verwahrlostem Zustande befanden. Dies veranlasste ihn, diese Weinberge, deren Untersuchung für dies Jahr nicht geplant war, wenigstens oberflächlich begehen zu lassen. Dabei wurden alsbald 3 Heerde mit 573 kranken Stöcken auf 17,62 a Fläche entdeckt. Leider musste der vorge- rückten Jahreszeit wegen von einer gründlichen Unter- suchung der Reben in dieser Gemarkung Abstand ge- nommen werden, obwohl dem Leiter das ganze 4 ha umfassende Weinbergsareal äusserst reblausverdächtig zu sein schien. Aus demselben Grunde konnten auch die Rebenbestände von St. Goar, von denen einige nach An- zeige des Localbeobachters ein verdächtiges Aussehen zeigten, nicht mehr zur Untersuchung gelangen. Ueber den Ursprung der Infection war auch in Bie beruh ei m zu- nächst nichts Sicheres zu ermitteln. Zwar war 1890 bei den Verhandlungen in St. Goarshausen festgestellt worden, dass hier früher ein Rebenverkehr zwischen beiden Rhein- ufern, also zwischen St. Goar nebst Umgebung und St. Goarshausen stattgefunden hat, so dass an einen Zu- 368 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 31. sammenhang der Infectioiien auf beiden Rheiuufern ge- dacht werden konnte. Die vernommenen Biebern heimer Winzer behaupteten aber übereinstimmend, dass niemals fremdes Rebhoiz nach ihrer Gemarliung geiiommen sei. Bei der Vernichtung der stark verseuchten oberen Terrasse des Urbarer Heerdes (3,68 a) sollte ein interessanter Ver- such angestellt werden. Bei einer Conferenz in Geisen- heim war die Anwendung von Formaldehyd (Ameisen- säure) als Ersatz für Petroleum in Anregung gebracht worden, das sich als vorzügliches Desinfectionsmittel bei Bacterien aller Art erwiesen hatte. Es ist zwar in con- centrirter Lösung sehr theuer, sollte aber schon in starker Verdünnung wirksam sein und sich aus diesem Grunde bedeutend billiger stellen als Petroleum. Um ein sicheres Urthcil über die Wirkung des Formaldehyds zu haben, musste dasselbe allein, also ohne gleichzeitige Anwendung von Schwefelkohlenstoff, angewendet werden. Auch durften die Stöcke aus diesem Grunde einstweilen nicht aus- gehauen werden, damit man die Wirkung des Des- infectionsmittels auf die Wurzeln prüfen konnte. Da auch die erforderliche Concentration unbekannt war, wurden die einzelnen Theile des Heerdes in ausreichender Menge mit 7 Mischungen von verschiedener Stärke, näm- lich von 1 Theil Formol (d. i. 40%iges Formaldehyd, wie es die Höchster Farbwerke liefern) auf 50 bis 50Ö Theile Wasser behandelt, wovon die Hälfte angegossen, die Hälfte in 80 cm tiefe Löcher, wovon je 2 auf den Quadrat- meter kamen, eingefüllt wurde. Nach dem Einsickern der Flüssigkeit wurde der Boden eingeebnet und noch- mals mit der gleichen Lösung überbraust. Der Heerd er- hielt pro Quadratmeter 12 Liter Flüssigkeit. Der Erfolg entsprach den Erwartungen nicht. Bei der Revision waren sämmtliche Stücke in allen 7 Versuchsfeldern in gleicher Weise mit 60 — 80 cm langen Trieben versehen und selbst die nahezu abgestorbenen Stöcke hatten, allerdings küm- merlieh, wieder ausgetrieben. An den Stöcken fanden sich noch zahlreiche lebende Rebläuse, und nur direct am Stamm und den stärksten Wurzeln fanden sich neben solchen auch viele todte. Dies Ergebniss entsprach den vom Regierungsrath Dr. Moritz in Gläsern vorgenom- menen, gleich unbefriedigenden Versuchen. Der Heerd wurde nun natürlich noch mit Schwefelkohlenstoff und Petroleum desinficirt. 1895 wurden nun die Weinberge der Gemarkungen Urbar, Biebern heim nnd St. Goar auf jeden Stock und in dem westlich an St. Goar angrenzenden Werlau auf den 5. Stock untersucht. Dabei fanden sich in Urbar, Biebernheim und Werlau je ein, in St. Goar aber 8 Heerde, denen streng genommen auch noch der total verseuchte Biebernheimer Heerd mit 1372 kranken und nur 196 gesunden Stöcken zuzurechnen ist, da er zu den übrigen zu St. Goar gehörigen Parkanlagen des Rentners Johann Baptist Feudel gehört. Die übrigen Biebern- heimer Weinberge wurden trotz ihres schlechten Aussehens reblausfrei befunden. In St. Goar erwies sich ziemlich die Hälfte der ganzen Gemarkung, davon 7 Heerde in einem mit dem Biebernheimer zusammenhängenden Com- plex, inlicirt. Nach dem P^rgcbniss der Verhandlungen sind sämmtliche Heerde in den 4 erwähnten Gemarkungen sicher von dem oben genannten Feudel'schen Weinberge aus verseucht worden. Dieser Weinberg gehörte bis vor Jahresfrist dem Baron v. Dugardy, der das damals mit wildem Gestrüpp überwucherte, felsige Gelände gegen Ende der (50 er Jahre übernommen hatte. Er wandelte es in schöne Parkanlagen um und Hess 1870 von dem ihm befreundeten Weingutsbesitzer Ferdinand Feudel zu Niederheimbach, einem Vetter des jetzigen Besitzers, die beiden obersten Terrassen mit Reben bepflanzen. Nieder- Heimbacher Arbeiter führten die Anlage nach Angabe des Feudel aus und sollen dazu nur Setzholz aus dessen Weinbergen zu Nieder-Heimbach und zu Laubenheim an der Nahe verwendet haben. Nach der bestimmten und glaubwürdigen Aussage eines ehemaligen Gärtners und einiger alten Arbeiter des Barons Dugardy hat dieser aber 1870 eine kleine Partie verschiedener Rebsorten aus Orleans bezogen und in der erwähnten obersten Terrasse anpflanzen lassen. Zweifellos ist die Reblaus durch diese Reben aus dem verseuchten Orleans eingeschleppt worden. Die mittlere und untere Terrasse des Weinbergs wurden in den folgenden Jahren angelegt und durch die obere allmählich ebenfalls inficirt. Biebernheimer und Urbarer Winzer, die den Dugardy'schen Weinberg seit langen Jahren bearbeiteten, haben die Infection zweifellos von hier aus in die übrigen verseuchten Orte im Kreise verschleppt. So besitzen solche Biebernheimer Arbeiter die meisten Weinberge der Gemarkung St. Goar. So wurde der dem Metzger Gesswein in St. Goar gehörige, in der Mitte verseuchte Weinberg in Werlau ebenfalls von einem Winzer aus Biebernheim bebaut. Da Feudel'sche Ar- beiter aus Niederheimbaeh die Weinbergsanlage des Barons v. Dugardy ausführten, ist es immerhin möglich, dass sie auch die Infection im Heimbachthale ver- anlasst haben. Dagegen ist nicht ohne Weiteres anzu- nehmen, dass auch die rechtsrheinischen Infectionen bei St. Goarshausen aus derselben Quelle stammen. Die Desinfectionsarbeiten in St. Goar und Biebern- heim mussten wegen des sehr ungünstigen felsigen Terrains mit grösster Vorsicht ausgeführt werden. Die unteren ""ein- berge und die am Fusse des Berghanges vorbeifüi rende Eisenbahn wurden durch tiefe und breite Schutzgrähjn vor dem Herabfallen von Steinen und Felsstücken geschützt. Sehr zeitraubend war das Aufräumen vieler umgestürzter Mauern, deren Schutt seit Jahren in den Weinbergen zer- streut lag und vielfach inficirte Reben überdeckte. Ein- zelne verseuchte Stöcke wuchsen sogar auf nur mit Le- bensgefahr zu erkletternden Felsvorsprüngen. Die Samen solcher Reben wurden wohl durch Thiere an ihren Standort verschleppt und die Stöcke durch das ge- flügelte Insekt verseucht. Insgesammt enthielten die 11 Heerde, die 1895 in St. Goar, Bieberiiheim, Werlau und Urbar aufgefunden wurden, 5925 .ranke Reben und hatten einen Flächeninhalt von 48 ,10 a. 1896 fanden sich nur noch in St. Goar und Bie- bernheim in der Nähe der älteren 5 neue Infectionen, 1897 nur 2 in St. Goar und Urbar. In Biebernheim Hessen aber die vielen im Winter 1895/96 ausgel auenen Driesche befürchten, dass damit noch weite; e Ver- seuchungen sich der Entdeckung entzogen haben. Die Gemarkung muss aufmerksamster Beobachtung unterworfen bleiben. 1897 wurden endlich bei den Be- gehungen auch in Dam scheid bei Oberwesel, südwest- lich von Urbar, 3 Heerde mit bereits stark degenerirten Weinstücken (zusammen 418 kranke Reben) aufgefunden, deren Entstehung nicht zu ermitteln war. Zusammen um- fasste die ganze Infection in Werlau, St. Goar, Biebernheim, Urbar und Damscheid in den Jahren 1894—97 25 Heerde mit 7104 kranken Stöcken. Eine Fläche von 613,77 a musste vernichtet werden. 1894 entdeckte man ferner bei den Begehungen zum ersten Mal eine Verseuchung im Saargebiete der Rhein- provinz und zwar im Kreise Saarlouis in der Gemarkung Gross-Hemmersdorf im Thale der Nied, einem Hnken Nebenflüsschen der Saar, dicht an der lothringischen Grenze. Von hieraus findet ein lebhafter Verkehr mit Lothringen statt, und früher brachten lothringische Händler auch alljährlich viele Karrenladungen voll bewur- zelter und unbewurzelter Reben nach Gross-Hemmers- dorf und verkauften sie um ein Billiges. Die Verseuchung XV. Nr. 31. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. ist daher sicher auf die vor 1879 erfolgte Einführung be- wurzelter Reben aus der verseuchten Umgebung von Metz zurückzuführen. Dagegen besteht gar kein Rebeu- verkehr mit dem eigentlichen Saarweingebiet, das in der Luftlinie etwa 26 km entfernt liegt. Der Hauptheerd enthielt 1550, ein zweiter 692 kranke Stücke. Im ganzen aber fand man 5 aneinanderstossende Heerde und 1895 noch ebensoviele. Diese 10 Heerde enthielten insgesammt 3378 kranke Reben auf 260,05 a Fläche. Die meisten Infectionen sind hier dadurch entstanden, dass in den erwähnten 2 grössten, ganz zu oberst im Berge liegenden Heerden durch starke Regengüsse die Erde von verlausten Stöcken losgespült und nebst den an den Wurzeln sitzenden Insekten auf die weiter unten liegenden Weinberge herab- geschlemmt wurde. Sehr autfällig ist übrigens hier wie in St Goar und an anderen Orten in Deutschland, dass die schon seit mindestens 15 Jahren bestehende Infection so lange latent geblieben ist. Endlich wurde 1894 auf Anzeige des Lokalbeobach- ters noch eine weitere Verseuchung in der Provinz Hessen- Nassau entdeckt und zwar in der Gemarkung Dieden- bergen im Landkreise Wiesbaden in einer von den bisherigen Heerden weit abgelegenen Gegend. Nur eine Stelle der 21 ha umfassenden, isolirten Weinberge der Gemarkung erwies sich als verseucht und diese umfasste drei grössere und mehrere Spritzinfectionen. In einem etwa 10 a grossen Weinberge lagen die beiden grössten Verseuchungen nahe bei einander und zeigten das cha- rakteristische Heerdbild in auffallendster Weise. Sie mÜL m schon lange Jahre bestanden haben, da eine An- zahl 'Von Stöcken schon fast ganz abgestorben war. Von hier aus entstanden die anderen über etwa Va ha ver- streuten Infectionen durch Verschleppung. Wegen der Isolirnng der hiesigen Weinberge kann die Laus nur mit fremden Reben von auswärts eingeschleppt sein. Den am längsten verseuchten Weinberg hatte der jetzige Besitzer etwa 1879 neu angelegt. Er sowohl wie die übrigen Inhaber verseuchter Parzellen behaupten, in ihren Weinbergen nur Blindholz aus Diedenbergener Gemarkung gepflanzt zu haben^ Nun wurde zwar ermittelt, dass ein Besitzer, in dessen Weinbergen die Reblaus nicht zu finden war, in d-^'T sechziger Jahren einige, ihm von italienischen Arbeu,irn mitgebrachte italienische Reben eingepflanzt hat. Er behauptete indess, dass auch diese nur ßlindreben gewesen seien, die er in seinem Garten gepflanzt, aber nach einigen Jahren wieder entfernt habe, da der Wein nie reif wurde. Auch habe er anderen Personen von diesen' Reben nichts abgegeben. Der Ursprung der Dieden- berge'uer Verseuchung ist daher nicht festzustellen ge- wesen. Der gesaramte Heerd enthielt 299 kranke Reben auf 51,61 a f'läche. In dem sehr bündigen Lehmboden des lleerdes, der zur Zeit der Desinfection durch anhal- tende Regengüsse völlig durchfeuchtet war, erhielt sich der Schwefelkohlenstoff in mehreren Stosslöchern bis zur Revision im nächsten Jahre flüssig. In einigen Fällen entzündete sich der Inhalt dieser Löcher durch Funken, die durch Aufschlagen der Arbeitsgeräthe auf Steine hervorgerufen wurden. 1895 wurden in der Nähe des vorjährigen Heerdes noch zwei Spritzinfectionen aufge- funden, so dass in Diedenbergen überhaupt 3 Heerde mit 311 kranken Reben auf 61,77 a Fläche aufgefunden wurden. 1895 wurde von dem Sachverständigen in Meissen eine weitere Infection im Königreich Sachsen nnd zwar in (Johlis (Amtshauptmannschaft Meissen) aufgefunden. Ein Weinberg erwies sich zu ^|^ als verseucht und bot das charakteristische Bild einer vorgeschrittenen Reblaus- erkrankung. Nach Angabe des Besitzers Förster wurde ein Rückgang in dem ihm seit 8 Jahren gehörigen Wein- gute zuerst 1891 bemerkt und auf die Trockenheit jenes Jahres sowie die Armuth des Bodens zurückgeführt. Die iuficirte Fläche ist von den nächsten verseuchten Wein- bergen in Zitzschewig und Naundorf über 6 km entfernt und zudem gegen Osten von einem Walde um- schlossen. Der Scharfen berger Heerd ist noch weiter (7,5 km) entfernt. Ein Zusammenhang mit diesen Infec- tionen ist daher nicht sicher erweisbar und der Ursprung des Gohliser Heerdes völlig dunkel. Er enthielt 1501 kranke Reben auf 20,85 a Fläche. 1896 wurde, etwa 800 m südwestlich von dem eben erwähnten, in der Ge- markung Oberau, östlich vom Dorfe, ein weiterer Heerd entdeckt. Er umfasste mit 1148 inficirten Stöcken auf 17,75 a Fläche den ganzen oberen und mittleren Theil des betreffenden Weinbergs. Auch hier erklärte der Be- sitzer Henker, niemals Weinstöcke von ausserhalb be- zogen zu haben. 1897 wurden in der Gemarkung Ob ei' au weit entfernt vom vorjährigen, westlich vom Dorfe gelegen, noch vier weitere Heerde (mit 1384 kranken Reben auf 38,465a Fläche) entdeckt. Auch ihr Ursprung muss schon älteren Datums sein. Während der Flugzeit herrschen hier fast ausschliesslich südliche und westliche Winde, so dass eine Infection vom vorjährigen Heerde her unwahrscheinlich ist. Ob, wie der Commissar vermuthet, in allen diesen Fällen vielleicht doch ursprünglich eine Ansteckung vom Scharfenberger Heerde her erfolgt ist, oder ob vielleicht auch hier, wie so vielfach am Rhein, das verderbliche Insekt durch Wild verschleppt wurde, ist durchaus zweifel- haft. Die 6 Heerde in Gohlis und Oberau umfassten somit in den Jahren 1895 — 1897 zusammen 4033 kranke Reben auf 77,065 a Fläche. Ferner wurde 1895 bei den Untersuchungen durch die Sachverständigen -Commission zum ersten Mal eine Reblausverseuchung in der Bayrischen Rheinpfalz ent- deckt, nämlich in der Gemarkung Sausenheim bei Grün- stadt im Bezirksamt Frankenthal. Die dortigen, nahe beim Dorfe isolirt gelegenen Weinberge zeigten eine Stelle, die durch einen Kreis sehr schwachtriebiger, ja vereinzelt schon abgestorbener Rehen auffiel. Gleich der erste zur Untersuchung gelangende Weinstock zeigte sich mit Rebläusen besetzt. Der gesammte Heerd (16 Grund- stücke, die 13 Besitzern gehören) enthielt 1047 kranke Reben. 135,00 a Weinbergfläche wurden (nach der Honnefer Methode) vernichtet. Als älteste Infectionsstelle ist der Herold 'sehe Weinberg zu betrachten, in dem schon eine Anzahl Stöcke durch die Reblaus ganz zu Grunde gegangen war. Leider konnte über die Herkunft der Reben in dieser Parzelle, unter denen man wahr- scheinlich bewurzelte iuficirte mit eingepflanzt hat, nur wenig Sicheres ermittelt werden. Herold, des Weinbaues selbst unkundig, hatte die Anlage seines Weinbergs einem Winzer, übertragen, der die Reben dazu in mehreren Partien aus der nächsten Umgebung bezog. Ein Winzer lieferte dazu 500 österreichische Reben, die sämmtlich aus den nicht verseucht befundenen Weinbergen von Kirchheim a. Eck entnommen waren. Der Ursprung der Sausenheimer In- fection ist daher zur Zeit noch dunkel. Leider ist daher zu befürchten, dass sich in der Nähe vielleicht eine noch unentdeckte Verseuchung befindet, die die Herold' sehe veranlasst hat. 1896 wurden daselbst 20, 1897 noch 5 weitere Heerde entdeckt, sämmtlich junge Tochter- infectionen mit ganz wenigen verseuchten Stöcken, die in nordöstlicher Richtung vom Hauptheerde liegen. Zusammen umfassen die 1895 bis 1897 in Sausenheim entdeckten Infectionen, somit 26 Heerde mit 1143 kranken Reben auf einer zu desinficirenden Fläche von 379,70 a. Endlich fand man 1895 noch eine weitere Verseuchung in der Gemarkung Thann des Ober-Elsass. Der Heerd enthielt 210 kranke Reben auf 31,10 a Fläche und befand Natur wissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 31. sich im Weinberge des Uhrmachers Kreisel. Der Be- sitzer hatte 1879 oder 1880 Gamey- und Burgunder- rebvvürzlinge von dem Tanzlehrer Weidensohler in Thann gekauft, die dieser aus Vallieres in Lothringen zum Absatz im Kreise Thann bezogen hatte. Kreisel hatte damit ein glücklicherweise isolirtes Stück Land be- pflanzt, auf dem die Reben allmählich völlig abgestorben sind. Auch in seiner oberen Parzelle fanden sich drei fast vernichtete Stöcke, die er aus dem verseuchten Stücke zum Ausflicken hierher gepflanzt hatte. Wegen der hier häufigen Ostwinde, die eine Verbreitung der Infection nach Westen befürchten lassen, und wegen der isolirten Lage hielt es der Commissar für geboten, das ganze in- ficirte Stück zu vernichten. Trotzdem wurden 1896 in Thann 5 und in den östlich und südöstlich daranstossenden Weinbergen von Alt- Thann 14 weitere Heerde ermittelt. Alle zusammen bilden einen grösseren inficirten Complex, der durch keine gesunde Zone unterbrochen war. Es mussten daher 2382 kranke und 49 438 gesunde Stöcke auf einer Fläche von 373,09 a vernichtet werden. 1897 fand man bei den sehr genauen Untersuchungen der Reb- stöcke in der Nähe der alten Heerde in Thann das In- sekt nur an zwei vereinzelten Rehen, in Alt -Thann einen und in der Gemarkung St ei nb ach, 2 km östlich vom vorigen, einen Heerd. Der Ursprung des letzteren ist zweifelhaft. Insgesammt entdeckte man von 1895 bis 1897 in Thann, Alt-Thann und Steinbach zusammen 22 Heerde mit 2884 kranken Reben auf 479,91 a Fläche. (Schluss folgt.) Der neue, grosse Refractor der Potsdamer Stern- warte, der am 26. August vorigen Jahres durch eine er- hebende Feier im Beisein des deutschen Kaisers seiner Bestimmung übergeben worden ist, darf als ein Meister- stück deutscher Optik, Feinmechanik und Maschinenbau- kunst bezeichnet werden, auf das unser Vaterland mit Recht stolz sein kann. Wirkt schon der äussere Anblick des imposanten Kuppelbaues, der sich südlich von der alten „Sonnenwarte" erhebt und mit ihr durch höchst geschmackvolle Gartenanlagen in Verbindung steht, majestätisch auf den Beschauer, so wird dieser Eindruck noch erheblich gesteigert, wenn man in das Innere des Kuppelraumes eintritt. Ein Gefühl andächtigen Staunens bemächtigt sich desjenigen, der zum ersten Male unter dieser genau halbkugelförmigen Drehkuppel von 22 m Durchmesser den Rieseurefractor von 12'/2 m Brennweite erblickt, dessen bewegliche Theile allein 7000 kg wiegen, und zu dessen Benutzung ein Beobachtuugs- Fahrstuhl dient, der durch seine complicirten Maschinerien und seine ! sinnreiche Einrichtung das Interesse des Besuchers als- bald gleichfalls in hohem Maasse fesselt. Der Gedanke, dass dies Alles nur dem idealen Zwecke der genaueren Erforschung der Sterneuwelt gewidmet ist, hat etwas Er- hebendes. Mit hohem Stolz muss jeden Preussen dieses zur Jahrhundertwende vollendete Werk erfüllen, zumal, j wenn zugleich an die traurigen Zustände gedacht wird, die am Anfange desselben Saeculums über unser Vater- land hereinbrachen und die jeden Gedanken an die Mög- lichkeit solch' hoher Aufwendungen für rein wissenschaft- liche Zwecke ausgeschlossen hätten. Der vornehmlichste Zweck, für welchen das Potsdamer Fernrohr erbaut worden ist, besteht in der Ausdehnung spektrophotographischer Forschungen auf schwächere Fix- sterne. Bekanntlich hatte H. C. Vogel im Jahre 1887 durch Benutzung der photograpbischen Fixirung von Fix- sternspektren die Wellenlängen einzelner Linien in den- selben mit solcher Genauigkeit ermitteln können, dass die Spektralanalyse der Gestirne dadurch auf eine wesent- lich höhere Stufe gehoben wurde. Bis auf wenige Zehntel einer Meile genau konnte die Geschwindigkeit der Be- wegung der Sterne in der Gesichtslinie festgestellt werden und es gelang daher auch die Wahrnehmung periodischer Schwankungen dieser Geschwindigkeit, die uns das Vor- handensein eines unsichtbaren Begleiters bei einzelnen Sternen, wie z. B. bei Mizar, verriethen. So wurde die Astrophysik in engste Verbindung mit der ßewegungs- Astrononde gebracht und lieferte derselben die wichtigsten Daten, die kein Mikrometer jemals an den Tag gebracht hätte. — Da jedoch das schwache Fixsternlicht durch die spektrale Zerlegung noch wesentlich abgeschwächt wird, so konnten mit dem elfzölligen Potsdamer Fernrohr nur die helleren Sterne untersucht werden. Für die Aus- dehnung der von Vogel und Scheiner begonnenen Arbeit auf Sterne der dritten bis vierten Grössenklasse erwies sich eine Vergrösserung der das Sternenlicht auffangenden Objetivfläche als unbedingt erforderlich und so musste denn bereits im Jahre 1890 der Antrag gestellt werden, ein grosses, mit den neueren amerikanischen Riesenfern- rohren vergleichbares Instrument zu beschaffen. Während jedoch zunächst die Finanzlage des Staates eine Reali- sirung dieses Wunsches nicht gestattete, wurde dieselbe in der zweiten Hälfte des letzten Decenniums möglich, zumal der deutsche Kaiser dem Plane sein volles Interesse entgegenbrachte. So wurde 1895 das Instrument in Be- stellung gegeben, imd zwar die Glasmasse für die Ob- jectivgläser bei Schott u. Gen. in Jena, der Schliff" bei C. A. Steinheil in Mluichen, die Montirung bei A. Rep- sold & Söhne in Hamburg, die Drehkuppel bei ßrett- schneider & Krügner in Pankow, der Bewegungsmechanis- mus derselben und der Fahrstuld bei C. Hoppe in Berlin, und endlich die elektrischen Einrichtungen bei Siemens & Halske. Das Fernrohr ist als Doppelfernrohr construirt, dessen grösseres Objectiv von 80 cm Oeffnung und 12 m Brenn- weite den photographischen Zwecken dient, während das kleinere von 50 cm Oeffnung und 12 '/ä ni Brennweite zur direkten Beobachtung und insbesondere zur genauesten Führung des ganzen Instruments bei photographischen Aufnahmen bestimmt ist. Mit dem photograpbischen Fern- rohr kann ein grosser, nach theilweise ganz neuen Prin- cipicn gebauter Spektrograph in Verbindung gebracht werden, den der Potsdamer Mechaniker Töpfer nach den Angaben Prof. Vogel's und Dr. Hartmann's erbaut hat. Als Vergleichsspektrum dient bei diesem Apparat theils das ausserordentlich helle Spektrum eines zwischen Metallelek- troden gebildeten Lichtbogens, theils das sehr linienreiche Spektrum einer mit Helium gefüllten Geissler'schen Röhre. Sowohl Aufnahmen von Sternspektren, als auch direkte Moudphotographien sind bereits ingrössererZahl vortreff^lich gelungen und haben das tadellose Functioniren aller Theile des kostbaren Instruments erwiesen. Die Bewegung des Fernrohrs und die Ablesung der Kreise erfolgt übrigens vom Fussboden aus mittelst der an der Säule angebrachten Handräder mit grosser Leichtigkeit, doch kann auch der Beobachter mit einiger Kraftanstrengung von seinem Platze aus direkt das Rohr regieren. Am Ocularendc lässt sich auch ein elektrisch mit der Hauptuhr in Ver- bindung stehendes Zifferblatt anhängen, sodass dem Beob- achter seine mühevolle Arbeit nach Möglichkeit erleichtert wird. Dies geschieht im Besonderen auch durch die XV. Nr. ;'.l. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Einrichtung des Beobachtungsfahrstubls. Derselbe hängt nämlich dem Spalt gegenüber direkt an der Kuppel und wird daher bei der durch Elektromotore bewirkten Drehung derselben stets auf kreisförmig um das Fernrohr laufenden Schienen selbstthätig mitgenommen; ausserdem besitzt er noch eine begrenzte selbstständige, seitliche Verschiebbarkeit, damit der Beobachtungsplatz den ver- schiedenen Lagen des Fernrohrs möglichst gut angepasst werden kann. Das Beobachtungspodinm wird nun, wieder durch elektrischen Antrieb, auf einer schiefen Ebene in die jeweilig geeignete Höhe gehoben und ist alsdann durcii seitlich angebrachte Treppen bequem zu erreichen. Die gewaltige Kuppel von rund 2üO 000 kg Gewicht ruht auf 20mal je drei Rädern und kann trotz ihrer un- geheuren Masse mit der Hand, wenn auch nur langsam, bewegt werden. Durch die für gewöhnlich benutzten Elektromotore wird eine volle Umdrehung bereits in fünf Minuten erzielt, sodass die hierdurch bedingten Zeitver- luste minimale sind. Der Spalt besitzt eine Breite von 3'/., m. Sein unterer Theil wird durch von der Seite her sich verschiebende Platten verschlossen, während der obere Theil einen in seiner Längsrichtung verschiebbaren Schieber trägt, welcher IV2 ni über das Zenith hinaus die Oeft'nung frei zu machen ermöglicht. Auch diese Be- wegungen können vom Beobachtungsstuhl aus auf elek- trischem Wege dirigirt werden, doch ist für den Fall des Versagens der betreffenden Mechanismen auch hier wie sonst überall Handbetrieb möglich. Um die vorbereiten- den Arbeiten der Einstellung des Fernrohrs u. s. w. schnell und sicher von statten gehen zu lassen, kann der ganze Kuppelraum durch rings an der Wand unterhalb einer dieselbe bekrönenden Gallerie angebrachte Glüh- lampen in verschiedenen Helligkeitsabstufungen gleich- massig erleuchtet werden. So haben die verschiedensten Zweige der Technik auf alle erdenkliche Weise zusammengearbeitet, um etwas in jeder Beziehung Vollkommenes zu schaffen. Hoffen wir, dass nun die Potsdamer Astronomen nach der auf- reibenden Zeit aller Vorbereitungen auch bald den Lohn für ihre Mühen in dem Gelingen der geplanten wissen- schaftlichen Arbeiten finden werden; mühevoll genug wird freilich die tägliche Benutzung des Rieseninstruments bleiben und nur begeisterte Hingabe an den Beruf kann die verantwortungsvolle Thätigkeit dankbar und frucht- bringend gestalten. F. Kbr. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ei-uanut wurden: Der Koniglicli preust-ische ßezirksgeologe Dr. Leppla zum Landesgeologeu, der Hilfsgeologe Dr. Zeise zum Bezirksgeologen; Dr. Ernst Weinschenk, Privatdocent der Mineralogie in Breslau zum ausserordentlichen Profes.sor; Dr. Karl H arries, Abtheilungsvorsteher am ersten chemischen Universitäts- institut in Berlin, zum Titular -Professor ; Dr. Nagel, Privat- docent der Physiologie in Freiburg i. Br., zum ausserordentlichen Professor; Dr. F. S, Cullen und Dr. W. Rüssel zu Professoren der Gynäkologie in Baltimore; Dr. L. Ron co roui, Privatdocent der Psychiatrie in Cagliari zum ausserordentliclien Professor; ausserordentlichor Professor der Mechanik an der Bergakademie zu Schemnitz in Ungarn M. Hermann, zum ordentlichen Professor und Bergrath; Dr. W.H. Welch zum Professor der Therapeutik und materia medica in Chicago; Prof. Dr. F. T. Roberts zum Pro- fessor der medicinischen Klinik in London; Dr. H. B. Favill zum Professor der Therapeutik in (^'liieago; Dr. J. Dandon zum Professor der materia medieu 111 (urk; iJr. Calmette, Professor der Bakteriologie und exp1r11iM_11tell.11 Therapeutik in Lille zum Professor der Hygiene und Bakt'viul.igie. Berufen wurde: Dr. Fedor Krause, Oberarzt des städti- schen Krankenhauses in Altona, als dirigirender Arzt der chirur- gischen Abtheilung an das Augustahospital in Berlin. Uebergesiedelt ist: Dr. Zehnder, Professor der Physik in Würzburg, nach München. Es habilitirten sich: Dr. Ad. Oswald für medicinische Chemie in Zürich; Dr. R. Jemma für Pädiatrie in Genua; Dr. A. Gerwer für Neurologie und Psychiatric an der militär-medicinischen Akade- mie in Petersburg; ebenda Dr. M. B. Blumen au für innere Medicin und Dr. P. G. Oleinikow für Bakteriologie; Dr. C. Orecchia für Chirurgie in Genua. In den Ruhestand tritt: ordentlicher Professor der Mathe- matik in Genf G. Oltramare. Es starben: Prof. Dr. Johann Kjeldahl, Leiter des chemischen und physiologischen Laboratoriums der Brauerei Alt- Karlsberg in Kopenhagen (durch Ertrinken bei einem Rettungs- versuche); Dr. F. N. Otis, Professor emeritus der Krankheiten der Harn- und Geschlechtsorgane in New- York; der Geologe Berg- hauptmann a. D. August V. Strombeck in Braunschweig. L i 1 1 e r a t u r. Dr. C. Fickert. 1. Assistent an der zoologischen Anstalt der Universität zu Tübingen, und O. Kohlmeyer, ordentlicher Lehrer und Fachlehrer für Naturgeschichte am Kgl. Seminar zu Alfeld a. d Leine, Thierkunde unter grundsätzliclier Betonving der Beziehung'en zwischen Lebensverrichtungen, Körperbau und Aufenthaltsort der Thiere. 3. vermehrte u. verbesserte Aufl. Mit .">7ü Alihildiingen unil einer farbigen Tafel „Thierregionen und Subregionen" nach Wallace. G. Freytag in Leipzig. 1900. Preis 4,80 Mk. Das Buch ist rein systematisch disponirt und beginnt ohne jede allgemeine Einleitung sofort — und zwar mit den höchsten Thieren — mit einer Besprechung der Wirbelthiere und so die Reihe der Kreise und Klassen u. s. w. durch bis zu den Rhizo- poden. Es handelt sich aber nicht um blosse Beschreibungen der Einzelheiten hinsichtlich ihrer Formen, sondern es wird stets der Zusammenhang von Form und Funktion, es werden überhaupt die Lebens-Erscheinungen in Rücksicht gezogen. Zum Schluss wird eine Thiergeographie geboten, untei'Stützt durch eine Copie der bekannten Wallace'schen Karte. Als Anhang findet sich ein Ab- schnitt „Der menschliche Körper und seine Lebensverrichtungen", in welchem auch die Menschenrassen besprochen werden; unter der Ueberschrift „Vorgeschichtliches über den Menschen" werden einige wenige Sätze geboten. Die Abbildungen sind gut, auch diejenigen, welche anatomische Details demonstriren. E. Mach's Grundriss der Naturlehre für die unteren Classen der Mittelschulen. Ausgabe für Realschulen, bearbeitet von Dr. Karl Habart, k. k. Professor am Staatsgymnasium in Linz. Mit 349 Abbild. 3. verb. Autl. Wien und Prag. Verlag von F. Tempsky, 1900. - Preis geb. 2,30 M. Diese neue Auflage wurde im Geiste des österreichischen Ministerialerlasses vom 1. März 1899, Z. 5546, abgefasst. Bei der Auswahl, Anordnung und Darstellung des Unterrichtsstoffes wurden die Vorschriften des neuen Lehrplanes und der neuen Instructionen berücksichtigt. Bei der Abfassung wurden folgende methodische Grundsätze beobachtet: 1 Ueberall wird von den Erscheinungen ausgegangen, so dass sich die Begriffe in der natürlichsten Weise, sozusagen von selbst ergeben. — 2. Nach Möglichkeit werden die meist sehr naiven, einfachen klassischen Beobachtungen und Gedanken benützt, aus denen die grossen Forscher die Physik aufgebaut haben. Die Darstellung wird da- durch verständlich, und das historische Moment fügt sich der- selben auch ganz natürlich und nicht bloss äusserlich an. — 3. Es wird eine möglichst zusammenhängende Darstellung an- gestrebt. Der Schüler soll bei jedem neuen Satze an die vorher erworbenen Kninifnissi^ erinnert werden, er soll dieselben an- wenden nii.l iluvi, \V,.,il, M-Ii:,tzen h-vnru. — 4. Die Ersrlieinungen werden iiielir nur in lH-..iiileri'ii iMii/.elt'oiinrn vnii;-efiilirt, sondern wo es thiinlu'h ini.l nut/.li.'h ist, wird .h-ni Seliüler ein l'eberblick über die möglichen Fälle gegeben. Diese Gesichtspunkte sind in dem Buche mit Geschick ver- folgt worden, sodass es als Einfühlung in die Physik sehr gut geeignet ist. Bujard, A., u. E. Baier, DD., Hilfsbuch für Nahrungsmittel- cliemiker zum Gebrauch im Laboratorium. Berlin. — 10 Mark. Meyer, Wilh., Beiträge zur vergleichenden Anatomie der Cary- ophyllaceen und Primulaceen. Hildesheim. — l,8ü Mark. [ilhalt: R. Beyer: Zur Geschichte der Verbreitung der Reblaus m Deutschland. — Der neue, grosse Refractor der Potsdamer Sternwarte. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — LItteratur: Dr. C. Fickert, Thierkunde unter grundsätzlicher Betonung der Beziehungen zwischen Lebeusverriehtungen, Körperbau und Aufenthaltsort der Thiere. — E. Mach's Grundriss der Naturlehre für die unteren Classen der Mittelschulen. — Liste. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. .^1. Cari Zeissi Mikroskope Optische Werkstaette, na Jena. ■■ •he Zwecke, sowie fllr feinste iisehaftliehe .\rbeiten. Stereoskopische fflikrOSkope naili Greenoui;li, .S|ii-(iiil-Mi>il('ll tili AiiKeniiiitcrsiicIiiiiigoii. Mikrophotograpbische Apparate. Projectionsapparate "■ ""V^ilfnae^L^^r" ""^ Optische Messinstrumente iXTD^loIelVeZ')- Neue Doppelfernrohre Astronomische Objective nare, Teleobjective). erhöhterPlastik (Prismen- system uach Porro) und astro-optische In- stiuniente. Illustrirte Cataloge gratis und franco. Genaue Bezeichnung des gewünschten Special-Catalogs erbeten. Specielle Auskünfte in einschlägigen Fragen werden Interessenten gern ertheilt. Ferd. Düniiiilers Verlassbuchhandluiifi: in lierliii H^\. 12, Lehrbuch der Potentialtheorie. Allgemeine Theorie des Potentials und der Potentiaifunktionen im Räume. Von Dr. Artlinr Korn. Privatdozent an der königl. Universität München. ^^^ Mit 94 in den Text gedruckten Figuren. — — 27 Itogfii s-ross (»Clav, l'rcis !> Mk.. üolfiiiKlcn 10 Mk. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦ gerti. giimmlfrs gcrlagsbuitiljanMmig in Öfdin 8W. 12. ♦ lüm liclrödrWort^nOill | J fllit ,542 31lii|lrntioiini. 1044 öcittii. gr. S". J 4 2 SPniibc. ©cftcftct 12 mart, clcfloiit flcliunScn l(i TOart. « X ^ 3u bcjieticn burig aUc 33itd)l)anblungeu. ^ t Itrii. flümniirrs ilcrlagobitdilianMung in ptrlin SW. 12, limmrrRr. 94. .311 mijtncm ilH'rliuic ciifliicucn: ^Jnmnutjfenfdjaftüdjc S^oIf^Midjer. fünfte, ret($ ifluftrterte iluffagc. ®urd)gcfc£)cn iinb ucrbcfiett Dr. §, ^otonte iib Dr. |{. icnnta. ■ÖHt 40."i 3Uiiftrotioncii 21 fftiic in 4 Sb. Iiroldj. 12 IHark, in 4 picg. ftiittnbii. 10 Htnrii. «lud) in nad)ftef)enbeii ©onber=3Iu§gabcn ä" 6eäief)cn: ®er Sufammcn^ong bcr 9}aturh-öfte. aBittetungäfunbc. Slütc uub 5nid)t. 9tnf)nnuv?mittc(. Seil 1, 174 ©., geb. 1 mt — ®ic Si- iuidnuuv S>om ^uftinft bcr Siere. Seit 2, 108 ®., geb. 0,6ü TOt. — ^.ilii,;icbuiuicfrait unb (gleftriäitnt. £eil 3, 120 ® , geb. 0,60 mt — ^ic (Jlcftviöitrtt in if)rcr 9tntoeiibung. Seil 4, 104 @., geb. 0,GO TOf. — Süll bell d)cmiii^en Gräften unb Sleftroc^emie. Seil 5, 108 ©., geb. 0,60 9Kf. — ei)emic. Seil 6, 79 ©., geb. 0,50 3Kt. — SJngetuanbtc (5t)emie. »iibcrfimbe. Seil 7, 116 ©., geb. 0,60 3Kf. — SSum «lltcv ber Srbe (©eologic). SSon bcr Umbre^ung ber Svbe. Sic ®c= fdltuiiibigteit bei 5]icf)tö. Seil 8, 152 @., geb. 1 9Kt. — Sas pl)iid)en im gi. Som §i)ptiotiöniul Seil 9, 127 S., geb. 0,80 9Jtf. - S3au unb Scbcn Don «Pflaiiäe «nb Sicr. Seil 10, 163 ©., geb. 1 m. — ®n§ ©eifte^lcbcn »on Sffienfd) unb S^ier. Seil 11, 100 ®., geb. 0,60 m. - 5ßn;d)uIogie uub Sltmung. Seil 12, 124 @., geb. 0,80 m. — §cr5 unb Singe. Seil 13, 133 ©., geb. 0,80 mt. — Sfulcituug ju d)cniiid)fn ejpcrimcnten. <)5raftiid)e $eiäuug. Seil 14, 192 ©., geb. 1 mt. — Skturtraft unb ®eiftc§raalten. SSolf§roirffd)aitlid)el. Sßom ©piritiämuä. Seil 15, 163 S., geb. 1 9Kf. — Eine 5pl)ontafierei)e im SBeltaU (Slftronomie). Seil 16, 271 S., geb. 1,60 mt — Sic onfterfenbcn Sranftjcitcn unb bie Batterien. ®ie *Pf mtäenroelt unfrcr .'gcimat fonft nub jctU. Sic ©pcttrolanalDie unb bie gijfteruiuclt. Seil 17, 178©., geb. 1 mt. — atbftnmmungJleiirc uub fDartoini^mug. Seil 18, 128 ©., geb. 0,80 mt — 58ou bcr grl)altnug bcr traft. Seil 19, 104 ©., geb. 0,60 mt — 33ic (äutnudcluug ber S3clcud)tungltcd)nif. .Qlima= totogie. Seil 20, 162 ©., geb. 1 a)(t. — 35ie gjaturroifienfdmit im erroerbäleben. 5£8iffcnfd)ait uub *4!f)ilüiüpbie. Seil 2l, 92 ©., geb. 0,60 mt. (jratis "°d franko liefern wir den 3. 9fachtrag| (Juli 1897 bis Juni 1S99) z un.serein Verlagskatalog. Ferd Dämmlers Verlagsbnchti., Berlin SW. 12, Zimraerstr. 94. PATENTBUREAU Ölrich R. JVlacrz Jnh. C. Schmidtlein.Jngenieur Berlin NW., Luisenstr. 22. Ferd. Dümmlers VerlaersbuclihaiHllunK in Herliii S\V.12. Chemisches Ijillsbuch. Atomgewichte und deren Multipla, Um- rechnungsfaktoren und massanalytische Constanten. Von Dr. Jovan P. Panaotovic, Assistent am technolog. Institut der Universität Berlin. 70 Seiten kl. Oktav. In bieg^aiuein Ijeiiienbaiid 3 Mark. Julien Offray de Laraettrie. Sein Leben und seine Werke. Villi J. E. Poritzky. 364 Seiten. 8°. Preis geheftet 4 Mai-k, gebunden 5 xMark. Tabellen qualitativen Analyse l)r. F. P. Treadweli, unter Mitwirkung von Dr. Yictor Meyer, Vierte vermehrte und verbesserte Auflage, neu bearbeitet von Dr. F. P. Treadweli. Lex. 8'. Preis kartonnirt 4 Mark. Verantwortlii'her Redii Hugo Bernstein in Bei llenr •. LiehtiM-teldi'-We,st bei Berlin, l'otsdaiiiei-strasse 3.'). für den Inseratentlieil: Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. - Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. lÄm Redaktion: Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Dii-oimlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XY. Band. den 12. Auaust 1900. Nr. 32. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchbandlungen unil Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist JC 4.— Bringegeld bei der Post 15 J, extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 .A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft- Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Ueber unsichtbare elektrische Strahlung und die Energiequelle der Becquerelstrahlen. Von Dr. H. Rudolph. Durch die uenereu Unteisuclnmgen über die von Kathodenstrableu mitgeftihrteu elektrischen Ladungen sind mehrere namhafte Physiiier zu einer Hypothese gelangt, welche sich an den zur Erklärung der elektrolytischen Leitung gebildeten Jonenbegrifi" anlehnt und nach der es neben den bisher angenommenen chemischen Atomen be- sondere elektrische Atome giebt, aus denen die Atome der verschiedenen Elemente entweder zusammengesetzt sind oder mit denen sie gewissermaassen eine leichte chemische Bindung eingehen. Es bleibt in den ver- schiedenen Theorien vorläufig eine oft'ene Frage, ob besser zweierlei elektrische Atome anzunehmen sind oder ob die Verschiedenheit der elektrischen Ladung auf die verschiedene Anzahl der gebundenen elektrischen Atome derselben Art zurückzuführen ist. Solche Arbeitshypo- thesen dienen der Sichtung des Beobachtungsmaterials und sind meistens eine erste Annäherung an die wahren Verhältnisse, so dass nach ihnen der Plan zur weiteren Erforschung eines Gebietes entworfen und eine genauere Einsicht in dasselbe gewonnen werden kann. Möglich wäre es auch, dass den Annahmen der Hypothese ob- jective Realität zukommt und dieselben von einem sub- jectiven Veranschaulichungsmittel zu der Bedeutung einer fundamentalen Wahrheit gelangen. Eine Hypothese, der man solche objective Realität umsomehr zuerkennen muss, je weiter man in der Natur- erkenntniss fortschreitet, ist des alten Demokrit Gedanke über den wahren Grund der Verschiedenheit der Dinge, der Gedanke von ihrer Zusammensetzung aus kleinsten, in verschiedener Weise angeordneten unteilbaren ßestand- theilen. Und doch ist es nicht zu verkennen, dass dieser Gedanke mit den Grundformen unseres Denkens nicht in Einklang steht. Diese fordern gebieterisch den mathe- matischen Begriff der unendlichen Theilbarkeit der Materie. Man hat sich dadurch zu helfen gesucht, dass man das Kräftespiel zwischen nicht bis ins Unendliche theilbaren Atomen nur als ein Bild der wirklichen Vorgänge hin- stellte. Damit degradirt man jedoch die Atomistik auch zu einer blossen Arbeitshypothese und in diesem Falle müsste man über die wunderbaren Leistungen und über den ausgedehnten Geltungsbereich derselben erstaunen. — Bildete der Atomismus nur eine erste Annäherung an den wahren Grund der Erscheinungen, so wäre es ohne Belang, dass sein Hauptprincip, die „Untheilbarkeit", erst umgestossen und gleich darauf, nur für erheblieh kleinere Theile wieder aufgerichtet wird, um so zu einer neuen Arbeitshypothese zu gelangen. Denn das ist der Kern der eingangs erwähnten Lehre von den Elektronen und Corpuskeln, welche zwar auf den ersten Blick berufen scheint, die Einheit des Denkens nicht nur in Bezug auf die neuen Strahlungserscheinuugen zu wahren, sondern auch das alte Räthsel von der Mannigfaltigkeit der Grund- stoffe oder Elemente statt eines Grundstoffs, der Materie, zu lösen. Bei näherer Betrachtung geschieht dies aber doch nicht in völlig befriedigender Weise. Zieht man dagegen die Consequenzen aus der all- gemeinen Anwendbarkeit der atomistischen Naturerklärung, und schreibt ihr demgemäss objective Realität zu, so bleiben drei wichtige Aufgaben zu lösen: „Die charakteristische Eigenschaft der Atome, ihre unendliche Festigkeit oder Untheilbarkeit ist zu erklären; Alle durch Zerfall der Atome in Elektronen oder Corpuskeln erklärten Vorgänge sind ohne Preisgebung des Fundamentes und Hauptinhaltes der Atomistik verständlich zu machen; und die Möglichkeit dififerenter Erscheinungsformen der einen Materie in den Elementen ist zu be- gründen." 374 Naturwdssenscliaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 32. Wenn man sagt, die Atome der chemischen Elemeute stellen nur eine verschiedenartige Gruppirung von Ur- atomen dar, so versteht man, wie bisher, die unendliche Festigkeit der letzteren nicht und noch weniger die Stabilität einer bestimmten Gruppirung derselben. Zu- dem könnte eine neue Erscheinung leicht Aniass dazu geben, auch für die Uratome wieder ür-üratome voraus- zusetzen, und das vielbewährte Hilfsmittel zur Gewinnung eines tiefereu Einblicks in die Natur, die Lehre von den „Atomen" oder „Untheilbareu" hätte sich in ein Nichts aufgelöst. Die Lösung dieser und einiger anderen scheinbaren Widersprüche habe ich in einer 1897 erschienen Schrift*) versucht, welche damals wenig Beachtung gefunden hat. Inzwischen sind aber verschiedene Erscheinungen bekannt geworden, die sehr zu ihren Gunsten sprechen und das veranlasst mich, nochmals eine kurze Darstellung der- selben zu geben, die wohl einige Abänderungen enthält, jedoch in der Hauptsache mit der früheren übereinstimmt. Man denke sich einen Hohlraum, etwa eine doppel- wandige Glaskugel, deren innere Wandungen mit einer grossen Zahl feiner Oeffnungen versehen sind, aus denen sehr dünne Wasserstrahlen oder Strahlen einer an- deren geeigneteren Flüssigkeit unter grossem Druck und in den verschiedensten Richtungen geradlinig nach innen austreten. Ausserdem muss unten eine Abflussöffnung und seitlich oder oben eine solche zum Zuführen weiterer Wasserstrahlen vorhanden sein. In dem Hohlraum werden vielfach Strahlen zusauimenprallen und deren Wasser wird sich alsdann in Form dünner Flächen, welche Strahlungsflächen genannt werden mögen, ausbreiten. Diese Strahluugsflächen treffen andere Strahlen, mit denen sie sich wieder vereinigen, oder sie prallen abermals ab. Treffen zufällig mehr als drei Strahlen in einem Punkte zusammen, so kann der grös.ste Theil der von dort zurückprallenden Wassermenge in Form neuer Strahlen abfliessen und nur ein kleiner Rest als Strah- lungsflächen, die sich zwischen je zwei Strahlen aus- breiten. So wird sich ein Zustand herausbilden, bei dem ein Netzwerk von Strahlen den inneren Raum der Glas- kugel einnimmt, während Strahlungsflächen alle Zwischen- räume erfüllen und somit sämmtliche Strahlen mit ein- ander verbinden. Dieser Zustand wird sich erhalten, so- lange keine Aenderuug in der Zahl oder Richtung der aus der Wandung tretenden Strahlen stattfindet. Werden aber beispielsweise durch irgend eine Oeffnung der Glas- kugel neue Strahlen in das Innere gerichtet, so muss sich die Gesammtheit der Strahlen und Strahlungsflächen ver- lagern, weil jeder Strahl durch die Strahluugsflächen auch ohne direkten Zusammenprall auf jeden anderen in dem Räume zurückwirkt. Etwas Aehnliches hat die Einführung einer starren Fläche in den Hohlraum zur Folge. Ist dieselbe convex, so besteht ihr Einfluss lediglich in einer Richtungsände- rung abprallender Strahlen und Strahlungsflächen. Ist sie aber concav, so tritt eine neue Erscheinung auf. Denn alles aufprallende Wasser kann alsdann die Fläche nicht eher wieder verlassen, bis es an die Peripherie der con- caven Stelle gelaugt ist; mithin muss sich eine radiale Strömung entwickeln. Alle benachbarten Strahlungsflächen finden dadurch nach dem Mittelpunkt der concaven Stelle hin ungehinderten Abfluss, alle entgegengerichteten aber verschwinden in Folge der von der Fläche ausgeübten Schirmwirkung. Deshalb müssen auch alle Strahlungs- flächen in der Umgebung Wasser nach der Gegend der *) „Die Constitution der Materie und der Zusammenhang zwischen ponderabler und inponderabler Materie." Berlin. R. Fried- länder & Sohn. ungehinderten Strömung abgeben, werden daher von allen Seiten zusammengelenkt und bilden einen neuen Strahl. Dieser Umstand ist von grosser Wichtigkeit, weil damit die Möglichkeit der Wiedervereinigung von Strah- lungsflächen dargethan ist statt des ursprünglich allein anzunehmenden fortgesetzten Zerstiebens "aller Strahlen zu Strahlungsflächen. Die Dicke der sich neu- bildenden Strahlen wird durch die in der Raumeinheit in Form von Strahlungsflächen enthaltenen Wassermenge bestimmt. Derartige Flächen mit vollständig concaver Krümmung entstehen stets beim Zusammenprall von mehr als drei Strahlen, und diejenigen Strahlen, denen solche Flächen ihre Entstehung verdanken, müssten sich mithin aus den Strahlungsflächen von selbst wiederherstellen, falls sie aus irgend einem Grunde verschwunden waren. Die Versuche, besonders der letztere mit den von der strömenden Flüssigkeit selbst gebildeten, anstatt der starren concaven Flächen, lassen sich freilich mit Wasser nur schwer oder gar nicht ausführen, denn die obige Darlegung gilt in .strenger Weise nur für eine vollkommene, d. h. incompressible und reibungslose Flüssigkeit ohne alle Rotationen der unendlich kleinen Theilchen. Wasser aber ist compressibel, besitzt innere Reibung sowie ausserdem Cohäsion und Oberflächenspannung, weshalb auch rotirende Bewegungen der Theilchen stattfinden köunen. Eine Flüssigkeit hingegen, für welche die Betrachtungen völlig streng gelten würden, wäre der Aether, oder die eine Materie mit der dem Substanzbegriff und ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Ferd. Dümmlers Terlagsbachhandlung in Berlin SW. 12. Tabellen zur qualitativen Analyse bearbeitet von Dr. F. P. Treadwell, Professor am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich unter Mitwirkung von Dr. Yictor Meyer, Professor an der Universität Heidelberg. 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Ueber das Causalltätsprincip der Naturerschei- nungen mit Bezugnahme auf du Bois-Reymonds Rede: „Die sieben Welträthsel" von Dr. Eugen Das Räthsel des Hypnotismus und seine Lösung \ on Dr. Karl Friedr. Jordan. t lo. Die pflanzengeographische Anlage im Kgl. bota- nischen Garten zu Berlin von Dr. H. Potonic. Mit 2 Tafeln. 14. Untersuchungen über das Ranzigwerden der Fette von Dr. Ed. Ritsert. 15. Die Urvierfüssler (Eotetrapoda) des sächsischen Rothliegenden von Prof. Dr. iieniiunn Cn-dner in Lriii/.ii;-. .Mit vi.'lc.i, Al.l.il.lun-..i,. IG. Das Sturmwarnungswesen an den Deutschen Küsten von Prof. Dr. W. J. van Bobber. Mit i Tafel uml 5 Holzschnitten. 17. Kallsalzlagervon Otto Lang. Mit 4 Abbildungen. 18. Die Metamorphose der Pflanzen im Lichte palae- ontologischer Thatsachen von Dr. 11. Potonic. Mit 14 Figuren. l'.i. Pflanzenphysiologische Experimente im Winter von F. Sclileichort. 20. Die naturwissenschaftliche Culturlehre von L. Frobenius. 21. Die morphologische Herkunft des pflanzlichen Blattes und der Blattarten von H. Potonic. Mil 22. Versuch eines Ueberblicks über die Vegetation der Oiluvialzeit in den mittleren Regionen Europas von Dr. r. A. WclM.r. 23. Die Mathematik der Oceanier von L. Frobenius. 24. Die Schilde der Oceanier von L. Frobenius. Mit l:i Al.liil.lm.ge.i. 25. Die Lebewesen im Denken des 19. Jahrhunderts von H. Potuiiir. Mit U Bildnissen. 26. Die Farben in der Pflanzenwelt von M. Möbius. Preis: Heft 1-4 a 50 Pf.. Heft 5-11 a 1 M, Heft 12 ä 1,20 M., Heft 13- 1 M. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfelde-West bei Berlin, Potsdamerstrasse 35, für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. P2. ^vv^ Redaktion: 7 Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Diidiinlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. tSoiintag, den 19. August 19U0. Nr. 33. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- j Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 ^. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.- ii inüclit ■l.iun Ameghino auf eine Eigenthiimlich- keit einiger pampeauischen Genera aufmerksam, deren Körper auf allen Seiten durch eine zahllose Menge kleiner, unregelmässiger Knöchelchen geschützt war, die, wie man vermuthet, in der Dicke des Felles ausgebildet und mit einer hornigen oder schuppigen Epidermis bedeckt waren. Die Gattungen, welche diese Beson- derheit aufweisen, seien Myloclon, Pseudolestodon und Glossotherium. Andere wie Megatlierium , Lestodon und Scelidotherium zeigen keine Spur davon. Nach dem Vorkommen dieser Knöchelchen in den verschiedenen geologischen Schichten schliesst Ameghino, dass sie keinen ursprünglichen, sondern einen secundär in einer relativ modernen Periode erworbenen Charakter darstellen. „Diese Knöehelchen, vergleichbar mit grossen Kaffeebohnen, differiren ein wenig in Gestalt und Dicke je nach den Genera. Bei Glossotherium sind sie dick und abgeflacht; bei Mylodon sind sie kleiner, unregelmässig, elliptisch, trapezoid dder rlioiiili(ii. Dieser studirt sorg- fältig das Stück und führt aus, dass man die Beschaffen- lieit der llaiitkiKichelcheD von Mi/lodun mit Sicherheit nur von der Luuil)ariegii)n kenne. Es gäbe nun zwei Mög- lichkeiten: Im I'^alle, dass der Hautpanzer von Mijlodou in den verschiedenen Körperregiouen variire und die Knöchelcben in .der Lumbarregion sculpirt und nur mit E|)idermis bedeckt, in der verhältnissmässig biegsamen Nacken- und Schultergegend dagegen weniger ausgebildet und ganz in der Cutis eingebettet wären, in diesem Falle könne Moreno Recht haben , das fragliche Fellstück, welches vom Nacken stammt, dem Mylodou zuzuschreiben. Wenn aber die Dermalkuöchelchen dieser ausgestorbenen Gattung überall im Körper dieselbe Form hatten und nur in Grösse und Vertheilung oder dem Grade der Compact- heit nach differirten, dann wäre Ameghiuo berechtigt, vorzuschlagen, ein neues Genus Neomijlodon aufzustellen. Um aber, fährt Smith Woodward fort, zwischen diesen beiden Möglichkeiten zu entscheiden, müsse man auf neue genaue Informationen betreffs des vorderen Hautpanzers von Mijlodon warten. Einstweilen theilt er den betreä'enden Fcllrest im Titel seines Aufsatzes dem Neomijlodoii zu. Weitere Funde, immer aus der gleichen Höhle, hatte Erland Nordenskiold mitgebracht; in seiner vorläufigen Mittheilung ^i ?- spricht er von Neo^mjlodon und sagt, dass ein Theil der Maut bereits von Lönnberg beschrieben, ein anderer von Ameghino mit diesem Namen belegt worden sei. Wahrscheinlich bezieht er sich hier auf die eben wiedergegebeuen Aeusserungen von Moreno ''^. Gaudry " acceptirt ohne weiteres diese Benennung in seinem Vortrage über diese Reste vor der Pariser Aka- demie, indem er erklärt, „dass ein Stück dieser Haut au Ameghino geschickt worden sei, der es unter dem Namen ÄU'umi/lodou signalisirte." Auf die definitive Arbeit Nordeu- skiölds ^ä wird am Schlüsse dieses Kapitels eingegangen werden. — Ameghino selber gab nun Mitte Juni 1899 Erweite- rungen ? zu einer ersten Mittheilung ' vom 2. August 1898. „Die wenigen Reisenden," heisst es da -, „welche die Re- gionen Patagoniens durchkreuzt haben und in Berührung und freundschaftliche Beziehung zu den gastfreundlichen Tehuelchcn g-^etreten sind, haben Gelegenheit gehabt, sie von einem myste- riösen und corpuleuten Vierfüssler reden zu hören, von schreck- lichem Anblick und unverwundbar, in dessen Körper, sagen sie, nicht einmal die Geschosse der Feuerwaffen einzudringen ver- mögen. Sie heissen ilin Jemisch oder „ Wassertiger"' („ Tkjre del atjua") und sein blosser Name verursacht ihnen Schrecken; wenn mau sie deswegen friigt und sie um Details bittet, werden sie ernst und niedergeschlagen, verstummen oder umgehen eine Ant- wort. Letzthin gelang es meinem Bruder Carlos Ameghino, welcher seit 12 Jahren Patagonien bereist, dort Sammlungen anlegt und geologische Studien treibt, ein wenig den dichten Schleier zu lüften, der bis jetzt die Existenz dieses geheimnissvollen Wesens \erhüllt. ^ Um Mitten des vergangenen Jahres sandte er mir von Santa Cruz einige Reste, begleitet von den folgenden Zeilen: „„Endlich habe ich von den Tehuelchen einige genaue Angaben über den berühmten Jemisch erhalten, der kein Mythus oder Gespenst ist, wie wir geglaubt haben, sondern der in Wirklichkeit existirt. Im Besitze eines Indianers sah ich ein Stück vom Felle des Je- misch, |in welchem die kleinen Knöchelcben eingebettet sind, welche icli Dir sende, ähnlich denen, welche wir in fossilem Zu- stande und mit den Skeletten der Mylodonten finden — ]*), und Hompen, ein anderer Tehuelche, hat mir erzählt, er sei auf der Wanderung vom Senguer nach Santa Cruz auf dem Wege mit einem Jemisch zusammengetroffen, der ihm den Weg ver- sperrte und mit dem er ebien Kampf zu bestehen hatte, wobei es ihm gelang, jenen mit den Wurfkugeln zu tödten. Nach ihren Mittheilungen ist er Land- und Wasserthier und wandert zu Land mit der gleichen Leichtigkeit, als er im Wasser schwimmt. Er findet sich heutzutage auf das Centram von Patagonien be- schränkt, in Höhlen und Schutzhäugen an den Ufern der Seen Colhue, Fontana, Buenos Aires, der Flüsse Senguer, Aysen und Huemules etc., aber nach Ueberlieferungeu traf mau ihn ehemals im Norden bis zum Rio Negro, und im Süden lebte er nach den Ei-innerungen der alten Indianer in allen Seen des Ostabhanges der Anden bis selbst zur Magellanenge. Es ist ungefähr ein halbes Jahrhundert her, dass ein Jemisch, der von den Andenseen her den Rio Santa Cruz herunterkam, am nördlichen Ufer dieses Stromes in der Nähe der Insel Pavon ans Land stieg; erschrocken Hohen die Indianer ins Innere, und seit daher blieb als Erinnerung an eine solch unerwartete Erscheinung der Name, welchen noch heute die von Menschen verlassene Stelle führt: ,Jemiscb-Aiken' (Ort oder Aufenthaltsort des Jemisch). Er ist ein Nachtthier und soll so stark sein, dass er mit seinen Krallen die Pferde packt und sie in den Grund der Gewässer zieht. Nach der Beschreibung, welche sie mir von ihm gemacht haben, hat er einen kurzen Kopf, grosse Reisszälme und keine oder nur rudimentäre Ohren; die Füsse sind kurz und abgeflacht (plantigrad) und haben vorn drei, hinten vier**) Zehen, die durch eine Schwimmhaut verbunden und mit furchtbaren Krallen bewaffnet sind. Der Schwanz ist lang, zusammengedrückt und ein Greifschwanz (prohensil). Der Körper ist mit kurzem, hartem und steifem, gleichmässig fahlbraunem (bayo) Haar bedeckt. Das Thier soll grösser sein als ein Puma, aber die Beine sind kürzer und der Körper viel dicker."" Indem ich [Amegh.] Details, welche hier nicht am Platze sind, übergehe, genüge es, zu bemerken, dass das Studium solcher Reste ergab , dass sie einem dem ausgestorbenen Genus Myhdoii nahestehenden Megatheriden angehören mussten, und wir gaben ihm den wissenschaftlichen Namen Neomylodoit Lislai." Nachdem dann Ameghino kurz seiner ersten Publication ' Erwähnung gethan, heisst es dann nach einigen belanglosen all- gemeinen Ausführungen weiterhin: „Vielfach treffen wir in der Litteratur Stollen [wo denn? L.-N.), welche sich auf die legendäre Bestie beziehen, aber hiev wollen wir nur die erwähnen, welche sich in der .Geschichte der Eroberung von Paraguay, Rio de la Plata und Tucuman' von dem Jesuitenpator Pedro Lozauo findet, weil sie ein halbes Jahrhun- dort eher (1740—1746) geschrieben wurde, als der Marquis von Lo- reto, Vicekönig von Buenos Aires, nach Spanien das berühmte Skelet des Megatheriums sandte, welches aus dem Schlamme der alten trockenen Lagune in der Umgegend von Lujän zu Tage gefördert worden war. In Band I, p. 285—286 dos citirten Werkes***) finden wir in Bezug auf das wilde Thier Patagoniens u. a. folgenden Passus: „„An den Grenzen der Provinz Rio de la Plata bis zu den Patagoniern hin, findet sich ein sehr wildes Thier, genannt Su oder nach anderer Angabe Succarath, und wandert gewöhnlich bis zum Ufer der Flüsse. Seine Gestalt ist erschrecklich; im ersten Augenblick scheint es das Gesicht eines Löwen und sogar eines Menschen zu haben, weil dieses von den Ohren an mit nicht sehr langem Barte be- haart ist; in der Lendengegend wird das Ungethüm schmäler, während es im vorderen Theile recht corpulent ist; der Schwanz ist lang und mit starken Haaren besetzt; mit ihm bedeckt es seine Jungen, indem es sie auf sich lädt, wenn es sie von den Jägern bedroht sieht, und verbirgt sie, bis die Gefahr vorüber ist, ohne dass die Last es hinderte, mit grösster Leichtigkeit die Flucht zu ergreifen. Es lebt vom Raube, und wegen seiner Haut verfolgön es die Eingeborenen des Landes, weil sie sich damit zur kalten Zeit gegen die Unbilden der Witterung schützen. Die gewöhnliche Methode, es zu jagen, besteht darin, dass man eine tiefe Grube gräbt und sie mit Zweigen bedeckt; unvorsichtig stürzt die Bestie mit ihren Kleinen hinein, und wenn sie sieht, dass sie da nicht mehr herauskann, zerreisst sie dieselben mit den *) Diese Klammer steht nicht im Original und ist von mir zum besseren Verständniss der späteren Ausführungen zugefügt. L.-N. **) Wie Ameghino später " berichtete, soll es hier heissen: vier Vorder- und drei Hinterzehen. Anm. v. L.-N. ***) Lozano, Pedro. Historia de la conquista del Paraguay, Rio de la Plata y Tucumän. In: Lamas, Andres. Coleccion de Übras, Documentos y Noticias Ineditas ö poco conocidas para servir 4 la historia fisica, politica y literaria del Rio de La Plata. Buenos Aires 1873. Tomo I. 388 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 33. Krallen entweder aus Wutli oder aus Grossmuth, damit sie den Menschen nicht in die Hände fallen, gleichzeitig ein fürchterliches Gebrüll ausstossend, um die Jäger zu entsetzen, die sich dem Rande der Grube nähern und die Bestie mit ihren Pfeilen durch- bohren, bis sie wüthend stirbet."" Schliesslich verfehlt Ameghino nicht, die Arbeiten I.önn- bcrg's '^ Moreno's '*> und Smith Woodward's ^^ zu citiren und in ihnen eine Bestätigung für seine Angaben zu erblicken. — Auf neues Material stützen sich also seine Aus- führuug-eu - nicht; seine Corabinationen werden immer schwankender. Der „Pangolin" Lista's ist bereits „cor- pulent" geworden. Weder aus dem Briefe seines Bruders noch der zugefügten Bemerkung am Ende desselben geht mit Sicherheit hervor, ob die dort erwähnten Knöchelchen nun gerade diejenigen sind, welche zu der ersten Publi- cation ' Veranlassung gegeben haben, oder andere; es ist nur von „solchen Resten" die Rede. Die Beschreibung des „Jemiscb" passt, soweit man dies überhaupt vom Munde eines Indianers verlangen kann, viel eher auf ein Raubthier, und Roth 2* (s. w. u.) hat dies bereits genü- gend betont, und meine späteren Darlegungen sollen dies mit gewisser Einschränkung nachzuweisen versuchen, allerdings müsste man aber von dem zu Beginn des Briefes stehenden Passus betreffs der Knöchelchen absehen, den ich deswegen in Klammern gesetzt habe. Lässt man diese Stelle, die vielleicht nachträglich zugefügt wurde, fort, dann ist auch stilistisch der ganze Satz fliessend, während er so an berühmte deutsche Schachtelsätze er- innert, was namentlich beim spanischen Original noch viel schärfer hervortritt. Gallardo ** (s. w. u.) meint ja auch, dass wahrscheinlich aus Versehen Carlos Ameghino, „der soviel Fossilien in Patagonien sammelt, in dem Briefe an seinen Bruder die Knöchelchen, die zu der ersten Publication ' Veranlassung gegeben haben, dem Felle eines legendenhaften Thieres zuschreibt, welches die Indianer Jemiscb oder , Wassertiger' (,Tigre del agua') nennen." — Will man überhaupt auf die naturwissen- schaftliche Beschreibung eines Jesuiten aus dem 18. Jahr- hundert etwas geben, so scheint der Su oder Succarath des Pater Lozano aus der Verschmelzung und Vermischung zweier Tbiere entstanden zu sein, „halb Tiger scheint's, halb Beutelratte"; dass unser Grypotherium damit nicht gemeint sein kann, geht schon daraus hervor, dass dessen Fell bei seiner grossen Schwere gar nicht als Mantel oder Poncho gedient haben kann: das Fell, das ich wiegen Hess ^* (s. w. u.), wiegt 17,75 kg und wäre dabei noch zur Körperbedeckung viel zu klein (112 cm in der grössten Länge und 91 cm in der grössten Breite). Dieses Fell ist eins der Hauptstückc der letzten grossen Collection, welche Hauthal aus der berühmten Höhle mitbrachte und die wir hier publicirten " '^ "*. Sie war reichlich genug, um bez. des dort entdeckten Edentateu Klärung zu schaffen. Während Moreno '^ in einer Ankündigung derselben erklärte, dass „die Stücke zeigten, es handle sich um Glossotherium^ , machte Hauthal am 20. Juli 1899 in seinem Fundbericht, den er späterhin in erweiterter Form auch im „Globus" in deut- scher Sprache mittheilte '-, bekannt, dass nach den Untersuchungen von Santiago Roth sie ein bekanntes Genus, Gri/potherium, und eine neue Species, domesticum, darstellten. Von dieser Arbeit Dr. Roth's -*, die im fol- genden Monat, August 1899, herauskam, heben wir vor- nächst die Stellen heraus, welche sich auf Amegbino's Neomylodon beziehen. Nachdem Roth auf die (allerdings mibedeutende, L.-N.) Incorrectheit des Ausdrucks in Ame- gbino's zweiter Veröft'entlichuug aufmerksam gemacht, wo es anfängHch heisst: „Letzthin gelang es meinem Bruder Carlos etc." und im nächsten Satze: „Um Mitten des vergangenen Jahres sandte er mir u. s. w.", schreibt Roth ■'' p. 16: „Mau kann nicht wissen, ob Ameghino das neue Genus Neomylodon auf diejenigen Knöchelchen hin aufgestellt hat, welche sein Bruder in dem Briefe erwähnt und die von einem Fellstück eines Jeniisch herstammen sollen, dass er im Besitze eines India- ners gesehen, oder auf solche hin, die ihm jemand anders aus Patagonien gebracht hatte. Herr Ameghino sollte dies baldigst aufklären. Wenn die erste Notiz ' von diesem Thiere, wo er die Knöchelchen und ein Fellstück beschreibt, sich auf die von seinem Bruder um Mitten des vergangenen Jahres gesandten Knochen stützt, warum sagt er dann in seiner ersten Publication ' vom 2. August 1898 *), dass die Person, welche ihm die Knöchelchen brachte, ihn frug, zu welchem Thier sie gehören könnten, da ja doch sein Bruder in dem Briefe das Thier detaillirt beschreibt? Und wenn die erste Publication ' auf Knöchelchen basirt, welche ihm jemand anders hat zukommen lassen, warum erwähnt er dann nichts von der Entdeckung seines Bruders, von der er um Mitten des vergangenen Jahres Nachrichten gehabt hat? Die Aufklärung dieser Punkte ist von grösserer Wichtigkeit, als es bei einfachem Zusehen erscheint. Ich habe viele Gründe, zu glauben, dass die von Ameghino in seiner ersten Publication ' erwähnten Knöchelchen von einem Felle stammen, das im Juli 1898 in unser Museum gelangte und der Rest eines Felles war, welches Herr Moreno 1897 nach Europa mitunhm, und von dem auch Andere Stücke abgetrennt haben. In solchem Falle würde es sich nicht um ein neues Thier handeln, und der Name Neomy- lodon wäre ein Synonym. Wenn aber im Gegentheil Ameghino's erste Notiz ' sich auf ein Stück Fell bezieht, das von einem Jemisch herstammt und im Besitze eines Indianers ist, dann würde man daran zweifeln dürfen, ob es sich um ein noch unbekanntes Thier handelt. Unter den Edentaten kennt man bis jetzt kein anderes Genus mit Eckzähnen als Lestodon; aber dieses hatte keinen Hautpanzer mit Knöchelchen; jedenfalls muss Herr Ameghino besser seine neue Gattung Neomylodon begründen. Ein Fellstück mit Knöchel- chen und Angaben von Indianern sind keine genügend sicheren Argumente, um ein neues Genus aufstellen zu dürfen.'' Und an einer späteren Stelle ^* p. M führt Roth weiterhin aus: „Ich habe schon vorhin gesagt, dass man nicht weiss, von welchem Thier die von Ameghino in seiner ersten Publication ' beschriebenen Knöchelchen herstammen; wenn es sicher wäi-e, dass sie von dem Fellstück stammen, welches vergangenes Jahr (1898) nach unserem Museum gebracht wurde, wäre es nicht un- angebracht, den Speciesnamen Listai beizubehalten. Aber Herr V Ameghino sagt, dass sein Bruder Carl ihm die Knöchelchen von Santa Cruz geschickt hat und dass sie von einem Jemisch -Fell im Besitze eines Indianers stammen. Man weiss also nicht, ob die fraglichen Knöchelchen einem unbekannten Genus angehören, in diesem Fall einem Neomylodon, oder aber einem Mytodon oder Grypotherivm. Aus diesen Gründen will ich nicht den Namen eines Thieres wählen, von dem mau nicht weiss, was es ist; auf jeden Fall passt die Beschreibung, welche Ameghino vom Neomylodon Listai giebt, in keiner Beziehung auf das Grypotherium. Nach Ameghino lebt das Neomylodon zu Land und Wasser, ein wildes Thier, welches mit seinen Krallen die Pferde packt und sie bis in den Grund der Wässer zieht; der Kopf ist kurz mit grossen Reisszähnen und das Haar kurz. — üas Orypotherium domesticum hat im Gegentheil einen sehr langen Kopf, keine Zähne in Form von Eckzähnen, weder grosse uocli kleine, und langes Haar. Ausserdem ist das Grypotheriujn sicherlich ein Haus- thier gewesen, das Gras frass und ruhig in derselben Höhle mit dem Menschen zusammen wohnte. Es konnte in Folge dessen nicht das wilde Thier gewesen sein, von dem die Tehuelcheu er- zählen." Roth schreibt dann weiter, dass unter den aus der Ultima Esperanza- Höhle mitgebrachten Resten einige Knochen sich befinden, die von einem sehr grossen Raub- thier, grösser als der Jaguar, herstammen und ein solches Thier zum Theil auf die Beschreibung passe, welche Ameghino vom Neomylodon macht, und dass, wenn es auch nicht ganz stimme, er doch für diese Reste den specifischen Namen Listai beibehalten und den Genus- nanien Neomylodon als ungeeignet durch Jemisch ersetzen werde. Er nennt also dieses ebenfalls aus der Höhle Eberhardt stammende Raubthier Jemisch Listai. — Mau *) Roth schreibt November 1898, wo die englische Ueber- setzungla herauskam, welche uns damals allein zugänglich war. Anm. von L.-N. XV. Nr. 33. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. kann im Zweifel .sein, ob bei der unklaren Schilderung-, welche Aniegliino von seinem Neomi/loJon giebt, hier die Rücksicht nicht zu weit gegangen ist. Excerpiren wir jetzt ganz kurz die Ausführungen Roth's'-^ betreffs der Grunde, welche ihn dazu führten, die von llauthal mitgebrachten Reste als Grijpot/ierium do- mesticuiH ZU bestimmen *). Auf ein 8chädelstück, das Darwin vom Arroyo Sa- randis in Uruguay mitgebraclit hatte, gründete 1840 Owen (I p. 57—63) das Genus Glo.wot/uTium, ohne einen Speciesnamen zu geben; auf einen Unterkiefer, von Darwin in Punta Alta bei Bahia Bianca gefunden, das Mulodon Darwinii (I p. 63—73). Später (II), als Owen Reste von Mylodonrobastu.'thdka.m, glaubte er (II p. 154, Anm.), dass das eben erwähnte Schädelstück von Glussotheiiwn zur Gattung Miflodon gehöre, und da es etwas verschieden vom Mtjloilon ro/.Kstux War, SO war er der Ansicht, dass es zum Mijlodon Darwinii gehöre. Das war aber nur eine Ver- muthung, weil der Schädel von Mi/lodon Darwinii da- mals noch gar nicht bekannt war. Als 1879 Reinhardt (III) das Genus Grypolherium nach dem Material der nach Kopenhagen gelangten Rothschen Sammlungen aufstellte, stellte es sich dabei heraus, dass der Unterkiefer von Mijlodon Darwinii nicht zur Gattung MijJodon, dem es Owen zugesprochen hatte, sondern zu dieser neuen Gattung Grypotiterium gehörte; für diese behielt daher Reinhardt den Species- namen iJarwinii bei. Auch zeigte sich gleichzeitig, dass das von Owen (I) beschriebene Scbädelstück von Glossothmuin und Ovven's (I) Unterkiefer von Mylodon Darwinii (welchen Reinhardt ja als Gtypot/n'riuni Darwinii festgestellt hatte) wirklich verschiedene Genera sind, denn Owen sagt (I p. 6U), und das geht auch aus seiner Abbildung hervor, dass das Occiput bei Glosso- llicriiun •/.; breiter als hoch ist, und dies ist bei Grypo- theriani nicht der Fall, iudem bei diesem dieser Knochen beinahe ebenso hoch als breit ist. Ameghino (IV) hat diese Sache nicht genau verfolgt und Verwirrung angerichtet, indem er betreffs des Schädel- stncks von G lossoll wrium und des Unterkiefers von My- lodo)i Dariuinii, beide von Owen beschrieben, sagt (IV p. 734), „dass die ersten Reste von Glossotlicrium, bestehend aus einem unvollständigen Schädel mit dem Unterkiefer, von Darwin in Punta Alta bei Bahia Bianca entdeckt wurden," er also glaubt, dass sie vom selben Individuum herrühren. Lydekker (V) hat diese Angaben Ameghino's einfach übernommen. Was die Gattung Glossotheiium Owen anbelangt, von der immer noch nicht mehr als jenes Schädelstüek be- kannt geworden ist, auf welches hin Owen (I) sie auf- stellte, so ist Roth jetzt (private Mittheilung) der Ansicht, dass, obschon Burmeister (VI) behauptete , dass sie mit *) Litteratur: I. Owen. Tho Zoology of the Voyago of H. M. S. Beagle. Part. I. London 1840. II. Owen. Description of the Skeleton of an Extinct Gigantic Sloth , Mylodon robustus Owen. London 1842. IIL Reinhardt. Beskrivelse af Hovedskallen af et Koimpedo- vendyr, Grypotherium darwinii. „K. Dansko Vidensk, Selsk. Skr.", .5. Ra>kke, XII, 4, Kjobenhavn 1879. IV. Ameghino. Contribucion al conocimiento de los mamiferos fosiles de la Republica Argentina. Buenos Aires 1889, p. 734. V. Lydekker. Contributions to a knowledge of the fossil ver- tebrates of Argentina. „Anales del Museo de La Plata", Paleontologia Argeutina III, 1894, p. 85. VI. Burmeister. Lista de los mamiferos fosiles del terreno dilu- viano. „Anales del Museo Püblico de Buenos Aires", I, 1864, p. 177. — id. Description physique de la Republique Argentine. Tome III. Buenos-Ayres 1879, p. 322-323. der Gattung Scelidothciinm identisch ist, Oweu's erste Auffassung (1) die richtige ist, dass sie in der That eine besondere Gattung, verschieden von Scdidotherium, My- lodon^ Deslodon und Gryjiotheriiim darstellt. Das Studium der von Hauthal mitgebrachten Präpa- rate ergab nun, wie Roth '^ p. 25 kurz zusammenfasst, dass diese zu dem Reinhardt'schen Grypotlicrium Darwinii gehören und von diesem „sich nur durch die Grösse unterscheiden. Ich weiss nicht, ob sie wirklich eine von Grypollieriwm Darwinii verschiedene Species darstellen. Aber auch, wenn es sich nur um eine verschiedene Rasse handelte, müsste man ihnen einen besonderen Namen geben, um sie von den übrigen aus der Pampaformation unter- scheiden zu können. Aus dem Fuudberichte des Herrn Hautha! ergiebt sich unzweifelhaft, dass dieses Thier ein Hausthier gewesen ist, weshalb ich den Namen Grypo- i/ierium domesticiim vorschlage." Schreiber dieses glaubt, dass dann Roth eher die Bezeichnung GrypoUierium Darwinii var. domesticum hätte wählen müssen. Wegen der osteologischen Details muss auf unsere Arbeit '* -^ selbst verwiesen werden. Um mit dieser hier gleich fertig zu werden, so untersuchte ich auf Grundlage des Roth'schen Inventars die Stücke vom rein antiiropo- logischen Standpunkte. Was das Gry Rüther iiun anbetrifft, so ergab sieh, dass es vom Menschen wohl durch Schläge auf den Kopf getödtet, dann abgehäutet, zerlegt und roh verspeist wurde. Der Mensch bediente sich dabei grosser scharfkantiger Steine und Steinlamellen. Die Abfälle der Mahlzeit wurden fortgeworfen. Das Thier hat jedenfalls, nach der Stärke der Mistschicht zu schliesseu, lange Zeit die Höhle bewohnt, und die Ansicht Hauthal's, es sei als Hausthier gehalten worden, hat viel Wahrscheinlichkeit, wenn es sieh auch sicherlich nicht um ein eigentliches Hausthier, sondern um ein in Gefangenschaft gehaltenes wildes handelte. Das Fell diente zu irgend einem Zwecke, jedenfalls nicht zur Bekleidung. Nach meiner Ansicht ist das Thier wohl vom Menschen ausgerottet worden, und die vernarbten Kopfwunden, welche das Owen'sche Exem- plar des Mylodon robustus (II p. 22-23, 156-158, TU. HI) und fünf ^Mylodon-ScMdel aus dem La Plata- Museum aufweisen, sind wahrscheinlich auch dem Menschen und nicht irgend welchen Zufälligkeiten zuzuschreiben. Die Histologie des Felles schliesslich beschrieb Herr Dr. Jacob '3. Inzwischen sind die Originale zu unserer Publication nach London gesandt worden; von dort vorgenommenen wirklichen Untersuchungen sind mir erst die von Herrn Spencer Moore -** bekannt geworden, der die Excremente studirte und u. a. fand, dass einige der Pflanzenreste scharf in einer Richtung zerschnitten sind, was die stumpfen Zähne des Thieres schwerlich verursacht haben können. Dies würde ja m. E. für die Hausthierqualität des Thieres sprechen. Im selben Monat (Juli 1899), in dem Hauthal •' am 20. ankündigte, dass die von ihm mitgebrachten Stücke nach Roth's Untersuchungen dem GrypoUicrium domesticum angehörten , veröffentlichte Herr Ameghino ohne genauere Datumsangabe als „Juli 1899" einen dritten Artikel ^ über sein Neomyhdon Listai, der aber von uns nicht mehr hat berücksichtigt werden können, weil unser Text in der Presse und unsere Tafeln zum Theil s;chon gedruckt waren. Wir geben Herrn Ameghinos Aufsatz ungekürzt wieder. „Betreffs der giavigraden Edentaten ist die neue und sen- sationelle Nachricht die von Carlos Ameghino gemachte Ent- deckung von der Existenz eines lebenden Repräsentanten der bis vor kurzem für ausgestorben gehaltenen Familie der Mylodontiden, des Neomyhdon Listai Amegh., so eorpulent wie ein grosser Ochse, 390 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 33. ulicr mit kürzeren Beinonruud in Folge dessen viel niedriger, mehr Oller weniger ein Drittel kleiner als Mi/loduii rolmstus. Der Körper ist mit dichtem, grobem ujid hartem Haar bedeckt, in der Structui- ähnlich dem Haar von Bradyjius, und im Bereiche des ganzen Kör])crs gleichmässig fahlbraun (bayo). Die Haare der Rücken- mittellinie am Hals und am vorderen Theil des Körpers sind ein wenig länger und bilden eine Mähne, die an den Beinen nach und nach kürzer wird und verschwindet. Das sehr dicke Fell ist in der Tiefe der Dermis voll von kleinen dernialin Kii;;chil.lh isr. welelii' die Aufselirii't „.Vd Lectorem. In hac M,i|i|i:i . ir. rrs|i. „Sindiu et la- boro etc." tragen, veimnilul S. . I>ii .mi;. dass es ein Wildschwein ist. Diesen, knnnul die Alilnl.lung (siehe g^ die beifolgende Reprodnelinn) aueli nn, li am nächsten. Nach Ameghino soll es das .\, nllnllmlnii l.istm sein. - Das fragliche Tliier auf ,le, Karte zei-t am \Viderri.>it eine Mähne. Stützt sich Ijieiinn' \ I' i enr, Herr Ameghino, wenn er für sein Ncomyludun ein i, - i, i i, l,ne angiebtV Anni. von L.- N. ***) Sehen I des zweiten Artikels Ameghino's " wurde die gen ui' luiill' eiiirt und nachgewiesen, dass dieses Thier das GryiJuÜiLi ium nicht gewesen sein kann. Anm. von L.-N. Hier iu Ameghino's dritter Pubhcation ^ bat sich das Neomylodon nun Stark verändert; am 2. August 1898 ist es so gross wie ein Pangoliu, kaum ciu Jahr später im Juni 1899 ist es bereits „corpulent" und nun im Juli 1899 schon „so corpulent wie ein grosser Ochse etc." Die Reisszähne des Jemisch sind nur noch „etwas caniniform und nach hinten gebogen." Der Schwanz „soll" nur noch ciu Greifscliwanz sein. Dass die Angaben über die Zälme nicht auf das Gn/pot/icriiun passen, geht aus einem Blick auf die Tafeln II— III hervor, welche unserer Arbeit 11 14 34 beigefügt sind. Allerdings ist bei Grypotlimnm der letzte untere Zahn zweilappig, auch die übrigen Zähne sind sub-cylindriscb wie es z. B. unsere Figur 3, Tat". III, deutlichst zeigt; aber auf unserer Figur 2, Taf. II, welche ein UuterkielerstUck von Grypotheriam von der Seite gesehen darstellt, erscheint der vorderste Zahn deswegen hervorstehend, „etwas caniniform und nach hinten gebogen," weil erstens die übrigen Zähne abgebrochen und infolgedessen gar nicht sichtbar sind, zweitens der obere die Alveolenmüudung tragende Kieferrand lamcUenartig abgeschlagen ist, so dass der obere Theil der schwach gekrümmten Wurzel des vor- dersten Zahnes sichtbar ist! Aus unseren und Nordens- kiöld's -ä Abbildungen geht übrigens hervor, dass bei Orypotkerhim von einem caniniformen Zahn nicht die Rede sein kann. Auch die Beschreibung der Innenfläche des Felles von Neomylodon passt genau weder auf Gry- potlieriii.m, noch auf die früheren aus der gleichen Höhle beschriebenen Fellreste (eben auch Grypol/ieriam)\ denn bei diesen bietet nur dann die Innenseite den Anblick von Strasscnptiaster, wenn die Hautknöchelchen nach Zu- grundegehen der inneren Dermalschichten zu Tage ge- treten sind, während Herr Ameghino ein solches Verhalten als normal angiebt. „Wie Strassenpflaster" sah auch eine Partie der Oberfläche des von uns beschriebenen Felles aus, wo eben Haar und Epidermis etc. zerstört waren. Abgesehen von den Angaben, die direct mit einiger Zurechtstutzung aus dem Briefe seines Bruders über- nommen sind, giebt Ameghino auch nicht die geringste Andeutung, wo er seine Daten alle herhat. Eine Con- trolle und Bestätigung ist daher unmöglich, und ein wissenschaftlicher Werth wird bei der Unbestinnutlieit und dem fortwährenden Wechsel in der Beschreibung der Charaktere, die das Neumylodon TAstai darbieten soll, l'ür derartige Publicationen wohl anzuzweifeln sein. Eine weitere ganz kurze Notiz Ameghino's " über das gleiche Thema bringt nichts Neues und erledigt sich nach dem Vorhergehenden von selbst. feinen letzten Artikel Ameghino's '^ kann ich ganz kurz abhandeln, da er sich in einer deutscheu populär- wissenschaftlichen Zeitschrift findet. Hier erklärt der Verfasser zunächst, dass die von seinem Bruder gesandten Knöchelchen die Veranlassung zu seiner ersten Publica- tion ' vom 2. August 1898 abgaben; gerade deshalb treten aber die AVidersprüche, auf welche Roth -< auf- merksam machte, um so schärfer hervor. Warum fragte „man" dann Herrn Ameghino, zu welchem Thier dieselben gehören könnten, da ja Herr Carlos Ameghino das betr. Thier genau beschreibt? — Ob „Neomylodon'^ noch lebt, lässt Verfasser bereits dahingestellt; dass wir es (rcsp. Grypot/ierium) „in einer nicht weit entfernten Vergangen- heit noch zu den lebenden Wesen zählen müssen", be- zweifelt niemand, es fragt sich nur, wann wir den Zeit- punkt des An.'^sterbens anzusetzen haben (siehe diesbez. Capitel in dieser Arbeit). — Wie Herr Ameghino dazu kommt, das Wort Jemisch mit „kleine Steiukörnchen" oder „etwas, das kleine Steinkörnciien besitzt oder trägt" zu übersetzen, weiss ich nicht (siehe Capitel II). — Die zoologische Beschreibung vom „Neomylodon" variii't schon XV. Nr. 3.-3. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 391 wieder gegen früher. Jetzt hat es keine Eckzähne mehr, aber „starke Schneidezähne", „was sich vielleicht al)er auch erklären lässt"! — Das labelhafte Thier des Pater Lozano, Sa oder Succarath, wird auch wieder aufgetischt, und Ameghino fügt noch hinzu, dass die alten Tehuelehen aus dessen Haut gefertigte Mäntel und Felldecken »Su oder Suc benannten, während carth oder carrath in ihrer Sprache Haut bezeichne, „so dass die Bezeichnung Su oder Succa- rath für Neomylodon, die uns Lozano überliefert, Mantel oder Decke aus Fell bedeutet." Nun ist allerdings richtig, dass Decke im Patagonischcn „Sokga" heisst*), damit ist aber durchaus nicht bewiesen, dass Lozano's Thier unser Edentat gewesen. Es genügt eigentlich, die eben durchgegangene Lit- teratur zu überblicken und namentlich die niitgetheilten Ausführungen Roth's ^* sich anzusehen, um zu der Erkenut- niss zu gelangen, dass die aus der Eberhardt-Höhle stam- menden Reste weder dem Genus Nromjilodon noch dessen Species LLitai zuzuschreiben sind. Indem auf die schon besprochenen Arbeiten nun nicht mehr weiter eingegangen wei'den soll, befremdet es, wenn Sniitli Woodward ^'' die Keinliardl'seiicn Darlegungen bezw.^//" ■-■■-"/'/"/'■'"/( oder Grij- j)ot/ii-r/iim nicht beachtet, in seiner Kritik unserer l'ublication sich für den Namen Glossotheriiun Listai erklärt und weiterhin einfach sagt: „Mit einer lächerlichen Reihe von Argumenten, welche man kaum in einer wissenschaft- lichen Abhandlung zu finden erwartet, schlägt Dr. Roth vor, den 8i)eeiesnanien zu ändern; aber dieser Punkt be- darf keiner Erörterung." Dass es sich überhaupt um keine Aendernng handelt, hat man aus obiger Darlegung des Thatbestandes ersehen. Späterhin ^"^ scheint allerdings Snnth Woodward die Richtigkeit der Bezeichnung Gr[ipotlierli(m einzusehen. — Auch Gallardo ** in seiner übri- gens vollkommen sachlichen Kritisirung der gesanmiten Frage ist nicht damit einverstanden; „ist darüber kein Zweifel," sagt er, „dass, wenn die Genusbestimmung Roth's richtig;, Neomt/lodon ein Synonym ist, so muss doch auch in diesem Falle der specifische Name Listai gewahrt werden, denn Ameghiuo's Priorität ist unbestreit- bar." Das soll daraus hervorgehen, dass in den früheren Arbeiten von Lönnberg '■^, Moreno ^^, Smith Wood- ward -'^ und Nordenskiöld ^^ immer von Nfoimjlodon die Rede ist, Ameghino's Publication ^ vom Juli 1899 die Priorität vor der Roth'schen habe (obwohl Hauthal ,ja bereits am 20. Juli 1899 den Namen Grypofhcriinn donicstimmi für unser Material festlegte! L.-N.) und die darin gegebene Beschreibung „vollständig mit den Be- schreibungen und Abbildungen Roth's übereinstimme"!! Im Auschluss hieran will Mercerat '^ nun auch den pa- Ulontologischen Beweis erbringen, beschränkt sich aber auf die einfache Erklärung, dass jeder Fachmann bei Durchsieht der Arbeit Roth's -* Taf. III sehen wird, „dass die von Ameghino [soll heissen Roth. L.-N.] beschriebenen Reste nicht dem Genus Grijpot/irrium Rhdt. zugetheilt werden können und dass die Bestimmung Roth's in Folge dessen willkürlich ist. Der blosse Unterschied, den die Symphyse des Unterkiefers darbietet, genügt, um diese Identification zurückzuweisen. Da alle Beschreibungen Ameghino's die Priorität vor Roth's Arbeit haben, so geht deutlieh aus den von Gallardo gelieferten Beobachtungen hervor, dass Grypotheriwn domcstirnm Roth weiter nichts ist als ein simples Synonymum von Neomylodon Listai Araegh." Das soll eine Beweisführung sein! Mercerat ^^ *) Ibar Sierra, Enrique. Relacion de los estudios hechos en el estrecho de MagaUanes y la Patagonia Austral diirante los Ultimos meses de 1877. „Anuario hidrognlfico de la Marina de Chile," ano V, 1879. Santiago. Apeudiee, p. 7—60. vergleicht den -* auf Taf. III Fig. 4 abgebildeten Unter- kiefer von Gri/jiofherium Darwiiiü mit dem auf Taf. III Fig. 3 c dargestellten von Gri/jioi/icriitin domesiinun Roth, aber der Unterschied besteht in Wnklicbkeit darin, dass bei letzterem die Symphyse abgeschlagen und eine grosse Knochenlamelle längs des oberen Alveolarrandes abge- sprengt wurde (s. das gleiche Stück ^^ Taf. II Fig. '2), als der Mensch das Thier verspeiste! Das ist auch auf unseren Abbildungen deutlich zu sehen, und Mererat's Auslassungen bleiben unverständlich *). Herrn Nehrings "" Bemerkungen über die Hausthier- qualität unseres Edentaten haben mit der speciellcn Frage dieser Zeilen nichts zu thun. Anfang 1900 erschien dann die endgültige Arbeit Erland Nordenskiölds '^^ (französischer Auszug '•'), dessen vorläufige Mittheilung ^' ^^ wir schon früher besprochen hatten. Wie schon vorhin erwähnt, bezieht sieh seine Angabe -^ S. 3, Ameghino habe auch ein Stück der- selben Haut wie Lönnberg ^'•' beschrieben , wohl auf Moreno's '^ Notiz. Die Zutheilung der Reste zu der Gattung Glossotkerium Owen statt Gri/polherium Reinh., die nicht weiter begründet wird, geschah wohl auf Grund der Ameghino'schen und Lydekkcr'schcn Arbeiten, ohne die vorher cxcerpierten Austniirniigen luith s /,u beachten. Auf jeden Fall aber ist Nordenskiölds Sclirifr eine Stütze und Bestätigung der Roth'schen Bestimmungen. Die Be- zeichnung domesticnm als Species oder besser als Varietät wird allerdings nicht acceptirt, weil nach Erland Norden- skiöld keine Anzeichen für die Ilausthierqualität des Thieres sprechen; mit Recht wird daher dann der Name Darwinii gewählt. Die meisten zu unserem Edentaten gehörenden Reste, welche dieser Forscher mitbrachte, stammen, wie z. Th. die von uns beschriebenen von jungen 'Thieren, die besonders schmackhaft gewesen sein werden, nur wenige von ausgewachsenen. Das ist viel- leicht beachtenswerth und könnte ebenso wie der Um- stand, dass die von uns untersuchten Kothballen von alten und ganz jnngen Thieren herstammen (denn ihr Durch- messer schwankt von 75 zu 185 mm mit allen Ueber- gängen), für „die regelmässige Fortpflanzung im Zustande der Domestication" sprechen, ein von Nehring '■''' hervorge- hobenes Postulat; zum mindesten beweist es, dass die Thiere dort Jahre lang ihr ständiges Heim besassen. Entgegen Herrn Nordenskiöld -^ S. 14 muss ich durchaus meine Ansicht'* aufrecht erhalten, dass die Knochen vom Menschen so stark zerschlagen wurden, als er das Thier roh verzehrte; Herrn N.'s Deutung, wenn ich sie richtig verstehe, die vielen Kritzer, Brüche, Schlag- spureu etc. kämen daher, dass auf die Knochen in der Höhle hin- und hergetreten wurde, ist durchaus unwahr- scheinlich und gekünstelt. Die von Herrn Nordenskiöld so schön abgebildeten Knochen sind genau in der gleichen Weise wie die von mir untersuchten zurecht- *) Um hier kurz noch auf die weiteren Bemerkungen Merce- rats '"-betr. des Humerus einzugehen, welchen Roth-* als den einer neuen, sehr grossen Katzenart Jemisdi /,(>/«/ linstiinintf, so ist dieser nach Mercerat ein Humerus von Uacluicriiiliis. „Srinr Maasse stimmen ziemlich exact mit denen von Marhui rml n^ inni/inus (Ld.) Pict." Um zu zeigen, dass diese Beh:uii>tiuii; Mercernts nicht richtig ist, maass Dr. Roth einen Humerus von Mac/iacrocliix iwo- f/aeus aus dem Nationalmuseum zu Buenos Aires und theilte mir seine Zahlen mit; bei Jemiscli Listai misst der sagittale Diaphysen- durchmesser 33, der transversale 25 und der transversale Durch- messer der distalen Epiphyse 75 mm, während bei Machaerodiis neofjaeus dieselben Maasse 4, resp. 50 resp. 128 mm betragen. — Demselben grossen Raubthier gehören vielleicht von Norden- skiöld-' S. 16 und Winge einer „gigantischen" Felis oni;a L. zu- geschriuljoneii Knochenroste an, welche sich von dieser durch ihre lietr-iclitlicln' Stiirke und Grösse unterscheiden. Dort wird auch ausdrücklich liorvurgehoben, dass Machaerodus ncogams nicht in Betracht kommt. — Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 33. geschlagen; z. B.: der Schädel ist hinter den Augen mitten quer durchgebrochen; aus dem Unterkiefer ist ein handliches Stück durch Wegschlagen des Kronenfort- satzes und der Symphyse zurechtgemacht etc. Doch das betrifft nicht die hier zu behandelnde Frage. Verfasser hofft mit vorliegenden Ausführungen das Material herbeigebracht zu haben, um den Nachweis zu erleichtern, dass trotz der grossen Verdienste Ameghino's um die Wissenschaft und trotzdem er von Anfang an ein Fell mit so einzig dastehenden knöchernen Einlagerungen als zu den ausgestorbenen Edentateu gehörend richtig erkannte, es nicht angebracht erscheint, die aus der* Eberhardt-Höhle bei Ultima Esperanza stammenden Funde dem Neomijlocloii Listai Amegb. oder auch nur der Species lÄstai zuzuschreiben. Während Gri,potherium Darwitiü [var. domesticum\ wohl charakterisirt ist und wir über fast das ganze Skelett und die Haut wohl unterrichtet sind, ändert Ameghino sein Neoimjhdon soviel, dass man zuletzt überhaupt nicht mehr weiss, was es eigentlich für ein Wesen ist. Belege für seine Angaben giebt er niclrt, „das ist keine Wissenschaft, das ist Phantasie"! Und das folgende Capitel soll nachweisen, dass auch das in der Erzählung der Indianer vorkommende geheimnissvollc Tliier „Jemisch" überhaupt kein Edentat, sondern etwas ganz was Anderes ist. iFortseUung folgt.) Die Eisverliältnisse zwisclien Jan Mayen und Ost- Grönland schildert Professor A. G. Nathorst in dem Berieht über die von ihm geleitete schwedische Expedition nach Nordost-Grönland im'jahre 1899 (Ymer. 1900, Heft 2). Am Johannistage Morgens 6 Uhr lichtete die „Antarctic" den Anker und steuerte von Jan Mayen aus nach NNW, um die Lage des Eisrandes zu ermitteln. Abends war ein Vorsprung des Eises erreicht, 72° n. Br. und 10" w. Gr., und der Eisraud wurde zunächst in östlicher, dann in nordwestlicher Richtung verfolgt. Noch am Morgen und Vormittag des 25. Juni leuchtete der 2545 ni hohe Beeren- berg, 185 km entfernt, von Jan Mayen herüber, verschwand aber später wegen zunehmender Diesigkeit der Luft. Das Eis, mit dem jetzt Bekanntschaft gemacht wurde, war dasjenige, welches die Polarströmung aus den Ge- bieten um den Pol längs der Ostküste Grönlands gen Süden führt. Es hat zum grossen Theile seineu Ursprung im Sibirischen Eismeere, von wo es am Pole vorüber nach Grönland treibt. Mit dieser Drift trieb die „Fram" und wäre wahrscheinlich nach Süden längs der Ostküste Grönlands getrieben, wenn es ihrem Führer Sverdrup nicht gelungen wäre, nördlich von Spitzbergen aus dem Eise los zu kommen. Von den Eismeerfahrern wird dieses Eis gefürchtet; denn zahlreich sind die Schiffsverluste, welche sich in ihm ereignet haben. Zwischen 74 u. 75" u. Br. wurden 1777 auf einmal annähernd 50 Fahrzeuge vom Eise umschlossen, von denen 12 Stück während der Drift nach Süden zerdrückt wurden und von deren Besatzungen ungefähr 300 Menschen umkamen. Auf seiner erfolgreichen Fahrt nach Ost-Grönland im Jahre 1822 war Scoresby der Jüngere dicht davor, im Eise unterzugehen, und 1833 wäre der französische Leutnant Blosseville mit der Brigg „La Lilloise" beinahe demselben Geschick verfallen. Die „Hansa" von der zweiten deutschen Nordpolfahrt 1869 bis 1870 wurde unter 73° 25' n. Br. vom Eise ein- geschlossen, trieb mit demselben nach Süden, wurde schliesslich zerdrückt und sank vor der Liverpool-Küste. Indessen sind die Eisverhältnisse hier, wie überall in den Polargebieten, erhebliehen Schwankungen unterworfen. In dem einen Jahre erstreckt das Eis sich weit nach Osten, ist dann aber gewöhnlich dünner; in anderen Jahren liegt das Eis nur in der Nähe der Küste, ist dann aber gewöhnlich dicht gepackt. Wind- und Strömungsverhält- nisse sind natürlich hierbei von grossem Einfiuss; aber zwischen 73* und 75" n. Br. dürften wenigstens Dampfschiffe gute Aussicht haben, die ostgrönläudische Küste zu erreichen. Der schottische Walfänger Kapitain Th. Robertson hatte schon vor der Abreise Nathorst mit- getheilt, dass es ihm während der 17 Jahre, da er diese Fahrt gemacht habe, nur ein einziges Mal (1897) nicht gelungen sei, das Land zu erreichen. Es ist aber klar, dass nur ein starkes Eismeerschiff, eigens daraufhin ge- baut, starke Pressungen zu ertragen, und mit starkem Bug versehen, das nötigenfalls das Eis rammen kann, hier einige Aussicht hat, mit Erfolg vorzudringen. Theilweise von Nebel gehemmt verfolgte die Antarctic den Eisrand von Spitze zu Spitze, immer nach ein "■ passenden Stelle Ausguck haltend, wo in das Eis ei zudringen wäre; aber überall lag das Eis dicht gepackt und erst am 27. Juni morgens 1 Uhr gelang es unt 73" 12' n. Br. und 5" 10' w. Gr. das äussere Eis zu durct brechen und in das offene Wasser hinter demselben gelangen. Zwar gab es noch manche harte Knüffe; ab nachdem das Eis durchbrochen war, lag das Wasser rubi ohne Dünung, welche das Eis abhält. Das Eis schit vielversprechend, und es wurde der Kurs nach Nor«,, Westen eingeschlagen. In gerader Luftlinie war das F noch auf über 400 km zu durchbrechen, bevor an d Pendidum-Insel gelandet werden konnte. Sofort innerhalb des äusseren Eisrandes erregten die zahlreichen, schmutzigen Eisschollen Aufsehen. D".r Schmutz bildete keine Ausnahme, sondern die Regel, und bestand aus Thonschlamm. Treibholz war hier gewöhn- lich, und bei näherer Untersuchung wurden kleine Zweigt, wahrscheinlich von arktischen Weidenarten, Moose u. s. w. entdeckt, beredte Zeugen, dass das Eis von irgend einer Küste stamme. Alle bisherige Untersuchungen haben die von Nansen ausgesprochene Ansicht bestätigt, dass das- selbe aus dem sibirischen Eismeer komme. Im Packeise ging es um mehr als 5 Tage vorwärts, während jedoch dann und wann der Nebel zum Stiiyiegen zwang. Anfangs war das Eis nur dünn vertheilt, so dass vor dem 30. morgens kein Rammen in Frage kam. Je weiter die Antarctic jedoch hineinkatu, um so mehr ver- änderte sich jedoch der Charakter des Eises. Anfangs hatten die Eisschollen höchstens 50—100 m Durchmesser, späterhin dagegen oft eine Fläche von mehreren Quadratkilometern, ja Quadratmeilen. Sie waren jedoch nicht eben, sondern eher mit einer schneebedeckten, schwach coupirten Land- schaft der Ebene zu vergleichen, deren Erhebungen die zu Höhen und Wällen aufgethürmten Partieen bildeten. Es war eine Eis- und Schneewüste im vollen Sinne des Wortes, wie sie von Nansen beschrieben wird. Die Wan- derung auf einem derartigen Eisfelde lässt voll und ganz die Schwierigkeiten erkennen, mit denen Nansen auf seiner Wanderung zu kämpfen hatte und die er in seiner Schilderung eher unter- als überschätzt hat. Oben auf den Wällen bedeckt der Schnee alle Vertiefungen zwischen den zusammengeschobenen Eisblöcken, so dass man oft bis an die Mitte des Körpers oder bis unter die Arme einsinkt, und an den Seiten der Wälle liegt der lose Schnee in tiefen Wehen, welche das Vorwärtskommen erheblich erschweren. Dann und wann tritt man dm"ch den Schnee in das Wasser auf dem Eise. Wenn aber XV. Nr. 33. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 393 die Wandening jetzt so sclivvicrig war, wie wird es dann erst recht sein, wenn der Schnee im Schmelzen begriti'cn ist! Zu dieser Zeit musste sogar ein Nansen „im Lager der Sehnsucht" vor Franz Josephs Land still liegen. Dieses schneebedeckte Eis ist reiner als die Schollen in der Nähe des Eisraudes, und die Landschaft — wenn mau sie so bezeichnen darf — hat ein grossartigeres, feierlicheres Gepräge. Wo das Eis zu Hügeln aufgethürmt war, erblickte man, wenn man zwischen die Eisstücke hinabschaute, iu den Höhlungeu ein so intensives Farbenspiel in Blau, dass es schier unglaublich war. Am 30. Juni begegnete die Autarctic dem Walfänger Dalaena aus Dundee, für dessen Führer, Kapitain Robertson, Nathorst Briefe mitführte. Robertson war schon in der Nähe der Küste gewesen und glaubte, dass CS ihnen auch leicht gelingen werde, heranzukommen. Da das klare Wetter ausgenutzt werden sollte, wurde ba'.d Abschied genommen. Bald ging es eine kurze _i,iecke vorwärts, bald mussteu sie Nebels halber still liet;,en. Am 1. Juli ging es vormittags mit langsamer ,irt während dreier Stunden; aber ein grosses Eisfeld versperrte den Weg, und da im Nebel keine Oeffnung in ijnd einer Richtung zu sehen war, musste am Felde ^gemacht werden. Abends setzte das Eis jedoch hart „^en diese Stelle, so dass die Antarctic einen anderen ':z auswählen musste. Dies geschah bei andauernd iger Luft, und merkwürdig genug hatte sie, wie sich er herausstellte, die einzige Stelle ausgewählt, wo .lurchzukommen war. ;;Am 2. Juli morgens 1 Uhr war der Nebel ver- st .vunden, das Wetter klar, und weit im Nordwesten er sei eu Land, die Pendulum- Insel und die benachbarte Kü^fe zwischen 74— Tö^n Br. Aber das Eis schien schwer zu sein. In dem mehrere Meilen langen Eisfelde war keine Durchfahrt vorhanden, nur gerade hier die Andeutung ein.,r Rinne vorhanden. Sich in das Eis hineinzuarbeiten, sch'en so wenig Aussicht auf Erfolg zu bieten, dass das Warten oder schlimmsten Falls ein weiter Umweg nach dem Süden der Gefahr des Eingeschlossenwerdens vor- gezogen wurde. Das Schiff zog sich zurück, die Rinne schloss sieh. Aber zwischen 3—4 Uhr morgens begann sie wieder, und diesmal ernstlich, sich zu erweitern. Der Kapitain nutzte diesen Umstand sofort aus. Ohne Unter- brechung rammte die Antarctic, ihr Bug drängte die Schollen bei Seite, und endlich war die schlimmste Strecke passirt. Mit einem Mal schien die Schneelandschaft ge- spalten, und eine vorher nicht beobachtete Wasserstrasse öflnete sich der Durchfahrt. Diese schnellen Abwechselun- gen stehen offenbar mit dem Einfluss der Gezeiten im Zusammenhang. Es ging durch mehrere offene Flächen, zwischen grossen Eisfeldern hindurch; dann und wann wurde gerammt, und endlich befand sich die Antarctic im offenen Wasser zwischen dem Treibeise und dem Lande. Unter der zweispaltigen Flagge der Königlich Schwedischen Segelgesellschaft ging es vorwärts, der Eis- barren war durchbrochen, das eig^itliche Forschungs- gebiet an der grönländischen Küste erreicht, und zwar so früh als keine der vorhergehenden Expeditionen dies erreicht hatte. Sogar Kapitain Robertson hatte noch nie gehört, dass Jemand vor dem 10. Juli das Land erreicht habe, uud am 2. Juli lag die Antarctic unter 74^ 50' n. Br. A. Lorenzen. Wetter-Mouatsübersiclit. Juli. — Der diesjährige Juli zcriiel in zwei ihrem Witterungscharakter nach ganz ver- schiedenartige Abschnitte von ungleicher Länge. Während des ersten Monatsdrittels war das Wetter in ganz Deutsch- land trübe, i'Cgncrisch uud für die Jahreszeit recht kühl. Namentlich zwischen dem 4. und 9. wurden, wie die bei- stehende Temperaturdarstelluug erkennen lässt, in vielen Gegenden auch Mittags 20« C. nicht erreicht, und in der Nacht ging das Thermometer oftmals unter 10° herab, ja, in der Nacht zum IL Juli sank es zu Chemnitz und Rügen wal der münde bis auf 6" C. Aber schon im 0.1-— —Tägliches Maximum.ta.Minimum. ^''^^- Tagcsmiltel, 1900. •I.Juli. TagesmiM, noiwil 21. 26. Temperatur- Maxima verschicdeaerOpte. JL 16^ 21 26. B!£UIIM y.'frrESPURE"" • Laufe dieses Tages, nachdem die bis dahin herrschenden feuchten Westwinde in eine leichte Südostströmung über- gegangen waren, schnellten die Temperaturen überall in die Höhe, und schon vor Mitte des Monats war bei an- haltender Sonnengluth eine schwer zu ertragende Hitze eingetreten, die späterhin nach mehrmaligen Unter- brechungen immer wiederkehrte. Ausser an der ost- preussischen Küste erreichten oder überschritten allgemein die Temperaturmaxima 30" C, in einzelnen Gegen- den Mittel- und Süddeutschlands stiegen sie mehr- mals bis 35" C. empor und gingen in der inneren Stadt Berlin sogar theilweise noch darüber hinaus. Nichts desto weniger übertraf die Mitteltemperatur des Monats, welche sieh hier zu 20,6" berechnete, das normale Juli- mittel doch nur um 1,7", weil eben mehrere Tage seiner ersten Hälfte bis 6" zu kühl gewesen waren; in den nord- westlichen und südlichen Laudestheilen wurde sogar die Normaltemperatur des Juli nur knapp erreicht. Bedeutend grösser als gewöhnlich war jedoch die Zahl der Sonnen- scheinstunden. In Berlin, wo sie sich auf 282 belief, ist in den bis zum Anfang der neunziger Jahre zuriick- reichenden Aufzeichnungen des Sonnenscheins noch iu keinem Julimonat eine so hohe Stundenzahl erhalten worden. Die Niederschläge im Juli, welche unsere zweite Zeichnung veranschaulicht, fielen während seines er.sten, kühleren Theiles sehr reichlich, besonders im ßinnenlaude. Im Allgemeinen trugen sie in dieser Zeit den Charakter länger dauernder Landregen an sich, die für das Sommer- getreide und die Futterpflanzen von grossem Nutzen waren. Nvar in der Gegend von Kassel und namentlich in den Provinzen Ost- und Westpreussen zogen am 3. und 4. Nachts sehr schwere Gewitter mit Wolken- brüchen und Hagelschäden hernieder, welche Ueber- schwemmungen und weiteres Unheil zur Folge hatten. 394 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 33. Nachdem vom 12. bis 16. Juli das Wetter überall trocken gewesen war, folgten in den nächsten 8 Tagen zahlreiche Gewitter, die au manchen Orten sehr ergiebigen, an anderen nur wenig Regeu mit sich brachten; am 17. wurden zu Borkum 42, am 22. zu Wilhelmshaven 33, am 23. zu Metz 34 Millimeter Regen gemessen. Vom 25. bis 28. beschränkten sich die Niederschläge wieder hauptsächlich auf den Osten, der am 26. abermals von -' .i& ' ^ s^ c^ MifNererWrt rßr i l'il-: slleJ ^ lyJilliliiii |l3|l 7^ -1 i2.-l'6.Jul.\^l— [-j i] ■lü-- ~ 17. -Zit-Juli. 1 ^^^ ^hJ El^l^ä ~+{mS::''^"^M-\A-] ftr >3'i j"''' i'-i^ 'iv ydj.uhij H Deutschland. verderblichen Gewittern heimgesucht wurde, währeud die letzten drei Tage des Juli im grössten Theile Deutsch- lands regnerisch waren. Von einzelnen, besonders schwer betroffenen Gegenden abgesehen, entsprachen aber die Gewitter weder in ihrer Zahl noch ihrer Heftigkeit dem aussergewöhnlich heissen Wetter, das in der zweiten Monatsbälfte vorherrschte. Demgemäss war auch der ge- sammte Ertrag, den sie an Regen lieferten, verhäitniss- mässig gering. Ais durchschnittliche Niederschlagshöhe des ganzen Juli ergaben sich nämlich nur 72 Millimeter, und man muss bis zum Jahre 1892 zurückgehen, um einen regenärmeren Juli zu finden. In den ersten Tagen des vergangenen Monats wurde Nordeuropa von mehreren massig tiefen Barometer- depressionen durchzogen, während hoher Luftdruck im Südwesten lagerte. Am 10. Juli rückte das Maximum nach Deutschland vor und machte hier der kühlen Regen- zeit ein Ende. Gleichzeitig brachen dagegen im Gebiete einer flachen Depression, welche von Italien langsam nordostwärts fortgeschritten war, ausserordentlich schwere Unwetter aus, welche besonders in Ostgalizien starke Ueberschwemmungen mit sich brachten; zu Czerno- witz fielen vom 10. bis 12. Juli 127 mm Regen. Das barometrische Maximum rückte von Deutschland bald nordostwärts weiter, aber schon am 15. Juli wurde es durch ein neues, von Südwesten hergekommenes Maximum ersetzt. Dieses verweilte in Mitteleuropa länger, und nur an einzelnen Tagen vermochten secundäre Minima in Norddeutschland, später auch in Süddeutsch- land einzudringen und stärkere Gewitterregen um sich zu verbreiten. Etwas tiefere Depressionen erschienen mehrfach auf dem norwegischen und dem weissen Meere und ver- m-sachten, ostwärts und sUdostwärts ziehend, verhältniss- mässig kühles Wetter in Nordscandinavien und Russland. In der ganzen südwestlichen Hälfte Europas aber bildete sich unter dem Einflüsse hohen Luftdruckes bei ruhigem, sonnigem Wetter eine sehr starke Hitze aus, unter der besonders Frankreich ausserordentlich zu leiden hatte. Dort erreichten die Temperaturen in Paris und anderen Orten mehrmals 38* C; noch höhere kamen jedoch im Innern Spaniens vor, wo am 24. JuH das Thermometer zu Madrid bis 41, am 25. sogar auf 42" C. hinanstieg. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Dr. Siin in Berlin zum ausserordentlichen Siivern zum toclinischen llil amt; Prof. Dr. C. Tricomi, II rl, Privatdoci-nt der Philosophif Prnt'essor; der Chemiker Dr. Karl iarbeiter aui kaiserlichen Pateiit- zum ordentlichen Professor der cliiruri^ischen Klinik in Messina; die Custoden am Naturhistorischen Museum zu Hamburg Dr. Carl Gottsche und Dr. Georg Pfeffer zu Professoren. Berufen wurden: Der ordentliche Professor der Chemie Dr. Karl Auwers in Heidelberg als ordentlicher Professor und Director des chemischen Instituts nach Greifswald. Es habilitirten sich: Dr. L. PatcUani für Gcburtshülfe und Gynäkologie in Bologna; Dr. A. Codi vi Ha für Chirurgie ebenda; Dr. G. Graziani für medicinische Pathologie in Neapel; Dr. Arsban für Oto-Rhino-Laryngologie in Padua; Dr. A. Fortu- na to für Ophthalmologie in Palermo. L i 1 1 e r a t u r. Gustav Ratzenhofer, Der positive Monismus und das ein- heitliche Princip aller Erscheinungen. Mit o Figuren F. A. Brockhaus. Leipzig, 1899. — Preis 4 Mk. Verfasser führt an Stelle des metaphysischen SubstanzbegrifFs den der Kraft ein, was freilich nur durch Identification von Sub- stanz und Materie möglich wird. Er behauptet, Kants Denk- kategorien seien vor der philosophischen Einsicht unserer Zeit zu empirischen Erscheinungen geworden; Grundthatsache wäre nur, dass alle Erregungen des Subjects Effekte seien von äusserlich auf das Bewuastsein wirkenden Energieen. Das ist aber ein Irr- thum; denn wie kommt das Subject dazu, für die ihm angehörigen Erscheinungen eine wirkende Ursache anzunehmen V Es ergiebt sich, dass auch der Kraftbegriff der inneren Erfahrung entnommen ist, möglich erst in der Scheidung von Subject und Object, möglich aber auch erst mit der \ orstellung zeitlicher Folge innerer Zustände. Zum Ausdruck kommt der wahre Thatbestand in Deduktionen wie die des Verf. immer an einer bestimmten Stelle: die Gleichstellung anorganischer und organischer Vorgänge gelingt immer nur auf Grund des Lebens, also im letzten Grunde durch Ausdehnung unserer uns zunächst bekannten inneren Er- scheinungsformen auf alles übrige. Vor Allem aber ist des Verfassers „Kraft" nicht das, was sie sein will, ein einheitliches Prinzip der Erscheinungen, seine Philo- sophie also kein Monismus. So sehr R. es zu verschleiern sucht, muss er doch zwei Grundkräfte annehmen; jeder seiner -(-Kraft- punkte ist von einer — Krafthülle umgeben, die durchaus nicht, wie R. meint, von secundärer Bedeutung ist; denn ohne sie würde beim ersten Wirken der Kraftpunkte ein einziger grosser Welt- klumpen entstehen. Man kann wirklich begierig sein, wie lange die Philosophie noch mit dem Monismus spielen, ihn pressen und zerren wird, um ihn zu retten, bis sie ihn endgiltig aufgiebt. Es ist doch einmal so, die einfache Thatsache, dass es eine Mehrheit von Dingen giebt, verlangt eine Mehrheit von Kräften; früher oder später wird man es aufgeben, die eine zu vergewaltigen, um sie der anderen unterzuordnen und so dialektisch zu unterschlagen. So könnte denn auch Verf. ruhig den Namen aufgeben, da er sich doch der Sache nach zu einem Dualismus bekennt. F. Graebner. Ronald Kessler, Eine Philosophie für das 20. Jahrhundert auf naturwissenschaftlicher Grundlage. Conrad Scopnik-Berlin, - 1899. Wenn eine Besprechung in den preussischen Jahrbüchern das Buch als Beispiel dafür bezeichnet, dass auch die exakten Wissenschaften sich der Philosophie wieder zuwendeten, so kann die Naturwissenschaft mit Fug dagegen Einspruch erheben: Weder Scharfsinn noch Sachkenntniss geben dem Verf. das Recht, sich den e.xakten Forschern zuzurechnen. Was soll uns ein Buch, das alle räthselhaften und längst enträthselten Vorgänge durch das inhaltleere Wort „Stoffbewegung" zu erklären meint. Damit löst Verf. das Atomproblem, projektirt Weltpostverbindungen im wahren Sinne des Wortes, zum Mars, zur Sonne, ja zum Sirius. So geht es weiter, bis in den Capiteln über Völkerrecht und Weltgeschichte, über Kunst und Religion und ähnliches das Chaos XV. Nr. 33. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 395 volU'iuk't ift, in einem Wirrwarr von ungeprüften Schlasworton, wie die liistoriselien Gesetze, und dunklen, niissgedeutoten Kr- inuerungen, wie an Haniann's Anschauungen über Ursprung und Wesen von Sprache und Dichtung. Die Aufgabe der Philosophie sieht Verf. darin, ein Fach der Wissenschaft durch ein anderes zu befruchten; auf eine solche Philosophie mussten wir verzichten. Zwar mag der Philosopli, der seine Anschauungen auf Grundlage eines bestimmten Wissensgebietes gestaltet hat, sich nach Mög- lichkeit auch mit den Ergebnissen der übrigen abfinden, in ihnen vielleicht einen ausgezeichneten Prüfstein für die Giltigkeit seiner Sätze finden; aber Hegel's Naturphilosophie und Dubois - Rey- mond's Betrachtungen über geschichtliche Dinge zeigen zu deut- lich, wie auch grosse Geister sich verirren, sobald sie den sicheren Boden ihres eigen.sten Arbeitsgebietes verlassen. Immerhin liegt du; Möglichkeit auf der Hand, dass auf Grund gediegenster Kennt- nisse auch im eugoren Wirkungskreise wichtige Thatsacheu für alle Wissengehiote erschlossen werden können; wo aber solche Kenntnisse mangeln, ist das Ergebniss wissenschaftlich von vorn- herein nichtig. F. Graebner. Wilh. H. Preuss, Geist und Stoff. Erläuterungen des Verhält- nisses zwisclicu Welt und Mensch nach dem Zeugniss der Or- ganismen. 2. durch Nachträge vermehrte Auflage. Schulze'sche Hofbuchhandlung und Hofbuchdruckerei (A. Schwarz), Olden- burg 1899. — Preis 4 M. Gewöhnlich nimmt man an, dass erst etwas Anorganisches cxistiren musste, che organisches Loben entstehen konnte. Das ist aber verkehrt; das erste, was in der Welt bestand, waren lauter winzige Organismen, die sich durch Zusammentreffen paarten und einen höheren Organismus zeugten. Da hierzu Kraftverbrauch nöthig war, wurde immer etwas anorganische Materie ausgeschieden, die sich dann allmählich zusammenklumpte und so die Weltkörper aufbaute. Inzwischen entwickelt sich der Organismus in gerader Linie genau auf dem Wege des Embryos zum Menschen. Da nun die betreffenden Elternpaare für die Erzeugung ihrer soviel höher entwickelten Nachkommen ungeheure Kraft verbrauchen, können sie zum zweiten Male nicht noch einmal dasselbe leisten, sondern es entstehen als Abfall so nebenbei die Thiere und weiterhin die Pflanzen. Zugleich wird mit der höheren geistigen Entwickelung als Aequivalent immer mehr anorganischer Stoff ausgeschieden, beides steht in genauem Verhältniss zu einander und bedingt sich wechselseitig. Geibel's Krokodil empfängt von der Sphinx den tiefsinnigen Rath: „Friss nur, was Du verdauen kannst: das ist das Räthsel Deines Lebens." F. G. Anton Balawelder, Abstammung des Allseins. R. Waldes- heim. Wien 18'J4. Wie heut so viele, hat auch Verf. in dem gerechten Streben nach p^ortschritt das Bedürfniss, über Kant hinauszugehen. Frei- lich misslingt ihm das: Er sucht die Realität des Raumes nach- zuweisen, aber die Allgemeingiltigkeit und Nothwendigkeit der Raumauschauung, worauf im Grunde alle seine Beweismittel hinauslaufen; sind genau Kant's Kriterien eben für das a priori dieser Anschauung, wodurch ein Schluss auf ihre Objectivität unmöglich wird. Nicht besser gelingt ihm die Beseitigung der Kant'schen Antinomien , die darum nicht verträglicher werden, weil Verf. sie ebenfalls real setzt. Endlich sei noch auf S. 14 hingewiesen, wo der Satz „Tritt ein bestimmter Punkt aus dem un- bestimmten heraus, so kann er in denselben nie mehr hineinfallen" genau nach Zenos Muster bewiesen wird, nach dem ja bekannt- lieh Achill eine Schildkröte nie einholen kann, wenn sie zu An- fang irgend einen Vorsprung vor ihm hat. F. G. Carl August, Die Welt und ihre Umgebving. Paul Zillmaiin. lierlin-Zehlendorf. 1897. — 5 M. Verf. geht von dem richtigen Staudpunkt aus, dass philo- sophisch die Weltbetrachtung mit dem Subjekt zu beginnen habe; aus den Vorgängen im Ich sucht er die Grundbegriffe der Natur- betrachtung herzuleiten, Raum, Zeit, Ursache, Einzelding. Vou da leitet er zum Atom (bei ihm Mone) über, das ihm als seeliscli begabtes Ding nach Maassgabe von Lust und Unlust Grundele- ment des Weltbaues ist, sich im Organismus und vor allem im Menschen zur höchsten Höhe erhebt, während das Gesammt- bewusstseiu der Welt in der sie alle umgebenden göttlichen Mone begründet ist. Im Einzelnen fusst Verf. auf manchmal sehr be- denklichen Annahmen, wie die, dass die erste Grundthatsache das Verhältniss von Druck und Widerstand sei; und vor allem in den für ihn grundlegenden subjectiven Vorgängen fohlt es durch- gängig an der sorgfältig kritischen Analyse, eine Thatsache, die für die Ergebnisse der Untersuchung gcmügende Erklärung bietet. F. G. Fritz Schultze, Vergleichende Seelenkunde. 1. Bd., 1. und 2. Abth. Ernst Günther, Leipzig 1H92 und 1897. Das Werk enthält bisher die Grundzüge der physiologischen Psychologie, sowie das Seelenleben der Thiere und Pflanzen. Es dürfte damit als Torso abgeschlossen sein, da die für die Fort- setzung zunächst in Aussicht gestellte „Psychologie der Natur- völker" inzwischen als eigenes Werk erschienen ist. Verf. er- scheint in der Methode als Eklektiker, hat die einschlägige Litteratur, mit Recht vor allen Wundt, ausreichend benutzt und so ein für seinen Zweck ausgezeichnetes, umfangreiches That- sachenmaterial verarbeitet; man muss anerkennen, dass er es, besonders auch in der schwierigen Beurtheilung des thierischen Seelenlebens, an der erforderlichen kritischen Vorsicht nicht hat fehlen lassen. Seine Schwäche liegt in der Gesammtauffassung, wo eben sein Eklekticismus vor allem in die Erscheinung tritt; er wendet sich der Reihe nach gegen alle psychophysisehen Theorieen: Dualismus, Identitätslehre, die er nur in der Form für verschieden erklärt, Materialismus und Spiritualismus. Um nur auf den letzten einzugehen, so ist zu bemerken, dass Schultze's Angriffe nur den Descartes'schen Spiritualismus treffen, der bekanntlich weit davon entfernt ist, reiner Idealismus zu sein, dass sie aber in keiner Weise auf den deutschen Idealismus seit Kant, ja nicht einmal auf Leibniz Bezug haben. Für sich selbst nimmt nun Verf. eine „kritisch empirische Einheitlichkeitslehre" in Anspruch, behauptet ein Zusammenwirken zweier verschiedener, aber einander ähn- licher Faktoren. Die Welt besteht aus Atomen und Psychaden; wo eine Psychade eine Anzahl von Atomen ihrer Leitung unter- wirft, entsteht ein Organismus. Die Empfindungen entstammen dem Körper; ihre Verarbeitung ist Funktion der Seele, die ihrer- seits wieder durch den Willen den Körper formt, sein Handeln bestimmt. Abgesehen davon, dass diese Ansicht nicht neu ist, braucht man sie nur auszusprechen, um zwei tödtliche Mängel zu bemerken, erstens die undenkbare Einwirkung von Seele auf Körper und umgekehrt, zweitens die absolute Trennung des Or- ganischen und Unorganischen. Der Nachweis, dass beide ver- schieden sind, ist keine Widerlegung einer Entwickelung des einen aus dem andern; denn jede Entwickelung ist ein anders werden, jeder Fortschritt ein Gegensatz. Ueberhaupt arbeitet Verf. zuweilen mit viel zu engen Begriffen : dass z. B. der so- genannte Thierstaat der Ameisen wenig Vergleichspunkte bietet mit einem europäischen Grossstaat des 19. Jahrhunderts, hat sicher nie Jemand bezweifelt; wenn Verf., was er nicht ohne Grund könnte, die Analogie der thierischen Gesellschaften mit dem Staat leugnen wollte, musste er die Staatsformen primitiver Völker heranziehen, die von seinen neun Merkmalen oft nur drei oder vier aufweisen, während seine erste Forderung der Stammes- gemeinschaft gerade in vielen civilisirten Staaten nur durch Ver- gewaltigung der Thatsachen nachzuweisen wäre. F. G. Brückner, Prof. Dr. Ed., Die schweizerische Landschaft einst und Jetzl. BiTTi. — O.SII Mark. Buerkel, Marine-Assist.-Arzt d. R. Dr. Emil, Biologische Studien ulirr dir Kauun der Ki.drr Föhrde. Kiel. — Ü Mark. Hardin, Dr. Willett L., Die Verflüssigung der Gase. Stuttgart. ^- r, Mark. Preyer, W., Die Seele des Kindes. Leipzig. — 10 Mark. Semper, Bergassess., Beiträge zur Kenntnies der Goldlagerstätten (Irs sirlicnbür-isrhcn Erzgebirges. Berlin. — 6 Mark. Messtischblätter .1. s jiri'ii.-^sisclifn Staates. Königlich preussische Landcs-AufnaliuK'. Nr. .'.iD. Mühlbanz. — lOSL Warlubien. — livr.. (fkoiiiii. — 1202. Jaderberg. — 1286. Wiefelstede. — 1-2SS. Illsihtl,. _ 13G3. Weener. — 1364. West-Rhauderfehn. — i:;ii7. Zwiselicnahn. — 13r.9. Berne. — 137L Lesum. — 1443. Pa|.,i,liiML;. ~ 1444. Burlage. — 1451. Bremen. — 1516. Wip- pingen. — 1517. Borger. — 1518. Neu-Arenberg. — 1519. Mark- hausen. — 1520. Garrel. — 1521. Grossenkneten. — 1587. Wahn in Hannover. - 1592. Visbek. — 1661. Vestrup. — 1662. Vechta. — 1663. Goldenstedt. — 1733. Dinklage. — 1734. Lohne in Oldenburg. — 1805. Holdorf. — 1806. Damme. — 2658. Evers- berg. — 2659. Brilon. — 3042. Dillenburg. Berlin. — 1 Mark. s: Zur Vorgeschichte der Entdeckung von Grypotherium bei Ultima 1 und Ost-Grönland. — Wettor-Monatsübersicht. — Aus dem wissenschaft- Inhalt: Dr. phil. et med. Robert Lehmann-Nitscht Esperanza. — Die Eisvei'hältnisse zwischen Jan Mayen liehen Leben. — Litteratur: Gustav Ratzenhofer, Der positive Monismus und das einheitliche Princip aller Erscheinungen. — Ronald Kessler, Eine Philosophie für das 20. Jahrhundert. — Wilh. H. Preuss, Geist und Stoff. — Anton Balawelder: Ab- stammung des Allseins. — Carl August, Die Welt und ihre Umgebung. — Fritz Schultze, Vergleichende Seelenkunde. — Liste, 396 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 33. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Tabellen qualitativen Analyse bearbeitet vou Dr. F. P. Treadwell, ProfL-Buur am EidgeniissiscUen Eoljtccliiiikum in ZuricU uuter Mitwirkung von Dr. Victor Meyer, Vierte vermehrte und verbesserte Auflage, neu bearbeitet von Dr. F. P. Treadwell. Lex. 8". Preis kartonnirt 4 Mark. PÄTENTBUREAU Qlrich R: jVlaerz jnh. G. Schmidtlein.Jnqenieur Gratis - ' franko liefern wir den 3. 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Icrb. piimniltro flf ringobiidiliniibluiig in JJfrliii SW. 12, JiuiuirrRr. 5)-!. ^su iui(crciii iH'iUtiio crjiliiciicn: 9latunviiffcufrf)nftücfjc SBoIfstMtdjcr* ^fünfte, rci(^ iüufljricttc ^uffajjc. 3}itrcl)gclL-t)cii iiub uerbojicvl Dr. §, Hotottte "b Dr. fl. fjutttttö- 'Miit 405 SUuftrntioitcit •11 Seile iii 4 pb. liroldj. 12 ölntk, iii 4 tlcü. Jtiiicnlili. 16 Pnvk. *,'lucl) in uad)ftcf)cnbcu ©ünber=9(iu5gabeu ä" bcöie^cn: 1}cr ■',ujaimiu-uf)iiiui bcr Siaturfräfte. 5ß5itteriiug§hmbe. SBIütc iiiib Avml)t ^.i;al)iuiuvMiiittol. Seil 1, 174 ©., geb. 1 Wt — ®ic gv= luilivuiuv tsom ^iiftiiift ber Sicre. Seil 2, 108 ©., geb. 0,60 TOf. — fln,iicl)iiiuv>fi>iil iinb K'lcftvtMtnt. Seil 3, 120 ® , geb. 0,G0 -m — l-u- tli^Hir,iiiu III ilivi'v \Hmuciibuiui. '2oil 4, 104 3., ^\d\ (i,(iii '\Ht — ^inni iirii flu'inililu'ii .Sirditfu imti tiicflnuhomio. Jcil .'), K^ 5 m-ii. o,(;oii;f. (iiionii'. '2ni(i, iu3., nco. 0,iju y.i;t. - ^Hiuirtuunöu i£l)eiiiie. inibcilmibe. Xcil 7, 116 S., geb. 0,(JÜ ':)Jif. — «um 'äün ber (Srbe ((iieulugie). S5üu bcr Umbretjuug bcr förbc. ®ic @c» |d)it)inbiafcit bc§ fiicl)t§. Seil 8, 152 ©., geb. 1 9Jlf. — ®a§ |)itt|ncf)en im ei. «om ^ijpnotiäiimis. Seil 9, 127 ©., geb. 0,80 9Kt. - S3au unb i.'cLH'u üoii 'Wansc uiib Sicr. Seil 10, 163 ©., geb. 1 Wt. - Saä (5)ci|tcc = Pigmentbildner, nr = Nerven- system, ps = Pseudopodin, sp = Sperma, pn = Penis, cg = Cerebralganglion, vi!< — Mesodermzellen und -Mittel- darm, OS = Ösophagus, spd = Speicheldrüsen, ed = Enddarm. — Fig. 1. Abgelegtes männliches und weibliches Ei in einer gemeinsamen Hülle. — Fig. 2. Drei-Zellenstadium dieser beiden. — Fis. 3. Vier-Zellenstadium des weiblichen Eies und punktirt ein fünf-Zellenstadium. - Fig. 4. Ein sieben-Z( llenstiidium. - Fig. 5. Ein acht- Zellenstadium. — Fig. 6 u. 7. Weitere Stadien. — Fig. 8. Gastrulatioiisvort,-aiig. Auftbeilung der grossen Zelle. — Flg. 9. Ein etwas gedrücktes Ei, das die zwei Mesodermzellen und .lic Kutodermzellen mit der durch Druck hier erweiterten sonst kleinen Höhlung zur Ansicht bringt. - Fig. 10. Eine sich bildende Larve. — Flg. 11. Hinterende eines weibUchen geschlechtsreifen Wurmes. — Fig. 12. Eine vor dem Ausschlüpfen stehende Larve. — f'ig. 15 Erste Spindelbildung in einem männlichen Ei. — Fig. 16. Zwei-Zellenstadium derselben. — Fig. 17. Drei-Zellenstadium. — Fig. 18. Vier-Zellenstadium. - Fig. 19. Funf-Zellenstadium. - Fig. 2(1. Sieben Zellenstadium. - Fig. 21. Neun-Zellenstadium. - Fig. 22 u. 23. Weitere Stadien. - Fig. 24. Die sieb bildende Larve. — Fig. 2.S. Das ausgekrochene Dinophilusmännchen. — Fast alle Zeichnungen bei einer 625 Vergrii.sserung gezeichnet. Fig. a r und Fig. 13 bei lüOO Vergrösserung. aber noch sieh nicht tiugireude iicht- in cigenthüniliclier Weise über der grösseren Furchuugs- kugel sich umordnet, wie dies in der Fig. 3 veranschau XV. Nr. 34. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 399 licht ist; die Zellen, die ebeu basalwärts laugst dieser gleicbsani henmtergleiten, sind von der Unterseite dar- gestellt. Fig. 4 bringt ein 7-Zellenstadium, Fig. 5 ein 8-Zellcnstadium zur Ansicht, wobei die Zahlen und Pfeile die Art der Theilung veranscliaulichen sollen. Gleichzeitig treten auf diesem Stadium oft an der Durch- schnürungsstelle kleine Vacuolen auf. Fig. ü und 7 zeigt weitere Theilungsbilder; die grosse Zelle beharrt noch immer in ihrer Ruhe, nur dass sie sich bald (zum Theil schon auf Fig. 7 abgebildet) etwas streckt und ins Innere der inzwischen von den Mikromeren gebildeten ektodermalen Kappe vorzudringen trachtet, wobei gleich- zeitig die kleineren Zellen activ her unter- wandern. Inzwischen furcht sich nun auch die grosse Zelle und liefert Entodermzellen, so- wie grössere, am distalen Ende lange wahrnehmbare Ektodermzellen (Fig. 8p). Auf dem Furchungsstadium, das Fig. 7 zur Anschauung bringt, werden merkwürdiger- weise einige Zellen heller, die Körnchen in ihnen führen lebhaftere Bewegungen aus und es werden peripher minutiöse, bruchsack- artige Pseudopodien ausgesendet, wie über= haupt sich ihre Gestalt langsam ändert, ein Zustand, den die Seitenzeichnung in Fig. 7 darstellt. Die Gastrulation vollzieht sich in der Weise, dass die kleineren Zellen herab- wandern und die grosse Zelle gleichzeitig sich theilcnd theihveise mit ihren Descendenten ins Innere einzudringen trachtet; dadurch, dass, wie schon anfangs ersichtlich war, auf der einen Seite die kleineu Zellen stärker herabwandern, wird der Blastoporus einseitig auf die Bauchseite verschoben, wo er bald als eine minutiöse kommaartige Oeffnung zum Verschlusse gelangt. Drückt man das Ei etwas, so bemerkt man auf späteren Stadien im Innern etwa 10 körnchen- reichere Entodermzellen, die eine Furchungs- höhle einschiiessen, sowie zwei besondere stets wahrnehmbare, von der grossen Zelle abstammende Mesodermzellen, die sich bald in kleinere Elemente auftbeilen (Fig.O/«). Die Richtuugskörperchen stellen nun 2 Plas- mabaileu dar, au denen mitunter Granula- tionen festhaften und in denen man je ca. 4 Chromatintheilchen und zuweilen eine Vacuole constatiren kann. Aus den Entodermzellen bildet sich der sackartige Mitteidarm, worauf bald aus einer Vertiefung des Ektoderms des Oesopagus (Fig. 10 o) und von diesem aus einer ventralen Aussackung die erwähnte pharyngeale Bildung hervorgeht, deren Muskelsehichte von dem zahlreichen Mesoderm, das das Eutoderm und den Oeso- phagus umgiebt, gebildet wird. Das Nervensystem sondert sich vom Ektoderm durch Abspaltung. Der Mitteldarm communicirt erst recht spät mit dem Oesophagus; das Rectum ist ektodermal, während der Hinterdarm durch eine Mitteldarmaussackung gebildet wird. Zuerst gehen aus einer vibrativen Zellleiste einer grösseren Zellreihe die Wimpern des trochophoraähnlichen Wimperkranzes hervor, mit denen sich nun die Larve innerhalb ihrer Hülle lebhaft bewegt, ausserdem zeigen einzelne Ecto- dermzellen noch eine lebhafte Tendenz zur Pseudopodien- hildung (Fig. 10 p-s.). Die zum Auskriechen sich an- Liiugsscliuitt durch die Larve, Fig. 27. Schnitt durch das oberflächlich in Fig. 10 dargestellte Larvenstadium bei lOüOfacher Vergrösserung. schickende Larve stellt Fig. 12 dar. Terminal bemerkt man an ihr ein in Fig 14« besonders abgebildetes, mit Granulationen umgebenes Bläschen, das walirscheinlich ein otocystenartiges Organ ist, zu dem ich auch einige Nervenfasern verlaufen gesehen zu haben glaube. Später degenerirt es und zeigt unterhalb seiner Höhlenbildung eigenartige, Fig. 14 h und c dargestellte Concretionen. Das Pigment der beiden Augen, das die hellen, bohnen- förmigeu Linsen umgiebt (Fig. 13/) entsteht als meta- bolisches Stoffwechselprodukt aus hyalinen Pigmentbildnern (p/j.), neben denen man noch grössere lichtbrechende Körnchen beobachten kann. Es ist anfangs rothgelb, tingirt sich noch etwas mit Neutralroth und wird später rothbraun. Bei Schwefelsäure- zusatz wird es wieder orangegelb. Mit Neu- tralroth färben sich ferner in der Larve gewisse Concretionen in den Segmental- organen, die aus einem Ausführungsgang, einem drüsig verbreiterten Theil mit Körn- cheneinschlüssen und einer Art von End- blase, die vermuthlich geschlossen bleibt, bestehen — ferner färben sich die Wimper- basen und die sie umgebenden Granula- tionen der Wimperringe, sowie grössere matt- rotbe und feine rothe Granulationen. Ein Längsschnitt durch eine Larve ist in Fig. 26 abgebildet. — Durch fortwährende Rota- tionen, ein beständiges Einziehen und Zurück- schnellen des Körpers wird nach und nach die Hülle gelockert und die Larve kriecht durch einen Riss heraus, während das Männchen, das sich in dem benach- barten kleineren Ei viel langsamer entwickelte, erst später seiner engen Kerkerhaft entflieht. Seine Entwiekelung verläuft analog, nur dass sie vereinfacht ist, da hier kein Darmtraktus gebildet wird und das aus der grossen Zelle entstammende Material interessanter Weise nur sich an der Gonaden- bildung und den mesodermalen Antheilen betheiligt. Fig. 15 bringt demgemäss die Spindel der ersten Theilung, deren Resultat Fig. 16 abbildet, zur Anschauung, in Fig. 17 ist das 3-, in Fig. 19 das 5-, in Fig. 20 von der Seite das 7-, in Fig. 21 das 9-Zellenstadium dargestellt; auf Fig. 22 bemerkt man noch die Descendenten der grossen Zelle die sich weiter auftbeilen, worauf das Fig. 23 skizzirte Stadium folgt; wegen der Kleinheit des Ob- jectes lassen sich nun die weiteren Vor- gänge ungemein schwer analysiren, obzwar ich noch weitere Stadien genauer ver- folgte, — doch hoffe ich auf einer anderen Stelle später eingehender auf diese Verhältnisse zurückzukommen und meine Beobachtungen noch durch eine grössere Zahl von Abbildungen, die zum Theil schon skizzirt sind, stützen zu können. — Diese Untersuchungen wurden im März angestellt, doch scheint es, dass sich diese kleinen Würm- chen selbst in kleineren Seewasseraquariengläsern längere Zeit hindurch daselbst fortpflanzen und von dem reichlichen aus massiger Fäulniss der Algenreste hervorgegangenen Detritus ernähren. Der Mitteldarm enthält zumeist gelb- liche Stoffwechselreste in seiner schleimigen Flüssigkeit, in den Mitteldarmzellen findet man als Stoflfwechselpro- dukte einerseits brauugrüne Körnchen, die zuweilen einen centralen unbestimmten Einschluss enthalten, sowie bi.s- quitartige, krystallinische Gebilde. 400 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 34. Ueber Säureester, Phenole und Phenoläther. Dr. H. Buss. Von diesen Verbindungen sollen hier nur diejenigen besprochen werden, welche in der Riechstoft'iudustrie thcils als Riechstoffe, theils als Ausgangsmaterial für solche Verwendung finden. Die Ester der Fettsäuren, welche durch Einwirkung von Mineralsäuren auf ein Gemisch von Fettsäure und Alkohol entstehen, werden hauptsächlich zur Darstellung von Fruchtessenzen verwendet. Von diesen Estern kommen in Betracht: Ameisensäureäthylester, welche als Rumessenz und Runiäther in alkoholischer Lösung Verwendung findet. Essigsäureäthylester, eine angenehm ätherisch riechende Flüssigkeit, welche arzneilich und zur Darstellung von Fruchtsäften viel Verwendung findet. Der Essigsäureisoamylester ist wegen seines birn- artigen Geruches sehr geschätzt. Buttersäureäthylester riecht nach Ananas. Isovaleriansäureisoamylester dient zur Darstellung von Aepfelöl u. s. w. Zur Herstellung von künstlicher Cognacessenz wird der Aethylester der Oenanthylsäure verwendet. Die Oenanthylsäure oder normale Hepthylsäure ent- steht im Allgemeinen durch Oxydation von Fettsubstanzen, wie z. B. Talg, Oelsäure, Wachs, Ricinusöl durch Sal- petersäure. Sie ist ein farbloses Oel von angenehmem Geruch. Den Aethylester, welcher das Aroma des Cognacs be- sitzt, erhält man durch Einleiten von Salzsäuregas in eine Lösung von Oenanthylsäure in absolutem Alkohol uud nachberiges Neutralisiren mit Soda. Um den Cognac zu aromatisireu, wird ferner der Pelargonsäureäthylester ver- wendet. Die Pelargonsäure entsteht durch Oxydation von Methylnonylketon, welches durch Fractionirung des Rauten- öls gewonnen wird. Der Ester wird aus der Pelargon- säure in derselben Weise erhalten wie der Oenanthyl- äthylester aus der Oenanthylsäure. Aus der Reihe der cyklischen Säuren sind die aro- matisch riechenden Ester der Benzoesäure, Zimmtsäure, Salicylsäure bekannt. Der Benzoesäuremethyl und Aethyl- ester haben einen sehr angenehmen Geruch und werden auch arzneilich verwendet. Ersterer findet sich im Handel als Niobeöl. Die Benzoesäure wird entweder durch Sublimation von Benzoeharz gewonnen oder synthetisch aus der Hippursäure, welche sich im Harn der Herbivoren findet. Man erhält ihre Ester analog wie die Fettsäureester, z. B. durch Sättigen einer Lösung von Benzoesäure in Alkohol durch Salzsäure. Die Zimmtsäure entsteht durch Einwirkung von Na- triumacetat auf Benzylidenchlorid, oder durch Behandeln von Benzaldyhyd mit Essigsäureanhydrid und Natrium^ acetat. Der Zimmtsäuremethylester wird erhalten durcli Einleiten von Salzsäuregas in eine heisse Lösung von Zimmtsäure in reinem Methylalkohol bis zur Sättigung, das heisst bis keine Salzsäure mehr absorbirt wird. Nach dem Erkalten giesst man auf kaltes Wasser und extrahirt den Zimmtsäuremethylester durch Aether. Derselbe ist ein fester Körper vom Schmelzpunkt 3.5 — 36°, von sehr an- genehmem Geruch. Die Salicylsäure wird in der Industrie durch Ein- wirkung von Kohlensäure auf Phenolnatrium unter Druck im Autociaven dargestellt. Der Salicylsäuremethylester ist in der Natur ausserordentlich verbreitet. Zu 90 "/q ist er im Gaultheriaöl enthalten. Künstlich wird er z. B. dargestellt durch Erwärmen eines Gemisches von Salicyl- säure, Methylalkohol und Schwefelsäure. Er besitzt einen sehr angenehmen Geruch uud wird in der Parfume- rie als Wintergreenöl verwendet. Ferner wird der künst- liche Ester zur Anwendung gegen Rheumatismus em- pfohlen, im Gegensatz zu dem natürlichen Gaultheriaöl, welches häufig Veranlassung zu heftigen Hautentzündungen giebt. Obschon sämmtliche Phenole durch einen sehr starken Geruch ausgezeichnet sind, so finden sie als Riechstoffe doch nur wenig Anwendung. Ersetzt man aber den Wasserstoff" der Hydroxylgruppe durch Alkylgruppen, so gelangt man zu der Klasse der Phenoläther, welche oft ein sehr feines Aroma besitzen. Man erhält diese Phenol- äther im Allgemeinen dadurch, dass man die Phenole mit Jodmethyl oder Jodaetliyl bei Gegenwart eines Alkah be- handelt. Um die Phenole aus den Substanzen, in denen sie sich in der Natur vorfinden, zu extrahiren, benützt man ihre Eigenschaft, sich in alkalischem Wasser aufzu- lösen. Zu diesem Zwecke schüttelt man die das Phenol enthaltende Substanz mit wässerigen Lösungen von Soda oder Pottasche und extrahirt die nicht phenolartigen Körper durch Aether. Durch Ansäuern der alkalischen Wasser durch vor- sichtiges Zugeben von Salzsäure in kleinen Portionen bei niederer Temperatur wird das Phenol wieder in Freiheit gesetzt und darauf entweder durch Destillation oder durch Krystallisation gereinigt. Es kommen hier folgende Körper in Betracht: Thymol, Eugenol, Isoeugenol, Estragol, Iso- estragol oder Anethol, Safrol, Isosafrol, ß-Naphtolmethyl und Aethyläther. Das Thymol ist eines der in der Natur verbreitetsten und am längsten bekannten Phenole. Es wurde von Do- veri in den Oelen der Thymusarten und hauptsächlich im Oele des Samens von Ptyochotis ajoran beobachtet, aus welchen es auch industriell durch Extraction mit Soda- lösung und nachherige Destillation mit Wasserdampf ge- wonnen wird. Schliesslich wird es noch durch Umkrystallisiren aus Eisessig gereinigt. Es bildet monokHue Krystalle vom Schmelzpunkt 50°. Das Thymol wird weniger als Riech- stoff", wie als Antisepticum geschätzt. Das Samenöl von Ptyochotis ajoran wird in Indien gewonnen. In Folge der gegenwärtig dort herrschenden Pestepidemie ist es sehr schwierig, sich das Oel zu verschaffen, wahrscheinlich sind auch den Hindus die antiseptischen Eigenschaften des Thymols bekannt, so dass sie dasselbe zur Be- kämpfung der ihr Land verheerenden Seuche verwenden. Das Thymol ist ferner wichtig als Ausgangsmaterial zur Darstellung des Aristols, welches oft dem Jodoform wegen des unangenehmen Geruches des letzteren, vor- gezogen wird. Das Aristol wird erhalten durch Behandeln des Thymols in alkalischer Lösung mit Jod. Das Thymol wird auch zur Herstellung von antiseptischen Seifen ver- wendet. Das Eugenol ist im Nelkenöl bis zu 90 7o enthalten, ferner wurde seine Anwesenheit im Pimentöle, im Bay- öle, im Oel von Canella alba u. s. w. festgestellt. Das Eugenol wird technisch stets aus dem Nelkenöle isolirt. Die Nelken werden hauptsächlich in Zanzibar und Pemba cultivirt. Zur Gewinnung des Eugenols wird das Nelken- öl mit der aus einem analytischen Versuch berechneten Menge Alkaliliydrat und Wasser geschüttelt, dann trennt man das Oel, welches nicht in Lösung gegangen ist, durch Decantiren ab, säuert die alkalische Lösung mit I verdünnter Salzsäure an, indem man durch hineingeworfene XV. Nr. 34. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Eisstücke dafür sorgt, dass die Temperatur stets eine tiefe bleibt. Diese Vorsiebt ist absolut nothwendig, um die Kildung von harzigeu Substanzen zu vermeiden. Das in Freibeit gesetzte Eugenol sammelt sieb dann in Form eines braunen Oeis au der Oberfläche. Man decautirt, wäscht mit Wasser und rectificirt im Vacuum. Frisch destiUirt ist es ein beinahe farbloses Oel, welches sich aber unter dem Eiufluss der Luft sofort braun färbt. Es empfiehlt sicli, dasselbe stets in gefüllten Flascben aufzubewahren. Das Eugenol findet hauptsächlicb als Ausgaugs- material zur Darstellung von Vanillin Verwendung, ferner als Antisepticuni in vielen Zahnpasten und Zahnwasser. Von den Estern des Eugenols hat als Riechstoff keiner Bedeutung, dagegen finden das Aceteugenol und das Methyleudieugenol zur Vanillinfabrikation ausgedehnte Verwendung. Das Benzoyleugenol wird gegen Tuberkulose verwendet. Das Eugenol gehört zu denjenigen Phenoläthern, welche im Benzolkerne eine ungesättigte Seitenkette sub- stituirt enthalten. Diese Pbenolätber bilden Isomere, je nachdem diese Seitenkette eine Propenyl- oder AUyl- gruppe vorstellt. So ist das Eugenol, welches eine AUyl- gruppe enthält, isomer dem Isoeugenol, welches eine Propenylgruppe enthält, das Estragol isomer dem Iso- estragol (Auetbol), das Safrol isomer dem Iso-Safrol. In der Natur sind die Körper, welche eine Allyl- gruppe enthalten, viel verbreitet, während von der zweiten Kategorie sich nur das Anethol in der Natur vorfindet. Der Werth dieser Phenoläther berubt nun eben auf der Möglichkeit, die ungesättigte Seitenkette Cgll,- durch Oxy- dation in die Aldebydgruppe CHO überzuführen, die da- durch entstehenden Aldehyde: Vanillin, Aubepine, Helio- tropin sind werthvolle Parfüms. Diese Oxydation der Seitenkette geht aber viel leichter vor sich, wenn sie in Form der Propenylgruppe — CH=CH — CHg als in Form der Allylgruppe — CHo — CH=CHo vorhanden ist. Da aber nur die letzteren in der Natur vorkommen, so muss man sie künstlich in erstere überführen. Dies geschieht im AUgemeiuen durch Kochen derselben mit concentrirtem alkoholischen Kali während 24 Stunden, oder durch Kochen in alkalischer amylalkoliolischer Lösung während 16 — 18 Stunden, ferner durch Behandeln mit Natrium- äthylat oder durch schmelzendes Aetzkali. So wiitl z. B. auch das Eugenol in das Isoeugenol übergeführt. Wäh- rend man durch Oxydation von Eugenol und seinen Deri- vaten nur sehr schlechte Ausbeuten an Vanillin erzielt, so werden diese bedeutend besser, wenn man an Stelle des Eugenols das Isoeugenol und seine Derivate ver- wendet. Das Isoeugenol ist ein dickes Oel vom Siede- punkt 258 — 262°, welches beim starken Abkühlen weisse Nadeln giebt vom Schmelzpunkt 34°, welche aber leicht von selbst wieder in den flüssigen Zustand übergehen. Es wird in der Parfumerie und Seifenindustrie viel ver- wendet, sein Aroma verbindet sich hauptsächlich sehr vortheilhaft mit dem der Rosen. Seine Ilauptverweudung findet es aber als Ausgangsmaterial für die Vanillin- fabrikation. Das Estragol kommt in der Natur als Hauptbestand- theil des Oeles vou Persea gratissima vor, ferner findet es sich im Estragon und Basilicumüle. Es kann aus diesen durch fraciionirte Destillation gewonnen werden, auch kann man es künstlich durch Methylirung des ent- sprechenden Phenols Chavicol darstellen. Es besitzt einen schwach anisartigen Geruch, spielt jedoch als Parfüm keine Rolle. Durch Erhitzen mit alkoholischem Kali iso- merisirt es sich zu dem isomeren Isoestragol oder Ane- thol, da aber in der Natur sich keine billige Quelle für Estragol findet, so lohnt es sich auch nicht, daraus Ane- thol darzustellen. Das Isoestragol oder Anethol findet sich im Anisöl und Fenchelöl. Aus diesen Oelen gewinnt man dasselbe entweder durch fractionirte Destillation oder mit grösster Leichtigkeit durch einfaches Abkühlen. Das Anethol krystaliisirt aus, wird abgeschwungen und durch nach- herige Krystallisation aus Petroläther gereinigt. Es ist der Träger des Geruchs des Anisöls und wird in der Liqueurfabrikation viel verwendet. Es dient ferner als Ausgangsmaterial zur Darstellung des Anisaldehyds oder Aubepine. Das Safrol wurde nachgewiesen im Sassafrasöl, ferner im Campher und Zimmtblätteröl. Das Campheröl ist eine ausserordentlich günstige Quelle zur industriellen Gewinnung des Safrols. Es kann daraus gewonnen werden durch fractionirte Destillation, man fängt die Fraction zwischen 228 — 235° auf, kühlt dieselbe energisch ab und gewinnt daraus das Safrol durch Ausschwingen, da das Safrol unterhalb 8° fest ist. Will man das Safrol nur zu dem Zwecke gewinnen, um daraus Heliotropin darzustellen, so ist es vortbeilhafter, dass Sassafras oder Campheröl durch Destillation mit Wasserdampf zu fractioniren. Man trennt die verschiedenen Fractiouen und bestimmt ihre Dichte. Man kann so schliesslich das Safrol isolircn, indem man das Produkt von der Dichte 1 • 1 auffängt. Die Nebenprodukte bei der Extraction des Safrols finden ebenfalls industrielle Verwendung. Das Pinen z. B. dient zur Darstellung des Terpinöls und die leichter flüchtigen Bestandtheiie des Campheröls werden im Handel als „leichtes Campheröl" verwendet. Das Safrol wird zum Parfumiren von Seifen ver- wendet und dient, wenn es in Isosafrol umgewandelt ist, als Ausgangsmaterial für die Darstellung des Heliotropins. Das Isosafrol kommt in der Natur nicht vor, es wird in der Technik dargestellt durch Umlageruug vou Safrol, indem mau Safrol mit concentrirter alkoholischer Kali- lösung mehrere Stunden im Wasserbad kocht, dann mit Wasser verdünnt und das Isosafrol mit Aether extrahirt. Das Isosafrol ist eine Flüssigkeit vom Siedepunkt 246 — 248°, hat einen schwach an Anis erinnernden Ge- ruch, wird aber direkt in der Parfumerie nicht ver- wendet. Dagegen ist es sehr wichtig als Ausgangs- material zur Darstellung des entsprechenden Aldehyds, des Heliotropins. Zum Schlüsse sei noch des Methyl- und Aethyläthers des ß-Naphthols gedacht. Während das ß-Naphthol selbst keineswegs ein Riechstoff ist, so gehören seine Aether entschieden dazu, wenigstens besitzen sie im verdünnten Zustande eineu ganz augenehmen Geruch. Die Aether des ß-Naphthols sind sehr leicht zugäng- lich, z. B. durch Erhitzen von ß-Naphthol in alkoholischer Kalilösung mit Jodalkylen auf dem Wasserbad. Man destiUirt alsdann den Alkohol ab, versetzt mit Wasser uud treibt den gebildeten Aether durch eineu Wasserdampf- strom ab. Er wird durch Umkrystallisiren noch ge- reinigt. Der ß-Naphtolmethyläther (Nerolin oder Jara-Jara) kommt in Form von glänzenden weissen Blättchen in den Handel. Er hat den Schmelzpunkt 7U° und besitzt einen sehr starken Geruch, der in Verdünnung an den Geruch von Orangeblütben (Neroli-Oel) erinnert. Der ß-Na])htoläthyläther hat in grosser Verdünnung einen angenehmen an Akazien erinnernden Geruch, in grösserer Menge riecht er widerwärtig. Er ist ein fester Körper vom Schmelzpunkt 37°, den man unter dem Namen Bromelia im Handel findet. Die Naphtoläther werden iu der Seifenindustrie ver- wendet, manchmal ersetzt auch das Nerolin das Neroli- öl in den billigeren Eau de Cologne-Sorten. Naturwdssenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 34. Thierbeobachtungen in See. Von Ur. August iu Krämer, Rhirinostabsarzt. lüi Üctober 1899 erscliien im „Zoologischeu Anzeiger" eine kleine Abhandlung von dem Kieler Privatdocenten Dr. Ernst Vauhöffen unter dem Titel „Sind die Wale Hochseebewohner?" Er sucht darin entgegen dieser ziem- lich allgemein verbreiteten Ansicht (Brehm's Thierlcben, Segelbandbuch für den atlantischen Ocean, vvorinnen die Arbeit von liohlau u. s. vv.) an der Hand neuerer Beob- achtungen nachzuweisen, dass die Wale zumeist doch nur an der Küste beobachtet worden sind. Insbesondere sind es die Ergebnisse der Plankton- und Valdiviaexpedition, welche ihm dazu Veranlassung gaben, und welche natür- lich bei dei' systematisch vorgenommenen wissenschaft- lichen Beobachtung mehr Material lieferten, als viele der früheren Expeditionen und Reiseberichte zusammen. Er erwähnt dann auch unter anderem meine Beobachtungen, welche ich während meiner zweiten Südseereise (siebe Annalcn der Hydrogr. 1899) gemacht habe und folgert dann: „Alle die erwähnten 68 Fundorte liegen verhält- nissmässig nahe der Küste oder am Eise, oder bei Un- tiefen, die dem Walfisch wie Küsten erscheinen. Für ihn beginnt die Küste dort, wo es ihm möglich, bis zum Grunde hinabzutauchen." „Weiter hinaus "scheinen sich die Wale nur ausnahmsweise, durch besondere Umstände veranlasst, zu wagen." „Die Walthiere sind daher eher Küsteubewohner als Hochseethiere." Vanhöffen erklärt dies aus der reichlicheren Nahrung, welche in der Nähe der Küste vorhanden zu sein pflegt, indem das pelagische Material durch Strömungen den Küsten zugeführt, dort aufgestaut und durch Uferthiere und ihre Larven vermehrt werde. So entstanden in der Nähe der Küsten Thierschwärme, welche Fische und Cephalo})oden in grösserer Zahl anlocken und mit ihnen Weidegrüude für die Walthiere bilden. „Wo solche Thier- schwärme durch Wind und Strömung von der Küste fort- geführt werden, werden ihnen auch die Wale eine Zeit lang folgen. So können sie gelegentlich auf die Hoch- see gerathen und neue Thierschwärme, die sieh durch Zusammentreften von Strömungen auch im offenen Meere bilden, können dazu beitragen, dass sie dort länger ver- weilen. Auf diese Weise ist wohl das von Bohlau (Atlas zum Segelhandbuch, Karte 36) notirte Vorkommen von Walen an den Fangstellen unter 20° bis 25° w. L. und 48° bis 50° n. Br., 55° bis 60° w. L. und 30° n. Br., und 35° bis 40° w. L. und 10° bis 15° n. Br. im offenen atlantischen Ocean und auf den Carrol-Gründen zwischen St. Helena und dem afrikanischen Festlande zu erklären, falls die Lage dieser im Ganzen wenig ergiebigen Wal- gründe überhaupt genau angegeben ist. Die zweite Fang- stelle dürfte vielleicht zu den Bermudas gehören. Da- für, dass die Wale sich gewöhnlich nicht weit von den Küsten entfernen, spricht die von Wilkes und Nopitsch mitgetheilte Beobachtung, dass die berühmten Walgründe der Azoren sich nicht weiter als 200 Seemeilen im Um- kreise der Inselgruppe ausdehnen und die Mittheilung Steenstrup's, dass dieselben Individuen immer wieder zu denselben Küsten zurückkehren." Soweit Vanhöffen. Bei den Azoren möchte ich nun mit einer gegen- theiligen Beobachtung einsetzen, die ich zu Beginn dieses Jahres ^an Bord S. M. S. „Stosch" machte, und hinter Zufüguug eines anderen lungenathmenden Thieres, der Schildkröte. Es wurden nämhch beobachtet: 400 Seemeilen westHch der Azoren eine Schule Delphine, viele Möven, 200 „ „ „ „ „ Schildkröte, 90 „ östlich „ „ Delphine, 150 „ „ „ „ 1 Schildkröte, Möven, 200 „ „ „ „ Wale, 300 „ „ „ „ 2 Schildkröten, 500 „ via Plymouth 20—30 Delphine, Möven, ferner wurden auch noch 170 Seemeilen nordwestlich von Ferrol (Spanien) zahlreiche Delphine beobachtet. Die Officiere, welche dieselbe Reise an Bord des „Stosch" im vorhergehenden Jahre gemacht hatten, ver- sicherten, dass es sich damals ebenso verhalten hätte, namentlich auch in Beziehung auf die Schildkröten, worauf ich besonders die Aufmerksamkeit lenken möchte. Betreffs der Nahrungsfrage möchte ich erwähnen, dass während eines zwischen hinein fallenden Aufenthalt in den Azoren um Mitte Februar ungefähr, nachdem es 24 Stunden lang sehr kräftig aus Norden geweht hatte, zahllose Physalien, und vor Allem Janthiuen am Strande herumlageu, alle noch lebend, obwohl die Temperatur des Meerwassers nur 15° C. betrug. Die Janthinen, violette Schnecken mit lila Schalen, hatten alle ein grosses Floss, an welchem aufgehängt sie an der Meeresoberfläche treiben; es ist erklärlich, dass sie eine treffliche Nahrung für die Hochseethiere bilden, wenn sie nicht durch ihre Aehnlich- keit mit den nesselnden Physalien, mit denen sie die Farbe und das Floss gemein haben, geschützt sind. Es gelang, diese Schnecken noch 4 Tage an Bord am Leben zu erhalten. Im Allgemeinen werden die Seeleute den Ansichten des Herrn Vanhöffen nicht beipflichten. Allerdings wird man namentlich betreffs der Delphine zugestehen müssen, dass sie gewöhnlich die ersten Boten sind bei Annäherung des Landes. So sahen wir sie au Bord S. M. S. „Stosch" während derselben Reise in der Oriuokomündung und an der veuezolenischen Küste entlang des öfteren. Wie oft sah ich sie sonst schon, diese lieblichen, unterhaltenden Schilfsbegleiter; in der Nordsee, in Norwegen, England, im Canal, im Golf von Neapel, an den Küsten Süd- amerikas, vor Allem auch um Neuseeland, an Australiens Küsten, sogar in den Atollen im Herzen des Pacific; sie fehlen eigentlich nirgends. Dass sie aber auch auf hoher See vorkommen ist zweifellos und jedenfalls häufiger, als man anzunehmen geneigt ist. So erinnere ich mich, sie auch auf dem hohen indischen Ocean gesehen zu haben und erinnere besonders au die Geschichte von der wunder- baren Rettung der Mannschaft eines Hamburger Segel- schiffes (Riekmers?), die in ihren Booten mitten auf dem indischen Ocean schier dadurch umkam, dass sie in eine Schule Delphine gerieth. Besonders sind es aber die eigentlichen Wale, die Barten- und die Zahnwale, auch Pottwale genannt, welche jeder Seemann schon auf hoher See gesehen zu haben versichern wird. Betreffs der letzteren, welche mit starken Zähnen im Unterkiefer bewaffnet, Fleisch- fresser sind und sich hauptsächlich von grossen Tinten- fischen und Kraken nähren, wie der Fürst von Monaco bei seineu Meeresuntersuchuugen überzeugend nachge- wiesen hat, wird man ja noch gerne Zugeständnisse XV. Nr. 34. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 403 uiacbeu, wenigstens wisscnscbaftlichcrseits.*) Ich er- innere micli, sie besonders um Samoa nahe unter Land, und l)ei den Kermadeciuselu gesehen zu haben. Anders aber mit den Bartenwalen, den Glatt- und Finnwalen, hier wird Herr Vanhöffen wenig Gegenliebe finden, namentlich wie gesagt, bei den Seeleuten, die allerdings alles kurzweg Wal nennen, was Wasser in die Luft biiist (in der That ist es ja nur Wasserdampf), während z. H. die Delpliine nnd Butzküpfe nicht als solche gelten, son- dern mit ßonito nnd anderen Namen abgethan werden. Die Wale der Seeleute, die Wasserbläser, kommen nun aber doch zweifelsohne sehr häufig auf der hohen See vor, wie es denn auch früher immer angenommen worden ist. Frei- lich nuiss ich zugestehen, dass mir zur Zeit keine be- sonderen Beobachtungen zur Seite stehen, muss aber auch betonen, dass ich nicht danach gesucht habe. Das ist nicht der Zweck dieser Zeilen. Ich möchte hier nur auf diese kleine, aber interessante Frage hinweisen, welche namentlich wohl manchem wach- habenden Officier in See angenehme nnd nützliche Unter- haltung gewähren kann. Vor Allem sind es auch z. B. Beobachtungen über Vögel auf hoher See, Möven, Taucher- enten, Sturmvögel, Albatrosse, Petrellen u. s. w., deren Verbreitung und Wanderung noch lange nicht gcHügend *) Der Pottwal, Caehelot, hat einen viei-kanten Kopf, vorne wie abgekappt. Der Unterkiefer, in dem ungefähr je 1 Dutzend bis zu 20 cm langer Zähne jederseits einreihig sitzen, ist nur sehr dünn, im Verhältniss zum mächtigen Oberkiefer. Von den an- deren Walen unterscheidet er sich im Gebahron hauptsächlich dadurch, dass er, wenn er nach der Tiefe abgeht, senkrecht niedersteigt, so dass sein mächtiger Schwanz einen Augenblick frei über der Meeresoberfläche auf und nieder erscheint. Er kommt hauptsächlich in den Tropen vor und seine Zähne sind bei den Fidjiinsulanern sehr als Halsschmuck beliebt. bekannt ist. Unter den Zoologen und Oceanologen werden sich stets dankbare Abnehmer für solche Beob- achtungen finden und manchen wird es vielleicht wundern, dass hierin überhaupt noch etwas neues gefunden werden kann. Diese Zeilen sollen darauf hinweisen, dass dies eben in der That noch der Fall ist. Ich möchte hier zum Schluss noch einer anderen Beob- achtung des Herrn Vanhöffen gedenken, die in gewissem Zusammenhang mit der vorhergehenden steht und schon deshalb nicht minder von Interesse ist. Er sagt nämlich im selben Blatt (Zoologischer Anzeiger 1896) in einer kleineu Abhandlung „Schwarmbildung im Meere", dass grössere Thieransammlungen z. B. von Quallen durch das Zusammentreffen zweier Ströme verursacht werden könnten, also zusammen mit den Stromkabbelungen anzutreffen wären. Ohne auf die Schwarmtheorie einzugehen, möchte ich hier nur einer Beobachtung meinerseits gedenken, die die Möglichkeit der Anhäufung auf diese Weise deut- lich darthut. Als S. M. S. „Stosch" nämlich am 18. De- cember 1899 den Pariagolf (Orinokomündung) durch die Boca's nach Norden gehend verliess, war im Golfe selbst eine Quallenart, eine Rhisostome (Stomolophus fritillaria Haeckel nach der Bestimmung des Herrn Vanhöffen). Ausserhalb der Boca's war sie auch noch allenthalben, aber in geringerer Zahl vorhanden. Als das Schilf aber ungefähr 2 km vom Ausgang entfernt war, zeigte sich eine sehr starke Stromkabbelung und die Quallen waren innerhalb dieser in solchen Massen vorhanden, dass das Meer stellenweise helle Flecke zeigte. Nach einigen wenigen Sekunden war das Schauspiel vorbei und keine Qualle mehr zu sehen, während das Wasser erst nach 3 Stunden (25 Sra. von der Küste) seine normale salzige I Beschaffenheit annahm. Auch diese Beobachtung möchte I ich der Aufmerksamkeit der Seefahrer empfehlen! lieber die Bevölkerung Madagaskars berichtet in einem allgemeinen Bericht über die Insel, den er in den Bulletins de la Societe de Geographie ä Paris (1900, S. 1 ff.) niedergelegt hat, der General-Gouverneur, General Gallieni. Dem „Globus" (Bd. 77, S. 360) entnehmen wir darüber folgendes. Die Gesaramtbevölkerung schätzt G. im Gegensatz zu anderen Schätzungen, die 5 und 7 Milllionen angeben, auf etwa 3,5 Millionen, wovon 2 Millionen auf die Küstenbevölkerung des gesaramten Ostens und Nord- westens, 200 000—300 000 auf den Westen, der Rest auf die centralen Gebiete kommen. Der Hauptstamm des Inneren sind die sich äusserst schnell vermehrenden, jetzt etwa 1 Million starken Hova, die im wesentlichen die Provinz Emyrne bewohnen. Die südlich von dieser Pro- vinz, doch ebenfalls noch im Innern wohnenden Bet- sileo hält Gallieni für einen autochthonen Stamm, der seit langer Zeit den Hova unterworfen ist, und von ihnen nicht nur in Lebensgewohnheiten, sondern auch in Charaktereigenschaften stark beeinflusst worden ist. G. befindet sich in diesem Punkt im Gegensatz zu Keller, der die Bctsileo für malaiische Einwanderer hält. Den Uebergang vom Centrum zur Ostküste bilden die Moramanga, ein Stamm, der aus der Kreuzung der Hova und den die Küste bewohnenden Betsimisaraka hervorgegangen ist. Spuren einer alten arabischen Colo- nisation finden sich an der Südostküste der Insel; die dort wohnenden Antaimoro schreiben mit arabischen Buch- staben, wenngleich sie die madagassische Sprache be- wahrt haben. Auch die hohe Inteliigenz und die Tapfer- keit dieses Stammes zeigen den Einfluss arabischen Blutes an. Wenig bekannt sind noch die weiter im Innern wohnenden, südöstlichen Stämme, von denen „östliche Ab- stammung" nur vermuthet werden kann. Auch von ein- zelnen Stämmen im Norden weiss man noch wenig. Sie seheinen theilweise mit den Betsimisaraka verwandt zu sein. Gänzlich unbekannt sind noch Land und Leute des äussersten Südens. Die Westküste ist von den Saka- laven und den von ihnen getrennt in besonderen An- siedelungen lebenden Makua, einem aus Mozarabique herübergekommenen Stamme, bewohnt. Die Bevölkerung des Nordwestens ist sehr gemischt. Die Antankara und die hier lebenden Sakalaven erscheinen wieder von ara- bischem Blute beeinflusst. Auch hier sind zahlreiche Makua anzutreffen. An der Küste wird hier neben Mada- fast gleich viel Suaheli gesprochen. B. H. Allgemeine Betrachtungen zur Physiologie der Fortpflanzung der Pilze behandelt eine Arbeit von Klebs in Pringsheims Jahrbüchern für wissenschaftliche Botanik, 1900, Bd. 35, Heft 1. — Verf. hat sich seit etwa 12 Jahren eingehend mit Experimenten über die Fortpflanzung niederer Pflanzen, vor allem der Algen, be- schäftigt und ist auf Grund seiner diesbezüglichen Studien zu der Ueberzeugung gekommen, dass die äusseren Agentien einen wesentlichen und bestimmenden Einfluss auf die vegetative wie reproduktive Fortpflanzung der Organismen ausüben. Seite 74 heisst es: „Was thut der Organismus, wenn man beständig für günstige Bedingungen seines Wachs- thums sorgt? Mein Satz behauptet, dass er unter solchen Umständen sich nicht fortzupflanzen vermag. Die Gültig- Natur-ttdssenschaf bliebe Wochenschrift. XV. Nr. 34. keit dieses Satzes muss erst experimentell bewiesen werden ; er widerspricht herrschenden Anschauungen, und es be- steht überdies die Möglichkeit, dass auch bei niederen Organismen die P^'ortpflanzung eine nothwcndige Folge einer inneren Entwickelung ist. Für diese Möglichkeit kommen solche Organismen in Betracht, die ähnlich wie die höheren Thiere ein relativ eng begrenztes Wachstliuni zeigen." Klebs geht dann dazu über, den von ihm aufgestellten Satz zu begründen und wählt als Beispiel dafür Saprolegnia. Dieser Wasserpilz entwickelt sich z. B. auf Fliegen und Mehlwurnistücken in Form eines weisslichen Hofes um die im Wasser liegenden Thiere. Gewöhnlich kann man schon nach einigen Tagen Fortpflanzung sicher cou- statiren. Klebs bemühte sich nun, den Pilz dauernd gut zu ernähren. Dabei zeigte sich, dass während 2'/2 Jahren ununterbrochen Wachsthum, nie Fortpflanzung stattfand. Abgetrennte Theile dagegen Hessen sich durch Nahrungs- mangel mit grösster Sicherheit zur Fortpflanzung zwingen. Wie gross schliesslich der Pilz in diesen 2'/., Jahren, vorausgesetzt, dass er nicht zerstückelt wurde, geworden ist, wird von K. nicht angegeben. In der freien Natur pflegen durchschnittlich die Saprolegnieen, wenn sie z. B. eine Fliege befallen, es nur bis zu einem ca. haselnuss- grossen Rasen zu bringen. Es giebt aber auch kleine Pilze, Chytridiaceen, welche kein eigentliches vegetatives Wachsthum besitzen und von Beginn der Keimung an eigentlich gleich auf die Fortpflanzung lossteuern. Hier müssen erst noch weitere Untersuchungen einsetzen, um zu zeigen, ob auf experimentellem Wege nicht auch hier vegetatives Wachs- thum eingeleitet werden kann. Maupas war auf Grund von Untersuchungen an In- fusorien zu der Erkenntniss gelangt, dass unter Bedin- gungen, welche den Infusorien nur fortgesetzte Theilung, aber keine Kopulation ermöglichen, allmählich Degene- rationserscheinungen auftreten, welche schliesslich den unausbleiblichen Tod herbeiführen. Klebs bemerkt Seite 82 nach vorausgegangener Kritik dazu folgendes: ;, Jedenfalls können die Versuche von Maupas nicht als Beweis dafür angesehen werden, dass fortgesetzt Theilung bei günstigen Ernährungsbedingungen den Tod herbeiführt. Aber die Möglichkeit eines solchen Todes aus inneren Gründen ist im Hinblick auf das Ver- hältniss bei Diatomeen durchaus zuzugeben." Die Diatomeenzelle wird wegen des Schachtelbaues bekanntlich durch die Theilung immer kleiner und kleiner. Pfitzer, der diese Verhältnisse zuerst genauer studirte, fand die Auxosporen, das sind VerjUngungssporen, welche durch Wachsthum die schliesslich stark verkleinerten Zellen wieder auf die normale Grösse bringt. Klebs ist hier der Ansicht, dass die Auxosporen- bildung kaum mit innerer Nothwendigkeit auftreten müsse, sondern dass äussere Faktoren diese Sporenbildung ver- anlassen. Sind die jeweiligen Zustände des umgebenden Mediums dafür nicht günstig, so sterben die Diatomeen- zellen eben einfach ab. Klebs wendet sich endlich auch gegen Bütschli, welcher die Ansicht aussprach, dass nach einer gewissen Anzahl von Theilungen bei Infusorien die Lebensenergie geschwächt werde. Die Fortpflanzung durch Kopulation übe eine lebensverjüngende Kraft aus. Bei seinen Einwänden gegen Bütschli hebt Klebs hervor, dass die lebenden Chroniatophoren bei Pflanzen sich fort und fort auch nur durch Theilung vermehren, ohne dass sie in ihrer Thätigkeit erschlafft wären. Einen, wenn auch nicht den ganzen Vortheil der Sexualität sieht Klebs in der Gewinnung einer grösseren Kraftquelle. Die vorstehenden Zeilen beabsichtigen nicht ein voll- ständiges Referat der Klebs'schen Arbeit zu liefern, sondern aus deren reichem Inhalt nur die Punkte hervor- zuheben, welche allgemeinstes Interesse beanspruchen und gleichsam der wichtigste Extrakt langjähriger, mühsamer Studien des Verfassers sind. R. R. lieber alterssclnvaclie Käfer äussert sich Professor H. J. Kolbe in der „Illustrirten Zeitschrift für Entomo- logie" (Verlag von J. Neumann, Neudamm, No. 10, Bd. f), 1900). — Eines Tages fand ich — sagt Herr K. — aul' einem Feldwege einen Carabus nemoralis 111. anscheinend todt abseits am Boden liegen. Bei näherem Zusehen zeigte es sich, dass er ganz unverletzt war. In die Hand ge- nommen, bewegte er noch schwach einige Beine. Zu Hause secirte ich sogleich den Käfer und fand erstens, dass die Muskulatur nicht so frisch und voll erschien wie bei lebenskräftigen Käfern, nachdem sie eben abgetödtet waren; zweitens, dass auffallender Weise die grossen Tracheenstämme des Abdomens ganz kollabirten und luftleer waren und dass nur einige feine Tracheenenden noch Luft enthielten. Es geht daraus hervor, dass der Käfer nicht mehr im Stande gewesen war, die verbrauchte Luft zu erneuern. Die Muskulatur hatte die beim Aus- und Einatmen nothwendigen Dienste eingestellt, wahr- scheinlich in Folge von Nervenläbmung. Es schien nicht, dass ein äusserer Eingrifi" in den Organismus des Käfers stattgefunden und den Tod herbei- geftihrt hatte. Der Körper war ganz unverletzt. Zudem sind sonst bei einem getödteten Käfer, dessen Organismus von Leben strotzt, die Luftröhren prall mit Luft gefüllt, wenigstens wenn das Thier kurz vor der anatomischen Untersuchung getödtet war. Indess ist auch die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass der Käfer an einer Krankheit gestorben ist. Das Hess sich nicht feststellen. Auffallend war nur die Schlaff- heit der bräunlichen Muskelbündel und die Luftleere der kollabirten Luftröbrenstämme. Entozoische Schmarotzer konnten in den Weichtheilen nicht nachgewiesen werden. Wir nehmen daher an, dass der Carabus an Altersschwäche gestorben ist, dass der Tod ein einfacher Erschöpfungs- tüd war, weil der Stoffwechsel und die Muskel- und Nerventhätigkeit und damit auch die Athmung aufgehört hatte. Dass die Unterbrechung des Athmuugsprozesses den Tod eines Insekts sehr bald herbeiführt, können wir wahrnehmen, wenn wir einem grösseren Insekt, etwa einem Käfer, die Stigmen verkleben; er erstickt und liegt da wie todt. Eine in eine schwach klebrige Flüssigkeit eingebettete Ameise stirbt fast augenblicklich. Das Auf- hören des Athmens bezeichnet das Authören des Stoff- wechsels und der Funktionen aller einzelnen Organe, den Tod. Es ist in diesem Falle gleichgültig, ob die Unter- brechung der Athmung von innen heraus durch Muskel- lähmung oder durch einen gewaltsamen äusseren Eingriff durch Verkleben der Trachecnöft'uungen bewirkt wird. Manche Autoren behaupten, dass die Vollziehung der Geschlechtsfunctionen den Tod des Thieres be- schleunige und dass man Insekten, welche man vor einer sexuellen Bethätigung isolirt hielt, längere Zeit am Leben erhalten habe als solche, welche man unter dem Eiufluss der natürlichen Bedingungen gelassen habe. Es ist an- zunehmen, dass auf den Akt eines ausserordentlichen Kräfteverbrauchs, wie er nicht selten bei Insekten beob- achtet wird, ein Zustand ausgleichender Erschöpfung folgt, die den Tod beschleunigt. Dr. 0. Nickcrl berichtet in der Stettin. Ent. Zeit., 1889, S. 155 ff. üljcr Fälle von Marasmus bei Käfern. XV. Nr. 84. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 405 Eineu Carabus aurouitcns F. hatte er fünf Jahre lang- lebend im Hause gehalten. Der Käfer wurde stets gut gefuttert. Nach der dritten Ueberwinterung, die ihm unter möglichst natürlichen Bedingungen erleichtert wurde, verlor er vollends den früheren Glanz der schönen, gold- grün gefärbten Oberseite seines Körpers; die Färbung wurde immer dunkler und matter. „Es waren die ersten Zeichen des eintretenden Marasmus." Am Schlüsse des vierten Sommers wurde das Fehlen der Endglieder der Fühler bemerkt, und im Verlaufe des fünften Sommers verlor das Thier auch nach und nach Glieder seiner Tarsen. Nichts desto weniger war der Käfer noch immer Hink und zeigte, wie bisher, guten Appetit auf frisches Kindfleisch, Leber und Herz. Wirklich überstand der kleine Käfergreis noch den fünften Winter; er erwachte Ende März aus seinem mehr als fünfmonatigen Winter- scblafe und sah dem sechsten Sommer seines Daseins entgegen. Indess hatten sich die Zeichen der vor- geschrittenen Altersschwäche vermehrt. Der Appetit war noch ganz gut; aber dies hielt die merklich schwindende Kraft und die zunehmende Mattigkeit der Färbung nicht auf. Der linke Fühler zählte nur noch acht, der rechte zehn Glieder. Am rechten Vorderbein feblten drei, am linken vier Fussglieder; das rechte Mittelbein verlor alle, das linke vier, das rechte Hinterbein zwei, das linke drei Fussglieder. Dazu war das rechte Hinterbein gelähmt; bei Üeberwindung von Hindernissen kostete es dem Thiere grössere Anstrengung, auch dieses Bein wieder in Be- wegung zu setzen, sonst wurde es beim Gehen nach- geschleppt. Aber der Käfer war immer noch verhältniss- mässig recht lebhaft. Noch am 21. Juni machte er ge- legentlich einer versuchten Fütterung ziemlich rasch die Runde um den Umfang des Tellers in seinem Käfig und bemühte sich vergeblich, das Dach seiner Behausung, einen grösseren Stein, zu erklimmen. Es war sein letzter Grang. Am 22. Juni lag er regungslos und todt da. — Aehnliche Anzeichen von zunehmender Altersschwäche beobaebtetc Nickerl bei einem Rosenkäfer, Cetonia flori- eola llbst., und beim Hirschkäfer, Lucanus cervus L. Bei crsterem wurde nach einigen Jahren der Verlust zahlreicher Fussglieder und abnehmende Lebhaftigkeit, bei letzterem Verkrümmung und Drehung der Füsse und Lähmung ein- zelner, schliesslich aller Beine beobachtet. Uebrigens lebten die Hirschkäfer niemals länger als einige Wochen (nicht über den Monat August hinaus). Auch F. Westhoff stellte ähnliche Beobachtungen an Lueanus cervus L. an. Er hielt zwei kräftig gebaute Männchen dieses stattlichen Käfers unter einer auf einem eisernen Ofen befindlichen Glasglocke in Gefangenschaft. Es war gegen die Mitte des Juni, als er die noch nicht ganz erhärteten und wahrscheinlich noch unbegatteten Käfer empfing. Sie wurden reichlich mit Obst und an- gefeuchtetem Zucker, auch mit einer auf ein Torfplättchen gelassenen Zuckerlösung ernährt. Sie kosteten gierig davon und fühlten sich die ersten sechs bis acht Wochen recht wohl. Nach Ablauf dieser Zeit machten sich die ersten Spuren des Hinsiechens bemerkbar. Sie nahmen freilich die gebotene Nahrung noch gern an, wurden in ihren Bewegungen aber langsamer und reagirten nicht mehr auf äussere Reize. Bald trat eine Verkrümmung der Füsse ein, die Beine lagen steif zusammengezogen und verdreht unter dem Leibe und konnten nur mit Mühe und sehr mangelhaft gestreckt werden. In dieser Ver- fassung fristeten die entkräfteten Käfer noch etwa 14 Tage ihr Dasein; dann starben beide kurz nacheinander; keiner hatte den Monat August überdauert. (Natur und Offen- barung, 36. Band, 1890, Seite 30 bis 35.) Dagegen glaubt Dr. Buddeberg, welcher eine Timarcha violaceonigra Geer drei Jahre liiiKlnrcli lebend erhielt, dass sie nicht an Altersschwäche gestorben sei. Er hatte ihr allerdings vom zweiten Jahre ab stets männliche Ge- sellschaft gegeben. (Ent. Zeitscbr. Guben, IV. Jahrg., 1890, Nr. 12, Seite 82.) In keinem dieser Fälle ist etwas über den anato- mischen Befund der Thiere mitgetheilt. Jedenfalls werden weitere Beobachtungen und Untersuchungen über das biologische und anatomische Verhalten altersschwacher Insekten Aufklärung bringen. Die postglacialeu Ablagerungen mit Ancjius fliivia- tilis auf Gotland. — Im Jahre 1867 entdeckte Friedrich Schmidt in Esthland eigenthümliche Uferbildungen, welche ersichtlich jünger als die Ablagerungen der Eis- zeit waren. Sie bestanden aus wenig gerollten Steinen und enthielten Schalen von Süsswassermollusken, wie Ancylus fluviatilis und einer Unio-Art. Nach seinem Be- richte kommen dieselben auch weiter im Innern der Insel und theilweise in höherem Niveau vor, als die marinen Muschelbänke, welche Telliua, Cardium, Mytilus und Paludinella stagualis enthalten und bis zu 30 — 40 Fuss über den Meeresspiegel emporsteigen und sogar bis 20 Werft tief ins Land hineinreichen. Er war in Folge des Vorkommens des Ancylus schon damals zu der An- nahme geneigt, dass diese Ablagerungen an den Ufern alter Brackwasserbuchten gebildet waren. In seinen Mittheilungen über die gegenwärtige Keimtniss der gla- cialen und postglacialen Bildungen im Silurischen Gebiet von Esthland, Oesel und Ingermannland (Zeitscbr. der Deutschen Geol. Gesellsch. 1884) kommt er von neuem auf diese Ablagerungen zu sprechen, welche inzwischen auf Oesel bis zu 100 Fuss über dem Meere festgestellt sind und auf der Insel Mohn die höchste Partie bilden, in Esthland bis 150 Fuss heraufreichen. Er kann aber nirgends eine Ueberlagerung der Ancylus-Schichten durch jüngere marine Schichten sicher nachweisen. Die hohe Lage der Schichten auf Mohn deutet aber darauf, dass zur Zeit der Ablagerung die Insel noch nicht vom Fest- laude getrennt war, der Rigaische Meerbusen vielmehr muthmaasslich ein Süsswasserbeckeu war. In seinen „Blicken auf die Geologie von Esthland und Oesel" (Reval 1885) nimmt Schmidt an, dass die in Rede stehen- den Ablagerungen Flussabsätze seien, wenn auch keiner- lei deutliche alte Flussbetten wahrzunehmen seien. Auch der schwedische Geologe Gerhard Holm hat sich in seinem „Bericht über geologische Reisen in Esth- land etc." mit den Ancylus -Ablagerungen beschäftigt, sich jedoch einer näheren Deutung enthalten und nur ihre Entstehung in den allerältesten Theil der post- glacialen Zeit verlegt. Beide Geologen sind also darüber einig, dass die Ancylus-Schichten in dem Anfang der Postglacialperiode abgelagert und demnach älter als die marinen Muschel- ablagerungen sind, welche Litorina und andere Muscheln enthalten. In seinem grossen Werke „Prehistoric Europe" geht James Geikie näher auf die Untersuchungen Krapot- kin's und Schmidt 's über die postglacialen Ablage- rungen in Finnland und im nördlichen Russland ein. Dieselben bestehen aus Süsswasser- und marinen Ablage- rungen, unter denen die Süsswasserablagerungen die älteren sind. Der Finnische und der Rigaische Meerbusen sind am Schlüsse der Glacialzeit Süsswasserseeen gewesen. Die Ablagerungen, welche die alten Grenzen dieser Seecn bezeichnen, enthalten Schalen von Süsswassermollusken (Limnaca ovata und Ancylus fluviatilis) und liegen auf den Inseln, z. B. Mohn und Dago, bis 50 Fuss über dem Meere. Im Innern Finnlands trifft man Anzeichen alter 406 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 34. Seeen bis zu einer Höhe von 15Ü Fuss. Arn Ende der glacialen und am Anfang der postglacialen Periode scheinen diese Gebiete von Süsswasserausammlungen in grösserer Ausdehnung als gegenwärtig bedeckt gewesen zu sein. So getheilt waren die Auffassungen über die Einzel- heiten, als der schwedische Geologe Heinrich Munt he im Sommer 1884 in der Nähe der Mühle „Högan", süd- westlich von Wisby auf Gotland, 130 Fuss über dem Meere Ablagerungen antraf, welche grosse Ueberein- stimmung mit den mehrfach erwähnten Anc,ylus-Schichten in Esthland zeigten. Dieser Fund legte die Auffassung nahe, dass nicht nur der Finnische und der Rigaische Meerbusen, sondern die ganze Ostsee einmal seit der Eis- zeit ein ausgedehntes Süsswasserbecken gewesen sei, in dem die hier gefundenen Süsswassermollusken Limnaea ovata und Pisidium uitidum lebten und an dessen Ufern die Uferwälle, in denen die Süsswassermollusken gefunden wurden, aufgeworfen seien. Die 1886 und 1887 mit Unterstützung der Königl. Schwedischen Akademie der Wissenschaften fortgesetzten Untersuchungen der quartären Ablagerungen auf Gotland- brachten Muuthe weitere Stützpunkte für die Auffassung. 1886 fand er ähnliehe Uferwälle an zwei verschiedenen Punkten im Norden der Insel, bezw. 100 und 150 Fuss über dem Meere, und an der ersten Stelle gelang es ihm, das Vorkommen von Ancylus fluviatilis festzustellen, wo- durch die Identität mit den esthländischen Ablagerungen festgestellt war. Die Ancylus -Ablagerungen auf Gotland haben in Folge dessen ein hervorragendes Interesse für die neuere Geologie erlangt. Munthe theilt dieselben in: 1. typische Strand wälle, deren Inhalt gewöhn- lich die Form von Geröll und gröberem und feinerem Kies hat und zum grössten Theil aus Gotländer Kalk besteht, 2. Kies- und Sandablagerungen, zur Haupt- sache aus umgelagerten glacialen Bildungen bestehend. In beiden Typen findet man, wo sie besser erhalten sind, gewöhnlich dünnere Schichten feinen, reinen Sandes, und namenthch in diesen Schichten kommen die Muschel- reste vor. Die Ungleichheit hinsichtlich der Beschaffen- heit des Materials steht in engem Zusammenhange mit der Lage der Strandwälle, sodass der erste Typus vor- züglich an höheren uud ungeschützt liegenden Stellen vorkommt, wo das Meer natürlich am kräftigsten gewirkt hat; dagegen kommen die Kies- und Sandablagerungen in erster Linie an den seitlichen Abhängen der Thäler vor und bezeichnen die Grenzen der alten Buchten der Ostsee. Es lässt sich jedoch nicht immer eine scharfe Grenze zwischen den beiden Typen ziehen, vielmehr geht die eine Bildung oft allmählich in die andere über, sei es nun in senkrechter oder horizontaler Richtung. Die charakteristischen Mollusken der Aneylusschichten sind auf Gotland wie in Esthland Ancylus fluviatilis und Limnaea ovata. Au den 24 Punkten, von denen die Schichten bisher bekannt sind, lieferten 23 Limnaea ovata, 19 Ancylus fluviatilis, 10 Pisidium-Arten, uud ausserdem haben zwei Punkte folgende Arten geliefert: Limnaea palustris, Planorbis contortus, PI. marginatus, Valvata cristata, Bythinia tentaculata und einige Ostracoden. Im Allgemeinen sind die Schalen wohl erhalten; aber an keiner Stelle kamen Schalen von Mceresmollusken neben denjenigen der Süsswasserformen vor. Ancylus fluviatilis kommt gegenwärtig nicht mehr in den Gewässern auf Gotland lebend vor, und wahrschein- lich hat er dort auch niemals gelebt, sondern ist vom Wasser an die Küsten der Insel geschwemmt worden. In Esthland lebt er dagegen noch in Bächen, nicht aber in Seeen. Von den recenten Exemplaren unterscheiden sich die fossilen gotländischen Exemplare durch ihre ge- ringere Breite, sie sind gleichsam seitlieh zusammen- gedrückt und relativ höher als die lebenden. Das Eigeuthümlichste der Ancylus-Schichten auf Got- land ist die Art des Vorkommens, welche nicht die An- nahme früherer lokaler Süsswasserbäche gestattet, in denen die Mollusken hätten leben können. Ebensowenig gestattet die Art der Ablagerung den Schluss, dass die Schalen ursprünglich in die Ablagerungen von Bächen oder Flüssen eingebettet gewesen wären und von dort vielleicht dem Meere zugeführt wären, um secundär in die Uferwälle eingebettet zu werden. Derartige Annahmen würden ganz andere topographische Verhältnisse zur Zeit der Ab- lagerung der Ancylus-Schichten voraussetzen, als sie gegenwärtig vorhanden sind, und diese Aenderungen hätten nur in Störungen des Untergrundes oder in der Denudation ihre Erklärung finden können. Aber die bis- herigen Untersuchungen liefern gar keinen Anhalt, ge- schweige denn einen Beweis dafür, dass derartige Ver- schiebungen oder Verwerfungen in dem festen geologi- schen Untergründe Gotlauds seit der Eiszeit stattgefunden hätten, uud dieselben hätten doch einen beträchtlichen Grad erreichen müssen. Dagegen liegen viele Anzeichen einer starken Denudation in postglacialer Zeit aus allen Theilen der Insel, sowohl den höheren als den niedrigeren, vor. Aber es ist keine grosse Wahrscheinlichkeit vor- handen, dass die Denudation an den allermeisten Fund- punkten gerade in der Weise gewirkt haben sollte, dass die Ancylusablagerungen eine zur Ostsee offene Lage er- halten haben sollten, wie dies aus den von Munthe ge- gebenen detaillirten Beschreibungen (Öfversigt K. Sv. Vetensk.-Akad. Förhandlingar Bd. 44, 1887) hervorgeht, und das Vorkommen dieser Uferwallbildungen auf Got- land liefert somit den Beweis, dass die Ostsee einmal ein Süsswasserbecken gewesen ist, das eine Molluskenfauna beherbergte, deren charakteristische Vertreter Limnaea ovata und Ancylus fluviatilis waren. Es erübrigt noch die Festeilung der Zeit, wann die Ancylus-Schichten abgelagert sind, wann also das Ostsee- becken von süssem Wasser erfüllt gewesen ist. Die grosse Uebereiustimmung zwischen den esth- ländischen und den gotländischen Ablagerungen machen es wahrscheinlich, dass sie gleichzeitig und zum mindesten theilweise in demselben Becken abgelagert sind. Da die Ancylus-Schichten durchweg höher hegen, als die Litorina-Schichten, so haben schon Schmidt und Holm angenommen, dass die Ancylus-Schichten zu Anfang der postglacialen Zeit abgelagert sind. Aber nirgends ist eine direkte Ueberlagerung der Ancylus-Schichten durch Litorina-Schichten nachgewiesen worden, weder in Esth- land noch auf Gotland, und somit muss man sich nach an- deren Stützpunkten für die Beurtheilnng des Alters der Ancylus-Ablagerungen umsehen. Bekanntlich unterscheiden sich die geschichteten Mergel im westlichen Schweden von denen im östlichen Schweden, in Finnland und den Ostseeprovinzen dadurch, dass dieselben im Westen stellenweise eine reiche Fauna von grösstentheils hochnordischen Arten einschliessen, während im Osten fossile Reste gänzlich fehlen, wenn man von einigen Punkten im östlichen Schweden ab- sieht, wo man eine kleine liochnordische Muschel, Yoldia arctica, findet. Ein noch schärferer Gegensatz ergiebt sich, wenn man die glacialen Muschelbänke in Betracht zieht. Im westlichen Schweden findet man Muschelbänke bis zu einer Höbe von 500 Fuss, welche vom früheren glacialen Meere aufgeworfen sind, und deren Inhalt ark- tischen Ursprungs ist. Im östlichen Schweden und in den übrigen Ostseegebieten sind dagegen solche glaciale Muschelbänke bis jetzt noch nicht nachgewiesen. A. Erd- XV. Nr. 34. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. mann hat 1868 zur Erklärung dieser Thatsachen darauf hingewiesen, dass die Ursache wahrscheinUch iin ge- ringeren Salzgehalt der Ostsee zu suchen sei, und der Zufluss von süssem Wasser während der Abschmelzperiode dürfte die Verhältnisse für eine Einwanderung mariner Formen noch ungünstiger gestaltet haben. Nur Yoldia arctica, welche im nördlichen Eismeere in Tiefen von 5 bis 30 P'uss vor den Gletscbermündungen in dem von diesen stammenden Schlamme lebt, hat dagegen günstige Lebensbedingungen in einem beschränkten Theile des östlichen glacialen Meeres gefunden. Waren die Verhältnisse zur Zeit, als die geschichteten Mergel abgelageit wurden, zur Hauptsache solche, wie eben geschildert, so liegt es nahe, dass während der Hebung des grösseren Iheiles von Nord-Europa, welche den Abschluss der Eiszeit bildet und zur postglacialen Zeit hinüberführt, der Salzgehalt der Ostsee in demselben Maasse abnehmen musste, wie die Verbindung mit der Nordsee immer mehr begrenzt wurde, und dass die Ost- see schliesslich ein Süsswasserbecken wurde, als die Ver- bindung ganz und gar aufgehoben wurde. A. G. Nathorst bat gezeigt, dass Wettern zur Zeit des arktischen Klimas von der einst mit ihm in Verbindung stehenden Ostsee getrennt worden sein muss. Aus diesen Gründen ist es sehr annehmbar, dass die Ancylus-Ablagerungen zu An- fang der postglacialen Periode entstanden sind, wofür aucii der Umstand spricht, dass damals ein milderes Klima herrschte. Dann ist aber die Molluskenfauna der Litorina- Periode erst weit später in die Ostsee ein- gewandert. Die Frage nach der Ausdehnung der Ostsee zur Zeit der Bildung der Ancylus-Schichten oder wäln-end der so- genannten Ancylus-Periode konnte damals kaum beant- wortet werden, da nur wenige Stützpunkte vorhanden waren. Munthe erkannte aber schon, dass wenigstens die nörd- liche Hälfte der Ostsee und der Finnische und der Rigaische Meerbusen vorhanden gewesen sein und wahr- scheinlich ein grosses zusammenhängendes Süsswasser- becken gebildet haben müssen. Von grosser Bedeutung war die Aul'lindnng der Ancylus-Ablagermigeu auch an der Westküste Gotlands; denn hieraus ging hervor, dass auch der l'heil der Ostsee, welcher gegenwärtig Gotland von Schweden trennt, während der Ancylus-Periode als Süsswassersee vorhanden gewesen sein muss. A. Lorenzeu. Aus dem wissenschaftlichen Leben. KriKiunt winden: Der Privatdoeent der Physik in Berlin, Direktor des Berliner Werks von Siemens & Halske, A.-G., Dr. August Raps zum Professor; der Privatdocent in der medi- zinischen li^akultät der tTniversität Kiel Dr. Friedrich Klein zum Professor; der Privatdocent Dr. Heinke in München zum ordentlichen Professor der Elektrotechnik; das Mitglied des Medi- zinal-KoUegiums der Provinz Brandenburg, Medizinah-ath Prof. Dr. Fürbringer in Berlin zum Geheimen Medizinalrath; die Privat- docenten in der medizinischen Fakultiit zu Strassburg Dr. Martin Benno Schmidt und Dr. Dietrich Gerhardt zu ausser- ordentlichen Professoren; Prof. Dr. Ludwig Medicus in Würz- burg zum ordentlichen Professor der Pharmacie und zum Vorstand des technologischen Institutes. Berufen wurden: Der Privatdocent an der Universität Würz bürg Dr. Bach als Professor der Augenheilkunde an die Uni- versität Marburg; der Privatdocent an der Universität Tübingen Dr. Heinrich Mayer als Professor der Philosoiihie an die Uni- versität Zürich; der ausserordentliche Professor in Heidelberg Dr. A. Sauer als Leiter der neuen geologischen Landesanstalt und Professor ies;Maiiieiii Lioinoiibaiid ä Iflark. ♦♦♦♦♦♦»♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦«♦♦«♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Br. Robert Muencke Luisenstr. 38. BERLIN NW. Luisenstr. 58. Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate # ml Geräthschaften im Gesanimtgebiete der Naturwissenschaften. ♦ Ferd. Dünunlers Verlagsbuciihandlung in Berlin SAV. 12. Lehrbuch der Potentialtheorie. Allgemeine Theorie des Potentials und der Potenlialfiinktionen im Räume. Von Dr. Arthur Korn. Frivatdozent an der königl. Universität München. Mit 94 in den Text gedruckten Figuren. 27 IJof,'eii frross Ottiiv. Preis "J Mk., gclJnll(l<^u 10 Mk. \ Wasserstoff Sauerstoff. Dr. Th. Elkan, Berlin N., Tegelerstr. 15. I Ferd. Dümmlers VerlajET.sbuclihandlunif in Berlin SW.12. Die Charakteristik der Tonarten. Historisch, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. 3 IG Seiten Octav. Preis 2.40 Mark. In Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin sind erschienen: Allgemein-verständliche naturwissenschaftliche Abhandlungen. (Seitaratabdrücke aus der „Naturwissenscliaftliclieii WocheiiMciuill.") Lieber den sogenannten vierdimensionalen Raum ■L von Dr. V. Schlegel. * Das Rechnen an den Fingern und Maschinen von Prot. Dr. A. .Schubert. Die Bedeutung der naturhistorischen, insonderheit der zoologischen Museen von Professor Dr. Karl Kraepelin. Anleitung zu blütenbiologischen Beobachtungen von Prof. Dr. K. Loew. Das „glaziale" Dwykakonglomerat Südafrikas von Dr. F. M. Stapti'. Die Bakterien und die Art ihrer Untersuchung von Dr. Rob. Mittmann, Mit 8 Holzschnitten. Die systematische Zugehörigkeit der versteinerten Hölzer (vom Typus Araucarioxylon) in den palaeo- litischen Formationen von Dr. 11. Potunic. Mit 1 Tafel. lieber die wichtigen Funktionen der Wanderzellen im thierischen Körper von Dr. E. Korscheit. Mit 10 Holzschnitten. Ueber die Meeresprovinzen der Vorzeit von Dr. F. Frech. Mit Abbildungen und Karten. Ueber Laubfärbungen von L. Kny. Mit 7 Holz- schnittci\. Ueber das Causalitätsprincip der Naturerschei- nungen mit Bezugnahme auf du Bois-Reymonds Rede: „Die sieben Welträthsel" von Dr. Eugen Drehe-. Das Räthsel des Hypnotismus und seine Lösung w VOM Dr. Karl Friedr. Jordan. 4^ ; 13. Die pftanzengeographische Anlage im Kgl. bota- nischen Garten zu Berlin von Dr. 11. Putonic Mit 2 Tafeln. lt. Untersuchungen über das Ranzigwerden der Fette von Dr. Va\. Ritsert. 15. Die Urvierfüssler (Eotetrapoda) des sächsischen Rothliegenden \c.ii l'rul'. Dr. llcrmanii Crcdncr in Leipzig. .Mit vi. •in, AM,i|,lun-cii. 1(1. Das Sturmwarnungswesen an den Deutschen Küsten von Prof. Dr. W. J. van Bebber. Mit i Tafel uuil h Holzschnitten. 17. Kalisalzlagervon Otto Lang. Mit 4 Abbildungen. 18. Die Metamorphose der Pflanzen im Lichte palae- ontologischer Thatsachen von Dr. IL Potonic. Mit 14 Figuren. l'J. Pflanzenphysiologische Experimente im Winter von F. Schleichert. 20. Die naturwissenschaftliche Culturlehre von L. F r o b e n i u s. 2\. Die morphologische Herkunft des pflanzlichen Blattes und der Blattarten von IL Potonic. Mit 22. Versuch eines Ueberblicks über die Vegetation der Diluvialzeit in den mittleren Regionen Europas von l.>r. ('. A. Weber. 23. Die Mathematik der Oceanier 24. Die Schilde der Oceanier \ Mit LI Abi.il.lungcn. 25. Die Lebewesen im Denken des 19. Jahrhunderts H. l'..t.,nic. .Mit 11 Biblnissen. '2Q. Die Farben in der Pflanzenwelt von M. Mo L. Frobenius Preis: Heft 1-4 a 50 Pf.. Heft 5—11 a 1 M, Heft 12 ä 1,20 M., Heft 13—26 ä 1 M. Verantwortlicher Kedacteur: Dr. Henry Potoni(5, Gr. Lichterfelde-West bei Berlin, Polsdanierstrasse 3,'"), für den Inseratentheil: Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ford. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ^.^ xx^««r...wii. . Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düinmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. «onntag, den 2. September 1900. Abonnement: Man abonnirt bei allen BuchhandlunBen und Post- anstaltea, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M i-— Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. Nr. 35. f Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Aunoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdrnck ist nur mit vollständiger Qnellenangabe gestattet. Zur Vorgeschichte der Entdeckung von Grypotherium bei Ultima Esperanza. Von Dr. pliil. et med. Robert Lei X i ts e li e , Sectionschef für Anthropologie am Museum zu La Plata. II. Die Bedeutuug- des „Jemisch" und das süd- lichste Vorkommen des Jaguar. Einige ganz iiurze Vorbemerkungen über die ethno- graphischen Verhältnisse des Landes dürften vielleicht zu- nächst hier am Platze sein. Die ethnographische und linguistische Gliederung des südlichen Theils von Südamerika etwa von der Höhe der Mündung des La Plata an entspricht schematisch in groben allgemeinen Zügen ungefähr der geographischen und politischen Eintheilung des Landes. Im Westen, in Chile, sitzen die Araukaner. Diese sind, vielleicht erst zu Anfang des 18. Jahrhunderts, nach Osten, sogar bis Buenos Aires vorgedrungen und inzwischen wieder fast ganz zurückgedrängt worden; natürlich sind noch viele in Ar- gentinien geblieben. Im Osten, in Argentinien, finden sich zwei Stämme, deren einer fast ausgestorben und fast ganz unbekannt ist und ursprünglich mehr auf den Norden, das Gebiet der eigentlichen Pampa, beschränkt gewesen zu sein scheint; ich will für ihn hier einstweilen den Namen Pampa vvählen, obwohl mit diesem Worte durcheinander alle drei der in Betracht kommenden Völker bezeichnet werden; in der Litteratnr figurirt er auch als Puelche, Chenna, Gennaken, nördliche Tehuelche etc. Der andere Stamm, Patagonier gemeinhin genannt, wandert im Süden, in Patagonien; zu ihm gehören die bekannten Tehuelchen, die schon nach Feuerlaud herabgedrungenen, fälschlicherweise Ona benannten Indianer, jedenfalls auch die Chonos im Westen etc. Auf die Südspitze beschränkt sind die Feuerländer, die Yahgan im änssersten Süden, nordwestlich von ihnen die Alakaluf. Alle diese 5 Stämme sind sprachlich vollkommen von einander getrennt; nur betreffs der Pampas und Pata- gonier ist der Grad dieser Verschiedenheit noch nicht bekannt. Um nun auf die eigentliche Frage dieses Kapitels einzugchen, so finden wir bei Gay*) S. 45 die in Chile gebräuchlichen Vulgärnamen für die Lufiri /eli/ici Molina angegeben: „Gato de mar [Meerkatze], Nutria, Chimchimen oder Chungungo." In Argentinien heisst das Thier all- gemein „Nutria"; Lahille**) giebt noch speciell an „Nutria verdadera" [„wirkliche Nutria"]. Ausser in Chile findet sie sich in ganz Patagonien bis zur Magellanstrasse (nach Trouessart.)***)t) Für dieses Wort Chimchimen schreibt 1765 Febresft) in seinem Wörterbuche der arau- kanischen Sprache wohl richtiger Weise Chimchimem und übersetzt es mit: „Animal marino como gato" [„Meerthier wie eine Katze"]. Für „Gato del mar" [„Meerkatze"] giebt er an: „Coypu, Chimchimem"; für „Coypu": „Ani- *) Gay, Claudio. Historia fisica y politica de Chile. Zoo- logia. Tomo I. Paris y Chile 1847. **) Lahille, F. Ensayo sobve la distribuciön geogräfica de los mamiferos en la Repüblica Arpentina. 42 pp. Extr. de „Pri- mera Reunion del Congreso Cientifico Latino Americano", Buenos Aires 1898, 2» secciön, Ciencias Naturales. ***) Trouessart. Catalogus Matnmalium. Berlin 1897, S. 286. t) Auch die andere kleine Fischotter, Lutra paranensis Rengger, heisst „Nutria" oder „Lobo del rio" [„Flusswolf"] (Burmeister. Reise durch die La Plata-Staaten. 2. Band, Halle 1861, S. 410) oder „Lobo acuatioo" [„Wasserwolf"] (Burmeister. Description physique de la Rcpublique Argentine. Tome III. Bii^nos-Ayres 1879, p. 167. — Lahille 1. c). — „Nutria" (Lahille 1. c. schreibt noch speciell „Nutria de rio" [„Fluss-Nutria"]) wird in Argen- tinien von der Bevölkerung spanischer Zunge auch der Schweif- biber, Mi/ocaslor coypus, Molina, genannt, weil er irriger Weise für eine Fischotter gehalten wird (Burmeister. Reise etc. p. 416; id. Description etc. p. 236); gegenwärtig liest man aber schon in spanischer Litteratur für Fischotter, als Fremdwort cursiv ge- druckt, das lateinische Lutra, von dem sich Nutria abgeleitet hat. „Coypu" (araukanisches Wort) heisst der Myocastor nur in Chile (Burmeister. Reise etc p. 416. — id. Description etc. p. 2Ü6); Gay 1. c. p. 47 giebt als seinen chilenischen Vulgärnamen das araukanische „Guillin" („ghiiyllin-Nutria" bei Febres [s. w. u.]). Beide Thiere finden sich bis zur Magellanenge, ja Mijocast'ir bis zum Canal ßeagle (Lahille 1. c) — tt) Febres, Andres. Arte de la lengua general del reyno de Chile. Lima 1765. 410 J^aturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 35. mal de rio como gato-' [„Fhisstbier wie eine Katze"J; für „Nutria": "ghüyllin". — Luis de la Cruz*) nennt 1806 in seiner Naturgeschichte des von den Pehuenclien (Araukaneru) bewohnten Andengebietes auch „guillines (') chimchiiuenes, que son una especie de gatos inarinos" [„g. oder eh., welche eine Art Meerkatzen sind"]. Coypu bezeichnet also jedenfalls den Myocastor und Guillin entweder diesen oder die Lutra felina; Chim- chiniem ist also entweder ein anderer Naine für die letztere oder vielleicht überhaupt nicht araukanisehen Ur- sprungs-, in dem ältesten Wörterbuche der araukanisehen Sprache von dem Pater Valdivia aus dem Jahre 1606 steht es nicht. Ich habe nämlich, um ermitteln zu können, was es mit dem von Ameghino erwähnten geheimniss- vollen Thier „Jemisch" für eine Bewandtniss hat und was für ein Thier es eigentlich sein könnte, einen Theil der auf Patagonieu bezüglichen Litteratur durchgesehen und namentlich die linguistischen Arbeiten und Vocabularien zu Rathe gezogen. Nur zwei Male konnte ich hier ein solches oder ähnliches Wort antreffen und ich glaube nicht, dass es sich sonst noch irgendwo finden dürfte. In den sämmtiichen Vocabularien der Yahgau- und Ala- kalufsprache, die überhaupt bekannt sind und von deren Citirung ich hier absehe, steht es nicht, ebensowenig in denen der Pampasprache, für welche mir ausserdem noch Herr Laibne Quevedo sein noch unpublicirtes Material zur Verfügung stellte (s. Anhang). Für die patagoniscbe Sprache stand mir ausser den gedruckten im Anhang auf- geführten AVörterbüchern bis auf das von Schmid noch unpublicirte der Herren Speggazini und Lafone Quevedo und ein von mir selber aufgenommenes zur Einsicht, aber ein Wort wie „Jemisch" findet sich nur an zwei Stellen. Es scheint also der patagonischen Sprache anzugehören. Diese beiden Stellen sind folgende. Zunächst giebt 1879 Moreno**) in seinem Vocabularium der patagonischen Sprache: „Yera'chen = Tigre del agna (Lutra)" [„Y. = Wassertiger (Fischotter)"], während er für „Nutria" (w(miit also jedenfalls der Mi/ocantor coypus gemeint ist) „Choch'eg" anführt; und im Texte des gleichen Werkes sagt er p. 66: „In den IT'lüssen des Innern [von Santa Cruz] lebt eine Lutra, welche die Indianer „Wassertiger" („Tigre del agna") nennen. Icii besitze ein ausgestopftes Fell, welches die Mapuche [Araukaner] mir in Caleufu schenkten mit der Angabe, das Thier im Süden von Tequel-Malal, d. h. im Territorium Chubut erlegt zu haben; es ist die Lutra chilendn oder Huillin, welche für diesen Theil Patagoniens noch nicht gemeldet worden ist. Im Rio Chubut sind sie sehr selten imd ebensowenig sind sie im Rio Negro häufig; man kennt sie [dort] unter dem Namen „Kleiner Wasserwolf" („Lobito de agua")." — Späterhin 1885 führt auch Lista***) in einer pata- gonischen Wörtersammlung auf: „Nutria(Lutra): Jemechim". Es scheint also „Chimchimem" Febres, „Chimchinien" de la Cruz und Gay, „Jemechim" Lista, „Yem'chen" Moreno, „Jemisch" Carlos Ameghino dasselbe Wort zu sein und Fischotter (Lutra felina Molina) zu bedeuten. Freilich können wir die Identificirung dieses Wortes *) de la Ci'uz, Luis. Descripcion de la natui-aleza de los terrenos quo se coinpiüiiden eii los Andes, poseidos por los Pegueiu'hes etc. „Coloccion de obras y documentos relativos ä la historia antigua y modevna de las provincias del Rio de La Plata, ilustiados con notas y disertaciones por Pedro de Augelia", Buenos Aires 1836—1837. Tomo I, 3, p. 24-25. — Dieses Sammelwerk Angelis' wird weiterhin als „Col. An- gelis' abgekürzt bezeichnet werden. **) Moreno, Francisco P. Viaje il la Patagonia Austral om- prendido bajo los auspicios del Gobierno Nacional 187U — 1877. Tomo primero Buenos Aires 1879, p. 395. ***) Lista, Ramon. Vocabulario Tzoneka o Tehuelche. „Revista de la Sociodad Geogrälica Argentina", Tomo III, 1885, p. 334 — 335. mit dem spanischen Vulgäruameu „Tigre del agua" („Wassertiger") wohl auf eine irrthümliche oder vielmehr nicht ganz correcte Auffassung einer bereits von Ameghino citirten Stelle bei Musters zurückfuhren; es handelt sich bei Musters um den üebergang eines Flusses in der Nähe des Nahuel-Huapi-See, und er schreibt (1871):*) „Die Indianer behaupteten, in dem tieferen Theile unterhalb der Furt sei es unmöglich, über den Fluss zu schwimmen, weil es dort gewisse Raubthicrc gäbe, die sie Wassertiger — „Tigres del agua" — nannten; diese würden sicherlich jeden Menschen, der sieh ins Wasser wagte, anfallen und verschlingen. Sie beschrieben die- selben als gelbe Vierfüssler, grösser als der Puma. Ge- wiss ist, dass wir zwei Strausse, die wir nicht brauchen konnten, weil sie zu mager waren, und die wir deshalb auf dem hohen Ufer hatten liegen lassen, am nächsten Tage, zerrissen und halb aufgefressen, in dem seichten Wasser fanden, und zum Wasser hinab führten, deutlich sichtbar, die Fährten eines Thieres, die denjenigen eines grossen Puma glichen; aber der Puma schleppt seine Beute stets zu einem Busche, und der Jaguar geht zwar gern ins Wasser, aber ich habe noch nie gehört, dass er seine Beute anderswo als auf dem Lande verzehre, auch findet er sich, soviel ich weiss, nicht soweit südlich. Das Thier mag wohl eine Art der grossen braunen Fischotter sein, die auf der Brust einen orangefarbenen Pelz hat, und die sich im Flusse Parana findet; die Erzählung der Indianer ist jedoch deshalb merkwürdig, weil sie auf den Namen des Seees „Nahuel-Huapi" oder „Tiger-Insel" hinweist. Es ist möglich, dass auch die Aguarra**), die im Thale des Rio Negro vorkommt, diese Gegenden heimsucht." Musters erwägt also denkbarst sachlich die Frage, was der „Wassertiger" der Indianer für ein Thier und vermuthet nur ganz nebenbei, dass es die Fischotter seiii könnte. Moreno hat dann 1879 wohl irrthümlicher Weise diese Vermuthung übernommen und daraus an der eben citirten Stelle eine Thatsache gemacht. Dies finden wir dann aueh sonst noch in der argentinischen Litteratur. Im Tagebuch der Reise Gardiners an den Lago Argentino (1867) lieisst es von einer Lagune im Territorium Santa Cruz: „An dieser Stelle sahen wir ein sehr seltenes Thier, von der Grösse eines Hundes und dunkler Farbe, aber ich konnte nicht herausbekommen, was für ein Thier es war", und Gouttes***), der dieses Tagebuch 1879 veröffent- lichte, bemerkt dazu in einer Fussnote: „Es ist der Was.serfiger (Fischotter) [„Tigre del agua (Lutra)"], ebenfalls von dem Capitän Musters gesehen." — Lista f) wiederholt dann 1879 und 1880 diese Angabe: „Die Lutra, der Wassertiger, wie die Indianer dieses Thier nennen, figurirt nach dem Hirsch unter den bemerkens- werthesten Thierspecies des Quellgebietes des Rio Chico [Territorium Santa Cruz]. Sie ist von dunkler Farbe und ein wenig grösser als die Lutra platensis. Einige Reisende identificiren sie mit der Lutra chi- /f«.sw, aber ich bin geneigt zu glauben, dass sie eher eine besondere und für Süd-Patagonien eigenthümliche Species ist." *) Musters. At home with the Patagonians. London 1871, p. 99. —id., second edition, London 1873, p. 104-105. — Deutsche Ausgabe: M: Unter den Patagoniern. Jena 1873, p. 109 — 110. **) Aguarra = Canis jubalus Desm. — Anm. von L.-N. — ***) Gouttes, Enrique. Descubrimientos geogräficos en la Pata- gonia (Diario de exploraciones del Rio Santa Cruz en 1867 por G. H. Gardiner, copiado del original existente en el Ministerio de la Guerra por el General D. Geronimo Espejo, publicado y anotado por Enrique Gouttes). „Boletin del Institute Geogrüfico Argentino", Tomo I, 1881, p. 29-35. t) Lista Ramon. La Patagonia Austral (Complemento del ,,Viajc~al pais de los Tehuelches") Buenos Aires 1879, p. 53—54. — id. Mis exploraciones y descubrimientos en la Patagonia 1877-1880. Buenos Aires 1880, p. 90—91. XV. Nr. 35. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Es erscheint mir somit wahrscheinlich, dass die an- geführten Autoren nur aus Missverständniss des Musters- schen Passus der Lutru felina Mol. (= Jeinisch etc.j den spanischen Vulgärnamen „Tigre del agua" oder „Wasser- tiger" beigelegt haben; ebensogut hätten sie unter Be- rufung auf die letzte Zeile der betreffenden Stelle dies mit dem Aguarra (Canis jubatuK Desm.) thun können. Ameghino hat also auch nicht Recht, das von seinem Bruder erwähnte Wort Jemisch ohne weiteres gleich dem Musters'schcn „Tigre del agua" zu setzen (siehe jedoch späterhin). Die Frage lautet also jetzt: Was ist dieser „Wassertiger" für ein Thier? Versuchen wir zunächst indirekt, au Hand der Namen der ev. in Betracht kommenden Thiere in den einheimi- schen fünf Sprachen dieser Frage nachzugehen, soweit dies nach dem dürftigen linguistischen Material überhaupt möglich ist. Um mit den beiden feuerländischen Sprachen von vornherein fertig zu werden, so finden wir nur die Worte für die Fischotter angegeben; sie heisst in Yahgau „Hiäp'pö"*), „Ayapou und Yapou"**), „Aia-puck"***); in Alakaluf „Hiäp'pö"!), )iA.yapouhff) oder „Laldal- kaous. f-j-f) Die Worte für die anderen gleich zu be- sprechend,en Thiere fehlen in diesen beiden Sprachen. Für die Pampasprache wird ein Wort für die Lntra nicht mitgetheilt und die Bezeichnungen, welche dieses Thier im Patagonisehen und Araukanischeu führt, haben wir schon vorhin durchgegangen. Der Puma [Fdis puma Molina), der weiterhin in Be- tracht kommt, heisst in Pampa „Xayna (haajna)"*f), „Haina"*tt); im Patagonisehen „Gol"*ttt), „Galin" f*), „Gool" t**j, „Gol(Guol)"t***), „Goll"**t)und dieses Wort findet sich auch als Compoueut von Ortsnamen: Lista***t) erwähnt eine Stelle in der Nähe des Rio Deslado „Gol- aiken", — „PumaOrt", und Burmeister Sohn ff*) (welcher „Gol-aik" schreibt) bestimmte die geographische Länge und Breite dieser Stelle. — Betr. des Araukanischeu konnte ich bei meinem geschätzten Freunde, Herrn Professor Dr. Rudolf Lenz aus Santiago de Chile, Autorität auf dem Gebiete dieser Sprache, mündlich Erkundigungen einziehen, ohne dass er wusste, worum es sich für mich handelte. Er sagte mir, dass „Pangi", weiches Febres 1. c. mit „leon" übersetzt, zweifellos der Puma {Felis pinna Molina) ist, wie es auch Gay 1. c. p. 65 *) Fitz-Roy. Narrative of the surveying voyages of H. M. Sliips Adventure and Beagle between the years 1826 and 1836. Appendix to vol. II, p. 136. London 1839. **) Mission scientifique au Cap Hörn 1882—1883. Tome VII. Paris 1801, p. 268, 285. ■'■■'■*) Bove, üiacomo. Expedicion Austral Argentina. Informes preliminares, prescntados a iS. S. E. E. los Ministros del Interior y de Guen-a y Marina de la Repüblica Arguutina. Buenos Aires 1883, p. 164. t) Fitz-Roy 1. c. f-j-) Mission scientificiue i. c. p. 276. tttl Mission scientitique 1. c. p. 278. *t) Milanesio. La Patagonia. Lingua, industria, eostumi e religione dei Patagoni. Buenos Aires 1898, p. 22. '''tt) Lafone Quevedo. Unpublicirtes Material, '''ttt) Musters 1. c. Apuendix A. — Ibar Sierra, Enrique. Re- lacion de los estudios liechos en el estrecho de Magallanes y la Patagonia Austral durante los Ultimos meses de 1877. ..Anuario hidrografico de la Marina de Chile", ano V, 1879. Santiago. Apen- diee, p. 7-60. t*) Moreno 1. c. p. 391. tt*) Lista, Ramon. Viaje al pais de los Tehuelches. Buenos PS 1879. 81. id. y descubrimientos eu 1880, p. 128. Mis esploraei la Patagonia 1877 — 1880. Buenos Air( ttt*) Milanesio 1. c. p. 22. *''i-) Lafone Quevedo. Unpublicirtes Material. ***t) Lista, Ramon. Esploraeion de la Pampa y de la Pata- gonia Buenos Aires 1885, p. 40. tt*) Burmeister, Carlos V. Expedicion 4 Patagonia por en- cargo del Museo Nacional. „Anales del Museo Nacional de Buenos Aires", Tomo III, p. 302. 312. angiebt. „Dieses Wort „pangi" wird aber heute fast nur als Component von Eigennamen gebraucht. Heutzutage bezeichnen den Puma die Mapuche (Araukaner) in der Cordillere als „trapial", bei Collipulli als „ngen mapu", „der Herr des Landes". Trapial .steht nicht in den alten araukanischen Wörterbüchern und scheint aus der Pampa*) zu stammen, also nicht araukanischen Ursprungs zu sein.**) Der Puma kann also der „Wassertiger" nicht sein. Offenbar ist es dasselbe Raubthier, das, wie Musters erzählt (a. a. 0.), nach den Angaben der In- dianer in der Nähe des Lago Nahuel-Huapi vorkommen soll, bei ihnen sehr gefürchtet ist und nach dem zweifels- ohne dieser See und speciell die darin befindliche Insel benannt worden ist. Denn „Huapi" heisst im Araukanischen „Insel", „Nahuel": „Tiger". So übersetzt dieses Wort Febres und wir können auch genau feststellen, was „Nahuel" zoologisch ist. Nach Erkundigungen des Herrn Lenz bei Indianern „ist nawel dasselbe Thier, das man auf spanisch tigre, mapuchisirt tingre, bezeichnet. Es existirt in Chile nicht, soll aber am Ostabbang der Cordilleren bis zum Territorium Neuquen vorgekommen sein. Es ist zweifellos der Jaguar, Fdis on^-a L." So- weit die Auskunft des Herrn Lenz, die z. Th. bereits sich gedruckt vorfindet.***) — Für die patagonische Sprache giebt Moreuo 1879f): „Tigre = Halschehuen", Milanesio 1896ff) „Tigre = Kalvün". Da der letztere aber das gleiche Wort Kalvün auch für die Pampasprache auf- . führt und es in diesem Idiom nach Lafone Quevedo fff) „Hallü" lautet, so ist, wenn Milanesio's Mittheilungen richtig sind, vielleicht wahrscheinlich, dass im Patagonisehen das eigentliche Wort für Tiger „Halschehuen" gelautet, und nachher, als das Thier selbst den südlichen Pata- gonieru unbekannt geworden, diese es nur noch dem Namen Kalvün nach von den nördlichen Pampas her kannten. Auffallend bleibt nur, dass dieses Wort Kalvün auch als araukanischer Eigenname vorkommt; so heisst z. B. der Indianer, welchem Lenz einen grossen Theil seiner Märchen und Erzählungen verdankt. Sind wir bisher indirekt vorgegangen, um zu er- fahren, was der „Tigre del agua" für ein Thier ist, so giebt uns der Pater Thomes Falkner *f) einen direkten Beweis. Er schreibt: „Auf meiner ersten Reise im Jahre 1752 am Paranä, wohin ich gegangen war, um Bauholz zu fällen, ging ich an den Flussufern spazieren, als die Indianer plötzlich „yaquaru, yaquaru" ausriefen. Ich blickte auf und sah ein grosses Thier in dem Augenblick, wo es sich vom Ufer in das Wasser stürzte. Aber die Zeit war zu kurz, um es mit einiger Sicherheit examiniren zu können. Es heisst „yaquaru" oder „yaquaruigh", was in der Sprache dieser Gegend „Wassertiger" bedeutet. Nach der Beschreibung der Indianer hat es die Grösse eines *) Vielleicht aus dem Quichua? L.-U. **) Dieselbe Angabe z. Th. bereits in: Lenz. Estudios Arau- canos. „Anales de la Llniversidad de Chile", 1895 — 1S97. Buch- ausgabe. In Kommission bei K. W. Hiersemann, Leipzig, p. 197, Anm. 8. ***) Lenz. Estudios Araucanos etc. p. 189, Anm. 1. t) Moreno 1. c. p. 395. tt) Milanesio 1. c. p. 23. ttt) Lafone Quevedo. Unpublicirtes Material. *t) Falkner, Thomes. A Description of Patagonia and the adjoinmg parts of South America. Hereford 1774, p. 62—63. — id. Deutsche Uebersetzung: Beschreibung von Patagonien und den angrenzenden Tlieilen von Südamerika aus dem Englischen des Herrn Thomes Falkner. Nebst einer neuen Karte der südlichen Theile vou Amerika. Gotha, bei Carl Wilhelm Ettinger, 1775, p. 80—81. - id. Frauzös. Uebersetzuug: Descrijjtion des terres magellaniques et des pays adjacens. Traduit de l'Anglois par M. B. Geneve et Paris, 1787, I, p. 99-102. - id. Spanische Ueber- setzung: Description de Patagonia y de las partes adyacentes de la America Meridional. „Col. Angelis", I, 4, p. 14—15. 412 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. X\'. Nr. 3'x Esels, die Gestalt eines grossen ungeheuren Wasser- wolfes oder Fischotters, scharfe Krallen, kräftige Reiss- zähne, dicke und kurze Beine, langes, rauhes Haar, einen langen, spitz zulaufenden Schwanz. Die Spanier beschreiben es etwas anders; der Kopf sei lang, die Schnauze spitz, ähnüch der eines Wolfes, die Ohren steif und aufgericlitet. Diese Verschiedenheit in der Beschreibung kann daher kommen, dass es so selten gesehen wird und auch dann so plötzlich ver- schwindet; oder vielleicht giebt es zwei Species von diesem Thier. Ich halte diese letzte Erzäiiiung für die am meisten authentische, da ich sie von glaubwürdigen Personen er- halten habe, die mir versicherten, diesen Wassertiger mehrere Male gesehen zu haben. Er tindet sich immer in der Nähe des Flusses, auf einer Sandbank liegend, von wo er sich bei dem geringsten Geräusch sofort ins Wasser stürzt. Er richtet grosse Vernichtung an unter dem Vieh, welches den Parana passirt; denn grosse Herden passiren ihn jedes Jahr, und gewöhnlich geschieht es, dass die Bestie einige davon anfällt. Wenn die Beute erst einmal gepackt ist, wird sie nicht wieder gesehen; und die Lungen und Eingeweide sieht man bald auf dem Wasser schwimmen. Er lebt in den grössten Tiefen, speciell in den Stru- deln, die durch das Zusammenfliessen zweier Ströme her- vorgebracht werden und schläft in den tiefen Höhlen, die sich in den Uferbänken befinden." Die Beschreibung der Indianer ist nun zwar meines Erachtens genauer wie die der Spanier, die wieder Charak- tere eines anderen Thieres, der Fischotter, hereinbringen, z. B. die Angabe über das Wohnen in den Wasserstrudeln. Das macht aber nichts. Die Hauptsache für uns ist, dass der „Wassertiger" der Spanier nichts anderes ist als der ,yaquaru, yaquaruigh' oder Jaguar der Eingeborenen! Wassertiger statt einfach Tiger scheint ein Pleonasmus zu sein. Die Etymologie des Wortes „Jaguar" giebt uns dies- bezüglich keine genaue Auskunft. Montoya*) giebt 1640 die Namen für folgende hier in Betracht kommende Thiere. In Guarani heisst : „Zorro" {Canis juhatus Desm.): Aguarä, Aguarä, guaQÜ. [Etym. nach Montoya selbst: agüa rund; rä Wolle, wollig. — guaQii adj. gross]. „Perro" [Canis faniiU.uris'L.): Yagua, AguaratT. [Für Yagua giebt Montoya leider keine P^tymologie. — tt weiss]. „Leon" {Felis puma Mol.): Yagua pytä, Yaguatr. [pytä bunt, braun-violett]. „Tigre" {Felis onca L.): Yaguarete, Yaguapynr, Mehai [Yagua Hund; r dient zur Bindung; cte wirklich, eigent- lich. — pyni Fleck, Farbe. — Me männlich, kräftig; hat sauer, herbe, schroff]. „Onga" (dto.): Guacü ara, Yaguarete [Grua^u subst. Wild; ara adj., das ich bei Montoya nicht finden kann]. Auch heute noch**) heisst der Hund im Guarani Yaguä, die Feli.-i o«fa Yaguarete; was daher Ambrosetti***) von einem augeblichen Wechsel in der Bezeichnung für diese beiden Thiere vorbringt, ist unrichtig. Yagua ist der Hund, Felis onya „der eigentliche Hund", der „ge- fleckte Hund"; Yagua pytä, „der bunte Hund", wird wohl auch eher auf sie als auf den Puma gehen. Ob die Worte Aguarä und Yagua denselben Stamm haben und das letztere Wort mit Y = Wasser guaranit. zusammengesetzt ist, weiss ich nicht. — Sicher ist, dass das in den zoologischen Werken und allgemein gebräuch- liche Jaguar eine Abkürzung für Yaguarete darstellt. — Das Verbreitungsgebiet des Jaguar ist heute allerdings viel weiter nach Norden eingeschränkt und das Thier überhaupt seltener geworden. Nach ßrehm*) ist sein Verbreitungskreis von Buenos Aires und Paraguay an nach Norden und er selbst gegenwärtig überall weit seltener, als er es früher war, auch schon weit seltener als zu Ende des vorigen Jahrhunderts. Nach Burmeister**) findet er sich nur im östlichen Gebiet der La Platastaaten, nach Lahille***) ist er jetzt für Argentinien auf die nörd- liche Region von Formosa und die nordöstliche von Entre- Rios beschränkt und sehr spärlich. Indess kann man auch noch für heute seine südlichste Grenze an den Rio Colorado verlegen, wenn er freilich je mehr nach Süden desto seltener ist. Seiner Lebensweise nach wird es sich um besonders weit gewanderte einzelne Exemplare bandeln. Nach d'Orbignyt) reicht es nach Süden nur bis zum 40. Breitengrade und überschreitet selten, in den Pampas, die Umgegend der Kette von Tandil. Doeringff) führt ihn auf unter der Fauna der Flüsse, Seeen und un- mittelbaren Ufergegenden der zwischen dem Rio-Colorado, Rio Negro und Rio Neuquen gelegenen Region Nord- Patagoniens; jenseits des oberen Rio Colorado scheint er sehr spärlich zu sein, und im Gebiete Rio Negro selber hat die Expedition, welcher Doering angehörte, seine Spuren nicht beobachtet. In einer späteren Notiz giebt Burmeisterftf) an, dass er in ganz Patagonien südlich vom Rio Colorado und in der Cordillere fehlt. In den modernen Reisewerken über Patagonien südlich dieses Flusses, von deren Aufzählung ich in Folge dessen absehe, wird daher seiner auch nicht mehr Erwähnung gethan. Gehen wir nun speciell von Norden nach Süden die Stellen durch, für die er gemeldet wurde oder wird. In der Provinz Buenos Aires weisen sehr viele Zeichen auf ihn hin. Im Jahre 1537 wurden „Tiger, Unzen und Löwen" um das damalige Fort Buenos Aires so zur Plage, dass niemand ohne Bedeckung heraus konnte, um seine Notdurft zu verrichten*!). 1770 wird als Jagdwild der Indianer in dieser Provinz u. a. „Löwen, Tiger" etc. angeführt**!). 1822 traf Garcia***t) auf seiner Expedition zur Sierra de la Ventana (Provinz Bs. As.) in der Nähe einer waldumsäumten Lagune „wilde Thiere, wie Tiger, Leoparden etc.". 1879 traf den Jaguar Doeringf*) in der Nähe der Lagune Marra-Co, 12 Legnas von der atlantischen Küste, von Bahia Bianca entfernt, Holmbergft*) meldet ihn von der Sierra Curä Malal. Ende *) Ruiz de Montoyji, P. Antonio. Vocabulario do l;i longna Guarani. Madrid 1640 Neudruck von J. Platzmann, Leipzig I87ü. *•) [P. Handel]. Piaktisclier Füln-er zur Erlernung des Gua- rani. Ohne Ort und Jahreszahl. — Modern. ***) Ambrosetti, Juan B. Notas biologicas. VII Fl Tapir {Tapirus Amerieanu-) en Misiones. „Revista del Jardin Znologico de Buenos Aires", Tomo I, Entrega 11, ISÜiJ, p. 344. *) Brehm. Thierleben Grosse Ausgabe. 2. Auflage. 1876. Band 1, p. 411. **) Burnieister. Reise durch die La PlataStaaten. 2. Band. Halle 1861, p. 397. ***) Lahille I. c. p. 13. t) D'Orbigny, Aleide. Voyage dans l'Amerique Mcridionale. Paris et Strasbourg 1847. Tome IV, 2. MammifiSres. p. 21. ~ (Hiernach die Citate bei: EUiot, Daniel Giraud. A Monograph of j the Felidae or family of the Cats. 1883. — Aiston, Edward L. ßiologia Centrali-Americana. Mammalia. Vol. I. 1879—1882, p. -8. — Trouessart. Catalogua Mammalium. Berlin 1897, p. 353). tt) Doering, Adolfo. Zoologia. „Expedicion al Rio Negro. Buenos Aires 1881," Ja parte, p. 26. ttt) Burineister, Description physique de la Republifpie Ar- gentine. Tome IIL Buenos-Ayres 1879, p. 120. *t) Rui Diaz de Guzman. Historia de Argentina etc. „Col. Angelis", I, 1, p. 39. **t) Hernaudez. Diario de la expedicion contra los indios Tc- guelches etc. „Col. Angelis", V, 4, p. 60 *:i:*|) Garcia. Diario de la expedicion de 1822 i'i los campos del sud de Buenos Aires etc. „Col. Angelis", IV, 12. p. 57. t*) Doering 1. c. p. 26. tt*) Holmberg, Eduardo L. La Sierra de Cur.-'i-Malai. lUieuos Aires 1884, p. 74. Naturwissenscliaftliche Wochenschrift. 413 5. ***t) Doering 1. c. p. 26. t*) Latzina 1. c. p. 439. tt'-') Asta-Buruaga, Francisco Solano. Diccionario jeografico de la Kepublica de Chile. Nueva York 1867, p. 227. chilenischen Bai Ralun heisst „Nahuel Huapi" (etwa in gleicher Höhe wie der gleichnamige See gelegen), ebenso ein im Eingang zu dieser Bai befindlicher Felsgipfer'')- Li den von Lenz gesammelten Thiersagen der Arau- kauer spielt auch der Jaguar seine gewichtige Rolle'''*) und kommt darin auch zusammen mit dem Puma vor''"''*). Nach dem gleichen Autorf) findet sich sein araukanischer Name Navel in vielen geographischen Namen und sehr häufig als zweiter Bestandtheil indianischer Eigennamen, gewöhnlich abgekürzt zu Nan oder Nao. Solche arau- kanische Eigennamen führt z. B. 1770 Hernandez|t) von argentinischen Kaziken an: Lepin Nahuel, Lincon Nahuel, Lican Nahuel u. s. w. Weiter südlich als die bisher angegebenen Grenzen können wir arauk anische geographische Namen wegen Aufhörens des Gebietes dieser Sprache nicht mehr erwarten. Leider geben aber die Angaben über die Pampa- und patagonische Sprache weiter keinen Auf- schluss, und auch Latzina hat in seinem angezogeneu Werke Patagonien arg vernachlässigt. Erst für das Ter- ritorium Santa Cruz verfüge ich wieder über Angaben, um so wichtiger aber, weil ja den gleichnamigen Fluss herunter, wie Herr Carlos Ameghino schreibt^, ein „Je- niisch" geschwommen kam und zur Benennung einer Stelle „Jemisch-Aiken" Veranlassung gab. Es war im Territorium Santa Cruz, wo Moreno sein patagonischcs Vocabularium aufnahm, in welchem Halschehuen = Tiger aufgeführt wirdtft). Eine Erhebung an der atlantischen Küste, 52 km nördlich vom Rio Gal- Icgos, abo fast 52* südl. Breite, heisst „Monte Tigre"'^t)- Allerdings weiss ich nicht, ob die in die chilenische Bai San Rafael (in gleicher Höhe mit der Nordgrenze des Santa Cruz-Territoriums) sich hineinerstreckende Land- zunge „Punta Leopardo" von einem Jaguar oder einem Schiffe Leopard ihren Namen hat'^'^'t)- Eine directe Notiz aber stammt aus dem Jahre 1780. Die Indianer, welche Viedma den Santa Cruz- Fluss herauf begleiteten, machten ihm Mittheiluni;en über Flora und Fauna des Landes und crwiilintiMi hierbei wohl unterschieden „el tigre 6 [oder] nahuel [l-'rli-< onra), el leön ö pagi (7^<'/w PuiuaY' etc."""'"!) Erzählungen und Sagen der Indianer namentlich aus dem Territorium Santa Cruz, die jedenfalls auf den Jaguar zurückgehen, sind im dritten Kapitel dieser Arbeit zu- sammengestellt. Auf die Funde von Felk on<;a L. aus der Eberhardt-Höhle, welche in der Nordenskiöld'scheu Publication-^ beschrieben sind, lege ich weniger Wert, da es sich hier vielleicht (s. bereits früher die Anni. p. 391) um das ausgestorbene grosse Raubthier handelt, welches Roth^* als Jemüch Listai beschrieb; dafür sprechen die bedeutenden Grössenverhältnisse der Stücke. Das schliesst aber nicht aus, dass bei späteren Untersuchungen in der Höhle sich noch Reste vom Jaguar finden können. ^') Serrano, Ramon. Derrotero del Estrecho de M»gallane8, ! Tierra del Fuego i Canales de la Patagonia. Santiago de Chile 1S91, p. 381-382, 472. j **) 1. Lenz, Estudios Araucanos etc. p. 189. p. 189 Anm. — id. Araukanische Märchen und Erzählungen, Mitgetlieilt von Segundo Jara (Kalvun). S.-A Aus „Verhandlungen des Deutschen wissenschaftlichen Vereins zu Santiago", Band 111, 1896. In Commission bei Carl W. Hiersemami, Leipzig, p. 41. ! 2, Lenz. Estudios Araucanos etc. p. 210. 315. ! ***) Lenz. Estudios Araucanos etc. p. 196 fi. 319—320. — id. I Araukanische Märchen etc. p. 39 ff. t) Lenz. Estudios Araucanos etc. p 189, Anm. 1. tt) Hernandez 1. c. p. 35. ttt) Moreno 1. c. p. 395. 't) Ambrosetti, Juan B. Notas biologicas X. El Jaguar 6 Yaguarcte (Felis onca L.) „Revista del Jardin Zoologico de Bu- enos Ayres', Tomo II, 1894, Entrega 2, p. 45. **t) Serrano 1. c. '***t) Viedma. Diario de un viage ä la costa de Patagonia „Col, Angelis", VI, 15, p. X. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 35. Es ist also einerseits an der Uebersetzung des Wortes „Naliuel" mit Jaguar gar kein Zweifel, andererseits das ehe- malige weite südliche Vorkommen dieses Thieres noch bis zu Ende des 18. Jahrhunderts und vielleicht bis direct zur Magellanstrasse dargethan. Sein Zurückgehen nach Norden zu braucht sich durchaus nicht gleichmässig vollzogen zu haben; vielleicht hat sich gerade in Santa Cruz das Thier auf isolirtem Gebiete am längsten erhalten, wofür die eben angegebenen Daten und der Brief von Carlos Ameghino sprechen würde, wonach ja der „Wassertiger" nur mehr auf die Flüsse und Seen hauptsächlich dieses Gebietes beschränkt sein soll. Gewiss wird es sich um einzelne weit abgekommene Individuen handeln, die Wanderlust oder ein Zufall weit vom Norden herunter geführt hat. Bei der Lebensweise des Thieres kann das nicht befremden. Nach Burmeister*) findet sich der Jaguar „namentlich in der Nähe der grossen Ströme, wo er besonders in den Walddistricten des Sumpflandes zu Hause ist". Nach Brehm*'') „bewohnt er die bewaldeten Ufer der Ströme Flüsse und Bäche, den Saum der Waldungen, welche nahe an Sümpfen liegen, und das Moorland, wo über 2 m hohe Gras- und Schilfarten wachsen. Auf offenem Felde und im Inneren der grossen Wälder zeigt er sich selten und nur, wenn er aus einer Gegend in die andere zieht." Von glaubwürdiger Seite wurde mir bestätigt, dass ßurmeister***) und Latzinaf) Recht haben, wenn sie sagen, dass der Jaguar sehr gut schwimmt und mit Leichtigkeit die grossen Ströme Parana und Uruguay an ihrer grössten Breite durchquert und dass er häufig grosse Wasserreisen auf den schwimmenden Inseln und Flössen unternimmt, welche denFluss heruntergetrieben kommen. Burmeisterff) *) Burmeister. Reise etc. p. 397. **) Brehm 1. c. p. 411. ***) Burmoister. Description etc. p. 120. t) Latzina 1. c. p.-212. tt) Burmeister. Description etc. p. 120. selbst sah ihn im Parana schwimmen und erzählt, dass in der Nähe von Rosario mehrere mit solchen schwim- menden Inseln ans Ufer gerieten. Das gleiche passirte, wie man mir mittheilte, vor einigen Jahren in Baradero, und solche Fälle sind hier ganz allgemein bekannt. Nach Doering*) „bildet er in allen etwas bevölkerten Districten Nordpatagoniens zwischen Rio Negro, Neuquen und Rio Colorado schon eine seltene Erscheinung. Häufiger scheint er sich im Röhricht der grossen Lagunen und im Innern der Bergregion vorzufinden." „Die grossen Ströme sind das Transportmittel für den Jaguar, der gerne an ihren wildreichen Ufern wohnt, auf der Jagd nach und nach grosse Strecken zurücklegt und gewöhnlich nach Süden zu wandert".**) Sehen wir uns nun noch einmal den Brief von Herrn Carlos Ameghino- an. Von vornherein sehe ich von der Stelle betr. der Hautknöchelchen ab. Die dort von den Indianern gegebene Schilderung eines Thieres passt, wie es auch z. T. schon bei dem „Tigre del agua" des Pater Falkner der Fall ist (s. p. 411), auf zwei verschiedene, deren Eigenschaften und Eigenthümlichkeiten durcheinander gebracht sind. Die Hauptsache geht auf den Jaguar, „das schreckliche wilde Thier"', der am Wasser lebt, den Fluss heruntergeschwommen kommt, Menschen und Pferde anfällt, grosse Reisszähne und Krallen hat etc. Als er verschwunden war, blieb noch die Vorstellung von ihm und wurde mit den Charakteren eines dort noch lebenden Wasserräubers, der grossen Lutru felina Mol., vermengt. Von dieser stammt der abgeplattete Schwanz, die kurzen Füsse, die Schwimmhaut zwischen den Zehen und wahr- scheinlich der Name Jeniisch. Nichts deutet hin auf einen Edentateii, auf unser Grypotherium. *) Doering 1. c. p. 26. *) Ambrosetti, Juan B Ueber Riechstoff- Aldehyde. Von Dr. H. Bu.ss. In der künstlichen Riechstoffindustrie wird eine be- deutende Anzahl von Aldehyden verwendet, einige unter ihnen sind grosse Handelsartikel, wie z. B. Citral, Vanillin, Heliotropin etc. Diese Aldehyde lassen sieh in zwei grosse Gruppen theilen, nämlich 1. in solche, welche nur Aldehyde sind, also Citral, Benzaldehyd (künstliches Bittermandelöl) Phenylacetaldehyd (Hyacinthen), Zimmtaldehyd (Zimmtöl), 2. in solche, welche zu gleicher Zeit noch Phenole oder Phenolaftther sind, wie z. B. Salicylaldehyd, Vanillin, Anisaldehyd, Heliotropin. In einigen Fällen werden diese Aldehyde noch aus den ätherischen Oelen, in denen sie sich in der Natur vorfinden, dargestellt, so z. B. das Citral. Dies gelingt entweder durch fractionnirto Destillation, oder indem man die Eigenschaft der Aldehyde benützt, sich mit Natriumbisulfitlösung zu Verbindungen zu ver- einigen, welche sich leicht reinigen lassen. Durch Zer- setzung der gereinigten Bisulfitverbindung durch Erwärmen mit Alkalien oder Säuren werden die Aldehyde daraus wieder in Freiheit gesetzt. Diese Bisulfitverbindungen entstehen im Allgemeinen nach folgender Gleichung: R - CHO + SO,HNa = R - CHOHSOsNa. Aldcliyd Natriumbisulfit Complicirter wird dieser Vorgang, wenn es sich um ungesättigte Aldehyde handelt. Mit Ausnahme des Citrals werden jedoch sämmtliche oben angeführte Aldehyde in der Industrie nun mehr künstlich dargestellt. Die Methoden, die zur Synthese eines Aldehyds führen, variiren, je nachdem das ge- wünschte Produkt ein Aldehyd der Fettreihe, ein Aldehyd der aromatischen Reihe, ein nicht gesättigter Aldehyd der aromatischen Reihe, ein Phenolaldehyd oder ein Phenolätheraldehyd ist. Die Aldehyde der Fettreihe lassen sich durch Oxy- dation der entsprechenden primären Alkohole mittelst Chromsäuregemisch (Natriumbichromat und Schwefel- säure), mit Chromsäure oder Salpetersäure erhalten. Selbst Citral kann man durch vorsichtige Oxydation des entsprechenden Alkohols, des G.eraniols darstellen, doch findet diese Reaction keine technische Verwendung. Zur Darstellung der aromatischen Aldehyde existiren eine sehr grosse Menge von Verfahren und Patenten. Sie entstehen z. B. durch Destillation der Kalksalze der ent- sprechenden aromatischen Säuren mit Ameisensäure oder oxalsaurem Calcium. Auf diesem Wege erhält man je- doch nur schlechte Ausbeuten. Besser ist eine von Grimaux und Lauth beschriebene Methode, welche speciell XV. Nr. 35. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. auf den Benzaldeliyd angewendet, sehr gute Resultate giebt. Sie besteht darin, dass man Benzylehlorid oder seine Homologen durch Blei oder Knpfernitrat oxydirt. Leider entstehen hierbei stets im Kern chlorirte Neben- produkte, welche sich nur ausserordentlich schwer ent- fernen lassen und auf den Parfüm einen sehr schädlichen Einfluss ausüben. Dieser üebelstaud wird durch ein französisches Patent vermieden, welches darin besteht, die Gruppe CH3 im Tolnol durch Mangansuperoxyd zur Aldehydgruppe CHO zu oxydireu. Bouveault schlägt vor, zunächst die entsprechenden Glyoxylsäuren darzustellen und diese in Aldehyd über- zuführen nach der Gleichung: R - CO - COOH = CO., + R - CHO. Glyoxylsäure Kohlensäure Aldehyd Die Glyoxylsäuren werden erhalten durch Behandeln eines aromatischen Kohlenwasserstoffs mit Aethyloxal- säurechlorid und Aluminiumchlorid. Die Kohlensäure- abspaltung aus den Glyoxylsäuren wird durch Kochen derselben mit Anilin bewirkt. Man erhitzt so lange als sich Wasser und Kohlensäure abspaltet. Man erhält so zuerst das Phenylimid des Aldehyds, welches durch Er- wärmen mit verdünnter Schwefelsäure in Aldehyd und Anilin gespalten wird. Diese Vorgänge werden durch folgende Gleichungen veranschaulicht: R - CO - COOH + CeH^NH, = HoO + R - C - COOH Glyoxylsäure Anilin N - C' H, R - C - COOH CO3 + R - CH = NCbHö Phenylimid N - CeHg R - CH = NC0H5 + H.,0 = R - CHO + HoNCgH, Aldehyd Neuerdings haben Gattermann und Koch in den Be- richten der deutschen chemischen Geseilschaft eine elegante Methode zur Darstellung von aromatisclien Aldehyden publicirt. Sie besteht darin, dass man unter gutem um- rühren durch einen aromatischen Kohlenwasserstoff, welcher Aluminiumchlorid und Kupferchlorür suspendirt enthält, einen Strom von Kohlenoxyd und Salzsäure leitet. Das Gemenge von Kolilenoxyd CO und Salzsäure wirkt wie Cl — CHO, es tritt Salzsäure aus und es lagert sich die Aldehydgruppe CHO an. Man giesst dann auf Eiswasser und treibt entweder den gebildeten Aldehyd durch einen Wasserdampfstrom ab oder reinigt ihn durch eine der sonst üblichen Methoden. Die nicht gesättigten aromatischen Aldehyde z. B. Zimmtaldehyd entstehen durch Condensation eines aro- matischen Aldehyds mit Acetaldehyd nach der Gleichung: RCHO + CH3CHO = R - CH = CH - CHO + HoO. Die Mehrzahl der Phenolaldehyde oder Phenoläther- aldehyde entstehen durch Oxydation der entsprechenden, in der Natur sich vorfindenden Körper, welche an Stelle der Aldehydgruppe eine Allylgruppe — CHj — CH = CHo oder Propenylgruppe — CH = CH — CH3 enthalten. Da sich letztere viel leichter zur Aldehydgruppe CHO oxydiren lassen als die ersteren, so werden die ersteren in letztere übergeführt durch Erwärmen mit Alkalien, wie dies in einer früheren Abhandlung beschrieben wurde. Die Phenolaldehyde können auch dargestellt werden durch Oxydation der entsprechenden Alkohole, so ent- steht z. B. durch Oxydation von Saligenin oder Saiicyl- alkohol der Salicylaldehyd. Eine sehr allgemeine Darstehungsweise besteht auch darin, die Phenole mit Chloroform in alkalischer Lösung zu condensiren. Man erhält aber bei diesem Verfahren ein Gemisch von Isomeren. In neuerer Zeit hat Gattermanu seine Methode auch auf die Phenol und Phenolätheraldehyde ausgedehnt. Man kennt eine Doppeiverbindung von Cyan- /H wasserstoftsäure mit Chlorwasserstoffsäure C^^NH welche ^Cl man als Imidoameisensäurechlorid auffassen kann. Lässt man diese Verbindung auf Phenoläther reagiren, so er- hält man nicht direct die Aldehyde, sondern ihre Jmide, nach der Gleichung: /H /OCH3 CßH^OCHa + C(-NH = HCl + C.E^^ /U ' . ^Cl ^C = NH Durch Einwirkung von Säuren oder Alkalien gehen die Jmide leicht in die entsprechenden Aldehyde über. Gattermann hat auf diese Weise aus Anisol, Phenetol etc. die entsprechenden Aldehyde in beinahe quantitativer Weise erhalten. Man giebt in der «Kälte das Phenol, Blausäure, Aluminiumchlorid und als Lösungsmittel Benzol zusammen, leitet dann einen Strom von trockener Salz- säure ein, giesst auf Eis und ätiiert aus. Au Stelle von Aluminiumchlorid als Condensationsmittel kann man in vielen Fällen auch Chlorzink anwenden, im Falle von Resorcin, Orcin, Phloroglucin braucht man sogar gar kein Condensationsmittel. Dies hat den Vorteil, dass man an- statt Benzol, Aether als Lösungsmittel verwenden kann, in welchem die melirwerthigen Phenole bedeutend lös- licher sind als in Benzol. Ein noch neueres Verfahren, die Aldehydgruppe in Phenole und Phenoläther einzuführen, stammt von Geigy & Co. Es beruht auf der gleichzeitigen Einwirkung von Formaldehyd und nascirenden Hydroxylaminsulfo- säuren auf Phenole oder Phenoläther nach der Gleichung: SO3H .^ + CH,0 + Qjj>N - < ^ = H,0 Formaldehyd Hydro.xylaminsulfosäure 0H<: Phenol SO3H OHC OH., CHü - N - I OH CH = N > = H20 SO3H Diese Benzylidenverbindung zerfällt nun leicht in Aldehyd und Amidosulfosäure: SO,H 0H< > - CHO + H„N para-Oxybenzaldehyd ./ Als einer der bedeutendsten unter den Riechstoff- Aldehyden der Fettreihe ist zunächst das Citral zu er- wähnen. Das Citral ist schon deshalb von hervorragender Bedeutung, weil es durch Condensation mit Aceton das wohlriechende Veilchenketon, das Jonon bildet. Dieser Aldehyd wurde im Jahre 1888 von den Chemikern des Hauses Schimmel & Co. in Leipzig im ätherischen Oel von Backhousia citriodora entdeckt, später wurde seine Anwesenheit im Citronenöl zu 6—8 %, im Citronellaöl und zu über 80°/o i'i^ Lemougrasöl nachgewiesen. Aus diesem letzteren wird das Citral auch industriell dargestellt und zwar entweder durch fractionirte Destilla- Natnvwisspnscliaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 3n tion im Vaenum, wobei man die zwischen 115 — 120" bei 20 mm Druck übergehende Fraction aiift'ängt. Reiner wird es aber noch erhalten, wenn man das Lemongrasöl mit dem gleichen Gewicht einer gesättigten Natriumbisulfitlösung schüttelt unter Zusatz von etwas Aether. Ueberlässt man das Gemisch einige Stunden sich selbst in der Kälte, so krystallisirt die Bisulfitverbiudung des Citrals aus, welche mit Aether mehrmals gewaschen wird, um alle anhaftenden nicht aldehydischen Bestancl- theile zu entfernen. Dann zersetzt man die Bisulfit- verbindung unter Zusatz von ^fatriumcarbonat. Durch Destilliren des so erhaltenen Citrals im Vacuum erhält man ein sehr reines Produkt. Die Bisulfitverbindung des Citrals darf nicht erwärmt werden, da sie sich in der Wärme in eine Sulfonsäure umlagert, aus welcher das Citral nicht mehr regenerirt werden kann. Künstlich kann das Citral durch Oxydation von Geraniol oder Linalool gewonnen werden, doch hat dies nur wissenschaftliche Bedeutung. Das Citral ist eine farblose Flüssigkeit von citronen- ähnlichem Geruch, welches im Vacuum bei einem Drucke von 12 nmi bei 110—112" siedet. Es ist der dem Alkohol Geraniol entsprechende Aldehyd und hat die Formel CH, - C = CH - CHo CH, - C = CH - CHO CH3 GH., Die gewöhnlichen für die Aldehyde charakteristischen Verbindungen sind zur Kennzeichnung des Citrals nicht geeignet, da sowohl das Hydrazon» als das Anilid und Oxim ölige Körper sind, welche selbst im Vacuum nicht unzersetzt destiliiren. Dagegen hat Doebuer ein Verfahren angegeben, welches sich selbst zur Nachweisung kleiner Mengen Citral sehr gut eignet, indem nämlich durch drei- stündiges Erhitzen von Citral mit Brenztraubensäure und Naphthylamin in alkoholischer Lösung auf dem Wasser- bad die Citral- ß-naphtocinchoninsäure entsteht, welche aus Alkohol umkrystallisirt citrnncngclbc Hliittchen vom Schmelzpunkt 197" bildet. FenuT crli^ilt nian krystalli- sirbare Verbindungen des Citrals dun h Finwirkiiug von Semicarbazid auf dasselbe, wobei sich allerdings drei isomere von den Schmelzpunkten 171, 135, 160" bilden. Sehr charakteristisch für das Citral ist :iie von Tie- mann entdeckte Verbindung desselben, welche entsteht durch Schütteln einer alkalischen Lösung von Cyanessig- säure mit Citral. Man erhält Ausbeuten von 90 — 95 Vo der Theorie. Aus siedendem Benzol umkrystallisirt schmilzt die Citralidencyanessigsäure bei 122", sie hat die Consti- tution /CN CH3 - C = CH - CH, - CH, - C = CH - CH = C<^^^^ CH3 CH3 Das Citral findet sei\ie Hauptverwendung zur Dar- stellung des künstlichen Veilchen-Ketons, des Jonons, in- dem es sich durch alkalische Agentien mit Aceton zu- nächst zu dem Fseudoionon verbindet, welche sich durch Säuren in das isomere Jonon umlagert. Es wird ferner auch verwendet, um das Aroma der Citronenessenz zu verstärken. Eine Lösung von 75 g Citral in 925 g AI kohol ersetzt 1 Kilo Citronenessenz. Ein dem Citral nahe verwandter Körper ist das Citrouellal, welches sich vom Citral nur durch einen Mehr- gehalt von 2 Wasserstoffatomen unterscheidet. Es findet sich im Citronellaöl und Melissenöl. Der Geruch des Citronellals i.st demjenigen des Citrals ähnlich, doch weniger angenehm. Es bildet mit Naphtylamm und Brenztraubensäure eine analoge Verbindung wie das Citral, ferner mit Phosphorsäureanhydrid eine Phosphor- säureverbindung, welche aus Alkohol in Tafeln vom Schmelzpunkt 203" krystallisirt. Während Citral und Citrouellal Aldehyde mit offener Kohlenstoffkette sind, so gehört der Benzakleliyd zu den cyklischen Verbindungen. Er findet sich in der Natur als Glykosid an Blau- saure gebunden im Amygdalin vor, welches sich in Mandeln und Ptirsichkernen findet. Unter der Einwirkung eines speeiellcn Gährungsferraentes, des Emulsin, spaltet sich das Amygdalin durch Gährung in Glukose, Benzaldehyd und Blausäure. Künstlich wird das Benzaldehyd auf verschiedene Weise gewonnen. Man geht vom Toluol aus und führt dasselbe durch Einleiten von Chlor in Benzalchlorid CgHjCHCU über, welches durch Erhitzen mit Wasser unter Druck auf 150 — 160" in Benzaldehyd übergeht. Oder man oxydirt nach Lauth und Grimaux mit Hülfe von Blei und' Kupfernitrat Benzylchlorid CttH^CH.Cl und tieibt den entstandenen Aldehyd durch einen Strom von Wasserdampf ab und reinigt ihn durch Ausschütteln mit Bisulfit. Allein dieser aus den zwei erwähnten Chloriden dar- gestellte künstliche Benzaldehyd enthält stets noch als Beimengungen im Kern chlorirte Nebenprodukte, welche dem Parfüm schaden. Dies sucht Monnet dadurch zu vermeiden, dass er Toluol mit Schwefelsäure mischt und in dieses Gemisch langsam pulverförmiges Mangansuper- oxyd einträgt. Die Methylgruppe CH, des Toluols wird hierdurch direkt zur Aldehydgruppe COH oxydirt. Man destillirt alsdann mit Wasserdampf und trennt das Ge- misch von Toluol und Benzaldehyd durch Behandeln mit Bisulfit. Es entsteht ein Krystallmagma, aus welchem das Toluol durch Auswaschen mit Alkohol entfernt werden kann. Der Benzaldehyd ist eine farblose Flüssigkeit vom Siedepunkt 179", wird in der Seifenfabrikation viel ver- wendet und dient als Ausgangsmaterial zur Darstellung von Zinnntaldehyd und Zimmtsäure. Der Zimmtaldchyd findet sich in beträchtlicher Menge im chinesischen Zimmt oder Cassiaöl und im Zimmtöl von Ceylon. Das chinesische ist reicher an Aldehyd als das von Ceylon, der Aldehyd wird aus dem ersteren durch Schütteln mit Bisulfit gewonnen. Die erhaltene krystallisirte Bisulfit- verbindung wird durch Waschen mit Alkohol von den nicht aldehydischen Bestandtheilen befreit und dann durch verdünnte Schwefelsäure zersetzt. Durch Destillation mit Wasserdampf wird der in Freiheit gesetzte Aldehyd ge- reinigt. Künstlich wird der Zimmtaldehyd durch Condensation von Benzaldehyd mit Acetaldehyd durch Schütteln dieser beiden mit einer Sodalösung während niehreren Tagen dargestellt. Der Zimmtaldehyd entsteht hierbei nach der Gleichung: C^HüCHO + CH.CHO = C0H5 3enzaldehyd Acetaldehyd CH = CH -cno Zimmtaldeliyd H.,0 Der Zimmtaldehyd ist eine helle Flüssigkeit von an- genehmem Zimmtgeruch, siedet unter 20 mm Druck bei 128 — 130". Da der Benzaldehyd als Ausgangspunkt dient, so ist es begreiflich, dass auch der künstliche Zimmtaldehyd oft durch chlorhaltige Produkte verun- reinigt ist. Ein erst in neuerer Zeit für die künstliche Riechstotf- industrie zugänglich gewordener Aldehyd ist der l'hcnyl- acetaldehyd CuHj - CH^ - CHO, welchem in Verdiinnung XV. Nr. 35. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 417 der beliebte Hyazinthengeruch eigen ist. Er entsteht, wenn man ot-Phenylmilchsäure mit verdünnter Schwefel- säure auf 130" erhitzt, nach der Gleichung: CeHäCHaCHOH - COOK = CeHsCH^CHO + H - COOH Plienylmilchsaure Phenylacetaldehyd Ameisensäure In besserer Ausbeute soll man denselben nach Erd- mann erhalten, wenn man durch Einwirkung von unter- bromiger Säure auf Zimmtsäure das a-oxyphenylpropion- säure ß lacton darstellt, welches beim Erhitzen für sich oder mit Wasser glatt in Phenylacetaldehyd und Kohlen- säure zerfällt: CßHä - CH - CHOH 1 I 0 CO C0H5CH2CHO + C02 In der Wicke und in verschiedenen Spiraeaarten findet sich der Salieylaldehyd, welcher wichtig ist als Ausgangsmaterial zur Darstellung des Cumarins. Er kanu kUüstlich dargestellt werden durch Oxydation des in ver- schiedenen Weiden- und Pappelarten sich vorfindenden Saiicin's oder nach Reimer durch Behandeln von Phenol mit Chloroform und Aetzkali. Er wird wie die früher beschriebeneu Aldehyde durch seine Bisulfitverbindung gereinigt. Der Salieylaldehyd ist eine hellgelbe Flüssig- keit von angenehmem Geruch, er hat sowohl Phenol- wie Aldehyd-Eigenschaften, wie dies in seiner Formel CHO ,0H zum Ausdruck kommt. In dieselbe Kategorie von Aldehyden wie der Salicyl- Aldehyd gehört auch das Vanillin, welches das riechende Prinzip der Vanille ist. Die Vanilleschoten enthalten ca. 1,5 — 2 % Vanillin, überhaupt ist das Vanillin einer der in der Natur verbreitetsten Riechstoffe. Es existiren eine sehr grosse Anzahl von Methoden zur künstlichen Darstellung von Vanillin, auf welche einige Patente ge- nommen wurden. Es sollen hiervon nur die wichtigsten beschrieben werden, und als solche kommen in Betracht die Darstellung des Vanillins aus Isoeugenol, aus Acet- isoeugenol, aus Protocatechualdehyd und aus Guajacol. Synthetisch wurde es zuerst dargestellt im Jahre 1874 von Tiemann und Haarmann, durch Oxydation von Coniferin oder Coniferylalkohol. Diese Entdeckung schuf in der Parfumindustrie eine neue Aera, doch hat dieselbe heute nur noch historische Bedeutung. Wohl am häufigsten wird heut zu Tage das Vanillin aus dem Eugenol (aus Nelkenöl) und seinen Derivaten dargestellt, indem man aus den schon eingangs erörterten Gründen das Eugenol zunächst in das Isoeugenol umlagert und dieses dann oxydirt. OH OH OH 1OCH3 1OCH3 JOCH3 CH2 - CH = CHj CH = CH - CH3 CHO Eugenol Isoeugenol Vanillin Diese direkte Oxydation von Isoeugenol zu Vanillin wird bewirkt in alkalischer Lösung durch Superoxyde wie Mangan- oder Bleisuperoxyd, Natriumsuperoxyd, ferner durch Ozon und durch den elektrischen Strom. Allein diese Verfahren liefern schlechte Ausbeuten, wenn man nicht vor der Oxydation die noch freie Hydroxyl- gruppe im Isoeugenol schützt, wodurch dann hauptsächlich die bei der direkten Oxydation stets entstehenden Poly- meren des Isoeugenols vermieden werden. Man führt deshalb meistens das Isoeugenol zunächst in das Acetyl- isoeugenol über, indem man dasselbe mit Essigsäure- Anhydrid erhitzt. Das entstandene Acetisoeugenol wird dann durch Kaliumpermanganat in grosser Verdünnung oxydirt. Man erhält zunächst das Acetvanillin, welches durch Erwärmen mit Sodalösung Essigsäure abspaltet und in Vanillin übergeht. Theoretisch müsste durch Methylirung des Proto- catechualdehyds das Vanillin sehr leicht zu erhalten sein: OH OH lOH CHO Protocatochualdehyd 1OCH3 CHO Vanillin Allein bei der direkten Methylirung des Protocatechu- aldehyds mit Methylsulfat erhält man stets ein Gemisch Vaniüin mit dem isomeren IsovanilHn und Methyl- von Vanillin, OCH3 OCH, ^OH '1OCH3 CHO Isovanilli: CHO Methylvanillin deren Trennung ziemlich schwierig ist. Um diesen üebel- stand zu vermeiden, sind viele Versuche gemacht worden, die Hydroxylgruppe in ParaStellung zur Aldehydgruppe vor der Methylirung durch eine wieder leicht abzuspaltende Gruppe zu blokiren, doch ist es bis jetzt nicht gelungen, einen vollständig glatten Verlauf der Reaetion im ge- wünschten Sinne zu erzielen. Eine ähnliche Schwierigkeit liegt auch vor, wenn man zur Darstellung des Vanillins vom Guajacol ausgeht, welches sich eben vom Vanillin durch das Fehlen der Aldehydgruppe unterscheidet : OH OH lOCH, 1OCH3 Guajacol CHO Vanillin Die Schwierigkeit besteht eben darin, die Aldehyd- gruppe an der richtigen Stelle in das Molekül einzuführen. Schon beim Behandeln von Guajacol mit Ameisen- säure in Gegenwart eines wasserentziehendeu Mittels ent- steht Vanillin. Nach Tiemann und Reimer behandelt man das Guajacol in alkoholischer Kalilösung mit Chloro- form. Bei dieser Operation entsteht der meta-methoxy- salicylaldehyd, welchen man durch Destillation mit Wasser- dampf abtreiben kann, während das VanilHn sich mit Wasserdampf nicht verflüchtigt. Das Vanillin kommt in Form von kleinen weissen Nadeln in den Handel vom Schmelzpunkt 81—82", es besitzt einen sehr angenehmen Vanillegeruch. Seine Anwendungen sind sehr zahlreich Parfumeurs, Zuckerbäcker, Destillateure, Chocoladeu- Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 3, fabrikanten braueben dasselbe in ziemlich reichlichen Mengen. Trotzdem ist bis jetzt der Preis der natürlichen I Vanille noch nicht gesunken, obschon ein Kilo Vanillin in der Vanilleschote dem Käufer auf 2500—3700 Mark zu stehen kommt, während die künstliche Riechstoff- industrie ihm dasselbe chemisch reine Vanillin zu 80 Mk. pro Kilo liefert. Anno 1895 kostete das Kilo Vanillin noch 1700 Franken. Während man durch Oxydation von Eugenol und seinen Derivaten zu Vanillin gelangt, so erhält man durch Oxydation von Anethol (aus Anisöl) mit Chromsäure den Anisaldehyd oder Aubepine und durch Oxydation von Isosafrol das Piperonal oder Heliotropin. Der Anisaldehyd als solcher bildet keinen selbstständigen Parfüm, doch findet er in Mischung mit anderen Riechstoffen ziemlich viel Verwendung. Es ist eine Flüssigkeit vom Siedepunkt 245 — 246" und riecht nach blühendem Weissdorn. Er oxydirt sich leicht an der Luft und muss desshalb in gut verschlossenen Flaschen aufbewahrt werden. Genau wie man das Eugenol vor der Oxydation in Isoeugenol umlagert, so ist es auch zur Darstellung des Heliotropins nothwendig, das Safrol vor der Oxydation in Isosafrol umzulagern. Dies ist der einzige Weg zu seiner industriellen Dar- stellung, während seine Darstellung aus Protocatechu- aldehyd durch Behandeln desselben in alkoholischer Kali- lösung mit Methylenjodid nur von wissenschaftlichem Interesse ist. Das Heliotropin kommt in Form von weissen Kry- stallen in den Handel, Schmelzpunkt 37". In der Par- fümerie findet es hauptsächlich mit Vanillin vermischt ausgedehnte Verwendung, ferner auch zum Parfumiren von Seifen. 1 kg Heliotropin genügt, um 100 Kilo Seife zu parfumiren. Es ist chemisch dem Vanillin nahe verwandt und hat die Constitution 0-^ CHO 'CH, Aehnlich wie beim Vanillin, so ist auch der Preis des Heliotropins rapid gefallen von Fr. 3750 pro Kilo im Jahre 1882 auf Fr. 30 pro Kilo im Jahre 1900. — In der Natur ist das Heliotropin bisher nur in seltenen Fällen beobachtet worden. Ueber die Thätigkeit der Malariaexpeditioii ver- öffentlicht Geh. Med.-Rath Prof. Dr. R. Koch in der „Deutschen Medicinischen Wochenschrift" (No. 34 vom 23. August d. J.) nachstehenden fünften Bericht: Untersuchungen in Neu-Guinea während der Zeit vom 28. April bis zum 15. Juni 19LiO. — Wäh- rend der beiden letzten Monate hat sich die Malaria in Stephansort fortgesetzt auf dem niedrigen Stand gehalten wie zur Zeit meines letzten Berichtes, obwohl sich die Witterungsverhältnisse für die Entwickelung der Krank- heit besonders günstig gestaltet haben. Bekanntlich herrscht die Malaria in den Tropen gerade während des Ueber- ganges von der trockenen zur nassen und wiederum von . der nassen zur trockenen Jahreszeit am stärksten. In diesem Jahre hat sich nun der üebergang zur trockenen Zeit aussergewöhnlich lange hingezogen. Wie in dem früheren Berichte erwähnt ist, hatte es den Anschein, als ob schon mit dem Anfang April die Regenzeit beendet gewesen wäre; dem war aber nicht so. Auf den sehr trockenen April mit nur sechs Regentagen und einer Regenhöhe von nur 139 mm folgte der Mai mit 14 Regen- tagen und einer Regenhöhe von 299 mm. Auch an den beulen ersten Tagen des Juni hatten wir noch Regen, seitdem aber anhaltend trockene Witterung. Trockene und nasse Zeiten haben also mehrfach abgewechselt, ohne dass dies eine Zunahme der Malaria zur Folge gehabt hätte. Es kamen im Gegentheil nur noch ganz verein- zelte Recidive vor. Im Monat Mai mussten drei Kranke wegen Malaria ins Krankenhaus aufgenommen werden, und in der er.sten Hälfte des Juni nur einer. Sämmtliche vier Fälle waren Recidive von Quartana, der leichtesten, aber auch hartnäckigsten Art der Malaria. Da dieser Versuch nun fast sechs Monate durch- geführt ist und ein so gleichmässiges und unzweideutiges Resultat ergeben hat, so lässt sich wohl annehmen, dass irgend welche Zufälligkeiten dabei ausgeschlossen sind und dass die Malaria nur in Folge der von uns befolgten Maassregeln innerhalb so verhältnissmässig kurzer Frist fast zum Verschwinden gebracht ist. Auch ist zu er- warten, dass, wenn nur in derselben Weise weiter ver- i fahren wird, der jetzige günstige Zustand erhalten bleibt. Mehr als das bisher Gewonnene wird sich allerdings aus den in meinem letzten Berichte auseinandergesetzten Gründen hier nicht erreichen lassen. Aber das bisherige Resultat genügt auch schon vollkommen, um zu beweisen, dass die Voraussetzungen, von denen ich bei diesem Versuche ausgegangen bin, durchaus richtig sind. Damit sind aber die Grundlagen für eine wirksame Bekämpfung der Ma- laria geliefert. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass gegen die Malaria auch durch andere Mittel und auf anderen Wegen etwas auszurichten ist. So könnte man daran denken, die Malariaimmunität, welche unter natürlichen Verhält- nissen erst nach 4—6 Jahren und nach vielen Anfällen zu Stande kommt, künstlich und womöglich in kürzerer Zeit zu bewirken. Aber da sich bis jetzt noch gar keine Möglichkeit geboten hat, die zur Erzeugung der Immuni- tät erforderlichen Giftstoffe zu beschaffen, so ist die Aus- sicht, auf diesem Wege etwas zu erreichen, eine sehr geringe. Auch die Ausrottung der inficirenden Mücken, welche, wenn sie durchführbar wäre, allerdings ein Radikalmittel sein würde, halte ich nach meinen Erfahrungen für aus- sichtslos. Es ist vielleicht möglich, die betreffenden Mücken in kleineren Bezirken zu vertilgen. Aber ganze Länderstrecken, namentlich in den Tropen, davon zu be- freien, das geht über den Bereich der dem Menschen zu Gebote stehenden Hilfsmittel. Schliesslich könnte man versuchen, die Menschen vor den Stichen der Mücken zu schützen, wie es ja bereits durch die Mosquitonetze theilweise geschieht. Alle der- artigen Mittel, welche in die Haut gerieben, die Mücken verscheuchen sollen, haben sieb indessen, soweit ich die- selben prüfen konnte, nicht bewährt. Sie wirken nur für kurze Zeit, und manche, wie die ätherischen Oele, sind nicht unbedenklich für die Gesundheit, wenn man sie lange Zeit benutzen wollte. Es bleibt also eigentlich nur das von mir in Vor- schlag gebrachte Verfahren, welches, um es nochmals kurz zu präcisiren, darin besteht, dass alle Fälle von Ma- XV. Nr. 35. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 419 laria, hauptsächlich die versteckten Fälle, aufgesucht und dadurch unschädlich gemacht werden, dass man sie nicht nur, wie bisher, ein wenig bessert, sondern gründlich heilt. An und für sich ist dieses Verfahren, d. h. das Auf- suchen und Unschädlichmachen der einzelnen Krankheits- fälle, nichts neues. Es ist genau dasselbe, was bei Cholera, Pest, Typhus u. s. w. schon häufig und mit Erfolg zur Anwendung gelangt ist. Neu ist nur, dass es auf die Malaria angewendet wird, die mau bisher für eine miasmatische Krankheit und für derartige Maass- regeln ganz unzugänglich hielt. Unter diesen Verhältnissen könnte man annehmen, dass die Aufgabe, welche der Malariaexpedition gestellt wurde, gelöst sei. Im Grunde genommen ist dies auch der Fall. Dennoch würde ich es nicht für richtig halten, wenn man bei dem bis jetzt Erreichten stehen bleiben wollte. Nach meinem Dafürhalten würde es durchaus nothwendig sein, den Versuch, der uns unter gewissen, durch die hiesigen Verhältnisse gegebenen und vielleicht besonders günstigen Bedingungen gelungen ist, nun unter anderen klimatischen und sozialen Verhältnissen mehrfach zu wiederholen, namentlich auch in leicht erreichbarer Gegend, um den Versuch fortwährend unter Augen zu haben und den Erfolg lauge Zeit hindurch, womöglich Jahre lang auf seine Beständigkeit controlliren zu können. Ich zweifle nicht, dass derartige Oertlichkeiten in Deutsch- land zu finden sind, und erlaube mir den ergebensten Vorschlag, den nächsten Versuch nach den gleichen Prin- zipien auf deutschem Boden anzustellen. Daneben können jederzeit, sofern es gewünscht wird, noch weitere Ver- suche in den deutschen Colouialgebieten ins Werk gesetzt werden. Auf jeden Fall werde ich den weiteren Gang der Expedition diesen vollkommen veränderten Verhältnissen entsprechend gestalten müssen. Meine Absicht ist, Stephausort nunmehr zu verlassen, und mit dem jetzt fälligen Dampfer nach Herbertshöhe zu gehen, theils um die für uns nach angestrengter Thätigkeit recht nothwendig gewordene Erholung zu finden, theils um unsere Kenntnisse über die Verbreitung der Malaria im Schutzgebiete noch zu erweitern. In letzterer Be- ziehung haben uns Reisen, welche Stabsarzt Ollwig nach Potsdamhafen und der Mündung des Ramuflusses und ich nach dem Archipel unternommen haben, bereits recht inter- essantes Material geliefert, über welches ich im Zusammen- hang mit dem von der Gazellenhalbinsel noch zu er- wartenden demnächst berichten werde. halb Nakouas grosse Sandbänke, die den Unterlauf des Flusses verstopften. 32 km nördlich vom Ngami-See beginnt der Taoge zu versiegen, und in der Nähe des Seees ist sein Bett bereits völlig ausgetrocknet Die zahlreichen Dörfer, die um den See herum lagen, mussten von ihren Bewohnern, soweit sie vom Landbau lebten, verlassen werden, da der Anbau von Korn, welcher sonst in dem abgebrannten Röhricht der Seeufer stattfand, un- möglich geworden ist. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Dr. M;i .ximil i an Nitze, Privatdocent für Harn- und Blasenleiden zu Berlin zum ordentlichen Professor. Es habilitirten sich: Dr. Schwarzmann für Mineralogie in Giessen; Dr. K. Steinbrück für Landwirthschaftslehre in Halle; Dr. K. Boehm für Mathematik in Heidelberg. lu den Ruhestand tritt: Ordentlicher Professor der tech- nischen Mechanik O. Mohr an der technischen Hochschule in Dresden. Es starben: Prof. Wilhelm Wagner, Leiter des Knapp- schaftslazareths in Königshütte; Dr. Arthur Hanau, früher Docent der pathologischen Anatomie in Zürich, zu Konstanz. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Georg Hörmann, „Die Continuität der Atomverkettung' ein Strukturprincip der lebendigen Substanz." Mit 32 Ab- bildungen im Tijxt. (iustav Fischer. Jena 1899.— Preis 3 M. Verf. will durch Untersuchung der Vorgänge in der Nerven- leitung, der Muskeln, der sogenannten elektrischen Platte mancher Thiere, der Zelle die chemische Continuität der organischen Sub- stanz erweisen und so die von Pflüger und Montgomery vertretene Ansicht stützen, dass der Organismus nicht nur durch die stetige Wechselwirkung seiner Theile, der ihn zusammensetzenden Moleküle eine Einheit darstelle, sondern dass er, soweit er lebt, selbst ein einziges, grosses, molekulares Ganzes sei. F. G. Ueber die Austrockimng de.s Ngami-Seees in Süd- afrika berichtet die „Geographische Zeitschrift" (1900, S. 343). Während Liviugstone im Jahre 1849 an dieser Stelle noch eine ca. 800 qkm grosse Wasserfläche an- traf, breitet sich jetzt dort nur ein ungeheurer, schilf- überwachsener Sumpf aus. Die Austrocknung, die nament- lich in den letzten 10—12 Jahren so weiten Umfang angenommen hat, soll theilweise künstlich, aber unab- sichtlich, durch Verstopfung des Taoge-Flusses, des ünter- laufes des Okawanga, der den Hauptzufluss bildete, herbeigeführt sein. Die Makoba nämlich, die ihren Tribut an Korn auf Schilfflössen den Taoge abwärts nach Na- kona zu befördern pflegen, Hessen alljährlich eine grosse Anzahl dieser Flösse an ein und derselben Stelle im Flusse liegen. Im Lauf der Zeit bildeten sich so ober- F. Gerstung, Pfarrer, Glaubensbekenntnis eines Bienenvaters. Versuch einer Versöhnung der natürlichen und göttlichen Welt- und Lebensauffassung. Paul Wachel. Freiburg i B. u. Leipzig 1900. - Preis 1 Mk. Der Titel der Schrift lässt über den Inhalt keinen Zweifel: Es ist die teleologische Naturbetrachtung, zu der der Verf. sich auf Grund seiner naturwissenschaftlichen Studien, besonders aber .«einer eingehenden Kenntnis» des Biens durchgearbeitet hat. Ucbrigens wird jeder, der auch auf ganz anderem Standpunkte steht, das Büchlein wegen des darin sichtbaren warmen Interesses, der feinen Entwickelung, der gesunden Beurtheilung der psychi- schen Dinge gern lesen. F. G. Prof. Dr. E. Frass, Die Triaszeit in Schwaben. Ein Blick in die Urgeschichte an der Hand von ß. Blezingers geologischer Pyramide. Mit Abbildungen. Ravensburg, Verlag von Otto Maier, 1900. - Preis 1,20 Mk. Der Autor führt in einer für jeden naturfreundlichen Laien verständlichen und fesselnden Weise in ein geologisches Wissens- reich ein, das sonst fast nur dem Gelehrten zugänglich ist. Die äusserst ansprechende, lebendige Darstellung jener Sandstein- Muschelkalk- und Keuper-Trias, die unter den geologischen Formationen Süddeutschlands die weitaus grösste Bodenaus- dehnug hat, nimmt ihren Au.=gangspunkt von der bekannten geo- logischen Pyramide auf der Wilhelmshöhe bei Crailsheim, die als einzig dastehende Sammlung der dortigen Triasfossilien das Ent- zücken jedes Kenners bildet. Durch diese Exemplilication, sowie die verschiedenen hübschen Illustrationen wird die Lebendigkeit der an sich angenehm lesbaren naturwissenschaftlichen Schilde- rungen noch ganz wesentlich gefördert, und so ist diese äusserst interessante Broschüre Jedem, der sich über die Urgeschichte der Erde, über Werden und Vergehen, mit allen den wechselvollen Naturerscheinungen unterriciiteu lassen will, bestens zu em- pfehlen. phil. ihalt: D Esperai des Ngami-S' et med. Eo bert Leli mann- Nitsche: Zur Vorgeschichte der Entdeckung von Grypotherium bei Ultima Dr. H. Buss: Ueber Riechstotf-Aldehyde. — Ueber die Thätigkeit der Malariaexpedition. — Austrocknung ä. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. Georg Hörmann, „Die Continuität der Atomverkettung ein .Strukturprincip der lebendigen Substanz." — F. Gerstung, Glaubensbekenntniss eines Bienenvaters. — Prof. Dr. E. Fräst, Die Triaszeit Naturwissenscliaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 35. Herdcrsche Verlasrshandliing, Freiburg i. Br. Soeben ist erschienen und durch alle Buchhandlung'en zu beziehen : Elementares Lehrbuch der Physik Ten' neuesten Anschauiinsen für höhere Schulen und zum Selbst- unteiTicht. Von Ludwig Dressol S. J. Zweite, vermehrte und vollständig umgearbeitete Auflage. Zwei Abteilungen. Mit 589 in den Te.xt gedruckten Figuren, gr. 8". (XXIY u. lÜ2i; S.) M. 15; geb. in Halbleder M. IG. Beide Abteilougeu bilden ,ln der Flut von Lehrbücbern der Physik welche in den letzten Jahren den Büchermarkt überströmte, nimmt dieses Werk einen der ersten Plätze ein. Klarheit und Schürfe der Darstellung, Präzision und Bestimmtheit dn.s Aus- druckes erfreueu den Leser ebenso wie die Reichbaltigkeit des Inhalts. Ueberall arbeitet der Verfasser mit den neuesten AnschauuuKeu in ebenso geschickter wie glücklicher Weise. . . ." (Zeitschrift für Naturwissenschaften, Halle a S. ü. d. I. Aufl ) Ferd. Dflmmlers Yerlagsbuchhandlnng in Berlin SW. 12. Lehrbuch der Potentialtheorie. Allgemeine Tbeorle des Potentials und der Potentialfunktionen im Raums. Von Dr. Arthur Korn. PrivatJozent an der königi. Universität München. Mit 94 in den Text gedruckten Figuren. 27 Bogen gross Octiiv. Preis i) .11k.. gebutideii 10 Mlv. PÄTENTBUREAU airich R. >laerz Jnh.CSchmidtlpin.Jngenieur Berlin NW., Luisenstr.22. llidiiiiiiiUy (jratis u" 1 franko iefern wir den 3. Sfaclltrag Juli 1897 bis Juni 1S99) 7.n inserem Verlagskatalog. Ferd Dümmlers Verlagsbuchli., Berlin SW. 12, Zimmerstr. 91. Ferd. Dümmlers Yerlagsbuchhaiulliintr in Berlin S\V.12. Juüen Offray de Lamettrie. Sein Leben und seine Werke. J. E. Poritzky. 3(54 S,.it.n '^" Preis ireheftet 4 M.-irk. t;vhiindpn h M.irk. Ferd. I>iininilers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. aödyH orJBJ"'"» — porwtlitn eafftottctt giiflt«>r'<|ri«! Irllj 5ii9flf»«(lt ^OEntcutt Eines iratrdicn ,♦ . . 4r:„v^„i.«„^ 892 gtHcn gtoS ^Mav. - ?rtis cftg. ptB. 1 188. Der tBtrfalltr, btt oor «utscm Bon (tinec 3)ti(c liiti Mt (Jrbt »uciidotfcbrt ifl, flllilbttt im Wabmcn citifr fponnenbtn ffirjäHuna Soilb unb Ccule in (Sbino, sumal im ntutn b™t(*eii ®cbitl bn- I |u bfjitijen Durd) auf gudiliatitilimijfn. || ♦♦♦♦♦♦*♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦ $erli. f ümmlers gfrlflgsbudjtjanMiiug in f rrltit SW. 12. ♦ j Um die Crde in Vort \a^7ß. \ ♦ 5ßon ♦ X ^itttl ^inixnlterg. 1 ♦ iflit 54» 3Uu(lrotionen. 1044 Seifen, gr. S». ♦ J 2 ».Phnbc. 65ct)cftct 12 Wnrt, clcflniit Hft""iScii 16 TOart. J « ^ 3" bejiclien burtS oUc !öud)t)anblungeii. ^ « Die Insekten -Börse internationales Wochenblatt der Entomologie ist für Entomologen und Naturfreunde das hervorragendste Blatt, welches wegen der be- lehrenden Artikel, sowie seiner internationalen und grossen Verbreitung betreffs Ankauf, Ver- kauf und Umtausch al.er Objocte die weit- gehendsten Erwartungen erfüllt, wie ein Probe-Abonnoment lehren dürfte. Zubeziehen durch die Post. Abonnements - Preis pro Quartal Mark 1..50, für das Ausland per Kreuzband durch die Verlags -Buchhandlung Frankenstein & Wagner, Leipzig, Salomon- strasse 14, pro Quartal Mark 2.20 = 2 Shilling 2 Pence = 2 Fr. 75 Cent. — Probenummern gratis und franco. — Insertionspreis pro 4gespaltene Borgiszeile Mark — .10. Ferd. Dfimmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. Vi. Lehrbuch (ier Pflanzenpalaeontologie mit besonderer Rücksicht auf die Bedttrfaipse des Geologen. H. 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Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Auftrüge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinlcunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Qnellenangahe gestattet. Geschichte der Sternschnuppenastronomie und ihre Entwickelung bis zum jetzigen Standpunkte. Von Adolf Hnatek in Wien. Wenn man an einer bedeutsamen Wende angelaugt ist, so wendet man oft gern .seine Bliclie zurück in die Vergangenheit, um den langen Weg, den man bereits zurückgelegt hat, abzuschätzen und aus den Verirrungen, denen man während der mühevollen Wanderung ausgesetzt war, zu lernen und Nutzen zu ziehen. So dürfte es auch nicht unpassend scheinen, wenn wir jetzt an der Wende eines Jahrhunderts stehend, in raschem Laufe vergangene Zeiten durcheilen, um zu sehen, wie sich unsere Kenntnisse nach und nach erweitert haben. Sternschnuppen waren natürlich zu allen Zeiten ge- sehen worden und so könnte man sagen, dass die Meteor- astronomie zum Mindesten ebenso alt sei, wie die Himmels- kunde überhaupt. Thatsächlich hatten auch die Chinesen schon im grauen Alterthum derartige Erscheinungen, allerdings nur solche besonders auffallender Natar, ver- zeichnet, doch die Zopfträger waren und sind vielleicht auch noch heutzutage nicht das Volk dazu, sich aus einer Beobachtung viel Gedanken zu bilden und viel nach der Ursache einer wahrgenommenen Erscheinung zu fragen. Uebrigens verlief auch sonst das ganze Alterthum ziem- lich trostlos und nur selten hatte das Fallen eines Meteor- steines zu weitgehenderen Schlüssen Anregung gegeben; man war eben zu sehr an die mythologische Sprache ge- wöhnt und fahndete überall nach dem üebernatUrlichen. Nur in Griechenland, wo die philosophischen Schulen und ihre berühmten Meister herrliche Blüthen des Meuschen- geistes zu Tage förderten, wo man das Causalitätsprinzip als obersten Grundsatz alles Seins bereits richtig erkannt, wenngleich auch nicht immer in einwandfreier Form an- gewendet hatte, finden wir Spuren, welche man füglich als die ersten Anfänge einer Meteorastronomie als ziel- bewusstcr Forschung nehmen könnte. Der im Jahre 466 v. Chr., also ungefähr zur Zeit der Ge- burt des Sokrates, zu Aegos Potamos gefallene Meteorstein, welcher noch 500 Jahre später als Sehenswürdigkeit ge- zeigt wurde, gab dort Anlass zu ernsterem Nachdenken. Anaxagoras scliloss, dass alle Sterne grosse Steine seien, die durch ihr Glühen in der Feuerregion sichtbar werden, und andere Philosophen, wie Diogenes Laertius, sowie der italienische Naturhistoriker Plinius, schreiben ihm so- gar die Meinung zu, dass dieser Stein aus der Sonne ge- fallen sei. Die Sternschnuppen aber sah man meist für atmosphärische Gebilde an und Hess sie auch in unserer Lufthülle entstehen. Im Mittelalter, wo die ganze Wissenschaft zu sehr unter dem Banne der Kirche stand und , freie Wissen- schaft und freie Lehre" noch ütopieen waren, die zu träumen man damals nie gewagt haben würde, befand sich auch die Slernschnuppenastronomie iu einem trost- losen Zustande. Der grosse Kepler hielt die Stern- schnuppen für terrestrische Ausdünstungen, welche sich wieder condensirt haben, um sich dann zu entzünden. Wenn er weiter behauptet, dass sich einige gänzlich ver- zehren, während andere, welche zu gross und compact sind, bis zur Erdoberfläche herabkommen, so hat er ja mit dieser letzteren Ansicht das richtige getroffen. Aber schon gab es auch Männer, welche den Meteoren einen kosmischen Ursprung zuschrieben. Hevel, Wallis, Pringle, Rittenhouse und andere waren es, welche diese Ansicht zuerst aussprachen. Als 1686 eine grosse Feuerkugel erschien, meinte Halley, der Berechner des berühmten nach ihm benannten Kometen, dass es im Weltraum sehr viel zerstreute Materie gebe, welche gegen die Sonne zu- stürze, sich verdichte und so beim Zusammentreffen mit der Erde die Erscheinung der Sternschnuppen gebe. Er 422 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 36. Iiatte aber mit dieser richtigen Vorstelking wenig Erfolg. Etwa 100 Jahre später, 1783, machte neuerdings Mas- kelyue auf die grösseren Feuerkugeln aufmerksam, die er als kleine Kometen betrachtet wissen wollte. Ungefähr 20 Jahre vorher, im Jahre 176-2, war über Nordostdeutschland eine grosse Feuerkugel erschienen, und hatte J. E. Silberschlag, einem Prediger zu Berlin, Anlass geboten, deren Berechnung zu versuchen. Ob er davon Kenntniss hatte, dass schon ein Jahrhundert vor- her Montanari und DörfFel die Höhe einer Feuerkugel (dieselbe war am 31. März 1676 über Bologna gezogen) berechnet und zu 40 italienischen Meilen gefunden hatten, ist nicht bekannt. Da aber diese beiden letzteren aus der grossen Höhe auf einen kosmischen Ursprung schlössen, während Silberschlag meinte, dass die auf den Schlacht- feldern liegenden Cadaver und deren Ausdünstung die Feuerkugel von 1762 hervorgerufen haben, so scheint es eher, dass ihm die Arbeit der beiden anderen nicht be- kannt war, da er sonst vielleicht die Ansicht der beiden anderen acceptirt hätte. Silberschlag fand, dass die Kugel bei Beginn ihrer Sichtbarkeit 19 geogr. Meilen (141 km) über der Stadt Zeitz und beim Erlöschen nur mehr 4,5 geogr. Meilen (33 km) über Falkenrehe bei Potsdam gestanden habe. Auch den Durchmesser des Meteors giebt er zu 503 Toisen (980.3 m) an, doch ist derselbe jedenfalls durch die Irradiation entstellt und viel zu gross. Im achtzehnten Jahrhundert war man überhaupt der Ansicht, dass die Meteorsteinfälle nur auf Sinnestäuschungen beruhen. So geschah es bei dem Falle Hraschina vom 26. Mai 1751, dass man ein Protokoll, das sofort nach dem Steinregen aufgenommen worden war und von dem erzbischöflichen Consistorium zu Agrara mit seiner ganzen Autorität vertreten wurde, nur geringschätzig belachte. Nicht viel besser ging es der Gemeinde Juillac anlässlich des Meteorsteinfalles vom 24. Juli 1790. Eine Urkunde, die von der Municipalitätsbehörde aufgenommen und mit etwa 300 Unterschriften durchwegs glaubwürdiger Per- sonen versehen nach Paris an die Akademie der Wissen- schaften gesendet worden war, veranlasste damals Bertholon zu dem Ausspruche, dass eine Stadt, die einen so thörichten Maire habe, der fähig sei, solchen Märchen Glauben zu schenken, nur zu bemitleiden sei. Da kam das Jahr 1794 und mit ihm Chladni's Ar- beit „Ueber den Ursprung der von Pallas gefundenen und anderer Meteorsteinmassen", in welchem zuerst die kos- mische Theorie der Feuermeteore und Sternschnuppen aufgestellt und mit allem Nachdruck durch Zusammen- halten beobachteter Thatsachen und vollgiltiger Beweise vertreten wird. In dieser, sowie der 1819 erschienenen Schrift „Ueber Feuermeteore und die mit ihnen herab- gefallenen Massen" nimmt Chladui die Identität der Stern- schnuppen, Feuerkugeln und Meteoriten an und weist so- gar schon auf einen Zusammenhang mit den Kometen hin. Er meint, dass der Weltraum mit Materie erfüllt S£i — wie wir oben gesehen haben, hatte dies schon Halley behauptet — und stellt sich dies auf eine Art und Weise vor, wie wir sie in den nicht auflösbaren Nebelflecken erblicken. Die Kometen selbst seien nur compacter und und von geringerer Ausdehnung als die Nebelflecke. Boliden, Sternschnuppen und Kometen sind ihm im Grunde dasselbe, nur können die ersteren möglicher Weise auch durch Zertrümmerung irgend eines grösseren Körpers oder Gestirnes entstanden sein. Später trat auch Olbers für die Ansicht ein, dass die Boliden durch den Zusamnieu- stoss kleiner Planeten erzeugt würden. Nach dem Meteorfall von Siena (1794, Juni 16) und Woldcottage in Yorkshire (1795, Dec. 13) traten sofort die Deutschen und Engländer auf Seite Chladni's, wäh- rend die Franzosen und Schweizer auf ihrem alten Glauben oder eigentlich Unglauben beharrten. Der Meteorstein- fall, der sich am 26. April 1803 zu L'Aigle in Frankreich ereignete, sollte endlich auch hier einen Umschwung ein- leiten. Nach langem Zögern und vielem Hin- und Her- Erwägen wurde endlich Biot von der Pariser Akademie der Wissenschaften abgesendet, um die Untersuchungen über das unglaubliche Ereigniss zu pflegen. Nach seinem Berichte konnte man unmöglich mehr von Hirngespinnsten oder gar Lügengeweben sprechen. Aber besser war die Sache noch lange nicht geworden. Man war nun vor das Dilemma gestellt, entweder anzunehmen, dass die Meteore sich in der Erdatmosphäre bilden, oder dass sie gleichsam als Sendlinge ferner Welten aus dem Welt- räume zu uns kommen, so wie es Chladni vor 10 Jahren gefunden hatte. Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahr- hunderts hinein standen sich diese zwei Ansichten gegen- über, noch lange gab es Forscher, welche der ersteren Vorstellung huldigten, uud durch keinerlei theoretische Erwägungen dahin zu bringen waren, den kosmischen Ursprung zuzugeben. Allerdings hatte man nun bereits Variationen in der Häufigkeit der Sternschnuppen ent- deckt, welche sich streng an die Tagesstuuden an- schlössen und nur zu geneigt machen mussten, dem Phänomen einen terrestrischen Ursprung zuzuschreiben. Cüulvier-Gravier stellte noch 1859*) die meteorologische Theorie der Sternschnuppen auf, die dann von Chapelas weiter vertreten wurde. Im Jahre 1861 leistete sich neuerdings Kesselmayer eine Arbeit**) über den Ursprung dieser Gebilde, in welcher er dieselben gar als Con- deusationsprodukte der Gase aus den Vulkanen der Erde darstellt uud sie sich in der Höhe wieder entzünden lässt. Er wurde so zu einem Verfechter Kepler'scher Ansichten. Noch später, in den Jahren 1868***) und 1869 t) schrieb R. Brück zwei Arbeiten über denselben Gegenstand, in welchen er einen Zusammenhang der Sternschnuppen- thätigkeit mit den Variationen des Erdmagnetismus und damit den wahren Ursprung der Meteore entdeckt haben wollte. Den Verfechtern der meteorologischen Ansicht standen diejenigen gegenüber, welche für einen ausserhalb der Erde gelegenen Ursprung stimmten und unter diesen gab es wieder solche, welche die Meteorsteine als Steine aus dem Monde ansahen. Zwar hatte Olbers berechnet, dass ein Stein mindestens mit einer Geschwindigkeit von 8000 Fuss aus den Mondvulkanen herausgeschleudert werden müsste, damit er bis an den Punkt gleicher Anziehung zwischen Erde und Mond und über denselben hinaus gelangen könnte, so dass er dann auf die Erde stürzen müsste, doch fehlte es, trotzdem man wohl hätte bemerken können, dass diese Geschwindigkeit von keinem irdischen Vulkan und daher aus Aualogiegründen auch wahr- scheinlich von keinem Mondkrater erzielt werden kann, doch noch immer nicht an Männern, welche diese absurde Idee weiter vertraten. Es klingt fast wie Hohn auf die bis dahin schon errungenen ^Entdeckungen auf diesem Gebiete, wenn wir lesen, dass noch im Jahre 1839 Benzen- berg, den wir zufolge seiner in Gemeinschaft mit Brandes unternommenen Beobachtungen als einen der Begründer der beobachtenden Meteorastronomie betrachten müssen, eine Schrift herausgab unter dem Titel „Die Stern- schnuppen sind Steine aus dem Monde". Als dann die Periodicität gewisser Sternschnuppen- schwärme erkannt worden war und die grossartigen *) Recherchos siir les metijores et sur les lois, (|ni li'3 rc'- gisäent. **) Ueber den Ursprung der Meteoriton. ***) L'origine des titoiles filantns. t) Etude sur la iilij'siqne du globe. XV. Nr. 36. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 423 jnischen Geb.äude Schiaparelli's, Weiss', Herscbels und aüderer unter Zuhülfeuahme grossen mathematischen Formeimateriais aufgerichtet worden waren und die Sicherheit der neuen Vorstellungen vom kosmisclien Ursprung dargethan hatten, konnten sich jene alten Meinungen nicht mehr lange halten. Wenn noch im Jahr 1867 Quetelet*) eine Idee Poissons**) ans dem Jahre 1S,S7 weiter ausführte und sagte, die Atmosphäre der Erde sei in grösseren Höhen geeigneter für die Entstehung der Nordlichter und das Aufflammen der Sternschnuppen, so hat diese Arbeit, welche zwar die meteorologische Theorie vertritt, sich aber mehr mit der Zusammensetzung der Lufthülle in grösseren Höhen befasst, wohl mehr meteorologisches, denn astronomisches Interesse, üeber- haupt waren Nordlichter und Sternschnuppen mehr als einmal zusammengebracht worden. Zuerst von Mairan, der den Ursprung der letzteren geradezu in den ersteren suchte, dann später im Jahre 1833 von Hitchcock und noch 1867 glaubte D'Arrest einen Zusammenhang zwischen den beiden Erscheinungen zu erkennen. Wir wollen nun diesen Gegenstand verlassen, um ihn dann später bei Besprechung der periodischen Stern- sehnuppenfälle wieder aufzunehmen, da die Kenutniss der bei den letzteren obwaltenden Verhältnisse für das Ver- stäudniss der neuen Theorien über die Entstehung der Meteore oder eigentlich über ihren Zusammenhang mit den Kometen unumgänglich nothwendig ist. Wir stehen im Begriffe jene Forschungen weiter zu verfolgen, welche gerade geeignet waren, die meteorologischen Theorien zu stützen, um dann zu sehen, wie auch diese ihre natürliche kosmische Erklärung finden konnten. Variationen der Sternschnuppenhäufigkeit. Am ehesten war wohl die sogenannte azimutale Variation entdeckt worden. Schon in frühester Zeit hatte man zu bemerken geglaubt, dass die Sternschnuppen, die in gewissen Nächten ganz besonders reichlich fallen, gerade am meisten in bestimmten Regionen des Himmels auf- leuchten und sich auch meist nach einer und derselben Richtung bewegen. Im Volke war diese Erscheinung schon länger bekannt und von ihm dem Einfluss des Windes zugeschrieben worden. Dieser Einfluss wurde früher überhaupt viel zu hoch geschätzt. Auch Humboldt und Arago waren der Ansicht, dass der Wind auf die Richtung der Meteorbahnen einen grossen Einfluss übe, (las grösste in dieser Hinsicht hat jedoch Coulvier-Gravier geleistet. Schiaparelli hat sich der Mühe unterzogen, die Geschwindigkeit der Stürme zu berechnen, welche die Wirkung hervorbringen könnten, die Coulvier-Gravier vermuthet hatte. Er fand dabei, dass solche Stürme eine 30 bis 40 mal grössere Geschwindigkeit haben müssten als die Erde bei ihrer Rotation, welche also in wenig mehr als einer halben Stunde eine Umdrehung ausführen müsste, um eine so rasche Bewegung zu erzeugen. Stürme von solch rasender Geschwindigkeit sind nicht einmal bei den schwersten Cyclonen beobachtet worden und gehören natürhch geradezu zu den Unmög- lichkeiten. Die Schweife der Sternschnuppen, welche dieselben häufig nach sich ziehen, sind diesem Einfluss viel mehr unterworfen, weil sie eben nebelartige Gebilde, ähnlich den Wolken, sind und auch eine viel grössere Dauer haben. Hier lassen sich die Verkrümmungen, die durch die in verschiedenen Höhen ebenso verschiedenen Luft- strömungen hervorgerufen werden, genau beobachten, besonders dann, wenn der Schweif längere Zeit sichtbar bleibt. Bei Gelegenheit dieser Untersuchung hat Schia- *) Meteorologie de la Belgique comparee ä celle du globe. **) Recherches sur la probabilite des jugemeuts. parelli auch den Einfluss der Erdrotation auf die Bahn- formen untersucht und gefunden, dass sogar zufolge dieser doch ohne Zweifel ungeheuer raschen Bewegung der Beobachter das Meteor nur unter einer äusserst leicht gekrümmten Linie herabfallen sieht, so dass am Ende der Bahn die Richtung der Sternschnuppe nur um etwa 37 von derjenigen verschieden ist, unter welcher sie die Erdatmosphäre betreten hat. Nach dieser kurzen Ab- schweifung kehren wir wieder zum ursprünglichen Thema zurück. Schon am 9. August 1799 hatte Brandes zu bemerken geglaubt, dass die Meteore in merklich parallelen Linien herabfallen. Im Jahre 1804 trat er der Ansicht einiger anderer entgegen, welche behauptet hatten, dass die Sternschnuppen in der Richtung des magnetischen Meri- dians fallen, und meinte, sie kämen vorzugsweise aus Nordost, um sich gegen Südwest zu bewegen. Aber noch in demselben Jahre erkannte er die azimuthale Variation, welche natürlich von allen Speculationen über Parallelis- mus der Meteorbahnen und dergleichen grundverschieden ist, und betonte dieselbe 1822 neuerdings. Diese Variation besteht darin, dass abends die meisten Meteore aus Westen kommen oder, besser gesagt, am Westhimmel aufleuchten, gegen Mitternacht die meisten am Nord- und Nordosthimmel und gegen Morgen mehr in den südöst- lichen Regionen des Himmelsgewölbes erscheinen als anderswo. Coulvier - Gravier und Schmidt haben diese Variation später durch sorgfältige Zählungen nur bestätigen können und haben sehr genaue Mittelwerthe aufgestellt, aus denen sich ergiebt, dass überhaupt viel mehr Meteore aus den östlichen Himmelsgegenden kommen, als aus den westlichen und von dort wieder mehr als aus den nörd- lichen Theilen des Himmels. Schon im Jahre 1825 gab Brandes an, wie man diese, sowie auch einige andere gleich zu besprechende Variationen der Sternschnuppen- thätigheit leicht und sicher erklären könne, und wies zwei Jahre später, 1827, neuerdings darauf hin. Zehn Jahre darnach, 1835, ersuchte Arago die Marineoffiziere, den Sternschnuppen mehr Beachtung zu schenken und äusserte ähnliche Gedanken wie Brandes. Wir wollen nun den Ausführungen Schiaparelli's folgen, welcher die Erklärung der azimuthalen, sowie einiger anderer Vari- ationen der Steruschnuppenhäufigkeit zum Gegenstände einer theoretischen Untersuchung gemacht hat.*) Nehmen wir an, die Erde bewege sich in einem mit ruhender, aus kleinen, meteorähnlichen Körperchen be- stehender Materie erfüllten Räume fort, so wird sie diese kleinen Theilchen nur auf derjenigen Seite auffangen, welche in der Richtung der Bahnbewegung gelegen ist, also auf der Vorderseite. Aber nicht alle Theile dieser in der Richtung der Bewegung gelegenen Halbkugel werden gleichviel Meteore erhalten, da die Neigung der auffangenden Fläche vom höchsten Punkte dieser Hemi- sphäre bis zum Rande fortwährend wächst. Nehmen wir die^e Neigung als den Winkel, den der jeweilige Theil *) Schiaparelli, luit zahlreiche Abhandlungen über Meteore verötientiicht, von denen wir hervorheben: Schiaparelli, lutoriio al corso ed all' origine probabile delle stelle meteoriche Roma I86I3 und 18G7. — Note e Riflessioni sulla teoria astronomica delle stelle cadenti (Mem. della societä italiana delle scienze. Firenze 1867.) — Sulla velocita delle Meteore cosmiche nel lero movimento a traverso dell' atmosfera terrestre (Rendiconti del Reale instituto Lombarde di scienze e lettere 1868.) — Ossevvazioni generali sulla forma delle radiazioni mete- oriche (Rendiconti etc. 1870.) — Alcuni risultati preliminari tratti dalle osservazioni delle stelle cadenti (Effemeridi astron. di Milano 1890.) Die Resultate dieser Arbeiten und der Ergebnisse, zu denen andere Fachmänner gekommen sind, hat Schiaparelli vereinigt in der Schrift: „Entwurf einer kosmischen Theorie der Sternschnuppen", Deutsch von Georg von Boguslawski 1871. 424 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 36. der Erdkugel mit einer Ebene, welche senkrecht auf die Richtung der Bewegung eonstruiert ist, einschliesst, so nimmt die Zahl der Meteore nach dem Rande der Hemi- sphäre hin, wie eine leichte Ueberlegung zu zeigen geeignet ist, mit dem Cosinus dieses Neigungswinkels ab. Man nennt die Richtung, gegen welche sich die Erde in jedem Momente hewegt, also die Richtnng der Tangente an die Erdbahn in dem jeweiligen Erdort, den Apex der Erdbewegung, und es wird also ein beliebiger Ort der Erde dann die meisten Meteore aufleuchten sehen, wenn der Apex die grösste Höhe über dem Horziont erreicht hat. So ist also die Lage des Apex ein Kriterium für die Häufigkeit der Sternschnuppen und für die Richtung in der man die meisten Meteore zu erwarten hat. Aller- dings haben wir ursprünglich wegen des leichten Ver- ständnisses vorausgesetzt, dass die die Erde umgebende meteorische Masse ruhend sei, doch ist klar, dass im Falle einer Eigenbeweguug der Meteore die Verhältnisse zwar etwas verwirrt und undeutlicher werden, aber immerhin noch so lange erkennbar bleiben müssen, als die Meteorbewegnng mit derjenigen der Erde vergleichbar bleibt. In den ersten Abendstunden, wo die Sonne unter dem Westhorizont steht, liegt der Apex, der sich immer ungefähr 90" westlich von der Sonne befindet, unter dem nördlichen Horizont, daher die meisten Sternschnuppen im Norden und Westen aufleuchten werden. Gegen Mitternacht, wo die Sonne gegen Norden steht, hat sich der Apex gegen Osten weiterbewegt, woraus wieder unmittelbar folgt, dass die zahlreichsten Meteore werden am Nordosthimmel sichtbar werden. Während die Sonne dem Aufgang zueilt, hat sich der Apex bereits hoch über den Südhimmel erhoben und dort wird man nun auch die meisten Sternschüuppen erblicken können. So einfach lässt sich die azimuthale Variation erklären, welche ein gut Theil mitgewirkt hat, den Vertretern der meteorolo- gischen Hypothesen über den Ursprung der Meteore und Meteoriten ihren Anhang zu sichern. Wir wollen nun sofort versuchen, an der Hand einer weiteren Anwendung des eben Gesagten die zwei anderen Variationen zu finden, welche solange räthselbaft erschienen waren und so abenteuerliche Erklärungsversuche hervor- gerufen hatten. Es ist leicht einzusehen, dass die Zahl der Meteore innig zusammenhängen wird mit der Höhe, welche der Apex über dem Horizont erreicht, das die- selbe grösser sein wird, wenn der Apex hoch über uns steht, als wenn er nur einen geringen Gesichtswinkel mit der Horizontalen einschliesst. Nun befindet sich, der Apex, wie wir schon oben gesehen haben, um 6 Uhr abends ungefähr dort, wo die Sonne um Mitternacht steht, also tief unter dem Nordhorizont, gegen Mitter- nacht ist er am Osthimmel, entweder dem Aufgang nahe oder gar schon aufgegangen und in den Morgenstunden wandert er empor am Südhimmel, um seinen höchsten Punkt gegen 6 Uhr morgens zu erreichen. Es wird iilso auch die Aussicht, eine Sternschnuppe aufleuchten zu sehen, zu dieser Zeit weitaus grösser sein, als während der Abendstunden, wo der Apex seinen Weg unter dem nördlichen Horizont nimmt. Wir haben damit eine weitere Eigenthümlichkeit, die sogenannte „tägliche Variation gefunden und erklärt. Ebenso einfach wird sich uns die dritte Variation ergeben. Da die Bewegung der Erde stets in der Ebene der Ekliptik vor sich geht, so wird auch der Apex, oder wie ihn Valentiner*) nennt, die „meteorische Sonne" ebenfalls immer in der Ekliptik gelegen sein und, wie wir oben gesehen haben der Sonne um circa 'Jü" voraufgehen. Nun *) Kometeu und Meteore stehen aber in der ersten Jahreshälfte garade jene Stern- . biider des Thierkreises in den Nachtstunden am Himmel, welche die geringste Höhe über dem Horizonte erreichen, daher wird sich auch der Apex nur wenig über denselben erheben. Im Herbst findet gerade das entgegengesetzte statt, hoch über unseren Häuptern leuchten die schönen Sternbilder des Stieres, des Löwen, der Jungfrau u. s. w. herab und führen den Apex ebenso hoch über unseren Horizont. In der ersten Jahreshälfte, wo also der Apex nur niedrig steht, werden daher bei weitem weniger Sternschnuppen aufleuchten, wie in der zweiten Jahres- hälfte, wo die „meteorische Sonne" ihre Culmination erreicht. Wir haben damit die dritte, sogenannte „jähr- liche Variation" gefunden, die nicht weniger Kopfzer- brechen verursacht hat, wie die beiden anderen. Die tägliche Variation, von welcher schon Brandes andeutungsweise gesprochen hat, wurde zuerst in sicherer Form von Lovering und Herrick im Jahre 1838 entdeckt und untersucht. Später wurde dieselbe wieder von Coulvier-Gravier'^'i, Seccho**), und Schmidt''**) auf Grund langer Beobachtungsreihen genau studiert. Wie bereits oben berührt worden, hatte schon im Jahre 182.'i Brandest) versucht, die gesammten Variationen in der Häufigkeit der Sternschnuppen ans der Combination der Bewegungen der Erde und der Meteore zu erklären, nun gab neuer- dings Herrick im Jahre 1838 eine strenge Erklärung der täglichen sowie auch der azimuthalen Variation auf Grund desselben Priucipes. Leider wurde Herricks verdienst- volle Arbeit bald wieder vergessen. Erst im Jahre 18.37 veröftentlichteBompasft) wieder eine mathematische Unter- suchung über die stündlichen Zahlen der Meteore, in welcher er die Verhältniszahlen gab, in denen die ein- zelnen Nachtstunden bezüglich ihrer Sternschnuppen- häufigkeit stehen. Allerdings mnssteer dabei beschränkende Annahmen machen und so gehen seine Zahlen eben nur unter der Voraussetzung, dass die Meteore im Räume gleichmässig vertheilt sind und von allen Seiten mit einer Geschwindigkeit herankommen, welche das Doppelte der- jenigen der Erde ist. Auf rein beobachtender Basis haben R. Wolf, Quetelet, Coulvier-Gravier, Schmidt und llerrick die mittleren stündlichen Zahlen bestinmit und übereinstimmend gefunden, dass gegen Morgen durch- schnittlich ungefähr dreimal mehr Meteore sichtbar werden als in den Abendstunden. Wenn diese Eigenthümlichkeit bei einer als ausserirdisch angenommenen Erscheinung befremdend wirkte und Männer wie Coulvier-Gravier, Quetelet und andere zur Annahme der meteorologischen Theorie bewog, so kann uns dies bei einem ebenso streng an die Tageszeiten gebundenen Phänomen, wie es nur bei den meteorologischen Vorgängen der Fall zu sein pflegt, kaum noch Wunder nehmen; war doch auch Humboldtftt), der ein sicherer Anhänger und Vertreter der kosmischen Theorie blieb, beinahe der Ansicht, dass die frühen Morgenstunden aus irgend einem uns noch unbe- kannten Grunde, dem Aufleuchten der Sternschnuppen ganz besonders günstig seien. Schon lange Zeit war dem Volke bekannt, dass nicht zu allen Jahreszeiten die Zahl der Sternschnuppen gleich gross sei, aber erst zu Anfang des neunzehnten Jahr- hunderts hatten sieh die Astronomen dieser durch Volks- *) Coulvier-Gravier et Saigey: lutroduction historuiue sur les litoiles filantes. Coulvier-Gravier: Recherches sur les uieteores et sur les lois, qui les regissent. **) BuUetiuo meteorologico 1866. ***) Schmidt: Astronomische Beobachtungen über Meteor- bahnen und deren Ausgangspunkte. t) Brandes: Beobachtungen iibei- die Sternschnuppen 1825. Vorlesungen über Astronomie, 1827. tt) Monthly notices etc. Vol. XVII. ttt) Kosmos 1850 pag. 612. XY. Nr. 36. NaturwissenschaftKohe Wochenschrift. 425 beobachtung festgestellten Thatsache bemächtigt und die- selbe zu erklären gesucht. Während die einen meinten, die kalten Nächte seien für die Bildung der Sternschnuppen günstig, behaupten andere, unter ihnen noch im Jahre 1821 der Physiker Burnc}', die Sommerhitze allein be- wirke, dass im Sommer mehr Meteore aufleuchten. Im Jahre 1823 sprach Brandes das Wesen dieser Variation zum ersten Male in correcter Weise dahin aus, dass die Zahl der Meteore im Frühjahr bedeutend geringer sei als im Herbst. Biot bestätigte daraufhin diese Tiiatsache aus den alten chinesischen Aufzeichnungen. Die bekannten Statistiker der Meteorastronomie Coulvier-Gravier, Schmidt, Heis und Wolf haben auch hier wieder aus langjährigen Beobachtungszeichen die Rclativzahlen für die einzelnen Monate des Jahres bestimmt. Eine im Jahre 1864 von AI. Herschel*) angestellte theoretische Untersuchung giebt eine äusserst gute Uebercinstimmung mit den Beobach- tungen unter der Annahme, dass die Meteore den Raum mit derselben Geschwindigkeit durcheilen wie die Erde, (ileich im nächsten Jahre versuchte Newton**) und im Jahre 1866 Schiaparelli***) die Theorie auf das umge- kehrte Problem anzuwenden, und bestimmten die.selben diejenige mittlere Geschwindigkeit, welcher die Beobach- tungen über die relative Häutigkeit der Sternschnuppen zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten entsprechen. Beide fanden übereinstimmend, ungefähr die parabolische Geschwindigkeit. Die Theone verlangt, dass sich die Verhältnisse für die südliche Halbkugel der Erde gerade nmkehren, dass also dort im Frühjahr mehr Sternschnuppen fallen wie im Herbst. Neumayer hat diesbezüglich Be- obachtungen angestellt, aus denen jedoch die ümkehrung nicht deutlich genug hervorgeht. Seine Beobachtungen sind auch viel zu wenig zahlreich, um so subtile Unter- suchungen zuzulassen.!) Bevor wir zur Besprechung der periodischen Stern- scbnuppenschwärme übergehen, wollen wir noch mit wenigen Worten der Höhenbcstimmungen gedenken, welche schon von Chladni im Jahre 1794 in seinem oben citierten Buche vorgeschlagen und die bereits vier Jahre später von Brandes und Benzenberg unternommen wurden. Da diese beiden der damals allgemein verbreiteten Ansicht beipflichteten, dass die Sternschnuppen nur eine Art Wetterleuchten in Höhen von etwa 10 — 15 km seien, so wählten sie zwei nur ungefähr 8 km von einander ent- fernte ßeobachtungsorte. Aber schon die ersten gleich- zeitig au beiden Orten beobachteten Meteore belehrten sie darüber, dass die Höhe des Phaenomens viel zu gross sei, als dass sie bei so geringer Standlinie hätten sichere Resultate erzielen können. So vergrösserten sie die letztere nach und nach bis auf 15 km. Nun gelang es ihnen endlich ziemlich ausgedehnte Ergebnisse zu erreichen, trotzdem ihre Methode nur sehr ungenau war, da sie die Meteore nur in Sternkarten einzeichneten. Schon im Jahre 1839 wies Bessel nach, dass bei so geringer Genauigkeit aufsteigende Bahnen, das heisst, Stern- sehnuppenbahnen, deren Anfangspunkt niedriger gelegen ist als der Endpunkt, — Brandes und Benzenberg hatten mehrere solche gefunden — wohl nicht verbürgt werden können. Später, im Jahre 1868 nahm sich E. Weiss neuerdings der Sache an und fand, dass bei allen auf- steigenden Bahnen, gröbere Beobachtungsfehler oder falsche Combinationen nicht identischer Meteore unter- gelaufen waren. *) Monthly notices XXIV. **) American Journal of Science. **) Lettera prima al R. P. Secclii im Bulletino meteorologico. *t) Heis und Neumayer : Ueber Meteore aut der südlichen Halbkugel, 1867. Eine vollständige, kritische Zusammenstellung aller Höhenbestimmungen, welche in den Jahren 1798—1862 unternommen worden waren, gab Mitte der Sechziger- jahre H. A. Newton. Aus derselben geht für die Höbe des Aufleuchtens rund 1 18 km, für die des Erlöschens circa 82 km hervor. E. Weiss*) hat die entsprechenden Verhältnisse für die Augustmeteore gesondert untersucht und 117, resp. 87 km gefunden mit der Beschränkung, dass kein Meteor dieser Periode in grösseren Höhen als 180 km erscheine. Zahlreiche amerikanische Beobach- tungen vom November 1863 veranlassten H. A. Newton**) zu einer gleichen Untersuchung für diese Sternschnuppen- periode. Er fand 155, resp. 98 km. In neuerer Zeit hat man den Höhenbestimmungen wieder mehr Augenmerk zugewendet und wollen wir ihrer bei der Besprechung der photographischen Methoden nochmals gedenken. Ver- gleicht man die für die August- und Novemberperiode gefundenen Zahlen mit einander, so sprechen dieselben eine Verschiedenheit aus und die Vermuthung liegt nahe, dass die während verschiedener Perioden fallenden Stern- schnuppen auch andere Characteristika aufweisen. Dem ist auch in der That so. Ein aufmerksamer Beobachter wird finden, dass die Augiistmeteore fast blitzschnell dahinziehen und fast immer ziemlich hell, von weisslicher Farbe und meist von Schweifspuren begleitet sind, die eine Zeitlang nachdauern. Anders wieder steht es mit den gegen den 23. November fallenden Meteoren. Diese sind langsam und trägen Laufes, meist gelblich und be- sitzen selten eine grössere Helligkeit als die der zweiten Grössenklasse. Die Farben und Bahnformen sind vielfach unter- sucht worden. Ueber erstere hat besonders Schmidt***) der langjährige Beobachtungen angestellt hat, Unter- suchungen ausgeführt. Er fand so, dass unter 100 Meteoren gewöhnlich 62 weisse, 15 gelbe, 6 gelbrothe, 3 grüne, 14 nebelige gesehen werden. Die blaue Farbe bat Schmidt an Sternschnuppen niemals beobachten können. Unter Zezioli's Beobachtungen, 6853 an der Zahl, hat Schiaparelli t) nicht weniger als 104 krummlinige Bahnen gefunden und versucht, dieselben nach Analogie- schlüssen über die Bahnen der Geschosse aus gezogenen Geschützen und über die Wirkung des Bumerangs, einer von den Australiern gehandhabten Wurfvvaife, zu er- klären. Schon im Jahre 1837 meinte Olbersff), dass man gekrümmte und sogar aufsteigende Bahnen ganz gut aus der Wirkung des Luftwiderstandes erklären könne, und dass gekrümmte Bahnen geradezu ein Beweis für den Widerstand des Mittels seien. Die soeben erwähnte Arbeit über die Flugbahnen der Geschosse und ihre Geschwindigkeit hat Schiaparelli Gelegenheit gegeben, seine Untersuchungen weiter zu ver- folgen und unter Berücksichtigung des Luftwiderstandes die Geschwindigkeit zu berechnen, welche zwei Meteore, die mit den Geschwindigkeiten von 72 resp. 16 km in die. Atmosphäre eindringen, in den verschiedenen Schichten der Lufthülle annehmen. Er kam dabei zu dem inter- essanten Schluss, dass in einer Höhe, wo der Luftdruck ungefähr 20 mm beträgt, die Geschwindigkeiten beider Meteore nahezu gleich und ungefähr 500 m pro Sekunde geworden sind. Während Schmidt die Verhältuisszahlen bestimmte. *) Beiträge zur Kenntuiss der Sternschnuppen. Acad. der Wissenschaften, Wien 1868. *'■') American Journal of Science 11 Ser. Noi. XL. ***) Resultate aus zehnjährigen Beobachtungen über Stern- schnuppen. t) Entwurf einer kosmischen Theorie etc. tt) Schuhmacher's Jahrbuch 1837. 426 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 36. in welcher die einzelnen Grössenklasseu vertreten sind, beschäftigte sich AI. Herschel mit Untersuchungen, welche den Zweck hatten, aus der Lichtfülle der Sternschnuppen ihre j\Iasse zu bestimmen, und fand, dass es gewöhnlich nur winzige Körperchen von nur wenigen Gramm Ge- wicht seien, welche uns durch ihr Aufflammen sichtbar werden. Die genauere Besprechung dieser interessanten Untersuchungen würde uns hier viel zu weit führen und möge deshalb hier der Hiuwcis auf dieselben genügen. Der Leser, welcher darüber Belehrung sucht, wird die selbe in irgend einer populären Darstellung der Himmels- kunde finden.-) Wir wollen hier nur noch erwähnen, dass alle diese Untersuchungen, deren wir jetzt gedacht haben, ungefähr in den Anfang der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fallen. (SchUiss folgt.) *) Littrow. Die Wuudi'i- di-s Himmels, herausgegeben von Prof. Dr. Ed. Weiss; Valentine)-, Kometen und Meteore. Zur Vorgeschichte der Entdeckung von Grypotherium bei Ultima Esperanza. Von Dr. pliil. et med. Robert Lehm ann- Nitsche, Sectiouschef für Anthropologie am Museum zu La Plata. ni. Der Zeitpunkt des Aussterbens von Grypotherium. Niemand von allen, die sich mit den Resten aus der Höhle Eberhardt beschäftigt haben, ist im Zweifel über das relativ moderne Alter derselben. Trotzdem existirt das Thier jedenfalls nicht mehr und der frische Zustand der Präparate erklärt sich wohl durch die äusseren Be- dingungen, welche ähnlich günstig erhaltend gewirkt haben, wie für die Kadaver der Mammuth, die Reste der Moa, das Fell des irischen Eiesenhirsches*), die Weich- theile des diluvialen Lemmiug aus Portugal.**) Einen gewissen Schluss auf den Zeitpunkt des Aussterbens von Grt/pothcnam und überhaupt der sonstigen dazu ge- hörenden verschwundenen Fauna könnte mau aber in dem Falle ziehen, wenn sieh unter den einheimischen Sprachen noch der Name, das Wort für einen solchen Edeutaten erhalten hätte. Das ist nach der bisher bekannten linguistischen Litteratur zu schliesseu nicht der Fall. Auch die unter den Indianern cursierenden mir bis jetzt be- kannten Sagen bieten wenig Anhalt. Moreno '* p. 145 berichtet, dass, wie er 1884 in einer Höhle in der Nähe des Rio de los Patos in der Cor- dillere einige Ockermalereien gefunden habe, von denen eine nach seiner 7\nsicht einem Glyptodonpanzer gleicht***), — so ihm die Tehuelchen und Gennaken von einer Art seltsamen, hässlichen, behaarten Thieres erzählten, von dessen Existenz ihre Vorfahren die Erinnerung überlieferten, und dass ihm 1875 der alte Cacike Sinchel in der Nähe des Rio Negro eine Höhle, das vermuthliche Lager eines dieser Ungethüme, „Ellengassen"!) genannt, zeigte; die Indianer selbst jedoch ihm niemals berichteten, dass diese Thiere jetzt noch lebten. Nach Listaft) glauben die Tehuelchen, dass in der Sierra Carhuerhne (Territorium Santa Cruz) böse Geister und monströse Vierfüssler wohnen, welche einmal nach der Ueberlieferung eine ganze Indianerfamilie zerrissen, die auf der Rückkehr vom Charre (patagonischer Name für Lago Argentino) begriffen, zu Fuss nach der Meeresküste reiste. — Der Tehuelche-Cacike Kankel erzählte Santiago Roth^* p. 37 des öfteren nach der Ueberlieferung seines Grossvaters *) Dahms, Paul. Der Scheich des Nibelungenliedes. „Naturw. Wochonschr." XIII, 1898, p. 264. **) Nehring. lieber Myodes lemmus crassidens, var. nov. foss., aus Portugal. „Archiv füi Naturgeschichte", 1899, p. 175—182. — Barret-Harailton, s. Anhang A, '. ***) In der Litteratur finden sich bis jetzt keine Pictographien beschrieben, die man für eines der ausgestorbenen Thiere halten könnte. Das besagt durchaus nicht, dass solche noch nicht ent- deckt werden können. t) Bez. dieses Wortes Ellengassen konnte ich in den Wörter- büchern der einheimischen Sprachen nichts finden. tt) Lista, Ramon. Fragmento dol segundo viaje a los lagos del Payne (Andes Australes). „Anales de la Sociedad Cientifica Argentina", Tome 41, 1896, p. 336. von einem sehr wilden Thier am Lago Buenos Aires (Terr. Santa Cruz); es sei gefährlich, an den See heran- zugehen; wenn das Thier brüllte, rannten alle übrigen Thiere davon und einmal habe es seinem Grossvater, als er in der Nähe des Sees Strausse jagte, einen Trupp Pferde getödtet. Kankel selber hatte so grosse Furcht, dass er trotz aller Drohungen und Vorstellungen Roths nicht zu bewegen war, näher als 1 km sich diesem See zu nähern. Auch in den Sagen der Araukauer kommen fabel- | hafte Thiere vor, von denen die Leute keine klare Vor- stellung mehr haben. Der „alte Latrapai", an den sieh ein hübsches Märchen knüpft, welches der Araukaner Kalvün Rudolf Lenz mittheilte*), ist „ein räthselhaftes Un- , geheuer der Pampa, über das Kalvün nichts näheres j wuisste. Auch der Name war ihm unerklärlich. Herr ! Chiappa [ein Freund von Herrn Lenz] glaubt von au- j derer Seite den Namen Latripai gehört zu haben; das \ würde bedeuten, ,der Todte kam heraus.'" In dem gleichen Jlärchen**) figurirt ein wildes Thier, das im Araukanischen den spanischen Namen ,lofo toro' führt, das Lenz aber als „wilder Stier" [toro span. = Stier] übersetzt, da lofo das spanische Wort lobo (Wolf) zu sein scheint, welches auch als Adjectivum für unbändig, wild, zur Bezeichnung eines nicht domesticirtcu Thieres gebraucht wird und wildes oder verwildertes Rindvieh in den Abhängen der Cordilleren noch heute vorkommt. — In dem schon früher erwähnten Märchen, wo Löwe und Tiger zusammen auftreten***), erscheint auch ein ,chüpei toro't); auch diesen übersetzt Lenz mit „wilder Stier", obgleich der Indianer Kalvün eine genaue Erklärung nicht geben konnte; es soll ein stierartiges Ungeheuer sein. Nach Lenz hat wahrscheinlich auch hier das voll- kommen wilde Rindvieh der Cordilleren dazu Veranlassung gegeben. Was diese Sagen und Erzählungen der Eingeboreiien anbetrifft, so dürfte ihr Ursprung in den meisten Fällen auf Thiere zurückzuführen sein, dann aber moderne Thiere, wildes Rindvieh und namentlich der Jaguar {Felü onca L.) am ehesten in Betracht kommen, der ja unter den In- dianern überhaupt tt), Guaranis, Quichua etc., Veranlassung zu abergläubischen Vorstellungen gegeben hat und über- *) Lenz. Estudios Araucanos etc. p. 225. p. 225, Anm. 1. p. 325. — id. Araukanische Märchen etc. p. 31. p. 68, Anm. 5 (1). *"■■) Lenz. Estudios Araucanos etc. p. 228. p. 228, Anm. 9. — id. Araukanische Märchen etc. p. 33. p. 68, Anm. 5 (6). ***) Lenz. Estudios Araucanos etc. p. 196 ff. p. 319—320. — id. Araukanische Märchen etc. p. 39 ff. t) Lenz. Estudios Araucanos etc. p. 198. p. 198, Anm. 11. — id. Araukanische Märchen etc. p. 40. p. 68, Anm. 8 (1). tt) Ambrosetti, Juan B. Notas biologicas. VIII. El Ti.^re negro (Felis Yaguatiryca Liais). „Revista del Jai-üin Zoologico du Buenos-Ayres", Tomo I, 1893, Entrega 11, p. 351. — id. La leyenda del Yaguarete-abA (el indio Tigre) y sus proyecci(uies entre los Guaranies, Qulchuas etc. ..Anales de la Sociedad Cientifica Argentina", Tomo 41, 1896, p. 321-334- XV. Nr. Natur-viassenschaftliche "Wochenschrift. 427 all sehr gcfürclitct ist. Sie auf den ausgestorbenen Eden- taten oder das gleichzeitige ausgestorbene grosse Raub- thier Jemisch Li«fai zu beziehen, scheint überflüssig und wenig wahrscheinlich. Diese Thiere sind zwar ver- hältnissmässig spät, aber doch schon so lange vom Erdboden verschwunden, dass sich die Vor- stellung von ihnen und die Erinnerung an sie niclit mehr mit Sicherheit in Sprache und Sage der Indianer nachweisen lässt. (Abgesclilossen La Plata, Avgontiiiieii, 7. Mai lüOO ) Anhang. A. Verzeicliniss der Litteratur, welche direkt mit dem Grypotherium in Zusammenhang steht. Die Titel derjenigen Publikationen, welche nielit selber im Oiigiiial eingesehen weiden konnten, sind vorn mit einem * verseilen. ' Ameghino, Florentino. Premiere notice sur le Neomylodon Listai, un represeutant vivant des anciens Edentes Gravi- grades fossiles de l'Argentine. La Plata, 2 acut 1898. 8 pp. in 8». '"id. An existing Ground-Sloth in Patagonia. „Natural Science", Vol. XIII, No. 81, November 1898, p. 324-326. — Engl. Uebersetzung des vorigen. — Ref. und bezl. Notizen in: „Natural Science", Vol. XIII, No. SO, October 189S, p. 288. — „Nature", Vol. 58, No. 1510, October fi, 189s, p. 547—548. — „Revue Scientifique", 4e serie, Tome X, No. 18, 29 octobre 1898, p. 569. — „Anales de la Socicdad Ciontifica Argentina", Tomo 46, Entrega 5, Novienibre de 189S, p. 291—295. — „Naturwissenschaftliche Rundschau", XIII, No. 52, December 1898, p. 684. — Briefl. Mittheilung Ameghino^s an Oklfield Thomas in: „Proceedings of the Zoological Society of London", 1899, November 29, p. 852. - id. El Neomylodon Listai, un sobrevivientc actual de los Mega- terios de la antigua Pampa. „La Piramide" (La Plata), Tomo I, 15 de Junio de 1899, p. 51—54; 1» de Julio de 1899, p. 82-84. ■' id. Neomylodon Listai. „Sinopsis geologico-paleontologica (en: Sogundo Censo Nacional de la Repüblica Argentina, Tomo I. p. 111 — 255 con 105 figuras, Buenos- Ayres 1898, en folio), Suplemento (Adiciones y correcciones)". Julio de 1899. La Plata 1899. 4". p. 8. * id. El mamifero misterioso de la Patagonia (Neomylodon Listai). Un sobrevivientc actual de los megaterios de la antigua Pampa. La Plata 1899. 8°. 15 pp. Brochure, in welcher die beiden vorhergehenden Publica- tionen unverändert zusammen wieder abgedruckt sind. ^ id. [Furtlier notes on Neomj'lodon Listai.]. „Proceediugs of the Zoological Society of London", 1899, November 14. p. 830. — Bozl. Notiz in: „Zoologischer Anzeiger",^ XXII, No. 603, 11. December 1899, p. 520. " id. Das Neomylodon Listai. „Mutter Erde", II. Jahrgang, Xo. 27, p. 2—5. Ohne Jahreszahl (März 19U0). ■" Barrett-Hamilton, G. E. H. A portuguese parallel to Neomylodon Listai. „Natural Science", Vol. XV, No. 94, December 1899, p. 462. * Gallardo, A. [Uebersichtliches Referat über die Frage von dem geheimnissvollen Tliier in Patagonien unter Berücksichti- gung der bis October 1899 einschl. erschienenen einschlägigen Litteratur.] „Anales de la Sociedad Cientifica Argentina", Tomo 48, Entrega 5, Noviembre de 1899, p. 340—346. " *Gaudry, Albert. Sur le Neomylodon. „Comptes rendus des seanccs de l'Acidemie des Sciences^ de Paris, Tome 129, No. 13, 25 scptembro 1899, p. 491-492. — Bezl. Notiz in: „Nature", Vol. GO, No. 15G2, October 5, 1899, p. 564. — Auszug in: „Revue Scientiüquc", 4o Serie, Tome XII, No. 16, 14 octobro 1899, p. 503-504. '" id. R^sume d'iin travail de M. Erland Nordenskjold. „Comptes rendus des seances de l'Academie des Sciences" k Paris, Tome 129, 26 decembre 1899, p. — . Extrait. " Hauthal, R. EI mamifero misterioso de la Patagonia „Grypo- therium domesticum." I. Reseüa de los hallazgos en las ca- vernas de Ultima Esperanza. „Revista del Museo de La Plata", Tomo IX, 1899, p. 409-420. — Auch separat. — Ref. in: „Nature", Vol. 60, No. 1560, September 21, 1899, p. 512-513. — „Science" N. S., Vol. X, No. 257, December 1, 1899, p. 814-815. — „Petermann's Mittheilungen", 45. Band, Heft 12, Dec. 1899, p. 298. — „Centralblatt für Anthropologie, Ethnologie und Ur- geschichte", 5. Jahrgang, Heft 2, (März) 1900, p. 113—114. '- id. Erforschung der Grypotherium-Höhle bei Ultima Esperanza. Ein Blick in die prähistorischen Zeiten Süd - Patagoniens. „Globus", Band 76, No. 19, 11. November 1899, p. 297—303. — Bezl. Notiz in: .Petcrmann's Mittheilungen". 45. Band, Heft 12, December 1899. p. 298. Populär - wissenschaftliche Mitthcihing darüber mit Berücksichtigung der früheren Litte- ratur in: „Mutter Erde", IL Jalirgang,No. 22, p, 429-430. Ohne Jahr.'szahl (Endo Januar 1900). '^ Jacob, Christfried. Examen microscöpico de la pieza cutanea del mamifero misterioso de la Patagonia, „Grypotherium domesticum." „Revista del Museo de La Plata", Tomo X, 1899 — 1900, p. 61-62. — Auch separat. " Lehmann-Nitsche, Robert. El mamifero misterioso de la Pata- gonia „Grj'potherium domesticum " III. Cocxistencia del hombrc con un gran desdentado y un cquino eu las cavernas jiatagunicas. „Revista del Museo de La Plata", Tomo IX, IS99, p. 455 — 472. — Auch separat. — Ref in: „Science" N. S.- Vol. X., No. 257, December 1, 1899, p. 814-815. — „Central- blatt für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte", 5. Jahr- gang, Heft 2, (März) 1900, p. 113—114. '' Lönnberg, Einar. On somc remaints of „Neomylodon Listai" Ameghino brought home by the Swedish Expedition to Tierra del Fuego 1896. „Svenska Expeditionen tili Magellansländerna", Stockholm, Band II, Zoologie, Erstes Heft, No. 7, p. 149—169. — Ref. in: „Science" N. S., Vol. IX, No. 221, Marcli 24, 1899, p. 4.59-4G0. — „Natural Science", Vol. XIV., No. 86, April 1899, p. 267—268. — „Revue Scientifique", 4e serie, Tome XI, No. 16, 22 avril 1899, p. 503. — „Anales de la Sociedad Cien- tifica Argentina", Tomo 47, Entrega 6, Junio de 1899, p. 257—261. — „Petermann's Mittheilungen", 46. Band, Heft 12, April 1900, Litterat urbericht No. 242, p. 70. '" Mercerat A. Sur le Neomylodon Listai Amegh. „Coniuni- caciones del Museo Nacional de Buenos-Ayres", Tomo I, No. 5, 30 de Diciembre de 1899, p. 155—157. '" Moreno, Francisco P. [exhibited and made remarks upon the original specimeii of the recently described mammal Neomylo- don listai etc.]. „Proceediugs of the Zoological Society of London", 1899, January 17, p. 1. — Bezl. Notiz in: „Natural Science", Vol. XIV, No. 84, Februarv 1893, p. 171—172. — „Zoologischer Anzeiger", XXII, No. 58'!, 6. März 1899, p. 117. '^ id. On a Portion of Mammalian Skin, named Neomylodon listai, fiom a Cavern near Consuelo Cove, Last Hope Inlet, Pata- gonia. 1. Account of the Discovery. „Proceedings of the Zoological Society of London", 1899, February 21, p 144—148. — Ref. in: „Natural Science", Vol. XIV, No. 86, April 1899, p. 265-267. — „Zoologischer Anzeiger", XXII, No. 582, 13. März 1899, p. 135—136. '■' id. Note on the discovery of Miolania and of Glossotherium (.Xeoinvlodon) in Patagonia. „Nature", Vol. CO, No. 1556, August 24, 1899, p. 396—398. — „The Geological Magazine or Mouthly Journal of Geology", No.9, September 1, 1899, p. 385— 387. — Deutscher Auszug in: „Naturwissenschaftliche Rundschau", XIV, No 44, 4. November 1899, p. 559-560. -" Nehring A. Einige Bemerkungen über die Hausthierqualität des „Grvpotherium domesticum" aus Süd-Patagonien. „Globus", Band 77, No. 4, 27. Januar 1900, p. 61—62. ^' Nordenskiöld, Erland. Neue Untersuchungen über Neomylodon listai. (Vorläufige Mittheilung). „Zoologischer Anzeiger" XXII, No. 593, 31. Juli 1899, p. 335—336. — Bezl. Notiz in: „Natural Science", Vol. XV, No. 94, December 1899, p. 440. — „Journal of the Royal Microscopical Society of London", 1899, P. 5, p. 478 (1899). ^- id. Meddelande rörande gräfningar i grottorna vid Ultima Esperanza (Södra Patagonien). „Ymer", XIX, H. 3., 1899, p. 265 — 266. — Vorherige kurze Notiz darüber in: „Ymer", XIX, H. 2 , 1899, p. 215. -' id. Jakttagelser och fynd i grottor vid Ultima Esperanza i Sydvestra Patagonien. „Kongl. Svenska Vetenskaps-Akademiens Handlingar", Bandet 33, No. 3, Stockholm 1900. — Ref in: „Zoologisches Centralblatt", VII. Jahrgang, No. 11, 29. Mai 1910, p. 414—416. — Ref mit Berücksichtigung der früheren Litte- ratur: „L'Anthropologie", Tome XI, No. I, Janvier-Fevrier 190(1, p. 118-120. -' Roth, Santiago. El mamifero misterioso de la Patagonia „Grypo- therium domesticum." II. Descripciön de los restos encontrados en la caverna de Ultima Esperanza. „Revista del Museo de La Plata", Tomo IX, 1899, p. 421 — 453. — Auch separat. — Ref in: „Nature", Vol. 60, No. 1560, September 21, 1899, p. 512-513. — „Science" N. S., Vol. X, No. 257, December 1, 1899, p. 814—815. — „Centralblatt für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte", 5. Jahrgang, Heft 2, (März) 1900, p. 113-114. '^° Smith Woodward, A. On a Portion of Mammalian Skin, named Neomylodon listai, from a Cavern near Consuelo Cove, Last Hope Inlet, Patagonia. 2. Description and Comparison of the Specimen. „Proceedings of the Zoological Society of London", 1899, February 21, p. 148—156. — Ref. in: „Natural Science", Vol. XIV, No. 86, April 1899, p. 265—267. — „Zoologischer Anzeiger", XXII, No. 582, 13. März 1S99, p. 135-136. 428 N aturwissenschaf tliche "Wochenschrift. XV. Nr. 36. id. The supposed exiating Ground-Sloth of Patafconia. , Natural Science", Vol. XV, No. 93, November 1899, p. 351— 35i. id. [exhibited — the skull and other specimens of Neomi/lodon listai (Grypolherium)]. „Proceediiigs of thn Zoological Society of London-', 1899, November 14, p. 830. *Spencer Moore. [Uebcr die Excremente des Thieres.] „British Association for the Advencoment of Science", 1899, Meeting of Dover. Notiz darüber bei Smith Woodward, No. 2G dieses Verzeichnisses. B. Verzeichniss der Wörterbücher der patagonischen Sprache. 1520. Pigafetta. Verschiedene Ausgaben. Die Anzahl sowie die Anordnung der Vücabeln ist in jeder verschieden. 1. Pigafetta, Antonio. Viaggio atorno il mondo. In: „Ramusio. Delle na\i- gationiet viaggi, Venetio löl3, Volume primo, p. 353—370'. — p. 370: 3S Vocbln. — 2. id. Primo viaggio interno al globo terracqueo. Milano 1800. 237 pp. — p. 191 — 192: 84 Vocbln. — Vollständigste Ausgabe. — 3. Burney, Captain James. A Chronological History of the Discoveries in the South-Sea or Pacific Ocean. Part I. commenciug with an Account of the earliess Discoveries of that Sea by Europeans, and terminating with the Voyage of Sir Francis Drake, in 1579. London, Han- sard, 1803—1817, 5 vols. 4 to; Vol. I, London 1803, 391 pp. — p. 37—38: Abdruck von 77 Vocbln. Pigafettas. — 4. Pigafetta, Antonio. [Palabras dal idioma de los Patagones]. En ..Coleccinn de obras y documentos relatives a la historia antigua y jnmK.rna de las provincias del Rio de La Plata, por Pedr^ de Angelis", Buenos 1836—1837. Tomo VI, Buenos-Ayres 1837. - 15, p.XVlI: 46 Vocbln. — Angelis fügte zu den 38 Vocbln. der er.sten Ausgabe noch 6, die sich im Texte der Beschreibung Pigafettas finden, siehe: — 5. Burmeister, Carlos V. Contestacion a un tra- bajo del Sr. Ameghino sobre Patagonia. „Rovista de la Socie- dad Geogräfica Argentina", Tomo VII, 1890, p. 227—238. — Auch bei diesem Autor übrigens p. 234: Abdruck der 38 Vo- cabeln der ersten Ausgabe Pigafettas. 1774. Falkner. Falkner, Thomas. A Description of Patagonia and the adjoining parts of South America Herefonl 1774. 144 pp. — id. Franz. Uebersetzung: Description des terres iiiauelhiin.|iii's et des pays adjacens. Traduit de 1' Anglois ]iai- \\. II. (mimvc et Paris, 1787. — id. Span. Uebersetzung: I )^-rn|)(.ioii ,|,. la Patagonia y de las partes ad yacentcsde la America .Müridi..iKil. „Coleccion de obras y documentos relatives k la historia anti- gua y moderna de las provincias del Rio de La Plata, por Pcdn, de Angelis", Tomo I, 4, Buenos-Ayres 1836. — id. Deutsche Uebersetzung: Bpschroibiniß- von Patagonien und .ici an- grenzenden Thcil.n V..1, S,i,l,niierika aus dem Kn-^li^rlici, d..s Herrn Thomas Falknn. X.l.st einer neuen Kart.' .Ici- ,,inl- lichen Theile von Anicaka (iotha. bei Carl Wilh.lin KttinKd-, 1775. — passim: Einige ^■ocbln. (Nicht etwa im Anhang, wo nur die araukanische Sprache behandelt wird.) 1781. Viedma. Viedma, Antonio de. Catälogo de algunas vooes que ha sido posible oir y entender ä los indios Patogenes que frecuentan las iumediaciones de la bahia de San Julian; comu- nicado al Virey de Buenos Aires, D. Juan Jose de Vertiz, en carta de 8 de Febrero de 1781, por D. Antonio de Viedma. „Coleccion de obras y documentos relatives 4 la historia antigua y moderna de las provincias del Rio de La Plata, por Pedro de Angelis", Tomo VI, Buenos-Ayres 1837. - 15, p. XV -XVII: 135 Vocbln., 24 Zahlw. 1789. Anonym. 1. Brinton, Daniel G. Studies in South American Native Languages. VII. The Hongote language and the Pata- gonian dialects. „Procoedings of the American Philosophical Society", Vol. XXX, January 1892, No. 137, p. 83-90. — (2. id. Further Notes on Fuegian Languages. (IV) The Hongote Voca- bularies. „Proceedings of the American Philosophical Society", Vol. XXX, April 1892, No. 138, (p. 249-254), p. 254.) - 1: 15 Vocbln. und 5 ZahUv. doppelt nach zwei Vocabularien. 1800. Herväs. Herväs, Lorenzo. Catälogo de las lenguas do las nacioncs conoeidas. Tomo I. Madrid 1800. 396 pp. — p. 133: 6 Vocbln. ^^ ' 1826. Fitz-Roy. Fitz-Roy. Narrative of the surveying voyages of His Majesty's Ships Adventure and Beagle between the years 1826 and 1836. London 1839. — Appendix to Vol. II. 41 Vocbln. Auch bei: Larsen, Juan M. Diccionario Araucano Espanol, 6 sea Calepino ChilenoHispano. Por ol P. Andres Febres de la Compaiiia de Jesus. Reproducido textualmente de la edicion de Lima de 1765 por Juan M. Larsen. Con un Apendiee. Buenos-Ayres 1882. 282 pp. - p. 102-104: Abdruck der 41 Vocbln. von Fitz-Roy. 1829. d'Orbigny. d'Orbigny, Aleide. L'homme americain. 2 lonrs Paris 1830. — Tomo I, p. 162. 164: 2 msp. 23 Vocbln. r.o.ic 11. ,, .00: S Vocbln. 1862 — 1863. Cox. Co-x, Guillermo E. Viage en las regiones sotentrio- nales de la Patagonia, 1862-1863. Con un mapa. Santiago de Chile 1863. 8». 273 pp. - p. 252: 51 Vocbln., 10 Zahlw. (1863) von Martius. von Martius, Carl Friedr. Phil. Beiträge zur Ethnographie und Sprachenkunde Brasiliens. II. Zur Sprachen- kunde. Glossaria linguarum brasiliensium. Erlangen 1863. p. 211: 90 Vocbln., 14 Zahlu. 18G3y Schmid. Schmid, Toophikis F. [Grammatik und Vocabula- rium der patagonischen Sprache]. Von Musters (s.w . u., Deutsche Ausgabe, p. 6. 48) erwähnt. Es war mir, trotz direkter Anfrage bei derSouth American Missionary Society in London, unmöglich, mir diese Schrift zu verscha6Fen oder auch nur den genauen Titel derselben zu erfahren. Ich kenne nur eine handschriftliche Copic des grammatikalischen Theils, welche von dem verstorbenen Mr. Thomas ßridges der Bibliothek des General Mitre zu Buenos-Ayres übergeben wuide. 1809. Musters. Musters, George Chaworth. At home with the Patagonians. London 1871. — id. id. second edition, London 1873. — Deutsche Ausgabe: M. Unter den Patagoniern. Jena 1873. — Appendix A: 209 Vocbln., 20 Zahlw., 17 Sätze. 1876—1877. Moreno. Moreno Francisco P. Viaje ä la Patagonia Austral, emprendido bajo los auspicios del Gobierno Nacional 1876—1877. Tomo primero. Buenos-Ayres 1879. — p. 380-396: C29 Vocbln. y V 1877. Ibar Sierra. Ibar Sierra, Enrique. Relacion de los estudios hechos en el estrecho de Magallanos y la Patagonia Austral durante los Ultimos meses de 1877. „Anuario hidrogräfico de la Marina de Chile", ano V, 1879. Santiago. Apendiee, p. 7—60. - p. 46-49: 127 Vocbln., 24 Zahlw,, 8 Sätze. 1879. Barbara. Barbara, Federico. Manual o Vocabulario de la Lengua Pampa. Buenos-Ayres 1879. 8". 178 pp. — p. 91-97: 164 Vocbln., 24 Zahlw. iV V 1879-1894 (1896). Lista. 1. Lista, Ramon. Viage al pais de los Tehuelches. Buenos - Ayres 1879. 82 pp. — Apendiee. pp. 79-82: 6S Vocbln., 22 Zahlw. — 2. id. La Patagonia Austral (Compleraento del „Viage al pais de los Tehuelches"). Buenos-Ayres 1879. 1U4 pp. — p. 84—86: 45 Vocbln. (davon 3 bereits unter 1. aufgeführt.) — 3. id. Mis esploraciones y descubrimientos en la Patagonia 1877 — 1880. Buenos-Ayres 1880. 213 pp. — p. 125—130: 120 Vocbln., 22 Zahlw. — Dieselben wie in 1. und 2. mit Zufugung von 10 neuen. — 4. id. Vo- cabulario Tzoneka ö Tehuelche. „Revista de la Sociedad Geo- gräfica Argentina", Tomo III, 1885, p. 334-335. — 59 Voca- beln. — öa. id. Viage al pais de los Onas, Tierra del Fuego. „Revista de la Sociedad Geogräfica Argentina", Tomo V, 1887, p. 41 — 152. — p. 102: 27 Vocbln. der Ona von San Sebastian; p. 151 — 162: 86 der südlichen Ona. — 5b. id. id. in Buch- form unter gl. Titel. Buenos-Ayres 1887. 145 pp. — Hier p. 82 resp. p. 144-14). — 6. id. Una raza quo desa- parece. Los indios Tehuelches. Buenos-Avres 1894. 8» men. 126 pp. — p. 105 - 12.;: 225 Vocbln., 2-5 Zählw., 7o Sätze. - (7. id. Lenguas Argentinas. Los Tehuelches de la Patagonia. „Anales de la Sociedad Cientlfica Argentina", Tomo 42, 1896, p. 35-43). 1891. Segers. Segers, Polidoro A. Tierra del Fuego. Häbitos y costumbres de los indios Aonas. „Boletin del Institute Geogrä- fico Argentino", Tomo XII, 1891. p. 56-82. - p. 80-81: 91 Vo- eabeln. — Adhoc: Brinton, Daniel G. Further Notes on Fue- gian Languages. (II) Language of the Onas (Aonas). „Procee- dings of the American Philosophical Society", Vol. XXX, April 1S92, No. 138, (p. 249-251), p. 251-253. 1898. Milane sie. Milanesio, Domenico. La Patagonia. Lingua, iudustria, costumi e religione dei Patagoni. Buenos Aires 1898. 8°. 56 pp. — p. 22-25: 62 Vocbln., 47 Zahlw. Verzeichniss der Wörterbücher der Pampa-Sprache. 1774. Falkner. 1. c. passim einige Vocbln. 1800. Herväs. 1. c. p. 133: 2 Vocbln. 1829 d' Orbigny. 1. c. Tome L p- 162. 164: 2 resp. 23 Vocbln. Tome II, p. 79—81. 87: Einige Vocbln. und Angaben über die Sprache. 1838-1842. Haie. Haie, Horatio. United States Exploring Ex- pedition during the years 1838, 1839, 1840, 1841, 1842. Vol. VI. Ethnographie and Philologie. Philadelphia 1846. 4". 666 pp. - p. 653-656: 120 " " • — ■ • »^ - - -'-'^^ 27 Vocbln., 17 Zahlv 1862-1863. Cox. 1. c. 55 Vocbln., 10 Zahlw. 1898. Milanesio. 1. c. 63 Vocbln., 47 Zahlv 120 Vocbln., 12 Zahlw., 26 Sätze. — p. 656: Ein Verzeichniss der die araukanische Sprache betr. Litteratur giebt: Medina, JosfS Toribio. Nuede Sermones en lengua de Chile. Santiago de Chile 1897, p. 17— 7i. XY. Nr. 36. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 429 Ueber pupillenverengeriule und piipillenerweitern- ♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦»♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦I Ferd. Dtinimlers Verlagshuchhandlung in Berlin SW. 12. Die Charakteristik der Tonarten. Historiseil, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. 316 Seiten Octav. — Preis 2,40 Mark. Carl ZeiSS, Opti^he^We^rbtaette, 1Wil7T>ncl7nno fU»' toelinisclie Zwecke, sowie lllr feinste iUIHrUSaUpC wisseiiHcliaftliehe Arbeiten. 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Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Bringegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. Inserate : Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Auftrage eulj- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahine bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Geschichte der Sternschnuppenastronomie und ihre Entwickelung bis zum jetzigen Standpunkte. Adolf Hnatek Die periodischen Sternschnuppen. Wenn wir die geschichtliche Reihenfolge einhalten wollen, so müssen wir die Besprechung dieses Abschnittes mit dem Leoniden- phänonien beginnen. Zwar war die Thätigkeit der August- nieteore dem Volke schon lange vorher bekannt, aber nichtsdestoweniger waren es dennoch die November- meteore, welche die Periodicität hatten zuerst erkennen lassen. Schon am 11. November 1799 war von Humboldt und Bonpland in Südamerika ein grossartiger Sternschnuppen- regen gesehen worden, jedoch weder Humboldt's und EUicot's Berichte, noch Brandes' und Benzenberg's Arbeiten oder vielleicht der Umstand, den Humboldt bemerkte, dass auch 176G in Südamerika um dieselbe Zeit unge- heuer viel Meteore gesehen worden waren, hatten die Aufmerksamkeit der Astronomen besonders erregt. Viel- leicht war gerade die Thatsache daran Schuld, dass man Erscheinungen dieser Art für zum Gebiete der Meteoro- logie gehörig hielt und sie deswegen nicht weiter beachtete. Zwar zeigten sich wieder im Jahre 1823 in derselb.en Nacht ziemlich viele Meteore, und ereignete sich auch 1832 ein ziemlich schöner Steruschnuppenfall, doch war die Erscheinung immerhin noch zu geringfügig, als dass sie hätte besondere Beachtung erwecken können. Das konnte erst der grossartige Sternschnuppenrcgeu vom Jahre 1833, der in der Nacht vom 12. auf den 13. No- vember statthatte. Die Zahl der Meteore war so un- geheuer, dass noch am Schlüsse des Phänomens, um 6 Uhr früh, ein Beobachter in Boston während einer Viertel- stunde 650 Sternschnuppen und Feuerkugeln zählte. In den neun Stunden der Sichtbarkeit dürften damals wohl über eine Viertelmillion Meteore gefallen sein. Olmstedt, Palmer und Hildreth kamen nun zuerst auf die Vermuthung, dass die Erscheinung periodisch sei. Olmstedt, der das Phänomen selbst beobachtet hatte, bemerkte, dass fast alle Meteore aus einem Punkte, nahe bei -f Leonis gekommen seien. Dabei erkannte er gleich, dass dieser Punkt unter den Sternen unveränderlich ge- blieben sei und dass daher alle Meteore von aussen in die Atmosphäre gelaugt sein mussten. Da die ganze Erscheinung über 6 Millionen Quadratkilometer sichtbar gewesen war, so niusste der Strahlungspunkt oder das Radiatiouscentrum wohl 35'JO Kilometer über der Erd- oberfläche gelegen haben. Nun machte Olbers aucli gleichzeitig auf die Augustmeteore (8.— 12. August) auf- merksam, und er sowie Humboldt, Olmstedt und Quetelct empfahlen sie allen Beobachtern wärmstens. Quetelet's Beobachtungen bestätigten bald (1836) auch die Periodi- cität dieser Sternschnuppen und ergaben noch überdies eine weitere Sternschnuppenperiode, die der Lyriden (20.— 24. April). Bezüglich des Phänomens von 1833 meinte Olmstedt schon damals, dass es sich nur um einen periodischen Kometen gehandelt haben könne, wie die starken Fälle von 1799 und 1833 darzuthun scheinen. Er schliesst, dass der Komet entweder im Perihel oder im Aphel ge- wesen sei, und wahrscheinlich eine Umlaufszeit von 182 Tagen habe, seine Bahn sei nur etwa 7° oder 8° gegen die Ekliptik geneigt. Die bedeutenden Störungen durch Venus und Merkm- könnten dann auch die un- gleichen Stärken des Phänomens in den verschiedenen Jahren erklären. Olmstedt hat also fast das Richtige getroffen. Olbers meinte, die Olmstedt'sche Theorie da- 434 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 37. durch zu verbessern, dass er annahm, in der Bahn des Kometen seien mehrere Schwärme vertheiU. Er sprach schon damals die richtige Ansicht aus, dass unter dieser letzteren Annahme auch eine längere Umlaufszeit, sogar eine solche von 34 Jahren die Beobachtungen wieder- zugeben geeignet sei. Schon im Jahre 1837 sagt Olbers, dass wahrscheinlich erst im Jahre 1867 wieder ein be- deutender Sternschnuppenfall eintreten werde. Die Periode von 33 oder 34 Jahren wurde zwei Jahre später, 1839, neuerdings von Herriek vertreten, der noch eine Anzahl älterer Sternschnuppenfälle, die damit übereinstimmen (bis 686 V. Chr.) dafür anführte, und dann mit Olmstedt und Twining ebenfalls die Möglichkeit eines Stern- sehnuppenregens im Jahre 1867 betonte. Die mannig- fachen Combinationen, die sofort angestellt wurden, als das grossartige Phänomen die Thätigkeit der Astronomen angeregt hatte, brachten Humboldt und Olbers darauf, dass die Knotenliuie eine Präcession habe; da das Phä- nomen seit 1799 (11. November) eine Verspätung von einem Tag (1833 Nov. 12) aufgewiesen hatte. Im Jahre 1839 erhielt H. L. von Boguslawski Kennt- niss von einem grossen Sternschnuppenregen, der sich am 21. October 1366 (alten Stils) ereignet und den sein Sohn in einer alten Chronik aufgefunden hatte. Die Verbin- dung der zwei neuesten Erscheinungen mit demselben gab ihm für die Bewegung der Knotenlinie den Werth von + r.835 pro Jahr. Als Boguslawski dann von Jacobi auf einen Bericht aufmerksam gemacht worden war, der sich auf einen Sternschnuppenschauer vom 16. October 845 (alten Stils) bezog, berechnete er unter Zuhilfe- nahme aller dieser Erscheinungen die Verspätung zu 22 Tagen in 994 Jahren, also die jährliche Knoten- bewegung zu -+- 1'.5 oder die Verspätung pro Jahr zu 34 Minuten. Er schloss daraus ganz richtig, dass die grosse Achse der Bahn des Schwarmes grösser sein müsse als die der Erdbahn, nahm aber diese Vergrösserung nur zu -t- 5300 km, also viel zu gering, an. Gleichzeitig ver- suchte er die Bahn des Schwarmes zu berechnen, die erste Bahnbestimmung dieser Art. Unter der Annahme, dass die Bahn des Schwarmes nur wenig gegen die Ekliptik geneigt sei, bestimmte er die Umlaufszeit des- selben zu ungefähr einem Erdenjahr (genauer 365 Tage, 6 Stunden, 56.8 Minuten). Der Erfolg, den Boguslawski in der Verbindung älterer Erscheinungen mit denjenigen von 1799 und 1833 gehabt hatte, regte auch andere zu ähnlichen Unter- suchungen an und es wurden nun alle alten Archive emsig durchstöbert. Littrow, Herrick, Froehn, Qnctelet, Chasles und nicht zum mindesten Biot suchten die be- kannt gewordenen alten Erscheinungen mit den Stern- schnuppenperioden in Einklang zu bringen, wobei es natürlich auch nicht an Irrthümern fehlen konnte. Chasles meinte sogar, bei entsprechend gross genommener Be- wegung der Knoten alle Perioden auf einen einzigen Schwärm zurückführen zu können. Im Jahre 1864 lieferte Newton*) und kurz nach ihm Faye eine Gesammtunter- suchung über alle älteren Erscheinungen. Beide machten zuerst darauf aufmerksam, dass man bei Arbeiten dieser Art nur das siderischc Jahr zu Grunde legen dürfe, da es sich nicht um eine Wiederkehr zur selben Zeit, sondern nach demselben Punkte der Erdbahn handle. Schon aus diesem Grunde allein muss das Phänomen alle 70 Jahre um einen Tag verspätet erscheinen, wenn auch die Knotenlage dieselbe bliebe. Newton zeigte so, dass fast alle alten Sternschnuppenschauer einer Periode so ziemlich auf denselben Tag fallen und nur bei gewissen Perioden entschiedene Veränderungen der Länge der *) Oll Novenib( Amor. Joiinia Knoten constatirt werden können. Was die November- Periode betrifft, so konnte Newton dieselbe bis in das Jahr 585 n. Chr. zurückverfolgen und erhielt aus der Verbindung aller Erscheinungen eine jährliche Bewegung der Knoten von -1-1'. 711. Vor dem grossen Fall von 1866 Hess sich noch keine rechte Einigkeit erzielen und die Meinungen über das Wesen dieser periodischen Sternschnuppenschwärme gingen trotz aller Arbeiten, die darüber geliefert wurden, oft weit auseinander. Während Olmstedt, Boguslawski und Poisson meinten, dass in der Bahn des Sternschnuppen- schwarmes nur einzelne Haufen meteorischer Masse um die Sonne laufen und durch Zusammentreifen mit der Erde die glänzenden Phänomene hervorrufen, waren an- dere, unter ihnen Olbers, Arago, Humboldt und Erman der Ansicht, dass die ganze Bahn gleichmässig mit Meteoren erfüllt sei. Auch die Vielheit der Radianten konnte man sich nicht gut erklären, da man sich wegen der unsicheren Ansichten über die Consistenz derartiger Schwärme nicht vorstellen konnte, wie sich die einzelnen Haufen ohne grosse Störungen durchdringen können. Schmidt's Untersuchungen haben allerdings gezeigt, dass durchschnittlich in jeder Stunde 3—4 Radianten thätig sind und zwar 2 — 3 in der ersten Jahreshälfte, 4 — 5 Ra- dianten in der zweiten und ebenso in den Abendstunden nur 2, in den Morgenstunden meist 4 Strahlungscentren. Aber man konnte sich trotzdem nicht recht erklären, warum gerade zur Zeit stärkerer Thätigkeit irgend eines Radianten auch die Zahl der aus den Nebenradianten kommenden Meteore bedeutend steigt. Alle diese Unsicherheiten hatten grösstentheils darin ihre Ursache, dass es bis nun nicht gelungen war, die Bahn eines solchen Schwarmes um die Sonne sicher zu berechnen. Zwar hatte schon im Jahre 1838 Boguslawski eine von Olbers gegebene Methode zur Berechnung der Bahn auf fünf Perseiden dieses Jahres angewendet und bereits im nächsten Jahre, 1839, Erman*) eine Methode angegeben, wie man solche Bahnen bestimmen könne, doch erfordern alle diese Rechnungsarten eine wenigstens an- genäherte Kenntniss der Geschwindigkeit des Schwarmes um die Sonne oder der Umlaufszeit und diese war eben erst durch spätere Untersuchungen festgestellt worden. Ueberdies war Erman noch dadurch in Irrthümer ver- fallen, dass er die Kälterückfälle im Mai aus dem Durch- gange der Meteorwolke der Leoniden zwischen Erde und Sonne erklären wollte, ebenso wie er eine gleiche Be- ziehung zwischen den Kälterückfällen im Februar und dem Laurentiusstrom annahm. Ein Jahr später berechnete Walker nach einer eigenen Methode die Bahn des Schwarmes unter der Annahme einer Umlaufszeit von Vs Jahr. Er hatte dafür die Geschwindigkeit der Meteore aus Brandes', Quetelet's und Anderer Beobachtungen be- stimmt. In seiner Abhandlung, in welcher er auch, wie später noch hervorgehoben werden soll, die Augustmeteore be- handelt, wies Walker zum ersten Male darauf bin, dass solche Meteorströme bei ihrer Bewegung um die Sonne fiü" andere Körper einen Widerstand leisten müssen, und vielleicht die Verkürzung der Umlaufszeit des Encke'schen Kometen verschulden. Bekanntlich haben Faye und später Seeliger und van Asten diese Ansicht noch weiter ausgebildet und l)e- stätigt. Zur selben Zeit als Erman seine berühmte Methode zur Berechnung der Bahn der Sternschnuppenschwärme um die Sonne aufstellte, beobachtete Petit in Toulouse mit Vorliebe die sporadischen Meteore, um deren Bahnen *) A N .385. XV. Nr. 37. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. um die Erde oder Sonne zu bestimmcD. Er hatte jedoch wenig Erfolg und noch obendrein den Nachtheil, dass daraus ein Gerede über einen angebliehen zweiten Erd- niond entstand. Nach Erraan und Walker ruhten die Babnbestimmuugen bis auf Schiaparelli's denkwürdige Untersuchungen voll- ständig, und haben sich nur Twiuiug im Jahre 1862 und etwa zwanzig Jahre vorher (1841) Peirce damit beschäf- tigt, die Störungen zu ermitteln, welche die Erde oder irgend ein anderer Planet in einem Schwärm von kleinen Körpereben hervorrufen muss.") Twining erklärte auch dabei auf richtige Weise die Veränderungen, welche ein Radiant während der Aenderung seiner Höhe über dem Horizont erleidet und die nun unter dem Namen Zenith- attraction bekannt ist. Er constatirte, dass die Erde in einem solchen Schwärm gewaltige Verwüstungen verur- sacht, die Lage des Knotens zwar nicht ändert, aber die einzelnen Theile des Schwarmes in oft ganz andere Bahnen lenkt, wie es bei so grosser Nähe des störenden Körpers auch nicht anders sein kann. Die Untersuchung über die alten Erscheinungen hatte Newton zu der Frage nach der Umlaufszeit des Leoniden- sch warmes angeregt. Vor allem schloss er aus der ge- ringen Dauer des Phänomens während der Zeit der stärksten Thätigkeit, dass der Schwärm in seiner Bahn nur eine Ausdehnung von etwa 10°— 15° habe. Da eine Umlaufs- zeit von '/3 Jahr bereits eine Bahn ergeben würde, welche die Erdbahn von innen nicht mehr tangirt hätte, so kalku- lirte Newton, dass der Schwärm höchstens zwei Umläufe pro Jahr ausführen könne. Er tiberlegte nun, dass man, um die alle 33 oder 34 Jahre eintretenden, besonders starken Sternschnuppenfälle zu erklären, für die Umlaufs- zeit folgende drei Systeme annehmen könne: I "=^--(:^^T3.2b)^^^''' " " = 1<1=^33^5) " III H = 33.25 Jahre. Da sich nun die Meteore nahezu senkrecht auf den Radius vector der Erdbahn bewegen, hatten ihm die Systeme I und III Bahnen mit sehr bedeutenden Excentri- citäten ergeben müssen, und zv.-ar hätte im erstcren Falle das Apbel, in letzterem das Perihel der Schwarmbahn dem Tangirungspunkte mit der Erdbahn nahe gestanden. Es konnte also nur die Annahme II auf Bahnen mit massiger Excentricität führen und wurde daher von Newton acceptirt. Er wies zwar gleich darauf hin, dass man am besten für jeden dieser fünf Werthe für die Umlaufszeit eiue Bahn rechnen und dann die theoretische Knoten- bewegung mit der beobachteten vergleichen konnte, er selbst hat jedoch diese Idee, die ihn auf das richtige Resultat gebracht hätte, nicht ausgeführt. Das Verdienst, diese Untersuchung angestellt zu haben, gebührt dem Engländer Adams**), der sich schon durch seine gleich- zeitig mit Leverrier ausgeführte Berechnung des Planeten Neptun einen unsterblichen Namen gemacht hatte. Adams fand so kurz nach Schiaparelli's grossartigen Unter- suchungen, dass die Systeme I und II Knotenbewegungen ergeben, die nicht einmal '/g so gross waren, wie die beobachtete, während die aus dem System III folgende *) Auch Hoek und Goulier haben diesen Gegenstand Uieo- i-etiscli bearbeitet: Hoek : On the Phenomena, which a veiy extended swarm of meteors Coming from space, present after its entry into the Solar System. Monthjy not. 1868. Goulier: Etudes geometriques sur les etoiles filantes. Mo- res Ah l'acaderaie imperiale de Metz, 1866 — 1867. **) Comptes rendus. vol. LXIV. jährliche Verschiebung der Knoten fast vollständig über- einstimmte. Nichtsdestoweniger konnte Newton auch unter der Annahme II eine grossartige Erscheinung für 1866 Nov. 13 voraussagen. Seine Vorhersage erfüllte sich so auch voll- kommen. Schon im December desselben Jahres publi- cirte Schiaparelli seine berühmte Abhandlung, in welcher er die Bahn des Leonidenschwarnies unter Voraussetzung einer Umlaufszeit von 33 Jahren gab.*) In derselben Schrift hatte er auch die Bahnelemente des Laurentius- stromes gegeben und auf die Uebereinstimmuug dieser Elemente mit denen des Tuttle'schen Kometen 1862 II aufmerksam gemacht. Fast gleichzeitig mit Schiaparelli, nur etwa 1^2 Monate später als dieser, hatte auch Leverrier**) die Bahn des Leonidenstromes zu bestimmen gesucht und darauf hingewiesen, dass retrograde Ströme nach der Kaut-Laplace'schen Theorie nicht im Sonnen- system entstanden sein können, was auch schon lang vor- her Hippesley betont hatte. Leverrier verrauthete des- halb, dass die Meteorwolken aus dem Weltraum in das Planetensystem eingedrungen seien, und dass sie ihre jetzige Bahn erst durch die Planetenstörungen erhalten haben. Seine Rechnung zeigte ihm fernerhin, dass der Schwärm durch die Planetenstörungen auf keinen Fall in eine Bahn mit einer geringeren Umlaufszeit als SS'/^ Jahre hatte geworfen werden können. Er glaubte über- dies, dass dieses Ereigniss nicht weit in der Vergangen- heit liegen könne, da der Schwärm sonst bereits eine viel grössere Verstreuung aufweisen müsste. Wenn Leverrier weiter behauptet, dass Uranus der störende Planet ge- wesen sei und dass der Eintritt in unser Sonnensystem erst im Jahre 126 n. Chr. erfolgt sei, so ist er auch hier der Wahrheit sehr nahe gekommen. Aendert man die Länge des Knotens der Schwarmbahn für 126 um 1°48', also um eine äusserst geringfügige Grösse, die bei Rechnungen dieser Art gar nicht in Betracht kommen kann, und stellt man weiter das- Perihel etwa 4° vom Knoten ab, so er- hält man für das Jahr 126 n. Chr. ein fast vollständiges Zusammentreffen des Schwarmes mit Uranus. Als ein wunderbarer Zufall mag es bezeichnet werden, dass kurze Zeit nach diesen schönen Arbeiten Schiapa- relli's und Leverrier's von Tempel ein grosser Komet (1866 I) entdeckt wurde, dessen von Oppolzer mit ge- wohnter Exactheit gerechnete Elemente eine grosse Ueber- einstimmg mit den Elementen des Leonidenstromes er- gaben, so dass dieselbe schon Ende Januar 1867 gleichzeitig von C. F. W. Peters***), Schiaparelli f) und Oppolzerft) er- kannt wurde. Nun konnte mit den Elementen des Ko- meten Leverrier's Rechnung genauer wiederholt werden. Schiaparelli constatirte, dass es nicht die Störungen durch Uranus, sondern die Perturbationen durch Jupiter und Saturn gewesen waren, welche den Schwärm in seine jetzige Bahn geworfen hatte. Newton suchte nach älteren Erscheinungen des Temperschen Kometen und identificirte ihn mit dem grossen Haarstern vom October 1366, den Peirce aus den vorhandenen Beobachtungen berechnet hatte. Aus den chinesischen Berichten bestimmte Hind dessen Bahn noch genauer und konnte Newton'sVermuthung über die Identität beider Grcstirne nur vollinhaltlich be- stätigen. Ueberdies glaubte Hind auch an einen Zu- sammenhang mit dem Ende Januar 868 erschienenen Haarstern, der nach seiner Ansicht ebenfalls mit 1866 I identisch ist. Es möge hier noch erwähnt werden, dass 1366 der damalige Sternschnuppenschauer ungefähr zwei *) Vierter Brief an P. Secchi. **) Comptes rendns (21. Januar 1867). ***) 29. Januar. t) 2. Februar. tt) 1- Februar. 436 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 37. Wochen vor dem Periheldurchgang des Kometen statt- hatte, während dies 1866 acht Monate später der Fall war. Möglicherweise besteht also der Unterschied zwischen der für den Schwärm gefundenen Umlaufszeit von 33.25 Jahren und der von Oppolzer für den Kometen berech- neten von 33.18 Jahren thatsächlicb. Newton und Kirkwood haben die beim Leoniden- phänomen obwaltenden Verhältnisse noch weiter unter- sucht und gefunden, dass der Schwärm wahrscheinlich aus drei Theilen bestehe, deren Umlaufszeiten vielleicht nicht ganz übereinstimmen. Verfasser dieses kurzen Ab- risses der Geschichte der Meteorastronomie hat nun auf Grund der Beobachtungen des Jahres 1899 versucht, den Hauptschwarm und die beiden Nebenschwärme unter der Annahme zu vereinigen, dass der centrale Schwärm von einer Meteorwolke von cylindrischer Lagerung umgeben sei.*) Es ist ohne weiteres klar, dass dabei die Erschei- nungen dieselben bleiben. Einen Tag vor dem Maximum durchstreift die Erde nur den umhüllenden Theil, kreuzt dann am Tage des Maximums den Kern des Stromes selbst und verlässt am nächsten Tag mit einem neuer- lichen Maximum von geringerer Amplitude, veranlasst durch das Durchtliegen der anderen Seite des Umbüllungs- schwarmes, den Meteorstrom. Der Hinweis, dass die neuesten Untersuchungen dargethan haben, dass die Ko- metenschweife hohl sind, scheint auf diese Annahme günstiges Licht zu werfen. Wir wissen bereits, dass der für das Jahr 1899 er- wartete Sternschnuppenschauer fast gänzlich ausgeblieben ist. Nun hat der Meteorschwarm im Jahre 1895 gewaltige Störungen durch Jupiter und Saturn erlitten und waren diese Störungen von Berberich auf Grund der Rechnungen Downings bestimmt worden. Verfasser hat nun darauf hingewiesen**), dass zweierlei Ursachen das Ausbleiben des Schwarmes haben verursachen können; entweder können die im Jahre 1895 erfolgten Störungen den Schwärm so herumgeworfen haben, dass seine Bahnverhält- nisse überhaupt andere geworden sind — dann hätten wir für die Zukunft überhaupt nicht mehr viel zu er- warten — , oder es kann auch der Umstand schuldtragend gewesen sein, dass bei einer Umlaufszeit von 33V4 J'ihren nach zwei Umläufen einmal 34 Jahre verstreichen müssen, bis der dichteste Theil des Schwarmes, der ja nach ander- weitigen und bereits oben erwähnten Untersuchungen eine geringe Längenausdehnung in seiner Bahn besitzt, wieder mit der Erde zusammenkommt. Das Jahr 1900 wird lehren, welcher von diesen beiden Möglichkeiten das Aus- bleiben der Erscheinung im Jahre 1899 zugeschrieben werden muss. Wir wollen dann später bei Besprechung der photographischeu Methoden die grossen Vorbereitungen näher besprechen, welche zur Beobachtung des im Vor- jahre erwarteten Phänomens getroffen worden waren. Wir haben schon oben erwähnt, dass Olbers, 01m- stedt, Humboldt und Quetelet auf die Meteore des 8. bis 12. August kurz nach dem grossen Sternschnuppenfall vom Jahre 1866 aufmerksam gemacht haben. Schon im Jahre 1762 war Muschenbroek auf die jährlich gegen den 10. August fallenden Meteore achtsam geworden. Sein Hinweis blieb aber unbeachtet und nur im Volke war das Phänomen unter dem Namen „Thränen des heiligen Laurentius" bekannt geblieben. Erst im Jahre 1836 er- kannte Quetelet aus seinen und aus Forsters Beobachtungen das thatsächliche Bestehen der Augiistperiode. Schon im folgenden Jahre combinirte Herrick einige ältere Er- scheinungen, die bis 1779 zurückgingen und fand, dass sie ebenfalls hierher gehören. Einige Jahre später, 1841, *) „Naturw. Wochensclir." 1900. *) a. a. 0. ging Littrow noch etwas weiter und brachte die Meteor- schauer vom Jahre 830 Juli 20 n. Chr. und 841 Juli 25, ebenso wie vom Jahre 1451 Juli 27 mit dem Stern- schnuppenphänomen von 1839 zusammen, wobei er als Periode für die Wiederkehr gerade ein Jahr erhielt. Be- reits 1843 schlug Ed. Biot vor, alle älteren Sternschnuppen- schwärme, die sich im Juli ereignet haben, zu reduciren und zu vergleichen. Dieser Untersuchung unterzog sich später in der schon oben erwähnten Arbeit Newton, in- dem er wie beim Leonidenstrom, auch hier alle dies- bezüglichen Angaben auf das Jahr 1850 reducirte. Es gelang ihm so auch, den Perseidenstrom bis 830 n. Chr. zu verfolgen und dergestalt Littrow's Combination zu bestätigen. Es ergab sich als Retardation jedoch nur ein Tag auf lOUO Jahre. Der Laurentiusstrom unter- scheidet sich dadurch von den Leoniden, dass er in jedem Jahre eine ziemliche Anzahl heller Meteore giebt, während die Novembermeteore nur alle 33 oder 34 Jahre einen schönen Sternschnuppenregen hervorrufen, während die Zwischenzeit oft recht spärlich ausfällt. Dafür erreichen aber die Augustschwärme nie ein Schauspiel, wie es sich 1833 oder 1866 ereignet hat. Für die Perseiden hat schon Boguslawski eine Bahn- bestimmnng versucht, wie wir schon oben hervorgehoben haben, die erste in ihrer Art. Er bestimmte zuerst für die an mehreren Stationen gleichzeitig beobachteten Meteore vom 10. August 1838 nach einer von Olbers gegebenen Methode, welche aber die Kenntniss der Geschwindigkeit der Sternschnuppen erforderte, die Bahnen, kam aber bald zur Einsicht, dass die diesbezüglichen Angaben über die Dauer viel zu ungenau sind, als dass man sich auf sie hätte verlassen können. Auch Bessel hat dies bemerkt und gewarnt, Bahnbestimmungen auf so vage Angaben aufzubauen. Nun nahm Boguslawski kurzweg die para- bolische Geschwindigkeit an und wiederholte die Rechnung für fünf Meteore. Seine Arbeit wurde indessen wenig be- achtet. Kurze Zeit später erschien Erman's schon oben erwähnte Schrift über die Bahnbereclniung derartiger Ströme. Da er aber unbedingt die KülterückfäHe im Februar aus dem Perse'idenscliwarm erklären wollte, wie wir bereits berührt haben, so erhielt er natürlich gänzlich falsche Resultate. ^ Durch diese Kälterückfälle Hessen sich sogar noch Petit im Jahre 1846 und Sainte-Claire-Deville ein Jahr später, 1847, irreführen. Im Jahre 1840 wendete Walker eine von ihm gegebene Methode zur Bahnbestimmung an und berechnete zunächst aus den alten Beobachtungen von Brandes, Twining und anderen die relativen Geschwindigkeiten gegen die Erde, allerdings zu dem viel zu geringen Wertii von 1.112. Walker erhielt daher auch eine Bahn von 0.5 Jahren Um- laufszcit für den Perseidenring. Die Bahnbestimnuingen ruhten nun bis auf Schiapa- relli's Zeit vollständig, da mau über die Geschwindigkeit der Meteore im Räume durchaus kein Kriterium hatte. Nun hatten aber, wie bereits hervorgehoben, Schiaparelli*) und Newton**) die Geschwindigkeiten der Sternschnuppen aus ihren Variationen bestimmt und ungefähr die para- bolische gefunden. Unter der Annahme, dass das Maxi- mum im Jahre 1866 am 10. 75 August stattgefunden habe, berechnete Schiaparelli in seiner obcitirteu Schrift***) die Bahn des Perseidcnstromes nach einer Methode, die von der Erman'schen nicht viel verschieden ist und l)cnierkte sofort die auffallende Aehnlichkeit mit den Bahnelementen des grossen Kometen von 1862 H, welche Oppolzer be- stimmt hatte. Es wurde schon oben erwähnt, dass Schiapa- *) Erster Brief an Secchi. '■'*) On shooting stars. Amcr. Journal of Science 1805. I *«*j Vierter Brief an Secchi. XV. Nr. 37. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 437 relli's im Dezember 1866 hei'ausg'ekommene Schrift auch die Berechnung der Bahn des Leouidenstromes enthält und wird daher auch Jederman den hohen Werth dieser Arbeit, welche die ersten brauchbaren Bahnbestimmungen zugleich mit der grossartigeu Entdeckung der Gemeinsamkeit von Kometen- und Sternschnuppenbahnen bringt, anerkennen. Zur selben Zeit begann auch Ed. Weiss diesem Theil der Himmelskunde Beachtung zu schenken. In seiner Schrift „Beiträge zur Kenntnis der Sternschnuppen" ergeht er sich nicht nur in Betrachtungen über die kosmische Stellung der Meteoi e, sondern bestimmt er auch zahlreiche Radianten der Augustperiode und anderer Meteorströme. Schliess- lich gab Weiss in derselben Schrift noch eine äusserst vor- theilhafte Methode zur Berechnung der Bahn aus dem be- kannten Eadiationspunkte und, was nun eigentlich das Wichtigste ward und Weiss als grosses Verdienst anzu- rechnen ist, für das umgekehrte Problem, für die Berech- nung der Position des Radianten aus gegebener Bahn. Schon im Jahre 1867 entdeckte Weiss die Ueberein- stimmung der Bahnen des Kometen 1861 I und derjenigen Meteore, welche alljährlich gegen den 20. A])ril fallen. Die Periodicität dieser aus dem Sternbilde der Leier kom- menden und deshalb Lyriden genannten Sternschnuppen hatte Herrick bereits im Jahic 1839 erkannt, nachdem schon Arago und Ohnstedt auf diese Sternschnup])eufälle aufmerksam gemacht und den im Jahre 1803 zu Connec- ticut beobachteten Steruschnuppenregen hierher bezogen liatten. Diese Schwärme waren weiter vielfach beobachtet worden, ohne jedoch je das Interesse zu erreichen, das die Leoniden oder Perseiden beansprucht haben. Nichts- destoweniger reducirte Newton eine Anzahl alter Erschei- nungen dieser Periode auf das Jahr 1850 und wies so die Existenz dieser Meteore bis in das Jahr 687 v. Chr. nach. Die Knotenlage hat während 2500 Jahren keine wesent- liche Aeuderung erfahren. Kosmische Stellung der Meteore. Bieliden. Wir wollen nun unser bisheriges Thema vorläufig verlassen und die Ansichten von Weiss, Schiaparelli und anderen über die kosmische Stellung der Steruschuppen hören, da uns dieselben von selbst auf den Bieliden.strom und dessen Entstehung hinüberleiteu werden. Chladni's Gedanken über den Zusammenhang zwischen Meteoren, Sternschnuppen und Kometen haben wir schon eingangs erwähnt, so dass wir dieselben mit dem blossen Hinweis auf sie übergehen können. Im Jahre 1859 erschien in Poggendorff's Aunalen eine Arbeit Reichenbachs*), in welcher derselbe die Kometen als eine Art Urmaterie be- trachtet, aus der durch Contraction und Crystallisation die Aerolithen entstehen. Mit Uebcrgehuug der diesbezüglichen Ansichten von Abbe Raillard**), der schon 1839 über diesen Gegenstand geschrieben hatte und später neuerdings für seine Ideen von einer Analogie zwischen Kometen und Meteoren eintrat und von Dr. Forster***), welcher den Zusammenhang zwischen Kometen und Meteoren betonte, sowie der Arbeit Capocci's, welcher für die Nordlichter, Sternschnuppen und Kometen einen gemeinsamen Ursprung suchte und in den Kometen nur grosse Meteorite erblickte, sei zuerst des Akademikers Haidingert) gedacht, der die Ansicht von der Entstehung der Himmelskörper und so auch der Kometen und Meteore aus der Agglomeration von kosmischem Staube mit Nachdruck unterstützte. Gross- artiges aber hat auf diesem Gebiete Kirkwood geleistet. Im Jahre 1861 erschien eine Arbeit aus seiner Feder im „Dauville Quarterly Review", in welcher er, von der That- *) Die Meteoriten und die Kometen nach ih Beziehungen. **) Les mondes. Tome XII und XIII. ***) Essai sur Finfluence des com^tes 1843. t) Sitzungsberichte der Wiener Acad. Bd. XLIII. gegenseitigen Sache der Theilung des Biela'schen Kometen ausgehend, behauptet, dass dieselbe Kraft, die diese Theilung bewirkt habe, wohl auch im Stande sei, den Kometen noch weiter aufzulösen und zu zerstreuen. Seine Theorie wurde aber erst im Jahre 1867 bekannter, als er sie in seiner „Meteo- rischen Astronomie" neuerdings wiedergab. Nun hatten aber bereits Newton und Schiaparelli ihre Vorstellungen über die Entstehung der Meteorringe entwickelt. Während Newton schon bei der Bemerkung stehen blieb, dass die Geschwindigkeiten der Meteore und der Kometen in ihren Bahnen einander vergleichbar bleiben, ging Schiaparelli ungleich weiter und bestimmte, dass diese Geschwindigkeit ungefähr die parabolische sei. Schiaparelli*) kam endlich zu dem Schlüsse, dass die Meteore in Form einer kosmi- schen Wolke aus dem Weltraum zu uns gelangen. Eine solche Meteorwolke erleidet bei ihrer Annäherung an die Sonne eine tiefgreifende Veränderung. Sie verlängert sich langsam in der Richtung gegen das Planetensystem und nimmt nach und nach eine parabolische Bahn um die Sonne ein. Gelangt eine Anhäufung von Meteoren in den Störungs- bereich eines Planeten, so dass sie in eine elliptische Bahn gezwungen wird, so bewirkt die auflösende Kraft der Sonne nun eine langsame Verstreuung der Wolke über ihre ganze Bahn. Nach Schiaparelli's Untersuchungen kann eine solche kosmische Wolke, welche zu einer parabolischen Strömung um die Sonne ausgezogen worden ist, oft über 1000 Jahre brauchen, um ganz an dem Centralkörper vorbei zu kommen. Im Jahre 1867 schrieb Weiss seine schon oben citirte Schrift und pflichtete Schiaparelli's Vorstellungen in einigen Punkten bei, während er ihnen in anderen Theilen ent- gegentrat. Nach seiner Meinung sind die Meteorströme so dünn bevölkert, dass selbst weit von der Sonne noch die zerstreuende Kraft dieser und der umgebenden Fix- sterne grösser bleibt als die innere Anziehung. Während Schiaparellrnehauptet, die Kometen seien eine Art Anhäu- fung von Meteoren, sagt Weiss in seiner Arbeit, dass dies zwar zutreffe, jedoch die Kometen keineswegs nur acces- sorisch, sondern geradezu die Urkörper seien, welche sich durch Verstreuung in die Metcorringe auflösen. Infolge der zerstreuenden Wirkungen könnten sich unmöglich An- häufungen bilden. Nach Weiss' Vorstellung nuiss also jeder periodische Komet nach geraumer Zeit die Bildung eines Meteorstromes veranlassen. Diese Idee gab Weiss Anlass, seine Methode zur Bestimmung des Radiationspunktes einer gegebenen Bahn aufzustellen. Er rechnete nun für eine Anzahl Kometen, deren Radius- Vector in einem der Knoten nahe = 1 wird, die zugehörigen Radiationspunkte und entdeckte auf diese Art den Radianten der Bieliden oder Andromediden, den Heis, Greg und andere fleissige Meteorbeobachter schon aus ihren Beobachtungen bestimmt hatten. Der von einem österreichischen Hauptmann Biela zu Anfang des 19. Jahrhunderts entdeckte und nach seinem Entdecker genannte Komet hatte bei seiner Wiederkehr im Jahre 1846 eine Trennung in zwei Theile gezeigt niid blieb nach dem Jahre 1852 überhaupt versehollen. Die Uebereinstiminung des aus der Kometenbahn folgenden Radianten mit dem von den Beobachtern bestimmten be- wog Weiss, und nur wenige Tage nach ihm D'Arrest zu dem Schlüsse, dass diese Meteore dem Kometen ihren Ursprung verdanken. Der Meteorstrom, welcher nun im Laufe eines Jahrhunderts aus dem December bereits in den November gerückt ist, wurde vo-n Brandes bereits am 26. Decemlier 1795 beobachtet. Später haben Herrick und Flaugergues (1838), sowie der äusserst fleissige Meteorbeobachter Heis den Radianten bestimmt. Nach- dem D'Arrest die wichtige Bemerkung gemacht hatte, *) Dritter Brief an Secchi 438 A'aturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 37. dass der Zeitraum zwischen 1795 uud 1838 gerade sechs Umläufen des Biela'schen Kometen entspreche, unter- suchte Weiss die Verhältnisse noch weiter. Er fand, dass die Bahn des Deccmberschwarmes, wie sie aus den Ra- dianten Herricks und Flaugergues berechnet wurde, eine weit bessere Uebcreinstimmung zeigte mit der Bahn, welche der Biela'sche Komet im Jahre 1872 beschreiben sollte, als mit der Bahn , die der Komet im Jahre 1852 verfolgte. Er vermuthete sofort eine ziemlich starke Verschiebung der Sternschnuppenthätigkeit und schloss, dass der Schwärm bereits in den November gerückt sei. Weiss prognosticirte dann einen schönen Sternschnuppen- fall gegen 1872 November 28. uud ebenso für 1879. Seine Vorhersage erfüllte sich vollständig. Ziemlich unvermuthet erneuerte der Schwärm seine Thätigkeit am 27. November 1885 und das in einer Stärke, welche den ganzen Sternschnuppenschauer vom Jahre 1866, wo nicht übertraf, so doch ihm zum mindesten gleichkam. Am 27. November 1892 hätte der Schwärm neuerdings eintreten sollen, kam aber diesmal schon vier Tage früher und war bedeutend schwächer als in den Jahren 1872 und 1885. Berberich, Hackenberger und Bredicliin forschten der Ursache dieser neuerlichen starken Verfrtthnug nach und fanden übereinstimmend, dass die- selbe durch die bedeutenden Störungen seitens Jupiter bewirkt worden war, dem sich der Schwärm gegen 1890 bedeutend genähert hatte. Die Erscheinung vom Jahre 1872 war so grossartig, dass Kiinkerfues geradezu meinte, die Erde sei am 27. No- vember durch den Kopf des Biela'schen Kometen hin- durchgegangen. War aber dies thatsächlieh der Fall, so musste man einige Tage nach dem 27. November den enteilenden Kometen an einem Punkte des Himmels, welcher dem Radianten gerade gegenüberliegt, wieder auffinden können. Kiinkerfues telegraphirte sofort an Pogson in Madras das Ersuchen, Biela's Kometen bei Q Centauri zu suchen. Doch es war dort leider in den nächsten Nächten bewölkt uud konnte erst am 2. Dezember nach dem Flüchtling Ausschau gehalten werden. Nichts- destoweniger bemerkte er durch Wolkenlücken sofort ein kometarisches Öbject, dessen Ort er sorgfältig bestimmte uri,d das er am nächsten Morgen nochmals beobachtete. Er erkannte deutlich den rundlichen hellen Kern, der einen kurzen Schweif nach sich zog. Schon am nächsten Tage trat leider wieder Bewölkung ein und die beiden Beob- achtungen Pogson's blieben also vereinzelt, so wünschens- wcrth es auch für die Zwecke einer BahnlDestimmung ge- wesen wäre, eine dritte Position zu erhalten. Im Jahre 1885 hielten nach dem grossen Sternschnuppenschauer vom 27. November fast alle südlichen Sternwarten Aus- schau nach dem Kometen, doch ohne jeden Erfolg. So hatten also Weiss' Ansichten über den Ursprung der Sternschnuppenschwärme durch die Erscheinung der Bicliden eine glänzende Bestätigung gefunden. Bei dem grossen Abstand der einzelnen Meteorpartikelchen von einander — nach Weiss beträgt derselbe gewiss gegen 700 km — ist thatsächlieh eine Ansammlung derselben in Folge innerer Kräfte unmöglich und daher kann auch Schiaparelli's Vorstellung, dass die Kometen nur aceesso- rische Anhäufungen solcher Körperchen seien, nicht bei- gepflichtet werden. Das Umgekehrte, dass die Meteore der Zerstörung kometarischer Körper ihr Dasein ver- danken, seheint dagegen über alle Wahrscheinlichkeit er- haben und zur Gewissheit erhoben zu sein. Schiaparelli trat im Jahre 1871 in seiner Schrift „Entwurf einer kos- mischen Theorie der Sternschnuppen" auch rückhaltlos dieser Vorstellungsweise bei. Die neueste Zeit. Was die neueste Zeit betrifft, so haben andauernde und verdienstvolle Beobachter, wie Denning, Herschel und Andere eine Unmasse von Beob- achtungsmaterial gesammelt und dadurch Anlass gegeben zu einer Reihe von Monographieen über einzelne Stern- schnuppenperioden, in welchen die Radianten der be- tretfenden Perioden und die zugehörigen Bahnen im Welt- raum mit möglichster Genauigkeit bestimmt wurden. Stern- schnuppenradianten, welche Monate lang thätig bleiben, waren durch rastlose Thätigkeit, insbesondere Dennings, gefunden worden und verlangten nach einer ausreichenden Erklärung, die sie trotz der klassischen Untersuchung von Niessei, der auf Grund der von Weiss gegebenen Methode der Bahnbestimmung die Aendcrungen suchte, welche ein Radiant in Folge der Bewegung der Erde erleidet, noch immer nicht gefunden haben. Niessei hat es sich überdies zur Aufgabe gemacht, für jede Feuerkugel, welche die nöthige Anzahl von Beobachtungen lieferte, die Elemente ihrer Bahn in unserer Atmosphäre zu be- stimmen. Anlässlich der in den Jahren 1898 und 1899 zu er- wartenden Wiederkehr der Bieliden und Leoniden. waren gar alle Astronomen zu eifrigen Meteorbeobachtern ge- worden und grossartige Vorbereitungen wurden aller- seits getroffen. Mittlerweile hatte die Himmelsphoto- graphie so grosse Erfolge errungen, dass man angestrengte Versuche machte, sie auch auf diesen Zweig der Astrono- mie anzuwenden. Mit ebenso scharfsinnig berechneten als kunstvoll hergestellten photographischeu Objectiven und ganz eigenartig construirten Apparaten, welche gleich- zeitig eine grössere Fläche des Himmels zu überstreichen gestatten, ausgerüstet, sah man dem erwarteten grossen Sternschnuppenschauer mit den grössten Erwartungen entgegen. Besonders auf der Wiener Sternwarte und dem Harvard-College observatory waren Apparate von äusserst compendiöser Form construirt worden und die Vorversuche hatten vollends die Möglichkeit ergeben, mit lichtstarken Objectiven von F/g — F ., die flüchtigen Lichtspuren photographisch festzuhalten. Alle Bestrebun- gen waren vorzugsweise darauf gerichtet, möglichst viele correspondirende Beobachtungen zu erhalten, um daraus genaue Höhen- und Radiaiftenbestimmungen erzielen zu können. Wie die Leser bereits wissen, sind alle diese Vorbereitungen durch das fast vollständige Ausbleiben der Leoniden und Bieliden überflüssig gemacht worden, der Unmasse Rechenarbeit gar nicht zu gedenken, die geleistet worden war, um über den Verlauf des Phänomens schon im vornherein genau informirt zu sein. B. V. Marsh und in neuester Zeit Abelmann hatten sich Fragen über die Constitution des Leonidenstromes zur Lösung vorgelegt. Während ersterer den Querschnitt des Stromes aus den Beobachtungen des Jahres 1866 be- stimmte und zu dem Resultate kam, dass der ganze Schwärm aus drei Theilen bestehe, untersuchte Abelmann die Längenausdehnung des Schwarmes in seiner Bahn, und gelangte zu dem Schlüsse, dass hinter dem Kometen von 1866 I ein Bogen von meteorischer Materie angelagert sei, der mindestens eine Länge von fünf Einheiten (Ent- fernung Erde — Sonne = 1) besitze, jedoch sieben Ein- heiten nicht zu überschreiten scheine. Aus den Beob- achtungen von 1865 zog Abelmann den bemerkenswerthen Schluss, dass vor dem Kometen ein solcher Bogen fehle, da damals die Entfernung der Erde vom Kopf des Ko- meten nur gering war und trotzdem nur verhältnissmässig wenig Meteore aufgeleuchtet hatten. Während man so von allen Seiten bestrebt war, sich auf das kommende grosse Ereigniss vorzubereiten, war man im Bureau des „Nautical Almanac" nicht weniger angestrengt thätig. Dort wurden unter Leitung des Superintendenten Dr. Dow- uing die Störungen des Kometen 1866 I bis auf unsere Zeit heraufgerechnet, um so eine genaue Ephemeride zu Stande zu bringen, welche den Ort des Schwarmes schon lange vor seinem Zusammentreffen mit der Erde XV. Nr. 37. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 439 angeben sollte, da sich der bekannte .\stropbotograph Roberts erbötig gemacht liatte, mit seinem 20 zölligen Reflector, sowie mit einer 5 zölligen Porträtlinse Dauer- aufnahmen zu machen, um den Schwärm bei seiner An- näherung zu entdecken. So hatte denn auch Johnstone Stoney die in Betracht kommenden Stücke der Epheme- ride und zwar 1897 Septbr. 24 — 1898 April 8 1899 Februar 5 — 1899 April 9 gerechnet. Später gab derselbe noch eine Epliemeride für die Zeit vom 31. October bis 12. November 1899 und 29. November bis 11. December 1899. Dabei wurden zwei Punkte der Bahn, die der Strom bei seiner Collisiou mit der Erde im Jahre 1866 beschrieb, ins Auge gefasst; einmal das Perihel der Ellipse von 1866 und dann ein Punkt der in der Bahn 30° hinter dem Perihel liegt. Damit sich aber der Beobachter über die Richtung der Tangente au die Strombahn orieutiren könne, wurde über- dies die Ephemeride auch noch für je einen benachbarten Punkt gerechnet. Die Meteore hätten, falls es gelungen wäre, sie zu photographiren, auf der Platte als matter Streifen in der durch die Ephemeride gegebenen Richtung erscheinen müssen. Roberts hat gewaltige Anstrengungen gemacht, und mehrmals Platten exponirt, ohne eine Spur des Schwarnies entdecken zu können. Am 28. Februar 1897 exponirte er nicht weniger als 2% Stunden, sodass die im Reflector befindliche Platte sogar Sterne 17. Grösse darstellte, ohne das geringste zu finden. Drei weitere Versuche vom 31. December 1897 (57™ Exposition), 27. Fe- bruar und 21. März 1898 (je 2^ Exposition) blieben eben- falls erfolglos. Mit diesen vergeblichen Versuchen, den Schwärm noch vor seinem Zusammentreffen mit der Erde zu entdecken, kam laugsam der erwartete Termin des 15. November 1899 heran. Von der Wiener Sternwarte aus hatten die Professoren Weiss und Hepperger eine Doppelexpedition nach Indien organisirt, wo das bessere Klima Gewähr für reinen Himmel bieten musste. Ueberhaupt war über- all das Bestreben zu Tage getreten, Berggipfel und grössere Höhen aufzusuchen, um den Dünsten des Flach- landes, welclie der photographischen Thätigkeit nach- theilig gewesen wären, entrückt zu sein; sogar Ballon- fahrten waren zu dem Zwecke unternommen worden, um sich über die Wolkendecke zu erheben. Die Wiener Stern- warte hat in dieser Beziehung wohl das grossartigste geleistet. Abgesehen von der nach Indien entsendeten Doppelexpedition waren auch noch zwei in der Nähe Wiens gelegene hohe Berggipfel über Auftrag der Wiener Akademie von Astronomen bezogen worden. Wolil alle Leser wissen, wie sehr die Hofthungen enttäuscht worden waren. Sowohl Leoniden wie auch Bieliden waren ausgeblieben. Für die letzteren hatte man allerdings schon von vornherein wenig geliofft, da auch im Vorjahre nur einige wenige Meteore sichtbar ge- worden waren, und war daher dieser Termin auch nur in Folge des nahen Anschlusses an die Leonidenperiode mit- genommen worden. Die Leoniden aber hatten nach dem schönen Schauspiel vom Vorjahre denn doch zu besseren Hoffnungen bereelitigt, welche aber völlig unerfüllt geblieben sind. Verfasser hat kurze Zeit nach dem Ausbleiben der Leonidenmeteore die Gründe für und wider erwogen, die dieses negative Resultat hatten hervorrufen können und auch gleichzeitig darauf hingewiesen, welche entschei- dende Rolle das Jahr 1900 zu spielen berufen ist. Zwar meinte Denuing, dass wohl noch 1904 schöne Stern- schnuppenfälle aus dem Leonidenradianten erwartet werden dürfen, aber soviel kann die Verspätung des Phänomens doch nicht recht betragen. Wir haben nun einen Theil der uralten Wissenschaft der Himmeiskunde verfolgt auf seinem ganzen kaum mehr als ein Jahrhundert währenden Wege, von der Zeit seines Entstehens bis auf seine jetzige hohe Ausbildung. Mit Stolz können wir zurückblicken in das vergangene Jahr- hundert, auf die geleistete Geistesarbeit. Wir brauchen uns der Verirrungen durchaus nicht zu schämen, denen grosse Männer lange Zeit hindurch ausgesetzt waren, denn es war weniger ihre Schuld, als vielmehr in der Natur der Sache selbst gelegen. Es ist so eine Eigen- heit des menschlichen Geistes, das Naheliegende zuerst zu übersehen, um nach dem Entfernteren zu spähen. Gerade dadurch, dass diese Männer zuerst auf die nahe- liegende atmosphärische Theorie verfielen, zeigten sie ihre strenge Wissenschaftlichkeit, welche überall nur einfache und schmucklose Gebäude, keine kunstvoll aufgebauten Kartenhäuser will, welche der erste Windhauch umbläst. Und wer kann dafür, dass gerade in diesem Falle das naheliegende, die Verknüpfung einer in der Atmosphäre vor sich gehenden Erscheinung mit dieser Atmosphäre selbst, das unrichtige war. Doch scheinen solche ele- gische Befrachtungen gerade hier nicht am Platze, wo es dem Menschengeist gelungen ist, in so kurzer Zeit so Grossartiges zu leisten. Mit voller üeberzeugung und unbesorgt, bei irgend jemand auf Widerstand zu sfossen, können wir daher mit dem Wunsche schliessen, dass das 20. Jahrhundert eine ebenso grosse Bereicherung der Meteorastronomie und der Himmelskunde überhaupt bringen möge, wie es das 19. Jahrhundert in seinem Wandel vermocht hat. Wir haben in No. 11 dieser Zeitschrift von diesem Jahre über die Untersuchungen v. Schillings über den Rindejj- wickler berichtet und auch seine Annahme wiedergegeben, dass dieser Schädling %o von allem sogenannten offenen oder brandigen Krebse der Obstbäume verursache, von Schilling hat später einen Aufruf erlassen, in dem er um Zusendung von Aststücken mit offenem Krebse ersuchte. Die Ergebnisse der Untersuchung der eingegangenen Stücke veröffentlicht er im Praktischen Rathgeber für Obst- und Gartenbau vom 29. Juli. Sie bestätigen seine Annahme aufs Glänzendste. Von 37 eingesandten Stücken mit offenem Krebse rührten 4 von der Blutlaus her, die übrigen 33 alle vom Rindenwickler (Graptolitha wöberiana VV. V.). Mau erkennt sie daran, dass a. stets, wenn auch ganz seichte, vermulmte, meist spiralförmig verlaufende Bohr- gänge in der todten Zentralstelle zu finden sind; b. diese sich fast ausnahmslos um einen vorhandenen abgestorbenen oder noch lebenden Spross winden; c. oft schwer zu fin- dende Gänge im abgestorbenen, häufig auch im lebenden Splint vorhanden sind ; d. bei a und c Verpuppungs- und Winterlager oder Spuren davon zu finden sind; e. alle Lager in der Regel Reste oder Spuren von Gespinnst erkennen lassen; f. bei a, c, d, mitunter auch bei e kleine, frisch röthlich braune, alt fast schwarze Kothkörnchen oder Spuren solcher, meist mittelst Spinnfäden zusammenhängend, zu finden sind; g. am äusseren Rande der todten Zentralstelle, versteckt in der geborstenen, alten Rinde kleine Räupchen oder Puppen stecken. Der offene Blutlaus - Kre bs ist daran zu erkennen, dass a. die todte Zentralstelle glatt, ohne Spur von Minen ist; b. Auflug, von der Wolle her- rührend, sich nachweisen lässt; c. Blutläuse oder Reste solcher vorhanden sind; d. das Parenchym der Wulstungen auffallend locker und weich ist. Die Froststellen da- gegen sind kahle, wulstlose, trockene Platten. Namentlich interessant sind v. Schilling's Befunde über den Pilz Nectria ditissima, den man seither für den Erreger des 440 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 37. offenen Krebses hielt; er fehlte völlig bei 19 Krebsstellen und war am stärksten auf ganz vertrockneten, wulstloseu Frostplatten. Niemals fand ihn v. Schilling auf frischen Wucherungen, sondern nur auf absterbenden oder ganz todten Rindeutheilcn, so dass v. Schilling ihn für eine harmlose Folge des Absterbens seines Substrates hält. Reh. (ireschmolzenes Holz herzu.stellen, ist einer Mit- theilung des „Anzeigers für die Holzindustrie" zufolge dem französischen Forstinspector de Gall in Lemur gelungen. Indem d. 6. bei der trockenen Destillation des Holzes durch starken Druck das Entweichen aller sich ent- wickelnden Gase verhinderte, gelang es ihm, das Holz in einen geschmolzenen Zustand zu versetzen, aus dem nach dem Erkalten ein schwarzer, kohienähnlicher Körper ent- stand, der keine Spur organischer Struktur mehr erkennen Hess. Dieser Körper ist hart und schwer und zeigt eine feinkörnige Bruchfläche. Verschiedene werthvolle Eigenschaften des geschmol- zenen Holzes lassen hoifeu, dass es für die Industrie wird verwendbar gemacht werden können. Es lässt sich in beliebige Formen pressen, lässt sich gut polireu, ist für Wasser undurchlässig, ist elektrischer Nichtleiter und wird von Säuren nicht angegriffen. B. H. Die Entdeckung eines neuen Eisenmeteoriten meldet das „Centralblatt für Mineralogie, Geologie und Paläontologie." Es handelt sich um eine meteoiische Eisenmasse, die von Bauern auf der untern Rafrüti in den Emmenthaler Bergen (Kanton Bern) gelegentlich der Anlage eines Kartoffelackers schon im Jahre 1886 aus- gegraben wurde. 14 Jahre lang diente das Eisenstück auf dem abgelegenen Bauernhof den Leuten, die es für eine geplatzte französische Kanonenkugel hielten, zu allen möglichen Zwecken, — z. B. angewärmt und in Tücher gewickelt als Bettwärmer — bis der Lehrer Fr. Wiedmer und der Posthalter Fr. Meister jetzt seinen meteorischen Ursprung erkannten und seinen Ankauf durch das natur- historische Museum in Bern veranlassten. Die äussere (Flug) Seite des Meteoriten bildet einen EUipsoidoberfiäehentheil, während die inneren Flächen ungefähr eine dreiseitige, ungleichseitige Pyramide bilden. Diese innere Seite zeigt mehrere näpfchenförmige Ver- tiefungen. Das Eisenstück ist in seinen grössten Axen 27 cm lang, 21 cm breit und 16 cm dick und hat ein Gewicht von 18,2 kg. Eine Analyse, die Prof. Friedheim ausführte, ergab neben Eisen einen hohen Gehalt an Nickel und Spuren von Kobalt, Phosphor und Schwefel. Ein alter Emmenthaler Bauer erinnert sich, dass im Jahre 1856 in dieser Gegend ein Meteor unter lautem Knall platzte, von dem also dieser „Rafrüti-Meteorit" — so nennt ihn Dr. von Fellenberg, der in dem genannten Blatte darüber berichtet — einen Splitter darstellen würde. Ein Jäger soll damals durch den Luftdruck des vorüberfliegenden Meteorstückes zu Boden geworfen sein. B. H. Wetter -Monatsübersicht. (August.) — Der im diesjährigen Juli in so schroffer Form aufgetretene Wechsel zwischen einer längereu Zeit mit trübem, kühlem Wetter imd einer heissen und trockenen Zeit wiederholte sich noch einmal im August, jedoch in weniger ausgesproche- nem Maasse. Während der ersten Hälfte des Monats hielten sieh die Temperaturen, wie das Beispiel Berlins in obenstehender Zeichnung ersehen lässt, fast immer ein paar Grade unter ihrer normalen Höhe. Das Wetter war im Aligemeinen trübe und feucht bei ziemlich lebhaften, südwestlichen, seltener nordwestUehen Winden. Diese drehten sich gerade um Mitte des Monats nach Nordost, alsbald klärte sich der Himmel fast überall vollständig auf, und es trat eine allgemeine Erwärmung ein, welche in der westlichen Hälfte Deutschlands um den 20. August ihren Höbepunkt erreichte, nachdem die Windrichtung bereits in Südost übergegangen war. Während es hier dann wieder etwas kühler wurde, blieben die Temperaturen in den östlichen Landestheilen noch mehrere Tage länger etwa auf gleicher Höhe und ßid^rscblaaöfiöfi^n im J^ugusf WO. \, =s ^v, MimcrerWerJhfür ?li .&.. ^ l-iPs Deutschland ■Uli liNisl^lll MM ■ 12.-19. Augus '- . \ ' 1 1 '1 ■ i B LiJ-«J iJ 1 L 1 : ; 1 1 1 1 1 i 1 II M ■ 'V^ 20.-31.Augi.st_M-|j 1 r 1 , 3H - 1 ' — Ir ii^ ^ - inn 1 HlJ llihi III n l Mmatssumtnen im Aujust 1900183998 97. 96 95. I stiegen darauf noch ein wenig, sanken j'edoch etwa vom 25. an etwas schneller als im Westen. Ueberhaupt war es während des ganzen Monats fast immer am wärmsten nordöstlich der Elbe, und daselbst wurden auch die nor- malen Augusttemperaturen von den diesjährigen nm un- gefähr einen Grad überschritten, wogegen diese im Westen und Süden Deutschlands einen Grad unter ihren viel- XV. Nr. 37. Naturwissenschaftliclie Wochenschrift. jährigen Durchschnittswerthen lagen. In Berhn ergab sich die Mittelteraperatur des vergangenen August zu 18,6o C, während 18,1" normal ist, und auch die Anzahl der Sonnenscheinstunden, deren im ganzen Monat 256 ver- zeichnet wurden, übertraf nicht sehr erheblich den Durch- schnitt aus den früheren Jahren. Die Niederschläge, welche unsere zweite Zeichnung veranschaulicht, waren allgemein recht häufig, in ihren Mengen aber sehr ungleich über die einzelnen Gegenden Deutschlands vertheilt. In den ersten Tagen des Monats kamen hauptsächlich im Nordseegebiete sehr heftige Ge- witter mit starken Regengüssen vor, die sich allmählich sowohl an der Küste wie auch im Binnenlande etwas weiter ostwärts ausbreiteten. Seit dem 12. Hessen sie jedoch erheblich nach, und namentlich in Sttddeutschland, wo es schon vorher viel weniger als im Norden ge- regnet hatte, waren die nächsten acht Tage fast gänzlich trocken. Eine neue längere Regenzeit, welche gleichfalls durch schwere Gewitter und einzelne Hagelschläge in der ganzen westlichen Hälfte Deutschlands eingeleitet wurde, begann am 20. August. Vom 20. bis 26. wurden bei- spielsweise zu Borkum 119 Millimeter Regen ge- messen, dann hörten die Regenfälle dort wie längs der ganzen Küste auf, dauerten aber in Süd- und Mittel- deutschland bis fast zum Schlüsse des Monats fort, Friedrichshafen hatte noch vom 28. bis 29. eine Regen- höhe von 59 Millimetern. Der Gesammtertrag an Regen war in Nordostdeutschland verhältnissmässig ge- ring, im Nordwesten aber sehr bedeutend. Der aus den verschiedenen Theilen Deutschlands sich ergebende Durch- schnittswerth, der sich auf 79,2 Millimeter bezifferte, über- traf die entsprechende durchschnittliche Regenhöhe des vorjährigen August um mehr als das Doppelte, wurde aber besonders im August 1896 und 1897 noch erheblich über- troften. In den ersten Tagen des August erschienen vor Schottland und Irland eine Reihe tiefer barometrischer Minima, welche nach dem norwegischen Meere oder der Nordsee weiterzogen und der ganzen nordwestlichen Hälfte Europas eine so unruhige Witterung brachten, wie sie im Sommer nur selten vorzukommen pflegt. Aber am 11. drang vom biscayischen Meere her ein umfangreiches Maximum nach den mittleren Breiten Westeuropas vor und verweilte hier, die Minima in weitem Abstände hal- tend, unter wenig erheblichen Lagenverschiebuugen bis zum 17. August, worauf es sich in das Innere Russlands enferute. Doch auch in Mitteleuropa blieb der Luftdruck ziem lieh hoch und hielt dementsprechend das ruhige schöne Wetter noch ein paar Tage an, bis eine vom Ocean heran- nahende Depression ihr Gebiet allmählich so weit ost- wärts auszubreiten vermochte. Unter ihrem Einflüsse folgte dann eine sehr veränderliche Witterung, die erst am 26. August, als ein neues Maximum vom norwegischen Meere südostwärts vorrückte, ihren Abschluss fand. Eine gleichzeitig von der iberischen Halbinsel nach Frankreich gelangende Depression zerfiel dort in mehrere sehr flache Theilminima, von denen eines im Alpengebiete ungewöhn- lich grosse Regenmengen verbreitete. Namentlich wurde der Kanton Tessin von furchtbaren WolkenbrUcheu heimgesucht, die höchst verderbliche üeberschwem- mungen nach sich zogen, dort fielen z. B. in Lugano vom 26. zum 27. August 47 und in den nächsten 24 Stunden 103 mm Regen. In Deutschland aber traten unter dem Zusammenwirken des nordwestlichen Maximums und der südlichen Depressionen frische Nordostwinde auf, welche grossentheils klare, ziemlieh warme Tage, aber kühle Nächte mit sich brachten. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ei'naniit wurden: Dr. M. Schmult, Privatdocent für patho- logische Anatomie und allgemeine Pathologie und Dr. D. Ger- hardt, Privatdooent für innere Medicin in Strassburg zu ausser- ordentlichen Professoren; Privatdocent der Mathematik K. Wölfin g an der technischen Hochschule in Stuttgart zum Titular-Professor; die Docenten der Landwirthschaft, bezw. landwirthschaftlichen Chemie H. Puchner und M. Bücheier an der landwirthschaft- lichen Akademie in Weihenstephan zu Professoren; Dr. L.Pfaund- ler, ordentlicher Professor der Physik in Graz, zum Hofrath; Dr. E. Martinak, Privatdocent der Philosophie in Graz, zum ausserordentlichen Titular-Professor; Privatdocent der Physiologie A. Kreidl in Wien zum ausserordentlichen Professor; die Privat- docenten der Gynäkologie R Chrobak und F. Schauta, sowie der ordentliche Professor der Astronomie E. Weiss in Wien zu Hofräthen; Privatdocent der Geologie F. E. Suess in Wien zum Adjunkten an der geologischen Reichsanstalt; Assistent für Kinderheilkunde K. Folger in Wien zum Primarius und Director des neuen Kinderspitals in Klagenfurt; Privatdocent für ana- lytische Chemie F. IJlzer an der technischen Hochschule in Wien zum Professor am technologischen Gewerbemuseum daselbst; Privatdocent der Chemie L. Pelet und Privatdocent der Hydrau- ' lik N. Seh oulip n iko w in Lausanne zu ausserordentlichen Pro- fessoren; Dr. Hugo Brunner, Bibliothekar an der Landes- bibliothek in Kassel, zum Oberbibliothekar; Dr. Julius Rosen- bach, ausserordentlicher Professor in der medicinischen Fakultät zu Göttingen, zum Geheimen Medicinalrath; Dr. Fritz Kötter, etatsmässiger Professor der Mathematik an dir Bergakademie und Privatdocent der Physik an der technischen Hochschule in Berlin, zum etatsmässigen Professor an der technischen Hochschule; Dr. Fritz Haasler, Privatdocent in der medicinischen Fakultät zu Halle, zum Titular-Professor. Berufen wurden: Privatdocent der Elektrotechnik K. Heinke an der technischen Hochschule in München als Professor nach Stuttgart; Professor der Experimentalphysik P. Curie in Paris nach Genf als Nachfolger Prof. Sorets. Abgelehnt haben: Dr. T. Axenfeld, ordentlicher Professor der Ophthalmologie in Rostock einen Ruf nach Marburg; Dr. F. Hofmeister, ordentlicher Professor der physiologischen Chemie in Strassburg, einen Ruf nach Heidelberg. Es habilitirten sich: Assistent Dr. W. Herz für Chemie, Assistent Dr. E. Böse für Physik in Breslau; die Assistenten Dr. R. Magnus und Dr. E. Schwalbe in der medicinischen Fakultät zu Heidelberg; Dr. L. Zehnder, ausserordentlicher Professor der Physik in Würzburg, für dasselbe Fach in München; Assistent Dr. B. Honseil für Chirurgie in Tübingen; Dr. L. Braun für innere Medicin in Wieu; E. Szaravasy für Elektrochemie an der technischen Hochschule in Budapest. In den Ruhestand treten: Dr. 0. Minkowski, ausserordent- licher Professor für innere Medicin in Strassburg; ordentlicher Professor der Physiologie und Botanik M. Thury, ordentlicher Professor der Experimentalphysik Ch. Soret und ordentlicher Professor der Pharmakognosie J. Brun in Genf. Es starb: Dr. Wilhelm Ahles, früher Profe.ssor der Bo- tanik an der technischen Hochschule in Stuttgart. L i 1 1 e r a t u r. R. Iiydekker, Die geographische Verbreitung und geologische Entwickelung der Säugethiere. Autiirisirtc Uebersctzung aus dfui Englischen \ on Prof. (1. Siubert. Mit 82 Illustrationen und einer Karte. Jena 181)7, Verlag von H. Costenoble. Verf. will mit seinem Werk eine Lücke in der vorhandenen Litteratur ausfüllen, denn die bisher erschienenen Arbeiten über die geographische Verbreitung der Säugethiere berücksichtigen nicht die fossilen Formen, und gerade diese lehren uns zahlreiche scheinbare Anomalien der modernen Säugethierfauna erst recht verstehen. Beeinflussen schon klimatische Verhältnisse, wie Tempe- ratur und Feuchtigkeit ihre Verbreitung, wenn auch in Folge eines gewissen Anpassungsvermögens in geringerem Maasse, so sind von um so grösseren Einfluss die Veränderungen, welche un- sere Erdoberfläche selbst in früheren Perioden erfahren hat. Continente, die jetzt völlig getrennt von einander erscheinen, hingen ehedem zusammen, manche der jetzigen Inseln bildeten früher Theile des Festlandes: alles Verhältnisse, die Thierwande- rungen nach einer Richtung hin zu einer gewissen Zeit gestatteten, eine spätere Rückwanderung aber verhinderten und so gewisse jetzige isolirte Faunen veranlassten. Gerade die Säugethiere, ab- geseKen von den Menschen, den Handflüglern sowie den Wasser- thieren wie Robben, Walen und Delphinen bieten die beste Grund- lage zur Eintheilung der Erde in zoologische Provinzen, denn einmal haben sie ilen Höhepunkt ihrer Entwickelung erst ver- hältnissmässig spät erlangt und ferner ist iluen Bewegungen im wesentlichen durch die Ausdehnung der zur Zeit der Wanderung 442 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 37. in Verbindung stehenden Landgebiete eine Grenze gesetzt. Die Haupthindernisse ihrer Ausbreitung sind Wasserkanäle von solcher Breite, dass ein Durchschwimmen ausgeschlossen ist. Wichtiger noch als ihre Breite ist jedoch ihre Tiefe, wie z. B. die Wallace'sche Linie erkennen lässt, jene schmale Meerenge zwischen Bali und Lombok und ihre nördliche Fortsetzung, die iMakassarstrasse, die Borneo von Celebes trennt: die Faunen von Lombok und Celebes erscheinen wesentlich verschieden von den Faunen der nördlich und westlich der Wallace'schen Linie gelegenen Inseln: sie be- zeichnet eine Barriere, die seit langer Zeit für die Wanderungen der meisten Säugethiere unpassirbar gewesen ist. Der Grad der Verschiedenheit der Faunen des Continents und der benachbarten Inseln bietet einen wichtigen Anhaltspunkt für die Beurtheilung der Zeit, während welcher eine Landverbindung zwischen diesen existirte. Ebenso wirksame Grenzscheiden bieten grosse Ströme, Wüsten und hohe Gebirgsketten. Umgekehrt kann in polaren Gegenden wieder das Eis landverbindend wirken. Der Einfliiss des Menschen für die Thierverbreitung kann ein zweifacher sein: einmal ein vernichtender, das andere Mal ein fördernder durch Ueberführung von Thieren in Gegenden, die nicht ihre natürliche Heimath waren. Abgesehen von dem Eingreifen des Menschen hat im Grossen und Ganzen jede Art ein continuirliches Ver- breitungsgebiet, dessen Grösse natürlich sehr verschieden sein kann und um so bedeutender sein wird, je leichter sich die Art verschiedenen klimatischen und anderen physikalischen Bedin- gungen anpasst. Ihr Hauptfactor wird aber die Möglichkeit sein, die geeignete Nahrung zu finden. Um so wichtiger sind daher für die Lehre der Verbreitung und Entwickelung der Säugethiere solche Arten, die eine diskontinuirliche Verbreitung besitzen, da sie wichtige Schlüsse zulassen über frühere Landverbindungen oder über gemeinsame Verbreitungscentren. Für die Entwicke- lung solcher Centren am günstigsten war eine mehr oder weniger völlige Isolirung. Zu berücksichtigen ist aber auch in gewissem Sinn die Permanenz der Continente und Üceanbecken: haben auch die jetzigen Continente zum Theil wiederholt unter dem Meeres- spiegel gelegen, so haben sie doch nie eigentliche Theile der Tief- see gebildet, umgekehrt waren die jetzigen Tiefseegebiete niemals festes Land. Verf theilt für die geographische Verbreitung der Säuge- thiere die Erde in drei Reiche: I. Notogäisches Reich, IL Neogäisches Reich, III. Arkto- gäisches Reich, wovon jedes wieder in einzelne Regionen zerfällt. Die dem Werk beigegebene Karte giebt diese Verhältnisse wieder. Notogäa umfasst im Grossen und Ganzen Australien und Poly- nesien, Neogäa Süd- und Mittelamerika, Arktogäa die übrigen Theile unserer Erde. Notogäa ist die ausschliessliche Heimath der typischen, di- protodonten Beutelthiere und der Monotremen. Es zerfällt in vier Regionen: 1. die australische Region: sie umschliesst Austra- lien, Tasmanien, Neuguinea und die Papuainseln. Beutelthiere und Monotremen bilden das vorherrschende Element ihrer Säuge- thierfauna, 2. die austromalaische Region: sie umfasst Lombok, Celebes und die anderen Inseln, die zwischen diesen und der australischen Region liegen: die Monotremen fehlen und Beutel- thiere bilden nur einen geringen Bruchtheil ihrer Säugethierfauna, sie erscheint als eine Mischfauna australischer und malaischer Typen. 3. Die hawaische Region (nur die Sandwichinseln), in der die Sängethiere allerdings nur durch eine einzige Fledermaus der Gattung Atalapha vertreten sind, und 4. die polynesiche Region: sie begreift alle Inseln östlich des Korallenmeeres und Neu-Seeland in sich. Hier fehlen Landsäugethiere gänzlich. Die paläontologischen Reste ergeben zur Geschichte der Entwickelung der australischen Fauna, dass, abgesehen von primi- tiven Formen in der Trias Nordamerikas, während der Jurazeit Beutelthiere über Europa und Nordamerika (hier auch noch während der Kreideperiode) weit verbreitet waren. Dann fehlen derartige Reste aber vollkommen bis zum Oligocän, in welchem das Opossum in Europa und Nordamerika erscheint, und bis zum Miocän mit Beutelthierresten in Patagonien. Sicher hat nun Australien seine polyprotodonten Beutelthiere von Norden her er- halten und zwar nicht vor Beginn des Tertiärs, denn die Funde dasyurider Beutelthiere im patagonischen Miocän weisen bei ihrer nahen Verwandtschaft mit den Didelphyidae auf eine gemeinsame Stammform hin, die bei dem völligen Fehlen dieser letzteren in Notogäa also sicherlich auf der nördlichen Hemisphäre gelebt haben muss. Da das Opossum nun aber erst vom Oligocän an bekannt ist und wohl kaum schon eine Differenzirung der beiden Familien zur Jura- oder Kreidezeit stattgehabt hat, so ergiebt sich als das wahrscheinlichste, dass polyprotodonte Beutelthiere in Südostasien bis zum Eocän fortgelebt haben und dass sich hier obige getrennte Entwickelung vollzog. Die Dasyuridae wanderten dann nach Australien und Neuguinea, die Didelphyidae nach Europa und Nordamerika. Südamerika muss also, wie weiterhin folgt, durch eine Landbrücke mit Australien zu dieser Zeit in Verbindung gestanden haben, und zwar nur für kurze Zeit, so dasa die sich später in Australien entwickelnden Diprotodonten nicht mehr den Uebergang benutzen konnten. Vielleicht stellt die Antarktis Reste dieser ehemaligen Landverbindung dar. Eine weitere Stütze für die verhältnissmässig späte Isolirung des noto- gäischen Reiches ist das Vorkommen jener flugunfähigen Strauss- vögel, wie der ausgestorbenen Moas (Dinornithidae), der Kiwis, der Kasuare und Emus, denn bei der Voraussetzung einer für ihre Wanderung erforderlichen Landverbindung ist diese Gruppe eine ziemlich moderne. Die zweite zoologische Hauptprovinz, Neogäa, besteht nur aus der neotropischen Region. Sie umfasst ganz Süd- und Mittil- amerika und Westindien, sowie die zu beiden Seiten der mexi- kanischen Hochebene gelegenen Tiefländer. Nach Norden hin besitzt dieses Reich also ein Uebergangsgebiet zum arktogäischen Reich, das sich auch faunistisch als ein solches durch eine Ver- mischung der Faunen der neotropischen und sonorischen Region dokumentirt. Neogäa erscheint als ein Gebiet mit ausgedehnten tropischen Wäldern und offenen Grasebenen, so recht geeignet zur Entwickelung eines reichen thierischen Lebens. Sind auch die klimatischen Unterschiede schon bedeutende durch das andine Hochgebirge, so sind diese doch noch grössere in der N.-S.Richtung des Gebietes; sie gewähren daher noch eine um so grössere Mannigfaltigkeit der Thierwelt. Die jetzige Säugethierfauna unterscheidet sich wesentlich von der Notogäas wie von der Arkto- gäas, obwohl durch die Verbindung mit dem Norden der Unter- schied heute bedeutend geringer ist als wie zur Tertiärzeit, wie die zahlreichen knochenführenden Ablagerungen der diluvialen Pampasformation und der tertiären Schichten von Monte Hermosa bei Bahia Bianca und der patagonischen Santa Cruz-Schichten er- weisen. Aus der Uebersicht der lebenden und fossilen Säugethier- formen orgiobt sich, zum mindesten vom Tertiär an, folgende Fauna: Affen von einem ganz anderen Typus als die altweltlichen; Nagethiere, zum Theil mit afrikanischen Formen nahe, mit ge- wissen oligocänen europäischen Typen entfernter verwandt; In- sektenfresser mit V-förmigen Molaren; neben diesem Gebiet eigen- thümlichen ausgestorbenen Unterordnungen der Hufthierc (Litop- terna, Astrapotheria, Toxodontia und Pyrotheria), verwandt mit den Vorfahren der Perissodactylen der nördlichen Halbkugel und den afrikanischen Klippschliefern, lebende Formen, wie die Pe- karis, die Guanakos, Vicunnas Lamas und Pferde, die erst verhältniss- mässig spät eingewandert sind, wenn sich auch diluviale Reste solcher finden, (neuerdings datirt aber ihre Existenz erst seit ihrer Einführung seitens der ersten spanischen Ansiedler; warum sie in der Zwischenzeit ausgestorben waren, ist eine schwer zu be- antwortende Frage); dann die sehr charakteristischen Gürteltiere, die ausgestorbenen Glyptodonten und Erdfaulthiere, welche hier ihre eigentliche Heimath haben; Beutelthiere, deren Heiuiath zum Theil, wie schon oben erörtert, wohl Australien ist, neben solchen, welche über Nordamerika eingewandert sind. Ihrem Alter nacli ist diese Fauna sicher nicht älter als untermiocän oder ober- oligocän. Aus dem Fehlen von Halbaffen, echten Raubthieren Kreodonten, artiodactylen und perissodactylen Hufthieren und Opossums, die sämmtli'ch während des Oligocäns und Miocäns in Nordamerika und Europa existirton, ergiebt sich eine Trennung von Nord- und Südamerika während dieser Epochen. Geologisch kann diese Thatsache dadurch als erwiesen betrachtet werden, dass ein grosser Theil Mexicos von marinen, kretaceischen Schichten aufgebaut wird. Das Vorkommen von Oligocän- und Miocänschichten in dem Gebiete des Isthmus von Panama beweist, dass diese Trennung, die wohl während des Eocäns fortbestand, auch noch während des mittleren Theils der Tertiärperiode exi- stirt hat. Die Verbindung war aber hergestellt gegen Ende dos Miocäns, wie der Fund von Resten eines Glyptodons in der Nebraskastufe der unterpliocänen Loup-Fork-Gruppe beweist. Die einzige Region Neogäas, die neotropische umfasst vier Subregionen: 1. die brasilianische: sie begreift ausser Brasilien Guyana, Venezuela, Kolumbien, Ecuador, Paraguay und die östlich der Andeukette liegenden Theile von Peru und Bolivia in sich, im Grossen und Ganzen ein Gebiet dichter tropischer Wälder; 2. die chilenische: sie umfasst Chile, Argentinien, Uruguay, Pata- gonien und die nicht zur ersten Subregion gehörigen Theile von Peru und Bolivia; sie besteht vornehmlich aus offenen Ebenen und Pampas, begi-eift aber auch die hohen Anden in sich; S. die mexikanische, das Gebiet des Isthmus von Panama, Central- amerikas und Südmexikos: sie erscheint als ein Uebergangsgebiet zwischen der typischen tropischen und der sonorischen Region; 4 die antillische Region: sie umfasst die westindischen Inseln mit Ausnahme von Trinidad, die in zoologischer Hinsicht zum süd- amerikanischen Continent gehört. Was die ersten beiden Re- gionen anlangt, so ist die gegenwärtige Verschiedenheit ihrer Säugethierfauna eine ziemlich moderne, denn noch zur Pleistocän- zeit waren die Faunen dieselben. Heutzutage ist die Fauna der brasilianischen Subregion im Wesentlichen die der neotropischen Region überhaupt, ja einige ihrer Gruppen sind ihr fast oder ganz I eigenthümlich, wie z. B. der grosse Ameisenfresser und die meisten XV. Nr. 37. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. der Faulthiere und KrallenafFen, der Paka und das Riesengürtel- tliier, die Stachelratten und das Wasserschwein. Von besonderen Formen dor chilenischen Subregion seien genannt die Guanakos und Vicunnas, die Viscaclias und Chinchillas. In der mexika- nischen Region sind eigentliche neotropische Formen spärlicher, sie zeigt in ihrer Fauna eine bedeutende Beimischung arkto- giiischer Formen, wie Spitzmäuse und Beutelratten. Die antillischo Region ist ausserordentlich arm an Säugethieren, vertreten sind hauptsächlich Fledermäuse, Insektenfresser und Nagethiere. Charakteristisch sind die unter dem Namen Hutias bekannten Baumnagethierc (Plagiodon und Capromys). Für eine ehemalige Verbindung Noril- und Südamerikas über die Antillen sprechen mancherlei ])alaeontologisclie wie geologische Gründe; die Säuge- thierrcste und die heutige Fauna deiit.n j.dixh auf eine nur kurze Dauer dieses Zusammenhanges In üitreiV iln- Fauna der anderen südamerikanischen Inseln erscheinen ili" I".ilkl:nidinseln und Feuer- land als Theile des Continents; die Ci:ilapagüsinseln, ursprünglich wohl zu einer oinzit,'rii \ rninlnt. weisen, namentlich durch das Vorkommen von lüilit «ini^.r als 5 Arten von Riesenschild- kröten auf eine Verbiiidmii; nlior die Cocoginseln mit Central- amerika hin. Das dritte der zoologischen Reiche, Arktogäa, umfasst den bei Weitem grössten Theii der Erdoberfläche und liegt fast ganz auf der nördlichen Halbkugel, es umfasst alle die Gebiete, die nicht zu den beiden anderen Reichen gehören. Auch es zerfällt in einzelne Regionen, für deren Verwandtschaft die Gemeinsamkeit der Ihformen spricht. So war z. B. während der Jura- und Kreide- zeit eine einheitliche Säugethierfauna über Europa und Nord- amerika vei breitet, die sich auch auf Asien und Afiika erstreckte. Was den allgemeinen Charakter der arktogäischen Fauna anlangt, so unterscheidet sich Arktogäa von Notogäa besonders dadurch, dass Monotremen und diprotodontc Beiitelthiere fehlen, von Neogäa dadurch, dass gegenwärtig alle urogiiischen Edentaten- lypen, sowie die neotropischen Afl'en und Krallenafl'en fehlen. Ihr eigenthümüch dagegen sind die Insektenfresser, auch stellt der nördliche Theil von Arktogäa die ursprüngliche Heimath sämmtlicher moderner Typen der höheren Säugethiere dar. Halb- affen sind, wenigstens mit dem Miocän, auf ihr Gebiet beschränkt. Charakteristisch auch ist, dass gegenwärtig alle Beutelthiere mit Ausnahme des Opossums fehlen. Betreffs der geologischen Entwickelung der heutigen Fauna lässt sich folgendes sagen : Die einen Uebergang zwischen den Faunen der Kreidezeit und des Tertiärs bildende Puercofauna der Vereinigten Staaten enthält einige Formen der Multituberculaten, der Raubthicre, der Hufthiere und die ausgestorbene Gruppe der Tillodontia, —aber alles Vertreter nur der niedersten Sektionen, aus- gezeichnet durch die geringe Höhe der Kronen ihrer Molaren, mit im Dreieck stehenden Höckern, sogenannten Trituberkular- zähnen. Einige von ihnen gehören Familien an, die für die über- lagernden Tertiärschichten charakteristisch sind. Von den 39 in den Puercoschichten gefundenen Gattungen finden sich noch 8 in den nächst höher liegenden WahsatchSchiohten, von denen 3 in den noch jüngeren Bridger-Schichten aussterben, — vielleicht also stellt diese alte Säugethierfauna der Puercoschichten eine fehlgeschlagene Entwickelungsreihe dar, von der sich nur einige iler weniger specialisirten Glieder erhalten haben, aus denen sich dann die Säugethiere späterer Perioden entwickelten. Sonst, was die geologische Entwickelung der einzelnen Säugethierklassen anbetrifft, erscheinen die Halbaffen vom ältesten Tertiär ab schon mit ((uadratischen Molarkroneu; mit dem Oligocän scheinen sie aus WestiMimpa wie aus Nordamerika verschwunden zu sein und besclir.inken sii h heute anf die madagassische, die aethiopische und di.- mirutalitiilie Region. Die Insektenfresser erscheinen zuerst im i ilieroligoeän Europas, sie sind heute über die ganze li.ilai kti-du snwie die sonorische Region verbreitet. Von den Iviinlifliiiicn .iseheinen die Familien der Felidae, Canidae und Mustelidae zinist im unteren Oligocän, die Ur.sidae im Pliocän. Sie liaben eine feist kosmoijolitische Verbreitung. Von den Nagethieren sind die Springmäuse, die Pfeifhasen und die Biber ausschliesslich auf Arktogäa beschränkt, von denen die ersten in allen Regionen sich finden, die zweiten sich zuerst im europäischen Oligocän finden, also sich wohl in Ostarktogäa ent- wickelt haben, während die dritten fossil im Miocän und Pliocän beider Halbkugeln vertreten sind. Arktogäischen Ursprungs, wenn auch heute weiter viMlireitct. sind die Familien der Eich- hörnchen und der Mäuse. Säiinntliihe Unterordnungen der Huf- thiere, die im südamerikanisclu ii 'l'ntiär vorkommen, fehlen in Arktogäa. Im Grossen und Gauzeu liaben Ost- und Westarktogäa während der Tertiärperiodo eine grosse Anzahl von Gattungen gemeinsam, was auf eine, wenn auch nur verhältnissmässig schmale damalige Landverbindung zwischen Ostasien und Nordamerika über die Beringstrasse hindeutet. Im Zusammenhang damit steht ein auffallender Parallelismus in der Entwickelung mancher Gat- tungen in beiden Gebieten. Das gesammte arktogäische Reich zerföllt in 5 Regionen, nämlich in 1. die holarktische, Europa, fast ganz Asien, Nordafrika und den nördlichen Theil Nord- amerikas umfassend, 2. die aethiopische, den übrigen Theil Afrikas und Arabiens begreifend, 3. die orientalische, welche sich über Vorder- und Hinterindien und die Sundainseln bis zur Wallace- schen Linie ausdehnt, 4. die sonorische d. i. der südliche Theil Nordamerikas und 5. die madagassische, die sich auf Madagaskar und die benachbarten Inseln beschränkt. Bilden auch Nordeuropa und Nordasien mit dem entsprechen- den Theil von Nordamerika nur eine zoologische Region, so giebt es doch zahlreiche Säugethiergruppen, die entweder nur auf der östlichen oder nur auf der westlichen Hälfte vorkommen. Ostark- togäa besitzt heut zu Tage keine Opossums und ist die Heimath sämmtlicher höherer Primaten und der Familie der Cercopithecidae, die alle anderen Affen der alten Welt umfasst. Nach den fossilen Resten waren die Affen während des letzten Theils der Tertiärzoit über den grössten Theil Ostarktogäas verbreitet und ihre grosso Verbreitung hier beweist, dass die ehemalige Landverbindung zwi- schen Asien und Nordamerika nur so hoch im Norden gelegen liaben muss, dass sie für diese Thiere unpassirbar war. Ebenso charak- teristisch für Ostarktogäa sind die Halbaffen (sie waren aueli schon im Oligocän verschieden von denen Xonlaiuorikas). \ on ileii Insekten- fressern die Familie der Igel, von den Uaubi lii.ieii iii' (iriiiii"' der Zibethkatzen (Viverridae) und der Ilvinien. mui d> n Xaj;> tliineii die Familien der Schlafmäuse (Myoxi.lae) und Bliudiuäuse (Spala- cidae), die Rennmäuse (Gerbillinae), die echten Ratten und Mäuse, sowie die typischen Stachelschweine. Auf Ostarktogäa beschränkt sind des Weiteren von Hufthieren die Hippopotamidae, im Dilu- vium und im späteren Tertiär auch über Europa bis England ver- breitet, und die Schweine (Suidae), von ausgestorbenen Gattungen die Anoplotheriidae und die Dichodontidae, ferner die Gattung Camelus und die Giraffen, im Pliocän bis Griechenland, Persien, Indien und China reichend. Von den Bovidae gehörte die Mehr- zahl ebenfalls dem östlichen Gebiet an, z. B. die Antilopen, die echten Ziegen und die meisten Arten der Schafe. Ebenso die Klipp- schlitfer (Procaviidae) und die ausgestorbenen Dinotheriidae. Von Edentaten sind ausschliesslich ostarktogäisch die Schuppenthiere (Manidae) und die Erdschweine (Orycteropodidae). Wichtig für die Erkenntniss der wahren Beziehungen der lebenden Faunen der einzelnen Regionen zu einander ist das Studium der tertiären Säugethierfauna Ostarktogäas: es ergiebt sich daraus, dass alle diese Regionen nur Charaktere der gegen- wärtigen Epoche der Erdgeschichte sind und dass selbst noch während des Pliocäns die jetzigen Verschiedenheiten zwischen der holarktischen, der orientalischen und der äthiopischen Region nicht bestanden haben. Unsere Kenntniss der oligocänen Säuge- thierfauna Ostarktogäas ist allein auf Westeuropa beschränkt. Die zahlreichen Reste im Unteroligocän, in den Süsswasserab- lagerungen des südlichen Englands, im Gyps vom Montmartre bei Paris und den Braunkohlenschichten der Vaucluse, in den Phos- phoriten des Queroy im mittleren Frankreich und in den Schweizer Bohnerzen (in beiden letzteren Vorkommnissen allerdings mit eocänen Formen gemischt), ergeben im Gegensatz zu jetzt aus- gestorbenon Gattungen nur eine geringe Anzahl von lebenden attungstypen. Zahlreiche Hufthiere, besonders Perissodaetylen, Anoplotherien, alle mit brachyodonten Zähnen, Uebergangsformeu zwischen Schweinen und Wiederkäuern, Opossums waren vor- handen, desgleichen existirten noch kreodonte Raubthtere, wenn auch schon in modernen Typen. In den mitteloligocänen Süss- wassermergeln und Thonen der Insel Wight, in den Schichten von Fontainebleau und gleichalterigen Ablagerungen in Ungarn und am Monte Promina in Dalmatien ist eine der obigen nahe verwandte Fauna erhalten, sie hat aber eine Anzahl älterer Huf- thier- und kreodonter Raubthiertypen bereits verloren, die ober- oligocäne Fauna Frankreichs und des Mainzer Beckens erscheint zunächst gleichfalls nahe verwandt mit jenen, indem dieselben Ordnungen und Unterordnungen sich hier finden, es fehlen jedoch die Halbaffen, es vermindern sich und verschwinden schliesslich gänzlich das Ojjossum, die Kreodonten und Anoplotherien, andere dort nur spärlich vorhandene Formen werden häufiger und neue treten hinzu wie Tapirus, Amphitragalus, Chalicomys, Erinaceus, Herpestes u. a., alles jedoch Formen, die schon im unteren Oligocän ihren Ahnentypus haben. (Schluss folgt.) Holitscher, dipl, Masch, - Ingen, Faul, Experimentelle Unter- suchungen über den remanenten Magnetismus des Eisens. Zürich. 2 Mark. Inhalt: Adolf Hnatek: Geschichte der Sternschnuppenastronomie und ihre Entwickelung bis zum jetzigen Staudpunkte. — Rindenwickler. — Geschmolzenes Holz. — Entdeckung eines neuen Eisenmeteoriten. — Wetter-Monatsübersioht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — LItteratur: R Lydekker, Die geographische Verbreitung und geologische Entwickelung der Säuge- thiere. — Liste. 444 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 37. Ferd. Dflmmlers Yerlagsbnchhandinng in Berlin SW. 12. Lehrbuch der Potentialtheorie. Allgemeine Theorie des Potentials und der Potentialfunktionen im Räume, Von Dr. Arthur Korn. Privatciozent an der königl. Universität München. — Mit 94 in den Text gedruckten Figuren. ^^— •27 Bogen gross Octav. Preis 9 Mk., gebunden 10 Mk. PATENTBUREAU Ölrich R. JVlaerz Jnh;C.Schmidtl.ein.Jngenieur Oratis -d franko ii'feni wir den 3. Nachtrag Juli 1897 bis Juni 1899) zu uiserein Verlagskatalog. Ferd Dümmlers Verlagsbucbta.. Berlin SW. 12, Zinimerstr. 94. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Julien Offray de Lamettrie. Sein Leben und seine Werke. J. E. Poritzky. 3G4 Seiten. 8». Preis geheftet 4 Mark, gebunden 5 Mark. ♦ $tti. fümmlcrs ^frltigsbut^tjnnMmig in §n\\n SW. 12. ♦ I M^k £röe In VortlnaTp! } mn M2 31lii|lrationcii. 1044 acitcii. gr. S". ♦ 2 ^iiiiSc. Wcl)cftct V,l 'i)iatt, cicflniit flcüiiiiScii Ui löfnrt. J ^ 3" 6ejielien buvcft ade SButftlianblungcn. ^ * Ferd. Dflmmlers Yerl ags biichhand ! ung m B er 1 i n ^W. 12 . Chemisches ^ilfsbuch. Atomgewichte und deren Multipla, Um- rechnungsfaktoren und massanalytische Constanten. Von Dr. Jovan P. Panaotovic, Assistent am technolog. Institut der Universität Berlin. 70 Seiten kl. Oktav. In bieg»«aiiiein Liciiienbaiid ä 9Iark. lu Ferd.. Dümmlers Verlagsbuchhandlung iu Berlin siud erschieneu: Allgemein -verständliche naturwissenschaftliche Abhandlungen. (Separat alKlrücke aus der „Naturwissenscliaftliclieii Woclieiisclirift.'') 1. lieber den sogenannten vierdimensionalen Raum von Dr. V. Schlegel. 2. Das Rechnen an den Fingern und Maschinen von Prot. Dr. A. Schubert. 3. Die Bedeutung der naturhistorischen, insonderheit der zoologischen Museen von Professor Dr. Karl Kraepelin. 4. Anleitung zu blütenbiologischen Beobachtungen von Prof. Dr. E. Loew. 5. Das „glaziale" Dwykakonglomerat Südafrikas von Dr. F. JI. Stapfi'. 6. Die Bakterien und die Art ihrer Untersuchung von Dr. Kob. .Mittuiann. Mit S llol7..;etreten. Die Fähigkeit, ihre Stomata zu verengern, resp. zu scliliessen, besitzt selbstverständlich für solche Pflanzen, die auf trockenem Standort vegetiren, hohe biologische Bedeutung, weil damit ein Mittel gegeben ist, die Transpi- ration derselben wesentlich herabzumindern. Ebenso ist die Anordnung der Blätter in einer grundständigen Ro- sette für trockenen Boden bewohnende Gewächse un- zweifelhaft biologisch beachtenswerth; denn die in un- mittelbarer Nähe des Erdreichs entwickelten Organe werden schon deshalb schwächer, als solche transpiriren, die höher an der Pflanze gestellt sind, weil sie von rela- tiv ruhiger, wasserdampfreicher Luft umgeben sind. Zur näheren Feststellung der bezüglichen Verhältnisse wurden folgende Versuche angestellt: Normal und möglichst gleichartig entwickelte Pflanzen von Thlaspi sind ausgegraben und in verschlossenen Glas- gefässen ins Laboratorium gebracht worden. Nach Ent- fernung der Blüthenschäfte und unterirdischen Organe legte ich ein Objekt a auf die trockene Oberfläche eines grossen Korkes, der rings bis zum Rand von schwach befeuchtetem Sand umgeben war. Das andere Objekt b gelangte in horizontaler Lage auf einen frei in der Luft hängenden Drahtring. Wiederholt ausgeführte Versuche ergaben z. B. folgende Resultate. Versuchsdauer: 6 Stunden. — Temperatur: 15" C. — Diffuses Licht. Ursprüngliches Gewicht . Gewicht nach 6 Stunden Gewichtsverlust in ",„ 695 mgr 345 „ 50,4 ",o 630 mgr 250 ., 60,3 "/o. Nun gelangte b auf den Kork und a auf den Draht. Zeitdauer des Versuchs: 6 Stunden. — Temperatur: 16" C. — Diffuses Licht. b a Ursprüngliches Gewicht .... 250 mgr 345 mgr Gewicht nach 6 Stunden . . 220 „ 255 „ Gewichtsverlust in "/^ .... 12 "/o 26 "/g. In der Organisation von Thlaspi prägen sich un- zweifelhaft sehr viele Anpassungen an trockenen Stand- ort aus, und als eine solche ist auch gewiss diese an- zusehen, dass die sich sehr frühzeitig und schnell ent- wickelnden, Blüthen und Früchte tragenden Stengeltheile ihre Samen bereits Anfang Juni zur Reife bringen, um dann abzusterben, während die in relativ feuchter Luft am Boden ausgebreiteten Blattrosetten ausdauern. Sesleria coerulea. — Die Pflanze bildet keinen zusammenhängenden Rasen, sondern sogenannte Bulten, welche den Boden in Abständen von 30 bis 60 cm be- decken. Die unterirdischen Organe dringen recht tief in den Boden ein. Die Blätter sind fast vertieal gestellt. Die Schäfte der sich im zeitigen Frühjahr entwickelnden Blüthenstände sind kantig. In den nicht sehr bedeutend hervorspringenden Kanten selbst ist reichliches Skleren- chym entwickelt, während in den Buchten Assimilations- gewebe liegt. Eine recht starke Sklerenchymentwickelung muss für Xerophyten, wie schon früher bemerkt, besonders wichtig sein, da schwache Ausbildung des mechanischen Gewebes in Verbindung mit targescirenden Zellen nicht allein im Stande wären, genügende Biegungsfestigkeit der Organe zu vermitteln. Der Blattquerschnitt zeigt, dass an den Blatträndern mächtige Sklerenchymbündel entwickelt sind. Im Uebrigen wechseln in der "Blattspreite Streifen grünen Gewebes, die chlorophyllfreies Gewebe umschliessen, und Gefäss- bündel umgebende Sklerenchymstreifen mit einander ab. Sehr eigenartig ist die Blattmittelrippe gebaut, wie Tschirch*) dies bereits feststellte. Er macht mit Recht besonders auf Gruppen eigen- thümlicher, dünnwandiger Epidermiszellen aufmerksam, die rechts und links von der Mittelrippe au der Blattoberseite liegen und nicht die Form der übrigen Oberhautelemente besitzen, sondern eine erhebliche radiale Streckung er- fahren haben. Die Funktion dieser sogenannten Gelenk- zellen spielt bei der interessanten Erscheinung des Ein- rollens der Sesleriablätter eine wichtige Rolle. Wird nämlich ein frisches, ausgebreitetes Blatt, ohne dass man ihm Wasser zuführt, sich selbst überlassen, so faltet es sich zusammen, breitet sich aber wieder aus, wenn es mit Wasser in Berührung kommt. Diese Erscheinung kann man nur an lebenden Sesleriablättern beobachten, während abgestorbene Blätter sie nicht mehr darbieten, wie leicht festzustellen ist. Daraus muss geschlossen werden, dass als Ursache des Zusammenfaltens und Ausbreitens der Blätter Turgorveränderungen des Gewebes anzusehen sind. Nach Tschirch spielen die Gelenkzellen beim Zu- sammenfalten der Blätter keine aktive Rolle, sondern sie bieten nur die Stellen geringsten Widerstandes dar, so dass die beim Austrocknen erfolgende Senkung der Tur- gorausdehnung der benachbarten Zellen eine nach der Blattoberseite hin gerichtete Bewegung zur Folge hat. Die Einrollung ist natürlich von erheblicher biologischer Bedeutung für das Sesleriablatt; denn es wird durch die- selbe die verdunstende Oberfläche verringert, und dies ist um so wichtiger, als nur auf der Oberseite des Organs viele Spaltöffnungen vorhanden sind. Diese Oberseite ist auch mit einem Wachsüberzuge versehen, welcher der fast oder völlig spaltöffnungsfreien Blattunterseite fehlt. Koeleria cristata. — Pflanze mit sehr mächtig entwickelten unterirdischen Organen, rasenbildend. Halm- querschnitt: Unter der stark verdickten Epidermis wechseln grünes Gewebe und Sklerenchym ab. Nach innen zu folgt chlorophyllfreies, namentlich in der Peripherie stark verdicktes und verholztes Gewebe. Blattspreite: Das bereits von Alienkirch näher beschriebene Blatt von Koeleria cristata zeigt auf der Oberseite, nicht auf der Unterseite Gewebeprismeu und dazwischenliegende Rinnen. Es ist eine reichliche Menge grünen Gewebes eutwickelt. In den vorspringenden Prismen liegen die Gefässbündel. In den Rinnen wird das chlorophyllhaltige Gewebe nach •) Pringsheims Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. i:i. 448 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 38. aussen von einer Schicht recht grosser chloropbyllfreier Epidermiszellen begrenzt. Das im frischen Zustande nahezu ausgebreitete Blatt rollt sich beim Eintrocknen zusammen, wie man schon an Koeleriaexemplaren beobachten kann, die einige Zeit, ohne dass sie Wasser empfangen, an der Luft liegen. Spaltöffnungen fehlen auf der Unterseite; auf der Blatt- oberseite, welche vielfach stark behaart ist, sind sie in den Rinnen angeordnet. (8 pro qmm Blattflächc.) Wenn das Blatt durch Wasserverlust Einrollungen erfährt, so müssen die erwähnten Rinnen durch die zusammenneigen- den Prismen mehr oder weniger von der umgebenden Luft abgesperrt werden, wodurch die Verdunstung des Blattes erheblich vermindert wird. Von Interesse ist auch folgender Versuch : Zarte Blattquerschnitte werden, ohne dass man ihnen Wasser zuführt, auf einen Objektträger gelegt. Die Schnitte haben sich in ganz kurzer Zeit zusammengerollt. Fügt man ihnen Wasser hinzu, so breiten sie sich sogleich wieder aus. Dem Blatt von Koeleria cristata ganz ähnlich gebaut ist das von Melica ciliata, ebenfalls einer xerophilen Pflanze der Muschelkalkhänge bei Jena. Der wesentliche Unterschied zwischen den Blättern beider Pflanzen besteht nur darin, dass die Rinnen bei Melica tiefer als bei Koeleria sind, dass bei ersterer Pflanze eine sehr reiche Sklerenchymentwickelung in den Prismen beobachtet werden kann und dass diese Prismen auch stets mit kurzen Haaren besetzt sind. Auch sehr energische Einrollungserscheinungen lassen sich leicht beim Austrocknen der Blätter von Melica konstatiren. Carex humilis. — Wurzelstock manchmal 10 cm lang, mit Wurzeln besetzt, die 15 cm Länge erreichen können. Laubblätter fast senkrecht gestellt. Die Blätter sind von rinniger Beschaffenheit. Der Blattquerschnitt zeigt Epidermis auf Ober- und Unterseite, dazwischen grünes Gewebe und aus Sklerenchym bestehende Träger. Das Blatt kann sich ausbreiten und schliessen, Vorgänge, die aber nicht als unmittelbare Aeusserung der Lebens- thätigkeit der Zellen betrachtet werden dürfen. Weiden nämlich vöüig vertrocknete, tote Blätter in Wasser ge- legt, so breiten sie sich aus und schliessen sich wieder bei abermaligem Austrocknen; auch Querschnitte toter Blätter, die man mikroskopisch untersucht, kann man durch Wasserzutritt leicht zum Ausbreiten veranlassen. Die Bewegungsvorgänge werden unzweifelhaft durch die in der Mediane des Blattes gelegenen Sklerenchymelemente hervorgebracht, indem diese bei Wasseraufnahme quellen oder bei Austroeknung zusammenschrumpfen. (Vergleiche Altenkirch.) Anthericum ramosum. — Pflanze mit starken, tief in den Boden eindringenden Wurzeln, die an einem kurzen Rhizom entspringen. (Die Länge der Wurzel kann bis zu 30 cm betragen.) Blätter fast vertical gestellt, schmal rinnig, unbehaart. Mesophyll in seiner ganzen Dicke gleichartig, nur aus isodiametrischen Zellen be- stehend; kein Palissadenparenchym entwickelt. Spalt- öffnungen auf Oberseite 92 und auch auf Unterseite 92 pro qmm: Wachsüberzug auf beiden Blattflächen, be- sonders auf der Blattoberseite. Die Pflanze bildet nach Stahl*) in ihrem grünen Gewebe keine Stärke, sondern sie gehört zu den saccharophyllen Gewächsen. Stahl hebt mit Recht hervor, dass die Anhäufung löslicher Assimilate in den Zellen (Zucker) ebenfalls als ein Schutzmittel gegen zu starke Transpiration betrachtet werden muss; denn höhere Concentration des Zellsaftes erschwert die Wasserabgabe aus demselben. *) Stahl, Der Sinn der Mycorhizenbildung. (Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. 34, Heft 4.) Orchis militaris. — Orchis militaris, welches an den Abhängen der trockenen Kalkberge bei Jena wächst, hat entschieden xerophilen Charakter, und derselbe tritt namentlich hervor, wenn man die Pflanze in Vergleich stellt zu Orchis latifolia, die auf feuchten Wiesen gedeiht. Beide Pflanzen besitzen Knollen, die aber bei Orchis militaris viel tiefer im Boden stecken, als bei Orchis latifolia. Bei beiden Arten sind auch die Laubblätter ziemlich aufgerichtet. Blattquerschuitt von Orchis militaris beträgt ungefähr 0,5 mm; derjenige von Orchis latifolia nur etwa 0,3 mm. Bei beiden Orchideen zeigt der Quer- schnitt zwischen Epidermis der Ober- und Unterseite mehr- schichtiges grünes Gewebe. Der Querschnittsdurchmesser der Zellen der Epidermis der Oberseite ist auch stets grösser, als derjenige der Zellen der Epidermis der Unter- seite; aber bei Orchis militaris haben die Epidermiszellen der Oberseite doch einen erheblich grösseren Querschnitt- durchmesser (ca. 0,2 mm), als die entsprechenden Elemente bei Orchis latifolia. Die Blätter von Orchis militaris sind nicht mit braunen Flecken (bedingt durch Auftreten violetten Zellsaftes in Epidermiszellen) versehen, während jene von Orchis latifolia solche besitzen, und mit Stahl dürfen wir annehmen, dass diese braunen Flecken für die auf feuchten Wiesen zwischen Gräsern wachsende Pflanze ein Mittel zur Erhöhung der Transpirationsgrösse dar- stellt. Auf der Oberseite der Blätter von Orchis militaris sind keine Spaltöffnungen vorhanden, auf der Unterseite pro qmm = 40. Orchis latifolia hat auf der Oberseite pro qmm = 3, auf der Unterseite aber 46. Bei der Anstellung der Kobaltprobe mit frischen Blättern ergab sich nach je 4 Minuten, dass die Oberseite der Blätter von Orchis militaris keine, die Unterseite aber eine starke Röthung des Papieres bewirkte; bei Orchis latifolia wurde das der Unterseite anliegende Papier stark geröthet, das die Blattoberseite berührende hingegen nur schwach. Hatten die Blätter der beiden Orchideen 2V2 Stunden gewelkt, so wurden dieselben Resultate erzielt, nur in schwächerem Maasse. Nach ferneren 14 Stunden waren die Blätter von Orchis militaris noch sehr frisch, die- jenigen von Orchis latifolia fast vertrocknet. Die Kobalt- probe ergab für beide Pflanzen keine Reaktion mehr. Dieses Frischbleiben der Blätter von Orchis militaris hängt offenbar mit ihrer grösseren Dicke und der mäch- tigeren Entwickelung der oberseitigen Epidermis zusammen, welche als Wassergewebe funktionirt. Auch das Resultat des folgenden Versuchs erklärt sich damit: Ganze Pflanzen von Orchis militaris und Orchis latifolia wurden in Gläsern ins Laboratorium ge- bracht und zum Welken auf Papier gelegt. Nach 2 Tagen waren die Blätter von Orchis militaris noch ziemlich frisch, diejenigen von Orchis latifolia sehr welk, zum Theil ver- trocknet. Nun wurden beide Pflanzen unten etwas ab- geschnitten und in Wasser gestellt. Nach L'4 Stunden war Orchis militaris wieder frisch, während sich die Blätter von Orchis latifolia nicht erholten. Abgeschnittene, guteutwickelte Blätter von Orchis militaris und Orchis latifolia wurden bei gewöhnlicher Zimmertemperatur zum Welken hingelegt, nachdem die Schnittfläche mit Wachs verkittet worden war. Die Ver- suche über die Verdunstung der Objekte ergaben folgendes: Or lilitai OrchLs latifol: Ursprüngliches Gewicht . . Gewicht nach 22 Stunden . Gewichtsverlust in "/o • • Gewicht nach 46 Stunden . Gewichtsverlust in "0 . . 3,420 g 1,090 g 2,880 „ 0,550 „ 15,8 0/0 -19,5 % 2,400 g 0,400 g 29,8 7o 63,3 % XV. Nr. 38. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 449 Juniperus communis. — Diese Pflanze kommt bei Jena in 2 Typen vor, welche allerdings durch Ueber- gangsformen mit einander in Verbindung stehen. Im Schatten des Kiefernwaldes, besonders auf der Höhe, wo der Boden auf ebenem Terrain etwas tiefgründiger ist und mehr Feuchtigkeit festhält, biegen sich die Aeste nicht weit entfernt von ihrer Ursprungsstelle senkrecht nach aufwärts, so dass die oft weit über mannshohen Pflanzen ein schlankes, gestrecktes Aussehen darbieten. Ein anderes Bild zeigt Juniperus an recht trockenen Standorten der Musehelkalkhänge. Hier bildet das Ge- wächs niedrige Polster, die dadurch zu Stande kommen, dass eine ganze Anzahl von Aesten zunächst sich mehr oder minder horizontal über dem Boden ausbreiten und dann, ziemlich entfernt von ihrer Ursprungsstelle, nach aufwärts krünmien. Infolge ihres gedrungenen, niedrigen Wuchses sind diese Juniperuspoister vor der austrocknen- den Wirkung des Windes und der Sonnenstrahlen besser geschützt, als es bei recht gestrecktem Wuchs der Fall sein würde. Pulsatilla vulgaris. — Wurzel sehr tief in den Boden eindringend. Oberirdische Theile stark behaart. Auch die Perigonblätter tragen Haare, indessen nur auf ihrer Aussen-, nicht auf ihrer Innenseite. Diese letztere ist auch in der That im Knospenzustande der Blüthe und bald nach dem Aufblühen, wenn die Perigonblätter noch nicht völlig ausgebreitet sind, dem Wasserverlust weniger ausgesetzt. Bei Pulsatilla schützen in allererster Linie gewiss die Haare vor starkem Wasserverlust. Ein blühender Stengel von Pulsatilla vulgaris (a) und ebenso ein solcher von Ranunculus auricomus (b) wurden gewogen, auf trocknes Fliesspapier gelegt und nach 10 resp. fernereu li Stunden gewogen. a b Ursprüngliches Gewicht . . . . 1,220 g 1,150 g _ Gewicht nach 10 Stunden . . . 0,805 „ 0,5G5 „ Gewichtsverlust in % .... 34 »/o 50,8 7o Gewicht nach ferneren 12 Stunden 0,587 g 0,345 g Gesammtverlust in % .... 52 7o ^0 7o Anemone silvestris. — Bei Anemone silvestris muss vor allen Dingen die Behaarung der Pflanze als ein Schutzmittel gegen zu starke Transpiration betrachtet werden. Auch die zarten Perigonblätter der Blüthe tragen auf ihrer Aussenseite Haare, während solche der Innen- seite derselben fehlen. Bei der Untersuchung des Stengelquerschnittes fällt ein ziemlich entwickelter Sklerenchymring, an den sich die Gefässbttndel anlehnen, auf, und ebenso das reich entwickelte Markgewebe, welches gewiss als Wasser- speicher funktiouirt. Werden Exemplare von Anemone silvestris zum Welken hingelegt,so ist leicht mit Hilfe der Kobaltprobe festzustellen, dass die Stomata der grossen, grünen Hüllblätter unter der Blüthe sich im Laufe von etwa 2 Stunden geschlossen haben. Stellt man die Pflanzen nunmehr in Wasser, dann tritt alsbald wieder ein Oetthen der Stomata ein. Jener Verschluss der Spaltöffnungen beim Welken ist keineswegs allein auf Xerophyten beschränkt, sondern auch an solchen Pflanzen, die feuchtere Standorte bewohnen, z. B. Ranun- culus auricomus, kann er leicht nachgewiesen werden. Anemone hat dagegen noch immer das besondere Mittel der Behaarung als Schutz vor zu starker Verdunstung, wie die Ergebnisse folgender wiederholt angestellter Ver- suche deutlich zeigen. Anem. silv. Ranuuc. auric. Ursprüngliches Gewicht . . 2,010 g 1,952 g Gewicht nach 12 stund. Welken 1,800,, 1,510,, Anem. silv. Ranune. auric. Gewichtsverlust in "/q • • • 10,4 »/o 22,6 7o Gewicht nach 24stünd. Welken 1,625 g 1,145 g Gewichtsverlust in Vo • • • 19 "/o ^^ß 7'o Die Versuche wurden bei einer mittleren Zimmer- temperatur von 13" C. ausgeführt. Geranium sanguineum. — Die Pflanze hat ausser- ordentlich mächtig entwickeUe unterirdische Organe, welche aber nicht tief gehen, sondern sich parallel der Bodenoberfläche ausbreiten. Die bandförmig gestielten Blätter führen auf der Oberseite keine, auf der Unter Seite 192 Spaltöffnungen pro qmm. Epidermis auf Blatt ober- und Blattunterseite stark cuticularisirt. Die Epi- dermiszellen der Oberseite besitzen grösseren Durchmesser, als die der Blattunterseite. Die Blattoberseite trägt unter anderen kurze Köpfchenhaare, die Unterseite lange, schlauchförmige Haare. Das Palissadenparenchym nimmt ungefähr die Hälfte des Blattquerschnittes ein. Bei solchen Pflanzen, die im Schatten stehen, sind die Blätter rechtwinklig zum Lichteinfall gestellt. Der Sonne stark ausgesetzte Pflanzen dagegen richten ihre Blätter in Folge einer Krümmung des oberen Blattstiel- endes vertikal, eine Einrichtung, die schon mit Recht von Stahl*) als Schutzmittel gegen zu starke Transpiration gedeutet worden ist. Bupleurum falcatum. — Das kräftige, mit ziem- lich langen Wurzeln besetzte Rhizom ist mehrköpfig. Die unteren spateiförmigen und die oberen sitzenden Blätter sind lang und schmal, oft ziemlich horizontal gerichtet, auf Ober- und Unterseite mit Wachsüberzug versehen; denn wenn man sie in Wasser taucht, tritt auf ihrer Ober- und Unterseite Silberglanz hervor. Das Palissadenparenchym ist gut entwickelt, und die an die Epideimis der Unterseite grenzenden Elemente des Sehwammparenchyms sind sehr regelmässig, fast palis- sadenartig gestaltet, aber besitzen doch nicht die Länge der Zellen des eigentlichen Palissadengewebes der Ober- seite. Die Anzahl der Stomata beträgt pro qmm auf Blattoberseite 369, auf Blattunterseite 462. Der xero- phile Charakter dieser Pflanze ist auf jeden Fall hier nicht so scharf ausgeprägt. Tcucrium montanum. — Dieser Halbstrauch hat eine sehr tiefgehende Wurzel. Die verzweigten Stengel sind an der Basis holzig und niederliegend, so dass sie oft erhebliche Bodenflächen förmlich tiberlagern. Der Stengel ist behaart, ebenso die schmallanzettlichen Blätter, sodass sie auf der Unterseite graufilzig erscheinen. Der Querschnitt des Blattes zeigt sehr stark entwickeltes Palissadenparenchym und stark verdickte Cuticula der Epidermis. Auf der Blattunterseite sind neben Köpfchen- haaren ziemlich viele lange, schlauchförmige Haare vor- handen; auf der Blattoberseite stehen nur einzelne Köpfcheuhaare. Das Blatt von Teucrium besitzt nur auf der Unterseite Spaltöffnungen. Es wurden pro qmm 261 Spaltöffnungen gefanden. Diese Angabe ist aber vielleicht nicht völlig genau, da es der reichen Entwickelung der Haare wegen schwierig ist, die Zählungen sicher durchzuführen. Beim Austrocknen biegen sich die Ränder des Teuerinm- blattes nach unten um, ein Vorgang, der neben der Be- haarung sowie der Production von ätherischem Oel und dem rasenartigen Wuchs der Pflanze zur Verminderung der Transpirationsstärke mitwirken mag. (Siehe auch Gradmann.) Thymus Serpyllum. — Die unterirdischen Or- gane dieses niederliegenden Halbstrauchs dringen sehr tief in den Boden ein. Die kleinen Blätter sind fast nur *) Stahl, Ueber ilen Einfluss des sonnigen und schattigen Standortes aut'die Ausbildung der Laubblätter. Jena, Fischer 1883. 450 N aturwissenschaf tliche "Wochenschrift. XV. Nr. 38. am Rande behaart. Die Cuticula der Epidermis vou Ober- und Unterseite der Blätter ist fast gleich dick. Palissadenparenchyra schön entwickelt. Auf der Blatt- oberseite sind pro qmm 69, auf der Blattunterseite 223 Spaltöffnungen. Die Pflanze duftet sehr stark. Sedum acre. — Die unterirdischen Organe dieser Pflanze sind auffallend schwach entwickelt; dafür besitzen die Stengel und besonders die Blätter des Gewächses einen succulenten Charakter, so dass das einmal auf- genommene Wasser in denselben in erheblicher Menge aufgespeichert werden kann. Der Blattquerschnitt zeigt eine mit dicker Cuticula versehene Epidermis. Das Grund- gewebe ist au den Kanten der Blätter sehr cblorophyll- reich; nach innen zu folgen chlorophyllärmere Zellen, welche besonders als Wasserspeicher funktioniren, so- dass die Pflanze Perioden der Trockenheit gut überdauern kann. Es ist schon lange bekannt, dass der Saft der Crassu- laceen zu verschiedenen Tageszeiten nicht dieselbe Acidi- tät besitzt. Nachts ist der Gehalt an freier Säure (Apfel- säure) grösser als am Tage. Im Dunkeln und bei relativ niederer Temperatur führt die Athmung der Crassulaceen dabin, dass nur eine theilweise Oxydation der für den Athmungsprocess bestimmten Ivörper erfolgt. Die Pro- dukte dieser unvollkommenen Verbrennung sind eben organische Säuren, Am Tage bei Lichtzutritt und hoher Temperatur macht sich nun eine Oxydation dieser Säuren geltend, sodass ihre Menge erheblich vermindert wird und die Acidität des Zellsaftes sinkt, um in der Nacht abermals bedeutender zu werden. Die nächtliche Anhäufung der Säure in den Crassu- laceen ist gewiss insofern von biologischer Bedeutung für die meist auf trockenem Boden lebenden Gewächse, als durch dieselbe eine reichlichere Wasseransammlung in den Zellen auf osmotischem Wege ermöglicht wird. Durch einfache Prüfung mittels Lackmuspapieres ge- lang es freilich nicht, den täglichen Säurewechsel bei Sedum acre zu constatiren; derselbe ist aber doch sicher. wie bei anderen Crassulaceen, vorhanden und bei ge- nauerer Untersuchung unter Benutzung vou Titrirmethoden festzustellen. Genta Urea jacea. — Diese Pflanze tritt in zwei Formen auf, von denen die eine auf Wiesen wächst, die andere z. P>. auf trockenen Kalkhängen vorkommt. i^>eide Formen unterscheiden sich schon äusserlich sehr be- deutend. Die Wieseuforni zeichnet sich durch den l^esitz recht grosser, breiter, ziemlich horizontal gestellter, grüner Laubblätter aus, während die Blätter der T5ergform schmal erscheinen (etwa nur '/.s der Breite der Blätter der Wiesenforra haben) und mehr aufgerichtet sowie von graulicher Farbe sind. Die Vertheilung der Spaltöffnungen ist folgende: Wiesenform Oberseite : 54 pro qmm „ Unterseite: 100 ,, „ IJergform Oberseite : 123 „ „ „ Unterseite : 154 „ „ Den anatomischen I^au der Blätter beider Formen hat bereits Ileinricher*) untersucht. Bei der Wiesenform ist auf der Oberseite zweischichtiges Palissadenparenchym unter der Epidermis entwickelt, auf der Unterseite aber nur eine Reihe von Palissadenzellen vorhanden, an welche sich nach innen zu Schwammparenchym anschliesst. Iki der üergform findet man auf Ober- und Unterseite der Blätter zwei Schichten Palissadenzellen, das Schwamm- parenchym aber entsprechend vermindert. Wurden Sprosse oder isolirte 1 Matter der P.erg- und Wiesenform von Centaurea jacea, ohne 'dass man ihnen Wasser zuführte, sich selbst überlassen, so ergab sich mehrfach (nicht immer), dass die Sprosse und lUätter der ersteren schneller austrocknen, als diejenigen der letzteren Form, ein Resultat, welches ebenfalls auf den xerophilen Charakter der schmalblättrigen P.ergform un- serer Pflanze hinweist. *) Heinrichei-, lieber isohiteralen Blattbau etc. Priiigsheiins Jahrbuch f. wi.ssensch. Botanik, Bd. 15. BeobaclitiiHgeu an Seewasseraciueten. In einem Seewasseraquarium des II. Wiener zoologischen Institutes entwickelten sich zahlreiche Acineten, an denen die Art der Nahrungsaufnahme genauer untersucht werden konnte. Die besagten Suctorienformen gehören der von Bütschli aufgestellten 2. Gruppe der Gattung Acineta an, weil das einem zart gestreiften Stiel ansitzende hyaline Gehäuse seitlich comprimirt ist und zwei Aussackungen zum Durch- tritt von zwei Tentakelbüscheln besitzt. Das Gehäuse selbst ist fein gestreift (Fig. 4). Vielfach gelangten Schwärmerstadien, die den Tokophryaschwärmern äusserst ähnlich waren, zur Beobachtung, und einmal fand ich auch ein Theilungsstadium des Nebeukerues; im letzteren Falle füllte der Weichkörper das ganze Gehäuse aus und war von runden oder ovalen, lebhaft sich färbenden reserve- stoffartigen Kürperu erfüllt. Die Nebenkernspindel führte terminal zwei granulaartige Concentrationen (Fig. 2 sp.). Die Tentakeln sitzen polsterartigen Differenzirungen des Plasmas auf. Die Tentakelkanäle dringen mit ihrer fein granulirten Wandung ziemlich weit in den Körper des Infusors ein und in einem Falle wurde sogar ihr Verlauf über den Kern hinweg gegen den basalen Theil des Weichkörpers verfolgt. Bei dem oben geschilderten Theilungsstadium nahmen einzelne wenige gerade wahr- nehmbare Kanäle ihren Verlauf nur gegen die Spindel zu. Die Acineten, die massenhaft auf Ulvafragmenten vorkamen, ernähren sich von verschiedenen Flagellaten, Aspidiceen und Stronibidium typicum; zunächst wurden die von einzelnen Tentakeln gefangenen Infusorien von den nächst benachbarten Tentakeln fester umfasst, die Beutethiere verfielen sodann bald in eine Art von Läh- muugszustand, wobei die contractile Vacuole wie etwa bei Strichninzusatz stark erweitert wurde und ihre Ent- leerungsfrequenz herabsetzte; doch flimmerten späterhin wie beim Stronibidium unter bestimmten Verhältnissen die Cilien momentan mehrmals hin und her. Nach einiger Zeit verkürzte sich ein Tentakel in auffallender Weise und führte auf kurze Strecken eine Art von Verschiebungen längst des erbeuteten Ciliatenkörpers aus, bis die zum Aussaugen geeignete Stelle ausfindig gemacht wurde; so- dann wird successive unter Druckerscheinungen der Ten- takel gleichsam in das plasmatische Alveolarwerk des Ciliaten eingebohrt, worauf sofort auf Grund der plötz- lichen Aenderung der Oberflächenspannungen der Plasraa- strukturen einige Tropfen in die capillare Tentakelröhre eindringen, deren Lumen sieh nun auch successive seit- lich verändert, so dass in der Minute ca. 20 Tropfen des rigiden Paraplasnias schluckartig den Röhrengang herabwandern und sieh auf Grund von Körnchenströmun- gen ziemlich tief in den Protozoenzeilleib verfolgen lassen (Fig. bl>). Später müssen dio seitlichen Contractionen der Tentakelröhren schon bedeutsamer sein (Fig. bc) und zum Schluss führt der Tentakel ganz charakteristisch pum- pende Bewegungen aus, indem er sich bald verkürzt. XV. Nr. 38. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 451 bald ausdehnt, wobei einmal eine basale oder fast ba- sale Erweiterung stattfindet, das andere Mal eine Ver- jüngung eintritt. Die groben Excrete, die Nucleolarsubstanzen und sonstige Differenzirungsprodukte des Infusorienplasnias werden von dem räuberischen Plasmopliaseu nicht aut- gcnonimen. Beim Zurückziehen eines einzelnen Tentakels wird von dem trichterigen Tentakelkopf ein zarter Schleim- faden ausgezogen, der jedoch bald reisst (Fig. öd). So- bald ungünstige Bedingungen in den A(|uarien sich ein- Fig. 1-5 = Aciiieta. 2 = Theilung, sp = Spindel; 3 = Eiicy- stirung; 4 = Streifnng des Gehäuses; 5 = Veischiedeiie Stadien eines Tenfalcels bei der Nahrungsaufnahme. — Fig 6 = Totale Copulation oder Conjugation einer Cothnrnia, sp = verschmelzende Spindeln. stellten, encystirten sich die Suetorien, wobei sich der Weichkörper tropfenförmig zusammenballte und peripher eine unbedeutende Oystenhautschichte zur Ausscheidung brachte; dort, wo fnilier verinuthlich die basalen Theile der Tentakelbüschel sieh befanden, konnten zwei spitzenartige Differenzirungen des peripheren Plasmas coustatirt werden (Fig. 3). Gelegentlich von Studien der Dinophilusentwickeluug wurde eine Conjugation der Cothnrnia crystallina beob- achtet; der Grosskern war schon sehr weit fragmentirt, während die beiden Befrucbtungsspindeln gerade auf dem Stadium des Kernschmelzens sich befanden, ausserdem konnte in der Microponidie eine Vacuole mit mehreren Exeretkörnchen und Nebenkernreste festgestellt werden (Fig. 6). Bei deren zierlichem Infusor findet demgemäss eine vollkommene Verschmelzung der Spindeltheile des Nebenkernes, von dem schon früher gewisse Antheile einer Art von Reduction unterlagen, statt, worauf das kleinere, gleichsam „befruchtende" Thier, die Microgonidie, abgestossen wird und zu Grunde geht. Prowazek. Die Basalte des König Karls -Landes beschreibt Axel Hamberg (Geol. för. Stockh. förh. Bd. 21) auf Grund der Beobachtungen und Einsammlungen, welche von der schwedischen Polarexpedition im Jahre 1898 ge- macht wurden. König Karls- Land ist vfie die benach- barten Inseln ein ungefaltetcs Gebiet mit ausgeprägten Tafelbergen horizontal liegender Schichten. Schwedisch- Vorland ist ein einziger zusammenhängender, etwa 200 m hoher Plateaubei-g, der nur durch schwache Senkungen an wenigen Stellen gegliedert und im Osten und Westen von einem breiten, niedrigen Küstcnsaume umgeben ist. Die Hauptinsel besteht aber 'aus zwei solchen Bergen, die etwa 25 km aus einander liegen und durch niedriges Land verbunden sind, so dass sie in gewisser Entfernung aus zwei Inseln zu bestehen scheint und von einigen der norwegischen Seehundfänger, welche das Land zuerst sahen, auch für zwei Inseln gehalten wurden. Die Tafelberge des König Karls-Landes bestehen, wie die Ergebnisse der Expedition von 1898 gezeigt haben, zur Hauptsache aus Ablagerungen der jüngsten Jurazeit und der ältesten Kreidezeit. Alle Tafeli)erge auf König Karls- Land und Schwedisch- Vorland sind von Basaltsteinen bedeckt, welche den obersten Theil der Berge bilden, und dieselben theils als Decke überlagern, tbeils als Gänge durchsetzen. Auch im Meeresniveau findet man ausgedehnte lagerförmige Basaltmassen, wie auf dem breiten Kap Weissenfeis, das ausschliesslich aus Basalt besteht; ob dieser aber hier in der -Form von Decken oder von Gängen vorkommt, wurde nicht fest- gestellt. Die Gänge scheinen wenigstens theilweise mit Verwerfungen in Verbindung zu stehen. Die beiden beobachteten Gänge, deren einer auf König Karls Insel liegt und in der Fortsetzung das Kap Altmann streift, während der andere Schwedisch - Vorland schneidet, streichen in nord-südlicher Richtung. Das Land, welches zu beiden Seiten ausserhalb dieser Verwerfungslinien liegt, ist im Verhältniss zu dem zwischen ihnen liegenden ge- sunken. Jedoch sind diese Verwerfungslinien nicht durch Terrainabstürze bezeichnet, sondern diese waren schon abrasirt, als die Basaltströme sich über das Land ergossen. Das lange und schmale Kap Altmann ist ein senkrechter Basaltgang, der in der östlichen der beiden Verwerfungs- linien emporgedrungen ist. Die Basalte von König Karls-Land sind sehr dunkle, in frischem Zustande fast schwarze, bisweilen dichte, häufig blasige Gesteine. Die verwitterte Oberfläche ist im Allgemeinen graubräunlich. AVie diejenigen von Franz Josephs-Laud sind sie ausschHessUch Feldspathbasalte. Die schmalen Leisten und dünnen Tafeln von Feldspat sind im Allgemeinen schon makroskopisch wahrnehmbar und geben den Gesteinen eine deutlich ophitische Struktur. An anderen Mineralien bemerkt man im Allgemeinen nur diejenigen, welche in den Poren und Hohlräumen der Mandeln vorkommen. Die Basalte von König Karls -Land sind nämlich oft porös, und die Poren sind gewöhnlich mit Kalkspath oder einem wasserhaltigen Eisensilikat, wahrscheinlich Hullit, angefüllt, das auch im Basalt auf Franz Josephs- Land vorkommt. Bisweilen kommen beide Mineralien in dem- selben Handstttcke vor, und zwar in der Weise, dass einige Mandeln Hullit, andere Kalkspath enthalten. Sie können jedoch auch in einem Hohlraum zusammen auf- treten, der dann zuerst mit Hullit bekleidet und später von dem Kalkspathsphärolith ausgefüllt ist. Analcim und Natrolith, welche im Basalt von Franz Josephs Land als Fullungsmasse vorkommen, oder irgend welche andere Zeolithe haben sich nicht feststellen lassen. Quarz und Achat sind nur als Ausfüllungen von Spalten, nie im Basaltmandelstein als Mandeln beobachtet worden. Die 452 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 38. grossen Quarzdrusen oder herrlichen Achatstücke, mit schöner Bänderung, welche u. A. an den Plateaus von Nordenskiöld- und Tordeuskjoid-Berg umherliegen und leicht auffallen, dürften im Aligemeinen Spaltenfüllungen gewesen sein; einige können jedoch auch grosse Geoden oder Mandeln gewesen sein. Die mikroskopisclie Untersuchung hat ergeben, dass sie im Allgemeinen aus Plagioklas, Augit, Glas und einem Eisenerz bestehen. Nur sehr selten kommen ausserdem Olivin und Hornblende vor, sodass die Basalte von König Karls Land als olivinfreie Feldspate zu bezeichnen sind. Der Feldspat beträgt V4 — Vs der ganzen Masse. Die Form ist ziemlich gut idiomorph, der Habitus der gewöhn- liciie, nach (0,10) tafelförmige; die Ausbildung ist jedoch nicht immer besonders regelmässig, denn theils scheinen die Krystalie etwas skelettartig gewachsen zu sein, theils scheint auch eine Resorption stattgefunden zu haben, wodurch die Grenzflächen ein wenig nneben geworden sind. Die Dimension der grösseren Krystalie ist etwa 1 — 2 mm im grössten Durchmesser. Die Bestimmung der Zusammensetzung des Plagio- klases ergab, dass der Plagioklas ein Labrador ist, dessen Zusammensetzung der Formel Abj An^ nahe entspricht; da aber die Labradore zonar aufgebaut sind, die inneren Theile mehr basisch sind als die äusseren, und die Be- stimmung an den centralen Theileu vorgenommen wurde, so werden die äusseren Zonen etwas mehr Albit enthalten. Der Augit ist weniger idiomorph und jünger als der Feldspath. Unter den Eisenerzen ist der Eisenglanz am häufigsten. Er gehört zu den zuerst auskrystallisirten Mineralien, während der Magnetit oft der letzten Krystalli- sationsperiode anzugehören scheint. Die amorphen Mine- ralien sind das Gesteinsglas und der HuUit. Der Hullit ist bald ganz amorph, wenn auch mit coucentrischer Ab- sonderung, bald deutlich sphärolithisch faserig und schwach doppelbrechend. Er scheint immer mit gelbbrauner Farbe durchsichtig zu sein. In den von KalksBathmandeln er- füllten Blasenräumen kommt fast immer Hullit vor, der als eine dünne Bekleidung der Wände zuerst aus- geschieden ist; alsdann sind auch alle in den Hohlraum hinausragenden Mineralien von einer HuUitschicht über- zogen, deren Fasern, wenn sie faserig ist, zur Krystall- begrenzung senkrecht stehen. Das Gesteinsglas ist ge- wöhnlich schmutziggrün gefärbt und tritt immer als Inter- sertalmasse in diesen Gesteinen auf; häufig findet sich aber auch ein gelbbraunes Glas von derselben Farbe wie der Hullit, dessen Ursprung jedoch in vielen Fällen nicht zu entscheiden ist. Von diesen Gesteinen ganz abweichend sind einige Schlacken, welche auf der Hauptinsel in der Nähe des Passes zwischen Sjögrens und Tordenskjolds Berg ge- funden sind. Die Stelle erhielt in Folge der hier sehr energischen Contactwirkungen des Basaltes auf die sedi- mentären Gesteine den Namen „der gebrannte Hügel". An einigen Stücken sind die oberflächlichen Flussersehei- nungen eines flüssigen Magmas sehr gut erhalten. Die Schlacken sind noch blasiger als die Basalte und theil- weise fast bimssteinartig porös. Sie unterscheiden sich von den Basalten durch einen wesentlichen Gehalt an Bronzit, der älter als der Feldspath ist, während der Augit des Basaltes jünger als der Feldspath ist. In einigen Schlacken ist der Bronzit sogar allein zur Krystallisation gelangt. Die Bronzite sind etwa 2 mm lang und 0,025 mm dick. Ein schwarzer centraler Saum von eingeschlossenem Glase, und die ausgeprägte Zerklüftung senkrecht zur Vertical- aehse charakterisiren die Bronzite. Eigenthümlich ist, dass in den Schlacken die Krystallisation mit dem Bronzit angefangen hat, während sonst in diesen Basalten Bronzit oder rhombischer Pyroxen gar nicht vorkommt und der Plagioklas entschieden älter oder wenigstens eben so alt ist, wie der Augit. In den Schlacken ist der Kalkgehalt nur halb, der Magnesiagehalt doppelt so gross wie in dem dichten Basalt; ausserdem ist ein bedeutender Unter- schied in dem Kieselsäuregehalt vorhanden, sodass die Schlacken sich durch ihren hohen Gehalt an Kieselsäure und Bronzit den Bronzitandesiten nähern. Der Bronzit der Schlacken kann auch durch Augit ersetzt werden, der aber nicht in Pseudomorphosen "nach dem Bronzit auftritt. Die Basalte des König Karls -Landes gehören wahr- scheinlich dem Jura oder der älteren Kreide an. Sichere Turtbildungen haben sich zwar nicht nachweisen lassen. Einige vermeintliche Tuff'e mit Pflanzenresten mesozoischen Alters enthalten keine sichere Spuren einer Oberflächen- eruption, sondern bestanden hauptsächlich aus rundlichen, durch Kalkspath verkitteten Quarzkörnchen, sodass sie als Kalksandstein bezeichnet werden mussten. Daneben kamen in ihnen Feldspathkörner und Basaltkörner vor. Zur Zeit ihrer Bildung d. li. zur Jura- oder zu Anfang der Kreidezeit, war also schon etwas Basalt vorhanden. Da aber der Basalt auch Juraablagerungen gangförmig durchsetzt, so kann der Basalt nicht älter als die Jura- zeit sein. Wenn die Basalte von König Karls - Land demnach nicht zwei sehr verschiedenen Eruptionsepochen angehören, was wohl nicht wahrscheinlich ist, so dürften sie aus der Jura- oder der älteren Kreideperiode stammen. Die starke Porosität vieler dieser Gesteine beweist, dass sie Oberflächenergüsse sind, wenigstens gilt dies für die Schlacken des gebrannten Hügels, an deren vielen noch die oberste Kruste mit deutlichen Flusserscheinungen erhalten ist. Auch aus diesem Grunde muss der Basalt ungefähr gleichaltrig mit den Ablagerungen sein, in denen er gefunden wird, d. h. mit dem obersten Jura und der untersten Kreide. Die Basalteruptionen des König Karls-Landes fanden also ungefähr um dieselbe Zeit statt, wie die des Franz Josephs - Landes; dagegen können sie nicht mit den tertiären Eruptionen auf Schottland und Island gleich- zeitig gewesen sein; vielleicht sind aber die Diabase Spitzbergens mit den Basalten des König Karls- Landes und denen des Franz Josephs -Landes gleichaltrig. Statt einer einzigen Eruptionsepoche für alle die um den nördlichen Atlantischen Ocean liegenden Basalt- vorkommen dürften wenigstens zwei anzunehmen sein, die eine im Ende des Jura und zu Anfang der Kreide, die andere zur Tertiärzeit. Zur ersten gehören die Ba- salte der spitzbergischen Länder, zur letzten diejenigen Schottlands und Islands. Es ist aber noch nicht sicher bewiesen, dass nicht auch noch zu anderen Zeiten Ba- salteruptionen in diesen Gegenden stattgefunden haben. A. Lorenzen. Die Nordpolexpedition des Herzogs der Abruzzeu auf der „Stella Polare" ist am 5. September wohl- behalten nach Norwegen zurückgekehrt. Nach den bis- her vorliegenden Berichten scheinen die gewonnenen Er- gebnisse der Expedition ganz vorzügliche gewesen zu sein. Von Franz-Josephs-Land aus, dem Ziel und Mittelpunkt der Reise, wurden wiederholt Verstösse gegen Norden gemacht. Beim ersten derartigen Versuch wurden ledig- lich Depots errichtet, die zweite Expedition, welche aus dem norwegischen Maschinisten Stöcken und zwei Italiener Marineleutnant Guarini und Alpenführer Ulie bestand dürtte höchst wahrscheinlich leider verunglückt sein, denn sie sollte nur 12 Tage dauern, doch hat man bis znr Stunde nichts mehr von ihr vernommen. Die dritte Ex- XV. Nr. 38. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 453 cursioD währte '24 Tage und kam über 83° n. Br. und die vierte und letzte gar volle 105 Tage. Diese Ex- pedition, welche aus dem Kapitän Cagni-Cueden und drei anderen Theilnehmern bestand, drang bis 86° 33' n. Br. vor, also noch 19' weiter nach Norden, als Nansen am 7. April 1895 gekommen ist. Die Expedition nährte sich längere Zeit hindurch ausschliesslich von Hundefleisch und legte mehrere Depots für die ver- schollenen 3 Mitglieder an, für den Fall, dass diese doch noch am Leben sein sollten. Der Herzog der Abruzzen hatte sich an diesem letzten geglückten Vorstoss nicht betheihgen können, weil ihm in den Weihnachtstagea zwei Finger erfroren waren, die ihm abgenommen werden mussten. Die Kälte .stieg im Februar bis auf 52° C. Die Expedition, welche am 8. Mai 1899 Italien ver- lassen hatte und deren Dauer auf drei Jahre berechnet war, ist wesentlich früher zurückgekehrt, als erwartet wurde. Schuld daran trug eine schwere Beschädigung des Schiffes, welche eine nochmalige üeberwiuterung nicht gestattet hätte: am 8. September 1899 wurde nämlich durch eine Eispressung die halbe Steuerbordseite des Schiffs 1^.3 Fuss tief eingedrückt. Auf der Rückreise war die Expedition 11 Monate lang im Eise eingeschlossen. Der Herzog der Abruzzen, welchem schon die Be- steigung des Mount Elias mit Recht einen geachteten Namen in den Reihen der geographischen Forschung.«- reisenden verschafft hatte, kann sich rühmen die Er- forschung des nördlichen Franz-Josephland mit hervor- ragendem Erfolg zu Ende geführt zu haben. H. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernauut wurde: Dr. Martin, ausserordentliclier Professor der physischen Anthropologie in Zürich, zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: Dr. Murach, Assistent an der landwirth- schaftlichen Versuchsstation in Königsberg, als Repetitor für Naturkunde an die thierärztliche Hochschule in Haunover; Berg- ratli Lenge mann, Chef der Berginspection Klausthal, als Pro- fessor der ßergbaukunde an die technische Hochschule in Aachen ; Dr. Victor Uhlig, ordentlicher Professor der Mineralogie und Geologie an der deutschen technischen Hochschule in Prag, als ordentlicher Professor der Paläontologie nach Wien; Dr. Roemer, Assistent am zoologischen Institut der Universität Breslau, als Custos an di« naturkundlichen Sammlungen der Senckenberg'schen Stiftungen in Kninkt'iirt ;|,. M. Es haliilitiifr sirh: Dr. Pfeiffer für Pathologie und Thera- pie der inni^ren Ki-inkliriten in Graz. In den Kuhesrand tritt: Dr. W. A. Freund, ordentlicher Professor der Frauenheilkunde und Direktor der Universitäts- Frauenklinik in Strassburg. Es starben: Dr. F. A. Zürn, früher Professor der Thier- arzneikunde in Heidelberg; Dr. Friedrich Griepenkerl, ordent- licher Professor der Landwirthschaftskunde in Göttingen. Programm für den Michaelis 1900 und zwar in der Zeit vom 3. bis 13. Oktober in Berlin abzuhaltenden naturwissen- schaftlichen Ferienkursus für Lehrer höherer Schulen. — I. Eröffnung: Mittwoch, den 3 Oktober lO-f-, Uhr in der Aula des Dorotheenstädtisehen Realgymnasiums durch Direktor Professor Dr. Schwalbe. Eröffnungsrede desselben: „Ueber die historische Entwickelung und Bedeutung der naturwissenschaftlichen Ferien- kurse." Im Anschluss hieran die unten unter III, 1 und 2 ange- führten Besichtigungen. — II. Vorträge: 1. Professor Dr. Rubens: „Ueber den Einfluss der verschiedenen Strahlengattungen (Becquerel-Strahlen, Höntgen-Strahlen, ultraviolettes Licht u. s. f.) auf elektrische Entladungen," 2 Stunden; 2. Professor Dr. van't Hoff: „Die Stassfurter Salz Vorkommnisse vom phy.sikalisch- chemischen Standpunkte," 2— 3 Stunden; 3. Professor "Dr. War - bürg: „Ueber magnetische Hysterese," 1 — 2 Stunden; 4. Dr. Spiess: „Ueber flüssige Luft mit Rücksicht auf ihre Verwend- barkeit zu Schulversuchen," 2 Stunden; 5. Professor Dr. Poske: „Zur Methodik des physikalischen Unterrichts," 3—4 Stunden; 6. Geheimer Regierungsrath Professor Dr. von Bezold: „Zur Theorie des Erdmagnetismus,"' 3 Stunden; 7. Professor Dr. Scy- manski: „Schulversuehe über elektrische Wellen." 3 — 4 Stun- den; 8. Geheimer Regierungsrath Professor Dr. Slaby: „Die Telegraphie ohne Draht mit Demonstrationen", 2 Stunden; 9. Ge- heimer Regierungsrath Professor Dr. S chw enden ei": a) „Die Flugapparate der Früchte und Samen," bj „Das Winden und Klettern der Pflanzen," 2 Stunden; 10. Geheimer Regierungsrath Professor Dr. Mob ins: „Bau und Lebensweise der Cetaceen unter Erklärung der in der Schausammlung des Museums für Na- turkunde aufgestellten anatomischen und biologischen Präparate," 2 Stunden; 11. Professor Dr. Wahnschaffe. „Ueber die End- moräne Norddeutschlands," 1 Stunde; 12. Bezirksgeologe Dr. Potonie: „Ueber die durch Pflanzenfossile gegebenen Beläge für die fortschreitende, höhere Organisation der Pflanze," 1—2 Stunden; — III. Besichtigungen: 1. Der im Dorotheenstädti- sehen Realgymnasium veranstalteten Ausstellung botanischer, zoo- logischer und geographischer Lehrmittel unter Führung des Pro- vinzialschulratiies Dr. Vogel; 2. der Schulsammlungen des Doro- theenstädtisehen Realgymnasiums |sowie der in der Aula zu natur- wissenschaftlielien Vorträgen getroft'enen Einrichtungen unter Leitung des Direktors Professors Dr. Schwalbe; 3. des ■ physi- kalischen, elektrotechnischen und maschinentechnischen Labora- toriums der Königlichen technischen Hochschule zu Charlotten- burg; 4. der mechanisch-technischen Versuchsanstalt sowie der physikalisch-technischen Reichsanstalt zu Charlottenburg; 5. des neuen chemischen Instituts der Universität unter Leitung des Ge- heimen Regierungsrathes Professors Dr. Fischer; 6. der alten Urania (Invalidenstrasse .57 — 62) und der daselbst für physikalische und biologische Kurse getroffenen Veranstaltungen unter Leitung des Direktors Dr. Schwalbe und des Provinzial-Schulrathes Dr. Vogel; 7. des Museums für X.iturkunde unter Führung des Geheimen Regierungsrathes l'iut'cssnis Dr. Möbius; 8. der König- lichen Bergakademie und ge(iloüNcli..ii l.undesanstalt. — Etwaigen Wünschen' der Theilnehmer entspicMh.n.l je nach der zur Ver- fügung bleibenden Zeit ferner: B.'-irliti-iinL' der Berliner Elek- trizitätswerke, des Postmuseums. der i:.iisi-\\ nk... der Werkstätten von Siemens und Halske, einer ehcnii.-eln-n liiilii>trieanlage u. s. f. — IV. Exkursion und Schluss. Ein und ein halbtägige geo- logische Exkursion nach Feldberg in Mecklenburg unter Führung des Königlichen Landesgeologen Professors Dr. Wahnschaffe. — Schluss des Kursus daselbst durch Provinzial-Schulrath Dr. Vogel. L i 1 1 e r a t u r. R. Lydekker, Die geog'raphische Verbreitung und geologische Entwickelung der Säugethiere. Autorisirte Uebersetzung aus dem Englischen von Prof G. Siebert. Mit 82 Illustrationen und einer Karte. Jena 1897 Verlag von H. Costenoble. (Schluss.) Der Miocänzeit gehören die fossilen Säugethierreste von Sansan im Dep.Gers, von Steinheim in Steiermark, vonOeningen, von Grive-St.-Alban im Rhonethal, von Mt| Bamboli in Italien, von San Isidro in Spanien und von Oran in Algier an. Hier finden sich die ältesten Reste echter Primaten, von Insekten- fressern Talpa, Myogale, Erinaceus und Sorex; von den Raub- thieren sind die Kreodonten ausgestorben, die Katzen durch die säbelzähnigen Tiger (Machaerodus) und die Gattung Pseudaelurus vertreten, die Viverridae durch Viverra und Herpestes, die Hunde durch Canis und die ausgestorbenen Gattungen Hemicyon und Pseudocyon. Dinocyon und Hyaenarctus bilden den Uebergang zu den Bären. Von den Nagethieren finden sich fast alle heute lebenden Gattungen, neu erscheinen die Stachelschweine und die Pfeif- hasen. Auch die Hufthiere zeigen eine grössere Annäherung an moderne Formen, zum ersten Mal erscheinen in Europa die Rüssel- thiere mit Arten der Gattung Mastodon. In Allem erkennt man, dass zwischen den Ablagerungen des Oligocän und Miocän ein beträchtlicher Zeitraum verflossen sein muss und dass zur Miocän- zeit die Entwickelung verschiedener Regionen in der Arktogäa noch nicht begonnen hatte. Noch deutlicher tritt dieser Charakter bei der älteren Plio- cänfauna Europas und Südasiens hervor. Ihre Reste finden sich bei Pikermi, auf der Insel Samos, am Mont Leberon in der Pro- vence, im Rhonethal, in Spanien am Fuss der Pyrenäen, in Klein- asien und in Persien. Dieselbe Fauna findet sich auch nördlich der Alpen, z. B. bei Eppelsheim unweit Worms, bei Wien, in Ungarn und in Rumänien, nur ist hier die Anzahl der Formen geringer, und die Antilopen und die giraifenartigen Wiederkäuer fehlen und werden durch Hirsche vertreten. Die Primaten erscheinen in einer einzigen Art, dem ausgestorbenen Mesopithecus, von Insektenfressern findet sich nur Sorex, die Raubthiere sind zahlreich vertreten. Zum ersten Mal erscheinen echte Katzen (Felis), daneben finden sich Hyänen, Hunde wie Amphicyon und Siraocyon, Marder und Promeies als Vorläufer der Dachse. Einen bedeutenden Fortschritt zeigen die 454 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. Hufthiere: von den Artiodactylen erseheinen die ersten echten Schweine und die Gattung Cervulus als Vorläufer der Hirsche. Von Giraffen finden sich Giratfa, Helladotherium und Samotherium, die Bovidae sind durch zahlreiche Antilopenarten vertreten, von Rüsselthieren kommen Mastodon und Dinotherium vor. Nahe verwandt mit der eben geschilderten Fauna erscheint die Siwalikfauna Indiens und der benachbarten Länder. Sie unterscheidet sich jedoch in mancher Hinsicht sehr wesentlich, besonders durch das Vorkommen verschiedener moderner Typen, die der westlichen Fauna fehlen, sowie in der Fortexistenz ge- wisser älterer Formen aus dem Oligocän und Miocän, die hier weiter lebten, während sie in Europa schon völlig verschwunden waren. Die Primaten erscheinen viel vollständiger als dort und sind ausschliesslich durch noch lebende Gattungen vertreten, von Raub- thieren finden sich zahlreiche Felisarten, ferner Machaerodus, Cynaelurus, Viverra, Amphicyon, Canis, Hyaenarctua und ürsus, Mustela, Lutra, Enhydriodon und Hyaenodon. Von Nagethieren sind Rhizomys, Nesocia, Hystrix und Lepus bekannt. Von Huf- thieren finden sich Sus, Hypotherium, Listriodon, Anthracotherium, Ancodus, Merycopotamus, Hemimeryx, Choeromeryx, Hippopo- tamus, Camelus, Tragulus, Dorcatherium, Palaeomeryx, Cervus, Giraffa, Vishnutherium, Sivatherium, Bramatherium, zahlreiche Antilopen von afrikanischem Typus, Gazellen, Ziegen und Rinder, die hier zum ersten Mal erscheinen. Von perissodactylen Huf- thieren kommen vor Hipparion, Rhinoceros und zahlreiche Rüssel- thiere, Arten von Mastodon und stegodonte Elephanten, die als die echten Vorfahren der jetzt lebenden zu gelten haben. Jeden- falls erkennt man auch in dieser Fauna noch keine regionalen Differenzen. Fraglich bleibt daher, woher das äthiopi^ili' MVIl:! inn diese Zeit die Vorläufer einer gegenwärtigen höh^i - i t'auna erhalten hat. Einige vermuthen, dass eine 1 j - ) _ schon vor der Pliocänzeit stattgehabt hat, anderLTMii- hi .lie Si- walikfauna auf eine Einwanderung von Indien aus hin, sei es über Syrien, sei es über Arabien, manche Umstände deuten auch auf eine direkte Landverbindung durch die Mündung des per- sischen Golfes und über die Strasse von Bab el Mandeb. Das wie heute, so auch damals wohl trockene Wüstengebiet dieses Verbin- dungsweges gestattete wohl eine Einwanderung für Antilopen und grosse Katzenarten, nicht aber für waldliebende Hirsche und Bären, deren Fehlen im äthiopischen Afrika sich wohl so er- klärt. Die jüngere Pliucänfauna Ostarktogäas, die bisher allein aus Europa in den knochenführenden Crags an Englands Ostküste, in den Süsswasserablagerungen des Val d'Arno in Italien, sowie aus der Auvergne, von Roussillon im Rhönethal und aus der Gegend von Montpellier bekannt ist, zeigte hauptsächlich lebende Gattungen, die schon zum Theil einen ausgesprochenen paläai-kti- scheu Typus zeigen und so eine starke Annäherung an den gegen- wärtigen Zustand erkennen lassen. Während der Diluvialzeit nimmt dieser regionale LTnterschied bedeutend zu, jedoch die da- malige noch weite Verbreitung von Gattungen wie Hippopotamus, Rhinoceros, Elephas u. a. beweisen, dass die holarktische, die orientalische und die äthiopische Region ihren eigentluimlichen faunistischen Charakter erst während der recenten Periode ange- nommen haben. Was nun die einzelnen Regionen betrifft, so umfasst die madagassische Region die Inseln Madagaskar, Mauritius, Bor- bon und Rodriguez, die Seychellen und Comoren. Die Land- säugethierfauna ist fast ausschliesslich auf Madagaskar beschränkt und auch da fast allein auf das üppige tropische Waldgebiet. Ihre Fauna ist von der des so nahen afrikanischen Continents total verschieden: von 28 Gattungen nicht fliegender Säugethiere kommen nur 3 in Afrika vor. Hauptsächlich finden sich Halb- affen, von Raubthieren nur zibethkatzen- und mangustenartige Thiere, von Insektenfressern die Gattung Crocidura und die Familie der Tanreks, von Nagethieren 5 Gattungen von Mäusen. Madagaskar mag also wohl seine Säugethierfauna vom benach- barten Continent erhalten haben, aber wohl zu einer Zeit, als dieser vorzugsweise von Halbaffen und zibethkatzenartigen Raub- thieren bevölkert war, also etwa zur späteren Oligocän- oder gar zur Miocänzeit. Die äthiopische Region wird von denjenigen Theilen Afrikas und Arabiens gebildet, welche südlich vom Wendekreis des Krebses liegen. Sie zerfällt in drei Subregionen: 1. die ost- afrikanische, ein vorzugsweise offenes Weideland, 2. die west- afrikanische, das Gebiet der grossen äquatorialen Wälder, 3. das Saharagebiet und die arabischen Wüsten, ein Uebergangsglied zum Mittelmeergebiete. Die äthiopische Region unterscheidet sich in ihrer Fauna von der aller anderen Welttheile durch die ausserordentlich grosse Zahl von grossen Hufthieren. Eine derartige Fauna hat während der recenten Periode nirgendwo existirt, und von ausgestorbenen Faunen lässt sich mit ihr nur die Unterpliocänfauna von Südeuropa und Asien ver- gleichen. Auffallend in ihrer Fauna ist vor allem das Fehlen von Hirschen, Schweinen und Bären, sowie von Ziegen und Schafen, echten Spitzmäusen und Maulwürfen. Im Gegensatz zu allen an- deren Regionen ist sie zusammen mit der orientalischen die alleinige Heimath der anthropoiden Affen, von denen Schimpanse und Gorilla ihr eigenthümlich sind. Unter den Insektenfressern ist die Familie der Macroscelididae und die der Potamogalidae (abgesehen von dem Vorkommen von Geogale auf Madagaskar) auf die äthiopische Region beschränkt, ihre primitiven trituberku- lären oberen Molaren beweisen ihre frühe Einwanderung. Von Nagethieren fehlen die echten Flughörnchen: an ihre Stelle tritt die Familie der Anomaluridae. Von der Gruppe der Rennmäuse (Gerbillinae) sind allein 5 Gattungen rein äthiopisch, von den Maul Wurfsmäusen (Spalacidae) deren vier. Von den zahlreich vorkommenden Hufthieren sind dieser Region eigenthümlich die Familie der Hippopotamidae und der Giraffidae. Echte Schweine fehlen, an ihre Stelle treten Flussschweine (Potamochoerus) und Warzenschweine (Phacochoerus), gleichfalls charakteristisch sind die Antilopen, die Esel, die Zebras und die Klippschliefer (Proca- viidae). Von den Edentaten ist das Erdschwein (Orycteropus) durch 2 Arten vertreten. Aus Allem ergiebt sich eine nahe Ver- wandtschaft der äthiopischen und der orientalischen Region, die Sahara bildete stets eine Barriere gen Norden hin, und die Ein- wanderung der Säugethierformen erfolgte von Osten resp. Nord- osten. Von allen zoologischen Regionen erscheint die äthiopische als die, welche sich am spätesten entwickelt hat. Die orientalische Region umfasst diejenigen Theile von Asien, die südlich der holarktischen Region liegen, sowie Ceylon, Formosa, die Philippinen, Sumatra, Java, Borneo und zahlreiche kleinere Inseln. In Indien wird sie nach Norden liin durch die höheren Ketten des Himalayn .iIil. s^Iil--^ )i. im ;)-t. n imvli die Wallace'sche Linie. Im Himal.i . I -lier- gang zur holarktischen Region >r,'-i_ im : ü i m r ulier- haupt die Differenzirung beider r:iiiic n ^ r-r ■■.iw i -.i . : -. iniiuing der Aufrichtung dieses Gebirges. Ihre Subregionen sind 1. die himalaische: die südlichen Ab- hänge des Himalaya vom Fuss bis ungefähr zur Baumgrenze, 2. die indische: Indien vom Fuss des Himalaya bis zum Cap Comorin mit Ausschluss der Malabarküste, aber mit Einschluss des nördlichen Ceylons, 3. die malabarische oder ceylonische, die Malabarküste und das südliche Ceylon, 4. die birmanische: Birma mit Ausnahme des südlichen Tenasserini, sowie Assam, 5. die malaiische: das südliche Tenasserim, Malakka und die malaiischen Inseln bis .zur Wallace'schen Linie und G. die indo- chinesche: der innerhalb der Region liegende Theil Chinas. Die Hauptzüge der Fauna der orientalischen Region sind folgende: An Stelle der Schimpansen und Gorillas tritt in der Familie der Simiidae der Orang-Utang und der Gibbon (Hylo- bates). Die Gattung Macacus und die Schlankaffen (Semuopithe- cidae) sind fast ganz auf die orientalische Region beschränkt. Von Halbaffen erscheinen die Familien der Lemuridae und der Tarsiidae. Unter den Insektenfressern sind diesem Gebiet be- sonders eigenthümlich die fliegenden Makis (Galeopithecus) und die Spitzhörnchen (Tupaiidae), weit verbreitet ist die Familie der Igel, für Sorex erscheint Soriculus. Reich ist die orientalische Region an katzenartigen Raubthieren und Vertretern der Viverri- dae; Wolf, Fuchs und Bär kommen vor und von der Familie der Mustelidae sind vier Gattungen für sie sehr charakteristisch, nämlich Arctonyx, Mellivora, Helictis und Mydaus. Von den Nagethieren finden sich besonders echte Eichhörnchen (Sciuridae), aus der Familie der Murideae Chrotomys, Plathacanthomys, Phlaeomys, Crateromj-s, Chiropodomys, Rhynchomys. Unter den Hufthieren sind diesem Gebiet eigenthümlich eine besondere Sektion der Gattung Bos, zu denen Bos gaurus und B. sondaicus gehören, zahlreiche Cervidae (jedoch fehlen die Edelhirsche), echte Schweine und Vertreter der Rhinocerotidae, welche ausser hier nur noch in der äthiopischen Region sich finden, jedoch sich von diesen durch den Besitz von Vorderzähnen unterscheiden. Ueber den grössten Theil des Gebietes verbreitet ist der indische Elephant. Ebenfalls charakteristisch sind die Schuppenthiere. Im Grossen und Ganzen ergiebt sich, dass die gegenwärtige Säugethierfauna Indiens ein Gemisch westlicher und östlicher Typen ist; eine gewisse Verwandtschaft besteht zwischen den Faunen von Westafrika und der malaiischen Subregion, gewisse Formen deuten aber auch auf eine Verbindung der letzteren mit Südindien und Ceylon hin. Die zahlreichen für Ceylon und Indien femeinsamen Formen weisen auf eine verhältnissmässig späte 'rennung beider Gebiete hin; das gleichzeitige Vorkommen zahl- reicher Arten auf Borneo, Sumatra und Malakka beweist, dass diese Gebiete noch verhältnissmässig spät mit einander in Ver- bindung standen; auffallend verschieden erscheint dagegen die Fauna der Insel Java, die offenbar viel früher von dem Continent abgelöst war als jene Inseln. Die Fauna der Philippinen die bisher zur malaiischen Sub- region gerechnet ward, scheint eher den Anspruch auf ein selbst- ständiges Gebiet in sich zu begründen. Gewisse Formen deuten XV. Nr. 3,- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 455 auf eine Verwandtschaft mit Australien, eine Beziehung zur Fauna des benachbarten Celebes ist nicht erkennbar. Gewisse malaiische Typen beweisen eine, wenn auch nicht lange existirt habende Verbindung mit malaiischen Gegenden, andererseits deuten weit verbreitete Vogeltypen aber auf eine Verbindung mit China, viel- leicht über Formosa, hin. Die umfangreichste aller zoologischen Regionen ist die holarktische, sie umfasst das ganze Nordamerika mit Ausnahme des Gebietes der sonorischen Region, und in der alten Welt das ganze Gebiet nördlich der äthiopischen und der orientalischen Region. Das ganze Gebiet liegt ausserhalb der Tropen. Charak- teristisch sind für dasselbe unter den Insektenfressern die echten Spitzmäuse, von den Raubthieren die Luchse, stark vertreten sind die Bären. Ebenso ist es unter den Nagethieren mit den Bibern, den Wühlmäusen (Microtus), den Lemmingen (Myodes), den Pfeif- hasen (Lagomys) und den Hasen (Lepus). Unter den Hufthieren sind dieser Region eigeuthümlich die Bisons, die Schafe, die Edel- hirsche, das Elenthier und das Rennthier. Ist auch die Fauna im Osten und Westen des Gebietes eine einheitliche und haben zahlreiche Arten eine circumpolare V^erbreitung, so giebt es doch heutzutage zahlreiche Säugethiere. die entweder nur im Osten oder nur im Westen vorkommen. Sicher war stets die Verbin- dung beider Hälften über die so hoch nördlich gelegene Bering- strasse eine ziemlich beschränkte. Bei der zunehmenden Ver- schiedenheit der Faunen beider Gebiete nach Süden hin würde aber bei Abtrennung einer mittelländischen Region diese Differenz der Faunen viel weniger hervortreten. Für die üsthälfte dieser Region sind u. A. charakteristisch die Wasserspitzmaus (Crossopus), die tibetanische Nestogale und Myogale, die Gattung Talpa, von Raubthieren Genetta, Herpestes und Hyäna, Aeburopus und Meles, von Nagethieren die Hamster, gewisse Schlafmäuse, die Blind- mäuse und die Springmaus, von Hufthieren die Ziegen, die Schafe, die Gemse, gewisse Antilopen und die Gazellen, das Moschusthier, die Edelhirsche, die Damhirsche und das Reh. Was die Thierwelt der östlichen holarktischen Region zur Diluvialzeit betrifft, so unterscheidet sie sich von der heutigen besonders nach zwei Richtungen hin: 1. unterschied sich das Ge- biet viel weniger von der äthiopischen und der orientalischen Region und 2. ist das gleichzeitige Vorkommen von Formen bemerkens- werth, die theils für ein kaltes, theils für ein warmes Klima charakteristisch sind. Einige Formen deuten auf ein arktisches Klima hin, andere auf ein Steppenklima und wieder andere auf subtropische Ver- hältnisse. Alle diese Formen kommen in bunter Vermengung vor, aber es lässt sich doch ein nördlicher uüd ein südlicher Typus der Diluvialfauna erkennen. Im Grossen und Ganzen lassen sich seit der Diluvialzeit mancherlei Veränderungen constatiren: wahr- scheinlich bestand damals auch eine Landverbindung Asiens mit Alaska über die Beringstrasse; Südeuropa stand von (Gibraltar wie von Italien und Sicilien aus mit Afrika in Verbindung; in Nordwest- europa war England noch mit dem europäischen Continent vereint. Die heute für das westliche holarktische Gebiet eigenthüm- lichen Formen sind unter den Insektenfressern die Gattung Neosorex und Condylura, unter den Nagern die Bergbiber (Haplodon), die Gattung Phenacomys, Synaptomys, die Bisamratte (Fiber) und das kanadische Stachelschwein (Erethizon), unter den Hufthieren die Bergziege (Haploceros). Der Eintluss der Eiszeit war hier in Nordamerika in Folge des nordsüdlichen Verlaufes der Gebirgs- ketten ein weit stärkerer als in der alten Welt, so dass die ante- diluvialen Thiere jetzt nur unvollkommen und in sehr verminderter Zahl hier vertreten sind. Die einzelnen Subregionen des holarktischen Gebietes sind nun folgende: L die arktische Subregion: ihre Grenze fällt in der alten Welt ungefähr mit der Nordgrenze des Getreidebaues und mit der Südgrenze für die Wanderungen der Rennthiere zusammen; in Amerika verläuft die Grenze längs der Küste von Neufundland und Labrador, geht dann südlich bis zur Südküste der Hudsonbai und zieht dann nordwestlich nach Alaska. Ihr sind eigenthümlich der Polarfuchs, der Eisbär, der Vielfrass, das Hermelin, der Lemming, der Moschusochse und das Rennthier. 2. Die euro- päische Subregion: sie umfasst den Theil Europas südlich der arktischen Subregion und nördlich einer Linie von den Pyrenäen zu den Alpen, zur Nordküste des Schwarzen Meeres, dem Kau- kasus und den kaspischen Steppen. Zu ihrer charakteristischen Fauna gehören der Edelhirsch, das Reh, der Bison, die Gemse, der Alpensteinbock, der braune Bär, der Dachs, das Alpenmurmel- thier, der Hamster, der Maulwurf und der Igel. Die britischen Inseln erscheinen nach ihrer Fauna von kontinentalem Habitus, Island dagegen hat rein oceanischen Charakter: es besitzt nur den Polarfuchs und eine eigenthümliche Mäuseart. 3. Die central- asiatische Subregion: Sie stösst westlich an die europäische, nörd- lich an die arktische und reicht nach Osten hin bis zur Mand- schurei und nach China und wird im Süden vom Kuenlün und dem Nanschangebirge begrenzt. Hier finden sich einige eigenthüm- liche Arten von Nagethieren, wie Alactaga und Euchoretes, die Saigaantilope und die mongolische Gazelle, eine Art Wildkatze (Felis manul) einige Hirsche und das tartarische Reh. Hier ist die Hauptheimath des Argalischafes. 4. Die tibetanische Sub- region: im Norden begrenzen sie die Gebirge des Kuenlün, Altyntag und Nanschan, östlich reicht sie bis an das eigentliche China und im Westen umfasst sie Ladak und das eigentliche Industhal bis Gilgit. Südlich erstreckt sie sich bis an die Haupt- kette des Himalaya. Vorzugsweise oder ganz auf dieses Gebiet beschränkt sind von Insektenfressern Nertogale, von Raubthieren gewisse Varietäten von Wolf und Fuchs, einzelne Marderarten, Dachse und Bären, von Nagern gewisse Arten von Arctomys, Mus, Microtus, Lagomys und Lepus, von Hufthieren eine Pferdeart, ein Rind, gev isse Schafe, Ziegen und Hirsche. 5. Die mandschurische Subregion: Sie erstreckt sich nach Süden bis zum Wendekreis, wo sie an die orientalische Region angrenzt. Sie beginnt unge- fähr am Amur, umfasst Japan, die Mandschurei, Korea und Nord- china. Sie unterscheidet sich von allen anderen Subregionen mit Ausnahme der mittelländischen dadurch, dass sie Affen der Gattungen Macacus und Semnopithecus enthält. Am charak- teristischsten sind für dieses Gebiet die Hirsche. Die fossilen Reste Japans, die denen der Siwalikschichten analog sind, be- weisen seine Verbindung zur Pliocänzeit mit dem Continente. Andere, nordamerikanischen nahe verwandte Arten deuten auf eine frühere Verbindung Japans mit Korea und Kamtschatka und auf eine weitere Landverbindung über die Beringstrasse mit Alaska hin. 6. Die mittelländische Subregion: sie wäre vielleicht berechtigt, eine besondere Kegion zu bilden; sie umfasst ausser den nördlich der äthiopischen Region gelegenen Theilen Afrikas und Arabiens Spanien, die südlich der Alpen gelegenen Theile Europas, die Türkei, Kleinasien, Persien, Beludschistan und Afghanistan. In ihr erscheinen in Nordafrika und Syrien zahl- reiche Uebergangsformen zur äthiopischen Region, z. B. eine Affenart (Macacus iuuus), eine Art von Rohrrüsslern (Macroscelides), der Gundi (Ctenodactylus), die geschweifte Hyäne, die Geuetle, das Ichneumon und das gemeine Stachelschwein. Auf sie be- schränkt ist die Addaxantilope, gewisse Arten der Gattung Bu- balis, einige Gazellenarten, das Mähnenschaf, der Mufflon, das armenische Schaf, der spanische und der sinaitische Steinbock, gewisse Hirsche. 7. Das Gebiet von Kaschmir: seine Fauna er- scheint als ein Gemisch orientalischer und holarktischer Formen: zu letzteren gehört eine Edelhirschart, eine Art des braunen Bären und eine Ziege. 8. Die kanadische Subregion: Sie reicht im westlichen Theile des Gebietes von der arktischen Subregion gen Süden über den grösseren Theil Canadas bis zur Mitte des Michigansees resp. von Alaska bis San Francisco. Ihre Fauna umfasst im Wesentlichen die schon oben überhaupt für den ge- nannten Westen charakteristischen Formen. Zwischen ihr und der sonorischen Region liegt ein Uebergangsgebiet mit einer Mischfauna aus beiden Reichen: einige kanadische resp. sonorische Formen erreichen erst hier ihre Süd- resp. Nordgrenze. Die sonorische Region verm'ittelt in mannigfachster Beziehung den Uebergang zwischen der nördlichen holarktischen Region und dem südlichen neogäischen Reich. Sie reicht quer durch den Continent vom atlantischen zum stillen Ocean und umfasst un- gefähr das ganze Gebiet südlich des 43. Breitengrades und reicht nach Norden über die grossen Ebenen bis zum 48. Breitengrad. Im Süden umfasst sie das ganze innere Becken von Mexico und erstreckt sich die Hochländer des Inneren entlang in die Tropen- zone. Für sie eigenthümlich sind unter den Insektenfressern die Gattung Notiosorex, ohrlose Spitzmäuse (Blarina), die maulwurf- ähnliche Gattung Scalops, von Raubthieren die Waschbären, die Stinkthiere, von Nagethieren die Präriehunde und weissfüssige Mäuse, die Moschusratte und die Taschenratte. Unter den ausgestorbenen Säugethiergruppen erscheinen für Westarktogäa charakteristisch Halbaffen, Raubthiere, den Familien der Miacidae und Mesonychidae angehörig, von Hufthieren Oreo- donten, Agriochoerus, Protoceras, Titanotherium, Unitatherium und die Gruppe der Tillodontiae. A. Klautzsch. Breitenstein, Dr. H , 21 Jahre in Indien. Leipzig. — 10 Mark. Mindes, Mag. pharm. J., Manuale der neuen Arzneimittel für Apotheker, Aeizte und Drogisten. Zürich. — 4,60 Mark. 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(Sin intereffonle« aopite( be« Kaijt» aiebt eine oulbennidje Sar(tenunä •• nous beä ."■"^" ■ — '^ ■ ~ (*er jutSBerl.,. -■ ^ „ bfjlfijEn Mirdj itllf gudiljanbliinstn. || Verantwortliclier Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Lichterfekie-West be Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, in, Potsda nurstrasse o'i . t'iii- ^1- 11 Inseratent ■eil SW. 12. - Druck: G. Hen.»teiii , Berlin SW 12 ft^-^ Redaktion: Dr. H. Potonie. Verlag: Ferd. Düuinilers Verlagsbuchhandlung', Berlin SW. 12, Zimmerstr. XV. Band. Sonntag, den 30. tSeptember 19U(J Nr. 31). Abonnement: Man aboimirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jl 4.— Bringegeld bei der Post 15 ,A extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. f Inserate; Die vierge.spaltene Petitzeile 40 Ji. Grossere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollstäudig^er Qnelleiiangabe g^estattet. Die oceanischen Bogen. Villi L. Frobeni Unter allen Waffen und Gerilthcn der Menschen giebt es nicht einen Gegenstand, der in gleichem Maasse in- tensiv und allseitig von der Ethnologie behandelt wurde wie der Bogen. Da ist Morse über Bogenspannen, Henry Balfour über den zusammengesetzten Bogen , Mun- doch über den Eskimo-Bogen, Ratzel über den afrikanischen, Masou über den nordamerikanischen und Herrmann Meyer über den südamerikanischen, Pleyte über die Beziehung des Bogens zum Blasrohr im indonesischen Archipel und endlich eine ältere und eine ganz neue Arbeit von v. Luschan über zu- sammengesetzte und verstärkte Bogen nachzulesen. Anuchins Arbeit über die russischen Bogen ist mir noch nicht zu Gesicht gekommen. Die meisten dieser Arbeiten berücksichtigen das Museumsmaterial und sind demnach als Quellstudien zu erklären. Auf diese Weise sind wir denn beute so ziemlich über die afrikanischen, ameri- kanischen und auch wohl die asia- tischen Bogen aufgeklärt, wenn auch zu bedenken ist, dass von den asiatisch- europäischen mehr oder weniger nur die complicirteren bearbeitet wurden, die einfacheren dagegen wenig Beach- tung fanden. Die vierte Gruppe der oceanischen Bogen ward im Verhältniss zu den anderen recht vernachlässigt. Nur im Anhange seiner grossen Bogenabhandlung hat Ratzel solche der Negritos und von Neuguinea behandelt und Pleyte hat lediglich das Verbreituugsproblem der indonesischen Bogen Ende von der Seite, = in Ruhespannung (Sehnenlager auf den SchulterD),/>=Gebrauchs- (Sehnenlager in den Eückenkerben). besprochen. Der Tonga-Bogen gab Balfour und v. Luschan Anregung zu einigen Darlegungen und letzterer hat endlich als erster denn auch einen zusammengesetzten Bogen von Neuguinea nachgewiesen. Damit ist dann alles Wesentliche, was mir an Vorarbeiten bekannt wurde, erschöpft. Ich aber möchte heute den Versuch machen, die Lücke in der Bogen- litteratur auszufüllen und ein Bild der oceanischen Bogen wie nachfolgt, zu entwerfen. Der Bogen bietet drei Probleme: 1. das Verbreitungs- Problem, 2. das Form-Problem und endlich 3. das Ab- stammungs- Problem, von denen die ersteren beiden ziemlich unabhängig von einander, das dritte aber erst nach deren Erörterung und im Anschluss an dieselben besprochen werden kann. 1. Das Verbreitungsproblem be- schäftigt sich mit der Frage, wo der Bogen überhaupt vorkommt. Danach wird erörtert werden müssen, wo er einst heimisch gewesen, heute aber verschwunden ist. Beide Fälle werden durch eine ganze Reihe von Vorkomm- nissen verbunden. Denn bald ist der Bogen noch ein Spiel-, bald noch ein Jagdgeräth. Wissen wir über diesen Thatbestand bescheid, so drängt sich im Falle einer Verkümmerung in der Verbreitung die weitere Frage auf, wodurch denn der Bogen verdrängt worden sei oder werde. Diese Seite der Probleme ist bislang nur von Professor Ratzel sehr glücklich behandelt worden. 458 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 39. 2. Das Formproblem unterscheidet die beiden Systeme des in den bekannten Krümmungen sich bewegenden und aus mehreren Theilen zusammengesetzten Bogens und anderer- seits des einfachen gestreciiteu Bogens, Dass beide viel- fach in einander übergehen, ist klar und erwiesen, aber unsere Bogenlitteratur hat sich im Laufe der letzten Jalire zu sehr auf das Studium der Zusammensetzung caprizirt, hierin allerdings erfreuliche Resultate erzielt, aber anderer- seits wichtige Momente, zumal der Wölbung des Bogens und der Sehnenlagerung, zu sehr übersehen. 3. Das Abstammungsproblem endlich fordert einen Vergleich der Formverwandtschaft unter strenger Berück- sichtigung der geographischen Verbreitung. Diese drei Probleme werden stets zu berücksichtigen sein, wenn wir nachgehend die Formen Oceaniens, ihre Verbreitung und Verwandtschaft erörtern. Auf dem begrenzten Räume einer provisorisch angelegten Studie, wie es die vorliegende ist, kann unmöglich ins kleine geführte Detailiirung erreicht werden, wie es auch undenkbar ist, das ganze Material textlich und bildlich wiederzugeben. Daher beschränke ich mich auf Wiedergabe nur der wichtigsten Typen in Ab- bildung und Beschreibung der allgemeinen Formen. Seltene und unbestimmte Ausnahmebeschrei- bungeu können keinen Platz finden. Endlich aber muss auch die Darstellungsweise dadurch eingeschränkt werden, dass die eigentlich wünschenswerthe Zwei- theilung des Stoffes (1. Beschrei- bung der Formen, 2. Untersuchung der Beziehungen) einer schlichten entwickelungsgeschichtlichen wei- chen muss, der eine kurze Er- örterung vorausgesandt wird. Oceanieu besitzt zwei ex- treme Bogenformen, deren be- kanntere den Namen des „Asia- tischen" nach ihrem Ursprungs- gebiete erhalten hat, deren zweite sich aber als die vormalajische zunächst und nur provisorisch be Indonesische Bogen, 'l = von Formosa (die Sehne liegt auf dem Rücken), /( = von den Nikobaren, Längssclinitt diircli die Mitte (| = Innen) nnd Innenansicht, C= Java, D = Kord- ost-Borneo. Dagegen ist beim vormalajischen Bogen zu berück- sichtigen: 1. Die Sehne wird im Ruhezustande abge- nommen. Während beim asiatischen Bogen die Sehne in beiden Lagen festsitzt, ist dies bei den vormalajischen nicht der Fall. 2. Die Befestigung der Sehne verlangt Verdickungen am Bogen, auf denen die Sehnenschleife ruht. Es werden solche entweder aus dem Vollen ge- schnitten oder auch Ringe von Flechtwerk oder Holz- kragen übergeschoben. 3. Der Bogenstab ist, soweit er aus Holz besteht, innen meist mit einer Abflachung vei-- seheu, die sogar in einer Art Rinne sich merklich macht. 4. Der Bogenstab ist im Ruhezustand ganz gerade imd gespannt beschreibt er einen einfachen Kreisbogcntheil. Jetzt werden wir der Reihe nach die Bogen Indonesiens, Poly- und Mikronesicus und Melanesiens besprechen. I. Die Bogen Indonesiens. Der Bogen ist in Indonesien vom Blaserohr, das vom Nord- westen aus sich verbreitet, zurück gedrängt. Er ist demnach auf Sumatra, Java, Borneo, Celebes keine gebräuchliche Kriegswaffe, sondern ein seltenes Geräth, auf den kleinen Sunda und auf den Philippinen dagegen noch häufig. Je näher wir Melanesien kommen, desto häufiger treffen wir den Bogen auch als mächtige und wichtige Waffe. Als Ausnahmen im Vorkommen sind zu erwähnen: 1. der Bogen bei den wilden Stämmen Forraosas, 2. bei denen der Nikobaren und Audamaneu, 3. auf den Pogi, Page oder Men- tawej-Inseln westlich von Sumatra und endlich 4. auf den Suluinseln und auf den diesen gegenüber- liegenden Küsten Borneos. Es folgt nun die Besprechung der Haupttypen der indonesischen Bogen: 1. Formosa-Bogen. Ich konnte vier Exemplare im Berliner Museum prüfen. \D 4495 ist aus Holz, innen convex gewölbt, aussen flach, ca. 145 cm lang. Die ziehen, weil sie sich hauptsächlicli in den Händen einer | feine gedrehte Scbnürschnc ist oben unter einer Ver T^ . _ -.11 i_./?._j_j. 1* __i ,1 _i_;!..„u i-_ j:„i „. ,]»„ T.-'..,i„„ :., „^:*i:„i.« tt»;.,].^..!^. .,.^#-«v^ A^ Bevölkerung befindet, die schon vor der malajisch-poly nesischen Wanderung in der Südsee und im Spcciellen in Melanesien, ansässig war. Der asiatische Bogen hat folgende Merkmale: 1. Die Sehne liegt im Ruhezustande auf dem Rücken des Bogens (Fig. 16) und im gespannten Zustande (Fig. ID) sind die Seiten stark herabgebogen. 2. Diese Eigenart, die „Reflexe", wie Luscban sie nennt, bedingt ein doppeltes Sehnenlager nämlich: im Ruhe- zustand liegt die Sehne auf den „Schultern" (Fig. \A und By) im gespannten in der „äusseren Kerbe". (Fig. \A und Bd\) 3. Der Bogen ist zusammengesetzt, d. h. vor allen Dingen auf dem Rücken mit Sehnen, Horn- streifen oder Holzstreifen verstärkt. Diese Verstärkungs- mittel üben naturgemäss eine sehr wuchtige, federnde Kraft aus. 4. Hängt ganz eng hiermit die eigenartige Biegung des Bogens zusammen. Die beiden Schenkel sind erst stark herab-, dann wieder am Ende ein wenig aufgebogen. Die Bogen asiatischer Verwandtschaft haben daher alle auch im Ruhezustände eine Biegung. dickung des Endes in seitliche Einkerbung, unten da- gegen, wo sie in doppelter Schlinge ausläuft, über ein scharf verdünntes Ende gehängt (vergl. Fig. 2.1). Das merkwürdigste an diesem wie anscheinend au den meisten Bogen von Formosa ist, dass die Sehne im Ruhezustande auf den Rücken des Bogens gelegt und hier durch Ein- bettung in einen mit einer Längsriune versehenen Knoten auf der Aussenfläehe des Bogens festgehalten wird. Das ist ein ausgeprägt asiatisches Merkmal au einem sonst gestreckten Bogen. Berlin I D 4495 von 140 cm, in der Mitte mit Rotang und Schnur umwickelt, braunes Holz, sowie Berlin K 30916 von 159 cm, anscheinend (?) Bambus, aufbewahrt in Spannung (9 cm Spanntiefe) haben die gleichen Eigenschaften. Letzterer ist auch auf der Ausseuseite, wie innen im Querschnitt convex. Bei allen Bogen, auch bei dem folgenden, ist die Breite des Holzes in der Mitte 2V2— 2V4 cm. Letzterer, Berlin ID 7344, Bambusbogen von 116 cm Länge, ist in Spannung mit 7 cm grösster Spanntiefe aufbewahrt. Die Innen- XV. Nr. ;-?9. NaturwJssenHchaftliche Wochenschrift. 459 Seite des Bambus liegt aussen, die Scheidewände sind fein abgeschliflen, aber noch erkennbar. Querschnitt genau rechteckartig-, l'/g cni tief und 2'/4 cm breit. Die Sehne aus gedrehter Schnur ist oben in doppelter Schlinge über eine scharf abgegrenzte Verdiiimung, der eine Ver- dickung, respective Ausladung nach innen folgt, unten durch einfach scharf abgesetzte Verdünnung festgehalten. Wie gesagt fehlt diesem Bogen der äussere „Lageknoten" in der Mitte. (Grunds Material-Bambus.) 2. Nikobaren- und Andamaneu-Bogen. Auf den kleinen Inseln nördlich von Sumatra kommt eine sehr wunderliche Bogenform vor. (Vergl. Fig. 2 P>), die bisher i des Näheren nur von den Andamauen bekannt war. Im j Leipziger Museum, und zwar in der ausgezeichneten i Sammlung von Mau befinden sich aber 2 Bogen von den Nikobaren, deren Beschreibung ich geben will. Beide ' bestehen aus einem Stück Holz mit zwei breiten, flachen Schenkeln, die in der Mitte in eine, im Querschnitt oblonge oder runde schmale Einschnü- rung übergehen. Oben und unten laufen die Schenkel in Spitzen aus. Von der Mitte des oberen Schenkels bis zum unteren Ende stellt der Bogen eine absolut gerade Waffe dar. Die obere Hälfte des oberen Schenkels ist aber in einem Winkel von etwa 120° (im Ruhezustand) nach innen ge- bogen. Die Sehne ist am unteren geraden Ende fest- gelegt, am oberen leicht an- gebunden, da die Bogen im Ruhezustände aufbewahrt sind, üeber der geknoteten Sehnen- schlinge ist der untere Schenkel mit feiner Schnur umwickelt. Die ganze Sehne ist mit feinem Bast umwunden bis an die obere Schlinge, die nicht wie unten geknotet, sondern geflochten und dazu mit feinem Strickwerk zierlich umflochten ist. Der Bogen 1 der Sammlung Man (Bezeicbnung: kärama) ist von Spitze zu Spitze gemessen ca. 190 cm lang. Breite der Schenkel = 774 cm, Tiefe = lVo cm Dicke der Mitte = 2 cm. Tiefe = 2V2 cm. Der Bogen Irt (Angabe: Chokio) ist nur 170 cm lang. Schenkel- breite = 6'/4 cm, Schenkeltiefe = 2V2 cm. — Dies sind charakteristisch asiatische, wenn auch einfache aus einem Stück Holz bestehende Bogen. Nicht nur die Form des Bogens, die Schenkelbildung ist hierfür maassgebeud, sondern auch die oben geflochtene Schlinge der Sehne. 3. Java- und Bali -Bogen. Java hat grössere Bogen aus Holz und kleinere aus Hörn. Beide Arten sind ziemlich stark gekrümmt; in der Mitte mit einer Ver- dickung versehen und an den Enden leicht aufgebogen. Das aufgebogene Ende ist eingekerbt im Sinne der Holz- faser und so die Sehne von aussen in die abgebogenen Schenkel eingehängt. Der Bogen von Bali ist länger, in der allgemeinen Form ebenso, nahe den Enden aber durchbohrt und mit Eisenösen versehen, in die die in Eisenhaken auslaufende Sehne beiderseits eingehängt wird. Siehe Abbildungen bei Pleyte (Fig. 2e). Davon zu unterscheiden ist der Sunda-Bogen, wie er im nördlichen Java von den Inlandstämmen benutzt wird und den ich bei den Aru-Bogen besprechen werde. Fig. 3. Banda- Bogen und Verwandte. A = oberes und unteres Ende eines Uogens von den Mentawej, von der Seite. (Der wagereclite Strich deutet stets auf die Sehnenseite.) B = do. von AUor, die Kerben- lagerung oben von der Seite, C = Bogen mit Spannringen, Timor, D = Tanimbar, ein oberes und drei untere Enden, letztere von aussen, f. = Cerani, unteres Ende von aussen, V = Palau, beide Enden von aussen. 4. Suhl- und Borneo-Bogen. Es ist dies ein durchaus ausgeprägter Typus. Ich kenne aber nur zwei Bogen dieser Art, von denen der eine sich im Dresdner Mu- seum (Suhl- Archipel), der andere in meinem Besitz (Borneo, Nordostküste) sich befindet. Wie die Litteratur aussagt, ist auch die Hoftruppe von ßaudseberniassing mit Bogen und Pfeil bewaffnet. Es ist mir aber zweifelhaft, ob dieser Typus bei diesen Kriegern vertreten ist. Der Borneo-Bogen (Fig. 2/)) stellt einen Holzstab mit ausser- ordentlich stark aufgebogenen Enden dar; vor der Auf- biegung der Enden ist er auf der Aussenfläche mit einem Ilolzknoteu versehen, sonst ist er in der Mitte und im Querschnitt 2^4 cm breit, 1 cm tief und aussen concav, innen flach. Der Bogen ist der ganzen Länge nach mit Rotangsti'eifen umwickelt, die oben und unten in eine Schleife auslaufen (.c). Diese Schleifen sind ihrerseits mittels Rotang mit dem End- punkt der Schnur und dem Knoten am Bogenholze ver- bunden. Die Sehne besteht aus einer ebenfalls mit Rotang- streifen umwickelten Schnur (sonach ist der ganze Bogen mit Rotang umwickelt), die in Sclilingen um die Knoten des Bogenholzes geschlungen sind. Aussen ist der Bogen und hie und da auch die Sehne mit Haarbüscheln versehen und da der Bogen sehr leicht ist, dazu von Spitze (.r) zu Spitze nur 1 m 5 cm misst, so macht er den Eindruck eines Spielzeuges, den mau aber sofort verliert, wenn man die starken, eisen- beschlagenen Pfeile in Augen- schein nimmt. Dass diese Bogen ebenso wie die von Bali und Java zu den asia- tischen Formen gerechnet werden müssen, bedarf weiter keiner Erörterung. ö. Bau da- Bogen. Hatten wir bisher einzelne und sogar seltene Vorkommnisse zu be- sprechen, so ist nunmehr eine grosse Menge von häufigen Formen unter diesem Namen zusammengefasst. Ich bitte bei dem Namen nicht an die Inseln, sondern au das Meer zu denken, und in diesem Sinne ihn so zu verstehen, dass dieser Bogen für die meisten Inseln der Banda-See bezeichnend sei. Es gehören zu dieser Gruppe die Bogen von Mentawej oder Poggi, Bonerate, Flores, AUor, Timor, Wetter etc., Tanimbar etc., Ceram oder Seran, Halmahera (?). Der Bogen ist hauptsächlich dadurch gekennzeichnet, dass das eine untere Ende der Sehne festgelegt, das andere aber dagegen frei und meist doppelt gelagert wird, im Ruhe- zustand weiter unten als im gespannten. Sonst sind es langgestreckte, verhältnissmässig gerade Bogenstäbe aus Holz oder Bambus. Ich unterscheide eine westliche, cen- trale, östliche und nördliche Gruppe. Westliche Gruppe. Mentawej -Bogen (Fig. 3^). Ein ausserordentlich fein geglätteter Bogenstab von fast rundem Querschnitt und ca 2 cm im Durehmesser in der Mitte, nur selten aussen etwas abgeflacht, ist, wenn nicht in Folge Feuchtigkeit verzogen, schnurgerade. Den längsten wie den kürzesten mir bekannten Bogen besitzt Berlin. IC 9490 hat 173 cm Länge und ist nicht einmal ganz erhalten (Spitze abgebrochen!), IC 79U6 misst N aturwissenschaf tliche Wochenschrift. XV. Nr. 39. 146'/.2 cm. 4 Bogen in meinem Besitze zwischen 154 und 165 cm. Der Bogen der Sammhuig Rosenberg- in Darmstadt 167 cm. Am unteren Ende liegt die Sehne fest. Hier ist das Holz verdickt und mit einer Rinne ver- sehen, worin die Schleife der Sehne liegt. Auch oben wird der Bogen diciier, hier aber setzt das Ende plötz- lich scharf ciugesclmitten und viereckig im Durchschnitt und 3 — 8 cm vom Ende entfernt ab. Dies vierkantige Ende ist meist zierlich geschnitzt. Ich kenne nicht zwei ganz gleiche Enden. Die Sehne besteht nicht, wie in der Litteratur mehrfach verzeichnet ist, aus Darm, sondern aus gefetteter Pflanzenfaser. Allerdings schreibt mir Dr. Müller von dem Rosenberg'schen Bogen: „Die Sehne ist gedrehte Darmsaite und in der Mitte, Auflagestelle des Pfeils, 7,5 cm lang mit hellerer Darmsaite umflochten", — was mir entgangen ist. Die Schleifen an den Enden, die sehr zierlich zweimal umschlungen sind, sind mit feinen gedrehten Fäden umsponnen. Centrale Gruppe. Flores-Baber- Bogen. Auch bei diesen Bogen liegt das untere Ende fest und ist das obere be- weglich. Dagegen sind wesentliche Unter- schiede. 1. oben sind zwei Ruhestellen für die Sehne, 2. der Bogenstab ist nicht rund, sondern breit, aus Holz oder aus Bambus. Einige Maasse der Berliner Bogen-Sammlung Jobsen IC, 7448 Bone- rate; Bambus; Länge 141, Breite 2% cm. IC 18 229; Larantuka, Flores; braunes Holz; Länge 114 cm. Querschnitt in der Mitte 27 mm breit, 16 mm tief, innen flach, aussen gewölbt, in der Mitte des Bogenstabes Lederumlage. IC 17 924 Flores, gelbes, knotiges Holz; Länge 137 cm; Querschnitt in der Mitte 2V2 cm breit, IV2 ci" tief, innen flach, aussen convex; nahe dem unteren Ende Umlage von Letterstreifen; für Jagd- und Fischerei. 16' 21 421; Timor; Bambus; 136 cm lang; in der Mitte 3 cm breit; oberes Ende zier- lich geschnitzt. IC 18861; Allor; brauner, ogen v. fein geglätteter Holzbogen, 112 cm lang; Querschnitt in der Mitte 2'/2 cm breit, V4 cm tief; Knoten zierlich geschnitzt. IC 18 858; Allor; Holz; in der Mitte 3'/2 cm breit; Umlage von Rotang und 2 Lederstreifen von 13 und 8 cm, Fischerei-Bogen. IC 9234; Kisser; Bogen aus Palmriude; 125 cm lang, sehr leicht. IC 19833; Baber; 151 cm lang; gelbes Holz mit 22 ca. IS'ä bis 2 cm breiten Rotangstreifen; Querschnitt innen flach, aussen stark convex, 3V2 cm breit, 12 mm dick; ähnlich IC 19061; Baber, 158 cm lang. — Die Sehne be- steht meist aus gedrehter Pflanzenfaser, dazwischen tritt Schnur auf. Unten liegt sie stets auf dem Knoten auf, oben sind sie (vcrgl. 3/?), wenn der Bogen gespannt werden soll, in die Kerbe gezogen. Knoten und Kerbe sind oftmals zierlich und in vielen verschiedenen Formen geschnitzt, bleiben sich aber im Prinzip gleich. — Als wesentliche Merkwürdigkeit bilde ich unten 3C den Leidener Bogen 309/789 von Timor ab. Dieser Holz- bogen ist in Spannung 136 cm lang, in der Mitte fast 3 cm breit, 1% cm dick, innen flach, aussen convex; Schnursehne; oben Lager für Ruhe und Spannung, unten festgelegt. Dieser Bogen hat nämlich Spannringe, die aus Rotang bestehen und mit Rotang umwickelt sind. Soll die Sehne straffer gespannt werden, so schiebt man die Ringe weiter der Mitte zu! Es sind das im Prinzip die gleichen Spannringe, die an den indonesischen Saiten- instrumenten eine so grosse Rolle spielen. Sie sind für den Beweis der Verwandtschaft der Bogen mit diesen Fis. Saiteninstrumenten und das gemeinsame Hervorgehen aus dem Bambus ausserordentlich wichtig. (Vergl. „Ursprung der afrikanischen Kultur" S. 135 ff., 274/75, 281 ff. etc.) Oestliche Gruppe. Tanembar-Bogen. Soweit sie Kriegswaffen darstellen, bestehen sie aus Holz, diejenigen für Jagd und Fischerei jedoch sind aus Bambus fabricirt. Ein Bambusbogeu in meinem Besitze misst 164, 4 Holz- bogen 200 — 205 cm, ein gespannter Holzbogen bis 189 cm Länge bei 9 cm grösster Spanntiefe. Alle Bogen sind mit gedrehter Pflanzenfasersehne versehen, die an den Schlingen hie und da mit feinen Fäden umsponnen sind. Der Quer- schnitt der schweren Holzbogen in der Mitte ist vierseitig aussen und innen flach (und zwar aussen mehr convex, innen mehr concav) und an den Seiten convex. Breite 3 — 3'/2 cm. Stärke 2 — 2V2 cm. Den Enden zu wird der Bogenstab rundlich, im Querschnitt nahe den Enden zu- weilen kreisförmig. Der .Stab ist meist der ganzen Länge nach in regelmässigen Abständen von ca. V2 ^^ "^'t V2 cm breiten Rindenstreifen oder auch mit dichtaueinaudergewickelten Fäden in Streifen bis fast 40 cm breit umgeben, dazu mit schwarzem Pech oder dergleichen beschmiert. Auch kreuzweiser Bezug mit Rotangstreifen (?) kommt vor (z. B. Berlin IC 8961; 2—6 cm Länge). Unten wird die Sehne entweder von einem dicken Knoten (.i-) oder einem kurzabgesetzten dünneren Ende (y), oder endlich einem aufgesetzten oder abnehmbaren Holzring {: der Fig. 3D) festgehalten. (Das Vor- handensein einer derartigen Erscheinung ist wichtig und ich verweise daher auf mein gutes Belegstück: Berhn IC 8894 von Tanembar 2 m lang.) Oben ist das Ende zierlich geschnitzt. Von aussen ist eine Kerbe zur Aufnahme der Sehne an- gebracht, darunter (bei q) in den meisten ^, ^ Fällen ein kräftiger Rotangwulst. Dieser ist für die Sehne im Ruhezustand be- *• stimmt. den Aru. Nördliche Gruppe, Seran- (Ceram-) und Halmahera - Bogen. Es kommen auf diesen Inseln mehrere Formen vor, was schon daraus hervorgeht, dass die Bogen des Berliner Museums mit der Beschreibung von Martin nicht übereinstimmen. Der Bogen Berlin IC 10 880 Ceram be- steht aus Palmholz, ist 192 cm lang, in der Mitte 3 cm breit und 1^/4 cm dick. Der Querschnitt ist fünfseitig und zwar deshalb, weil die Aussenfläche convex gebrochen ist. Die Sehne ist gedreht und die obere Sehnenschlinge umwickelt. Im gespannten Zustande liegt die Sehne bei |), im schlaffen bei q. Von q ab (Fig. iE) ist nämlich das Bogenholz abgerundet. Nach unten schwillt das Bogenholz nahe dem Ende an, setzt dann aber scharf ab und läuft in einen seinerseits wieder an- und ebenso wieder abschwellenden, in Querschnitt öseitigen Stift aus. Da- gegen sagt Martin (Molukken S. 195 ff.): „Die meisten Bogen sind von einem Bambusstreifen angefertigt, dessen Innenseite beim Gebrauche nach aussen gekehrt ist („wie bei allen oeeanischen Bogen"). Sie sind symmetrisch und gleichmässig sich verjüngend und in eine einfache Spitze oder einen länglichen, roh vierseitig zugeschnitzten Knopf auslaufend. Die aus gespaltenem und zusammen- gedrehtem Rotang verfertigte Sehne ist nicht dauernd befestigt und der Bogen wird auch in der Regel abge- hangen vom Träger mitgeführt. Die Oese, mit der die Sehne jederseits endigt, wird beim Spannen einfach in eine Einkerbung gelegt, die sich nahe am Ende befindet; besondere Wülste, welche ihr ein besseres Wiederlagcr I XV. Nr. 39. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 461 schaffen wüixk^i, fehlen. — • Der g-rösste Bogen 177 cm, der kleinste 127 cm" etc. — Die Bogen von Halmalicra sind Berlin IC 8859=178 cm, l< 8558 = 175 cm lang, aus Palmholz gearbeitet und unten mit fest ein- gelegter Sehne, oben mit Kerbenlagern versehen. Hier ist der Bogen übrigens im Verschwinden begriffen. Auf Amboiua und Buru fehlt er schon ganz. — Ein von Kükenthal (Archipel S. 171) gemessenes Exemplar maass nur 170 cm. Aus alledem ist zu ersehen, dass wir es mit einer Familie zu thuu haben, deren verschiedene Glieder allerdings einen eigenen T^qius angenommen, die aber dennoch die Eigenarten ihrer Verwandtschaft behalten haben. Und diese bestehen darin, dass alle Banda-Bogeu lange, gestreckte Stäbe sind, bei denen unten die Sehne fest angelegt ist unter einem Knoten im Holz oder Bambus, die oben aber nur zeitweilig die Sehne auf einem testen Lager tragen, im gespannten jedenfalls nie, sondern dann, wenn sie gebraucht werden sollen, in eingschnitzten Kerben. Die Frage nach der weitereu Verwandtschaft dieser Formen ist nicht so leicht zu beantworten. Gehen wir nämlich von dem oberen Ende aus, das mit zwei Lagen für die Sehne versehen ist, so fällt die Aehnlich- kcit mit asiatischen Bogen auf (vergl. Fig. 1), die auch eine Kerbe zur Aufnahme der Sehne im gespannten und mit Schnitten zur Aufnahme der Sehne im Ruhezustand versehen sind. Gehen wir dagegen vom imteren Ende aus, wo ein Holzkuoten, eine al)gesetzte Spitze oder gar ein aufgeritzter Holzkragen (Fig. 31):) die Sehne trägt, so werden wir unbedingt auf vormalajische Form be- stimmen. Und für letzte Bestimmung ist noch die lange, gestreckte Form, dann das Prinzip des Sehnenabspanneus, und endlich noch das ausschlaggebend, dass auch oben nicht einfache Schultern als Ruhelager dienen, sondern auch Knoten und Knöpfe. Demnach erklären wir die Banda-Bogen als Mischformen mit wesentlich vormalaji- schen Merkmalen, aber mit starken asiatischen Elementen, als welche das Motiv der Zweitheilung im Ruhe- und Spannungslager und die Eigenart des Spannungslagers als äussere Kerbe anzusehen sind. 6. A ru - K ei -Sunda- Bogen. Dieser ist eine sehr zahlreiche und variantenreiche, aber innerlich doch sehr abgeschlossene Gruppe, deren Vorkommen auf dem west- lichen Neuguinea, auf den Arn und Kei und endlich bei den Sunda im nördlichen Theile von Java nachweisbar ist. Ich gehe von den entwickeltsten Formen aus und verfolge die Abwandlung bis zu den sehr einfachen Ge- stalten herab. Ich unterscheide dabei 4 verschiedene Stadien, die alle auf den Aru-Inseln vertreten sind. (Vergl. Fig. 4.) 1. Stadium. Leipzig, Sammlung Ribbe, No. 410, Bogen aus Pahuholz. Länge von Spitze zu Spitze ca. 120 cm. Spanntiefe ca. 17 cm. Die Rotangsehne ist in Kerben auf der Aussenseite eingelagert, deren obere ca. 9, deren untere aber nur 4 cm vom Ende entfernt liegt. Die obere Spitze ist zierlich geschnitzt. Das Bogenholz ist in der Mitte 2>/4 cm breit," IV4 cm stark, innen stark couvex und aussen stark abgeflacht. Auf der Aussen- seite nun liegt eiu zweiter flacher Stab aus Palmholz auf und ist mit 10 Rotaugbäudern auf dem Bogen derart fest- gebunden, dass das untere Ende, die Sehnenschlinge, auf der Aussenseite erreicht, mit dem oberen aber 7', ,3 cm von der Kerbe entfernt bleibt. Das Verstärkungs- oder Ober-Holz ist in der Mitte ca 1% cm breit und ca. ''/j cm stark, auf der Innenseite, mit der er auf dem Bogen auf- liegt, natürlich glatt abgeschliffen und aussen leicht con- vex. (Fig. 4J.) 2. Stadium. In meinem Besitz. Bogen aus Bambus. Länge von Spitze zu Spitze 94 cm. Spauntiefe 13'/., cm. Die Rotangsehne ist beiderseits in Kerben auf der Aussen- seite ca. 4 cm vom Ende eingehängt. Bogenstab in der Mitte 2 cm breit, ca. 1 cm tief. Auf der Aussenseite, also über dem Rücken des Bogenstabes, läuft eine zweite Sehne, die genau der eigentlieiien Sehne an Länge (86 cm) entspricht, in Folge dessen nicht den ganzen Bogenkreis überspannen kann, zumal sie unten noch unter- halb der Sehne übergehängt ist. In Folge dessen bleibt sie oben ca. 15 cm vom Ende entfernt. Mit dem Bogen- holze ist sie an 4 Stellen durch zierlich gebundene Fäden zusammengehalten. (Fig. 4/i.) 3. Stadium. Leipzig. Sammlung Ribbe. No. 417 = 80 cm lang. No. 412 =105 cm lang. Beide aus Bambus. Die beiden Bogen stimmen mit den unter 2 beschriebenen ganz genau tiberein bis auf das Fehlen einer Verbindung der Verstärkungssehne mit dem Holze. Demnach sitzt die Sehne sehr locker auf und beginnt ihre federnde Wirkungskraft erst bei grösserer Anspannung des Bogens. (Fig. 46'.) 4. Stadium. Leipzig. Sammlung Ribbe. No. 1050. Länge 83 cm, Spanntiefe 8 cm. Ziemlich breite (in der Mitte über 3 cm) Bambusbogen. Die Sehne aus gedrehter Pflanzenfaser ist unten einfach in eine Kerbe gehängt, oben stark umwickelt. Doch liegt auch hier eine Kerbe zu Grunde. Alle diese kleinen Bambusbogen (No. 1059 = 86; 1055 = 83; 1061=82; 1054 = 90 cm Länge) werden den Enden zu spitzer und die Enden sind abgerundet. Dagegen fehlt eine Verstärkung durch Stab oder Sehne auf dem Rücken ganz (Fig. 4D). Der erste, welcher einen Bogen des erstens Stadiums nachwies, war v. Luschan (in den Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft 1899, S. 225). Derselbe stammt von Sekar, Mac-Cluer-Golf in Neuguinea, hat eine Länge von ca. 180 cm, ist langgestreckt, an beiden Enden gleichmässig mit Holzknoten zur Aufnahme der Sehne ausgerüstet und ist demnach ein typischer vor- malajischer Bogen. Der aufgelegte Verstärkungsstab be- steht aus Bambus, der Bogenstab aus Holz. Wie aus den sehr eingehenden Studien Ratzel's hervorgeht, kommen auch gewöhnliche kleine Bambusbogen Stadium 4 auf dem westlichen Neuguinea als Jagdbogen vor. Dahin gehören auch die allerdings stärkeren Bambusbogen von den Kei- Inselu (z. B. Berlin 16' 19 914=147 cm lang; IC 19 911 = 162 cm lang, Kerben an beiden Enden; seitlich zu- sammengedrückt ebenda), sowie der Bogen der nördlichen Javanen (Sunda), der heute wohl nicht mehr vorkommt. Ein Exemplar in meinem Besitz ist aus einem Bambus- streifen, ca. 107 cm lang, ca. 15 cm Spanntiefe, in der Mitte 2^/2 cm breit und % cm dick, innen flach, aussen convex abgerundet. Die Rotangsehne mit beiderseits zierlich umflochtenen Schlingen ist an den Enden gleich- mässig in seitliche Kerbung gelagert. Es isl eine schwäch- liche Watte wie der Aru-Bogen. Auf den Arn selbst kommen neben den beschriebenen kleinen Bambusbogen, deren Innenseite zuweilen entzückend geschnitzt ist, noch kräftigere Holzbogen vor. Dieselben sind mit einer Cocos- faserschnur besehnt, stellen einen zierlich geglätteten Holz- stab, V2 so breit wie dick und in der Mitte rechteckigen Querschnitt, mit seitlich zusammengedrückten Enden imd kerbenartiger Absetzung dem Ende zu als Sehnenlageruug dar. Das Ende von der Besetzung ist unten kürzer als oben, wo noch ein zierliches Holzknöpfchen den Bogen zu schmücken pflegt. Maasse: Sammlung Ribbe 398, 184 cm lang, in der Mitte = 2 cm Dicke, 3 cm Breite, unteres Ende 5 cm, oberes 10 cm lang. Querschnitt in der Mitte des oberen Endes 2 cm dick, 1 cm breit. S. R. 419 = 148 cm lang. S. R. 396 = 133 cm lang. In meinem Besitz = 150 cm lang, alle gleich gestaltet. Dagegen S. R. 405 = 168 cm und S. R. 405 = 167 cm Länge mit seithch ab- Naturwissenschaft liehe Woc XV. Nr. .39. gesetzten Enden und halbkreisförmigem Querschnitt, da die luneufläciie abgeflacht, die Aussenseite aber couvex gewölbt ist. Im Wesentlichen sind dies natürlich asiatische mehr oder weniger abgeflachte Formen, deren Zusammen- gehörigkeit bis auf die zuletzt beschriebenen beiden Bogen S. R. 404 und 405 klar ist. Diese beiden jedoch ver- rathen vormalajische Merkmale einmal in den seitlich, statt von oben abgesetzten Enden und dann in der con- vexen Aussen- bis flachen Innenseite. 7. Philippinen-Bogen. Eine allgemeingültige, aus- gezeichnete Beschreibung von Philippinen-Bogen hat Ratzel in seiner Abhandlung über die afrikanischen Bogen (im XIII. Bande der Abhandlungen der philologisch-bi.stori- schen Classe der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, S. 52) gegeben, die ich hier wiederhole. „Die grösste Sammlung von Negrito- Bogen liegt im Berliner Museum, wo wir, was be- sonders wichtig, auch einige gut be- stimmte Exemplare finden. Wir heben aus diesen als typisch den Bogen von Maluno (im SO. der Provinz Isabella) hervor, welcher 162 cm lang, 3 cm breit, innen flach, aussen halbrund ge- wölbt ist, so dass der Querschnitt halbkreisförmig wird. Gegen die Enden wölbt sich die Innenseite und die Aussenseite gewinnt an Höhe. Die Spitzen sind 2 cm laug, leicht abgesetzt und durch Umwickelung mit Bast rauher gemacht. Die Sehne ist hart gedrehter Bast, wenig zurückgewunden. Die Arbeit ist im Ganzen eben, im Ein- zelnen rauh, ohne alle Politur. Merk- würdig gleichen sich nun fast alle anderen Bogen. Der Querschnitt ist flacher oder höher, die Sehne an einem Ende durch Umwindung verdickt. Die Höhe schwankt zwischen 141 und 149 cm. — Ein einziger Bogen, der höchste von allen, wird an der Unter- seite von einer Rinne durchzogen. Glättere Arbeit, bis zu schwacher Politur, kommt bei 2 Bogen aus dem Distrikt Saltan vor. Selten ist Verzierung: einmal kommt ein geharzter Bastring in der Mitte, ein anderes Mal eine Schnurumwindung- auf der einen, zwei Bast- und eine Schnurumwindung auf der anderen Seite vor." — Dass daneben noch wich- tige andere Bambusbogen vorkommen, ist wohl sicher, aber bis jetzt ist wenig ganz zweifelloses Material vor- handen und das Vorhandene schwer erreichbar. Halten wir uns also an die obige Beschreibung, zumal an das Vor- kommen der inneren Rinne (Berlin IC 1862, Prov. Bataän, Samml. Gramer. Querschnitt in der Mitte 2'/4 cm breit, 2'/4 cm tief; das eine Ende verjüngt, das andere kurz zugespitzt) sowie an die durch seitliche Absetzung ge- wonnene feste Sehnenlagerung (zumal an dem Bogen der Samml. Hans Meyer's in Leipzig gut erkennbar), so tritt die Beziehung zum vormalajischen Bogen klar hervor. Zusammenfassung. Somit gehören die eigentlich asiatischen Formen (Formosa, Nikobaren - Andamanen, Java-Bali, Sulo-Borneo) dem Westen an. Nur eine Gruppe mit dem Ilauptsitze Arn liegt im Osten, die annähernd ebenso reiche asiatische Merkmale trotz nachweisbarer Verkümmerung bietet. Sonst liegen wesentlich vormala- jische Formen vor in dem Banda- und Philippinen-Bogen. wenn an diesen auch asiatische Kennzeichen auftreten. Fig. 5. Hogeii von den Pauncotu. (2) das Ende von der Seite, (:)) die Seime, (4) Mitte von der Seite, (5) Mitte von aussen, ein Tlieil der Umhüllung ist losgelöst, (6) Querschnitt der Mitte, (7) Aussenansioht bei x. Soweit das Formproblem. Die Verbreitung lehrt da- gegen häufiges und kräftiges Auftreten nur im Osten und fassen wir beide Probleme zum Abstaramungsproblem zu- sammen, so ergiebt sich: dass der Bogen nur da in In- donesien sich als volksthümliche Waffe erhalten hat, wo die vormalajische Form vorherrscht, dass dagegen im Gebiete der asiatischen Bogen diese Waffe eine sehr untergeordnete Rolle spielt, dass sie hier im Verschwinden begritTen ist, dass die asiatischen Formen des Ostens aber Jagd Waffen sind. II. Die Bogen IVIikro- und Polynesiens. Das Problem und zwar das Verbreitungs-Problem des, sagen wir kurz, polynesischen Bogens, ist eine viel- besprochene Sache. Die Ansichten schwanken vielfach, ob die Polynesier Bogen gehabt hätten oder ob nicht. Die Frage ist deswegen schwierig, weil die alten Seefahrer, die Entdecker und auch Vernichter dieser Kultur noch recht wenig Sinn für die Bogenforschung hatten und dass in den Kriegsberichten der Bogen verhältuissmässig sehr, sehr selten Er- wähnung findet, — ich wüsste nur wenige Stellen über Hawai und Tonga, — dass im Gegensatze dazu viele Autoren mit Verwunderung constatiren, dass diese „Wilden" keine Bogen haben. Diese negativen Aussagen werden mit wenig Recht gegen die wenigen positiven in das Feld geführt. Ich glaube mit bedeutendem Unrecht. Denn man bedenke, dass z. B. Kubary den Bogen auf den Palau erst nach 2 Jahren gesehen hat. Was bedeutet es in Anbetracht dieser Thatsache, wenn ein Seefahrer nach mehrwöchent- lichem Aufenthalt an einer Küste keinen Bogen sah und sagt: „sie haben keinen". Die ganze Sache ist ja damit zu erklären, dass der Bogen in Polynesien keine Kriegswaffe, sondern durchweg fast eine Jagdwaffe ist. Wieviele von allen Südseefahrern haben aber wohl Ratten- und Taubenjagden mitgemacht oder nur miterlebt. Stellen wir den negativen Aussagen die positiven gegenüber, so hören wir von folgenden Inseln, dass der Bogen vorkommt. Palau, Ponape, Gilbert, Hawai, Tahiti, Tonga, Neuseeland. Doch auch hier wird ausgesagt, dass der Bogen selten war. Nur die Tahitier und Tong'aner hatten deren mehrere. Noch kümmerlicher als die Litteraturangaben sind die musealen Dokumente. In England scheinen noch mehrere Vertreter der verschiedenen Formen vorzukommen, auf dem Festlande Europa ist aber der Schatz ein sehr ge- ringer. Ich selbst konnte nur sehr wenige Bogen unter- suchen und bin deshalb zumeist auf die Litteratur an- gewiesen. Wichtig erscheint mir die nähere Besprechung des Palau-, des TahitiPaumotu- und des Tonga-Fidschi- Bogens, von denen Originale vorhanden. Später werde ich die Lücken durch Hinweis auf litterarisches Material auszufüllen suchen. 8. Palau-Bogen. — Nach Kubary dient der Bogen lediglich der Taubenjagd, doch zeigt er auf der ganzen Inselgruppe gleiche Gestalt. Er wird aus der mühsam zu bearbeitenden Luftwurzel einer Mangrovenart geschnizt. Der Bogen ist platt, 1,84—1,90 m lang, im Querschnitt rechteckig, 1 — 2 cm in der Mitte breit und 2 cm dick, sich unbedeutend gegen die Enden verjüngend. Die I XV. Nr. 39. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 463 •Sii.annweite beträgt 1,73 m, die Spanntiefe 16 cm. Die Eingeborenen unterscheiden ein unteres und ein oberes Ende. Das letztere ist breit und dient zur dauernden Befestigung der Sehne, das letztere ist spitz und für die jedesmalige Befestigung des anderen Endes der Sehne, die sonst nicht aufgespannt wird, dienend. Auf der inneren Seite des Bogens befindet sich auf 35 cm von .jedem Ende entfernt je eine erhabene Kerbe, in welcher die Sehne, sobald der Bogen nicht gespannt ist, ruht. Die Sebne ist entweder ans Hibiscusfaser gedreht, oder aus 4 Strängen des Rindenbastes der Luftwurzeln der licus pseudobanian rund geflochten. — Prüfen wir die einzelnen Eigenschaften (Fig. dF), so ist zu bemerken, dass das obere Ende ganz genau den unteren Enden der Banda-Bogen entspricht (vor allem Fig. iE), dass aber das untere Ende gleichermaassen am Banda-Bogen vor- kommt, z. B. Berliu'^IC 19 148 Wetter, I C 9234 Kisser, dann an einem Exemplar in meinem Besitz von Tauimbar etc. Danach also und nach dem Prinzip der unten festen, oben lockeren Sehnenbefesti- gung, gehört der Palau-Bogen zu den vormalajischen Bogen und ist er im Speziellen den Banda-Bogen nahe verwandt. Dazu kommt aber ein Merk- mal, das weist direkt nach Norden, nämlich die Knoten zur Aufnahme der Sehne. Solche fanden wir vordem lediglich an dem Formosa- Bogen (Fig. 2^4). Hier testirt sich diese Eigenart als Nach- kommenschaft des asiatischen reflexen Bogens, bei dem im Ruhezustand die Sehne auf den Rücken gelegt wird. Bei dem Palau-Bogen, der nach Kubary nicht reflex ist, er- scheinen diese asiatischen Merkmale nun auf der Innen- seite. — Sonach mischen sich hier am Austritte aus Indo- nesien beide Formen. 9. Tahiti-Paumotu-Bogen. Vom Tahitier-Bogen sagt Wilson, dass er aus Holz gemacht sei. Mit diesem Bogen schiessen sie gegeneinander und nicht mehr nach einem Ziele. Es kommt dabei lediglicb auf die grösste Entfernung an. Diese Instrumente gebrauchen sie nie im Kriege. Wallis: Ob sie gleich Pfeil und Bogen haben, so kann man mit soleheu Pfeilen nichts als höchstens einen Vogel herabschiesseu, indem sie nicht zugespitzt, sondern nur au einem Ende mit einem rUndeu Steine ver- sehen sind. Cook macht Bemerkungen gelegentlich der Notiz, dass die Matrosen den Eingeborenen Bogen und Pfeile gestohlen hatten. Sie brachten diese Sachen auch selten zum Fort hinab. Heute aber stellte sich Tuburai Tamaide mit den seinigen ein, weil ihn Herr G. zu einem Wettschiessen aufgefordert hatte. — Tuburai spannte seinen Bogen und schoss einen Pfeil, die allhier nicht be- fiedert sind, 822 Fuss weit, welches etwas weniger als V? und etwas mehr als \'^ einer englischen Meile beträgt. Ihre Art zu schiesseu ist einigermaassen sonderbar: sie knieen dabei nieder, und lassen in dem Augenblicke, da sie den Pfeil abgeschossen haben, den Bogen fallen. — Jedenfalls sind alle Schriftsteller einig, dass die Tahitier Bogen und Pfeile besassen, sie aber nur zum Zeitvertreib jrt = Fidsclii-IJogen w, p, 7, r, s — Spitzen von innen, 0 = von der .Seite, ', u = Qiievsclinitte in der Mitte, b, w, x = Südseebogen, Sifitze von innen, von der Seite nnd Querschnitt in der Mitte. l)euutzten. Nun haben wir ausserdem eine Beschreibung eines Tabitißogens aus alter Zeit, sowie einen dei'selben entsprechenden Bogen. Nach dieser Beschreibung voii Mosely ist der Otahiti-Bogen sehr lang und besteht nur aus einem Stück; auf dem Rücken läuft jedoch eine Rinne in der eine breite Schnur lagert, die sich über die ganze Länge des Bogens hinzieht und an den Enden fest an- gelegt ist. — Den dem entsprechenden Bogen glaube ich nun nach langem Fahnden entdeckt zu haben und in einem Bogen von Takapota, einer Insel der Paumotu, die be- kanntlich vielfach Kulturmerkmale von Tahiti erhielten. Dieser Bogen liegt heute im Leipziger Museum und stammt aus einer vorzüglichen Sammlung, nämlich keiner anderen als den von Schmeltz geleiteten Godefroym. (No. 827). Da er an einigen Stellen lädirt ist, konnte ich ihn eingehend untersuchen (Fig. 5). Dieser Bogen ist etwas über 150 cm lang, in der Mitte etwas unter 3 cm bi'cit und über 3 cm dick bei ovalem Querschnitt mit der breiteren Seite nach aussen. Die aus geflochtener Cocosfaserschnur (V) beste- hende Sehne (3) wird am oberen und unteren Ende (2) in gleicher Weise einge- hängt. Diese Einkerbung von aussen macht schon einen asiatischen Eindruck. Der ganze Bogen ist von Kerbe zu Kerbe mit feinem Sinnet überzogen, die in der Mitte ledirt ist und hier ein Stück weit zurüekgewickelt wurde (4 und 5). Und siehe, da zeigte sich die von Mosely angekündigte Schnur als breiter, aus Cocosfaser ge- flochtener Streifen auf dem Rücken des Bogens, der stark abgeflacht ist, lagernd. Ausserdem aber ist der Rücken nochmals verstärkt auf seinem oberen und seinem unteren Drittel, in der Weise, dass bei der ümwickelung mit Schnur viermal oder dreimal unter dem Fisehbeinstrcifen und dann immer dreimal unter dem Fischbein gewickelt wurde. — Denmaeh liegt hier ein asiatischer Bogen vor, wie er dem Berichte von Mosely ganz entspricht. Dass einzelne Kleinigkeiten unterschied- lich sind, z. B. der Rücken nur abgeflacht ist und keine Rinne hat, können wir auf Konto individueller Variation schieben. Vielleicht lässt sich im Anschluss hieran noch anderes Bogenmaterial von Tahiti auftreiben. 10. Fidschi-Tonga-Bogen. Der weitere, durch Museumsmaterial wie durch Litteratur bekannt gewordene polynesische Bogen ist der von Tonga. Er wurde nach Mariner, dem besten Berichtei-statter über die tonganiseheu Verhältnisse und nach Dumont D'Urville sowohl bei der Fana-kalai, einer Vogeljagd, als bei der Fana-guma oder Rattenjagd zur Anwendung gebracht. Aber sehr wesent- lich ist, dass der Tonga-Bogen auch im Kriege benutzt wurde. Es geht das aus den sehr detaillirten Berichten Mariner's über die verschiedenen Kriegszüge deutlich her- vor. Und das ist kein polynesisches Merkmal, sondern ein durchaus melancsisches. Und in der Tbat hören wir ja auch nach direkter Aussage, dass die Tonganer den Kriegsbogen von den Fidschiern ererbt hätten. — Nun hat V. Luschau, der den Bogen von Tonga mit der Be- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 39. .Schreibung von Mosely zu identificiren .sucht, dieses über- sehen und lediglich die Beschreibung von Forster heran- gezogen. Diese aber ist sehr eigenartig. Nach ihr vpar der Bogen 6 Fuss lang, ungefähr von der Stärke eines kleinen Fingers und im Ruhezustande nur wenig ge- krümmt. Längs der convexen oder äusseren Seite lief für die Sehne ein vertiefter Falz oder eine halbe Hohl- röhre, in der zuweilen der ca. 6 Fuss lange Pfeil Platz fand. Wenn nun der Bogen gespannt werden sollte, so musste solches nicht durch stärkere Krümmung seiner Biegung geschehen, sondern völlig umgekehrt, so- dass der Bogen erst gerade und dann nach der entgegen- gesetzten Seite umgebogen wurde etc. -- Zum Studium ziehe ich Bogen von Fidschi heran, und gebe in Fig. 6 und zwar in in einen ganzen Bogen, in n das Ende des- selben von innen, in o dasselbe von der Seite, und y), q, r, s noch weitere 4 Enden von innen, t ist der Quer- schnitt des ßogens m, u der des Bogens p, beide in der Mitte genommen. Der abgebildete Bogen m zeigt die Eigenschaft, die bei fast allen Fidschi-Bogen nachzuweisen ist (z. B. auch bei dem in Leiden befindlichen Stück), es ist „ver"bogen. Im Uebrigen stellen normale Bogen einen geraden, gestreckten runden, den Enden zu zuge- spitzten Stab dar, der auf der Innenseite mit einer tiefen Rinne versehen ist (vgl. t und n). Weshalb das die Innen- seite sein muss, werde ich gleich zeigen. Von den Spitzen ca. 8 — 13 cm entfernt finden sich 6 — 7 cm lange Ver- dickungen am Bogenstabe, die meistens ausserordentlich zierlich geschnitzt sind. Die Rinne — und die Ver- dickungen liegen stets auf der Seite der Rinne — erreicht diese Knoten zuweilen gerade (;0i zuweilen nicht (« und /•), zuweilen aber schneidet sie dieselbe auch (g). Diese Verdickungen sind so übereinstimmend im Prinzip, dass sie ganz genau den Lauf der Sehne anzeigen, ganz genau so wie der Mentawej-Bogen (Fig. 3^1), mit dem sie die Eigenart der eingeschnittenen Rillen als Laufgang für die Sehne theilen. Und danach liegt eben die Rinne stets innen. Der Fidschi-Bogen ist nun genau wie der Palau- und Touga-Bogen aus dem Material der Mangrove und verhältnissmässig schmal und zierlich bei seiner Länge (135, 163, 170, 174, 175 cm lang) hergestellt. In Folge dessen verzieht er sich ebenso leicht wie die Mentawej- Bogen, von denen unter ca. 20 gemessenen Exemplaren ca. 12 verbogen sind. Daher wohl nicht nur beim Fidschi- Bogen die Verbiegung, sondern daher wohl auch der Be- richt Forsters. Ich kenne nämlich Tonga-Bogen, die ganz richtig mit dem Knoten nach innen besehnt sind. Immerhin will ich die Möglichkeit, dass der Tongabogen refiex behandelt wurde, nicht bestreiten. Eine Schnur der Verstärkung lief aber nie im Fidschi- und Tonga- Bogen, sondern die Rinne ist nichts anderes, als ein Merkmal des vormalajischen Bogens, das wir sonst in einer allerdings kleinen Rinne oder in einer Abflachung kennen gelernt haben und noch kennen lernen werden. Und wir werden dieses Merkmal umsomehr derart auf- fassen müssen, als es stets mit dem zierlichen Knoten- werk, dessen verwandtschaftliche Beziehungen ganz klar sind, zusammen auftritt. — Als Tonga-Bogen möchte ich den Bogen Coli. God. No. 1699 bestimmen. Die Enden i- (von innen) und u- (von der Seite) zeigen nämlich die für Tonga t_ypische, nach innen liegende dreieckige Ver- dickung. Der Bogenstab ist in dei' Spannung etwas über 170 cm lang, rundlich, im Quersrhnitt elliptisch, mit den fiaehen Seiten nach aussen und innen, Breite 22 mm, Dicke 17 mm. Zusammenfassung. — Dazu noch einige wichtige Thatsachen. Von Hawai sind uns mannshohe gerade, im Durchschnitt runde Bogenhölzer mit einer leichten Verdickung, hinter dieser aber einer den Bogen um- laufenden Rinne oder Kerbe als Sebnenlager überkommen, die einen Mischtypus offenbar darstellten, der aber keine genaue Bestimmung zunächst zulässt. Der Bogen Coli. God. 1579 aus feinem Palmholz ca. 190 cm lang, innen stark convex (über 2 cm dick) und aussen ganz flach (nicht ganz 2 cm breit in der Mitte), am Ende mit äusseren Kerben für die Sehne aus Sinnet, genau der am Pau- motu-Bogen entsprechend, mit Angabe Südsee ist auf jeden Fall ein polynesischer Bogen und zwar asiatischer Verwandtschaft. Er war auch einmal umwickelt, was die regelmässig gestreiften Seiten beweisen. Die flache Ausseu- seite dürfte seiner Zeit eine Verstärkungssschnur getragen haben. Im Britischen Museum befinden sich mehrere Bogen: Angabe, Savage Insel. Die Sehne besteht aus Sinnt. Die Bogenhölzer sind im Scheitel eingebogen, und die so gebildeten Schenkel herabgebogen. Die Sehne lagert in schräg von aussen augebrachten Kerben. Die ganze Arbeit ist roher als bei den eleganten anderen polynesischen Bogen. — Demnach also wiegen die asiati- schen Eigenarten bedeutend über und vormalajische lassen sich nur an der Grenze Melanesiens nachweisen. Jeden- falls mögen die polynesischen Bogen zu den grossen Seltenheiten gehören, aber wir müssen zugeben, dass Polynesien mehrere Bogenformen hat. Ich glaube und weiss sogar, dass sich noch eine ganze Reihe polynesischer Bogen auch aus alten Zeiten noch in Europa befinden. Ich hoffe, dass es mir gelingen wird, diese einer ein- gehenden Untersuchung zu unterwerfen und damit ein weiteres werthvolles Material für das Bogenstudium zu erlangen. Solange das ausbleibt, müssen wir uns mit dem Gebotenen begnügen und dies lehrt uns, dass die asiati- schen Bogen der mikro- und polynesichen Inselwelt noch mehr wie die Indonesier selten sind und dass der Bogen erst häufiger und überhaupt Kriegswaflfe wird an der melane- sischen Grenze, auf Tonga und Fidschi. (Schluss folgt.) Ueber die Bezieliuiigeii zwischen „Hirnaiiatomie und rsychologie" und die Ziele, deren Erforschung durch die anatomische Untersuchung des Centralnerven- systems nach dem gegenwärtigen Stande dieser Wissen- schaften eine Förderung der Psychologie in Aussicht stellt, verbreitet sich L. Edinger in einem als Sonder- abdruck aus der Berl. klinisch. Wochenschr. erschienenen Aufsatze. Wenn die an die Erforschung der anatomischen und physiologischen Grundlagen der psychischen Vor- gänge vielfach geknüpften Erwartungen nur zum Theil in Erfüllung gingen, so hat diese Erscheinung ihren Grund darin, dass die Forderung, aus dem Bau des Gehirnes über dessen p.sychische Funktionen ausführliche Aufschlüsse zu erlangen, eine zu weit gehende war. So lange der Zusammenhang zwischen den einfachsten psychischen Erscheinungen und ihren anatomischen Be- dingungen nicht völhg klargestellt ist, wird die Er- forschung der Beziehungen zwischen dem hochentwickelten Säuger- bezw. Menschenhirn und seinen psychischen Aeusse- rungen aussichtslos bleiben. Da die naturwissenschaftliche Forschung auf die sinnfälligen Merkmale der Vorgänge angewiesen ist, so hat sie zunächst von den Begriffen des Bewusstseins und der Intelligenz abzusehen und dieselben bei der Untersuchung der Lebenserscheinungen auszuschliessen. Diese Forderung ist um so berechtigter, als die Frage nach dem ersten Auftreten eines Bewusst- seins nicht zu beantworten ist. Abgesehen von jener willkürlichen Annahme, nach der die gesammte lebende XV. Nr NaturwissL-nschaftlicho Wochenschrift. 465 Welt von Bewusstsein beseelt ist, sind bewusste Lebens- ilusserungen möglicher Weise nicht au das Vorhanden- sein eines Nervensystems, sondern an die Entwickeluug eines, wenn auch einfach gebauten Gehirnes geknüpft. Die Frage, in wie weit die Handlungen eines Thicres aus den anatomischen und physiologischen Verhältnissen seines Centralnervensystems resiiltiren, umschliesst die- jenige nach den Mechanismen, welche der Auf- nahme, der Zurückhaltung und der Umwandlung von Reizen in B ewegungsvorgänge dienen. Diese Frage aber ist gegenwärtig der Beantwortung zugänglich. Da nach den bisherigen Erfahrungen die Aehnlicbkeit im Bau der nervösen Organe uns berechtigt, auf ähnliche Verrichtungen zu schliessen, so setzt uns die tiefere Kennt- uiss der Leistungsfähigkeit der Elementarorgane der niederen Thiere in den Stand, auch bei den höheren Thieren aus dem Bau ihres Nervensystems auf analoge Function desselben zu schliessen und aus den erkannten Mechanismen nicht nur eine Erklärung, sondern auch eine Vorherbestimniuug der zu leistenden Arbeit in ähnlicher Weise zu geben, wie dies z. B. bei dem Bau einer uns bekannten Dynamomaschine der Fall ist. Die Erforschung dieser Mechanismen an niederen Thieren, bei denen die anatomischen Grundlagen wegen ihrer Einfachheit und relativen Isolirtheit bei weitem durchsichtiger sind als bei den Säugern und dem Menschen, ist demnach als das nächste Ziel der Forschung zu betrachten. Bei den hier- bei in Betracht kommenden Verhältnissen darf man von der Annahme eines Bewusstseins zunächst absehen und untersuchen, welche Erscheinungen des thierischen Lebens durch den Nachweis des automatischen, maschinen- mässigen Ablaufes der Erklärung zugänglich sind. Der- artige von chemischen und physikalischen Kräften un- mittelbar abhängige Lebenserscheinungen organischer Wesen, welche früher als reine Willenshandlungen be- trachtet wurden, sind gegenwärtig in nicht geringer An- zahl bekannt. Es gehören hierher zunächst alle als Tropismeii bekannten Bewegungen der niederen Pflanzen und Thiere, alle jene Erscheinungen, welche durch das Licht, die Wärme, die Schwerkraft, die Berührung eines festen Körpers, durch elektrische Ströme, die chemische Einwirkung von ausgeschiedenen Stoffen etc. hervorgerufen werden und als rein mechanische oder Zwangsbewegungen aufzufassen sind. Rumbier gelang es sogar, künstliche Amöben aus Chloroformtropfen u. a. herzustellen, die nicht nur sich kriechend vorwärtsbewegten und Fremdkörper von bestimmter chemischer Beschaffenheit umflossen und resorbirten, sondern sich auch in gleicher Weise, wie die lebenden Amöben, mit einem Gehäuse aus Quarzkörnchen und anderen Stoffen umgaben. Wenn indessen aus diesen und anderen Beobachtungen ähnlicher Art von Loch gefolgert wird, dass alle J>ewegungen der Thiere auf Tropismen beruhen, so ist diese Ansicht mit Entschieden- heit zurückzuweisen. Die von ihm als Beweis angeführten Seh aper 'sehen enthirnten Froschlarven mit hochgradig entartetem Rückenmark, welche gleich den unversehrten Thieren Fluchtbewegungen ausführten, besassen nach E. noch functionsfähige Rückenmarksreste, welche in ähn- licher Weise, wie das Rückenmark enthirnter Tauben und Hunde, Reflexbewegungen auszulösen vermochten. Die Reflexe gehören nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse zu den am besten bekannten Er- scheinungen des Nervensystems. Die Untersuchungen von S. Exner, Pflüger, Goltz und anderen über das Rückenmark haben nachgewiesen, dass eomplicirte Be- wegungen entstehen durch Summation und Ueberstrahlung der Reize auf andere Zelleomplexe des Rückenmarkes, dass diese Bewegungen unter bestimmten, genau be- kannten Bedingungen gehemmt oder beschleunigt werden können etc. Ihres scheinbar willkürlichen Charakters aber entkleidet wurden die Reflexe namentlich durch die neueren Arbeiten an niederen Thieren, aus denen her- vorgeht, dass bis dahin für willkürlich gehaltene zweck- mässige Handlungen der Thiere in vielen Fällen durch verhältnissmässig einfache anatomische Grundlageh be- dingt sind. In ähnlicher Weise z. B., wie der eigentliche Akt des Schluckens in Folge von Reizung der Schleim- häute sich reflectorisch abwickelt, werden durch die chemischen Reize der Nahrung bei vielen niederen Thieren die Mundtheile zur Aufnahme der Speise in Bewegung gesetzt, sodass z. B. bei der Honigbiene auch nach Ab- trennung des Hinterleibes der Saugapparat noch eine Zeit lang seinen Dienst verrichtet. Die durch Reize erzeugten Vorwärtsbewegungen des Kopfes beim Ergreifen der Nahrung sind oft so stark, dass nach Loeb Planarien, welche zwei künstlich erzeugte Köpfe besitzen, beim Vor- wärtsbewegen derselben zuweilen in zwei Stücke ge- rissen werden. Seesterne, welche man mit zwei Armen in eine enghalsige Flasche zwängt, werden nach Preyer durch den taktilen Reiz veranlasst, sich gänzlich in die- selbe hineinzudrängen, wie denn überhaupt nach von Uex- küU die ganze Oberfläche des Seeigels mit einer Anzahl der mannigfachsten Nervenapparate bedeckt ist, die alle I'ewegungen desselben auf mechanischem Wege reguliren. Das abgeschnittene Kopfende eines Sandröhrenwurmes macht sofort Bohrbewegungen, sobald es mit darauf- gestreutem Sande in Berührung kommt, und der abge- schnittene Hinterleib einer Biene sticht bei Berührung desselben den Stachel in das Fleisch des Fingers, als ob noch das lebende Thier mit demselben zusammenhinge. Auch die Kriechbewegungen der Würmer werden auf reflectorischem Wege durch fortlaufende Reizung der ein- zelnen Körpersegmente ausgelöst. Zerschneidet man Allo- lobophora caliginosa, einen zu den Lumbriciden gehörenden Wurm in zwei Stücke, so kriecht nach W. Normann die vordere Hälfte weiter, während das hirnlose Hinter- ende sich lebhaft krümmt und windet, als ob es lebhaften Sehmerz empfände. Theilt man die entstandeneu Stücke durch abermalige Schnitte, so kriecht jedes vordere Stück weiter, während das hintere jedesmal unter lebhaften Krümmungen liegen bleibt, bis zuletzt die Stücke so klein werden, dass das Davonkriechen des vorderen Theiles nicht mehr möglich ist. Dieser ganze Vorgang ist durch die Anordnung der beiden Muskelsysteme des Körpers bedingt, von denen eine Erregung der ringförmigen das Kriechen, der Längfasern die krampfartigen Bewegungen auslöst, sodass also die Bewegungen des zerschnittenen Wurmes reflectorisch durch Reizung der zugehörigen Nervencentren entstehen. Ob bei diesem ganzen Vor- gänge des Zerschnitten Werdens und Sichringelus von einer Schmerzempfindung geredet werden darf, ist zum mindesten sehr zweifelhaft, da auch die Fähigkeit, Schmerzen zu empfinden, mit der allmählichen Entwickelung des Ge- sammtnervensystems im Zusammenhange steht und aus einer grossen Anzahl von an niederen Thieren gemachten Beobachtungen deutlich hervorzugehen scheint, dass bei ihnen dieses Vorrecht der höheren Thiere und des Menschen ebensowenig wie die ausgeprägten Lustgefühle vorhanden ist. Angesichts dieser und vieler anderer unzweifelhaft auf rein mechanischem Wege entstehenden Bewegungs- erscheinungen im Thierreiche erhebt sich die Frage, ob nicht auch andere bis jetzt als Willkürakte aufgefasste tliierische Handlungen ebenfalls als Reflexbewegungen zu betrachten sind. Hierher gehört z. B. die allgemein ver- breitete Fluchtbewegung der Thiere, die sich sogar schon bei der embryonalen Fischbrut in gleicher Weise wie bei den enthirnten und rückenmarkkranken Froschlarven zeigt; Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 39. ferner der Wandertrieb der Thiere, der Nestbau und Brütetrieb der Vögel und vieles andere. Da nicht nur die den Reflexen zu Grunde liegenden anatomischen Bahnen, sondern auch ihre Funktionen, die zum Theil ausserordentlich complicirt sind, vererbt werden, so lässt sich diese Eigenschaft des Organismus zur Unter- scheidung derjenigen psychischen Vorgänge benutzen, welche als Instinkte bezw. intelligente Handlungen be- zeichnet werden. Diejenigen Associationen, welche auf der Function ererbter Bahnen beruhen, gehören nach der Auffassung der modernen Thierpsychologie dem Instinkte, diejenigen, welche sich auf die Neubildung von Asso- ciationsbahnen zurückführen lassen, also der Erlernung einer Handlung ihre Entstehung verdanken, der Intelli- genz an. Der Hirnanatomie erwächst aus dieser Bestimmung die Aufgabe, im einzelnen Falle festzustellen, ob die Handhing eines Thieres durch einen einfachen oder zu- sammengesetzten Mechanismus bedingt ist, der unter allen Umständen bei allen Individuen derselben Art oder Gattung in derselben unabänderlichen oder durch bestimmte Be- dingungen modificirbaren Weise verläuft, oder ob die Handlung vom Einzelwesen erlernt und inwieweit die- selbe abänderungsfähig ist. Bei der Beantwortung dieser Fragen würde es auch von Wichtigkeit sein zu erfahren, ob das Rückenmark in ähnlicher Weise wie das Gehirn zu „lernen" vermag, d. h. ob dasselbe im Stande ist, die Erinnerungsspuren einfacher oder complicirter Bewegungen, welche im Verlaufe der Ontogenese erworben wurden, zu bewahren und bei gleichem Anlasse wieder zu verwertheu, so dass eine einmal eingeübte Bewegung auch nach Trennung des Rückenmarkes vom Gehirn, wenn auch nur auf kurze Zeit, in derselben Weise verlaufen würde, wie etwa die Laufbewegung eines geköpften Huhnes. In welcher Weise in der Thierreihe die Entwickelung des Rückenmarkes, der Oblongata und der niederen Hiru- centrcn sich durch allmählichen Aufbau und Ueberlage- rung zu immer entwickelteren Formen bis zur Entstehung des Grosshirns vollzieht, ist gegenwärtig nicht nur in grossen Zügen, sondern auch im Einzelnen erforscht. Die Ergebnisse dieser Arbeiten lehren, dass bei der zunehmen- den Entwickelung des Nervensystems eine ausserordent- lich reiche Verknüpfung der neu entstandenen sowie der alten Elemente unter einander mit der Entfaltung der psychischen Fähigkeiten einhergeht. Am wenigsten in ihrer Function erforscht sind die subkortikalen oder niederen Hirntheile; sie bilden bei den Knochenfischen, deren Grosshirnrinde nur aus einer Epitheldecke besteht, das Substrat für die psychischen Vorgänge. Um so be- deutsamer sind deshalb diejenigen Seelenäusserungen, die an den Fischen nachgewiesen worden sind, da sie einen Einblick in die Verrichtungen der niederen Hirntheile gestatten. Aus einer von E. neuerdings veranstalteten Enquete („Haben die Fische ein Gedächtniss?" Das Er- gebniss einer Sammelforschuug) geht hervor, dass die Fische ein wenn auch wenig entwickeltes Seelenleben aufweisen und Erinnerungen namentlich für solche Vorgänge bewahren, welche, wie die Nahrungsaufnahme, die Be- drohung der Existenz des Thieres durch Feinde etc. von vitaler Bedeutung sind. Ob aber die Fische so ausser- ordentlich wenig Associationen aufweisen, dass sie nur „Reflexmaschinen" sind, „welche eine Anzahl Zusanuneu- ordnungen besitzen, die als Instinkte in functionelle Er- scheinung treten", erscheint angesichts der Berichte eines zuverlässigen Beobachters zweifelhaft, welche von Bechte- rew in seiner Rede „Bewusstsein und Hirnlokalisation" mittheilt. Es heisst dort über das Verhalten eines Fluss- barsches, den N. Rumjanzeff zu beobachten Gelegenheit hatte: „An dem Ufer eines Seees spielten an einem stillen Sommermorgen zahllose Schaaren kleiner Fische. Ein grosser und plumper Barsch, der beutesuchend des Weges kam, gritf längere Zeit in dem vorhandenen Ueber- fluss begierig um sich. Da aber seine angestrengten Be- mühungen nur von geringem Erfolg begleitet waren, so änderte das hungrige Thicr seine Taktik. Es warf sich auf den Rücken, öffnete weit den Rachen und verhielt sich so ruhig, als läge es todt da. Nach kurzer Zeit begannen die Fischlein, unkundig der drohenden Gefahr, um den scheintodten Barsch sich im Spiele zu sammeln. Kaum aber hatte eine genügende Anzahl derselben sich dem klaftendeu Maule des Räubers genähert, als dieser mit Blitzesschnelle eniporsprang und nun die Genugthuung hatte, sich für seine Geduld reichlich entschädigt zu sehen. Diese List ward von ihm mehrere Mal nach ein- ander mit bestem Erfolg angewendet. Der genannte Autor führt noch ein zweites Beispiel von der Klugheit dieses Geschöpfes an. Sicherlich erfreuen sich auch an- dere Räuber unter den Fischen ähnlicher Gaben in nicht minderem Grade." — Jedenfalls geht aus dem geschilder- ten VerhaUen des Flussbarsches hervor, dass bei der Aus- führung seiner List höhere psychische Fähigkeiten sicli geltend machten, als von einer Reflexmaschine zu er- warten sind. In Folge des relativ durchsichtigen Gehirnbaues und der einfacheren Lebensäusserungen eignen sich also die niederen Wirbelthiere vor allem zum Studium der Frage, wie weit die psychischen Leistungen dieser Thiere sich erstrecken und welche Handlungen derselben durch das Vorhandensein von Mechanismen erklärbar sind. Selbst die Frage nach dem Problem des Gedächtnisses ist auf diesem Wege insofern einer Klärung fähig, als an den Fischen, Amphibien und Reptilien nachgewiesen werden kann, ob und in welcher Weise der Ablauf der Nerven- erregungen durch die Residuen vorhergegangener Reize in den betreffenden Elementen geändert werden kann. Die Förderung, welche die Psychologie zunächst durch das Studium der Hirnanatomie der niederen Vertebraten zu erwarten hat, beschränkt sich also einstweilen darauf, dass an diesen nachzuweisen ist, welche bis dahin für willkürlich gehaltenen thierischen Handlungen aus bekannten Mechanismen entspringen. Der Nachweis für das Vorhandensein einer sehr grossen Anzahl derartiger Automatismen dürfte nach den bisherigen Erfahrungen sowohl für die niederen Vertebraten als auch in Folge dessen für die höheren Wirbelthiere und den Menschen mit Sicherheit zu erwarten sein. Mit diesen Ergebnissen würde zum mindesten eine Vereinfachung und Klärung mancher psychischen Probleme Hand in Hand gehen und somit auch diejenige Wissenschaft einen Gewinn davon- tragen, welche die Erforschung der bewussten Seelcn- vorgänge als ihr eigentliches Arbeitsgebiet in Anspruch nehmen darf. Wegener. Wir hatten schon wiederholt Gelegenheit, in dieser Zeitschrift von den Fortschritten der Forschungen über die Befrncbtung der höheren Pflanzen zu hören. — Zum selben Thema bringt uns eine neuere Arbeit von Nawaschiu weitere Beiträge, (üeber die Befruchtungs- vorgänge bei einigen Dicotyledonen. Berichte der deutscheu botanischen Gesellschaft, 1900, S. 224.) Es sei zunächst noch einmal daran erinnert, dass den ersten Anstoss zu diesen Forschungen auf dem ge- nannten Gebiet die Entdeckung von Spermatozoiden bei echten Samenpflanzen (Ginkgo, Cycadeen) gaben. Dann machten Nawaschiu und Guignard die weitere, höchst wichtige Entdeckung, dass bei einigen Angiospermen eine Doppelbefruciitung stattfinde, da der eine männliche XV. Nr. 39. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Kern das Ei befruchte, der andere durch Verschmelzung mit dem sogenannten sekundären Kern des Embryosackes (1cm Eudosperm oder Nährgewebe seine Entstelmng gebe. Demnach wären z. B. der Mehlkörper und der Embryo bei den Getreidefrüchten Zwillinge. Gleichzeitig fanden beide Eorsclicr, dass die männlichen Befruchtungskörper spermatozoidälmlich seien. Die neue Arbeit von Nawaschin erweitert die bis- herigen Gesichtspunkte und deutet durch diesbezügliche Studien an den verschiedensten Familien darauf hin, dass fast alle Angiospermen diesen Modus der Befruchtung zeigen und dass die männlichen Befruchtungskörper fast alle mehr oder weniger sehraubig sind. Wenn kein Eudosperm voriianden ist, wie beispiels- weise bei den Orchideen, fällt die zweite Befruchtung fort. R. K. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ei-nannt wui-dt-n: Dr. Ludwig Asch off, Privatdocent der IKithologischen Anatomie, und Dr. Rudolf Beneke, Privatdocent in der medizinisclu'n Fakultiit in OöttingKn. zu MussiTovdentlichen Professoren; I>r. I<;inil lM.i-r:is, st;iii.lii;vr MitnlMMtrr am geo- diitisclien Insliim zu l'.itsil.iiii, ziiiii i'r.ifr.ssnr ; Di'. D.iiiiel Vor- lilnder, PrivaM.M-rnt .ler rlh'ini,. u„,l Al.i lMMliin,usv..rstelier am cliemisclien Univorsitiits-Laljoratorium in Halle, zum ausserardent- liclien Professor. Berufen wurde: Dr. Reichardt, erster Assistent an der cliirurgischen Abtheiluug des Augusta-Hospitals in Berlin, als leitender Art des Diakonissenhauses nach Cracau bei Magdeliurg'. Es starben: Dr. Abraham Kuhn, ausserordentlicher Professor dir Ohrenheilkunde und Director der Poliklinik für Ohrenkrank- lieiten in Strassburg; K. J. Küpper, früher Professor der Geo- metrie an der deutschen technischen Hochschule in Prag; Sir .lohn Bonnet Lawes, bekannter Agriculturchemiker in Rotham- stedt. L 1 1 1 e r a t u r. Otto Ammon, Die Gesellschaftsordnung und Ihre natürlichen Grundlagen. Kntwurf einer Sueial-Antliropologie zum Gebrauch fiir alle Gebildeten, die sieh mit sozialen Fragen befassen. 3. umgearbeitete Auflage. Mit 6 Figuren im Text. Gustav Fischer in Jena 1900, — Preis 2 Mark. Das treffliche Buch haben wir seinerzeit, als die 1. Auflage erschien, gebührend besprochen und empfohlen (vgl. „Naturw. Wochenschr." X (1S95) Nr. 31 S. 377). Die 2. Auflage wurde Bd. XII (1897) Nr. 8 S. 95 angezeigt. Wie dort ersichtlich, hat eine stetige Preisherabniinderung stattgefunden, da jetzt das Buch nur noch 2 Mark kostet, während die 1. Auflage für (i und die zweite für 3,50 Mark abgegeben wurde; wir freuen uns, dass da- durch der Verbreitung des Buches, wie es dieselbe verdient, noch weiter die Wege geebnet sind. — Verfasser wünscht: sein Buch möchte in den breitesten Schichten des gebildeten Bürgerthums gelesen werden „als Handbuch und Wegweiser für unseren Mittel- stand." Es musste, um den Versuch zu machen dies zu erreichen, der Preis noch weiter herabgesetzt werden. Die Verlagshandlung hat in dieser Beziehung wieder das Mögliche geleistet. Die vcu-liegende 3. Auflage hat Verbesserungen und hier und da Kürzungen erfahren. Möchte sie weiteste Verbreitung linden. W. Preyer, Die Seele des Kindes. Beobachtungen über die geistige Entwickelung des Menschen in den ersten Lebensjahren; nebst einem chronologischen Verzeichniss psychogenetischer Beobach- tungen vom 1. bis lOüO. Lebenstage und drei Zeittafeln zur Altersbestimmung. Fünfte Auflage. Nach dem Tode des Ver- fassers bearbeitet und herausgegeben von Karl L. Schaefer, Leipzig, Griebens Verlag. 19Ü0. — Preis broch. 8 Mark, geb. 10 Mark. Dem geistvollen Autor dieses vielgelesenen, auf seinem Ge- biete classischen Buches war es nicht mehr vergönnt, auch noch die fünfte Auflage zu redigiren, aber der Herausgeber derselben, ein früherer Schüler und mehrjähriger Assistent Preyers, ist be- strebt gewesen, das Werk im Sinne des Verstoi-benen fortzu- führen. Einige Abschnitte, wie die, welche die Entwickelung der Sinne und des Willens zum Gegenstande haben, sind den Fort- schritten der Wissenschaft entsprechend erweitert oder umge- arbeitet. Im übrigen ist jedoch an dem wesentlichen Inhalt des Buches, abgesehen von einzelnen Zusätzen, kaum etwas geändert. Derselbe besteht ja auch vorwiegend aus den persönlichen Beob- achtungen Preyers, die, nach exacten Methoden gewonnen und mit kritischer Vorsicht verwendet, im Laufe der Zeit weder an Werth noch an Lebendigkeit verloren haben. Diese Beobach- tungen sind, wie bekannt, von Preyer an seinem eigenen Sohne in den drei ersten Lebensjahren angestellt, in Form eines Tage- buches aufgezeichnet und zuerst als Vortrag („Psychogenesis") veröffentlicht, der dann zur Grundlage der „Seele des Kindes" geworden ist. Wie der Inhalt, so ist auch die Eintheilung des Buches dieselbe geblieben. Der erste der drei Hauptabschnitte handelt von der Entwickelung der Sinne, der Gemeingefühle und der in frühester Kindheit am deutlichsten hervortretenden Affecte, der Furcht und des Erstaunens. Der zweite Theil, „Von der Ent- wickelung des Willens" betitelt, enthält Preyers grundlegende For- schungen über die Bewegungen des Kindes, die impulsiven Be- wegungen, die Reflexbewegungen, die Instinktbewegungen, die Nachahmungen, die Ausdrucksbewegungen und die überlegten Bewegungen im engeren Sinne. Die Entwickelung des Verstandes und der Spraiche, die Ausbildung des ersteren unabhängig von letzterer, das Wesen des Sprechenlerneus, die Entwickelung des Ichgefühls bilden den hauptsächlichen Gegenstand des dritten Ab- schnittes. So tritt uns in der fünften Auflage der ^Seele des Kindes" eine wohlbekannte litterarische Erscheinung aufs neue ent- gegen und wie das Buch bisher in seltenem Grade anregend ge- wirkt hat, wird es sich auch ferner für den Fachgelehrton wie für den gebildeten Laien werthvoll und lehrreich erweisen. x. Ueber angewandte Mathematik und Physik in ihrer Bedeu- tung für den Unterricht an den höheren Schulen. Nebst Erläuterung der bezüglichen Göttinger Universitätseinrichtungen Vorträge gehalten in Göttingen Ostern 1900. bei Gelegenheit des Ferienkursus für Oberlehrer der Mathematik und Physik, gesammelt von F. Klein und E. Riecke (Teubner 1900 S. 1. bis 249.), mit Vorwort und Nachwort. In dieser Zeitschrift ist seit einer Reihe von Jahren ein Ueberblick über die vom Ministerium eingeführten naturwissen- schaftlichen Ferienkurse gegeben. Auch in diesem Jahre wird wie niit-etlicilt. ein solcher stattfiuden. Neben den Berliner Feritiikiii>iii isl in Göttingen für die westlichen Provinzen eine ähnliche Kinriehtung getroifen, während der Frankfurter Ferien- kursus, den der Staat unterstützt, besondere Fächer in den Vor- dergrund treten lässt, z. B. Elektrotechnik. Der Göttinger Ferien- kursus wurde Ostern 1900 gehalten und es sind diesmal die dort gehaltenen Vorträge besonders erschienen. Das Charakteristische ist, dass die mathematische Seite der Ausbildung und die Bezie- hungen zur Technik besondere Berücksichtigung erfahren; die nach dieser Richtung hin schlagenden Vorträge sind die folgenden: 1. Zur Geschichte des physikalischen Instituts und des physi- kalischen Unterrichts an der Universität Göttingen, von Ed. Riecke ; 2. Allgemeines über angewandte Mathematik, von F. Klein ; 3. Ueber technische Mechanik, von F. Klein; 4. Ueber darstellende Geometrie, von Fr. Schilling; 5. Einführung in die Geodäsie, von E. Wiechert; 6. Ueber Versicherungsmathematik, von G. Bohl- mann; 7. Ueber Wärmekraftmaschinen, von Eug. Meyer; 8. Ueber Elektrotechnik, von Th. des Condres; zugleich sind einige Auf- sätze des Herrn Professors Klein, welche namentlich die Beziehung des technischen Unterrichts zum Universitätsunterricht betreffen, wieder abgedruckt, wobei von den Göttinger Einrichtungen ausge- gangen wird. Für diese Frage können sich auch die meisten Kreise iuteressiren und um so mehr, als dieselbe auch den Unterricht an den höheren Schulen nahe berührt, auch die Schule muss auf die Technik, ohne ihrer Aufgabe untreu zu werden, Rücksicht nehmen. Die Veröffentlichung der Vorträge der naturwissenschaftlichen Ferienkurse hat ihre grosse Berechtigung dadurch, dass in den- selben die naturwissenschaftliche Entwickelung der letzten Zeit sich wiederspiegelt; auch über den Berliner Ferienkursus wird diese Zeitschrift wieder einen Bericht bringen. Es mag noch hervorgehoben werden, dass ausser den ge- nannten Vorträgen auch noch andere gehalten werden (0. Beh- rendsen, E. Riecke, Th. Lnnier). Für alle, die sich mit dem Wesen der Ferienkurse und ihrem Inhalt bekannt machen wollen, bietet das Buch hohes Interesse. Schwalbe. Inhalt: L. Frobenius: Die oceanischen Bogen. — Ueber die Beziehungen zwischen „Hirnanatomie und Ps schritte der F_orschungen über die Befruchtung der höheren Pflanzen. — Aus dem wissenschaftlichen Leben . — Fort- Litteratur: Otto Ammon, Die Gesellschaftsordnung und ihre natürlichen Grundlagen. — W. Preyer, Die Seele des Kindes. — Ueber an- gewandte Mathematik und Physik in ihrer Bedeutung für den Unterricht an den höheren Schulen. 468 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. Irrt. pmntlrr0 Pfrloisbndj^anblBiig Jn gtrlin SW. 12, Jimratrftr. 94. Sucboii crfd)icucu: ptta lifkölfkn ifilkrlina, f niaua Jehif 9 Oöfar Sllcin = Hattingen. 334 Reiten gr. 8". |Jrn6: (StljeftEt 4,50 p., flcg. gcbunbcn 5,60 p. Der ^tlieift ^inc ^timxnc aus 6cm ^|1tcn. 5Boit moictt Piniol. 154 feilen (Dctno. |Iieis: (Sieljcftct 2 p., dcg. gebunden 3 p. »Itfjolooifrfji? iti^fü. Dr. e-ritft Stccfc, -lärofeffor am SEtfing-OJomiialium in Serliu. I. ^ntnbfä^e bev ^agenforfc^ung. II. ^'t§ran6s ^e^anöfmtg 6cr ®^or-§agen. 260 ftitcu gr. 8°. Ilrcie: ffitljcfUt 4 p., dcg. gebiinbrn 5 PATENTBUREAU Ölrich R. >(aerz Jnh. C. Schmidtlein.Jnqenieur Berlin NW.. Luisenstr. 22. Grratis ni franko ÜL-feni wir den 3. Nachtrag (Juli 1897 bis Juni lS9y) zu unserem Verlagskatalog. Ferd Dümmlers Verlagsbnchh., Berlin SW. l-i, Zimnierstr. 04. Ferd. Düiuiulers A erltigsbuchhaadlung in Berlin SW. Die Charakteristik der Tonarten. Historiscli, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. 3 IG Seiten Octav. — Preis 2.40 Mark. ♦ $tti. ifimmlers ^erlagsbuiiiljanJilung in gerltu SW. 12. ♦ lUraliclräeliWorriFpL | ♦ Ihm ♦ ♦ illit 542 3Uu)ltotioncii. 1044 Seiten, gr. S". ♦ X ä Sniibc. 6Scl)cftct 12 5DJnrt, elegant nebnnben 1« matt. J ♦ BB 3u 6e}iti)cn burd) aQc iSudi'^anblungen. am 2 ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Ferd. Dnmmlers Terlagsbuchhandinng in Berlin SW.12. Chemisches Ijillsbuch. 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Düixiinlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. Sonntag, den 7. October 1900. Nr. 40. Abonnement: Man aboDuirt bei allen Hucbhandlungen und Post- j Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist ^M.- (tJJs sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 J. extra. PostzeitungsUste Nr. 5301. j[ bei allen Annoiicenbureaus wie bei der Expedition. Abdrnok ist nnr mit vollstsinclig;ei- Qnelleiian»'al»c a;e>8t im Jahre 1893 gelang es Tiemann und Krüger dank der Hilfe, welche ihnen die renommirten Fabriken von Haarmann & Reimer in Holzminden und 6. de Laire in Paris, gewährten, indem sie ihnen die zur Unter- suchung nothwendigen Mengen von Veilchen verschafften und verarbeiteten, das wirklich riechende Prinzip der Iris zu entdecken, welchem sie den Namen Iron beilegten. Zu gleicher Zeit stellten sie ein Isomeres dieses Körpers, das Jonon dar, welchem der feine Veilchengeruch eigen ist. Das Iron wird aus der Irisessenz, welche durch eine der gewöhnlichen Methoden gewonnen wird, dargestellt. Da es von seinen Verunreinigungen durch fractionirte Destillation selbst im Vacuum in grösserem Maassstabe nicht getrennt werden kann, so wird die Irisessenz zu- nächst der Destillation mit Wasserdampf unterworfen. Organische Säuren, wie z. B. Myristinsäure und Oel- säure und deren Methylester, Alkohole und kleine Quanti- täten von Aldehyden gehen zu gleicher Zeit mit dem Iron über. Man nimmt alsdann das Destillat in Aether auf und schüttelt mit einer verdünnten alkalischen Lösung, um die freien Säuren zu entfernen. Dann wird der Aefher abdestillirt und der Rückstand in alkoholischem Kali in der Kälte gelöst und bei gewöhnlicher Temperatur kurze Zeit stehen gelassen. Dadurch werden die Ester der or- ganischen Säuren verseift. Nach einigen Minuten giesst man in Wasser, nimmt das neutrale Oel wieder in Aether auf, verdampft den Aether und destillirt den Rückstand wieder mit Wasserdampf. Von den jetzt noch vorhandenen Verbindungen ver- flüchtigt sich das Iron zuerst; durch mehrmalige Wieder- 470 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 40. hohuig dieser Operation erhält man eine Substanz, welche die charakteristischen Reactionen eines Ketonsgiebt und zum g-rössten Theil aus Iron besteht, welches aber noch kleine Mengen von Aldehyden und anderen Verunreinigungen ent- hält. Man behandelt dies nun noch mit ganz schwachen Oxydationsmitteln, z. B. Silberoxyd, wodurch die Aldehyde zerstört werden. Dann versetzt man das Oel mit dem äquimolecularen Theil von Phenylhydrazin, überlässt das Gemische einige Tage sich selbst und unterwirft dann das Produkt wieder der Destillation mit Wasserdampf. Die Verunreinigungen und der Ueberschuss von Phenyl- hydrazin werden dadurch abgetrieben, während das ent- standene Hydrazon des Irons zurückbleibt. Nun giebt man etwas verdünnte Säure hinzu und destillirt wieder mit Wasserdampf, wodurch man dann schliesslich das reine Iron erhält. Es ist eine Flüssigkeit vom Siedepunkt 144" bei 16 mm Druck. Nachdem nun Tiemann und Krüger das riechende Prinzip der Iriswurzel entdeckt hatten, richteten dieselben ihre Anstrengungen darauf, dasselbe auch künstlich her- zustellen. Das gesuchte Keton von der Formel CisHoqO konnte theoretisch entstehen durch Condeusation eines Aldehyds C,o mit Aceton. Ein solcher Aldehyd bot sich in dem von den Chemikern des Hauses Schimmel & Cie. in Leipzig entdeckten Citral dar. Dieses mit Aceton condensirt musste Iron liefern: CioH.eO + CgHeO = H^O + C.sH.oO Citral Aceton Sie erhielten auch in der That das gewünschte Keton CisHooO, allein dieses besass einen vom Iron ganz ver- schiedenen, wenig charakteristischen Geruch. Nachdem sie aber erkannt hatten, dass das riechende Prinzip der Iris, das Iron, der cyclischcn ßeihe angehört, so hatten sie die glückliche Idee, das oben erhaltene ungesättigte Keton mit offener Kohlenstoffkette, welchem sie den Namen Pseudoionon crtbeilt hatten, der Einwirkung eines isomerisirenden Mittels zu unterwerfen. Hierdurch entstand ein Isomeres mit cyclischer An- ordnung der Kohlenstoff kette, von ausgesprochenem Veilcheugeruch, welchem sie den Namen Jonon beilegten. Mit der Entdeckung des Jonons war somit das syn- thetische Veilcheuparfum entdeckt. Die Darstellung des Jonons zerfällt in 2 Theile: 1. in die Darstellung des Pseudoionons, 2. Umwandlung des Pseudoionons in Jonon. Das Ausgangsprodukt bildet das Citral, das sich ver- möge seiner Aldehydnatur mit Aceton zu einem Ketone, dem Pseudoionon, vereinigt, welches unter dem Einfluss verdünnter Mineralsäuren unter Ringschliessung in das dem Pseudoionon isomere Jonon übergeht. CH3 - C = CH - CII, - CE, - C = CH-C1I0 + CH,C0CH3 I Citr.al I Aceton CH, CH3 = H.>0 + CH. - C - CH - CH., - CH.. - C = CH - CH I " I CHg CH3 = CH - COCH3 Pseudoionon CH3 CH3 H^cl |CH - CH Je - CH3 CH - COCII3 Jonon. CH Das Pseudoionon wird erhalten, wenn man mehrere Tage gleiche Theile von Citral und Aceton mit Baryt- wasser schüttelt. Danu extrahirt mau mit Aether xmd unterwirft das Produkt nach Abdestilliren des Aethers der Destillation mit Wasserdampf. Hierdurch verflüchtii^cu sich unveränderliches Citral und Aceton, der Rückstand ist Pseudoionon, vermischt mit Polymerisationsproduktcii. Man destillirt im Vacnum und fängt die Fraction, welche bei 138 — 155" bei 12 mm übergeht, auf. Durch wieder hohes Fractionireu erhält man dann schliesslich ein Pro dukt, das zwischen 143 — 145" siedet. Anstatt durch wiederholte Fractionirung kann das Pseudoionon auch vermittelst seiner ßisulfitverbindung gereinigt werden. Man erhitzt das Pseudoionon ^3 bis 1 Stunde mit einer berechneten Menge Bisulfitlösung, filtrirt die erhaltene Lösung der ßisulfitverbindung und wäscht mit Aether, um die Verunreinigung zu entfernen. Etwa noch vorhanden gewesenes Citral ist nun in eine Sulfonsäure übergeführt, aus welcher es sich nicht wieder abspalten lässt. Man versetzt nun die Bisulfit- lösung mit Eis und neutralisirt vorsichtig mit Soda, wo- durch das Pseudoionon als hellgelb gefärbte Flüssigkeit ausfällt. Um das so gereinigte Pseudoionon in Jonon über- zuführen, wird dieses mit ganz verdünnter Schwefelsäure und Glyccrin mehrere Stunden zum Sieden erhitzt, oder aber mau lässt das Pseudoionon tropfenweise unter fort- währendem Rühren in Schwefelsäure von 65— 70 "/o bei ca. 0" einfiiessen. Nachdem sich alles Pseudoionon auf- gelöst hat, erwärmt man ganz kurze Zeit auf dem Wasser- bad, giesst dann auf Wasser und nimmt das Produkt in Aether auf, wäsciit mit Wasser und verdünnter Soda, ver- dampft den Aether und reinigt das Jonon, entweder durch fractionirte Destillation im Vacnum, oder durch Destillation mit Wasserdampf oder schliesslich durch seine Bisulfit- verbindung. Das Jonon des Handels enthält stets 2 isomere Modi- ficationen dieses Ketons, die eine wird als a-Jonon be- zeichnet und bildet sich in vorwiegender Menge, wenn man das Pseudoionon durch verdünnte Säuren umlagert, während das ß-Jonon hauptsächlich bei Anwendung von concentrirten Säuren entsteht. In concentrirtem Zustande hat das Jonon einen cedernholzähnlichen Geruch, erst in Verdünnung kommt sein ausgezeichneter frischer Blumengeruch zur Geltung, welcher an den Geruch der Veilchen und zugleich auch an den Geruch der Weinblüthen erinnert. Es kommt nur in 10%iger alkoholischer Lösung im Handel vor. Der Geruch des Jonons pflegt zuweilen ganz zu verschwinden, um plötzlich wieder hervorzudringen, welche Eigenthümlichkeit auch bei frischen Veilchen beob- achtet wird. Interessant ist die Thatsachc, dass die Ent deckung des Jonons, welches schon in beträchtlichen Mengen consumirt wird, bis jetzt in keiner Weise der Veilchenkultur in Südfrankreich geschadet hat. Im Gegen- theil hat sich diese Industrie seit 1893 ohne Preisrück- gang noch vergrössert, was eben wohl daher kommt, dass Jonon für sich allein nicht als Parfüm verwendet wird, sondern stets noch mit dem natürlichen Veilcheuparfum vermischt wird und sich so die beiden Produkte gegen- seitig ergänzen. Zum Nachweis des Jonons in Gemischen ist folgende Jouonverbindung geeignet: Durch Einwirkung von Para- bromphenylhydrazin auf eine Jononlösung entsteht das Jononparabrömphenylhydrazon, welches aus Alkohol um- krystalUsirt Krystallnadeln vom Schmelzpunkt 142—143" giebt. Homologe des Jonons können erbalten werden, wenn man an Stelle des Acetons Aethylmethylketon oder noch XV. Nr. 40. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 471 Löbcre IJoiiiulog-e des Acetons mit Citral coudensirt. Jlaii crliält so z. B. das Methylionoii, welclics im Geruch an den des Jouous erinnert. Die Condensation des Citrals mit Aetliyhnethylketon nimmt mehr Zeit in Anspruch als mit Aceton, und noch mehr Zeit zur Condensation brauchen die höheren Homologen des Acetons. Nimmt man an Stelle des Acetons ungesättigte Derivate desselben, wie z. li. das Mesityloxyd (CHs)^ C = CliCOCH:), so gelangt mau' zum Janthon, ein ebenfalls nach Veilchen riechendes Produkt. An Stelle des Citrals kann man auch den um zwei WasserstotTatome reicheren Aldehyd, das Citrouellal ver- wenden, doch besitzt das Coudensationsprodukt aus Ci- tronellal und Aceton keinen charakteristischen Geruch. Auf ganz anderem Wege hat A. Verley nach Iris und Veilchen riechende Substanzen erhalten, und wenn auch diese Produkte in der Parfumerie wenig verwendet zu werden scheinen, so ist ihre Pierstellung doch immer- hin interessant, indem das Ausgangsmaterial ein sehr ein- faches ist, nändich Cyniol C^H^q j|_ Verley fuhrt in das Cymol den Kctonalkoholrcst CO — C( OH ein, wobei R und R' WasserstoH oder ein beliebiges eiuwerthiges Alkohol- radikal sein können, wodurch Produkte entstehen von der Formel /C3H7 C6H3/CH3 .R ^CO - C(-OH Dies wird erreicht durch Behandlung des Cymols mit dem Chlorid einer organischen Säure in Gegenwart von Aluniiniunichlorid. Das so entstandene Kcton wird bro- mirt und das bromiite Keton vermittelst der alkoholischen Lösung eines organischen Salzes (z. B. Natriumacetat) in den entsprechenden Ester verwandelt: CiHj 'CII3 Cl - COCH.,CH., C«H Cymol C3H, ^ CJl.CH., COCHBrCH., + NalJCDCHj C3H, --> CJI3CII3 COCII.CIL C.,H, C.H^Cil., OCOCH3 GOCH - GH., Die erhaltenen Produkte von obigem Typus nennt mau Cyniilketole. Wie schon eingangs erwähnt wurde, sind die beiden wichtigsten Repräsentanten der Riechstoffe Ketone, denen wirkliche technische Bedeutung zukonnnt, das Iron und das Jouon. Ihnen gegenüber treten alle noch dieser Klasse augehörenden Körper weit zurück. Der Voll- ständigkeit halber mögen hier einige angeführt sein. Mit dem Jouon verwandt sind noch zahlreiche iso- mere Verbindungen in der Gruppe der eyclischen Terpen- ketone, welche früher alle unter dem Namen Campher zusammengefasst wurden. Da die Constitution verschiedener dieser Körper noch nicht genau festgestellt ist, so lässt sich auch nicht viel über ihre genauen Beziehungen zu den Terpeuen sagen. Es gehört also hierher in aller erster Linie der Campher selbst (Japaucampher), dessen Constitution zwar auch noch nicht sicher ermittelt, der aber jedenfalls ein Keton ist: OC lIoC CH3 i C CH:-C-CH3 CH GH., GH., Trotzdem man über seine Constitution noch nicht einig ist, so sind doch schon einige Synthesen bekannt, so wird z. B. Borneol durch unterchlorige Säure, Camphen durch Chromsäure zu Campher oxydirt. Ueberhaupt gehen die meisten Terpene durch oxydirende Agentien leicht in Gampher oder seine Derivate über. Die Gewinnung des gewöhnlichen Camphers erfolgt in China und Japan der- art, dass man das Holz des Campherbaums mit Wasser auskocht. Der so erhaltene Roh-Campher wird sodann in Europa sublimirt. Der Campher hat den allgemein be- kannten, durchdringenden Geruch, gehört aber nicht in die Klasse der Riechstoffe. Ferner ist zu erwähnen das Thujon (Tanacetou, Ab- sinthol), ebenfalls ein cyclisches Terpenketon, welches sich in vielen ätherischen Oelen, wie z. B. im Absinthöle, Thujaöle, Rainfarnöle vorfindet. Es ist der Träger des Geruchs im Rainfarnöle und wird auch aus diesem durch Bisulfitlösuug gewonnen. Im spanischen Poleyöle findet sich das Pulegon, ein mentholartig riechendes Terpenketon, welches auch künst- lich durch Condensation von Aceton und Methylhexanon (nach Wallach) oder aus Citrouellal und Essigsäureanliy- drid (nach Tiemann) dargestellt werden kann. Coudensirt man das Pulegon mit Acetessigäther, so erhält man das Pulegenaceton, einen festen Körper vom Schmelzpunkt 72—73" mit Jouon ähnliehen Eigenschaften: CO - CH3 -^- CO, + C.HäOH CH3 - C - CH3 Pulegenaceton Erhitzt man die Ilalogenadditionsprodukte einiger Propenylverbindungen der aromatischen Reihe mit alko- Naturwissenschaftliche Wochenschriit. XV. Nr. 40. holischem oder wässerigeiii Kah, eveutuell uuter Druck, so entstellen Ketone. Das Dibromid des Anethols bildet z. B. beim Erhitzen mit einer Lösung von Natrium in Metiiyl oder Aethyialkobol ein Keton vom Schmelzpunkt 26 — 27 ", das aus dem Dibromid des Isosafrols erhaltene Keton schmilzt bei 33", und das in entsprechender Weise aus dem Isoeugenol gewonnene Keton liefert durch Be- handeln mit Hydroxylamin ein bei 110" schmelzendes Oxim. Diese neuen Ketone und ihre Oxime sollen in der Parfumerie Verwendung finden. Die oceanischen Bogen. Von L. Frobeuius. (Schluas.) III. Die Bogen Melanesiens. Der Bogen ist eine ty])ische, melanesische Waffe. Im weitaus grössteu Theile Melanesiens werden die Kriege mit dem Bogen geführt. Aber wie überall auf der Erde giebt es auch in Melanesien Gebiete, auf denen der Bogen fehlt. Eine grosse Lücke in der Verbreitung stellt besonders das vollkommene Fehlen des Bogens auf der Ostspitze Neuguineas auf Neupommern und Neu- meckleuburg und den Luisiaden dar. Wie es sich mit dem Bogen von Neukaledonien verhält, werden wir sehen und auf den Salomonen sind nur bestimmte Stämme Bogcnschnitzer. Die Bogenformen Melanesiens sind in 4 Gruppen zu besprechen: Neuhebriden, Santacruz, Salo- monen, Neuguinea. 11. Neuh ebri den - Bogen. Es sind zwei ver- schiedene Bogen zu unterscheiden als Extreme einer Ent- wickelungsreihe, zu der sich wohl sämmtliche Glieder noch werden auffinden lassen. Die erste Form (Fig. 7.1^1) ist im Leipziger Museum durch zwei Exemplare vertreten. Das eine, 175 cm in gespanntem Zustande laug, ziemlich glattes braunes Bogenholz, mit innerer Abflachung und äusserer convexer Rundung, im Querschnitt in der Mitte über 3 cm breit und l'/a cm tief. Die Schnursehue ist unten in eine äussere Kerbe, die den Bogen halb um- zieht, gehängt. An diesem Ende schliesst die Sehne mit einer geflochtenen Sehne ab. Das andere, anscheinend obere Ende des Bogens ist löffelartig verbreitert. Vor dieser Verbreiterung, mit der der Bogen endet, ist die Sehne kunstvoll nach der Befestigungsweise des Salomonen- Bogeus vielfach um den Stab geschlungen. Coli. God. 1771. Nähere Angabe fehh. Das zweite Stück ist ohne Sehne, hat elliptischen Querschnitt bei 374 cm Breite und 2V4 cm Dicke. Oben vor dem löffeiförmigen Ende seit- lich eingeschnitten, unten seitlich, 2 cm vor dem Ende scharf abgesetzt. Ohne alle Angabe. Die in meinem Besitz befindlichen Bogen von den Neuhebriden zeigen eine klare Abwandlung. 0. B. 21 ist 141 cm laijg, ge- streckt, die Sehne liegt an der abgeflachten Innenseite in der Mitte an und ist auf V4 von oben und unten ca. 1',, ^iiD vom Holze entfernt. Querschnitt in der Mitte ca. 3 cm breit, P/^ cm dick, innen flach, aussen stark convex. Schönes glattes Holz. Gegen die Mitte zu zwei- mal mit Bast umwunden. Enden laufen in straften Spitzen aus. • Die Sehne wird festgehalten durch unterwickelte Fäden; unten Schlinge, oben Umwickelung. Aehnlieh Erromango, prächtig polirtes, schwarzbraunes Holz, 128 cm lang. Dieser und die nächsten Bogen sind nur einfach gekrümmt. Aoba = 123 cm Länge. Holz fast rund, (aus- nahmsweise). Befestigung der Sehne und Wölbung fast gleich dem vorigen. Peutekost = 140 cm Länge. Glatter Bogenstab mit innerer Abflachung und äusserer Wölbung. Sehne zerrissen. Unten und oben nahe dem Ende eine feine Bastumwickelung zum Festhalten der Sehne. End- lieh ein Bogen von Santa Maria = 143 cm Länge, .^j'/a cm Spanntiefe. Unten und oben stark herabgebogen. Das Bogenholz ist 4 cm breit und auf den Schenkeln ca. 2 cm stark; in der Mitte aber — also wie bei den Andamanen = Nikobarenbogen — , etwas dicker. Nahe den Enden seitliche Einkerbung zur Aufnahme der Sehne, die unten eine geflochtene Schlinge besitzt und oben umwickelt wird. Die zweite Bogenform (Fig. TB) wird vertreten durch einen Bogen von Malikollo. 151 cm lang, stark gekrümmt, braunes, knotiges Holz, im Querschnitt einen Halbkreis darstellend, da innen stark abgeflacht und aussen eonvcx gewölbt ca. 3 cm breit und ca. l'/j cm dick. .Den Enden zu in langen Spitzen auslaufend, die keinerlei Vorriciitung für Sehnenbefestigung bietet. Die Sehne ist unten mit Knoten einfach, oben vielfach umwickelt oder umschlun- gen. Andere Bogen dieser Art messen Coli. God. 2294 = 150'/^ cm Länge, in der Mitte 2^/4 cm breit, 'V^ cm dick; bei diesem wie dem folgenden ist auch das untere Ende abgebogen. Leipzig, Coli. Weber ist 140 cm lang, in der Mitte 2V2 cm breit und ^4 cm dick. Bei diesem ist die Sehne oben 17, unten 14 cm vom Ende entfernt be- festigt. Coli. Weber, ein weiterer Bogen von 123 cm Länge etc. — Diese letzte Art von Bogen ist es an- scheinend, die Ratzel zu der Angabe veranlasst hat, die Neuhebriden-Bogen besässen eine innere Rinne. In der That läuft bei vielen Bogen (so auch bei Leiden S. 265 No. 110) auf der Innenseite eine Markrinne, da die Bogen durch Halbirung eines Stockes gewonnen werden. Auch die nachher zu besprechenden Santa- Cruz-Bogen haben eine derartige, ca. 1 — 2 mm breite, aber nur an einzelnen Stellen und nur zufällig auftretende Markrinne, die zu- weilen gefüllt, zuweilen leer ist. Anhang: Bogen von Neukaledonien. Auf Neukaledonien sind einige Male in der Litteratur die Bogen als Fischereigcrath erwähnt. Das Berliner Museum besitzt in einer guten Sanmilung zwei derartige Exemplare, die sogleich ihre Verwandtschaft und üebereinstimmung mit dem Neuhebriden-Bogen erkennen lassen. Und doch sind kleine Unterschiede bemerkbar. Beide bestehen aus grauem, hellem Holze, sind mit einer Abflachung im Innern und ebenda den Spuren einer Markrinne versehen. No. 1802 hat zierlich gekerbte und abgesteifte Enden bei einfach gestreckter Form, No. 1801 hat einfache Enden bei Annäherung an B'orm 2 (Fig. 7/>) des Neu- hebriden-Bogens. Was bei dem letzteren auffällt, sind zwei schmückende, zopfartig herabhängende Flcchtwerke nahe dem Ende. Zusammenfassung. Alle diese Bogen zeigen un- verkennbar Elemente der asiatischan Bogen; als solche sind die Biegung des Stabes, und die Lagerung der Sehne in Kerben zu bezeichnen. Sonst aber sind es vormalajische Bogen, denn sie sind im Innern abgeflacht, die Sehne ist einerseits fest, andererseits locker ange- bracht und oftmals durch untei-gewickeltc Fadenwülste in ihrer Lage erhalten. 12. Santa-Cruz-Bogen. Ein Bogen in meinem Besitz misst 193 cm Länge, von Spitze zu Spitze bis XV. Nr. 4Ü. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 473 ca. 7 ciu Spanntiefc. Es ist ein gelbbrauner Holzstab, wobl von Casuarinaholz mit Resten einer Markrinne im Innern und Spuren von Rothfärbung- an den Enden. In der Mitte ca. o cm breit und 2 cm dick, innen abgeflacht, aussen convex gewölbt. Merkwürdig sind die Enden, die etwa 8 cm vom Ende einen runden Querschnitt plötz- lich annehmen (Fig. IC). Die Breite schliesst also miv. einem im Innern liegenden Querschnitt ab, der etwa 2'/2 üitu dick und breit ist. — Aehnliche Bogen, Coli. Weber, Leipzig = 190 cm Länge bis fast 4 cm Breite, Coli. GodeftVoy No. 2707 sogar über 2 m lang, aber schmäler und dicker. Die aus Pflanzenfaser gedrehte Schnur ist unten in eingeflochtener Schlinge fest um- gelegt, oben umwickelt, stimmt also in diesen Punkten mit dem Neuhebriden-Bogen überein. — Diese Bogen nähern sich mit ihrem Wulst- ende — das uns im Prinzip an die Fidschi- und Tonga- Bogen erinnert — und der ausserordentlichen Länge nach mehr an die vormalajischen Bogenformeu, denen sie wohl unbedingt zugezählt werden müssen, an. 13. Salomouen-Bogcn. Kürzlich haben wir sehr werth- volle und beachtenswerthe Notizen von Parkinson, dem unermüdlichen Forscher der Südsee, erhalten („Zur Ethno- graphie der nordöstlichen Sa- lomoinseln"), die wir niclit übergehen dürfen. Danach wird der Bogen aus dem äusseren harten Holz einer Palmcnart augefertigt; er ist in der Regel etwa 2 m lang, in der Mitte gegen 4 cm breit, nach den Enden allmähhch ver jungt. Die äussere Seite ist flach ( — oft sogar ein wenig coucav — ) und fast immer dunkelbraun bis concav gefärbt. l _ von iu»sei Die der Sehne zugekehrte Seite ist convex und vielfach glänzend polirt; in der Mitte entlang läuft ciu einfacher oder doppelter schwarzer Strich, der beim Gebrauehe des Bogens dem Schützen als Visir dient, da Seime und Strich beim Abschiessen des Pfeiles immer in einer bestimmten Stellung zu einander sein müssen. Die Bogensehne ist ans starken Pflanzenfasern gedreht und öfters mit gelbem Faserstoff um- wickelt, tlieils um die Sehne gegen Ausfasern zu schützen, theils auch als Zierde. Die Sehne wird an einem Ende des Bogens permanent befestigt, am anderen Ende dagegen leicht lösbar, sodass mau nach Belieben den Bogen bald stäi-kcr, bald schwächer anspannen kann. Soll die Sehne justirt werden, so hält der Bogeuschütze den Bogen auf- recht vor sich, das untere Ende mit dem grossen Zeh des linken Fusses festhaltend: er l'asst dann das andere Ende mit der linken Hand, biegt den Bogen sanft und löst mit der rechten Hand die Sehne, die nach Belieben verlängert und verkürzt wird, je nachdem eine schwächere oder stärkere Spannung gewünscht wird. Die beiden Bogen- enden haben auf Buka verschiedene Namen. Merk- würdiger Weise werden die Bogen von den Inlandstämmen verfertigt und von den Strandsassen, welche Stämme an- scheinend schlechte Bogenmacher sind, angekauft. — Dazu noch einige Bemerkungen über formale Eigentbüm- lichkeiten. Einige Bogen zeigen an den Enden (z. B. Bo„c Fig. 7/>) die merkwürdige Erscheinung einer Verdickung an den Enden, die durch einen übergeschobenen Rotang- ring noch auffälliger wird. Während der Bogen in der Breite gleichmässig abnimmt und auch die Contur der Innenseite ungehindert abfällt, ist auf der Aussenseite der Bogen verdickt. Wenn auch diese Verdickung einem Theile der Bogen fehlt, so ist doch die weitaus grösste Anzahl mit Rotangriugen und Pflanzenfaserumwickelungen als Sehnenlager versehen. Die Verschiedenartigkeit der unten permanent und der oben nur zeitweilig befestigten Sehne tritt nicht nur in verschiedener Form der Uni- wickelung zu Tage, sondern auch darin, dass das untere Ende mit Sehne von einer festen Pechmasse zugegypst wird (so bei einem Leipziger Bogen von 213 cm Länge und einem Bogen i. m. B. von Buka), während dieser unlösbare Verband dem oberen Ende fehlt. Allerdings kommen Bogen mit derartiger Pech- verkleidung an beiden Enden, auch auf Buka, vor, wie dies der prächtige, an den Enden wundervoll geschnitzte und or- namentirte Bogen (— der einzige dieser Art, den ich kenne — ) der Coli. God. No. 2894 von 208 cm Länge lehrt. — Da- neben kommen noch breite (in der Mitte 4 cm), dem Ende zu spitz und zusammengedrückt (1 cm dick und 3 mm breit) auslaufende Bogen aus Bambus vor, z. B. Leipzig, Coli. Weber No. 306 von Bougainville ca. 122 cm lang. Die Innenseite des Bambus liegt hier nach aussen. — Eine weitere Aus- nahme stellt der Bogen JMahiyta (speziell Sna) dar. Ein Exemplar in meinem Besitze misst 180 cm Länge, i. d. M. 37-2 cm breit ^ und ca. 2 cm dick, innen = Smta tnu fl ^ilumjnun COUVCX , aUSSCU COUCaV gC- / — \ on 11 öeitc (I — Innen) ..,, . t-* tt i • ^ \ 1 = von nnitn wolbt. Das Holz ist scliwarz und vorzüglich polirt. An den Enden kurz zugespitzt. Sehne unten einfach umgeknotet, oben aber über 30 cm weit zurttckge wickelt. Üben ein zierlicher Schmuck bündeiförmig abstehender Cocosfasern (?), aus denen auch die Sehne hergestellt scheint. — Surville hat s. Zt. einen kleinen asiatisch gebogenen Bogen von Isabel abgebildet. — Nehmen wir alles zusammen, so haben wir einen vor- malajischen Bogen vor uns, nach der Stärke und der Sehnenlagerung zu scliliessen. Ich glaube für die merk- würdige Erscheinung eines aussen concaven, innen con- vexen, dabei auf dieser Seite abgeflachten Bogens können wir eine einfache Erklärung bieten, zu der nur das Vor- kommen von Banibusbogen neben den Holzbogen Ver- anlassung bietet, dass nämlich diese Bogen erst aus Bambus bestanden und aus Holz nachgebildet wurden. Der Bambusbogeu, bei dem die Innenseite des Rohres stets nach aussen liegt, hat nämlich genau denselben Querschnitt. 14. Neuguinea- Bogen. Den Salomonen folgt nach Westen ein Gebiet, dem der Bogen fehlt. Erst in Neu- guinea und zwar im Norden auf deutschem Boden und im Süden von Porte Moresby treffen wir die Waffe als wichtiges Geräth wieder au*). Es ist aber zn beachten, *) Aumerkung. leli möchte mir wenigstens in Anmerkung den Hinweis auf eine Beziehung zu einer anderen Waft'e, nämlich Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 40. dass im Norden die Foraieii klarer, die Waffe häufiger, im Süden aber kUmraerlicber ist. Die Einwirkung der kleinen Aru-Bogen aus Bambus reicht von Westen her fast bis zum Fiy-liiver, wo die letzten Banibusbogen vor- kommen, im Norden dagegen kaum über die Geelvink-Bai hinaus. Der eigeutiiehe Neuguinea-Bogen besteht aus Holz, und die kleineren Bambusbogen sind jüngere Ein- dringlinge, die auch schwächlicher sind als die alt- eingebürgerten, denen ich mich hier zu widmen habe. Ich unterscheide drei Formen oder Typen. 1. Typus mit einem Rotangwulst als Sehnenlager, kommt auf NeuGuinea wohl überall vor, wo überhaupt der Bogen eine grössere Rolle spielt. Die östlichen Formen siud zierlicher im Schmuck, die westlichen des holländischen Neuguinea weniger reich ausgestattet. Allen Bogen aber ist die Sehne aus einem schlichten ungedrehten Rotangstreifeu eigen, die oben und unten mit einer Oese (geflochten aus den getheilten Enden der Sehne) versehen ist. Im Ruhezustand ist die Sehne stets abgehängt. Als Beispiel der östlichen Formen gebe ich die Beschreibung eines Bogens aus Berlinhafen. Derselbe stellt einen Holz- stab von 197 cm Länge (zwei andere 191 und 192 cm lang) dar, der von der Mitte (472 cm breit, l'/g cm dick) nach den Enden ganz spitz ausläuft. Aussen ist er con- vex gewölbt, innen durchaus flach. Ein dicker Rotang- wulst (Fig. 77!,') ist oben 14, unten nur 9 cm von der Spitze entfernt angebracht. Daran reiht sich in gleichem Sinne die Versehiedenartigkeit der Ausschmückung an, unten nur ein 3 cm weit reichendes Fleehtwerk aus Rotang und darüber, noch 49 cm vom Ende entfernt, ein gleich breites gleiches Schmuckwerk. Dagegen oben! Hier reiht sich zunächst an den Rotangkuoten ein 18 cm weit reichendes Rotangschmuckwerk an, bestehend aus hellem gelben Geflecht, unterbrochen von dunkelbraunen Ringen. Dann kommt 22 cm weit zierliche Schnitzarbeit auf der Ausseuseite und endlich schliesst der ganze Schmuck mit einem 4 cm breiten Rotangringe und -Flechtwerk ab. Diese Reihenfolge ist bei allen Bogen der gleichen Herkunft die gleiche, wenn auch die Ornamente in bunter Verschieden- artigkeit prangen. Doch kommt es auch vor, dass die ganze Vorderseite mit geschnitztem Schmuck bedeckt ist, dass oben, d. h. dieses stets innen, Fäden und Schnüre angebracht sind, deren Siuu wir nachher erörtern werden. Ein anderer Bogen vom Gogolfluss, den die Sammlung der Güte des Herrn Dr. Lauterbach verdankt, ist weit kürzer (ca. 163 cm lang) und in der Ausstaffirung ein- facher, wenn auch die Oberfläche des Holzes ausgezeichnet polirt, der Rotangknoten oben allerliebst geflochten, mit Fellstüekcheu und mit einem Ki-agen aus Rotang ver- sehen, dem allerdings nur 3 cm weit Ringschmuck folgt. Ob unten der Knoten stets gefehlt hat oder ob er nur ver- loren ist, nniss ich dahingestellt sein lassen. Fieclitringe sind hier vorhanden. Ein breites, weites Fleehtband dient zum F^esthalten der Pfeile, vielleicht auch ähnlich als Spannring wie beim Timorbogen in Leiden. Die Sehne besteht aus Bambus. — Die Formen der Westspitze Neu- Giiineas sind theilweise grösser (ich messe zwischen 205 und 160 cm Länge; in Dresden liegt ein Bogen von 222 cm Länge). Je weiter wir nach Westen kommen, desto ärmlicher der Sehmuck, zuletzt folgen nur noch zwei bis drei an Dicke und Breite der Mitte zu ab- nehmende Rotaugringe dem Wulste. Doch bleibt der /.um Schilde, erlauben. Im;westliclien Bogengebiet Neu-Guinoas tivIlVm wii- nur den I?oaonsdiihl, im östlidieu Siieowbiet. wo 'l'l- l'.n-n l.lih , Ih-m u s\ sieuis ^anz umgestaltet, und die Anatomie der tii'feii Lyinpinaume, die in der ersten Bearbeitung des Buches fehlte, ist neu aut'genouunen worden. So erscheint der vorliegende Tiieil des Werkes in einer ganz neuen, den modernen Bedürf- nissen gut angepassten Form. Zahlreiche historische Auseinander- setzungen und ein ausgedehntes Litteraturverzeichniss gehören ausserdem noch zu seinen Vorzügen. Die Schlnssabtheilung des Werkes (Eingeweide, Integument und Sinnesorgane des Frosches behandelnd) soll demnächst er- scheinen und wird sicher gegenüber dem bisher erschienenen an Güte nicht zurückstehen. Dr. Gustav Tornicr. Hugo Müller, die Misserfolge in der Photographie und die Mittel zu ihrer Beseitigung: Zweite Auflage. I. Theil : Negativ-Verfahren. Encyklopädie der Photographie, Heft 7. 8°. 92 Seiten, 10 Figuren im Text. — II. Theil: Positiv-Ver- fahren. Encyklopädie der Photographie, Heft 9. 8». 92 Seiten. Verlag Wilhelm Knapp in Halle a. S. — Preis jedes Heftes 2 Mark. Beide Hefte zeichnen sich durch Uebersichtlichkeit in der Anordnung des Stoffes, einfache klare Darstellung und gute Aus- stattung aus. Berechnet sind sie für Amateure und setzen nur die einfachste Kenntniss dir llaiidliabung der Apparate voraus. Beide geben erprobte .Miiiel. Misseu folgen vorzubeugen oder auch sie unter Umständen uiider -ut zu machen. Leider beschränkt sich der erste Theil nur auf die Behandlung der Bronisilberplatte ab- gerechnet zwei gelegentliche Bemerkungen über Films. Es wäre zu wünschen, dass bei einer späteren Auflage die immer mehr in Aufnahme koinmonden Films eine weitgehendere Berücksichtigung fanden. Die im zweiteti Hefte behandelten Positivverfahren um- fassen das Copireu auf ( 'lil'iisilljerpapieren die mit Albumin, Gela- tine, Collodium, CellMiiliu luäparirt sind, ferner das Copiren und rpapier " ■• ■ \ ergrössern auf Biumsilberpapier. Es folgen sodann der Drucl uiit Pigment oder Kohlepapier, der Gummidruck, der vom Herrn Verfasser wunderbarerneise weniger geschätzte Platin- und der Sillierplatindrnck. Bei der Behandlung der Diapositivverfahren sind die .Vuijalien zu aphoristisch, man hält sich da besser an speaellrie Werke wie „das Diapositiv -Verfahren von Mercator". ^•1' 'i eile 111 Kapitel über Retouche folgt ein kurzer Hinweis auf die ll.astelliini; farbiger Bilder, der sich naturgemäss nur auf Littoraturangaben beschränken mussto. Bhg. Wilhelm Zenker, Lehrbuch der Photochromie. Neu heraus- gegeben von Professor Dr. B. Schwalbe. Mit dem Bildniss des Verfassers und einer Spektraltafel. Verlag Frieilrich Vieweg und Sohn. Braunschweig. 8°. 157 Seiten — Preis -1 Mark. Mit der Wiederherausgabe der im Jahre 1868 im Selbstverlage des Verfassers erschienenen und deshalb wenig verbreiteten Schrift will der Herausgeber und der Verlag dem Verfasser den ihm zu- slehendeu Platz in der Geschichte der Physik sicdiern. Bogleitet ist der Neudruck von einem kurzen Vorwort des Herrn Sehwallie, während Herr Professor Kreeh einen Lebenslauf und ein \'ei/,eich- niss der wissenschaftlichen Arbeiten Zenkers geliei', 1 1 und Herr Oberlehrer Tonn sich durch eine als Anhang bei-eluele v.u-trefi"- lielie Darstellung der Weiterenl uirlvlnni: .1er Photochromie -auf Griin.llau.' .La- Zi'iiker's.-Ii.ai 'l'li.'.in.' Kis in die neuste Zeit, ein wirkli.-li.^s N'enlienst luu di.^ Sarli.' .■.«..rlieii hat. Die Zenker'sche Schrift selbst giebt in populärer Darstellung iu ihrem ersten Theilc einen rein optischen Abschnitt: „über das Wesen der Farben." Es folgt sodann im zweiten Theile eine Mittheilung der Veröffent- lichungen von Seebeck, John Herschel, Becquerel, Nicpco de St. Victor, Pciit.'vin Siui|ison und einiger weniger wichtigen andern, zum gr.e.>.ai Tli.il iui Wortlaut der Uriginalarbeiten, soweit sie cxperiin.iit.ll.' Leistungen auf dem Gebiete der polychromen Photographi.' .larsiell.ai. Der dritte Theil referirt zunächst über die theoretisclien iMkhhiineiai .I.t ^lauinntiMi l';\|Haim..iifa,toron und bringt sod.aun ili.' .iu 'l'li.'.ui.' Zunk.as, Im- erklart das Zustandekommen ih-s faLlneeu l'.il.l.s diu'eli l'.il.inun' stelnaider Lichtwellen in der lichteiupliu.lliclnai .Schicht bei Uelle.\ion des eindringenden Lichtes an den schichtweise sich lagernden Moleciilen des reduzierten Silbers. Eine Erklärung die, wenn auch nicht für alle Arten farbiger Photographien so doch für die nach Beeijuerel dargestellten in neuerer Zeit ihre experimentelle Bestätigung ge- funden hat. Bhg. Jahrbuch für Photographie und Reproduktionstechnik für das Jahr 1900, li.'rausg.'g.djeu \ H.ifiath I )r. .1 .. s.-f M a ria Ed.'r. \'ierzehid.u' Jalirt;anl;. S^ 78-' .Seiten mit '-'60 Abiul.huigeu im Te.\t uml 34 Kunslbeilagen, Verlag Wilhelm Knapp in Halle a. S. — Preis 8 Mark. Ein in iuteressirten Kreisen mit Spannung erwartetes Ereignis ist das Erscheinen dieses Jahrbuches. Nicht weniger als 78 Original- arbeiten von zusammen 460 Seiten Text mit zahlreichen, eingefügten Hlustrationen bilden den ersten Theil des Jahrbuches. Es folgt sodann der Jahresbericht über die Fortschritte der Photographie und Reproduktionstechnik auf '235 Seiten. Hierin ist eim* ausser- ordentlich iuhaltreiche und doch übersiehtliehe '/iisannuenst.dlung aller wichtigeren Erscheinungen aus phot.iura|ihiseli.Mi /..-its. Iiriften und Monographien mit genauester Angal.ic .1er iiiin'll.'u .l.argeboten, die als orientirender Auszug für die Leser der Originalartikel das zeitraubende Ausschreiben unnöthig macht, ja als Ersatz der nicht jedem zugänglichen Originale dienen kann. Auf 33 weiteren Seiten folgt die Mittheilung der ertheilten. angemeldeten und gelöschten Patente, sowie der Gebrauchsuni-ti'i-eiiifnmimu.ai iu I •.■utM-ldaud und Oestorreich-Ungarn. Die Auf aliliini; .l.a- na.li l.au.l.aii und Verfassern geordneten litterariscli.ai Neuheit. -u .li.'.-^es .l.dir.-s bildet nebst einem Autoren- und Sachregister den Beschluss des überdies mit 34 Kunstbcilagen gezierten, ausserordentlich preisworthen Jahr- buches. Blig- Engler, A., u. K. Prantl, Die natürlichen Pflauzenfamilien. Leipzig. — 3,öü Mark. Handwörterbuch der Zoologie, Anthropologie und Ethnologie. Breslau. — 18 Mark. Hagenmeyer, Pfr. K., Das Burenvolk in Südafrika, seine Ent- stehung, Charaktereigenthündichkeit und geschichtliche Ent- wick.dung bis zur Gegenwart. Karlsruhe. - 0,30 Mark. Heucke. Assist. Dr. Karl, I)ii. Gefahr der Quecksilbervergiftung iu ileii Hülst. .IV inni Hut Kabrikeu. Frankfurt a. M. — 2 Mark. Jahrbuch für Klektruchemie. Halle. — 16 Mark. Jahres Bericht des Ceutralbureaus für Meteorologie und Hydro- gra]ihi.' im Grossherzogthum Baden. Karlsruhe. — 6 Mark. Jaeger. Jacques, Wanderungen in Russland. Wien. — 8 Mark. Koch's W. D. J., Synopsis der deutschen und Schweizer Flora. Leipzig. — 4 iVIark. Meyer, L., L. hrbuch der Graphologie. Stuttgart. — 6 Mark. Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern aus dem Jahr.. 18119. Bern. — li,40 Mark. Quincke, Prof. Dr. H., Die Stellung der Medicin zu den anderen Universitiitswissenschaften. Kiel. — 1,40 Mark. Bohn, Bekt. Prof. Dr. Karl, Die Entwickelung der Raum- ansehauung im ITnterrieht. Dresden. — 0,80 Mark. Bössler, Gymn.-Oberl. Dr. Rieh., Die Raupen der Grossschmetter- linge Deutschlands. Leipzig. — 2,-iO Mark. Schneider, Korps-Stabsapoth. Alfr., u. Assist. Paul Süss, DD., HandkoiLuii.'Utar zum Arzneibuch für das Deutsche Reich Göttingen. — 1,60 Mark. Weber, L., Zum Gedächtnisse Gustav Karsten's. Kiel. — 1 Mark. Inhalt: Dr. H. Buss: Ueber Riechstofl'ketone. - L. Probeuius: Die oceanischen Bogen. - Eigenartiger Fall von Azoospermie. — Organismen im Wiener Leitungswasser. - Ueber die Lebensgewohnheiten des Ostafrikanischen Wildes. — Zur Morphologie und Physiologie einer Mycoderma-Art. - Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Lilteratur: A. Ecker's und R. Wiedersheim's Anatomie des Frosches. — Hugo Müller, Die iMisserfolge in der Photographie und die Mittel zu ihrer Beseitigung. - Wilhelm Zenker, Lehrbuch der Photochromie. — Jahrbuch für Photogiaphie und Reproduktionstechnik für das Jahr 1900. — Liste. 480 Naturwissenschaf tKche Wochenschrift. XV. Nr. 40. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦«♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦«♦♦♦♦♦♦♦♦♦ I Dr. Robert Muencke : t Luiseustr. 58. BERLIN NW. Liiisenstr. 58. t # Teclinisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ♦ ♦ und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. * >♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ lerb. fliiminlrro Ilrrlagsbuil)l|anMuns in ^erlitt SW. 13, limmcrllr. 94. ÜÜII 0§tat filctn = Hattingen. H34 §Jitcit flr. 8". ^xtis: fficijcfut 4,50 pi, ricg. ocbunöcii 5,60 p. Der ^tl^ift. ^ine §fimmc aus 6em ^ffen. Sßuii 5Rol)crt 9JHnIo§. 154 §t\Un (Dttnu. ^ttis: fficljjftet 2 p., dtj. gtbunbcn 3 p. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦ lerb. fümmlrrs ^crlagsbiidiljttniihtng in gfrliit SW. 12. X 1 Um öic Iröc in VortlnT Bilöl f ♦ «Uli ♦ ♦ « ♦ « ♦ iJlit 542 3Uii(lratioiicii. 1044 Seiten, or. S". ♦ J 2 «öiiSc. Üidicftct 12 'i)lavf, cic<\aiit nfüimöcii 1(> »Jorf. J « ^ 3u ticjiclicu bui'd) aUe Ü3iid)l)aublunBeu. ^ $ Ferd. Dflmmlers Yerlagsbuchh and I un g i n Berlin SW. 13. Chemisches ^il|sbuch. Atomgewichte und deren Multipla, Um- rechnungsfaktoren und massanalytische Constanten. Von Dr. Jovan P. Panaotovic, Assistent am technolog. Inslitut der Universität Berlin. 70 Seiten kl. Oktav. In bieä!<>aiiit>iii I.ieiiieiibaii«l "Z Mark. Dr. ©rnft Sictfc, ^rofcffot am Seffiug.GSBmnafiinii in äBetliii. I. ^jntttöföfjc bcv §agcnforfc§itng. II. ^I0f««ös iäcöauöfutig öcr f^or-gagcn. 260 §titcu flr. 8°. JJreis: fficijeftct 4 p., dcg. geüunbrii 5 ^mmI 7oisS Optische Werkstaette, 1Milr¥>Acdrn<>k ist nnr mit voll8tändig:er Qnellenang^abe g;estattet. Die Constitution der Chinaalkaioide. •unuer, Dinkelsbül Die Chiuaalkaloide finden sich in der Rinde ver- schiedener, in den tropischen Cordilleren Südanierilcas einheimischen Cinchona-Arteu, die neuerdings mit vielen Erfolge auch auf Java und in Ostindien cultivirt werc^jn. Die wichtigsten dieser Alkaloide, deren antipyretische Wirkung den um 1640 in Europa bekannt gewordenen Cliinarinden ihre Heilkraft verleiht, sind das Chinin und Cinchouin. Neben diesen finden sich als mehr oder minder constante Reglciter das Chinidin und Cinchonidin, welche neueren Untersuchungen zu Folge zum Chinin und Cinchouin im Ver- hältniss der geometrischen Isomerie stehen. Die ersten Untersuchungen der Chinarinde stellte Bacquet und später Fourcroy an; aber erst zu Anfang dieses Jahrhunderts gelang es Duncan, Gomez und Anderen, das Cinchouin als einen festen, gut krystallisirenden Körper daraus ab- zuscheiden. Dieser Entdeckung folgte dann 1820 die Auffindung des ebenfalls gut krystallisirenden Chinins durch Caveutou und Pelletier, und diese Forscher haben auch zuerst die basische Natur des Chinins und Cinchonins erkannt und nachgewiesen, dass dieselben in den Chinarinden nicht im freien Zustande vorkommen, sondern vorzugsweise ge- bunden an Chinasäure und Chinagerbsäure. An der Erforschung des Chinins und Cinchonins nahmen in der Folge Liebig, Duraas, Laurent, Gerhardt, Regnault, Strecker und andere Forscher Theil, ohne jedoch zunächst auch nur bezüglich der procentischen Zusammen- setzung sichere Resultate erzielen zu können. Auch die folgenden Untersuchungen, die von Pasteur, Hesse und Weidel ausgeführt wurden, Hessen trotz des Studiums zahlreicher Derivate und Salze die Frage nach der procentuellen Zusammensetzung des Chinins und Cin- chonins zu keinem sicheren Abschluss kommen. Erst durch Skrauj) wurde endgiltig festgestellt, dass die Jahr- zehnte lang für das Cinchouin ohne genügend sichere Unterlagen herrechend gewesene Liebig - Regnault'sche Formel CjoH-j^N^O durch die alte Laurent'sche Formel CigHooN^O ersetzt werden müsse; ferner bestätige Skraup, dass die bisher übliche Formel für das Chinin: C00HJ4N2O.2, welche Regnault aufgestellt hafte, richtig sei. Bezüglich der Constitution der Chinaalkaioide wurden die ersten wichtigen Anhaltspunkte dadurch gewonnen, dass Gerhardt bei der Destillation von Cinchouin neben anderen, erst später von Williams, Oechsner de Conink, Butlerow und Wischnegradsky und Lubavin ermittelten Spaltungsprodukten Chinolin erhielt. Den nämlichen Körper glaubten Gerhardt und später Wertheimer auch bei der Destillation mit Aetzkali er- halten zu haben. Die späteren Untersuchungen von Butlerow und Wischnegradsky ergaben jedoch, dass hier- bei eine andere, Chinolidin genannte Base von der Formel CioHgNO entsteht, die Skraup in der Folge als Para- methoxy-Chinolin erkannte. Skraup's Erkenntniss passte sich in der glücklichsten Weise der von demselben Forscher ermittelten Thatsaciie an, dass die bei der Oxydation von Chinin und Chinidin mit Chronisäure entstehende Chininsäure die p-Methoxyl- Verbindung der bei dem gleichen Process aus Cinchonin und Cinchonidin entstehenden Cinchonin- oder ','-Chino- lincarbonsäure ist. Ferner stimmte damit überein, dass Hesse aus Chinin und Chiuidin, nicht aber aus Cinchonin und Cinchonidin durch Erhitzen dieser Basen mit con- centrirter Chlorwasserstoffsäure im Druckrohr Methyl in der Form von Chlormethyl hatte abspalten können, und dabei Basen erhalten hatte, die durch ihre Alkalilöslich- keit, sowie durch ihre Befähigung Diacetylverbiudungen zu geben, in der bestimmtesten Weise zu erkennen gaben, dass sie den alkaliunlöslichen nur zur Bildung von Mona- cetylverbindungen befähigten Ausgaugsbaseu gegenüber im Verhältniss von Hydroxylverbindungen zu den ent- sprechenden Methyläthern stünden. — Auf Grund aller dieser Thatsachen war nicht zu bezweifeln, dass der eine Theil des Moleküls der beiden Paare der Chinaalkaioide 482 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 41. im Chinoliii resp. p-Methoxychinolinrest ist, und da sich die empirischen Formeln beider Paare von Chinaalkaloideu nur um CHoO unterscheiden, so machte es das bei fast allen Reactionen ganz analoge Verbalten derselben in hoiiem Grade wahrscheinlich, dass diese Dift'erenz in struktureller Beziehung die einzige ist, die zwischen ihnen besteht. Die ersten, die dieser Ansicht Ausdruck gaben, waren Butlerow und Wischnegradsky, indem sie sich dabei auf die Thatsache stützten, dass die bei der Kalischmelze sowohl aus Ciuchonin wie aus Chinin neben den schon erwähnten, der einen Hälfte des Moleküls entstammenden Spaltungsprodukten ein festes für beide Alkaloide an- scheinend identisches Produkt gebildet wird, welches bei weiterem Erhitzen der Schmelze unter Temperatursteige- rung in Aethylpyridin und ein Gemenge niederer Fett- säuren zerfällt. Die letzteren sollen nach Wischnegradsky aus einem mittleren Theil des Moleküls entstehen, welcher als Brücke zwischen zweifach hydrirtem Lepidin*) beziehungsweise Chinolidin'^*) und einem ebenfalls zweifach hydrirten Aethylpyridin aufgefasst wird, und sofern sich Wischne- gradsky die Verknüpfung dieser Basen im Sinne der Schemata: HCf H,c' C-CJL ||CH Ich bezw. C-C,H, HCf |CH H.cl j'cH CoH,— N C^H,— N CO— N CH CÖ-N CH HoCi Y >CH H— 0— HC ^i' |C— CH., H3C-C CH 'CH HCl " 'CH % C CH CH dachte, hielt er es für möglich, Chinin und Cinchonin durch Einwirkung von Chlorpropionsäurechlorid auf die genannten Theilbasen darzustellen. Zurückhaltender als Wischnegradsky forraulirt Hesse die typischen Chinaalkaloide, obwohl er ebenfalls über- zeugt war, dass die zweite Hälfte derselben einen Pyri- diukeru zur Grundlage bat und für beide Alkaloide gleich constituirt ist. Die Thatsaeben, auf die er sich dabei stützte, sind einerseits die soeben mitgetheilten Resultate, die Butlerow und Wischnegradsky bei der Kalischmelze erhalten hatten, andererseits der Umstand, dass Cinchonin und Chinin bei ihrer besonders erXolgreich von Skraup studirten Oxydation mittelst Permanganatin verdünnter, kaltgehaltener, schwefel- saurer Lösung unter Abspaltung von Ameisensäure, die einander vollkommen entsprechenden Basen Cinchotenin und Chilenin gaben. Das Kohleustoffatom, welches bei diesem Prozess als Ameisensäure abgespalten wird, dachte sich Hesse im Sinne der Formeln: *) Soweit Lepidin nicht als solches neben Chinolin bei der Kalischmelze des Cinchonins auftritt, dachte sich Wischnegradsky dasselbe zunächst zu Cinchoniusäure oxydirt und diese dann iluich die Wirkung überschüssigen Aetzkalis in CO., und Chinolin g.-spalte.,, **) Wischnegradsky und Buttlerow kannten die Constitution des Chinolidins (p-Methoxychinolins) noch nicht und scheinen dasselbe als ein hydroxylirtes Lepidin aufgefasst zu haben. Den Umstand, dass letzteres bei der Kalischmelze analog dem Lepidin aus Chinchonin wenigstens partiell ein O.xychinolin hiitte liefern sollen, erörtert Wischnegradsky nicht. ,C,,H,NOCH, CH2 und ■^^X(OH) C„H-N CHo X(OH) als Brücke zwischen beiden Hälften der Chinaalkaloide eingeschaltet, wobei er allerdings ausser Acht gelassen hat, dass dann ein Zerfall des Moleküls das Natürlichste gewesen wäre. Grosses Verdienst bat sich Hesse jedocli dadurch erworben, dass er durch Acetylirung der vier gewöhnlichen Chinaalkaloide den Beweis erbracht hat, dass das denselben gemeinsame Sauerstoffatom in Form eines Hydroxyls vorhanden ist und der zweiten Hälfte angehört. Ausserdem hat er durch die schon oben er- wähnte Abspaltung von Methyl aus Chinin und Chinidin mit Salzsäure als Erster den Nachweis erbracht, dass die in den beiden Paaren der gewöhnlichen Chinaalkaloide orhandencn Chinolinreste im Verhältniss von Chinolin zu Mcthoxychinolin stehen. Eine von der Ansicht Wischnegradsky's und Hesse's wesentlich verschiedenen Ansicht vertrat Koenigs. Der- selbe fasste das bei der Kalischmelze der Chinaalkaloide entstehende Aethylpyridin nicht als direktes Theilstück der Alkaloide auf, sondern als das Produkt einer tief- gehenden Zersetzung und stützte sich bei seiner Deutung der zweiten Hälfte der Chinaalkaloide, die er ebenso wie seine Vorgänger structurell für identisch hielt, auf neue, von ihm selbst durchgeführte Spaltungsvorgänge. Durch Behandlung der trockenen, salzsauren Salze der Chinaalkaloide mit Phosphorpentacblorid in einer Lö- sung von Phosphoroxylchlorid oder Chloroform erhielt Koenigs unter Ersatz des von Hesse in denselben nach- gewiesenen Hydroxyls Chloride, welche bei der Behand- lung mit alkoholischem Kali Salzsäure abgaben und in neue Basen übergingen, die sich von den ursprünglichen Alkaloiden durch ein Minus der Bestandtheile des Wassers unterschieden. Diese neuen, von Königs als Cincheu und Chinen benannten Basen, welche für das Cinchonin und das Cinchonidin einerseits und Chinin und Chinidin anderer- seits identisch waren, gingen nun beim Erhitzen mit con- centrirter Salzsäure oder Bromwasserstoffsäure im Rohr auf 180— 190** unter Abspaltung von Ammoniak in zwei neue alkalilöslicbe, von Königs als Apociuchen und Apo- chinen bezeichnete Basen über, deren Zusammensetzung und Verhalten es in hohem Grade wahrscheinlich machten, dass in ihnen ein Benzolkern mit einem Cbinolinkern com- binirl ist. Hieraus schloss Koenigs, dass in den Chinaalkaloideu ein .System von zwei mit einander verknüpften Chinolin- kernen vorliegt, welches mit Rücksicht auf den hohen Wasserstoffgehalt der Alkaloide theilweise hydrirt ist, und um zum Ausdruck zu bringen, dass die erste Hälfte der Chinaalkaloide bei der Mehrzahl aller Spaltungen intakt bleibt, die zweite aber regelmässig hierbei zerfällt, dachte er sich die Vertheilung des Wasserstotfs so, dass die erste Hälfe gar keinen additionellen Wasserstoff' enthält, die zweite Hälfte aber sowohl im Benzol- wie im Pyridin- kern theiweise hydrirt ist. Die Ansicht erlitt eine Erschütterung, als Skraup unter Aufwand von bewunderungswerther Geduld aus dem Syrup, welcher bei der Oxydation der Chinaalkaloide mit Chromsäuregeniisch neben Cinchonin- resp. Chininsäure entsteht, zwei als Cincholoipon bezw. Cincholoiponsäure bezeichnete krystallisirtc Substanzen isoliren konnte, die in genetischer Beziehung zu einander zu stehen schienen und ihrem Verhalten und ihrer Zusammensetzung nach als Derivate des Piperidins aufgefasst werden mussteu. XV. Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 483 Eiiigeliemle Unteisucliiingen fiilirten Skraup zu der Annahme, dass in dem Ciiicboloipon ein Piperidinderivat von der Form: CH„ ^ /H H3C, C< 0-H -CH, und in der Cincholoii)unsäure ein Derivat von der Form: CH„ H,C^ ^C( HgC COOH ^\COOH H vorliegen müsste, wobei allerding.s die .Stellung des Me- thyls und Carboxyls zunächst willkürlieh angenommen war und ausserdem offen blieb, ob nicht möglicherweise statt der Methylgruppen ein zwischen dem Piperidinkern und dem Carboxyl einzugliederndes Methylen vorhanden sei. Jedenfalls Hessen aber die Spaltprodukte von dieser Zusammensetzung- eine Auffassung der Chinaalkaloide, wie sie Koenigs vertreten hatte, nicht mehr zulässig er- scheinen, und Ivoenigs war daher gezwungen, seine An- sicht wieder fallen zu lassen. Er that dies, noch bevor er durch einen höchst mühe- vollen, zum Chinolinphenol der Form: führenden Abbauprozess, die Constitution des Apocinchens und Apochinens endgiltig in den Formeln: CoHs und H— 0,< C2H5 JoH N zum Ausdruck gebracht hatte und suchte nun die von Skraup gefundenen neuen Thatsaeben mit den von ihm selbst erhaltenen Resultaten dadurch in Einklang zu bringen, dass er nach Art der von Merling für das Tropin gegebenen Formel: GH., HC \ CHg CH— OH HgC CH. CH N I CH, in der zweiten Hälife der Chinaalkaloide ein gemischtes, aus einem hydrirteu Pyridinring und einem hydrirten Benzolring zusammengesetztes Ringsystem annahm, in welchem je nach den Bedingungen das eine Mal der hydrirte Pyridinring, das andere Mal der reducirte Benzol- ring gesprengt wird. Zu einer sehr ähnlichen Auffassung kamen im Laufe ihrer Spekulationen über die Chinaalkaloide W. v. Miller und Rohde. Dieselben gingen von der Erwägung aus, dass die Thatsachen, welche Skraup bei der Untersuchung des Cincholoipons und der Ciucholoiponsäure ermittelt hat, einerseits dazu zwingen, in der zweiten Hälfte der China- alkaloide einen Piperidinring anzunehmen, andererseits aber auch zu der Folgerung führen, dass die Hydroxyl- gruppe, welche in der zweiten Hälfte vorhanden ist, an einem der Kohlenstofi'atome haftet, welche von dem a- oder -j-Kohlenstoff des Piperidinringes abzweigen. — Indem dann W. v. Miller und Rohde weiter in Erwägung zogen, wie der Stickstoff der zweiten Hälfte der Chinaalkaloide, der nach Skraup und Konek de Norwall unzweifelhaft tertiär gebunden ist, bei der Oxydation der Chinaalkaloide in den sekundären Stickstoff des Cincholoipons und der Ciucholoiponsäure übergeben könne, kamen sie auf den Gedanken, dass die Annahme einer Bindung zwischen dem das Hydroxyl tragenden Kohleustoffatom und dem Stickstoff des Piperidinringes jenen Uebergang in der Weise ermöglichen würde, dass der Wasserstoff der Hydroxylgruppe unter Lösung der angenommenen Bin- dung zwischen Stickstoff und" Kohlenstoff' an das Stick- stoffatom wandere: — C- -C(OH) N -C=0 bezw. .C - CO- 484 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 41. Eine glückliche Combiuation führte W. v. Miller und Rolulc darauf, von diesem Gesichtspunkte aus auch die Bildung des sogen. Methylciuchonins und seiner Analogen zu betrachten. Diese Produkte entstehen nach Claus und seinen Schülern, wenn man die primär entstehenden Jodalkylate der Chinaalkaloide, welche das Jodalkyl an den Stickstoff der zweiten Hälfte gebunden enthalten, mit kaustischen Alkalien längere Zeit kocht. Normaler Weise sollten bei diesem Prozess quatcrnäre Ammoniumbasen gebildet werden, etwa nach Art der Chinoliniumbasen, die der Gegenstand eines so heftigen Streites zwischen Claus und Bernthsen gewesen sind. — Solche Basen entstehen aber nicht, sondern es wird Wasser abgespalten, und man erhält die obengeuannten Basen vom Typus des Methylciuchonins, welche den Untersuchungen von Freund und Rosenstein zufolge das Methyl unzweifelhaft an Stickstoff gebunden enthalten. In Erinnerung des Uebergangs der quarternären Chino- liniumbasen in Chinolone dachten sich nun W. v. Miller und Rhode den obigen Uebergang so, dass eine unter dem Einfluss des Alkalis aus dem Jodalkylat des be- handelten Chinaalkaloids primär gebildete quarternäre Ammoniumbase der Form: -C '" oder der Form: = -C(OH) \ 1 ./ == = \^/ C-C(OH) N /\ X (OH) N X (OH) unt er Wc issersi altung in: -CO- N— X übergeht. War dies richtig, so mussteu die Basen vom Typus des Methylcinchonins Aldehyd- oder Ketoucharakter haben, je nachdem das Kohlenstoffatom, welches das Sauerstoff- atom trägt, in den ursprünglichen Alkaloiden noch mit Wasserstoff oder Kohlenstoff verbunden ist. W. V. Miller und Rohde waren also in den Stand gesetzt, ihre Ansicht einer direkten experimentellen Prü- fung zu unterwerfen, und diese bestätigte in der That in der denkbar befriedigendsten Weise die gemachte Voraus- setzung. Die Art, in welcher W. v. Miller und Rohde den ge- bildeten Carbouylsauerstoff im Methylcinchonin und dessen Analogen nachwiesen, bestand darin, dass sie diese Basen in verdünnt essigsaurer Lösung mit Phenylhydrazin kochten. In kürzester Zeit trat hierbei unter intensiver Roth- färbung Hydrazonbildung ein und aus der Reactionsflüssig- keit Hessen sich die gebildeten Hydrazone mittelst Alkali als gelbe, gut krystallisirende Verbindungen fällen, welche die in der Folge als diagnostisch sehr wichtig erkannte Eigenschaft besitzen, mit Säuren intensiv rothgeb gefärbte Salze zu geben. Ausser durch die Hydrazonbildung wurde der vor- handene Carbouylsauerstoff auch durch Darstellung von Oximen nachgewiesen, die aber nicht krystallisirt erhalten werden konnten. Ferner trat die von Fischer und Penzoldt für Alde- hyde angegebene Purpurfärbung mit Diazobenzolsulfosäure und Natriumamalgam ein. Der Nachweis, dass die Bil- dung des Methylcinchonins und seiner Analogen aus den primären Jodalkylateu der Chinaalkaloide in der voraus- gesetzten Weise erfolgt, Hess in W. v. Miller und Rohde begreiflicherweise den lebhaften Wunsch entstehen, die Lösung der in den Chinaalkaloiden angenommenen Stick- stoff-Kohlenstoffverbindung auch in diesen selbst zu be- werkstelligen. Hierbei kam ihnen die oben erwähnte, als diagnostisch wichtig hervorgehobene Rothfärbung zu statten, welche die Hydrazone der umgelagerten Chinaalkaloide mit Säuren geben. Bei einem Versuche, wie sich Cinchonin in essig- saurer Lösung gegen Phenylhydrazin verhält, hatten sie nämlich gefunden, dass allmälich beim Erhitzen eine schwache Orangefärbuug eintritt, die sich um so mehr in Roth vertieft, je länger man erhitzt. Dies war verdächtig. — Obwohl daher W. von Miller und Rohde beim üeber- sättigen einer Probe der Reaktionsflüssigkeit anscheinend nur Cinchonin erhielten, setzten sie das Erhitzen doch fort, und in der That fanden sie, dass langsam eine, völlige Veränderung des Ciuchonins erfolgt, die nach 24 — 36 stündigen Erhitzen vollständig ist und augenschein- lich in der Bildung eines Hydrazons besteht. Diese Beobachtung legte es nahe, anzunehmen, dass durch das lange Kochen des Cinchonins mit Essigsäure und Phenylhydrazin zunächst eine hydrolytische Spaltung desselben im Sinne der Formelbildcr: erfolgt war, worauf sich das vorhandene Phenylhydrazin mit dem ausgebildeten Carbouylsauerstoff zu einem Hydra- zon condensirt hatte. I Es war also zu erwarten, dass es bei genügend lannem Erhitzen der Chinaalkaloide mit verdünnter Essig- säure gelingen werde, die gewünschte Aufspaltung zu erzielen, und auch hier gelang in der That ein angcsttilter Versuch in überraschender Weise. Als nämlich Cinchonin mit verdünnter Essigsäure 36 Stunden im Schwefclsäurc- bade ununterbrochen zum Sieden erhitzt wurde, fiel beim üebersättigeu der Lösung mit Natronlauge nicht mehr Cinchonin aus, sondern ein Oel, und die Prüfung des selben auf Ilydrazon- und Oximbildung, sowie auf die XV. Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 485 Fischer- und Penzoklt'sche Fcarbeuicaiitiou ergab, dass in dem Oel ein vollständiges Analog'on des Methylcinchonins vorlag. Die weitere theoretische Erkenutniss des Produktes wurde daduiTh gewonnen, dass dasselbe bei der Methy- liruug der Erwartung gemäss in Methylciuchonin und dessen Jodmethylat überging. Später wurde dann das Produkt schön krystailisirt erhalten und durch die Analyse als einheitliche Substanz von der Zusammensetzung Ci9H2äN20 bestätigt. Seine Giftigkeit veranlasste W. von Miller und Rohde ihm den Namen Cinchotoxin zu geben, später erkannten sie jedoch, dass dasselbe identisch ist mit dem bis dahin nur als Syrup beschriebenen Cinchonicin, welches dadurch eines der wichtigsten Umwandlungsprodukte des Cincho- nins geworden ist. Der Umstand, dass das Cinchotoxin ebenso wie das Methylciuchonin und dessen Analoge, mit Diazobeuzol- sulfosäure und Natriumamalgam in alkalischer Flüssigkeit die Fischer - Penzoldtsche Aideliydreaktion gab, hatte W. von Miller und Rohde anfänglich bestimmt, offen zu lassen, ob in den fraglichen Basen Aldehyde oder Ketone vorlägen, obgleich beispielsweise die Spaltung der China- alkaloide bei der Oxydation mit Chronisäuregemisch eigentlich nur dann glatt formulirt werden konnte, weun man annahm, dass der Rest, welcher bei dieser Oxydation in Cinchoninsäure resp. Chiniusäure übergeht, an das die Hydroxylgruppe tragende Kohlenstoffatom geknüpft ist. Später haben sich dann W. von Miller und Rohde bestimmt dahin ausgesprochen, dass das an Stickstoff ge- bundene, hydroxyltragende Kohlenstoffatom mit zwei Kohlenstoffatomen verbunden ist, wobei sie sich darauf stützten, dass das Methylcinehouin weder mit Silberoxyd zu einer entsprechenden Säure oxydirt werden kann, noch die weitere, für Aldehyde charakteristische Umwandlung seines Oxims in ein Nitril erlaubt. Viel entscheidender und klärender erwies sich jedoch in dieser Beziehung die von Koenigs beim Erhizen mit Phosphorsäure erzielte hydrolitische Spaltung des Cinchens und Chiuens in Merochinen und Lepidin bezw. p-Meth- oxylepidin ; denn da das Cinchen und Chinen die Anhydro- basen des Cinchonins und Chinins darstellen (vergl. oben), so wird — unter Berücksichtigung des tertiären Charakters des Hydroxyls der Chinaalkaloide — durch obige Spaltung festgestellt, dass der Lepidinrest, der unter anderen Be- dingungen als Cinchonin- resp. Chininsäure abgespalten wird, durch das hydroxyltragende Kohlenstoffatom mit dem Piperidinring der Chinaalkaloide verknüpft ist. Auch noch in anderer Richtung erwies sich die Merochinenspaltung klärend bezw. berichtigend. Durch die Untersuchungen von Koenigs ist festgestellt worden, dass Merochinen ebenso wie das Cincholoipon ein Piperidinderivat ist und ausser einer in der ß-Stellung befindlichen Vinylgruppe noch einen Essigsäurerest CHj • COOH oder eine Carboxyl- und Methylgruppe enthält. Ist ersteres der Fall, so muss der Essigsäurerest in der Y-Stellung angenommen werden, da das Merochinen bei der Oxydation mit einer salzsauren Sublimatlösuug unter Wasserstoffverschiebung in ß-Aethyl--,-Methylpyridin übergeht. Ist dagegen eine Methylgruppe und eine Carboxyl- gruppe vorhanden, so müssen beide entweder neben ein- ander in der -y-Stellung sich befinden, oder das Methyl in der -f-Stellung und das Carboxyl in der a-StelluiJg*); denn durch die Oxydirbarkeit des Meroehinens zu der *) Sollte es sich bewahrli- Koenigs als eine der vier optisi n, ilass die Loiponsäure, welche aktiven Formen der Hexahydro- als eine Orthodicarbonsäure nachgewiesenen Cincholoipon- säure folgt unmittelbar, dass im Merochinen die Carboxyl- gruppe der ß-Stellung benachbart sein muss. cinchomeronsäure erkannt hat, thatsäc' entsteht, so würde die Formel : H CH3 hI I/H '\ /\COOH NH für Merochinen unwahrscheinlich werden; nähme die Cincholoiponsäure die Formel: H CH3 Ciucholoiponsäiive denn du bei dieser Ai Ute, so würdt -,/H hCOOH l/COOH bei der Oxydation bei der zweifach carboxylirten Loiponsäure eine dreifach earbo.xylirte Siii halten sollen. Anders steht es mit der Formel: CH3 \ S/C3H3 jHa für Merochinen, dieser entspricht die Foruu CH, COOH ^1 hCOOH für Cincholoiponsäure, welche bei der Oxydati^ HOOC COOH h/ \/H 1 |\COOH HA Ha NH S'ebon würde. Eine solche Säure würde aber höchst wahrschein- lich Carboxyl abspalten und in eine zweifach carboxylirte Säure der Form; COOH , NcOOH übergehen. Die düng der Loi2)onsäure ist also mit der Formel: CH, COOH für Merochinen sehr gut 486 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 41. Die Carb(jxylgTuppe, die ebenso wie im Cincholoipon und eiue der beiden entsprecbendeu Gruppen in der Cincholoipousäure im Merocbiuen durch die Imidogruppe des Piperidius maskirt ist und erst nach der Nitrosirung bezw. Acetylirung der letzten hervortritt, wies Koenigs nach, indem er Ester des Merocbinens darstellte. Die Vinylgruppe ergab sich aus der Additionsfäbig- keit des Merocbinens im Zusammenbau mit seiner empiri- schen Formel und seiner in scbwefelsaurer Lösung mit 2''/oiger eiskalter Permanganatlösung unter Abspaltung von Ameisensäure erfolgenden Oxydation zu Cincboloipon- säure. Durch die Constitution des Merocliinens wird nun bewiesen, dass in den Cbinaalkaloiden keine Aetbylgruppe (in der ß-Stellung) entbalten sein kann, wie die Isoliruug von Cincholoipon aus dem syrupösen Nebenprodukt der Cbromsäureoxydation des Cinchonins und Cbinius etc. anzuzeigen schien, sondern dass statt dessen eine Vinyl- gruppe vorhanden ist. Dieses Ergebniss wird bestätigt durch die längst be- kannte und bereits oben erwäiinte Thatsache, dass die Cbinaalkaloide bei der Oxydation mit Permanganat in kalter und verdünnter schwefelsaurer Lösung Ameisen- säure abspalten und in die sogenannten „Tenine" über- gehen. Letztere sind von Skraup und Scbiilern als Carbon- säuren charakterisirt worden, welche nach Untersucbungen desselben Forschers, wie nach denen von W. von Miller und Rohde die beiden Kerne der zu Grunde liegenden Alkaloide nocb unverändert in ihrem ursprünglichen Zu- sammenhang enthalten. Unter Berücksichtigung des ümstandes, dass sieh die empirischen Formeln der „Tenine" von denen der zu- gehörigen Basen um ein Minus von CHo und um ein Plus von 20 unterscheiden, folgt hieraus, dass die Abspaltung von Ameisensäure bei der Bildung der „Tenine" in fol- gender Weise aufgefasst werden muss: R - CH = CH2 + 2O2 = R— COOHa + HCOOH. Es ist also die Teninbilduug, die ganz ähnlich auch bei der Oxydation des Dehydrocinchonins eintritt, ein weiteres Argument, dass die Cbinaalkaloide eine Vinyl- gruppe enthalten. Noch ein dritter Beweis hierfür ist von W. v. Miller und Rohde auf refraetometrischem Wege geführt worden; ferner ist hier zu erwähnen das von Koenigs bcobaeiitete Anlagerungsvermögen der Cbinaalkaloide für schweflige Säure. Nimmt man dann weiter noch den von Koenigs und Iloeslin erbrachten Nachweis hinzu, dass das Cin- choloipon aus reinem Cinchonin bezw. Chinin nicht entsteht, sondern ein Spaltungsprodukt der die Cbina- alkaloide stets begleitenden Diliydrobasen: Cinchotin und Dihydrochinin ist, so kann auch die Thatsache, dass aus Merocbiuen beim Erhitzen mit salzsaurer Subliraatlösung 7-Methyl-ß-Aethylpyridin entsteht, die Annahme einer Vinyl- gruppe nicht wankend machen. Jenes abnorme Ergebniss ist vielmehr, wie dies oben geschehen ist, auf eine Wasser- stotfwanderung aus dem Kern in die Seitenkette zurück- zuführen. Durch das Vorstehende ist man nun befähigt, die im Früheren aufgestellten B'ormeln, wie sie sieh unter Be- rücksichtigung der von W. von Miller und Rohde an- genommenen und experimentell gestützten StiekstoH'-Koblen- stofibindungen für die zweite Hälfte der Cbinaalkaloide er- gaben, zu einem vollständigen Bilde der Cbinaalkaloide zu erweitern. Dieselben stellen sich jetzt dar als: H„C! CH., C(OH) CH=CHo CH=CH., C(OH) • CH,R N III je nachdem man annimmt, ilass das Merochinen die Con- stitution hat: II— C— CH„ • COOH ^^ H 1I„C '^^--C{ HoC CII=CII, ^CH=CH., H„C CH„ CH, HX ^CH=CH oder /H H,C N H COOH Koenigs ist geneigt, der Formel I den Vorzug zu geben für Merocbiuen; W. von Miller und Rohde halten dagegen Foinicl 11 für wahrscheinlicher, weil das Mero- cbiuen relativ leicht Kohlensäure abspaltet; Säuren vom XV. Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 487 Typus der Pheuylessigsäure aber nicht. Träfe diese Formel II für Merochinen zu, so würde die zweite Hälfte der Chiuaalkaloide in der Foruiuliruug- von W. v. Miller und Robde die Conibinatiou zweier Pyrolidiuringe mit einem Piperidinring- darstellen, und mau liätfe dann an- zunehmen, dass bei der liildung des Apocincbens die am -,■ Koblenstoff beKndiicbc Metbylgriippc sich am Aufbau des entstehenden l'enzolringes unter Eingliederung be- theiligt, — ähnlich wie IJredt dies beim Uebergang der Kamphersäure in Hexahydro- und Tetrahydrometaxylol annimmt. Formel III für die Chinaalkaloide haben W. v. Miller und Robde für uuwahrseheiuHcb gehalten, weil dieselbe ihrer Ansicht nach mit der I5ilduug des Apocincbens nicht in Einklang zu bringen ist. Sollte es sich bewahrheiten, dass die Loiponsäure ein Oxydationsprodukt der Cincholoiponsäure ist, so würde, wie oben dargelegt wurde, auch aus diesem Grunde Formel III unwahrscheinlich werden. Eine Entscheidung zwischen Formel I und II kann augenblicklich nicht mit Sicherheit getroffen werden. In der von Koenigs befürworteten Formel ist die Stickstofl'- kohlenstoff brücke ein Theil eines Sechsringes, während die Cinchoninformel von Miller und Rohde einen Fünfring an gleicher Stelle aufweist. Die Versuebe des Verfassers, die dieser mit dem Cinchotoxin, dem Isomeren des Cinchonins angestellt hat, gründen auf der Thatsache, dass Verbindungen, welche 1 oder ■-' Metiiylcniiruppen an eine Carbonyl- (CO) Gruppe gebunden int halten, mit Amylnitrit Mouoisonitroso- bezw. ßisisonitrosd- Verbindungen geben Legt mau bei der Aufstellung einer Cinchotoxinformel die Cinchoninformel von Koenigs zu Grunde, so wäre das Carbonyl mit 2 Methylengruppen direkt in Bindung, während v. Miller und Rohde nur eine CHj-Gruppe mit dem Carbonyl verknüpft annehmen. Da es nur g:elingt, eine Monoisonitroso-Verbindung, nicht aber ein Bisisoni- trosocinchotoxin herzustellen, so würde dieser Versuch zu Gunsten der Formel nach v. Miller und Rohde sprechen. Einen experimentellen Beitrag zur Lehre von den 1 niclitakiistisciien Funktionen des (Unlabyrinthes liefert Robert Dreyfuss in Ptlüi;ers Archiv für die gesammte Physiologie (1900, Sl. Bd., 10., 11. und 12. Heft). Als Versuchsobjekt diente das Meerschweinchen, dessen Ge- hörorgan sich zu Exstirpationen des Labyrinthes besonders eignet, da die Schnecke nach drei Seiten frei in die Paukenhöhle hineinragt und deshalb bei genügender Operatioustechnik ohne Complicationserseheinungen leicht zu entfernen ist. Das Verbalten des normalen Thieres auf der Drehscheibe entspricht im Wesentlichen den unter diesen Umständen beobachteten Erscheinungen. Das ge- drehte Meerschweinchen krümmt den Körper nach der- jenigen Seite, welche der Drehrichtung entgegengesetzt ist, sodass also in Folge der auf dieser Seite auftretenden Muskelcontraction eine Concavität des Körpers sich be- merkbar macht. Zu gleicher Zeit wird der Kopf des Thieres nach der der Drehrichtung entgegengesetzten Seite, also der Krümmung des Körpers entsprechend, nach der coueaven Körperseite gehalten und ruckweise nach der convexen Seite, der Drebricbtung folgend, zurückgeschleudert, worauf derselbe wieder langsam nach der coueaven Seite geführt wird. Diesem Kopfnystagmus entspricht der Nystagmus der beiden Augen, die sich ebenfalls nach der der Drehrichtung entgegengesetzten Seite wenden, um alsdann nach der con- vexen Seite des Thieres zu schlagen und darauf wieder in die erste Stellung zurückzugehen. Die Abweichung so- wie die hierauf folgende Correctur der Augenstelliuig er- folgt bei beiden Augen nach derselben Seite. Nach Arretirung der Drehscheibe macht sich der sogenannte Nachschwiudel in der Weise bemerkbai-, dass sich der Kopf und die Augen in derjenigen Richtung bewegen, welche der während der Drehung innegehaltenen ent- gegengesetzt ist, während der Rumpf sich gerade streckt und kaum Spuren eines nachfolgenden Schwindels er- kennen lässt. In den ersten Stunden nach der Operation ist die Rumpfconcavität des einseitig labyrinthlosen Thieres durch keine Drehung auf der Drehscheibe aufzuheben, obgleich erwartet werden sollte, dass beispielsweise die Links- krümnmng eines linksseitig labyrinthlosen Thieres durch Linksdrehung der Scheibe compensirt werden könnte. Nach 6 — 24 Stunden ändert sich jedoch das Verhalten j des Thieres. Dasselbe nimmt wieder Nahrung zu sich, die Krümmung der Rumpfwirbelsäule sowie der Kopf- und Augennystagmus sind geschwunden, und nur die schiefe Lage des auf der operirten Seite etwas tiefer ge- haltenen Kopfes deutet äusserlich auf den operativen Ein- griff hin. Auf der Drehscheibe verhält sich das Thier in diesem Stadium bei Drehung in ungleichnamiger Rich- tung, welche also der operirten Seite entgegengesetzt ist, wie ein normales Thier. Bei gleichnamiger Drehung jedoch, also bei linksseitigem Defekte bei Linksdrehung, tritt keine Concavität des Rumpfes auf, wohl aber Kopf- und Augennystagmus in der beim normalen Thiere be- kannten Weise. Endlich frisst ein linksseitig operirtcs Thier auf der Drehscheibe bei massig starker Links- drehung ruhig weiter, während es bei entgegengesetzter Rotation zu fressen aufhört. Im Gegensatze zu diesen Erscheinungen stellt das Verhalten solcher Meerschweinchen, deren Bogengänge und Vorhof auf beiden Seiten entfernt wurden. Bei einem derartigen Thiere fehlen gänzlich die beschriebenen Symptome, die ein einseitig labyriuthloses Meerschwein- chen zeigt, die Concavität des Rumpfes sowie der Kopf- und Augennystagmus. IJesonders auffallend ist die all- gemeine Schlaffheit der gesammten Muskulatur, welche am deutlichsten fühlbar wird, sobald man ein einseitig labyrinthloses Thier auch des anderen Labyrinthes beraubt. In diesem Falle spürt man, wenn man die Operation am wachen Thier vollzieht, bei Entfernung des Labyrinthes ein plötzliches Erschlaffen des ganzen Thieres. Der Ver- lust des Muskeltonus macht sich bei der Ernährung inso- fern bemerkbar, als alle total labyrinthlosen Meerschwein- chen nicht im Stande sind, ihre Nahrung zu kauen, und deshalb in wenigen Tagen an Entkräftung zu Grunde gehen. Mit der Schwäche der Kau- und Schlingmuskula- tur vergesellschaftet sich eine Herabsetzung des Tonus derjenigen Muskel, welche der Athmung und Stimmbildung dienen, so dass das Tliier nur leise zu quietschen ver- mag. Die Schwäche der gesammten Muskulatur ist so gross, dass ein beiderseits labyrinthloses Thier kaum im Stande ist, sich von der Stelle" zu bewegen, und sich nur mit Mühe auf den Beinen zu halten vermag. Bei Rotation bleibt es ruhig auf der Stelle sitzen und zeigt weder Rumpfverdrehungen noch Kopf- und Augennystagmus. Bei Zerstörung der beiden Schnecken und gleichzeitiger 4S8 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 41. Eilialtuug- eines der beiden Labyrinthe oder Reste der- selben treten dagegen die angeführten Erscheinungen nicht auf, sodass die Ausfallsymptome auf die Zerstörung des Bogengang- und Vorhofapparates zurüclizuführeu sind. Demnach ist der Muskeltonus von der Funktion des Laby- rinthes in der Weise abhängig, dass das letztere der Er- regung des Kleinhirns, also desjenigen Hirngebietes dient, durch welches der Tonus der Körpermuskel und damit das Gleichgewicht vor allem bedingt ist. Für die Erklärung der geschilderten Erscheinungen ist vor allem die Thatsache von Bedeutung, dass, ab- gesehen von der ersten Zeit nach der Operation, ein ein- seitig labyrinthloses Thier bei Rotation in der mit der labyrinthgesunden Seite gleichnamigen Richtung dieselben Erscheinungen darbietet, wie ein normales Thier auf der Drehscheibe, also Rumpfkriimmuug sowie Kopf- und Augennystagmus nach der labyrinthlosen Seite, welcher nach der entgegengesetzten Richtung korrigirt wird; ferner Nachschwindel nach der labyrinthgesunden Seite und Unterbrechung des Fressens. Die Ausfallerscheinungen, die durch einseitige Zerstörung der Bogengänge und des Vorhofes im Muskeitonus zu Tage treten, decken sich also bei Drehung in der mit der iabyrinthlosen Seite un- gleichnamigen Richtung mit denjenigen Erscheinungen, die bei einem normalen Thiere durch Drehung hervor- gerufen werden. Bei einem linksseitig labyrinthlosen Thiere, welches nach rechts gedreht wird, entspricht der durch Entfernung des Labyrinthes entstandene Ausfall einer Funktionshemmung des linken, also ungleichnamigen Labyrinthes des normalen, in derselben Richtung gedrehten Thieres, während das vorhandene gleichnamige rechte Labyrinth bei beiden Thieren gereizt wird und die Con- cavität des Rumpfes verursacht. Bei Linksrotation aber wird das labyrinthlose Thier keine Rumpfkrümmung nach rechts zeigen, weil das mit der Drehrichtung gleichnamige Labyrinth wegen seines Nichtvorhandenseins functionell ausgeschaltet ist, und das rechte Labyrinth als das un- gleichnamige in seiner Funktion gehemmt wird. Kurz, bei Rotation nach links wird das rechte, also ungleich- namige Labyrinth des normalen Thieres in seiner Thätig- keit der Hauptsache nach gehemmt, das linke, also gleichnamige Labyrinth dagegen gereizt. Mit dieser Erklärung steht indessen die Thatsache im Widerspruche, dass beispielsweise bei einem links- seitig labyrinthlosen Thiere bei Linksrotation allerdings keine Rumpfconcavität der labyrinthgesunden Seite, wohl aber Kopf- und Augennystagmus auftritt, was nicht der Fall sein dürfte, da das vorhandene, mit der Drehrichtung ungleichnamige Labyrinth nach der entwickelten Theorie in seiner Funktion gehemmt werden soll. Diesen Wider- spruch erklärt D. auf folgende Weise. Da es wahrschein- lich ist, dass nicht alle Gebiete der Muskulatur von einem gleich starken Tonus beherrscht werden und dement- sprechend auch die Empfindlichkeit derselben für Reize verschieden ist, so kann es nicht überraschen, wenn ver- schiedene Muskelgruppeu auf dieselben, durch die Ro- tation entstehenden Reize in verschiedener Weise ant- worten. Ferner darf man annehmen, dass manche Muskelgruppen nur von einem, und zwar dem gekreuzten Labyrinthe, andere dagegen, welche, wie die Augen- muskel, auf sehr schwache Reize reagiren, von beiden Labyrinthen ihren Tonus erhalten. Da die Bewegungen der Bulbi stets eonjugirt sind, so werden z. B. der Rectus internus der einen und der Rectus externus der anderen Seite von demselben Laby- rinthe abhängig sein. Unter dieser Voraussetzung und der weiteren Annahme, dass „bei Rotation in einer be- stimmten Richtung das Labyrinth der mit der Drehrichtung ungleichnamigen Seite in seiner Thätigkeit in der Haupt- sache gehenunt wird", würde sich die Erscheinung, dass bei Rotation in der mit der labyrinthlosen Seite gleich- namigen Richtung keine Rumpfconcavität, wohl aber Kopf- und Augennystagmus auftritt, in folgender Weise erklären. Die Funktion des ungleichnamigen Labyrinthes wird zwar so weit gehemmt, dass keine Contraction der Rumpfmuskel, wohl aber noch eine Einwirkung auf den Augenmuskcltonus stattfindet. — Das gleichzeitige Auf- treten des Kopfnystagmus kann dadurch erklärt werden, dass man entweder, wie bei den Augenmuskeln, die Ab- hängigkeit desselben von demselben Labyrinthe, oder, als Folge der häufigen gleichgerichteten Augen- und Kopf- bewegungen, eine Coordination der beiden Bewegungs- vorgänge im Centralorgau annimmt. Die Abhängigkeit des Tonus der Gesamnitmuskulatur von der Funktion des Labyrinthes wird nicht nur durch Thierversuche, sondern bekanntlich auch durch die kli- nische Beobachtung dargethan, dass unter anderem bei Taubstummen häufig Störungen des Ganges gefunden werden. Dass nicht alle Taubstummen an Schwindel und Taumel leiden, hat, abgesehen von denjenigen Fällen, in denen überhaupt keine Labyrinthdefekte vorliegen, seinen Grund einerseits darin, dass ein Labyrinth genügt, bei gleichzeitiger Zuhülfenahme des Gesichtssinnes eineu leid- lich sicheren Gang zu ermöglichen, andererseits aber Schwindclerscheinungen bei völliger Zerstörung der Laby- rinthe überhaupt nicht auftreten, wie das Beispiel totaler Labyrinthexstirpatiouen an Meerschweinchen zeigt, und nur eine gewisse „Schwäche" der Muskel vorhanden ist, wobei allerdings der verschiedene Grad dieser Wirkung bei Taubstummen und den Versuchsthieren auffallend ist. Auch die mangelhafte Articulation einer grossen Anzahl Taubstummer erfährt durch die Kenntniss der Folgen von Labyrinthverlusten eine neue Beleuchtung. Die bei Meer- schweinchen beobachtete Unfähigkeit, laute Töne hervor- zubringen, ist eine Folge des herabgesetzten Tonus der Athemmuskel des Thorax, der Zwischenrippenmuskel, des Zwerchfelles etc., sowie der Stimmritzenverengerung, die durch die Atonie der Stimmbandabduktoren hervorgerufen wird. Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, dass die Störung des Articulationsvermögens der Taubstummen nicht nur durch das Fehlen des Gehörs, sondern häufig auch durch Labyrinthverlust mitbedingt ist, namentlich in denjenigen FüIIlmi, in denen die Taubheit eine totale ist. Endlicii spricht die Beobachtung von Gehörstörungen, weiche niclit selten mit der bei Tabes dorsalis auftreten- den Atonie der Muskel einhergehen, dafür, dass au den Störungen des Bewegungsapparates vielfach die Ent- artung des Tonuslabyrinthes mitbetheiligt ist. Wcffcner. „Ueber Zvvergrassen bei Fisclieii und hei Felclien insbesondere" ist eine Arbeit von Prof. Klunzinger jn Stuttgart erschienen. (Jahreshefte des Vereins f. vater- ländische Naturkunde in Württemberg. 56. Jahrg. 1900.) Verf. betont zunächst, dass nach einem Naturgesetz jede Thier- und Ptianzen-, wie auch jede Zellenart hin- sichtlich ihres AVachsthums sich innerhalb gewisser Grenzen — eines Maximal- wie eines Miuimalmaasses — hält, die nicht leicht überschritten werden. Individuen, die diese Grenzen nach der einen bezw. anderen Seite überschreiten, bezeichnet man als Riesen bezw. Zwerge. Riesen kommen innerhalb einer Art seltener zur Beob- achtung als Zwerge, am häufigsten noch bei Fischen, deren Wachsthum vielfach weniger begrenzt ist und auch im Alter noch fortdauert. Das viel häufiger sich findende Zwergthum (Nanismus), das meistens eine Folge un- XV. Nr. 41. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 489 günstiger Lebensbedingungen ist, bctrift't bald nur ein- zelne Individuen (varietas nana, degeneratio-, defonnatio), bald alle oder doch die meisten Individuen einer be- grenzten Oertlicbkeit, und zwar ganze Generationen hin- durch — so lange die ungünstigen Einwirkungen fort- dauern — und so erhält man Zwergrassen (subspecies nana s. minor s. exigua). Die Ursachen des Nanismus, die experimentell zu erforschen Scnipcr bestrebt gewesen ist, sind folgende: 1. Ungenügende Quantität oder auch Qualität der Nahrung, ungünstige Ernährungsverhältnisse überiiaupt. Die Folge sind Verkümmerung im Gesannntwafelisthuni und in der Ausbildung einzelner Theile. 2. Niedrige Temperatur, welche ihren Einfluss be- sonders auf kaltbluter (Poikilothermen) und Pflanzen, viel weniger auf Warmblüter (Ilomoiothermen) ausübt, welche im Staude sind, schädliche Einflüsse nach dieser Seite hin durch lebhafteren Stofl'wechsel zu regeln und auszugleichen. Semper fand, dass Liamaeus stagnalis noch unter 12° 0. fortlebte, allerdings ohne zu wachsen. Desgleichen wachsen auch Frösche im Winter im Freien nicht, auch nicht wenn sie als Kanhiuappen überwintern. Andererseits wurde bei Kaltblütern oft ein auffallend rasches Wachsthum bis zur Riesengrösse beobachtet, wenn man sie in warmes oder laues Wasser brachte, — voraus- gesetzt, dass sie solches überhaupt vertrugen — und zwar besonders deutlich bei aus warmen Klimaten stammenden Fischen. 3. Lichtmangcl. In welcher Weise bei chlorophyll- haltigen Pflanzen durch Lichtmangel die Ausbildung von Chlorophyll und die Assimilation hintenangebalten wird, ist allgemein bekannt. Nicht minder leiden Menschen und Thiere, soweit Lichtmangel bei ihnen nicht zur Lebens- bedingung geworden ist, dabei, sie verkümmern. Kaul- (piappen können durch Allhaltung des Lichtes an dem Durchmachen ihrer Verwandlung gehindert werden, wäh- rend sie dabei an Grösse bedeutend zunehmen. 4. Ungenügendes Wasservolumen bei Wasserthieren. Dass Aquarienthiere, zumal Fische, auch bei reichlichster Nahrung nicht ihre normale Grösse erreichen, ist eine be- kannte Erscheinung. Von de Varigny wird als Ursache in diesem Fall der Mangel au Thätigkeit und Bewegung angenommen. ö. Zusammengesetzte, durch Vereinigung der oben genannten und noch andcier nicht genügend bekannter Factoren entstandene Ursaciien. Hierauf scldiesst Verf. aus dem Verhalten in der Grösse und dem Grade der Entwiekelung bei aus derselben Brut, demselben Laich von ihm erzogenen Jungen bezw. Quappen von Rana tempo- raria, trotzdem gesonderte Lebensbedingungen nicht ge- scbaften waren. Hieran schliesst Verf. eine kurze Betrachtung über Acclimatisation und Artbildung an. Die durch die genannten Lebensbedingungen er- zeugten Uniändeiungen in der Organisation oder im physiologischen Verhalten befestigen sich, wenn diese Lebensbedingungen eine Reihe von Generationen hindurch die gleichen bleiben, es tritt eine mehr oder weniger deutlich hervortretende Anpassung ein, die aber, wenn nacii Wiederschafi'ung der früheren Lebensbedingungen bald auch vviedei- die ursprüngliche Form sich bildet, zunächst nur als Acclimatisation anzusprechen ist. Solche Umänderungen kommen schon innerhalb weniger Generationen zu Stande, unterliegen aber bei Kreuzung mit der Stammform sehr leicht dem Ruckschlage. „Wenn hierbei auch noch correlativ eine Mebrzalil von morpho- logischen und physiologischen Aenderungen gegenüber der Stammform eintreten mit zunehmender Neigung zur Vererbung, so können sich Rassen (subspecies) bilden, vom Werth einer Art." Die Bezeichnung Art ist aber erst dann berechtigt, wenn die Vererbungskraft und die Widenstandsfähigkeit gegenüber massig ver- änderten Lebensbedingungen solchen Grad erreicht haben, dass im I^auf der Generationen nicht sofort wieder ein Rück- schlag eintritt „und in der Regel auch die Fortpflanzungs- fähigkeit mit der Stannnform aufliört, wenn gegenseitige Unfruchtbarkeit eintritt." Der Erzeugung einer Art auf dem Wege des Exi)crinicntcs stellt sich bei höher organi- sirten Lebewesen insofern ein Hinderniss entgegen, als eine solche pliylogcnetische Anpassung nur innerhalb un- geheurer Zeiträume und bei Aufeinanderfolge einer grossen Zahl von Generationen möglich ist. Da- gegen lassen sich diesbezügliche Versuche und Beob- achtungen an vielen niederen Organismen, insbesondere den Bacterien, anstellen, bei denen man in verhältniss- mässig kurzer Zeit viele Generationen zu züchten im Stande ist. So gelang es z. B. Dieudoune, bei Farbstoff' bilden- den Bacterien durch Einschaltung von Zwischentenipera- turen und fortgesetzte Züchtung eine theilvveise oder voll- .ständige — aber nur als Acclimatisation anzusprechende — Anpassung an ursprünglich ungünstige Temperatur- verhältnisse zu erreichen. Die Ausbildung einer Art auf diesem Wege ist noch nicht gelungen, die Möglichkeit dazu aber vielleicht doch vorhanden, wie Verf. meint. „Auch bei der Bildung von Zwergformen und Zwergrassen können durcli Correlation Veränderungen morphologischer, wie physiologischer und ökologischer Art gegenüber der vermuthlichen Stammform entstehen, die nahezu den Werth einer Art haben. Dem einen Autor genügen sie zur Auf- stellung einer Art, der andere beschreibt sie nur als Rasse (subspecies)." Von den Zwergrassen bei Fischen zählt Verf. fol- gende auf: 1. Der Dorsch, der von Linne als eigene Art, als Gadus allarias L., beschrieben wurde, ist eine der Ostsee allein und mehr an den Küsten vorkommende Zwergrasse des Kabeljaus (Goduo morrhua L.). 2. Von den zahlreichen Rassen des Härings im engeren Sinne (als gute Arten des Härings hat man in unseren Meeren den Häring im engeren Sinne (Clupea ha- rengus L.), den Sprott (Glupea sprottus L.) und die Sar- dine (Clupea pilchardus Walb.) ist ein Theil als Zwerg- rassen zu bezeichnen, die zugleich Küstenfische sind, mehr die Ostsee bewohnen, je weiter nach Osten um so kleiner bleiben und auch eine andere Laichzeit haben. 3. Die Bachforelle ist als eine Zwergrasse der See- forellen aufzufassen. Einzelne und zwar besonders solche Bachforellen, die an den Einmündungen von Bächen in Flüsse sich aufhalten, erreichen indess auch eine beträcht- liche Grösse. „Die Grösse des Wasserbeckens steht mit dieser Rassenbildung offenbar in ursächlichem Zusammen- hang." 4. Haben Scliillinger und Br. Hofer (nach Mittlieil. V. Prof. Seeglin in llohenheim) im Tegernsec eine kleinere, mehr planktivore Tiefenform des SeeSaiblings (Saimo sal- velinus L.) von einer gi-össeren, mehr fleischfressenden Oberflächenform unterschieden. 5. Nach Mittheilungen von mehreren Seiten kommen im Stadtsee in Waldsee in Oberschwaben Zwergbarsche von nicht über 15 cm Länge vor, die mehr die Tiefe des Seees bewohnen und auch ciue etwas andere Laichzeit wie die anderen Barsche haben, von diesen sich aber sonst weiter weder in der Form noch in der Färbung u. s. w. unterscheiden. 6. Von den von Heinke in seiner Naturgeschichte der Fische (1882) beschriebeneu 5 Arten von europäisclicn bezw. deutschen Felchen spricht Verf. auch als Arten an: 490 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 41. 1. Coregonus oxyrhynchus L. = Schnäpel, leicht kenntlich an der weit über den Unterkiefer vorragenden Schnauze, Reusenzähne? In der Ost- und Nordsee vor- kommend. 2. Coregonus lavaretus L. = Maräue, Bodeuranke, Sandfelchen, mit viel weniger über den Unterkiefer her- vorragender Schnauze als beim Schnäpel, und als sehr wesentUclies Merkmal, mit kurzen und im Vergleiche zu 3. weniger zahlreichen Reusenzähnen, gedrungenem Schwanz- stiel und höheren Flossen, — besonders die Rückenflosse — , als bei 3. Weit verbreitet in vielen Lokalformeu, im Meere (Ostsee), tiefen Seeen Norddeutschlands und der Alpen. 3. Coregonus Wartmanni Bl. = Blaufelchen, gemeine Ranke, mit nicht hervorragender Schnauze, langen, zahl- reichen, gedrängten Reusenzähnen und schlankem, dünnem Schwanzstiel. In den grösseren Seeen der Alpen und Vor- alpeu. 4. Coregouus albula L. = kleine Maräne, Marenke, mit oberständigem Munde, vorstehendem Kinn, sechsmal so langem als hohem Körper, zugespitztem Kopf, Reusen- zähne ? In den tieferen Seeen des baltischen Höhenzuges, auch in Skandinavien und Finnland. Alle anderen als Arten unterschiedenen und be- nannten Coregonen Europas lassen sich als gute Arten bestreiten und werden besser als Lokalrassen bezeichnet. Bei einigen derselben ist die geringere Grösse das Haupt- und einzig sichere Merkmal. Sie sind Zwergrassen. Zu ihnen rechnet Verf. auch die 5. von Heinke als gute Art angesprochene Art, nämlich Coregonus hiemalis Jur. = Kilchen, Kropffelchen, und zwar betrachtet er sie als Zwergrasse von C. lavaretus L. C. hiemalis kommt be- sonders häufig im Bodensee vor. Fatio hält es für an- gezeigt, die kleinen Tiefefelchen des Bodenseees und des Genfer Seees als besondere Subspecies zu unterscheiden und zwar ersteren als Coregonus acronius Kapp. ^ Kilchen, letzteien als Coregonus hiemalis Jur. = Gravenche. Bezüglich Coregonus lavaretus L. erwähnt Verf. noch, dass von den im Bodensee bezw. üntersee vor- kommenden grösseren Formen dieser Art die Fischer im Untersee zwei Lokalrassen unterscheiden, nämlich den „Weiss- oder Silberfelchen" und den „Sandfelchen". Die von den Fischern angegebenen morphologischen Unter- schiede zwischen beiden konnte er aber ebensowenig be- stätigen wie Fatio. Wie den Kilchen als eine Zwergrasse des Sand- felchen, so betrachtet Verf. den Coregonus Wartmanni subspec. exigua = Gangösch als eine Zwergrasse des Blaufelchen. Der Unterschied zwischen beiden besteht in der Grösse, in dem Vorkommen und in der Lebens- weise. Der Gangfisch ist 26 — 30 cm lang, findet sich hauptsächlich im Untersee und bei Konstanz im Obersee, hält sich mit Vorliebe mehr oberflächlich auf. Das Blau- felchen hat eine Länge von 30—40 cm, lebt nur im Ober- sec und in den meisten Alpensecen und mehr in der Tiefe. Laichen thun beide zu anderer Zeit und an anderer Stelle. Alfred Liedke. Wetter-Mouatsübersicht. (September.)— Gerade wie in den vorangegangenen beiden Monaten, war das Wetter auch während des diesjährigen September in der einen Hälfte trübe, feucht und ziemlich kühl, in der anderen hingegen warm bei liäufigen Wechseln zwischen klarem Hinnuel und gewitterartigen Regen. In Folge der starken Bewölkung lagen bis gegen Mitte des Monats, wie das Beispiel von Berlin in nebenstehender Zeichnung ersehen lässt, die Temperaturen von Tag und Nacht wenige Grade auseinander und erreichten oft auch wäh- rend der Mittagsstunden nur eben die Höhe, welche sonst dem Durchschnitte des Tages entspricht. Aber vom 14. bis zum 17. trat eine starke Erwärmung ein, und dann blieben die Tage mehr oder weniger warm, wenn sich auch die Luft in einigen Nächten schon empfindlich ab- kühlte. Das Tagesmittel der Temperatur lag während Tcmpcruhmn ,m ßepUmhcrWOO. "'"■ Tagesmittel 1900. Tagesmiftel.nfrmpl BERIINER WerrERBUREAU. dieser zweiten Monatshälfte fast inuner mehrere Grade über dem normalen Werthe, und auch die Mitteltemperatur des ganzen Monats, die sich für Berlin zu 15,2° C. er- gab, wai- einen halben Grad höher, als hier nach fünfzig- jährigen Beobachtungen normal ist. Sonnenschein wurde in diesem Jahre zu Berlin sehr wenig mehr als sonst im September verzeichnet, im Ganzen 150 Stunden, von denen mehr als zwei Drittel auf die zweite Monatshälfte entfielen. Fast überall in Deutschland zeigte sich die Zwei- theilung des Monats schon an den Maxinialtcmperatnren, die ihre grüssten Höhen in Ndnldcutsciiland um den 17. und 24. erreichten. In Süddeutscldand trat die grössere Wärme nach Mitte Septeniher weniger deutlieh hervor, und auch das iMimatsniittcl wurde dort um einen vollen Grad von der nonnaleu Scptcnibertemperatur übertroffen. Die Niederschläge, welche unsere zweite Zeich- nung veranschaulicht, waren im letzten September in ganz Deutscidand zahlreich, ihre Erträge aber im Allgemeinen gering. Der Monat begann mit dici Regentagen, an denen in der Provinz Ostpreussen und im Süden grössere Mengen fielen. Dann iiörten die Niederschläge in Süd- deutschland grösstentheils auf, während sie im Norden, besonders an der Ostseeküste ziemlich ergiebig blieben. Seit dem 13. Hessen sie auch hier an Stärke wesentlich nach, und in den nächsten zwölf Tagen herrschte allgemein Trockenheit, die nur durch leichte Regen zeitweilig unter- brochen wurde. Erst am Nachmittag des 24. September traten zahlreiche Gewitter auf, am Anfang einer Reihe von Tagen, in denen zwar, wie in den vorangegangenen, viele Stunden mit Sonnenschein, dazwischen aber häufige Regenschauer vorkamen. Am heftigsten waren diese an der Nordseeküste, wo sie am 26. stürmische West- winde begleiteten, sowie in Südwestdeutschland. Die Monatssumme der Niederschläge, die sich im Mittel aus den berichtenden Stationen auf 37,5 Millimeter bclief, war viel geringer, als sie im September in Deutsch- land zu sein pflegt. Im vorjährigen, besonders nassen XV. Nr. 41. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 491 September ergab sie .sich, in enfsprccbender Weise be- rechnet, mehr als dreimal so gross, doch kamen im letzten Jahrzehnt auch noch trockenere Septembermonate vor. Besonders schwer hatten diesmal die Provinz Posen und ein grosser Theil von Schlesien unter der schon seit Monaten anhaltenden Trockenheit zu leiden, durch die alle Hackfrüchte und Futterpflanzen in ihrer Ent- wickelung gehemmt wurden. Ziemlich einfach waren im vergangenen Monat die allgemeinen Luftdruck verhältnisse Europas gestaltet. Durch ■? rli.fefe^ ^ lll^gT Dßurschland. I ' I I I I l\~'A i-3.SGphJ-rt]l1 , 1500 1899 98 97 96 95. seine mittleren Breiten wanderte langsam ein barometrisches Maximum nach dem anderen, bei den l)ritischen Inseln oder auf dem biscayischen Meere erscheinend, etwa zwei bis drei Tage auf dem westlichen Continent verweilend und dann sich nach Russland entfernend. Nördlich und östlich von ihnen befanden sich ziendich tiefe Depressionen, die auf dem norwegischen oder dem weissen Meere auf- traten und ebenfalls ostwärts zogen. In Deutschland wechselte der Wind demgemäss fast ausschliesslich zwischen südwestlicher und nordwestlicher Richtung und wehte in Folge der Nähe des Maximums gewöhnlich in geringer Stärke. Erst in der letzten Septemberwoche, als die Minima tiefer nach Süden eindrangen und in Schweden, Nordwestrussland und Dänemark am 26. und 27. September schwere Südweststürme verur- sachten, wurden auch in Deutschland die Winde heftiger und führten sehr unbeständiges Wetter herbei. Gegen Ende des Monats erschienen mehrere Depressionen bei den britischen Inseln und breiteten starke Regengüsse bis weit nach Frankreich aus, welche dort, noch vermehrt durch ein sehr flaches Minimum, das am 28. und 29. in Südfrankreich verweilte, üeberschwemmungen zahl- reicher Ortschaften an der Rhone, Loire und ihrer Nebenflusse erzeugten. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Dr. Stühr, Privatdocent der Philosophie in Wien, zum ausserordentlichen Professor; Dr. Nestler, Privat- docent der Botanik an der deutschen Universität Prag, zum ausser- ordentlichen Professor. Berufen wurden: Dr. G. Aschaffenburg, ausserordent- licher Professor in der medizinischen Fakultät und Hilfsarzt an der Universitäts-Irrenklinik zu Heidelberg, nach Magdeburg als leitender Arzt an der Abtheilung für geisteskranke Verbrecher am Straf gefängniss; Regierungsbauraoister Boost in Magdeburg, früher Assistent an der technischen Hochschule in Berlin, als ordentlicher Professor für Statik der Hochbaucoustruktionen, an die technische Hochschule in Aachen; Hofrath Dr. Joh. Nep. Oeller, ausserordentlicher Professor der Augenheilkunde in München, als ordentlicher Professor und Direktor der Augenklinik nach Erlangen; Dr. Lungwitz, Bezirksthierarzt in Grossenhain, als Professor an die thierärztliche Hochschule in Dresden; Ober- ingenieur Goerges, Direktor der Firma Siemens & Halske, an die technische Hochschule in Dresden als Professor der all- gemeinen Elektrotechnik und Direktor des elektrotechnischen Xnstitutes. Es starben: Geheimrath Dr. Albert Bernhard Frank, Professor der Botanik an der landwirthschaftlichen Hochschule und Vorsteher der biologischen Abtheilung im Kaiserlichen Ge- sunilheitsamt zu Berlin; Prof. Rudolf Arndt, ausserordentlicher Professor der Psychiatrie und Direktor der Klinik für Irrenheil- kunde in Greifswald; Dr. Robert Hegler, Privatdocent der Chemie, in Rostock. L i 1 1 e r a t u r. Max Brückner, Vielecke und Vielflache. Theorie und Ge- schichte. Mit 7 lithographirten und 5 Lichtdruck-Doppeltafeln, sowie vielen Figuren im Text. VIH u. 227 Seiten. 4°. Verlag von B. G. Teubner, Leipzig 1900. — Preis 14 M. Vorliegendes, vorzüglich ausgestattetes Werk stellt sich die Aufgabe, die Entwickelung der Lehre von den Vielecken und Vielflachen bis auf die neueste Zeit zu verfolgen. Es ist die Be- handlung dieser Aufgabe ebenso lohnend wie nothwendig, denn seit der bekannten Schrift Chr. Wiener's vom Jahre 18t)4 ist das in Rede stehende Gebiet wesentlich weiter und tiefer durch- forscht, eine Zusammenfassung aller gesicherten Ergebnisse aber nicht gegeben worden. Die zahlreichen Arbeiten der letzten Jahrzehnte über die durch Geraden [und Ebenen begrenzten Ge- bilde zeigen, dass dieses Gebiet, das an die Elemente grenzt, eine ähnliche Anziehungskraft besitzt wie die neuere Dreiecksgeometrie. Der Verfasser hat seine Darstellung so gestaltet, dass er vor allem eine möglichst vollständige Ueliorsicht über die gewonnenen Resultate bietet und dabei bestiuidig auf die tiuellen hinweist. Zunächst wird die allgemeine Theorie der Vielecke entwickelt, dann werden besondere Vielecke behandelt. Hierauf folgt die Untersuchung der Vielflache, und zwar zuvörderst deren all- gemeine Theorie, dann die Theorie der Euler'schen Viel- flache, die besonderen Euler'schen Vielflache und schliesslich die besonderen Vielflache höherer Art. So verlockend es ist, an der Hand der gründlichen Darlegungen des Verfassers ein Bild von der Entwickelung der Lehre von den Vielecken und Vielflachen zu geben, so wenig lässt sich dies in dem Rahmen, der in dieser Wochenschrift Besprechungen der Fachlitteratur naturgemäss gezogen ist, auch nur in Umrissen durchführen. Der Leser muss auf das Werk selbst verwiesen werden, dessen Studium ihm viele Anregungen und Belehrungen geben wird. Es unter- liegt keinem Zweifel, dass das Brückner 'sehe Werk für lange Zeit Grundlage und Ausgangspunkt aller weiteren Untersuchungen dieses Gebietes bilden wird. Ganz besonders sei noch auf die vorzüglichen, höchst werth- voUen Abbildungen hingewiesen. Mit grösster Ausdauer hat der Verfasser in jahrelanger Arbeit die Polyeder modellirt und sie nun durch Lichtdruck reproduciren lassen. Die Original- sammlung des Verfassers, der am Gymnasium in Bautzen thätig ist, kann von Interessenten jederzeit besichtigt werden. Wir möchten wünschen, dass diese Modelle vervielfältigt werden, bezw. dass die Originalsammlung dauernd erhalten bleibe. Dass dem besprochenen Werke eine grosse Verbreitung sicher ist, liegt zu Tage, denn wohl jede Bibliothek einer höheren Lehr- anstalt dürfte es in ihren Bestand aufnehmen. G. Wolflf, Dr. O. J. B., Ueber den Ursprung der Elektricilät und ihre unmittelbare Wirkungsweise. Leipzig-Reudnitz. — H .Mark Inhalt: Dr. J. Brunner: Pi» Constitution der Chinaalkaloido. - E.\perimenteller Beitrag zur Lehre von den nichtakustischen Funktionen des Ohrlabvi iiithes. — Ueber Zwergrassen bei Fischen und bei Felcben insbesondere. — Wetter-Monatsübersicht. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Max Brückner, Vielecke und Vielflache. Theorie und Geschichte. — Liste. 402 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 41. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Soeben erschien : Die Entwicklung der Biologie im 19. Jahrhundert. Vortrag auf der Versammlung deutscher Naturforscher zu Aachen am 17. September 1900 gehahen von Oscar Hertwig, Direktor des iiuatomisch-biologisclicn Instituts ilcr Ueiliiiur Uuivcrsitiit. Preis: i MarU. lerJr. Diiinmlfro ilfrlapbiiililiniiMuiiB iu gcrliii SW. 12. giwwfrUr. 94. isocücii cvidiicucii: tB ^eifter^ §nbt. ^lotnan (i)iiftou 3ol)aitiicö Ärau^. 360 Seiten ©ftiui. (Sel;cftct '^,50 IIT., clcg. gcbittibcn :,,60 HL penlicn unb ^räumen. — ^r-^ Bidjtttngcn -^^ — "»JaE *. iKciuftcin. (82 Seiten ©ftati. (Sefjeftet 2 IXl., eleg. gebun&cii 3 IlT. Turbinen Quecksilber- ünterbreeher Gratis •« > franko liefi-rn wir den 3. Sfaclltrag l.liili 1897 "bis Juni 1,^91)) zn unsere in Virlagskat.-tlog. Ferd. Dümmlers Verlagsbuchh., liL-rlin SW. 12. Ziniinerstr. 114. Ernst H. L. Krause, Nova Synopsis Rubornm Germaniae et Virpniae. Pars I. 4° mit 12 Tafeln, kann gegen Einsendung von 10,50 Mark dircct vom Ver- fasser bezogen werden. Prospekte gratis. Dr. med. Ernst H. L. Krause in Saarlouis. Ferd. Dümmlers Verlagsbh. Berlin. Kalisalzlager Otto Lang-, 48 Seiton mit 4 Abbildungen. Preis 1 Maili. PATENTBUREAU airich R. JVtaerz Jnh: C. Schmidtlein.Jngenieur Berlin NW., Luisenstr. 22. ISBB UKM Ferd. Dümmlers Verlai^slmchliandluiig in Berlin SW. 12. itt0 f iebfölfben iiölkrlino, f fiiauö, fimifo UlMl Df'far Silciu = .s>nttiu(icu. 3o4 gtitcit gr. 8". |Ircts: (Scijcftrt 4,50 itl., tUg. gclJunben 5,60 p. oloöifrij^ Priefe. Dr. Cfntft Sicffc, *Utüfc[jor am ScffiiiotSoiiiiiaftum in Scrliii. I. ^ntnöfäfjc bei- ^agenforfc^unc;. II. "gt^ranös ^e^anöfung öer f;i)or-gogen. '2GÜ §ritcn gr. 8". ^vds: ©cljeftct 4 p., cleg. gcbuiiöeu 5 Der ^tl^cift. ^inc ^fimmc aw:» bcm ^jl^en. iKobcrt WiitlO'3. 154 «(fiten (Drtno. flicis: OScIjeftet 2 p., deg. gcbiitiöcii 3 p. Chemisches Ijillsbuch. Atomgewichte und deren Multipla, Um- rechnungsfaktoren und massanalytische Constanten. Von Dr. Jovan P. Panaotovic, A.ssistent am technolo^. Institut der Universität Berlin. 70 Seiten kl. Oktav. In ■»ie^fMaiiicin l^eiiii'iiliaiKl ä Hark. Weidmannschen Buchhandlung iji Berlin, uatiirwissen- schaftliche LehrlMieher betreffend, empfelilen wir besonderer Beachtung. Die Verlagsbuchhandlung. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potoniö, Gr. Liehterfelde-West bei Berlin, Potsdainerstraase 35, für den InseratentheiP Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Redaktion: f Dr.H. Potonie Verlag: Ferd. Düinmlers VerlagsbucKhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. Sonntag, den 21 October 1900 Nr. 42. Abonnement: Man abonnirt bei aUen Buchhandlungen und Post- ^ Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 -A. Grössere Aufträge eut- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jl 4.- es sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 A extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. ][ bei allen Aunoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdi-nok ist nnr mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Nidologisches II. Von Seh enk ling-P rü v6 1. In der Mittheilung über abnorme Neststilude wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass der Vogel, sobald er die von seiner Art bevorzugte Niststätte gegen eine an- dere vertauscht, nicht selten auch zur Verwendung eines anderen Nistinaterials, als des sonst üblichen, gezwungen ist. Mit der Abvveiclmng vom typischen Nestbau geht also theilweisc eine solche von den herkömmlichen Bau- stoffen Hand in Hand, die sich nach dem Gutdünken und nacli dem Geschmack des nestbauenden Vogels richtet. Ich glaube nicht zu viel zu sagen, wenn ich behaupte, dass die Fortschritte menschlicher Kultur in diesem Punkte eine rückwirkende Kraft auf die Vögel ausüben. Gewisse Vögel, die jetzt ihre Nester nur mit den Abfällen unserer Fa- briken bauen, mussten sich dazu notlivveudig eines anderen Materials bedienen, als diese Fabriken noch nicht existirten. So bauen z. ß. in der Nähe der französischen Fabrikstadt Rouen viele der dort wohnenden Vögel ihre Nester aus den Enden der Garn- und ßaumwoUenfäden, die haufen- weise umherliegen, wie denn der Vogel zum Nestbau im Allgemeinen das Nächstliegende verwerthet. Vögel, die sich dem Menschen attachirt haben, benutzen gern die Abfälle seiner Kultur, Reste gewobener Stoffe, Tuch- und Seidenläppcben, Zwirnendchen u. s. w. und der Buch- fink bekleidet die Aussenwand seines Nestes mit Flechten, die er an demselben Obstbäume findet, in dessen Ast- gabel er sein Nest angelegt. Vom Tannenhäher weiss man indess, dass er die Baustoffe von weit her zusammen- trägt. Unter hörbarem Knacken bricht er dünne und dürre, mit Bartflechten behangene Aeste von allen Nadelbaum- arten, auch von Eschen und Buchen ab, um sie als Unter- lage seines Nestes zu benutzen. Recht schwer fällt es dem Alpensegler, Baustoffe für sein Nest zusammen- zubringen, da er wegen der Schwierigkeit, sich wieder zu erheben, den Erdboden wohl nie freiwillig betritt. Gir- tanner hat denn auch beobachtet, dass der Vogel das Nistmaterial in der Luft sammelt. Es bestellt aus Heu, Stroh, Laub und anderen Gegenständen, die der Wind in die Luft entführte und die vom Vogel fliegend erhascht werden. Theilweisc gewinnt er das Material auch, indem er reissend seiniell über eine Wasserfläche oder den Erd- boden hinschiesst und es von da wegnimmt. Auf tiefster Stufe in Bezug auf Nestbau stehen wohl die Strausse, die ihre Eier einfach in Erdmulden legen. Aus dem Bestreben dieser ältesten Vögel, beim Verlassen des Geleges dasselbe durch aufgeworfenen Saud oder Grasbüsehel den Blicken der Eierräuber unsichtbar zu machen, wie von Tristram in der Wüste und von Bodinus beim Nandu im Zoologischen Garten zu Berlin beobachtet wurde, mag sich der merkwürdige Nestbau der Gross- fusshühner und vielleicht auch der der übrigen Vögel entwickelt haben. Betreffs des Nandunestes sei noch erwähnt, dass nach den Bodinus'schen Beobachtungen das Männchen ausgerissene dürre Grasbüschel, Laub, Halme u. dergl. auf ganz merkwürdige Weise in die seichte Mulde zu bringen sucht. Im Dahinschreiteu scharrt es die Niststoffe hinter sich und fährt damit solange fort, bis sie in die Nähe der Vertiefung gelangen, in welcher sie dann vom Weibchen nach bestem Ermessen geordnet werden. So trifft auch hier, wie bei den meisten Vogel- arten, die Thatsache zu, dass das Männchen beim Nest- bau nur Handlangerdienste verrichtet. Dass das in das Nandunest eingetragene Material lediglich eine Schutz- decke für die Eier und nicht eine Unterlage für die junge Brut sein soll, geht daraus hervor, dass die jungen Vögel das Nest sofort nach dem Ausfallen verlassen, wie denn bei allen Autophagen die Nester von spartanischer Ein- fachheit sind. In höchst primitiver Weise sorgen für ihre 494 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 42. Nachkommeu auch die in Australien beheimatheteu Wall- nister. Die Busch- und Grossfusshühner scharren Haufen von vegetabilischen Substanzen zusammen, in welchen mehrere Weibchen ihre Eier, nach Haacke's Beobachtungen l)is 2 m tief, unterbringen. Durcii den Verwesungsprozess der die kolossalen Haufen (man beobachtete einen solchen von 50 m Umfang) bildenden Vegetabilicn wird eine be- deutende Wärme entwickelt, 95° F., welclie die Eier aus- brütet. Das im nördlichen Celebcs lebende Hammerhuhn bringt seine Eier in metertiefen, in vulkanischem Sande angelegten Löchern unter, in deren Innern von Rosenberg 44,4° C. constatirte, während die Lufttemperatur nur 27,8° betrug. Eine dritte Art schliesslich vertraut die Eier in der Nähe warmer Quellen dem Erdreich an. Fortgeschrittener im Nestbau waren dann die Vögel, welche, anstatt eineu Haufen aufzuwerfen oder ihre Eier in einen solchen zu scharren, mehr oder weniger tiefe Höhlungen gruben, um das Gelege darin unterzubringen. Bei dieser .einfachen Vertiefung ist es geblieben beim Pinguin, dessen Junge bald nach der Geburt ins Meer springen. Andere Erdnister legten unter der Erde eine förmliche Wohnung an, die einen gewissen geometrischen Instinkt verräth. Dahin gehört der Bienenfresser, welcher zur Anlage seiner Nisthöhle sandige oder lehmige Fluss- ufer wählt; findet er solche nicht, so gräbt er nolens volens schräge Gänge in den flachen Boden, wie es Heuglin im steinigen Arabien, Tristram in Palästina und Sounders im südlichen Spanien beobachteten. Die bis 2 m lange Höhle hat einen Durchmesser von 5 cm und endet in einer etwa 15 — 18 cbcm haltenden Kammer. Eine Unterlage ftü' das Gelege wurde von Brehm in keinem der von ihm untersuchten Nester gefunden. Es bildet sich aber aus den von den Jungen nicht verzehrten Insektentheilen, wie aus den von den brütenden Alten ausgespieenen Gewöllen nach und nach ein förmliches Sitzpolster im Innern der Nistkammer, sodass die Jungen einer Unterlage wenigstens nicht ganz entbehren. Linder- maiers Ansicht, dass der Vogel beim Nestbau seine Füsse nach Art einer Mauerkelle verwende und den leicht ab- zukratzenden Sand hinter sicli unter dem Bauche hin und so allmählich aus der Höhle herausschafte, steht bisher isolirt da. Allgemein wird angenommen, dass er sich dabei gleich dem Eisvogel des Schnabels bedient. Die von Alcedo angelegte Nisthöhle wird nur bis 1 ra tief in das Erdinnere geführt, steigt etwas nach oben und endet gleichfalls in einem backofenähnlichen Räume. Der Eis- vogel ist aber mehr Ingenieur, denn in geschickter Weise führt er die Röhre um sich bietende Hindernisse, wie Steine u. s. w. herum. Während neu gearbeitete Kessel, ohne Eier, nicht eine Spur von Niststoff enthalten, fängt der Vogel mit Beginn des Eierlegens an, die Höhlung mit dem als Gewölle ausgespieenen Gräten und Schuppen der verzehrten Frische auszupolstern, so dass diese eine gleichmässig vertheilte, fast centinieterhohe Schicht bilden, die als schlechter Wärmeleiter die Eier vor schädlicher Abkühlung schützt. Die Uferschwalbe schliesslich führt einen ganz ähn- lichen Bau wie die genannten Arten auf. Naumann meint, dass es ans Unglaubliche grenze, wie ein so zartes Vögelchen mit so schwachen Werkzeugen ein solch Riesenwerk vollbringen könne. Bei diesem Vogel findet man nach Beendigung der Erdarbeit die backofenförmige Erweiterung mit Federn, Haaren und etwas Wolle sehr weich und warm ausgelegt. Auch die Sturmvögel graben an der Küste Löcher von 60 cm Tiefe, und der Sturm- taucher legt eine meterlange Höhle an, die eher einem Kaninchenbau als einer Vogelwohnung ähnelt; auch die Nisthöhlen des merkwürdigen Fratercula arctica haben Aehnlichkeit mit einem solchen. Der Vogel ist bei seiner Arbeit so eifrig, dass er sich vollstiindig mit Torferde einschmiert, aber allen Schmutz säuberlich entfernt, ehe er zum Brutgeschäft schreitet. Nach und nach fingen auch die einfacher bauenden Vogelarten au, die Erdmulden mit weichem Material auszulegen uud so entstand das Nest. Andere Vögel werden ihre Eier anstatt in Erdlöchern in Felsenrissen und Baumhöhlungen untergebracht haben. Bei etwaigem Mangel an letzteren legten sie ihre Eier vielleicht auf hori- zontal gerichtete breite Aeste; womöglich suchten sie eine Stelle, von welcher sieh die Rinde gelöst hatte, so dass die Eier sicherer lagen. An der borkenfreien Stelle zeigten sich dann vielleicht die Urheber dieser Erschei- nung. Als Insektenfresser verfolgten die Vögel dieselben und suchten im Holze des Baumes nach anderer Beute. Bei Ausübung der Jagd wurden diese Baumlöcher tiefer, zahlreicher; schliesslich wurden sie zu Niststätten. So mögen es die Spechte betrieben haben, die als Typus der Höhlenbrüter anzusehen sind. Die Spechte sind ihrer Lebensweise nach als echte Baumthiere zu bezeichnen, welche mit nur geringen Ausnahmen fast ausschliesslich auf Bäumen Aufenthalt nehmen. Die Baumformen legen ausnahmslos ihre Höhlungen auf Bäumen an, nur die Bodenformen bedienen sich gelegentlich, z. B. Colaptes mexicanus, oder immer, Geocalaptes arator, in An- passungen an ihren Aufenthaltsort natürlicher Löcher in Felsen oder graben sie sich künstlich in Sandwändc ein. Prof. Marshall erzählt von einer höchst seltsamen Art des Nestbaues, die bei zwei Micropternus-Arten, nämlich bei rufiuotus in Tenasserim und bei gularis auf Ceylon beobachtet worden ist. In Indien giebt es eine Anzahl heftig stechender Ameisen, welche wie manche südameri- kanische Termiten aus fetter Erde, Mist u. dergl. noch besonders bearbeiteten Substanzen an den Zweigen der Bäume hängende Nester anlegen. An diese machen sich die brutlustigen Micropternus, fressen die Bewohner, höhlen das Bauwerk in geeigneter Weise aus und be- ginnen dann darin das Brutgeschäft. Friedlicher als diese Spechtarten ist der Pitpit Jamaikas. Er sucht vor dem Nestbau auch Siedelungen von Kerfen auf, nämlich die von den Zweigen herabhängenden Nester der Papier- wespe, in deren Nachbarschaft er sein Nest in niederes Gebüsch baut. Auch Verwandte von ihm zeigen Hin- neigung zu dieser Nachbarschaft und glauben sich ohne Zweifel durch die Nähe dieser gefurchteten Kerbthiere gesichert uud vertheidigt. Zur Anlage der Höhlung be- nulzen die Spechtarten kranke und gesunde Bäume. Den Eingang bildet ein merkwürdig regelmässiges Loch. Der sich anschliessende Schacht verläuft zuerst eine kurze Strecke gerade oder etwas schräg nach unten und führt dann senkrecht abwärts. Die Länge dieses letzteren Theiles richtet sich nach der Grösse und dem Alter des Vogels und soll nach Audul)on bei dem gewaltigen Elfen- beinschnabel, Canipophilus principalis, oft 5 Fuss er- reichen, während sie bei unserem Schwarzspecht bis gegen 16 Zoll lang ist. Der Schacht ist oft so glatt, als ob er von der Hand des geschicktesten Schnitzers hergestellt wäre. Die bei der Arbeit losgeschlagenen Spähne werden vom Grünspecht sorglich bei Seite geschafl't, um das Nest nicht zu verrathen. Man hat dies zwar in das Reich der Fabel verwiesen, doch erzählt der feine Beob- achter Wilson dasselbe auch von Dryobates villosus. Das Weibchen legt seine Eier auf den nackten Boden des Brutkessels, wenn sich nicht zufällig etwas Mulm in dem- selben befindet. Interessant in dieser Beziehung ist jenes Grünspechtnest, das man in einer morschen Birke fand und dessen Unterlage aus Genist, Spänen, Flechten und IJirkenkätzehen bestand, über welchen Stoffen eine Lage XV. Nr. 42. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 495 IVisclier Blätter vou Ajueaga genevensis, Glechoraa hcde- rticea, ßetula alba, B. angustifolia, Achillea millefoliunj, Kroiiymus europaea und Kiefeninadeln ausgebreitet war. Sollte diese Höhlung, da die Spechte weiche Stoffe pflanz- lichen oder thierischen Ursprungs zur Auspolsteruiig er- wiescnerniaassen nicht benutzen, vielleicht vou einem Eich- liünichen oder Siebenschläfer angelegt worden seinV Aehnlich wie die Si)ecbte verhalten sich in der Nest- anlage die Papageien. Sie suchen sich kernfaule Bäume aus und machen sich im Nothfalic auch an gesunde Aeste. Wie dort ist auch hier die Nisthöhle säuberlich ausgemeisselt und ab und zu wird auf dem Boden des lirutraumes etwas Mulm als weichere Unterlage für die Kicr zusammengescharrt. Nur wenige Ausnahmen ver- wenden Sorgfalt auf die Herstellung des Wochenbettes, so die rei/.cndc afrikanische Psittacula roseicollis. Brehui erzählt, dass diese Psittacula feine Zweige abschäle, die gewonnenen Rindenstrcifeu zwischen die Bürzelfedcrn scliiebe und so beladen der Nisthöhle zufliege, um den Baustoff dort zu verwertben. Das ist unbedingt ein Uni- kum im Vogelleben. Warum benutzt der Vogel nicht den Schnabel als Transportmittel? Auch Platycercus barnardi polstert nach Goulds Beobachtungen seine Nisthöhle mit i''aserwerk aus. In baumarmen, felsigen Gegenden ricbten sich die Papageien in Steinklüften häuslich ein, so Conurus rupicola in den Oordilleren Perus, der Hauben- kakadu in dem zerklüfteten Fclswerk an den Ufern des .Murrayflusses, welches stellenweise ganz durcblöehert er- scheint und ein beredtes Zeugniss für die Kraft und Festigkeit des Kakaduschuabels ist, vor allem aber Bol- Itorhynchus patagonus, der in Felscnwändcn im südlichsten Tlieilc Südamerikas colonicrnwcisc brütet. Sind passende Nistiäume in den Klippen nicht zu linden, so suchen sich die Vögel weichere, tbonige Schiebten auf und graben sich selbst geeignete Brutstätten. Der nieerblaue Arara legt nicht selten seine Höhlungen in den steilen Uferwandungen der Flüsse an und Euphema petrophile nistet au der vegetatiousarmcn West- und Südküste Australiens nach Art der Lumnie, unmittelbar am Wasser in einer steilen Wand untcrlialb einer überhängenden Kli])pe. Der in der liöclisten Gcbirgsrcgion Neuseelands lebende Nestor meri- (lionalis ist gezwungen, sein Wticlicnliett auf nackten Steinen aufzuschlagen und der siidamerikauische Bol- liorhynchus monachus ist insofern ganz aus der Art ge- schlagen, als er ein wirkliches Nest ausserhalb einer Höhlung baut. Schliesslich sei noch des merk- würdigsten aller Papageien, des Kakapo, gedacht, der in den Höhlen unler dem Gewurzel der Bäume lebt und wohl auch selbst solche gräbt, wie J. von Haast annimmt. Dasselbe beobachtete Hudson an der Prärieeule. Obwohl diese Charaktervögel Amerikas den Viscachas iu den meisten Fällen ibre Höhlen verdanken, graben sie doch auch selbst solche. Es sind 1 — 4 m lange Röhren, die sich am Ende erweitern; iu dieser Erweiterung befindet sich das aus trockenem Grase und Wolle, nicht selten aber auch ausschliesslich aus Pferdemist bestehende Nest. Auch zwei Gansvögel richten ihre Woeheustube in Höhlen her; es sind dies die Rostgans und die au un- serer Nord- und Ostseeküste vorkommende Biandgans, welche in Dachs- und Fuchsbauen brütet. Dass sich der Fuchs au diesem Mitbewohner seines Baues nicht ver- greift, ist wunderbar genug, aber zu verstehen, wenn man weiss, dass sich die Gaus, ob alt oder jung, mit ausser- tirdeutlichem Muthe seinem Feinde entgegenstellt. Auf Sylt legt man für sie übrigens künstliche Bauten an, in- dem man in niedrigen, mit Rasen überkleideten Düneu- liügeln wagerechte Höhlen bildet, die sich im Mittelpunkte des Hügels netzartig kreuzen und so zur Anlage der Nester dienen. Jede Niststelle wird sodann mit einem aus Rasen bestehenden, genau schliessenden Deckel ver- sehen, der sich behufs Untersuchung des Geleges abheben lässt und die Niststelle selbst wird mit trockenem Genist und Moos belegt. Die Ufervögel flechten schon, aber sehr ungeschickt. Wozu sollten sie sich auch mehr Mühe geben"? Von der Natur mit einem fettigen, fast undurchdringlichen Gefieder ausgestattet, haben sie sich gegen die Unbill der Elemente kaum zu schützen. So baut z. B. die Rohrdommel ein Nest, das kaum diesen Namen verdient. Es stebt im dichtesten Rohr der Sümpfe oder auch im hohen Grase uud ist in seinen Dimensionen so variabel, dass mau oft nicht weiss, wo es beginnt und endet. Ebenso verschieden in der Ausdehnung sind die Nester von Ciconia nigra; mitunter haben sie geradezu riesige Dimensionen. Das bisher bekannt gewordene grösste dieser Nester hatte z. B. eine äussere lireite von 2,60 ni, eine Höhe von 1 m und eine Muldentiefe von V2 ™- Auch das Schwanennest erfordert eine Fülle von Ma- terial, welches vom Männchen aus der Ferne herbei- geflösst wird. Von ausgesprochenster Veränderlichkeit ist aber das Nest des Teichhühnchens. Schilfblätter, trockene wie frische, weiden über einauder geschichtet und oben korbartig in einander geflochten uud das so verschieden, dass alle Autoren, vou Naumann uud Mac Giilivray angefangen bis zu den neuesten Ornithologen Liebe und Dixon, erzählen, dass man neben sehr schön gebauten Nestern die liederlichsten findet. An den Nest- ränderu flottirendes rohes Material dient zum Redecken des Geleges während des Verlassens des Nestes. Manche Nester sind direkt schwimmend, wie das von Podiccps cristatus und vom Blässbuhn. Auch der Lappentaucher baut ein schwimmendes Nest, dass von dem aller anderen Vögel dadurch ab- weicht, dass es nicht aus trockenen, sondern aus nassen Stoffen gebaut ist, die Eier also stets im Feuchten, sogar im Wasser liegen müssen. Die Niststoffe werden durch Tauchen vom Grunde heraufgeholt, au einigen alteu Schüf- steugeln befestigt und höchst liederlich zusammen ge- schichtet, so dass sie mehr einem zusammengetriebeneu Haufen als einem Neste ähneln. Nicht anders bauen der Pelikan und der Haubensteissfuss, dessen muldenloses Nest einem sehwinnneuden Klumpen faulender Wasser- pflanzen so ähnlich ist, dass es ein Ungeübter nie für das Nest eines Vogels ansehen wird. Die Flussseharbe schliesslich, welche ihr unordentliches Nest aus dicken Reisern zusanmiensetzt und mit Gräsern liederlich aus- füllt, hält ihr Nest nie trocken, oft vielmehr so nass, dass die Eier förmlich im Schlamm liegen. Das ist den Eiern indess nicht schädlich, denn die die Aussenseite der Schale bekleidende Oberhaut ist bei vielen Wasservögeln mit Fetttröpfeben imprägnirt und dringt, wie z. B. bei den Alken, in Gestalt von Kanälen iu die Poren selbst ein uud soll dieselben, indem sie beim Nasswerden quillt, verschliesseu und so gegen den übelu Einfluss der Feuchtig- keit schützen, wie Nathusius nachzuweisen versucht. An- dere Eier, wie die der Pelikane uud ihrer Verwandten, auch der Flamingos, sind mit einer starken Schwamm- schicht überzogen, welche bei dem rotheu nordameri- kanischen (Plioenicopterus ruber) abfärbt, wie ein Stück weicher, weisser Kreide. Mit dem Flamingo sind wir bei den Maurervögeln angekommen. Sein Nest steht inmitten des Wassers, ist ein kegeliger Haufen von Schlamm, der mit den Füssen zusammen gescharrt und wahrscheinlich mit Wasser- pflanzen gedichtet wurde. Die mit Schilfblättern ausge- kleidete Mulde liegt bis über V2 m über dem Wasser- spiegel. Auch das Nest von Balaeniceps rex, des ab- sonderlichsten Vogels Afrikas und eigenartigsten des 496 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 42. Erdballs, steht inmitten des Wassers und ragt meterhoch aus der umgebenden Fluth. Aus Sumpfpflanzen und lockeren Stengeln gebaut, ist es durch Rasen- und Schlammstücke befestigt. Das ist aber nur Handlanger- arbeit; der rechte Maurer ist die Schwalbe, und zwischen ihrem Kunstwerk und dem Schlammkegel des Flamingo ist ein himmelweiter Abstand, der aber in der gehörigen Weise überbrückt ist. Nestersammlungen sind immer noch etwas Seltenes und ebenso wenig vollständig wie zahl- reich. Trotzdem lässt sich schon bei einer einigermaassen instruktiven Sammlung deutlich die verschiedenartige Tech- nik, welche beim J3au der Nester angewendet wurde, er- kennen. „Welches ist dabei die Stufenleiter, das Crescendo der Kunst, nicht im Vergleiche der einen Kunst zur an- deren, der des Maurers zu der des Webers; sondern welche Vögel die eine und dieselbe Kunst ausüben, stehen höher oder tiefer in Bezug auf Intelligenz der Gattung, auf die Leichtigkeit, Material zu gewinnen, auf Schnelle und Dauer der Arbeit, auf die l^edttrfnisse des Klimas?" fragt Michelet in seinem „Leben der Vögel." — — — Unter den Maurervögeln sind zu unterscheiden solche, die ihr Nest gewissermaassen aus sich selbst bauen und solche, die zum Bau Materialien sannneln und nur das Bindemittel aus sich selbst nehmen. In jene Gruppe ge- hören die Salanganen, Collocalien, d. i. die Leimnestigen, kleine, die Meeresküsten bewohnende Schwalben, welche über den ganzen Süden von Indochina und dessen Küsten, über ganz Indonesien sammt den Philippinen bis zur Süd- küste von Formosa, über Malakka und Südindien bis zu den Andamanen verbreitet sind. Unter den verschiedenen Arten zeichnen sich durch allgemeinere und ausgedehntere Verbreitung aus: Collocalia fuciphaga, die Lintschi, C. troglodytes, die weissrückige Salaugane und C. francica die graurückige Salangane. Ihre Nester legen sie an von wilder Brandung umtosten Klippen an, und es kostet un- geheure Anstrengungen, auch nur ein Pfund von diesen schaumleicliten Gebilden zusammen zu bringen. Von der Form des Nestes wird berichtet: Man denke sich ein grosses Hühnerei der Länge nach in vier Theile zerlegt, und jeden dieser Theile beiderseits durch lappige Flügel verlängert und mit diesen an das Gestein angeklebt, das Nest selbst ist eine gelbliche bis bräunliche Masse wie Leim, am äusseren Rande durchschnittlich 2 mm dick, am hinteren, dem Felsen anhaftenden Theile und an den Flügeln etwas stärker, das Ganze halb durchscheinend und eine netzförmige Zeichnung und ziemlich dichte Struktur aus über einander liegenden Schichten zeigend und man hat die Gestalt, unter welcher dass essbare indische Vogelnest sich im Allgemeinen darstellt. Die Nester mancher Arten bestehen nur aus dieser homogenen leimartigen Masse und sind höchstens mit anhängenden Federchen, Flechten und Fasern etwas verunreinigt. Das Nestmaterial ist die Absonderung der Unterzungendrüsen, welche sich zur Zeit des Eierlegens und Brütens derartig entwickeln, dass sie den ganzen, bei den so breitschnäbe- ligen Vögein sehr bedeutenden Raum zwischen den beiden Unterkieferästen einnehmen und sich nach hinten bis hinter die Kiefergelenke erstrecken. Wenn nun auch der Speichel das ausschliessliche Material bildet, aus welchem die be- rühmten Nestchen verfertigt werden, so hält man es doch für möglich, dass sich auch die Vormagendrüsen durch ge- steigerte Absonderung an der Lieferung des Materials zum Nestbau betheiligen. Die Herstellung des einige Gramm schweren Nestes erfordert einen Zeitraum von zwei Monaten. Mikro- skoi)ische Untersuchungen haben ergeben, dass das Nest aus sehr vielen Schicliten eines unregelmässigen Netz- werkes besteht, dessen Maschen sich in allen Richtungen durchkreuzen. Die jährlich in einem durchschnittlichen Quantum von 50000 Pfund gesammelten Nester haben einen Haudelsgesaraintwerth von ü Millionen Mark. Be- kanntlich finden sie in den Chinesen ihre Abnehmer. Früher hielt man die Auflösung der Vogelnester, welche das Aussehen von aufgelöstem Gummi arabicum und einen osmazomartigen Geschmack hat, für ein Aphrodisiakuni, wie solche bei den gefrässigen Chinesen so beliebt sind; allein man hat ermittelt, dass diese Kraftbrühe wirklich bedeutende magenstärkende und restaurative Eigenschaften besitzt, wegen eines reichen Pepsingelialtes die Verdau- ung wesentlich befördert und ein treffliches Mittel gegen Verdauungsschwäehe ist. Die ganz aus Gallerte bestehen- den Nester gelten für die werthvoUercn und werden desto theurer bezahlt, je heller von Farbe und je durchscheinen- der sie sind. Allein auch die dunkleren und die mit anderen Stoffen durchzogenen Nester dienen zur Nahrung, nämlich zur Bereitung von Kraftbrühen, indem man die zuvor in weichem Wasser gequollenen Nester in Fleisch- brühe von Hühnern, Ochsen- oder Hammelfleisch durch Kochen auflöst und dieses Dekokt dann beliebig würzt. Die Hersteller derartiger Nester, z. B. Collocalia nidifica, haben zwar noch ganz ansehnliche Speicheldrüsen, doch sind sie weit kleiner als bei der vorigen Art, darum bauen sie ihre Nester nicht ausschliesslich aus Speichel, sondern vervverthen auch Seetang dabei. Die Benutzung von Speichel neben gesammeltem Material, gewissermassen als Mörtel, findet man bei einer ganzen Reihe von Vögeln und jedenfalls schwellen auch hier wie dort die Speichel- drüsen zur Brutzeit an und werden absonderungsreicher. Diese Thatsache hat denn auch Girbanncr beim Alpen- segler beobachtet, dessen Speichelabsonderung eine zähe, halbflüssige Masse und einer gesättigten Gummilösung nicht unähnlich ist. Nicht anders ist's bei dem auf den grossen Sundainseln lebenden Klecho, Dendrochclidon longipenncs, über dessen Brutgeschäft wir Bernstein ausführliche Mit- theilungen verdanken. Die äusserst dünneu und zarten Nestwäude bestehen aus Federn, einzelnen Stückchen Baumflechten und kleinen Rindentheilen, welche Stoffe durch ein klebriges Bindemittel zusammengeleimt sind, ohne Zweifel, „ähnlich wie bei den Salanganen, dem Speichel des Thieres, zumal auch bei den Baumseglern die Speicheldrüsen zur Zeit der Fortpflanzung auffallend anschwellen," sagt der Beobachter. Die Bindekraft ihres Speichels wissen die Mauersegler noch in anderer Weise zu verwerthen, allerdings in einer wenig löblichen. Von diesen Vögeln ist bekannt, dass sie häufig Stare und Sperlinge aus ihren Nestern zu vertreiben suchen. Weigern sich die Eigenthümer, ihr Haus mit seinem kostbaren In- halte preiszugeben, dann zerdrückt das wütende Schwalben- volk nicht nur die Eier, sondern tödtet mit den scharfen Krallen auch die Nestjungen und überkleistert mit seinem Speichel das ganze Heim, Eier, Junge und Genist. Der Speichel erhärtet alsbald an der Luft und gelatinirt das Nestinnere. Zu bequem, selbst Nistmaterial zu sammeln, plündern diese Räuber aucii Sperlingsnester, legen die Beutestücke ohne Auswahl zusammen, überziehen sie mit ihrem klebrigen Speichel und das Nest ist fertig. Schon unsere gewöhnliche Turmschwalbe überzieht das dürftige Material, aus dem ihr Nest besteht, mit ihrem schleimigen Speichel, „so dass es aussieht, als seien die Schnecken darüber hinweg gekrochen" und von dem Zwergsegler, Cypselus ambrosiacus, der im Innern Afrikas sein aus Baumwollfasern bestehendes Nest an Blattflächen klebt und mit weichen Federn ausfüttert, weiss man, dass er Eier und Junge mit Speichel festleimt. Ebenso benutzt die Singdrossel beim Nestbau ihren Speichel. Die Mulde des Singdrosselnestes ist bekanntlich mit einer glatten, glänzenden Lage ausgekleidet; dieses Kittwerk wird vom Weibchen ausgeführt. Nach den Beobachtungen von XV. Nr. 42. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. A. und K. Müller sondern zur Brutzeit die Speiclieldittsen des Weibchens reichlich zähen Schleim ab, der sieh beim Baugescliäft öfters aus der Mundschleimhaut in Fäden abzieht, die Verkittung' geschiebt von dem Mittelpunkte der Nestmulde aus. Hier klebt die Drossel einen Kitt jedesmal in kleinen Paitieen auf, der von dem Schnabel aus altem trockenem Kuh- und Pferdemist nebst feinen Plättchen faulen Holzes mittelst des Speichels verarbeitet und in einer nur einige Millimeter breiten Lage ausge- breitet wird. Diese erste Kittlage geht bis zu dem Nest- randc des AussengcrUstes hinauf. Dieser Rand wird nun etwas breiter, als die Wandung und nach innen einge- bogen mit Moos, Flechten und Halmen sehr dicht verfilzt und mit dem Speichel zierlich geglättet. Hier sowohl als bei dem Kittwerk des Innern gebraucht der Vogel iiauptsächlich seinen Schnabel unter fortwährender Ver- wendung seines Speichels, den er mit zitternden Bewe- gungen, ähnlich wie die Schwalbe, auswürgt, worauf ein öfteres Bestreichen und Andrücken vermittelst der Kiefer wie mit einer Kelle erfolgt. Beim Nestbau für die zweite Brut verwendet die Drossel aber auch zum Ueberkleben des Innern eine sehr dünne Lage feuchten Lehms, welchem sie feine kurze Halme und Blätterrippen -Gewebe zur grösseren Haltbarkeit beimengt. Diese Lehmlage über- zieht sie dann mit dem schon beschriebenen Kitt. Die innere verkittete Wand stellt in dem Falle, in welchem sie bloss aus faulem Holze und Kuh- und Pferdemist be- steht, eine kaum 3 mm starke, im anderen Falle hingegen eine 4 — 5 mm dicke, platte, pappdeckelähnliche Lage dar. Der Klippenvogcl, Rupicola crocea, der berühmte Tänzer und Federlieferant der Indianer und verHossenen Kaiser Brasiliens, klebt nach den Beobachtungen der Ge- brüder Schouiburgk und Alexander von Humboldts sein Nest mit Harz an den felsigen Steilufern des Orinoko fest und überzieht es auch mit einer Harzschicht. Die hohen Bergketten Brasiliens werden bekanntlich auch vom Furnarius rufus bewohnt, dessen Nest ein staunenswürdiges Werk ist, und den deshalb, wie Bur- meister sagt, jeder Mineiro kennt und mit besonderen Ge- fühlen des Wohlwollens betrachtet. Sein Nestbau haben dem Vogel zahlreiche Namen eingebracht, so Töpfervogel, Ofenvogel, Httttenl)auer, Baumeister, Lehmhans, — Joao de Barro und passerino catolico, das rechtgläubige Vögel- chen, weil es nach Ansicht der frommen Brasilianer am Sonntag nicht arbeitet. Der Töpfervogel benutzt zu seinem Nestbau Strassenkot, wie er ihn nach Regengüssen auf den lehmigen Fahrstrafsen in Menge findet. Die Vögel bilden aus diesem runde Klumpen, wie Flintenkugein, und tragen sie auf den Baum, hier mit Schnabel und Füssen sie ausbreitend. Gewöhnlich sind auch zerfahrene Pflanzen- theile mit eingeknetet. Nach Fixirung der Grundlage wird ein backofenähnlicher Bau aufgeführt, dessen Gewicht nach Burmeisters Angabe rund 4 kg ausmacht und von dessen Architektur au anderer Stelle das Nothwendigste mitgetheilt werden soll. Unsere berühmtesten Maurermeister sind die beiden Schwalbenarten Hirundo urbica und Hirundo rustica. Beide benutzen zum Nestbau Strassen- kot, mindestens fette Erde, die sie ebenso wie der brasilianische Kollege klümpchenweise aufklauben, dann mit Speichel überziehen und vorsichtig ankleben. Nur in der Ausfütterung besteht ein Untersciiied, die Rauch- schwalbe macht der Brut das Heim molliger. Andere Stotfe als die genannten werden höchst selten verwendet, doch fand Brehm ein Schwalbennest, welches seiner Merk- würdigkeit halber hier nicht ausser Acht gelassen werden soll. Es bestand nämlich einzig und allein aus zertrümmer- ter Knochenkohle und war in der üblichen Weise zu- sammengekleistert. Feine, zwischen die Nestwände ein- gelegte Halme und Haare liugen zur besseren Festigung bei; das eigentliche Bindemittel war aber Speichel. In ähnlicher Weise wie die Mauersehwalben anderen Vögeln gegenüljcr verfahren iiin und wieder auch die Stadt- schwalben, allerdings vice versa. Bekanntlich bemäch- tigen sich die Sperlinge oft ihrer Nester und sollen dann gelegentlich von den rechtmässigen Besitzern eingemauert werden, ein Akt der Vogeljustiz, der eben so oft behauptet wie bestritten worden ist, wiewohl Pfarrer Pässler, ein gewiss glaubwürdiger Mann, auf Grund eigener Beobach- tung darüber berichtet. Zu den Maurern unter den Vögeln sind jedenfalls auch die Arten zu rechnen, welche zu ihrem Baue nur in geiineerer Menge Mörtel benutzen. Zu ihnen gehört der Kleiber oder Blauspeclit, der sehr gern die gezimmerte Wohnung von Meister Speciit benutzt. Das zu grosse Eingangsloch verklebt er dann soweit, dass es für sein Ein- und Ausschlüpfen gerade gross genug ist. Dies geschieht nach Brehm mit Lehm oder anderer klebriger Erde, welche, wie bei den Schwalbennestern durch den leimartigeu Speichel angefeuchtet, verbunden und zusammengehalten wird. Dabei verfährt der Vogel wie ein Maurer, der einen Stein um den andern in die zu verschliessende Oeffnung einlegt und festmauert. Diese Lehmwand hat 2 und mehr Centimeter Dicke und in trockenem Zustande eine solche Festigkeit, dass man sie nicht mit dem Finger ausbrechen kann, sondern den Meissel gebrauchen muss, wenn man sie sprengen will. Ganz ähnlich richtet der afrikanische Tok, Rhynchoceros, seine Nisthöhle her, nur mit dem Unterschiede, dass er das brütende Weibchen mit einmauert und nicht eher aus diesem Gefängniss befreit, als bis die Jungen fittgge sind. Während der zwei- bis dreimonatlichen Gefangenschaft besteht der Verkehr der Ehegatten lediglich darin, dass das Männchen für das Weibchen Nahrung sammelt und ihm dieselbe durch einen ungefähr 1 cm breiten und 7 — 10 cm langen Spalt in der Lehmwand zusteckt. In baumleeren Gegenden bezieht der Tok Felsspalten und führt das Mauerwerk aus Kuhmist aus, wie Pechuel- Loesche im Hererolande beobachtete. Ueber den indischen Doppelhornvogel, Buceros, berichtet Horoe ähnliches. Er konnte beobachten, wie das Weibchen, nachdem es die Nesthöhle bezogen hatte, den Eingang von innen ver- schloss. Als Material diente ihm sein eigener Unrath, den es vom Boden 'der Höhle herauf holte, rechts und links anklebte und mit der flachen Seite seines Schnabels wie mit einer Mauerkelle bearbeitete. Schiesslich blieb ein Schlitz von der Stärke eines Fingers und etwa 10 cm Länge übrig, durch welchen die Insassin den bisher zum Verkleben benutzten Unrath auswarf und sich vom Männ- chen atzen Hess. Solcher Mistbrüder giebt es aber verschiedene in der Vogelwelt. Der bekannteste unter ihnen dürfte der Wiede- hopf sein, dessen Nest aus Gras, Wurzeln, Kuhmist und eigenem Koth gebaut ist, zu welchen Gerüchen zur Zeit der Jungen noch der Unrath dieser duftet, und deshalb der Volksmund den Vogel Stinkhahn nennt. Ebenso sagt Naumann von der Hohltaube, dass ihre Nisthöhle ein stinkender Pfuhl von Unrath sei. Auch in der Nistkammer des Fisebermeisters Eisvogel mag es keine Wohlgerüche geben und jedenfalls sind es die Gerüche der Fisehüber- reste, die sich seinem Körper mittheilen und ihn dadurch den Raubthieren widerHch macheu; nach Brehm wenig- stens hat er keinen Feind. Unaufgeklärt ist noch, welches Material der Fett- schwalk, der Guachara der Venezuelaner, zu seinem Nest verwendet. Hautessier legte seiner Zeit der Pariser Akademie ein Nest dieses Vogels vor mit der Erklärung, dass es aus den in Form von Gewölben ausgewürgten Resten der Früchte, die der Vogel verzehre, hergestellt sei. Vor der Verwendung werde der Niststofi" mit den 498 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 42. Füssen geknetet, so dass das fertige Nest einem Lohballen gleiclie und auch wie ein solcher brenne. König- Wartbansen pflichtet dieser Anschauung nicht bei, ebensowenig Brchm. Unsere Rabenvögel, auch die Drosseln und viel Sing- vögel benutzen als Nistmatcrial dünne Zweige, Reiser, Binsen und Pflanzenstengel, welche sie meist lose und unvollkonnnen zusammen flechten, während andere Sänger, wie das Graukehlehen, die weisse Bachstelze, das Roth- kehlchen, das Rothschwänzchen, der Hänfling, der Pirol, die Meisen u. a. m. ihr Nest aus fadenförmigem Material, wie Pflanzen- und Schafwolle, Haaren von Pferden und Kühen, Binsen, Bast, Grasblättern zierlich gewebeartig zusammensetzen und mit allerlei durchwebten Stoffen (Federn, Wolle, Haaren u. s. w.) auskleiden. Es ist selbst- verständlich, dass die Vögel gern das nächstliegende Baumaterial nehmen. So sagt Burmeister von den Kolibri- nestern, dass sie im Bau fast übereinstimmen und sich nur dem Nistmateria! nach unterscheiden; besonders sind die zum Bau verwendeten Flechten sehr verschieden, jede Kolibrispecies scheint stets eine bestimmte Flechtenart und keine andere zu verwenden. Dieser Unterschied ist aber nur als örtlicher anzusehen, bedingt durch die gerade vorhandene Flechteuart. Die Alpenkrähe kleidet die Nest- mulde inmier mit einem äusserst dichten, festen, nicht unter 6 cm dicken Filze aus, zu dessen Herstellung alle Säugethiere des Gebirges ihren Zoll an Haaren lassen nnissen. Wolltlocken von Schafen sind mit Ziegen- und Gemsenliaaren, grosse Büschel weisser Hasenhaare mit solchen des Rindes sorgfältig ineinander verarbeitet worden. Das Goldhähnchen benutzt im Norden zur Auskleidung des Nestes Rennthierhaarc und die auf Java lebende Schwalbcnstelze, die in ihrem Wesen unserer Gebirgs- stelze ähnelt, benutzt mit Vorliebe zur Herstellung der innersten Nestschicht trockene Blätter, welche durch Feuchtigkeit so mürbe gemacht sind, dass nur noch das weiche Gerippe der Blattnerven übrig geblieben ist. Solche Blätter sind weich und biegsam, mithin eine zweckmässige Unterlage für die Eier. Ueberhaupt scheinen es manche Vögel bei der Herstellung des innersten weich- .sten Theiles des Nestes auf ein ganz besonderes Material abgesehen zu haben. So kleidet der Pfarrvogel, ein Be- wohner der romantischen Wildnisse Neuseelands, sein Nest- inneres stets mit den haarähnlichen schwarzen Schossen der Baumfarne aus und der Bergfluevogel gewöhnlich mit den rothen Sporen des Erdmooses, wodurch es das An- sehen erhält, als wäre es mit Eichhornhaaren ausgefüttert. Der Weidenlaubsänger wählt namentlich Rebhuhnfedern zur Innenpolsterung und der Buchfink weiche Haare, die er sich mit seinem scharfen Auge auf Strassen, Wegen und Dorfplätzen zusammensucht. Beobachter behaupten übrigens, dass, seitdem Radfahrerinnen in grösserer Zahl die Strassen befahren, mau auch bestimmte Frauenhaare im Neste der Finken, besonders jener, die auf Strassen- alleebäumen nisten, fände. Die Sache ist wohl etwas pikant, verdiente aber doch die Aufmerksandceit des Or- nithologen wie des Anthropologen. Die innere Auskleidung hat in vereinzelten Fällen auch auf die Farbe der Eier Einfluss. Der Sonnenkolibri benutzt neben anderem Ma- terial zur Ausfütterung seines nach unten hin in eine lange Spitze ausgezogenen Baues die Rothfleehte Brasiliens. Das Nest erhält dadurch nicht bloss ein sehr schönes Aussehen, sondern unter der Brutwärme des Vogels entwickelt sich aus der Flechte auch der ihr eigenthümliche Farbstoff und färbt die Eier lebhaft karminroth, was dem Kenner eine ganz besondere Ueberrasehung verursacht. Weder ein Wölk- chen noch ein dunkler Flecken lässt sich auf dem Ei be- merken. Ebenso nehmen die Anfangs weissen Eier des Tölpels (Sula bassana) während der Bebrütung von den Neststoffen eine schmutzig i2-cli)braune Farbe an. Gleich dem Sonnenkolibri scheinen auch andere Vögel auf einen inneren Nestschmuck bedacht zu sein. So bringt der rothc Würger sehr gern weiche und wohl- riechende Pflanzen in seinem Neste an und soll sich einst in einem botanischen Garten durch Wegnahme solcher theilweise seltener Gewächse sehr lästig bemerkbar ge- macht haben. Verschiedentlich ist auch die Vorliebe des Staares für auffallend gefärbte Blumen, mit welchen er das Nestinnere auszuschmücken liebt, beobachtet worden. Blühende Schlüsselblumen, Schneeglöckchen und Krokus werden neben grünen Blättern bevorzugt, und so kann es denn kommen, dass der Staar unter den ersten Frühlings- kindern im Garten nicht geringe Verwüstungen anrichtet. Nach Staats von Wacquandt ist es lediglich die Farbe, die den Staar veranlasst, die genannten Blumen als Nist- matcrial zu verwenden, denn selbst gelbe Narzissen, die doch das denkbar unpassendste Nistmaterial sind, wurden mitgenommen. Im Rohrsängernest findet man nicht selten neben Grasrispen Rosmarinkronen. Der Distelfink liebt eine weissliche Auspolsterung des Nestes, die aus weissen Härchen, weissen Federchen und weissen Wollflöckchen besteht. Letztere holt er sich von den mit Disteln reich bestockten Weideplätzen der Schafe, auf denen er im Frühjahr aus diesem Grunde sehr häufig anzutreffen ist. Auch die Auffindung der weissen Federchen mag ihm nicht besondere Mühe aufbürden, da seine Lieblings- pfianze, die Distel, einen nicht geringen Theil dazu liefert. Zu verwundern ist nur, wieso es ihm möglich ist, in so kurzer Zeit die unzähligen weissen Härchen herbei zu schaffen, mit denen er die Au.skleidungsmaterialien des Nestes durchflicht. In manchen Nestern werden auf das Zierlichste angeordnete Papierschnitzel gefunden, und auch der Milan kleidet seinen Horst gern mit Papierstücken aus, selbst, wie Baron König- Warthausen versichert, mit Amts- und Intelligenzblättern. Darin ist ihm der Storch aber über. Jüngst erzählte der „Hubertus", dass man in einem Storchnest neben mancherlei anderen Sachen nicht nur eine Nummer des „Badischen Landesboten" gefunden habe, sondern auch ein schöne Illustrationen und fromme Sprüche in englischer Sprache enthaltendes Büchlein, dem die englische Widmung „To Gurt, Merry Christmas. To Uncle & Aunt Morris" mit auf den Weg gegeben war. Derartige Büchlein werden in Amerika und England Fa- milienmitgliedern zum Christabend verehrt. „War Freund Adebar vielleicht ein englischer Flüchtling aus Trans- vaal?" sehliesst der Einsender seine Notiz. Auf die vor einiger Zeit in der Tagespresse ventilirte Frage: Kann ein Thier erkennen, was ein Bild vorstellt? wurde mit „Ja" (?) geantwortet und einige Belege wurden für die Behauptung erbracht. Auch Vögel sollen im Spiegel ihr Ebenbild erkennen; so wurde von einem Staar erzählt, dass er mit Vorliebe auf der Platte eines Pfeilerspiegels sitze und seinem Doppelgänger im Glase etwas vorsinge, stimmt die Geschichte, dann hat auch jener Pirol, in dessen Neste man ein Blatt aus einem Bilderbuche, auf dem zufällig des Vogels eigenes Bild gedruckt war, sein Konterfei erkannt. Aeusserer Nestsehmuck kommt seltener vor. Wenn der Tannenheher die dürren Aeste, welche die Unterlage seines Nestes bilden, mit einem grünen Zweige durch- fiicht, so geschieht dies wohl, um das starre Holz durch das biegsamere fester zu vereinigen, und wenn viele an- dere Vögel an der Aussenwandung des Nestes Spinnweb, Raupengespinnst, feine hellgefärbte Pflanzenfasern und der- gleichen anbringen, geschieht dies offenbar aus demselben Grunde. Zwei Fälle absonderlichen äusseren Nestaus- putzes verdienen indess der Beachtung. Nach Tristram scheint die Baunniaehtigall Spaniens nicht eher zur Eiab- lage zu schreiten, als bis sie ein Stück Schlangenhaut ge- XV. Nr. 42. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 499 fanden liat, das sie dem Nestmaterial einverleibt, wie denn jedes Nest dieser Spccies ein Stücii Selilangeiiliemd enthält. Ebenso verwenden der Katzenvogel der Vereinig- ten .Staaten, wie der grosse indische Fiiegenschnepper ein Stück .Seldangenhaut zu ihrem Nestban. Nach Tristram werden die Eier und Jungen der Baumnachtigall nur zu oft eine Heute der Schlangen. Soll etwa das Stück Natternhemd abschreckend auf die Ncstpliindercr wirken, wie etwa der aufgehängte Krähenleiciinam einen Schwärm dieser Schvvarzröcke versclienchen soll, oder soll den Jungen schon frühzeitig das Kleid ihres schlimmsten Fein- des gezeigt werden'? Dass sich aber bei vielen Vögeln ein gewisser Schön- lieitssinn benicrUbar macht, hat Darwin durch viele Bei- spiele bewiesen. Von der syrisciicn Speehtmeisc (Sitta) weiss man, dass sie die schiilernden Flügel von Insekten sammelt und der Ausscnwand ihres Lehmnestes aufklebt. Ein merkwürdiges Beispiel bietet auch der Bayavogel Asiens, der nach Vollendung seines flaschcnförmigen Nestes die Innen- und Aussenseite desselben mit kleinen Thon- klümpchen spickt, auf denen das Männchen sodann Leucht- käfer befestigt, augenscheinlich zu keinem anderen Zwecke, als um damit einen glänzenden Dekorationseftekt zu er- zielen. Andere Vögel, wie der Hammervogel in Afrika, verzieren die ganze Umgebung ihres bodenförmigen Nestes mit Sehneekenschalen, Knochen, Glasstückchen, Topf- seherben oder was sie sonst von allerhand Dingen glän- zender und auffallender Art nur finden können. Die raf- finirtesten Künstler auf diesem Gebiet sind aber die Laub- hüttenvögel Australiens, von welchen an einer anderen Stelle die Rede sein wird. Wozu dieser Schmuck? Ist es nicht für die Brut des Vogels besser, wenn durchaus unauffälliges Nistmaterial zur Verwendung kommt? So bringt z. B. der Seiden- schwanz sein aus Baumflechten und einigen dürren Fichten- zweigen bestehendes Nest so verborgen an, dass es erst 1857 gelungen ist, es zu entdecken (WoUey). Das ans grünen und vergilbten Moosen bestehende Zaunkönignest ist seinem Standorte gemäss immer so gestaltet und beschaffen, dass es schwer hält, ein solches zu finden. Die Schwanz- meise führt ihren Bau aus Laubmoosen auf, die sie mit Kerbthiergespinsten zusannnenfilzt und überkleidet die Aussenwand mit Baumflechten, Pupi)enhülsen, Birken- schale, Spinnen- und Raupengespinst. Unter allen Um- ständen aber wählt sie Moose und Flechten von dem- selben Baume, auf welchem sie ihr Nest gründet und immer ordnet sie diese Stofle ähnlich an, wie sie auf der Baumrinde selbst sitzen. Hierdurch erhält das Nest eine Gleichartigkeit mit der Umgebung, welche bewunderns- würdig ist und es auch einem geübten Auge verbirgt. Der Zeisig entwickelt ebenfalls ein ganz besonderes Talent im Nestbau wie in der Wahl der Niststätte. Im Mittel- alter glaubte man, er lege irgend einen Zauber in das Nest hinein, wodurch es unsichtbar würde, und galt der Besitz eines solchen Nestes für höchst begehrenswerth, da es die Kraft einer Tarnkappe haben sollte. Des Distel- finks künstlicher Bau, aus Flechten, Moosen, WUrzelchen und Hähnchen bestehend, welche mit Insektengespinsten zu einer festen Masse verfilzt sind, ist ebenfalls der Um- gebung durchaus angepasst und in der Astgabel nur schwer zu erkennen. Wenn man nun ein solches Nest nur aus Schafwolle gebaut, mit feinen Wurzelfäserchen und Pt'erdehaaren fest verwebt und verfilzt rings um ein hervorstehendes AststUmmelchen angelegt fand, so dass bei der Abnahme des Nestes sich in dessen Mitte ein Loch von der Höhe uud Dicke des Stummels zeigte, so ist das eben eine Abweichung von der üblichen Bauart. Bemerkenswerth bei diesem Neste ist aber noch, dass einige Blätter der benachbarten Aestchcn mit ihren Stielen in der Wolle befestigt waren, wodurch das Nest noch fester stand, ein Beweis mehr, wie die Vögel wohl ein Grundprinzip und einen Typus für den Nestbau haben, wie jedoch auch öfter nach dem vorhandenen günstigen Material und den Lokalitäten hierin bedeutende Ab- weichungen und Modifikationen, je nach dem Gutdünken und nach dem besonderen Geschmack der uestbauendeu Vögel, vorkommen können, Dass der Geschmack mitunter ein recht sonderbarer sein kann, beweisen verschiedene Vogeiarten auf Hawai, welche merkwürdige, haarförmige, mineralische Gebilde, Pulns-Haar genannt, zum Nestbau verwenden. Dieselben sind feine Fäden von Basaltbimstein, oft nur 0,01 nun dick, aber meterlang und in hohem Grade elastisch. Ob sie den Jungen den eiforderlichen Wärmeschutz gewähren, sei dahingestellt. Wenig Schlauheit verrieth ein Vogel- pärchen, das sein Nest bei Besan^on hatte. Die Vögel hatten nämlich die Fabrikanten der Gegend um Uhrfedern bestohlen und daraus ein zierliches Nestchen bereitet, in dem sie wohl sammt ihrer Brut zuweilen recht tüchtig gefroren haben mögen. Ein ähnlicher Fall wnrde aus Soleure in der Schweiz, gleichfalls einem Uhrenindustrieort, mitgetheilt. Die haarfeinen Drehspäne, welche bei der Fabrikation der Stahlfedern abfallen, gelangen, soweit man sie nicht auilesen und sammeln kann, mit dem Kehricht auf die Höfe der Fabriken, Nun beobachtete man, wie ein Bach- stelzenpärchen diese glänzenden Fäden eifrig zu Neste trug. Als man das Nest genauer untersuchte, fand man, dass es fast ausschliesslich aus Stahlspänen bestand. Es hatte einen Durchmesser von 10 cm und bildet heute ein interessantes Objekt des städtischen Museums; bemerkt sei noch, dass die Brut in ihm glücklich gross gezogen wurde. Dass Papier nicht selten als Nistmaterial ver- werthct wird, ist bereits erwähnt. Im Museum zu Mous in Belgien ist ein Nest ausgestellt, dessen Aussenwand sehr künstlerisch aus Papierschnit/.eln hergestellt ist. Die Untersuchung hat ergeben, dass die Papiertheilchen von. einer Schnitzeljagd herrühren, die in der Nähe der Stadt stattfand und welche dann von einer Sylvia Hypolais ge- sammelt und beim Nestbau verwerthet wurden. Ein an- deres Papiernest wurde in der Nähe der Stadt Lille ent- deckt. Es war das Nest einer Goldammer und bestand aus weisser Wolle und Papierstreifen, welch' letztere ans einem telegraphischen Bureau von dem dort befindlichen Morse-Telegrapheu stammten. Trotzdem die Entfernung bis zu der Telegraphenstation 3 Kilometer betrug, musstc das Vogelpaar ziemlich viele Reisen dabin gemacht haben, denn es war eine so bedeutende Menge von diesen Papier- streifen in dem Neste angebracht, dass man eine ganz anständige Depesche darauf hätte schreiben können. In diesem Falle war die Wahl' des Nistmaterials eine ganz gute, denn bekanntlieh ist das Papier ein schlechter Wärmeleiter; eine Zeitung von ordentlichem Umfange und gutem Papier, wie z. B. die „Times", hält ebenso warm wie eine massige Reisedecke. Auch die „Revue Scientifique" theilt einen bemerkenswerthen Fall mit. I Ein in der Nähe der Hütte eines grossen Bernhardiners I befindliches Vogelnest war ganz aus Hundehaaren fa- bricirt. 500 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 42. Bei seinen „lieber die Lage und die Funktion des Zellkerns'' an verscliiedenen Spirogyra-Arten augestellten Versuchen kam Gerassimoff (Bulletin de la Societe Imperiale des Naturalistes de Moscon No. 2 u. 3, 1899) zu folgenden Schlüssen: 1. Das Resultat des Einflusses eines äusseren Factors auf den Organismus hängt ebenfalls von dem Zustand des Organismus im Moment des Einflusses ab. Indem man die Zelle der Spirogyra einer mehr oder weniger starken Abkühlung während ihrer Theiluug unter- wirft, kann man Tochtcrzellen ohne Kern und mit ver- schiedenen Abweichungen in dem Inhalt au Kernmasse erhalten. Ein solches Resultat ist unmöglich bei der Ab- kühlung der Zelle mit ruhendem Kern. 2. Die Kerne bei Spirogyra streben zu einer sym- metrischen Anordnung. Diese Regelmässigkeit der An- ordnung hängt nicht von irgend welchen zufälligen Be- dingungen (z. B. dieser oder jener Entstehuugsursache derselben) ab, sondern wird durch zwei constante Mo- mente bestimmt: 1. durch die Wechselwirkung zwischen dem Kern und den übrigen Bcstandtheilen der Zelle, und 2. durch die Wechselwirkung zwischen den Kernen. o. Man kann sich die Funktion des Zellkerns, wenig- stens zum Theil, als in der Uebergabe einer in demselben erzeugten Energie an die übrigen Bestandtheile der Zelle bestehend denken. Nach ihrer Wirkung kann man diese unbekannte Energie hypothetisch der elektrischen Energie für analog anerkennen. Dem parallel kann auch ein stoft'licher Einfluss vom Kern ausgehen. Alfred Liedke. „lieber den Einfluss niedriger Temperaturen auf nieristematische Gewebe'" handelt eine Arbeit von Bohumil Nemec (Sitzungsberichte d. königl. böhmisch. Gesellseh. d. Wissenschaften, Mathematisch-naturwissensch. Classe, 1899.) Verfasser ist auf Grund zahlreicher Experimente, in welchen die meristematischen, in lebhafter Zelltheilung begriflfenen Gewebecomplexe verschiedenen äusseren Be- dingungen ausgesetzt wurden, zu der Ueberzeugung ge- kommen, dass die mechanischen Momente, denen die sich theilende Zelle unterliegt für die Ausbildung, Form und Stellung der Theilungsfigur sehr oft entscheidend sind, und giebt derselben mit folgenden Worten Ausdruck: „Das Cytoplasma der ruhenden Meristemzelleu besitzt physikalische Eigenschaften einer Flüssigkeit. Während der Prophasis nimmt es jedoch Eigenschaften an, welche die Fortpflanzung von Zug oder Druck gerade so wie in festen Körpern zulassen. Es kann durch Zug oder Druck anisotrop elastisch werden, entfernt man jedoch dieselben, wird es isotrop elastisch, so dass man auch annehmen muss, dass es elastisch und nicht plastisch ist." Zu diesen Resultaten gelaugte Verf. durch Beob- achtung der Form und Veränderung der an den Polen der in die Theiluug eintretenden Kerne befindlichen hya- linen Plasmaansamndungen (Peripläste), die mikrochemisch die Eigenschaften des sogenannten Kerusaftes haben. Die bipolare, ovoidale oder ellipsoide Form dieser Peri- pläste ist durch die Annahme erklärbar, dass der Peri- l)last von einem Cytoplasma umgeben i.st, welches durch Zug oder Druck in der Weise anisotrop elastisch gemacht wurde, dass die Richtung der geringsten Elasticität mit derjenigen der Bipolarität übereinstimmt. Gegen ein reinflüssiges Cytoplasma, bei dem die Bipolarität des hyalinen Periplastes nur dadurch zu erklären wäre, dass die Oberflächenspannung an den Periplastpolen dauernd geringer ist, als in der .\equatorialzonc, spricht 1. dass (lurcli äusseren Zug oder Druck, den mau auf die Zellen einwirken lässt, die Achse der Bipolarität sich bestimmen lässt, 2. dass nach Entfernung der Turgescenz (durch Plasmolyse, Chloroforrairung) die Peripläste, soweit die Zellmembranen nicht hindernd entgegentreten, eine kuge- lige Form annehmen, und 3. dass mit der Returgescenz die Peripläste wieder ihre ursprüngliche Bipolarität an- nehmen, wie sich durch Versuche leicht nachweisen lässt. Aus 3. geht hervor, dass in einem turgeseenten bipolare Peripläste enthaltenden Gewebecomplex die Zellen auf einander Zug und Druck ausüben. Die Grösse beider ist nun sowohl von der Höhe des Turgors als auch von der Membranelasticität abhängig und es werden daher Span- nungen und Druck geringer werden, wenn der Turgor sinkt oder die Membranelasticität steigt. Demnach muss, wenn die obige Erklärung der Bipolarität des hyalinen Periplastes zutreflend ist, mit dem Sinken oder Steigen der Spannungen und des Druckes auch die Form des Ptriplast eine Veränderung erfahren, iudem seine Längs- achse mit der Verminderung der Spannung oder des Druckes sich verkürzt, mit dem Steigen derselben sich aber verlängert. Umgekehrt ist der Sehluss berechtigt, dass bei der Richtigkeit obiger Auffassung dort, wo die Form des Periplastes sich so schnell verändert, dass man eine Veränderung in Folge beträchtlicher Zunahme des hyalinen den Periplast bildenden Plasmas von der Hand weisen muss, eine Veränderung in der Grösse des Turgors oder der Membranelasticität das wirksame Moment ist. Derartige Erscheinungen konnte nun Verf. bei einem plötzlichen negativen Temperaturwechsel beobachten. Es wurden turgescente Wurzeln von AUium cepa, die vorher mit Tuschmarken versehen waren, mikro- metrisch gemessen, dann plötzlich in Wasser von niederer oder höherer Temperatur gebracht und nach 10 bis 30 Minuten wieder gemessen. Dabei ergab sich, dass Wurzeln, die aus Wasser von höherer in solches von niederer Temperatur getaucht waren, sich verkürzt, bei Ueberführung aus niederer in höher temperirtes Wasser sich verlängert hatteu. Dass die beobachteten Längen- Veränderungen nicht durch Turgorschwankungeu bedingt waren, wurde durch plasmoh'tische Versuche nachge- wiesen. An Wurzelspitzen wurden in Entfernung von 10 mm einmal bei -f 6° C, das andere Mal bei +21° C. Tuschmarken angebracht und die Wurzeln uun in Flüssig- keiten von derselben Temperatur, bei der die Marken angelegt worden waren, plasmolysirt. Dabei stellte sich heraus, dass die bei -I- 6° C. plasmolysirten Wurzeln eine viel geringere Verkürzung erlitten hatten, als die bei 21° C. plasmolysirten. Dass die beobachteten Wurzelverkürzungen auf Turgorverrainderung zurückzuführen sind, hält Verf demnach und mit Bezugnahme auf die Untersuchungen von Copeland*) für unwahrscheinlich, ist aber der An- sicht, dass es sich hierbei um eine Verminderung der Membranelasticität handelt, wie ja ein Einfluss der Tempe- ratur nach dieser Richtung hin auch bereits von Kolk- witz**) constatirt worden ist. üueutschieden lässt Verf., ob es sich um eine rein physikalische Einwirkung der verschiedenen Temperaturen handelt oder ob ein Einfluss des Protoplasmas auf die Zellwände anzunehmen ist. Wie dem aber auch sei, es wurde jedenfalls entsprechend den oben augeführten Versuchen mit Allium Cepa allgemein gefunden, dass in Wurzelspitzen, die man in eiue niedere Temperatur gebracht und in einer Flüssigkeit von der- selben Temperatur conservirt hatte, auch der Unterschied zwischen der Länge der längeren und der kürzeren Peri- *) E. B. Copeland, Ueber den Einfluss von Licht und Tempe- ratur auf den Turgor. Halle 1896. **) H. Kolkwitz, Untersuchungen über Plasmolyse, Elasticität, Dehnung und Wachsthum am lebenden Markgewebe. Stutt- gart ISltG. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. oOl plastachse viel kleiner ist, als in Wurzelspitzen, die bei einer höheren Temperatur wachsen und couservirt werden. Weitere Versuche des Verf. bestätigten dios von 0. Hertwig-*) bei seinen au Echinodermeu-Eieru aus- geführten Untersuchungen gewonnene Resultat, dass durch starke Temperaturerniedrigung der Kern- und Zelltheiiungs- prozess gehemmt resp. zum Stillstand gebracht wird. Hei Vicea war der Temperatureinfluss ein energischerer wie bei Alliuni. Alfred Licdke. Die Einwanderung des weissen Polarwolfes (Canis lupus occidentalis Rehds) in Ostgrönland. Nach den Beobachtungen der zweiten deutschen Nordpolfahrt in den Jahren 1869 und 1870 war das grönländische Rennthier (Rangifer tarandus L. var. grönlandicus), das von dem amerikanischen, dem lappländischen und spitzber- gischen Rennthier dadurch verschieden ist, dass sein Ge- weih nicht an den Spitzen geschaufelt, auch steiler auf- gerichtet ist, dass Hais und Kopf hoch getragen werden und der ganze Bau des Thieres in seiner Zierlichkeit an den europäischen Hirsch erinnert, in Ostgrönlaud nicht selten und nahm nach dem Innern an Zahl zu. Nach den Beobachtungen der schwedischen Espedition nach Ostgrönlaud 1899 scheint die Zahl der Rennthiere stark abgenommen zu haben. Diese Abnahme ist wahrschein- lich eine Folge der Einwanderung des weissen Polar- wolfes in Ostgrönland, über welche Prof. A. G. Nathorst (Sv. Jägareförbundets Nya Tidskrift. 37. Arg. Stockholm, 1899) berichtet. Das Vorkommen desselben in Ostgrön- land ist bisher nicht constatirt. Man darf wohl annehmen, dass derselbe den Theilnehmern der zweiten deutschen Nordpolfahrt nicht entgangen wäre. In Westgrönland bei Umanak (ca. 71° n. Br.) wurde 1869 ein Exemplar erlegt, das ausgestopft und im Zoologischen Museum der Universität in Kopenhagen aufgestellt ist. Seitdem ist auch dort kein weiteres Exemplar erlegt, sodass das Vor- kommen daselbst nur sporadisch sein wird; in den Sagas der Grönländer erscheint er aber nach Th. Fries' „Grön- land" (Upsala, 1872) unter dem Namen Amarok. Am 1.'). Juli 1899 erwarb Nathorst am Kap Berghaus nördlich von der Clavering-Insel von einem norwegischen Fang- schifter den eingesalzenen Pelz eines neuerdings dort erlegten Wolfes sammt dem Schädel. Am Scoresby-Sund erhielt er den Beweis, dass die beiden bis dahin von Grönland bekannten weissen Polarwölfe keine zufällige Streifer seien, sondern vielmehr eine ganz beträchtliche Einwanderung stattgefunden haben müsse. Spuren der Wölfe wurden am 1. August an der Westküste, am 2. August an der Ostküste von Hurry Jnlet und am 3. August an dem Elf beobachtet, der in den inneren Winkel der Förde mündet. Am 5. und 6. August kamen ihnen endlich die Wölfe selbst zu Gesicht; in beiden Fällen gelanges aber nicht, weitere Exemplare zu erlegen. Späterhin am Franz Josephs-Fjord wurden wieder mehr- fach Spuren beobachtet, und hier bot sich zugleich Ge- legenheit, sich von dem Verhalten der Wölfe den Renn- thieren gegenüber zu überzeugen. Die Polarwölfe müssen vom arktischen Nordamerika über die Nordspitze Grönlands und von dort längs der Ostküste nach Süden gewandert sein. Als die „Polaris" im Thank God Harbor überwinterte, erblickte man am 1. April 1872 einen Wolf, nachdem Spuren schon im Fe- bruar beobachtet waren. Die englische Expedition unter Nares beobachtete im Frühling 1876 mehrere Wölfe an der amerikanischen Seite des Robeson-Channel, und die *) O. Hertwig, Experimentelle Studii selirift 1890. etc. Jen.aiselie Zeit- Greely'sche Expedition sah oder hörte sie während fast aller Wintermonate, den November ausgenommen, am Fort Conger. Ein Rudel von 18 Stück passirte die Station in nächster Nähe im September 1881, und ein Rudel von ungefähr 12 Stück wurde im Sommer 1883 gesehen. Eivind Astrup fand 1892 Excremente und andere An- zeichen der Gegenwart von Wölfen an dem südlichen Ufer der Independance-Bay, wo auch Peary 1894 Spuren derselben sah. Der Weg, auf dem die Wölfe über die Nordspitze Grönlands nach der Ostküste gewandert sind, lässt sich also schrittweise verfolgen. Wahrscheinlich folgen sie den Moschusochsen, welche gerade in diesen Gegenden vorkommen. Die Zeit der Einwanderung kann ebenfalls einiger- maassen sicher festgestellt werden Die deutsche Nord- polexpedition, welche 1869 — 7U an der Sabine-Insel (74° 33' n. Br.) überwinterte und ausgedehnte Boot- und Schlittenfahrten nach verschiedenen Richtungen unternahm, erblickte weder Wölfe noch Spuren derselben, sodass sie bestimmt nach 1870 eingewandert sein müssen. Die dänische Expedition unter Leutnant Ryder, welche 1891 bis 1892 im Scoresby-Sund überwinterte und ebenfalls zahlreiche Boot- und Schlittenfahrten ausführte, hat eben- falls nicht das Geringste von den Wölfen gesehen, sodass man des weiteren annehmen darf, dass sie erst nach dieser Zeit an den Scoresby-Sund gelangt sind, wogegen sie um diese Zeit sehr wohl weiter nördlich eingewandert sein könnten. Das Vorkommen des jungen Wolfes in Hurry Jnlet scheint des weiteren dafür zu sprechen, dass sie sich in Ostgrönland fortpflanzen. Die Einwanderung der Wölfe ist hier nicht ohne Einfluss auf den vorhandenen Wildstand gewesen. Na- mentlich den Rennthiereu seheint durch sie arg mitge- spielt worden zu sein. Im Gegensatz zu den deutschen Schilderungen von dem zahlreichen Vorkommen der Renn- thiere an Fianz Josephs-Fjord und in den nördlicheren Gegenden im Jahre 1870 und den dänischen über das häufige Vorkommen auf Jamesons-Land und der Liver- poolküste zu beiden Seiten von Hurry Jnlet wurde Nathorst, bevor er die ausgedehnte Verbreitung der Wölfe kennen gelernt hatte, von der gegenwärtigen Sehenheit der Rennthiere überrascht. Als die Expedition in Hurry Jnlet anlangte, hatte sie noch nicht ein einziges Rennthier gesehen, und obwohl die ausgezeichnetsten Rennthierweiden, von zahlreichen Bächen mit klarem Wasser durchflössen, an der Ostseite derselben vorhanden waren, wurde auch dort nicht ein einziges Thier gesehen. Dass sie hier sogar früher zahlreicher gewesen waren, bewies die Menge der abgeworfenen Geweihe, welche sozusagen überall gefunden wurden. Obwohl der Auf- enthalt hierselbst über eine Woche dauerte, wurden nur 2 Rennthiere von den Gehilfen des mit Kartirung be- schäftigten Ingenieurs Düsen beobachtet; aber die Thiere waren scheu und sprangen davon, der beste Beweis, dass ihnen nachgestellt wird. Im Innern des Franz Josephs- Fjord ergaben sich directe Beweise für das Verfahren der Wölfe. Neben den Wolfsspuren lagen vielfach Ueber- reste von den Rennthieren als Knochen, Füsse, Schädel u. dergl., und im Gegensatz zu den deutschen Angaben und den Beobachtungen auf Spitzbergen erwiesen sich die Thiere wieder als überaus scheu. Die von der Ex- pedition direkt gesehenen Rennthiere vertheilen sich wie folgt: Hurry Jnlet 2, im Innern des Franz Josephs-Fjord an mehreren Stellen im Ganzen 25 — 26, in einer Bucht desselben in der Nähe von der Küste 12, in König Oskars-Fjord 2, in Summa 41—42. Die Zahl der that- sächlich vorhandenen Rennthiere wird selbstverständlich grösser gewesen sein, und namentlich an König Oskars Fjord wurden frische Spuren mehrfach an Stellen beob- 502 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 42. achtet, wo keine Renuthiere zum Vorschein kamen. Jeden- falls ist die Zahl der beohachteten Rennthiere aber äusserst gering, wenn man bedenkt, dass diese Gegend sonst nie von Weissen besucht wurden, und die grosse Ausdehnung der Fjorde in Betracht zieht, üeberdies wurden an mehreren Stellen die schon von Julius Payer erwähnten alten „Rennthiersteige", welche von den Renn- thieren ausgetreten worden sind, bemerkt. Auch die Küchen- abfallhaufen neben den alten Eskimohütteu beweisen, dass das Rennthier früher sehr allgemein verbreitet gewesen ist. Am Cap Broer Ruys, wo die deutsche Expedition 1870 Rennthiere in grosser Zahl beobachtet hatte, wurde 1899 kein einziges Thier und keine Spur beobachtet. Die Zahl der Rennthiere scheint somit in den letzten Jahr- zehnten in starkem Rückgang begriffen zu sein, und dieser Rückgang wird mindestens zum grossen Theile durch die Einwanderung des Polarwolfes verursacht sein. Feilden berichtet, dass der Polarwolf sich auf Grinnel- Land vorzugsweise vom Moschusochsen ernährt, da seine Excremente vorzugsweise Wolle und Bruchstücke von Knochen des Moschusochseu enthalten. Da jedoch die Moschusochsen in Ostgrönland recht allgemein waren, scheint es doch, als ob diese sich besser gegen den Polarwoif behaupten können, sodass er sie in Ruhe lässt, wo genügend Rennthiere vorhanden sind. Da aber Moschuskälber selten beobachtet wurden, ist vielleicht anzunehmen, dass der Polarwolf schon diesen nachstellt, wenn auch der thatsächliche Beweis für diese Annahme gegenwärtig noch fehlt. Ausser dem Rennthier scheint auch der Polarfuchs seltner als 1869 — 70 zu sein, da nur 2 Exemplare und an einigen Stellen die Spuren von solchen beobachtet wurden. Der Polarfuchs streicht jedoch am liebsten des Nachts umher, während die Expedition die Tageszeit für ihre Ausfahrten bevorzugte. Richardson berichtet jedoch aus dem ark- tischen Nordamerika, dass die Wölfe viele Polarfüchse tödten, welche sie leicht einholen, wenn sie derselben in der Ebene in einiger Entfernung von den Höhlen ansichtig werden. Auf alle Fälle ist aber die Einwanderung des Polar- wolfes nach Ostgrönland für die dortigen Rennthier- heerden verhängnissvoll geworden, und wenn derselbe sich hier einbürgert und vermehrt, so ist es nicht aus- geschlossen, dass er die Rennthiere ganz und gar aus- rotten wird. Richardson berichtet, dass er auf Barren Grounds in Canada mehrfach beobachtet hat, wie einzelne Wölfe die Rennthiere verfolgen, und er schildert, wie ein Rennthier von einem weissen Wolfe eingeholt und erlegt wurde, obwohl das Rennthier thatsächlich schneller sprang; es blieb aber so oft stehen, um sich nach seinem Verfolger umzusehen, dass dieser schliesslich den Sieg davontrug. Das Rennthier war zuletzt entweder erschöpft oder so von Furcht benommen, dass es sich eben, bevor es eingeholt wurde, kaum aufrechterhalten konnte. A. Lorenzen. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ei'iuimit wurden: Landgerichtsarzt Dr. Moritz Hof mann zum ausserordeutlichen Professor für gerichtliche Medizin in München; Dr. Leopold Königstein, Dr. H. Ehrmann, Dr. J. Pal, Dr. E. Redlich und Dr. A. Elschnig, Privat- docenten in der medizinischen Fakultät zu Wien, zu ausserordent- lichen Professoren; Dr. Bodin zum Professor der pathologischen Anatomie und Bakteriologie in Rennes; Dr. Perriol zum Pro- fessor der chirurgischen Pathologie und operativen Medizin in Grenoble; Prof Dr. J. M. H. Rowland zum Professor der Ge- burtshülfe und Dr. J.W. Lord zum ausserordentlichen Professor der Anatomie in Baltimore; Dr. C. D. Westcott zum ausserordent- lichen Professor der Augenheilkunde in Chicago; Dr. Ch. Bartlett zum Professor der pathologischen Anatomie in New-York , als Nachfolger Prof. M. Whites; Dr. Gustav Schütz, dirigirender Arzt am städtischen Krankenhause am Friedrichshain in Berlin, zum Leiter der neuen Universitätsanstalt für Heilgymnastik ; Dr. Isidor Zabludowski zum Leiter der neuen Universitäts- anstalt für Massage in Berlin. Berufen wurden: Dr. Hacker, ausserordentlicher Professor der Zoologie in Freiburg, als ordentlicher Professor der Zoologie, Bakteriologie und Hygiene an die technische Hoch- schule in Stuttgart und als Professor der Zoologie an die land- wirthschaftliche Hochschule in Hohenheim bei Stuttgart; Dr. Lo- renz, ausserordentlicher Professor der angewandten Mathematik und Maschinenkunde in Halle, nach Göttingen als Leiter des physikalisch-technischen Universitätsinstitutes. Es habilitirten sich: Dr. phil. et med. Oskar Schulz für Physiologie und physiologische Chemie in Erlangen; Dr. L. Bo- nome für medizinische Pathologie und Dr. M. Ponticaecia für Kinderheilkunde in Rom. Es starb: Geheimer Medizinalrath Dr. Hi'inrich Abegg aus Danzig, bekannt als Gynäkologe, in Wiesbaden. Die 31. allgememe Versammlung der deutschen anthro- pologischen Gesellschaft wird vom 23—27. d. M. in Halle statt- finden. Die Deutsche Gesellschaft für volksthümliche Naturkunde wurde am 29. Oktober ls94 zu dem Zwecke gegründet, die un- serem Volke eingeborene Liebe zur Natur zu pflegen und die Kenntniss ihrer Gesetze und Erscheinungsformen in weiten Kreisen zu verbreiten. Die Gesellschaft veranstaltet zu diesem Zwecke: l. Einzelvorträge, welche wichtigere Fragen und Entdeckungen auf dem Gebiete der reinen und angewandten Naturforschung in abgerundeter Darstellung behandeln. Wo es für das Verständniss wünschenswerth ist, werden diese Vorträge durch Projektions- bilder und andere Demonstrationsmittel erläutert. Durch das dankenswerthe Entgegenkommen der städtischen Verwaltung steht der Gesellschaft für diese Vorträge der Bürgersaal des Rath- hauses zur Verfügung. 2. Curse, in denen einzelne Wissens- gebiete den Theilnehmern in vollständigerer Form vorgeführt werden. Um den Unterricht durch Versuche und Demonstrationen so viel als möglich beleben zu können, finden diese Curse meist in den Hörsälen öffentlicher Institute statt. 3. Besichtigung von Museeen, naturwissenschaftlichen und technischen Anstalten, von Fabriken etc. unter sachverständiger Führung. 4. Excursionen nach auswärts gelegenen Punkten, welche hervorragendes wissen- schaftliches Interesse bieten. Die Erfolge, welche die Thätig- keit der Deutschen Gesellschaft für volksthümliche Natur- kunde bisher begleiteten, waren sehr erfreuliche. Sie geben uns die Gewissheit, unserem Ziele, den Naturwissenschaften die ihnen gebührende Stelle im geistigen Leben der Nation zu erobern, einen Schritt näher gekommen zu sein. Doch bleibt noch viel zu thun übrig. Die Zahl von etwa 700 Mitgliedern ist gering gegen- über der grossen Zahl wissensdurstiger Männer und Frauen in unserer Hauptstadt, für die es nur des äusseren Anstosses be- darf, um sich zu gemeinsamer Arbeit mit uns zusammen zu finden. Darum mögen Alle, welche in der Beschäftigung mit der Natur eines der wirksamsten Mittel der Erhebung von Geist und Herz finden und welche die vielen Vortheile, die ihnen die Erweiterung ihres Wissens in Aussicht stellt, nach Gebühr schätzen, unserer Gesellschaft beitreten. Anmeldungen nimmt der unterzeichnete Schatzmeister, Herr Consul Seifert, C. 19, Neue Grün-Strasse 11, entgegen. Der Mindestbeitrag beträgt jährlich 2 Mark. Berlin, im September 1900. Der Vorstand: Dr. L. Kny, Professor an der Universität und an der Landwirth- schaftlichen Hochschule, Direktor des Pflanzenphysiologischen Instituts. I. Vorsitzender. — Dr. O. Jäckel, Professor an der Universität und Kustos am Kgl. Museum für Naturkunde, II. Vor- sitzender. Dr.F. Wahnschaffe, Kgl. Landesgeologe und Professor an der Kgl. Bergakademie, III. Vorsitzender. — Dr. W. Greif , Ober- lehrer am Andreas-Realgymnasium, I. Schriftführer. — Dr. H. Po tonie, Kgl. Bezirksgeologe und Decentan der Kgl.Bergakademie, n. Schriftführer. — R. Seifert, i. Fa.: Brückner, Lampe & Co., Konsul, I. Schatzmeister. — Dr. K. Müllenhoff, Professor, Direktor der VII. Realschule, II. Schatzmeister. — F.S.Archen- hold, Direktor der Treptow-Sternwarte, I. Beisitzer. — Dr. L. Plate, Professor an der Universität und an der Thierärztlichen Hochschule. II. Beisitzer. Dei Gustav Amberg, Profe I s c li u s s : Dr. Bastian, Professor au de Universität, Geh. Reg.-Rath, Direktor des Kgl. Museums für Volke künde. — Dr. Brühl, Assistent am Kgl. Physiologischen Institut. — Graf. Douglas, Mitglied des Kgl. Staatsraths und des Ab- geordnetenhauses. — Frl. Ch. Effer, Stadt. Lehrerin. — Dr. Eng- ler, Professor an der Universität, Geh. Reg.-Rath, Direktor des XV. Nr. 4-> Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 503 Kgl. Botanischen Gartens. — Dr. Gerstenberg, Direktor des Friedrichs- Realgymnasiums. — W. Gericke, Kaufmann, Stadt- verordneter. — E. Hanzo, Kaufmann. — Hauchecorne. Land- gorichtsrath. — Dr. Heck, Direktor des Zoologischen Gartens. Dr. Heinroth. — Dr. Hermes, Direktor des Berliner Aquariums. — M. Kirscliner, Oberbürgermeister vonBerlin. — H. v.Kupffer, Chefredakteur. — Dr. Reinhardt, Professor, Direktor der II. Realschule. ~ H. Schalow, Vizepräsident der Ornithologischeu Gesellschaft. — Dr. E. Schulze, Professor an der Universität, Geh. Rcg.-Rath, Direktor des Kgl. Zoologischen Instituts. — Dr. K. Schumann, Professor, Kustos am Kgl. Botanischen Garten. — Dr. Schwalbe, Professor, Direktor des Dorotheen- städtischen Realgymnasiums. — Dr. Toruier, Kustos am Kgl. Museum für Naturkunde. — J. Trojan, Chefredakteur. — Dr. Wittmack, Geh. Reg.-Rath, Professor an der Universität und an der Landwirthschaftlichen Hochschule. Verzeichniss der Vorlesungen und Curse der Urania (wissenschaftliches Theater in Berlin, Taubenstrasse 4S/49) im Winterseraester 1900—1901. I. Quartal. — Vorträge im wissen- schaftlichen Theater (Mittwochs - Vorträge). I. Winter-Quartal. Ausser bereits am 10. und 17. Oktober gehaltenen Vorträgen finden die folgenden statt: 31. Oktober: Prof. Dr. Neesen (Berlin): Gewitter und Blitzableiter. — 7. November: Contre- Admiral Plüddemann (Berlin): Reise durch die Carolinen und erste Besitzergreifung derselben. — 14. November: Professor Dr. Marshall (Leipzig): Der beabsichtigte und unbeabsichtigte Eintluss des Menschen auf die Verbreitung der Thiere. — 21. No- vember: Prof. 0. Flamm (Charlottenburg): Die Gründe für den Bau der modernen Riesendampfer. — 28. November: General- Consul von Hesse-Wartegg (Luzern): Samoa, Deutschlands neueste Colonie. — 5. Dezember: Marine-Pfarrer W augemann (Gautzsch): W^anderung durch die Millionenstadt Canton. — 12. Dezember: Prof. Dr. Buchner (Berlin): Das Gährungs- probleui. — II. Winter-Quartal. In dem Zeitraum von Anfang Januar bis Ende März 1901 werden Mittwochs folgende Vorträge gehalten werden: Prof. Silvanus P. Thompson (London): Faraday und die englische Schule der Elektriker. — Generalmajor z. D. Wille (Berlin): Naturwissenschaft und Kriegswaffen. — Prof. Dr. Ratzel (Leipzig): Der Kampf um Raum. — Geheimrath Prof. Reuleau.\ (Berlin): Ueber Bergbahnen. — Prof. Dr. Thoms (Berlin) : Der Einfluss des Tabakrauchens auf die Gesundheit. — Wirklicher Geheimrath Dr. P. D. Fischer (Berlin): Deutschland und die Wege des Weltverkehrs. — Geheimrath Professor Wedding (Berlin): Ueber die neueren Verfahi'en zur Her- stellung des Eisens und Stahles. — Prof. Dr. Oppelt (Bremen): Naturwissenschaft nnd Handel. — Geheimrath Prof. Foerster (Berlin): Thema aus der Astronomie vorbehalten. — Professor Dr. Do wo (Berlin): Ueber Deutsch Ost-Afrika. - Dr. P. Spies (Potsdam): Ueber den Telephonographen. Einweihung: des Meteorologischen Observatoriums Aachen. Das meteorologische (Observatorium Aachen befindet sich in ein- wurfsfreier Lage im grossen Stadtgarten auf dem Wingertsberge. Dasselbe ist thurmartig gebaut und enthält im Erdgeschoss den Instrumentenraum, im 1. Obergeschoss die Arbeitsräume und das Laboratorium, sowie imThurme eine Wärterwohnung, sowie den Be- obachtungsraum. 3 Plattformen ermöglichen nicht nur einwurfsfreie Aufstellung von Instrumenten, sondern auch ungehinderte Himmels- schau ; aut der obersten steht das Gerüst des elektrisch registri- renden Windmaassapparates, dessen Schalenkreuz sich 28 m über dem Erdboden befindet. Die Hütten für Thermometer, Regen- messer und sonstige Apparate sind auf einer Wiese südwestlich des Gebäudes aufgestellt. Ermöglicht wurde der Bau des Ob- servatoriums durch eine Stiftung des Herrn Fabrikbesitzers Jean Polis, während die Stadt Aachen die Kosten der inneren Einrichtung trug. Die feierliche Einweihung, der die Spitzen der Aachener Behörden und hervorragende Gelehrte beiwohnten, voll- zog sich am 22. September und zerfiel in zwei Theile: den ersten bildete der Festakt mit Begrüssungs- und Glückwunschreden, woran sich eine Besichtigung auschloss. Die Festrede, die in ein Hoch auf seine Majestät Kaiser Wilhelm IL ausklang, hielt der Direktor des Observatoriums, Herr Dr. Polis; in derselben schilderte er die Entwickelung der meteorologischen Wissenschaft und der Aachener Station im verflossenen Jahrhundert. Das Königlich Preussische Meteorologische Institut in Berlin hatte als Vertreter den Herrn Prof. Dr. Sprung, den Direktor des meteo- rologischen C>bservatoriums in Potsdam, entsandt, der die Be- deutung des neuen Observatoriums und namentlich auch die ein- wurfsfreie Aufzeichnung von Wind-Richtung und -Stärke für die dynamische Meteorologie betonte. Die Glückwünsche der See- warte brachte Herr Wirklicher Geheimer Admiralitätsrath Prof. Dr. v. Noumayer dar, gedachte dabei der Erfolge des Institutes für die Praxis in seinem Wirken bei der Erschliessung der Nieder- schlagsverhältnisse für Wasserbau und Landwirthschaft, und be- grüsste den Gründer des Observatoriums, sowie die Stadt Aachen. Zugleich hob er noch besonders die Nothwendigkeit der Ver- öffentlichung von täglichen Wetterkarten in den Tageszeitungen hervor. Der Rector der Königlich Technischen Hochschule, Herr Prof. Dr. von Mangold, betonte die Bedeutung dieser Gründung für die technische Hochschule, da das Institut auch Lehrzwecke verfolge. Zahlreiche Glückwunschtelegramme und Schreiben von fast sämmtlichen meteorologischen Instituten und Gesellschaften des In- und Auslandes bekundeten die lebhafte Antheilnahme, der namens der österreichischen Gesellschaft für Meteorologie Herr Prof. Dr. Penck (Wien) in warmen Worten Ausdruck gab. Die Kgl. Landwirthschaftliche Hochschule in Berlin hat durch eine am Sonntag Abend den 30. September, im Hause statt- gehabte gewaltige Leuchtgas-Explosion schweren Schaden ge- litten, namentlich die von Prof. Alf. Nehring geleitete zoolo- gische Sammlung, die zum Theil vernichtet worden ist. L i 1 1 e r a t u r. Aug. Föppl. Vorlesungen über technische Mechanik. Erster Band: Einführung in die Mechanik. Mit 90 Figuren im Text. Zweite Auflage. Verlag von B. G. Teubner, Leipzig, 1900. — Preis geb. 10 M. Die nach ungewöhnlich kurzer Zeit nöthig gewordene Neu- auflage des ersten Bandes der Föppl'schen Mechanik (die erste Autlage erschien 1898; vergl. ,.Naturw Wochenschr." XIV, S. 295) unterscheidet sich von der früheren nur durch einige kleinere Zu- sätze und durch Hinzufügung von 18 neuen Figuren. Die letzteren werden namentlich denen sehr willkommen sein, deren Vor- stellungsvermögen noch nicht in dem wünschenswerthen Grade entwickelt ist. G. Das wissenschaftliche Theater der Urania in Berlin hatte am 2. Oktober die Presse geladen zu einer Novität: Auf den Wogen des Oceans, Bilder aus der Entwickelungsgeschichte des Seewesens, sceniseher Vortrag von Vizeadmiral a. D. Rein- hold Werner, Dioramen, Wandelbilder und scenische Einrich- tung von den Malern H. Härder und W. Kranz. — Die ein- zelneu Scenen betiteln sich: 1. Meeresstimmung, 2. Altägyptische Schiffe auf dem Nil, 3. Römischer Hafen, 4. Wikinger Schiffe im Mittelmeer, 5. Die Koggen der Hansa, 6. Kurfürstlich Branden- burgische Schifte vor Gr. Friedrichsburg, 7. Englische Linien- schiffe bei Gibraltar, 8. Preussische Schiffe bei Jasmund 1864, 9. Im antarktischen Eise, 10. Forschungsreise der Valdivia, 11. Die Patria im Schwimmdock, 12. Eine Nordseefahrt (Eibfeuerschiff, die „Deutschland", Helgoland, Panzergeschwader, Potosi, Segel- regatta an der englischen Küste, 13. Torpedoangriff bei Nacht, 14. Im Heizraum eines Oceandampfers, 15. An Bord eines ost- asiatischen Dampfers, 16. Panzerdeck, 17. Scene aus dem Marineleben, 18. Ein Schiffsbrand, 19. Strandung eines Seglers, 20. Des Matrosen Heimkehr. Aus dieser Uebersicht ist schon ersichtlich, um was es sich handelt: der neue scenische Vortrag soll Verständni.ss anbahnen und Interesse für das Seewesen erwecken. Nach Inhalt und Vor- führungen ist derselbe dazu wohl geeignet. Die Leistungen der Herren Härder und Kranz sind wiederum wahrhaft künstlerische. Ehrhardt, Prof. J., Die Hundswuth. Aarau. — 1,80 Mark. Goldstein, Prof. Dr. E., Ueber die Phosphorescenz anorganischer chemischer Präparate. Berlin. — 0,50 Mark. Heim, Prof. Dr. Ii., Das Bedürfniss grösserer Sauberkeit im Kleinvertrieb von Nahrungsmitteln. Braunschweig. — 0,50 Mark. Jahrbuch der Chemie. Braunschweig. — 16 Mark. Schreiber, Priv.-Doc. Dr. E., Medicinisches Taschenwörterbuch für Mediciner und Juristen. Strassburg. — 3 Mark. Seibert, Pfr. Dr. F , Lotze als Anthropologe. Wiesbaden. — 3,50 Mark. Inhalt: Schenkling-Prevöt: Nidologisches. — Ueber die Lage und die Funktion des Zellkerns. — Ueber den Eiufluss niedriger Temperaturen auf meristematische Gewebe. — Die Einwanderung des weissen Polarwolfes (Canis lupus occidentalis Rehds) in Ostgrönland. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — LIfteratur: Aug. Föppl, Vorlesungen über technische Mechanik. — Wissenschaftliches Theater „Urania". — Liste. Natui-wissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 42. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ I Dr. Robert Muencke : t Lnisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. ♦ ♦ Technisches Institut für Anfertigung wissenschaftlicher Apparate ♦ ♦ und Geräthschaften im Gesammtgebiete der Naturwissenschaften. * Über die Entwickelung der exakten Naturwissenschaften im 19. Jahrliundert und die Beteih'giing der deutschen Gelehrten an dieser EiitwickeUing. Vortrag gebalten auf der 72. Versammlaug der Gesellschaft deutscher Naturforscher und .irzle zu Aachen J. H. van t'Hoff. Preis 80 Pf. Verlac/ von Leojwld I'o.v.s //( Hamhurg, Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. l;;. Türk, Der geniale mensch. 4. Autiase. 41L' Seiten, gr. s". Geheftet 4,5u Mk., gebunden 6,tHi Mk. Penzig, Ernste Antworten anf Kinderfragen. 2. Auflage. 270 Seiten. 8". Geheftet 2,Su Mk., gebunden 3,60 Mk. Schreiner, Träume. 2. Annage. 107 s. gr. 8^ Geheftet l,6u Mk., gebunden 2,40 Mk. Standinger, Ethik und Politik. 162 Seiten, gr. 8°. Preis 2.40 Mk. Gratis •" i franko liefern wir den 3. Nachtrag (Juli 1897 bis Juni 1899) zu unserem Verlagskatalog. Ferd Dümmlers Verlagsbncbh., Herliii SW. VI, Zunim-rstr. 94. Jf rii. Diimmlf rs ilrrlnssliudilinnbluiijs^ in gerün SW. 12, gimmerftr. 9-t. Soci'cn cvidiicnen; Ä0S üeifters #nÖ0» Irrii. Sümmlrrs Ilf rlagsbudilianblung in Srriin SW.12, jtimmrrflr. 94. Qu unicvcm SScrliige eridjiciicii: 9tatimiitjfcn)cf)aftlidjc 9?o(f§0üd)cr, ^mi^ie, tct($ ilTullrtctte (Auffagc. Durd)geief|fn unb öerbcffert BOU Dr. §, l^otanie unb Dr. |l. 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Seil ll, 100 ©., geb. 0,60 9WE. — ilä|"i)rf)ülogic unb 9ltmuug. Seil 12, 124 ©., geb. 0,80 Wl. — §erä unb Singe. Seil 13, 133 ©., geb. 0,80 9Kf. — Anleitung ju d)emiid)en ejperimentcu. *}5raftifrf)e Jpetäung. Seil 14, 192 ©., geb. 1 9Kf. — SRaturfraft unb ®eifte§moIteii. S8oltlroittfc^aftlid)eg. S8om Spiritiämuä. Seil 15, 163 ®., geb. 1 9Kt. — (Sine $t)autafiereife im SBeltaa (SUtronomic). Seil 16, 271 ©., geb. 1,60 9J}t. — Sie auftcdenben tranf^eiten uub bie 58aftctien. Sie ^flanjenroelt unfret §eimat (onft unb jeßt. 2)ie ©peftralanalljfe uub bie giEftcrnroelt. Seil 17, 178 ©., geb. 1 Wt. — Slbftammungälelirc unb 'Darroiniäinuä. Seil 18, 128 ©., geb. 0,80 3Kf. — 3?on ber grlinltung ber Kraft. Seil 19, 104 ©., geb. 0,60 Wt. — ©ie ©ntluidelnng ber SBeleudjtungötcdjiüf. Slima« tologie. Seil 20, 162 ©., geb. 1 mt. — 35ie «aturroiffcufdiaft im ßrroerb'ilebeii. 5Bi[fcufd)aft uub *3')ilB|'opf)'t- Seil 21, 92 ©., geb. 0,60 Wt. — ^-^^ ^o«tatt -^^ — ron 360 Seiten (Dftar. (Sel[eftct 4-,5() HJ., eleg. ^ebunben .-.,60 ITt. ^enßen unb ^räumen. — -^ üidjtungcn mal 2^- Söeiitftciit. 132 Seiten ©ftao. (Scljeftet 2 in , clcg. ii,ehunben 3 111. Der ^tf^cift. ^inc !5timme aitö bcm. (|)ffcn. Süll 5){obcrt *JJJiulo<5. 154 §cittn fflcto». |Ircis: fflcljtftct 2 p., tleg. gcüunbcn 3 p. \ erantwortlicher Kedacteur: Dr. Henry Potoniö, Gr. Lichterfelde-West bei Berlin, Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 35, für den Inseratentheil: Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. Verlag: Ferd. Dü.tmnlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. «onntag, den 28 October 1900. Nr. 43. Abonnement: Man abonnirt bei aUen Buchhandlungen und Post- j Inserate; Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Aufträge eut- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4- gjU sprechenden Rabatt. BeUagen nach üebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 A extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. £ bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdrnck ist nnr mit vollständiger qnellenangabe gestattet. Palaeophytologische Notizen. Von H. Potoui XII. Ueber die systematische Credueiie Die Tliatsaclie, dass Fr. Jae erschienenen Monographie der Gattung Platanus (vergi. „Naturw. Wochenschr." XV, No. 30, S. 359) kein Wort über die Crednerien als vermuthete Vorfahren unserer heutigen Platanen sagt, veranlasst mich zu der vorliegenden dies- bezüglichen Aeusserung. Er geht von der tertiären Platanus aceroi- des Göppert als dem Stammvater der heutigen Platanen aus, während eine Anzahl Pflanzenpalaeonto- logen, meines Erachtens mit trif- tigen Gründen, jetzt auch die Crednerien der mittleren und oberen Kreideformation als die ältestbekannten Vorfahren der heutigen Platanen ansehen, wie besonders Fridolin Krasser in seiner guten Arbeit: „Beiträge zur Kenntuiss der fossilen Kreide- flora von Kunstadt in Mähren" (Wien und Leipzig 1896, S. 137 tf.), der die Credneria- Reste sogar direkt als Platanus bezeichnet. Er sagt: „Nach den bisher er- langten Kenntnissen über die Form- und Nervationsverhältnisse der Crednerien kann es kaum mehr zweifelhaft sein, dass — von einigen gar zu fragmentarischen Resten abgesehen — alle den Zugehörigkeit der nicke in seiner kürzlich Laubbla a'mHar; T3'pus des Platanenlaubes besitzen. Da nun sowohl ans der grönländischen wie aus der böhmischen Kreide auch unverkennbare Fruchtreste vorliegen, so erscheint die Bezeichnung der Crednerien als Platanus vollkommen gerechtfertigt." In der Anmerkung fügt er hinzu: „Auch die kragenförmigen Nebenblätter der fossilen Platanen sind be- kannt; ich kann wenigstens den Menispermites dentatus Heer von Igdlokunguar für nichts Anderes halten." Schon Saporta hat 1865 als Vergleichsobjecte für die Crednerien u. a. auf Platanus hingewiesen und Lesquereux hat die Anschauung, dass Cred- neria und Platanus generisch zu- sammenfallen, dann schon sehr überzeugend zu begründen ver- sucht. Bei Jaenicke geht aus der Erläuterung der Blattaderung von Platanus (namentlich S. 147), in der von 3 und nur 3 Hauptadern die Rede ist und die Annahme von mehreren „Haupt"-Adern als unsachgemäss bezeichnet wird, hervor, dass die Blätter von Pla- tanus auch in den von Credneria abweichenden Formen doch noch immer an diese Kreidefossilien erinnern : Fig. 1 : Seite 144 sagt Jaenicke überdies: „Die Früh- jahrstriebe bringen, anderen Laub- hölzern gegenüber, zuweilen .... eine ungewöhnliche Anzahl ein- fachster, ungelappter (die Primär- blätter sind ebenfalls ungelappt. 506 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 43. — P.) bei Credneria triacuminata gestalteter. — P.), flach- gebuchteter Niederblätter mit keilförmigem Grunde, bei nicht selten vorwiegender Ausbildung der Längennimensiou" hervor. — Bei dieser Saehlageäre es sicherlich er- t Blatt ei Schlages Fig. 2. Platanus- Stock- -Aus- ''I, der naturl. Grösse. ^. ^-. V" wünscht gewesen, der Frage nach dem Verwandtscbafts- Verhältniss von Credneria zu Platanus auch von seiner Seite näher zu treten. Als ich mich im Juni 1899 behufs pflanzenpaiaeonto- logischer Studien in Wien auf- hielt, sprach ich u. a. mit dem Director des dortigen bota- nischen Gartens, Herrn Prof. R. V. Wettstein, auch über die Credneria-Platanus-Frage, und er machte mich dabei auf ein Platanus-Exemplar im ge- nannten Garten aufmerksam, der die Blatt-Ausbildung des Credneria-Typus an den Stock- ausschlägeu recht schön zeigte. Fig. 2 und 3 sind solche Blätter und Fig 4 giebt die Nach- bildung eiues Laubblattes aus der Krone desselben Baumes wieder. Dieser Fall bestätigt ' wieder einmal — unter der ^^tV Voraussetzung, dass die Cred- W nerien wirklich die Vorfahren L der heutigen Platanen sind — , If dass aussergewöhnlicli schnell ' aufwachsende Organe, wie /'s- 3- eben die Blätter von Schöss- Wie Figur 2. lingcn, gern in ihrer Aus- gestaltung von den in lang- samerem Zeittempo sich ent- wickelnden Organen abweichen und zwar nach der Richtung hin, als die ersteren dann an Verhältnisse bei den Vorfahren erinnern.*) Wir können uns sicherlich nicht verhehlen, dass bei der Betrachtung der Formen- Reihe, welche durch unsere Figuren 1, 2, 3 und 4 gegeben ist, die Zugehörigkeit der Cred- neria-Blätter zu dem Typus der Platanusblätter sich sehr leicht ergiebt. Wir sehen, dass die Ade- .- / rung bei allen 3 Formen sich ,_-^ '/ gemeinschaftlich als eine durch- ^ '" ■' , weg fiederige beschreiben lässt. / Gehen wir daher von der üb- 'j liehen Ausbildung der Fieder- , Aderung einfach - eiförmiger Blätter aus, auf die man die Formen Fig. 1, 2, 3 und 4 rück- wärts verfolgend (also 4, 3, 2, 1) als dem postulirten Urtypus des Platanen- Spreiten -Typus ' ohne Weiteres gelangt (Fig. 5), so erklärt sich die Entstehung des Credneria-Blatt-Typus in der einfachsten Weise durch die Annahme, dass sich im Verlaufe der Generationen zwei Rlälter Fig 2 und 3 < *) Vergleiche meinen Aufsatz (.Pathologische Erscheinungen mit atavistischen Momenten", Palaeo- phytologische Notizen V in der „Naturw. Wochenschr." v. 28. Au- gust 1898. Bd. XIII, No. 35, S. 409 ff., besonders S. 412. XV. Nr. 4.3. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 507 iiiclir oder minder gegenständige Fiederadern 1. Ordnung, rechts und links von der Hauptader, in Fig. 5 z. B. die dritte Seitenader auf jeder Seite der ersteren, sich stärker und länger entwickelt haben, als die übrigen gleichwerthigen Adern, sodass die Fig. 7 zu Stande kommt; die Bevorzugung eines Paares (wie hier angenommen des dritten von unten gezählt) der Seiten-Adern 1. Ordnung kann auch in der Weise in die Erscheinung treten, als die von diesen nach aussen (unten) abgehenden Fieder-Adern (also Fieder- Adern 2. Ordnung) besonders auffällig und stark werden. Der letzte Fall ist für Credneria besonders typisch, Fig. 1 und 6, während in dem ersten Fall die Blattspreite schon deutlicher, auffallender Slappig wird: Fig. 7. Das Vorhandensein der kleinen Adern 1. Ordnung zwischen der Basis der Blattspreite und den länger gewordenen also, wie dadurch zum Ausdruck kommt, bei den Slappi- gen Blättern nicht um 3, bei den 5 lappigen Blättern nicht um b und bei den gelegentlich vorkommenden 71appigen Blättern nicht um 7 gleich werthige Haupt- adern, sondern ihre Descendenz ist, wenn wir vom Cred- neria-Blatt als der primären Ausbildung des Platanus- blattes ausgehen — eine ganz verschiedene gegenseitig bedingte: sie haben nicht alle ein und dieselbe Abstam- mung. — Wie die Aderung des Credneria-Blattes ent- standen zu denken ist, lasse ich dabei wohlbemerkt aus dem Spiele, da wir hierüber keine weitere Reihe nach rückwärts in gleicher Weise verfolgen können wie von Platanus nach Credneria. Dass ursprünglich die Cred- neria-Aderung zunächst aus der einfachsten Form der Fieder-Aderung Fig. 5 hervorgegangen sein dürfte, wurde Seitenadern ist eine Besonderheit sowohl der Crednerieu- als auch der Platanenblätter, besonders derjenigen unter den letzteren, die mehr oder minder Uebergänge zu den Schösslings-Blättern bilden, die diese Eigenthümlichkeit besonders auffällig zeigen. Die Entstehung der mehr als 3 lappigen, wie der 5 lappigen Platanusblätter beruht auf genau demselben Prinzip wie die Entstehung der 3 lappi- gen Blätter, indem es sich auch hier um weiter nichts handelt, als um eine stärkere Entwickelung besonderer Fieder-Adern und zwar, wie das' Schema P^ig. 8 veran- schauhcht, um die besonders starke Entwickelung der untersten, nach aussen gewendeten Fieder-Adern (a) der beiden aus Adern 1. Ordnung hervorgegangenen Haupt- seitenadern, die wir in unserem als Beispiel gewählten Fall als die dritte Seitenader von unten ab gezählt an- genommen hatten. Wir hätten also bei einem 5 lappigen Platanenblatt — wenn wir ganz exact beschreiben wollen — zu sprechen von einer Haupt- (Mittel-) Ader, von der fiederig 2 Hauptadern 2. Ordnung (3) abgehen, von denen wiederum fiederig — aber diesmal nur je eine — Haupt- ader 3. Ordnung (a) abgeht. Jedenfalls handelt es sich schon erwähnt, und dass diese ihrerseits aus einer Gabel- Verzweigung herzuleiten ist, lässt sich zwar für diesen Specialfall nicht nachweisen, ist aber nach der von mir früher entwickelten Theorie, die ganz allgemein die morphogenetische Entstehung aller Verzweigungs - Arten der höheren Pflanzen aus der echten Dichotomie annimmt, selbstverständlich. Allgemein bemerkenswerth ergiebt sich nun aus der geschilderten Sachlage, dass die „pedate" Gliederung, wie sie bei den mehrlappigen Platanusblättern vorkommt, in 2 verschiedenen EntwickelungsReihen bekannt ist, nämlich 1. bei Matonia pectinata, Dipteris und gewiss allen Faruwedeln mit pedater Gliederung ist dieselbe direkt aus der Gabelung (durch Uebergipfelungen) hervorgegangen, während 2. bei Platanus nach dem Gesagten anzunehmen ist, dass aus der echten Gabel-Gliederung zunächst durch ver- schiedene Uebergänge die echte und typische Fiederung erreicht wurde, die dann in der geschilderten Weise in die pedate Gliederung überging. Ueber die verschiedenen Methoden der anthropologischen Forschung. Von Dr. Otto Siebert, Fermersleben. Es ist in unserer Zeit eine weit verbreitete Ansicht, dass es eine allgemein gültige Wahrheit nicht giebt noch geben kann, da jeder Forscher über die Wahrheit seine besondere Meinung hat. In der That lässt sich nicht leugnen, dass auch abgesehen von einer unbedingten Wahrheit selbst die für den menschlichen Verstand er- kennbare Wahrheit sich sehr verschiedenartig darstellt; der eine Denker definirt das Wesen derselben ganz an- ders als der andere. Was der eine für hoehbedeutend und wichtig ansieht und als den Kern der Sache auffasst, erscheint dem andern nebensächlich und unbedeutend. Die mannigfaltigen Standpunkte nun, von denen aus alle Wahrheit in der Welt betrachtet zu werden pflegt, lassen sich im Grunde auf vier Haupttheorieen reduziren. Die Art der einen Forscher ist das Sammeln, die der anderen das Sichten, die der dritten das Einigen, und die der 508 JS'aturwissenschaitljclie Wouhcnsohnft. XV. Nr. 43. vierten das Ausgleichen. Man kann den Standpunkt der ersten Gruppe als den empirischen bezeichnen; ihre Grund- lage ist die empirisch gegebene Aussenwelt. Die mannig- fachen Erscheinungen derselben zu sammeln und zu be- schreiben ist die Hauptaufgabe der empirischen Realisten. Der Standpunkt der zweiten ist ein Hinausgehen über das reiiA sinnliche Gebiet in die Sphäre des Innenlebens, wenn auch die Sphäre der Erfahrung noch nicht ver- lassen wird. Die Thätigkeit dieser Forscher besteht vor Allem in der Analyse des äusserlich Verbundenen. An- (leis wieder verfahren die Denker der dritten Gruppe, indem sie das Getrennte und Mannigfaltige zu verbinden trachten. Sie suchen überall Beziehungen, Zusammen- hänge, Aehnlichkeiten und sehen ihre Aufgabe in einem synthetischen Zusammensetzen. Sie halten sich daher nicht selten für wissenschaftlich höherstehend als die sammelnden Empiriker und die sichtenden Analytiker, deren Arbeit ihnen gering erscheint, obgleich doch ihre eigene Arbeit diejenige der anderen nothweudig voraus- setzt. Sie kämen bei der Fülle des Stoffes ohne die Vorarbeiten der Empiriker und Analytiker überhaupt nicht aus. und so erhebt sich schliesslich eine vierte Forscher- gruppe über die Synthetiker, welche ihr Arbeitsfeld im Ausgleichen aller Gegensätze sowohl im Natur- als auch im Geistesleben erblicken. Sie suchen eine Brücke zu schlagen zwischen dem Realismus und dem Idealismus, indem sie zeigen, dass jeder Standpunkt, in seiner Aus- schliesslichkeit vertreten, ein Irrweg ist. Jeder, der sich allein behaupten will, vernichtet nicht bloss den Gegner, sondern auch sich selbst. Vielheit ohne Einheit ist eben- so undenkbar wie Einheit ohne Vielheit. Diese Bemerkungen lassen sichin ihrerRichtigkeit leicht erweisen, da die verschiedenen Methoden des Forscheus in jedem wissenschaftlichen Gebiete klar erkennbar sind. Merkwürdig ist aber ihr Vorhandensein auch in der Anthropologie. Wir wollen daher versuchen, die ver- schiedenen anthropologischen Standpunkte aufzustellen, um nach den angegebenen Kriterien das wesentlich Wahre und Unrichtige eines jeden nachzuweisen. Der Leser mag sich danach seine eigene Stellungnahme auswählen. 1. Die reinen Empiriker in der Anthropologie fassen den Menschen als Naturwesen im engsten Sinne des Wortes auf und nehmen dabei besonders Rücksicht auf •seinen Körper. Es werden aus der Chemie die Stoffe, aus denen die verschiedeneu Theile seines Organismus zusammengesetzt sein sollen, aus der Anatomie die Be- schreibungen dieser mannigfaltigen Theile oft recht müh- sam und beschwerlich zusammengetragen. Dann wird aus der empirischen Physik das Nöthige herbeigeholt, um zunächst die mechanischen Kräfte, mit denen jene Theile begabt sind, auch zum Zweck der Erklärung mancher Lebenserscheinungen, wie beispielsweise der Be wcgung, in Rechnung zu bringen. Wo aber diese nicht ausreichen, um die sogenannten Theile der Funktionen zu erklären, werden aus den Beobachtungen von Vivi- sektionen, aus galvanischen Experimenten u. s. w. be- sondere, eigentlich animalische Kräfte abgeleitet, die zum Theil auf chemischer Basis beruhen, und die Erscheinung selbst wird auch wohl auf den Konflikt solcher Kräfte zurückgeführt. Und so erscheint der Mensch zuletzt als eine Maschine, die allenfalls durch eine hineingedachte physische Lebenskraft, welche auf mannigfaltigen mate- riellen Hypothesen ruht, aus der Reihe der eigentlichen Maschinen herausgehoben wird. Man darf sich nicht wundern, wenn bei dieser Auffassung auch die Sinne, die Triebe und Gefühle, die Empfindungen und Vor- stellungen nach körperlichen Gesetzen, aus körperlichen Theilen und Kräften erklärt werden. Man redet z. B. von materiellen Ideen, von Impressionen, von Furtpflauzung der Eindrücke durch eine feine Materie, durch den Nerveu- saft, durch die Markkügelchen u. s. w.; und die Seele, sofern man eine anzunehmen geneigt ist, wird als mate- rielles Wesen gedacht, oder aber einfach mit dem Gehirn identificirt. Um nun den Menschen nicht ganz zum Thier herabzuwürdigen, werden ihm ein höheres Begehrungs- vermögen oder sogenannte edlere Triebe beigelegt, ohne dass doch erklärt wird, woher dieselben stammen. Da- mit sind die reinen Empiriker unter den Anthropologen in der Regel fertig. Wir können diese rein empirische Auffassung nur als eine unbefriedigende und dürftige bezeichnen. Der Mensch, in physische Stoffe aufgelöst und in körperliche Theile zersplittert, verliert den inneren Zusammenhang und die organische Lebendigkeit. Nein, das Leben selbst mit allen seinen Erscheinungen ist nur der Ausdruck eines inneren, zwecks geistiger Entwickelung gesetzlich walten- den Typus, und jede geistige Entwickelung ermangelt eines höchsten Zweckes und Ziels, wenn sie nicht auf die moralische Natur des Menschen gegründet ist. Das hat auch kein Geringerer als Hermann v. Helmholtz klar erkannt und deutlich ausgesprochen. Die ganze physische und geistige Oekonomie des menschlichen Lebens ist ein Inbegriff von Mitteln zur Reali.sirung dieses höchsten Zweckes, der Ausbildung seines moralischen Wesens. Der Mensch zerfällt, wenn er nicht bei diesem An- knüpfungspunkte festgehalten wird; das moralische Wesen des Menschen bleibt der Einheitspunkt, auf welchen sich die ganze Mannigfaltigkeit seines Wesens bezieht. Wird dieser ausser Acht gelassen, so fällt der Mensch aus- einander und es bleibt nur ein Aggregat von Massen, Stoffen, Theilen und Kräften übrig, welches man durch ein künstliches Zusammenleimen zu einem Ganzen zumachen sich vergeblich bemüht. Gewiss ist fi'aglos, dass eine voll- ständige Betrachtung und Darstellung des Menschen ohne empirische Grundlage nicht möglich ist. Nur darf in dieser Basis nicht das Prinzip zur Erklärung der Lebens- erscheinungen und zum Begreifen des Menschen selbst gesucht werden; es ist verfehlt, den Menschen erst von aussen in ihn hineinzuconstruiren. Wenn auch die physische Natur des Menschen nicht ausser Acht zu lassen ist, da eine Losgerissenheit desselben aus dem Zusammenhange mit der Natur nur ein unvollkommenes Bild seiner Existenz giebt, so bleibt doch die Beziehung auf einen inneren Einheitspunkt und eine innere Erfahrung unerlässlich. 2. Diese innere Erfahrung bildet nun das Fundament der analytischen Betrachtungsweise, welche damit der Anthropologie einen ganz anderen Charakter beilegt. Ist die erste physiologischer, so ist diese psychologischer Art, obwohl immer noch empirisch, da Verstand und Urfheils- kraft sich auf Erfahrungsdaten stützen müssen, welche sich freilich vor Allem auf den inneren Mensehen be- ziehen. Die Hauptsache der analytischen Methode ist die Zergliederung des inneren Menschen. Formeller als die physiologische Betrachtung behandelt sie das durch psychische Prinzipien bestinnute empirische Leben. Es ist nicht mehr von einer halb materiellen Seele die Rede; die Kritik bescheidet sich, über nichts mehr als Erschei- nungen und ihre Gesetze Nachweisungen zu geben, und ' die den Erscheinungen zu Grunde liegenden Kräfte ziehen sich in die bescheidenen Grenzen der Vermögen zurück. So giebt es ein Denk-, Gefühls- und Willensvermögen. Jedes derselben verzweigt sich nach bestimmten Richtungen, und alle stehen in einer gewissen geistig-organischen Wechselbeziehung; alle aber haben in der Sinnlichkeit gleichsam ihre Wurzel und ihren Träger, sowie in der Vernunft ihr höchstes Prinzip. Es giebt demzufolge ein niederes und oberes Begehrungsvermögen, einen niederen und oberen Gedankeulauf u. s. w. Mit Sorgfalt werden XV. Nr. 43. Naturwi ;hartliclie. Wochenschrift. 509 alle einzelnen Erscheinungen dieser verschiedenen Ver- niösen und ihre Verhältnisse zu einander zergliedert und in Beziehung auf das Leben überhaupt gebracht, dessen verschiedene psychisch-gesunde und krankhafte Zustände ein Gegenstand wenigstens allgemeiner Betrachtung werden, wie Affekte und Leidenschaften, Schlaf und Wachen, krank- hafte Zustände der Einbildungskraft und anderes. Auch die Beziehungen des Menschen im Ganzen und Grossen werden nicht vergessen, z. B. auf Staat, Kirche, Gesell- schaft, und besonders auch auf die Ideen des Wahren, Guten und Schönen. Auf diese Weise entsteht freilich eine ganz andere Anthropologie als die des physiologisch- empirischen Standpunkts, und es wird gewissermaassen eine Lücke ausgefüllt, welche jener Hess. Aber auch dieser psychologische Standpunkt hat grosse Schwächen, und zwar gerade darum, weil sein Prinzip die Analyse ist. Gewiss ist ohne Analyse eine sorgfältige Forschung un- möglich, aber mit der Analyse muss die Synthese Hand in Hand gehen. Die Analyse für sich ist der Weg der Auflösung, und das lebendige, sowohl physische wie geistige Wesen lässt sich wohl auflösen, aber, einmal aufgelöst, nicht wieder zusammensetzen. Das Leben entflieht hier dem zergliedernden Messer, dem psychologischen wie dem ana- tomischen, und wenn das Aufgelöste nicht auf der Stelle wieder als Ganzes betrachtet wird, so entsteht schliess- lich bei immer weiterer Secirung ein lebloses Produkt der Forschung, ein Seheinbild des Lebens. So steht der Mensch nach der analytischen Methode da, zerrissen und nicht wieder zu ergänzen; denn die grosse Kunst der Forschung besteht darin, dass über der Betrachtung und Durchforschung des Einzelnen der Blick auf das Ganze nicht verloren geht. 3. In dieser Erkenntniss suchen die Forscher des synthetischen Standpunktes, des Standpunktes der Eini- gung, das Leben zu ergreifen und festzuhatten, und zwar nicht bloss das Menschenleben, sondern das Leben über- haupt, sowohl sofern es uns in seinen auseinander- liegendsten Formen als auch in seiner reinsten Einheit entgegentritt. Hier finden Natur und Geist ihre gleiche Behand- lung, und weil der Mensch Natur und Geist in seinem Wesen verbindet, bildet er das Ziel der Betrachtung. Die synthetische Untersuchung beginnt mit der äusseren Natur; sie sieht in ihrem Werden und Wachsen das Werden und Wachsen des Menschen vorbereitet. Der Mikrokosmos ist nur eine Verkleinerung des Makrokosmos. Geologische und kosmogenetische Untersuchungen gehen hier den anthropologischen voran. Dieselben Kräfte, welche im grossen Universum walten, erscheinen im kleinen Einzelnen, die Kräfte und Gesetze der grossen Natur er- scheinen in der individuellen Menscbennatur wieder. Fürwahr, ein grosses Unternehmen, welches die ein- gehendsten Studien voraussetzt und dabei doch nur frag- mentarisch oder poetisch zu Stande kommen kann ! Denn was wissen wir von der grossen und allgemeinen Natur, von ihren Erscheinungen, Krälten und Gesetzen! Wie vieles übersehen wir von dem unermesslichen Ganzen, das wir Natur bezeichnen, von deren Wirkungen auf un- serer Erde uns nur ein kleiner Schauplatz geöffnet ist, so dass wir kaum wagen können, von einer Naturwissen- schaft zu sprechen. Selbst das uns zunächst Umgebende, das Thier-, Pflanzen- und Mineralreich, ist uns trotz weit- gehender Entdeckungen und Erkenntnisse im Ganzen noch ein grosses Räthsel, und wieviel räthselbafter werden die vielverschlungenen Kreise dieser Reiche, je weiter sie sich in grösseren Entfernungen um den Menschen ziehen! Auch Darwin's grossartiger Versuch ist vorläufig noch eine grosse Hypothese! In die Oekonomie der Pflanzen haben wir trotz lehrreicher Untersuchungen Potonie's und Anderer nur sehwaches Licht bekommen, und die Physio- logie der Steine ist uns fast ganz unbekannt. Ja, kennen wir denn unsere eigene? Unser leibliches Leben, durch welches der Lichtprozess des Bewusstseins angefacht und unterhalten wird, ist uns in seiner inneren Wesenheit 'noch ein Geheimniss, und dieses Bewusstsein selbst, in welchem uns die Welt und unser eigenes Wesen erscheint, bildet bis zur Stunde ein ungelöstes Räthsel. Und wenn wir unseren Blick dann auf die Seite des Geistes richten, so- wohl des Welt- als auch des Menschengeistes, so müssen wir gestehen, dass unser Wissen nur Stückwerk ist. In Folge dessen ist es das Beste, dass wir, um das „Ausser uns" auch nur einigermaassen zu begreifen, zuerst bei uns selbst anfangen. In uns selbst finden wir vielleicht den Faden, der uns durch das Labyrinth der Natur zu führen vermag, während in dem grossen Ganzen der Schlüssel zur Entfaltung unseres eigenen Lebens wohl für immer von uns umsonst gesucht wird, mag auch das Bemühen so alt sein, wie menschliche Forschung über- haupt! 4. So bleibt denn nur noch ein vierter Standpunkt anthropologischer Forschung übrig. Wir haben ihn als den ausgleichenden bezeichnet. Wenn der empirische Forscher sich bloss seiner Sinne bedient und mit ange- strengter Aufmerksamkeit und völliger Unbefangenheit sammelt, vergleicht, scheidet, verbindet, was eben der Sinn darbietet, dagegen sich vor jeder Einmischung alles dessen, was nur immer Gedanke oder Idee heissen mag, sorgfältig hütet, so ist sein Streben ein durchaus löb- liches; er wird der Hochschätzung jedes verständigen Menschen sicher sein, sofern er strikt in den Grenzen seiner Forschung bleibt; und die Frucht seiner Arbeit ist von ausserordentlichem Werth, weil sie die Basis aller Erkenntniss bildet. Alle Wahrheit im Natur- wie Geistes- leben beruht auf eingehender Forschung und treuer Beob- achtung. Aber die objective Giundlage der Erkenntniss ist doch nur die eine Hälfte derselben. Die Beotiachtung bildet nur die Grundlage, nicht das Prinzip der Forschung. Wer durch die blosse Beobachtung zur Erkenntniss ge- langen will, kommt nicht zum Ziel. Das Feld der Beob- achtung ist unermesslich, unerschöpflich; man findet in ihm kein Ende. Aber gerade ein Ziel, eine Grenze zur üebersicht wird gesucht; der menschliche Geist verlangt Zusammenhang und Einheit seiner Erkenntniss, ja, er be- sitzt nicht eher Erkenntniss, als bis jener Zusammenhang und jene Einheit gefunden sind; und diese können ihm nur von einem anderen Standpunkt aus kommen, als dem Stand- punkt der Beobachtung. Die Quelle aller Einheit und alles Zusammenhangs ist der Geist selbst, der Gedanke, und der Ausdruck des Gedankens, die Idee. Die Idee ist das den Stoff Gestaltende, das eigentliche, die Er- kenntniss schaffende Prinzip. Und so ist ohne die Mit- wirkung des Geistes in den durch die Beobachtung zu- sammengebrachten Stoff keine vollständige und wahre Ei-kenntniss möglich. Der Geist kann allerdings keinen Stoff geben, aber die Beobachtung auch keine Einheit. Beide Elemente der Erkenntniss sind durchaus zu ein- ander nöthig, wenn ein Ganzes der Erkenntniss zu Stande kommen soll. Wie die Beobachtung die Mutter, so ist der Geist der Vater der Erkenntniss. Der ausgleichende Forscher erkennt das mit grosser Klarheit. Er hält nicht die Natur und den Geist, sondern nur die Resultate der empirischen und analytischen Forschung zusammen; er j sieht in der Beobachtung die Sammlung einer unschätz- baren Buchstabenschrift, sowie in dem Prinzip, in der I Idee, den Schlüssel zur Entzifferung derselben; er bemüht sich, die Klarheit und Einheit des Gedankens mit der ! Realität, aber Unverbundenheit der Beobachtung zu ver- Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 43. einigen, um so eine wahrhafte Ausgleichung der entgegen- gesetzten und doch eng zusammengehörenden Extreme der menschliehen Erkeuntniss zu Stande zu bringen. Und dieses Bemühen scheint um so natürlicher, da es keinen Forschungszweig verachtet oder gering schätzt, sondern jedem seine Bedeutung beimisst und bemüht ist, alle feindseligen Bestrebungen einander zu nähern und eine gegenseitige Verständigung herbeizuführen. Sollen wir diesen unseres Erachtens einzig haltbaren Standpunkt des Forschers mit einem Namen bezeichnen, welcher das Wesen jener Ausgleichung noch schärfer bestimmt, so ist es der des gegenständlichen Denkens, den wir mit der Methode selbst keinem Geringeren als Goethe verdanken, und den doch heute so viele wieder vergessen hab(!n. Goethe's Denken sonderte sich nicht von den Gegen- ständen los, es Hess die Elemente der Gegenstände, die Anschauungen, in das.selbe eingehen und von ihm auf das Innigste durchdrungen werden, sodass sein Anschauen selbst ein Denken, sein Denken ein Anschauen war. Es setzt freilich dieses Verfahren eine besondere Uebung und Gewöhnung voraus. Goethes Forschertrieb, der seinen Forscherberuf, besonders im Gebiete der Naturwissen- schaft bekundet, hat ihn fast instinktmässig auf den Weg gefuhrt, auf welchem allein eine richtige und möglichst vollständige Erkeuntniss der Natur gewonnen werden zu können scheint, auf den Weg, wo die Beobachtung und das Denken gleichsam in einen Akt zusammengeschmolzen werden, von dem das abstrakte Denken geradezu ab- führt, und auf welchen zunächst die Beschauuug von Kunstwerken hinleitet, die nicht mit dem Auge allein, sondern zugleich mit dem Geiste gesehen sein wollen. Und diese Gewöhnung bahnt zu einer gleichen Betrach- tung der Naturerscheinungen einen leichten üebergang, dessen Folge gleichsam ein Hineinleben in das Leben der Natur ist. Die Natur bringt uns ihre Wahr- heit in ihren Gegenständen entgegen, und nur durch treue Beobachtung können wir diese Wahrheit erfassen; allein die klare Erkeuntniss derselben können wir nur er- halten, indem wir den Lichtstrahl des Geistes in das, was wir beobachtend erfassten, einfallen lassen. Indem dies aber geschieht, dringt auch die Idee in den Gegen- stand ein; denn der Geist ist ja ein bildendes gestaltendes Vermögen und kann nur durch sein Formgeben zur Er- keuntniss gelangen. Der Geist assimilirt sich also auf diese Weise die Gegenstände der Erkeuntniss, die ihm die Beobachtung vorhält, und so erst erblickt er dieselben in voller Klarheit, versteht sie und weiss sie zu deuten, während sie ihm hingegen bei der zergliederndsten Ana- lyse der Beobachtung allein unverständlich bleiben. — Möchte die ausgleichende Methode sowohl in der Anthro- pologie als auch in anderen Zweigen der Wissenschaft immer weiteren Boden gewinnen! Die Sitten und Gebräuche der Baga-Foreh, eines im französischen Guinea lebenden Negerstarames, macht Jules Leprince zum Gegenstand einer kurzen Abhand- lung in der „Revue scientifique" 1900, II, S. 47. Dieses Volk, das durch seine Sitten von allen umwohnenden Stämmen abweicht, bewohnt in der Zahl von etwa 2000 das Mündungsgebiet des Rio Nunez, der unter 1072° n. Br. in den Atlantischen Ocean mündet. Die Baga- Foreh wollen die französische Herrschaft durchaus nicht anerkennen und verweigern hartnäckig Steuern und Frohn- dienste. Sie leben in Familien gruppirt und haben kein Oberhaupt, höchstens einen Aeltesten, der dann und wann in wichtigen Fragen zu entscheiden hat. Die Männer tragen einen Schurz um die Lenden, die Frauen gehen ganz nackt, was ihnen bei, der Arbeit in den sumpfigen Reisfeldein und beim Fischfang wohl am bequemsten ist. Die Hütten sind aus Erdschollen gebaut und mit Stroh bedeckt. In denselben werden die Fischereigeräthschaften aufbewahrt sowie grosse Körbe für den Reis, von denen jeder 1000—1200 Kilogramm fassen kann. In dem in der Mitte der Hütte befindlichen Heerde wird das Feuer während der ganzen Nacht unterhalten, weil die Luft hier immer feucht und verhältnissmässig IVisch ist. Die Baga-Foreh produciren viel mehr Reis, als ihnen für den eigenen Bedarf nöthig ist, deshalb können sie jährlich eine ziemliche Menge in den benachbarten Fac- toreien gegen Sachen umtauschen, die ihnen wünschens- werth erscheinen: Gewebe, Kleidungsstücke, Glasperlen, Schüsseln und dergl. Kommen sie mit solchen Waaren nach Hause, so verbergen sie dieselben sorgfältig in einem Winkel ihrer Hütte und bringen sie erst bei dem nächsten Feste zum Vorschein. Alle auf diese Weise erworbenen Reichthümer werden an solchen Festtagen vor der Hütte auf der Strasse zur Schau ausgestellt, von den Nachbarn gebührend bewundert und dann bis zum nächsten Feste wieder in das Versteck zurückgebracht; niemals wird ein Hut, eine Schürze, eine Schüssel, ein Kessel aus diesem Familienschatze in Gebrauch genommen. Von einer Religion ist bei diesem Volke nichts wahr- zunehmen, aber sie legen den materiellen Dingen vielfach eine Seele bei und verkehren dann mit ihnen wie mit lebenden Wesen. So bringt der Baga, wenn sein Feld ihm nicht genügenden Ertrag gegeben hat, die gesammte Ernte auf das Feld zurück, schüttet sie daselbst aus und fragt den Acker, was er ihm gethan hätte, und weil er keine Antwort erhält, ruft er dem Felde zu, dass er gar nichts von ihm haben wolle, es möge allen Reis zurück- nehmen. Nach einigen Tagen kehrt der Mann zurück, bringt einige kleine Körbe mit, füllt sie mit Reis und spricht dem Acker seine Anerkennung aus, dass er nun zur Einsicht gekommen sei; dann lä.sst er die kleinen Reiskörbe draussen stehen und bringt die Ernte vergnügt nach Hause in der festen Ueberzeugung, dass er den Acker durch sein Reden und Handeln gehörig betrogen habe. Besonders merkwürdig sind die Gebräuche bei den Hochzeiten, den Geburten und den Sterbefällen. Der Mann zahlt den Eltern seiner Zukünftigen keine hohe Brautgabe, wie es bei den benachbarten Völkerschaften Sitte ist, er bringt ihnen nur einige Krüge Palmwein und ein paar Körbe mit Reis. Von der Hochzeit an hat der Mann für die Frau und die Kinder zu sorgen. Merk- würdig ist, dass ein Mädchen nur dann Hoffnung haben kann, einen Gatten zu erobern, wenn es bereits zwei Kinder hat, die schon gehen können und die dann bei den Eltern des Mädchens bleiben. Der Mann sieht dar- aus, dass seine Frau fruchtbar ist, sterile Frauen sind allgemein verachtet. Am Hochzeitstage rasirt sich die junge Frau den Kopf, reibt sich den Schädel mit Palmöl ein und begiebt sich also geschmückt zu ihrem Gatten; bis in die Nacht hinein wird nach den Klängen des Tam- tam getanzt, und dazu wird fieissig Palmwein getrunken. Der Baga kann mehrere Frauen nehmen, wenn er die- selben ernähren kann. Wenn eine Frau niederkommt, reibt ihr der Mann mit einem roh gefertigten Säbel den Bauch und den Magen mit den Worten: „Seit langem trägst Du mein Kind, es wird Zeit, dass ich es sehe; ich will mein Kind, oder ich XV. Nr. 4;;. Naturwissenschaftliche Woclienschrift. tödte Üicli, egoistische Frau!" Das Reden und das Reiben werden fortgesetzt, bis das Kind zur Welt gekommen ist. Bei dem ersten und zweiten Kinde, die vor der Hei- rath geboren werden, übernimmt der Vater des Mädchens die Rolle des Mannes. Ist jemand aus dem Stamm gestorben, so vernimmt man von den Angehörigen keine Klage, sondern alle sind erzürnt darüber, dass sie der Verstorbene verlassen bat. Ist zum Beispiel der Mann gestorben, so wird der Leich- nam innerhalb der Hütte gegen die Wand gelehnt und an den Seiten durch gegabelte Aeste fest gestützt. Dann versammeln sich die Wittwe, die Kinder, die Eltern und Freunde des Verstorbenen vor der Leiche, und die Wittvpe beginnt damit, ihren Gemahl auszuschelten, dass er sie so treulos verlässt, worauf sie ihm Ohrfeigen und Faust- schläge versetzt, bis sie ermüdet den Platz den Kindern überlässt, die die Procedur unter stetem Schimpfen und Schlagen fortsetzen, worauf die Eltern und Freunde an die Reihe kommen. Sodann wird der Leichnam gewaschen und in der Hütte in einer Tiefe von einem Meter begraben. Ist kein Platz mehr im Boden der Hütte, so wird dieselbe eingestürzt, und auf dem Trümmerhaufen wird eine neue Hütte aus Erdschollen errichtet. Wenn so fünf bis sechs Generationen denselben Ort bewohnt haben, so kann die Hütte zuletzt mehrere Meter über dem ursprünglichen Boden liegen, und der Eingang in dieselbe ist dann nur mittelst einer Leiter möglich. Die Reihenfolge der Erben- den ist: Mutter, Vater, Bruder. S. Seh. Waller-Zeeper berichtet über Augenerkrankungen der Hyacintlien-Gärtiier. (Neederlandsche ooghelkundige Bidragen). Schon lange ist beobachtet, dass sich die Hyacinthensortirer in den berühmten Haarlemer Zücbte- reien in den Monaten August bis Oktober heftige Reiz- zustände der Augen, Bindehautkatarrhe mit starkem Jucken zuziehen. Auf Veranlassung von Snelleu stellte Verfasser Untersuchungen an, welche ergaben, dass in dem Staub der Hyacinthenzwiebeln zahlreiche lebende Milben und Larven und massenhafte Krystalluadeln von Calciumoxalat vorkommen. Es konnte jedoch nicht entschieden werden, welche von diesen Dingen die Reizzustände verursachen. A. Mz. Unter Thoracopagus versteht man die Verwachsung zweier mit dem Gesicht einander zugekehrter Individuen am Thorax. Die Verwachsung betrifft entweder den ganzen Thorax oder nur einen Theil des Brustbeins mit den angrenzenden Rippen oder nur die Schwertfortsätze und die äusseren Weichtheile. (Sternopagus, Xiphopagus). Das bekannteste Beispiel von Xiphopagie sind die soge- nannten siamesischen Zwillinge. In der Academie de Medecine in Paris stellte Chapot-Prevost aus Rio de Janeiro, Anfang Oktober d. J. ein kleines Mädchen von 8 Jahren vor — Rosalina - , welches bis vor 4 Monaten in Höhe der regio epigastrica mit einem anderen gleich- geschlechtlichen Kinde — Maria — zusammengewachsen war und ein deutliches Beispiel von Xiphopagie dar- stellte. Im Mai d. J. trennte Chapot-Prevost operativ die beiden Schwestern. Die eine überlebte die Operation nur fünf Tage, sie erlag wahrscheinhch einer Brustfell-Herz- beutelentzündung. Die andere erfreut sich noch einer guten Gesundheit. Ausser den Verwachsungen der Weichtheile und Knochen existirte ein kleiner Kanal zwischen den beiden Herzbeutelhöhlen und eine beträchtliche Brücke von Leber- substanz, welche die beiden Lebern vereinigte. Es ist das erste Mal, dass in einem Falle von Xipho- pagie mit Verwachsung der beiden Lebern eine Ope- ration das Ueberleben eines der Individuen als Ergebniss hatte. A. Mz. Die Mj'CorhyzenbiUluiig. — Dass die Wurzeln ein symbiontisches Verhältniss mit Pilzen eingehen können, ist seit längerer Zeit bekannt.') Der gebräuch- liche Name hierfür ist „Mycorhiza" oder „Pilzwurzel". Man unterscheidet „ektotrophe" und „entotrophe" Pilzwurzeln, je nachdem der Pilz innen oder aussen an der Wurzel sitzt-, ferner „baktrotrophe" und „myco- trophe" Pilzvvurzeln nach der Bakterien- oder Schimmel- Natur des Pilzes; endlich „fakultative" und „obligate" Mycorhizen. Besonders die „baktrotrophen" Wurzeln der Leguminosen sind von verschiedenen Forschern (Joulie, Heliriegel, Nobbe, A. B. Frank, Hiltner, Beyerinck, Schultz- Lupitz) wegen ihrer landwirthschaftlichen und wissenschaftlichen Bedeutung studirt worden. Es handelt sich hier um eine (entotrophe) Lebens- gemeinschaft der Wurzeln mit gewissen Bakterien (Rhizo- bium Leguminosarum), welche auf eine Ernährung mit elementarem Stickstoff hinausläuft. Schon zu Anfang der fünfziger Jahre hat Ville auf Grund seiner Kulturversuche behauptet, dass manche Blüthenpflanzen freien Stickstoff zu assimiliren vermögen; oben genannte Forscher haben dann den Beweis geliefert, Schultz-Lupitz durch Versuche im Grossen beim landwirth- schaftlichen Betrieb (an gelben Lupinen). In erstem Jugendstadium sind jene Pflanzen noch nicht im Stande, freien Stickstoff zu assimiliren; in aus- giebigem Masse tritt diese Fähigkeit meist erst später ein, mit der Ausbildung der Mycorhizen. Die Myco- rhizen der Leguminosen sind „KnöUchen," d. i. runde bis walzenförmige Orgaue, welche durch einen Vegetations- punkt an ihrer Spitze wachsen. In den grossparenchy- matischen Zellen findet sich ein Bacterium vor, das Bac- terium radicicola (Beyerinck) oder Rhizobium Legumino- sarum (Frank), welches schon bald nach der Keimung aus dem Erdboden in die Wurzel eindringt; wird der Boden sterilisirt, so bilden sich keine Wurzelknöllchen. Die Pilze vermehren sich mit den Wurzelzellen, schwellen stark an und werden endlich von den Zellen aufgesaugt, um die Zeit der Fruchtbildung, wo die Pflanze viel Ei- weiss braucht. Durch die Symbiose mit dem Pilz erlangen die Pflan- zen die Fähigkeit, auch auf Böden, welche nur geringe Mengen von Stickstoffverbindungen oder gar keine solchen enthalten, sich unter Assimilation des elementaren Luftstickstoffes zu entwickeln um ihr normales Quantum organischen Stickstoffes in Form von Eiweiss etc. zu pro- duciren. Welch' enormer Vortheil liegt in dieser den Pflanzen sonst versagten Assimilationskraft gegen elemen- taren Stickstoff! P^ehlt diese, wie gewöhnlich, so muss dem Kulturboden immer von neuem Nitrat etc. durch Düngen zugeführt werden. Wie ist diese merkwürdige Assimilation freien Stick- stoffes zu denken, was thut der Pilz dazu? Beide Fragen sind nicht genügend geklärt. Viele Pilzvvurzeln lassen sich nicht unter diesen Ge- sichtspunkt (Assimilation des elementaren Stickstoffes) bringen, auch manche „entotrophe" Mycorhizen nicht, wie sie bei den Knollen Orchideen regelmässig vorkommen. Es sind hier Pilze im Innern von Wurzeln; *) Einer der hervorragendsten Forscher über Mycorhizen, Prof. A. B. Frank, liat schon am 1. und 8. April 1888 in dieser Zeit- schrift über das bis dahin Bekannte berichtet. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 43. die Wurzeigewebe sollen Eiweissstoffe aus den von ihnen umsclilosseuen Pilzen beziehen. Von Frank sind diese Mycorhizen als Pi!zfallen bezeichnet worden, die betr. Pflanzen können neben die Insektivoreu hinsichtlich ihrer Ernährung gestellt werden. Wie die Nepenthes-, ürosera- Arten und andere fleischfressende Pflanzen Insekten fangen und deren NährstolTe in sich aufnehmen, so sollen die Parenchyuigewebe dieser Wurzeln aus den Pilzen organische Nahrung wie Eiweissstoffe ansaugen. Zugleich mit den organischen Stoffen werden aber auch Miueralstoffe aufgenommen, und um diese letzteren scheint es sieh bei den „ektotrophen" Pilzwurzeln, die neuerdings von E. Stahl (der Sinn der Mycorhizcnbil- dung, Pringsh. J. f w. Bot. 1900, 'd*,\) wieder studirt wurden, hauptsächlich zu handeln. Nach letztem Forscher beziehen die mit „ektotrophen" Pilzwurzeln versehenen Pflanzen von dem symbiontischen Pilze keine oder nur wenig Rohstoffe, sondern aus diesen hergestellte organische Verbindungen und mit diesen auch die Aschenbestand- theile, die ja nach neueren Forschungen in der Zelle viel- fach mit Eiweiss oder Kohlehj'drat verbunden vorkommen (Phosphorsäure - Eiweissverbindungen, Nukleinsäuren, Ei- weisskalzium oder -kalium, Kohlehydratkalziuni). Da in diesem Falle nur genau soviel Aschenbestandtiieile bezogen werden als für den Organismus nöthig sind, kein Mineral- bestandtheil im Ueberschuss — wie etwa das Kalzium bei „autotrophen" Pflanzen (d. i. Pfl. ohne Mycorhiza), welches dann als oxalsaurer Kalk nutzlos abgeschieden wird — , so sind Mycorhizenpflanzen immer aschenärmer wie autotrophe Pflanzen. Obligate Mycorhizenpflanzen dieser Art sind ohne Kalkoxalat in den Blättern, weil schon von dem Pilz das aus dem Boden aufgenommene Kalksalz zersetzt und der Kalk abgeschieden wird. Dass auch die Nitrate bei typischen Mycorhizenpflan- zen zurücktreten oder fehlen, wiewohl der Humus Nitrat liefert, wurde schon von Frank beobachtet. Zwar sind Nitrate im Huraus selbst oft nicht direkt nachweisbar; aber Nitratpflanzen („Nitratdeuter") wie Sinapis alba sammeln dann, dort eingesetzt, Nitrat in sich an. Keine obligate Mycorhizapflanze wurde von E. Stahl nitrathaltig gefunden, selbst wenn auf demselben Boden gewachsene Mycorhizenfreie Pflanzen reichlich damit versehen waren. Die „mycotrophen" Pflanzen, genauer gesagt. Pflan- zen mit ektotrophen Mycorhizen, unterscheiden sich von den „autotrophen" meist durch eine viel schwächere Wasserdurchströmung. Das Wurzelsystem ist schwächer entwickelt, die Wurzelhaarbildung weniger reichlich; nie zeigen sie die Fähigkeit, an bestimmten Stellen der Blatt- spreite flüssiges Wasser auszuscheiden. Unter solchen Umständen kann die Aufnahme der Mineralbestandtheile, die ja mit dem Wasser aus dem Boden erfolgt, nicht so reichlich geschehen wie es bei Autotrophie nöthig wäre. Erwähnt sei noch, dass E. Stahl auch an dem Mangel der Stärkeabscheidung in den Blättern die Mycotrophie erkennt; solche Pflanzen sind mit starken Zuckerlösuugen gefüllt und trauspiriren nicht so stark, haben also ge- ringere Wasserdurchströmung, spärliche Mineralstoffzufuhr. Die „ektotrophe Mycorhiza" stellt sich als eine haarfreie von einem zusammenhängenden Pilzmantel um- schlossene Wurzel im Humusboden dar. Der Pilz nimmt Wasser, Nährsalze und Humussubstanzen aus dem Boden auf, verarbeitet sie zu organischen Baustoffen mit genau abgemessenem Aschengehalt; das Wurzelgewebe bezieht letztere beide von dem Pilz. Ohne die Symbiose mit dem Pilz wäre die Wurzel nicht im Stande, unter den obwal- tenden Umständen (in dem von reichlichen Pilzmassen durchwucherten und aller nutzbaren Bestandtheile schon durch die Pilze beraubten Humus) die nöthigen Mineral- bestandtheile zu erwerben. Auf gedüngtem Boden findet man meist keine Pilzwurzeln, weil hier Nahrung im Ueber- flnss vorhanden ist. Auf humusreichem Substrate können sich z. B. Coni- feren, unsere hauptsächlichsten Waldbäume, nicht selb- ständig ernähren, sie weisen da immer Pilzwurzeln auf, während sie unter anderen Verhältnissen auch pilzfrei angetroffen werden. Die Coniferen sind „fakultative" Mycorhizenpflanzen. Obligate Mycorhizenpflanzen, wie unsere einheimischen Polygalaceen, Gentianeen, die Orchi- deen, haben die selbständige Ernährung in solchem Grade eingebüsst, dass sie ohne Pilz nicht auskommen. Findet der betreffende Pilz sein Fortkommen im Boden nicht, oder fehlt er von vornherein darin, so gedeiht die Pflanze nicht; daher die schwere Cultivirbarkeit der Gentianeen und Orchideen, wie auch der Polygalaceen. Dass es sich bei vielen Mycorhizenbildungen im Humusboden faktisch um eine Konkurrenz im Mineralstoft"- erwerb handelt, hat E. Stahl auch experimentell erwiesen. In sterilisirtem Waldhumus erzogene, nicht mykotrophe Pflanzen (Lein, Weizen, Kresse, weisser Senf) gediehen viel besser als Controlexemplare, die im lebenden Humus wuchsen. Dabei war nicht etwa eine direkte Schädigung dieser Pflanze durch die Humuspilze eingetreten; denn beim Begiessen mit Knop 'scher Nährlösung wurden die Exemplare des sterilen Humus bald von den anfangs zurückgebliebenen überholt. Beachtenswerth ist auch, dass die Wurzeln in nicht sterilem Humus länger wurden als in dem pilzfreien Substrat. Ein hübscher Versuch E. Stahl's zeigt, dass Nährsalzmangel daran Schuld sei. Die Pilzvegetation im Humusboden ist nach E. Stahl eine sehr beträchtliche. „Der Humus ist zum Theil eine lebende Masse von zahllosen Pilzfäden, nicht bloss ein Trümmerhaufen einstiger Pflanzentheile in verschiedenen Zuständen der Humifizierung." Die Pilze brauchen aber Nährsalze in grosser Menge zur Fruktitizirung; der Eiweissgehalt des Bovis soll bis 50 7o der Trockensub- stanz betragen. „Die stark transpirirenden autotrophen Pflanzen finden in den Pilzmycelien bloss Concurrenteu, während die mykotrophen Pflanzen es verstehen, sich gewisse Pilze tributär zu machen und so im Stande sind, den Kampf mit den bodenerschöpfenden Mycelien erfolgreich zu bestehen." Durch die Untersuchungen von Schlicht hat sich her- ausgestellt, dass nicht nur bestandbildende Waldbäume und Heidesträucher, Saprophyten, und Pflanzen wie die halbsaprophytischen Orchideen eine Symbiose mit den Pilzen eingehen, sondern auch zahlreiche andere grüne Pflanzen, an deren selbständiger Ernährung man früher nicht gezweifelt hat. Man kann ohne Uebertreibung sagen, dass die Mycorhizen führenden Gefässpflanzen min- destens ebenso zahlreich sind als diejenigen, welche dieser Bildung entbehren. Holzgewächse wie Fichte, Tanne, Föhre, Eiche, Buche, Ahorn, krautartige Gewächse, wie die Anemonen, Zwiebel- und Knollengewächse wie die Herbst- zeitlose, weisen Pilzwurzeln auf. Da jede Symbiose zwischen zwei Organismen einen Vortheil für beide bedeutet, so müssen wir hier die noch wenig erörterte Frage aufwerfen, was denn der Pilz für einen Vorteil von der Lebensgemeinschaft mit der Wurzel habe. Bezieht er vielleicht Kohlehydrate aus der Pflanze, wenn ihm der Boden nicht genügend Material zur Kohlehydratbildung liefert? Denn dass im Humus nicht alle organische Substanz vom Pilz assimilirt wer- den kann, ist wahrscheinlich; speziell für die in grösserer Menge vorhandenen Huminsubstanzen, Quellsäure, Quell- satzsäure ist neuestens nachgewiesen worden, dass sie sich zur Assimilation nicht eignen, wie sie ja auch chemisch schwer zersetzlich sind. Als allen Mycorhizen gemeinsam ist hervorzuheben, dass die grüne Pflanze Nahrung von dem Pilz bezieht. Wie merkwürdig! Sonst pflegen die Pilze andere Or- ganismen auszusaugen; hier werden sie selbst ausgesogen. Th. Bokorny. XV. Nr. 43. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 513 Die Begattung des Egels Nephelis bespricht der Privatdocent der Zoologie Dr. G. Brandes aus Halle iu der „Zeitschrift im Naturwissenschaft", Bd. 72, S. 122. Während bei den meisten übrigen Egeln ein ausstiilpbarer Penis vorhanden ist, fehlt derselbe bei der genannten Gattung. Brandes beobachtete die Begattung von Nephe- lis mehrfach. Die Würmer umschlingen einander und bleiben so unter lebhafter Bewegung etwa ^/^ Stunden lang. Nach der Trennung bemerkt man in der Clitellar- region beider Thiere einen weisslichen, 1 Millimeter grossen Fleck, von dem zwei zarte Fortsätze emporragen. Dies könnte als Spermatophore gedeutet werden, die an einer beliebigen Stelle der Körperwand eingepflanzt wird. Auf Grund mikroskopischer Untersuchung fand jedoch Brandes, dass man es hier mit CanUlen zu thun hat, durch welche das Sperma in das Körperinnere eingepumpt wird. Bei den einzelnen Schnitten, unmittelbar nach der Be- gattung angefertigt, Hess sich eine grosse Masse von Sperma im Wurmkörper nachweisen, und dass die Samen- fäden nicht activ eingedrungen waren, ging daraus her- vor, dass dieselben noch ia Bündeln vereinigt, unbeweg- lich dalagen. Einige Tage nach der Begattung zeigten sich die Samenbündel sämmtlich gelockert, und die Spermaraassen waren bis über die Medianlinie hinaus vor- gedrungen; noch später dringen ganze Haufen von Sper- mien in die Ovarialschläuche ein und sind hier an ver- schiedenen Stellen in grossen Ballen nachzuweisen. Die Vagina dient also bei Nephelis nicht zur Begattung, son- dern nur zur Eiablage, und das unbewegliche Sperma wird durch die Pumpbewegungen des Körpers vermittelst einer oder zweier Canülen in das Bindegewebe eines Egels eingetrieben, wo dann die Samenfäden die Beweg- lichkeit erlangen und nach den Ovarialscbläuchen wan- dern, deren Wandungen sie durchbohi-en, um so zu den Eiern zu gelangen. S. Seh. Von Kahl bäum ist eine Abhandlung über seine „Versuche über Metalldestillation" erschienen. (Ver- handlungen der naturforschenden Gesellschaft in Basel. Bd. XH, Heft 2, 1900.) Verf. hat sich mit diesen Versuchen, deren Prinzip darauf beruht, Metalle bei sehr niederem Druck möglichst hohen Temperaturen auszusetzen, bereits seit einer ganzen Eeihe von Jahren beschäftigt und schon mehrmals Ge- legenheit genommen, auf Naturforscherversammlungen über dieselben zu sprechen. Jetzt kann Verf. erklären, dass er endlich das gesteckte Ziel, nämlich auf alle Metalle die fractionirte Destillation anzuwenden, erreicht hat. Zur Ausführung der Versuche gebraucht Verf. einen Destillir- ofen, eine Luftpumpe und ein Manometer, die ganz be- stimmten Anforderungen entsprechen müssen. Die Pumpe muss derart sein, dass sie tage- und wochenlang einen Druck von einigen Hunderttausendstel Millimetern hält, das Manometer muss solche Grössen zu messen gestatten, und die Destillationsapparate müssen nicht nur handlich und möglichst billig, sondern auch fähig sein, tage- und wochenlang Temperaturen von 1000", 1200" auch 1400", und für eine kurze Zeit auch noch eine solche von ca. 1600" auszuhalten. Anfangs benutzte Verf. ein U- förmiges Glasrohr aus schwer schmelzbarem Glase als Destillirgefäss, dessen einer geschlossener Schenkel in einen eisernen Tiegel tauchte, während der andere offene dem zur Pumpe führenden Theil des ganzen Apparates aufgcschlift'en war. Die Erhitzung wurde in Bädern aus leichtflüs- sigen Metalllegirungeu vorgenommen. Diese Methode bewähi-te sich gut für Kalium und Natrium, Wismuth, Silber, Cadmium, Magnesium, Thallium u. a. Aber schon | für Lithium, welches das Glas sehr stark angriff, genügte diese Art nicht mehr und es niusste in das Glasrohr ein Silbertiegel eingesetzt werden. Doch viel weiter ging's damit auch nicht, da die Silbertiegel schliesslich ebenfalls weich und zusammengepresst wurden. Nun wurden die sehr theuren Platintiegel angewandt, da diese aber bei so hohen Temperaturen auch verhältnissmässig leicht an- gegriffen und, wenn das Glas unten zusammenschmolz, im Innern des Glasrohres sogar in die Höhe geschoben wurden, nahm Verf. schliesslich seine Zuflucht zu Por- zellantiegeln, die aus der Königl. Porzellanmanufaetur in Berlin bezogen wurden. Diese bewährten sich sehr gut wäh- rend der ganzen Destillation, nur wenn man dann erkalten Hess, trat trotz grösster Vorsicht wegen der verschiedenen Ausdehnung ein Punkt ein, bei dem das Glas um das Porzellan sprang. Dass durfte aber nicht geschehen, da die Metalle dann noch heiss sind und oxydiren. Diesem letzteren üebelstande half K. nun dadurch ab, dass um den Porzellantiegel eine Hülle von Asbest angebracht wurde, die also Glas und Porzellantiegel von einander trennte. Jetzt sprangen, wenn nicht zu hohe Temperaturen angewandt wurden, die Glasrohre nicht mehr und es Hessen sich z. B. Kupfer und Gold auf diese Weise noch destilliren. Bei noch höheren Temperaturen trat derselbe Fall wie bei den Platinticgeln ein, dass nämlich der Porzellantiegel bis an die Biegestelle emporgehoben wurde, worauf dann beim Erkalten das Glasrohr dort auch sprang, daher wurden für die höher siedenden Metalle Porzellan- röhren gebraucht, die genügten. Die Metall bäder, Eisen- tiegel, der Rost, auf dem der Tiegel rühr, wurden auch durch Poizellan ersetzt, da neben Steingut und Chamotte nur dieses noch solclie Temperaturen aushält. Auf die Dauer hält freilich auch Porzellan nicht das Sauerstoffgebläse resp. den Fletscherbrenner aus, es schmilzt dann zusammen uiul dem konnte wenigstens bis zu einem gewissen Grade dadurch abgeholfen werden, dass in den Tiegel dünne Quarzplatten hineingelegt wurden, welche bei längerem Fortsetzen der Operation allerdings auch glatt durch- geschniolzen werden. Die Temperaturen wurden mit einem Platin-Iridium- Thermoelemeut gemessen, die Drucke mit einem vom Verf. selbst angegebenen Mc'Leod'schen Voinmometer. De.stillirt wurden bisher: Selen, Tellur, Kaicium, Na- ti'ium, Lithium, Wismuth, Antimon, Cadmium, Magnesium, Aluminium, Silber, Kupfei-, (iold, Nickel, Eisen^ Chrom, Zinn, Zirkon. Es dürfte ganz erwünscht sein, nun noch einiges über die Destillationsproduktc selbst zu hören, deren ver- schiedene Dr. von Kraatz-Koschlau unter.'^ueht hat: „Die Kupferkrysfalle bilden eine zusannnenhängende krystalline Masse, aus der die einzelnen Krystalle mit ausgezeichnet spiegelnden Fliiclien hervorragen. Die Krystallbewegung ist durch Würfel und Octaeder ge- geben, wobei das Octaeder in]mer herrscht, manchmal ausschliesslich entwickelt ist. Die Goldkrystalle sind thcils Würfel, theils Octaeder. Die Octaeder liegen fast stets auf einer Fläche auf, zeigen dann durch Verzerrung häufig sechsseitigen Unniss und sind oft nach einer Kante gestreckt, sodass sie dann .-tälielicnförmig erscheinen und nur durch die endliche, schiefe Begrenzung als Octaeder identificirt werden können. Die Würfel sind immer gestreckt nach einer Hauptachse und erscheinen dadurch als quadratische Säulen. Würfel und Octaeder liegen regellos durcheinander, an einem Würfel wurde ein Berührungszwilliug nach 0 (1 : 1 : 1) beobachtet. Ueber das Eisen, das sich krystalliuisch mit fast silberweisser Farbe an den Wandungen niederschlägt, urtheilt von Kraatz folgendermaassen: „Kleine, aber ausgezeichnet glänzende Krystalle zeigen Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 4.S. unter dem Mikroskop die Begrenzung von (vorwiegend) Würfel mit Octaeder (untergeordnet). Auf den Würfel- flächen zeigt sich häufig starke Riefung und Streifung parallel der Combinationskante mit einer Octaederfläche, und diese Erscheinung ist wohl als Zwillingsbildung nach 0(1:1:1) aufzufassen. Manchmal tritt das Octaeder allein auf und gestattet die Fiächenwinkel zu 60" zu messen. Es dürften hier die schönsten bisher beob- achteten Eisenkrystalle vorliegen." Alfred Liedke. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Prof. Celoria, Assistent der Sternwarte in Mailand, zu deren Director; Dr Friedrich Reinlve, Privat- docent der Anatomie in Rostock, zum ausserordentlichen Pro- fessor; Dr. Ristenpart zum Assistenten Prof. Auwer's, des Astronomen an der Akademie der Wissenschaften in Berlin. Berufen wurde: Dr. A. Schaper in Blankenburg a. Harz, früher Professor der mikroskopischen Anatomie und Entwicke- lungsgeschichte an der Haward-University in Boston, nach Bres- lau als ordentlicher Professor für dieselben Fächer und als Leiter des Instituts für Entwickeliingsgeschichte. Es habilitirten sich: Dr. Thiemich in der medizinischen Fakultät zu Breslau; Dr. Sick in der medizinischen Fakultät zu Kiel; Dr. Tschermak für landu irthschaftliche Pflanzenproduk- tionslehre an der Hochschule für Bodenkultur in Wien; Dr. G mein er, Professor an der Oberrealschule in Wien, für höhere Algebra an der technischen Hochschule daselbst; Dr. B er- nick für Ohrenheilkunde in Graz. Es starben: Dr. Jacob M. Da Costa, früher Professor der inneren Medizin am Jefferson Medical College in Philadelphia, einer der bekanntesten Aerzte Amerikas, in Ashwood; Professor Siegenbeck van Heukelom, Professor der patli(ilugi,scl]en Anatomie, in Leiden; Dr. Lewis Albert Sayre, bekannt als orthopädischer Chirurg, in New-York : Sir Henry Acland, früher Professor der Medizin in O-xford, zu London. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Carl Däubler, Die Grundzüge der Tropenhygiene. II. Auf- lage- Berlin 1900. Otto Enslin. Das Buch des als Tropenarzt rühmlich bekannten Ver- fassers, das hiermit in IL Auflage erscheint, hilft einem dringen- den Bedürfniss nach einer Zusammenfassung der sehr zerstreuten Litteratur der Tropenmedizin ab. Gegenüber der I. Auflage sind die „Grundzüge" fast um das Doppelte erweitert, was dadurch bedingt wurde, dass wenige Gebiete der medizinischen Forschung in den letzten Jahren eine solche B(M-eicherung an neuen Ent- deckungen erfahren haben, wie die Tropnipatholi.gii'. Ks ,^in niir an die bahnbrechenden Errungenseli,ifl''n drr urucriMi Mil.iria forschung erinnert, die zur Zeit im .Mittil|.iuikt des liit. rr,,,c, nicht nur der Mediziner, sondern auch der Zoologen steht. Hier sind durch das Zusammenwirken der pathologischen und zoo- logischen Forschung der Tropenhygiene ganz neue Gesichtspunkte eröffnet. Verf., der sellist als Arzt und Forscher lange Jahre in Niederländisili lii.lir,, thiitig war. benutzt seinen Stoff" wie wenige und wri.s iliii .liirli in ..iTn' F(irni zu l)ringen, die jedem Natur- forsidn r (lii^.s jung^tf unsi'rer medizinischen Wissensgebiete inteie.-!?a]il nia. lim « ii- I. Im eisten Tln-il des Buches der „Tropen- hygiene" werdi 11 in inchreirn Kapiti'lii die Ergebnisse der Tropen- physiologie und I\]iiii.if..luüir i,Mliildet. I >ie Anpassung.sfähigkeit der endo- und r\oi;.Mirii rrniMiilic« uIhut werden von allgemeinen anthropologi^ die physikali- bedingungcii „die Tropeni Infections- i Namentlich i) nkt Ai.'ll tli.d.iun--, l„,li:in.lrlt dl.. TrniM-nkr.inkliril,.,:. .||.' in id nichtinfectiöse Ki.inkliritn, i:,.||,..|lt «.idrn. den Kapiteln über dir IiiCTtinn^kinidv h-itn, mimI die neueren Forschungen über Fihiiir.,.i, l,r|,ia, Malaria i tr. i. rlii vollständig zusamniengefasst und allgeineiiiver.standlirii dargistellf ; zur Erläuterung dient eine Anzahl gut reproducirter Tafeln mit Bildern mikroskopischer Präparate der wichtigsten Kranklieits- erreger. Im Ganzen kann ich mein Urtheil über das Buch da- hin zii>aiiiiiii'iitas-.'n, das> nirlit nur der Mediziner, insbesondere der < 'liliiDiaiar/t, Mindi-iii .lu.li jnler, der als Naturforscher in die Tro|Hn liiiians..-lilit, inaniiiL; lall ige Anregung durch dasselbe er- fahren Willi, und dass auch jeder Naturforscher es mit Interesse lesen wird. Dr. F. Schaudinn. B. Naunyn, Die Entwickelung der inneren Medizin mit Hy- giene und Bakteriologie im 19. Jahrhundert. Centennial- vortrag in der allgemeinen Sitzung der 72. Naturforscher-Ver- sammlung in Aachen am 17. September 1900. — Gustav Fischer in Jena, 1900. — Preis 1 M. Der flott geschriebene Vortrag giebt ein knappes, gutes Bild der Entwickelung der inneren Medizin im 19. Jahrhundi'rt. Oscar Hertwig, Director des anatomisch-biologischen Instituts der Berliner Universität, Die Entwickelung der Biologie im 19. Jahrhundert. Vortrag auf der Versammlung deutscher Naturforscher zu Aachen am 17. September 1900. Guotav Fischer in Jena. — Preis 1 M. Eine Nebeneinanderstellung der Hauptthaten der Biologie im 19. Jahrhundert. Die Wörter „Philosophie'' und „philosophisch" kommen in dem Vortrag niehrfacli vor; es ergiebt sich, dass glücklicherweise wenigstens das Gefühl wieder hervortritt, dass eine echt-wissenschaftliche Behandlung eines Gegenstandes, wie ihn Verf. zum V'orwurf seines Vortrages genommen hat, ohne philo- sophische Vertiefung nur oberflächlich und werthlos sein kann. Prof. Dr. Lassar-Cohn, Die Chemie im täglichen Leben. Ge- meinverständliche Vorträge. 4. verbesserte Auflage. Mit 22 Ab- bildungen im Te.xt. Leopold Voss in Hamburg und Leipzig, 1900. - Preis 4 M. Es ist ein gutes Zeichen, dass das vorliegende Buch, das — wie wir schon bei Anzeige der früheren Auflagen Gelegenheit hatten zu sagen — geschickt in seinen Gegenstand einführt, schon wieder eine neue Auflage erlebt. Er.st l'idb erschien die erste! Es ist dies ein Symptom unter viiden dafür, dass der Sinn für naturwissenschaftliche Gegenstände immer mehr in weitere Kreise zu dringen beginnt. Auch die vorliegende Auflage hat Verbesserungen erfahren. Ludwig Dressel S. J., Elementares Lehrbuch der Physik, nach den neuesten Anschauungen für höhere Schulen und zum Selbst- unterricht. Zweite, vermehrte und vnll-tiinrli;; umgearbeitete Auflage. 2 Abtheilungen mit :)s:i .\i.liiMini-en (1026 Seiten). Freiburg i. B., Herder'sche Verlag^lJll^hll.andiung. 1900. — Preis 15 M. Wenn der Verf s.in '\\'.ik als „elementares" Lehrbuch be- zeichnet, so bezieht sieh die- .l.iraiif, dass er auf die Verwendung höherer Mathematik, sowie iil.erliaupt auf die Ausführung längerer mathematischer Ableitungen verzichtet hat. Dass gleichwohl in einer immer mehr zur quantitativen Methode übergehenden Wissen- schaft auch das elementare Lehrbuch, sofern es nicht oberfläch- lich bleiben will, an vielen Stellen sich der mathematischen Aus- drucksweise bedienen musste, liegt auf der Hand. Die Aufgabe, durch eindringende Darstellung des Gesammtgebietes der Physik ein namentlich zum Selbststudium seitens tiefer interessirter Wissensfreunde insbesondere seitens der Lehrer an mittleren Schulen, geeignetes Hilfsmittel zu schafften, ist unseres Erachtens dem Verf. in erfreulichem Maasse gelungen. Eine erstaunliche Fülle von Wissensstoff ist in den beiden handliehen Bänden zu- saininengetragen; die zwar meist schematisch gehaltenen, ahev in sehr stattliidier Anzahl beigegebenen Figuren, daruntei- lesundei., die zahlreichen graphischen Veranschaulichnngen |)li\ ,..il\ersiiidie ducli vor- gezogen und erst am Scliluss die neueren \'orstellungen ent- wickelt, wie sie sich im Anschluss an Maxwell's Theorie in den letzten Jahrzehnten herausgebildet haben, ohne dass jedoch die durch die Elektronentheorie gegebene Annäherung an die An- schauungen Wilhelm Webers unbesprochen bliebe. F. Kbr. XV. Nr. 48. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 1 E. Jochmann, Grundriss der Experimentalphysik und Ele- mente der Chemie sowie der Astronomie und mathemati- schen Geographie. Zum Geltnuich beim Unterricht an höljercn Lelir^iiistalten iniil zum Selb^tstuüillm. H(>rausgegeben von (>. Hermes uml P. S|iies. Mit 407 Fignren, 4 meteorologiselien Tafeln und 2 Siernk.irten. 14. wes.'ntlieb verbesserte Autiage. Berlin, Winelvebiiann v^ Söhne. 1900. — l'rei.-^ geb. 5,50 M. 2. O. Hermes und P. Spies, Elementarphysik unter Zugrunde- legung des Grundrisses der K-xperimentulphysik von E. Joch- mann und O. Hermes für den Anfangsunterrieht in höheren Lehranstalten. Mit "218 Holzschnitten. 2. verbesserte und ver- mehrte Auflage. Winckelmann & Söhne in Berlin, 1900 — Preis 2 Mark. 1. Der bekannte Jochmann-Hermos'sche Grundriss der Ex- perimentalphysik wird hiermit in 14. Auflage augezeigt; als Mit- arbeiter tritt bei dieser der frühere Physiker, dann Director des wissenschaftlichen Theaters „Urania" zu Berlin, Dr. Paul Spies, hinzu. Bei dem kräftigen Vorwärtsschreiten der Physik hat eine durchgreifende Umarbeitung des Werkes namentlich in der Elek- tricit.'itslehre stattfinden müssen. Das Buch ist incl. Register auf 523 Seiten angewachsen. 2. Auch bei der Herausgabe der 2. Auflage der „Elementar- physik" hat Hr. P. Spies mitgewirkt. Naturgemäss hat auch diese eine grosse Umarbeitung erfahren müssen. Janet, Lecons d'Electrotechnique generale, professees ä l'ecole superieure d'electricite. Paris, Gauthier- Villars. 1900. Detaillirte Beschreibungen elektrischer Apparate und Ma- schinen oder Angaben über vorhandene elektrische Betriebe würde man in diesem Buche vergeblich suchen, denn es verfolgt ledig- lich die Aufgabe, die allgemeinen Prinzipien und Theorieen der wichtigsten elektrischen Maschinen darzustellen und so gewisser- maassen die Grundlage einer Physiologie der Maschinen zu legen, die unabhängig ist von den besonderen und mannigfaltigen Formen, welche diesen heutzutage so wichtigen Hilfsmitteln un- serer Arbeit je nach den örtlichen und zeitlichen Verhähnissen gegeben worden sind. — Nach einigen einleitenden Erinnerungen an mechanische und thermodynamische Prinzipien wird zunächst vom Gebiet der Elektrostatik nur der Condensator behandelt, es folgen alsdann sogleicli Kapitel über das Ohm'sche Gesetz, den Magnetismus, Elektrumaguetismus und die Induktion. Nach einem weiteren Kapitel über die Eigenschaften der in der Elektro- technik verwendeten Materialien wendet sich der Verfasser den Dynamomaschinen zu. Die ausführliche Tlieurie der verschiedenen Typen von Dynamos und Motoren bildet alsdann den von Seite 124 bis ti02 reichenden Hauptinhalt dos Werkes. Vor der Be- handlung des Wechselstromes ist ein die Eigenschaften harmoni- scher Funktionen erläuterndes Kapitel eingeschaltet, wodurch dem Leser das Verständniss der folgenden Abschnitte wesentlich erleichtert werden dürfte. — Das vorwiegend theoretische Werk erscheint wold geeignet, klare und prücise Kenntnisse den Jüngern der Elektrotechnik zu übermitteln. Für weitergehende Studien ist jedem Kapitel eine Uebersicht ülier die einschlägige, seit 1891 in französischer Sprache erschienene Litteratur angefügt. F. Kbr. Johann G. Hagen, Synopsis der höheren Mathematik. Dritter Band. Differential- und Integralrechnung. In fünf bis sechs Lieferungen ;i b Mark. Lieferung 1 und 2. Verlag von Feli.x L. Dames, Berlin ISOO. Auf die hohe Bedeutung der „Synopsis der höheren .Mathe- matik" ist bei der ausführlichen Besprechung der ersten beiden Bände hingewiesen worden. Nach lan^:erer Pause erscheint nun die Fortsetzung, uml zwar des für \ iej.- l)iM|iiemeren Bezuges wegen lieferung.s\\i'i«c. luilrm wii- auf d.i^ I ',i-clieinen der ersten beiden Lieferungen des dritten Uand.-s hinwrisea und uns eine ausführliche Besprechung bis zur \ollendung des letzteren vor- behalten, wollen wir heute nur anführen, dass in den erschienenen Theilen die Differential- und Integralrechnung und die Trans- formationsgruppen behandelt werden. Mögen die weiteren Hefte recht bald folgen! G. Aug. Föppl, Vorlesungen über technische Mechanik. Dritter Band: Festigkeitslehre. Zweite Auflage. Verlag von B. G. Teubner, Leipzig 1900. — Preis geb. 12 M. Wie von dem ersten Bande, so ist auch von dem dritten dieser Vorlesungen über Technische Mechanik in vei-hältniss- mässig sehr kurzer Zeit eine neue Auflage erforderlich gewesen. Diese unterscheidet sich von der früheren dui'ch Verbesserung einiger Versehen, durch Einfügung von Zusätzen und durch die Bezugnahme auf neuere Arbeiten der letzten Zeit. Um die Hin- weise auf die frühere Auflage nicht zu stören, hat der Herr Ver- fasser zweckmässiger Weise die neuen Paragraphen, Abbildungen, und Gleichungen unter Beifügung von Buchstaben oder Accenten in die alte Numerirung eingereiht. Von den Aenderungen und Zusätzen, welche sich in der neuen Auflage finden, mögen hier nur die wesentlichsten an- gegeben werden. Der Paragraph über das Elasticitätsgesetz (§ 7) ist in seinem letzten Theile unter Berücksichtigung neuerer Arbeiten umgestaltet worden. Neu eingefügt ist § 22 a über Balken aus Gusseisen und Stahl. Eine Erweiterung hat § 23 {die elastische Linie des gebogenen Stabes) erfahren; dagegen weist § 30 (Satz von Maxwell über die Gegenseitigkeit der Ver- schiebungen) eine Kürzung auf. Mit § 31 ist eine Umarbeitung vorgenommen worden, auf die schon im Inhaltsverzeichniss der ersten Auflage hingewiesen wurde. In einem Zusatz zu § 44 werden neue Ergebnisse über Elasticitätsversuche mit Eisenplatten mitgetheilt; ebenso ist § 50 durch einen Zusatz über den rotiren- den Schleifstein bereichert worden, der als ein dickwandiges Rohr aufgefasst wird, das durch einen inneren Ueberdruck beansprucht wird- Dem § 56 ist die graphische Behandlung von Aufgaben über die Knickfestigkeit zugefügt worden. Schliesslich seien noch die neu eingeschalteten §§ 63a, 63 b, 70 a und 70 b erwähnt. Nach allem wird man nicht anstehen, die neue Auflage des dritten Bandes der allseitig geschätzten Föppl'schen Vorlesungen als eine vermehrte und verbesserte zu bezeichnen. Möge sie recht viele Leser finden! G Adamczik, Prof. Ingen. Jos., Compendium der Geodäsie. Wien. 10 Mark. Fischer, Emil, Taschenbuch für I'Hauzensammler. Leipzig. — 2 8ü Mark. Grunmach. Prof. Dr. Leo, Experimentelle Bestimmung von Ca- pillaritatsciiu.stauti'u condensirter Gase. Berlin. — 0,50 Mark. Hotter. Dir. Ingen. Dr. Ed., Die wichtigsten Pilzkrankheiton der laudwirthsciiaf fliehen Kulturgewächse und ihre Bekämpfung. Graz. — 0,50 Mark. Karte, geologische, von Preussen und den Thüringischen Staaten. 1:25,000. Nr. 1. Kyritz. — Nr. 2. Tramnitz. — Nr. 3. Neu- Kuppin. - Nr. 7. Wusterhausen a. d. Dosse. — Nr. 8. Wildberg - Nr. II. Fehrbellin. - Nr. 4. GrossZiethen. - Nf. 5. Stolpe. ^ Nr. 6. Zachow. — Nr. 10. Hohenfinow. — Nr- 11, Oderberg. Berlin. — 3 Mark. Müllner. Prof. Dr. Joh., Die Seeen am Reschen-Scheideck. Wien. - o Mark. Ostwald, Wilh., Grundlinien der anorganischen Chemie. Leipzig - 18 Mark. Beitter, Edm., Bestimraungstabelh> der europäischen C(de(.pteren. Brunn. — 4 Mark. Rothpletz, A. , Geologische Alpenforscluingen. München. — 8 Mark. Stift. Dir.-3tellvertr. Ant., Die Krankheiton (l<>r Zuckerrübe. Wien. - 0 Mark. Torka. Lehr. Joh.. Grundlage der Getriebelehre. Berlin. — 2 Mark. Valentiner, Prof. Dr. W., Verzeichnisse von Do))pelsternen, Nebelflecken und Sternhaufen. Breslau. — 20 Mark. Briefkasten. Hr, Prof. R. in K. - Glücklicherweise haben bei der Gas- explosion in der Kgl. Land« irtlischaftlicheu Hochschule zu Berlin die übrigen Sammlungen (also auss'^r der zoologischen) nicht ge- litten. Die wissenschaftlich .11 l,al".i,ituiien sind gleichfalls unbe- schädigt geblieben, ebenso wie da^ Museum für Naturkunde und die Kgl. geologische Landis.iiistalt und Bergakademie. Inhalt: H. l'utonie: PalaeopIiMoloui.Mdie Notizen, logisciirn Forschunt:. — Di.. Sittri, ,n,d (iebrauch. copagus. - Die Mycorhyz.-nluMunt: Die Beg wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. Carl D der inneren Medizin mit Hygiene und Bakteriolou, 19. Jahrhundert. — Prof. Dr. LassarCohn, Die ( der Physik. — E. Jochmann, Grundriss der Exp' Dr. Otto Siebert: Uebi i- die \ . rsihiedenen Methoden der anthropo- ■ Baga Foreh. — Augenerkiankuimen der Hyaointhen-Gärtner. — Thora- rig des Egels Nephelis. - Veisiulir über Metalldestillation. — Aus dem ■v. Dir Grundzüge der Tropenhygiene. — B. Nauuyn, Die Entwickelung 1 l'.i. .I.ihrhundert. — Oscar Hertwig, Die Entwickelung der Biologie im ie iui täglichen Leben. — Ludwig Drossel S. J., Elementares Lehrbuch eutalphysik und Elemente der Chemie sowie der Astronomie und mathe- matischen Geographie. — 0. Hermes und P. Spies, Elementarphysik. — Janet, Lebens d'Electrotechnique generale. — Joh; G. Hagen, Synopsis der höhereu Mathematik. — Aug. Föppl,, Vorlesungen über technische Meelianik. — Liste. — Briefkasten. nl6 Naturwjsseiiscliaftli Wochenschrift. XV. Nr. 43. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦»»♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦I von Poncet Glashütten -Werke 54, Köpüickerstr. 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Tauchnitz, Leiitzii,', über eine Auswahl nrw issensebaftliclier Werke, bei. Auf das Verzeiehnia der im i>e erheblich herabgesetzten Werke sei noch besonders hin- ■iesen. Verantwortlicher Kedacteur: Dr. Henry Potouic, Gr. Liehtorfeldc-Wcst bei Berlin, Potsdameistrasse 3iS. für den Inpcratentheil Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Vcrlagsbucliliamliiing, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. _ Redaktion: 7 Dr. H. Potonie Verlag: Ferd. Düimnlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 13, Zimmerstr. 94. XV. Band. Sonntciü. den 4. November 1900 Nr, 44. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M i-— Brin(?egeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Aufträge i sprechenden Rabatt. Beilagen nach üebereinknnft. bei allen Aunoncenbureaias wie bei der Expedition. A1>«li-nck ist nnr mit volIstäneitag in Roitz bei Spremberg, der sehr umfang- reiche Düngungsversuche mit Getreide, Kartoffeln, Kraut, Rüben und sämmtlichen Gemüsen unternimmt, erntete auf Lehmboden ohne Düngung 4,8 Centuer Weizen und 10,8 Centner Stroh, während' er durch eine Düngung mit vier Centner Thomasmehl, 2 Centner Kainit und 1 Centner Chilisalpeter 14,4 Centner Korn und 26,2 Centner Stroh vom Acker erhalten wurden. Es brachte also die Dün- gung einen Mehrertrag von 9,6 Centner Korn und 15,4 Centner Stroh und demnach nach Abzug der Düngungs- kosten einen Reingewinn von 71,10 M. vom Acker. Von dem Landwirthschaftlichen Verein Spelle in Han- nover wurden im Jahre 1897 nach dem gleichen Plan zwei Düngungsversuche mit Roggen ausgeführt. Bei dem ersten Versuche wurden auf der ungedüngten Fläche 6,84 Centner Korn und 15,84 Centner Stroh vom Acker geerntet. Die mit 4 Centner Thomasmehl, 3 Centner Kainit und 1,5 Centner Chilisalpeter gedüngte Fläche brachte dagegen 12,8 Centner Korn und 30,4 Centner Stroh. Es wurde also bei diesem Versuch ein Mehrertrag von 5,96 Centner Korn und 14,56 Centner Stroh und nach Berücksichtigung der Düngungskosten ein Reingewinn von 34,80 Mark vom Acker erzielt. Bei dem 2. Düngungs- versuch betrug der Mehrertrag 8,56 Centner Korn und 20 Centner Stroh und der Reingewinn 59 Mark vom Acker. Auf den ungedüngten Parzellen wurden nämlich nur 4,8 Centner Korn und 6,4 Centuer Stroh geerntet, dagegen auf den gedüngten Parzellen 13,36 Centner Korn und 26,4 Centner Stroh vom Acker. Im vorigen Jahre erntete Lehrer Holst in Miscii in Posen auf moorigem Saudljoden ohne Düngung 5 Centner Korn und 8 Centner Stroh vom Acker, auf dem mit 4 Centner Thomasmehl, 4 Centner Kainit und 1 Centner Chilisalpeter gedüngten Stück desselben Feldes auf dem Acker 9Vo Centner Roggen und 25 Centner Stroh. Der Mehrertrag von 4V2 Centner Roggen und 17 Centner Stroh entspricht einem Geldwert von 44,25 Mark, dem die Düngungs- kosten im Betrage von 24 Mark gegenüberstehen. Es wurde somit vom Acker ein Reingewinn von 20,25 Mark erzielt, was umso bemerkenswerther ist, als Roggen auf Roggen folgte und diesem in Stallmist gedüngte Kar- toffeln vorangegangen waren. Holst berichtet, dass der Roggen auf der gedüngten Parzelle sich viel widerstands- fähiger gegen die Nachtfröste erwiesen habe als der un- gedüngte Roggen. Die breiten Massen des Bauernstandes wissen von solchen Bestrebungen der Wissenschaft noch nichts oder nur wenig, weshalb es sich für den naturwissenschaftlich gebildeten Mann lohnt, hier aufklärend zu wirken. XV. Nr. 44. Naturwis.senschaftliche Wochenschrift. 523 Auge und Iiulii.strie. — Dass der neruf eines Meiisclicn, namentlich die Thiitigkeit des Arbeiters iu Heri;\verken und industriellen Betrieben auf innere, iebens- wiclitiiic Prozesse des Körpers im Allgemeinen, und auf die Funktionen eines oder mehrerer ()ii;ane im besonderen einen nicht unbedeutenden abnormen ImiiIIiiss au.süht, der, wenn ihm nicht entgegeugearlieitet wird, seiir leicht die Gesundheit nach dieser oder jciicr liiclituiii;- hin nnter- i^-rabeu kann, ist bekannt. In licr\(irr;ii;ciid('m Maasse hat das empfindliche Aug-e unter dcrartiucn schädlichen Einflüssen zu leiden. Wie sehr die Fabrikhyg-ieue be- rufen ist, Wandel zu schaffen, geht z. B. mit Bezug- auf .4ugenschutz daraus hervor, dass die früher bei Nadel- arbeitern häufiger beobachteten chronischen Reizzustände des äusseren Auges, welche ebenso wie die catarrlialischen Erkvankungeu der oberen Luftwege auf der schädlichen Wirkung des beim Schleifen entstehenden Eisenstaubes beruhten, seit Einführung der iu allen Nadelfabriken obli- gatorischen Exhaustoren nicht mehr beobachtet werden. Oftmals lassen sich die Ursachen solcher Störungen nicht vermeiden, weshalb einem Augenarzte in gewissen In- dustriebezirken viele Fälle von typischen Augenkrank- heiten begegnen. Eine P^lge der Bergmannsthätigkeit ist das Augenzittern der Bergleute, der Nystagmus miuorum. Wenn man die Augen in forcirter Weise gerade nach oben oder nach oben seitwärts richtet und in dieser fixirten Stellung einen Gegenstand lange und scharf be- trachtet, so verspürt man bald ein Gefühl von Ermüdung, im Verein mit Schwindel und Kopfschmerz. Die ver- schiedeneu Bewegungen des Augapfels werden von sechs Muskeln vollführt. Während nun jene geraden Augen- muskeln, welche die Bewegung gerade nach unten, nach links und rechts besorgen, mit ihrer Insertionsstelle bis nahe an die Hornhaut reichen und so eine möglichst starke Zugkraft auf den von ihnen umfassten Augapfel ausüben können, ist die Kraftentwickeluug • des oberen geraden Muskels, welcher die Bewegung des Augapfels nach oben vollzieht, eine weit geringere, einmal, weil die Ansatzstelle 8 mm vom Augapfel entfernt bleibt, und zum andern, weil sein Volumen, cntspin licud seiner im gewöhnlichen Leben weniger in Aiis|iniili genommenen Thätigkeit dem der andern Muskeln nicht gleichkommt. Stellt man darum zu hohe Ansprüche an den Heber des Auges, so ermüdet er bald, ja es tritt eine schmerzhafte Ermüdung ein, das Auge vermag die intendirte Richtung kaum noch inue zu halten, die gesehenen Objecte ge- rathen iu zitternde Bewegung, es stellen sich Schmerz und Schwindel ein, wenn das Auge immer noch forcirt nach oben gerichtet wird. Um das Auge vor Ermüdung zu bewahren, beschränken wir uns bei eventueller Aende- rung der Blickrichtung nicht auf die Thätigkeit der im Allgemeinen wenig entwickelten Augenmuskeln, sondern wir nehmen instinctiv die Stellung des Kopfes unter- stützend zu Hülfe. Schlimm ist nun der Hauer in den Bergwerken daran, dessen Arbeit darin besteht, mit einer keilförmigen Hacke in die zu lösenden Kohlenflötze meh- rere Spalten einzuhauen. Das geschieht in knieender oder liegender Stellung; der Kopf ist fest in den Nacken geschlagen und die Augen sind permanent nach oben seitwärts gerichtet; denn nur so ist es ihm möglich, bei mangelhafter Beleuchtung im höchst engen Arbeitsraume unter möglichster Ausnutzung ihrer Körperkraft das Hand- werkszeug geschickt zu benutzen. So genügen wenige Jahre, um beim „Hauer" die ersten Anzeichen des Ny- stagmus auszulösen. Die Krankheit beginnt damit, dass er am Eude seiner Arbeitszeit eine eigeuthümliche Un- ruhe der beobachteten Gegenstände, ein Tanzen des Lichts verspürt. Von Tag zu Tag steigern sich die Be- schwerden; die zitternde Bewegung der Augen wird manifest zunächst beim Blick nach oben, später aber auch beim Blicke geradeaus. Schwachsichtigkeit und der mit heftigem Kopfschmerz einhergehende Schwindel wirken derart störend, dass der arme Hauer nur mit grösster Mühe die Richtung seines llamlwerkzeugs coiitnilircn kann. So sehr er alle Kraft y.iisaiiiiiicniiiiinnt, um seines Broterwerbs nicht verlustig zu i;rlicii, sclilicsslicli niiiss er sieh doch für arbeitsuiilahig erklaicn. Etwa f) " ,^ aller Bergleute verfällt diesem Geschick. Znin Glück liisst sich das Leiden iu fast allen Fällen heilen, \(jraiisgesetzt allerdings, dass der Hauer für Jahre hindurch die Grube verlässt und sich einer bei guter Beleuchtung möglicheu oberirdischen Arbeit widmet. Eine andere Berufskrankheit, welche ebenfalls auf das Auge schlägt, trifft die Arbeiter iu solchen Fabriken, in denen Blei verarbeitet wird: Bleiweiss- und Mennige- fabrikeu, in Drahtseilfabriken, in denen viel mit Blei ge- arbeit wird, indem man z. B. Kabeldrähte mit Bleifutter umgiebt. Es ist die Bleischwachsichtigkeit, Am- blyopia saturnina. Diese Augenkrankheit ist zunächst eine Folge akuter Bleivergiftung, welche dadurch zu Stande kommt, dass das Blei eine grosse Neigung hat, sich mit dem Eiweiss zu verbinden und als Bleialbuminat in einzelnen Körperorgauen deponirt wird; Bedingung zum Auslösen der Bleischwachsichtigkeit ist aber auch eine ent- schiedene individuelle Disposition. Die Krankheit zeigt sich nun darin, dass entweder plötzlich ohne nachweis- bare Veränderung des Augenhintergrundes beiderseits völlige Erblindung eintritt, die jedoch bald wieder in völlige Genesung übergeht; oder dass der Sehnerv sich entzündet. In diesem Falle ist völlige Erblindung nur eine Frage der Zeit. Die Mehrzahl der Fälle von Am- blyopia saturnina tritt zum Glück wesentlich günstiger in Form einer allmählich zunehmenden Sehwachsiehtigkeit auf. Arbeiter der Glashütten werden in Folge des ausser- ordentlich blendenden Lichtes, der übergrossen Hitze und des grossen Wasserverlustes in Folge gesteigerter Tran- spiration vom grauen Staar befallen, und zwar nicht nur die älteren Arbeiter, Glasbläser, sondern auch die jüngeren, der sogeuannten Zuträger- oder Gamin-Motzer. Letzterer arbeitet unter einer Temperatur von 45° C, indem er aus der flüssigen Masse mittels einer Pfeife nach längerem Umdrehen eine genügend grosse Kugel herausholt. Zwar schützt er sich durch ein mit einem blauen Glase ver- sehenes Schutzbrettcheu, welches er an einem Stiele in den Mund nimmt; der Licht- und Hitzeffekt bleibt doch ein ganz enormer. Der Glasbläser hat besonders seine linke Körperseite einer noch höheren Temperatur aus- gesetzt (50 — G0° C), weshalb sich an dieser Hälfte Wange und Stirn braun verfärben, woran man einen Glasbläser bald erkennen kann; darum ist auch das linke Auge ganz besonders der Erkrankung ausgesetzt. Während ca. Vioo bis Vio 7o der Bevölkerung mit grauem Staar behaftet ist, haben die umfangreichen Untersuchungen Mayhöfer's über die Staarkrankheit unter Glasmachern unter 40 Jahren 4,5 %, bei solchen über 40 Jahren sogar 26,5 7o ergeben. Die Zahl der Augenverletzungeu iu industriellen Be- trieben ist Legion Unter den perforirenden Verletzungen, also bei Augenwunden, sind nun diejenigen bemerkens- werth, welche durch einen ins Auge gedrungenen Fremd- körper hervorgerufen worden sind. Namentlich handelt es sich hierbei um Metalltheile. Die Augenärzte unter- scheiden chemisch indifferente und chemisch differente Metalle, also solche, die im Innern des Auges reaktions- los verweilen können, und solche, die in kürzerer oder längerer Zeit eine entzündliche Reaktion im Gefolge haben. Indifferent ist ausser den edlen Metallen noch das Blei; besonders gefährlich werden aus der anderen Gruppe Eisen und Kupfer. Wenn Splitter von Eisen und Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 44. Kupfer untei Umständen auch Jahre lang- eingekapselt und reaktionslos im Auge verweilen können, schliesslich tritt in Folge der Oxydation doch eine entzündhafte Er- regung auf, welche das Auge zu Grunde richten kann. Muss die Augenheilkunde bis jetzt noch vor eingedrungenen Kupfertheilen die Waffen strecken, so ist sie gegenüber den Eisensplittern glücklicher daran, insofern sie in vielen Fällen dieselben mit Hilfe des Elektromagneten extrahiren kann. Wie Dr. Thier (Aachen) in seinem Vortrage über oben genanntes Thema auf der Generalversammlung des „Nafuihistorischcn Vereins der preussischen Rheinlande, Westfalens und des Regierungs-Bezirkes Osnabrück" (Mai 1899) mittheilte, geschah die erste Applikation des Magneten behufs Extractiou eines Eisensplitters bereits vor "200 Jahren durch den deutschen Arzt Dr. Fabricius ans Hilden, welcher auf den Rath seiner Frau aus der Hornhaut des Auges mittels eines Magneten einen Eisen- splitter herauszog. In neuerer Zeit hat Dr. Max Keown in Belfast vor etwa "25 Jahren den Versuch gewagt, mit dem Magneten ins Auge zu dringen. Seitdem gehört der Elektromagnet zum nothwendigen Instrumentarium der Augenärzte. Zum Auffinden des Splitters dient das 1893 von dem Augenarzte Dr. Asmus in Düsseldorf erfundene Sideroskop, ein sehr empfindlicher Apparat, welcher im Wesentlichen aus einer an einem feinen Coconfaden auf- gehängten Magnetnadel besteht. Mit der Mitte der Nadel ist ein kleiner Spiegel fest verbunden. Die geringsten Schwankungen können alsdann mit Hilfe eines Fernrohrs au der Poggeudorf'schen Spiegelablesung constatirt werden. (Verhandlungen des naturhistorischen Vereins, 56. Jahr- gang, Bonn 1899). B. Die Immunität der Maiiguste gegenüber dem Cobragift bespricht der englische Militärarzt Robert Henry Elliott, der lange Zeit in Indien gelebt hat, in „British medical Journal". Die „Revue scient." vom 25. August 1900 l)ringt von dieser Arbeit einen Auszug. Die Manguste, Herpestes griseus Ogilby, kommt in ganz Indien vor und ist schon seit langem dadurch vortheilhaft bekannt, dass sie Mäusen, Ratten und Schlangen, auch den giftigen Brillenschlangen, nachstellt; ihrer Nützlichkeit wegen hat man sie auch in Westindien eingeführt. Nach den Untersuchungen Elliott's ist die Immunität der Man- guste gegen den Biss giftiger Schlangen nur eine relative. Im Allgemeinen tödten 6 Milligramm Cobragift 1 Kilo- gramm Manguste, aber bei gesunden und kräftigen Thieren ist eine viel höhere Dosis erforderlich, bis 10 und 15 Milligramm, so dass zum Tödten einer Manguste durch- schnittlich 10 bis 25 Mal so viel Cobragift nöthig ist als zum Tödten eines Kaninchens. Dr. A. Calmette, Direk- tor des Pasteur'schen Instituts zu Lille, der früher ahn liehe Untersuchungen an der Manguste angestellt hat, kam dabei zu ganz anderen Zahlen. Es ist aber zu be- denken, dass Calmette in Europa unter wenig günstigen Bedingungen arbeitete und dass ihm längst nicht das Material zu Gebote stand, mit welchem Elliott in Indien experimentiren konnte. Auch stanmiten die Mangusten, welche Calmette bei seinen Untersuchungen benutzte, von Guadeloupe, wo es gar keine giftigen Schlangen giebt und wo die Thiere eingeführt worden waren, um die Ratten zu vernichten. Es ist also möglich, dass die Man; gustcn von Guadeloupe im Laufe der Jahre ihre Immuni- tät verloren haben, weil sie gar nicht mehr mit Gift- sehlangen in Berührung kamen. Die Manguste ist im wilden Zustande ein Fleisch- fresser, in der Gefangenschaft zwingt man sie dagegen gewöhnlich zur Pflanzenkost. Frühere Untersuchungen von Fräser und Calmette haben nun ergeben, dass die j Immunität gegen Gift bei Fleischfressern im allgemeinen eine grössere ist als bei Pflanzenfressern. Wenn man die Widerstandsfähigkeit des pflanzenfressenden Kaninchens als 1 annimmt, so ist nach Elliott die des Hundes un- gefähr 2, und die der Manguste schwankt zwischen 10 und 25. Wird eine Manguste mit einer Brillenschlange zu- sammengebracht, so fällt sofort in die Augen, wie die erstere ganz ruhig bleibt und die Schlange kaum beachtet, wogegen die Cobra von lebhafter Unruhe befallen wird, inmicr auf der Hut ist und unter fortwährendem Zischen jede Bewegung des VicrfUsslers aufmerksam verfolgt. Nähert sich die Schlange, um zu beissen, so springt die Manguste gewandt zur Seite, und wenn kein Entrinnen möglich ist, nimmt sie den Kampf auf. Sie nähert sich der Cobra langsam, indem sie den Kopf derselben nicht aus den Augen lässt, und wenn die Schlange sich nach vorn wirft, fährt die Manguste entweder blitzschnell zurück oder sie erfasst mit unglaublicher Schnelligkeit und Ge- wandtheit den Kopf des Reptils mit ihren Zähnen. Dabei kommt es nun mitunter vor, dass sich die Kiefer der beiden Thiere in einander verschlingen, so dass die An- nahme gerechtfertigt erscheint, dass auch die Manguste gebissen wird. Dennoch kommt es nach Elliott nur äusserst selten vor, dass die Manguste einen Biss erhält. Bald sind die Giftzähne der Sehlange zerbrochen und ihre Giftdrüsen zerquetscht; dabei kann es wohl geschehen, dass die Manguste etwas Schlangengift verschluckt. Die Bewegungen der Manguste während des Kampfes sind zu schnell, als dass die Cobra mit einem Biss die genügende Menge Gift in die Wunde spritzen könnte, und da sie beim Kampfe die Haare sträubt, so wird die Schlange wohl selten mit ihren Zähnen bis zur Haut resp. zum Fleische des Thieres gelangen. Daher, dass die Manguste während des Kampfes dann und wann einen schwachen Biss von der Schlange erhält und dass sie zuweilen etwas Cobragift verschlucken muss, rührt nach Elliott die Immunität des Vierfüsslers der Cobra gegenüber; es findet so gewissermaassen eine fortgesetzte Impfung und damit eine allmähliche Ge- wöhnung an das Schlangengift statt. Die Immunität geht aber wieder verloren, wenn die Manguste in einem Lande lebt, wo es keine Giftschlangen giebt. Dabei kommt der Manguste ihre ausserordentliche Gewandtheit sehr zu Statten, wie es in Indien genug Hunde und Katzen giebt, die lediglich auf Grund ihrer gewandten Bewegungen den Kampf mit der Brillenschlange aufzunehmen wagen. So- gar die Perlhühner und anderes Hausgeflügel sollen die Cobra angreifen, und es wird in Indien allgemein geglaubt, dass die Schweine die Brillenschlange fressen und gegen ihren Biss eine gewisse Immunität besitzen. S. Seh. Die Waldungen und die Waldwirtlischaft auf Fünen im 19. Jahrhundert beschroilil Kdistkaiulidat C. Weismann im Auftrage der forstwirtlisciiaftlichen Sektion in einer Festgabe für die 18. dänische Land- wirthschaftsversammlung in Odense (Skove og Skovbrug paa Fyn i det 19. Aarhundrede. Odense, Hempel, 1900). Die Darstellung beruht auf einem recht umfassenden Studium der topographischen und geschichtlichen Litte- ratur und der in erster Linie in Betracht konnnenden Gutsarchive, der Forst- und Provinzialarchive, den Mit- theilungen der Forstbeamten und eigenen Recognoscirungen des Verfassers. Die berücksichtigten Gutsarchive liegen jedoch fast alle südlich der Eisenbahn Nyborg-Odense- Strib (Middeltart), also in den waldreichsten Gebieten, dagegen sind die benachbarten Inseln (Taasinge, Lange- laud, Arö u. a.), welche in administrativer Beziehung zu XV. Nr. 44. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. den beiden fünenschen Aemtern Svendborg und Odense gehören, mit einbezogen. Das Waldareal betrug bei der Aufnahme von 1896 nach Trap, Kongeriget Danmark, 3. Udgave. Bd. 3. (Kopenhagen, Gad, 1900) 47 343 dänische Tonnen Landes (261,158 qkm) bei einem Gesamratareal von 3433,1 qkm, sodass das Waldprozent für Fünen 7,607 7o beträgt. Weismann, der, soweit ersichtlich, die Resultate derselben Aufnahme benutzt hat, kommt S. 144 zu einem Waldareal von 49 080 Tonnen (270,740 qkm) und einem Waldpro- zent von 7,8 (genauer 7,886) %. Fünen übertrifft also Dänemark, dessen Waldprozent Prof. A. Oppermann in „Jul. Schiött, Danmarks Na- tur i Skildriuger af Danske Videnskabsmo3nd" (Kopen- hagen, Nordisk Forlag, 1899) auf ca. l"/,, angiebt, während Forstrath Hahn in seinem Bericht über „die Aufforstungen in Schleswig-Holstein" (Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen. 1893) für Schleswig-Holstein ein Wald- prozent von 8,90 «0 berechnet (S. 255.) Auf der beigefügten Karte hat Weismann Waldbestände unter 20—30 Tonnen unberücksichtigt gelassen. Nach den Angaben Morville's umfasste der Waldbestand 1775 53310 Tonnen. Die Insel Arö war schon 1775 gänzlich von Waldungen entblösst, welche nach örtlichen Sagen im Jahre 1658 von den Schweden zerstört sein sollen. Noch gegenwärtig ist die Insel Arö waldarm, nicht, wie Weismann schreibt, waldleer. Das Waldareal auf Arö beträgt nach Trap und Oppermann 10 Tonnen. Nach 1775 geht das Waldareal auf Fünen zurück. Begtrup giebt 1806 ca. 40000 Tonnen, Dalgas und Hofmau 1837, bezw. 1843, ca. 32380 Tonnen, womit allerdings der tiefste Stand erreicht zu sein scheint. Der Verbrauch an Holz hat schon früh Beschrän- kungen erfahren. Pontoppidan erwähnt schon 1767 die Häufigkeit der Steinwälle auf Fünen, wodurch der Bedarf an Zaunreisern herabging. In Folge des grösseren Wohl- standes auf Fünen widmete man schon früh den Haus- thieren grössere Pflege, sodass die Waldungen weniger zu Weiden benutzt wurden als auf Seeland. Das Ein- sammeln des welken Laubes zwecks Düngens war im wesentlichen auf die Hopfengegenden beschränkt. Die Haupteinnahme aus den Wäldern bildeten die Erträge der Schweinemast, welche jedoch hier nicht besonders stark betrieben zu sein scheint, da die Eichelmast für die Grafschaft Brahesminde 1798 auf 215-V4 dreijährige Schweine berechnet wurden, aber nur 136'/4 Waldschweine in den Wald geti-ieben wurden. Mangel an Brennholz ist kaum je auf Fünen gewesen, aber die Furcht vor demselben schuf nach dem Zeugnisse des Grafen Holstein auch hier das Forstwesen. Geheimrath Leute- Adeler, Amtmann in Nyborg, erwähnt diese Furcht zum ersten- mal in seiner Amtsbeschreibung (1760) und scheint auch die wahre Ursache des geringen Ertrages der Wälder er- kannt und den Uebergang zu regelmässigen Schlägen empfohlen und anseheinend durchgeführt zu haben. Nach der Annahme Weismann's, welche durch die Karte be- stätigt wird, ist der Rückgang der Waldungen in erster Linie eine Folge des Verkaufs der Krongüter im Jahre 1764, und darum ist die Abnahme des Waldareals am grössten im Ritterbezirk; wahrscheinlich würde sie noch grösser sein, wenn eine Statistik für 1764 und nicht erst für 1775 vorgelegen hätte. Die Spekulationskäufe scheinen auf Fünen keine nachtheiligen Folgen gehabt zu haben, da die Waldungen gewöhnlich nicht mit parzellirt wurden. Die ersten praktischen Versuche in der Richtung einer rationellen Forstwirthschaft scheinen vom Amtmann A. C. Holstein auf seinen Gütern Holstenshus und Lan- gensö nach 1750 vorgenommen zu sein; aber sein Einfluss beschränkte sich auf seine Güter, während die Maass- nahmen des Grafen J. L. Reventlow-Brahetrolleborg nach 1775 vorbildlich für die fünensche und dänische Forstwirthschaft wurden. Zwei Hannoveraner, Georg Wil- helm Brüel (geb. 1742 in üslar) und Johann Carl Vin- cenz Oppermann (geb. 1784), haben unter dem Grafen Reventlow hier selbständig gearbeitet, und wenn auch die Thätigkeit Brüels in verschiedener Richtung bemängelt wird, Oppermann gilt mit Recht als Gründer der öko- nomischen Forstwirthschaft in Dänemark. Was Opper- man für BrahetroUeborg, wurde der spätere Forstrath C. H. Schröder (1821 zu ülfshus bei Hadersleben ge- boren), der die fünenschen „Alpen" bepflanzte, für die Grafschaft Wedellsborg. Früher wurden nur Buche, Eiche, Erle und Nadel- hölzer gezogen, neuerdings werden auch Esche, Berg- ahorn und Birke in grösserer Ausdehnung benutzt. Oft kommt die Buche jedoch noch an Stelleu vor, wohin sie eigentlich nicht geläört. Die Schwarzerle ist an mehreren Stellen aufgegeben, während die Grau- oder Weisserle vielfach theils als Ersatz, theils auf den nun vom Meere abgedämmten Flächen, wo keine andere Pflanze wachsen will, angewandt wird. Die Weissbuche, welche früher als forstliches Unkraut betrachtet wurde, nach deren Nutzholz aber in den letzten Jahren lebhafte Nachfrage herrschte, wird nicht in nennenswerthem Maasse gebaut; dagegen wird die Eiche wieder in grösserem Umfanoe gebaut. Die Edeltanne ist durch Oppermann auf BrahetroUe- borg eingeführt. Schröder hat die Strandkiefer, die öster- reichische und die korsische Kiefer einzubürgern versucht, aber erfolglos. Um die Mitte des Jahrhunderts waren Mischkulturen sehr beliebt. Oppermann mischte Rothtanne und Kiefer, Böving 1839 Buche und Rothtanne, jedoch nur, um die Buchen in die Höhe zu bringen. Diese Mischung von Buche und Rothtanne hat in den sechziger Jahren grösseren Umfang angenommen. Man mischte jedoch auch Buche und Eiche, Eiche, Esche und Erle, Eiche und Rothtanne. Diese Mischkulturen sind aber seit den siebziger Jahren mehr und mehr aufgegeben. Natürliche Verjüngung wird jetzt nur noch, und zwar immer, bei der Buche angewandt; jedoch hat Selbstver- jüngung früher auch bei der Schwarzerle und vereinzelt bei der Rothtanne stattgefunden. A. Lorenzen. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Oberbergrath Schmeisser, Direktor der königlich geologischen Landesanstalt und Bergakademie in Berlin zum Geheimen Bergrath; Dr. Max Schlosser, Custos an der geo- logischen Sammlung des Staates in München, zum zweiten Con- servator; Dr. Adalbert Schröter, Bibliothekar an der Landes- bibliothek in Wiesbaden, zum Bibliothekar an der königlichen Bibliothek in Berlin; Dr. Samson Gemmel zum Professor der klinischen Medizin in Glasgow; Dr. Tiger stedt zum ordent- lichen Professor der Physiologie in Stockholm. Berufen wurden: Dr. Karl Hefele, königl. Forstamtsassi- stent in Schlichtenberg und Privatdocent der Forstwissenschaft in München, als Professor an die Universität Tokio; Dr. Oscar Böttcher, stellvertretender Vorsteher der königl. sächsischen landwirthschaftlichen Versuchsstation in Möckern, nach Jena als Professor der Agrikulturchemie und Leiter der landwirthschaft- lichen Versuchsstation; Prof. Dr. Alb recht Kossei, Director des physiologischen Instituts in Marburg, nach Heidelberg an die Stelle des verstorbenen Geheimraths Prof. Dr. W. Kühne. In den Ruhestand tritt: Geh. Medizinalrath Prof. Dr. Meiss- ner, Director des physiologischen Instituts in Göttingen. Es starben : Der frühere Vize-Director der k. k. Hofbibliothek in Wien Eduard Chmelarz; Hofrath Dr. Cordes, Besitzer und Leiter der Kuranstalt Alexandersbad im Fichtelgebirge; Dr. von Chelstowski, Leiter eines Sanatoriums in Gross-Tabarz in Thüringen. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 44. L i 1 1 e r a t u r. Siegmund Günther, A. v. Humboldt, L. v. Buch. Sammlung von Biographieen „GeistcshelJen". 35. Bd. Verlag von Ernst Hofmanu & Co. in Berlin 1900. — Preis 2,40 Mark. Beide Männer, deren Biographie hier vorliegt, waren nahezu gleich alt, beide erreichten ein sehr hohes Lebensalter; sie waren aus gleichen Lebensbedingungen hervorgegangen und in der gleichen Schule hei-ausgebildet; und auch in ihrem späteren Leben standen sie unausgesetzt in engsten Wechselbeziehungen. A. v. Humboldt wird als der grosse und kühne Reisende gezeichnet, als der Begründer einer die Gesetzmässigkeit durch das ganze Universum verfolgenden ^Weitphysik", als der geniale Lehrer, dessen „Kosmos''-Vorträge den Deutschen zuerst von einer höheren, die Trockenheit der Schulgelehrsamkeit abstreifenden Darstellung der Wissenschaft Kunde gegeben. Er erscheint als ein Polyhistor im edelsten Sinne des Wortes, der den Blick der Zeitgenossen von der Einzelforschung auf die grossen, einigenden Gesichts- punkte lenkte. Und neben ihm steht L. v. Buch, einer der Väter der modernen Geologie, als der bewusste Vertreter der mühe- vollen Ergründung der durch die Natur selbst dem Mensehen vorgelegten Probleme. Auch er ging ebenso wenig ganz in dem von ihm meisterhaft beherrschten Detail auf, sondern war stets bemüht, sich von ihm zu verallgemeinernden Einsichten zu er- heben. Es ist der Zweck des Buches, darzuthun, wie beide Män- ner, die Dioskuren im Kampfe der exakten Naturforsehung mit der in geistreichen Gedankenbildern schwelgenden Naturphilo- sophie, sich gegenseitig vorzüglich ergänzt und vereint ihrem Volke die kaum erhoffte Möglichkeit verschafft haben, eine füh- rende Rolle auf diesem Gebiete zu spielen. Der Band ist mit den Bildnissen der beiden Forscher geschmückt. Johannes JühUng, Die Thiere in der deutschen Volksmedicin alter und neuer Zeit. Mit einem Anhange von Segen u. s. w. Nach den in der Königl. öffentl. Bibliothek zu Dresden vor- handenen gedruckten und ungedruekten Quellen. Mit einem Geleitworte von Hofrath Dr. med. Höfler, Rud. Tölz. Polv- technische Buchhancllung (R. Schulze in Mittweida 1900 — Pre'is 6 Mark. Für den Historiker auf dem Gebiete der Medicin, der auch die Volksmedicin berücksichtigt, ist das vorliegende Werk von grossem Interesse, aber auch sonst für alle diejenigen, die sich gerne mit folkloristischen Studien beschäftigen. Verfasser hat in dem vorliegenden Buche, soweit es sich um thierische Produkte handelt, alles, was er an Rezepten der Volksmedicin vorfand, zu- sammengetragen und nach Thieven alphabetisch geordnet. Es will nur ein Nachschlagebuch sein. Der Anhang bringt Segens- sprüche, wie Wundbesprechungen, und allerlei Geheimmittel. Das „Geleitwort" des Dr. Höfler ist eine hübsche kurze Einführung in den Gegenstand; er sagt zum Schluss: „Hinter jedem Volksmittel steckt ein Stück Culturgeschichte, nicht etwa ein vermeintlicher Unsinn des sog. Aberglaubens." H. Blücher, Praktische Pflanzenkunde. (No. 250—254 der „Zehn-Pfennig-Miniatur-Bibliothck".) Verlag für Kunst und Wissenschaft, Albert Otto Paul, Leipzig. — Preis 0,50 Mark. Das vorliegende Werkchen in Westentaschenformat giebt in einer Anzahl Habitus- Abbildungen in Dreifarbendruck die wich- tigsten unserer wildwachsenden Pflanzen und Cultur- Pflanzen wieder, und beschreibt sie kurz. Es sind 158 Pflanzen-Arten auf- genommen worden. Dr. J. Blaas, o. ö. Prof. der Geologie und P:i,lanntolu<;i(. an der Uiiiv.rsif.-it Innsbruck, Die geologische Erforschung Tirols und Voralbergs in der zweiten Hälfte des 19. Jahr- hunderts. Eine Besprechung der ge.saiumten geologischen Litteratur dieses Gebietes und Zeitraumes. Verlag der Wagner- achen Universitäts-Buchhandlung. Innsbruck 1900. Diese Litteratur-Liste mit kurzen Referaten der aufgeführ- ten Arbeiten wird jedem, der sich mit der Geologie des im Titel genannten Alpengebietes beschäftigt, eine bedeutende Unter- stützung gewähren. Die mineralogische und paläontologische Litteratur hat keine Aufnahme gefunden, sofern in diesen Ab- handlungen nicht geologische Fragen berührt werden. " Dr. Hermann J. Klein, Katechismus der Astronomie. Be lehrungen über den gestirnten Himmel, die Erde und den Ka- lender. Mit 3 Tafeln und 143 Textabbildungen. 9. Auflage. Ver- lag von. J. J. Weber in Leipzig 1900. — Preis geb. 3,50 Mark. Die vielfach verbesserte Neuauflage hat nicht nur die wich- tigsten astronomischen Entdeckungen der letzten Zeit berück- sichtigt, sondern auch von den Abbildungen eine Anzahl durch bessere, neue ersetzt. Dr. Kurt Boeck, Indische Gletsoherfahrten. Reisen und Erlebnisse im Himalaja. Reich illustriert. Deutsche Verlags- Anstalt in Stuttgart. — Geheftet 9 Mark, elegant geb. 10 Mark. Verfasser schildert in dem vorliegenden Werke seine Fahrten in dem höchsten Gebirge des Erdballs, dem eisstairenden Himalaja dem Wohnsitz der indischen Götter, dem Grenzwall der englisch- indischen und tibetisch -mongolischen Welt. Er hat eine'^Fülle von Wissen, Erfahrungen und Erlebnissen in spannende und unter- haltende Form gekleidet. Der Verfasser vermittelt dem Leser seine Beobachtungen in zwanglosen Plaudereien, indem er dabei den in den Ereignissen verborgenen komischen Stoff in ergötz- licher Fassung zum Ausdruck bringt. Mit Schwung erwärmt uns Dr. Boeck für die so wenig gekannte Hochgebirgsschönheit des inneren Himalaja. Den zahlreichen guten Illustrationen des Werkes sind photographische Aufnahmen des Verfassers zu Grunde gelegt. Otto Hübner's geographisch-statistische Tabellen aller Länder der Erde. Herausgegeben von Hofrath Prof. Dr. v. Juraschek in Wien. Verlag von Heinrich Keller in Frankfurt a. M. — Preis der Buchausgabe in Taschenformat kartonnirt 1,20 Mk., der Wandtafel-Ausgabe 0,G0 Mk. Die Tabellen bringen in ihrer 49. Ausgabe für das Jahr 1900 in knappster Form und übersichtlicher Zusammenstellung eine reiche Fülle von statistischem Material. Das recht praktisch eingerichtete kleine Handbuch giebt ohne zeitraubendes Nach- schlagen in kürzester Zeit Aufschluss über Flächeninhalt, Bevölke- rung, Nationalitäten, Confessionen der einzelneu Staaten und Länder, bei einigen Ländern sogar der einzelnen Provinzen. Es giebt ferner Aufschluss über Staats-Einnahmen und -Ausgaben, über Friedens- und Kriegsstärke der Armeen, über die Stärke der Kriegs- und Handelsflotte, Gesammtwerthe der Ein- und Ausfuhr. Ferner über den Post-Eisenbahn-Telegraphen- und Telephon- Ver- kehr, über den Werth der verschiedenen Landesmünzen, aus- gedrückt in deutscher Reichsmark, der verschiedenen Gewichte, ausgedrückt in Kilogrammen; Längen- und Flächenmaasse, ver- glichen mit Meter; Hohlmaasse, verglichen mit Liter; Haupt- erzeugnisse, welche ausgeführt werden ; Einwohnerzahl der wich- tigsten Orte der ganzen Erde unter besonderer Berücksichtigung des Deutschen Reiches. Schliesslich sind noch statistische Ver- gleiche der wichtigsten Verhältnisse der einzelnen europäischen Länder und der Vereinigten Staaten, eine Uebersicht des Special- handels aller Länder - der letzten beiden Jahre, nach Erdcheilen geordnet und interessante statistische Daten einiger Grossstädte angegeben. Neu hinzugekommen zur gegenwärtigen Auflage und be- sonders interessant für die Landwirthschaft ist die Produktion der wichtigsten lahdwirthschaftlichen Erzeugnisse, der Welthandel mit Getreide und Mehl und ein allgemeiner Ueberblick der Lebens- rnittelpreise im deutschen Reiche, in Grossbritannien und in den Vereinigten Staaten. Die Veränderungen, die der Kolonialbesitz des Deutschen Reiches erfahren hat, sind in der neuen Auflage bereits berücksichtigt worden. Hüjoner's Tabellen bieten somit durch ihren reichen viel- seitigen Inhalt, der nach den neusten und wichtigsten Quellen- werken zuverlässig zusammengestellt ist, soviel des Wissens- werthen, dass sie ihren alten Ruf bewahrt haben. Boenecke. J. H. van't Hoff, Die Gesetze des chemischen Gleichgewichtes für den verdünnten, gasförmigen oder gelösten Zustand. Uebersetzt und herausgegeben von Georg Bred ig. Mit 7 Fig. im Text. (Ostwald's Klassiker der exacten Wissenschaften No. 110.) Wilhelm Engelmaun in Leipzig 1900 — Preis 1,60 Mark. In dem vorliegenden Bändchen finden sich drei Abhandlun- gen zum Gegenstande abgedruckt, die aus dem Jahre 1885 stam- men. Die erste bespricht die Gesetze des chemischen Gleich- gewichtes in Gasen und verdünnten Lösungen unter Anwendung der Thermodynamik. Die 2. Abhandlung beschäftigt sich mit „einer allgemeinen Eigenschaft der verdünnten Materie" und die dritte mit deu „elektrischen Bedingungen des chemischen Gleich- gewichtes." •■ Dr. Walther Nernst, o ö. Prof: und Dir. des Instituts f. physi- kalische Clicniir an der Universität Göttiiifren, Theoretische Chemie vom Standpunkte der Avogadro'schen Regel und der Thermodynamik. 3. Auflage. Mir :;i; Abbild. I'erdinand Enke in Stuttgart, 1900. Preis 16 Mark. Wenn Verfasser ursprünglich im Zweifel war, ob sich eine erweiterte Sonder-Ausgabe seiner in Dammer's „Handbuch der anorganischen Chemie" hierzu erschienenen Einleitung empfehlen würde, ein Bedenken, dass besonders durch das Erscheinen der Bücher Oswald's über den gleichen Gegenstand, zu erwägen war, so hat das Erscheinen der schnell aufeinander folgenden Auflagen, von denen die erste Auflage erst 1893 erschienen ist, bewiesen, dass XV. Nr. 44. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. er mit der Herausgabe des vorliegenden Werkes recht gehabt hat. Verfasser hat in dem umfangreichen Werk (Grossoctay, 710 Seiten! nur solche Erfahrungsthatsachen vorgebracht, ,die allgemeine Bedeutung besitzen oder zu gewinnen versprechen, nur solche Hypothesen, die bereits als nützlich sich erwiesen haben, und schliesslich nur methodisch wichtige Anwendungen bieten, seien sie rechnerischer, seien sie e.xperimenteller Natur." Ostwald liebe Klassiker der exacten Wissenschaften. No. 109 : ie mathematische Theorie der elektrodyna- iiiisclien Induction, von Riccard o Fei ici. Uebersetzt von von Dr. B. Dossau. Herausgegeben von E. Wiedemann. Verlag von Wilhelm Engelmann, Leipzig, 1899. Vorliegendes Heft enthält drei Abhandlungen Felici's „über die mathematische Theorie der elektrodynamischen Induction", durch welche die Kenntniss der letzteren wesentlich erweitert worden ist. Mit Recht haben diese Untersuchungen einen Platz unter den Klassikern der exacten Wissenschaften gefunden. Die Uebersetzung ist sehr sorgsam, und in der üblichen Weise sind derselben eine kurze Biographie und eine Reihe von erläutern- den Anmerkungen beigefügt worden. Prof. Dr Rudolf Arendt, Technik der Experimentalchemie. Anleitung zur Ausführung chemischer E.xperunente. Für Lehrer und Studirende, wie zum Selbstunterricht. 3., vermehrte Auf- lage. Mit 878 in den Text eingedruckten Holzschnitten und einer Tafel. Hamburg u. Leipzig. Verlag von Leopold Voss, lyOü. - Preis 20 Mark. Das nützliche Buch ist namentlich in seinem „allgemeinen Theil" durch Aufnahme zahlreicher neuer Apparate erweitert worden ; ferner hat das Kapitel über galvanische Elemente durch Beschreibung der Akkumulatorbatterie und Anleitung zu deren Gebrauch bei chemischen Versuchen Erweiterung gefunden. Auch in den übrigen Abschnitten des „besonderen Theiles" haben alle seit Erscheinen der letzten Auflage 1891 bekannt gewordenen neuen Vorlesungsversuche Berücksichtigung gefunden. Jahrbuch der Chemie. Bericht über die wichtigsten Fortschritte der reinen und angewandten Chemie. Herausgegeben von Ri' chard Meyer in ßraunschweig. IX. Jahrgang 1899. Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig 1900. In dem neuen Bande des Jahrbuchs der Chemie hat W. Muthmann in München für den ausgeschiedenen bisherigen Bearbeiter der anorganischen Chemie (Seubert) die Bericht- erstattung übernommen; im Uebrigen ist Plan und Umfang und sind die bisherigen Bearbeiter die gleichen geblieben. Hinsicht- lich Inhalt und Ausstattung des Werkes reiht sich der vorliegende Band des verdienstlichen Unternehmens würdig an die früher erschienenen Bände an. Arbeiten aus der biologischen Abtheilung' für Land- und Forstwirthschaft am Kaiserlichen Gesundheitsamte. — Unter diesem Titel erscheint im gemeinsamen Verlage von Paul Parey und Julius Springer in Berlin seit Jahresbeginn in ein- zeln käuflichen zwanglosen Heften eine fortlaufende grössere Publication, in welche die Resultate von Untersuchungen und Beobachtungen auf allen Arbeitsgebieten der biologischen Ab- tlieilung aufgenommen werden. Das vorliegende 2. Heft des I. Bandes (Preis 7 Mark) ent- hält.eine grössere Arbeit vom Geh. Reg.-Rath Prof. Dr. Frank: Beiträge zur Bekämpfung des Unkrauts durch Metallsalze, der eine vortreffliche Farbendrucktafel beigegeben ist. Daran schliesst sich ein Aufsatz von Reg.-ßath Dr. Hiltner: Ueber die Ursachen, welche die Grösse, Zahl, Stellung und Wirkung der Wurzelknöll- chen der Leguminosen bedingen (mit einer Lichtdrucktafel); fer- ner: Die Aufnahme von Steinen durch Vögel von Dr. A. Jacobi; Ein neues Verfahren zur Bekämpfung des Schwammspinners von Reg.-Rath Dr. Rörig. Den Schluss bilden kleine Mittheilungen verschiedener Art. Bailey, Prof. L. H.. Botany. A Text-Book for Schools. London. Buckmgham, Prof. Edgar Ph. D., An Outline of the Theory of Thern.o.Un.imics. Lun.ion. - 8 sh. Davenport. Prof. Charles Benedict, Ph. D., u. Gertrude Crotty Davenport, B. S., Intioduction to Zoology. A Guide to the Study uf Animals for the ose of Secondarv Schools. London. — 6 sh.' Engel, Frdr., Sophus Lie. Leipzig. — 2 Mark. Fester, Sir. M.. u. Prof. E. Rax Lankester, The Scientific Memoirs of Thomas Henry Huxley. Vol. HI. London. Gadow, H., The Cambridge Natural History. Vol. VIII: Amphibia and Keptiles. London, — 17 sh. Geikie, Archibald, Sir, Outlines of Field-Geology. Fifth Edition. London. — 3 sh. (i d. Gramann, Dr. Aug., Ueber die Andalusitvorkommnisse im rhätischen Flüela- und Scalettagebiet und die Färbung der alpinen Andalusite. Zürich. — 1,20 Mark. Hacker, Prof. Dr. Val., Der Gesang der Vögel. Jena. — 3 Mark. Hock, F., Der gegenwärtige Stand unserer Kenntniss von der ursprünglichen Verbreitung der angebauten Nutzpflanzen. Leipzig. — 1,60 Mark. Messtischblätter des Preussischen Staates. 1 : 25,000. Nr. 461. Prangenau. — 539. Sobbowitz. — 541. Gr. Lichtenau. — 1083. Roggenhausen. — 1113. Loxstedt. — 1173. Sartowitz. — 1205. Hambergen. — 1446. Friesoythe. — 1523. Harpstedt. — 1589. Werlte. - 1590. Molbergen. - 1593. Wildeshausen. - 1659. Löningen. — 1660. Essen in Oldenburg. — 1731. Berge. — 2728. Bödefeld. Berlin. - 1 Mark. Pascal, Prof. Ernst, Repertorium der höheren Mathematik. I. Thl.: Die Analysis. Leipzig. — 10 Mark. Schilling, Prof. Dr. Frdr., Ueber die Nomographie v. M. d^Ocagne. Leipzig. — 2 Mark. Schimper, Prof. Dr. A. F. W., Anleitung zur mikroskopischen Untersuchung der vegetabilischen Nahrungs- und Genussmittel. 2. Aufl. Jena. — 5 Mark. Briefkasten. Hr. Prof. B. — Hr. Prof. Thoins beantwortet Ihre Fragen freundlichst in der folgenden Weise: Humus nennt man die bei der Vermoderung oder Verwesung von Pflanzen- und Thierstoft'en entstehenden braun bis schwarz gpffiiliti'ii, 'rdülinlichen Produkte. Sie bedecken in mehr oder wenigt-r iliik.r Silmlit den Boden der Wälder und Wiesen und sind mit üiiiii'ialiM.liei gemischt. Duicli dir V.Tui'in trockner, HT Uutnu.s. V.nmodern hingegen pflanzliche \Yv uTitiT W.iss.T, also bei uiaiigelndem Luft- rli ein.' .s.duvarze, lucioriu'-, torfahidiohe Masse. r-iiiiu.' iH'i lU-r Bildiui- d.-s lluuius sind nur C.s M lieiiit eine Ani'riehiTun- an Kuhlenstoft' 1- Bildung von Methan (.Sumpfgas) und einer eigenthümlichen Säure (Humussäure) vor sich zu gehen. Nach Conrad und Gutzeit schwankte der Kohlenstoffgehalt der verschiedenen Humussubstanzen zwischen 62,3—66,5 pC_t., (vergl. Kealencyklopädie der Pharm: oder thieri.'ieh zutritt, so l)il' Die chemisclii wenig bek.ini unter deiehzi heissen die kohlenstoffhaltigen. den Stoffe, welche in mehr odr besonders Schiefer, durchsetzen. Körper aus Kohlenwasserstofl'eu S. 284). — Bitut igenthiimlich theerartig riechen- weniger dicker Schicht Steine, Im Wesentlichen bestehen die Ihre Entstehung ist wohl die gleiche, wie die des Erdöls. Man nennt letzteres übrigens aueli Bitumen fluidum. Asphalt, der ebenfalls zu den bituminösen Stoffen gehört, führt die Bezeichnung Bitumen Judaicum. Hr. Oberlehr. H. in E. — Hr. Privatdocent Dr. Kolk witz antwortet auf Ihre Karte freundlichst das Folgende: , Ueber die neueren Fortschritte über Befruchtungsvorgänge bei Pflanzen ist in dieser Zeitschrift 1900 No. 23 u, No. 39 referirt; über Centroso- men bei Pflanzen findet sich das Nähere in einem zusammen- fassenden Referat von mir in Engler's Jahrbuch f. System. 1900; dort ist auch eine Sie interessirende Arbeit von Strasburger citirt." Inhalt: Dr. Franz Werner: Aus deni Thierleben der Sahara. — L. Herrmann: Ueber Methoden zur Feststellung des Dünger- bcdürfnisses der Ackererden. — Auge und Industrie. — Die Immunität der Manguste gegenüber dem Gobragift. — Die Waldungen und die Waldwirthschaft auf Fünen im 19. Jahrhundert. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litferatur: Siegmund Günther, A. v. Humboldt, L. v. Buch. — Johannes Jühling, Die Thiere in der deutschen Volksmedicin alter und neuer Zeit. — H. Blücher, Praktische Pflanzenkunde. — Dr. J. Blaas, Die geologische Erforschung Tirols und Voralbergs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. — Dr. Hermann J. Klein, Katechismus der Astronomie. — Dr. Kurt Boeck, Indische Gletscher- fahrten. Reisen und Erlebnisse im Himalaja. — Otto Hübner's geographisch-statistische Tabellen aller Länder der Erde. — J. H. van't Hoö; Die Gesetze des chemischen Gleichgewichtes für den verdünnten, gasförmigen oder gelösten Zustand. — Dr. Walther Nornst, Theoretische Chemie vom Standpunkte der Avogadro'schen Regel und der Thermodynamik. — Ostwald's Klassiker der exacten Wissenschaften. - Prof. Dr. Rudolf Arendt, Technik der Experimentalchemie. — Jahrbuch der Chemie. — Arbeiten aus der biologischen Abtheilung für Land- und Forstwirthschaft am Kaiserlichen Gesundheitsamte. — Liste. — Briefl(asten. 528 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 44. Soeben cvfdiien: Die leHtß uom §>Md fe Äcnl'dicn unter befoiibcrcr ''i^crüctftditiguug citt»ütrfiuitH'ojjcfd|id)tlid)cr iinb ucrflIcid)cnb--anntomifd)cr ©c- fid)t-r-punttc uitJ» öcr ßrforbcruiffc ItciS ontl)ro})olo(jifdKii Untcrrid)t'3 an f|iil)crcii i.'cf)rnitftnltcu bearbeitet von Dr. i\ fvcnhcl, lliofejfoi- am .«bniglidicu (»mniiaftum ju (»cttiiigen. ^^m ?ait Kl feitfidurcn. - Vxeii 4,50 saarft. aaM l>üuiischliife von Gesteinen pro Stück 70 Pfg. fertigt an Theob. BotK I. Gimsbach a. Clan. (Rheinpfalz.) Ferd. Dttmmlers Yerlagsbh. Berlin. ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ X Dr. Robert Muencke : t Luisenstr. 58. BERLIN NW. Luisenstr. 58. X « Technisches Institut für Anfertigung wissenscIiaftliL-liHV Apparate ♦ ♦ und Geräthsciiafteu im Gesammtgebiete der Naturwiswenseliaften. ♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦ ♦ ♦ ♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦»♦♦♦♦♦♦♦♦♦ Kalisalzlager Otto Lang-. 48 Seiten mit 4 Abbildungen. Preis 1 Mark. Ferd. Dttmmlers Yeriaesbh. Berlin 3)as iudi Icfus. 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Dflmmlers Teriagsbuehhandlung in Berlin SW. 13 Die Charakteristik der Tonarten. Historiscli, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. 316 Seiten Octav. — Preis 2,40 Mark. Julien Offray de Lamettrie. Sein Leben und seine Werke. Von J. E. Poritzky. 364 Seiten. 8». Preis geheftet 4 Mark, gebunden .5 Mark. r Astronomie. I immels Himmelskunde. Mit 14 litho- Tafeln und 155 Verantwortlicher Redacteur: Dr. Henry Potonie, Gr. Licliterfelde-West bei Berlin, I'ot.sdauierstrasse o5. tiir diu Inseratenth.-i Hugo Bernstein in Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 1; _ Dr.H. Potonie Verlag: Ferd. Dü.üiinlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. yoiinia^^, den 11. November 1900. Nr. 45. Abonnement: Man abonnirt bei allen Bnchhandlungen und Post- j Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 Ji. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jt 4- rtö sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 A extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. JL bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständigei- Qaellenang;abe gestattet. Die oxydirenden Fermente (Oxydasen). Von Th. Bokorny. Seit diese merltwürdigen Fermente *) im Thierreicli und Pflanzenreich aufgefunden wurden, ist manche For- schung diesem interessanten Gebiete der Physiologie ge- widmet worden. Hiernach enthalten gar viele oder viel- leicht alle Gewebe „Oxydasen". Manchmal verräth sich die Anwesenheit von Oxydasen, indem das Gewebe bei Berührung mit Luft sofort eine andere Färbung annimmt. Durchschnittene Pilze laufen farbig an, indem bei Zutritt von Luftsauerstoft' sofort eine fermentative Oxydation der darin enthalteneu „Chromogene" eintritt. Die „katalytische Oxydation", welche durch thierische und pflanzliche Gewebe bewirkt wird, ist schon von Schön b ein (Zeitschr. f. Biologie I— IV) erkannt worden; er fand, dass die Gewebe aus Wasserstoffsuperoxyd, diesem merkwürdigen von ihm entdeckten Stoff, activen Sauerstoff frei machen, wodurch dann Guajactinktur ge- bläut wird; letztere wird durch gewöhnlichen molekularen Sauerstoff nicht verändert. Die Wirkung zählt zu den „katalytischen"; es tritt durch die Berührung mit dem Gewebe resp. dessen oxydirendem Ferment eine Erregung und Abspaltung des labilen Sauerstoffatomes in dem Wasserstoffsuperoxyd ein, welches sofort einen oxydablen Körper ergreift und oxydirt, z. B. Guajactinctur. Auch andere oxydative Wirkungen treten ein, z. B. die Bildung von ludophenol. Wenn man Organbreie (von Leber, Milz u. s. w.) oder Extracte mit einer alkalischen Lösung eines Gemenges von A'-Naphtol und p-Phenylen- diamin zusammenbringt, so tritt unter Sauerstoffaufnahme eine Bläuung unter Bildung von Indophenol ein. Manche Ge- '■) Untev , Fermenten" oder „Enzymen" versieht man bekannt- lich c'iweiasähnliche Stoffe, welche in Folge einer eigenthümlichen chemischen Energie gewisser Atomgruppen andere Körper hydra- tisiren, zerspalten oder auch oxydiren (z. B. Diastase, Tryp?in, Oxydasc) Sie verändern sich selbst dabei nicht. webe vermögen auch Guajactinctur direkt, ohne Vermittelung von Wasserstoffsuperoxyd zu liläueu, oder pPhenylendiamin dunkelbraun, oder Guajacol granatroth zu färben. Sali- cylaidehyd wird von manchen zu Salicylsäure oxydirt, Benzylalkohol zu Benzoesäure, Hydrochinon zu Chiuon, Formaldehyd wird zu Ameisensäure u. s. w. Diejenigen oxydirenden Fermente, welche nur bei Gegenwart von Wasserstoffsuperoxyd oxydiren, wurden von Abelons und Biarnes als „indirekte Oxydasen" bezeichnet; die übrigen, welche auch ohne Wasserstoff- peroxyd oxydiren, als „echte Oxydasen." Nach den neuesten Untersuchungen 0. Loew's (Dep. of Agricult. Washington 1900, Bull. u. 3) giebt es ein spezielles Ferment für Wasserstoftsuperoxydspaltung, die „Katalase"; den übrigen Fermenten kommt diese Eigenschaft nicht zu. Die Katalase kommt nach ihm in allen thierischen und pflanzlichen Geweben vor und hat die spezielle Aufgabe, das bei den physiologischen Oxydationen entstehende Wasserstoffsuperoxyd sofort zu zerstören; letzteres würde sonst eine giftige Wiikung auf die Zellen ausüben. Wenn Gewebe oder isolirte Fermente Wasserstoffperoxyd in Wasser und Sauerstoff" zerlegen, so ist daran stets die „Katalase" schuld. Dre bisherige An- schauung, dass die Fermente ganz allgemein Wasserstoff- superoxyd katalysiren, muss aufgegeben werden. Das Ferment „Katalase" ist von 0. Loew aus ver- schiedenen Geweben isolirt worden, in einer wasserlös- lichen und unlöslichen Modification. Es wird wie alle Fermente oder Enzyme durch Er- wärmung auf 70 — 75", ferner durch verschiedene Gifte getödtet, d. i. dauernd unwirksam gemacht. Einiges Nähere über dieses jüngst entdeckte oxydi- rende Ferment möge hier (nach Mittheilungen des Verf. 0. Loew selbst) Platz finden. 530 NaturvvissenschaftLiche Wochenschrift. XV. Nr. 45. Mehrere Beobachtungen bei Untersuchung grüner Tabaksblätter auf Enzyme erweckten beim Entdecker der Katalase Zweifel an der Richtigkeit der jetzt allgemein angenommenen Ansicht, die Eigenschaft Wasserstoffsuper- oxyd zu zersetzen, käme allen Enzymen zu. So gab der klar filtrirte Saft frischer grüner Tabaksblätter, ob- wohl reich an Oxydase und Peroxydase nur Spuren von Sauerstoffentwickelung auf Zusatz von Wasserstoffsuper- oxyd, während der unfiltrirte trübe Saft eine sehr ener- gische Wirkung ausübte. Nun wurde eine Anzahl käuf- licher Enzympräparate auf ihr Verhalten zu Wasserstoff- superoxyd geprüft und gefunden, dass manche derselben, obwohl kräftig in ihrer specifischen Wirkung, doch gar nicht Wasserstoffsuperoxyd katalysirteu. Bei weiteren Prüfungen wurde dann gefunden, dass „Cermentirte" Tabaksblätter, welche 6 Jahre lang aufbewahrt gewesen waren, die katalysirende Eigenschaft noch in hohem Maasse besassen und doch keine Spur eines anderen Fer- mentes, selbst nicht von der ziemlich resistenten Peroxydase enthielten. Die weiteren Studien haben nun ergeben, dass die Eigenschaft, Wasserstoffsuperoxyd zu katalysiren, einem speziellen Ferment zukommt, welches gelegentlich als Verunreinigung anderer Enzyme auftritt. Dieses Enzym, Katalase vom Verf. genannt, koniait in einer löslichen Form als Albumose, und in einer unlöslichen Form als Verbindung dieser Albumose mit einem Nucleoprotoid vor. Jene, die ß-Katalase, kann aus dieser, der a-Katalase, durch längeres vorsichtiges Erwärmen mit Wasser oder 0,5procentiger Sodalösung erhalten werden. Jene kann man durch Aussalzen mit Ammoiiiumsulfat, Wegdialysiren des Salzes und Fällen mit Alkohol gewinnen. Kalt be- reitete Auszüge fermentirter Tabaksblätter liefern so ein kräftig wirkendes, allerdings braun gefärbtes Eobenzym. Es ist bemerkenswerth, dass beim „Fermentiren" der Tabaksblätter ein theilweiser üebergang von unlöslichem in lösliches Enzym vor sich geht, wahrscheinlich in Folge der Bildung von kohlensaurem Annnoniak während des sogenannten Fermentirens. Verf. stellte rohe ß-Katalase aus verschiedenen Objeeten dar, so aus Kartoftelsaft, Mohnsamen, Muskelfleisch, Niere, Pankreas etc., doch enthielt sie in einzelnen Fällen einen Gehalt an Per- oxydase. Die Wirksamkeit der Katalase ist selbst bei sehr grosser Verdünnung derselben zu beobachten. So wurde 1 cc. einer einprocentigen Lösung von roher ß-Katalase aus „fermentirten" Tabaksblättern mit 500 cc. destiilirten Wassers verdünnt und zu dieser Lösung 5 cc. einer drei- procentigen Lösung von Wasserstoffsuperoxyd gesetzt; dann wurden wiederholt herausgenommene Proben mittelst Jodkaliumstärke und Spur-Eisenvitiiol auf Wasserstoffsuper- oxyd geprüft. Nach 50 Minuten hatte das rohe Enzym bei jener Verdünnung von 1 : 50000 jede nachweisbare Spur Wasser- superoxyd zersetzt. Beim Controlversuch mit vorher ge- kochtem Enzym war keine Abnahme von Wasserstoff- superoxyd zu bemerken. Während die Katalase zersetzend auf Wasserstoff- superoxyd wirkt, wirkt dieses umgekehrt auch zerstörend auf Katalase, so dass die Wirksamkeit bald aufhört, wenn grössere Mengen Wasserstoffsuperoxyd damit in Berührung kommen. Sehr rasch findet diese Zerstörung bei 50^ statt, während bei 40" noch eine Beschleunigung der Enzymwirkung wenigstens für kurze Zeit und bei massigen Mengen Wasserstoffsuperoxyd stattfindet. I)ie Tödtungstemjjcratur für Katalase in wässeriger Lösung liegt bei 72 — 75" C. Die Dauer der Einwirkung beeinflusst diesen Punkt; auch die Reaction der Lösung und Anwesenheit von Salzen. Die Wirkung wird durch schwach alkalische Re- action bedeutend beschleunigt. Manche selbst neutral reagirende Salze üben, ohne das Enzym selbst zu schä- digen, einen bedeutend verzögernden Einfluss auf die Katalyse aus, besonders Kalium- und Ammoniumnitrat*). Aetznatron sowohl als starke Mineralsäuren tödten in Iproceutiger Lösung das Enzym fast momentan. Ver- dünntere Säuren wirken langsamer; selbst eine 0,1 pro- centige Oxalsäure wirkt langsam zerstörend ein. Sehr schädlich wirkt Quecksilberchlorid selbst in 0,1 procentiger Lösung. In absolutem Alkohol ist das Enzym unlöslich, wohl aber löst .50 procentiger eine geringe Menge davon auf. Absoluter Alkohol zerstört sogar beim Kochen das Enzym nicht sofort, sondern erst nach kurzer Zeit, was wohl darauf beruht, dass das Enzym zuerst durch ihn aus- getrocknet wird, und im trockenen Zustande die Enzyme eine grössere Resistenz gegen Wärme etc. besitzen. Ver- dünnter Formaldehyd (4 — 5 "f,^) zerstört das Enzym sehr rasch, auch salpetrige Säure und Blausäure wirken, — wenigstens auf die lösliche Form der Katalase — bald sehr schädlich ein. Nach Entfernung der Blausäure kehrt die Wirksamkeit nicht wieder, während dies bei manchen anderen Enzymen der Fall ist. Eine öprocentige Lösung von salzsaurem Hydroxylamin, ueutralisirt mit kohlensaurem Natron (also freies Hydroxylamin enthaltend) tödtet die lösliche Katalase in 18 Stunden und schädigt die unlösliche Form derselben. Auch Phenylhydrazin übt einen schädigenden Einfluss aus. Auffallend langsam wird a-Katalase durch Schwefelwasserstoff geschädigt; denn selbst nach eintägiger Einwirkung von gesättigtem Schwefel- wasserstoffwasser war noch ziemlich viel unversehrt.'''*) Das Vorkommen der Katalase im Pflanzen- und Thier- reich ist ein ganz allgemeines; ja, es scheint kein Organ, keine Zelle frei davon zu sein. In den grünen Blättern herrscht meistens die unlösliche Form vor. Mit dem Beweis des allgemeinen Vorkommens von „Katalase" in den lebenden Geweben fällt auch die von angesehenen Physiologen gemachte Annahme, dass Wasserstoffsuperoxyd in den Geweben vorkomme und dort die Verbrennung von sonst bei gewöhnlicher Temperatur nicht verbrennlichen Substanzen bewirken helfe; so hat man sich nämlich die Athmung, welche bekanntlich in der Vei-brennung von Zucker, Fett etc. besteht, zu erklären gesucht, wiewohl der Nachweis von Wasserstoffsuperoxyd in den Zellen stets misslungen ist. Nach 0. Loew giebt es nun sogar ein spezielles Ferment für die beständige Zerstörung von Wasserstoffsuperoxyd, wenn dieses im Organismus gebildet werden sollte. Eine andere Möglichkeit, die pysiologische Ver- brennung oder Athmung zu erklären, schien die, dass man oxydirende Fermente, welche kein Wasserstoffsuper- oxyd zur Ausübung der oxydirenden Wirkung brauchen, sich in der athmenden Zelle beständig activ dachte. Da aber keine Oxydase eine Verbrennung bis zu Kohlen- säure und Wasser herbeizuführen vermag, sondern nur die oben aufgeführten geringeren Oxydationen, so schlägt auch dieser Versuch zur Erklärung fehl. |Wir können also nur annehmen, dass die Zucker- uud Fettmoleküle durch die Atomschwingungen des lebenden Protoplasmas *) Gewisse Salze wirken aber nur dadurch schädlich auf die katalytische ThiltiRkoit eiu, dass sie durch das zugesetzte H^Oa in sauer reagirende Produkte verwandelt werden. So liefert Schwefelcyankalium mit HoO^ saures schwefelsaures Kali und Blausäure. **) Die Angabe Schönbein's, dass Schwefel wasserstoft die katalysirende Wirkung von Pflauzensäften auf Wafscrsitotfsuper- oxyd momentan aufhebe (Journ. prakt. Chcin. 1863) bedarf hier- nach der Riphtig.^telhing. XV. Ni. 45. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 531 selbst in einen lockeren Zustand versetzt werden, in welelieni sie der Verbrennung länger anheimfallen. Aus Pflanzen sind auch andere Oxydasen schon isolirt worden, so die Laccase aus dem tonkinesisclien Lackbaum, Rhus vernicifera; sie bewirkt die Oxydation des gelben Rindensaftes zu dem schönen tiefschwarzen Lack. ti. Bertrand, der Entdecker der Laccase, fand dann dieses oxydirende Ferment weiterhin in vielen Phanerogamen und Pilzen. Tolomei fand ein laccase- ähnliches Ferment im Wein, dem er eine Rolle bei der Bildung des Bouquets zuschreibt („Oenoxydase"). Eine andere Oxydase, die eine specifische Wirkung auf Tyrosin ausübt, die Tyrosinase will Bertrand im Rübensaft, in Dahlia und in einigen Pilzen, besonders Russula aufgefunden haben. Sie soll die spontane Dunkel- färbung des Rubensaftes verursachen; von der Laccase verschieden, kommt sie aber doch gleichzeitig mit dieser vor. Das Ferment ist sehr unbeständig und wird durch Erwärmen auf 55" sowie durch Alkohol zerstört. In der ruhenden Kartoffel sind Oxydasen (J. Grüss, Ueber Oxydasen und die Guajacreaction, Ber. d. deutschen biol. Ges. XVI, 5) vorhanden, die in Glycerin löslich sind, und daraus, ohne ihre Eigen- schaften einzubüssen , mit Bleiacetat theilweise nieder- geschlagen werden können. Alkohol zerstört sie, wenn er 10 Minuten bei 50 — 53" oder längere Zeit bei gewöhn- licher Temperatur einwirkt. Ferner linden sich Oxydasen in den austreibenden Knospen der meisten dikotyledoni- schen Gewächse, in der Markkrone und in den jungen Aesten der Bäume, wenn diese sich nicht im Ruhezustand befinden, in der Rinde des ruhenden sowie in Rinde und Xylem des austreibenden Rbizoms von Pteris aquilina, in der Stammrinde von Dracaena etc. Im Phloeni, in den Holzparencbymzellen, im Saft der grossen Gefässe der jüngsten Jahresringe, in den Zellen der Markkrone findet man Oxydase vor (Birke, Platane, Eiche, Weide, Sarabucus, Zea Mays, Pinus silv, Picea excelsa etc. Das von Raciborski im Leptom gefundene „Lep- torain" soll eine Oxydase sein. Wenn der Pflanzenkörper aus seiner Winterruhe heraustritt, wächst die katalytische Wirkung im Leptom. Das „Leptomin" ist ein amorphes, wasserlösliches, weisses Ferment-Pulver, das durch 95", ferner durch verdünnte Essigsäure und Pikrinsäure zerstört wird, nicht durch verdünnte Alkalien. Nach 0. Loew (Sind Bakterien die Ursache der Tabakfermentation? Centralbl. Bakt. u. Par. II, 6) ist das specifische Tabakaroma kein Produkt der Bakterien; denn solche kommen in fermentirtcm Tabak gar nicht fort. Die Oxydationsvorgänge beim „Trocknen" und „Fer- mentiren" des Tabaks schreibt Verf. den in den Blättern vorhandenen Oxydasen zu, welche auf das Nikotin ein- wirken. Dass das feine Aroma des Havannatabaks nicht überall auftritt, wo oxydirende Enzyme auf Nikotin wirken und dasselbe partiell oxydiren, liegt wohl daran, dass in trüber, regnerischer Saison im Tabak unangenehme Neben- produkte erzeugt werden, welche d as Tabakaroma verdecken. Nach Maze (Comptes rendus de l'acad. des sciences 130) kommt in ölhaltigen Samen ein Ferment vor, welches Oel in Zucker verwandelt durch Oxyda- tion der CHo-Gruppe zu CHOH. Ricinussamen wurden mit Sand zerrieben und auf einem Wasserbad von 53" zu flacher Schicht ausgebreitet. Später wurde der ent- standene Zucker bestimmt. 60" ist weniger günstig; Schwefelsäure und Natron, in geringen Mengen zugesetzt, vermindern die Activität dieser „Diastase" nur wenig. Zwischen dem dritten und sechsten Tag der Keimung bleibt sich der Diastase -Gehalt ziemlich gleich. Das Maximum des durch Diastase-Wirkung gebildeten Zuckers beträgt 3,52 "/„ vom Gewicht der Samenkörner, etwa 7 "/q vom Gewicht des in diesem enthaltenen Oeles, voraus- gesetzt, dass der Zucker ausschliesslich aus der Fett- substanz stammt. Man sieht, die oxydirenden Fermente haben eine grosse Verbreitung, sicherlich auch eine grosse Bedeutung. Von der Katalase wurde bereits angegeben, dass sie das so giftige Wasserstoffsuperoxyd in der Zelle zerstört. Die übrigen führen specifische Oxydationen aus und lösen hierdurch chemische Kräfte aus, vielleicht rufen sie auch die Bildung von Körpern hervor, welche von specieller physiologischer Brauchbarkeit sind. Schwefelhaltige Riechstoffe. Führt man in das Molekül einer geruchlosen Substanz ein Schwefelatom ein, so entstehen hierdurch in den meisten Fällen riechende Substanzen, welche aber fast immer einen unangenehmen Geruch besitzen. Am auf- fälligsten tritt dies zu Tage, wenn man in gewissen Mole- külen das Sauerstoffalom durch ein Schwefelatom ersetzt: H,0 Wasser HgS Schwefelwasserstoff" riecht nach faulen Eiern aHjOH Alkohol CoH^SH Mercaptan penetranter, elcelliafter Geruch. Ungefähr dieselbe Wirkung wie das Schwefelatom besitzt auch die Isosulfocyangruppe NCS, welche eben- falls unter die stark odoroforen Gruppen gerechnet werden muss. So bildet z. B. der Allylisosulfocyansäureester CSN - CHo - CH = CH, den Hauptbestandtheii des gewöhnlichen Senfoels und ist eine stechend riechende, auf der Haut blasenziehende Flüssigkeit. In der Natur sind die schwefelhaltigen riechenden Körper nur spärlich vertreten, sie besitzen fast alle einen starken, bitteren und unangenehmen Geschmack und widerlichen Geruch. Sie finden sich z. B. im weissen und schwarzen Senföl, im Bärlaucböl, Meerrettig und Knoblauchöl, in der Resedawurzel u. s. w. Im Bärlaucb- öl (aus Allium ursinum) sind bedeutende Mengen von Vinylsulfid CHa = CH\^ CH2 = CH/^ enthalten. Das Oel wird aus der Pflanze durch Destil- lation mit Wasserdampf gewonnen, aus diesem erhält man das Vinylsulfid durch Rectification nach voraus- gegangener Behandlung mit Alkali-Metallen. Das Vinyl- sulfid besitzt einen starken Geruch und siedet bei 101". Nach Werthheim wäre das Allylsulfid CH„ = CH - CHo\ CH, CH-CH -'S das riechende Prinzip des Knoblauchöls, nach neueren Untersuchungen von Semniler enhält aber das Knoblauchöl keine Spur von .A.llylsuifid, die Zusammensetzung des 532 Naturwissenschaftliclii- Wochenschrift. XV. Nr. 45. Knoblauchöls ist vielmehr ungefähr folgende: 6",, Allvl- propyldisulfid S - CH, - CHo - CH3 I S - CHä - CH = CH, ßO 7o EHallyldisulfid S - CH2 - CH = CH2 S - CH2 - CH = CH2 Dieses bildet den Hauptbestandtheil und ist der Träger des reinen Knoblauchgeruchs. 20 "/^ geschwefelte Körper von der Zusammensetzung CßHjoSj und CgHigS^. Sj'nthetisch wird das AUylsulfid dargestellt entweder durch Erwärmen von Allylrhodanid mit Schwefelalkalien bei 100° oder auch aus AUyljodid und Schwefelkalium K^S. Die Kuchenzwiebel verdankt ihren scharfen Geruch einem ätherischen Oele, in welchem ebenfalls schwefel- haltige Körper enthalten sind, z. B. ein Disulfid von der Formel C6Hi2Sä. Die riechenden Grundstoffe der Senföle entsprechen der allgemeinen Formel R - NCS, wo R ein fettes oder aromatisches Radikal darstellt. So enthält z. B. das schwarze Senföl den Allylsulfocyan- säureester, während das reine Senföl paraoxybenzylsenföl CHa - NCS I I OH enthält. Das Butylsenföl ^'^' ~ ch'^^^ " ^^'^ findet sich in Cochlearia officinalis. Diese geschwefelten Körper können küustlich auf verschiedenen Wegen dar- gestellt werden. Am einfachsten werden sie erhalten durch Einwirkung eines Alkyijodids auf Rhodankalium RJ + KCNS = KJ + RSNC. Durch Destillation lagert sich dieser Körper wie folgt um: R - SNC -* RNCS Nach Hoffmann lässt man Schwefelkohlenstoff auf fette oder aromatische Amine einwirken: OH - CßH, - CH., - NHä -+- CS, = H^S para-o.xybenzylamin + Ö H - C^H^ - CH2- N = C - S weisses Sunföl. Schliesslich erhält man diese Verbindungen auch durch Einwirkung von Phosphorsulfid P.ß^ auf Isocyan- säureester : 5R - NGO + P.Ä = 5R - NCS + P0O5. Die Alkyisulfocyansäureester sind ohne Zersetzung flüchtige Flüssigkeiten, von stechendem Geruch. Sie reizen die Haut und finden vielfach arzneiiiche Verwendung. Das Allylscnföl CH» = CH - CH, - NCS ist der Haupt- bestandtheil des ätherischen Oeles aus sinapis nigra (schwarzes Senföl), ferner findet es sich auch im Meer- vettig, in der Kesedawurzel u. s. w. Das Senföl findet sich aber in den Samen keines- wegs schon als solcher vor, sondern in Form eines Glyko- sids, aus welchem es erst durch einen Gährungsprozess entsteht. Wenn man die zerstossenen Samen des schwarzen Senfes mit Wasser in Contact bringt, so entsteht ein beissen- der Geruch, den zuerst Lefevre im Jahre 1660 als von einem ätherischen Oele herstammend erkannte. Später wurde erkannt, dass das Gel Schwefel enthält, und erst im Jahre 1831 wurde festgestellt, dass das Senföl nicht zum Voraus in den Samen vorhanden ist. Die bei der Senfölbildung sich abspielende Reaction verläuft derartig, dass das Glj^kosid des Senfsamens, das Sinigrin (myronsaures Kali) durch die Einwirkung eines eiweissartigen Fermentes Myrosin, bei Gegenwart von Wasser in Senföl, Rechtstraubenzucker und Kaliumbisulfat ten wird: CioHieNS^KOs 4- HgO = CSNC3H5 + C,Ui.ß, + KHSO4 Sinigrin Wasser Senföl Traubenzucker Kaliumbisulfat Das Senföl des Handels enthält stets noch ziemliche Mengen von Allylcyanid, welches sich durch längere Be- rührung des Senföls mit Wasser oder mit dem metalli- schen Kupfer der Destillationsblase bildet. Auch etwas Schwefelkohlenstoff findet sich stets im Senföl. Es wird viel verfälscht mit Alkohol, Petroleum, Ricinusöl, Nelken- öl etc. Zu seiner Darstellung wird entweder der vorher von fettem Oel durch Auspressen befreite Senfsamen in einer verzinnten Kupferblase der Destillation mit Wasserdampf unterworfen, oder es wird synthetisch dargestellt durch Einwirkung von Rhodankalium auf Jodallyl oder Allyl- schwefelsäure. Das meiste im Handel sich vorfindende Senföl ist synthetischen Ursprungs. Es ist eine farblose Flüssigkeit, wird aber nach und nach an der Luft gelb, besitzt einen penetranten, unangenehmen Geruch, weshalb seine Bedeutung nicht in seinen aromatischen Eigen- schaften, sondern in seiner blasenziehenden Wirkung zu suchen ist. Als Arzneimittel ist es gesehätzt (Papier- Rigollot). Das dem Sinigrin des schwarzen Senfes entsprechende Glycosid des weissen Senfs (Sinapis alba) ist das Sinaibin von der Zusammensetzung C30H4.2N.2S2O15. Durch Be- handeln des Glycosids mit einer wässerigen Lösung von Myrosin entsteht ein flockiger Niederschlag, welchen man in Alkohol aufnimmt. Die mit Wasser verdünnten alko- holischen Lösungen werden dann mit Aether extrahirt, welcher nunmehr das gebildete Senföl enthält. Die Ent- stehung des Senföls kann durch folgende Gleichung aus- gedrückt werden: C3oH42NoS,,0,5 + H.O = C,H;ONCS + CgHiaOe Sinalbiu Was.ser Sinalbinsenföl Traubenzucker + CieHj^NoOsHSO^ saures schwefelsaures Sinapin Nach den Untersuchungen von Salkowsky ist das weisse Senföl nichts anderes als para-oxybenzylsenföl OH - C^H^ - CHg - NCS. Synthetisch kann man dieses erhalten durch Einwirkung von Schwefelkohlenstofl' auf Para-oxybenzylamin und Be- handeln des erhaltenen Produktes mit Quecksilberchlorid. Das weisse Senföl ist eine in Wasser fast unlösliche Flüssigkeit, leicht löslich dagegen in Alkohol und Aether. Es lässt sich nicht destillireu, da es sich beim Destilliren zersetzt. Es besitzt einen starken Geruch und Geschmack und zieht Blasen auf der Haut, aber viel langsamer als das AUylsenföl. Nach Salkowsky tritt der scharfe Ge- ruch beim weissen Senföl erst beim Erwärmen auf, wäh- rend in der Kälte der Geruch an Anis erinnert. Dies hat nichts Uebeiraschendes an sich, wenn man die Ana- XV. Nr. 45. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. logie der Constitution des weissen Senföls und des Anetliols in r>etraeht zielit: CH2 " NCS CH = CH - CH3 I I OH OCH3 weisses Seiiföl Anisöl (Anetliol). Der Hauptbestandtheil des ätherischen Oeies aus der Resedawurzel (Reseda odorata) ist nach Bertram und Walbaum Pheuyläthylseuföl und hat die Constitution CIL- CIL- NCS I Es ist eine hellbraune, deutlich nach Rettig riechende Flüssigkeit. Obschon man die schwefelhaltigen riechenden Körper streng genommen in die Klasse der Riechstoffe einreihen muss, so kommt ihnen, wie aus Vorhergehendem ersichtlich, als Riechstoft'e doch keinerlei Bedeutung zu, ihre Verwendung erfolgt eher auf medizinischem als auf chemischem Gebiete. Ueber „Bieneiig;ift uud Bienenstich" liegen Unter- suchungen von J. Langer vor (Sitzungsber. d. deutschen naturwissenschaftlich-medizinischen Vereins für Böhmen „Lotos" in Prag). Die Gewinnung des Giftes geschah auf verschiedene Weise. Da es zur Bestimmung des specifischen Gewichtes des Trockenrückstandes der Einzelgiftmenge nothwendig war, das dem Bienenstachel entquellende Gift — vom Verf. als natives oder genuines bezeichnet — direkt zu untersuchen, so wurden Bienen zwischen zwei Fingern ge- fasst, ein wenig gedrückt und das an der Stachelspitze erscheinende Gifttröpfcheu mit feinen Capillaren auf- gesogen oder man Hess Bienen in vorher getrocknetes, gewogenes Filtrirpapier stechen. Wässerige Lösungen des Giftes wurden in der Weise hergestellt, dass die frisch extrahirten Stacheln sammt Adnexen in Wasser verrieben und die so erhaltene Flüssigkeit filtrirt wurde. Um eine grössere Menge des giftigen Bestandtheiles zu erhalten, wurden mehrere tausend Stacheln mit Adnexen in 96 % Alkohol gesammelt, der Alkohol abtiltrirt, die trockenen Stacheln dann zerrieben, mehrmals mit Wasser extrahirt und durch Einbringung der wässerigen Auszüge in 96 % Alkohol der Giftkörper gefällt. Mach mehrmaligem Wechsel des 96 % Alkohols, Wechsel mit absolutem Al- kohol und Aether resultirt nach dem Abdunsten des letzteren eine weisslich - graue, vorwiegend in grossen Lamellen vom Gefässboden abblätternde Substanz, die Giftstoff- und Eiweisskörper enthielt. Das native Bienengift ist eine wasserklare, deutlich sauer reagireude Flüssigkeit von bitterem Geschmack und aromatischem Geruch. Unter dem Jlikroskop sieht man in der Flüssigkeit suspendirt stärker lichtbrechende, au Fett erinnernde Tröpfchen von verschiedener Grösse. Der VcrdunstungsrUckstand des Giftes haftete auf einem Objectträger lackartig fest, wurde bei 100° getrocknet, rissig und blätterte ab. Das native Bienengift ist in Wa.sser leicht löslich, hat ein specifisches Gewicht von 1,1313 und hinterlässt ca. 30% Trockeurückstand, der löslich ist und die ungeschmälerte Giftwirkung zeigt. Die Giftmenge, welche eine einzelne Biene beherbergt, schwankt zwischen 0,00025 und 0,0003 g. Der Nachweis wirksamen Bienengiftes wurde in der Weise geführt, dass eine Einträufelung ins Kaninchenauge stattfand, wonach bei einer Giftconcentration von 0,05 % bis 0,1 "/o typische Irritation der Kaninchenconjunctiva erfolgte. Die saure Reaction des Bienengiftes war durch Ameisensäure bedingt, diese letztere war jedoch nicht das giftige Prinzip, wie nachgewiesen werden konnte. Das native Bienengift ist bacterienfrei, wirkt aber auf die Vermehrung von Bacterien hinderlich, ohne dieselben selbst bei tagelangem Contact zu tödten. Ein einfaches Auf- kochen genügte nicht, um die active Substanz in dem Gift zu zerstören. Zwei Stunden dauerndes Kochen übte keine sichtliche Schädigung aus, erst längeres Kochen führte eine Abschwächung des Giftstoffes herbei. Ge- trocknetes und bei 100° auf bewahrtes Bienengift liess ebensowenig eine Schädigung seiner Wirksamkeit er- kennen, wie solches, das Stunden oder Tage lang in ge- frorenem Zustande sich befunden hatte. Beim Stehen- lassen wässeriger Lösungen des Giftes unter Luftzutritt trat mit dem Eintreten der Eiweissfäulniss auch Zerstörung des Giftkörpers ein. Dass nach Abscheidung der Eiweiss- stoffe rein gewonnene Gift wirkte in wässeriger Lösung typisch im Kaninchenauge und zeigte auch die Reactionen der Alkaloide. Verf. sah sich veranlasst, das wirksame Prinzip im Aculeatengift als eine Base zu bezeichnen. Wässerige Lösungen des Giftes wie auch das rein native Bienengift rufen auf der unversehrten Haut keine Reiz- wirkung hervor, wohl aber in charakteristischer Weise an den Schleimhäuten der Nase und des Auges. In kleinste Schnittwunden oder mit einer Nadel durch die Haut eingebracht, wird durch das Gift das typische Ent- zünduugsbild des einzelnen Bienenstichs hervorgerufen. Des weiteren wurden Versuche über die Empfindlichkeit der einzelnen Individuen für den Giftstoff angestellt und dabei ergab sich, dass nur ein kleiner Theil der Menschen von Natur aus für das Bienengift unempfindlich ist, wäh- rend die Mehrzahl mehr oder weniger stark auf dasselbe reagirt. Ein Charakteristikum für den Bienenstich ist für die grosse Mehrzahl der Fälle das Vorhandensein des Stachelapparates an der Applicationsstelle. Dabei ist beobachtet worden, dass der zurückgebliebene Stichappa- rat sich in Folge der Contractionen seiner Muskeln be- ständig bewegt, wodurch sowohl der Stachel tiefer ins thierische Gewebe hineingetrieben, als auch eine voll- ständigere Entleerung der Giftblase bewirkt wird. Als Ursache hiervon wird die wahrscheinliche Ausstattung des Giftapparates mit einem eigenen nervösen Centrum angesehen, welches mitherausgerissen noch eine Zeit lang zu leben vermag. Eine künstlich erworbene Bienengift- immunität liess sich in sehr vielen Fällen nachweisen. So trat von 153 Personen während eines mehrjährigen Be- triebes der Bienenzucht bei 126 eine merkliche Herab- setzung der reactiven Empfindlichkeit gegen Bienenstich auf, welche von einzelnen Züchtern sogar direkt auf das neunmalige Erleiden einer sehr grossen Anzahl (30 — 100) von Stichen zurückgeführt wurde. Der Rest von den 153, also 27 Personen, waren nach jahrelanger Imkerei noch ebenso empfindlich wie zu Anfang. Es kann sich hier- bei entweder um Individuen handeln, welchen die Fähigkeit immun zu werden, abgeht, oder bei welchen im Laufe der Zeit sich schliesslich doch noch Immunität einstellen wird. 534 JS'aturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 45. Verf. ist geneigt, letzteres anzunehmen. Die künst- lich erworbene Immunität geht leicht herab und ver- .schwindet sogar wieder. So behaupten manche Bienen- züchter, dass sie in jedem Frühjahr auf die ersten Stiche sehr stark reagiren, um nach der hierdurch gewisser- maassen vollzogenen Reimmuni.sirung wieder unempfind- lich gegen die Stiche zu sein. Nach jahrelangem Aussetzen der Imkerei soll die Empfindlichkeit gegen Stiche genau so stark wie beim Beginn sein und ebenso sollen Erkran- kungen oft plötzlich einen gänzlichen Verlust der in einer Reihe von Jahren erworbenen Immunität herbeiführen können. Intravenös stellen 1 % Giftlösnngen ein sehr starkes Herzgift dar. Das Gift Ist im Stande, in vitro die rothen Blutkörperchen verschiedenster Herkunft zu lösen, jedoch hängt die Schnelligkeit, mit der die Lösung sich voll- zieht, sowohl von der Concentration des Giftes, als auch von den besonderen Eigenschaften der einzelnen Blut- arten ab. Brom oder Chlor in 0,1 "/o wässeriger Lösung zerstörten das Gift vollkommen in kürzester Zeit, Jod hatte keine Wirkung. Wie sich bei weiterer Untersuchung herausstellte, beruhte die Bromvvirkung auf einer Oxydation. Die hypermangansauren Salze waren ebenfalls wirksam, je- doch gelang es erst mit ca. 6 ctg hypermangansaurem Kali 1 ctg Bienengift vollständig zu entgiften. 1 — 5 % wässerige Lösungen von Kaliunipersulfat, Jodsäure, ferner tropfenweise zugesetzte concentrirte Salpetersäure zer- störten das Gift desgleichen. Eine Abschwächung konnte auch bei Anwendung der Elektrolyse constatirt werden. Nicht minder führten die Fermente Pepsin, Pankreatin, Papayin, Labferment, Diastase eine Schädigung des Bienen- giftes herbei. Insbesondere wurde beobachtet, dass eine gewisse Menge Pepsin eine gewisse Menge Bienengift vollständig im Momente des Zusammenbringens zu zer- stören vermag, dass aber andererseits auch das Pepsin durch die Einwirkung des Bienengiftes seine hydrolyti- schen Eigenschaften verliert. Mit dem Serum verschie- dener Thiere angestellte Versuche ergaben, dass das Serum der einzelnen Thierspeeies eine verschieden starke Schutzwirkung besitzt. Alfred Liedtke. Theilung bei den Infusorien. — Den Theilungsvor- gang der Infusorien stellte man sich vielfach unter dem Bilde einer einfachen Quertheilung vor; erst Sehewiakoff und Schuberg haben dargethan, dass das Theilungs- phänomen dieser niedrigen Organismen einen sehr com- plicirten Geschehnisakt darstellt, der mit mannigfachen Re- ductionen und nachfolgenden Regenerationen innig ver- knüpft ist. — In erster Linie möchte ich darauf hin- weisen, dass bei der Theilung die Achsenverhältnisse nicht in der ursprünglichen Weise, die der Zelle eigen ist, eingehalten werden und dass die anscheinend so streng dauernd polarditTerenzirte Infusorienzelle dabei eigenartigen Achsenverschiebungen unterliegt. Bei der Glaucoma scintillans (Fig. 1) und pyriformis, die in Heuaufgüssen nicht selten vorkommen, wird das neue Cytostom öder die Mundöflfnung in der Weise angelegt, dass diese zuerst etwas seitlich unterhalb der alten Mundöffuung zur Ausbildung gelangt, und dann am Wege einer seitlichen Einschnürung des Zellkörpers, die am besten die beistehende Abbildung zum Ausdruck bringt, das neue Thier gleichsam zur Abspaltung kommt, so dass die neue Zellachse zu der alten schief seitlich (nach rechts) und nach vorn gerichtet ist. Den Er- klärungsgrund für diese Erscheinung liefert uns vielleicht die Phylogenie und die mit ihr im innigen Zusammen- hang stehende Aenderung in der morphologischen Diffe- renzierung. Ursprünglich war bei diesen hnlotrichen In- fusorien die Mundöffnung terminal und sie theilten sich regelrecht der Quere nach, wiewohl auch hier vielleicht die Durchschnürung früher mehr von der einen Seite er- folgte, wie man dies zumeist bei dem in Figur 3 nur skizzierten Coleps hirtus beobachten kann; durch eine Anpassung an ganz besondere Verhältnisse und vor allem an eine neue Nahrung, rückte der Mund von seiner ter- minalen Stelle auf die Seite und die Streifung, die auch jetzt noch terminal oft aussetzt, schloss sich gleichsam oberhalb der herabgewanderten Mundöffnung und die Streifen gingen von rechts und links in einander über. Der After oder die Afterstelle scheint auf der alten Stelle geblieben zu sein. Aus dieser Achsenäuderung oder Achse nknickung, die man sich leicht an einem Modell aus Glaserkitt veranschaulichen kann, und aus der mit ihr Hand in Hand gehenden Strukturumwandlung kann man sich ungefähr die jetzt bei der Theilung eintretende Achsenänderung erklären; sie erscheint einerseits als eine Resultirende aus einer phyletischen, entwicklungsgeschicht- lichen Verlagerung der Mundöffnung, andererseits als eine Folge der für eine jede Art ganz speziellen Protoplasmapiastik, die sich jedesmal in einer be- sonderen Plasmastruktur und Oberflächenspannung äussert und derzufolge kernhaltige Stücke eines Infusors etwa der eben besprochenen Glaucoma, selbst wenn sie in Folge der Verwundung sehr bizarre Formen erhielten, sieh zu der alten Gestalt nach und nach umgestalten, wobei besonders die die Oberfläche verdichtende Kern- nähe maassgebend zu sein scheint. Wie bei der Glau- coma kommt auch beim Chilodon eine analoge Achsen- verlagerung bei der Theilung zum Ausdruck. (Fig. 2.) Bei Chilomonas paramaecium Ehr., wo sich der Kern unter einer Art von Mitose theilt, erfolgt die Zell- leibeinschnürung von hinten und von der Ventralseite an- gefangen (Fig. 4a), während die letzte lang wahrnehm- bare fädige Plasmabrücke sich von der niederen Seite der Peristomausrandung lange Zeit zwischen den beiden Theilindividnen ausspannt; auch bei der Oxyrhis mari- num, dieser eigenartigen Geisselthierchenform des Meeres bilden sich die Peristoniaushöhlungen des neuen Theil- individuums nicht direkt unter den alten aus. (Fig. 5.) Die Theilmigsthätigkeit wird bei der Glaucoma an- XV. Nr. 45. Naturwissoiischaftiiche Wochenschrift. oäo geregt, zum mindesten aber nicht geschädigt, sobahl man die Thierchen mit einer sehr verdünnten Coffeinlösung (0,5 %) oder MgCla-lösung successive behandelt, so dass sie nicht gelähmt werden und sie dann ins frische Wasser bringt, in analoger Weise wird ja auch durch MgCLj-lösuugen die Entwickelungsthätigkeit unbefruchteter Echinodermeneier ausgelöst; die Befruchtung dagegen ist in beiden Fällen eiu von der Fortpflanzung und Ver- mehrung selbständig dastehender Akt, durch den etwa die Zelle gestärkt oder gegen einseitige Schädigungen des Lebens geschützt werden soll. Dr. Prowazek. Die portugiesische Auster, Ostrea (Grjphaea) aiigulata Laui., bildet bekanntlich auch einige stark bevölkerte Bänke in der Gironde. Trotzdem sie im Wohlgeschmack der Ostrea edulis L. nichts nachgiebt, haben doch die Franzosen sich nur schwer dazu über- reden lassen, sie zu verspeisen, sie wollten eben nur französische Austern essen. Nach allgemeiner Annahme soll die portugiesische Auster nur durch Zufall an obigem Orte angesiedelt worden sein, indem 1S66 eine Ladung Austern, die zum grossen Theil verdorben war, aber doch noch einige lebende Stücke enthielt, in den Fluss geworfen wurde; auch wir haben in diesem Sinne in der „Naturw. Wochenschrift", Bd. XII, 1897, S. 602 darüber berichtet. Vor Kurzem hat nun, wie die „Revue scientifique" vom 15. Juni 1900 mittheilt, Professor A. T. de Rochebrune, Assistent am Naturhistorischeu Museum zu Paris, in der Versammlung der Angestellten dieses Museums einen Vortrag gehalten, nach welchem die por- tugiesische Auster ebenso gut eine französische Auster ist wie Ostrea edulis L. Nach Rochebrune existirte die portugiesische Auster bereits zur Zeit des alten römischen Gallien in dem Aestuarium der Gironde. Er fand nämlich in dem Schutt einer alten römischen An- siedelung bei der jetzigen Stadt Jarnac unter anderem auch eine grosse Anzahl Muschelschalen der in Frage stehenden Art. Da nun die dort wohnenden Römer ihre Austern wohl nicht von der portugiesischen Küste bezogen haben werden, ist als sicher anzunehmen, dass das Thier schon damals in jener Gegend vorkam und mit Ostrea edulis L., deren Schalen ebenfalls gefunden wurden, gemeinsam gefangen wurde. Uebrigens hat der Präpa- rator des Pariser Museums J. Mabille die portugiesische Auster schon im Jahre 1863 in der Gegend der Stadt Saint-Jean-de-Luz gefunden, und Rochebrune behauptet in Folge dessen, dass die portugiesische Auster au der ganzen französischen Küste des Atlantischen Oceaus vor- komme oder doch vorgekommen sei. S. Seh. Die Laich- und Wachsthunisverhältnisse der Ost- seegariieele (Palaemon Fabricii Rth.) hat der dänische Zoologe Tb. Morteusen eingehender erforscht und da- mit zugleich eine vortreffliche Bestätigung resp. Ergän- zung dessen ergeben, was vor ihm Prof. Ehren bäum bereits über eine nahe Verwandte derselben, nämlich über die Nordseegarneele (Crangon vulgaris) bereits festgestellt hatte. Wir entnehmen dem „Nachtrag" des 5. Bandes der „Abhandlungen des Deutschen Seefischerei-Vereins", ' betitelt: „Die Garneelenfischerei ander oldenbur- | gischen und preussischen Küste bis zum Dollart", i herausgegeben von Prof. Dr. Henking (Berliu 1900), Fol- | gendcs: Zunächst stellte Mortensen an den Garneelen des Lijmfjords fest, dass dieselben, ähnlich wie die Nordsee- garneelen, beträchtliche und mehrfache Wanderungen un- ternehmen. Im Winter verharren die grossen und kleinen Garneelen fern von der Küste, im tieferen Wasser; im Frühjahr begeben sie sich, angelockt durch das wärmere Wassei- und die reichlichere Nahrung des flachen Wassers in die Nähe der Küste. Doch schon im Mai begeben sich die Weibchen wieder in das tiefere Wasser zurück, um allda ihre Eier abzulegen. Zunächst begeben sich die Weibchen von 60 mm Länge ans Laichgeschäft; ihnen folgen die grösseren und die kleineren Weibchen. Muss der Mai als Hanptlaichmonat angesehen werden, so zieht sich das Laichgeschäft doch schliesslich bis Mitte Juli hin. Die Zahl der Eier variirt je nach der Grösse des Mutterthieres zwischen 300 und 2500. Unmittelbar beob- achtete Mortensen bei einem Weibchen von etwa 36 mm Länge 432 Eier und bei einem solchen von etwa 80 mm Länge 2388 Eier. Ebenfalls wurde von Mortensen durch unmittelbare Beobachtung festgestellt, dass das Weibchen nach dem Aussschlüpfen der ersten Jungen eiuen zweiten Satz Eier ablegt. Ende Juli sind auch die letzten Eier ausgeschlüpft. Zwei Laichzeiten hat Dr. Ehrenbaum auch für die Nordseekrabbe angenommen, nur mit dem Unter- schiede, dass bei dieser Art das Ausschlüpfen der Larven aus den Eiern zeitlich bedeutend mehr auseinander gerückt ist, nämlich einerseits im Juli und andererseits im März. Wenn die Eier das Mutterthier verlassen haben, dann werden dieselben durch eine klebrige Masse unter dem Hinterleibe der Mutter festgeheftet und bis zum Aus- schlüpfen mit umhergetragen. Nach Ehreubaum dauert diese Tragzeit für Crangon vulgaris im Sommer etwa 4 Wochen, im Winter 4 — 5 Monate. Die ersten jungen Larven der Ostseegarneele treten Anfang Juni auf, so dass auch das Mutterthier dieser Art (wenigstens im Lijnitjord) einen Monat mit sich führt. Man bezeichnet die jungen Garneelen als Larven, weil sie sich sowohl durch ihren Bau als auch durch ihre Lebensweise wesentlich von den ausgewachsenen Thieren unterscheiden. Wie bei der Nordseegarneele führen auch die Larven der Ostseekrabbe im Gegensatze zu der am Boden kriechenden Lebensweise der Erwachsenen ein freischwimmendes (pelagisches) Da- sein. Sie gedeihen besonders dort, wo Strom geht; so hat Mortensen Larven im Kattegatt, Oeresund, im Grossen und Kleinen Belt und in der freien Ostsee im Juli ge- fangen. Dagegen fehlen sie in Buchten und Fjorden. Die Larven der Nordseegarneelen messen beim Aus- schlüpfen 2 mm, die der Ostseekrabbe etwa 3 mm, sonst aber machen auch sie 5 Larvenstadien (4 Häutungen) durch, verlieren mit der fünften Häutung ihren Schwimm- apparat und Itequemen sich zu der am Boden kriechenden Lebensweise der Elternthiere, denen sie an Gestalt nun ähnlich geworden sind, trotz ihrer bescheidenen Grösse von 2 — 8 mm. Das pelagische Leben währt etwa 3 — 5 Wochen. Nach der Zeit suchen sie die Nähe des Laudes auf, wo sie im flachen Wasser, namentlich aber in der dort wuchernden Seegrasvegetation ihre besten Lebens- bedingungen finden. Mortensen vermuthet, dass alle Lar- ven, die sich zu weit vom Lande verirren und die Nähe der Küste nicht erreichen, zu Grunde gehen. In den Buchten und Fjorden wachsen die jungen Garneelen schnell heran, haben im Herbste eine Länge von etwa 30 mm und mehr erreicht; die Geschlechtsunterschiede treten bereits bei 25 mm langen Garneelen hervor, deut- licher jedoch bei grösseren Individuen. Die secundären Geschlechtsunterschiede äussern sich in folgenden Merk- malen: Das erste Abdomiualbein ist beim Männchen grösser als beim Weibchen; die Männchen tragen am zweiten Abdominalbein einen mit einer Spiralreihe von Borsten besetzten Anhang (Appendix masculina) und an dem letzten Thorax-Beinpaare einen Zapfen; beides fehlt Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 45. dem Weibehen. Auch stehen die Männchen den Weibchen an Grösse erhehhch nach. Erstere werden selten über 52 mm lang-, haben nach V2 — ^4 Jahren das Maximum ihres Längenwachsthuras erreicht, während die Weibehen eine mittlere Grösse von 50—60 mm erreichen und noch dazu erst am Ende des dritten Sommers. Zum Beweise aber, dass damit das Wachsthum der weiblichen Indivi- duen noch nicht abgeschlossen ist, dient die Thatsache, dass Mortenseu alte Matronen von 80 — 105 mm Lauge gefunden hat. Im Winter steht das Wachsthum still und beginnt erst wieder im nächsten Frühjahre. Bfd. Im Anschluss an ein vorhergebendes Referat über Mycorhizen sollen bei der Wichtigkeit dieses Themas aus der Arbeit Stahl's noch einige Fragen behandelt werden. (Stahl: Der Sinn der Mycorhizenbildung. Eine vergleichend-biologische Studie. Pringsheim's Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik 1900, Band 34, S. 539—668.) Stahl geht in dieser Arbeit von dem Gedanken aus, dass in der freien Natur ein heftiger Kampf der Pflanzen um die Nährsalze des Bodens stattfände. Er findet nun, dass diejenigen Pflanzen, welche stark transpiriren, also auch von einem starken Wasserstrom durchzogen werden, keine Mycorhiza (Pilzwurzel) besitzen, während schwach verdunstende Pflanzen Wurzeln mit reichlicher Verpilzung aufweisen, und zieht daraus den Schluss, dass durch Mycorhizen den höheren Pflanzen die Aufnahme der anorganischen Nährsalze aus dem Boden sehr erleichtert wird. Zum Beweise seiner Theorie be- müht sich Verfasser, eine grosse Fülle von Thatsachen zu combiniren, die jedem, der unsere heimische Flora einigermaassen kennt, ein anschauliches Bild von der Beziehung der Pflanzen zu ihrem Standort entrollt. Jedem, der das Studium dieser reichhaltigen Arbeit durchzuführen gewillt ist, wird viel Anregung zu neuem Beobachten daraus erwachseu. Wir dürfen aber nicht verheimlichen, dass die ganze Frage, von diesem Standpunkte betrachtet, noch weiterer Durcharbeitung bedarf, was auch Stahl selbst besonders hervorhebt. Erstlich nämlich ist noch näher zu erweisen, auf welche Nährsalze (K-, Ca-, Mg-, P-, S- Verbindungen) es besonders ankommt, und ob deren Aufnahmegeschwindig- keit wirklich durchweg mit gesteigerter Transpiration zunimmt. Aufnahme von Wasser und Aufnahme von Salzen durch den Plasmasehlauch sind nämlich zwei ganz verschiedene Dinge. Zweitens muss noch bewiesen werden, dass die Pflanze wirklich eine so grosse Menge von Nährsalzen nöthig hat, wie ihr durch einen lebhaften Transpirationsstrom zuge- führt wird, und drittens endlich ist noch ausführlicher zu zeigen, dass der Pilz seine reichen Salzmengen auch wirklich in erforderlichen Quantitäten abgiebt, und wie die Pflanze es fertig bringt, ihm diese zu entreissen. Derartig umfassenden Forderungen der experimen- tellen Physiologie konnte natürlich von Seiten Stahls bei der erdrückenden Fülle von Vergleichsmaterial, welches er durchzuarbeiten hatte, noch nicht entsprochen werden; immerhin aber werden wir mit neuen Zusammenhängen bekannt gemacht. So stellte Stahl fest, dass bei rich- tiger Berücksichtigung der obwaltenden Verhältnisse my- kotrophe Pflanzen, wie etwa Pirola rotundifolia und Pla- tanthera bifolia, weniger Aschenbestandtheile aufweisen, als etwa Sambucus nigra und Heracleum sphondylium (Bärklau), deren Wurzeln frei von Pilzen sind. Mykotrophe Pflanzen pflegen im Gegensatz zu auto- trophen keine nachweisbaren Spuren von Kalisalpeter zu fuhren. Stahl vermuthet im Einklang mit Frank, dass aus diesem Befunde zu vermuthen sei, dass hier organische Stickstoffverbindungen seitens des Pilzes der Pflanze zu- geführt würden. Unter den Farnen ist, um noch einige Beispiele an- zuführen, Aspidium filix mas, der Wurmfarm, mykotroph, was wir schon aus dem zarten Laub und der damit verbun- denen erheblichen Verdunstung schliessen können. Ophio- glossura vulgatum, die Natterzunge, dagegen besitzt einen verhältnissmässig derben Wedel mit geringer Transpira- tion; die Wurzeln fand Stahl dementsprechend stark verpilzt. Von unserer Orchis latifolia weiss jedermann , dass die ausgegrabenen Pflanzen lange auf dem Tisch liegen können, ehe sie zu welken anfangen; es ist demnach die Verdunstung hier sehr schwach; auch in diesem Falle liegt eine mykotrophe Pflanze vor. Sehr wichtig erscheint der Hinweis auf die Parasiten, wo nach Stahl in vielen Fällen ähnliche Beziehungen oljwalten. So dürfte die Mistel (Viscum album) der Kiefer oder ihren sonstigen Wirthspflanzen namentlich Nährsalze entreissen. Die bekannte Familie der Rhinanthaceae wird vom Verfasser geradezu salzparasitisch genannt Ganz ähnlich soll es sich auch mit den fleischfressen- den Pflanzen, wie Drosera, verhalten, bei der in Bezug auf Näbrsalzaufnahme auch keine Autotrophie vorliegen soll. Damit kann natürlich die Bedeutung der proteo- lytischen Enzyme, welche peptonisiren, nicht in Frage gestellt werden. R. K. Zu überraschenden Resultaten beim Studium der Verzweigung der Wurzeln kam Noll, dem wir neuer- dings noch weitere interessante Thatsachen über die, wie es scheint, noch lange nicht genügend erforschten Wur- zeln zu verdanken haben. Seine neueste, in Thiel's Landwirthsehaftlichen Jahr- büchern 1900 veröftentlichte Publication betitelt sich: Ueber den bestimmenden Einfluss von Wurzelkrümmungen auf die Entstehung und Anordnung der Seitenwurzeln. Jeder, der einmal mit Keimpflanzen gearbeitet hat, kommt zu der Erkenntniss, dass die grossen individuellen Ver- schiedenheiten bei den jungen Wurzeln die Geduld des Experimentators oft auf eine harte Probe stellen. Hier dagegen handelt es sich um eine Erscheinung, welche mit grosser Sicherheit stets herbeigeführt werden Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 537 kann. Wird niinilich eine Wurzel in ihren jüngeren Par- tien gekrümmt, so entstehen die neuen Seitenwur- zeln stets auf der konvexen Seite. Auf der kon- kaven bleiben sie nicht etwa kleiner, sondern sie werden überhaupt nicht angelegt. Die hier beigefügte Figur, welche der Taf. II in der Noll'schen Arbeit entnommen ist, zeigte das Gesagte ohne Weiteres. Bedingung ist, dass die Seitenwurzeln nicht schon an- gelegt waren, ehe die Krümmung eintritt. Auf welche Weise die Krümmung hervorgebracht ist, ist gleichgiltig. Man kann sie mechanisch in ihre neue Lage zwingen, oder durch Horizontallegen unter dem Einfluss des Schwer- kraftsreizes eine Krümmung hervorbringen. Nur neben- bei sei erwähnt, dass ja bekanntlich die Seitenwurzeln meist nur in bestimmten Längsflanken in der Mutterwurzel entstehen. Man richtet es am besten so ein, dass eine solche Längsflanke auf die konvexe Seite zu liegen kommt, weil dann gerade dort die jungen Wurzeln gleich hervorbrechen können. Kommt eine solche Flanke an die Seite zu liegen, so biegen sich die neu entstehenden Nebenwürzelchen nach der Konvexseite hin um. Man sieht also, dass diese Erscheinung mit grosser Regelmässigkeit trotz allerhand Variationen in der Ver- suchsanstellung auftritt und man kann noch hinzufügen, dass die Krümmung nicht einmal stark zu sein braucht, um den gewünschten Efi'ekt zu zeigen. So kann eine Krümmung, wie sie der Rand eines gewöhnlichen Tellers zeigt, noch zu dem gewünschten Ziel führen. Eine der Hauptfragen war natürlich die, ob die durch die Krümmung veränderte Gewebespannung das Hervor- brechen der Wurzeln erleichtere. Es pflegen ja freilich diese Spannungen in den Wurzeln nicht so stark zu sein wie in den Stengeln, gleichwohl aber rausste hier nähere Untersuchung einsetzen, zumal besonders früher versucht worden ist, den Einfluss der Gewebespannungen zur Deu- tung anderer Erscheinungen bei Wurzeln geltend zu machen. Wiewohl Verfasser die Wurzeln bis zu einer zulässigen Grenze welken liess und Einschnitte anbrachte, waren dieselben Erscheinungen zu beobachten, sodass der Schluss berechtigt war, auf die Spannungen komme es nicht an. Zudem gelang es Neil, ähnliche Erscheinungen auch an solchen Objekten herbeizuführen, die nur Zell- fäden darstellen und folglich überhaupt keine Gewebe- spannung zeigen können. Dahin gehören Pilzfäden und Moosrhizoiden. Nach weiteren Vergleichen mit Erscheinungen, die mit der neu gefundenen Thatsache in einige Beziehung gesetzt werden können, kommt Verf. zu dem Ergebniss, dass die Pflanze ein gewisses Empfindungsvermögen für Gestaltsveränderung besitzen müsse und führt das Wort Morphästhesie ein, worunter also Reize verstanden wer- den, „die von der Form und Haltung des eigenen Kör- pers (einschliesslich der Lage der Körpertheile zu ein- ander) ausgehen." Zum Schluss weist Verfasser darauf hin, dass diese einseitige Organanlage als recht zweckmässig bezeichnet werden kann, da der Ausbreitung der Neheuwurzeln zum Zweck der Nahrungsaufnahme viel weniger Hindernisse in den Weg treten, als wenn die Würzelchen sich an der Konkavität zusammendrängen müssten. Um für die praktische Landwirthschaft die ge- wonnenen Ergebnisse verwerthbar zu machen, schlägt Noll vor, in solchen Boden, der nur eine dünne Näbr- schicht besitzt, Scherben und dergl. einzustreuen, damit die Wurzeln viele Krümmungen machen und demzufolge gerade in den oberen Schichten bleiben und reichlich Seitenwurzeln crzcusren müssen. Er stützt sich dabei auf die früher, vielleicht auch noch jetzt, in einigen Gegen- den geübte Sitte, Obstbäume über eine flach in den oberen Bodenpartieu liegende Steinplatte zu pflanzen. R. K. „Ueber Zibetli, Jasmin and Ro.sen" publicirt Hein- rich Walbaum in den Ber. Deutsch, ehem. Ges. 33, 1903. Das Secret Zibeth wird von den verschiedenen Arten asiatischer und afrikanischer Zibethkatzen, Viverra, in einer zwischen After und Geschlechtstheilen liegenden Drüse abgesondert; über seine chemische Zusammen- setzung ist nichts Sicheres bekannt. Das Handelsprodukt ist eine gelbbraune, salbenartige Masse von fäcalartigem, an Moschus erinnernden Geruch. Zibeth ist in der Parfümerie unentbehrlich, auch findet er zur Verstärkung und Fixirung der Gerüche bei der Fabrication der Blüthenpomaden Verwendung. Als Verfasser aus Frankreich stammende Jasminpomade als Ausgaugsmaterial für die Darstellung des Jasminblüthen- öls benutzte, erhielt er ein ätherisches Oel, das neben Benzylacetat, Benzylalkohol und anderen Bestandtheilen in den höchstsiedenden Fractionen Körper enthielt, deren Geruch an Indol oder Skatol erinnern. Aller Wahrscheinlichkeit nach entstammten diese Körper dem bei der Fabrication der Jasminpomade zuge- fügten Zibeth, der zur Feststellung dieser Frage auf Ska- tol und Indol untersucht wurde. Zu diesem Zweck wur- den 100 Gramm Zibeth der afrikanischen Viverra-Art mit Wasserdampf destillirt, wobei ein stark nach Skatol riechendes Wasser überging, auf dem ölige Tröpfchen schwammen. Das Destillat wurde mit Aether ausge- schüttelt, der Aether im Vakuum verdun.stet, der ölige Rückstand mit einer Lösung von Pikrinsäure in Benzol versetzt und das erhaltene Pikrat mit Anmioniak zerlegt. Bei der Destillation im Wasserdampfstrom wurden Krystalle erhalten, die Geruch und Schmelzpunkt des Skatols zeig- ten. Indol konnte nicht nachgewiesen werden, die Menge des Skatols war sehr gering, sie betrug kaum 0,1 Proz. Werden folglich Jasminpomaden unter Zibethzusatz bereitet, so muss sich in dem aus Pomaden hergestellten Jasminöl Skatol vorfinden. Hesse wies in so gewonnenem Oel kein Skatol, indessen Indol nach, constatirte aber, dass in nach dem Extractions- Verfahren aus frischen Blüthen bereitetem Oel kein Indol vorkommt. Da nun Zibeth kein Indol enthält und andere indolhaltige Zusätze bei der Pomadenfabrication nicht wahrscheinlich sind, so ist der Schluss, den Hesse zieht, dass die abgepflückten Blüthen während der Behandlung mit F'ett erst das Indol produziren nicht unberechtigt. In Uebereinstimmung hier- mit hat man in den letzten Jahren vielfach beobachtet, dass sich in abgepflückten Blüthen noch beträchtliche Mengen ätherischer Oelbestaudtheile entwickeln, die in dem aus frischen Blüthen gewonnenen Oel nur in Spuren nachweisbar waren. Beim Extrahiren getrockneter Rosen- blätter erhält man beispielsweise in guter Ausbeute Phenyläthylalkohol, C^ • CH, • CHj • OH3, der bei Ver- arbeitung selbst grosser Quantitäten normalen, deutschen Rosenöles nur in Spuren aufgefunden werden konnte. Dr. A. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Erniiiint wunleii: < »berstabsiirzt Dr. \Ve.s t enhöf f'er zum Assistenten am pathulogisolien Institut in Berlin; Prof Dr. Jii- kobi, Leiter der Poliklinilt und der klinischen Abtheiluns in Freiburg i. B , zum Professor für DermatolOf^ie und Syphylis ebenda; Dr. Sokoloff, Privatdocent der chirurgischen Patholo- gie in Charkow, zum Professor; Dr. Friedrich August König, Privatdocent der Chirurgie in Berlin, zum ausserordentlichen 538 Naturwisseuscli.irüiche Wochenschrift. XV. Ni. 45. Professor; Dr. Förster, iiusserordentliclier Professor der Baa- iind Ingenieurwissenschaft an der tcchnisclien Hochscliule in Dresden, zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: Dr. Georg Thilenius, Privatdocent der Anatomie und Assistent am anatomischen Institut in Strassburg, als ausserordentlicher Professor der Anthropologie und Ethnologie nach Breslau; Dr. Adolf Kneser, Professor der Mathematik an der Universität Dorpat, an die königl. Bergakademie in Berlin. Es habilitirten sich: Dr. Strazza für Oto-, Rhino- und Laryngologie und Dr. C. Tarchetti für medizinische Pathologie in Genua; Dr. B. Nigrisoli für Chirurgie und operative Medicin in Bologna. In den Ruhestand tritt: Prof. Dr. Giovanni Virginio .Schiaparelli, Director der Sternwarte in Mailand. Es starben: Dr. Georg Buelau, ehemaliger Hospitalarzt und Mitglied der Medizinaldeputation in Hamburg; Dr. Anton Oberbeck, bis vor kurzem ordentlicher Professor der Physik und Director der physikalischen Universitätsanstalt in Tübingen. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Johannes BumtUler, Mensch oder AffeP Kurze Zusammen- stellung älterer und neuerer Forschungen über Stellung und Herkunft des Menschen. Mit Abbildungen. Ravensburg 1900 ^Dio Thatsachen — sagt Verf. — , welche die anthropolo- gische Forschung geliefert hat, verdienen es wohl ebenso wie ge- wisse Hypothesen, dass sie auch der Laienwelt zugänglich geniaclit werden." Er versteht unter anthropologischer Forschung die Rich- tung, wie sie durch Virchow und Ranke vertreten wird. Referent steht weder auf dem Standpunkt Haeckel's, dessen künstlerische Phantasie in den wissenschaftlichen Fragen, die er behandelt, so störend wirkt, noch auf dem Standpunkt Virchow's, der leider in den in Frage kommenden Dingen überkritisch ist, sondern mit vielen Anderen auf einem Standpunkt, der die Frage nach der Stellung und Herkunft des Menschen ebenso wissenschaftlieh, d. h. unvoreingenommen behandelt sehen möchte, wie man etwa an physikalische Fragen herantritt Dr. Richard Bössler, Oberlehrer am Gymnasium zu Zwickau, Die Baupen der Grossschmelterlinge Deutschlands, Eulen und Spanner mit Auswahl. Kim^ Aiih'itung zum Bestimmen der Arten. Analytisch bearbeitet. Mit 2 Tafeln. B. G. Teubner in Leipzig 1900.'— Preis geb. 2,20 Mark. Wie Verfasser schon früher die verbreitetsten Schmetterlinge Deutschlands in einem Büchelchen mit Bestimmungstabellen be- arbeitet hat, so folgt hier nach derselben Methode eine Bearbei- tung der häufigeren Eulen und Spanner. Es wird das gewiss — bei der verbreiteten Liebhaberei, Schmetterlinge zu sammeln — Vielen erwünscht sein. Als Einleitung bringt Verfasser eine kurze, durch Abbildungen unterstützte, allgemeine Beschreibung des Raupenkörpers. L. Boppe, directeur honoraire de l'Ecole nationale des Eaux et Forets de Nancy, membre du Conseil superieur de l'Agriculture, et Ant. Jolyet, Charge de conrs a l'Ecolo nationale des Eaux et Fori'ts de Nancy, Les ForSts (Tratte pratique de sylvi- culture). 1 vol. in -8 de 488 pages, avec 95 photogravures (Librairie J.-B. Bailliere et fils, 19, rue Hautefeuille, ä Paris). — Prix 8 fr. Die Verfasser betrachten in ihrem Lehrbuch über den Wald- bau zuerst den Baum durchaus vom Gesichtspunkte des Forst- mannes, um sodann auf die Arten einzugehen hinsichtlich ihrer Eigenschaften und Lebensgewohnheiten, namentlich hinsichtlich ihrer Anforderungen an die klimatischen Verhältnisse und an den Boden. Sie betrachten das Verhalten des Baumes als Solitär- pflanze und als Waldbildner, beschränken sich aber hier nicht auf allgemeine Angaben, sondern beschäftigen sich auch mit den verschiedenen Typen, unter denen ein und dieselbe waldbildende Art vorkommt. Sie besprechen eingehend die Oekonomie. Be- sondere Kapitel sind dem Schutz der Wälder gegen Schäden und forner der Aufforstung unbewaldeter Strecken gewidmet J. H. van 't Hoff, Ueber die Entwiokelung der exacten Natur- wissenschaften im 19. Jahrhundert und die Betheiligung der deutschen Gelehrten an dieser Entwickelung. Vortrag, gehalten auf der 72. Vcrsauinikuig der (iesollschuft deutscher Naturforscher und Aerzte zu Aachen. Leopold Voss in Ham- burg und Leipzig, 1900. — Preis 0,80 M. Bespricht namentlich die Hauptpunkte in der Entwickelung der Physik und Chemie. Dr. phil, et med. Carl Oppenheimer, Assistent am iihysiologi- schen Institut zu Erlangen, DieFermente und ihre Wirkungen. Verlag von F. C. W. Vogel in Leipzig. 1900. — Preis 10 Mk. Bücher wie das vorliegende sind zeitgemäss. Auch die kleinsten Disciplinen besitzen derzeitig eine solche Fülle von Litteratur, dass es nur dem Specialisten möglich ist, eine Ueber- sicht zu bewahren. Die Anderen müssen heutzutage einfach ver- zichten, sich zu Orientiren, wenn sie nicht zusammenfassende Bücher zur Verfügung haben, die ihnen wie das vorliegende „Ueber die Fermente utd ihre Wirkungen" übersichtlich und genügende Auskunft geben, indem sie möglichst die gesammte Litteratur des Gegenstandes verwerthen und bekannt geben. In der Einleitung giebt Verf. eine historische Uebersicht. Diese Uebersicht und daran sich knüpfende Erwägungen führen den Verf. zu der folgenden Definition des Begriffes Fer- ment: „Ein Ferment ist das materielle Substrat einer eigenartigen Energieform, die von lebenden Zellen erzeugt wird und mehr oder minder fest an ihnen haftet, ohne dass ihre Wirkung an den Lebensprocess als solchen gebunden ist; diese Energie ist im Stande, die Auslösung latenter (potentieller) Energie chemischer Stoffe und ihre Verwandlung in kinetische Energie (Wärme, Licht) zu bewirken; in der Weise, dass der chemische Stoff dabei so verändert wird, dass der neu entstehende Stoff oder die Summe der neu entstehenden Stoffe eine geringere potentielle Energie, d. h. eine geringere Verbrennungswärme besitzt, als der ursprüngliche Stoff." In der Folge geht dann Verf. ein auf die chemische Natur der Fermente, Beeinflussung derselben durch äussere Factoren, ihre Wirkungsweise, Secretion und Wichtigkeit für den Lebensprozess, um im „Speciellen Theil" die verschiedenen Fermente zu besprechen. Die Biologen werden das Erscheinen eines solchen guten Compendiums mit Freuden vernehmen : ist es doch für diese un- erlässlich, von den Fermenten und ihren Wirkungen ein bestimmtes Maass von Kenntnissen zu besitzen, da der Stoffwechsel der Or- ganismen in engster Berührung damit steht, indem es sich in den Fermenten um ein biologisch höchst wichtiges Werkzeug handelt, dessen sie sich zu ihrer Ernährung bedienen. Caecilie Seier, Auf alten Wegen in Mexico und Guatemala. Reiseerinnerungen und Eindrücke aus den Jahren 1895 bis 1897. Grossoctav, Ö5 Bogen. Mit tio Lichtdrucktafeln, 260 in den Text gedruckten Abbildungen und einer Karte. Dietrich Reimer (Ernst Vohsen) Berlin 1900. — Preis geb. 20 Mark. In dem vorliegenden Buche schildert die Verfasserin die Eindrücke einer längeren Reise durch Mexico und Guatemala, die gemeinsam mit ihrem Gemahl, Professor an der Universität in Berlin, zum Zwecke archäologischer und ethnographischer Studien unternommen wurde. Den Spuren uralter Culturen fol- gend, durchwandern die Reisenden bald die rauhen, von Schluchten zerrissenen Gebirge, bald die heissen, waldbedeckten Niederungen der Küste. Kein Ort ist ihnen zu entlegen, kein Weg zu be- schwerlich, wo es gilt, eine Trümmerstelle aufzusuchen, oder Alterthümer aufzustöbern, die dem Boden entrissenen Stücke des Hausraths der alten einheimischen Stämme der Sammlung einzuverleiben. Auf diesen Kreuz- und Querzügen kommen die Reisenden mit den verschiedenartigsten ßevölkerungs- elementen in Berührung, und eine Reihe der mannigfaltigsten Erlebnisse spielt sich ab, die die Verfasserin geschickt und lebendig vorzutragen weiss. Als Unterlage dienten ihr Briefe, die von den Reisenden während ihrer Wanderzeit an die Freunde daheim gerichtet wurden. Doch hat die Verfasserin Bedacht ge- nommen, in die Schilderung nur das aufzunehmen, was von dem Geschauten von allgemeinem Interesse sein könnte. Der Inhalt des Buches ist demnach mehr ein persönlicher, als ein wissen- schaftlicher. Aber wer sich monatelang in den amerikanischen Tropen auf dem Rücken des Pferdes in Gegenden bewegt hat, die jeder Eisenbahnkultur fern und zum Theil noch nie von mo- dernen Reisenden beschrieben worden sind, hat mancherlei vor- zubringen, was des Anhörens werth ist, zumal wenn er, wie die Verfasserin, eine gründliche Kennerin der Sprache und Lebens- verhältnisse des Landes ist und dasselbe schon zum zweiton Male bereist. Für die naturwissenschaftlichen Gebiete, wie Flora, Bodenformation und ähnliches, sowie zur Ergänzung der Weg- beschreibung hat Frau Seier die Aufzeichnungen ihres Gemahls benutzt. Ein ungewöhnlich reicher Bilderschmuck, zum grossen Theil nach eigenen photographischen Aufnahmen der Verfasserin hergestellt, ist dem Werke beigegeben. — Es zerfällt in die folgen- den Abschnitte: 1. Ein Ausflug an die Lagune von Patzcuaro, 2. Oaxaca, 3. Ein Ritt in die Mixteca Alta, 4. Zum Stillen Ozean, 5 Im Südosten des Isthmus, 6. Quer durch Chiapas, 7. Von Co- mitan bis Guatemala, 8. Die alte und die neue Hauptstadt, 9. Am Fusse der Vulkane, 10. Chaculä, 11. Im Norden und Osten von Guatemala, 12. Zurück nach Mexico. XV. Nr. 4.5. Naturwissenschaf tlache Wocheusclirift. 539 Dr. Adolf Pahde, (Ibeilclivm- am Realgymiiasiuin zu Krefeld, Erdkunde für höhere Lehranstalten. Mittolstiife, oistos StiicU, Mit. S Vollliilileni uivl 3 Abbiliiungen im Te.\t. Carl Flemming, VoHm-, Blich- un.l Kunstdruckerei, A.-G., Glogau 1900. — Preis gel,. 1,8U M. Das Buch ist empfehlenswerth. Es ist mit Geschick ver- mieden worden, nur Aufzählungen und statistische Angaben zu bieten, ohne dadurch in ein blosses Erzählen zu vertallen. Der ■vorliegende Theil behandelt Europa ausser Deutschland. Am Schluss sind wieder auf Tafeln verkleinerte Abbildungen aus Hölzel's Geographischen Charakterbildern beigegeben. Die natttrlichen Pflanzenfamilien nebst ihren Gattungen und wichtigeren Arten, insbesondere den Culturpflanzen, unter Mit- wirkung zahlreicher hervorragender Fachgelehrten, begründet von A. Engler und K. Prantl, fortgesetzt von A. Engler, ord. Prof. der Botanik und Dir. des botan. Gartens in Berlin. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. — Subscriptionspreis der Lieferung 1,50 Mark. — Einzelpreis 3 Mark. Durch das Erscheinen der soeben erschienenen Doppelliefe- rung 202/203 ist wieder eine Abtheilung und zwar die 1. Abth. a des I. Theils abgeschlossen worden. Dieselbe enthält die Schi- zophyta (Spaltpflanzen): Schizomycetes (Bacteria, Bacterien), Coccaceae (Kugelbacterien), Bacteriaceae (Stäbchenbacterien), Spi- rillaceae (Schraubenbacterien), Chlamydobacteriaceae, Beggiato- aceae, alle bearbeitet von W. Migula, ferner die Schizo- phyceae (Myxophyceae, Phycocromophyceae, Cyanophyceae) : Chrooccoccaceae. Chamaesiphonaceae, Oseillatoriaceae, Nostoca- ceae, Scytoncmataceae, Stigonemataceae, Kivulariaceae, bearbeitet von 0. Kirchner, und endlich die Flagellata: Pantostomati- noae, Protomastigineae, Distomatineae, Chrysomonadineae, Cryp- tomonadineae, Chloromonadineae, Euglenineae, bearbeitet von G. Senn. Die 1. Abtheilung a enthält 615 Einzelbilder in 140 Figuren. Ausserdem ist gleichzeitig mit den Lieferungen 202/201 das I. Ergänzungsheft zu den natürlichen Pflanzenfamilien erschienen, das Nachträge zu den Theilen II-IV für die Jahre 1897/98 ent- hält. Es besteht die Absicht, etwa alle zwei Jahre ein solches Ergänzungsheft herauszugeben; sie sollen enthalten: 1. Ergän- zungen zu dem Abschnitte „Wichtigste Litteratur", 2. Charak- teristik der neuen Gattungen nebst Angabe des Ortes ihrer Publi- cation und ihrer Stellung im System, 3. Bemerkungen über etwaige Aenderungen in der systematischen Stellung einzelner älterer Gat- tungen, 4. bei den einzelnen Gattungen Hinweise auf neue Be- arbeitungen derselben. Für die Subscribenten beträgt der Preis der Ergänzungshefte je 6 Druckbogen 8 Mark, der Einzelpreis sonst 6 Mark. Friedrich, Dr. Max, Katechismus der analytischen Geometrie. Leipzig. — 3 Mark. Klein, Dr. Herrn. J., Katechismus der Astronomie. Leipzig. — 3,.50 Mark. Oberholzer, Jak., Monographie einiger prähistorischer Bergstürze in dpu Glarneralpen. Bern. — 12 Mark. Pascal, Prof. Ernst, Die Determinanten. Leipzig. — 10 Mark. Riedel, Gymn.-Oberlehr. Ernst, Katechismus der Planimetrie. Leipzig. — 4 Mark. Schlömiich, Geh.-Rath Dr. Osk., Uebungsbuch zum Studium der höheren Analysis. 2. Thl.: Aufgaben aus der Integral- rechnung. Leipzig. — 9 Mark. Seier, Cäcilie, Auf alten Wegen in Mexiko und Guatemala. Berlin. — 20 Mark. Urban, Ign., Monographia Loasacearum. Leipzig. — 30 Mark. Wiener, Dr. Chr., Die Helligkeit des klaren Himmels und die Beleuchtung durch Sonne, Himmel und Rückstrahlung. Leipzig. - 18 Mark. Briefkasten. Hr. Prof. S. Das Wort Culm für die so genannte geolo- gische Formation hängt etymologisch wohl mit dem Worte Kulm (^ Spitze, Höchstliegendes, vide Rigikulm) zusammen, und zwar deshalb, weil die Culmformation z. B. im Harz die jüngste (also zu oberst liegende), noch mit dem älteren Gebirgskern gefaltete (las iktive Carbon schon zum nicht (llfold und Ballenstellt im Harz) gehört. • Dr. F. Matthias schreibt uns freund- Formation ist, wähl mitgüfalletoii i;:iiiiln Kgl. Gymnn.si:il Uli. liehst über dir laymuln-ic von Culm das Folgende: „Ihrem Auf- trage entspr.'clH'iid lialic ich nach „Kulm" Umschau gehalten und folgendes ermittelt: In Grimm 's deutschem Wörterbuch wird gulm, kulm (m. f.) für oberste Bergkuppe als schweize- risch angegeben, aber auch als im Fichtelgebirge und seinen Ausläufern vorkommend als Name einzelner Bergkuppen nachgewiesen, sogar schon im 13. Jahrhundert. — Das schweizerische wird in Grimm's Wörterbuch auf das churwelsche culm m., das aber nur Berg, nicht Berg- spitze bedeutet, zurückgeführt. Das Kulm des Fichtelgebir- ges wird mit altslavisch chlumu = Hügel, auch cholmu, böhmisch chlum, russisch cholmu in Beziehung gesetzt. Dabei wird aber als „erwähnenswerth" auch ein „heimischer Anklang" angeführt, nämlich kol, altnordisch koUr, dieses auch = Berggipfel. — Meines Erachtens ist die Annahme einer Entlehnung falsch, son- dern es liegt hier ein alt indogermanischer Stamm vor: Vergleiche Fick, Wörterbuch der indogermanischen Sprache (1891). S. 386 nimmt für den Wortschatz der westeuropäischen Spracheinheit (Griechen, Italiker, Kelten, Germanen) das Wort qlmen, n^Erhebung, Holm an und giebt folgende Belege: Lateinisch columen, culmen, columna; altnordisch hölmi und holmr, altsächsisch und englisch holm, neuhochdeutsch Holm. — Der Bedeutung zu Grunde liegen dürfte das gleichfalls von Fick (a. a. 0 ) construirte westindogermanische Verbum q'elo^ treiben, heben, welches dann die Grundlage noch zahlreicher anderer Wortbildungen geworden wäre." Berichtigung. Zur Vorgeschichte der Entdeckung von Grypotheriutn bei Ultima Esperanza. Nachträge und Ergänzungen vom 7. November 1900. Seite 391, erste Spalte, Zeile 33 von oben. Hinter: „Späterhin-' scheint allerdings Smith Woodvvard die Richtigkeit der Bezeichnung Grypotherium einzusehen" ist fort- zufahren : „In seiner definitiven Arbeit über die nach London ge- sandten Originale unserer Publikation" '* -' erkennt er diese Richtigkeit auch an, behält aber trotzdem den specifisehen Namen Listai bei, weil das aus der Eberhardhöhle stammende Grypo- therium beträchtlich kleiner als Gri/jmlh, riinii Ditrwinii und sein Nasenbogen schmäler und concaver als ln'i dirscii sei, es sich also sehr wahrscheinlich um eine andere Sp.'cios handle." Die betreffende Publikation wäre im Anhang A zwischen No. 27 und 28 einzuschalten; ihr Titel lautet: Smith Woodward, A. ün some Remains of grypotherium (Neomylodon) listai and associated Mammals from a Cavern near Consuelo Cove, Last Hope Inlet, Patagonia „Proceedings of the Zoological Society of London", 1900, January 23, S. 61-79. S. 413, erste Spalte, Zeile 4 von oben nachzutragen: „Bei Tornquist, wenige Stunden nördlich von Bahia Bianca, wurde der letzte Tiger ebenfalls Ende der 80er Jahre erlegt."*) Anhang A. Zufügen: 14a. id. Die Gleichzeitigkeit der süd- patagonischen Höhlenbewohner mit dem Grypotherium und an- deren ausgestorbenen Thieren der argentinischen Höhlenfauna. Wird im „Archiv für Anthropologie" Bd. 27 erscheinen. — Deutscher Text der vorigen Publikation nebst Erweiterungen. — Ein kurzes Resunie ist: id. Der Mensch und das Grypotherium in Süd-Patagonien. Vortrag, gehalten auf der 72. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Aachen 1900. Im Druck. Der Aufsatz ist inzwischen auch selbstständig als No. 29 der Naturwissenschaftlichen Abhandlungen erschienen. z. Z. Berlin, 7. November 1900. R. Lehmann-Nitsche. ') Matschie. Die von Herrn Paul Neumann in Argentinien ge- lten und beobachteten Säugethiere. ..Sitzunga-ßerichte der Gesellschaft naturforschender Frdunde zu Berlin", Jahrgang 1894, No. 2, Sitzung 20 Februar, S. 57 — (34. (Hiernach auch bei: Matschie. Säugethiere der Hamburger Magelhaenischen Sammel- reise, Hamburg 1898, S. 12.) Inhalt: Th. Bokorny: Die o.xydirenden Fermente (Oxydasen). — Dr. H. Buss: Schwefelhaltige Riechstoffe. — Bienengift und Bienenstich. — Theilung bei den Infusorien. — Die portugiesische Auster, Ostrea (Gryphaea) angulata Lam. — Die Laich- und Wachsthumsverhältnisse der Ostseegarneele. — Mycorhizen. — Ueberraschende Resultate beim Studium der Verzweigung der Wurzeln. — Ueber Zibeth, Jasmin und Rosen. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. Johannes Bumüller, Mensch oder Affe? — Dr. Richard Rössler, Die Raupen der Grossschmetterlinge Deutschlands. Eulen und Spanner, mit Auswahl. — L. Boppe et Ant. Jolyet, Les Forets (Traite pratiiiue Le sylviculture). — J. H. van't Hoff, Ueber die Entwickelung der oxacten Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert und die Betheiligung der deutschen Gelehrten an dieser Entwickelung. — Dr. phil. et med. Carl Oppenheimer, Die Fermente und ihre Wirkungen. — Caecilie Seier, Auf alten Wegen in Mexiko und Guatemala. — Dr. Adolf Pahde, Erdkunde für höhere Lehranstalten. — Die natürlichen Pflanzenfamilien. — Liste. — Briefl. Abonnement: Mau abonnirt bei allen Buchhandlungen und Bost- anatalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljalirspreis ist M i — BrinRegeld bei der Post 15 ^i, extra, l'ostzeitungsliate Nr. 5301. i Inserate; Die viergespaltene Petitzeile 40 J^. Grössere Aufträge eut- sprechenden Rabatt. Beilagennach üebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck \st mir mit vollständiger Qnellenjinjjahe gestattet. Neuere wissenschaftliche Arbeiten über Terpene und Terpenderivate. Von Dr. H. Buss. Selion früher wurde in besonderen Fällen von Wallacli, Wagner und v. Bayer der Gedanke erwogen, dass in den Verbindungen der Terpenreihe eine der in ihnen enthal- tenen Doppelbindungen vom Kern aus nach der seiten- stiiiuligen Methylgruppe gelagert sein könnte, und erst neuerdings wieder hat Fromm bei der Aufstellung seiner Sabinolformel dieselbe Ansieht zum Ausdruck gebracht. Semmler erweitert diesen Gedanken, indem er von der Ansicht ausgeht, dass neben den bisber so genannten Terpenen und Terpenderivaten auch solche existiren und wahrscheinlich mit den ersteren zugleich vorkommen, welche anstatt einer Doppelbindung im Kern von dem- jenigen Kohlcnstoffatom aus, an welchem die Methylgruppe haftet, eine solche nach der Methylgruppe selbst bin, die dadurch natürlich zur Methylengruppe wird, enthalten. Ausser dem bekannten Liraouen, dem man die Formel I zuschreibt, wird es noch einen anderen Kohlenwasserstoff der Formel II geben, der durch Anlagerung von Halogen- wasserstoif in dasselbe Additionsprodukt III übergeführt wird, das auch aus Limoneu entsteht: CH3 CH3 CH3 CH, CHs CH3 C I CH HoCl JcH C CGI I CH H2C1 HoCl /CH2 HäCi H,c', CH2 JcH„ C C CGI I II ■ I GH:j GH., GH3 I II III Durch diese Reaktion lassen sieh also die beiden Kohlenwasserstoffe, die sich auch durch ihre physikalischen Eigenschaften nur sehr wenig von einander unterscheiden, nicht aus einander halten. Angehörige der ersten Klasse von Verbindungen, also die bisher bekannten Terpene und deren Derivate und zwar gleichgültig, ob in ihnen eine Doppelbindung nach der Isopropylgruppe hin, wie im Pulegon, oder innerhalb derselben, wie im Limonen und Carvon, vorkommt, be- zeichnet Semmler als Orthoterpenvcrbindungen, und trennt sie von denPseudoterpenderivaten, in deneneine Doppelbindung vom Kern aus nacli der Methylgruppe hin vorhanden ist. Dipenten sah man bis jetzt als inactives Limonen an. Semmler glaubt jedoch, dass dem inactiven Ortho- Limonen ein grosser Theil Pseudo- Limonen, welches natürlich optisch inactiv sein muss, beigemengt ist. Aebnlich wie beim Limonen liegen die Verhältnisse beim Pinen. Es stellte sieb heraus, dass dem Rohpinen ausser dem Orthopinen, noch andere Körper beigemengt sind, ja man findet sogar Pinene, welche hauptsächlich aus Pseudopinen bestehen. H.,G H.,G HG CH GH., - G - CH, CH, CHo C = CH2 Pseudopinen Im Jahre 1898 entdeckte Fromm im Sadebaumöl neben Terpenen den Essigsäureester eines Alkohols GioHigO, welchen er mit dem Namen Sabiuol belegte. Dieser ist ein typischer Vertreter der Pseudoterpenalkohole und hat die Constitution: Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 4(i. CH3 CH3 \/ CII 'cHOH C = CHo Der ziigeborig-e Alkohol der Orthoreihe mit der doppelten Biudnng- iin Kern ist bislier nicht bekannt. Ferner findet sich im Sadebauniöl ein Kohlenwasser- stotif, der als Sabinen bezeichnet wurde. Er siedet völlig- verschieden von allen bisher bekannten Terpenen imd nnterscheidet sich von diesen auch durch sein niedrigeres spec. Gewicht. Eine definitive Formel ist für ihn bis jetzt noch nicht aufgestellt worden, so viel ist aber jetzt schon gewiss, dass das Sabinen zur Pseudoklasse der Terpeue gebort, die dazu gehörige Orthoverbindung ist bis jetzt noch nicht bekannt. Einen neuen Terpenalkohol, das Pinenol C,oHißO hat Genvresse dargestellt durch Einwirkung von salpetriger Säure auf Pinen oder Terpentinöl in der Kälte. Öer durch Destillation im Vacuura rein erhaltene neue Alkohol ist eine schwach gelbliche, eigenartig, aber angenehm riechende Flüssigkeit vom Siedepunkt, 225° bei 74ü mm. Bei Destillation unter gewöhnlichem Druck zersetzt er sich theilweise. Die Existenz einer Doppelbindung- in ihm wird dadurch wahrscheinlich, dass er ein Molekül Brom absorbiert. Durch Einwirkung- von Eisessig und Schwefelsäure auf Pinenol oder von Äcetanhydrid auf die Natriumverbindung des Pinenols erhält man seinen laven- delähnlich riechenden Essigester. Durch Oxydation des Pinenols mit Chromsäuregemisch entsteht ein Keton CioH,40, das Genvresse Pinenon genannt hat, eine gelbe, angenehm riechende Flüssigkeit vom Siedepunkt 132° bei 42 mm. Ein neues Terpen ist von Wagner und Brykner dar- gestellt worden. Schon seit geraumer Zeit arbeitete man darauf hin, die den beiden isomeren Alkoholen Borncol und Isoborneol entsprechenden Kohlenwasserstoffe zu er- halten, welches Problem nunmehr gelöst zu sein scheint. Das aus Borneol oder Pinen vermittelst Jodwasserstoff zu erhaltende Bornyljodid giebt, wenn man zur Jod- wasserstoflfabspaltung statt der Kalilauge Kaliumphenolat verwendet, fast ausschliesslich Camphen. Wendet man dagegen anstatt Kaliumphenolat starke alkoholische Kali- lauge an und arbeitet unter Druck, so gelangt man zu einem neuen Terpen, dem Bornylen, welches von dem nebenbei entstellenden Camphen durch Behandeln mit einer Lösung von Schwefelsäure in Eisessig getrennt werden kann, Camphen geht dabei in Isobornylacetat über. Das neue Torpen ist ein fester, von 97 — 98° schmelzender Körper und hat die Constitution. CH HoC HaC CH3 - C - CH3 C-CHj CH CH Es ist ein ungemein Hüchtiger Körper und sublimirt an den Gefässwaudungen in durchsichtigen, glänzenden Krystallen. Streut man kleinere Quantitäten desselben auf ein ührglas, so verschwinden dieselben fast augen- bhcklich. Diese enorme Flüchtigkeit muss man bei der Darstellung des Kohlenwasserstoffs, um grosse Verluste zu vermeiden, berücksichtigen. Die bei der Reduktion des Camphers entstehenden Alkohole Borneol und Isoborneol wurden bis jetzt stets als Isomere aufgefasst, sämtliche chemischen Reactionen sprachen dafür. Nach neueren Untersuchungen ist diese Auffassung unrichtig. Nach Semmler ist das Isoborneol ein tertiärer Alkohol, ihm liegt ein anderes Kohienstort'- skelelt zu Grunde als dem Borneol. Semmler hat näm- lich die Beobachtung gemacht, dass man im Zinkstaub ein vorzügliches Mittel besitzt, um tertiären Alkoholen unter geeigneten Bedingungen den Sauerstoff' zu entziehen, seeundäre und primäre Alkohole reagieren bei dieser Ein- wirkung äusserst träge oder gar nicht. Der Zinkstaub leistet also bei einwertbigeu tertiären Alkoholen gute Dienste, um zum entsprechenden Kohlenwasscrstofr zu gelangen, und mit Hilfe dieses das dem Alkohol zu Grunde" liegende Kohlenstoffskelett zu erkennen. Behan- delt man Isoborneol mit Zinkstaub, so giebt es seineu Sauerstoff" ab und es entsteht dadurch das Dihydro- camphen, während es nicht gelingt, dem Borneol durch Einwirkung von Zinkstaub den Sauerstoff zu entziehen. Eine neue Methode zur quantitativen Bestimmung des Carvons rührt von Labbe her, indem er hierzu das Ver- halten des Carvons gegen Bisulfitlösung verwerthet. Mau ermittelt einerseits die Menge des beim Kochen mit der Sulfitlösung bleibenden Rückstandes, andererseits geht mau von einer Sulfitlösung mit bekanntem Gehalte aus und stellt den Verbrauch an Bisulfit titrimetrisch fest. Heusler, Tiemann und Labbe hatten nachgewiesen, dass aus ungesättigten Ketonen und Aldehyden mit sauren Sulfiten ausser den Doppelverbindungen der Form RCH<'t,,\ ,, auch solche entstehen können, bei denen eine Anlagerung des Sulfits an die Doppelbindung unter Bildung von Hydrosulfonsäurederivaten staltgefunden hat. In dieser anormalen Weise reagiert auch Carvon, von dem man bisher angenommen hatte, dass es sich mit Bisulfiten nicht verbände. Kocht man dasselbe am Rück- flusskühler mit käuflicher Natriumbisulfitlösung, der man vorher so viel trockenes Natriumcarbonat zugesetzt hat, dass alle freie schweflige Säure gebunden ist, so hat sich schon nach dreiviertelstündigem Kochen das Keton ganz in der wässerigen Flüssigkeit aufgelöst. Man dampft dann zur Trockene ein, nimmt den Rückstand mit sieden- dem Alkohol auf, dampft das Filtrat wiederum ein und behandelt deu Ruckstand noch einmal mit ca. 98 prozen- tigem Alkohol. Durch Trocknen im Vacuum erhält man so schliesslich ein Salz von der Zusammensetzung C,oH,40 • 2NaHSo:„ welches ein weisses oder schwach gelbliches, äusserst zerfliessliches Pulver ist, das durch Alkalien nicht wieder in Carvon und Sulfit zerlegt werden kann. Neue Ansichten sind vor kurzem bezüglich der Con- stitution des Citronellols ausgesprochen worden. Bis jetzt wurde fast allgemein nach den Ergebnissen der Unter- suchungen Tiemann's angenonnnen, dass der durch Reduc- tion des Citronellals entstehende rechts drehende Alkohol C10H20O und die aus Pclargonium und Rosenöl zu erhal- tenden links drehenden Verbindungen nichts anderes als verschiedene optische Modificationen ein und desselben Alkohols, des Citronellols, seien. In einer neuereu Ab- handlung tritt dieser Anschauung nun Bouveault entgegen. Nach ihm sind der durch Reduction von Citronellal ent- stehende Alkohol, das Citronellol und der neben dem Geraniol in Rosen- und Pelargoniumölen nachgewiesenen Alkohol CioH.jnO, den er als Rhodiuol bezeichnet, zwei XV. Nr. 46. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 543 durelians vcrseliiedene Körper. Die Uiiterscliiede treten weiiif;er bei den Alkoliolcn, als bei den cntspreclienden Aldehyden zu Tage. Nach Bouvcault ist das Rhodinal ein sehr unbeständiger Aldehyd, der sioh im Laufe der Zeit sogar freiwillig in Mentbon umlagert, welche Isomeri- sation sofort und vollständig eintritt, wenn man das Rhodinaloxim mit Acetanhydrid behandelt, man erhält dann nur das Acetat des Mentbonoxinis. Das Citronellal ist zwar auch ein ziemlich unbeständiger Körper, aber seine Umlagerung erfolgt nicht so schnell wie die des Riiodinals. Bouvcault und Barbier gelangen deshalb zum Schlüsse, dass folgende Formelbilder die Zusammensetzung von Citronellol und Rhodinol richtig veranschauen: Cito = CCH3 - CH, - CH , - GH., - CHCH3 - CH, - CiLOH Citronellol (CH,),C = CH - CH. - CHo - CHCHaCH.CHäOH U h o d i 11 o 1 Die diesen Alkoholen entsprechenden Aldehyde sind: CH, CH,. CHo CH, C I CH,, H.,Cj H„c' iCHO 'CH„ CH I CH, Citi-onellal c II CH H,C| |CHO eA JcHa CH CH, Durch achttägiges Stehenlassen von Citronellal mit einprozeutiger metbylalkoholischer Salzsäure oder auuli mit salzsaurem Formimido-Aether erhielt Harrics das Citronellol-dimethyl-acetal SS3>C = CH - CH, - CH. - CH - CHo - CH(OCH;j)o CH3. CH3 Dieses ist eine wasserbelle, stark lichtbrccliende Flüssigkeit von schwach aromatischem, ^^•enig an Citronel- lal erinnernden Geruch vom Siedepunkt 110 — 112° bei 12 — 13 nnn. Die Arbeiten über das Citral sind nun ebenfalls zum AbsChlnss gelangt. Auf Grund verschiedener Unter- suchungen wies Tiemann nach, dass es thatsächlich zwei vei-schiedcne Citrale gicbt, deren Isomcrie als Raumiso- merie anzusehen ist. Es gelang ihm eine quantitative Trennung des Citrals in seine beiden sterischen Modi- ticationen, welche er mit der Bezeichnung Citral a und Citral b belegt, zu erzielen, Citral b wurde in derselben Reinheit wie das Citral a erhalten und seine Constitution in unanfechtbarer Weise, wie es bereits für das Citral a geschebcn ist, festgestellt. Citral a und Citral b liefern beim Abbau mit Kaliumpermanganat und Chromsäure in gleicher Weise Aceton und Lävulinsäure und werden nach der Verley'scben Methode durch Pottasche gleichmässig in Methylheptenou und Acetaldehyd gespalten. Die Lage der doppelten Bindung ist damit bei beiden Formen des Citrals fcstn-elcct, beide besitzen dieselbe Constitution: CH3 OH3. C = CH - CHo - CHo C = CH - CHO I CH3 Die beobachteten Unterschiede sind nur auf eine Raumisomerie zurückzuführen, welche durch die doppelte Bindung + bedingt ist. Unter gewissen Bedingungen gebt die eine Form in die andere über. Das Lemongras- öl enthält bei einem Gesammtaldehydgehalt von 81 7o 73 7o Citral a und 8 % Citral b, während das aus dem französischen Verbenaöl isolierte Citral (insgesammt 26 %) zu 17—20 »0 aus Citral b und zu etwa 8 7o »"s Citral a bestellt. Die durch die Isomcrie der Citi'ale bedingte Raum- isomerie des Pseudoionons ist auf seine Umwandlung in lonon indessen ohne jeden Einfluss. Wie dies bereits für das Pseudoionon ans Citral a nachgewiesen ist, giebt auch dasjenige aus Citral b in derselben Weise und in gleicher Ausbeute wie jenes, bei der Inversion mit ver- dünnter Schwefelsäure ein Gemenge von a lonon und ß lonon, in welchem ersteres vorwiegt und bei der In- version mit concentrirter Schwefelsäure in der Haupt- sache ß-Ionon, neben nur wenig a-Ionon. Die stereo- chemische Configuration des Pseudoionons übt demnach keinerlei Einfluss auf die Bildung des a-Ionons und [^lonons bei der Inversion aus. Bei der Bestimmung des Citralgehalts im Verbenaöl fand Kerschbaum ca. 1 7o eines neuen Ketons, das er mit dem Namen Verbenon bezeichnete. Dieses neue Keton ist ein farbloses Oel von eigenthümlichem, beson- ders beim Erwärmen hervortretenden, campher- und pfetferminzähnliehem Geruch. Seit einigen lahren hat Schimmel & Cie. in Leipzig mit der Rosenkultur begonnen zum Zwecke der Dar- stellung von Rosenöl. Producirt wurden in diesem Jahre 42 kg reines Oel und ca. 25 000 kg Rosenwasser im VerhäUniss von 2 kg Rosen auf 1 kg Wasser. Selbst- verständlich ist dieses deutsche Rosenöl von ganz anderem Charakter wie das türkische Rosenöl. Es wurden im deutschen Rosenöl ausser Geraniol noch folgende Bestand- theile nachgewiesen : Normaler Nonylaldcbyd, Citral, 1-Liualool, Normaler Phenjiäthylalkohol, 1-Citronellol. Auch hiermit ist die Zusammensetzung des deutschen Rosenöls noch nicht vollständig erschlossen, vielmehr hat die Untersuchung gezeigt, dass noch andere Körper darin vorkommen. Der Phenyläthylalkohol CeHsCH.jCHoOH ist die erste im Rosenöl aufgefundene aromatische Substanz. Aus dem Vorkommen von Phenyläthylalkohol im Rosenöl lässt sich der Schluss ziehen, dass wahrseheinlich auch die Oxydationsprodukte desselben, nämlifh Phenylacetal- dehyd undPhenylessigsäure zu den Bcstandthcilenfdcs Oeles gehören. Die auffallende Erscheinung, dass der Phenyl- äthylalkohol im gewöhnlichen Rosenöl in ganz verschwin- dender Menge enthalten ist, während er bei den Extrac- tionsölen den Hauptbestandtheil ausmacht, bedarf noch der Aufklärung. Ob es sich bei der Extraction um eine vollständigere Gewinnung der in den Blüthcn bereits fer- tigen Oelbestandtheile handelt, oder ob eine nachträgliche Bildung von Phenyläthylalkohol stattfindet, ist noch nicht festgestellt. Zur Aufklärung dieser Verhältnisse können die Beobachtungen, welche Hesse beim Jasminöl gemacht hat, nützlich sein. Von J. Passy wurde vor einigen Jahren die Hypothese aufgestellt, dass eine Klasse von Blüthcn, welche zur Riechstofffabrikation angebaut werden, z. B. Rosen und Oiaugenblüthcn, stets eine grössere Menge fertig gebildeten, ätherischen Oeles aufgespeichert ent- halten, während in einer zweiten Klasse von Blüthen, z. B. Jasmin und Tuberose, die Riechstoftc nur in ge- ringer Menge fertig gebildet vorhanden sind, sie werden 544 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 46. vielmehr immer neu erzeugt und verflüchtigt. Ob sich dies wirklich so verhält, kann man bis /u einem gewissen Grade erkennen, wenn man aus Blütlien beider Klasse die Riechstoft'e nach verschiedenen Verfahren gewinnt und ermittelt, ob bei verschiedenen Verfahren dieselbe oder verschiedene Mengen ätherischen Oeles erhalten werden. Destilliert man Blüthen mit Wasserdampf, oder extrahirt man sie mit Petroläther oder macerirt man sie mit heissem Fett, so wird man bei diesem nur kurz an- dauernden, den Lebensprozess der ßlüthcn sehr bald zer- störenden Operationen im wesentlichen nur dasjenige ätherische Oel gewinnen, welches (in Oelzellen angelagert) in der Biiithe enthalten ist. Lässt man den Blüthen aber Zeit zur Weiterentwickeluug, indem man sie auf wasser- haltiges Fett streut oder in Wasser taucht, in welchen Medien sie einen Tag oder noch länger leben können, so wird man auch das während dieser Zeit producirte Oel auffangen. Die diesbezüglichen Untersuchungen führten Hesse beim Jasminöl zu folgenden interessanten Resultaten: Um durch Extraction von Jasminblüthen 1 kg äthe- risches Jasminblüthenöl zu erzeugen, sind 5600 kg Jasmin- blüthen nothwendig. Bei der ca. 24 Stunden dauernden Eufleurage dagegen ergeben schon 1000 kg Jasminblüthen mehr als 1 Kilo Jasminblüthenöl. Bei der 24 Stunden dauernden Enflenrage produciren also die Jasminblüthen ca. 6 mal so viel ätherisches Oel als sie bei der Vor- nahme der Extraction enthielten. Die Eigenschaften des durch Extraction und des durch Enflenrage gewonnenen ätherischen Jasminblüthenöls zeigen ziemlich grosse Unter- schiede, das ätherische Oel muss also nach dem Ab- pflücken der Blüthen wesentliche Veränderungen, ins- besondere auch bezüglich des Estergehaltes, erleiden. Die interessanteste Beobachtung Hesse's ist wohl die, dass das durch Extraction gewonnene ätherische Jasmin- blüthenöl kein Indol enthält, während in dem durch En- flenrage gewonnenen Jasminblüthenöl Indol vorhanden ist. Hierfür kann wohl keine andere Erklärung gefunden werden, als dass das Indol in den Jasminblüthen erst entsteht, nachdem die Blüthen abgepflückt sind. Die beiden Thatsachen, dass einerseits die Extracte der Jas- minblüthe weit weniger ätherisches Oel enthalten als die Pomaden, welche aus derselben Blüthenmenge durch En- flenrage gewonnen werden, dass andererseits in den Jas- minpomadeu verhältnissmässig reichliche Mengen Indol vorkommen, in den Extracten dagegen nicht, sind viel- leicht die Erklärung dafür, dass in der ParfUmeriepraxis die Jasminpomaden den Blüthen-Extracten vorgezogen werden. Gerade das Indol hat die Eigenschaft, den manchmal etwas stumpf riechenden Rieehstoffmisehungen einen frischen, natürlichen Geruch zu verleihen. Aus den Untersuchungen von Charabot geht hervor, dass einige ätherische Oele, je nach dem Entvvickelungs- stadium der Pflanze, einen verschiedenen Gehalt an Kohlen- wasserstoffen, Alkoholen, Estern etc. zeigen können. Nach seinen bei Bergamott- Lavendel- und Pfeftermünz-Oel aus- geführten Untersuchungen, vollziehen sich die Umwand- lungen der Terpenderivate in den Pflanzen in zwei wohl zu unterscheidenden Phasen, die den Hauptabschnitten des Wachsthnms der Pflanze entsprechen. Die erste Phase ist die der Bildung der Terpenalkohole und derjenigen ihrer Urawandlungsprodukte, die durch Wasserabspaltung aus den Alkoholen entstehen, also entweder der Ester allein, oder falls die Alkohole sehr leicht Wasser ver- lieren, auch der Terpene. Diese Umwandlungen finden in den chlorophyllhaltigen Theilen der Pflanze statt und zwar zur Zeit, wenn sie sich besonders kräftig entwickeln, also in der Periode der lebhaften Assimilation. Die zweite Periode fällt dagegen in denjenigen Lebensabschnitt der Pflanze, in welchem die Athmungs- energie die Assimilation überwiegt. Die von den Ge- weben aufgenommene Sauerstoffmenge ist eine sehr beträchtliche und dabei werden durch Oxydation primäre Alkohole in die entsprechenden Aldehyde, secundäre in Ketone umgewandelt. Ist es einmal gelungen die Art und Weise festzustellen, wie die Pflanze die in ihr ent- haltenen Richhstoffe aufbaut, so wird es auch möglich sein, dadurch dass man der Pflanze die günstigsten Bedingungen verschaffet, die Produktionsfähigkeit derselben bedeutend zu erhöhen und mehr nach unserem Willen zu gestalten. Ueber den Wechsel in der Ernährung eines Vogels berichtet Kapitän Hin de, der im englischen Ostafrika lebt, in einem Briefe an den jetzigen Direktor des Britischen Museums, Prof. E. R. Lankester, welcher den Brief in „Nature" vom 16. August 1900 zum Abdruck bringt. Es handelt sich um den gemeinen Rhinoceros- vogel, Buphaga erythrorhyncha. Derselbe ist bekannt durch seine Gewohnheit, dem Wild und den Hausthieren zu folgen und ihnen die Insekten abzulesen wie auch die Maden aus der Haut herauszuholen, weshalb der Vogel auch den Namen Madenhacker erhalten hat. Dabei ist es allerdings auch vorgekommen, dass die Vögel in den Wunden inficirter Thiere gewühlt und dann den An- steckungsstoft" auf gesundes Vieh übertragen haben. Seit- dem nun durch die schrecklichen Epidemieen der letzten Jahre in Mittel- und Südafrika die Rinder-, Schaf- und Ziegenheerden fast ganz vernichtet worden sind und die Madenhacker so ihre natürliche Nahrungsquelle verloren haben, sind die Vögel Fleischfresser geworden. Sie ver- folgen die Hausthiere jeder Art, fressen ihnen die Ohren bis auf den Knochen ab und hacken Löcher in Rücken und Schenkel. Hin de berichtet, dass er die so ange- fallenen Thiere mit Jodoform behandelt; dasselbe hält durch seinen Geruch die Vögel von den Wunden ab, so dass letztere heilen können; konnnen die Vögel trotzdem zu nahe, so scheint das Jodoform auf sie eine ein- schläfernde Wirkung auszuüben, so dass sie ganz er- schlaffen und leicht getödtet werden können. S. Seh. Der Niederschlag in trüben Flüssigkeiten. — In welcher Weise die eine Flüssigkeit trübenden Partikel zu zwingen sind, sich niederzuschlagen und abzusetzen, ist eine Frage, der wir nicht nur alltäglich in der Praxis begegnen, sondern die auch von grösster Wichtigkeit ist für die Theorieen der Chemie und Physik, sowie, in Rück- sicht auf die Sedimentirung von „Flusstrüben" u. a., auch für die Geologie. Man weiss, dass sich trübes Wasser im Ruhezustande nur dann klärt, wenn die suspeudirten Partikel genügend gross sind; alsdann beginnt die Klärung in der Höhe und scheint nach unten um so schneller fortzuschreiten, je weniger feine Partikel zum Absatz gelangen. Sind die trübenden Partikel aber von äusserster Feinheit, so genügt der Ruhezustand meist nicht, um die Flüssigkeit schnell zu klären, vielmehr verharrt die Trü- bung monatelang und selbst, in gewissen Fällen, für un- absehbare Zeiten, ohne dass die Homogenität gestört er- scheint; auch bleiben da die besten Papierfiltcr wirkungs- los. Die Zahl derartiger Truglösungen oder Pseudoso- lutionen, wie man sie im AUccmeincn bezeichnet hat und XV. Nr. 4(5. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 545 zu denen die von chinesischer Tusche sowie die Mehr zahl der Losungen von Anilinfarben geliöi'eu, ist sehr gross. Was da der Ruhezustand nicht zu bewirken ver- mag, erzielt in allen Fällen die Zugabe von ein wenig- Salz oder Säure, in deren Folge sich Flocken bilden, und verbinden, manchmal zu Fäden, öfter zu regellosen Älassen, die nach und nach zu Boden sinken, wenn die r^'lüssigkeit weniger dicht ist als die Ausscheidung, oder im umgekehrten Falle zur Oberfläche steigen. Diese allbekannte und schon vielfach behandelte Er- scheinung ist neuerdings der Gegenstand einer Arbeit von W. Spring in Lüttich geworden („Sur la floculation des milieux troubles" in Bull, de l'Acad. royale de Belgique, 1900, 483—520), die zwar, wie der Autor selbst ein- räumt, noch keine Aufklärung über den tiefer liegenden Grund der Flockenbildung giebt und das Problem nicht ohne Rest löst, dennoch aber diese Lösung vorbereitet durch eine Zusammenstellung wichtiger Thatsachen, Er- mittelungen und Sehlussfolgerungen. Hierzu veranlasste ihn übrigens, wie er eingangs mit- theilt, noch ein von Chemie und Physik weitabliegendes Interesse. Bacteriologische Untersuchungen haben näm- lich gezeigt, dass das Serum die Eigenschaft hat, gewisse Mikro-Organismen zu agglutinircn und flockig zu um- hüllen. Im Besonderen würde dem Serum eines gegen eine bestimmte Krankheit immunisirten Wesens die Eigen- schaft innewohnen, die diese Krankheit verursachenden Mikroben zu „umflockeu" (floculer). Die Thatsache er- seheint so gesichert, dass man z. Z. als zuverlässigstes Kennzeichen für die Diagnose von Mikroben, z. B. eines Typhus - Bacillus, seine leichte Umflockung (sensibilite agglutinative) durch das Serum eines stark gegen Typhus immunisirten Thieres hinstellen kann. Die Flockenbildung um Mikroben gleicht nun in ihrer physikalischen Er- scheinung (facies physique) nach Spring's Urtheil voll- kommen derjenigen in trüben Flüssigkeiten, was jeder bestätigen werde, der beide Phänomene mikroskopisch beobachte und mit einander vergleiche. Demnach giebt es höchst wahrscheinlich, wenn nicht sicherlich, beiden gemeinsame Punkte; um diese zu entdecken, verspricht die Untersuchung einfacher, rein physikalischer Fälle entschieden mehr Erfolg, als die von verwickelten bacteriologischeu, und wird, wenn man den Grund der Flockenbildung dort ermittelt hat, hierdurch auch den Bacteriologen bei ihrer Arbeit geholfen sein. Zunächst weist dann Spring in einer kritischen Musterung der bisher diesem Ziele gewidmeten Arbeiten nach, dass das Problem in Wirklichkeit noch nicht gelöst ist, obwohl dies Mancher geglaubt haben mag und von scharfsinnigen Forschern für dasselbe zweifellos höchst wichtige Thatsachen ermittelt worden sind. Dass die Cohäsion oder Viscosität der Flüssigkeit nicht die Hauptschuld an der dauernden Suspension der Partikeln in trübem Wasser trage, erkennt man aus dem Mangel einer Relation zwischen Cohäsionsänderung und Niederschlagsmenge; während eine Cohäsionsminderuug durch Temperatursteigerung in dem einen Falle keine beschleunigte Klärung zur Folge hat, findet in anderen eine unverhältnissmässig schnelle und massige Sedimenti- rung statt. Demnach scheint die Schnelligkeit des Nieder- schlags nicht von der Natnr der Flüssigkeit, sondern von derjenigen der suspendirten Partikel abzuhängen oder, bestimmter ausgedrückt, von deren chemischen und physi- kalischen Beziehungen zu der sie tragenden Flüssigkeit. Bei der bereits von Seh eerer beschriebenen Klärung trüben Wassers durch Zugabe von etwas Säure oder Salz sind die Flockeninldung und der Niederschlag (Sedi- mentirung) als zwei zeitlich einander folgende und viel- leicht dennoch von einander unabhängige Erscheinungen streng von einander zu unterscheiden. Die wichtige Er- kenntuiss, dass die eine Klärung herbeiführenden Sub- stanzen Elektrolyte sind, verdanken wir Barus, der eben deshalb, und in Consequenz der Elektrolysetheorie von Clausins, die Ursache der Sedimentirnng in der inneren Energie erblickt, welche die .Ionen den Flüssig- keiten ertheilen. Dann hat Bodländer ermittelt, welch im Verhältniss sehr geringer Mengen es von Säuren oder deren Salzen bedarf, um die Klärung hervorzurufen; dieses Mengenverhältniss ist, wie wohl zu begreifen, verschieden je nach der Natur des Klärungsmittels und des trübenden Stoffes, sowie der Grösse der Partikel (in durch Kaolin getrübtem Wasser wirkt die Salzsäure bereits bei einer Verdünnung von 1:1500 000); auch er constatirte die Abhängigkeit der klärenden Wirkung von der elektrischen Leitungsfähigkeit. Diese Wirkung hat man dahin zu er- klären gesucht, dass jedes suspendirte Partikel in einer trüben Flüssigkeit durch chemische oder physikalische Attraction von einer Sphäre condensirter Flüssigkeit um- geben sei, die wiederum von der übrigen, umgebenden Flüssigkeit getragen werde, und dass diese condensirten Sphären durch die Zugabe einer Säure oder eines Salzes mit grösserer Affinität für Wasser z(MstiMt würden. Dem widerspricht aber die Thatsaelie. ilass kein quantitatives Verhältniss zwisciien den zugeset/.len und den abgelagerten Substanzen besteht, dass z. B. die Masse des nieder- geschlagenen Kaolin fast zehnmal so gross ist, als die der klärenden Substanz. Uebrigens wäre hiermit auch nicht erklärt, warum nur Elektrolyten niederschlagende Wirkung innewohnt und nicht auch anderen Stoffen, z. B. Zuckerlösungen, die doch auch einen molekularen (os- motischen Druck) auszuüb.en vermögen; von einer solchen molekularen Anziehung oder Absorption muss wohl hier- bei überhaupt abgesehen werden. Die relativen Klärungskräfte verschiedener Substanzen in ihren von meln-eren Forschern ermittelten Werthen haben nur die einzige Schlussfolgerung gestattet, dass diese Kraft bei den Metallsalzen deutlich verschieden ist nach der Valenz der Metalle, jedoch ohne dass hierbei irgend welche Proportionalität herrscht (Whetham giebt in Phil. Mag. 1899, 471 für das Coagulationsverniögen mono-, di- und trivalenter Metalle das Grössenverhältniss 1 : 35 : 1023 an). Den Einfluss der Elektricität auf die Flockenbildung- Hess ferner die Beobachtung erkennen, dass beim Durch- gang- eines elektrischen Stromes durch eine trübe Flüssig- keit oder durch eine colloidale Lösung je nach der chemischen Natur der Trübung an der einen oder andern Elektrode Klärung eintritt, ander entgegengesetzten dagegen Flockenbildung; die suspendirte Materie verhält sich da, als ob sie von der einen Elektrode zurückgestossen und von der anderen angezogen werde. Spring befreite auf diesem Wege eine Wassermenge sogar vollständig von suspendirten Partikeln und machte sie „optisch leer", und Coehn zeigte, dass der Sinn und die Stärke der elek- trischen Entladung, die bei der Berührung nicht metalli- scher Körper eintritt, bestimmt sind durch die relative Grösse ihrer dielektrischen Constanten. Körper von hoher dielektrischer Constante laden sich positiv bei ihrer Be- rührung mit Körpern von sehwacher dielektrischer Con- stante. Da nnn das Wasser unter allen Flüssigkeiten die grösste dielektrische Constante besitzt, wird es stets positiv sein im Contaet mit anderen Körpern (z. B. mit Terebinthenesseuz in einer Emulsion). Daraufhin erklärte G. Bredig die Flockenbildung in einer trüben Lösung bei Hiuzufügung eines Elektrolyten dahin, dass, wenn die suspendirten Partikel eine schwächere dielektrische Con- stante besitzen, als das Wasser, sie sich bei der Hiuzu- fUgung von Jonen, die im Wasser ein elektrisches Feld 546 Natunvissenschaftliclie Wochenschrift. XV. Nr. 46. erzeugen werden, sofort niederschlagen müssen. Wenn dagegen ein Nicht-Elektrolyt im Wasser gelöst ist, stosscn sich die elektrisclj geladenen snspendirten Partikel wecliscl- weise und im Verhältniss zur Lösung ab und werden sich gleichmässig wenigstens soweit im Raum vertheilen, als es ihr Gewicht gestattet. Hiermit sind jedoch nach Spring's Urtheil noch nicht alle bekannten Thatsachcn der Flockenbildung erklärt. Ob die von mehreren Forschern beobachtete, fast plötzliche Flockenbildung von in der Luft suspendirtem Staub oder Rauch in der Nachbarschaft eines mit starker Spannung geladenen Leiters, die dazu geführt hat, die I5ildung von Regen als die Flockenbildung der Wolken aufzufassen, mit Recht liier zur Ei-klärung herangezogen werden dürfe, lässt Spring zweifelhaft, da die Flocken- Ijildung in Gasen und in Flüssigkeiten verschieden sei. Der sich durch ihre Einfachheit empfehlenden Theorie von J. Stark, die von G. Bredig widerlegt wurde, steht Spring wenigstens nicht ganz absprechend gegenüber; ihr zufolge wird die Flockenbildung durch Gasbläschen hervorgerufen, die sich aus der Flüssinkcit entwickeln, sich an die suspeudirten Partikel an.scliiiessen und diese in Bewegung setzen, wodurch sie ihnen gestatten, Flocken zu bilden. Endlich berührt Spring noch die bereits von meh- reren anderen Forsciicrn aufgeworfene Frage, ob die langdauernde Erhaltung der Trübungen eine Wirkung der als mouvenient brownien bezeichneten Molekular- Bewe- gung sei. Für die neuen Versuchsreihen, die sich Spring vor- zunehmen entschlossen hatte, musste es ihm nun zunächst darauf ankommen, das geeignete Material auszuwählen. Die hierin gemachte Unterscheidung nacli eigentlichen Suspensionen und nach coUoidalen Lösungen erschien ganz nebensächlich, da sie, wie schon Linder und Pic- ton gezeigt haben, nur auf den Dimensionen der sus- ])endirtcn Partikel beruht. Als wichtiger ergab sich die Eintlieiiung der trüben Flüssigkeiten nach der Structur ihres V^erdunstungsrückstaudes; während die einen Lösungen einen mehr oder weniger körnigen Rückstand von muschligera, mattem Bruch hinterlassen, besitzt der im Allgemeinen festere der anderen Lösungen gias- glänzenden Bruch. In diesem Fall mögen die suspeu- dirten Partikel gegenseitig eine gewisse Adhärenz be- sessen und gewissermaassen mit dem Wasser zusannnen eine äusserst dünne Gallert gebildet oder sich zu einer unbegrenzten Membran aufgebläht haben, welche bei der Austrocknung keine Flocken bildet, sich aber mehr und mehr zusanmieuzieht bis zur Hinterlassung eines Häut- chens, das einem Firniss oder einem Glase gleicht. Da- gegen wären die Partikel, die einen körnigen Rückstand geben, von einander weniger abhängig. Eine scharfe Grenzlinie zwi.schen beiderlei Partikeln oder Suspensionen ist aber natürlicher Weise nicht zu ziehen. Die Sus])ensioncn mit körnigem Rückstande klären sich tiiatsächlich bei Zusatz von Salzen viel schneller als die mit glasglänzendem; die Wirkung, die man bei j'enen in wenigen Minuten erzielt, erhält man bei diesen erst nach mehreren Tagen. Diese Verzögerung erklärt sich zweifellos daraus, dass bei ihnen die Flockenbildung untergi'ordnet ist gegenüber den Zerreissungen und Trennungen in der Adliärenz der Partikel; haben sich nändicli erst einmal Flocken gebildet, dann ist die Sus- pension nicht wieder genau in deuselheu Zustand zurück; zuführen wie vorher, während solciics bei Suspensionen erstgenannter Art leicht ausführbar ist; vielmehr findet, unter sonst gleichen umständen, die Kläiuiig dann rasciier statt. Suspensionen mit körnigem Rückstande kann man leicht herstellen mittels Kaolin, Kieselsäure, dem kohligeii Rückstände von in Säuren gelöstem Marmor, eolloidalem Kupfersulfür, Quecksilbersultid; mit glasgläuzendem aber mittels der colloidalen Sulfide von Arsen, Antimon, Cad- mium und Zinn, des colloidalen Eisenhydrats u. a., sowie der Niederschläge, die man erhält beim Zufügen von Wasser zu alkoholischen Lösungen von Gummigutt, Lack, Mastix oder Benzoeharz. Deshalb nun, weil die Suspensionen mit glasglänzen- dem Rückstände sich langsamer klären, sind sie gerade geeignet für Untersuchungen über Flockenbildung; sie gewähren der Beobachtung eben genügende Zeit. Auch ist der Beginn der Flockenbildung leicht zu erkennen, weil da die Flüssigkeit noch undurchsichtiger wird. Da- gegen kann man bei den anderen Suspensionen nur die Klärung selbst als Kennzeichen eingetretener Wirkung benutzen, über deren Beginn sich zu täuschen oft vor- kommt. Nothwendiger Weise war auch nur eine solche trü- bende Substanz zu gebrauchen, die iu keine chemische Wechselwirkung mit den zu benutzenden Säuren und Salzen tritt. Die Wahl traf schliesslich eine Harzlösung. In 100 ccm Alkohol wurden 4 g Mastix gelöst und von dieser Lösung 10 ccm in ein Liter reinen Wassers gegossen, so dass eine milchweisse Trübung entstand, die im Liter Wasser 0,4 g Harz enthielt; sie wurde dann, um etwa vorhandene Harzklümpchen auszuschliessen, durch Papier gefiltert: Au ihr war die „Solidarität" der Par- tikel leicht zu erkennen. Lagert man nämlich auf in einem einige Centimeter weiten Glasgefässe befindliches reines Wasser mit der nöthigen Vorsicht eine 4—5 cm dicke Schicht dieser Trübe auf, so zeigt diese, da die Dichte des Mastix (1,0665 bei 20°) etwas grösser als die des Wassers ist, das Bestreben zu sinken; am folgenden Tage hat dann die ursprünglich ebene Trennungsfläche beider Flüssigkeiten sphärische Gestalt angenommen, als ob sich die Trübe einheitlich aufgebläht habe. Ein Con- trollversuch mit einer Kieselsäuretrübe, die ebenso wie solche mit Kaolin u. a. M. auch bei späteren Versuchen zu solchem Zwecke oft herangezogen wurde, Hess dagegen erkennen, wie die Partikel in gegenseitiger Unabhängig- keit einsanken und sich im Laufe einiger Wochen ab- lagerten, während die ebenso grosse Partikel suspendirt enthaltende Mastixlösung da noch keine Klärung erkennen Hess und noch wie eine feine Gallert aussah. Hierauf prüfte Spring den alten Erfahrungssatz, dass die Wirkung der Salze oder Säuren auf trübe oder colloidale Lösungen in ungeheurem Maasse und ohne jede Beziehung zu den allgemein beachteten chemischen oder physikalischen Constanten variire, von Neuem; hat man doch bisher nur herausgefunden, dass die Salze um so wirksamer sind, um so höheren Wertli (Valenz) ihr be- stimmendes Atom besitzt. — Auch bei der .sich völlig wie eine colloidale Lösung verhaltenden Mastixtrübe beginnt die Flockenbildung erst, wenn die Concentration des Salzes eine bestimmte Grenze überschreitet, die nach der Art des Salzes und dem Intensitätsgrade der Trübung beträchtlich abändert; aus letzterem Grunde zeigt sich nämlich z. B. eine 0,5procentige Kaliumchloridlösung, die eine 0,4 "/o Mastix enthaltende Trübe in einigen Tagen klärt, bei gleichbleibenden Umständen gegenüber einer nur 0,2 % Mastix enthaltenden wirkungslos. Anstatt nun die zu probirende Lösung unmittelbar mit der Trübe zu vermischen, wurde hierzu die Diffu- sion zu Hilfe genommen; eine concentrirtc Salzlösung Hess man von einer etwa 15 cm hohen Säule aus Mastix- trübe überlagern; um das zu bewerkstelligen, wurde letztere zuerst in ein eylindrisches Glasgefäss gegeben, an dessen Boden eine feine Röhre angeschmolzen war. XV. Nr. 46. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. r)47 durch welche man dauu langsam die conceiitrirte Salz- lösung (frei von Luftblasen) eintreten und sich einige Centinicter hoch aufschichten Hess. Da beginnt die I<1nckcnbildung bald, und die I< locken senken .sich bis /,ii einer Sehicht, in der (Hcichgcwiciit limsclit /.wisclicii ihnen und der Lösun- Am Ende gleiclier /eilr;iunic findet man da die Fldckenbiblung bis zu verschiedenen Iliihcn \()rges('hrittc n; diese stehen in keiner ein- fachen lic'/iehnng /,nm Di ffusionscoefficie nten der Salze, soweit wir wenigstens hierüber zu urtheilen vermögen; doch ist zu erkennen, dass die Salze viel- werthiger Metalle die Trübe bis in eine grössere Höhe aufklären: Besonders bequem lassen sieh die farbigen Salzlösungen beobachten und geben diese die Finger- zeige zur Lösung des Räthsels. So war z. B. oberhalb einer Kupfersulfatlösung die Trübe flockig bis auf 11,5 cm Höbe, aber die blaue Farbe des Vitriols war nur einige Gentimeter gestiegen und in 7 cm Höhe war keine Spur mehi- von ihr zu erkennen. Die Flockenbildung war demnach dem Kupfersulfate um -4 cm in der Höhe voraus- gegangen. Diese Si hlassfolgeiung wurde durch die ehemische I'riU'nng bestätigt, denn mittels einer Pipette entnommene Proben aus dieser Schicht enthielten zwar Schwefelsäure, aber kein Kupfer. Auch bei den anderen, gleicherweise geprüfteu Salz- lösungen fand sich immer oberhalb des Salzes (Alu- minium-, Eisen-, Magnesium- oder Zinkchlorid, Alaun) freie Säure, deren Gegenwart auch direkt mit Lackmus nachzuweisen war. Eine mittels der Pipette der durch die Wirkung von Kupfervitriol oberhalb von dessen con- centrirter Lösung gebildeten Flockenablagerung ent- nonnnene Probe war nach vöilii^em .Vnswaschen auf dem Fdter grünlich gelb und schwär/.tc sidi sufort, als sie von einem Tropfen einer Ammoniumsultidlösnng berührt wurde, was bestimmt beweist, dass sich das Kupfersulfat während seiner Diifusion durch die Trübe hindurch zersetzt hat; das Kupferoxydhydrat hat da die Masiixjjartikel undSO,, KCl, K0SÖ4, KCN, MgCl.,, BaCI.,, MgSO^, AUCSO^yg, Fe.Cie, AI.Clo. Die Salze des Aluminium, Eisen und Magnesium bewirkten ziemlich unmittelbare Flockenbildung, auch Salz- und Schwefelsäure reagirten ziemlich schnell, dagegen Hessen die Kalisalze selbst noch nach 24 Stunden einen sichtbaren Erfolg vermissen. Von einer Gleichheit in der Flockenbildung konnte mithin keine Rede sein. Entsprechend den weiter oben ange- führten Fällen wirken eben diejenigen Salze, die keine „optisch leeren" Lösungen geben, mit einer bedeutend grösseren Geschwindigkeit als die Säuren, die jedoch ebenfalls eine rasche Flockenbildung zur Folge haben. Ersichtlich kann aber die Vergleichung der sich hydroli- sirenden Salze kein einfaches Resultat liefern, da die specielle Attraction der trübenden Masse für das gebildete Metallhydrat schon an sich allein die Wirkung des Elek- trolyts vollständig aufhebt. Um brauchbare Ergebnisse zu erhalten, ist es deshalb räthlich, die Beobachtungen auf die Salze der Alkalien oder auf die Säuren zu be- schränken. Von Elektrolyten mit metallischen Jonen wurden des- halb die folgenden Kaliverbindungen in Lösungen von gleicher Leituugsfähigkeit allein benutzt: KCl, KBr, KJ, KOH, KCN, KäSO^, KNO3, KCIO3, KPO3, HCOoK. Bei ihnen trat die Flockenbildung, soweit man es beur- theilen konnte, gleichzeitig ein, ausgenommen bei KOH und KCN. Die Ursache dieser Ausnahmefälle zu er- mitteln, erschien wichtig genug und deshalb wurden mit diesen Substanzen versetzte Mastixtrüben von verschiede- nem von 0,5 bis 16 % wachsendem, Mastixgehalte sich längere Zeit selbst überlassen; keine von ihnen Hess Flockenbildung erkennen, die schwächeren wurden höch- stens ein wenig undurchsichtiger, während die stärkeren sich allmählich klärten; dies thaten sie jedoch in Folge langsamer Auflösung des Harzes, die nach 10 Tagen vollendet war. Demnach bringen die Lösungen von Al- kalien oder von Salzen sehr schwacher Säuren ein stören- des Moment in die Beobachtungen hinein, die der Wirkung des elektrischen Leitungsvermögens gelten, und muss man sie also ebenfalls wie die Salze der schweren oder viel- werthigen Metalle von den Versuchsreihen ausschliessen. Aus den raaassgebenden Experimenten dagegen lässt sich folgern, dass die Wirkung der Elektrolyte innig mit der Natur des Jon-Metalls verknüpft ist und un- abhängig von der chemischen Art der Aniouen oder Jon-Metalloide; diese können difteriren, ohne dass deshalb in mehr oder weniger langer Zeit die Flocken- bildung erfolge. — Der Controlle wegen wurden ent- sprechende Versuche mit Natronsalzen (ausser NaOH und NaCN) angestellt, bei Benutzung von Lösungen mit dem- selben Leitungsvermögen wie dem der Kalisalze; auch da erfolgte die Flockenbildung gleich schnell, jedoch ein wenig langsamer als bei den Kalisalzen, was für eine specifische Begabung des Jon-Metalls (hier des Ka- lium) für die Flockenbildung spricht. Von Sänrelösungen oder Elektrolyten mit Wasser- stoff-Jonen wurden die gleichleitungsstarken Lösungen erprot)t von HCl, HHr, HCIO^, HNO3, HoSO,, HPO3 und XV. Nr. 46. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. lIoCOo,. Dieselben gaben auch gleichzeitig Plocken, und zwar beträchtlich früher als wie eine zum Vergleich heran- gezogene Kalinmchloridlösung; in letzterer trat die Flocken- bildung erst nach einigen Tagen ein, in den Säuren dagegen innerhalb einer halben Stunde. Ais (iegenprobe gegen obige Beliauptung, dass die Flockenbiklung von der Natur des Jon-Metalls oder des Katliion abhänge, wurde noch eine Versuclisreihe ange- stellt mit Elektrolyten von gleichen Anionen, nämlich Chloriden (HCl, KCl, CaCl.,, BaCI.,), Bromiden (KBr, NaBr, l'>aBr.,), Chloraten (HCIÖ^, NaClO^,) Sulfaten (H2SO,, Na. SO,, KsSO^, MgS04) und Nitraten (HNO3, KNO3, NaNUg). Das Ergebniss entsprach ganz den Erwartungen ; innerhalb keiner von diesen Reihen zeigte sich eine üeber- einstimmung bei der Flockenbildung, obgleich die Ge- schwindigkeit der Jonen Cl, l>r, CIO4 und NO^ nahezu die gleiche ist; der Einfluss der Kathioueu ist demnach der vorwaltende. Die elektrische Leitfähigkeit oder die Jonisation ist also nicht die unmittelbare Ursache der Flockenbildung, da Flüssigkeiten mit derselben Zahl von Jonen gleiche Wirkung nicht ausüben. Zu erkennen ist dagegen, dass sich in ihrer flockenbildenden Thätigkeit die Jonen genau nach der Grösse ihrer Weggeschwindigkeiten in den Elek- trolj'ten ordnen: das Jon H ist das geschwindeste, dann kommt K und endlich Na. Dieser Erfahrungssatz darf verallgemeinert werden, wie die noch auf Salze des Rubidium, Lithium, Ammonium und Calcium ausgedehnten Versuche lehrten, bei denen das abweichende Verbalten des Lithium leicht auf eine Abspaltung von Salzsäure zurückzuführen geht. Die an Kieselsäure- und Kaolin-Trüben ausgeführten Wiederholungen vorstehender Versuche bestätigten im Allgemeinen deren Ergebnisse. ' Wenn man nun die Fiage aufwirft nach der Ursache der elektrolytischen Flockenbildung in den Trüben, so ist diese wohl zunächst in der Geschwindigkeit der Jonen und erst in zweiter Linie in deren Zahl zu er- blicken. Die Geschwindigkeit kann hierbei durch die Viscosität der Trübe etwas gemindert wei-den, wie wenig- stens ein Versuch mit einer Gelatiuelösung zeigt, in welcher der elektrische Widerstand einer Kaliumchlorid- lösung von 699 auf 719 Ohm, also um etwa 2,9 Prozent gestiegen war. Erkennt man diese Erfahrung als allge- meingiltig an, so ist der Elektrolytlösung das Vermögen zuzuschreiben, von einer gewissen Concentration oder Leitfähigkeit an die Hindernisse zu überwinden, die sich der Jonen-Bewegung (cheminement) entgegenstellen. Die Flockenbildung in den Trüben wäre mithin gleichzustellen einem physischen Niederschlage, der durch die Aenderung der Eigenschaften der Flüssigkeit in Folge der Gegenwart eines Elektrolyten bewirkt wird, welche Aenderung umso tiefer greift, je grösser die Geschwindigkeit der Jonen ist. — Kurz, da die Elektricität eine Flockenbildung nur hervorruft, wenn sie sich im Zustande eines Stromes befindet, muss man eine Elektrolytflüssigkeit als ein Medium auffassen, in dem ein fortwährender Transport von Jonen stattfindet, weil in einem Leiter dieser Art die Elektricität nur durch die Jonen übermittelt wird. Diese Folgerung steht keinesfalls im Widerspruche zur kine- tischen Theorie der Materie und passt sich sehr gut dem Umstände an, dass die am schnellsten niarschirendeu Jonen in den Tiüben am besten Flocken hervorrufen. Zum Schluss fasst Spring die Ergebnisse seiner Arbeit in folgenden Sätzen zusammen: 1. Die Salzlösungen, die man nicht im „optisch leeren" Zustande erhalten kann, besitzen ein beträchtlich grösseres Vertnögen, Flocken hervorzurufen, als wie die Lösungen aller anderen Salze. Diese grössere Kraft ist ein Ausfluss einerseits des Ansehluss-Vermögens (pouvoir agglutiuant) der von der hydrolysirenden Thätigkeit des Wassers gebildeten Metallbydrate, andererseits der starken flockenbildenden Thätigkeit der gleichzeitig entstandenen Säuren. — Die von den Hydraten bewirkte Flockenbil- dung steht in enger Beziehung sowohl zur Art der trüben- den Substanz, als auch zur chemischen und physischen Natur der Hydrate. 2. Die trüben Flüssigkeiten zeigen bis zu einem ge- wissen Punkte gegenüber den Salzlösungen ein Verhalten wie eine Membrane, die Salze gehen mittels Diffusion durch sie hindurch in der Weise, dass die mit grösserem Diflfusionsvermögen ausgestatteten Stoße den anderen vor- auseilen, oder dass die Hydrolyse eines gelösten Salzes sich offenbart in dem Fortschritte der Spuren von Säure mitten durch die Trübe durch, während sich das Hydrat an die trübende Substanz anschliesst (agglutinirt) und sich niederschlagende Flocken bildet. 3. Die als mouvement brownien bezeichnete Erschei- nung kann der Erhaltung äusserst dauerhafter Trüben nicht fremd sein. Die im reinen Wasser suspendirteu Partikel können sich in Folge dieser Bewegung stossen, ohne dass sie noth wendig miteinander verschmelzen (agglu- tiniren); enthält aber das Wasser einen Elektrolyt, so be- ginnt die Agglutination bei dessen Contact, die allseitige Bewegung hört auf und die entstehenden Flocken setzen sich ab. 4. Flockenbildung tritt nicht ein unter elektrischen Einwirkungen, welche eine Entladung in der Entfernung zur Folge haben. Röntgenstrahlen und Strahlenbüschel bleiben ohne Einfluss, ebenso die von einer Maschine oder einer Inductionsrolle entwickelte Elektricität; die Flocken- bildung in Flüssigkeiten kann demnach nicht mit der Ausfäilung von Staub aus der Luft in Parallele gestellt werden. 5. Dagegen ruft ein elektrischer Strom, so schwach er auch sein möge, die Flockenbildung hervor, und diese erfolgt umso rascher, je stärker der Strom ist. Im Allge- meinen beginnt die Klärung der Flüssigkeit an der Kathode. 6. Elektrolyte von gleichem Leitvermögen, aber ver- schiedeneu Kathionen und Anionen, besitzen sehr un- gleichen Einfluss auf die Flockenbildung; dieser hängt mithin nicht ausschliesslich von der elektrischen Leitfähig- keit ab. 7. Die Elektrolyten mit gleichem Kathion (Jon-Metall) bewirken die Flockenbildung in einer gegebenen Trübe zu gleicher Zeit; die Art des Anions spielt demnach nur eine untergeordnete Rolle. 8. Die Geschwindigkeit der Flockenbildung in ver- schiedenen Elektrolyten mit gleichem Anion entspricht vollkommen der Weggeschwindigkeit der Kathionen in den Elektrolyten; demnach scheint die Grundursache der Flockenbildung in der Geschwindigkeit der Jonen zu liegen. 0. L. Wetter-Monatsübersicht. (October.) — Der dies- jährige Oc tober war ein nasser Monat mit ausserordent- lich lebhaften, weit überwiegend aus westlicher Richtung kommenden Winden und sehr veränderlichem Witterungs- charakter. Nach seinen Temperaturverhältnissen zerfiel er in drei verschiedene Zeitabschnitte, von denen der erste und letzte verhältnissmässig warm, der mittlere aber recht kühl war. In den ersten zehn Tagen des October lagen die Temperaturen, wie ihre Aufzeichnungen von Berlin ersehen lassen, bis zu 6 Grad über den normalen Werthen; namentlich die Tage seit dem 4. gewährten mit ihrer milden, weichen Luft und freundlichem Sonnen- schein alle Annehmlichkeiten eines schönen Nachsommers. Natur wissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 46. Mit einer Drehung des Windes nach Nordwest stellte sich am 11. October eine ziemlich starke Abkühlung ein, welche in den nächsten Tagen laugsam zunahm, obwohl die Windfahne bald nach West und Südwest zurück- kehrte. In den Nächten zum 20. und 22. sank das Thermometer in der inneren Stadt Berlin bis beinahe auf den Gefrierpunkt und kam in ihrer Umgebung an vielen Stellen leichter Frost vor. Dann aber stiegen die Temiieraturen wieder und blieben seit dem 26. October fast Temperafutvn im Och^cf WO. ....... Tagesmittel, r dauernd zwischen 7 und 12 <• C. Dcmgemäss war auch ihr Monatsmittel, das sich für Berlin auf 10,10C. belief, gegen die normale Octobertemperatur um einen halben Grad zu hoch, und die Sonnenstrahlung, deren Stunden- zahl hier während des letzten October 141 betrug, war sogar um die Hälfte grösser als diejenige, die durch- schnittlich in den früheren Octobermonaten aufgezeichnet wurde. Der Temperaturüberschuss des Monats beschränkte sicli nicht auf Berlin, sondern erstreckte sich auf ganz Norddeutschland, in dessen westlicher Hälfte sich über- all die Abkühlung um den 10. und die Wiedererwärmung um den 22. wiederfindet. In den nordöstlichen Landes- thcileu waren die Temperaturen zu Beginn des October fast ebenso hoch oder noch etwas höher als im Westen, -- so stieg das Thermometer am Mittag des 3. zu Bres- 1 a u noch auf 25'* C. — später sanken sie nicht so schroff, aber gleichmässiger bis gegen Ende des Monats. Wäh- rend sie dort im Mittel ihre vieljährigen Durchschnitts- werthe um fast einen Grad übertrafen, war es in Süd- deutschland durchschnittlich um einen halben Grad zu kühl; zwischen dem 17. und 28. traten daselbst auch schon ziemlich häufige Nachtfröste auf. Nach dem trockenen September war es für die Ent- wickelung der Herbstsaaten doppelt willkommen, dass der October in den meisten Theilen Deutschlands einen ziem- lich beträchtlichen Ueberschuss an Niederschlägen aufwies. Allerdings waren die Regenmengen im Westen viel grösser als im Osten, wo es vorher besonders an Regen gefehlt hatte, doch waren auch hier die Tage, an denen es regnete, sehr zahlreich. Wie aus der bei- stehenden Zeichnung hervorgeht, blieben nur vom 7. bis 10. October die Niederschläge im Binnenlande fast gänz- lich aus, vom 21. bis 26. waren sie östlich der Elbe und in Süddeutschland sehr gering, in der übrigen Zeit aber allgemein recht bedeutend. Um die Mitte des Monats traten die Regenfälle in den grössten Mengen an der Küste auf, wo sie von Hagelstürmen und viel- fachen Gewittern begleitet waren, in den ersten und letzten Octobertagen hingegen waren sie ziemlich gleich- massig über ganz Deutschland vertheilt, und am Nach- mittage des 29. entluden sich auch im Binnenlande mehr- Kied«:^c^la55^ö^2n im Odö6ep i900. is "^ oi f I ^^ Ml ruerer Werft für " -^ ■" Deutschland. MonalssmrarenimOchibJf \mnu.n %..%. fach Gewitter, z. B. in Berlin, in Brannsehweig und Karlsruhe, ein um diese Zeit des Jahres schon recht seltenes Vorkommniss. Der Gesammtbetrag der Niederschläge im letzten October, der sich im Durch- schnitte zu 88,8 Millimetern ergab, war doppelt so gross wie im vorigen Jahre und ist während des letzten Jahr- zehntes nur in zwei Octobermonaten noch übertroffen worden. Die allgemeine Vcrtheilung des Luftdrucks unterlag von einem Tage zum andern oftmals grossen Aenderungen, wenngleich sich sehr ähnliche Verhältnisse zu wiederholten Malen wiederherstellten. Während des ganzen Monats wurde Nordeuropa von einer grossen Anzahl barometrischer Depressionen durchzogen, welche anfänglich vom nörd- lichen Eismeere, später häufiger vom atlantischen Ocean kamen. Die tiefsten unter ihnen traten am Anfang des October in Nordrussland, um die Mitte in Skandinavien und gegen Ende nördlich von Schottland auf. Ueber die mittleren und niedrigen Breiten Europas dehnte sich ge- wöhnlich ein langgestrecktes Gebiet hohen Luftdruckes aus, dessen Maximum vom 7. bis 9. in Deutschland oder Oesterreich verweilte. Später theilte sich das Hochdruck- gebiet derart, dass sich meistens ein Maximum in Ost- russland, ein zweites in Südwesteuropa befand. Noch ein neues, hohes Maximum erschien am 19. Oc- tober auf dem nördlichen Eismeer und drang mit einer Hälfte nach Nordrussland, mit der anderen nach dem norwegischen Meere vor. Durch dieses wurden die Minima vorübergehend nach südlicheren Breiten abgelenkt, und es traten in Deutschland für kurze Zeit sehr kühle nord- östliche Winde aui', verstärkt durch ein vom Mittelmeer nordostwärts vorrückendes Minimum, das vom 21. zum 22. October beispielsweise zu Pola 97, Abbazia 53 mm XV. Nr. 46. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. Kegcn brachte. Als im letzten Drittel des Monats wieder eine tiefere Depression nach dem norwegischen Meere gelaugte, wurde sie durch das Maximum in Nordostruss- land am Vordringen nach Osten gehindert. In Folge dessen blieb ihr Kern längere Zeit am Orte liegen und nur einzelne, jedoch recht bedeutungsvolle Theihninima trennten sich von ihrem südlichen Gebiete ab, welche iu weiter Umgebung sehr wechselvolles Wetter mit starken Regengüssen und Ueberschwemmuugen in Nord- england hervorriefen. Dr. E. Less. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Private! ocent Greim an der technischen Hoch- schule in Darmstadt zum wissenschaftlichen Hülfsavbeiter am hydro- graphischen Bureau daselbst; Dr. Jäger und Dr.Freese zu Assisten- ten am chemischen, Dr. Falk zum Assistenten am pflanzenphysio- logischen Universitätsinstitut in Breslau; Saiiitätsrath Dr. Julius Lazarus, leitender Arzt der inneren Abtheilung am jüdischen Krankenhause in Berlin, zum Professor; Dr. G. Puppe, Privat- docent der Staatsarzneikunde in Berlin, zum gerichtlichen Physikus; Privatdocent der Geodäsie G. Hillmer an der landwirtlischaft- lichen Hochschule in Poppeisdorf, zum Professor; Kustos J. Schwab an der Universitäts-Bibliothek in Freiburg, zum Bibliothekar; Dr. Günther zum Assistenten am Zoologischen Universitätsinstitut in Freiburg; Dr. Richard Paltauf, Pro fessor der allgemeinen Pathologie und pathologischen Gewebe- lehre in Wien, zum ordentlichen Professor für experimentelle Pathologie; Dr. Julius Hochonegg, ausserordentlicher Pro- fessor der Chirurgie in Wien, zum provisorischen Leiter der chirurgischen Universitätsklinik; Regierungsrath Dr. Neotoliczka zum Leiter der dritten Klinik für Geburtshülfe in Wien. Berufen wurden: Dr. Thuma, Docent der Physik an der Universität und technischen Hochschule in Wien, als Adjunkt an die deutsche technische Hochschule iu Brunn; Regierungsbau- meister Boost aus Magdeburg als Professor für Statik und Hoch- bauconstruction an die technische Hochschule in Aachen; Dr. Schwarzmann, Privatdocent der Mineralogie in Giessen, nach Karlsruhe als Assistent am Naturalienkabinet. Es habilitirten sich: Gymnasialprofossor Dr. Mäule in Halle für Botanik an der technischen Hochschule in Stuttgart; Dr. Hammerschlag für Ohrenheilkunde in Wien; Gymnasial- lehrer Dr. Siegel für Philosophie an der deutschen technischen Hochschule in Brunn; Dr. K. Grouven für Hautkrankheiten in Bonn; Dr. H. Lüthje für innere Medizin in Greifswald. Abgelehnt haben: Prof. L. Bräuler, Prof. für Eisenbahn- hau an der technischen Hochschule in Aachen, einen Ruf nach Darmstnilt; Gch.-Katli Dr. M. Rubner, ordentlicher Professorder Hygiene und Leiter des hygienischen Instituts in Berlin, einen Ruf als ordentlicher Professor der Physiologie nach Heidelberg; Dr. Richard Abegg, ausserordentlicher Professor der physi- kalischen Chemie in Breslau, einen Ruf als ordentlicher Pro- fessor nach Christiania. Es starben: Professor der Thierheilkunde A. Scheel an der landwirthscliaftlichen Akademie in Poppeisdorf; ordentlicher Pro- fessor der Mechanik W. Keck an der technischen Hochschule in Hannover; Dr. Stetter, Professor der Chirurgie in Königsberg. L j 1 1 e r a t u r. W. Wedekind, Junge oder Mädchen? Wodurch entsteht das verschiedene Geschlecht der Kindery Wie kann man nach Be- lieben Knaben oder Mädchen hervorbringen? Verlag von W. Wedekind iu Berlin. — Preis 0,.50 M. Das Buch steht auf dem Boden der „entgegengesetzten Geschlechtsvererbung", in dem Sinne, wie das schon früher bei Gelegenheit der Besprechung des guten Buches von Janke über „die willkürliche Hervorbringung des Geschlechtes bei Mensch und Hausthieren" in der „Naturwissenschaftlichen Wochenschrift" Band VI, No. 7, vom 5. Februar 1891, Seite 71-72 aus- einandergesetzt worden ist. Um den Vortheil, der für die Er- haltung der Art darin liegt, dass das Ei des Weibchens männlich, der Samen des Männchens jedoch weiblich ist, sagt Verfasser Folgendes: „Nehmen wir doch nun mal an, dass der aus jedem der beiden Körper austretende Keim dem ersteren gleichgeschlechtig sei, was würde dann die Folge davon sein? Jedes höhere lebende Wesen entsteht bekanntlich aus der Vereinigung von Ei und Same, d. li. der Frucht, die durch den Kampf beider Keime sich stetig weiter entwickelt. Auch die Entstehung des Geschlechts stellen wir uns am besten vor als einen Kampf der beiden Keime, von denen der stärkere eben die schwächere Minorität unterdrückt und ge- wissermaassen die Reiiicrunfcsfunn, d. h. das Geschlecht bestimmt. Den Sieg davontragen winl iiMiiulich stets der stärkere Keim, also derjenige, der aus duin .-t.nki'reu der beiden Eltern hervor- gegangen ist. Wenn min diT Sinne des Männchen männlich wäre, und das Ei des Weibchen weiblich, so niüsste demnach bei grösserer Kraft des Männchen auch die Frucht männlich werden, und umgekehrt beim Ueberwiegen des Weibchen, ebenso ein weibliches Produkt entstehen. Wenn dann durch irgend einen Zu- fall das eine der beiden Geschlechter besonders stark dezimirt wäre, z. B. viele Männchen im Kampf gefallen wären, so würde das andere Geschlecht das Uebergewicht haben, zunächst allerdings nur in der Zahl. Aber wenn auf 100 Männchen etwa 1000 Weibchen kommen, dann ist schliesslich auch bei jedem einzelnen Männchen die geschlechtliche Kraft schwächer als bei jedem der 10 Weib- chen, also auch im Grossen und Ganzen die Keime der Männchen schwächer als diejenigen der Weibchen. In fast jeder Frucht würden also die Keime der Weibehen siegen — und wenn diese Keime nun auch weiblich wären, würden lauter weibliche Früchte entstehen. Die Ueberzahl der Weibchen würde dann also noch mehr zunehmen, die Männchen würden immer weiter aus- sterben und schliesslich nur noch das eine weibliche Geschlecht übrig bleiben. Ebenso natürlich umgekehrt, wenn die Zahl der Weibchen zu irgend einer Zeit kleiner wäre, als die der Männchen; dann müssten die letzteren schliesslich das Uebergewicht erlangen und das weibliche Geschlecht immer mehr zurückdrängen. Es braucht auch gar nicht mal ein grosser Unterschied im Anfang vorzuliegen. Er mag vorläufig auch noch so gering sein — ist er erst überhaupt mal da, so wird er mit mathematisclier Natur- nothwendigkeit, wenn auch langsam, so doch stetig zunehnien, falls er nicht durch anderweitige Umstände aufgehalten wird. Dass diese letzteren aber gerade immer vorhanden sein sollten, dürfte doch wohl nicht als sehr wahrscheinlich gelten. Bei irgend einer Art der zahlreichen lebenden Wesen Itönnten sie doch mal fehlen, zu irgend einer Zeit könnte jede Thierart mal schutz- los dastehen, und dann würde unrettbar das eine Geschlecht ver- loren sein, ja die Thierwelt würde sich überhaupt gar nicht zu zwei Geschlechtern haben diiFerenziren können! Wie ganz an- ders stellt sich die Sache dar, wenn wir annehmen, dass jedes der beiden Eltern entgegengesetzte Keime von sich giebt! Ist dann das eine Geschlecht irgend wie mal dezimirt, so werden in der Frucht natürlich zwar die Keime des anderen Theil obsiegen; aber da diese wieder das entgegengesetzte Geschlecht haben, so vermehrt sich wieder der schwächere Theil, bis das ursprüngliche Verhältniss wieder hergestellt ist. So kräftigt gewissermaassen ein Geschlecht stets wieder das andere, um den entstandenen Mangel auszugleichen. Ist irgend- wie eine Störung eingetreten, so sucht die normale Ordnung sich stets von selbst wieder herzustellen: die Natur regulirt sich selber!" Dr. Rudolf Hanncke, Professor am Gymnasium zu Köslin, Erd- kundliche Aufsätze für die Klassen höherer Lehranstalten. Mit 12 Aliliilcluii[;-en. Carl Flemmiug, Verlag-, Buch- und Kunst- drueker.'i, A.-G , Glogau 1900. — Preis geb. 1,80 Mark. Die Schüler — sagt Verf. — müssen mit besserem geo- graphischem Wissen und grösserer Klarheit in der Auffassung erdkundlicher Uebersichten und Vergleiche ins Leben treten, und unter diesem Gesichtspunkte sind die Aufsätze geschrieben. Mit vollem Bedacht ist die Reihenfolge der Artikel gewählt worden. Nach einer eingehenden Würdigung der fremden Erdtheile folgt Europa, zuletzt Deutschland mit sorgfältiger Hervorhebung seiner maritimen Interessen. Dem Schüler soll es zum Bewusstsein ge- bracht werden, dass wir in einer fröhlich aufwärtsstrebenden Zeit leben und dass wir mit Verständniss und frischester Theilnahme an unsere neuen dankbaren Aufgaben zu treten haben. Die Verworthung des Buches denke ich mir als die eines Repetitions- und Lehrbuches für die oberen Klassen höherer Lehranstalten. Die geographische Nomenklatur, wie sie in den unteren und mittleren Klassen gelehrt wird, kann ja daneben allerdings. nicht entbehrt werden; aber es ist für den reiferen Schüler eine wahre Erquickung, bei den Repetitionen nicht ein- fach das gelernte Pensum wiederholen zu. müssen, sondern an- geleitet zu werden, den ganzen Wissensstoff jetzt nach dem Prinzip des Vergleichs und der Analogie selbstthätig zu verarbeiten, das Weltganze in dem Getriebe der Wechselbeziehungen und Ueber- tragungen besser zu verstehen. Inhalt: Dr. H. Buss: Neuere wissenschaftliche Arbeiten über Terpene und Terpenderivate. — Ueber den Wechsel in der Er- nährung eines Vogels. — Der Niederschlag in trüben Flüssigkeiten. — Wetter-Monatsübersicht. — Aus dem wissenschafflichen Leben. — Litteratur: W. Wedekind, Junge oder Mädchen? — Dr. Rudolf Hanncke, Erdkundliche Aufsätze für die Klassen höherer Lehranstalten. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 46. lVr-|TIPVQllirL-ii Jslluftvatiüiicii. Pa6fiflifjj|fl'fiiijiillifrlln0ifn(iu0jfinf0. Pf0 Ittfijlfrö (fitk. i-'"'-i"->®«i\^«")^«""&- (ili'fl. geb. 5,60 m. igmetitc j, ßfiKhoUigic ( ilnin mm ürr trkcimtniö. ^-amentc^ etw ticv 3lH'lllitti-vatm-, gcf. \mh licvaii'^iiiMoln-ii tum 'JJ. v. ÜSi>,l)tt. I. 'iiiiiiS: Wriiiibproülcmc. ^'sn MaUniaii;, gcD in IW II. ^iiiiub; l^ns aiH-ib. "sit .yallifrau,^ gdi. io Df. III. i^iiiiii: Wut uiib 'M\c. v^l' •'öaUnvuu,^ gcb, Kt 9.V. Oll Dl-, ."gicrmniiit Xürcf. 4. \Hiifl- tSU-rt. gi-l-. :'f")i' util. 6-U-g, gob. l',«! ffli. 31l«fl>l* Jiitlbiif '"' 'WnilHmolauSc. Ihm OüBc Sd)rciiicr yilU ^|IUnil Übci j. u. .vicU-m- Vobcbnii. (£lcg. geb. 'J.tu lU (frnHf Mmüm auf fiiniifrfrngni. „S:.,;^;« '_'. Denn. \'luilagc, di-gaiit gcbiuiboii :i,(;ii l)c. fri^ Dogrlfang^ gtifgaalirntnift in Cliina ItfUW. ., iunibilbeni im yüyUIUUy. „, Siiantiduni, ÜU-n 'i!nm Sfinbcnbera. Wa I rvaibnibilbcni iiiib 111 ^lluftv. (£lcg. geb. 4 W. Bciibcrfl. Wit diu'iii ^^-utbeiibilh, imt) i:i7 ^lliiftv. ISleg. geb. 4 M- ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦4 ^♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦^ ♦ Ferd. Dümmlers Terlagsbiichhandlung in Berlin SW. 12. Bie humanistischen Studien in ihrer Beliandlungsweise nach cömparativ - genetischer Methode auf naturwissenschaftlicher Unterlage. Prolegonieiui zn einer ethnischen Psychologie Adolf Bastian, la Ro»;oii Oktav. Preis S Mark. Julien Offray de Lamettrie. Sein Leben und seine Werke. Von J. E. Poritzky. 3G4 Seiten. 8". Preis geheftet 4 Mark, gebunden 5 Mark. Turbinen Quecksilber- Unterbrecher BERLIN. Verantwortlicher Hugo Bernstein dacteiii-; Dr. Henry Potoni6, Gr. Lichterfelde - West bei Bedin. Potsdamer.str. :ü, füi- den Ins.'ratuiitlieil: Berlin. — Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: 0. Bernstein. Berlin SW. 12. f/r'V^ ^' 'pift. Verlag : Redaktion: 7 Dr. H. Potonie Ferd. Düüiinlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. 8onnta2, den 25. November 1900. Nr. 47. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- anatalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jt 4.— BrinRegeld bei der Post 15 ^ extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. Inserate; Die viergespaltene Petitzeile 40 .A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme bei allen Annoneenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nnr mit vollständiger Quellenangfabe gestattet. Die Entstehung des Planetensystems. Von Adolf Hnatek (Wien). Zu den eihabeusteu Problemen, mit denen sich die gTössten Denker des Altertluuns beschäftigt haben und deren Geschichte eine ununterbrochene Kette darstellt, in welcher die berühmtesten Namen innig- mit einander ver- flochten sind, gehört unstreitig das Problem der Entstehung des Weltganzen aus einfachen Uranfängen. Die Frage, wie denn all die Schönheiten entstanden sind, welche uns um- geben, ist so alt wie die menschliche Kultur. Anfangs in das faltenreiche Gewand phantastischer Mythen gekleidet, er- hob sich die Kosmogonie dann, als ihr Astronomie und Physik hilfreich zur Seite traten und ihr eine Basis ver- liehen, auf welcher ein Ausgleiten in das Gebiet der Phantasie unmöglich ist, zur ernsten Wissenschaft. Der Kampf, der nun zwischen Mythe und Wahrheit, zwischen Religion und Wissenschaft um die Alleinherrschaft über die Kulturvölker entbrannte, giebt Zeugniss davon, dass die Ergebnisse dieser neuen Art von Naturforschung, der Naturphilosophie, klar, einfach und wahr genug waren, um von jedem eingesehen, und dadurch dem Alther- gebrachten gefährlich zu werden. Schon der geistvolle Begründer der Kriticismus, Im- manuel Kant, leitete die Entstehung unseres Sonnen- systems von jenen damals fast noch räthselhaften Gebilden ab, die sich wie kleine Wölkchen am Sternenhimmel aus- nehmen, von den Nebelflecken. Diese Objecte waren damals erst in geringer Anzahl bekannt. Erst die grossartigen Arbeiten der beiden Herschel, denen dann später Lord Rosse folgte, haben die ungeheure Anzahl dieser Gebilde dargethan. Als dann die photographische Platte in der Astronomie an- gewendet und auch diesem Zweige der Himmelskunde dienstbar wurde, wuchs die Zahl dieser Objecte neuer- lich ganz bedeutend. Ganze Nebelcomplexe von solcher Schwäche wurden photographisch entdeckt, welche zu sehen, dem menschlichen Auge wohl für immer verwehrt bleiben wird. Besonders interessant aber war, dass gerade diejenige Nebciklasse, in welcher Rosse die sogenannten Spiralnebel zusammenfasste, durch die Arbeiten Roberts', Keeler's und Holden's die bedeutendste Bereicherung er- fuhr. — Kecler, der vor Kurzem verstorbene Director der Licksternwarte, kam sogar zu dem Schlüsse, dass die spiralige Structur unter den regelmässig geformten Nebel- flecken derartig prodominire, dass geradezu anders ge- staltete Objecte zu den Seltenheiten gehören. Vor einiger Zeit hat Verfasser versucht*}, die Ent- stehung eines Spiralnebels und die Bildung des Planeten- systems aus einem derartig geformten Nebelobject zu er- klären. Da nun neuerdings Herr E. J. Wilczynski eine Hypothese über die Bildung spiralig gestalteter Nebel- massen aufgestellt hat, so glaubt Verfasser, auf seine ! Untersuchungen, die er unterdessen erweitert hat, noch- mals hinweisen zu dürfen, zumal Wilczynski's Theorie auf ähnlichen Grundlagen steht wie des Verfassers Hypothese. Nehmen wir an, es bewege sich um ein Gravitations- centrum von grosser Masse ein Körper von so grossem Durchmesser und so geringer Dichte, dass die inneren Kräfte desselben kleiner sind, als die in die jeweiHge Richtung derselben fallende Cortiponente der Anziehungs- kraft gegen den Centralkörper. Dann wird sich dieser pianetarische Körper nicht mehr als ein Ganzes betrachten lassen, da die Anziehung des Centralkörpers auf die ver- schiedenen Theile desselben nicht mehr nahezu als gleich gelten können wird. Der Nebeukörper wird, als Ganzes betrachtet, nicht mehr das dritte Kepler'sche Gesetz nach einem mittleren Wert der Umlaufszeit oder der Distanz *) Sirius 1898. Huatek. ,Das Problem der Ringbildung" von Ad. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 41 vom Attractionsceutrum befolgen, sondern nur seine ein- zelnen Theile, jeder für sich. So werden sich diejenigen Partieen, welche auf der dem Centralkörper zugewendeten Seite liegen und deswegen dem letzteren bedeutend näher stehen, rascher bewegen als die entfernteren. Zufolge dieser zerstreuenden Wirkung der Anziehungskraft gegen das Gravitationscentrum des Systems wird der Planet nach und nach rascher oder langsamer, je nachdem die inneren Kräfte kleiner oder grösser sind, seine kugel- förmige Gestalt verändern und sich in der Richtung der Bahn ausdehnen. Die Deformation wird immer rascher vor sich gehen, da die inneren Krätte mit wachsender Ausdehnung immer geringer werden müssen. So wird endlich die ganze Bahnlinie mit Materie erfüllt sein und der Centralkörper also nun von einem ähnlichen Gebilde umgeben sein, wie wir es im Saturnring beobachten können. Die Wirkung einer derartigen deformirendeu Kraft zeigt sich am schönsten bei der Bildung der Meteor- ströme aus den Kometen. Verschiedene Beobachter haben iliireh den Vergleich mit älteren Aufzeichnungen fest- ig estellt, dass die aufeinanderfolgenden Erscheinungen desselben Kometen immer glanzloser werden. Mancher Komet, der lange Jahrhunderte vorher durch seinen langen Scliweif und seine glänzende Lichtfülle das Volk in Angst und Schrecken versetzt hat und von Pest und Krieg hat träumen lassen, hat viel von dem Glanz seiner ersten Erscheinung eingebüsst. Man hat gemeint, dieses Ab- blassen lediglich auf einen Stotfverlust in Folge der Schweifbilduug zurückführen zu können, doch gewinnt es den Anschein, als ginge es mit den Kometen oft viel rascher abwärts als man nach der Stärke der Schweif- bildung vermuthen sollte. Ohne Zweifel übt die zer- streuende Kraft, welche wir soeben besprochen haben, auf die Kometen, die wegen ihrer äusserst geringen Cou- sistcnz die geeigneten Angriffsobjecte sind, geradezu zerstörende Wirkungen aus. Die einzelnen Theile des Kopfes eines Haarsternes werden nach jedem Perihel- durchgang mehr von einander gerissen, so lange, bis die inneren Kräfte so geringfügig geworden sind, dass die Zerstreuung ihren ungehinderten Verlauf nehmen kann. Es erscheint also nur natiu'lich, wenn Kometen, welche häufig zur Sonne zurückkehren, immer glanzloser werden, da doch ihre Dichte bedeutend geringer geworden ist, weil die Masse, abgesehen von dem geringen Verlust durch die Schweifbildung, fast gleich geblieben ist, wäh- rend das Volumen bedeutend zugenommen hat. E. J. Wilczynski hat neuerdings versucht, die Bildung eines Spiralnebels auf derselben Grundlage zu erklären. Er nimmt zu diesem Behufe an, dass sich um einen Nebelball von beträchtlicher Masse ein anderer weit dünne- rer Nebel in einer geschlossenen Curve bewege. Dieser Sccundärnebel wird in Folge der in seinen einzelnen Par- tieen verschiedenen Umlaufszeiten nach und nach die oben besprochene Deformation erleiden, sich längs seiner Bahnlinie ausbreiten und nach Wilczynski's Ansicht da- durch in eine Spirale um den Hauptkörper ausgezogen werden. Wir haben oben gesehen, dass wir unter strenger Berücksichtigung der angenommenen zerstreuenden Wir- kung der Ceutripetalkraft auf Körper von genügend ge- ringer Dichte nicht auf spiralige, sondern eher auf ring- förmige Gebilde stossen. Eine Spirale könnte höchstens das Anfangsglied einer Reihe weiterer Veränderungen bilden, die mit dem Objecte vor sich gehen und würde überdies auch nur in dem Falle praktisch zum Ausdruck gelangen, wenn die Differenz zwischen den Radien- vectoreu der extremsten Theile des Nebelplaneten gegen- über der Entfernung des Nebelmittelpunktes von seinem Hauptkörper keinen allzu geringen Werth annimmt. Ist dieses Verhältniss aber thatsächlich so gross, dass man von einer spiraligcn Bildung deswegen nicht Ab.stand nehmen kann, weil die in entgegengesetztea Richtungen sich zerstreuenden inneren und äusseren Theile dann so- weit von einander entfernt sind, dass sie sich nicht zu einem Ringe schliessen können, so werden aber immerhin kaum einige Umläufe nöthig sein, um die Endpunkte dieser Spirale soweit in ihrer Lage weiter zu verschieben, dass ein geschlossenes Ringsystem entsteht, welches ähn- liche Theilungen zeigen muss, wie wir beim Satururing beobachten können. Diese Theihmgen werden sich auch aus dem gleichen Bestreben der einzelnen Partikeklion. sich um eine mittlere Umlaufszeit zu gruppiren, erklären lassen. Wilczynski's Theorie, die unter strenger Durchführung ihrer Prinzipien in letzter Linie eher auf ringförmige als auf spiralige Nebelformen kommen lässt, bedarf aber noch einer weiteren Annahme, um das Aussehen der Spiral- nebel mit der Hypothese in Einklang zu bringen. Zu jedem dieser Nebelgebilde laufen die Aeste der Spiral- züge — und es sind deren gewöhnlich mehrere, sodass Wilczynski's Hypothese bedeutend complicirt werden müsste — vom Mittelpunkte aus. Wilczynski muss daher annehmen, dass der Centralkörper von einer Dunstatmo- sphäre umgeben ist, welche denselben bis in diejenigen Fernen umhüllt, wo die Auflösung des Secundärnebels von statten geht, und so den Contact mit den Aesten der Spiralbildung herstellt. Durch Fortführung der Zer- streuung gelangt endlich Wilczynski auf linsenförmige Nebelgebilde und endlich zum Schlüsse durch Absorption der Dunstutmospäre durch den Centralkörper auf Ring- nebel mit Centraisternen im Mittelpunkt. Wilczynski er- reicht also erst durch weitere Complicationen dasselbe, was wir unter genauer Verfolgung desselben Prinzips schon fast als Anfangszustand weiterer Bildungen erhalten haben.*) Wilczynski's Arbeit ist schon aus dem Grunde mit Freuden zu begrüssen, weil sie geeignet ist, zu einer umfassenden Bearbeitung des gesammten schon ziemlieh stark angewaclisenen Materiales über die Formen der Nebelflecke anzuregen. Es muss aber ohne weiteres zu- gegeben werden, dass nach unseren eben gemachten Aus- führungen dieser Theorie einige Mängel anhaften und dass dieselbe speciell für die Erklärung der Spiralnebel nicht ausreichend erseheint. Diese Mängel werden schon in der Voraussetzung einer Art Doppelnebel als Anfangs- zustand unangenehm fühlbar. Weit entfernt davon, be- haupten zu wollen, dass eine solche Annahme unmöglich sei, — Doppelnebel giebt es ja sogar, allerdings nicht in grosser Anzahl, — so seheint es uns dennoch, als wäre damit eine Speciallsirung in das Problem eingeführt, die bei dem derzeitigen Stande desselben, wo man sich über die Entwickeluugsgeschiehte derartiger Objecte noch nicht recht klar geworden ist, als verfrüht bezeichnet werden könnte. Eine weitere Schwierigkeit besteht aber darin, dass nach dieser Theorie jene Nebel, bei denen mehrere spiralige Aeste von einem verdichteten Mittelpunkte aus- laufen, nur gezwungen und unter weiteren, bedeutende Complicationen hervorrufenden Annahmen erklärt werden könnten. Verfasser hat vor einiger Zeit**) versucht, auf wesent- lich anderem Wege die Bildimg eines Spiralnebels zu er- klären und es möge gestattet sein, diese Ausführungen sowie die sich ergebenden interessanten Consequenzen hier an dieser Stelle zu wiederholen. Nehmen wir an, ein Nebelball von irirend welcher Gestalt befinde sich in *) A. Hnatek: Da» ') a. a. 0. iblem der Riugbildung. Sirius 1898. XV. Nr. 47. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 555 lang-samei- Rotation um eine durch seinen Massenmittel- punkt gehende Achse. Die Concentration der Materie wird dann vornehmlich in einem Punkte dieser Achse erfolgen, welcher das idealn Attractiousceutrum der ganzen Masse darstellt. Sowie die Verdichtung dieses Kernes fortschreitet, muss anch seine Temperatur und damit sein Ausstrahlungsvermögen steigen. Die nächste Folge wird sein, dass die Coutraetiou und damit die Rotations- geschwindigkeit immer rascher zunehmen und der Nebel sich an den Polen abplattet. Die raschere Rotation wird sich den umgebenden Nebelmassen mittheilen, welche zu Folge des inneren Zusammenhanges der ganzen Materie das Bestreben zeigen werden, sieh der Steigerung ihrer Geschwindigkeit anzupassen. Diese Anpassung kaun je- doch nur bis zu einer gewissen Grenze gehen. Die äusseren Schichten, für welche die Mittheiluug des Ge- sehwindigkeitszuwachses au eine grössere Zahl Zwischen- schichten gebunden ist, werden ihre Umlaufsgeschwindig- keit nicht in demselben Maasse steigern können, wie die dem Centralkörper näheren Theilc, welche der Rotation des letzteren bald besser folgen werden. Die ümlaufs- geschwindigkeit der einzelnen concentrisehen Schichten wird aber nicht in einfachem Verhältniss mit der Ent- fernung vom Centralkern abnehmen aus dem Grunde, weil auch die Dichte in einem solchen in Concentration begritfeneu Gebilde mit wachsender Entfernung vom Massenmitlelpunkt stets kleiner wird, bis sie an den Grenzen des Nebels, wo die Molekulargeschwindigkeit der Massenanziehung gegen das Centrum das Gleich- gewicht hält, den theoretischen Werth Null erreicht. Die Abnahme der Umdrehungsgeschwindigkeit wird also viel rascher vor sich geben, als die wachsende Entfernung vom Mittelpunkt schliessen liesse. Diejenigen Partieen des Ncbelbalies, welche in einem gegebeneu Momente genau in einem aus dem Kerncentrum construirten Radius Vector gestanden haben, werden also nach dem eben ge- sagten nach einem beliebigen Zeitabschnitt in einer Spiral- linie angeordnet sein. In Folge der allgemeinen Concen- tration der Materie gegen den Kern hat aber der Nebel bereits eine strahlige Structur angenommen, da die Zu- saramenziehung wegen der Verschiedenheit der Stoffe nicht von allen Seiten gleichmässig erfolgt. Nun werden diese Strahlen, welche stärkere Zuzüge an Nebelmaterie darstellen, in Folge der Verschiedenheit der Rotationsge- schwindigkeit nach und nach in eine Spirallinie gerissen, und werden so Aeste bilden, welche vom Centralkern aus- laufen und mit diesem dem Beschauer das 15ild eines Spiralnebels bieten. Wir sind nun cbeiidort augelangt, wohin Wilczynski mit seiner Theorie gekommen zu sein glaubt. Die viel allgemeineren Voraussetzungen machen ohne Weiteres klar, dass dieser Werdegang in jedem in Rotation befind- lichen Nebel vor sich gehen kann, mag derselbe voll- kommen homogen und kugelförmig oder unregelinässig gestaltet sein. Es scheint sogar, als würden unrcgel- mässige Nebel den Vortheil gewähren, von Natur aus schon Linien grösserer Dichte an Nebelmaterie zu be- sitzen, so dass die Bildung ungleich rascher vor sich gehen kaun, als bei vollkommen homogenen Nebelmassen, in welchem diese Strahlen erst durch die Concenlration gegen den Massenmittelpunkt gebildet werden müssen. Es möge nun verstattet sein, das entstandene Object in seiner Entwickelung weiter zu verfolgen. Hat die Rotation des Kernes bis zu dem Grade an Geschwindig- keit zugenommen, dass der innere Zusammenhang nicht mehr ausreicht, die Spiraläste zu rascherer Bewegung mitzuführeu, so werden dieselben an den schwächsten Stellen zerreissen, und sich später vielleicht gar vom Centralkörper abtrennen. Wir sind nun bei einer Art Planetensystem angelangt, welches aus einem Nebelkern besteht, der von frei nach den Kepler'schen Gesetzen um ihn umlaufenden Nebelstücken hegleitet wird. Die ent- fernteren dieser Nebelplaueten werden sich ohne weiteres sofort zusammenballen können, nicht so aber die dem Kern näher stehenden, welche noch einen weiteren Ent- vvickelungsprozess werden durchzumachen haben. Auf diese letzteren wird wegen der grossen Nähe zum Central- körper einerseits und ihres grossen Durchmessers an- dererseits, die Verschiedenheit der Umlaufszeiten der näheren und der entfernteren Theilchen von grossem Ein- fluss sein und sie nach und nach in Ringsysteme auflösen. Wir haben also in einem solchen System drei Zonen zu unterscheiden: Die erste, wo die inneren Kräfte des Nebelplaneten kleiner sind als die zerstreuende Wirkung des Central- körpers, welche durch Absorption der durch das Zer- reissen der Spiraläste gebildeten kleineren Nebelstückc bedeutend an Masse zugenommen hat; die zweite (welche nur sehr schmal ist), wo sich diese beide Wirkungen ungefähr das Gleichgewicht halten, und endlich die dritte, in welcher die inneren Kräfte bereits überwiegen, so dass es zur Bildung von Ringsystemen nicht mehr kommen kann. Diese letzteren Nebelmassen werden sich also unter dem Einflüsse ihrer eigenen Massenanziehung sofort zusammenballen können. Wir können sofort wichtige Schlüsse ableiten. Wäh- rend in nächster Nähe des Centralkörpers eine Reihe von Ringsystemeu mit den Theilungen des Saturnringes ähn- lichen Spaltungen entstehen wird, so dass die ursprüng- lichen Entfernungen durch diese Weiterbildung vielleicht eine wesentliche Umänderung erfahren werden, weil später nur die Lage der Theilungen maassgebend werden wird, müssen die entfernteren Nebelstückc ungefähr in den- jenigen Distanzen verharren, welche durch ihre Los- trennung von den Spiralästen gegeben war. Wenn wir also nun mit der Kant-Laplace'schen Theorie weitergehen und jene den Centralkern in nächster Nähe umgebenden Ringe zur Bildung je eines Planeten kommen lassen, so werden diese Planeten wegen der vielen Theilungen des Ringsystems nicht nur in geringeren Abständen auf ein- ander folgen, als die äusseren, sondern diese gegen- seitigen Distanzen werden auch nach einem bestimmten Gesetze wachsen müssen. Auch die Grössen der inneren Planeten müssen bedeutend geringer ausfallen, als die der äusseren; denn bei den letzteren wurde jedes ganze Nebelstück zur Bildung eines Körpers verwendet, während in der innersten Zone die Materie einerseits zu einem System mehrerer Ringe ausgezogen und damit zur Bildung ebensovieler Planeten verwendet wurde, und andererseits die Genesis eines Planetenballes dort nur durch einen Zu- sammenbruch des betreffenden Ringes erfolgen konnte und bei einer solchen Katastrophe immer ein Theil der Ringmaterie verloren gehen und zur Absorption durch den Centralkörper gelangen musste. Was die Dichte betrifft, so muss auch diese ein bestimmtes Gesetz zeigen, da die Spiralzüge wegen der Concentration der Materie gegen den Mittelpunkt immer dichter werden; je näher sie gegen den Kern herankommen. Es müssen daher auch die aus den inneren Nebelstücken entstandenen Planeten eine be- deutend grössere Dichte aufweisen, als die äusseren Pla- neten, welche wegen der ungleich grösseren Masse auch noch bedeutend länger brauchen werden, um ihren End- zustand zu erreichen. Wenn wir unser Planetensystem mit den gezogenen Schlüssen vergleichen, so bemerken wir, dass alle bis jetzt abgeleiteten Wahrscheinlichkeiten in demselben zur Wahrheit geworden sind. Während Merkur, Venus, Erde und Mars in verhältnissmässig kurzen 556 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 47. Intervallen, die aber dennoch das Gesetz der stetig waclisenden Distanzen zeigen, auf einander folgen, sind die iiusseren Planeten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun durch immer grösser werdende, ungeheure Zwischenräume von einander getrennt und dabei von einer so immensen Grösse, dass die inneren Planeten mit ihnen fast nicht vergleichbar sind. Dafür aber zeigen die letzteren durch- wegs eine viel bedeutendere, obwohl mit der Entfernung von der Sonne — sowie es oben abgeleitet wurde — abnehmende Dichte, sodass auch das letzte Gesetz seine Bestätigung gefunden hat. Nur eines in unserem Sonnensystem ist bis jetzt un- erklärt geblieben und noch mit keinem Worte berührt worden, die Planeloideu-Zonc. Man wird von selbst auf den Gedanken kommen, das.s diese Zone jenes Gebiet darstellt, wo die inneren Kräfte den äusseren gerade das Gleichgewicht gehalten haben, sodass es weder zur Bil- dung eines Ringsystems noch zur Zusammenballung grösserer Massen hat kommen müssen. Alle die kleinen Nebelstückcben, welche sich an dieser Stelle losgetrennt iiaben oder nach Loslösung der grösseren Massen übrig geblieben sind, mussten sich also sofort zusammengeballt haben. Gerade an der Stelle, wo die zerstreuende Wir- kung des Centralkörpers und die inneren Kräfte sich un gefähr das Gleichgewicht hielten, konnte es aber kaum zur Lostrennung grösserer Nebelmasscn gekommen sein. Es scheint eher, als hätten dort gerade die schwächsten Stellen der Spiralzüge gelegen, sodass in dieser Zone von dem Momente der Zerstörung der Nebelspiralen an kein grösseres Nebelstück, wohl aber eine Reihe kleinerer Nebelwolken, üeberbleibsel der an dieser Stelle gerissenen Ncbelzüge augetrotfen werden konnte, welche zu klein waren, um der zerstreuenden Wirkung der Anziehungs- kraft genügend Angriffspunkte zu geben, und so von An- fang an sich gleichsam selbst überlassen eine Anzahl kleinerer Körperchen oder Planetoiden bildeten. Wenn wir, wie dies kürzlich ßerberich gethan hat, die Asteroidenzone einer genauen Durchsicht unterziehen, so finden wir, dass unter den zahlreichen Körperchen dieser Klasse, das Gesetz der wachsenden Distanz, wie wohl zu erwarten war, nicht deutlich erkennbar wird. Der Umstand erscheint nach dem eben Gesagten nur natürlich, da die kleinen Nebelstückchen, welche zur Bil- dung von Asteroiden herangezogen wurden, als Bruch- stücke nur ganz regellos vertheilt waren und in dieser Zone keine der beiden gleichsam ordnenden Kräfte das Uebergewicht behauptete. Die Thatsache, dass ganz besonders grosse Commen- surabilitäten mit Jupiter (V2, Va, Vy» 'A) unter den Um- laufszeiten der kleinen Planeten nicht zu finden sind, lässt eine Erklärung auf zweierlei Art zu. Diese Lücken können gleich im Anfangsstadium entstanden sein, wo die ungeheure Nebelmasse Jupiters alle die kleinen Nebeltheile, welche derartige Commensuräbili- täten in den Umlaufszeiten aufwiesen, soweit ablenkte, bis sie dauernd in eine andere Bahn geworfen waren. Aber auch später konnten diese Lücken noch unter dem Einfluss des Riesenkörpers Jupiter hervorgerufen worden sein. Doch scheint es uns, als wäre gerade der Anfangs- zustand für solche bleibende Veränderungen der Bahn- formen günstiger gewesen, wo die Individualität der in Bildung begriffenen Körper noch nicht so scharf ausge- prägt war und die Massen noch leichter verschiebbar waren als später, wo das Planetensystem schon in ferti- gem Zustande vorlag und diese Störungen eher einen langperiodischen Charakter angenommen hatten. Berberich hat sich der Mühe unterzogen, die aus den Helligkeiten der Planetoiden unter der Annahme einer mittleren Albedo berechneten Durchmesser zusammenzu- stellen und ist dabei zu dem interessanten Schlüsse ge- langt, dass die so gefundenen Grössen dieser Körper mit der halben grossen Achse ihrer Bahn, also mit ihrer Ent- fernung von der Sonne anwachsen. Wir finden also hier in verkleinertem-Maassstabe dieselben Verhältnisse wieder, welche wir oben im Planetensystem auf zwanglose Weise zu erklären versucht haben und es scheint, als wäre diese Zone dennoch, wenn auch in geringerem Maasse, den ab- geleiteten Gesetzen über die Grössenordnung der ent- standenen Körper unterworfen gewesen. Die Erklärung ist einfach. Die Zone, wo die inneren Kräfte der zer- streuenden Wirkung das Gleichgewicht hielten, schmilzt mathematisch betrachtet, zu einer Linie zusammen, dies- seits und jenseits welcher die Unterschiede zwischen diesen beiden Wirkungen bereits wieder fühlbar werden, wenn auch nur in geringem Maasse und durch die Exi- stenzbedingungen in einem solchen Nebelsystem, wo die gegenseitigen Einflüsse noch nicht gehörig ausgeglichen sind, verwirrt. Wenn wir also jene Gleichgewichtslinie nicht in der Planetoidenzone selbst, sondern an ihrer in- neren Grenze suchen — wobei aber Eros als ein sozu- sagen abnormaler Körper unseres Sonnensystems auszu- scheiden wäre " so fällt die Erklärung der zunehmenden Grösse nach den Prineipien für die äusserste Zone nicht mehr schwer. Wenn man bedenkt, dass die Berberich zu Gebote stehenden Grössenangaben als auf ganz unsicheren Grund- lagen abgeleitet nur schwache Annäherungsversuche dar- stellen, die von der Wahrheit erheblich abweichen können, so gewinnt es fast den Anschein, als hätte unsere Theorie fast mehr Regelmässigkeiten erklärt, als wir in unserem Planetensystem bis jetzt mit Sicherheit verbürgen können. Es di^irfte aber immerhin anzunehmen sein, dass Berbe- rich mit seiner Untersuchung der Wahrheit zum mindesten nahe gekommen ist, da die Zahl der in dieselbe einbe- zogenen Objecto verhältnissmässig gross ist, und dem Mittelwerth aus diesem Grunde dennoch ein gewisses Ge- wicht anhaftet. Man hat die Kant-Laplace'sche Theorie schon oft bemängelt und dies vielleicht nicht mit Unrecht. Streng genonnuen und sozusagen unter den Bedingungen eines Laboratoriumsversuches wäre eine Ringbildung auf die Art und Weise, wie Laplacc es will, durchaus nicht un- möglich. Aber man bedenke nur, dass die Homogenität in einem so ungeheuren Gasnebelgebilde ganz gewiss keine so ideale genannt werden kann, wie es erforderlich wäre, wollte man die Entstehung von Ringen aus der Ablösung vom Centralkörper erklären. Es ist unter der Annahme ähnlicher Bedingungen, wie wir sie bei der Bildung der Meteorströme geradezu beobachtet haben (Biela), gelungen, die Entstehung von Ringsystemen und Ringnebeln auf anderen Grundlagen zu erklären und da- durch einen Anknüpfungspunkt an die Laplace'schc Theo- rie wiederzugewinnen. Wenn es uns möglich war, auf hinreichend zwang- lose Weise verschiedene Eigenthümlichkeiten unseres Sonnensystems aus der Entstehung desselben heraus zu erklären, so muss betont werden, dass unsere Theorie, wenn sie auch eine Wahrscheiniiulikeit für sich haben sollte, immer nur eine der vielen Möglichkeiten darstellen muss, nach welcher diese Entwickelung des Sonnensystems vor sich gegangen sein kann. Die Kosmogenie rechnet eben nur mit Möglichkeiten und in den günstigsten Fällen mit Wahrscheinlichkeiten. Jahrelanger Arbeit und rastloser Beobachtungsthätigkeit, unterstützt durch die Empfindlich- keit der photographischen Platte wird es noch bedürfen, um uns aus dem Studium der Nebelflecke jene posi- tiven Anhaltspunkte klar ausscheiden zu lassen, welche geeignet sein werden, über die Bildung der Sonnensysteme XV. Nr. 47. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 557 Ausnahmen zuzulassen. Wenn wir auch jetzt aus dem ohnedies schon massenhaft angehäuften Beobachtungs- niateriale noch keine siclieren Schlüsse, sondern iTiimer wieder nur Wahrscheinlichkeitswerthe ziehen können, so wird es vielleicht doch einmal einem unserer Nachkommen gelingen, das räthselliaftc Halbdunkel, das über der Ent- stehung des Planetensystems, sowie des Weltganzen über- haupt liegt, aufzuhellen. Ueber die Thätigkeit der Malariaexpedition*) ver- öffentlicht Geh. Med.-Ratli Prof. Dr. R. Koch in der „Deutschen Medicinischen Wocheuscbrift" (No. 46 vom 15. November d. J.) nachstehenden Schlussbericht: Die Heimreise wurde am 6. August d. J. von Herberts- höhe aus angetreten. Die vom Norddeutschen Lloyd neu eingerichtete Dampferlinie, welche von Sydney über Neu- Guinea nach Hongkong geht und die Karolinen und iMariancn berührt, bot die Gelegenheit, diese Inseln zu besuchen und, soweit es der kurze Aufenthalt gestattete, einen Einblick in die sanitären Verhältnisse derselben zu gewinnen. Wesentlich aus diesem Grunde wählte ich diese Linie zur Heimreise und konnte am 12. und 13. August auf Ponapc und am 17. August auf Saipan Untersuchun- gen anstellen, bei welchen mir der Regierungsarzt Herr Dr. Girschner behilflich war. Auf Ponape, und zwar nicht allein an dem Regie- rungssitz Colonia, sondern auch aus sechs anderen, zum Theil entfernt gelegenen Ortschaften wurden insgesammt 79 Kinder auf Malaria untersucht. Bei keinem einzigen konnten die charakteristischen Merkmale der Malaria, Milzschwellung und Vorl>andcnsein der Malariaparasiten im Blute, nachgewiesen werden. Daraus Hess sich mit Sicherheit schliesscn, dass diese Insel frei von Malaria ist. Von Dysenterie sollte vor längerer Zeit ein Fall vor- gekommen sein. Nach den Mittheihingen des Herrn ür. Girschnei scheinen auch die in der Südsec so ausser- ordentlich verbreiteten Hautkrankheiten und die mit Syphilis häufig TcrwechselteFrambösia auf dieser Insel keine grosse Rolle zu spielen. Auf Saipan fanden sich bei "24 daraufhin untersuchten Kindern ebenfalls weder Milzscliwellung noch Malaria- parasiten. Diese Insel hat also ebenfalls keine Malaria. Unter den zahlreichen sonstigen Leuten, welche mir als an Syphilis, Lupus und Lepra Erkrankte gezeigt wurden, befand sich keiner, welcher mit einer der genannten Krankheiten behaftet gewesen wäre. Was dafür gehalten wurde, war Frambösia, welche Krankheit auf Saipan sehr häutig zu sein scheint. Dieses Leiden, von den Engländern auch Yaws genannt, ist in der Südsee ungemein ver- breitet. Ich habe im Bismarck-Archipel Ortschaften ge- sehen, in denen fast sämmtliche Kinder damit behaftet waren; auch die Kinder der Europäer sollen gelegentlich davon befallen werden. Sehr oft wird die Frambösia von Laien und auch von Aerzten für Syphilis gehalten, und ich möchte annehmen, dass die Angaben über die starke Verbreitung der Syphilis in der Südsee und insbesondere im deutschen Colonialgebiet daselbst auf die Verwechse- lung der Syphilis mit Frambösia beruht. Es wäre sehr erwünscht, wenn ein mit Syphilis und Hautkrankheiten gut vertrauter Arzt, womöglich ein Spccialist, zur näheren Untersuchung des Verhaltens dieser Krankheiten und der in der Südsee so ausserordentlich häufigen Hautleiden nach Deutsch-Neu-Guinea gesandt würde. Auf Saipan sollte noch eine eigenthümliche Krank- heit vorkommen, deren Verlauf mit Fieber und dauernder Lähmung einzelner Glieder den Verdacht auf Beri-Beri erwecken musste. Von den mir vorgeführten Kranken dieser Art litt einer an Hemiplegia, andere an Gelenk- *) Vergl. „Natui-vv. Wc XV No. 3.J imd fruhi3i-. und Muskelrheumatisnien. Kein einziger unzweifelhafter Fall von Beri-Beri war darunter. Im Ganzen genommen habe ich den Eindruck ge- wonnen, das.s- der Gesundheitsznstand auf Ponape und Saipan, weil diese Inseln keine Malaria haben und auch bis auf die Frambösia frei von anderen tropischen Krank- heiten zu sein scheinen, ein sehr guter ist. Von Hongkong gingen wir mit der Hauptlinie des Norddeutschen Lloyd nach Suez, wo behufs eines kurzen Aufenthaltes in Aegypten die Reise unterbrochen wurde. Der Besuch von Aegypten hatte den Zweck, über die sich widersprechenden Angaben bezüglich der Malaria- verhältnisse dieses Landes Aufschluss zu erhalten. Es ist dies auch insofern gelungen, als in Alexandrien mehrere Fälle von Malaria, welche unzweifelhaft in dieser Stadt oder deren Umgebung entstanden waren, aufgefunden und echte Heerdc von endemischer Malaria in Heluan bei Cairo, sowie im Wadi Natrun, westlich vom Nil- Delta, inmitten der Wüste gelegen, nachgewiesen wurden. Nach den letzten mir aus Stephansort zugegangenen Nachrichten, welche bis zum 8. August d. J. reichen, sind die in meinen Berichten geschilderten günstigen Ma- lariaverhältnisse daselbst unverändert geblieben. Um die von mir in Vorschlag gebrachte Wiederholung dieses in Neu-Guinea so erfolgreich durchgeführten Versuchs in Deutschland vorzubereiten, hatte auf meine Veranlassung- Professor Frosch, früheres Mitglied der Malariaexpedition, viele dafür geeignet erscheinende Gegenden Norddeutseh- lands bereist und eingehend auf das Vorhandensein von Malaria untersucht. Es hat sich dabei herausgestellt, dass die Malaria überall im schnellen Rückgänge befindlich ist. An vielen früher berüchtigten Malariaheerden ist die Krankheit nahezu verschwunden, an anderen, z. ß. in den Marschländern an der Nordseeküste, kommt sie nur noch in verstreuten Fällen vor; aber nirgends konnte ein für meine Zwecke geeigneter Malariaheerd aufgefunden werden. Unter diesen Umständen bleibt nichts anderes übrig, als die Malariaexpedition vorläufig abzusehliessen. Die Pflanzenwelt der Polargegenden nnd ilir An- passungsvermögen an die dortigen extremen Lebens- bedingungen behandelt Prof. Dr. R. v. Wettstein in einem Vortrage, welchen er im verflossenen Winter im „Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kennt- nisse in Wien" gehalten hat. (Veröftentlicht im 40. Bande der „Schriften" des genannten Vereins, Wien 1900.) Die erfolgreichen Expeditionen in die arktischen und autark- tischen Regionen haben erwiesen, dass dieselben keines- wegs durch das Fehlen jedweden Pflanzen- und Thier- lebens charakterisirt sind, und nichts steht der Annahme entgegen, dass auch die noch unbekannten Regionen durch organische AVesen belebt werden. An Blütheu- pflanzen weist die Nordküste Sibiriens etwa 170, Nowaja Semlja 190, die Südspitze Grönlands gegen 300, Spitz- bergen noch 125 Arten auf, und Nansen fand unter dem 82. Breitengrade auf einer kleinen von ihm ent- deckten Insel im Nordosten von Franz-Josefs- Land am 15. August 1897 die leuchtenden Blüthen des nordischen Mohnes (Papaver nudicaule), einer Steinbrechart (Saxi- 558 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 47. fraga nivalis) und einer Sternmiere (Stellaria). Es gehört ferner mit zu den Ergebnissen der neueren Forschungs- reisen, dass der Irrthum, den nördlicheren Meeren fehle die Algenvegetation, berichtigt worden ist. Die Veran- lassung zu jener Annahme bot die Thalsache, dass der Meeresboden in der Nähe der nordischen Küsten auf- fallend arm an Algen ist, während in südlichen Meeren ja gerade die Küstenzone den grössten Reichthum an braun, roth und grün gefärbten, vielfach überaus zier- lichen Algen aufzuweisen bat. Den Grund für diese Er- scheinung hat man nun eiuestheils in der zerstörenden Wirkung des Eises in der Nähe der Küsten, auderntheils in den Teniperaturverbältnissen zu sucben; Nansen konnte feststelleu, dass au vielen Orten das Wasser des Polar- meeres an der Oberfläche kälter als in der Tiefe ist. Mitten in den arktischen Meeren hat man Tange (Lami- naria- und Fucus-Arten) gefunden, die zu den mächtigsten Wasserbewohnern zählen. Gerade die Algen sind jene Pflanzen, welche am weitesten nach Norden vorgedrungen sind. Zu den merkwürdigsten Pflanzenformationen ge- hören die Algen gewisser auf dem Eise entstehender Süsswasserausammlungen, welche durch das Abschmelzen des auf der Meeresoberfläche schwimmenden ziemlich salzfreien Eises während der kurzen Sommerzeit ent- stehen. Selbst auf dem Eise und Schnee finden ein- fache Algen und Thiere ihre Existenzbedingungen. Fast alle Nordpolfahrcr berichten über den zuerst von H. B. de Saussure ITßU auf dem Brevent in Savoyen entdeckten „rotlien Schnee", durch die rothe Schneealge (Sphaerella nivalis) hervorgerufen. Kapitän Ross sah 1818 die West- küste Grönlands um das Cap York in carmoisinrother Farbe erstrahlen; der Name „Crimson-Ciiffs" (Carmoisin- klippen) erinnert noch daran. Eine andere Alge, Aucy- lonema Nordensköldii, bildet braune oder braunviolette Ucberzüge auf dem grönländischen Inlandseise; ihre Zellen binden Wärme und schmelzen tiefe Löcher in Schnee und Eis. „Grüner Schnee" wird ab und zu durch Grünalgen (Penium gclidiini), durch Moosvorkeime und durch Cj'anopbyceen licr\(iii:i'iiir.'ii. Drei extreme Factoren wiikcn auf die Pflanzenwelt der Polargegenden ein: Kälte, Finsterniss und Trockenheit der Luft. Wie schützen sich die Pflanzen gegen die KälteV Vielleicht durch ein dichtes Haarkleid oder dadurch, dass sie einen grossen Theil ihrer Organe unter die Erde verlegen? Es gehört zu den über- raschendsten Ergebnissen einer genaueren Betrachtung der nordischen Pflanzen, dass derartige specifische Ein- richtungen gegen die Kälte entweder ganz fehlen oder in nicht höherem Maasse als bei anderen Pflanzen entwickelt sind. Die Temperaturextrerae im arktischen Gebiet sind eben so gross, dass auch die dichteste Hülle keinen Schutz mehr bietet; der Boden kann noch in einer Tiefe von 8'J cm eine Temperatur von — 24° C. aufweisen. Wir müssen vielmehr das Vermögen der Pflanze, sich gegen die niedrige Temperatur zu behaupten, in der Art und Weise ihres Aufbaues suchen. Wie wäre es sonst wohl zu er- klären, dass zarte, krautartige Pflanzen, welche vom hereinbrechenden Winter überrascht werden, bevor sie zur Fruchtbildung kommen, trotz der Monate langen Ruhe- zeit, im nächsten Frühjahre wieder aufblühen und Früchte entwickeln; der Botaniker F. R. Kj eilmann hat einen derartigen Fall au der Cochlearia fenestvata beobachtet und ausführlich beschrieben. Die wichtigsten Momente der Anpassung der Pflanzen an ihre extreme Lebensweise sind folgende: thuidichste Ausiuitzung der kurzen Vcgetationsdauer, Schutz gegen das Vertrocknen, Ersatz für die iiicbt zur Entwiekelung konnnen- dcn Kriichtc und Samen. Der Stmaner währt einen bis drei Monate; Naclitt'röste, rauhes Wetter, frühzeitige Schnee- fälle und Kälte des Bodens treten oft störend ins Wachsthum ein. Da heisst es, die Zeit auszunutzen. Dies wird zunächst dadurch erreicht, dass die Ausbildung aller nicht un- bedingt nöthigen Organe unterbleibt: das Fehlen von Schutzmitteln gegen Kälte, gegen Thiere (Dornen, Brenn- haare etc.), beschränkte Blattzahl etc. sind zu verstehen. Ein- jährige Pflanzen, die zur Entwiekelung relativ lange Zeit brauchen, fehlen fast ganz; die einzige einjährige, selbst- ständig sieh ernährende Polarpflanze ist Koenigia islandica. Bereits im Herbste werden die Blüthen für das kommende Jahr angelegt; in 10 bis 12 Tagen steht alsdann nach Eintritt der wärmeren Witterung die ganze nordische Vegetation im Blüthensehmuck. Wodurch wird diese schnelle Entfaltung ermöglicht? Durch die Erwärmung der Bodenfläehe, durch die Insolation und die ununter- brochene Beleuchtung. Wie gross z. B. die Temperaturunter- schiede zwischen der Luft und den direkt von der Sonne bestrahlten Gegenständen ist, beweisen Messungen, welche auf der „Vega"-Expedition angestellt wurden: am 8. Juli betrug bei Pittlekaj die Lufttemperatur um 10 Uhr Vor- mittags + 6,8" C, die Temperatur der besonnten Ober- fläche + 14,5« C, der Boden in 10 cm Tiefe +23" C. Mit der Erwärmung geht der Lichtgeuuss Hand in Hand. 65 Tage lang bleibt die Sonne unter dem 70." über dem Horizont, unter dem 80. <• sogar 134 Tage lang. In dieser langen Zeit ist die Assimilation ununterbrochen thätig. Kjellmann hat die fördernde Wirkung der fortwährenden Belichtung durch ein sinnreiches Experiment bewiesen. Von acht gleichalterigen und gleich aussehenden Keim- pflanzen der nordischen Cochleria fenestrata cultivirte er vier in der Weise, dass er sie der nordischen Sonne ex- ponirte, während er bei den übrigen vier durch zeitweises Verdunkeln Verhältnisse schuf, unter denen die Pflanze bei uns gedeihen würde. Nach 36 Tagen wogen die ersteren Pflanzen insgesammt 13,5 g, die letzteren nur 5 g. Zum Schutz gegen übermässige Verdunstung sind die nordischen Pflanzen theils mit lederigen, theils nadei- förmigen, tlieils fleischigen Blättern ausgerüstet; die Spalt- öffnungen der IJIätter liegen entweder versteckt oder münden in Hohlräume, häufig finden wir die Neigung, durch reiche Verzweigung polsterförmige Rasen zu bilden. Es ist nicht allein die Trockenheit der Luft, welche den nordischen Pflanzen das Charakteristikum von Wüsten- und Steppenpflanzen verleiht, sondern vor allen Dingen auch der Umstand, dass die oberirdischen Theile der Pflanzen sehr oft unter Verhältnissen leben, unter denen sie Wasser abgeben, während die Wurzeln in Folge der Kälte des Bodens nicht oder nicht immer in der Lage sind, für den entsprechenden Nachschub von Wasser zu sorgen. Die Fruchtentwickelung wird dadurch garantirt, dass die Aulockungsmittel der nordischen Pflanzen kräftig entwickelt sind, in den insektenarmen Gegenilcn kräftig entwickelt sein müssen; deshalb zeichnen sich viele Bluthenpflanzen durch reiche Biüthenentfaltung und intensive Färbung aus, ähnlieh wie die hoclialpinisehcn Pflanzen. Doch finden wir auch Pflanzen mit unsdieinbaren Blüthen; in diesem Falle sind Einrichtungen gclrdllcn, welche die Selbstbefruclitung ge- währleisten. Verluiltnissmässig gross ist auch die Zahl jener Pflanzen, die nicht zur Fruchtreife gelangen. In diesem Falle ist für vegetative Vermehrung gesorgt. Niederliegende, in oder auf dem Boden hinkriechende und sich stellen- weise einwurzelnde Rhizome sind darum bei arktischen Pflanzen eine häufige Erscheinung. Gewisse Gräser (Festuea ovina, Poa flexuosa, Aira caespitosa) entwickeln statt der Blüthen kleine Sprossen, welche sich loslösen und zu scUistbtändigcn Pflanzen heranwachsen können. Etwas Aehnliches bietet der in den Alpen verbreitete -lebendgebärende Knöterich" (Polvgonum viviparura) dar. Bfd. XV. Nr. 47. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 559 Die Mistel (Yiscum album) und die Wassermiss (Trapa iiatans) — zwei ijaiiz oder theilweise verschol- lene Kinder der Flora Schleswig-Holsteins. — Wenn hoti'eutlieli recht bald auch Sclileswig-Holstein dem Bei- spiele Wcstpreusseus folgen und ein „ forstbotanisclies Merkbuch" herausgeben wird, dann darf unter den Natnr- dcniuiiiilern, die des Schutzes bedürfen, der Birkenhain itu Hegebüchenbusch bei Heidniülilen (zwischen Neuniünster und Segeberg) nicht fehlen. Bezeichnet diese Steiii' dorh das ausschliessliche Vorkommen der Mistel in Schleswig-Holstein, was um so mehr Beachtung ver- dient, als Kerner von Marilauu in seinem „Pflanzenleben" ausdrücklich betont, dass „Birken, Buchen und Platanen von der Mistel gemieden werden," wohl in Folge der zähen, glatten Rinde dieser Bäume. In früheren Jahren ist die Mistel in verschiedeneu Gegenden der Provinz beobachtet worden, nach Angabe älterer Herbarien, z. B. bei Sege- berg, bei Arnis, Souderburg, auf einem Birnbaum bei Husum. Ende der vierziger Jahre des vorigen Jahrhun- derts hat ein Jäger die Mistel von einem Bauuie in der Nähe von Oldesloe heruntergeschossen. Laut einer Notiz im „Holsteinischen Courier" soll die Mistel heute noch auf einer hohen Birke im Brachenfelder Gehölz unweit Neumüuster schmarotzen. Es ist mir nicht gelungen, eine Bestätigung dieser Nachricht zu erlangen. Hoffentlich wird bei einer sj^stematischen Durchforschung unserer Provinz im Interesse der Erhaltung urwüchsiger Gesträuche und Bäume auch noch mancher Mistelbusch ans Tages- licht kommen; denn dass die Mistel ehedem auch in Schleswig-Holstein häufiger gewesen sein mnss, davon zeugen die Funde subfossiler Reste, welche Professor von Fischer-Benzou vor einigen Jahren gemacht hat. So legte derselbe in der Juni- Sitzung (1896) des „Naturwissenschaft- lichen Vereins für Schleswig-Holstein" ausser wohlerhal- tenen Resten von Eichenblättern und Eicheln, von Hasel- nüssen und Blättern nebst Zweigen des Haselstrauches auch Blätter und Stielstücke der Mistel vor, welche bei Gelegenheit des Abteufens eines kleinen Torfmoores auf dem Grundstück der Howaldt'schen Werft in Dietrichsdorf bei Kiel gehoben wurdeu. Das massenhafte Auftreten der Mistel war geradezu auffallend-, die wohlerhaltenen, noch lebhaft grün gefärbten Blätter und Zweige bildeten eine förmliche Schicht, nach der die Moorstücke auseinander brachen. Viele Blätter waren von einem Parasiten, einem weissen Pilze befallen. Bei dieser Gelegenheit erwähnte derselbe Botaniker, dass er früher schon einmal in einem ähnlichen Moore am Wiuterbeker Wege bei Kiel neben Resten der Stieleiche ebenfalls die Mistel gefunden habe. Liegt es nicht nahe, anzunehmen, dass iu Schleswig-Hol- stein ehedem vorzugsweise Eiche und Haselstaude Träge- rinnen des grünbelaubten Schmarotzers gewesen seien"? Gänzlich verschollen ist die Wassernuss (Trapa natans). Nolte schreibt in den „Novitiae florae Holsaticae" Hamburgi 1882, pag. 16, No. 74: „Pridem a Taube in fluvio Stechnitz ad Lauenburgum reperta; vid. J. Taube, Beiträge zur Naturkunde des Herzoglhums Lüneburg, Celle 1769, 2. Stück, Seite 149. Hactenus frustra eam quaesivi." BoU schreibt über diese in Norddeutschland immer seltener werdende, in Schweden und Dänemark bereits gänzhch ausgestorbene Pflanze: Sie soll früher in der Lewitz (Mecklenburg) gefunden sein. In länger als 70 Jahren (1860, also nun mehr seit über 100 Jahren) ist sie aber keinem unserer Botaniker zu Gesicht gekom- men und vielleicht ausgestorben, wie dies auch in Holstein mit ihr der Fall zu sein scheint. Aeltere holsteinische Floren führen sie noch auf, in den neueren fehlt sie; zuletzt scheint sie vor einigen Jahren in der Recknitz gefunden zu sein; jetzt kommen ihre wohlerhal- teuen Früchte nur noch in einer mit Geschiebesand be- deckten Papiertorfschicht iu einer Anhöhe bei Lauenburg im halbfossilen Zustande vor. — Neuerdings hat auch Hauptlehrer a. D. Callsen in Flensburg wohlerlialtene Früchte in einen) Torfmoore (dem sogenannten llecht- moor) bei Satrup gefunden. Barfod. Zur Genesis der Kohlen hat Herr C. Eg. Bertrand, Professor der Botanik in Lille, eine Anzahl Arbeiten ge- liefert, die er in einer Schrift zusammenfasst, sodass wir Gelegenheit nehmen wollen, seine Resultate kennen zu lernen. Diese Schrift betitelt sich „Les charbons humiques et les charbons de purins" (Travaux memoires de l'uni- versite de Lille. Lille 1898.) Zunächst führt B. in derselben die früher gewonnenen Resultate vor, um sodann eingehend einige besondere Kohlensorten zu beschreiben, nämlich nach den Kapitel- Ueberschriften : 1. Le Brown Oilshale de la region de Broxburn, 2. Le schiste du Bois d' Asson, o. Le sclii.stc bitumineux ou charbon humique de Ceara und 4. Lc schiste bitumineux de rAUier. Die allgemeinen Resultate formulirt B. in der folgenden Weise. Es giebt eine Klasse organischer amorpher Kohlen, die durch die Anhäufung einer huraösen braunen Gallertc erzeugt worden sind, die durch die Gegenwart von Bitumen verfestigt und fossilisirt wurdeu. Dies sind die humösen Kohlen (charbons humiques). Sie entsprechen ungefähr den bituminösen Schichten der Industrie, wie die Algen-Kohlen (charbons d' algues oder charbons gelosiques): den Bogheads. Die braune Gallerte der humösen Kohlen ist dieselbe Substanz, wie diejenige, die das Grundmaterial der Schich- ten bilden, die als sehistes organiques bezeichnet werden. In den humösen Kohlen herrscht die braune Gallerte vor und verleiht ihnen ihre wesentlichen Charak- tere wenigstens in optischer Hinsicht. In den sehistes organiques ist die braune Gallerte das untergeordnete Material und die mineralischen Produkte herrscheu vor. Die humösen Kohlen bewahren den makroskopischen Anblick von Kohlen, wenn nur wenige mineralische Sub- stanzen beigemengt sind, während andernfalls das Gestein geschichtet ist. Daher weisen die humösen Kohlen auf blosse unter- geordnete Zwischenfälle hin, die sich im Verlaufe der Schichtenbildung ereignet haben. Der reichlichere Absatz brauner Gallerte zeigt eine Verminderung iu der Herbei- führung von Wasser an. Dieser Schluss findet eine Con- trolle in der Beobachtung des Vorhandenseins reichlicherer, aus „Schwefel-Regen" sich herleitender Polleumassen in diesen Perioden. Auch die Grund-Substanz der Boghead-Kohlen, der Sporen-Pollen-Kohlen und der Kohlen, die vorherrschend kleine organisirte Partikelchen cuthalten, ist dieselbe wie die der humösen Kohlen. Die letzteren sind denmach die einfachsten, die im Verlaufe einer geschichteten Ablage- rung entstehen können. Bertrand vermag nicht zu sagen, ob die braune Gallerte ihre Herkunft der Thätigkeit von Bacterien ver- dankt. Sie erscheint wie ein amorpher Niederschlag. Je nach dem Grade der Coucentration hat sich die braune Gallerte verschieden erhalten. In den Schichten des Bois d'Asson hat die Gallerte eine netzige Structur ange- nommen: beim Zusannuenziehen ist sie zerrissen; es sind horizontale Spalten entstanden, die dann durch ein „Exu- dat" ausgefüllt worden sind. Wenn die Gallerte dichter war, wie" in dem Brown Oilshale von Broxburn, zeigt sich dieselbe von grossen, schief-verlaufeuden Spalten zer- schnitten und die einzelnen Stücke sind verrutscht, sodass die Masse eine dislocirt-geschichtete Structur annimmt. 560 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 47. Die Grundgallerte ist mit bakterioideu Körpern an- gefüllt, und zwar nimmt die Auzabl derselben gewöhnlich zu, wenn die kleinen humificirten Pflanzenfetzchen reich- licher vertreten sind. Diese bakterioideu Körper ähneln ausserordentlich Bakterieusporeu. Es war Herrn Bertrand jedenfalls unmöghch, mitSicher- lieit die Natur dieser Körper zu erkennen und er konnte nicht einmal entscheiden, ob hier Reste von Lebewesen vorliegen oder ob es sich um unorganische Einscblusse handelt. Die bakterioideu Körper scheinen eher einen normalen Antheil der Grund-Gallerte zu bilden, als nach- träglich hinzugekommen zu sein; sie scheinen auch in die Ausfülluugs-.,Exudate" wie leichte Körper eiugeschwemmt worden zu sein. Diese indirekten Beweggründe und viele andre sind für die Meinung günstig, dass es sich um Bak- terien handle. Immerhin sind sehr grosse Unterschiede vorhanden, zwischen dem Zustande dieser bakterioideu Körper und demjenigen der Bakterien, die lebend in dem- selben Mittel vorkommen. In den coprophilen Bakterien, ebenso wie in einem verwandten Fossil, dem Zoo- gleites elaverensis, wird die Gegenwart fixirter Proto- plasten durch die Lokalisation von Bitumen angezeigt. Die Grund- Gallerte lokalisiert normaler Weise den Thon, den sie anzieht. Diese Substanz individualisirt sich zuweilen später in Krystallform. Die Aufnahme von Pyrit in der Grundgallerte ist weit weniger klar, dieselbe hängt vielleicht von Nebensubstanzen der Grund-Gallertc oder von secundären Variationen in der Zusammensetzung der Letzteren ab, z. B. von der Gegenwart schwefelhaltiger Produkte. Passend verändert lokalisiert die braune Gallerte Kieselsäure und bedingt die Kieselcongretionen wie die- jenigen, die sich im obersten Theil der „grosse couche de Buxiere" betinden. Die später entstandenen Exudate nehmen die mine- ralischen .Substanzen in sich auf; derart ist es mit dem Kalkspath in dem Exudat der Schicht des Bois d' Asson. Die Krystallc sind sehr regelmässig in diesen Exudateu vertheilt. Der Grad der llumificiruug (oder der Dichtigkeit des Humus) der braunen Gallerte bietet bemerkenswerthe Variationen in den Beispielen, die Herr Bertrand unter- sucht hat. Wenn die Humificirung sehr gering gewesen ist, wie in gewissen Schnüren des Brown Oilshale von Broxburu, ist die Grund-Gallerte während ihrer Fossilisation in Gegenwart von Bitumen in gelbe amorphe Körper um- gebildet worden. Das Bitumen ist also nicht vollständig zurückgehalten worden. Diese Umbildung erinnert viel- mehr au die Aufnahme durch gelose Membranen. Wenn die Humificirung stärker ist, wird das Bitumen von der Gallerte vollständig zurückgehalten. Die Grund-Gallerte zeigt dann kohlige Schnüre, die mehr oder minder roth- braun gefärbt sind. Die Zusammenziehung der Gallerte ist um so stärker, je energischer sie das Bitumen zurück- gehalten hat. Die Gallerte der Schicht de 1' Allicr hat dem Verfasser die stärkste Zusammenziehung gezeigt. Die beobachteten Zusammenziehungeu der braunen Gallerte in den humösen Kohlen genügen nicht, sich über den Gehalt dieser Gesteine an Kohlen - Wasserstoffen Rechenschaft zu geben. Diese humösen Gallerte haben ciue Anreicherung an Kohlen-Wasserstoften erlitten. Die Bitumina sind (ix und fertig hinzugekommen, denn man kann in diesen Gesteinen nirgends die Entstehung bitu- minöser Substanzen verfolgen. In fast all diesen Bei- spielen sind die bituminösen Substanzen durch Diffusion eingedrungen. Sie sind durch gewisse Theile der Grund- Gallerte zurückgehalten worden, nämlich durch Pflanzen- fetzen in bestimmtem Humificiruugs-Zustande, durch die Protoplasteu, durch das Knochengewebe und durch die Koprolithen. Die leuchtenden Kohlenverbindungen sind in gleicher Weise durch nicht humificirte gelose und cellulosc Membranen zurückgehalten worden. Die humöse Gallerte und die von ihr eingeschlossenen Körper ergeben kohlige Massen, weil sie die Grundlage, den Speicher bilden von bituminösen Substanzen oder leuchtenden Kohlenwasserstoffen. In die Schicht des Bois d' Asson ist das besonders erhärtbare Bitumen zeitig als kleine Tröpf- chen eingedrungen, die mechanisch von der humösen Gallerte zurückgehalten worden sind. In der brauneu Gallerte, die sich in Gegenwait von Bitumen fossilisirt, entstehen gewöhnlieh sehr verschieden- artige gelbe Körper, Glanzkohlen und Faserkühlen, also die Haupt-Kohlen-Varietäten, die sich in den Steinkohlen vorfinden. Es können auch in der braunen Gallerte Knochenkohlen und Koprolithen-Kohlen vorhanden sein. Jeder organische Körper hält gemäss seiner Natur und der von ihm eingegangenen Umbildung das ganze Bitumen oder einige seiner Elemente zurück. Die gelben Körper der humösen Kohlen werden durch die macerirteu, aber nicht humificirten, gelosen und cellu- losen vegetabilischen Membranen, durch die harzigen Körper und durch die knochigen Reste gebildet. Sie können von den weniger humificirten Theilen der Grund- Gallerte herstammen. Es können gelbe, unorganische Körper durch nachträgliche Infiltrationen hinzukommen. Die Bitumina, die in den verschiedenen humösen Kohlen vorgekommen sind, sind nicht identisch. Das Bitumen des Brown Oilshale ist das wenigst gefärbte, es ist sehr blass - rothbrauu und spröde. Dasjenige der „schiste de l'AUier'- ist schwarzbraun gefärbt und von Netz-Struktur in den Theilen, wo es sich rein vorfindet. Dasjenige der Schicht des Bois d'Asson war besonders schnell gerinnbar. Diese Verschiedenheiten der die Kohlen imprägniren- den Bitumina weisen uns auf eine Anzahl der Qualität nach verschiedenen Kohlen. Die Kohle wird fett oder anthrazitisch sein, je nachdem das imprägnirende Bitumen einerseits wie Asphalt reich an Wasserstoff oder anderer- seits wie die Anthrazitperlen in den Spalten des Kalkes von Vise sehr reich au Kohlenstoff ist. lu der humösen Gallerte, die in Gegenwart von Bi- tumen fossilisirt, ist die Erhaltung der organisirteu Körper, die zufällig beigemengt sind, eine vollkommene. Diese Körper sind in ihren verschiedenen Stadien der Ver- wesung fixirt worden und in dem betreffenden Ver- wesungszustande erhalten geblieben, ganz wie die Fixation, die wir an recenten Pflanzentbeilen behufs histologischer Studieu vornehmen. Die Anhäufung von brauner Gallerte, welche die humösen Kohlen bildet, .setzt als Bedingung Gewässer voraus, welche mit braunen humösen Stoffen beladen diese leicht in vollständig ruhige Lachen zum Absatz bringen. Die einzigen klastisch-mineralischen Produkte, die in diesen Absätzen beobachtet werden konnten, sind Theil- chen von Glimmer in der „Schiste de l'AUier". Während dieser ruhigen Perioden empfing die Oberfläche der braunen Gewässer Pollen- (Schwefel-) Regen aus der be- nachbarten Wald- Vegetation. In den Beispielen, die Hr. B. untersucht hat, hat "er das Vorhaudcnseiu einer Wasser flora nicht bemerken können. Der Brown Oilshale von Broxburn ist die reinste humöse Kohle, aber in makroskopisch geschichteter Aus- bildung. Die Kohle von Ceara, die als Uebergangs- bildung von den humösen Kohlen zu den „Charbons de purins" (Kohle mit thierischen Exkrementen) angesehen werden kann, veranschaulicht uns die humöse Kohle in j ihrer kohligen Ausbildung. Die Schicht des Bois d'Asson XV. Nr. 47. Naturwissenscliaftliche Wochenschrift. 561 zcii;t uns, wie sioli der Ueberg-ang- von den huniüsen Kohlen zu den geloscn und Pollen-Kolilen gestaltet. Die „Charbons de purins" haben sich unter geo- genetiscli sehr ähnlichen Bedingungen gebildet wie die humösen Kohlen. Die humösc Gallerte der braunen Gewässer schlug sich hier in einem Mittel nieder, das reichlich thierische Exkremente in allen seinen Theilen enthielt. Dadurch er- hielt die braune, stark humificirte Gallerte die Fähigkeit, Bitumen stärker zurückzuhalten. Sie ist in Folge dessen stark dunkel - rothbraun gefärbt und stark zusammen- gezogen. Diese Zunahme an Fähigkeit, das Bitumen zurückzuhalten, genügt, die „Charbons de purins" von den humösen Kohlen zu unterscheiden. Natürlich giebt es Uebergänge zwischen Beiden. Die „Charbons de pu- rins" sind stark mit Koprolithen beladen; sie enthalten zahlreiche Schuppen, die den Koprolithen entstammen. Sie gehen jedesmal zu Ostracodenschichteu über, wenn das ursprüngliche braune Wasser sich genügend durch das Hinzutreten gewöhnlichen Wassers verdünnt hatte. Diejenigen Theile der „charbons de purins", welche der grössten Concentration der ursprünglichen braunen Gewässer entsprechen, können besondere Organismen auf- weisen, wie Zoogleites elaverensis. Die Kohlen- Varietäten, die sich unter den humösen Kohlen unterscheiden lassen, entstehen auch in den „Char- ly ms de purins". Die humösen Kohlen und die „Charbons de purins", die Herr B. untersucht hat, sind Süsswasserbildungen. Sie kommen mit den gleichen wesentlichen Charakteren von der Steinkohlen - Formation bis zum Oligocaen vor; beide Kohlenarten sind weit verbreitet. Wie wir danach sehen, setzt Hr. B. im Wesentlichen eine Humus-Lösung voraus, wie die aus Torfmooren aus- tretenden Gewässer sich nicht selten auffallend durch die kaffeebraune Färbung zu erkennen geben (vergl. „Naturw. Wochenw." 1900, S. 29/30). Die aus solchen Wässern gefällten humösen Substanzen bilden die Grundlage der zukünftigen Kohle (gelee brune fondamentale). Eine nachträgliche Imprägnation dieses Fällungs- Produktes durch liitumina, wie solche als Petroleum, Ozokerit etc. ja in der freien Natur vorkommen, hätte dann — nach ß. — die bituminöse Kohle erzeugt. lieber Tragant, ein Beitrag znr Kenntniss der Pflanzen.sciileime, machen A. Hilger und W. E. Drey- fus Mitthcilaugen in den Ber. Deutsch. Chem. Gesellsch. 33, 1178. Man hat das dem Tragant zu Grunde liegende Bassorin zu den Polysacchariden (C^HmOslx gezählt. Gi- raud findet in 100 Theilen Tragant 8—10 Theile lös- lichen Gummi". Pohl constatirt, dass Bassorcin mit Am- moniumsulfat fällbar, und dass neben dem Bassorcin nicht etwa noch Arabin in Lösung ist, ausserdem behauptet er, dass der Tragant im Verhältniss 1 : 1000 löslich ist. Nach Sandersleben besteht der Tragantgummi bis etwa zur Hälfte aus Arabinsäure, wovon ein Theil in löslicher Form vorhanden ist. Zur Aufklärung der sich vielfach widersprechenden Angaben unterwarfen Verfasser zunächst den Fadentragant einer eingehenden Untersuchung und zogen die übrigen Sorten nur bei einzelnen Versuchen zum Vergleich heran. — Die Entstehung der Gummiarten ist durch rückscbrei- tende Metamorphose der Zellmembran bedingt, für den Tragant im Besonderen ist festgestellt, dass derselbe durch Metamorphose der Membranen im Mark und in den Markstrahlen hervorgeht und die Structurverhältnisse der | Zellwände noch besitzt. Die Stärkekörner, die vorher im Gewebe abgelagert waren, sind gleichfalls an der Bildung betheiligt und noch in geringer .Menge im Tra- gant erhalten; gerade diese Beimengungen erschweren eine Charakterisirung des Bassorcins. Bei der Charakterisirung des Tragants handelt es sich weniger um die Farbe der verschiedenen Sorten, da dieselbe wesentlich, neben geringen Verunreinigungen, von dem Wassergehalt bedingt ist; sondern ausschlag- gebend scheint die Entstehungsart zu sein. Verfasser lagen folgende Tragantsorten vor: No. 1, Fadentragant von rein weisser Farbe und fadenförmiger Structur, tritt aus Stichwunden heraus. No. 2 und No. 3 waren Blättertragante aus künst- lichen Einschnitten entstehend, ersterer war beinahe weiss, letzterer von braungelber Farbe. No. 4 und No. 5 bestanden aus gelblich gefärbten bis dunkelbraunen klumpigen Stücken, welche freiwillig aus den Stämmen der strauchartigen Astragalusarten herausfliessen. Aus den Aschenbestimmungen folgt, dass mit Zu- nahme des Wassergehaltes auch eine Zunahme der an- organischen Bestandtheile verknüpft ist: Tnigantsorten Wassergehalt Asche ^ P r o c c n t I ..... . 15,4 3,1 II 13,21 2,85 III 11,26 2,75 IV 9,58 2,72 V 9,42 2,68 Lösliche Beimengungen enthielt der Fadentragant nur etwa 0,06 "/g und zwar Stärke, etwas Invertzucker und Chlorkalium; Cellulose wurden 4 "/q und Stärke 2,975 n/o ermittelt. Schleimsäure-Bestimmung. Für Ptlanzenstoffe, die bei der Oxydation Schleini- säure geben, hat namentlich Berthelot schon 1860 die Anwesenheit Galactose liefernder Gruppen festgestellt. Sämmtliche von Verfassern untersuchte Tragantsorten lieferten bei der Oxydation mit Salpetersäure 11,5 — 17 "/o Schleimsäure. Schleimsäure- resp. Galactose-Bestimmung. Sorten Charakteristik .^Y"."'' Galactose Schleimsaure i. Procent I Ausgewählter weisser Faden- tragant 0,758 19,53 II Beinahe weisserBlättertragant 0,687 17,75 III Hellbrauner Blättertragant . 0,583 15,06 IV Hellbraune Knollen in theil- weise schraubenartig gewun- denen Stücken mit Rinden- stückchen durchsetzt . . 0,8681 22,43 V Wallnussgrosse, braune, theil- weise morgensternartig ge- formte Stücke mit Holztheil- chen durchsetzt und von etwas bitterem Geschmack 0,8195 21,43 Furfurol- Bestimmung. Bei der Hydrolyse liefert der Tragant Pentosen ; eine der besten Methoden zur Bestimmung der Pentosen be- ruht auf dem Prinzip, das beim Zersetzen derselben durch Säuren entstehende Furfurol in Form von Furfurol- hydrazon zur Abscheidung zu bringen. Methylfurfurol konnte beim Fadentragant nicht nachgewiesen werden. Naturwissenschaftliche AVochciiscIinl't. XV. Nr. 47. Furfiu'ol- resp. Arabiuose-ijcstimiuung verschie- dener Tragautsorteu: Angewandte Menge je 5 g. Menge des Gefundenes Fiirfuiol Arabinose Sorten gefundenen p„rfuroI in Procent in Procent Hydrazons 1,74 1,5138 1,458 1,355 1,236 0,9082 0,7915 0,7627 0,7015 0,6481 18,07 42,03 15,83 36,71 15,25 35,1 14,19 32,8 12,96 29,96 Hydrolyse des Fadentragauts. Zur hydrolytischen Spaltung wurde ein Pfund des Palvers mit 3L2procentiger Schwefelsäure am Rückfluss- kiihler ca. 30 Stunden auf 100° erhitzt, die Lösung mit Baryumcarbonat neutralisirt, filtrirt und mit Methylalkohol versetzt. Es fiel dabei ein hellbraunes Pulver aus, das aus der Stärke dadurch herrühren mochte, dass die Ver- zuckerung derselben nur bis zum Achroodextrin fort- geschritten war. Die von Aciiroodextrin befreite Zucker- lösung wurde im Vacuum zur Trockene gedampft, der hinterbleibende Zucker wiederholt mit SOproceutigem MethylaUvohol cxtrahirt und die methylalkoholischeu Lö- sungen verdunstet. Es schieden sich schliesslich büschelförmige Kr^'stalle ab, die sich nach Reinigung als beinahe reine Arabinose idcntificiren Hessen. Eine andere Zuckerart konnte aus den Mutterlaugen nicht erhalten werden, deshalb wurde der Syrup vollständig zur Trockne gebracht und zu Schleimsäure oxydirt. Zuckersäure Hess sich aus dem Gemisch nur in Spuren nachweisen. Eiementarzusammensetzung des Fadentragants. Den Tragant unter die Polysaccharide von der Formel (C6H|(,05)x zu rechnen, ist mindestens für den Faden- tragant nicht zutreffend. Allerdings ist es Verfassern nicht gelungen, das dem Tragant zu Grunde liegende Kohlehydrat als solches zu isoliren; doch lässt sich, nach dem man die Beimischungen quantitativ kennt, aus der Analyse ein sicherer Schluss auf die Formel des bisher als Bassorcin bekannten Körpers ziehen. — Zur Reinigung wurde gepulverter Fadentragant mehrmals mit salzsäure- haltigem Alkohol behandelt, das Pulver mit Alkohol bis zum Verschwinden der Chlorreaction gewaschen und bei 100° bis zur Gewichtsconstanz getrocknet. Aus den analytischen Daten berechnet sich die Formel ChHooOk;; diese Formel ist fiir das Galactoaraban, das die grösste Aehnlichkeit mit Tragant zu haben scheint, beobachtet worden. Einwirkung von Kalilauge auf Fadentragant in der Kälte. Zur Erzielung einer vollständig homogenen Lösung lässt man 40 g gereinigtes Tragantpulver mit einem Liter 35procentiger Kalilauge etwa 2—3 Tage unter öfterem Umschüttcln in iMischcylindorn stehen, man erhält so eine orangegelbe Lösung, die wiederholt durch Glaswolle fil- trirt und dann mit Essigsäure neutralisirt wird. Die nach der Neutralisation vollkommen farblose und klare Lösung wird mit viel Alkohol versetzt, wobei sich ein faden- förmiges Gerinnsel ausscheidet, das in gereinigtem und getrocknetem Zustande eine leichte, zusammenhängende Masse bildet. Das neue Produkt dreht die Polarisations- ebene stark rechts, reduzirt Fehling'sche und ammoniaka- lische Silberlösung, röthet fuchsinschweflige Säure da- gegen nicht. Wie die Versuche ergaben, lag in dieser Substanz die Kaliumverbindung des neuen Körpers vor, dem Ver- fasser den Namen „Oxy - Üassorcin" beilegen. Oxy- Bassorinkalium wird durch Jod-Jodkalium-Lösung nicht gebläut und giebt mit diesem Reagens auf Zusatz von Alkali die Jodoformreaktion; es ist löslich in Wasser, Alkalilauge, verdünnten Mineralsäuren, schwer löslich in verdüunter Essigsäure, ganz unlöslich in Eisessig. Das Oxy-Bassorin zeigt ferner das Verhalten eines echten Colloids, nämlich die Eigenschaft, durch scheinbar ganz unbedeutende Anlässe, wie z. B. durch Wasser- verlust uud Eintrocknen in eine ganz unlösliche Verbin- dung überzugehen. Aus der wässerigen Lösung des Oxybassorcinkaliums werden durch beinahe alle Matallsalzlösungen schwer lösliche Verltindungen ausgefällt, die sich sehr leicht reinigen lassen. So leicht aber die Darstellung dieser Körper ist, so schwierig gestaltet sich ihre Vorbereitung zur Analyse. Trotz des ausgeprägten Säurecharakters des Oxy- bassorins ist nach den analytischen Daten wohl anzu- nehmen, dass die Verbindung keine Carboxylgruppe enthält. Behandelt man die alkalische Lösung des Oxybasso- rius mit Natriumamalgam, so entsteht eine nicht reducirende, optisch inaktive Verbindung, welche sich durch bedeutende Löslichkeit in Alkohol auszeichnet und noch zu unter- suchen ist. Dr. A. Sp. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Dr. O. zur Strassen, Privatdocent der Geologie in Leipzig, zum ausserordentlichen Professor; Dr. K. Garre, ordentlicher Professor der Chirurgie und Director der Universitätsklinik in Rostock, zum Geh. Medizinalrath; Hütten- adjunkt V. Broz zum Adjunkten für Berg- und Hüttenmaschinen- baukunde und für Encyklopädie der Baukunde an der Bergakademie in Leoben; Oberbibliothekar Prof. Dr. Julius Euting zum Director derkaiserl.Universitäts- und Landesbibliothek inStrassburg; ordent- licher Professor A. Lieben, Vorsteher des zweiton chemischen Uni- versilätslaboratoriums in Wien, zum Leiter auch des ersten ; Pro- fessor M. Wappl er, früher ordentlicher Professor für Hochbau an der technischen Hochschule in Wien, zum Hofrath; Dr. L. Klug, Privatdocent der darstellenden Geometrie in Klausenburg, zum ordentlichen Professor; Dr. H. Fehr, Privatdocent der Mathe- matik in Genf, zum ordentlichen Professor; Prof. Dr. Hans Bu ebner zum Vorsteher des neu errichteten Pestlabovatoriums in München; Dr. Bloch zum Assistenten am Institut für Agri- culturchemie an der Universität Breslau. Berufen wurden: Gewerbeachulprofessor W. Rehorowski in Prag, als ordentlicher Professor für allgemeine Mechanik und Hydromechanik an die czechische technische Hochschule in Brunn; ordentlicher Professor der Physik Fr. Kolazek an der czechischen technischen Hochschule in Prag, an die czeschische technische Hochschule in Brunn; Licealprofessor Stan. Zaremba in Cahoi'S (Frankreich) als ausserordentlicher Professor für Mathematik an die Universität Krakau; Privatdocent A. Nachtweh an der polytechnischen Schule in Zürich, als ausserordentlicher Professor für die landwirthschaftliche Abtheilung, nach Halle; Stabsarzt Dr. Savas als Professor für Hygiene und Bakteriologie und als Leiter des hygienischen Institutes an die UniveB'sität Athen. In den Ruhestand treten: Dr. J. Weinlechner, ordentlicher Professor der Chirurgie in Wien; Dr. A. Vauchor, ordentlicher Professor der Gynäkologie in Genf; Dr. G. A. Kooyker, Pro- fessor der Pathologie in Groningen. Es habilitirten sich: Dr. A. Burian, Assistent am physio- logischen Institut in Leipzig, für Physiologie daselbst; Lad. Heinrich für experimentelle Psychologie und Methodologie der Naturwissenschaft, M. Wartenberg für Philosophie und Ober- insi^ector der allgemeinen Untersuchungsanstalt für Lebensmittel L. Marclilewski für allgemeine Chemie in Krakau; M. Ernst für Astronomie in Lemberg; K. Studnicka für zoologische Histologie und mikroskopische Anatomie an der czechischen Uni- versität Prag; W. Felix für Elektricitätslehre, Magnetismus und Optik an der czechischen technischen Hochschule in Prag; Dr. V. Hammerschlag für Ohrenheilkunde in Wien; Dr. Freyer für innere Pathologie in Lausanne; Dr. Gomperz für Philosophie in Bern. Es starben: Der ausserordentliche Titular - Professor für Diagnostik der syphilitischen Krankheiten Alex. Zarewicz in Krakau; Dr. Stech mann, Director des Breslauer botanischen Gartens, in Paris; Geheimvath Prof. Dr. Barack, Dii-ector der kaiserlichen Universitäts- und Landesbibliothek inStrassburg; die Professoren der Therapie Dr. L. Leech und der Chirurgie Thomas .Jones am Owens College in Manchester. XV. Nr. 47. Natur wissen.schaftliclie Woclieiischrift. 563 L i tt e r atu r. Friedrich Pietzker, Trofossor am Gymnasium zu Nordhausoii, Spracliunterricht und Sachunterricht vom naturwissenschaft- lichen Standpunkt. Ein Vorti-ag, gehalten ;uif der zweiund- siebzigsten Veisamnilung deiitsclier Naturforsclier und Aerzte zu Aachen. 1900. Verlag von Emil Strauss, Bonn 190O. — Preis 1,20 Mark. Möchte der Vortrag, in welchem der Redner rückschauend auf das neunzehnte Jahrhundert, das Jahrhundert der naturwissen- schaftliehen Forschung, für das beginnende zwanzigste den Namen eines Jahrhunderts der naturwissenschaftlichen Bildung fordert, gebülirend wirken. P. betont, wie das Vorwiegen des Sprach- unterrichts in dem höheren Schulunterrichte in früheren Zeiten seine volle Berechtigung gegenüber einer mangelhaften eigenen Cultiir in der Anlehnung an die antike Culturwelt gehabt hat, dass diese aber hinfällig geworden gegenüber der erworbenen eigenen, voll entwickelten Cultur der Gegenwart. Was die alte Schule der Jugend ins Leben niitgiebt, ist ein greisenhafter Doctrinarismus. ein rostiges Rüstzeug, unbrauchbar für den Kampf des modernen Lebens. Der Verfasser erhebt Widerspruch gegen den Zwang der alten Schule, welche dem modernen Geschlechte den Weg zur geistigen Entwickelung nur in den durch die Ver- gangenheit vorgezeichneten Bahnen gestatten will; er zeigt als erfahrener Pädagoge an schlagenden Beispielen, wie gerade ein zielbewusster, tiefgehender naturkundlicher Unterricht die aller- wirksamstem Mittel zur Erwerbung einer nicht nur idealen, sondern auch den Forderungen des modernen Lebens entsprechen- den Bildung in sich trägt. Kroll's stereoskopische Bilder für Schielende. 28 farbige Tafeln, 5., verbesserte u. vermehrte Auflage von Dr. R. Perlia, Augenarzt in Crefeld. Verlag von Leopold Voss in Hamburg. — Preis 3 Mk. Die 4. Auflage wurde im Bd. XII der „Naturw. Wochenschr." S. 630 besprochen, sodass wir hinsichtlich eines Referates über das zweckdienliche Werk dorthin verweisen und hier nur angeben, inwiefern sich die 6. von der 4. Auflage unterscheidet. Die fünfte bringt wiederum eine wesentliche Vermehrung der Tafeln mit congruenten Hauptfiguren und incongruenten Nebenfiguren, wofür einige weniger geeignete Tafeln nach Kroll ausgefallen sind. Statt eines Bildes mit vorschiebbaren Hälften steheu der Abwechselung wegen nunmehr deren 2 zur Verfügung. R. L. Garner, Die Sprache der Affen (The Speech of Monkeys). Aus dem Englischen übersetzt und herausgegeben von Prof. Dr. William Marshall. Autorisirte Ausgabe. Hermann Seemann Nachfolger, Leipzig 1900. — Preis 3 Mk. Die Untersuchungen Garner's über die „Sprache der Afifen" haben in den Tageszeitungen seit ein paar Jahren von sich reden gemacht: ist es doch seit Alters her eine Neigung des Menschen, seine Fähigkeiten auf seine umgebende Lebewelt zu übertragen und war doch durch die Untersuchungen Garner's die Aussicht geboten, nun einmal Eingehenderes, Wissenschaftliches über die Ausbildung der wichtigsten Fähigkeit des Menschen bei Thieren, über die „Sprache" der letzteren, etwas zu erfahren. Vom König Salomo wird erzählt, dass er die Sprache der Vögel verätanden habe. Man wird diese Sage als einen Beweis dafür anzusehen haben, wie sehr dem Menschen die Sprache der Thiere von jeher inter- essirt hat. In unzähligen Märchen und Fabeln der verschieden- sten Volksstämme werden Persönlichkeiten geschildert, die der Thiersprachen kundig waren, und jedenfalls hat das Problem, wie sich die Thiere gegenseitige Mittheilungen zukommen lassen, seit wir eine vergleichende Sprachwissenschaft haben, noch an Wichtigkeit gewonnen. Garner hat sich zu seinen Experimenten des Phonographen bedient, aber auch selbst versucht, die eigen- thümlichen Laute der Afifen nachzubilden. Die englische Ausgabe stammt aus dem Jahre 1892, die vorliegende Uebersetzung Marshall's bringt ein Nachwort aus seiner Feder, in dem er mit Recht auf Mancherlei in dem Buche aufmerksam macht, das in ein Werk, das wissenschaftlich sein will, nicht gut hineingehört; aber die Uebersetzung ist doch bei der Eigenartigkeit und dem grossen Interesse des Gegenstandes gerechtfertigt, um so mehr, als die Methode, die Garner bei seiner Untersuchung anwandte, eine durchaus exacte ist. Garner hat beobachtet, dass zwei Atfenindividuen verschiedener Arten ihre beiderseitigen Sprachen verstehen lernen, ja unter gewissen Um- ständen wenigstens, wenn auch selten, den Versuch machen, sich in der „Sprache" des anderen Individuums auszudrücken. Arnold, Prof. Dr. Carl, Ropetitorium der Chemie. 10. Aufl. Hamburg. — 7 Mark. Birnbaum, Hofr. Prof. Dr. K., Leitfaden der chemischen Analyse. 7. Aufl. Leipzig. — 3 Mark. Boehm, Priv -Doc. Dr. Karl, Zur Integration partieller Differcntial- systeme. Leipzig. — 1,80 Mrrk. Breddin, G., Hemiptera. Frankfurt a. M. — 4,50 M.ark. Britzelmayr, Max, Die Eichenen der Algäuer Alpen. Augsburg. — 15 Mark. Duncker, Dr. Geo, Variation und Asymmetrie bei Pleuronectes flesus L. Kiel — 10 Mark. Fischer, Prof. Dr. Ferd., Handbuch der chemischen Technologie. 4. bez. 15. Autl. 1. Bd.: Unorganischer Theil. Leipzig. — 12 Mark. Fisohli, Dr. Herm., Polychäten v. Ternate. Frankfurt a. M. — 6 Mark. Haase, Geo.. Ri^jictitorium der Physik. Freiburg i.B. — 2,60 Mark. Hedin, Dr. Sven. Die geographisch-wissenschaftlichen Ergebnisse meiner Kci^m in Centralasien, 1894-1897. Gotha. — 20 Mark. Kaiser, Dr. Wilh., Die Technik des moderneu Mikroskopes. 1. Lfg. Wien. — 2 Mark. Lorenz v. Liburnau, Cust. Dr. Ludw. Ritt., Ueber einige Reste ausgestorbener Primaten von Madagaskar. Wien. — 4,60 Mark. Meyer, A. B., Ueber Museen des Ostens der Vereinigten Staaten von Nordamerika. I. Berlin. — IG Mark. Ost, Prof. Dr. H , Lehrbuch der chemischen Technologie. 4. Aufl. des bisherigen „Lehrbuches der technischen Chemie". Hannover. — 15 Mark. Pictet, Prof. Dr. Ame, Die Pflanzenalkoide und ihre chemische Konstitution. Berlin. — 9 Mark. Rinne Prof. Dr. F.. Das Mikroskop im chemischen Laboratorium. Hannover. — 4 Mark. Roozeboom, Prof. Dr. H. W. Bakhuis, Die Bedeutung der Phasenlehre. Leipzig. — 0,80 Mark. Saussure, Dr. Henri de, Hymenoptera. Frankfurt a. M. — ö Mark. Schroeder, Geo v., u. Jul. v. Schroeder, DD., Wandtafeln für den l'nterricht in der allgemeinen Chemie und chemischen Technologie. 5. Lief. Cassel. — 16 Mark. Schröder, M.. Eibenstock. 2. Aufl. Leipzig. Schumann, K., Musaceae. Leipzig. — 2,40 Mark. Schur, Wilh., Vermessung der beiden Sternhaufen h und x Persei mit dem sechszöUigen Heliometer der Sternwarte in Göttingen. Berlin. — 9 Mark. Selenka, Prof. Dr. Emil, Studien über Entwickelungsgeschichte der Thiere. Fortsetzung. Wiesbaden. — 10,65 Mark. Specialkarte, geologische des Königreich Sachsen. Leipzig. — 3 Mark. Suter, Gymn.-Prof. Dr. Heinr., Die Mathematiker und Astronomen der Araber und ihre Werke. Leipzig. — 14 Mark. Briefkasten. ,m. J. Klein in Diekirch (Luxemburg). Die Hr. Prof. freundlielist übersandten Laubblätter von Platanus sind in der That sehr instructiv zur Demonstration des Credneria-Aderungs- Typus bei Platanus, auf den ich ,Naturw. Wochenschr." No. 43 aufmerksam gemacht habe. Freilich kommen auch in den Kronen der Platanen, besonders jüngerer Bäume mit fröhlich aufwachsen- den Trieben Uebergangsblätter zum Credneria - Typus und Blätter von diesem Typus selbst vor, am häufigsten und auf- fälligsten sind sie. immerhin an den Stockausschlägen. Sie sagen, dass solche Blattformen „als untere Blätter der Triebe normal vorzukommen" scheinen. Das ist in der That der Fall, wie Sie aus dem Satz S. 50.5, Spalte 2 unten ersehen. Diese Thatsache bestätigt wiederum — da doch die jungen Sprosse im Frühjahr besonders schnell wachsen und die unteren Blätter der Sprosse die Frühjahrsblätter sind — , dass Rückschläge besonders gern an schnell aufwachsenden Organen auftreten ! Ich benutze die Gelegenheit, einen Druckfehler in meinem Artikel zu verbessern. Der in Rede stehende Satz S. 505/506 ist nämlich hinsichtlich der Worte, die in Klammern eingeschaltet wurden, entstellt worden, er muss heissen: „Die Frühjahrstriebe bringen, anderen Laubhölzern gegen- über, zuweilen .... eine ungewöhnliche Anzahl einfachster un- gelappter (die Primärblätter von Platanus sind ebenfalls unge- lappt, sogar noch einfacher als z. B. Credneria triacuminata. — P.), I flachgebuchtetor Niederblätter mit keilförmigem Grunde, bei nicht I selten vorwiegender Ausbildung der Längendimensiou." P. Inhalt: Adolf Hnatek: Die Entstehung des PJanetepsystems. — Ueber die Thätigkeit der Malariaexpedition. — ^ Die Pflanzen- welt der Polargcgenden und ihr Anpassungsvermögen an die dortigen extremen Lebensbedingungen. — Die Mistel (Viscum album) und die Wassernuss (Trapa natans), zwei ganz oder theilweise verschollene Kinder der Flora Schleswig-Holsteins. — Zur Genesis der Kohlen. — Ueber Tragant, ein Beitrag zur Kenntniss der Pflanzenschleime. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Friedrich Pietzker, Sprachunterricht und Sachunterricht vom naturwissenschaftlichen Standpunkt. — Kroll's stereoskopische Bilder für Schielende. — R. L. Garner, Die Sprache der Afi'en. — Liste. — Briefkasten. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 47. Ferd. Dflmmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Die humanistischen Studien in ihrer Behandluugsweise nach comparativ- genetischer Methode auf naturwissenschaftlicher Unterlage. Prolegomena zn einer etlini.schen Psyeliologic Adolf Bastian. 13 Bohren Oktav. Preis 3 Mark. — BesucM der 8. Band derphysikaUselieu Zeitschrift von Poske. Offerten an die Expedition dieses Blattes. PATENTBÜREAU • Qlrich R. jVlaerz inh.C.Schmidtl.ein.Jngenleur Ferd. Dümmlers Verlaffsbuchhandlune: in Berlin SW. 12. Soeben erschien: Lehrbuch der Potentialtheorie. II. Allgemeine Theorie des logarithmischen Potentials und der Potentialfunktionen in der Ebene. Von Dr. Arthur Korn, Privatdoccnt an dor köuigl. Universitilt München. —^ Mit 58 in den Text gedruckten F.iguren. 24 Bogen gross Octav. Preis !) Mk., gebunden 10 Mk. fßrö.l)iimmlßrsVßrlagsbuchh.,BerlinSW.i2 3u JiilitcriijcnluMi cutvt'nljlcn: Jlrt{i|lrl)f{ilfl)fiifiölbfrlin04fiiiiii0jfinfö. 4^011 !C- .Ulciii .'önttiirflcu. Cilciv geb. "i.ii'" '•l'c. Poiii Umt kl irkfimtniö. Äi her 4i.iöltlilti'vatiiv, iicj. iiiib licrait'JiH'iii'lu'ii lum '^5. U. Wi:,l|ti [. ^iniiii; Wriiiibproblciiic. 3» VuHnvaii;, doH, in -))l II. ^iiiiib: :?a-3 aSctl). "sit .VKilliiviiu,; iicU. in AU. III. 45au^; Wut uiib SPotc. ^ii .s>albfraiu flcti. in 41t «Uli Dr. ^■»crinoini lürrf. 4. *.)lufl. 111. ^HUU'. will UHU ^ Pftgmttlfitold). ilatiiriüilffiililiiiftlldif ^olk»Jl)iid)fr. *\ .V Vliiilaqc, m-ii bearb. ü. ^. *$oti 4^hi-.'oli-iv (icb. 16 "~" 4^011 >,'(. iöcrnftcii Jittroiuö Uliinbft lif0 iinimdö. ^.•'"^' *" biiicii .siu Iriiliiiif. })rtfc Jjiilkft lliii bif Irk |ri| j)ogflfattg0 grifgealifntnict in ll)ina lAAik iUm '^*nnl IMiiiciibcrn. SJiit cim-m Js-arboiibilb IJUlF, I iBoiUniöoni inib 1:;7 m iiogcifflttö. ir _ _ Snf. mit) ;,iil)iiittcii, cU-iv ijob. hi Hf. ^nm CItuc 3cl)rciiicr. Üboif. büii Wariiiivctlic ,V't>l Lfli'sV ili'b. -MD m. li;ii(l)oiuilaiibc. 4<üii Dliuc Sdirctiicr. , .^, Übovj. U. .s>cloiii' Vobcbiiii. (Sieg. tKl'- -.-1" iW- (friillf .Antiiiortfiiauf f^inkrfrrtgni. /' '' "' in ilHUi iiiib 4Mlb. inin '•i^awi ViiiSciiücrrt, Dfif TilL' ;irari)tUüllcii .olliiftvatioiii'ii. cn. nob. s au. i-'m jniiftv. (iioii. rtcb. 1 au. V cim'C- hciiti'dini Ächiifviuiiiu'u [iluni, 4*011 '^a\\{ t'tiibeiilicrn. «iit I A-iübiMibilbciii iiiib 111 rslluftv. tJIca. cicb. t aU, Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW.12. Lehrbuch der Pflanzenpalaeontologie mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse des Geologen. Von H. Fotoniö, Kgl. Bfzirlisgeologen, beauftragt mit Vorlesungen über Pflanzenpalacontologie an der Kgl. Bergakademie zu Berlin. Mit 3 Tafeln und fast 700 Einzelbildern in 355 Textfiguren. 402 Seiten, gr. 8'. Preis geh. 8.- M., geb. 9,60 M. Tabellen qualitativen Analyse bearbeitet von Dr. F. P. Treadwell, imtcr Mitwirkung von Dr. Victor Meyer, Vierte vermehrte und verbesserte Auflage, Dr. F. P. TreadAvell. Lex. 8". Preis kartonnirt 4 Mark. VerantwortliLdier Uedactenr: Dr. Henry Potoniii, Gr. LielittrfeMe -^Vust bei Berlin, Potsdumerstr. 3.3, für den In.irratentlieil: Hugo Bernstein in Berlin. — Vorlag: Ferd. Dümmlers Verlag-.-l uchhandlung, Berlin SW. 12. — Druck: G. Bernstein, Berlin SW. 12. ?>^chenscljpi/i; Redaktion: Dr. H. Potonie Verlag: Ferd. Düuinilers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XY. Band. Sonntag, den 2. Dezember 1900 Nr, 48 Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- j Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Auftrage ent- anatalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist Jt 4- d& sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme Bringegeld bei der Post 15 A extra. PostzeitungaUste Nr. 5301. JL bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdinok ist nnr mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Albert Bernhard Frank f. Von Dr. R. Kolkwitz. Am 27. September dieses Jahres verlor die botanische Wissenschaft in Frank einen hervorragenden Vertreter, dessen umfassender Thätigkeit wir entschieden Bewunde- rung zollen müssen. Seine Erstlingsarbeiten hatten bereits wichtige all- gemeine Fragen zum Gegenstand, und ihre Resultate sind, wiewohl anfänglich bekämpft, heute zu allgemeiner An- erkennung durchgedrungen. Von diesen ersten Arbeiten seien zunächst seine Studien: „Ueber die durch die Schwerkraft verursachten Bewegungen von Pflanzentheilen" in seinen 18()8 er- schienenen Beiträgen zur Pflanzenphysiologie genannt. Er wandte sieb darin mit Erfolg gegen den be- rühmten Heidelberger Botaniker Hofmeister, der be- hauptet hatte, dass die Abwärtskrümmung horizontal liegender Wurzeln ähnlich erfolge, wie das passive Herab- neigen der Spitze einer weichen Siegellackstange, und rückte dadurch die alten Untersuchungen Pinot's wieder in das rechte Licht, wonach diese Wurzelkrümmungen als active Wachsthumserscheinungen zu bezeichnen seien. Er erkannte auch, dass es ein Reiz sei, welchen die Schwerkraft auf das Protoplasma ausübe. Eine nicht minder wichtige Arbeit ist die über: „Die natürliche wagerechte Richtung von Pflanzentheilen", welche 1870 erschien. Durch sie werden die Begriffe Trans- versalgeotropismus und Transversalheliotropismus in die Wissenschaft eingeführt, d. h. Schwerkraft und Licht ver- mögen Pflanzenorgane auch in horizontale Lage zu zwingen. Nach abermals 2 Jahren erschien die sich an oben- genannte anschliessende Publikation: „Ueber die Lage und Richtung schwimmender und sulunerser Pflanzentheile" in Cohn's Beiträgen zur Biologie der Pflanzen (1872). Er lieferte darin neben anderen beachtenswerthen Resul- taten den Nachweis, dass der Druck des Wassers es ist, welcher die Pflanzen bestimmt, die Länge des wachsen- den Blattstieles der Schwimmblätter je nach der Höhe des Wasserstandes zu reguliren. Auch seine weiteren physiologischen Arbeiten „Ueber die Veränderung der Lage der Chlorophyllkörner und des Protoplasmas in der Zelle, und deren innere und äussere Ursachen" (1874) und „Ueber den Einfluss des Lichtes auf den bilateralen Bau der symmetrischen Z\feige der Thuja occidentalis" (1875), welche in Pringsheim's Jahrbüchern veröifentlicht sind, erzielten volle Beachtung. Alle diese Arbeiten sind in Leipzig, wo er haupt- sächlich seine Studien absolvirte, entstanden. Dort war Frank seit 18G5 Gustos am Herbar und seit 1867 Privat- docent. Erst 1878, im Alter von 39 Jahren, wurde er zum ausserordentlichen Professor daselbst ernannt. Im Jahre 1881 verliess er Sachsen (er wurde 1839 in Dresden geboren) und folgte einem Ruf nach Berlin, wo er an der Landwirthschaftlichen Hochschule 18 Jahre lang das Amt eines Professors für Pflanzenphysiologie und Pflanzenpathologie bekleidete. Den näheren Anstoss zu dieser Berufung wird sein 1880 herausgegebenes Werk: „Die Krankheiten der Pflanzen" gegeben haben. Eine Neuauflage desselben in drei Bänden erschien 1895 — 96. In Berlin wandte sich Frank ganz vorwiegend land- wirthschaftlich-wissenschaftlichen Fragen zu. Mit grossem Erfolge baute er die von Kamienski auf- gestellte Lehre der Ernährung vieler höheren Pflanzen durch Pilze aus und führte für ihre Wurzeln 1885 den Namen „Mycorrhiza" ein. Mit einigen anderen grossen Themen war er dagegen weniger glücklich. Seine 1888 aufgestellte Behauptung, 566 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 48. (lass die Fähigkeit auch der höheren Pflanzen, den freien Sticisstoif der Luft zu assirailiren, weit verbreitet sei, liat sich nicht halten können, ebeu.sowenig die 1890 gemachte Angabe, dass die Bacterien in den Knöllchen der Legu- minosen sich durch die ganze Pflanze verbreiteten. Die diesbezüglichen Untersuchungen erschienen unter dem Titel: „Die Pilzsynibiose der Leguminosen." (1890.) Sehr viel tbat Frank für die Bekämpfung der Schäd- linge unserer Kulturpflanzen, besonders durch seine Ar- beiten über den Gnomoniapilz der Kirschbäume, über Monilia auf Kirschbäumen, über Phoma betae, den Roggen- halmbrecher, den Weizenhalmtödter u. a. m. 1894 wurde auf sein Betreiben sein Institut für Pflanzenph}'Siologie auch zu einem solchen für Pflanzen- schutz erweitert und damit der praktischen Landwirth- schaft eine willkommene Centrale geschaffen. Bald darauf wurde von Schultz-Lupitz die Gründung einer Reichsanstalt für praktische Land- und Forstwissen- schaft angeregt und bei der Wichtigkeit einer solchen Neuschaffung mit Unterstützung anderer tüclitiger Männer auch durchgesetzt. Am 1. April 1899 wurde Frank zum Kaiserhchen Geheimen Regieruugsrath und Vorsteher dieses neu er- richteten, dem ßeichsgesundheitsamt augegliederten Insti- tutes ernannt. Es geschah dies in gerechter Würdigung der hervorragenden Verdienste, welche dieser mit be- wunderungswürdiger Schaffenskraft ausgestattete Mann sich für alle Zeiten erworben hat. Es war ihm zwar nur all- zukurze Zeit vergönnt, auf einem so gewichtigen Posten thätig zu sein, aber er konnte die Ueberzeugung mit ins Grab nehmen, alles eri'eicht zu haben, wohin sein Wissen und Können ihn führen konnte. Diese kurze Schilderung umfasst zwar die Haupt- punkte, welche zum Gedächtniss Frank 's unbedingt hervorgehoben werden mussten, aber sie geben doch nur ein schwaches Bild von seiner umfassenden Thätig- keit. Von seinen zahlreichen Publikationen seien zur un- gefähren Orientirung deshalb nur noch folgende genannt: Seine 1867 herausgegebenen Bestinmiungstabellen für Pflanzen erlebten 1896 die 7. Auflage. 1883 — 1886 bearbeitet er die Botanik . in Leunis' Synopsis. Diese 3 Bände sind noch heute gute N:.ch- schlagebücher. 1892—1893 gab er sein „Lehrbuch der Botanik" heraus, 1897 sein „Kampfbuch gegen die Schädlinge un- serer Feldfrüchte" und 1899 in Gemeinschaft mit Krüger ein „Schildlausbuch", im Anschluss an seine Studien über die San Jose-Schildlaus. Frank war 1895— 1897 Rector der Landwirthschaft- lichen Hochschule und seit langem erster Schriftführer der Deutschen Botanischen Gesellschaft, die ihm eine Reibe werthvoller Mittheilungen in ihren Berichten ver- dankt. Es steht zu erwarten, dass dort im nächsten Jahr ein Nachruf erscheinen wird, dem ein vollständiges Ver- zeichniss seiner Schriften beigegeben ist. Entwickelung unserer Kenntniss des Spinnenauges. Von Rabes-Marburg a./L. Das Studium der Anatomie des Spinnenauges stammt erst aus diesem Jahrhundert, und besonders seit der zweiten Hälfte desselben ist von Seiten der Zoologen diesem Gegenstande immer grosses Interesse entgegen- gebracht worden, galt es doch dabei die anziehende Auf- gabe zu lösen, den Bau der Augen der Arthropoden im allgemeinen in Einklang und Beziehung zu den Augen der übrigen Thiere zu setzen. Das Arthropodenauge nimmt ja dadurch einen ganz eigenthümlichen Charakter an, dass bei ihm Cuticula und Gallertkörper aus sehr harten und dicken Chitinmassen bestehen, während jene docli bei allen übrigen wirbellosen Thieren weich und dünnhäutig sind. Diese starren Chitinmassen bedingen die ganz eigenartige Form des Arthropodenauges; für die feinere Untersuchung mit dem Mikroskop aber bildeten sie anfangs ungeheure Hindernisse, da das harte Chitin ja bekanntlich beim Schneiden mit dem Mikrotom grossen Widerstand leistet und sehr häufig ein Zerreissen oder doch Splittern der Schnitte bewirkt. Mit der Vervoll- komnmung der optischen Instrumente und der zunehmen- den Kenntniss des Conservirungs- und Untersuehungs- niethoden thierischer Objekte hat sich jedoch unsere Kenntniss von dem feineren Baue der Spinnenaugen un- gemein vertieft, so dass es recht interessant ist, in kurzen Zügen diese Entwickelung zu verfolgen, wie es in der nachfolgenden Darstellung versucht ist. Dieselbe soll nur die Hauptzüge der Entwickelung unserer Kenntüisse vom Spinnenauge darstellen und in historischer Folge nur die Forschungsresultate wiedergeben, die bleibenden Werth besitzen, oder doch in sehr enger Beziehung zu den Er- gebnissen späterer Forscher stehen. Dementsprechend sind die Arbeiten vor Grenachers grundlegendem Werke (cf. unten) nur kurz und aus der grossen Zahl der späteren Autoreu auch nur einige der hauptsächlichsten berücksichtigt; denn icli halte es für ganz zwecklos, alte, längst erkannte und berichtigte Irrthümer und falsche Beobachtungen immer wieder ans Licht zu ziehen und ausserdem als ermüdend für den Leser, an dieser Stelle eine Menge ihm gänzlich unbekannter Namen zu citiren. Noch bemerken muss ich, dass die Zeichnungen zu aller- meist aus den Originalarbeiten der betreffenden Autoren copirt sind. Abgesehen von Treviranus, der schon 1816 über die Anatomie der Phalangidenaugen schrieb, veröft'entlichte Tulk 1843 über denselben Gegenstand, dass die beiden Augen der Phalangiden verbunden und mit ein paar Muskeln versehen seien, die unter den Augen lägen und eine Verschiebung des Augeninhalts bewirken sollten. Diese Arbeiten sind nur von historischem Interesse. Joh. Müllers berühmtes Werk: „Zur vergleichenden Physio- logie des Gesichtssinnes", in welchem er für das zusammen- gesetzte Auge der Arthropoden seine „Theorie des musi- vischen Sehens" entwickelt, stellt in erster Linie nur seine ausgedehnten anatomischen Untersuchungen besonders der zusammengesetzten Augen dar und ist nur von mittelbarer Wichtigkeit für unsere Frage, da durch dassell)e viel An- regung zur Untersuchung der Arthropodeuaugen ausging und so indirekt auch die Kenntniss des anatomischen Baues der Spiunenaugen erheblich gefördert wurde. Aus der Reihe der bezüglichen Publicationen sind wohl die von Leydig (1855) die wichtigsten, da er nicht nur die Facettenaugeu, sondern auch die einfachen Augen der Arthropoden untersucht hat. So z. B. beschreibt er das in manchen Spinnenaugen zwischen Glaskörper und Re- tina auftretende Tapetum als aus zerstreuten Flimmerchen gebildet, die, wie er sich poetisch ausdrückt, am dunklen XV. Nr. 48. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 567 lii- -;ir:;a^^ ^j titi ^«"«»»»«M^ pfifft' Vis In diesen Grube Angengninde erscheinen „wie Sterne am dunklen Firma- ment". Die Muskehl des Spinneuauges und die iiinter dem Linsencentrum radiär gestellte Schicht durchsichtiger Zeilen — den Glaskörper ^ beschreibt er ausführlich und genau, doch wollen wir erst im Nachfolgenden dar- auf eingehen. — Ein für unsere Frage geradezu grund- legendes Werk sind die „Untersuchungen über das Seh- organ der Arthropoden, insbesondere der Spinnen, Insek- ten und Crustaceen" von Grenacher, 1874. Mit seinen Forschnngsresultaten, soweit sie das Spinnenauge be- treffen, müssen wir uns eingehender beschäftigen. Die Augen der Spinnen zeigen einen mehrschichtigen Bau. Um das recht /u verstehen, müssen wir uns erst ein ein- schichtig gebautes Aiige an- seilen, wie es recht typisch z. B. die Larven des be- kannten Wasserkäfers Dyti- cns marginalis zeigen. Diese einfachsten Lichtempfin- dungsorgane der Arthropo- den stellen, wie die ein- fachen Augen vieler anderer wirbelloser Thiere, gruben- förmige Einsenkungen des Epithels dar. (Die Epithel- zellen der Arthropoden Schema de: werden fast durchgangig ,i,p = (in , als „Hypodermiszellen" be- '' = Quii zeichnet, weshalb ich im Nachfolgenden auch stets diese Bezeichnung benutzen werde.) stehen am Grunde die Sinneszellen; sie sind in Pigment ein- gehüllt und haben ihren Zusammenhang mit den Hypo- dermiszellen bewahrt. Figur 2 und besonders Figur7 zeigen dieses sofort. Ueber das Auge hinweg geht die starke Cuti- cula, die am Auge selbst farblos und durchsichtig ist. Ihre Verdickung über dem Auge (1) lässt sich sofort als Linse deuten. Unter der Cutirula liegen die Hypodermis- zellen, die allmählich in die Siiuieszcllen übergehen, in- dem sie sicii Uui.ner streekeu. Itings um das Auge sind sie pigmentieit. Diese l'ignientblendung hält die das Auge seitlich treffenden Lichtstrahlen ai) (Pg). Inner- halb dieser Zellen sind die Zellen noch stärker in die Länge gezogen und biegen sich vorn in den Hohlraum der Grube über; sie sind in ihrem vorderen Theile durch- sichtig und stellen den Glaskörper dar (gl.) Im Grunde der Einsenkung stehen dann die Retinazellen (r), die an ihrem vorderen Theile Stäbehen (st.) tragen, mit dem hinteren Theile aber in Nervenfasern (n) auslaufen. Beides kennzeichnet sie als die eigentlichen Elemente der Lichtempfindung. Dass diese Augen epillielialen Ur- sprungs sind, bezeugt nicht nur ihr augenfälliger Zusam- menhang mit den Ilypodcrniiszellen, sondern auch der Umstand, dass jene dünne CMiitinlamelle (Basalmembran bni), die die Hypodermiszellen an ihrem inneren Ende ab- scheide bni, auch um das Auge herumläuft. Ein Gleiches werden wir auch bei den mehrschichtigen Augen der Spinnen finden. — Die Augen der Spinnen sind zweischichtig; denn die eigentlichen Sinueszellen liegen erst unter den Hypo- dermiszellen. Figur 2 stellt diese Verhältnisse dar: Zu oberst befindet sich die Cuticula (c), auf sie folgt nach innen eine Schicht Hypodermiszellen , die innerhalb des Auges durchsichtig sind und als Glaskörper (gl) be- zeichnet werden. Dann folgen die langgestreckten Eetina- zcllen (r), die durch die Basalmembran (bm) von den Hypo- dermiszellen getrennt sind. Die erste und die zweite Schicht stehen also nicht in unmittelbarem Zusammenhange. Doch nun zu Grenachers Untersuchungen. Zunächst be- schreibt auch er ziemlich ausführlich die Musculatur des Auges. Dieselbe besteht aus (j bis 10 quer gestreiften Fasern (m), die am oberen Integument der hinteren Augen entspringen und sich schlelfcnförmig um die vor- deren Augen legen, wo ihre Querschnitte wieder sichtbar werden. Grenacher meint, dass durch diesen Verlauf eine Verschiebung der Retina gegen die feste Linse ermöglicht werde, um andere Theile der Aussenwelt auf die Retina projizieren zu können. Spätere Forscher jedoch legen diesen Augenmuskeln überhaupt keine Bedeutung für das Sehen mehr bei, da sie nur an den Augen entlang laufen, ohne sich mit ihnen zu verbinden. — Die Beschreibung, die Grenacher von der Linse und dem Glaskörper giebt, ist sehr genau und von allen nach- folgenden Autoren als cxact anerkannt, so dass keiner etwas Wesentliches derselben hinzufügen kann. Die Linse (1) ist nichts anderes als eine Verdickung der Cuti- cula, ihr Zusammenhang mit dieser ist ganz augenschein- lich. Sie zeigt bei den echten Spinnen und den Phalan- giden (Weberknechte, Afterspinneu) eine mehr oder weni- ger deutliche Schichtung, die sich ganz deutlich in die Cuticula fortsetzt. Die Linse ist stark gewölbt, ihre beiden couvexen Flächen gehören Kugeln verschiedener Radien an. Die Zellen der Hypodermis gehen ohne nach- weisbare Grenze in die langgestreckten Zellen des Glas- körpers über, die alle dadurch ausgezeichnet sind, dass ihre Kerne ganz am hinteren Ende liegen. Der Glas- körper bildet eine conccntrische, völlig durchsichtige Lage, deren Zellen radiärgestellte, abgestumpfte Pyramiden sind, die mit der Basis an die Retina anstossen, mit der ab- gestumpften Fläche aber dem Hinterrand der Linse an- liegen. — Die ßetinazellen dokumentiren sich wieder dadurch, dass sie am vorderen Ende ein Stäbchen tragen, am hinteren Ende aber in eine Nervenfaser auslaufen als Liing.äselinitt durch das Auge von Acantholophus (nach Pii^ cell). - 1 = I.iii c — Cuticula, Pij = Pigment, isor an der Universität Bonn, Lehrbuch der Physik für Studirende. 3. verbesserte Auflage. Mit a3r> Abbildungen. Ferdiuand Encke in Stuttgart, 1900 ~ Preis 11 Mark. Die 2. Auflage erschien 1894 (vergl. die Anzeige in der „Naturw. Wochenschr." Bd. X 1895, No. 33, S. 403), die dritte unterscheidet sich dadurch von der zweiten, dass grössere Klar- heit und Schärfe des Ausdrucks erstrebt wurde, und die neuen Ergebnisse der Wissenschaft, „soweit sie in den Rahmen eines derartigen elementaren Buches passen", eingefügt wurden. Dr. Friedrich Kohlrausch, Präsident der physikalifcli-toidinischcn Berlin. Die Energie oder Arbeit und die Anwendungen des elektrischen Stromes. Neilag \ un Diuu-kerv^i Hiimblut. Leipzig 1900. - Preis 2,40 M. Nach einer populären Einleitung über die Begriffe Kraft, I'juergie, Arbeit, und den anderen Begriffen, deren Kenntniss zum Verständniss des Gesetzes von der Erhaltung der Energie nöthig sind, geht Verf. auf die elektrischen Vorgänge in ihrer Beziehung zur Energie ein. Das Heft hat die Absicht, über diese Dinge elementar zu orientiren, um — gelegentlich der vor kurzem er- folgten Gesetzgebung — beim Publikum ein Verständniss für die Strafbarkeit gegen elektrische Anlagen anzubahnen. K. Zepf, Einführung in die Mineralogie und Chemie nebst einem kurzen Abriss über Gesteinslehre iiud Erdgeschichte. seminarien, hülieren Mädchenschulen und verwandten Anstalten sowie zum Selbstunterricht. Mit 83 Abbildungen und zwei Farbendrucktafeln. 2., verbesserte und erweiterte Auflage des „Leitfadens für den ersten Unterricht in der Naturkunde" (I. Theil). Herder'sche Verlagshandlung in Freiburg im Breis- gau, 1900. — Preis 1,80 Mk. Der Titel des Heftes ist so ausführlich, dass er vollkommeno Auskunft ülier das giebt, was es will; es ist für die angegebenen Zwecke brauchbar. Wilhelm Ostwald. Grundlinien der anorganischen Chemie. Mit 122 Textfiguren. Wilhelm Engelmann in Leipzig 1900. — Preis 16 Mark, (geb. 18 Mark.) Verfasser will mit dem vorliegenden Buche die Aufgabe zu lösen suchen, „die gegenwärtigen Anschauungen und Kenntnisse der wissenschaftlichen Chemie derart in den Untorrichtsgang hineinzuarbeiten, dass der Lernende bereits von vornherein mit den neueren Ansichten vertraut gemacht wird und nicht etwa erst die älteren, unzulänglichen Vorstellungen kennen lernt, um später zu erfahren, dass er sie zu ändern hat '' Dass dabei das Buch in mancherlei Hinsicht von dem üblichen Gang abweichen muss, ist klar; es ist zweifellos nicht nur für den Chemie Lernenden, sondern auch Lehrenden von grossem Interesse, da es — wie das bei Ostwald nicht anders erwartet worden wird — von dem Geiste der neuesten Chemie durchweht ist. Wir werden den Charakter des Autors am besten zur An- schauung bringen, wenn wir das Wesentliche aus dem „Vor- bericht" weiter abdrucken. Für den oben angegebenen Zweck — — sagt 0. — war die Grundform des Lehrbuches, wie sie zur Zeit mit geringen Abänderungen üblich ist, ziemlich weitgehend um- zugestalten. „Ich habe mich bemüht, dies nur soweit zu thuu, als es durch den Zweck geboten erschien, und habe von den bewähr- ten Formen soviel beibehalten, als möglich war. Wenn ich in dieser Beziehung für das Gefühl manches Kollegen zu radikal verfahren bin, so möge bedacht werden, dass es hier mit neuen Flicken auf dem alten Kleide nicht gethan ist. Vielmehr kann etwas Einheitliches nur geschaffen werden, wenn das Ganze aus einem Geiste gestaltet und von einem Plan getragen ist. Was ich beibehalten habe, ist zunächst die naturhistorische Anordnung des Stoffes. Man könnte vielleicht schon jetzt den Versuch wagen, die Chemie von vornherein als eine rationelle Wissenschaft auf Grund einiger Prinzipien aufzubauen, und die Beschreibung der verschiedenen Stoffe nur als Erläuterungen dieser allgemeinen Gesetze einzuführen. Was mich hiervon abgehalten hat, ist nächst XV. Nr. 48. Naturwiesenscliaftlich^ Wockenachrift. 575 dem Bed'äuffiiss des geschichtlichen Zusammönhang^es dio'^rftoTitit- niss gewesen, dass die Mannigfaltigkeit dev verschiedenen Stoffe zu gross und ilire Einzelkenntniss zu wichtig ist, als dass eine solche Darstellung gegenwärtig für den Unterricht sich verwerthen Hesse. So bin ich den Weg gegangen, in den trationellen Rahinen der naturhistorischen Ordnung nach Elementen und ihren Verbin- dungen die allgemeinen Gesetze einzufügen, wo sich dazu Anlass und Gelegenheit ergab. Die hierbei zu lösende Aufgabe hat etwas an ein künstlerisches Problem erinnerndes ; denn die Einfügungen der allgemeinen Gesetze durften nicht dem zufälligen Anlass an- heimgestellt werden, sondern diese mugsten ihrerseits eine syste- matische Ordnung einhalten, welche ihr Verständniss und die Er- kennung ihres gegenseitigen Zusammenhanges sicherte. Dem- gemäss kann ich auch die von mir versuchte Lösung in keiner Weise als eine einzig mögliche ansehen, und ich k.ana mir zahl- reiche andere Wege zu demselben Ziele denken. Aber es schien mir doch der Mühe werth, den Nachweis zu versuchen, dass ein solcher Gang des Vortrages überhaupt möglich ist. Ein Lehr- buch, welches reformatorische Pläne der geschilderten Art ver- folgt, wendet sich naturgemäss an einen zweifachen Leserkreis, die Lehrer und die Schülei-, und hat dadurch eine doppelte Auf- gabe zu erfüllen, welche die Arbeit nicht wenig erschwert. Ich habe hierbei im Zweifelsfalle stets die Bedürfnisse des Schülers in erster Linie berücksichtigt, und bin dadurch zu einer gewissen Ausführlichkeit der Darstellung gelangt, die nicht nöthig gewesen wäre, wenn ich ausschliesslich für den Lehrer geschrieben hätte. Dem Schüler gegenüber habe ich mich zu der Durchführung des Grundgedankens verpflichtet gefühlt, dass ihm ein wirklich syste- matisch geordneter Stoff geboten wird , der streng in solchem Sinne entwickelt wird, dass das Verständniss des Neuen nur die Kenntniss des Vorausgegangenen, nicht die des später Vorzutra- genden voraussetzt. Ueberall habe ich es mir zum Gesetze ge- macht, allgemeine Erörterungen nur dann zu bringen, wenn in Gestalt irgend welcher anschaulicher Thatsachen ein Beispiel vor- lag, auf welches jene Betrachtungen anzuwenden waren. Für die Durchführung des rationellen Aufbaues des chemischen Lehr- gebäudes hat sich ein Verfahren als zweckmässig erwiesen. Es besteht darin, dass man nach Feststellung der chemischen Grund- begriffe, aber vor dem Beginn der regelmässigen Beschreibung der Stoffe und ihrer Umwandlungen, eine kurze Uebersicht der- jenigen chemischen Verhältnisse giebt, die jedem aus dem täg- lichen Leben geläufig sind. Diese Uebersicht schliesst sich zweck- mässig an die Einführung des Begriffs der chemischen Elemente; indem für diesen alsbald ein anschaulicher Inhalt gewonnen wird, entsteht der weitere Vortheil, dass man bei der hernach so oft eintretenden Nothwendigkeit, Stoffe zu erwähnen, die im System ei-.st an späterer Stelle abgehandelt werden, sich auf das hier Ge.-i;igt(' beziehen kann. Mit besonderer Sorgfalt bin ich bei der Entwickelung des lonenbegriffes zu Werke gegangen. Es- wird vielleicht nicht genügepid beachtet, dass es möglich, ja nothwen- dig ist, diesen Begriff als einen rein chemischen und nicht als einen elektrischen einzuführen. Wenn er auch geschichtlich auf dem zweiten Wege entstanden ist, so beruht doch seine Bedeu- tung für die Chemie wesentlich darauf, dass er die chemische Thatsache der individuellen ßeactionen der Salzbestandtheile zum Ausdruck bringt, und in solchem Sinne habe ich ihn entwickelt. Die elektrolytischen Thatsachen und das Faradaysche Gesetz dienen dann nur zur Erweiterung und Vertiefung des auf chemi- schem Wege gewonnenen Begriffes. Einige Worte wären noch darüber zu sagen, dass das vorliegende Lehrbuch ein Lehrbuch der reinen Chemie sein soll. Es ist auf die angrenzenden Wissen- schaften und Künste nur soweit Rücksicht genommen worden, als chemische Fragen dabei ins Spiel kamen. Dies gilt in erster Linie für die chemi?che Technologie, dann auch für die Medicin, die Landwirthschaft, die Volkswirthschaft u. s. w. Der Inhalt zerfällt in 44 Kapitel, die sich betiteln: 1. All- gemeine Grundlagen, 2. Die Erhaltungsgesetze, 3. Die Verbren- nungserscheinungen und der Sauerstoff, 4. Die chemischen Ele- mente, 5. Sauerstoff, 6. Wasserstoff", 7. Wasser, 8. Wasserstoff- peroxyd, i). Chlor, 10. Sauerstoffverbindungen des Chlors, II. Brom, Jod und Fluor, 12. Schwefel und seine Verbindungen, 13. Selen und Tellur, 14. Stickstoff, 15. Phosphor, IG, Kohlenstoff, 17. Sili- cium, 18. Bor, 19. Argon, Helium und Verwandte, 20. Kalium, 21. Natrium, 22. Rubidium, Cäsium, Lithium und Ammonium, 23. Calcium, 24. Magnesium, 2.5. Strontium, Bai-yum und Beryllium, 26. Aluminium und die anderen Erdraetalle, 27. Eisen. 28. Man- gan, 29. Chrom, 30. Kobalt und Nickel, 31. Zink und Cadmium, 32. Kupfer, 33. Blei, 34. Quecksilber, 35. Silber, 36. Thallium, 37. Wismuth, 38. Antimon, 39. Arsen, 40. Vanadin, Niob, Tantal, Gallium und Indium, 41. Zinn und Verwandte, 42. Uian, Wolfram und Molybdän, 43; Gold und die Platinmetalle, 44. Die Wahl der Verbindungsgewichte und das periodische System. F. Klein und E. Biecke, XTeber angewandte .Mathematik und Physik in ihrer Bedeutung für den Unterricht an höheren Schulen. Nebst Erläuterung der bezüglichen Göttinger Uni- versitätscihrichtungeh. — N'orträu'e, gehalten in Göttingen, Ostern 1900, bei Gelegenheit des Frriencursus fiir Oberlehrer der Mathemittik und Physik. Mit einem W^ieder-Abdruck ver- ' sohiedener einschlägiger Aufsätze von F. Klein. Mit 84 Toxt- figuren. B. Q. Teubner in Leipzig und Berlin' 1900 — Preis 6 Mark. Was sind angewandte Mathematik und Physik im Sinpe der neuen Prüfungsordnung, und was bedeuten sie für die höheren Schulen? Wie kann der Lehrer sich nöthigenfalls durch Selbste Unterricht die erforderlichen Kenntnisse erwerben? Wie anderer- seits sind mit Rücksicht auf das Bedürfniss der Schulen wie der Wissenschaft überhaupt unsere bezüglichen Universitätseinrich- tungen zu ergänzen? Dies etwa sind die Fragen, welche in den Aufsätzen bohandelt werden. Es sind übrigens nicht alle Vorträge zum Ab- druck gekommen, die beim Feriencursus gehalten worden sind: es blieben diejenigen weg, die ihres abweichenden Inhalts wegen nicht in den Rahmen der vorliegenden Schrift passten. Die ab- gedruckten, freilich für die Veröffentlichung passend veränderten Vorträge sind: I. Zur Geschichte des physikalischen lilstituts und des physikalischen Unterrichts an der Universität Göttingen, von Ed. Riecke, IL Allgemeines über angewandte Mathematik, von F. Klein, III. Ueber technische Mechanik, vonF.Klein, IV. Ueber darstellende Geometrie, von Fr. Schilling, V. Einführung in die Geodäsie, von E. Wiechert, VI. Ueber Versicherangsmathematik, von G. Bohlmann, VII. Ueber Wärmekraftmaschinen, von Eug. Meyer, VIIL Ueber Elektrotechnik, von Th. des Courdes. Die wiederabgedruckten Aufsätze Klein's sind: I. Ueber den Plan eines physikalisch-technischen Instituts an der Universi- tät Göttingen. Vortrag, gehalten am G. Dezember 1895 im Hannoverschen Bezirksverein des Vereins deutscher Ingenieure. II. Die Anforderungen der Ingenieure und die Ausbildung der mathematischen Lehramtscandidaten. Vortrag, gehalten im Hanno- verschen mathematischen Verein am 20. April 1896. III. Universi- tät und technische Hochschule. Vortrag, gehalten in der ersten allgemeinen Sitzung der 70. Versammlung deutscher Naturforscher uud A.'rzt.. in 1 >ii>s.l,l,,i f ;iiu lü, September 1898. IV. Ueber die NeueiurielituniTi'U t'iii- l'.bktrcit<'chnik und allgemeine technische Physik an der Uiiiv.T.^ität (n.ttingen (aus der Physikalischen Zeit- schrift (Leipzig, Hirz.-I), December 1899). Einen ,,Catalogue general" sendet uns die bekannte Firma J. B. Baillifere et fils in Paris. Er enthält Litteratur zur Medi- zin, Naturgeschichte, Landwirthschaft, Thierarzneikunde, Physik, Chemie und Industrie und zwar werden 5000 Veröffentlichungen in dem Katalog vorgeführt. Imperial University of Tokyo. The Calendar (1899—1900). Tokyo: published by the University. 1900. Das Buch giebt ge- naue Auskunft über die Universität Tokyo und die Vorgänge an derselben im Studien-Jahre 1899 — 1900. Es zeigt, welche grosse Eütwickelung dieses Institut genommen hat. Briefkasten. Hrn. Prf. P. — Nachtrag zu der Antwort in Nr. 45, S. 539. Der Königliche Bezirksgeologe Dr. Beushausen schreibt uns freundlichst über das Wort Culm das Folgende: Die in der N. W. gegebene Erklärung des Wortes Culm-Formation ist nicht richtig. Das Wort Culm ist zuerst in England in der Geologie angewandt worden, und zwar von Murchison. Er be- zeichnete als culmiferous oder culm-measures Schichten von Schiefern und Sandsteinen, in denen Flötze einer Kohle vor- kommen, die als stone coal oder mit einem Localnamen als culm von der bituminous oder common coal unterschieden wird. In den englischen Wörterbüchern finden Sie für culm ge- wöhnlich die Uebersetzung Schmiedekohle. Von England ist die Bezeichnung dann nach Deutschland gekommen; Murchison und Sedgwick haben 1842 zuerst die jetzt als Culm bekannten Grau- wacken und Thonschiefer u. A'. des Ober-Harzes als culm- measures angesprochen. Berichtigung. ■ In Nr. in, S. 536, Spalte 2, Zeile 5 von oben, findet sich ein Fehler, der zwar schon durch den Sinn des betreffenden Satzes Irrthümer ausschliesst, aber hier doch noch berichtigt werden mag. Der Wurmfarn ist also nicht mykotroph, sondern autotroph. Inhalt: Dr. R. Kolkwitz: Albert Bernhard Frank f- — Rabes: Entwickelung unserer Kenntniss des Spinnenauges. — Ueber einen experimentellen Nachweis von Blutsverwandtschaft. — Die Getreidevarietäten Graubündens. — Die Herkunft des Kohls auf Helgoland. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. H. Kayser, Lehrbuch der Physik für Studirende. — Dr. Friedrich Kohlrau eh. Die Energie oder Arbeit und die Anwendungen des elektrischen Stromes. — K. Zepf, Einführung in die Mineralogie und Chemie nebst einem kurzen Abriss über Gesteinslehre und Erdgeschichte. — Wilhelm Ostwald, Grund- linien der anorgauischea Chemie. — F. Klein uud E. Riecke, Ueber angewandte Mathematik und Physik in ihrer Bedeutung für den Unterricht an höheren Schulen. — Catalogue gen(5ral. — Imperial University of Tokyo. — Briefkasten. — Berichtigung. 576 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 48. ►♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦♦ ♦♦♦♦♦♦< ♦ i von Poncet Glashütten -Werke 64, Köpaickerstr. BERLIN SO., KöpnickerBtr. 54, Fabrik und Lager / , aller (iefässe und Utensilien für ^ ) ( hem., pharm., physical., electro- u. a. techn. Zwecke. '..-:< Gläser ffir den Versand nnd znr Ansstellnng naturwissenschaftlicher Präparate. Prelmverteichntaa grallm und franco. Ferd. Dümnilers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. 12. Lehrbuch der Potentialtheorie. Allgemeine Theorie des logarithmischen Potentials und der Potentialfunktionen in der Ebene. Von Dr. Arthur Korn, Privatdocent an der königl. Universität München. ^^— Mit 58 in den Text gedruckten F.iguren. —^— 24 Bogen gross Octav. Preis 9 Mk., gebunden 10 Mk. 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(Slcij. «ob. iMif W. 11i»ti»r liillb^t '"' -Waibbimlniibo. i^oii Cliüc ed)rciiicr. |lllll ^IIIIKll Übcrf. b. .VH-Icno yiibcbiiH. (£-lfii. geb. LMd S.V. ftii)!fJlntniottfttaiiffiJiil)frftngfM.,,f5;'eS„ ■2. Denn. '.Huflaiii', olfgant jvbunbi'ii :;,ili> 4)f. itllU »M IKlUl ^i.i.'it :A-1 prarf)fbolIcii ,3IIu[tratioucii. "' 2 il^iiiibc. ."^obcv ^iVuib Clav öfb. s m. ix\\ ^^t\\mp frirpaltrntrurr in lliinn iniii '4>nii( Siinbciibcrfl. S)Jit ciitciii J'it'-'fi'bilb, \ i^oübilbcrii imb Vil Qauftr. Skg. geb. 1 W. frib llltncifltttll -''t"'"'''""' "'""5 bcutfclicit ©diiff-jiuiigcii 4U^ giUIJll|Uüyi in .sviiuitirfH'iv «bii H.J!nitl l'iiibcitbcrfl. l'iit 4 J\'nrbciibilbi'Vii itiib SUiiftr \ er«ntwortliclier K Hugo Bernstein in Henry I'otonii":, Gr. Liihterfeldo - Wo.";! bei Berlin, Potsdanierstr. 35, für den Inscratentheil: lg: Ferd. Diimmlers Vcrlngsbuchhandjung, Berlin SW- 12. - Druck: G- Bernstein. Berlin SW. 12, Verlag: Ferd. Düinmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW, 12, Zimmerstr. 94. XV. Band. Honntag. den 9. Dezember 1900. Nr. 49. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen und Post- ,. Inaerate: Die viergespaltene Petitzeile 40 Ji. Grössere Aufträge ent- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.- gh) sprechenden Rabatt. Beilagen nach Uebereinkunft. Inseratenannahme BrinRegeld bei der Post 15 A extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. X bei aUen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdruck ist nur mit vollständiger Qnellenangabe gestattet. Das Spaltungsgesetz der Bastarte. („Loi de disjonction des hybrides.")*) Ein Referat von Dr. August Ginzberger in Wien. Der Name „Bastart" ist gerade keine Schmeichelei: Bastart bedeutet ursprünglich eine „schlechte, nichts- nutzige Art"**), und trotzdem haben sich Botaniker und Zoologen schon vor langer Zeit mit die.sen „nichtsnutzigen" und doch so interessanten Objecten beschäftigt, die von jeher zu vielerlei wissenschaftlichen Controversen Anlass gegeben haben. Besonders wogte heftiger Streit darüber, ob die Bastarte fruchtbar seien oder nicht, d. h. ob sie keimfähige Samen und befruchtungsfähige Pollenkörner zu erzeugen im Stande sind. Wie es gewöhnlich bei derlei DiiTerenzen geht, bewegten sich die Behauptungen anfangs in den grössten Extremen: von einer Seite wurde behauptet, dass in „Betreff der Fruchtbarkeit zwischen Bastarten und Arten kein Unterschied bestehe"***), andere wieder sprachen den Bastarten überhaupt jede Zeugungsfähigkeit ab. Die Wahrheit liegt — wie so häufig — in der Mitte. Es gicbt vollkommen fruchtbare Bastarte, solche mit ver- minderter Fruchtbarkeit und ganz unfruchtbare. Im Allgemeinen kann man sagen, dass durch Bastartirung eine Herabsetzung der Fertilität bewirkt wird. Diese erstreckt sich aber nicht nur auf die Fähigkeit, keimfähige Samen zu erzeugen, sondern auch auf den Procentsatz an befruchtungsfähigem Pollen, wie an einer grösseren Zahl von Beispielen erst kürzlich des Näheren gezeigt wurde. t) ;Im Allgemeinen ist die Fruchtbarkeit umso geringer, je weiter die betreffenden Arten im System von de l'Acad. des Sciences. *) Vergl. De Vries in Comptes Paris IIM.HJ, 26. mars. **) Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. I, S. 1150. ^^'*) Kerner, Ptianzenleben, I. Aufl , II. Bd., S. 570. t) Jenöiö in öst. bot. Zeitschr. 1900, No. 1—3. einander entfernt sind. Das gilt sowohl für die Samen als auch für den Pollen. Weitere interessante Fragen knüpfen sich an die Art, wie die Eigenschaften der Eltern an dem Bastart mit einander vereinigt sind. Kerner unterscheidet drei Fälle der Verbindung der elterlichen Merkmale an dem Kreuzungs- produkt: die Verschmelzung, die Vereinigung und die Mengung.*) Auf die Unterschiede dieser drei verschiedenen Ver- bindungsweisen soll hier jedoch nicht näher eingegangen werden. Die Art des Auftretens der elterlichen Merkmale bei den Bastarten wurde in jüngster Zeit von mehreren Forschern fast gleichzeitig zum Gegenstande eingehender Untersuchungen gemacht. Es war ein geschickter GriflF, dass hiezu meist Bastarte von verschiedenen Varietäten einer Art — nicht von verschiedenen Arten — ver- wendet wurden. Man wählte ferner zunächst solche Spielarten, die sich nur in einem einzigen Merkmal von einander unterschieden, wodurch natürlich die ganze Sache wesentlich vereinfacht wurde: Als sehr geeignete Objecte für derlei Versuche er- weisen sich Rassen der gewöhnlichen Gartenerbse (Pimm satimm L.) und zwar vor allem deshalb, weil sich die genannte Pflanze fast nur durch Autogamie fortpflanzt, wodurch das Eindringen fremder Merkmale verhindert wird. [Uebrigens wurde gezeigt, dass in Bezug auf Zahl und Gevcicht der erzeugten Samen sich ein Unterschied zwischen Autogamie, Geitonogamie (d. h. Befruchtung zwischen verschiedenen Blüthen desselben Stockes), *) Pflanzenleben, Bd. II, S. 553. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 49. und isomorpher oder heteromorpher Xenogamie (Befruch- tung zwischen verschiedeneu Individuen gleicher resp. verschiedener Varietät) nicht constatiren lässt.] Mit dieser Pflanze stellten C. Correns'-') und E. Tschermak*''') ihre Experimente an. Das Resultat war durch seine Ge- setzmässigkeit ausserordentlich überraschend, noch über- raschender vielleicht aber war Correns' Entdeckung, dass der Abt Gregor Mendel in einer „Versuche über Pflanzen- Hybriden" betiteUen Abhandlung***) schon im Jahre 1865 das „Spaltungsgesetz der Bastarte" gefunden hat, das also nach ihm mit vollem Rechte als Mendersches Gesetz bezeichnet wird. Kreuzt man zwei Erbsenrassen, die sich nur durch ein Merkmal von einander unterscheiden, so macht man alsbald die Beobachtung, dass es manche Merkmale giebt, die sich im Bastart in der mannigfachsten Weise mit- einander verbinden; wenn z. B. die eine der beiden Erbsensorten eine rothorange, die andere eine giUnlich- hyalin gefärbte Samenhaut besitzt, so zeigt der Hastart eine Mischung der beiden Farben und zwar in allen möglichen Uebergängen. Ganz anders verhalten sich jedoch viele andere Merk- male, f) z. B. die Farbe der Cotyledouen. Es giebt Erbsenrassen, bei denen dieselben gelb und andere, bei d«nen sie grün sind. Man könnte vielleicht erwarten, die Colylcdonen der durch die Kreuzung eutstandenen Samen wären grüngelb. Allein dem ist nicht so. Es zeigt sich vielmehr die höchst merkwürdige Erscheinung, dass die Cotyledouen aller dieser Samen gelb gefärbt sind. Wie ist das zu erklären? Wir müssen uns vorstellen, dass die beiden Merkmale „grün" und „gelb" nicht völlig gleichwerthig sind; vielmehr hat letzteres vor ersterem einen gewissen Vorzug, es ist stärker, so stark, dass es das andere ganz unterdrückt, nicht in Erscheinung treten lässt. Man nennt dieses stärkere Merkmal nach Mendel das „dominirende", das unterdrückte das „recessive." Gelb ist im vorliegenden Falle das dominirende, grün das recessive Merkmal. Wichtig ist es noch, zu bemerken, dass es hier vollkommen „gleichgültig ist, ob das dominirende Merkmal der Samen- oder der Pollenpflanze angehört." Es entsteht nun zunächst die Frage, was denn wohl mit dem recessiven Merkmal geschehen sein mag. Auf diese Frage erhalten wir sofort eine befriedigende Antwort, wenn wir die gelben Bastartsamen ff) anbauen. Man würde vielleicht in den Hülsen der daraus entstehenden Pflanzen wieder lauter gelbe Keime erwarten. In Wahr- heit zeigt sich das merkwürdige Verhältniss, dass durch- schnittlich-j-ff) auf drei gelbe ein grüner Keim d. deutscheu bot. Gesellsch. XVIII (1900), Heft 4, *) 158. **) Zeitschv. für das laudvvirthsch. Versuchswesen in Oester- reich, 1900, Heft .3; vorläufige Mittheilung in den Ber. der deut- schen bot. Gesellsch. XVIII (1900), Heft 6, S. 232. Auszug im biol. Centralbl. XX (1900), Heft 18, S. 593. ***) Verhandl. d. naturf. Vereins in Brunn, IV (1865), Abb. Seite 3. t) Für die nachstehend angeführten Versuche eignen sich nur Merkmale, die an den verschiedenen Varietäten scharf hervor- treten und sich sicher unterscheiden lassen, nicht aber relative Charaktere. tt) Es ist wichtig, behufs Vermeidung von Missverständ- nissen zu bemerken, dass dieser Ausdruck soviel wie „durch Kreuzung entstandene Samen" bedeutet; die Pflanze, die derlei Samen trägt, bia u cht, wie gerade an dieser Stelle, kein Bastart ttt) In einer Hülse, ja auch bei einer und diMsi-ilicn Pflanze kann das Verhältniss ein vom Durchschnitt recht stark abweichendes sein. So fand Mendel in 6- bis 9-samigin Hülsen öftei- lauter gelbe, aber niemals mehr als ö grüne .Samen in einer Hülse. Die Zahl gelber und grüner Samen auf einer Pflanze entsprach öfters dem Verhältniss 3:1; doch fand Mendel auch ein Exemplar mit 32 gelben und nur 1 grünen, dagegen ein anderes mit 20 gelben upd 19 grünen Samen. kommt. Das recessive Merkmal ist also nicht ganz ver- schwunden; es war nur latent vorhanden, wurde in der ersten Generation durch das dominirende unterdrückt und ist erst in der zweiten Generation wieder erschienen. Diese Samen mit gelben Keimen sind — ebensowenig wie in der ersten Generation — durchaus nicht alle mit Samen der reinen gelbkeimigen Rasse identisch; denn wenn man erstere anbaut, so erhält man einerseits Indi- viduen, die — diesmal, wie auch bei den folgenden Generationen, ist stets Selbstbefruchtung vorausgesetzt — durchaus Samen mit gelbem Keim tragen. Baut man diese an, so bergen die Hülsen wieder nur gelbkeimige Samen, die ausgesäet dasselbe Resultat ergeben — kurz, diese Gruppe von Bastartsamen (Gruppe I) verhalten sich genau wie die der reinen Rasse mit gelben Keimen. Das eben Gesagte gilt aber nicht für alle gelben Keime der ersten ]5astartgeneration*), sondern nur füi- den kleineren Theil, etwa ein Drittel. Die beiden anderen Drittel (Gruppe II) der gelben — oder, was dasselbe ist — die Hälfte aller Samen der ersten Bastartgeneration*) zeigt genau dasselbe Verhalten wie die sämmtlichen Samen der ersten Generation über- haupt; sie ergeben angebaut Pflanzen, die grüne und gelbe Keime hervorbringen, und zwar wiederum auf drei gelbe einen grünen. Die gelben Samen ergeben wieder ein Drittel Pflanzen, die nur gelbe, und zwei Drittel, die gelbe und grüne Samen**) gemischt erzeugen. Das dominirende Merkmal ist also, wie Mendel dies ausdrückt, im ersten Falle „Stamm-Charakter", im zweiten „hybrides Merkmal". Es wäre nur noch das Verhalten der grünen Samen (Gruppe III) der ersten Pjastartgeneration zu erörtern. Dass sie ungefähr ein Viertel aller Samen ausmachen, wurde bereits erwähnt. Werden sie ausgesäet, so ent- wickeln sich Pflanzen mit lauter grünen Samen, die ihrerseits — wie zu erwarten — wieder Exemplare mit ausschliesslich grünen Samen ausbilden. Die Samen der Gruppe III verhalten sich also genau wie die nicht durch Bastartirung entstandenen der reinen grünsam igen Rasse. — Fassen wir das Gesagte nochmals kurz zu- sammen: Die erste Generation hat nur gelbe Samen. Diese zerfallen .in drei Gruppen : I, II und III. I erzeugt beim Anbau nur Pflanzen mit gelben Samen, und diese Eigenschaft ist genau wie bei den reinen der gelbsamigen Rasse durch alle folgenden Generationen***) erblich; für III gilt dasselbe, nur mit dem Unterschied, dass alle Samen stets grün sind: die Samen von II geben Pflanzen mit theils gelben, theils grünen Samen, und zwar kommt auf drei gelbe ein grüner — es zerfallen also die von II abstammenden Samen wieder in drei Gruppen, die im selben Zahlenverhältniss stehen wie I, II und III, nämlich 1:2:1. Natürlich ist dieses Verhältniss kein mathe- matisch genaues, aber die Abweichimgen sind sehr gering; so betrugen in einigen Fällen die Zahlen für die grünen Samen, in Procenten ausgedrückt: 25%, 26,2 7o> 23,8 Vo» 24,2 %, 23,6 «/o etc. Noch einer interessanten Consequenz aus dem eben erörterten Mendel'schen Gesetz soll gedacht werden. Wenn man nämlich mehrere Generationen hindurch die Zahl der die Mittelklasse (11) bildenden Samen vergleicht, so findet man — eine gleiche Zahl von Samen vorausgesetzt — dass die Angehörigen von II in der ersten Generation 100 "/o aller vorhandenen Samen ausmachen, in der zweiten *) d. i. im Ganzen der zweiten Generation. ■ *) Bisweilen wurden statt „Samen mit gelben oder grünen Keimen" kurz „gelbe (oder grüne) Samen" gesagt. •*■) Mendel setzte seine Versuche durch 6 Generationen fort, ohne dass das Resultat sich änderte. XV. Nr. 49. Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. 579 nur mehr 50 "/(,, in der dritten 25 "o n- s. w., kurz, in jeder folgenden nur die Hälfte der in der vorliergehenden enthaltenen. Der Procentsatz an Samen der Gruppe II (die theils grün-, theils gelbsamige Individuen hervor- bringen) bildet also in den einzelnen Generationen eine fallende geometrische Progression. Es wird also nach einer grösseren Zahl von Generationen gar keine der- artigen Samen mehr geben*), sodass in diesem Falle der Entstehung einer neuen Form durch Bastartirnng ein unüberwindliches Hinderniss gegenübersteht. Die Erklärung des Mendel'schen Gesetzes ergiebt sich aus den Befruchtungsvorgängen mit voller Cousequenz, wenn man nur noch die schon erwähnte Voraussetzung macht, dass das dominirende Merkmal das recessive ver- hindert, in Erscheinung zu treten, dass aber auch das letztere latent erhalten bleibt. Ferner muss voraus- gesetzt werden, dass auch im Bastart jeder Sexualkern — sowohl Eikern als auch generativer Kern des Poilen- sehlauches — vor der Befruchtung nur die Anlage für eine der beiden Eigenschaften enthält, und zwar durch- schnittlich die eine Hälfte der Kerne für gelb, die an- dere für grün. Stehen sodann einander gleiche Anzahlen von männlichen und weiblichen Sexuaikerneu gegenüber, jede Gruppe wiederum zur Hälfte mit der Anlage für das dominirende, zur anderen Hälfte für das recessive Merk- mai begabt, so ergiebt sich nach den Regeln der Wahr- scheinlichkeitsrechnung, dass die Chance für das Zu- sammentreflen zweier gleichartiger Sexualkerne je 'A; für die Vereinigung zweier ungleichartiger aber V2 ist- Im ersten Falle entstehen die beiden Gruppen I und III, im zweiten die Gruppe II, deren Samen natürlich, da „gelb" dominirt, alle gelb sind. Das entspricht aber genau den Ergebnissen der Experimente. — Auch die oben erwähnten Schwankungen in der Zahl der ver- schieden gefärbten Samen, sowie namentlich die extremen Ausnahmen von der Regel lassen sich unter der eben ge- machten Annahme zwanglos erklären, da ja keineswegs bei einem bestimmten Exemplar die Zahl der Sexual- kerne mit der Anlage für das dominirende resp. das recessive Merkmal auch nur annähernd gleich sein muss; auch ist zu bedenken, dass es ganz dem Zufalle anheim gestellt ist, was für Sexualkerne sich bei der Befruchtung zusammenfinden. Mendel hat ausser den Erbsenrassen mit verschieden gefärbten Cotyledoneu auch noch eine Anzahl Varietäten gekreuzt, die durch andere Merkmalspaare von einander verschieden waren. Solche Paare von Merkmalen, deren eines stets als dominirendes auftrat, während das andere als recessiv zu bezeichnen war, sind**): Samen rund — Samen kantig; Samenschale grau bis lederbraun (zugleich Blüthe violett-roth) — Samenschale (und Blüthe) wei.ss; reife Hülse nirgends eingeschnürt — Hülse zwischen den Samen tief eingeschnürt; unreife Hülse grün — unreife Hülse gelb; Blüthen „längs der Axe vertheilt" — BlUthen „am Ende der Axe gehäuft"; Axe 6 — 7' lang — Axe %— IV2' laug. Wie in dem bis jetzt besprochenen Falle wurden zu- nächst Rassen gekreuzt, die nur durch je ein Merkmal von einander verschieden waren. Das Resultat entspricht in jeder Beziehung dem bereits erörterten Gesetze. Es sei nur noch hinzugefügt, dass Uebergangsformen zwischen zwei Merkmalen eines Paares niemals beob- achtet wurden. — Bisher war stets die Rede von Bastarten, deren Stammeltern nur in einem Merkmal von einander ver- *) Diese Erscheinung ist das längst bekannte Zurückschlagen der Bastarte in die Stammeltern. **) Das zuerst genannte Merkmal ist in allen aufgezählten Fällen das dominirende. schieden sind. Mendel hat jedoch seine Versuche auch auf solche Bastarte ausgedehnt, deren Stammeltern in mehr als einer Eigenschaft von einander verschieden waren. Dabei ist es am einfachsten, Samenmerkmale zu vergleichen, da hier die Constatirung des Effektes der Kreuzung, namentlich der Zahlenverhältnisse den geringsten Schwierigkeiten unterliegt. Es wurde z. B. eine Rasse mit runden Samen und gelben Cotyledonen mit einer Rasse gekreuzt, deren Samen von kantiger Gestalt waren und grüne Cotyledonen be- sassen. Kürzerer Schreibweise halber sollen die genannten Merkmale in der angeführten Reihenfolge mit ^1, B, a und b bezeichnet werden. yl/J bedeutet dann die Ver- bindung der Charaktere in der einen, ah in der anderen Rasse. Die durch Bastartirnng entstandenen Samen waren durchaus, wie nicht anders zu erwarten stand, gelb und rund, da „gelb" und „rund" die dominireuden Merkmale sind. Angebaut ergaben dieselben Pflanzen mit viererlei verschiedenen Samen, und zwar waren von 55ß Samen (aus 15 Pflanzen erhalten): 315 rund und gelb {AB), 101 kantig und gelb {aB), 108 rund und grün {Ab), 32 kantig und grün {ab). AB wurde angebaut und ergab wieder 4 Gruppen von Pflanzen; es hatten nämlich 38 nur runde gelbe Samen {AB), 65 gelbe und grüne runde Samen {ÄBb), 60 runde und kantige gelbe Samen {AuB), und 138 gelbe und grüne runde, gelbe und grüne kantige {AaBb), d. h. Samen von jeder möglichen Art. aB ergab beim Anbau nur zweierlei Pflanzen, näm- lich 28 mit lauter kantigen gelben {aB) und 68 mit gelben und grünen, aber durchaus kantigen Samen {aBb). Ebenso brachten die aus Ab erwachsenden Pflanzen nur zweierlei Nachkommen; 35 davon hatten nur runde grüne Samen {Ab), 67 besassen lauter grüne, aber runde und kantige Samen {Aab). Die kantigen und grünen Samen ergaben beim An- bau durchaus Pflanzen mit Samen der gleichen Art {(tb). Dieses Resultat ist vollkommen analog demjenigen, welches die Versuche mit Rassen, bei denen nur e i n Merkmal verschieden ist, ergeben haben. Jedes domi- nirende Merkmal unterdrückt auch hier das entsprechende recessive in der ersten Generation, in den übrigen aber tritt letzteres hervor und beweist so sein latentes Vor- handensein auch dort, wo es nicht direkt wahrnehmbar ist. Wo in der zweiten Generation*) nur recessive Merk- male {ab) vorhanden sind, ändern sich die Nachkommen nie mehr. Treffen aber dominirende Merkmale mit re- cessiven derselben Kategorie (z. B. gelb mit grün) in einer Combination zusammen, so sind die Nachkommen von mehrerlei Art, da die recessiven Merkmale an einem Theile derselben wieder in Erscheinung treten. Interessant sind auch die Zahlenverhältnisse. Die Samen der ersten Bastartgeneration bilden 4 Gruppen, deren Glieder im Verhältnisse AB : «ß : ^4ä : «6 = 9 : 3 : 3 : 1 stehen. Für die Samen der zweiten Bastartgeneration ergiebt sich das Verhältniss: AB : aB : Ab : ab : ABb : AaB : aBb -. Aab: AaBb =1:1:1:1:2:2:2:2:4. Es ist auch, wenn man die Stellung des domiuirenden Merkmales zum recessiven beachtet, ersichtlich, dasS die ersten vier Gruppen in beiden Merkmalen constant sind, sodass — Selbstbefruchtung vorausgesetzt — ihre Nach- kommen sich nicht mehr ändern werden; die nächsten vier Gruppen sind nur in je einem Merkmal constant, und ihre Nachkommen sind jedesmal von zweierlei Art; die letzte Gruppe ist in keinem Merkmale constant und er- giebt viererlei verschiedene Nachkommen. *)d. ;astartgenerf 580 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 49. Der ganze Gang der Dinge, insbesondere auch die Zablenverhältnisse, erklären sich in diesem Falle ganz ähnlich wie in dem zuerst erwähnten, wo die beiden ge- kreuzten Kassen nur durch ein Merkmal verschieden waren. Wir müssen auch hier für die Beschaffenheit der Sexualkerne ganz ähnliche Voraussetzungen machen, je- doch mit dem unterschiede, dass wir jedem Sexualkerne des Bastartes ein Paar von Eigenschaften zuschreiben, welches eine constante, d. h. auf die Nachkommenschaft unverändert sich forterbende Combination derselben dar- stellt; in unserem Falle waren dies die Combinationen: AB, aB, Ab, ab. Mendel hat auch eine experimentelle Begründung dieser theoretischen Annahme gegeben, indem er einen Bastart mit jeder der beiden Stammpflanzen kreuzte. Doch kann diese Ausführung sowie die Verwendung der Theorie zur Erklärung der betretfenden Thatsachen kaum kürzer dargestellt werden, als in seiner oben citirten Ab- handlung, und möge daher in dieser selbst nachgelesen werden. Dasselbe gilt von der Darstellung der eintreten- den Verhältnisse und ihrer Erklärung, wenn die gekreuzten Erbsenrassen in mehr als zwei Merkmalen verschieden sind. Die eingangs citirte Arbeit E. Tschermaks bestätigt in jeder Hinsicht das Mendel'sche Gesetz, enthält aber ausserdem noch zahlreiche und genaue Untersuchungen über verschiedene Detailverhältnisse, wie Zahl, Gewicht der Samen, Sitz des schwersten Kornes u. s. w. Nach dieser ausführlichen Darstellung kann es ge- nügen, wenn auf die Ergebnisse analoger Versuche au anderen Pflanzen nur mit wenigen Worten hingewiesen wird. Mendel experimentirte auch mit Bohnen -Arten und fand, dass die Bastarte der beiden weissblühenden Arten Pha.seolu>i vtilgark L. und nanua L. seinem Gesetze ent- sprachen, was dagegen von den beiden stärker verschie- denen Arten Phaseolus nuimxh. und Ph.coccineus'L. (=)nulti- tlorus Willd.) namentlich in Betreff der Blüthenfarbe der Bastarte keineswegs behauptet werden kann. De Vries fand übrigens das Gesetz Mendels an einer grösseren Anzahl von Rassenbastarten bestätigt. — Zum Schluss möge noch ein auch in anderer Hinsicht interessanter Fall Erwähnung finden, nämlich die von Correns*) und de Vries**) mit Maisrassen angestellten Versuche. Es kommt nämlich nicht selten vor, dass in Maiskolben mit gewöhnlichen gelben Körnern anders- gefärbte, z. B. blaue Körner eingestreut sind.***) Dieses Verhalten ist das Resultat einer Kreuzung zwischen den betreffenden Varietäten. Derlei durch Kreuzung hervor- gerufene Abweichungen pflegt man mit W. 0. Focke als „Xenien" (d. h. fremdartige Bildungen) zu bezeichnen. Ein anderer Versuch (von de Vries angestellt)!) betraf die Kreuzung des gewöhnlichen Mais, dessen rundliche, glatte Körner im Endosperra Stärke enthalten, mit dem „Zuckerraais", der runzlige Körner mit einem zucker- *) ßer, d. deutschen bot. Gesellsch. XVIII (19O0), Heft 3, S. 85 ff. **) Ber. d. deutschen bot. Gesellsch. XVIII (1899), Heft 10, S. 410. ***) Vergl. auch Körnicke, Handbuch des Getreidebaues (Berlin, P. Parey, 1886) Bd. 1, S. 344 ff. t) Comptes rendus de l'Academie d. Sciences, Paris, ^. Dec. 1899; Referat im biolog. Centralbl. (1900), S. 129. haltigen Endosperm besitzt. Wenn der Pollen der ersten Varietät auf die Narben der zweiten gebracht wurde, so entstanden glatte, gerundete Samen mit stärkehaltigem Endosperm. Diese Merkmale sind demnach als donii- nirende, die anderen (runzlige Oberfläche, zuckerhaltiges Endosperm) dagegen als recessive zu bezeichnen. In den Kolben der Pflanzen, die aus diesen Bastartsamen ge- zogen wurden, waren die Samen theils von der einen, theils von der anderen Art. Die Rassenbastarte des Mais verhalten sich nun im Wesentlichen ebenso wie die der Erbsen. Eine besonders interessante Eigenthümlichkeit der ersteren möge hier noch kurz besprochen werden. Der Sitz der blauen Färbung der Maiskörner ist näm- lich das Innere der Zellen der ,,Kleberschichte."*) Diese aber gehört zum Endosperm und zwar ist sie die an der Samenschale unmittelbar anliegende Zellschichte desselben. Es ist nun sehr merkwürdig, dass hier ein ausserhalb des Embryos liegender Theil des Samens ähnliche Er- scheinungen zeigt wie bei den Erbsen die Cotyledonen, deren Verhalten jedoch, da sie Theile des Embryos sind, in ganz einfacher Weise aufgeklärt werden konnte. Mit Rücksicht auf das analoge Verhalten des Endosperms beim Mais war Correns auf den Gedanken gekommen, es müsse auch das Endospei'm das Resultat eines der Befruchtung verwandten Vorganges sein. In der That haben Nawaschin**) und Guignard***) vor kurzem nach- gewiesen, dass bei einigen Liliaceen (Liliuni Martagon L. und Fritillaria tenella) das Endosperm ein Gewebe ist, zu dessen Entstehung die Verschmelzung des „zweiten generativen Pollensehlaueh-Kernes" mit dem „secundären Embryosack-Kerne" Anlass giebt. Beim Mais dürfte es sich wohl ebenso verhalten, und ein durch Kreuzung zweier Varietäten entstandener Same enthielte sodann nicht nur einen Bastart-Embryo, sondern auch ein Bastart- Endosperm. — Es ist immer eine schöne Sache, wenn man einen Complex von Erscheinungen in dem unendlich verwickelten Weltgetriebe soweit kennen gelernt hat, dass das Ergeb- niss mathematisch dargestellt werden kann. Und um- so erfreulicher ist ein solches Resultat, wenn es gelungen ist, die einfachen und scharfen Formeln der exactesten aller Wissenschaften auf die organische Welt anzu- wenden, die, unendlich viel complicirter als die nicht organisirte Materie, lange Zeit mathematischer Behandlung gänzlich unzugänglich zu sein schien. In einigen Fällen ist es nun doch gelungen. Das Mendel'sche Gesetz ist ein Beispiel dafür. Aber vor etwas muss gewarnt werden: vor über- eilter Verallgemeinerung.!) Mendels Gesetz ist bisher nur für gewisse Merkmale einer Anzahl von Rass en- tastarten und nur für einige Bastarte sehr nahe ver- wandter Arten erwiesen worden. Ob und inwieweit es auch darüber hinaus giltig ist, darüber müssen weitere Untersuchungen Licht verbreiten. *) Körnicke, 1. c S 335. **) Bullet, de l'Acad. imper. des Sciences de St. Petersbourg, IX (1898), No. 4. Vergl. auch botanisch. Centralblatt, tom. 78, S. 241 ff. ***) Rev. gen(5r. de botan. XI (1899), S. 129 ff. t) Vergl. Correns, Ber. d. deutschen bot. Gesellsch. XVIII, S. 1G7 f. XV. Nr. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 581 Ueber die Einwirkuiifi; des Sauerstoffs auf Eiit- wickelune: und über den Gaswechsel in den ersten Entwickeliuiifsstiulit'ii von IJanii teniporarla hat E. God- levvski L'iitersueliiini;oii angestellt i .•\iiy,rii;c der Akademie der Wisseuscharteu iu Krakau. Juli lüUU.) Schon mehrfach ist die Frage, inwieweit der Sauer- stoff iu der embryonalen Entwickelung der Organismen als Factor mitwirkt, der Gegenstand von Untersuchen ge- worden. Bei denselben handelte sich's iu erster Linie immer darum, nachzuweisen, ob für die Entwickelung die Gegenwart von Sauerstoff unbedingt erforderlich ist, dann darum, die relative Empfindlichkeit des Embryo gegen- über dem Mangel an Sauerstoff' zu bestimmen. So ver- tritt Roux den Standpunkt, dass Luftzufuhr für die Fort- eutwickelung des Froscheies eine Nothwendigkeit sei. Loeb kommt in seinen verschiedenen Arbeiten zu dem Schlüsse, dass mit fortschreitender Entwickelung die rela- tive Empfindlichkeit des Embryo gegen Sauerstoffmangel zunimmt, ferner, „dass im Ctenolabrusei, wenn aller aus- pumpbarer Sauerstoff verdrängt ist, keine vollständige Zellteilung mehr zu Stande kommt" und „dass bei den Seeigeleiern ohne Sauerstoff weder eine Furchung der Zelle noch des Kerns möglich ist." Samassa kommt zu dem Resultat, „dass das Ei von Rana temporaria in den ersten 20 Stunden der Entwickelung von Sauerstoflumge- bung unabhängig ist", während 0. Schultze sich dahin äussert, „dass eine während der Forschung bestehende hochgradig beschränkte Ventilation der Eier von nur •24-stündiger Dauer auf die Entwickelung hemmend ein- wirkt und im ungünstigen Falle zum langsamen Tode führt." Da hiernach die einzelnen Forscher in ihren An- sichten nach mancher Richtung hin nicht übereinstimmen, konnten weitere Untersuchungen nur zur Klärung beitragen und solche hat nun Godlewski angestellt. Er suchte zunächst die Frage zu beantworten, „ob die Furchung der befruchteten Froscheier ohne Sauerstoff ablaufen kann." Zu diesem Zweck wurden frisch be- fruchtete Froseheier in destiliirtem Wasser, aus dem durch zweistündiges Kochen die Luft möglichst entfernt worden war, in einen zweckentsprechend construirten Apparat gebracht und derselbe nun mittelst einer Queck- silberluftpumpe an 2 mm Druck evacuirt. Dann wurde die zur Verbindung von Apparat und Quecksilberpumpe dienende Glasröhre abgeschmolzen und der geschlossene Apparat stehen gelassen. Zum Controllversuch wurden demselben Froschovorium entstammende und genau sowie im ersten Falle befruchtete Eier in gewöhnliches destil- lirtes Wasser gebracht und dem Luftzutritt in einer offenen Glasschale ausgesetzt. 79 Stunden nach der Befruchtung waren aus den Eiern des Controllversuches Larven mit etwas ausgebogenen Körpern geworden. Nun wurde der Apparat geöffnet und da zeigte sich, dass die in ihm ent- haltenen Eier sich erst auf dem Blastulastadium befanden, welches bei den Controlleiern schon 20 Stunden nach der Befruchtung: eingetreten war, dass die Furchuug nur bei wenigen Eiern normal verlaufen war, bei den meisten hingegen mannigfache Unregelmässigkeiten aufwies. Die Oberfläche der meisten Eier bestand aus Zellen ver- schiedenster Grösse. Zwischen den kleinen runden Zellen lagen, zu Haufen angeordnet, grössere, auch ein Nest ganz kleiner vieleckiger Zellen. Viele Eier trugen deut- liche Zeichen des wohl schon längere Zeit vorher ein- getretenen Todes, aber auch die anscheinend normal ge- furchten, nicht sofort als „abgestorben" erkennbaren Eier hatten in der Zeit, die sie sich im Vacuum befunden hatten, ihre Entwickelungskraft eingebüsst, da kein ein- ziges von ihnen, in frisches Wasser gebracht und dem normalen Luftzutritt ausgesetzt, sich weiter entwickelte. Auf Grund noch einiger weiterer Verbuche kommt Ver- fasser zu dem Schluss, „dass die Froscheier in der Furchungs-Periode den Sauerstoffzutritt von aussen" — ein gänzliches Fehlen des Sauerstoffs ist zu unwahrscheinlich — entbehren können", wenngleich in diesem Falle die Furchung auch nicht ganz normal verläuft. Zur Entscheidung der Frage, ob etwa die Entwicke- lung durch den negativen Druck gehemmt sein könnte, beschloss Verfasser, um normale Druckverhältnisse zu haben, die Luft durch ein anderes neutral wirkendes Gas zu ersetzen. Eine halbe Stunde nach der Befruchtung wurden daher die Froscheier in mit Wasserstoff gesättigtes destillirtes Wasser gebracht und nun in einem eigens hierzu hergerichteten Apparat gereinigtem strömendem Wasserstoff' ausgesetzt, während zur Controlle anderen Eiern in gewöhnlichem destillirten Wasser der Lufzutritt gewährt wurde. 15 Stunden nach der Befruchtung wurden die Eier zum ersten Male der mikroskopischen Controlle unterzogen, was bei der platten, niedrigen Gestalt des Versuchsglasgefässes auch an den Versuchseiern ohne Störung des Versuches leicht direct möglich war. Dabei stellte sich schon jetzt, obgleich bereits die Coutroll-, wie auch die Versuchseier fast alle sich zu entwickeln ange- fangen hatten, eine Verschiedenheit insofern dar, als die Eier, die in der Wasserstoffatmosphäre sich befanden, be- deutend grösser waren wie die Controlleier. Nach 39 ','2 Stunden war an den im Wasserstoff sich entwickelnden Eiern ein bedeutendes Fortschreiten in der Entwickelung nicht zu constatiren, nur konnte man an ihrem vegetativen Goln eine grosse weisse Scheibe wahrnehmen — ein Be- weis für eine eingetretene Störung. An den Controlleiern kommen nur noch ganz kleine weisse Punkte, aber be- reits die Anlage des Blastoporus zur Beobachtung (bei stärkerer Vergrösserung). Am Ende des Versuches, nach 65 Stunden, befanden sich die Controlleier unmittelbar vor dem Stadinm, wo die Larve sich in die Länge streckt. Die Versuchseicr hingegen waren theils todt, theils aber wiesen sie die bei dem Vacuumversuch beobachteten patho- logischen Veränderungen auf und keines der letzteren ent- wickelte sich trotz Herstellung normaler Lebensbedin- gungen. Nach diesen Resultaten kann Verfasser be- stätigen, dass innerhalb der ersten zwanzig Stunden die Furchung befruchteter Froscheier bei Behinderung des Sauerstoffzutrittes von aussen her eine mehr oder weniger normale zu sein vermag, aber nicht die Berechtigung der Famassa'sehen Schlussfolgerung zugeben, „dass das Ei von Rana temporaria in den ersten 20 Stunden der Ent- wickelung vom Sauerstoff der Umgebung unabhängig ist." Um nun auch den Einfluss reinen Sauerstoffs bezw. eines Gemisches von gleichen Theilen Sauerstoff' und Kohlen- säure auf die Furchung festzustellen, wurden — in der- selben Weise wie bei den früheren Versuchen — frisch befruchtete Froscheier, die in mit Wasserstoff' bezw. Sauer- stoff bezw. mit Sauerstoff und Kohlensäure aa. p. ge- sättigtem destiliirtem Wasser sich befanden, unter strö- mendem Wasserstoff bezw. Sauerstoff-Kohlensäuregemisch gehalten. Zur Controlle wurden wieder Eier in gewöhn- liches destillirtes Wasser gebracht, zu denen die Luft freien Zutritt hatte. Die Resultate waren folgende: Die Eier, die der Sauerstoffatmosphäre ausgesetzt waren, entwickelten sich unzweifelhaft am schnellsten. Bei den dem Wasserstoff" ausgesetzten Eiern kam die erste Furche ca. 15 Minuten später zum Vorschein als bei den im Sauerstoff befindlichen, es machte sich also schon in den ersten Stunden der Furchung der Sauerstottmangel geltend, während nach Verlauf von I8V4 Stunden in Folge des Sauerstoö'mangels bereits Stillstand in der Entwicke- lung eingetreten war. Um nun zu constatiren, ob diese Eier iu der That ihre Entwickelungsfähigkeit eingebüsst 582 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 49. hatten, oder ob nach Herbeiführung g-Unstigerer Lebens- bedingungen doch noch eine Weiterentwickeking möglich sei, wurden sie aus dem Wasserstotf-Apparat in mit Sauer- stoff gesättigtes Wasser gebracht, und durch den Apparat coutinuirlich Sauerstoff hindurcbgeleitet. Dabei stellte sich heraus, dass ein Theil der Eier tliatsächlich die Entwicke- lungsfähigkeit in der Zeit des Sauerstoffmangels verloren hatte, dass ein anderer Theil sich allerdings, wenn auch nicht normal, weiter entwickehe, dass bei einem dritten Theil aber die Entwickelung in normaler Weise weiter vor sich ging. Es scheint demnach, „dass die Empfind- lichkeit gegen Sauerstoffent/iehung viel von der Individu- alität des betreffenden Organismus abhängt. Von den in dem Sauerstoff-Kohlensäuregemisch befindlichen Eiern kann es auch nicht bei einem einzigen bis zur ersten Furchung, vielmehr waren alle abgestorben, da auch nach Hersteilung einer reinen Sauerstoffatraosphäre keine Forteutwickeiung eintrat. Es hatte also wohl die Kohlensäure eine topische Wirkung ausgeübt. Die Ergebnisse seiner Versuche fasst Verfasser in folgende Sätze zusammen: Im Vorhergehenden glaube ich nachgewiesen zu haben, dass 1. der Verlauf und das Tempo der Entwickelung mit der Sauerstoffanwesenheit im innigen Zusammenhang steht, obschon die Furchung mehr oder minder normal ohne Sauerstoffzutritt von aussen ablaufen kann; 2. die Sauerstoffwirkung sich gleich von Anfang der Entwickelung (Auftreten der ersten Furche) geltend macht; 3. die Empfindlichkeit gegen Sauerstoffentziehung viel von der Individualität des betreffenden Organismus abhängt; 4. die Kohlensäure eine specifische Wirkung auf die Entwickelung ausübt. In einer weiteren Versuchsreihe suchte G. noch die Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureausscheidung während der ersten Entwickelungsstadieu der Froscheier quantitativ zu bestimmen. Aus verschiedenen Ursachen Hess sich hierbei nicht die gewünschte Genauigkeit erreichen, wohl aber feststellen, dass die Sauerstoffabsorption gleich von Anfang an vor sich ging. Bei der Untersuchung wie es mit dem Gaswechsel in verschiedenen Entwickelungs- Perioden steht, konnte die sehr interessante Thatsache konstatirt werden, dass von Tag zu Tag, also mit dem Fortschreiten der Entwickelung, die Energie des Gas- wechsels zunahm. Eine besondere Erwähnung verdient auch der Umstand, das in einigen Gasproben, die zu einer Zeit entnommen waren, wo die Eier sich bereits in späterem Entwickelungsstadium befanden uud einige Tage hindurch in derselben Atmosphäre belassen waren, der Gehalt an Sauerstoff nur 3,66 % uml selbst 1,06 »/„ be- trug, dass aber dessen ungeachtet die Eier sich voll- kommen normal entwickelt hatten — ein Beweis, dass die Eier von Kana temporaria Sauerstoff bis zu den letzten Spuren ausnützen und meine Bestätigung der oben er- wähnten Annahme, dass die Eier sich einige Zeit hin- durch auch ohne Sauerstoffzutritt entwickeln können — , was wahrscheinlich aber auf Rechnung der nicht entfern- baren Sauerstoffspuren zu setzen ist. Verfasser selbst hält die Untersuchungen über den Gaswechsel beim Athmungsprozesse noch nicht für abgeschlossen, glaubt aber vorläufig doch nachgewiesen zu haben, „dass die Athmungsenergie mit dem Fortschritt der Entwickelung zu- nimmt und dass die sich entwickelnden Organismen in den ersten Entwickelungsstadieu durch weitgehende Unab- hängigkeit vom Tertialdrucke des Sauerstoffes (bei ihrer Atmung wie bei ihrer Entwickelung) sich auszeichnen." Soweit der Verfasser. Es möge nun gestattet sein, hier noch Einiges Allge- meineres hinzuzufügen über die Abhängigkeit der Lebewelt vom Sauerstoff. Im Jahre 166ö stellte Wooke eine Theorie der Verbrennungserscheinungen auf, die den thatsächlichen Verhältnissen schon ziemlieh nahe kam. Er hatte gefunden, dass der Salpeter in ähnlicher Weise die Verbrennung unterhielt wie die atmosphärische Luft, und wurde zu der Annahme geführt, dass der Be- standtheil der Luft, der die Verbrennung unterhält, im Salpeter gel)uuden sei. Seine Ideen wurden weiter aus- gebildet durch Mayow, der 1669 in einer Abhandlung den Nachweis führte, dass der Bestandtbeil des Salpeters, der beim Erhitzen desselben entweicht, in der That die Ver- brennung unterhalte und dass ein Metall, das man an der Luft caicinire, an Gewicht zunehme, indem es sich bei diesem Prozess mit dem in der Luft befindliehen „Spiritus nitroaereus" verbinde. Er fand auch, dass, wenn man einen Körper in über Wasser abgesperrter Luft verbrennt, das Volumen dieser Luft geringer wird, und dass die Respiration denselben Effect erzeugte, was ihn zu dem Schlüsse veranlasste, dass Atmung und Verbrennung ein- ander analoge Vorgänge seien. Dementsprechend be- nannte er den die Atmung unterhaltenden Bestandtbeil der Luft auch „Spiritus vitalis." Können wir diesen klaren Ansichten unsere Anerkennung in vollem Maasse zollen, so wird es uns andererseits auch nicht Wunder nehmen, dass Mayow's Zeitgenossen diesen Ansichten nicht genügendes Verständniss entgegenbrachten. Die Lehren des Aristoteles, dieses hervorragenden Polyhistors des Alterthums, die an 2000 Jahre die Naturwissenschaft in ihrer Entwickelung beherrscht und behindert haben, — ich erinnere nur daran, dass die aristotelische Anschauung von der Entstehung der Eingeweidewürmer auf dem Wege der generatio aequivoca*) erst in diesem Jahrhundert endgültig verlassen worden ist — hatten auch die Chemie in falsche Bahnen geleitet; denn seine Anschauung von der MögHchkeit, unedle Metalle in edle umzuwandeln, führte die Araber zur Forschung in dieser Richtung, zur Alchemie, in der sich nun Jahrhunderte lang redliche Menschen wie Betrüger übten. Dass bei diesem Experi- mentireu, das oft nach den sinnlosesten Vorschriften ge- schah, viele neue chemische Thatsachen bekannt wurden, ist richtig, dass aber an wissenschaftlicher Erkenntniss nicht viel dabei gewonnen wurde, wird auch nicht be fremden. Etwas schätzenswerther waren die Errungen- schaften eines Paracelsus (1493 — 1541) und seiner Jünger, die in der Darstellung von Heilmitteln die wichtigste Auf- gabe der Chemie erblickten. Aber erst Robert Boj'le (1627 — 1691) wies der Forschung die richtigen Wege, in- dem er die Anforderung stellte, dass die Chemie nur um ihrer selbst willen studirt werden müsse, nicht aber um alchemistischen uud medizinischen Zwecken zu dienen. In diese Zeit fiel auch Mayow's Wirksamkeit und nun ist wohl begreiflich, warum seine Ansichten bei den Zeit- genossen nicht die verdiente Würdigung fanden. Noch über ein Jahrhundert verging, bis seine Ideen von anderer Seite durch das Experiment bestätigt wurden. Joseph Priestley (1733 — 1804J, ein mit einem ganz eigenartigen Scharfblick begabter Mann, fand es bei seinen über die Einwirkung brennender Kerzen und thierischer Athmung auf eine abgeschlossene Luftmenge angestellten Unter- suchungen, dass in beiden Fällen die Luft für die Unterhaltung der Verbrennung und der Athmung un- tauglich wurde. Bei seinen Versuchen darüber, welche Veränderung grüne lebende Pflanzen auf eine abgesperrte Luftmenge ausüben, kam er zu dem unvermutlieten Re- sultat, dass dieselben, anstatt sie zu verschlechtern, viel- mehr die Eigenschaft hatten, die durch die Verbrennung ■') Aristoteles, IhQi t^wtof iaiogia. V. Buch, XIX Kü XV. Nr. 49. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 58a der Athmung verdorbene Luft wieder zur Unterhaltung der Verbrennung und der Athmung tauglich zu machen. Am 1. August 1774 erhielt er durch Erhitzen von rotheni Quecksilberoxyd eine Luftart, die die Verbrennung ganz ausserordentlich beförderte. Er gab ilir, da sie nun sehr viel freier und reiner bei dem sogenannten Phlogiston war, wie die gewöhnliche Luft, den Namen duphlogisti- sirte Luft. Durch Erhitzen von Braunstein uub Schwefel- säure erhielt in demselben Jahre und ganz unabhängig von Priestley der Schwede Scheele dasselbe Gas, das, ^vie er erkannte, einen ßestaudtheil der atmosphärischen Luft ausmachte, bei der Verbrennung aus derselben ver- schwand und bei der Athmung der Thiere, ebenso wie bei der Keimung von Samen unter Bildung von tiefer Luft fCOj) verbraucht wurde. Den wirklichen Charakter und die hervorragende Bedeutung des von ihnen ent- deckten Stoffes erkannten aber beide Forscher, die eifrige Anhänger der Stahl'schen Phlogistontheorie waren, nach welcher alle verbrennbaren Körper dasselbe Prinzip der Brennbarkeit, das Phlogiston, entlialten, das bei der Ver- brennung ausgetrieben wird, auch noch nicht. Das war Lavoisier (1743 — 1794), dem Vater der quantitativen For- schung, vorbehalten. Dieser erwähnt das Gas zuerst 1775, in einer Abhandlung und gab ihm darin die Bezeichnung „l'air eminemment respirable" und „l'air pur ou vital." Er zeigte, dass dieser Stoff eine nothvvendige Bedingung des Verbrennungsprozesses ausmache, er erkannte, dass die sogenannte fixe Luft aus Kohlenstoff und diesem Stoff bestehe, und gab dem letzteren, da die Producte der Ver- brennung in ihm so häufig saurer Natur sind und er in ihm das acidirende Prinzip erblickte, den Namen „Oxy- gene, das ist Sauerstoff." Es ist für uns, die wir am Ende eines an naturwissenschaftlichen Errungenschaften so ausserordentlich reichen Jahrhunderts leben, nicht immer leicht, sich eine auch nur halbwegs richtige Vorstellung von den Anschauungen zu machen, die früher die Richt- schnur der geistigen Entwickelung bildeten, und über ;die hinauszukommen oft allein schon die volle Kraft des Individuums erforderte, darum aber verdient das, was unter solchen Zeitverhältnissen für die Menschheit als bleibendes Gut erworben wurde, auch umsomehr Aner- kennung. So vieles, was heute so einfach, so ganz selbst- verständlich erscheint, hat seinem Entdecker, Erfinder oft unsägliche Mühen, Enttäuschungen und Entbehrungen ge- kostet. So manches Problem, dessen Verwirklichung man früher ins Märchenland verwiesen hätte, ist heute gelöst. Auch die Entdeckung des Sauerstoffs ist von der weit- tragendsten Bedeutung nicht nur für die Entwickelung des chemischen Denkens, sondern auch für die Beant- wortung vieler biologischer Fragen gewesen. Verfolgen wir einmal den Weg, den die Lehre von der Abhängig- keit der Athmung, des Lebens von der Gegenwart des Sauerstoffs genommen hat. In einem Natur-, Kunst-, Berg-, Gewerk- etc. Lexikon vom Jahre 1739 heisst es bei dem Artikel „Respirativ" unter Anderem folgendermaassen: „Die Respiration ist ohne Zweifel zur Erhaltung des Lebens höchst nöthig. Ob und wie aber die Luft durch die Lunge in das Geblüte komme? oder, wo- rinnen sonsten ihr hauptsächlicher und unmittelbarer Effect bestehe? darüber sind die Herren Physici und Medici noch nicht allerdings einig", und unter dem Artikel „Pflantze" liest man: „Die holzigste, feste, innere Substanz des Stammes oder Stengels wird wieder zusammen gesetzet aus besondern subtilen Lufftröhrlein (Fistulae Spirales Tracheae), welche nichts als Lufft in sich haben, wie die Lungen- und Lufit-Röhren der Thiere, und die unver- meidliche Nothwendigkeit dieses Elements, zur Erhaltung des Lebens der Gewächse, zur Genüge darthut." Vierzig Jahre nach Erscheinen dieses Lexikons, im Jahre 1779, entdeckte der Holländer Jon Ingenhouss, dass die grünen Blätter der Pflanzen im Sonnenlicht Sauer- stoff ausscheiden. Doch erst durch Senebier, namentlich aber durch die classischeu Untersuchungen des Genfer Gelehrten Theodor de Saussure (1804) wurde die That- sache festgestellt, dass dieser Sauerstoff aus der Kohlensäure der Luft, aus . welcher die Kohlensäure zu entnehmen die Pflanzen fähig wären, herstamme. Saussure war es auch, der, was hernach mit noch mehr Genauigkeit Boussingault that, nachwies, dass das Volumen des ausgeschiedenen Sauerstotts gleich ist dem Volumen der aufgenommenen Kohlen- säure. Desgleichen wurde von Saussure die andere auch bereits Ingenhouss bekannte Erscheinung experimentell begründet, dass die im Leben der Pflanze mit dem Namen des Wachsthums bezeichneten Prozesse von der Gegen- wart des atmosphärischen Sauerstoffs durchaus abhängig sind. Er bewies ferner, dass die Wärmebildung der Pflanzen auf die Athmung (-Sauerstoflaufnahme) zurückzu- führen sei, indem er zeigte, dass die Erwärmung der Pflanzentheile entsprechend dem SauerstoftVerbrauch ent- weder zu- oder abnimmt, und machte die Beol)achtung, dass die Athmung der Blütheu energischer ist als die der grünen Blätter und dass wiederum die Athmung der grünen Blätter (im Finstern) grösser ist als die der Spvoss- achsen und Früchte. Das waren alles Thatsachen, die für unsere Erkenntniss des gesammfen pflanzlichen Stoff- wechsels von fundamentaler Bedeutung geworden sind. Durch Dutrochet, der noch besonders (1834) auf die Identität zwischen der Athmung der Pflanzen und derjenigen der Thiere hinwies, durch Griesowied und andere wurde die Theorie Saussure's weiter ausgebaut. Aber wie es so oft geht, geschah es auch hier. Liebig, der in hervorragender Weise die Agriculturchemie förderte und einen innigen Verband zwischen der organischen und der physiologischen Chemie herzustellen suchte, betrachtete die ganze Athmung der Pflanzen als ein Unding und leugnete ihr Bestehen, und seit Anfang der vierziger Jahre unseres Jahrhunderts schien, wenigstens in Deutsch- land, die Athmung der Pflanzen vollkommen vergessen zu sein. Dann aber fing man sogar an, von einer doppelten, nämlich einer Tages- und einer Nachtathmung zu sprechen, und eine richtige Auffassung der pflanzlichen Athmung brach sich erst wieder Bahn, als Sachs (1885) die ganze diesbezügliche Litteratur zusammenstellte und darlegte, dass die Assimilation und die Athmung von einander grundverschiedene Prozesse sind, dass die sogenannte Tagesathmung nichts Anderes als die Assimilation und die Nachtathmung mit der echten Athmung identisch ist. Dass Samen bei Sauerstoffabschluss nicht keimten, war bereits älteren Naturforschern bekannt. Mit der Erweite- rung der Kenntnisse \iiehrten sich die Beobachtungen, dass auch andere Lebensäusserungen der Pflanzen von der Gegenwart des Sauerstoffs abhängig sind. Dutrochet fand, dass die Mimose im Vacuum an Reizbarkeit ein- büsst. Es wurde nachgewiesen, dass beim Abschneiden der Sauerstoffzufuhr nach und nach die Strömung des Protoplasmas aufhört und schliesslich unter Trübung, Ge- rinnung und Zerfall der Tod desselben eintritt, und dass im Einklang hiermit auch die Bewegungen der Plasmodien bei Sauerstoffabschluss allmählich nachlassen, um endlich zu sistiren. Des weiteren wurde constatirt, dass auch die sogenannten vitalen Bewegungen der Pflanze von der Gegenwart des Sauerstoffes sehr abhängig sind, indem in einem sauerstofffreien Räume oder in einem solchen, in dem die Sauerstoffspannung stark vermindert ist, bald vollkommene Starre eintritt, ein Effect, der sich aber auch 584 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 49. bei der Gegenwart reinen Sauerstoffs oder bei sehr ge- steigerter Sauerstoffspannung einstellt. Wenden wir uns nun zu den Tliieren. Dass sie zum Leben und Gedeihen der Luft bedurften, war eine seit lange beicannte Erfahrungsthatsaclie, wie auch aus dem oben angeführten Artiliel über „Respirativ" hervorgeht. William Smellie*) schreibt in dem 1. Band seiner „Philo- sophie der Naturgeschichte" in dem Kapitel „Von dem Athenüiolen der Thiere": „Zu unserm Zweck ist es hin- länglich zu bemerken, dass unter Luft diejenige gemeine elastische Flüssigkeit verstanden wird, welche diese Erde allenthalben umgiebt und vermöge ihres Gewichts, ihres Druckes nach allen Richtungen, und ihrer Compressibilität, in jeden leeren Raum eindringt, und zur Erhaltung jedes Thieres und jeder Pflanze noth wendig ist." „Dass das Atheniholen zur Erhaltung der Landthiere noth- wendig ist, hat man durch unzählige Versuche mit der Luftpumpe bewiesen. Mäuse, Ratten, Kaninchen, Katzen, Hunde und andere Thiere, die man unter eine luftleere Glocke setzt, werden sogleich unruhig und geben Zeichen von Schmerz von sich. Ihr Körper schwillt auf und ihr Leben erlischt sehr bald. In der That ist auch unser eigenes Gefühl schon hinreichend, uns hiervon zu über- zeugen. Kein Mensch kann lange in dem Zustande des Einathmeus oder Ausathmens 'bleiben, ohne zu ersticken. In Bezug auf die Athembewegungen sagt er: „Wenn gleich diese Operationen zur Erhaltung der Thiere noth- wendig sind, so hat man doch geglaubt, dass die Luft dem Blute ein zum Leben nothwendiges Principium mittheile." „Der scharfsinnige Doctor Crawford hat in seiner Abhandlung über die thierische Wärme wahrschein- lich gemacht, dass das Athem holen die Ursache der Lebenswärme sei, ohne welche kein Thier existiren kann." „Bei Leuten, deren Athemholen auf einige Zeit unterbrochen ist, und die ganz todt zu sein scheinen, lässt sich der Blutundauf wieder herstellen und das Leben zurückrufen, wenn mau nur die Lungen zur Thätigkeit aufwecken kann. Diese genaue Verbindung zwischen dem Athemholen und der Wirksamkeit des Herzens ist eine der bewundernswürdigen Veranstaltungen in der thierischen Haushaltung, deren Ursache vielleicht auf immer die sorgfältigsten Untersuchungen des menschlichen Verstandes vereiteln wird." „Das Athemholen fängt gleich nach der Geburt an, und dauert instinctmässig das ganze Leben hindurch fort." Alle Thiere, welche athmen, hauclien, ausser einem wässrigen Dunst, eine grosse Menge mephy tischer**) oder verdorbener Luft aus, welche, wenn sie in den Lungen zurückbliebe, oder von anderen Thieren eingeathmet würde, gar bald tödtlich sein müsste." „Das Athmen der Luft ist nicht allein zur Erhaltung der Land- thiere, sondern auch der Fische jeder Art nothwendig." vSmellie spricht dann von Versuchen, die Rondeletius, Willonghby und andere mit Fischen angestellt haben und beschreibt einen solchen. Dann meint er, „die Fische scheinen wirklich eine geringere Quantität Luft zu er- fordciii als die Thiere, welche eine beständige und freie Goniuiunication mit der Atmosphäre haben." Nachdem er sich dann noch mit den Insecten, Würmern, Puppen, Schnecken beschäftigt hat, sagt er: „Allein wie wohl die Luft ein zum thierischen Leben unentbehrlicher Stoff zu sein scheint, so können doch viele Thiere länger ohne den Gebrauch dieses Elements oder wenigstens von kleineren Quantitäten desselben leben als andere" und •) William Sinellie'd Philosophie der Naturgeschichte. Aus dem Englischen übersetzt mit Zusätzen des Herrn Reetor Lichten- stein, herausgegeben und mit Erläuterungen versehen von E A. W. Zimmermann. Berlin 1701. **) Mephytis = die schädliche, pestilenzialische Ausdünstung der Erde. schliesst mit folgenden Worten: „Aus den angeführten Thatsachen erhellt, dass die Luft in gewissen Verhält- nissen nach dem Baue und der Beschaffenheit jedes be- lebten Wesens, wovon wir einige Kenntniss haben, zur Existenz und Fortdauer des thierischen Lebens durchaus nothwendig ist. Nicht allein der Mensch, die Quadrupeden, Vögel, Fische, ki'iechende Thiere uncl die grössten Insecten, und sogar die Flöhe, die Milben, die kleinen Essigale und die Infusionsthierehen kommen unvei-meidlich um, weim sie dieses allbelebenden Elements beraubt sind." Die einzelnen hier wiedergegebenen An- schauungen und Beobachtungen einer genauen Kritik zu unterziehen, würde zu weit führen, auch wird im Folgen- den manche der angeführten Thatsachen nochmals be- rührt werden, ich will mich daher hier darauf beschränken, zu betonen, dass Smellie's Ansichten, die im Wesentlichen gewiss auch die seiner Zeitgenossen waren, wohl manche Mängel aufweisen, im Grossen und Ganzen aber sehr be- achtenswerth sind, indem sie theilweise unserer heutigen Auffassung sehr nahe kommen, theilweise eine Vorahnung der thatsächlichen Verhältnisse enthalten. Wenden wir uns nun zu den Resultaten späterer Forschungen, so hat sich bald herausgestellt, dass die Grösse des Gaswechsels bei der Athmung durchaus nicht in einem geraden Ver- hältnis» zum Körpergewicht steht, dass vielmehr im All- gemeinen kleinere Thiere intensiver athmen wie grössere, was offenbar auf den lebhafteren Stoffwechsel der kleineren Thiere zurückzuführen ist. Auch finden sich in den verschiedenen Thierclassen hierbei manche Diffe- renzen. So besitzen z. B. die Vögel die grösste Athmungs- intensität, die Kaltblüter die geringste, und die Extreme in dieser Beziehung würden demnach die kleinen Sing- vögel und die grossen Kaltblüter bieten. Man hat be- rechnet, dass die ersteren pro kg und Stunde etwa 11,64 gr. Sauerstoff aufnehmen, die Frösche dagegen nur 0,07 gr., eine Zahl, die sich z. ß. bei den Riesenschlangen noch erheblich kleiner stellen würde. Auch die Wider- standsfähigkeit gegen den Sauerstoffabschluss ist bei den verschiedenen Thierclassen eine verschiedene. So sterben Sängethiere, besonders aber Vögel in sauerstoflTreien Medien schon nach wenigen Minuten. Fische können den Sauerstoffmangel verhältnissmässig lange ertragen; denn in ausgekochtem Wasser lebten Goldfische noch l'/g Stunden. Frösche lebten in einer völlig sauerstofffreien Wasserstoff- oder Stickstoffatmosphäre noch viele Stunden unter reichlicher Kohlensäureentwickelung und Schild- kröten ertrugen die Absperrung des Sauerstofles sogar mehr als 24 Stunden. Es scheint, als ob die Amphibien ganz allgemein sowohl gegen den Mangel an Sauerstoff als auch gegen die Giftwirkung der Kohlensäure ausser- ordentlich widerstandsfähig sind. Noch geringer als bei den kaltblütigen Wirbelthieren scheint das Athmungs- bedürfniss bei den wirbellosen Thieren zu sein, wie aus Versuchen hervorgeht, die Bunge''-) mit Spulwürmern aus dem Darm der Katze anstellte, die in einem vollkommen sauerstofffreien flüssigen Medium bei 38° C. vier bis fünf Mal 24 Stunden lebten und dabei die lebhaftesten Bewe- gungen ausführten. Insecten vertragen Luftmangel nur sehr kurze Zeit, während Insectenlarven, wie beobachtet wurde, nach einem achttägigen Aufenthalt im Vaeuum und ebenso in einer Wasserstoff- oder Stickstoffatmosphäre noch lebten. Amöben Hessen im Wasser, in dem die Luft durch Wasserstoff verdrängt war, erst nach ca. 25 Minuten in ihren Bewegungen nach und starben dann bald darnach ab. Dass die Organismen nicht durchaus auf den Procent- *) G. Bunge, Zeitschrift für physiologi.sche Chemie. Bd. 8. XV. Nr. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 585 gebalt an Sauerstoff, den die Luft besitzt — 21 Vol. "/o bezw. 23 Gew. 7o — > angewieseu, sondern innerhalb ge- wisser Grenzen vom Partierdruck des Sauerstoffes unab- hängig sind, haben W. Müller*) und Paul Bert*'-) in einer ganzen Reihe von Versuchen gezeigt. Nach Müller vermögen Säugethiere dauernd, ohne irgend welche Stö- rungen zu erleiden, in einem Medium zu leben, dass nur 14 7u Sauerstoff enthält und erst bei einem Sauerstoflf- gehalt von 1°/d traten Störungen ein. Andererseits be- fanden sich Thiere in reinem Sauerstoff und bei einem Druck von einer Atmosphäre vollkommen wohl. Bert constatirte, dass Thiere in atmosphärischer Luft mit einem Minimaldruck von ca. 250 mm^ Quecksilber und einem Maximaldruck von 15 Atmosphären existiren können, dass in reinem Sauerstoff das Druckminimum noch weiter sinkt, dagegen das Druckmaximum bei Pflanzen nicht mehr ganz zwei und bei Thieren nicht mehr ganz drei Atmosphären beträgt. Auch hierbei hat sich heraus- gestellt, dass die Minima und Maxima des Procentgehaltes und des Partierdruckes des Sauerstoffes für die verschie- denen Lebewesen verschieden sind. Blicken wir nun noch einmal zurück, dann wird sich uns ohne Zweifel der Gedanke aufdrängen, dass in der That die Sauerstoflfathmung eine Fundamentalerscheinung in der Organismenwelt darstellt, dass es ohne Athmung und, da ja die Athmung die Gegenwart von Sauerstoff voraussetzt, dass es ohne Sauerstoff kein Leben giebt. Und dennoch existirt, wie jetzt kaum mehr bezweifeft werden kann, auch hiervon eine Ausnahme, nämlich die sogenannten anaeroben Bacterien , die ihre Lebens- functioneu nur bei Sauerstoflfabschiuss ausüben und bei Gegenwart auch nur geringer Mengen dieses Elementes sämmtliche Lebensäusserungen einstellen, auf die also der Sauerstoff giftig zu wirken scheint. Derartige Bacterien wurden zuerst von Pasteur entdeckt und nach ihm noch von vielen Anderen gefunden. Einer gewissen Scheu konnte mau sich aber bei dem Gedanken, dass es wirk- lich so vollkommen anders geartete Lebewesen geben sollte, doch nicht erwehren und die Stimmen waren in der That auch lange sehr getheilt, bis schliesslich wohl Beijerninck mit Bestimmtheit nachgewiesen haben dürfte, dass wirklich dauernd eine vollständige Anacrobiose bei gewissen Bacterien möglich ist. Hier mag auch noch die Thatsache Erwähnung linden, dass innerhalb der Gruppe der aeroben, also der auf Sauerstoflfzufuhr angewiesenen Bacterien in dem Verhalten gegenüber dem Sauerstoff sich Unterschiede bemerkbar machen, indem nämlich jede Bacterienart auf einen besonderen, bei den verschiedenen Arten verschiedenen, Grad der Sauerstoft'spannung ab- gestimmt ist. Auch den Gährungsorganismen schrieb man früher die Fähigkeit zu, ganz ohne Sauerstofi leben und gedeihen zu können. Nach den neueren Anschauungen verhält sich die Sache aber anders. Unter Gährung versteht man bekanntlich die Zersetzung stickstofffreier organischer Substanzen in Folge der Thätigkeit sogenannter organi- sirter Fermente der Hefe, Spaltpilze. Der dabei sich ab- spielende chemische Prozess kann entweder eine Spaltung oder eine Oxydation oder auch beides zugleich sein. Nun ist besonders beachtenswert, dass auch bei der Gährung durch Spaltung Producte gebildet werden, welche nur durch Oxydation entstanden sein können, wie z. B. die *) W. Müller: Beiträge zur Theorie der Respiration. Annal. der Chem. u. Pharmac. Bd. 108. 1858 u. Sitzungsber. der Wiener Mathem. naturw. Classe XXXIII. 1858. **) Paul Bert, Der atmosphärische Druck. Paris 1878 und Recherches exp^rimentales sur V intluence, que les changemeuts dans la pression barometrique exercent sur les phunomenes de la vie. Compt reud 1873. Bd. LXXVI, LXXVII. Kohlensäure, die aber in diesem Falle erst nach erfolgter Spaltung der Moleküle des Gährmaterials durch den hier- bei frei gewordenen Sauerstoff zu Stande gekommen ist, während bei der sogenannten Gährung durch Oxydation die Bildung der Kohlensäure sich unter der Mitwirkung des Luftsauerstoffes vollzieht. Hieraus erklärt sich wohl auch die Thatsache, dass streng aerobe Mikroorganismen wie die fiele vorübergehend bei vollkommenem Luftab- schluss zu existiren vermögen. Es werden dabei durch den Gährungsprozess die in dem Gährmaterial vorhandenen Kraftquellen für den Haushalt der Zelle nutzbar gemacht und treten für die behinderte Zufuhr freien Sauerstoffes vivariirend ein. Durch Liborius sind aber auch Fälle be- kannt geworden, in denen bei vollkoninienem Luftabschluss Wachsthum und Vermehrung in intensiver Weise vor sich gingen, ohne dass dabei gleichzeitg Gährung auftrat. Hier werden wir zur Erklärung die sogenannte nitramolekularc Athmung heranziehen müssen, die alsbald eintritt, wenn die Zufuhr freien Sauerstoffes zum Protoplasma abge- schnitten wird, und darin besteht, dass auch unter diesen veränderten Lebensbedingungen noch die Fähigkeit be- bleibt, Kohlensäure auszuathmen und Wärme zu erzeugen, und zwar so lange, bis die Menge der gebildeten schäd- lichen Stoffwechselproducte das Plasma abtötet. Auf die nitramolekularc Athmung ist auch der Umstand zurück- zuführen, dass in das Vacuum gebrachte Keimpflanzen noch einige Zeit Kohlensäure abgeben, ebenso Blätter, Blüthen und Früchte wie z. ß. Aepfel, Birnen, Wein- trauben. Dass Frösche in einem vollkommen sauerstoff- freien Räume noch stundenlang leben und dabei Kohlen- säure ausathmen, hat Pflüger*) bewiesen. Die Erschei- nung der nitramolekularen Athmung ist natürlich nur als ein Fortgang der Lebensprozesse unter Verbrauch der eigenen Leibessubstanz aufzufassen. Ueber die tiefere Bedeutung der nitramolekularen Athmung spricht sich Sachs**) folgendermaasseu aus: „Der Athmungsprozess ist der erste und fundamentalste Ausdruck der Lebens- vorgänge im Protoplasma. Was nun die nitramole- kularc Athmung nach den festgestellten Thatsachen lehrt, ist der Satz, dass nicht der von aussen eindringende Sauerstoft" den ersten Anstoss zu den chemischen Vor- gängen der Athmung giebt, dass vielmehr innerhalb des Protoplasma zunächst und primär eine Zersetzung des Eiweissmoleküles stattfindet, welche mit Kohlensäure- bildung endigt; dass aber durch den von aussenher zu- tretenden Sauerstoff eine restitutio in integrum stattfindet." Alfred Liedke. Ueber die Geschichte und Ausbreitung des Colo- radokäfers, Leptinotarsa decem-lineata, berichtet W. L. Tower in Science vom 21. September 1900. Die ur- sprüngliche Form dieses Käfers, L. undecim - lineata, scheint aus den nördlichen Theilen Südamerikas zu stammen, von wo sie sich am Ende der Glacialzeit, mit dem Rückzüge des Eises, nach Norden ausbreitete. Schon in der mexicanischen Region spaltete sieh die Art in mehrere klimatische Varietäten. Auf dem Tafelland von Mexico entstand die Form L. multilineata, die sich durch geringere Grösse und Auflösen der grossen Flecke in kleinere unterscheidet. Sie geht im Süden in die Form L. undecim-lineata, im Norden in die Form decem-lineata über. Letztere breitete sich den West- Abhang der Gebirge entlang bis nach Canada aus. — Auch in der Küsten- zone des Golfes von Mexico entstand eine neue Form, *) Pflüger's Archiv, Bd. 10. 1875. S. 313. ") Jul. Sachs, Vorlesungen über PHanzen-Physiologie. 2. 586 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 49. L. juncta, die im Süden in L. undecim-iineata übergeht, nach Norden sich das Mississippi-Thal hinauf bis nach Illinois und die atlantische Küste hinauf bis nach Mary- land ausbreitete. — So lagen die Verhältnisse bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Da begann in den Canons von Colorado 1840 der Anbau der Kartoffel. Die dort vorhandene Form L. 10-lineata verliess nun bald ihre Futterpflanze, das einheimische Solanum rostratum, um an die Kulturpflanze üherzugehen, an der sie sich rasch vermehrte. 1849 — 50 wurden von wandernden Ir- ländern die Kartoflfelri im Tliale des Platte-Flusses unab- sichtlich angesiedelt. Sie gediehen hier so gut, dass bald eine ununterbrochene Linie von solchen von Colorado bis Omaha vorhanden war. Auf dieser wanderte nun auch der Coloradokäfer ostwärts und schon 1859, also nach 10 Jahren, war er am 98. Längengrad angekommen. In den nächsten lOJahren erreichte er die atlantische Küste und war überall zwischen 37 und 47° nördlicher Breite zu finden. Diese weitere Ausbreitung geschah nicht mehr durch den Menschen, sondern durch den Wind. Der Käfer ist in dem ganzen Gebiete 2 brütig, aber nur die zweite Generation, die August-Brut fliegt in grösserer Masse. Bestinnnte, im August und September vor- herrschende Windrichtungen haben ihm daher die Haupt- ausbreitungslinien vorgeschrieben. Am schnellsten breitete er sich die Seeen entlang naeh dem Thale des St. Lorenz- stromes aus. Dagegen war die südliche Ausbreitung eine sehr langsame. Jetzt findet man den Käfer überall öst- lich des Felsengebirges, zwischen dem 52. und 55. Grad nördlicher Breite. Vereinzelt wird er sogar bis 65° ge- funden. Wo er bei seiner Ausbreitung auf L. juncta stiess, hat er diese verdrängt, so dass sie sieh nur noch auf den Carolinen und am unteren Mississippi findet. — Bei dieser raschen Wanderung über ein so grosses Ge- biet hat sich L. lOlineata wieder in mehrere Rassen ge- spalten. Nach der Untersuchung von 45 000 Individuen unterscheidet T. 6 Typen: den „Dakota-Typus" in Dakota Manitoba, Wisconsin und Nebraska, den „Texas-Typus" in Texas, Arkansas, Kansas und Neu-Mexiko, den „Seeen- Typus", an den grossen Seeen, den „Neu-England-Typus" in Neu-England und Neu- Schottland, den „Typus der at- lantischen Küste" und den „süd-Appaiachischen Typus" im Südosten. Die Unterschiede betrefien Grösse und Färbung und ergeben sich als direkte Einwirkung der Umgebung, speciell der klimatischen Verhältnisse der be- ti-etfenden Gebiete in den Monaten Juni bis August. Reh. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ei-naniit wiii-ilcn: I »r. Victor Wulir, l'i-iv;itdoceiit (l(M- Chirurgie in Lenibern-, zum ausserordentlichen Professor; Dr. J. C. Bock zum ordentlichen Professor der Pharmakologie in Kopen- hagen; Dr. F. Busch zum Professor der Physiologie in Butt'alo; Dr. A. Bittencoust zum Professor der medizinischen Physik und organischen Chemie in Rio de Janeiro. Berufen wurde: Dr. Jewezki, ausserordentlicher Professor der Ophthalmologie in Moskau, als Nachfolger Prof. ßaehlmanns nach Dorpat. Es habilitirten sich: Dr. C. Addario für Augenheilkunde in Neapel; Dr. C. Paderi für materia medica und Pharmakologie in Pisa. In den Ruhestand tritt: Prof. Dr. Wink 1er, zweiter Lehrer der Thierheilkunde an der Universität Giessen. Es starben: Dr. Brosseau, Professor der Chirurgie in Montreal; Dr. Ollier, Professor an der chirurgischen Klinik in Lyon; Dr. Wilhelm Müldener, Oberbibliothekar an der Uni- versitätsbibliothek in Greifswald; Dr. Adolf Stengel, ordent- licher Professor der Landwirthschaft in Heidelberg; der praktische Arzt Gustav Hartlaub, bekannt als Ornithologe, in Bremen; Dr. L. Tomaschewski, Direktor des Nikolauskrankenhauses in St. Petersburg; Dr. F. J. B. Quinlan, Prof. der materia medica und Pharmakologie in Dublin. L i 1 1 e r a t u r. Dr. F. A. Forel. Professor an der Universität Lausanne, Hand- buch der Seeenkunde. Allgemeine Limnologie. . Mit einer TaM und 16 Abbildungen. Stuttgart, Engelhorn 1901. — Preis 7 M. Das in der bekannten Kalzel'schen Sammlung geographischer Handbücher erschienene Werk des Altmeisters der Seeenkunde wird denjenigen Leser enttäuschen, der die bisherige Resultate der Seeenforsoliung auf der ganzen Erde zu einer vergleichenden Limnologie Imr \ cv iiii.;( und zusammengefasst geglaubt hat. In weiser Beseliniiikuiiu himI im vollen Bewusstsein, dass die Zeit zu einem solchen liuch nurh lange nicht gekommen ist, bietet uns Forel vielmehr eine allgemeine Limnologie, die Prinzipien und Methoden der Seeenforschung und erst in zweiter Linie die auf der Beobachtung an einer beschränkten Zahl von Seeen in Europa und Nordamerika beruhenden Resultate. Knapp, klar, bündig werden alle die mannigfaltigen Beziehungen auseinandergesetzt, denen der See als Object der Naturforschung unterliegt. Aus der unübertroffen präcisen Schreibweise erkennen wir den im fran- zösischen Jelvvin lebenden Mann, aus dem alles erschöpfenden Inhalt den Meister der Seenforschung, der mehr als ein Menschen- alter diesem Zweig der Naturforschung seine Zeit, sein reiches Wissen und seinen durchdringenden Geist gewidmet hat Niemand unter den Lebenden, — dieser Satz wird unwidersprochen bleiben — wäre im Stande gewesen, ein solches Handbuch der Limno- logie zu schreiben, als Forel. Die Seeenforschung darf stolz darauf sein, ihn ihren Meister zu nennen. Nach einer Einleitung behandelt der erste Theil das Seebecken; ich möchte ihn den geographischen nennen; der zweite Theil in 6 Kapiteln von der Hydrologie. Hydraulik, Chemie, Thermik, Optik und Biologie das Wasser des Seees; man darf ihn wohl den naturwissenschaftlichen nennen. Ein Anhang giebt ein kurzes Programm für limno- logische Studien, eine Bibliographie, die ein bischen kurz aus- gefallen ist und die nordarnerikanischen Arbeiten auffallend be- vorzugt, und endlich ein sehr dankenswerthes, vorzüglich durch- gearbeitetes Sachregister. Wenn einem solchen Standard-work gegenüber eine Ausstellung überhaupt am Platze ist, so möchte ich auf das Fehlen der anthropogeographischen Seite der Seeen- kunde hinweisen, welche schon bei der Darstellung, die Forel auf dem Londoner Geographenkongress von seiner Wissenschaft gab, fehlte. Unstreitig übt der See mit seinen ganzen Erscheinungen auf seine Anwohner einen bedeutenden Einfluss, wie andererseits der Mensch verändernd auf den See und seinen Inhalt wirkt. Bei einer vollständigen Monographie eines Seees sollte, meine ich, auch diese Seite Berücksichtigung finden. Halbfass. Dr. F. Baohmann, z. Z. Physikus in Ilfeld, Sttd-Afrika. Reisen, Erlebnisse und Beobachtung während eines sechsjährigen Auf- entlialtes in der Capcolonie, Natal und Pondoland. Mit Titel- bild. Verlag Hermann Eichblatt, Berlin 1901. - Preis 3,50 M. Verfasser, der in Folge seines langjährigen Aufenthaltes als ansässiger Arzt und als Expeditionsreisender in Südafrika das Land kennen gelernt hat, hat ein von ihm selbst gesammeltes Material in diesem Werke verarbeitet, Verf. ist nicht die be- kannten Touristenstrassen gewandelt, sondern schildert entlegene Theile .Siidafiikas; er führt uns in anschaulicher Weise die gross;irtii;-e Xiitiir Sii.lafrikas vor Augen und bringt uns die intercs.suiite ein-elMueiie weisse und farbige Bevölkerung des Landes meiischiieh uiilier. Chemin (0.), Ingenieur en chef des Ponts et Chaussees, Professeur a TEcole nationale des Ponts et Chaussees, charge de mission par M. lo Ministre de ITnstruction publique. De Paris aux mines d'or de l'Australie occidentale. Petit in-8, avec 111 photogravures, 9 cartes dans le te.xte et 2 planches. - Librairie Gauthier- Villars, Paris 1900. — 9 fr. Während Ostaustralien durch die Besiedeliing, die dort statt- gefunden hat, bald die Aufmerksamkeit Aller auf sich gezogen und wach gehalten hat, blieb der an Gold und anderen Metallen reiche Westen lange mehr unbeachtet und unbekannt. Verfasser war von dem französischen Cultus-Ministerium beauftragt worden, die dortigen Verhältnisse zu studiren und hat sich in Folge dessen fast ein Jahr in Westaustralien aufgehalten. In dem vorliegenden Buch giebt er nur einen Ueberblick und Auskünfte über diesen Theil des in Rede stehenden Wclttheiles namentlich hinsichtlich der bergbaulichen Verhältnisse, um die Aufmerksamkeit auf den stiefmütterlich behandelten Westen des Landes zu ziehen. Dr. Joseph Lauterer, Australien und Tasmanien. Nach eigener Anseliauung und Forschung wissenschaftlich und praktisch ge- schildert. Freiburg im Breisgau. Herder'sche Verlagshandlung. 19()U. Mit Titelbild in Farbendruck, 158 Abbildungen und einer Karte, gr. 8". (X. u. 482 S.) — Preis 11 Mk.; gebunden 13 Mk. XV. Nr. 49. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 587 Verfasser sagt u. A. im Vorwort: Reisen durch alle Theile Australiens, Studien der physikalischen und geologischen Be- schaffenheit desselben, Beobachtung und Untersuchung der ge- sammelten Pflanzen, Thiero und iMineralion ermöglichten es dem Verfasser, die in ihrem ganzen Reichthum ihm zu Gebote stehen- den Schätze deutscher, englischer und franzüsicher Litteratur über Australien vergleichend zu benutzen. Neues aufzuführen, Bekanntes zu bestätigen und Unrichtiges zu widerlegen oder vielmehr aus- zulassen. — Der Verkehr mit den schwarzen Urbewohnern und die Erlernung einiger Sprachen derselben hat dem Verfasser eine ganz andere Anschauung von diesem intelligenten, aber schw.er verleumdeten und übel verkannten Naturvölkchen beigebracht, dem eine hochstehende Nation mit der einen Hand das tägliche Brod und den von den Vätern ererbten Grundbesitz ohne jede Entschädigung nahm, während sie ihm in der andern die moderne Scheincivilisation darbot. — Das Historische ist der Quellenlitte- ratur entnommen. Die geologische Beschreibung des l^andes bildet die erste kurz gefasste, den neueren Entdeckungen und An- schauungen gerecht werdende Bodengeschiehte Australiens. — Grosse Aufmerksamkeit ist auf die klare Darlegung der klimati- schen und meteorologischen Verhältnisse Australiens verwendet worden. Bei der Beschreibung der Pflanzen- und Thierwelt wurde immer vergleichend vorgegangen, um dem Europäer Unbekanntes durch Bekanntes verständlich zu macheu und sein Interesse für Neues durch die Erinnerung an Altes und Bekanntes wach zu er- halten. — Die Schilderungen der socialen Zustände Australiens sind dem vielseitigen Verkehr des Verfassers mit Leuten aus allen Schichten der Gesellschaft entsprungen, tragen aber natür- lich den Stempel seiner Weltanschauung. — An Ort und Stelle entstanden die landschaftlichen Beschreibungen im Kapitel über die Topographie Australiens, worin ausserdem ein praktisches Reisebuch geboten ist, wie kein anderes in Australien existirt. Ueberall hat eigene Anschauung die Feder geführt, und wo fremden Berichten gefolgt werden musste, sind stets mehrere Quellen be- nutzt worden. — Die Abschnitte, in die das Buch zerfällt, sind die folgenden: I. Zum Lande der Pharaonen. — IL Im Rothen Meer. — III. Im Indischen Ocean. — IV. Entdeckung und Staaten- geschichte Australiens. — V. Structur und Bodengeschichte Australiens. — VI. Klimatologie und Meteorologie. — VII. Pflanzen- welt. — VIII. Thierwelt. — IX. Die schwarzen Urbewohner Australiens. — X. Die Kolonisten Australiens. — XI. Topographie Australiens. Franz v. Schwarz, vormals Astronom der Taschkeuter Stern- warte und Leiter des turkestanischen Meteorologischen Instituts, Turkestan, die Wiege der indogermanischen Völker. Nach fünfzehnjährigem Aufenthalt in Turkestan dargestellt. Herder- sche Verlagsbuchhandlung in Freiburg im Bi'eisgau. 1900. — Preis 13 Mark; gebunden 15 Mark. Verfasser sagt: Ueber Turkestan ist zwar in neuerer Zeit in deutscher, englischer und französischer Sprache eine ziemlich um- fangreiche Litteratur entstanden, und man könnte es deshalb viel- leicht für überflüssig halten, dass ich dieselbe durch eine neue Arbeit vermehre. Diese Ansicht dürfte doch wohl kaum begründet sein. Denn erstens rühren die bisher in den erwähnten Sprachen erschienenen Reisewerke, abgesehen von kleineren aus dem Russi- schen übersetzten Aufsätzen, von Reisenden her, welche nur ein- zelne und in der Regel nur die leichter zugänglichen Theile von Turkestan durchreist und eben nur ihre zufälligen Beobachtungen und Reiseeindrücke zum besten gegeben haben. Zweitens ist, so- viel wenigstens mir bekannt, eine zusammenfassende und syste- matische Schilderung Turkestans und seiner Bewohner bisher noch von Niemand versucht worden. Wer sich also einen Ueberblick und eine eingehendere Kenntniss des Gegenstandes verschaffen wollte, war gezwungen, die ganze bisherige Reiselitteratur über Turkestan zu durchstöbern. Zur Abfassung einer systematischen und übersichtlichen Darstellung glaubte ich aber gei'ade deshalb liesonders in der Lage zu sein, weil ich, dank meiner eigenthüm- lichen dienstlichen Stellung, Gelegenheit gehabt habe, Turkestan im Laufe von 15 Jahren in allen seinen Theilen in einer Weise kennen zu lernen, wie es wohl kaum einem zweiten zu Theil ge- worden sein dürfte. Ich war nämlich zu Anfang des Jahres 1874 von General v. Kauifmann eingeladen worden, bei der von ihm in Taschkent zu gründenden Sternwarte die Stelle des Astronomen zu übernehmen, und kam im November desselben Jahres dorthin. Da die Sternwarte dienstlich dem Chef der militärtopographischen Abtheilung des Generalstabes untergeordnet ist, so wurde ich neben meinen eigentlichen Berufspflichten vom Generalstabe häufig mit der Ausführung von astronomischen Längen- und Breiten- bestimmungen und baroniftrischen Höhenmessungen beauftragt, welche als Grundlage für die grosse Generalstabskarte von Tur- kestan zu dienen hatten. Mit den astronomischen Beobachtungen verband ich aus persönlichem Interesse für die Sache jedesmal auch Bestimmungen der erdmagnetischen Elemente. Auf diese Weise ist es mir möglich geworden, fast jedes Jahr grössere Reisen zu machen und Turkestan wiederholt nach allen Richtungen zu durchqueren. Ich diente bei der Sternwarte in Taschkent bis zum Jahr 1890. '_ Dr. Alois Höfler, Kaisorl. Königl. Schulrath u. s. w. in Wien, und Dr. Eduard Maiss, Professor an der Kaiserl. Königl. Staats- oberrealschule im II. Bezirke Wiens, Naturlehre für die unteren Classeu der Mittelschulen. Mit iyn Holzschnitten, 3 farbigen Figuren, einer lithographischen Sterntafel und einem Anhange von 140 Denkaufgaben. 3. verbesserte Auflage. Carl Gorold's Sohn in Wien. 1900. — Preis gebunden 2,60 Mark. Die vorliegende Physik ist wohl geeignet, als Schulbuch zu wirken: der Text ist klar und die Abbildungen zweckdienlich. Prof. Dr. H. Erdmann in Halle, Lehrbuch der anorganischen Chemie. 2. Aufl. Mit 287 Abbildungen, einer Reihentafel und G farbigen Tafeln. Friedrich Vieweg & Sohn in. Braunschweig. 1900. — Preis gebunden 15 Mark, Das trefl'liche Werk haben wir in 1. Auflage erst Band XIII (1898), Nr. 37, S. 443 angezeigt, wohin wir verweisen. Hinsicht- lich der so schnell erfolgten neuen Auflage, ist zu sagen, dass sie in mancherlei Punkten von den anderen abweicht. Verfasser selbst sagt im Vorwort u. A.: „Dank der überaus reichen wissenschaft- lichen Thätigkeit der seitdem verflossenen 2 Jahre konnte . . so manche Stelle, die in Folge der Dürftigkeit der damaligen Kennt- nisse „trocken" erschien, nun durch die Einfügung neuer That- sachen ihre harmonische Ergänzung finden." Der sorgfältige und wahrhaft auf wissenschaftlicher Höhe stehende Inhalt, die treff- lichen Abbildungen, unter denen die treff'lich gelungenen Spectral- tafeln hervorzuheben sind, machen das Werk zu einem der ersten auf seinem Gebiet. Herbarium Europaeum et Americanum. Unter Mitwiikuiig zahlreicher Botaniker herausgegeben von Dr. C. Baenitz in Breslau. Breslau: Maruschke & Behrendt's Buchhandlung. London: Dulau & Co. New-York: Westermann & Co. Mailand u. Neapel: Ulrico Hoepli. Selbstverlag: Dr. C. Baenitz (Marionstrasse 1 F). — In dem Prospect für 1901 (34. Jahrgang), dass er durch das zunehmende Alter und den Tod seiner Gattm (f 21. Januar 1900), seiner fleissigen Mitarbeiterin, bestimmt wurde, das „Herbarium Europaeum" mit Lieferung 122 zu schliessen. — „Indem ich — sagt Dr. B. — allen Mitarbeitern für ihre treue, selbstlose Hin- gabe, welche sie dem „Herbarium Europaeum" während eines Menschenalters widmeten, heute den herzlichen Dank ausspreche, füge ich die Versicherung bei, dass dieser Entschluss: mich von dem Werke meines langen Lebens zu trennen, mir unendlich schwer geworden ist. — Gleichzeitig theile ich den Freunden des „Herbarium Europaeum" mit, dass dasselbe, wenn auch nicht in Deutschland, höchstwahrscheinlich im nächsten Jahre weiter er- scheinen wird." In einen; besonderen Prospect zeigt Dr. B. an, dass er ein „Herbarium Dendrologicum" herausgiebt. Griltay, Dr. E., Leitfaden beim Praktikum in der botanischen Mikroskopie. Leiden. — 4 Mark. Heimerl, Dr. Ant., Monographie der Nyctaginaceen. Wien. — 4,20 Mark. Huysse, Milit -Apoth., A. C, Atlas zum Gebrauche bei der mikrochemischen Analyse. Leiden. — 9 Mark. Briefkasten. Hrn. A. A. van Pelt Lechner, Bibliothekar der Landw. Schule in Wageningen (Holland). Die Zeitschrift i,The Oologist. A monthly publication devoted to Oology, Oruithology and taxi- dermy" existirt noch. Die letzte uns vorliegende Nummer in 8" ist No. 169 = No. 8 von Vol. XVIL Albion, N. Y., Sept.-Oct., 1900. Sie umfasst die Seiten 113—128 incl. der Inserate. „Editor and publisher" ist Frank H. Lattin. Inhalt: Dr. August Ginzberger: Das Spaltungsgesetz der Bastarde. — Ueber die Einwirkung des Sauerstofi"3 auf Entwickelung und über den Gaswechsel in den ersten Entwickelungsstadien von Rana temporaria. — Geschichte und Ausbreitung des Colorado- käfers. — Aus dem wissenschaffllchen Leben. — Litteratur: Dr. F. A. Forel, Handbuch der Seeenkunde. — Dr. F. Bachmann, Süd-Afrika. — Chenin (0.), De Paris aux mines d'or de l'Australie occidentale. — Dr. Joseph Lauterer, Australien und Tas- manien. — Franz v. Schwarz, Turkestan, die Wiege der indogermanischen Völker. — Dr. Alois Höfler und Dr. Eduard Maiss, Naturlehre für die unteren Classen der Mittelschulen. — Prof. Dr. H. Erdmann, Lehrbuch der anorganischen Chemie. — Herbarium Europaeum et Americanum. — Liste. — Briefkasten. 588 Naturwissenschaftliche Wochenschrift. XV. Nr. 49. Carl ZeiSSy optische^ We^rkstael Werkstaette, M\ Mibrncbnno •'"»■ t«'rliiiiM<'lie Zwefke. sowie «Ir feinste IfllKrOaKUpe nlNMensehaftlichp Arbeiten. Stereoskopische Mikroskope nach Greenough, für Präiiarirzwecke, Hautuiitersuchungen otc; Sltecial-Nodell für AuKeiiiinterHiicIiuiigeii. Mikrophotograpbische Apparate. Projectionsapparate "■ ''"'-^l^^^f^^" ""^ Optische Messinstrumente <^ofe?'=i^utrkt?''elr)-. Photographische Objective ^Z Neue Doppelfernrohre Astronomische Objective Illustrlrte CataXoge gratis und franco. 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Sßoii aBoIfaniin tlaturmiffiifdiaftllrlif llolkölliidifr. .".. n-icli illuftv. i'liitlaiii', iioii bontli. D ,y. iJJutüuiu uiiD ;K. .s;n'iuiicv 1 ^-Jföo. olcq. qcb. lii iW. Cittroinö IDiinlifr lif0 fiiniindö. ' '"'f' '"' 4^011 31. iöcrnftctii. .yüläfcl)iüttcii, cleg. geb. 16 SK. 14 Xaf. uiib ?rHltin0 ^^"" ^''"'^ Stilreiner. Ubcrf. oou 3jfnrgavctl)r l>.UIUmi. c^obl. eieg. geb. 2,40 9Jf. Jlrfpr ]irtllll>t ■!" ■Wtii()i\iuilrtnbo. Süll Cltuc 2d)rciiicr, yUU ^JlUnU IUh-i(. l). .^f Inu' yubobnii. tJlog. gcü. 2, Kl Ali. (f riiHf ^ntiupttf n auf Jiniif rfrngru. i;^^^,. -1. iH'vm. ''.Huilagc, elegant gebiiubcn 3,60 9JJ. Hill 5»ii> Äthl» '"'^^''•"'^""^'*i'&- «on «ßaul Siitbcnlicrfl. Jlini Uli \"LlUl auit .^.42 pradjtDüKoii giliiftrntioiieii. 2 SViube. ot'ber "iiaiib clcg. geb. S 3JJ. Iritj Ungrlfangö Irifgealifntciifr in lliiiiß {(Willi ^-i^^"' i^«" ■ m Dogclfnng. 4miii >|?rtiil J.'iii»citbcr|j. TOit eiiieiu ,ifiivlifiHiilti, I a., welches durch Einwirkung des elektrischen Stromes auf ein Gemenge von Baryt oder Baryumcarbonat und Kohle im elektrischen Ofen dargestellt wird. Es ist eine krystallinische dunkel- farbige Masse, welches durch Wasser in Acetylen und Bariumhydroxyd zerfällt nach der Gleichung: BaC, + 2H,0 = CaH,, + Ba(OH)o Acetylen Das Strontiumcarbid SrCa gleicht in Aussehen und Eigenschaften dem Bariumcarbid und wird ebenfalls durch elektrische Reduction eines Gemenges von Strontiumoxyd und Kohle gewonnen. Das wichtigste Glied dieser Reihe ist aber das Cal- ciumcarbid CaCj. Die Entdeckung des Calciumcarbids durch Wühler war zwar wissenschaftlich sehr interessant, allein die dabei angewandte Methode eignet sich nicht zur Darstellung grösserer Mengen der Verbindung. Im Jahre 1894 gewann Moissan das Calciumcarbid aus einem innigen Gemisch von gebranntem Marmor und Zucker- kohle durch Erhitzen im elektrischen Ofen mittels des elektrischen Stromes auf eine Temperatur von 3500°. Die Reaction verläuft hierbei nach den beiden Gleichungen: CaO + C =Ca-)-CO Ca -^a = CaC2. Moissan dachte an eine technische Ausnützung seines Verfahrens nicht, sodass überraschender Weise BuUier im Februar 1894 ein deutsches Reichspatent auf die Dar- stellung von Calcium-, Barium- und Strontiumcarbid nach Moissan's Methode erhielt. Etwas später schritt man auch in Amerika zur Cal- ciumcarbid- und Acetylengasfabrikation. Bei Versuchen, die Erdalkalimetalle, also auch das Calcium, elekrolytisch aus Kalk und Kohle darzustellen, erhielt Wilson eine zu- sammengeschmolzene, unansehnliche Masse, die er als werthlos in den Bach warf. Allein bald stiegen grosse Gasblasen auf, welche sich entzünden Hessen und mit leuch- tender Flamme brannten. Die in den Bach geworfene unansehnliche Masse war eben Calciumcarlnd gewesen und hatte sich mit Wasser in Kalk und Acetylen zer- setzt. So war Wilson durch Zufall auf den Werth des Calciumcarbids aufmerksam geworden, dessen industrielle Verwerthung er nunmehr rasch an die Hand nahm. Die Darstellung des Calciumcarbids im Grossen wird in einem Ofen vorgenommen, welcher aus einem in Mauer- werk eingemauerten Tiegel ans Kohle besteht, in welchen das Gemisch von Kalk und Kohle kommt. Er ruht auf einer Metallplatte, durch welche er mit der Stromleitung in Verbindung gebracht wird. Durch den Deckel wird ein kräftiger Kohlestab so einge- führt, dass zwischen diesem und der Beschickung ein Lichtbogen überspringen kann. Unter dem Kohlestab wächst dann im Laufe der Stunden ein grosser Kuchen an, der am Rande erstarrt ist, während in der Mitte sich ein flüssiges Produkt befindet, hie und da bricht die innere Masse lavaähnlich durch den äusseren Ring durch. Das Calciumcarbid ist ein harter, schwarzer, krystalli- nischer Körper, abgesonderte Krystalle sind braunroth, undurchsichtig und glänzend. Es ist unlöslich in allen bekannten Lösungsmitteln, seine elektrische Leitfähigkeit kommt der Kohle naiio. Trockenes Carbid kann in einer Gasflamme stark erhitzt werden, ohne sich irgendwie zu verändern, dagegen ent/,ündet es sich, wenn man es in einer Sauerstoffatmosphäie erhitzt und verbrennt dann mit starker Lichtentwickclung zu Calciumcarbonat. Für die Stahlindustrie ist es von Wichtigkeit, dass sich Cal- ciumcarbid bei höherer Temperatur als Rothgluth mit Eisen verbindet. Sehr unbeständig ist dagegen das Cal- ciumcarbid gegen Wasser. Schon bei kurzem Liegen an feuchter Luft zeigt es deutliche Spuren von Zersetzung, wirft man es auf Wasser, so tritt sofort stürmische Entwickelung eines Gases von widerlichem Gerüche ein. Dieses Gas ist Acetylen, welches auch der riechende Bestandtheil unseres gewöhnlichen Leuchtgases ist. Das Calciumcarbid zerfällt unter der Einwirkung des Wassers leicht und vollständig in Acetylen und Calciumhydroxyd im Sinne der Gleichung: CaCä + 2H2O = C.,H2 + Ca(OH)„ in welcher Reaction auch die hauptsächlichste Bedeutung des Calciumcarbids liegt. Das Acetylen C^H^ = CH = CH entsteht bei der trockenen Destillation vieler Kohlenstoffverbindungen, beim Leiten der Dämpfe von Alkohol oder Aether durch eine rothglübende Röhre. Es wurde zuerst von Bcrthelot im Jahre 1859 aus seinen Metallverbindungen im reinen Zu- stande abgeschieden und benannt, welcher auch nachwies, dass es direkt aus seinen Elementen, Kohlenstoft' und Wasserstoff", entsteht, wenn man zwischen zwei Kohlen- spitzen in einer Wasserstoffatmosphäre einen elektrischen Flammenbogen erzeugt. Bis vor Kurzem stellte man das wenige Acetylen, das man für wissenschaftliche Zwecke benutzte, durch Kochen von Aethylenbromid mit conccu- trirter alkoholischer Kalilösung dar, wobei sich folgender Prozess abspielt: CgH^Bra + 2K0H = C^Ha + 2KBr -f- 2H2O. Grössere Mengen des Gases zu gewinnen war eine langwierige Arbeit. Erst seit der elektrische Strom Cal- ciumcarbid in beliebiger Menge erzeugt, hat auch die Darstellung beliebiger Mengen Acetylen keine Schwierig- keit mehr. Das so bereitete Acetylen ist stets mit Phos- phorwasserstoff verunreinigt, von dem man es durch Waschen mit Bromwasser befreit. Der höchst unangenehme knoblauchartige Geruch des Acetylens ist insofern ein Vortheil, dass man durch den- selben schon auf kleine Mengen des Gases in Wohn- zimmern oder anderen Lokalen aufmerksam wird. Leitet man Acetylen in ammoniakalische Kupfer- chlorürlösung, so wird die Verbindung C-jH^Cu-jO gefällt, deren Constitution wahrscheinlich der Formel CaHCuCuOH entspricht. Sie ist rothbraun und explodirt heftig beim Erhitzen. Durch concentrivte Schwefelsäure wird Ace- tylen langsam absorbirt, indem wahrscheinlich eine Sulfon- säure gebildet wird, kocht man die Lösung mit Wasser, so entstehen Acetaldehyd und Krotonaldehyd. Unter der Einwirkung des elektrischen Funkens vereinigen sich Acetylen und Stickstoff" direkt zu Blausäure: C,E, + N2 = 2HCN. Es hat sich aber bald gezeigt, dass diese Reaction für eine industrielle Verwerthung nicht geeignet ist. Es ist auch noch zweifelhaft, ob die Eigenschaft des Ace- tylens, durch alkalische Kaliumpermanganatlösung in Oxal- säure und durch Chromsäurelösung in Essigsäure überzu- gehen, den bisherigen Darstellungsweisen dieser Säuren Concurrenz machen kann. 604 Naturwissenschaftliche "Wochenschrift. XV. Nr. 51. Bald nach der Herstelhmg des Acetylens aus Calciutn- carbid wurde auch die Gewinnung von Mineralspiritus in Aussicht gestellt, welcher nach folgenden Prozessen zu er- halten wäre: C2H2 + H2 =^ C-)H4 Acetylen Aethylen Aetiiylschwefelsäure Alkohol Das Gelingen dieses Prozesses hängt nur von der Er- füllung der ersten Gleiclmng ab, deren Möglichkeit von Berthelot in Aussicht gestellt worden ist. Berthelot Hess auf Acetylen Wasserstoff in statu nascendi einwirken, indem er Acetylen in eine ammoniakalische Kupferchlorür- lösung einleitete und das entstandene Acetylenkupfer mit Zinkstaub und Ammoniak behandelte. Allein die Aus- beuten im Laboratorium an entstandenem Aethylen sind so geringe, dass zur industriellen Ausnützung der oben angefühlten Reaction keine Aussicht vorhanden ist. Ver- lockend ist der Umstand, dass der so entstehende Spiritus frei von Fusehilen sein müsste, die ja dem Kartoflfel- spiritus stets in grossen Mengen beigemischt sind. Aber selbst wenn man annehmen wollte, dass obige Reaction quantitativ erfüllt würde, wäre die Spiritusgewiuuung aus Calciumcarhid doch noch nicht lohnend. Alle bis jetzt angedeuteten möglichen Verwendungen des Acetylens haben zur Zeit keine Bedeutung, die Haupt- bedeutung des Acetylens liegt eben darin, dass es unter Eutwickelung einer hohen Lichtintensität verbrennt. Es entwickelt nach verschiedenen Versuchen eine 12 — 15 fache Leuchtkraft des gewöhnlichen Gases und verbrennt mit ruhiger, angenehmer, geruchloser Flamme in dazu geeig- neten Brennern. Die Flamme ist weisslich und von glänzender Wirkung, namentlich auch auf die Farben, deren Nuancen sich wie bei Tage unterscheiden lassen. Es wurde ferner mit Erfolg zum Photographiren benutzt und ärztlicherseits soll das Licht auch bereits zu Augen- untersuchungen verwendet worden sein. In Folge der grossen Lichtstärke, die selbst das elektrische Licht Uber- triift, können die Flammenstärken bedeutend geringer gewählt werden. Man verwendet zu diesem Zwecke Brenner mit ausserordentlich feinen Oefl'nungen. In ge- wöhnlichen Brennern russt die Flamme und der sich hier- bei abscheidende Russ (Kohlenstoff) verstopft denn nach kurzer Zeit die Brenneröffnungen. Sorgt man aber durch besondere Construction der Brenner dafür, dass die Ver- brennung eine vollständige ist, so erhält man ein blendend weisses Licht. Ueberhaupt liegt der Werth des Acetylens mehr in seiner Eigenschaft als Beleuchtungsmittel wie als Heizmittel. Die Acetylengasbeleuchtung kommt billiger als die Leuchtgasbeleuchtung. In Folge seiner geringeren Wärme- eutwickelung beim Verbrennen erhitzt es die beleuchteten Räume bedeutend weniger als das Leuchtgas und ent- wickelt für den gleichen Lichteffect kaum die Hälfte Kohlendioxyd und Wasserdampf. Ferner ist nicht zu ver- gessen, dass Jedermann sich seinen Gaserzeuger selbst im Hause halten kann und dass bei der Kraftfülle und Schönheit des Lichtes eine Wohnung mit relativ wenig Flammen comfortabel und billig beleuchtet werden kann. Namentlich hat die Acetylenbeleuchtung schon jetzt für einzelstehcndc Landhäuser, Villen, Fabriken, kleinere Städte und Ortschaften, welche von einer Gasanstalt oder elektrischen Centrale entfernt sind, eine grosse Wichtig- keit; auch für Eisenbahnen hat sie ein grosses Interesse. Die Apparate zur Gaserzeugung bestehen im Wesent- ichen aus einem Entwickler, welcher das Calciumcarbid sowie das zur Eutwickelung nothwendige Quantum Was.ser aufnimmt, und aus einem Gasometer, welcher das produ- cirte Gas aufnimmt und je nach Bedürfniss in die Lei- tung abgiebt. Die Eutwickelung des Gases im Erzeuger richtet sich genau nach dem Fassungsvermögen des Gasometers, und um der Flamme die nöthige Stärke und Ruhe zu sichern, beträgt der Druck beständig 25 — 30 mm. Die Apparate sind derartig construirt, dass bei Ueber- produktion des Gases, d. h. bei Ueberhandnahme des Gasdrucks, der Wasserzufluss regulirt, eventuell ganz ab- gestellt wird. Diese Manipulation ist nicht eine auto- matisclie, die unter Umständen durch ein mechanisches Hinderniss vereitelt und dadurch eine direkte Gefahr herbeigeführt werden könnte, sondern sie basirt auf einem naturgemässeu physikalischen Gesetze. Wichtig ist auch der umstand, dass man das Ace- tylen in flüssigem Zustande zu Beleuchtungszwecken be- nützen kann, doch ist der Gebrauch von flüssigem Ace- tylen wegen seiner Explosionsgefahr in verschiedenen Staaten verboten worden. Nichtsdestoweniger hat das Acetylen zur Zeit keine Aussicht, das Leuchtgas zu ver- drängen und an seine Stelle zu treten, vorzugsweise des- halb, weil es bei seinem jetzigen Preise den Kampf mit dem Auerlicht nicht aufnehmen kann. Ungünstig ist auch der Umstand, dass das Acetylen mit Kupfer eine explo- sive Verbindung bildet, man hat somit an den Apparaten und Larapen das Kupfer zu vermeiden und z. B. durch Nickel zu ersetzen. Ungünstig ist ferner auch die Giftigkeit des Acetylens, doch ist dabei zu beachten, dass sich das Acetylen schon in kleineren Mengen durch seinen auffälligen widerlichen Geruch verräth. Zum Schlüsse sei noch an eine Reaction erinnert, an welche ebenfalls bei den möglichen Verwendungen des Acetylens zu denken ist. Beim Durchleiten des Acetylens durch glühende Röhren polymerisirt es sich und geht in aromatische Verbindungen wie Benzol CgH^, Styrol CgHg, Naphtalin CioHg u. s. w. über: '6C,E, = C.He Benzol. Eine praktische Bedeutung kommt indessen dieser Reaction nicht zu. Aluminiumcarbid C3AI4 hat Moissan in seinem elek- trischen Schmelzofen aus Kaolin und Kohle, und auch durch direkte Vereinigung von Aluminium und Kohle dar- gestellt und hat es in Form von durchsichtigen gelben Krystallen erhalten. Mit Wasser zersetzt es sich schon in der Kälte und zerfällt in Methan und Aiuminium- hydroxyd nach der Gleichung : C3AI4 + 12HoO = 3CH4 + 2Alo(OH)6 Methan Berylliumcarbid C:,Be4 ist von P. Lebeau durch Er- hitzen eines innigen Gemisches von reinem aus Smaragd gewonnenen Berylliumoxyd mit Zuckerkohle in einer kohlenröhre im Moissan'schen elektrischen Ofen darge- j stellt worden. Es ist eine geschmolzene röthliche Masse von krystallinischem Bruche, die sich aus mikroskopischen, I hexagonalen, braungelben, durchschimmernden Kryställchen zusammensetzt. Die bisher beschriebenen Carbide haben als gemein- same Eigenschaft die ungemein leichte Zerlegbarkeit durch Wasser in Fettkohlenwasserstofte und Hydroxyde, die in auffälligem Gegensatze zu ihrer sonstigen Beständig- keit steht. Von praktischer Bedeutung ist dabei die leichte Bildung von Acetylen aus den Erdalkalicarbiden, XY. Nr. 51. Natarwissenscliaftliclie Wochenschrift. di in heliebigen Mengen leicht darstellen seit man kann. — Die im Folgenden zu beschreibenden Carbide sind gegen Wasser beständig, werden zum Theil auch von Säuren nicht angegriffen, eine Anzahl von ihnen ist aus- gezeichnet durch grosse Härte, welche sie befähigt, als Ersatz für Diamantpulver und Smirgel zum Schleifen und Poiiren zu dienen. Hierher gehört zunächst das Siliciumcarbid (Carborun- duni) Sic. Dieses wurde bei Versuchen entdecl^t, die auf Veranlassung Edisons zur Lösung des Problems, Diamanten künstlich herzustellen, unternommen wurden. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass man den Kohlenstoff in vermittelst des elektrischen Stromes geschmolzener kiesel- sauren Thonerde aufzulösen und die Krystallisation durch Abkühlung zu erzielen suchte. Bei diesem Versuch, der in einem eisernen Becken ausgeführt wurde, wurde aus einem (iemisch von Kohle und kieselsaurer Thonerde durch einen starken elektrischen Strom eine Menge glänzender blauer, sehr harter Kryställchen erhalten, welche für ein Gemisch von Kohlenstoff und Thonerde gehalten wurden und deshalb den Namen Carborundum (von carbo und corundum) erhielten. Durch die Analyse ergab sich, dass sie eine Verbindung von Kohlenstoff und Silicium der Zusammensetzung SiC vorstellten. Die weitere Unter- suchung zeigte dann die Verwendbarkeit des Carborun- dums als Schleif- und Poliermittel. Zu seiner Darstellung mischt man irgend ein Kohlen- stoffmaterial, zweckmässig ein solches, welches möglichst reiner Kohlenstoff ist (Coaks oder bituminöse Kohle) mit einem Silicate (Aluminium- oder Calciumsilicat) in geeig- netem Verhältnisse und setzt sie während genügender Zeitdauer der Einwirkung des elektrischen Stromes aus unter Zusatz eines Flussmittels wie gewöhnliches Salz und dergl. Nach theil weisem Erkalten der Reactions- masse trennt mau die die Hauptmasse bildenden grün- glänzenden, aus unendlich viel Krystallen bestehenden, dicht gefügten Carborundumcylinder von Graphit, amorphem Kohlenstoffsilicium und unangegriffenem Ausgangsmaterial mechanisch, zerstört die Krystallbrocken und wäscht mit Säuren und schliesslich mit Wasser. Das gereinigte Material wird dann zu feinem Mehl verstampft und in einem aus mehreren G-efässen bestehenden Schlämm- apparat in ebenso viele Pulversorten durch einen Wasser- strom getrennt. Nach dem Ablassen des Wassers trocknet mau die Pulver und bringt sie zum Theil in dieser Form in den Handel, ein anderer Theil dient zur Herstellung von Schleifrädern, Schleifsteinen u. s. w.\ von jeglicher Grösse, Feinheit und Form. Die Carborundumkrystalle sind ausserordentlich hart, sie ritzen Saphir, werden aber von Diamant geritzt, in Form von Schleifrädcben kann man damit Löcher in den härtesten Stahl und auch in Corund schneiden. Der Werth des Carborundums als Abrasivmittel ist ein 3 — 4 mal höherer als der des Corunds, da Carborundum in der Zeit- einheit 3— 4mal mehr Schleifarbeit zu verrichten vermag als Corund. Es wurde weiter oben erwähnt, dass das Siliciumcarbid aus Versuchen, die den Zweck hatten, durch Krysalli- sation von Kohle aus geschmolzener kieselsaurer Thonerde Diamant herzustellen, hervorgegangen ist. Viele der- artige Versuche blieben ohne Erfolg, erst Moissan, der sich in neuester Zeit mit diesem Problem beschäftigte, konnte das Problem bis zu einem gewissen Grade lösen. Moissan licss zu diesem Zwecke reine Kohle aus Metallen unter hohem Druck krystallisiren, und zwar er- wiesen sich hierfür diejenigen Metalle geeignet, welche sich beim Erstarren ausdehnen, wie Eisen und Silber. Er schmolz z. B. Eisen im elektrischen Ofen, führte in die Schmelze rasch einen kleinen, mit gepresster Zucker- kohle gefüllten Eisencylinder ein, nahm den Schmelztiegel aus dem Ofen uud tauchte ihn in kaltes Wasser. Es bildete sich so eine feste Kruste um den inneren, flüssigen Eisenkern, nun wurde an der Luft allmählich ab- kühlen gelassen. Da sich das Eisen beim üebergang in den festen Zustand ausdehnt, so übt der innere, fest einge- schlossene Kern beim Erkalten einen gewaltigen Druck aus. Wenn nach vollständigem Abkühlen das Eisen durch Salzsäure weggelöst wurde, hint(rl)lieben neben Graphit kleine Splitterchen theils schwärzlicher, theils durchsich- tiger Krystalle, welche Rubin ritzten, dieselben wurden von den Beimengungen mit Königswasser, Flusssäure und concentrirter Schwefelsäure gereinigt. Der grösste der erhaltenen Krystalle hatte einen Durchmesser von 0,5 mm, sie besassen die Eigenschaft, Rubin zu ritzen, zeigten ein spec. Gewicht von 3,0— 3,5 und begannen bei 900" im Sauer- stoffstrom zu C0.2 zu verbrennen. In diesen und anderen Eigenschaften zeigten sie sich in Uebereinstimmung mit Diamant. In dieselbe Kls ferner noch : wie das Siliciumcarbid gehören Das Titancarbid TiC, welches unter gewissen Be- dingungen beim Erhitzen eines Gemenges von Titansäure und Kohle im Lichtbogen entsteht und zwar in Form von Krystallaggregaten «der in geschmolzenen Massen von krystallinischem Bruche. In analoger Weise werden Zirkoncarbid ZrC, und Thoriumcarbid ThC^ gewonnen. Das Borocarbid BgC, welches durch Einwirkung des elektrischen Lichtbogens auf Bor und Borverbindungen bei Gegenwart von Kohlen- stoff entsteht, ist zuerst von Joly und dann von Moissan dargestellt worden. Es stellt einen krystallinischen Körper dar, welcher durch eine Härte ausgezeichnet ist, welche die des Siliciumcarbids noch übertreffen soll. Wird kohlehaltiges Chrom im elektrischen Ofen mit mit Kohle dem Lichtbogen ausgesetzt, so entsteht ein Chromcarbid CjCrg in glänzenden Blättchen, welches Quarz und Topas ritzt. Zuweilen entsteht noch ein zweites Carbid CCr^ in langen goldgelben Nadeln. Eine Beimischung von 0,5 "/q desselben zu Kupfer macht dieses Metall sehr widerstandsfähig. Molybdäncarbid Mo^C wurde von Moissan darge- stellt durch Einwirkung des elektrischen Lichtbogens auf ein Gemisch von Molybdäudioxyd mit Zuckerkohle in einem Kohletiegel. Man erhält es so als Schmelze von krystallinischem glänzend weissem Bruche, die sich sehr leicht verkleinern und in kleine längliche, gut ausgebildete Prismen spalten lässt. Schon lange ist bekannt, dass geschmolzenes Eisen beträchtliche Mengen Kohlenstoff aufzunehmen vermag. Das Eisen enthält dann Kohlenstoff in gebundenem Zustande, welcher auf die Eigenschaften des Metalls von erheblichem Einfluss ist. Eine Kohlenstoff-Eisenlegirung der Zusammen- setzung Fe^C führt den Namen Spiegeleisen, üeberhaupt zeigen die verschiedenen Eisensorten den Einfluss des ge- bundenen Kohlenstoffs auf die Härte, Festigkeit, Schmelz- barkeit, Schmiedbarkeit und Dehnbarkeit auf das deut- lichste. Ganz allgemein wächst mit dem Gehalte an legirtera Kohlenstoff die Härte des Metalls und in der Regel auch die Schwerschmelzbarkeit. In dieser Hinsicht spielen die Metallcarbide auch in der Metallurgie eine grosse Rolle. 606 Naturwissenschaftliche TVochensclirift. XT. Xr. 51. Auch der Hering ist ein Laich fresser und zwar ein Zehver seines eigenen Laichs. An sieh ist dies eine Thatsache, die uns nicht allzu selir in Verwunderung- setzen kann, wenn man bedenkt, da^ss das Laichfeld in Folge der in grossen Schaaren sich auf demselben ver- einigenden Heringe wie mit Rauhreif förmlich übersät ist. Warum sollte nicht auch der Hering, der in dem mit Eiern und Milch fast gesehwiingerten Wasser umher- schwimmt, nicht auch die Eier verzehren? Ob mit oder ohne Willen, wer will's entsclieiden? In der Litteratur ist jedoch dieses Umstandes bisher nicht Erwähnung gethan. ümsomehr verdient eine Beobachtung hier ver- öffentlicht zu werden, welche der Königliche Oberfisch- meister A. Hinkelmann in Kiel gelegentlich seiner im Kaiser Wilhelms-Kanal im Mai dieses Jahres ausgeführten Versuchsfischerei gemacht hat. Unser Gewährsmaun öffnete eine Anzahl der auf dem Laichplatz unter km 77 ge- fangenen Heringe und fand, dass der Magen derselben dicht mit Eiern des Herings vollgepfropft war. Dem zoologischen Institut Kiel wurden die Objecto vorgelegt, und auch von dieser Seite wurde der Eierbefund im Magen des Herings bestätigt. B. lieber die Vertheiinng der Geschlechter bei den Gelegen d«r Haustauben und exotischen Taubenarten herrschen in den Kreisen der Züchter Meinungen, die trotz ihrer mangelnden Begründung wegen ihres ehr- würdigen Alters sehr schwer auszumerzen gehen; dazu bedarf es vielmehr in jedem Falle eines umständlichen Beweises, den jetzt L. Cuenot (in Comptes rendus, CXXXI. S. 756) zu führen unternommen hat. Diese Thiere legen regelmässig zwei Eier und jede Brut soll, nach der bis auf Aristoteles zurückfuhrbaren Meinung, der die Mehrzahl der Züchter und auch Darwin zustimmen, ein Männchen und ein Weibchen liefern. Um nun zu zeigen, dass eine solche Gesetzmässigkeit durchaus nicht herrscht, sondern der reine Zufall waltet, hat Cuenot 65 Gelege von Brieftauben ausbrüten lassen (xtnter der nöthigen Vorsicht, dass die von verschiedenen Müttern herstammenden Eier nicht verwechselt wurden) und hat in 17 Fällen zwei männliche, in 14 zwei weibliche und in 34 Fällen je ein männliches und ein weibliches Thier erhalten. Da nun die Wahrscheinlichkeitsrechnung lehrt, dass, wenn man zwei Geldmunzen 64 Mal in die Luft wirft, diese 16 Mal beide auf den Kopf und 16 Mal beide auf die Schrift fallen werden, 32 Mal aber die eine Münze den Kopf und die andere die Schrift zeigen, so ist die Ueber- einstimmung mit dem Ergebnisse der Taubenbrut wohl schon gross genug, um die Herrschaft des Zufalls zu be- weisen. Dieser Vergleich gewinnt noch au Beweiskraft, wenn man erwägt, dass von den Münzen eine jede eine Kopf- und eine Schriftseite besitzt, bei den Tauben da- gegen in der Regel ein üeberschuss der männlichen Geburten herrscht und deshalb die 65 Brüten 68 männ- liche Thiere gegenüber 62 weiblichen lieferten; zieht man dies mit in Rechnung, so findet man für die Wahr- scheinlichkeit, aus einem Gelege (von 65 solchen) zwei Männchen zu erhalten, den Werth 17,7, für die von zwei Weibehen 14,7 und für die von einem Pärchen den Werth von 32,4, welche Werthe mit den obigen noch besser übereinstimmen. Demnach giebt es ebensowenig wie für die menschlichen Familien und die Würfe der Hausthiere bei den Haustauben eine Gesetzmässigkeit in der Ver- theilung der Geschlechter und muss das Vorurtheil der gewöhnlich zweigeschlechtlichen Brüten der Tauben end- giltig aufgegeben werden. Des Weiteren behauptet die schon von Aristoteles getheilte Ueherlieferung, dass von dem zweigeschlecht- lichen Taubengelege zumeist das erstgelegte Ei das Männchen liefere. Flourens will dies 1864 auch an 11 Brüten bestätigt gefunden haben. Um die Wahrheit dieses Verhaltens zu prüfen, hat Cuenot 30 zweigeschlecht- liche Gelege in folgender Weise beobachtet:" beide mit einer Zwischenzeit von ein bis zwei Tagen gelegte Eier wurden sofort nach ihrem Erscheinen mit einer Nummer auf der Schale versehen und ein oder zwei Tage vor dem Ausschlüpfen zerschnitt sie Cuenot, um das Ge- schlecht zu erkennen; da fand er, dass in den 30 Gelegen das erstgelegte Ei ebenso oft, nämlich 15 Mal, ein Männ- chen enthielt als ein Weibchen; demnach besitzt keines der Geschlechter einen Vorzug, ebensowenig wie sich bei menschlichen Zwillingen ein Vorantritt von Knaben vor Mädchen erkennen lässt. Auch die Tauben geniessen demnach gar keine Ausnahmestellung in der natürlieheu Geschlechtsvertheilung. Dass die Tauben trotz ihrer ausgesprochenen Mono- gamie dennoch ebenso wie anderes Geflügel einen Ueberfluss von Männchen 'zeigen, welche Thatsache auch Darwin, jedoch an erwachsenen Thieren feststellte, hat schliesslich Cuenot auch an der Brut nachgewiesen; beim Durch- schneiden von 136 eben ausgebrüteten Thieren fand er in 73 Fällen männliches und in nur 63 Fällen weib- liches Geschlecht, also im Verhältniss auf 100 Weibchen 1 15,87 Männchen. Junge Aale im Dai'm älterer Aale. Bekannt ist, dass im Darm des Aales vielfach Spulwürmer (Ascaris labiata) gefunden werden, welche, da sie sich hin und wieder durch die Darmwand gebohrt und im Fett des Aales eingenistet haben, zu der Fabel vom Lebendig- gebären des Aales Veranlassung gaben. Gross war das Erstaunen eines Rauchers in Eckernförde, als er im Sep- tember dieses Jahres in dem Darminhalte eines zwei- pfündigen Aales sieben junge Aale von 7 — 9 cm Länge fand und nun ganz sicher glaubte, dass der Aal nach der allgemeinen Annahme der Fischer lebendige Junge zur Welt brächte. Oberfischmeister Hin kel mann in Kiel, dem der Inhalt vorgelegt wurde, belehrte ihn eines andern. Immerhin ist es von Interesse, zu erfahren, dass der Aal auch seines gleichen nicht verschont. B. Einige Togelcolonien in Hamburgs Umgebung schildert J. Itzerodt (Verhaudhmgen des Vereins für naturwissenschaftliche Unterhaltung zu Hamburg Bd. 10). Die Dohle (Colaeus monodula L.) fand er in Gesellschaft brütend in Welliugsbüttel, Grossensee, Reinbek uud au mehreren Stellen des Sachsenwaldes. — Die grösste An- siedelung der Saatkrähe (Corvus frugilegus L.) in der Umgebung Hamburgs befindet sich eben hinter Bergedorf, links an der Berliner Bahn, wo Itzerodt über 300 Nester zählte, welche in einer Höhe von 24 m auf Buchen und Eichen sassen, fast immer zu mehreren auf einem Baume, sogar 17 Stück wurden gezählt. Die Bäume und der Boden sind mit einer weissen kalkigen Schicht über- zogen. — Colonien der Sand- oder Uferschwalbe (Clivi- cola riparia L.) fand er bei Borstel, Winterhude, Schiffbek, Boberg und in der Umgegend von Segeberg. — Die Stare (Sturnus vulgaris L.) treiben sich, wenn die zweite Brut Mgge geworden ist, zu grossen Schwärmen ver- einigt, Futter suchend umher uud beziehen Abends als Nachtquartier das Röhricht an Gewässern. Jahrelang hat I. Gelegenheit gehabt, einen solchen Schlafplatz in Riddagshausen bei Braunschweig zu beobachten, wo sie den grössten mit recht viel Rohr bestandenen Teich allabendlich aufsuchen und alljährlich einen sich auf XY. Nr. 51. Natnrwissenschaftliche Wochenschrift. mehrere tausend Mark behaufeuden Schaden an geknicktem Rohr verursaclien, da dieses stets unter dem Gewicht der Hunderttausende von Vögeln bricht. Briitcolonien fand I. ausserdem bei Wellingsbüttel, Voiksdorf und im Walde bei Grossensee in der Nähe von Trittau. — Die Colonie von Fischreihern (Ardea cinerea L.), welche bei Kölln bei Elmshorn brüten, umfasst über 50 Horste, welche sich in einer Höhe von 17—22 m befinden und immer so, dass der Vogel von oben sofort auf das Nest einfallen, bezw. von demselben auffliegen kann. Beim Reiherschiessen am 17. Jnni 1897 wurden 91 flügge Junge und ein altes Männchen erlegt. Letzteres und fünf flügge, vier halbflügge, vier Daunenjunge und vier Eier wurden präparirt und dem Naturhistorischen Museum in Hamburg als Geschenk überwiesen, wo sie mit vier Horsten auf einem 19 m hohen Eichbaum aus dem Sachsen walde aufgestellt wurden. — Colonien der Graugans (Anser cinereus Meyer) und der Laehmöve (Larus ridi- bundus L.) werden vom grossen Plöner See, von letzterer auch noch am Sibbersdorfer See beschrieben. — Eine Colonie des Haubentauchers (Colymbus cristatus L.), der sonst gewöhnlich vereinzelt vorkommt, befindet sich auf dem See bei Motzen bei Segeberg, wo 29 Nester fast nebeneinander constatirt wurden, trotzdem vom Ufer aus kaum einige Vögel zu sehen waren. A. L. Die Versuclisflsclierei auf dem Kaiser WiUielms- Eanal hat auch in diesem Jatre in der Person des Oberfischmeisters Hinkelmann in Kiel einen eifrigen Förderer gefunden und aufs Neue dargethan, dass der Kanal nicht nur als Scbonrevier unserer wichtigsten Nutz- fische eine bedeutende Rolle spielt, sondern vor allem auch als Laichplatz namentlich für den Hering in Frage kommt. Leider steht zu befürchten, dass der veränderte Schleusenbetrieb dem Aufstieg der Heringe zum Zwecke des Laichens nicht unerhebliche Schwierigkeiten ent- gegenstellen wird, wodurch hoflentlicb die Bedeutung des neuen Laichreviers nicht ganz illusorisch wird. Bisher standen die Ostseeschleusen bei Holtenau stets offen, da- mit der Kanal von der Ostsee her beständig durchgespült werde. Ein starker Strom durchsalzte den Kanal, nament- lich auf der Strecke zwischen Holtenau und Rendsburg; dem Vordringen des brakigen Eibwassers wurde durch den beständigen Verschluss der BrunsbUtteler Schleusen gewehrt. Der erhöhte Salzgehalt des Kanalwassers sollte die Tragfähigkeit des Wassers erhöhen, beides, Salzgehalt und Strömung gegen das Gefrieren schützen-, vor allem aber hoffte man, durch diese systematisch betriebene Durchspülung die Einmündung des Kanals in die Elbe vor Versandung und Verschlickung zu bewahren. Die Erfahrung hat aber gelehrt, dass die Strömung dem An- prall der Gezeiten nicht gewachsen ist; ausserdem stellt der Gegenstrom den kanalaufwärtsfahrenden Schiffen einen nicht unerheblichen Widerstand entgegen, während der Mitstrom die Lenkbarkeit der Schiffe nicht unwesent- lich beeinträchtigt. Das sind die Gründe, weshalb die Kanalkommission nun auch die Ostseeschleusen geschlossen hält. Die Folgen dieser Betriebsänderuug haben sich in diesem Jahre sofort bemerkbar gemacht; der Salzgehalt ist bedeutend zurückgegangen, fast um 1 7o- Die Zu- nahme und das vorzügliche Gedeihen der Süsswasser- fische einerseits und die Abnahme und das völlige Ver- schwinden von Salzwasserthieren andererseits hängt aufs engste damit zusammen. Ende August konnte Oberfisch- meister Hinkelmann eine starke Zunahme an Süsswasser- fischen constatiren; während bei 65 km Barsche, Brassen, Plötzen und Hechte von 15 — 20 cm Länge in Massen vorhanden waren, überraschte bei 70 und 71 km das Vorkommen besonder.s grosser Süsswasserfische, unter denen namentlich Barsehe in stattlichen Exemplaren von 2— 2'/2 Pfund vertreten waren. Gänzlich verschwunden schienen folgende Arten von Salzwasserthieren zu sein: Taschenkrebse, Nordseekrabben, Gobii und Seenadeln; ferner wurde in diesem Jalne nur ein einziges Exemplar des Seeskorpions (Cottus scurpius) gefangen. Bezuglich des Herings konnte festgestellt werden, dass derselbe auch in diesem Jahre das Kanalbett in ausgiebigster Weise zum Laichen benutzt hatte. Die diesbezüglichen Resultate der Maifahrt (7. bis 12. Mai 1900) lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Der Hauptlaichplatz der Heringe erstreckt sich am nördlichen Ufer des Kanals von km 76 bis km 78,5, hat sich also im Vergleich zu dem vorjährigen Laichplatz um ca. 1 — 2 km nach Osten verschoben. 2. Die Heringe haben ca. 3 Wochen später gelaicht als im Vorjahre, wohl in Folge der Ungunst der Witterung. Im Uebrigen wurde das Laichen der Heringe dadurch begünstigt, dass die Eier in diesem Jahre bei niedrigem Wasserstande abgelegt wurden. Letzteres ist insofern von Bedeutung, als im Vorjahre durch das Sinken des Wasserspiegels ein breiter Streifen des Laichleides trocken gelegt und die Entwickelung vieler Eier verhindert wurde. Ein am 8. Mai unter km 77 angestellter Versuch mit Stell- netzen ergab einen Fang von 14 zum Theil abgelaichter Heringe. Ein zweiter Fang am 9. Mai bei km 65 führte 160 Heringe, darunter der dritte Theil Milchener, zu Tage. Von diesen Heringen hatte ^/^ abgelaicht, während die übrigen unmittelbar vor dem Laichprocess standen; schon beim blossen Anfassen entleerten sie sich. Nach dem Befund der am 8. Mai bei km 77 aufgefischten Eiern muss angenommen werden, dass das Laichen daselbst in den ersten Tagen des Mai stattgefunden hat. Der Vorgang des Laichens konnte in diesem Jahre nicht unmittelbar beobachtet werden, weil die Witterungsverhältnisse wäh- rend der ersten diesjährigen Kanalfahrt für derartige Beobacbtungszwecke höchst ungünstig waren. Von der grossen Zahl der auch in diesem Jahre den Kanal auf- wärtsstrebenden Heringe kann man sich eine Vorstellung machen, wenn man bedenkt, dass Männer und Knaben den Fang mit Handketschern von der Böschung aus be- treiben konnten, wobei die Ausbeute eine so reichliche war, dass dieselbe in Säcken nach Hause getragen werden musste. Dieser Fang soll am lohnendsten am 6. Mai gewesen sein, während der Fang am 8. Mai durch den an dem Tage herrschenden Oststurm vereitelt wurde. Auf der Junifahrt wurden Heringslarven bezw. junge Heringe von 25 — 30 cm Länge bei km 61 und 70 zahl- reich beobachtet, ferner grosse Schwärme ausgewachsener Heringe, welche stümend an die Oberfläche kamen. Die Heringe trugen zumeist die charakteristischen Merkmale der „Maiheringe". Im Andorfer See wurde eine Menge Sprotten von auffallend schöner Qualität gefangen. Strufbutt oder Flunder (Platessa flesus) waren, wie in den Vorjahren, überall reichlich vertreten; die grössten Exemplare von 34 cm Länge wurden bei km 65 und 85 gefangen. Auffallend war wiederum die grosse Zahl der „linksköpfigen" Exemplare (34 7n), sowie der sogenannten „Blendlinge" (ca. 66%); letztere sind Strufbutt, welche an der Oberseite völlig glatt und nur mit einer rauhen Mittelnaht und mit rauhen Seitennähten versehen sind. Unter den bei km 71 gefangenen Aalen zeigten sich auffallend viele Blankaale; so nennt der Fischer die citronengelben Wanderaale. Der Aufstieg der Aalmontee in die mit dem Kanal in Verbindung stehenden Auen wurde durch die kalten Maitage ungünstig beeiuflusst, sodass man selbst bei längerem Verweilen an den Aal- leitern Mühe hatte, der Aale gewahr zu werden. Xatui'wisseuscliaftliclic AYoclicnselirift. XY. Nv. 51. Wie aus deu einleitenden Worten dieser Mittheilung hervorgeht, ist der Ivaual in Folge des veränderten Schleusenbetriebs in ein neues Stadium eing-etreten. Zu Beginn der ersten Periode entschied sich im Kampf der Salz- und Süsswasserorganismen untereinander der Sieg zu Gunsten der ersteren; erst allmählich gelang es letzteren, sich den veränderten Lebensbediugen anzupassen. Nun soll sich zeigen, wieweit c;^ den Salzvvasserorganismen beschieden sein wird, sich im Kampf mit dem Süsswasser zu behaupten. Voraussichtlich wird es den Heringen und Flundern gelingen, das einmal eroberte Feld zu behaupten, wenn nicht jenen durch den veränderten Schlcusenbetrieb bei Holtenau der Auftrieb zum Laichfeld erschwert wird. Die Lösung dieser Frage hat ein grosses praktisches Interesse; vielleicht ist schon die Versuchsfischerei im nächsten Jahre dazu berufen, hierüber Aufschluss zu geben. B. lieber das Ferment des Senfes (Myrosin) uud das Senföl. — Dass der Senfölgeruch erst dann entsteht, wenn man schwarzen Senfsamen mit Wasser zerreibt, an dem unzerriebenen Samen aber fehlt, wurde seit lauge als Beweis dafür augesehen, dass das Senföl nicht im Senfkorn fertig gebildet ist. Es entsteht erst, wenn durch das Zerreiben ein im Senfkorn enthaltenes Fermen, Myrosin genannt, mit dem Giycosid Sinigrin oder myronsaures Kali in Berührung kommt. Letzteres spaltet sieh dann in saures schwefelsaures Kali, Zucker und Senföl, welcher zu deu schärfstriechenden Stoffen gehört, die im Pflanzenreich vorkommen. Das Ghcosid ist ofl'enbar in andern Zeilen des Samens enthalten als das Ferment, sonst würde schon im lebenden Samen selbst die Spaltung vor sich gehen. Ja es kommt häufig vor, dass nur das Ferment auftritt und Sinigrin fehlt; dann kann der Senfölgeruch durch künstlichen Zusatz vom myronsaurem Kali erhalten werden. Die Verbreitung dieses Fermentes bei Cruciferen und anderen Pflanzen ist schon durch Spatzier (Pringsh. Jahrb. 25, 39) theilweise untersucht worden. Er fand, dass viele Cruciferen sowohl in den vegetativen Theilen als im Samen Myrosin enthalten; doch soll es z. B. bei Capselia bursa pastoris fehlen (ist nach neueren Ver- suchen des Verfassers unrichtig). Ferner fand er es bei einigen Resedaceen (in der Epidermis des Krautes sowie in den Samen), bei mehreren Violaceen und Tropaeolaceen (in dem Samen, nicht im Kraut). Zum Nachweis des Fermentes lässt sich myronsaures Kali verwenden, welches bei Gegenwart von Myrosin und Wasser sofort den charakteristischen scharfen Geruch von Senföl ergiebt. Der Senfölgeruch ist so scharf, dass noch eine wässerige Lösung von 1 : 100 000 deutlich riecht, eine Lösung von 1 : 20 000 stechend, von 1:10 000 unerträglich. Verfasser fand (Chem. Ztg. 1900, Nr. 77) Folgendes: Schwarzer Senfsamen giebt beim Anrühren des Mehles mit Wasser von selbst starken Senfölgeruch, der Samen des weissen Senfes erst bei Zusatz von myronsaurem Kali; ersterer enthält also neben dem Myrosin auch das Giycosid, myronsaures Kali. Samen und Wurzel vom Rettig ent- halten auch etwas myronsaures Kali; ebenso die Samen von Iberis amara, umbellata und sempervivens, Cochlearia otf., Brassica oleracea; aber nur sehr wenig, denn der Geruch kann durch künstlichen Zusatz von myronsaurem Kali wesentlich verstärkt werden. Myrosin wurde bei fast allen Cruciferen gefunden; Hesperis matronalis bildet eine Ausnahme, sie giebt weder vor noch nach dem Zusatz von myronsaurem Kali Senfölgeruch. Das my ronsaure Kali fehlt oft, selbst nächsten Verwandten des schwarzen Senfes, während das Ferment Myrosin dort ziemlich regelmässig auftritt. Von den Leguminosen wurden mehrere auf den Gehalt an einem aus myronsaurem Kali Senföl abspaltenden Ferment geprüft. Ein Myrosin ähnliches Ferment wurde gefunden bei grünen Bohnen (nicht in den reifen), Erbsensamen, Linsensamen; sie geben starken Senf- ölgeruch bei Zusatz von myronsaurem Kali. Von Urabelliferen zeigten die gelbe Rübe und die Petersilie schwachen Myrosingehalt (der Senfölgeruch trat erst nach einigen Stunden auf). Unter den Liliifloren enthalten Schnittlauch und Zwiebel ein Myrosin ähnliches Ferment. Viele im Original nachzusehende Familien, Gattungen und Arten wurden mit negativem Erfolg geprüft. Immerhin lässt sich sagen, dass dem Myrosin eine grössere Ver- breitung im Pflanzenreich zukommt als bisher vermuthet wurde. Da ausser bei Cruciferen das myronsaure Kali nicht vorkommt und bei Cruciferen nicht immer, so ist in den andern myrosinhaltigen Pflanzen ein bisher unbekanntes Glucosid als vorhanden anzunehmen. Denn zwecklos wird jenes Ferment nicht gebildet. Versuche, das Ferment Myrosin Zugewinnen, scheiterten an der Empfindlichkeit desselben. Um es durch Extra- hiren und Ausfällen zu erhalten, wie Bussy angiebt, müsste mau Alkohol anwenden; dieser macht aber das Ferment unwirksam, sowohl absoluter wie 50 procentiger Alkohol. Gepulverter weisser Senf hat nach 24 Stunden Aufenthalt in beiden Flüssigkeiten die Fähigkeit, myron- saures Kali unter Senföfebspaltung zu zerlegen, verloren. Ferner schien auch das Eintrocknen allein schon einen sehr nachtheiligeu Einfluss zu haben. Denn während der ausgepresste Rettigsaft bei Zusatz von myronsaurem Kalium sofort unerträglichen Senfölgeruch entwickelt, hat das beim Eintrocknen bleibende Residuum diese Eigen- schaft nicht. Selbst wenn man das Eintrocknen bei 25° vornimmt (rasch bei flacher Ausbreitung der Flüssigkeit), gelingt es nicht ein wirksames Ferment zu erhalten. Zu allen folgenden Versuchen (Chem. Ztg. 1900, No. 77) wurde deshalb Mehl von weissem Senf genommen, das eine langdauernde prompte Wirksamkeit zeigt; es ent- wickelt erst auf Zusatz von myronsaurem Kali (und Wasser) Senfölgeruch, enthält also bloss Myrosin, nicht miron- saures Kali. Gegen einige bekannte Protoplasmagifte verhält sich das Mirosin folgeudermaassen: Eine 5 procentige Auflösung von Formaldehyd ver- mag das Ferment binnen 24 Stunden völlig unwirksam zu machen; hingegen nicht eine 1 procentige Auflösung. Da man lebende Pflanzenzellen schon durch Formaldehyd- lösung von 1:10 000 vergiften, Bakterienvegetation damit verhindern kann, so besteht offenbar eine starke Differenz zwischen Ferment und lebendem Protoplasma. Das Ferment Myrosin ist wesentlich widerstandsfähiger als lebendes Protoplasma. Ein Versuch mit Schwefelsäure zeigte, dass sowohl 5procentige als 1 procentige freie Schwefelsäure die Wirk- samkeit des Fermentes binnen wenigen Stunden vernichtet. Aeusserst heftige Protoplasmagifte sind Quecksilber- und Silbersalze. Sublimat tödtet Algen schon bei einer Concentration von 1:200 000 binnen 24 Stunden, Silber- nitrat sogar bei 1:100 000. Auch das Myrosin ist gegen Sublimat sehr empfind- lich; denn nicht bloss 1 procentige sondern auch 0,1 pro- centige Lösung desselben tödtet das Ferment binnen wenigen Stunden. Desgleichen wirkt Silbernitrat als 0,1 procentige Lösung tödlich auf Myrosin. Hier erkennen wir die Aehnlichkeit zwischen Protoplasma und Ferment. Gegen salzsaures Hydroxylamin (mit kohlensaurem XY. Nr. 51. Naturwissenscliaftliche Wochenschrift. 609 Natron neutrallsirtes, etwas freies Hydroxylamin ent- haltendes) ist das Myrosin ziemlich unempfindlich, wiewohl dasselbe ein starlies Protoplasmagift ist; denn bei ö^/g dieses Giftes wird das Myrosin noch nicht unwirksam, während z. B. die „Katalase" 0. Löew's hierdurch ge- schädigt wird. Gegen höhere Temperaturgrade verhält sich- das Myrosin ähnlich wie andere Fermente. 75° heisses Wasser tödtet das Myrosin des weissen Senfes, 70° warmes ver- nichtet seine Wirkung nicht ganz (bei V4 stündiger Ein- wirkung). Die Tödtungstemperatur aller Fermente liegt bekanntlich in diesen Grenzen (wenn man feuchte Hitze einwirken lässt; trocken ertragen die Fermente wie das Protoplasma viel höhere Temperaturen). Das Senföl, welches schon neulich in dieser Zeit- schrift einer eingehenden chemischen Betrachtung ge- würdigt wurde, bietet auch in anderer Beziehung manches Interessante dar. Vor allem die eigenthUmliche Entstehung desselben! Es ist im Senfkorn und in andern Pflanzen enthalten, aber in einem sozusagen maskirten Zustand, in lockerer Verbindung mit andern Stoffen, die nur durch das Hinzu- treten von Myrosin gespalten wird. Nicht der leiseste Geruch verräth die Anwesenheit des Senföles im un- verletzten Senfkorn! Das Myrosin kommt aber nur dann hinzu, wenn das Senfkorn zermalmt wird, z. B. durch Thiere, die sich den fettreichen Samen als Nahrung zuführen wollen. Somit ist das Senföl als Schutzmittel aufzufassen, als eine Waife, die erst im Augenblick der Gefahr mit voller Schärfe auftritt. Zuerst ist dieser Gift- stoff, der ja auch die Pflanze selbst schädigen würde, durch chemische Bindung unschädlich gemacht, erst bei dem Versuche, die Gewebe zu zerstören, wird er durch Fermentwirkung frei gemacht. Wie empfindlich das Senföl die Geruchsorgane des Menschen und der Thiere reizt, ist sattsam bekannt. Schon bei geringster Menge verursacht es einen unerträg- lichen stechenden Geruch. Dass aber auch andere Gewebe als die Nerven, die Pflanzengewebe und sogar die Bakterien durch Senföl geschädigt werden, ist experimentell nachgewiesen. Das gewöhnliche Senföl retardirt die alkoholische, faulige, ammoniakalische Harn- und Milchgährung; schon in sehr kleinen Mengen „behindert" es die Entwickelung von Milzbrandbacillen merklich; nach R. Koch genügt dazu Senföl von 1 : 330 UOO (in Fleischpeptoulösung), gänzlich aufgehoben wird das Wachsthum bei 1:30 000. „Es ist das giftigste aller sogenannten ätherischen Oele (auch für Thiere").*) Da so ungewöhnlich geringe Quantitäten Senföl, wie sie in den Lösungen 1:33000 oder gar 1:3300U() enthalten sind, schon genügen, um die Bakterien zu schädigen, gehört das gewöhnliche Senföl zu den schärfsten Giften überhaupt. Nach des Verfassers eigenen Versuchen mit gewöhn- lichen Schimmelpilzen und Fäulnissbakterien genügt 0,1% gewöhnliches Senföl sowohl zur Verhinderung der Fäulniss als auch des Schimmels. Während das vom Senf und andern Cruciferen er- zeugte Senföl immer Allyl senföl ist, hat die Chemie auch andere Senföle darstellen gelehrt, so das Methyl-, Plieayl- und Aethylsenföl. CS:N-C,H5 CS:N-CH3 CS:N-C5H5 CS:N-C2H5 Gew. oder Allylsentol Methylsenföl Phenylsenföl Aethylsenföl Versuche des Verfassers (Pflüg. Archiv Bd. 73 S. 555 bis 592) ergaben, dass auch die künstlichen Senföle ziem- *) Aus chiedeuen Autoren sind diese Notizen entnommen. lieh gleich stark gifti.t; sind wie das gewöhnhehe Senföl. Daraus kann man folgern, dass der Grund für die Giftig- keit in der Atomgruppe CS:N zu suchen sei, weil ja die damit verbundene Radikale C3H5, CH3, CeHg, C^Hj keinen Unterschied ausmachen. Th. Bokorny. Ueber die Aeiulerung der chemischen Eigenschaften einiger Elenieiitc dnrch hinzugefügte ganz kleine Mengen IVeniilcr Stoffe hat neuerdings Gustave Le Bon einige recht intcicssante Beobachtungen (in den Comptes rendus, CXXXI. No. 18) veröffentlicht. Den Anlass boten ihm seine Untersuchungen der verschiedenen Formen von Phosphoreseenz, bei denen er fand, dass, wenn mau ge- wissen Körpern ganz minimale Quantitäten anderer Stoffe hinzufügte, Verbindungen entstanden, die eine tiefgreifende Veränderung der physikalischen Eigenschaften jener Körper bewirkten. So erregen bereits Spuren von Wasserdampf die Phosphoreseenz bei den Sulfaten des Chinins und Cinchonins und ertheilen ihnen die Fähigkeit durch ihre Ausdünstungen, die auch materielle Hindernisse durch- dringen, die Luft zum Leiter von Elektricität zu machen; das findet nicht unter Wasserbindung oder -entbindung statt, stets jedoch ohne dass Radioactivität erkennbar würde. Dieser Wechsel im physikalischen Verhalten reizte zu Versuchen, ob auch die chemischen Eigenschaften durch ganz geringe Zusätze fremder Stofle erheblich ver- ändert werden. Von Eisen und Stahl ist das allerdings längst bekannt, nicht gleicherweise aber von vielen andern Metallen. Le Bon wählte für seine Untersuchungen das Quecksilber, das Magnesium und das Aluminium. Von reinem Quecksilber gilt, dass es sich in der Kälte nicht merklich oxydirt und dass es weder in der Wärme noch in der Kälte das Wasser zersetzt; vom Magnesium, dass es an der Luft nicht oxydirt und dass es das Wasser nicht in der Kälte zerlegt. Dies thut auch reines Aluminium nicht, wenigstens nicht in erheb- lichem Betrage, das an der Luft ebenfalls nicht oxydirt und den Angriffen von Schwefel- und Salpetersäure widersteht. Setzt man nun jedem dieser drei Elemente eines der beiden andern in ganz geringem Verhältnisse zu, so stellen sich folgende Aenderungen im ehemischen Verhalten ein: a) beim Quecksilber; auf einem Bade von Queck- silber kann man ein Magnesinmblech unendlich lange belassen oder es mit jenem behandeln, ohne dass das Magnesium angegriffen wird; wendet man aber einen gelinden Druck an, indem man das mit Schmirgel ge- schliffene Magnesiumblech in eine mit Quecksilber gefüllte Röhre senkrecht hineinstösst, so wird das Blech nach einigen Stunden vom Quecksilber angegrifien und dieses erlangt hierbei die Fähigkeit, Wasser zu zersetzen und in der Kälte an der Luft zu oxydiren. Letztere Eigenschaft wird sogar sehr kräftig; entfernt man nämlich von der Oberfläche des Metalls die sie bedeckende dicke Schicht aus schwarzem Oxyde, so bildet sich diese sogleich wieder und kann die Oxydation in dieser Weise länger als eine Stunde andauern, wozu eine Magnesium-Beimenguug von Vhooo des Quecksilbergewicbtes genügt. Die gleichen Ergebnisse erhält man, wenn man, statt das Quecksilber unter Druck einige Stunden auf das Magnesium wirken zu lassen, in einer Flasche Quecksilber, Magnesium und ein Procent Salzsäure enthaltendes Wasser 10 Sekunden lang kräftig zusammenschüttelt. b) bei Magnesium, das in angegebener Weise mit Quecksilber behandelt wurde, stellte sich die Fähigkeit ein, das Wasser bei seiner Oxydation lebhaft zu zersetzen. c) beim Aluminium; von ihm ist bekannt, dass es 610 Natui'wissenschaftliclie "Wodiensclirift. XV. Nr. 51. mit Quecksilber, das übrigens keine Wirkung auf dasselbe auszuüben scheint, in Gegenwart von Basen eine Ver- bindung eingeht zu einem glänzenden Amalgame, das Wasser zersetzt; hierbei befinden sich beträchtliche Mengen von Quecksilber und Aluminium mit einander verbunden. Hier jedoch ist die Rede von einer Verbindung des Aluminiums mit so wenig Quecksilber, dass dieses kaum die ganze Oberfläche von jenem zu verändern vermag; eine solche kann man entwedei- wie bei Magnesium unter Druck erzielen oder, und das geschieht schneller, auf mechanischem Wege; hierzu genügt es, in einer Flasche, die einige Cubikcentimeter Quecksilber enthält, Stücke von zuvor mittels Schmirgel gereinigtem Aluminiumblech zwei Minuten lang kräftig zu schütteln. Zieht man danach eines der Blechstücke ans der Flasche heraus und bringt es nach sorgfältiger Trocknung senkrecht an einem Halter an, so beobachtet man, wie es sich fast sofort mit weissen Thonerdeblumen bedeckt, die senkrecht zur Metallober- fläche sprossen und schliesslich 1 cm Höhe erreichen; hierbei steigt anfangs die Temperatur des Bleches bis zu 102°. Wirft man solches leicht amalgamirte Aluminium in eine Flasche mit Wasser, so zersetzt es dieses energisch und wandelt sich selbst zu Thonerde um; die Zersetzung hört nicht eher auf als bis das ganze Aluminium ver- schwunden ist. Ein Aluminiumblech von 1 mm Dicke, 1 cm Breite und 10 cm Länge wurde in weniger als 48 Stunden völlig zersetzt, und in noch weniger Zeit, wenn man das Wasser bewegt, um die gebildete Thon- erdeschicht zu entfernen. — Wie gering die hierzu nöthige Menge von Quecksilber sein darf, um die Eigenschaften des Aluminiums so tiefgreifend zu verändern, erkennt man, wenn man in ein mit einigen Tropfen Quecksilber und übrigens mit Wasser gefülltes Reagensglas einen Streifen von Aluminiumblech einführt, der vom Stöpsel in senk- rechter Lage so gehalten wird, dass er das Quecksilber nur mit seinem untern Ende berühren kann; da beginnt das Wasser nach einigen Stunden sich zu zersetzen, und diese Zersetzung dauert an, bis das Aluminiumblech völlig verschwunden ist. Sclinelle Umwandlung von Holz in eine niiueral- kohlen-älinliche Substanz. Ein Stück von vollkommen gesundem Pockholz (Gayacum) war, wie G. Arth in bomptes rendus No. 18 mittheilt, als Pivot einer Jonval- Turbine von 12 Pferdestärken und 112 Umdrehungen in der Minute, im Grunde einer bronzeneu Scheide an- gebracht und ruhte auf ihm das aus Stahl bestehende Achseuende; das Gewicht des ganzen beweglichen Systems betrug 400 kg. Ohne eigentlich unter Wasser zu stehen, war doch das Pivot immer feucht, weil es sich unterhalb der Ausflussöff'nungeu des Turbineuwassers befand. Nach sechs Betriebsmonaten wurde die Turbine wieder demon- tirt. Hierbei wurde das Stück Pockholz im unteren Theil noch ganz unversehrt gefunden, während der obere, dem die Turbinenwelle unmittelbar aufgeruht hatte, zu einer schwarzen, zerspaltnen und leicht in kleine Stücke zu zerbrechenden Substanz von glänzendem und regellosem Bruche umgewandelt war, die vollkommen an gewisse Mineralkohlen erinnerte. — Au der Luft getrocknet gab sie bei der Analyse 2,74% Feuchtigkeit und 56,88 "/o Kokespulver, im Vacuum getrocknet 3,90% Asche, 4,86 7o Wasserstoff und 69,767o Kohlenstoffe (und 7106 Kalorien). Rechnete mau das Analysen-Ergebniss auf reine orga- nische Substanz um, so erhielt man in Proeenten: Wasserstoff = 5,05 Kohlenstoff = 72,59 Sauerstoffu.Stickstoff = 22,36 Heizkraft=7394Kalorien Oj:N_22,36_ H ~ 5,05 ~*' während letztgenanntes Verhältniss bei Ligniten gewöhn- lich nahezu 5 ergiebt, bei trocknen Steinkohlen zwischen 3 und 4 wechselt, dagegen bei Holzstücken auf 7 steigt. Gegenüber der Verbrennungswärme trockner Kohlen von etwa 8000 Kalorien steht jene nicht zu weit zurück. Das verkohlte Pockholzstück stellt sich also nicht nur in seinen Eigenschaften, sondern auch in seiner Zusammen- setzung zwischen die eigentlichen Lignite und die jüngsten, an Sauerstoff reichen Schwarzkohlen. Interessant ist nun, dass es nur eines so kurzen Zeitraums für die Um- wandlung bedurfte, die entschieden unter dem Einflüsse des Druckes und einer gelinden, von der Reibung hervor- gerufenen Temperaturerhöhung in Gegenwart von Feuchtig- keit erfolgte, also unter Einwirkung der FactoreUj die mau überhaupt für die normale und allmähliche Umwand- lung holziger Stoffe zu Lignit und Kohle niaassgebend erklärt. Aus dieser Thatsache ergiebt sich, dass unter besonders gün.stigen Umständen die zu solchen Umwand- lungen nöthige Zeit viel geringer ist, als man allgemein annimmt, und durchaus nicht die Dauer langer geologischer Perioden zu erreichen braucht. Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Generaloberarzt Dr. Sclijerning zum Generalarzt und Abtheilunssehef in der Medicinalabtheilung des preussischen Kriegsministeriums; Dr. K. Schorbach zum Biblio- thekar an der Universitäts- und Landesbibliothek in Strass- burg; ausserordentlicher Professor der Zoologie und Botanik E Voloszczak an der technischen Hochschule in Lemberg zum ordentlichen Professor. Berufen wurden: Dr. H. Keitter, Privatdocent der Chemie in Bonn, als Lehrer der Chemie an die Handelsschule in Köln; Privatdocent der Mathematik A. Sucharda an der czechischen Universität in Brunn, als ausserordentlicher Professor an die czechischo technische Hochschule daselbst. Es habilitirton sich: Dr. W. Wirth für Philosophie, Dr. K. Sapper für Erd- und Völkerkunde in Leipzig; Dr. Max Weber für Mineralogie an der technischen Hochschule in München; Gymnasiallehrer Siegel für Philosophie an der deutschen tech- nischen Hochschule in Brunn; G. Bikeles für Anatomie des Nervensystems in Lemberg. Es starben: Dr. Ketteier, ordentlicher Professor der Physik und Director des physikalischen Laboratoriums an der Akademie in Münster; Dr. Richard Altmann, ausserordentlicher Pro- fessor der Anatomie in Leipzig. L i 1 1 e r a t u r. Dr. Wilhelm Blasius, Professor an der Herzogl. techn. Hoch- .scliuh' zu l'irauiisoliwejg, Die anthropologisclie Litteratur Braunschweigs und der Naohbargebiete mit Einschluss des ganzen Harzes. V^erlaij; von Benno (/ioeritz in Braun.scliweig. 1900. - Preis I Mk. Zunächst giebt Verf. eine Zusammenstellung von biblio- graphischen Schriften und Litteraturverzeichnissen, sodann eine solche über Zeitschriften und andere periodische Veröffentlichungen. Der folgende Abschnitt giebt die Litteratur zur „eigentlichen Vor- geschichte", dann diejenige über somatische Anthropologie. Die Register sind: 1. Autoren-Register, 2. Ortschafts-Register, 3. Sach- Register. Verf. giebt bei den citirten Abhandlungen stets mit kurzen Worten den Inhalt derselben an. Das Buch umfasst 231 Seiten. Dr. Valentin Hacker, aus.^erordentlicher Professor in Freiburg i. Br.. Der Gesang der Vögel, seine anatomischen und bio- logischen Grundlagen. Mit 13 Abbildungen im Te.xt. Gustav Fifclu-r in Jena lüUO. — Preis 3 Mk. Verf. bespricht den Bau des Stimma])pai-at.'s dyr Vöyel mit Zuhülfenahme guter Abbildungen, geht auf .li.' >|H.riiis,lirii Unter- schiede ein, auf denen die Mannigfaltigkeit '\'v \ om-l^tiiiiun>n be- ruht und auf den diesbezüglichen sexuelhii I linioriihi^mus. um dann ausführlich die Entwickelung des Singinstiuktes zu besprechen. Ein besonderes Kapitel behandelt die Bewerbungserscheinungen insoweit sie mit Gesang in Verbindung stehen. Das Buch ist sehr verdienstlich, da es ein Feld beackert, das die Gelehrten fast brach liegen gelassen haben, obwohl es sich um ein wichtiges Kapitel aus der Zoologie handelt. XV. Nr. 51. Katurwissenschaftlii-he Wochenschrift. Dr. O. V. Linstow, Die Fortpflanzungsgeschiclite der Aale. Mit 5 Figuren. E. Sohweizertljiiit'srhe Verlagsbuchhandlung (.E. Naegele). Stuttgart 1900. — Preis 0,G0 JMk. Das nur wenige Seiten umfassenile Heftchen ist ein Separat- Abdruck aus der „Zeitschrift für Naturwissenschaften". Verf. giebt in demselben eine gute Uebersicht über die neueren Unter- suchungen über die Fortpflanzungsverhältnisse der Aale, die sich ja erst neuerdings in überraschender Weise geklärt haben (vergl. '„Naturw. Wochenschr." Bd. XIII (1S98) S. 52). Dr. E. Bade, Der Schleierschwanz und Teleskopsohleierschwanz, ihre Zucht und Pflege und die Beurtheilung ihres Werthcs. Mit 5 Tafeln nach Iphotographischen Aufnahmen lebender Fische und 10 Abbildungen im Texte. (Creutz'sche Verlagsbuchhandl. Magdeburg. — Preis 0,7.5 Mk. Den Liebhabern obiger merkwürdigen, jetzt leicht und billig zu erhaltenden Goldfischabarten ist durch dieses Büchlein eine zuverlässige Anleitung über Pflege und Zucht derselben gegeben worden. Verf. beschäftigt sich auch eingehend mit der Bewerthung des Schleierschwanzes. Wilhelm Geyer, Katechismus für Aquarienliebhaber. Fragen und Antworten über Einrichtung, Besetzung und Pflege des Süss- und Seewasser-Aquariums, sowie über Krankheiten, Trans- port und Züchtung der Fische. Vierte, von seinem Sohne Hans Geyer besorgte Auflage. Mit dem Bildniss des Verfassers, einer Farbentafel, 4 Schwarzdrucktafeln und 84 Textabbildungen. (Creutz'sche Verlagsbuchliandlung, Magdeburg.) — Preis 1,80 M. Der Verfasser orapting — wie er im Vorwort sagt — in Folge seines Verkehrs mit Aqaarienliebhabern im Laufe der Jahre eine sehr grosse Anzahl von Anfragen und Bitten um Rathertheilung, deren meist umgehend erwartete Erledigung ihm nicht immer möglich war. Zudem gestattete die knapp bemessene Zeit selten die Gründlichkeit der Antworten, welche das Interesse der Frage- steller beanspruchte. Aus diesen Umständen entschloss er sich dann, möglichst alle in Bezug auf Aquarien, deren Einrichtung, Besetzung und Pflege sich ergebenden Fragen selbst aufzustellen und solche auf Grund eigener Erfahrungen zu beantworten. Dr. W. Deecke, Professor an der Universität Greifswald, Geo- logischer Führer durch Pommern. (Sammlung geologischer Führrr IV,) IL-ilin, Cebr. B..i ntraeger. 1899. — Preis 2,80 M. Nach eintn- I^inleitung, in der das Relief und der allgemeine geologische Aufbau des behandelten Gebietes kurz dargestellt sind (S. 2—27), unterzieht der Verf. zunächst die Insel Rügen einer eingehenden Schilderung (S. 28 — 59). Das Thema ist in fünf Excursionen behandelt, die z. Th. Tagesausflüge sind; der Gang der Erörterung folgt im grossen Ganzen der Karte. Die beiden folgenden Kapitel behandeln die Inseln Usedom (S. 60 bis 68) und Wollin (S. 69-78). Im Kapitel II (S. 79-96) wird, dann die Gegend von Cammin besprochen, die ja die meisten Auf- schlüsse in mesozoischen Schichten bietet und jetzt nach der Er- bauung der Eisenbahn leicht zugänglich geworden ist. Hier werden sieben verschiedene Excursionen besprochen. Im folgenden Kapitel (S. 97—112) wird dann die Umgegend von Stettin be- schrieben (zwei Excursionen), im nächsten (S. 113—118) die End- moräne des diluvialen Inlandeises sowie sonstige Glacialerschei- nungen in der Gegend von Nörenberg. Anhangsweise ist noch ein kurzer Abschnitt über die Aufschlüsse bei Zoppot und Oliva angefügt (S. 119-12.5). Ein Sach- und Ortsregister sowie ein Verzeichniss der wichtigsten geologischen Litteratur machen den Beschluss des hübschen Büchleins, das, in bequemem Taschen- format gehalten, jedem für geologische Verhältnisse sich Inter- essirenden einen nützliehen Wegweiser bietet und das in der geo- logischen Litteratur weit zerstreute bequem zusammenfasst^ J. Korn. Dr. P. Meilmann, Chemie des täglichen wirthsohaftliohen Xiebens. Verlegt von Dr. jur Ludwig Huberti in Leipzig (ohne Jahreszahl). — Preis geb. 2,75 Mk. Das Heft von 169 Seiten incl. Register ist wohl geeignet, populär über das wichtige Gebiet der Chemie zu belehren, soweit es im praktischen Leben intensiver in Frage kommt. Es ist zweifellos richtig, dass es keinen „Gebildeten" geben sollte, dem nicht die Elemente der (Ihemie soweit geläufig sind, dass er die alltäglich ihm gegenüber tretenden Prozesse zu verstehen in der Lage wäre. H. Andoyer, Xiecons sur la theorie des formes et la gäometrie analytique superieure, ii l'usage des ^tudiants des Facultes des scionces. Tome I, VI. — 508 p. 8". Verlag von Gauthier- Villars, Paris 1900. — Preis 15 Frcs. Mit den auf zwei Bände berechneten Vorlesungen über die Fornientheorie, von denen bisher Band I erschienen ist, wünscht der Verfasser den Studierenden ein Lehrbuch zu bieten, das sie in die moderne höhere analytische Geometrie einführt. Demgemäss sind die rein arithmetischen Tlieile der Theorie der Formen aus- geschlossen worden, während auf die geometrische Interpretation der Formen Gewicht gelegt wird. Uebrigens wird die Betrachtung auf zwei, di-ei oder vier primitive Variable beschränkt; diesen entsprechen die binäre, die ternäre und die quaternäre Geometrie. Diese verschiedenen Geo- metrien bezw. die ihnen entsprechenden algebraischen Formen werden der Reihe nach behandelt; und zwar beschäftigt sich der vorliegende Band im ersten Buche mit der binären, im zweiten mit der ternären Geometrie, während die quaternäre Geometrie in Band II in Angriff genommen werden soll. Die einzelnen Bücher sind in Capitel und diese in ünterabtheilungen getheilt. Soweit einzelne Stichproben eine Beurtheilung zulassen, ist es dem Verfasser gelungen, ein sehr nützliches und brauchbares Werk zu schaffen, das auch in den deutschen mathematischen Kreisen eingehende Beachtung verdient. Die typographische Ausstattung ist von der Güte, welche alle Schriften der berühmten Verlagsbuchhandlung auszeichnet. G. Aug. Föppl, Vorlesungen über technische Mechanik. Zweiter Band: Graphische Statik. Mit 166 Figuren im Text und 452 S. 8». Verlag von B. G. Teubner, Leipzig 1900. — Preis ge- bunden 10 Mark. Der Cursus von Vorlesungen über technische Mechanik ge- langt mit dem vorliegenden Bande zum Abschluss. Aus den vier Bänden, von denen, wie hier berichtet worden ist, zwei bereits in neuer Auflage erschienen sind, gewinnt man eine deutliche Vor- stellung von dem Betriebe der Vorlesungen, wie sie der Verfasser an der Münchener Technischen Hochschule regelmässig abhält. Und wir möchten nicht nur die technischen Kreise, sondern auch und vor allem die Mathematiker und Physiker wiederholt auf das Föppl'sche Werk aufmerksam machen; es ist sehr geeignet, um sich über das Wesen der technischen Mechanik zu orientiren, die ja neuerdings auch in den Universitätsunterrieht als ein Theil der angewandten Mathematik und Physik eingeführt worden ist. (Vielleicht darf hier auch auf das Buch von F. Klein und E. Riecke: Ueber angewandte Mathematik und Physik in ihrer Bedeutung für den Unterricht an den höheren Schulen, Leipzig 1900, hingewiesen werden.) Auf den Inhalt des vorliegenden Bandes einzugehen, verbietet der zur Verfügung stehende Raum und die specielle Natur des Gegenstandes. Die Disposition ist so getroffen, dass in sieben Abschnitten der Reihe nach behandelt werden: Zusammensetzung und Zerlegung der Kräfte am materiellen Punkte und in der Ebene; das Seilpolygon oder Seileck; die Kräfte im Räume; das ebene Fachwerk; das Fachwerk im Räume; die elastische Form- änderung des Fachwerks und das statisch unbestimmte Fachwerk; Theorie der Gewölbe und der durchlaufenden Träger. — Es empfiehlt sich, neben dem vorliegenden Bande auch den Band III über die Festigkeitslehre zu benutzen: es liegt das in der Natur der Sache, und es wird auch mehrfach auf Band III verwiesen. Dass zahlreiche Aufgaben eingefügt sind, deren ausführliche Be- handlung die theoretischen Ergebnisse zu erläutern und einzu- prägen bestimmt ist, bedarf fast keiner Erwähnung. Mit Recht macht der Verfasser im Vorwort darauf auf- merksam, dass die Vorlesungen über technische Mechanik nur die Grundlage geben dürfen, auf die weiterhin in den Specialvor- lesungen über die Theorie der Brücken, die Statik der.Baucon- structionen, die theoretische Maschinenlehre u. s. w. Bezug zu nehmen ist, und dass nicht alles auf den praktischen Gebrauch zugeschnitten wird. Dem Mathematiker und Physiker ist dieser Standpunkt ganz besonders sympathisch. Die typographische Ausstattung ist trefflich. G. Inhalt: N. Ludwig: Bienen-Königin und -Arbeiterin. — Lieber Metallcarbide und ihre Verwendung. — Der Hering ist ein Laich- fresser. — Ueber die Vertheilung der Geschlechter bei den Cilei^in der Haustauben — Junge Aale im Darm älterer Aale. — Einige Vogelcolonien in Hamburgs Umgebung. — Die \ ( r-ie l.^li-clierei auf dem Kaiser-Wilhelms-Kaual. — Ueber das Ferment des Senfes (Myrosin) und das Senföl. — Ueber die Aemlcin,!;.; der eliemischen Eigenschaften einiger Elemente durch hinzugefügte ganz kleine Mengen fremder Stofl'e. — Schnelle Umwaudlung \ ou Holz in eine mineralkohlenähnliche Substanz. — Aus dem wissenschaftlichen Leben. — Litteratur: Dr. Wilhelm Blasius, Die anthropologische Litteratur Braunschweigs und der Nachbar- gebiete mit Einschluss des ganzen Harzes. — Dr. Valentin Hacker, Der Gesang der Vögel, seine anatomischen und biologischen Grundlagen. — Dr. 0. v. Linstow, Die Fortpflanzungsgeschichte der Aale. — Dr. E. Bade, Der Schleierschwanz und Teleskop- schleierschwanz. — Wilhelm Geyer, Katechismus für Aquarienliebhaber. — Dr. P. Mellmann, Chemie des täglichen wirthschaft- lichen Lebens. — H. Andoyer, Leijons sur la theorie des formes et la g^ometrie analytique superieure, — Aug. Föppl, Vor- lesungen über technische Mechanik. 612 Natur-Wissenschaftliche "Wochenschrift. XY. Xr. 51. l^'ÄTÜl. IlÄrteÄai Glücken wegen Todesfall zu ver- c.uiien. Halberstadt. Wilhelm Stock. PATENTBUREAU Ölrich R. jVlaerz Jnh.CSchmidtlein.Jnqenieur Berlin NW., Luisenstr. 22. Zusendung gratis und portofrei Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung in Berlin SW. li, Zimmerstr. 94. Gratis "■ d franko lictVrn wir den 3. Sfachtrag i.J'.li 1897 bis Juni lS9y) zu iKi^Miem Verlagskatalog. rerd Dümmlers Verlagsbnchh., Berlin SW. 12, Zimmerstr. W- Ferd. Dümmlers Verlae:sbuchhaii(lluiig in Berlin SW. l'i. Die Charakteristik der Tonarten. Historisch, kritisch und statistisch untersucht vom psycho-physiologischen und musikalischen Standpunkt aus. Von Richard Hennig. 31i; Seiten (Ictav. — Preis 2.40 Mark. Ferd. Dümmlers Terlassbuchhandlung in Berlin SW.12. Lehrbuch der Potentialtheorie. Allgemeine Theorie des logarithmischen Potentials und der Potentialfunktionen in der Ebene. Von Dr. Arthnr Korn, Privatdocent an der königl. Universität München. Mit 58 in den Text gedruckten Figuren. •24 Bogen gross Octav. Preis 9 Mk., gebunden 10 Mk. f crö. Sümmlers Verlagsbuchh., Berlin SW. 12. iPaö fif lifölf bf n fii)liifrlln0iniöii0 Jfinr 6. »011 C. .«Icin.'önttiuncii. Gloq. o,cl). .:.,tjii llc. jPf0 i\mm mt ^""";^i^rS''5i5'^f ""^• Öfnkrn unü lräuinfti.^SÄr9^1i: Öom mm Her Irkmittniö. riS^gifS bcv aiiclilittevntiir, iicf. iiiii) licvauägegeben Don ig. B. ßjiäljf« I. 'iinii&; Wniiiftproblcme. 3n |)al6irünä geb. 10 1SR. II. ä^iiiib: Xn-5 -K-üb. ^n Ajalbfratiä geb. 10 SDf. üiiiib: Wut Uli» iSöfe. 3" Öalbfraiy geb. 10 m ifi)ttc |ffii0? i5i5"«rg?Ä"«""« jloturmilffnfiiiaftüdif öolkabiidifr. >p' i'ich lüiiitv. Vluilaqc ö. ¥üt crnftciii. fittromö lUuttkr k^ fiiiiunfla. "^^'t 2 Hiolcii .viol;,frl)iiitlcu, clog. ijcb. ir. äU ^ tlvÄuittfi '■^'^"' i^l'wc 3ct)rctucr. Übcrf. Don 9JJavgatetl)c IIUUUIIU -,oM. eu-g. neb. L',40 3j;. 3ti>{|tr Jittlb^t '"' ''-'''lilH'iialauöe. 3.5tm Clitic Schreiner. |IIUI ^jUllill lUicri". l>. .viflciic Öobebnit. ©leg. geb. 2,40 W. iJoii Dr (^rnjlf Jlnti0ortfn auf fiintif rfragm. i^ •2. m-nii. *.nufliige. elegant gelumbeii a.tin TO. 1(t"'"' cine:ä beutid)eit ®d)iffÄjimgeit illK |IUl)ll|UUlf. in äiautidiou, SSon Sßoul Sinbcnficrg. ~ Hiit 4 rviivbenbilbeni nnh 111 QUiiftr. Sieg. geb. 4 m. Verantwortlicher Redacteur Hugo Bernstein in Berlin. Professor Dr. Henry Potonie, ßr. Lichterfelde -West bei Berlin, Potsd - Verlag: Ferd. Dümmlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. — D L^nfheil SW. 12 Verlag: Ferd. Diiaunlers Verlagsbuchhandlung', Berlin SW. 12, Zimmerstr. 94. XV. Rand. j Sonntag, den 30. Dezember 1900. Nr. Abonnement: Man abonnirt bei allen Buchhandlungen unil Post- anstalten, wie bei der Expedition. Der Vierteljahrspreis ist M 4.— Bringegeld bei der Post 15 -J, extra. Postzeitungsliste Nr. 5301. Inserate: Die viergespaltene Petitzeile 40 A. Grössere Aufträge ent- sprechenden Rabatt. Beilagen n.ach üebereinkunft- Inseratenannahme bei allen Annoncenbureaus wie bei der Expedition. Abdi'nrk ist nnr mit vollständiger <^aelleiiaiigabe gestattet. Reductio generum plantarum. Von Ernst II. L. Kraiisi- in Saarlouis. Extra i^enus nuUa generatio. Wir unterscheiden die plianerogamischen Pflanzen- sattungen nach dem Bau ihrer Blüthen uud Früchte. Diese im 17. Jahrhundert aufgestellte, im 18. zur allge- meinen Anerkennung • gelaugte Regel entspringt aus der Erkeuntniss, dass die Zahlenverhältnisse und die Anord- nung der Blüthen- und Fruchttheile von äusseren Ein- wirkungen im Allgemeinen weniger abhängen, als die Gestalt der Wurzeln, Stengel uud Blätter. Erklärt wurde die Wahrnehmung durch die Hypothese, dass jedesmal die zu einer Gattung gehörigen Arten nach demselben Plane erschaffen seien. — „Specics tot sunt quot diversas formas ab initio produxit Infinitum Ens; genera autem tot sunt quot attributa communia proxima distinctarum specieruni, secundum quae in primordio creata fuere." (Linne, Gen. pl. Ratio § 5 — 6.) Ausdrücklich stellt na- mentlich Linne immer wieder fest, dass die P"'ragc, ob eine oder die andere Eigenschaft ein Gattungsmerkmal sei oder nicht, nur durch Beobachtung der Natur gelöst werden könne, (vgl. besonders Phil. bot. § 209 al. 4). Die Gattungen sind in der Natur vorhanden, der Botaniker hat sie zu suchen, nicht zu construiren. Seit Linne's Zeit haben sich unsere Anschauungen über die Entstehung der Arten und Gattungen von Grund aus geändert durch die allgemeine Anerkennung der Descendenztheorie. Aber auf das Pflanzensystem hat diese Erkenntnis« noch nicht genügend gewirkt; nament- lich der Gattungsbegriff ist rückständig geblieben. Schon die alte Schule hatte die üngleichwerthigkeit der an- genommenen Gattungen stark empfunden. Immer wieder wurden Genera aufgestellt oder eingezogen, und zwar weniger in Folge der Einreihung neuentdeckter Formen in das System, als in Folge des fortgesetzten Studiums bekannter Arten; — Vicia, Ervum und Cracca kamen nie zur Ruhe, ebensowenig Elynuis, Tritieum und Hordeuni uud viele andere. Dieser Mangel machte sich auch den- jenigen Forschern fühlbar, welche des Systems als Grund- lage für ihre Arbeiten bedurften; namentlich klagt Grise- bach (Veget. d. Erde I, S. 480), der noch ganz auf dem Boden Linne'scher Weltanschauung stand, darüber, dass die Verschiedenheiten in der Auffassung des Gattungs- begriffes bei den Monographen verschiedener Familien ihm eine statistische Vergleichung des Gattungsreichthums der Vegetationsgebiete erschwere. Die neuere Schule nun muss das Streben nach gleichwerthigen Gattungen fort- setzen. Wir haben die binäre Nomenclatur beibehalten, weil sie allgemein als zweckmässig anerkannt ist, aber wir dürfen die überlieferten Gattungen nicht ohne Prüfung anerkennen — sonst sind unsere „lateinischen" (richtiger katholischen) Namen bald nicht mehr werth wie irgend welche Volksnamen. Wir dürfen nicht mehr wie die Alten „Vegetabilia similia similibus et distincta distinctis," sondern müssen generalia similibus et secreta distinctis nominibus nominare. Wie gross wir die Gattungen über- haupt machen wollen, das ist unserem freien Ermessen bezw. unserem Zweckmässigkeitsgefühl überlassen. Alle Verwandtschaft ist gerad weise abgestuft; der Botaniker hat zu bestimmen, welcher Verwandtschaftsgrad*) am •'■) Im Allgemeinen ist zwar anzanelimen, dass Arten, welche uns als angehörige derselben Gattung orscheinen, phylogenetisch näher mit einander verwandt sind, als mit Arten anderer Gattungen, aber Ausnahmen von dieser Regel müssen \vir mindestens für möglich halten. Angenommen, z. B. es gab in der Miocanzeit eine Gattung mit drei gleichwerthigen Untergattungen; von diesen hat die eine sehr dift'erencirto Nachkommen hinterlassen, die Nachkommen der beiden anderen sind wenig verändert; dann haben wir heute zwei Genera, deren Arten untereinander phylo- genetisch gleich nahe verwandt sind, ohne dass wir dieses Ver- hältniss erkennen. — Die generelle Verwandtschaft von Arten gleicher Abstammung erlischt also wahrscheinlich nicht in allen Fällen mit dem gleich fernen Grade ihrer Bkitverwandtschaft. 614 Naturwissenschaftliche Wochenschrit. XV. Ni zweckmässigsten dadurch bezeichnet wird, dass die in diesem oder näherem Grade verwandten Arten unter einem Grattungsnamen zusammengefasst wenleu. Diese Erkenntnis« war der ahen Schule noch nicht au!'t;egangen, für sie gab es nur eine richtige Auffassung, welche sehr bezeichnend als die „orthodoxe" hingestellt wurde. Es fragt sich also für uns, wie gross sollen zweckmässig die Genera sein. Da möchte ich in erster Linie als Lehrsatz auf- stellen, dass die Anerkennung- mouotypischer Gattungen bei den Angiospermen mögliclist zu vermeiden ist. Diese Pflanzenklasse ist geologisch so jung und in unserer Zeit überall auf dem bewohnbaren Lande so reich entwickelt, dass von vornherein keine grosse Zahl von üeberbleibselu aussterbender Formenkreise und von seit sehr langer Zeit allein und gleichmässig einseitig entwickelten Arten an- zunehmen ist. So eigeuthümliche Arten*) wie die Gym- nospermen Gingko und Welwitschia kommen unter den Angiospermen nicht vor. Einige Monotypen giebt es unter letzteren trotzdem, z. B. Hippuris und Adoxa. Zweitens halte ich für wichtig und zweckmässig, die Erfahrungen der Bastardzüchter für die Systematik nutzbar zu machen. Daran zweifelt wohl Niemand, dass Bastarde nicht zwischen beliebig fernstehenden, sondern nur zwischen verwandten Arten fallen. Wenn zwei Arten, welche morphologisch unähnlich sind, Bastarde miteinander bilden, dann schhesse ich daraus, dass diese Arten phylogenetisch nicht allzu entfernt verwandt sind, und dass ihre Unter- schiede für die eigene Physiologie und Biologie dieser Arten nicht so erheblich sind, wie sie unserem Auge erscheinen. Wenn im System weit von einander stehende Arten, wie etwa Festuca elatior und Lolium pcrenne, Bastarde liefern, so ist mir das ein Beweis dafür, dass das System an dieser Stelle kein rechter Ausdruck der natürlichen Verwandtschaft ist. Welchen Werth die von uns wahrgenommenen morphologischen unterschiede für das Leben der Arten haben, darüber wissen wir noch sehr wenig. Was es für eine Alsinee ausmacht, ob sie fünf oder vier oder gar keine Kronblätter und fünf oder drei Narben hat, ob die Fruchtblätter vor den Kelch- blättern oder vor den Kronblättern stehen, ob die Früchte mit drei oder sechs Zähnen aufspringen, ob der Keimling im Samen gerade oder krumm liegt — was wissen wir davon? Deshalb können wir auch schwer beurtheilen, ob eine gegebene morphologische Aehnlichkeit oder Ver- schiedenheit eine nahe oder entfernte natürliche Verwandt- schaft anzeigt. Das einzige Zeichen, an welchem wir einen gewissen Verwandtschaftsgrad zweier Arten objectiv und positiv erkennen können, ist die Entstehung eines Bastardes zwischen diesen Arten. Deshalb habe ich den Lehrsatz aufgestellt, dass Arten, welche miteinander Bastarde erzeugen, in dieselbe Gattung gehören. Selbst- verständlich ist es unmöglich, auf diesen Satz allein ein System zu bauen, denn abgesehen davon, dass wir nicht im Stande sind, alle denkbaren Kreuzungsversuche durch- zuführen, ist auch die Unmöglichkeit der Bastarderzeugung kein Beweis gegen eine nahe phylogenetische Verwandt- *) Ausgestorbene Formen geliöien nicht in das System. Unser System kann nur für heute gelten. Denn die Unterscheid- barkeit der Arten, Gattungen, Klassen u. s. w. beruht darauf, dass die Zwischenformen zwischen denselben heute fehlen. Stellen wir dagegen die ehemals vorhanden gewesenen Zwischenformen in das System hinein, dann hören — bei idealer Vollständigkeit des fossilen Materials — alle Unterschiede auf. — Der hohe Werth der Paläontologie für die Erkenntniss dos Systems wird hierdurch nicht beeinträchtigt. Schaft. Der aufgestellte Satz ist vielmehr lediglich ein in vielen Fällen brauchbarer Prüfstein für den Werth morpho- logischer Charaktere. Beispielsweise ist aus der That- saehe (vgl. Focke, Pflanzen-Mischlinge), dass Elisauthe noctiflora mit Melandryum rubrum Bastarde giebt, zu schliessen, dass in der Familie der Caryophyllaceen die Oligomerie oder Isomerie des Gynaeceums keinen Gattnngs- charakter abgiebt. Aus der gelungenen Kreuzung eines Melandryum paeuerubrum mit Coronaria floscuculi folgt weiter, dass in der genannten Familie Gattungen nicht darnach unterschieden werden dürfen, ob die Früchte mit einer der Zahl der Fruchtblätter gleichen oder mit einer doppelt so grossen Zahl von Zähneu aufspringen. Die gelungene Kreuzung der genannten Coronaria mit Silene inflata endlich lehrt, dass auch eine theiUveise Fächerung der Früchte gegenüber rein einfächerigen Früchten keinen generellen Werth hat. Demnach sind Elisauthe, Melan- dryum, Coronaria und Silene und folgerichtig auch Viscaria miteinander zu vereinigen. Gegenüber einer solchen Gattung wird Niemand Lychnis selbstständig lassen, und es bleibt nur noch zu überlegen, ob nicht auch Agrostemma und Cueubalus einzuziehen sind, was ich befürworte. Ob die alternisepale Stellung der Fruchtblätter, welche Agro- stemma im Gegensatz zu Melandryum charakterisirt, den Werth eines generellen Merkmals hat, wird sich vielleicht durch morphologische Untersuchung pleiomerer Gynaeceen, wie sie bei Melandryum und Alsiuodendron zu tinden sind, ergeben. Was Cueubalus betrifft, so haben wir in der Eeihe der Centrospermen bereits ein Beispiel für die generelle Vereinigung von Arten mit fleischigen und solchen mit trockenen Früchten, nachdem Blitum durch Aschersou zu Ciienopodium eingezogen wurde. Merkmale, welche bei den Sileneen keinen generellen Unterschied bedingen, wird man nun auch für Alsineengattungen nicht als generell anerkennen, demnach zunächst Alsine mit Sagina vereinigen u. s. w. Einige Beispiele aus anderen Familien habe ich in meinen floristischen Notizen in den letzten Jahrgängen des Botanischen Centralblattes mit- getheilt, während ich meine Ansichten über den Art- begriff und die Systematik der Bastarde in Nova Synopsis Ruborum Germaniae et Virginiae I dargelegt habe. Eine vollständige Neuordnung der in Deutschland wildwachsenden Genera nach den soeben dargelegten Grundsätzen werde ich in der vom Deutschen Lehrerverein für Naturkunde herausgegebene« neuen Ausgabe von Sturm's Flora von Deutschland durchführen. Beispielsweise ist für die Papi- lionaceen folgende Gattungseintheilung' vorgesehen: Vieia incl. Cicer und Lens mit 30 Arten, Pisum incl. Lathyrus mit 25 Arten, Galega und Glycyrrhiza mit je einer Art, Robinia, Caragana und Colutea mit je zwei Arten, Astra- galus incl. Phaca und Oxytropis mit 16 Arten, Amorpha mit einer Art, Lotus incl. Tetragonolobus mit sechs Arten, Dorycnium mit einer Art, Coronilla incl. Hippocrepis und Ornithopus mit zehn Arten, Scorpiurus mit einer Art, Hedysarum incl. Onobrychis mit drei Arten, Lupinus mit fünf Arten, Genista incl. Laburnum, Cytisus, Ulcx und Sarothamnus mit 16 Arten, Ononis mit vier Arten, Anthyllis incl. Physantbyllis mit zwei Arten, Medieago incl. Trigo- ncUa und Melilotus mit Hl Arten, Trifolium mit 38 Arten. Bei der Auswahl der Namen für die neubegrenzten Gattungen verfahre ich nach Gutdünken (Disordo auto- kratica 0. K.) und sage mit Linne (Gen. pl. Ratio § 23j: Nomina nulluni terreant nova, sed si ea non placerent, nova ipse fingas, vel Synonyma allegata retineas, si Tibi magis arrideant! XV. Nr. 52. Naturwissenschaftliche Wochenschrift. 615 R. Koch : Zusammenfassende Darstellung: der Er- gebnisse der Malariaexpedition. (Schhiss der Mittheiluug in No. 47 der „Natur. Wochenschr.") — Koch hat bereits darauf hingewiesen, dass die Malaria, auch wenn sie nicht durch Chininbehandlung- initerbrochen wird, immer die Nei- gung hat, nach einer Anzahl von Aufälleu schwilcher zu werden und auf längere oder kürzere Zeit zu verschwin- den. Auch die dann folgenden Recidive erreichen iu der Regel nicht mehr die ersten Anfälle in Bezug auf Stärke und Dauer und sie werden, je länger die Krankheit dauert, um so schwächer und unregelmässiger. Es zeigt sich hierin schon die Wirkung der langsam zu Stande kommenden Immunität. Letztere entsteht nicht plötzlich, sondern ganz allmählich. Wenn aber die Immunität sclion ziemlieh weit gediehen ist, dann können die charak- teristischen Krankheitssymptome der einzelnen Fieber- aufälle so unbedeutend werden, dass der Kranke sie nicht mehr beachtet. Er scheint nicht mehr an eigentlicher Malaria, sondern nur noch au den Folgezuständen der- selben zu leiden. In Wirklichkeit ist er aber noch richtig malariakrank; denn sehr oft finden sich bei solchen Menschen ausser Milzschwellung, Anämie und charak- teristischen Veränderungen der rothen Blutkörperclien die Malariaparasiten. Die letzteren sind gewöhnlich nur in geringer Zahl vorhanden, aber was für die Malaria- ätiologie von grosser Bedeutuug ist, auffallend häufig in derjenigen Form, welche für die Weiterentwickelung in der Mücke bestimmt ist. Bei Quartana und Tertiana finden sich die sogenannten Sphären, beim Tropenfieber die Halbmonde. Derartige Fälle, welche man der Kürze halber als latente Malaria bezeichnen kann, findet man besonders häufig unter den Kindern, bei Erwachsenen nur dann, wenn sie bereits lauge Zeit an Malaria gelitten und viele Recidive überstanden haben. Wenn es sich um die Bekämpfung der Malaria als Volkskrankheit handelt, dann beansprucht die latente Malaria die grösste Beachtung. Es wiederholt sich in diesem Fall dieselbe Erscheinung wie bei der Bekämpfung der Cholera und der Pest, bei welchen Krankheiten auch die milden, leicht zu übersehenden Fälle diejenigen sind, welche am meisten zur Verschleppung beitragen. So geht es aucii mit der Malaria. Die frischen, unter stür- mischen Symptomen verlaufenden Fälle kommen in der Regel in die Hände des Arztes, welcher die Parasiten durch Chinin - Behandlung unschädlich macht. Aber mit deu latenten Fällen, obwohl gerade diese reich an Parasiten sind, welche zur geschlechtlichen Weiter- entwickelung die Reife erlangt haben, geschieht in der Regel nichts. Von ihnen werden die Mücken vorzugs- weise das Material zur Infection entnehmen. Eine andere für den Kampf mit der Malaria über- aus wichtige Frage ist die, ob der Mensch der einzige Träger der Malariaparasiten ist. Zur Beantwortung dieser Frage haben die letzten Jahre reichliches Material ge- liefert, und auch K. hat sich mit Rücksicht auf die grosse Bedeutuug, welche sie beansprucht, bemüht, sie zum Ab- sehluss zu bringen. Er glaubt sie dahin beantworten zu müssen, dass in der That die menschlichen Malariapara- siten ausser in der Mücke, nur im Menschen vorkommen. Erstens ist es bis jetzt trotz unendlicher Mühe, welche darauf verwendet wurde, niemals gelungen, die mensch- lichen Parasiten im Blute irgend eines Thieres aufzufinden. Es haben sich allerdings bei verschiedeneu Thieren Blut- parasiten nachweisen lassen, welche den Malariaparasiten des Menschen recht ähnlich sein können, sich aber doch mit Sicherheit davon unterscheiden lassen. Es gilt dies besonders von den Parasiten der Aifen und der Fieder- ähnlichen Affen mit Malaria zu inficiren, hat vollständig negativen Erfolg gehabt. Drittens beweist das Gelingen des später zu erwäh- nenden Versuchs mit der Austilgung der Malaria unter den Plantagenarbeitern in Stephansort, wobei nur die Parasiten des Menschen berücksichtigt wurden, dass kein anderer Träger der Parasiten in Frage kommen kann. Wir haben somit in der Malaria eine Krankheit vor uns, bei welcher wir die Parasiten mit voller Sicherheit in den verstecktesten Fällen nachweisen, und, wie jeder Arzt, der viel mit Malaria zu thun gehabt hat, weiss, auch mit Sicherheit durch Chinin beseitigen können. Da- mit sind uns aber die Hilfsmittel an die Hand gegeben, die Malaria mit Aussicht auf Erfolg bekämpfen zu können. Es wird nur nöthig sein, nach den Prinzipien zu ver- fahren, welche sieh gegen die Cholera und neuerdings wieder gegen die Pest bewährt haben, indem man alle einzelnen Fälle aufsucht und unschädlich macht. In Be- zug auf die Malaria liegen die Verhaltnisse nur insofern erheblich günstiger, als schon eine einfache Blutunter- suchung zur Diagnose genügt und zum Uuschädlichmachen der Krankheitskeime weder Isolirung noch Desinfection nöthig sind, sondern eine rationelle Behandlung genügt, welche die Heilung des Kranken bezweckt. Im Grunde genommen braucht der Arzt nur den ölalaiiakranken gegenüber seine Schuldigkeit zu thun, um die Krankheit im Ganzen zum Verschwinden zu bringen. Allerdings darf dies nicht nur mit denjenigen Kranken geschehen, welche sich mit ihrem Leiden aus eigenem Antriebe an den Arzt wenden; diese bilden nur eine Kategorie. Es müssen ganz besondere auch die beiden anderen ge- kennzeichneten Kategorieeu berücksichtigt werden, die malariakranken Kinder und die latenten Fälle. Der Kampf gegen die Malaria wird sich also so ge- stalten, dass die Aerzte so viel als nur irgend möghch die Malariaparasiten in ihrem Versteck und in ihren Schlupfwinkeln aufsuchen und durch Anwendung von Chinin vernichten. Welchen eminenten Einfluss die Versorgung eines Landes mit Aerzten und Chinin auf die Malaria auszu- üben vermag, lässt sich an der Abnahme der Krankheit in Norddeutschland während der letzten 30 Jahre erkennen. Am eklatantesten zeigt sich dies bei der Armee. Dieselbe hatte im Jahre Malariafälle /oo der Kopfstärke 1869 13 563 54,5 1878 8 909 27,2 1889 1496 3,6 1890 916 2,2 1891 1120 2,6 1892 858 2,0 1893 782 1,8 1894 389 0,83 1895 328 0,65 1896 284 0,55 1897 230 0,45 Posen hatte im Jahre bei einer Kopfstärke von Malariafälle 1874 4 868 638 1885 6 462 1 032 1896 9 422 63 1897 9 286 29. Spandau 1874 3 853 2 557 1885 4 804 111 1895 5 883 1 1897 5 780 3. mause. Die Bemühung, drc verschiedene Arten von menschen- Ueber die Civilbevölkerung lassen sich keine Zahlen angeben, aber auf Anfragen, welche vor kurzem an viele von früher her als Malariaheerde bekannte Ortschaften in 616 NaturwissenschaftliL-lic WoclienscUrift. XV. Ni Xorddeutschland gerichtet wurden, ist von allen Seiten die Antwort eingegangeu, dass die Malaria sehr zurück- i;egangen, vielfach ganz verschwunden ist, und Blutunter- suchungen, welche au Ort und Stelle vorgenommen wurden, haben dies in vollem Umlauge bestätigt. Durch hygienische Verbesseriiiigeu kann dieser ganz auffallende Rückgang der Malaria nicht bewirkt sein. Es ist allerdings in Bezug auf Wohnung, Ernährung, Reinlichkeit in den letzten Jaiirzehnten viel geschehen, Flussläufe sind rcgulirt, Sümpfe trockengelegt; aber dies alles bat gerade auf den Factor, welcher für die Ent- stehung und Verbreitung der Malaria allein maassgebend ist, auf die Stechmücken keinen merklichen Einfluss ge- habt; dieselben und insbesondere die hier besonders in Betracht kommenden Anoiihelesmücken sind noch überall, wo früher Malaria geherrscht hat, in grosser Zahl zu finden. An den Vermittlern der Infection fehlt es also nicht, aber woran es fehlt, dass ist der Infectionsstoff, die Malariaparasiten. Und wenn diese so selten geworden sind, so verdanken wir das einzig und allein dem Chinin, das erst im Laufe der letzten Jahrzehnte so billig ge- worden ist, dass es in den Malariagegenden sich in Aller Händen befindet und sowohl auf ärztlichen Rath, als auch ohne solchen sofort angewendet wird, wenn auch nur der geringste Verdacht auf Malaria vorliegt. In diesem L'alle wurde der Kampf gegen die Malaria nur in ganz unbewusster und in unvollkommener Weise geführt^ und er hat deswegen auch Jahrzehnte in An- spruch genommen. Dass ein Erfolg aber auch in viel kürzerer Frist, im tropischen Klima und bei farbigen Menschen erzielt werden kann, beweist K.'s Versuch in Stephansort, wo durch planmässiges Vorgehen in wenigen Monaten die Malaria bis auf ganz vereinzelte Fälle aus- getilgt wurde. Die Maassregeln bestanden ausschliesslich darin, durch systematische Blutuntersuchungen diejenigen Menschen aufzusuchen, welche mit Malariaparasiten be- haftet waren, um sie dann durch Chinin von ihren Para- siten dauernd zu befreien. Unerlässliche Vorbedingung für die Behandlung der Malaria ist die mikroskopische Untersuchung des Blutes, welche sofort vorgenommen und womöglich in der Inter- mission oder Remission zwischen zwei Anfällen wieder- holt wird. Wenn es sich irgend ermöglichen lässt, sollten auch regelmässige Thermometermessungen durch- geführt werden. Das unübertroffene Mittel gegen Malaria ist noch immer das Chinin. Nur Methylenblau kann gelegentlich an dessen Stelle treten. Von keinem anderen Mittel hat K. brauchbare Erfolge gesehen. Das Methylenblau wirkt langsamer als Chinin. In solchen Fällen, wo ein unüberwindlicher Widerwille gegen das Chinin bestand, oder wo gegen dasselbe wegen Disposition zum Schwarzwasserfieber Bedenken erhoben wurden, hat K. es mit grossem Nutzen angewendet, in anderen Fällen, namentlich wenn Erbrechen eintrat, hat es ihn im Stich gelassen. Aber im Nothfall würde K. doch immer zum Methylenblau als dem zur Zeit besten Ersatz des Chinins greifen. (Deutsche medicin. Wochcnschr. v. 13. XII. 1900). Ammoniakstickstoff als Nährmittel von Pflanzen. Unter dem Titel: „Ueber den Gasau.stausch zwischen den ganzen Pflanzen und der Atmosphäre" behandelt Th. Schlö- sing-fils auch die Stickstoffaufnahme der Pflanzen aus dem Boden und theilt in Comptes rendus, CXXXI. S. 716 die besonders zur Entscheidung der Frage angestellten Versuche mit, ob auch der Ammoniakstickstoff ohne voraus- gehende Nitratbildung den Pflanzen als ausreichendes Nährmittel diene und ob hierdurch der Gasaustausch der Pflanzen mit der Atmosphäre eine Aenderung erfährt. Gewöhnlich giebt man ja bei Culturversuchen den Pflanzen als Stickstoffquelle nur Nitrate, weil diese in normalem Culturbodeu enthalten sind; in vielen Bodenarten aber, so in Wäldern, von Heiden und Wiesen, findet überhaupt keine oder nur sehr unvollkommene Nitrification statt, wesshalb da die Nitrate spärlich vorhanden sind oder ganz fehlen, was eben die Frage nahelegt, ob hierdurch der Gasaustausch der Pflanzen mit der Atmosphäre nicht wenigstens in den Quantitätsverhältnissen abgeändert wird. Die Entscheidung hierüber soll das Experiment verschaffen, bei dem den Pflanzen als einzige Stickstoft'quelle Ammonium- salz geboten wird; die direkte Ausnutzung von Ammoniak, ohne vorausgegangene Umwandlung in Nitrat, hat ja als möglich bereits A. Müntz nachgewiesen, was später auch von Maze bestätigt wurde; hier handelte es sich aber darum, sie unter ziemlich speciellen Verhältnissen aus- zuführen. Bereits bei früheren Untersuchungen hat Schlösing die Pflanzen in geschlossenen Apparaten gezogen mit Unterhaltung einer inneren Atmosphäre von einer den Pflanzen zuträglichen Zusammensetzung; auf diese Weise ist die Bestimmung der in dieser Atmosphäre während des Vegetationsverlaufes eintretenden Veränderungen durch möglichst genaue Messungen und Analysen ermöglicht. Die Neuheit und eine der Hauptschwierigkeiten bei der Ausführung der genanntem Zwecke dienenden Ver- suche war nun die, dass man um die Ueberführung des Ammoniaks in Nitrat zu verhindern sterilisirte Boden- masseu und Luft verwenden und auch die Samenkörner vor ihrer Einführung in die Apparate aseptisch behandeln musste. Doch kam es allerdings nicht darauf an, alle existirenden Mikroben und deren Keime auszuschliessen und zu vernichten, als vielmehr im Besonderen diejenigen der Nitrification; das erlaubte eine gewisse Vereinfachung, da diese Mikniben nicht überreichlich in der Luft vor- handen sind und bei einer Temperatur von 100° getödtet werden. So konnten die Apparate durch einen ein- stündigen Aufenthalt in Wasserdampf von 100° genügend sterilisirt werden, während man sie andernfalls durch Autociaven hätte passiren lassen müssen, was wegen der 1,30 m hohen Aufsätze sehr schwierig gewesen wäre. Die in die Apparate eingeführten Gase wurden erst durch verschieden lange und enge Röhren mit feuchten Wandungen geleitet und schliesslich durch einen dicken, ungefähr ^4 ' füllenden Bausch aus sterilisirter Watte filtrirt. Die Samenkörner aber machte Schlösing aseptisch durch ein, je nach der Art, 10—15 Minuten andauerndes Bad in absolutem Alkohol und nachfolgender 15 Minuten langer Spülung in sterilisirtem Wasser. Gleichzeitig wurden nun Versuche gemacht, bei denen alle übrigen Verhältnisse übereinstimmten und auch die den Pflanzen im Boden gewährten Stickstoffniengen gleich waren, letztere aber sich einerseits in Nitrat, andererseits in Ammoniunisalz gebunden fanden. Zu jeder Cultur ver- wandte man 3,5 kg von Nitraten freien Quarzsand und 700 cc Nährlösung, die 118,8 mg Stickstoff' in Gestalt entweder von Kaliumnitrat oder von Ammoniumsulfat ent- hielt; das Weitere ist aus obenstehender Zusammenstellung zu ersehen. Um sich zu überzeugen, dass die getroffenen Vor- kehrungen bei den mit Ammoniumsulfat ausgeführten Versuchen No. II und IV die Nitrification wirkHeh hintan- gehalten haben, wurde nach beendigtem Versuche der bei No. IV gebrauchte Boden mit destillirtem Wasser ausgewaschen und dieses dann auf einen Salpetersäure- gehalt geprüft, der nicht vorgefunden wurde. Umständ- licher wurde mit dem Boden von No. II verfahren, um den Einwurf zurückweisen zu können, dass die entstandene, XV. Nr. 52. Naturwis.sonschaftliehe Wochenscliv Stickstoffniihrmittt Samenkörner . . "Versuchsdauer über dem Boden g ( Höhe der Pfln i'l Ihr Aussehen g.Q 1 l W S) Gewicht der bei 100° getrockneten, in Luft befindl. Theile " l Procentbetheiligung des in ihnen enthaltenen Stickstoffs Menge des Stickstoff, unveränderlich liier Bucliweizen Nitrat 3 Körner 2fi.VI.-20.VlII. schön grün, be- ginnt zu blühen i,8oa g 3,44 „ 4503 cc IM I eingeführt .... ' '"■hliesslich vorhanden 1-221,1 , 2862,6 „ Ammoniumsalz = 70 mg 25.VI.-21.VI1I. 80 cm schön grün, ziem- lich in Blüthen 1,053 g 34-5 „ 3703 cc 984,5 , 2028,6 , Zwerg-Kapuzinerkr III. IV. Nitrat Ammoniumsalz K. = 213 mg 6.VI.-11.V1II. IG u. 25 1,274 g 3,2:^ „ 6418 cc 1706,5 „ 2873,1 „ 197 mg lO.VIlI. 2K 2-.VI- 20 u. 25 cm enig bleich 1,833 g 5136 cc 1365,5 „ 3138,2 „ hinzugekommen i a, I eingeführt .... ; 3 schliesslich vorhanden 1641,5 „ 1520,3 „ 1044,1 1260,7 245.4 116B,6 „ 1092,0 , 41,6 , 1772,7 1719,2 23,7 tä " l aufgezehrt . . . Aufgezehrte Kohlens<äure Hinzugekommener Sa rstoff 1015,3 1015,3 1044,1 '~ ■■ 0,900, jedoch uiclit mehr vorhandene Salpetersäure von den Pflanzen absorbirt worden sei; nach Wegnahme der Pflanzen überliess man den Boden sich selbst sechs Wochen lang, ohne in ihn neue Keime einzuführen; danach prüfte man seinen wässerigen Auszug ebenso, wie bei No. IV, auf Salpetersäuregehalt, der ebenfalls nicht aufzuweisen war und wies dann durch die weitere Analyse nach, dass der gesamnite noch vorhandene und von den Pflanzen noch nicht assimilirte Stickstoff in Gestalt von Ammonium ge- bunden war. Das „Milieu" war also, obwohl an sich der Nitratbildung fähig, doch nicht nitrificirt worden, weil die eine Nitratbildung bewirkende Fermente während der Vegetation thatsächlich gefehlt hatten. Aus seinen Versuchen zieht Schlösing als erste seiner Schlussfolgerungen die, dass hierbei die bereits bekannte Erfahrung bestätigt worden ist, dass sich die Pflanzen den ammoniakalischen Stickstofi' ziemlich ebenso wie den Nitratstickstoif anzueignen vermögen. Der Ent- wickelung des Buchweizens scheint das Nitrat allerdings vortheilhafter zu sein, der Capuzinerkresse dagegen das Ammoniumsalz. „Die Gehalte an Stickstofi" sind gleicher Ordnung für die verschiedenen Pflanzen." Wie alle früheren Versuche ähnlicher Art schon lehrten, haben auch bei diesen die ganzen Pflanzen grössere Volumina von Sauerstoff entwickelt, als sie von Kohlen- säure zersetzt haben. Diese Thatsache stellt sich immer deutlicher als allgemein giltig heraus. Nach Schlösing's schon früher geäusserter Meinung ist sie sogar eine noth- wendige Bedingung für die Erhaltung einer bestimmten Zusammensetzung unserer Atmosphäre, weil die Verwesung vegetabilischer Massen, also der umgekehrte Vorgang zum Pflanzenaufbau, mehr Sauerstoff verbraucht als wie er Kohlensäure entwickelt. Der üeberschuss an bei der Vegetation entwickeltem Sauerstoff über die absorbirte Kohlensäure rührt besonders von der Keduction der dem Boden entnommenen Mineralsalze her. Wenn das Ammonium die Salpetersäure als Stickstoff' enthaltendes Nährmittel ersetzt, muss man erwarten, dass sich jener üeberschuss mindere: diese Erwartung findet sich nun durch die Ver- suche II und IV, bei denen der Sauerstoffüberschuss geringer war als bei I und III, vollkommen bestätigt. Die vorstehende Darlegung lässt deutlich erkennen, dass die Gasaustausche, von denen die Bildung vege- tabilischer Stoffe begleitet werden, in Beziehung stehen zu dem Mineralgehalt der Lösungen, in deren Contact die Wurzeln leben. Notizen über das Vorkommen von Albumin, Al- bumose und Pepton im Pflanzenreich. — Das lebende Protoplasma und der Kern der Pflanzenzellen besteht nach dem heutigen Stand unserer Kenntnisse hauptsäch- lich aus (activen) Nucleoproteinstoffen. Sie lösen sich in reinem Wasser nicht auf. Es fragt sich, ob auch die Albumiustoffe, also nicht phosphorsäurehaltige Proteinstoffe, ferner die ersten Ab- bauprodukte bezw. Vorstufen derselben, Albumosen und Peptone, in den Pflanzenzellen regelmässig auftreten. Die bisherige chemische Untersuchung der Pflanzen auf Albumin und andere Eiweissstoffe hat sich hauptsäch- lich auf die Samen als die Ablagerungsorte grosser Quantitäten Eiweiss bezogen. So hat ßitthausen (die Eiweisskörper der Getreidearten, Hülsenfrüchte, Oelsamen; Bonn 1872) bekanntlich eine' Anzahl von Pflanzeneiweiss- stoffen, die gewissen schon früher bekannten thierischen Eiweissstoffen sehr ähnlich waren, durch Extraction aus Samen hergestellt und untersucht. Meist wurde zur Ex- traction 5 — lÜprocentige Kochsalzlösung, worin sich auch die Globuline lösen, angewandt; oder Kaliwasser von 0,1 Vo Kaligehalt, worin die Kaseine (Legumin) leicht in Lösung geben. Verfasser untersuchte einige vegetative Pflanzentheile. Da die. Eiweissstoffe in der Hitze koaguliren und selbst im gelösten Zustande durch geschlossene Mem- branen nicht hindurchgehen, so wurde die Extraction der Pflanzentheile in der Kälte und mit fein zerriebenem Material angestellt; an welchem die Zellen zersprengt und geöffnet sind. Die so hergestellte filtrirte Lösung (bisweilen diek- schleimig von Pektinstoffen) kann durch Erhitzen unter Zusatz von Essigsäure bis zur schwach sauren Reaction auf Eiweiss geprüft werden; im Filtrat sind die Albumosen (Propeptone) und Peptone, welche an den bekannten Proteinreactionen erkannt werden, enthalten. Nach Hofmeister (Zeitschr. physiol. Chem. 2, 228) tritt die Biuretreaction noch ein bei einer Verdünnung von 1:20000. Concentrirte Salpetersäure färbt und fällt noch bei einer Verdünnung von 1 : 20 000. Millon's Reagens giebt noch deutliche Rothfärbung bei 1 : 20 000. Ferrocyankalium und Essigsäure fällen noch bei 1 : 50 000, nicht mehr bei 1:100 000, während Tannin und Phos- phorwolframsäure noch saure Lösungen von 1 : 100 000 bis 200 000 fällen bezw. trüben. Schon geringe Mengen löslicher Proteinstoffe können also in denPflanzenextracten erkannt werden. Es han- delt sich nur darum, wie man dieselben sicher extrahiren kann. Pepton ist leicht diosmirbar und nicht gerinnend. Naturwissenschaftliclie AVochenschrift. XY. Ni geht also beim Kochen der Pflanzentlieile mit Wasser in den Extract über, wenn nicht gleichzeitig anwesende Gerbstoffe eine Fällung bewirken und damit die Extraction verhindern. Gerbstoffe sind aber im Pflanzenreich sehr verbreitet, nur bei wenigen Abtheilungeu fehlen sie. Sie können aucii die Extraction des Albumins ans bei 30'* getrockneten und zerriebenen Pflanzentheileii verhindern, das sonst durch kaltes Wasser herausgenimunen würde. In Verf.'s Arbeit sind mehrfache Beispiele angeführt, aus denen hervorgeht, dass der Gerbstoffgehalt die Extraction des Albumins verhindert. Kalihaltiges Wasser (von 0,1 "/„ KOH-Gehalt) löst die Verbindung von Gerbstoff mit Ei- weiss leicht auf, ohne eine Veränderung des Eiweisses hervorzurufen. Aus der Auflösung fallen dann beim An- säuern die Eiweissstoffe aus, vollständig beim Erhitzen. Man kann also aus gerhstoffhaltigen Pflanzentheilen das Albumin extrahiren, wenn man kalihaltiges Wasser statt reinem Wasser anwendet. lieber die Bezeichnung der mit Kaliwasser extrahirten gerinnbaren Stoffe als „Albumin" ist hier zu erwähnen, dass eine sichere Einreihung in die Rubrik „Pflanzen- albumine" nur durch quantitative Untersuchung der mög- lichst rein dargestellten Stoffe erzielt werden könnte. Vorläufig liegt auch die Möglichkeit vor, das die mit Kaliwasser ausgezogenen Proteinstoffe zur Gruppe Pflanzen- Legumin gehören, welches, wie in der Einleitung schon erwähnt, ebenfalls in 0,1 procentiger Kaliauflösung leicht löslich ist. Die Bezeichnung „Albumin" wurde nur des- wegen gewählt, weil Legumin bis jetzt hauptsächlich in Pflanzensamen gefunden wurde. Das Vorkommen von „Albumin" in diesem Sinne ist offenbar im vegetativen Pflanzenkörper wie im Samen ein sehr verbreitetes. Die wenigen herausgegrifl'enen Beispiele von grünen Pflanzentheilen (Blättern, Rinden) und Wurzeln haben überwiegend positive Resultate ergeben. So lässt sich aus Knospen von Rheum mit Wasser Eiweiss extrahiren. Eine Untersuchung der Blätter des Blumenkohls ergab Anwesenheit von wasserlöslichem Eiweissstoff' (Al- bumin). Sowohl mit reinem Wasser als auch mit Kali- wasser lassen sich aus der bei 30" getrockneten und dann pulverisirten Masse Extracte herstellen, welche beim Kochen unter Zusatz von etwas Essigsäure Eiweissgerinsel ausscheiden. Die oben erwähnten Eiweissreactionen ge- lingen. Pepton und Propeptou (Albumose) konnte nicht nachgewiesen werden; das Filtrat von dem Gerinnsel gab mit Phosphorwolframsäure keine Reaction. Auch die Blüthenstände des Blumenkohls enthalten Albumin, aber kein Pepton und Propepton. Wurzel und Blätter der gelben Rühe geben im ge- pulverten Zustande an reines Wasser Albumin, aber kein i Pepton oder Propepton ab. I Ebenso enthalten die Blätter und Wurzeln des Porree- Lauches etwas mit Wasser extrahirbares AI- i bumin, aber kein Pepton oder Propepton. I Dessgleichen die Blätter des „Weisskraut" (Brassi- ca oleraeea capitata). In Kartoffeln hat Schackhöfer 0,56 7o koagulir- bares Eiweiss, 1,64 "/o löshchen Proteinstoft' gefunden. Mit positivem Resultat (in Bezug auf Albumingehalt) wurden vom Verf. ferner geprüft: Sellerie-Blätter und -Wurzel; Pepton und Propepton fehlt. Die fein gepulverte Schwarzwurzel giebt weder an reines noch an Kaliwasser Albumin ab; Pepton und Propepton fehlen ebenfalls. Seit lange bekannt ist der Eiweissgehalt des aus- gepressten Zuckerrübensaftes; beim Erhitzen des Saftes erfolgt (Gerinnung. In Weintrauben wurden durchschnittlich 0,59% wasserlösliche Proteinstoffe gefunden; bei der Behandlung des Weines im Keller scheiden sie sich allmählich aus. Auch sonst sind in Fruchtsäften wasserlösliche Pro- teiustoffe gefunden worden; in Aprikosen 0,49, in Kirschen 0,67, Pfirsichen 0,G5, Pflaumen 0,40, Zwetschgen 0,78, Birnen 0,36, Aepfeln 0,36 "/q (König, Nahrungs- u. Genuss- Mittel II). Algen sind noch wenig geprüft worden. Bei Spyro- gyra fanden Loew und Verf. gelöstes Albumin (und zwar „actives") vor; der Albumiugehalt ist Schwankungen unterworfen und kann sogar ganz schwinden. In Oscillaria wurde vom Verf. kein mit reinem Wasser extrahirbares Albumin, auch nicht Pepton oder Propepton gefunden. Mit Kaliwasser aber Hess sich Ei- weiss extrahiren. Anders verhält es sich mit den Pilzen und fleisch- fressenden Pflanzen. Sie zeigen in ihrem Stofl'wechsel Aehnlichkeit mit den Thieren; ihre Stoffe gleichen denen der Thiere. Während grüne Pflanzen ihr Kohlehydrat meist in Form von Stärke ablagern, kommt dieser Stoff bei Pilzen ebensowenig vor als bei Thieren; ihr Reserve- kohlehydrat ist das Glycogen. Wenn also Albumosen und Peptone in grünen Pflanzen nicht vorzukommen pflegen, sind deswegen nicht auch die Pilze als frei davon anzusehen. Faktisch ist ein Albumose- und Peptongehalt in Pilzen etwas ebenso gewöhnliches wie bei Thieren, die bekanntlich bei der Verdauung die Eiweissstoffe in Albumose und Pepton verwandeln. Gelöste koagulirbare Eiweissstoöe (Albumine und an- dere) kommen im Pilzreich wie im Thierreich ebenso häufig vor wie bei grünen Pflanzen. Während aber die grünen Pflanzen beim Verbrauch der gelösten Eiweiss- stoffe und der hierzu nöthigen Wanderung von Zelle zu Zelle, Gewebe zu Gewebe, niemals Albumosen und Peptone zu bilden scheinen, sondern viel tiefer stehende einfachere diosmirbare Zersetzuugsprodukte (Asparagin, Glutamin etc.), peptonisiren die Pilze das Albumin durch die in ihnen enthaltenen pepsinähnlichen Fermente und versetzen sie dadurch in einen wanderungsfähigen Zustand. Dass die gelösten Albnminstofie faktisch Reservestoffe sind und bei Gelegenheit verbraucht werden, davon kann man sich an der Presshefe überzeugen. Die Presshefe enthält wasserlöslichen Eiweissstoff, der aus bei 30" getrockneter Hefe nach dem Zerreiben derselben extrahirt werden kann (Bokorny, Zeitsehr. Spir. Ind. 1900). Derselbe ist in der Presshefe in nicht unbe- trächtlicher Menge enthalten. Verf. fand einmal 3,5 %, ein anderes Mal 5,9 "/o der Trockensubstanz an Albumin vor. Um zu sehen, wie sich dieser Alburaingehalt stellt, wenn die Hefe unter mehr oder weniger günstige Vege- tatiousbedingungen gebracht wird, wurden mehrere Nähr- hisuugen hergerichtet, welche 10 "/^ Rohrzucker und 0,5 "/o Monokaliumphosphat, ferner 0,2 "/o Magnesiumsulfat, Spur Chlorkalcium enthielten; eine Stickstoffquelle wurde in einem Falle gar nicht, in Versuch II in Form von 1 " o wein- saurem Ammoniak, in Versuch III in Gestalt von 1 "/o salpetersaurem Ammon zugesetzt; bei einem 4. Versuch wurde der Presshefe nichts als Brunnenwasser dargeboten. Die augewandte Hefe stammte von ein und derselben Portion Presshefe. Die Versuche wurden bei 25" auf- gestellt. Nach dreitägiger Versuchsdauer wurde auf Albumin geprüft, indem die einzelnen Hefekulturen getrocknet zer- rieben, mit Wasser bei gewöhnlicher Temperatur extrahirt wurden; das Eiweiss wurde durch Erhitzen der Lösungen unter Zusatz von Spur Essigsäure zur Auscheidung zu bringen versucht. In der ursprünglichen Presshefe war der Albumingehalt mit 5,9 % bestinmit worden. XY. Nr. 52. Nat urvvissensi Woclienschri l't Es trat hei sämnitliclieii Versuchen ein Verschwinden oder doch wenigstens eine Abnahme der Aibuniinmeng-e in der Hefe ein; die mit weinsaureni Aniinonialc als Sticiistofi'quelle augesetzte Hefe enthielt noch erheblich Albumin, aber weniger wie ursprünglich, bei den übrigen Versuchen war letzteres ganz geschwunden. Da auch mit Brunnenwasser ein rascher Verbranch des Albumins eingeleitet wird, scheint schon das blosse Wässern der Presshefe zu genügen; es ündet damit Zellvermehrung statt und somit Verbrauch der Reservestoffe. Ein solcher ist wohl das Albumin der Hefe wie auch das Pepton derselben. Das Albumin ist auf eine Stufe zu stellen mit dem Glykogen der Hefe und der Stärke der grünen Pflanzen oder dem Eiweissvorrath der Samen ; alle diese Stoffe werden verbraucht, sobald ein lebhaftes Wachsthum stattfindet. Schon im ruhenden Zustande enthält die Pressiiefe neben Albumin stets etwas Pepton und Propepton (Al- bumose); beim Wachsthum wird alles Albumin peptonisirt und damit mobil gemacht für die Bedürfnisse der lieu entstehenden Hefezellen. Wie die Albumin- und Globulinstoffe der Samen bei Keimung mobil gemacht werden, darüber ist viel debattirt worden. Viele nahmen peptonisirende Fermente im kei- menden Samen an und übertrugen diese Meinung sogar auf die anderen (vegetativen) Pflanzentheile. Einige Zeit lang hat man nach den Untersuchungen von Gorup-Besantez bei Wickensamen angenommen, dass die Pflanzen Peptone und Pepton bildende Fermente enthalten. Aber C. Krauch gelang es bei Wiederholung dieser Versuche nicht, mit Siclierheit ein peptonisirendes Ferment in den Pflanzen aufzufinden; auch 0. Kellner und E. Schulze konnten in den Pflanzen kein peptoni- sirendes Ferment nachweisen; Schulze fand allerdings in den Extracten von Keimpflanzen, jungem Gras, von Kartoffel- und Rübensaft Peptone in sehr geringer Menge vor, er ist aber der Ansicht, dass dieselben nicht fertig gebildet in den Pflanzen vorhanden sind. Was die Keimlinge anlangt, so führen die neuesten Untersuchungen, wie es scheint, zu dem Resultat, dass tryptische Fennente bei dem so raschen Eiweisszerfall in keimenden Samen mitwirken. Das Trypsin ist be- kanntlich in der Bauchspeicheldrüse gefunden worden; es zerspaltet die Eiweissstoflfe in einfache Amidokörper. Solche sind nun durch E. Schulze in keimenden Samen stets gefunden worden; Asparagin, Glutamin, Tyrosin, Leucin u. s. w. bilden sich in grosser Menge bei der Keimung der Samen. Wiewohl nun auch dem Protoplasma die Fähigkeit einer solchen Spaltung zugeschrieben werden muss, ist es doch wahrscheinlich, dass tryptische Fermente mitwirken, weil die oft grossen Proteinkörner ohne die überall hindringenden, auch in das Proteinkorn selbst einwandernden Fermente nicht gelöst werden könnten. Th. Bokorny. Wichtige Studien über die Korkwarzeii verdanken wir einer Arbeit von H. Devaux: Recherches sur les lenticelles, etude sur les conditions physiologiques de Taccroissement et de la diflerenciatiou de la cellule et des tissus. Annales des sciences nat. 8 serie, t. XII, 1900, p. 1-240. Mit 6 Tafeln. Bekanntlich sind Korkwarzen oder Lenticellen deut- lich sichtbare Wucherungen au der Oberfläche solcher Zweige, welche sich mit einer Korkhülle umgeben haben. Da mit dem Verlust der Epidermis auch die Spaltöffnungen abgestossen sind, muss ein Ersatz für diese Oeffnungen in der sonst interstitienlos geschlossenen Haut geschaffen werden und dazu dienen die Lenticellen, welche wegen ihrer abgerundeten Zellen Zwischenräume für den Luft- verkehr la.ssen, aber nicht, wie die Spaltöffnungen, regu- lirbare Ventile sind. Devaux erkennt diese Auffassung vollständig an, sucht aber den Nachweis zu führen, dass damit noch nicht die Hauptaufgabe der Korkwarzen erkannt war. Es galt z. Z. als sicher, dass die Korkwarzen Sommer und Winter offen stehen, wenn auch durch Lagen dick- wandigerer Zellen die Interzellularen oft sehr eng waren. Der Beweis für das Offensein dieser Organe wurde so geführt, dass in einen Zweig Luft mit ca. 30 cm Hg Ueberdruck hineingepresst und unter Wasser ein Aus- treten von Luftbläschen beobachtet wurde. Devaux stellte nun eine Reihe von Fällen fest, wo unter Beobachtung der üblichen Vor.sichtsmaassrcgeln bei seinen Versuchen keine Luftblasen austraten, die Lenti- cellen also geschlossen waren. Auch unter dem Mikro- skop konnten an Tangentialschnitten durch solche Kork- warzeu keine Intercellularräume wahrgenommen werden. Zu anderen Zeiten können solche Lcuticellen wieder offen sein, wenn nämlich die Verschlussschichten gesprengt werden. Ueberhaupt stellte D. fest, dass die Lenticellen in einer dauernden Verjüngung begriffen sind. Bringt man die Objecte unter Wasser oder in einen feuchten Raum, so wachsen die Lenticellen, wie bereits bekannt war, mächtig aus. Unsere Fig. 1, welche der Arbeit Devaux' ..^"C^ entlehnt ist, zeigt solche hypertrophirten Gebilde an der Kartoffel. Aber auch an zahlreichen anderen Beispielen könnte mau dasselbe zeigen. Wenn man nun für gewöhnlich nicht so mächtig sprossende Lenticellen findet, so hängt diese Erscheinung damit zusammen, dass die Lenticellen ihre äusseren Theile dauernd abstossen. Man erkennt auch, dass die Korkwarzen (man nennt sie auch Rindenporen) ziemlich allgemein mit den Seiten- organen der Zweige, an welchen sie sitzen, in Beziehung .stehen. So zeigt Fig. 2 ein Zweigstück vom HoUunder, Sam- bucus nigra. Man erkennt ganz deutlich, dass an der JJlattnarbe unter dem jungen Seitensprössehen ebenso wie an der Basis der Adventivwurzeln Lcutieelleu hervorge- brochen sind. Gleiches gilt auch für die Wur/.chi. 80 zeigt Fig. 3 ein Stück der Wurzel von der Luzerne, Medicago sativa. Zum Verständniss der Figur bedarf es wohl keiner nähereu Erläuterung weiter. Endlich muss noch bemerkt werden, dass an Zweigen die Lenticellen besonders gern an den Stellen auftreten, wo im Herbst die Blätter abfallen, aber stets unterhalb dieser Abbruchsstellen. Alle diese und zahlreiche andere Beobachtungen führten Verf. zu dem Schluss, dass den Korkwarzen die Aufgabe zukommt, die innere Feuchtigkeit der Pflanzen zu reguliren, dass es alsd doch nicht Orgaue sind, welche der Ventilnatur entbehren, wie man bisher angenommen hatte. Ist die Innenseite der Lenticelle besonders feucht, so wächst dieses Organ innen, ist sie aussen feucht, so wächst es nach aus.sen. Es sind die Lenticellen also Gebilde, welche ganz prompt auf Abänderungen im Feuchtigkeitsgehalt der umgebenden Luft reagiren. Sie sind auch gleichzeitig ein Centrum mit stark osmotischen Substanzen und dadurch geeignet, Flüssigkeit an sich zu ziehen. Nach Devaux stehen die Lenticellen also mehr im Dienste der Regulirung des Wasserdampfes als des Sauer- stoflzutrittes. Zum Sehluss wollen wir nicht unerwähnt lassen, dass weitere experimentelle Untersuchungen von diesem Ge- sichtspunkt aus mehr Klarheit in die sogenannten Staub- grübchen bei tropischen Farnen bringen werden und sie vielleicht mit den Transpirationsöflfnungen, welche Potonie bei den fossilen Lepidodeudraceeu beschrieben hat, in Parallele setzen werden. R. K. Die Flora unserer deutschen Schutzgebiete In der Südsee behandelt ein grosses Werk, das Professor Dr. K. Schumann*), der bekannte Cacteenmonograph und Dr. K. Lauterbach, Director der Neu Guinea- Compagnie, gemeinsam herausgegeben haben. Damit ist die iJ. Colonialflora über unsere exotischen Be- sitzungen der Oeffentlichkeit übergeben worden; es fehlen jetzt nur noch die westafrikanischen Besitzungen, deren Pflanzenbestand aber noch zu ungenügend bekannt ist, als dass bereits etwas einigermaassen Erschöpfendes zu- sammengestellt werden könnte. Wie wir nachher sehen werden, enthält auch die vor- liegende Flora noch gewaltige Lücken, die erst durch die allmähliche Erforschung des noch fast ganz unbe- kannten Hinterlandes in Neu-Guinea und des Bismarck- Archipels ausgefüllt werden können. Trotzdem war es aber an der Zeit, unsere Kenntniss zur Jahrhunderts- wende zusammenzufassen, um späteren Forschungen die feste Basis zu geben und gleichzeitig die Resultate der Bearbeitung einer Reihe von hochwichtigen neueren Sammlungen zu veröffentlichen. Da die Erforschungsgeschiehte unserer Südsee- besitzungen nicht allzu bekannt sein dürfte, so seieu die wichtigsten Thatsachen daraus aus dem einleitenden Ka- pitel hier wiedergegeben. Die Insel Neu-Guinea wurde von den Portugiesen 1511 entdeckt und in der Folgezeit häufig besucht und ihre Umgrenzung in grossen Zügen festgelegt. Erst um *) Schumann und Lauteibach: Die Flora der deutschen Schutzgebiete in der Südsee. I.eipzig 1901 (Gebr. Bovntraeger'i. Wnrlirllscli die Wende des 17. Jahrhunderts begann sich das Dunkel zu lichten, das über der Pflanzenwelt der grössten Insel der Erde schwebte. Am 1. Januar 1700 betrat Dampier die Küste Neu-Gnineas und sammelte dort einige Pflanzen, die später von Ray bearbeitet wurden. Cook gelangte auf seiner ersten Weltreise ebenfalls nach Neu-Guinea, ohne aber dort Sammlungen anzulegen. Auf der Welt- reise von V. Kotzel)ue, bei der Adalbert v. Cha- misso als Botaniker thätig war, wurden Guahani unter den Mariannen und der Radackarchipcl berührt. 1819 finden wird Gaudichaud auf der Uranie in Neu-Guinea uud den Mariannen thätig. Seine grossen Sammlungen gingen leider durch Schiffbruch zum grössten Theil ver- loren, trotzdem aber ist seine .\usbeute immer noch sehr bedeutend und darum grundlegend für unsere heutigen Kenntnisse. 1822 — 2.0 unternahm Duperry auf der Korvette La Coquille die grosse Reise, auf der Dumont d'Urville bedeutende Sammlungen anlegte. Namentlich wurden die Inseln des Bismarck-Archipels besucht. Derselbe Forscher unternahm dann auf der Astrolabe von 1826—29 eine neue Forschungsreise, die ihn wieder nach NeuMecklen- burg, Neu-Guinea uud Guaham führte. Eine dritte Reise führte Dumont d'Urville nochmals nach den Carolinen und Mariannen Die bekannte, au botanischen Ergebnissen so reiche Reise des Sulphur berührte auch Ncu-Guinea und den Bismarckarchipel. In Neu-Pommern hat dann später Carl v. Hügel eine Pflanzensammlung angelegt, die von Burkill bearbeitet wurde. Vor einem Menschenalter trat die botanische Er- forschung unseres Gebietes mit den Arbeiten Ferdinand V. Müllers in ein neues Stadium. Er beschrieb eine grosse Zahl von Pflanzen aus dem Bismarck-Archipel und von der Astrolabe-Bai. Die umfassendsten Sammlungen aber brachte Naumann auf der Gazellenexpedition zu- sammen. Namentlich die Vegetatiousverhältnisse des Bismarck-Archipels erhielten durch die Notizen dieses trefflichen Sammlers zum ersten Mal eine eingehende Beleuchtung. Die Bearbeitung der Ausbeute durch Eng- ler und die Schilderung der Pflanzenwelt durch Nau- mann selbst brachten unsere Kenntnisse ein gutes Stück vorwärts. Als dann 1884 Neu Guinea zum Theil dem Deutschen Reiche augegliedert wurde, fiel der Haupttheil der wei- teren Erforschung Deutschen zu. Hollrung war der erste, der auch im Inneren des Kaiser Wilhelms-Landes sammelte. Auf Grund seiner Sammlungen gab er mit Schumann zusammen die Flora von Kaiser Wilhelms- Land heraus. Wichtige Sammlungen, die unsere Kenntnisse in ganz ungeahnter Weise bereicherte, legten Warburg und Hellwig au. Durch sie wurde nicht bloss die bis da- hin unbekannte Bergflora von Neu-Guinea näher bekannt, sondern auf Grund derselben begründete auch Warburg sein „Papuasien" genanntes pflanzengeographisches Ge- biet, das er von dem malayischen und pacifischen Gebiet abtrennte. Dahl sammelte endlich auf Neupommern, wodurch auch diese Insel besser bekannt wurde; gleichzeitig wurde auch die Flora der Tamiinseln durch Bamler erforscht. In das letzte Jahr fällt dann endlich die Expedition von Radatz und Klink. Zum Sehluss dieser freilich lückenhaften Skizze sei dann noch der Sammelthätigkeit Lauterbachs, des Mit- verfassers der Flora, gedacht. Auf drei grossen Ex- peditionen, die ihn tief ins Inuere unseres Gebietes auf Neu-Guinea hineinführten, wandte er der Pflanzenwelt ein so hervorragendes Interesse zu, dass seine Sammlungen au Umfang nicht bloss, sondern auch durch die sorgfältige Naturwissensehaftliehe Wochensclirif 621 Pi'äpavation als die besten des Gebietes angesprochen werden müssen. Sie liefern auch, wie man auf jeder Seite cisieiit, die hervorragendste Grundlage für das vor- liegende Werk. Zur Bestimmung des Florencbarakters kommt haupt- sächlich Neu-Guinea in Betracht. Die Karolinen, Ma- riannen und Marschallsinseln beherbergen zum grössten Theil die weitverbreiteten Arten der SUdsee. Der Bis- marck-Archipel bietet dagegen schon bedeutend mehr selbständige Florenelemente. Dieser Endemismus steigert sich bei Neu-Guinea ganz bedeutend, und es ist deshalb die Ansicht berechtigt, dass wir es hier mit einer sehr alten, seit langer Zeit nach aussen hin abgeschlossenen Flora zu thun haben. Dazu kommt noch, dass sich ge- rade diejenigen Phanerogamengruppen, die wir phylo- genetisch als die älteren ansehen, reichlicher entwickelt zeigen als die jüngeren Familien. So fällt z. B. die Ar- muth an Compositen, Labiaten, Asclepiadaceen, Malva- ceen, Tiliaceen, Rosaceen und vielen anderen in tropischen Ländern sonst recht reichlich entwickelten Familien auf. Dagegen ist der Reichthum an Araceen, Palmen, Zingi- beraceen, Piperaceen, Moraceen, Menispermaceen, Anona- ceen, Myristicaceen, Euphorbiaccen, Rubiaeeen u. s. w. auffallend. Gerade aber die letzteren Familien betrachten wir nach unseren jetzigen Kenntnissen als ältere Typen. Allzu weit geilende Schlüsse aus der Vertheilung der Arten auf die einzelnen FamiHen lassen sich vor der Hand noch nicht ziehen, und die Verfasser haben es auch deshalb nicht für angezeigt gehalten, ein allgemeines Ka- pitel über den Charakter der Flora und über den Zu- sammenhang mit der der benachbarten Gebiete zu geben. Wie wenig die Pflanzenwelt bisher in ihrer Zusammen- setzung bekannt ist, mag eine Zusammenstellung zeigen, die auf Grund der Angaben der Flora gemacht ist. Es wurden nämlich bisher von Algen, Pilzen (incl. F'lechten), Moosen und Pteridophyten, über 900 Arten beobachtet, die sich beinahe gleichmässig auf die einzelnen Ab- theilungen vertheilen. Auf die Phanerogamen fallen da- gegen über 1600 Arten, von denen auf die Monocotyle- donen etwas über 400, auf die Choripetalen beinahe 800 und auf die Sympetalen etwas über 400 kommen. Wie man sieht, machen vorläufig die Kryptogamen an Zahl nur wenig mehr als ein Drittel der bekannten Arten aus. In unseren Breiten verschiebt sich das Ver- hältniss auf 3—4 : 1 zwischen Kryptogamen und Phanero- gamen. Nehmen wir nur dies als Richtschnur, so erhellt daraus, dass unsere Kenntnisse von der Kryptogamen- tlora noch in den ersten Anfängen begriffen sind. Aber auch die Phanerogamen zeigen noch gewaltige Lücken. Ein Bestand von 1600 Arten ist für eine tropische Flora so gering, dass wir berechtigt sind, auf mindestens das Doppelte zu schliessen, wenn erst das Innere des Landes besser durchforscht sein wird. Wir werden also gewiss in den nächsten Jahren noch eine bedeutende Erweiterung unserer bisherigen Kenntnisse erwarten können. Der Hauptwerth der Zusammenstellung der Flora eines tropischen Landes liegt deshalb meines Erachtens darin, dass für alle späteren Bearbeiter eine feste Basis für die Benutzung der älteren Litteratur und der älteren Sammlungen geschaffen wird. Gleichzeitig muss man aber auch nicht unterschätzen, dass der praktische Samm- ler einen unendlichen Vortheil von einem solchen Buche hat. Er erhält dadurch ganz bestimmte Winke für eine umfassendere Sammelthätigkeit und kann sich mit leichter Mühe auf das Sammeln von Specialitäten verlegen. Möge daher das Buch nicht bloss ein Ruhepunkt der systemati- schen Wissenschaft sein, sondern vor allem den Anstoss zur weiteren zielbewussten und thatkräftigen botanischen Durchforschung des Landes geben. Lindau (Berlin). Aus dem wissenschaftlichen Leben. Ernannt wurden: Di-. August Gutzmer, Prof. dei- Matho- matik in Jena, seit dem Bestehen der ,,Naturw. Wochfnsclir." Mitarbeiter an derselben, zum Mitglied der deutschen Akademie der Naturforscher in Halle; Geheimer Medizinalrath Dr. Krieger in Strassbui-g zum Kaiserlichen Geheimen Obermedizinalrath; Privatdocent Dr. Boruttau zum Vertreter ' Geheimrath Professor Meissners, Direktors des physiologischen Instituts in Göttingen; Dr. Arthur Kleinschmidt zum Bibliothekar an der herzog- lichen Bibliothek in Dessau; Dr. Diesselhorst zum technischen Hilfsarbeiter an der physikalisch - technischen Reichsanstalt; Dr Delagenifere, zum Professor der chirurgischen Klinik, Dr. L. Thomas zum Professor der chirurgischen Pathologie in Tours. Berufen wurde: Dr. Paul Drude, ordentlicher Professor der Physik in Giessen, nach Tübingen. Es habilitirten sich: Dr. Karl Bruhns für Hautleiden, Dr. Felix Klemperer für innere Medizin, insbesondere Krank- heiten des Kehlkopfes und Dr. Georg Wetzel für Anatomie in Berlin. In den Ruhestand tritt: Dr. Friedrieh Goltz, ordentlicher Professor der Physiologie zu Strassburg. Es starben: Prof. S. J. Korsohinski, früher Direktor des botanischen Museums der Akademie der Wissenschaften in Peters- burg und erster Botaniker des kaiserlichen botanischen Gartens daselbst; Hofrath Dr. Joseph Förstern an n, Oberbibliothekar an der Universitätsbibliothek zu Leipzig; Obermedizinalrath Dr. Paul von Sick, Hospitalarzt und Mitglied des Medizinal- collegiums in Stuttgart. V. Internationaler Zoologen-Congress in Berlin, 12. bis 16. August 1901. — Schon seit mehreren Jahren haben die Zoo- logen von Zeit zu Zeit internationale Versammlungen veranstaltet. Der erste dieser Congresse fand in Paris 1889, der zweite in Moskau 1892, der dritte in Leyden 1895, der vierte in Cambridge (England) 1898 statt. Auf diesem letzten Congresse wurde be- schlossen, den darauf folgenden im Jahre 1901 in Deutschland zu veranstalten. Die dazu ermächtigte Deutsche Zoologische Ge- sellschaft wählte zum Versammlungsorte Berlin, zum Vor- sitzenden des Congresses Herrn Geheimen Regierungsrath Prof. Dr. K. Moebius in Berlin, zu seinem Stellvertreter für den Fall der Behinderung Herrn Geheimen Regierungsrath Prof. Dr. Franz Eilhard Schulze in Berlin. Als Zeit der Tagung wurde die Mitte des August festgesetzt, vom 12.— 16. August 1901. Den vor- bereitenden Ausschuss bilden folgende Herren: Geheimrath Prof. Dr. K. Moebius, Direktor der izoologischen Sammlung des Museums für Naturkunde, Vorsitzender des Congresses, Geheimrath Professor Dr. F. E. Schulze, Direktor des zoologischen Instituts, Stellver- treter des Vorsitzenden, Paul Matschie, Custos am Museum für Naturkunde, Schriftführer, Dr. H. Meissner, Custos am Museum für Naturkunde, Schriftführer, Dr. G. Hartmeyer, wissenschaft- licher Hilfsarbeiter am Museum für Naturkunde, Schriftführer, Hermann Schale w, Schatzmeister, Otto Stutzbach, Rechnungs- rath, Schatzmeister, Prof. Dr. L. H. Plate, Privatdocent an der Universität, Obmann des Vortrags-Ausschusses, Dr. L. Heck, Direktor des zoologischen Gartens, Obmann des Wohnungs- und Etnpfangs-Ausschusses, Prof. Dr. O. Jaekel, Privatdocent an der Universität, Custos am Museum für Naturkunde, Obmann des Ver- gnügungs-Ausschusses. Die Versammlungen und Vorträge werden im Museum für Naturkunde und in anderen unweit davon ge- legenen Universitäts-Instituten stattfinden. An den Congress soll sich ein Ausflug nach Hamburg zur Besichtigung des dortigen Naturhistorischen Museums und Zoologi'^chen Gartens und nach Helgoland anschliessen. Folgende Herren haben sich bereit er- klärt, über die nachstehenden Themata in den Versammlungen zu sprechen: Geheimer Bergrath Prof. Dr. Branco (Berlin): „Fossile Menschenreste". Geheimrath Prof. Dr. Hütschli (Heidelberg): „Vitalismus und Mechanismus." Prof. Dr. Yves Dolage (Paris): „Les theorics de la fecondation." Prof. Dr. A. Forol (Morges): „Die psychischen Eigenschaften der Ameisen." Prof. Dr. Grassi (Rom): ,. Das Malariaproblem vom zoolo-isrhcn St:iiiil|mnkte mi.s." Prof. Dr. E. B. Poulton (Oxford): ,Miiinriy anl iiit.inil ^.Irrti. .,,.'' Die Anmeldung von weiteren Vonr,i:;iii un^l Anha-eii, HeKliu den Congress betreffen, werden au dus l'nisiJiuiii des \ . Inter- nationalen Zoologen-Congresses Berlin N. i, Invalideustrasse 43, erbeten. Die Thoilnahine an dem Congress steht jedem Zoologen und Freunde der Zoologie frei. Ein ausführlicheres Programm wird in nächster Zeit vorsendet werden. Litteratur. Dr. Karl Kraepelin, Naturstudien im Garten. Plaudereien am Sonntag Nachmittag. Ein Buch für die Jugend. Mit Zeich- nungen von 0. Schwindrazhcim. Leipzig, Druck und Verlag von'^B. G. Teubncr. 1901. - Preis geb. 3,60 M. 622 Naturwissensehaftliche Wochenschrift. XY. Nr. 5J In Plauderform zwischen Vater („Dr. Elirhardt'') und seinen Söhnen belehrt der Vorf. in dem Buch elementar über häufige Erscheinungen aus der Thier- und Pflanzenwelt im Garten; er be- müht sich an das nahe Liegende, der Jugend geläufige anzuknüpfen und versucht sie zu einer tieferen Auffassung des Naturganzen hinzuleiten. Dr. F. Hock, Pflanzen der Kimstbestände Norddeutschlands als Zeugen für die Verkehrsgeschichte unserer Heimath. Eine jiManzengeographische Unt' i-^iichung. Stuttgart, J. Engel- h(irn, l'.tOO. Forschungen zur fleutschen Landes- und Volks- kunde, XIII, Heft 2. - Preis 2.40 Mk. In Bd. V, Heft 1 der Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde behandelte ich 1891 die Nährpflanzen Mittel- europas nach ihrer Herkunft und Verbreitung innerhalb des Ge- biets. Bei einer Besprechuni; dieser Arbeit sprach Prof. Drude den Wunsch aus, die Arbeit möchte ergänzt werden durch eine, in welcher die Oel- und Fa-L-rpflanzen in gleicher Weise behandelt würden. Dies war die er^te Veranlassung zu obiger Arbeit, um deren Selbstbesprechuni; mich der Herausgeber dieser Zeit- schrift bat. Durch eine Untersuchung über die „Kräuter Norddeutsch- lands", die ich in Eni,'Ier's botanischen Jahrbüchern (Bd. XXI, 1896) veröfi'entlichte, war ich zu der Ansicht gelangt, dass die Mehrzahl unserer kvautartigen (hapaxanthen) Gewächse bei uns durch den Menschen eingeführt, also nicht urwüchsig seien, da sie meist nur in Kunstbeständen (d. h. erst durch den Menschen erzeugten Beständen [Aeckern, Gärten, Wegen, Schutthaufen u. s. w.]) auftreten. Es war daher längere Zeit mein Wunsch, auch die ausdauernden Pflanzen jener Bestände bezüglich ihrer Herkunft zu prüfen. Daher vereinte ich beide Untersuchungen in vorliegender Arbeit. Der erste Abschnitt behandelt die heutigen Anbaupflanzen Norddeutschlands mit Ausnahme der Nährpflanzen, doch wesent- lich kürzer als diese in der früheren Arbeit besprochen waren, da nur wenige nicht zu den Nährpflanzen gehörige Gewächse bei uns ihres Nutzens wegens in sehr ausgedehntem Maasse gebaut werden, also wirklich wesentlichen Einfluss auf die Geschichte unseres Volkes ausgeübt haben, während ein solcher Einfluss für einige -Vährpflanzen (Kartoff'eln, Getreide) bedeutender ist. Am Schluss dieses Abschnitts gab ich eine nach Pflanzenreichen ge- ordnete Uebersicht über die Heimath unserer wichtigsten Nutz- pflanzeu, mit der ich, um ein Gesammtergebniss darüber zu er- halten, die ähnlich berechneten Zahlen der früheren Arbeit (nach einigen inzwischen nöthig gewordenen Aenderungen) vereinte. Es ergab sich, dass nur 36 unserer Nutzpflanzen in dem nordischen Pflanzenreich, zu dem unser Gebiet gehört, ihre Heimath haben, während 62 aus dem mittelländischen Pflanzenreich zu stammen scheinen. Von den anderen Pflanzenreichen scheinen die Ur- heimath oder das erste Anbaugebiet zu sein für 90 Nutzpflanzen das tropische Amerika, für 9 Mittelasien, für je 4 Nordamerika und Indien, für 3 das andine Pflanzenreich und für 2 Ostasien, während Madagascar, Australien. Neu-Seeland, Süd-Afrika und das südlichste Südamerika (das antarktische Pflanzenreich) keine Nutzpflanze von grösserer Bedeutung dauernd in unsere Züch- tungen lieferten (ganz vereinzelt z.B. den neuseeländischen Spinat.) Der folgende Abschnitt behandelt in aller Kürze „einst an- gebaute Pflanzen", da die Mehrzahl von ihnen in Fischer-Benzon's altdeutscher Gartenflora ausführlicher besprochen sind. Der dritte und weitaus umfangreichste Abschnitt wurde einer Untersuchung über die „Unkräuter" gewidmet, d h. über die Pflanzen, die ohne den Willen des Menschen in Kunstbeständen auftreten. Zunächst wurden von diesen am ausführlichsten die schon vor Mitte des 19. Jahrhunderts bei uns gefundenen Arten behandelt. Um eine Eintheilung der grossen Schaar zu ermög- lichen, theilte ich sie zum Theil im Anschluss an eine Uebersicht über solche Pflanzen von Prof. Aseherson in Leunis-Frank, Synopsis der Pflanzenkunde! in Ackerunkräuter, Gartenunkräuter und Ruderalpflanzen ein. War diese Eintheilung schon nicht streng durchführbar, so galt dies noch mehr von der Welteroin- theilung der ersten und dritten, der beiden umfangreicheren unter dieser! Gruppen in vermuthlich im Gebiet ursprüngliche, „schon im Mittelalter eingeführte (richtiger „schon im Mittelalter bei uns erwiesene"), und erst in der Neuzeit uns zugeführte. Gegen diese auch von mir sofort als sehr unsicher bezeichnete Eintheilung lassen sich viele Einwendungen machen. Erfreulich wäre, wenn diese aber sich nicht in allgemeinen Redensarten bewegten, sondern mit einiger Sicherheit nachgewiesen würde dass die eine oder andere Art einer anderen Gruppe angehörte als der, welcher sie hier beigefügt ist. Wenn so d ese Arbeit zu weiteren Forschungen Anlass gebe, würde es mir nur eine Freude sein, den Nachweis zu erhalten, dass ich in einzelnen Punkten geirrt hätte. Denn die Angaben dieser Arbeit sollen nicht „unbestreit- bare Dogmen" sein, sondern die Thatsachen nur so darstellen, wie sie nach unserer jetzigen Kenutniss mir am wahiselieiulichsten' vorkommen. An den mir leider von Angesicht wenig bekannten Salzstellen des Binnenlandes, vielleicht auch an einigen Oedstellen, werden wir wohl ähnlich wie an den mir besser bekannten Meeres- ufern manches unserer „Unkräuter' wildwachsend, also „ur- wüchsig" finden, das hier als „muthmaasslich eingeführt" wegen seiner Verwandtschaftsverhältnisse bezeichnet wurde. Der zweite Theil des dritten Hauptabschnitts behandelt dann die Neuankömmlinge der letzten 5 Jahrzehnte, die in weit grösserer Ausführlichkeit von mir in einer im Erscheinen be- griftenen Arbeit im Bot. Centralblatt für ganz Mitteleuropa be- handelt werden; in dieser sind schon jetzt einige Ergänzungen zu dieser kurzen Aufzählung zu finden. Am Schluss werden dann die Gesammtergebnisse zusammen- gestellt. Wenn auch die einzelnen Zahlen nach dem Gesagten durch Fortschritte der Forschung sehr sich ändern werden, so wird das Gesammtergebniss doch das gleiche bleiben. Wie die Mehrzahl der Nutzpflanzen den Mittelmeerländern entstammt, so gilt dies auch von den meisten längst eingebürgerten Unkräutern, schon geringer, aber doch noch ziemlich gross ist die Zahl der bei uns heimischen Unkräuter, während aus anderen Gebieten vor 50 Jahren noch nur wenig Arten bei uns eingebürgert waren. Wie die immer wachsende Zahl der Zierpflanzen schon viele Arten anderer Pflanzenreiche nach und nach aufweist, was namentlich durch Krauss 1894 ausführlich dargelegt ist, so thut das im Ver- hältniss zur Zunahme des Verkehrs auch die Zahl der Neuan- kömmlinge unter den Unkräutern; kein Erdtheil liefert den Ver- kehrsverhältnissen entsprechend mehr davon als Nordamerika. „Wie die Geschichte der Menschheit lehrt, dass der Zug der Cuitur wesentlich von Osten nach Westen strömte, so hat auch die Pflanzenwanderuug wesentlich in dieser Richtung stattgehabt; aber auch die umgekehrte Richtung, die sich heute in der neuesten Geschichte der Völker deutlich geltend macht, können wir in der Pflanzengeschicto der letzten Jahrzehnte wieder erkennen. Wie aber Nordamerika fast der einzige Erdtheil (allenfalls neben Süd- und Ostasien) ist, der schon jetzt auf die Geschichte der Völker Europas von Einfluss ist, so sehen wir auch fast ausschliesslich einige (doch von einflussreicheren an Zahl nur noch wenige) uordamerikanische Pflanzenarten (neben einer ostasiatischen) in unseren Kunstbeständen heute schon völlig eingebürgert; immer noch herrscht in beiden Fällen der orientalisch südeuropäische Einfluss (wie leider auch auf geistigem Gebiete z. B. in den höheren Schulen) weitaus vor. In diesem Sinne ist die Geschichte der Pflanzen der Kunstbestände ein Abbild von der Geschichte der Kulturvölker. Für unser Heimathland Norddeutschland können die in Kunstbeständen beobachteten Gewächse uns deutlich als Zeugen für die Gescliichte des Acker- und Gartenbaus sowie der Handelsbeziehungen unseres Volkes dienen." Diese Worte, in die die Hauptergebnisse am Schluss der Ar- beit zusammengefasst werden, hofl'e ich auch dann behaupten zu können, wenn manche Einzelheit der Arbeit als falsch nachge- wiesen wird. Sie könnten dann zeigen, dass ein Analogieschluss auch dann berechtigt ist, wenn nicht alle einzelnen Prämissen, auf die er aufgebaut ist, streng nachgewiesen sind, da es sich ja um eine unvollständige Induction dabei handelt. Eine Aenderung der Prämissen würde wohl eine Erweiterung der Hypothese, nicht aber einen Sturz bedingen (vergl. Bot. Centralbl. LXIII, 1S9.5, No. 36/;i7). Aus dem Grunde hofl'e ich, dass die Arbeit auch dann nicht werthlos ist, wenn Einzelheiten durch die Fortschritte der Wissenschaft als falsch erwiesen werden. Hock (Luckenwalde). Prof. Dr. Karl Eckstein, Der Kampf zwischen Mensch und Thier. Aus Natur- und üeisteswelt. Sammlung wissenschaft- lich-gemeinverständlicher Darstellungen aus allen Gebieten des Wissens. 18 Bändehen. Mit 31 Abbildungen. B. G. Teubner in Leipzig, 1900. - Preis geb. 1,15 Mk. Die umfassenden Maassregeln, die von Seiten des Menschen getrott'en werden, für welche in der neuesten Zeit die Staats- verwaltungen grosse Mitlei bereit stellen, um Versuchstationen, Auskunftstellen zu unterhalten, zeigen, welche hohe wirthschaft- liche Bedeutung jetzt allerseits }fc unb bie gijfterumelt. Seil 1 7, 178 S., geb. 1 5(Kf. — 3lbftamminig^lcl)re unb ©orroinigmuä. Seil 18, 128 ©-., geb. 0,80 9)Jf. — «on ber (£rt)oltung ber traft. Seil 19, 104 ©., geb. 0,60 9Wt. — Die Entmictelung ber Seteud)tung§tec6nif. S?lima= tologie. Seil 20, 162 ©., geb. 1 9Kt. — ?Die 9Jaturiuiffenfd)aft im Erroerbsleben. SBiffenidinft uub *4äl)ilüfopl)ie. Seil 21, 92 ©., gcb, 0,60 9J». Die Erneuerung des Abonnements wird den geehrten Abnehmern dieser Wochenschrift liierdurch in geneigte Erinnerung gebracht. Die Verlagsbuchhandlung. iseratentheil M-liii SW. 1:^ Verantwortlicher Redacteur Hugo Bernstein in Berlin. Professor Dr. Henry Potoniti, Gr. Lichterfelde -West bei Berlin, Potsdaraerstr. 35, für - Verlag: Ferd. DüMimlers Verlagsbuchhandlung, Berlin SW. 12. - Druck: G Bernst ■Ä ■Ifp' €t$tl«f 'v\"-;)/ V ;.Ä.:M :^'^M i>'^>-;«: .-w^- >r'L,V >Äk^..% i-*>.,"^'